Prävention von Entwicklungsstörungen
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Prävention von Entwicklungsstörungen herausgegeben von
Waldemar von Suchodoletz
GÖTTINGEN · BERN · WIEN · PARIS · OXFORD · PRAG TORONTO · CAMBRIDGE, MA · AMSTERDAM · KOPENHAGEN
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Prof. Dr. med. Waldemar von Suchodoletz, geb. 1944. 1963-1969 Studium der Humanmedizin in Leipzig und Berlin. Anschließend Ausbildung zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Rostock und Subspezialisierung auf dem Gebiet der Kinderneuropsychiatrie. 1970 Promotion. Ausbildung in Psychotherapie und Erwerb des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. 1984 Habilitation. 1987-1993 Leiter der Abteilung für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters an der Medizinischen Akademie in Erfurt. Seit 1993 Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiter der Abteilung für Entwicklungsstörungen. Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Sprachentwicklungs- und Lese-Rechtschreib-Störungen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2007 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG Göttingen • Bern • Wien • Paris • Oxford • Prag Toronto • Cambridge, MA • Amsterdam • Kopenhagen Rohnsweg 25, 37085 Göttingen http://www.hogrefe.de Aktuelle Informationen • Weitere Titel zum Thema • Ergänzende Materialien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Umschlagbild: © Bildagentur Mauritius, Mittenwald Gesamtherstellung: Druckerei Kaestner GmbH & Co. KG, Rosdorf Printed in Germany Auf säurefreiem Papier gedruckt ISBN: 978-3-8017-1980-7
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Vorwort Entwicklungsstörungen können zu einer erheblichen Reduzierung der Lebenschancen eines Kindes führen. Frühförderstellen, sozialpädiatrische Zentren, niedergelassene Therapeuten unterschiedlicher Disziplinen, Sonderpädagogen und manch andere Fachleute sehen ihre zentrale Aufgabe darin, durch eine Förderung bzw. Behandlung entwicklungsauffälliger Kinder eine Kompensation der Beeinträchtigungen und damit eine Verbesserung der Entwicklungsmöglichkeiten zu erreichen. Wenn sich Leistungseinbußen aber erst einmal manifestiert haben, ist eine Therapie und Rehabilitation langwierig, für die Betroffenen strapazierend und für die Gesellschaft kostenintensiv. Bei ausgeprägten Entwicklungsstörungen sind zudem die erreichbaren Behandlungsergebnisse selbst bei optimalen Förder- und Therapieangeboten begrenzt. Wesentlich effektiver als eine Therapie und Förderung ist eine Verhinderung des Auftretens einer Störung durch präventive Maßnahmen. Vorbeugung von Entwicklungsstörungen ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Manche Störungsbilder – wie geistige Behinderungen infolge einer Phenylketonurie oder choreoathetotische Bewegungsstörungen durch eine Neugeborenen-Gelbsucht – sind durch eine Prävention praktisch verschwunden. Das Auftreten anderer Entwicklungsstörungen ist allerdings nach wie vor kaum zu verhindern und deren Häufigkeit hat sich bis heute kaum verändert. Die Bedeutung von Prävention wird weltweit zunehmend erkannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief das Präventionsprogramm „Gesundheit für alle 2000“ ins Leben und in Deutschland ist ein Präventionsgesetz in Vorbereitung, das Vorbeugung zu einem festen, gesetzlich verankerten Bestandteil der Gesundheitsversorgung machen soll. Während derzeit nur etwa 10 % der Gesundheitsausgaben für Prävention zur Verfügung gestellt werden, soll es zukünftig ein deutlich höherer Anteil sein. Von einer verbindlichen Regelung verspricht sich der Gesetzgeber nicht nur eine Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung, sondern auch Einsparungseffekte. Prävention soll einen erheblichen Teil der heutigen Gesundheitsausgaben für Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege überflüssig werden lassen. Anliegen des Buches ist es, für die Prävention von Entwicklungsstörungen Bilanz zu ziehen und die Effektivität einzelner Interventionen kritisch zu hinterfragen. Die Schwerpunkte vorbeugender Aktivitäten haben sich in den letzten Jahren deutlich verschoben. Anfangs standen medizinische und hygienische Maßnahmen im Mittelpunkt, während in letzter Zeit psychosoziale Aspekte zunehmende Beachtung finden. Dementsprechend werden im Buch nicht nur Möglichkeiten zur Vorbeugung motorischer und kognitiver Entwicklungsstörungen besprochen, sondern insbesondere auch Anstrengungen zur Verhinderung emotionaler Störungen und von Fehlentwicklungen des Bindungs- und Sozialverhaltens. Wir hoffen, dass das Buch dazu beiträgt, effektiven Präventionsprogrammen zu einer flächendeckenden Verbreitung zu verhelfen. Durch eine konsequente Vorbeugung könnten vielen entwicklungsgefährdeten Kindern zeitaufwändige
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Vorwort
und belastende Interventionen erspart und eine unkompliziertere Kindheit ermöglicht werden. Wesentlich haben Frau Maier und Frau Feil zur Erstellung des Manuskripts beigetragen. Sie haben unermüdlich und mit großer Zuverlässigkeit zahlreiche Arbeiten, wie Korrekturen und Literaturrecherchen übernommen. Hierfür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. München, November 2006
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V 1.
Möglichkeiten und Grenzen von Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Waldemar von Suchodoletz
2.
Prävention motorischer Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Harald Bode
3.
Prävention von kognitiven Entwicklungsstörungen und geistiger Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Dieter Karch
4.
Prävention umschriebener Sprachentwicklungsstörungen . . . . 45 Waldemar von Suchodoletz
5.
Prävention von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten . . . . . . . . . 81 Petra Küspert, Jutta Weber, Peter Marx & Wolfgang Schneider
6.
Prävention von Rechenstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Kristin Krajewski & Wolfgang Schneider
7.
Prävention von Angststörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Judith Blatter & Silvia Schneider
8.
Prävention von Interaktionsstörungen in Familien mit autistischen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Paul Probst
9.
Prävention von emotionalen und Bindungsstörungen . . . . . . . 167 Karl Heinz Brisch
10. Prävention von kindlichen Verhaltensstörungen mit dem Triple P-Elterntraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Kurt Hahlweg & Nina Heinrichs 11. Faustlos für Kindergarten und Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Manfred Cierpka 12. Prävention von Störungen des Sozialverhaltens – Entwicklungsförderung in Familien: das Eltern- und Kindertraining EFFEKT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Friedrich Lösel, Stefanie Jaursch, Andreas Beelmann & Mark Stemmler
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Inhalt
13. Entwicklungsbezogene Prävention dissozialer Verhaltensprobleme: Eine Meta-Analyse zur Effektivität sozialer Kompetenztrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Andreas Beelmann & Friedrich Lösel 14. Prävention sozial-emotionaler Störungen bei Kindern mit Behinderung (PESS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Johannes Bach Die Autorinnen und Autoren des Bandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
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Möglichkeiten und Grenzen von Prävention Waldemar von Suchodoletz
Gliederung 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung präventiver Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzen von Prävention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anforderungen an Präventionsprogramme . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.1 Begriffsbestimmung Prävention bedeutet Vorbeugung oder Verhütung (lat. prä-venire = zuvorkommen). In der Medizin wird synonym auch der Begriff Prophylaxe benutzt. Prävention überschneidet sich mit Gesundheitsförderung. Für letztere wurde 1986 mit der Ottawa-Charta von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein umfassendes Konzept erarbeitet, das später in mehreren Folgekonferenzen präzisiert wurde. Prävention und Gesundheitsförderung haben gemeinsam das Ziel, die Häufigkeit von Erkrankungen, Störungen und Behinderungen zu reduzieren. Beide Begriffe unterscheiden sich hinsichtlich des theoretischen Hintergrunds. Prävention ist mit dem Konzept der „Pathogenese“ verbunden. Durch eine Beseitigung oder Verringerung von Gesundheitsrisiken, die im Individuum oder im Umfeld liegen können, sollen Störungen bzw. deren Auswirkungen eingedämmt werden. Gesundheitsförderung hingegen geht vom Gedanken der „Salutogenese“ aus. Eine Reduktion von Erkrankungen wird durch eine Aktivierung individueller und gesellschaftlicher Ressourcen angestrebt. Maßnahmen zur Prävention und zur Gesundheitsförderung ergänzen sich somit (BZgA, 2001; Naidoo, 2003). Die große Bedeutung von Prävention ist heute unbestritten. Eine seit Jahrzehnten kontinuierlich zunehmende Verlängerung der Lebenserwartung und Verbesserung der Lebensqualität geht vorwiegend auf Prävention und weniger auf eine erfolgreiche Behandlung von Erkrankungen zurück. Zahlreiche präventive Maßnahmen sind inzwischen allgemein akzeptiert und zu selbstverständlichen Bestandteilen unseres Alltags geworden. Weit verbreitet sind z. B. allgemeine Hygiene zur Verminderung des Infektionsrisikos, Jodzugabe zum Trinkwasser und Speisesalz zur Vorbeugung eines Schilddrüsenkropfes, Vitamin-D-Gabe im ersten Lebensjahr zur Verhinderung einer Rachitis und das Vermeiden der Bauch-
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lage bei Säuglingen zur Prävention des plötzlichen Kindstods. Bemühungen um eine ausgewogene Ernährung und um mehr Bewegung sowie um eine Verminderung schädigender Faktoren (Rauchen, Alkohol, Drogen) gehören ebenso dazu. Andere gleichfalls äußerst wirksame Präventionsmaßnahmen, wie Impfungen, werden hingegen immer noch kontrovers diskutiert. Trotz der beeindruckenden Erfolge präventiver Maßnahmen, die deutlich über denen üblicher medizinischer Behandlungen liegen, finanzieren unsere Sozialsysteme vorwiegend die Therapie und Rehabilitation manifester Erkrankungen. Für Krankheitsbehandlung wird derzeit zehnmal so viel ausgegeben wie für Prävention. Erst in den letzten Jahren ist in der Politik, angestoßen durch ökonomische Zwänge, ein Umdenken zu beobachten. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen macht es erforderlich, Einsparungen durch eine Vermeidung von Krankheits- und Krankheitsfolgekosten zu erreichen. Auf der Homepage des Bundesministerium für Gesundheit heißt es dementsprechend: „Ein Großteil der heutigen Gesundheitsausgaben lässt sich durch aktive individuelle Vorbeugung und nachhaltige Präventionsstrategien vermeiden.“ Und Klotz et al. (2006) versehen ihre Arbeit zur Prävention und Gesundheitsförderung mit dem Untertitel: „Nur mit der Umsetzung präventiver Strategien können die sozialen und ökonomischen Herausforderungen des veränderten Krankheitsspektrums bewältigt werden.“ Gegenwärtig ist geplant, durch ein Präventionsgesetz Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung neben Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege zu einer eigenständigen Säule im Gesundheitssystem werden zu lassen. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, die Versicherungsträger zur Finanzierung präventiver Maßnahmen zu verpflichten, Präventionsziele zu definieren und Qualitätsstandards festzulegen.
1.2 Einteilung präventiver Maßnahmen Präventionsmaßnahmen lassen sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten kategorisieren (vgl. Tab. 1). Am häufigsten verwendet wird eine Einteilung nach den Interventionszeitpunkten (Hurrelmann et al., 2004; Walter, 2003). Tabelle 1: Kategorisierung von Prävention Einteilung nach Interventionszeitpunkten
– Primäre Prävention – Sekundäre Prävention – Tertiäre Prävention
Einteilung nach Ansatzpunkten
– Personale Prävention (Verhaltensprävention) – Strukturelle Prävention (Verhältnisprävention)
Einteilung nach Zielgruppen
– Universelle Prävention – Selektive Prävention – Indizierte Prävention
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Eine primäre Prävention soll das Auftreten einer Störung durch die Beseitigung der Ursachen verhindern. Eine sekundäre Prävention beinhaltet eine Frühbehandlung von Erkrankungen. Sie setzt ein, wenn erste Vorboten einer Erkrankung beobachtet werden und hat zum Ziel, die Manifestation ausgeprägter Symptome zu verhindern. Bei der tertiären Prävention geht es um eine Vermeidung von Verschlechterungen und Folgeschäden bei bereits bestehenden Störungsbildern. Viele Maßnahmen der kurativen Medizin sind auch tertiär präventiv wirksam, indem Komplikationen und Verschlechterungen abgewendet werden. Wenn z. B. nach einem Schädel-Hirn-Trauma durch die Sicherstellung der Vitalfunktionen oder eine Senkung des Hirndrucks sekundäre Hirnschädigungen verhütet werden, so verhindern diese Interventionen das Auftreten von Komplikationen, ohne dass die Behandlung als Präventivmaßnahme ins Auge fällt. Auch eine Rehabilitation, die durch eine Vermeidung des Einschleifens falscher Verhaltens- oder Bewegungsmuster zur Verhütung einer Verschlechterung beiträgt, gehört in den Bereich der tertiären Prävention. Therapie, Rehabilitation und Tertiärprävention sind somit nicht scharf voneinander abzugrenzen. Eine andere Unterteilung präventiver Maßnahmen unterscheidet danach, an welcher Stelle die Interventionen ansetzen. Bei der strukturellen Prävention (Verhältnisprävention) werden Bedingungen in den verschiedenen Lebensbereichen der Kinder (Familie, Kindereinrichtung, Freizeit, weiteres Umfeld) möglichst risikoarm gestaltet. Umwelt zentrierte Präventionsmaßnahmen sind sehr erfolgreich und haben erheblich zu einer Reduktion von Entwicklungsrisiken beigetragen. Durch eine personale Prävention (Verhaltensprävention) sollen Kinder und Jugendliche durch Aufklärung, Verhaltensmodifikation, Stärkung der Persönlichkeit oder auch durch Sanktionen dazu motiviert werden, Risiken zu vermeiden und sich gesundheitsfördernd zu verhalten. Da sich Einstellungen und Verhaltensnormen aber nur langsam und nur bei einer intensiven und lang anhaltenden Intervention verändern, sind die Erfolge der personalen Prävention oft enttäuschend. Präventionsprogramme im Rahmen einer universellen Prävention streben eine Einbeziehung der Gesamtbevölkerung an. Zielgruppen einer selektiven Prävention sind definierte Bevölkerungsgruppen mit besonderen Risiken. Eine indizierte Prävention ist für Einzelpersonen gedacht, wenn erste Anzeichen einer Störung beobachtet werden, ohne dass bereits eindeutige Krankheitssymptome vorhanden sind.
1.3 Nutzen von Prävention Durch Präventionsmaßnahmen ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, das Auftreten zahlreicher Erkrankungen des Kindesalters, von denen viele mit Entwicklungsstörungen einhergehen, zu verhindern. Trotz der beeindruckenden Erfolge stehen allerdings manche Eltern einzelnen Programmen zur primären Prävention skeptisch gegenüber und vorbeugende Maßnahmen wie Impfungen werden abgelehnt. Beispiele für besonders erfolgreiche Präventionsmaßnahmen sind Impfungen zur Vermeidung von Infektionskrankheiten sowie eine intensive Überwachung
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von Schwangerschaft, Geburt und frühkindlicher Entwicklung zur Früherkennung von Risiken bzw. ersten Symptomen. Infektionskrankheiten, insbesondere diejenigen die durch Viren hervorgerufen werden, können zu Schädigungen des Nervensystems führen. Durch Impfprogramme, eine Expositionsprophylaxe (Desinfektion, Sterilisation, Isolierung von Erkrankten) und eine Verminderung der allgemeinen Infektanfälligkeit (Verbesserung der Ernährung u. a.) haben Infektionen manches von ihrem Schrecken verloren. In diesem Zusammenhang ist auch die Zahl der im Rahmen von Infektionserkrankungen auftretenden Entwicklungsstörungen deutlich zurückgegangen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für den Erfolg von Impfaktionen ist die Prävention der Rötelnembryopathie. Rötelninfektionen der Mutter in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten führen in ca. 25 % der Fälle zu embryonalen Schädigungen. Entwicklungsstörungen des Zentralnervensystems treten bei jedem zweiten der betroffenen Kinder auf. Rötelnimpfungen haben diese schwerwiegende Erkrankung in Europa nahezu in Vergessenheit geraten lassen. Für die primäre Prävention von Entwicklungsstörungen sind Vorsorgeuntersuchungen während Schwangerschaft, Geburt und frühkindlicher Entwicklung von ähnlich weit reichender Bedeutung wie die Impfprogramme. Durch eine regelmäßige Überwachung des Gesundheitszustands der Schwangeren können Risiken für das Kind frühzeitig erkannt und in vielen Fällen abgewendet werden. So lässt sich durch die rechtzeitige Diagnostik und Behandlung einer drohenden Frühgeburt, einer Stoffwechselentgleisung oder eines Mangelzustandes verhindern, dass beim Kind schon im Mutterleib eine Schädigung des Gehirns mit den entsprechenden Beeinträchtigungen der späteren Entwicklung auftritt. Während der Geburt können insbesondere Hirnblutungen infolge zu starker mechanischer Belastungen beim Durchtritt des Kopfes durch den Geburtskanal sowie Sauerstoffmangel zu Hirnschädigungen führen. Eine laufende Überwachung von Wehentätigkeit und Herzfrequenz des Kindes – bei der Geburtsüberwachung inzwischen Routine – lassen Gefährdungen frühzeitig erkennen. Dadurch können therapeutische Maßnahmen ergriffen werden, bevor irreversible Hirnschädigungen eingetreten sind. Entscheidend für den Erfolg sekundärer Präventionsmaßnahmen ist eine Früherkennung von Entwicklungsstörungen. Hierzu wurden 1971 die Kindervorsorgeuntersuchungen (U-Untersuchungen) deutschlandweit etabliert und in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Vorsorgeuntersuchungen des Kindes beginnen gleich nach der Geburt (U1) und werden bis zum mittleren Schulalter (J1 im 14. Lebensjahr) in regelmäßigen Abständen wiederholt. Ziel der ersten U-Untersuchungen ist es, Gefährdungen des Kindes zu erkennen und durch deren Beseitigung Schädigungen zu vermeiden bzw. zu minimieren. Die späteren U-Untersuchungen dienen insbesondere der Früherkennung von Entwicklungsauffälligkeiten und damit der Sekundärprävention. Bei den letzten Vorsorgeuntersuchungen stehen nicht organische Erkrankungen, sondern funktionelle, emotionale und Verhaltensauffälligkeiten im Mittelpunkt des Screenings. Wie die Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen und welche Konsequenzen aus auffälligen Befunden abzuleiten sind, wird durch Richtlinien des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung festgelegt (Allhoff et al.,
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1991). Doch obwohl die U-Untersuchungen eine Beurteilung von zahlreichen Entwicklungsbereichen in regelmäßigen Abständen vorsieht, wird das Ziel der Früherkennung häufig nicht erreicht. Bei der Vorbeugung von Entwicklungsstörungen hinkt die Praxis den vorhandenen Möglichkeiten deutlich hinterher.
1.4 Anforderungen an Präventionsprogramme Für die Prävention von Entwicklungsstörungen stehen inzwischen zahlreiche Programme zur Verfügung. Immer wenn im internationalen Vergleich unterdurchschnittliche Sprachleistungen und Lesekompetenzen unserer Kinder oder Aggressionen in der Schule für Schlagzeilen sorgen, werden neue Initiativen für Familien, Kindergärten oder Schulen gestartet. Die Programme sind in der Regel vom Augenschein her vernünftig und sinnvoll. Ob sie für die Kinder tatsächlich einen Nutzen bringen, wird allerdings kaum einmal überprüft. Wenn dies aber geschieht, dann sind die Ergebnisse nicht selten ernüchternd. Präventionsmaßnahmen binden in der Regel erhebliche Ressourcen. Sie sind deshalb nur gerechtfertigt, wenn sie nachweislich wirksam und effizient sind. Nutzen und Risiko müssen in einem vernünftigen Verhältnis stehen und die angestrebten Zielgruppen müssen auch erreicht werden. Die Wirksamkeit eines Präventionsprogramms sollte mit aussagefähigen Methoden nachgewiesen sein. Es muss belegt werden, dass durch die Präventionsmaßnahme die Häufigkeit der Störung, Erkrankung oder Behinderung tatsächlich gesenkt wird und die Effekte auch langfristig anhalten. Zur Verdeutlichung der Notwendigkeit einer Effektivitätsüberprüfung seien die Antiraucherprogramme an Schulen genannt. Im europaweiten NichtraucherWettbewerb „Be Smart – Don’t Start“ verpflichteten sich Schüler ganzer Klassen, ein halbes Jahr lang nicht zu rauchen. Wenn mehr als 10 % einer Klasse nicht durchhielt, dann schied die Klasse aus dem Wettbewerb aus. 50 % der Klassen bestanden die Anforderungen, doch konnte ein halbes Jahr später gegenüber Vergleichsklassen kaum noch eine Reduktion im Nikotinkonsum nachgewiesen werden (Hanewinkel et al., 2002, 2006). Auch bei der Überprüfung anderer Programme zeigte sich, dass die Effekte von Antiraucher-Kampagnen in der Regel nur Monate, allenfalls wenige Jahre anhalten und sich dann die Konsummuster wieder angleichen. Den Beleg für die Wirksamkeit eines Präventionsprogramms zu erbringen ist allerdings schwierig. Die Bewertungsparameter müssen aussagefähig sein und alle wesentlichen Einflussfaktoren sind zu berücksichtigen. Wie leicht eine Nichtbeachtung von Einflussfaktoren zu einer Fehleinschätzung führt, geht aus einer Studie zur Überprüfung der Effektivität der Beratung junger Eltern hervor. Eltern wurden, bis ihr erstes Kind 18 Monate alt war, in insgesamt sechs Gruppenseminaren über Gesundheitsfragen informiert. Themen waren u. a. Stillen/Ernährung, Allergie, Impfung, Karies und Rauchen in der Familie. Der Entwicklungsstand der Kinder wurde im Alter von zwei Jahren überprüft. Die Kinder der Interventionsgruppe (n = 167) waren zu diesem Zeitpunkt den Kontrollkindern (n = 150) in mehreren Entwicklungsbereichen (Sprachver-
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ständnis, Sprachproduktion, Feinmotorik, Situationsverständnis, Selbsthilfe) eindeutig überlegen. Die signifikanten Gruppenunterschiede waren auch noch nach Berücksichtigung von Geschlecht, Schwangerschaftsdauer, 5-Minuten-Apgar-Wert, Familienstand sowie von Alter, Bildung und Nationalität der Eltern nachweisbar. Wenn aber wesentliche Erziehungsvariablen in die Betrachtung mit einbezogen wurden, dann glichen sich die Unterschiede aus (Bergmann et al., 2005). Der Entwicklungsvorsprung der Kinder der Interventionsgruppe ist also weniger auf den Erfolg der Elternberatung, sondern eher auf ein unterschiedliches Erziehungsverhalten in den Gruppen zurückzuführen. Trügerisch sind gelegentlich auch die Daten, die als Beleg für die Effektivität eines Interventionsprogramms vorgelegt werden. So wurde z. B. über einen erheblichen Rückgang der Zahl der HIV-Infizierten in Uganda von 1994 bis 2003 berichtet und dies als Erfolg einer Aufklärungskampagne gewertet. Eine genauere Betrachtung der Daten ergab jedoch, dass der Rückgang Ausdruck der hohen Sterblichkeit an HIV war. Zum Ende des Beobachtungszeitraums gab es mehr Tote als Neuinfizierte, so dass die Gesamtzahl der HIV-Infizierten sank. Effizienz ist ein weiteres Kriterium, das Präventionsprogramme erfüllen sollten. Immer ist zu fragen, ob sich vergleichbare Effekte nicht mit anderen Programmen billiger oder schneller erreichen lassen und ob der Nutzen pro eingesetztem Euro für die Bevölkerung an anderer Stelle nicht höher wäre. Das Drogenpräventionsprogramm „DARE“ (Drug Abuse Resistance Education) der USA z. B. verschlang mehrere Milliarden Dollar. Zeitweise wurden drei Viertel aller Schüler erreicht. Bei einer Evaluation fand sich dann aber allenfalls eine geringfügige Verminderung des Drogenkonsums, so dass die Effizienz dieses Programms als völlig unzureichend eingeschätzt wurde. Vor der Einführung eines Präventionsprogramms ist immer auch eine Risikoabwägung erforderlich. Auch bei sinnvollen und notwendigen Präventionsbemühungen ist nicht auszuschließen, dass negative Wirkungen auftreten. So können Programme, die sich spezifisch an Problemgruppen wenden, unbeabsichtigt zu Stigmatisierung und Ausgrenzung der Zielgruppe führen. Auch eine Verstärkung des Problemverhaltens, das zu vermindern das eigentliche Ziel war, ist nicht auszuschließen. So zeigte eine Analyse der Ergebnisse von 56 in Schulen gestarteten Initiativen gegen Alkohol, dass in 4 Fällen eine Erhöhung des Alkoholkonsums eingetreten war. Bei 20 Studien wurden keine und bei 32 positive Effekte gefunden, die jedoch nur für acht Programme über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren verfolgt wurden. Eine längerfristige Wirkung konnte nur in einer einzigen Studie festgestellt werden (Foxcroft, 2006). Das Nutzen-Risiko-Verhältnis dieser Kampagnen ist somit trotz der unbestrittenen Notwendigkeit einer Prävention der Alkoholabhängigkeit eher als negativ einzuschätzen. Präventionsprogramme richten sich häufig an breite Bevölkerungsschichten. Einen Nutzen haben nur die von der Störung Betroffenen, deren Zahl bei selteneren Auffälligkeiten niedrig ist. Schon geringe Risiken und Nebenwirkungen, die im Rahmen einer Therapie ohne Weiteres in Kauf genommen werden, können den Sinn eines Präventionsprogramms infrage stellen. Berücksichtigt werden muss auch, dass Nebenwirkungen (z. B. Impfschäden) primär Gesunde treffen können. Großer Nutzen für die Allgemeinheit kann also einem minimalen Nut-
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zen oder gar einem Schaden beim Einzelnen gegenüber stehen, eine Situation, die als Präventionsparadoxon bezeichnet wird. Um eine Teilnahme an Präventionsprogrammen zu erreichen, wird oft der Nutzen für den Einzelnen betont. Dabei wird gelegentlich mit irreführenden Zahlen gearbeitet. So gibt es z. B. groß angelegte Kampagnen für regelmäßige Mammographieuntersuchungen zur Früherkennung des Brustkrebses. Als Nutzen wird angeführt, dass innerhalb von 10 Jahren 25 % weniger Frauen an Brustkrebs sterben, wenn diese zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr alle 2 Jahre eine Mammographie durchführen lassen. Unerwähnt bleiben die absoluten Zahlen, die vermutlich deutlich weniger Frauen zur Teilnahme veranlassen würden. In absoluten Zahlen bedeuten die 25 %, dass wenn 1.000 Frauen 10 Jahre lang am Screening teilnehmen, dann sterben innerhalb dieser Zeit 2 Frauen weniger an Brustkrebs (6 anstelle von 8). Bei 10 bis 20 mal so vielen Frauen werden falsch positive Befunde erhoben und unnötige Gewebeentnahmen, eventuell sogar in Narkose, veranlasst. Die Nutzen-Risiko-Bilanz fällt somit bei Kenntnis dieser Zahlen deutlich schlechter aus, als die Zahl von 25 % suggeriert (Wenderlein, 2005). Viele Präventionsprogramme scheitern an der Verbreitung und Einführung in die Praxis. Rotheram-Borus und Duan (2003) gingen der Frage nach, wie viele von 14 als effektiv anerkannten Präventionsprogrammen für Kinder bzw. Eltern nach 15 Jahren tatsächlich eingesetzt wurden. Es zeigte sich, dass nur fünf der Programme den Sprung in die Praxis geschafft hatten. Als entscheidende Faktoren für den Erfolg erwiesen sich das Engagement und soziale Geschick des Entwicklers. Nur wenn sich dieser in seiner weiteren Berufskarriere für die Einführung des Programms einsetzte, zum Beleg der Effektivität Replikationsstudien durchführte und Politiker sowie Öffentlichkeit aktiv ansprach, hatte ein Programm eine Chance, sich durchzusetzen. Rotheram-Borus und Duan fordern deshalb, bei der Erarbeitung und Praxiseinführung von Präventionsprogrammen Produktentwicklungs- und Markteinführungsstrategien aus der Wirtschaft anzuwenden. Dies bedeutet, dass vor Beginn der eigentlichen Arbeiten überprüft wird, ob das Programm bei den zukünftigen Anwendern bzw. den zuständigen Behörden Akzeptanz finden wird. Marktumfragen müssen klären, ob eine Entwicklung spezieller Programmvarianten für spezifische Zielgruppen erforderlich ist. Bei der Evaluation müssen die tatsächlich wirksamen und damit unbedingt notwendigen Faktoren erfasst werden, um den Umfang des Programms auf das notwendige Maß reduzieren zu können. Außerdem sollte eine Weiterentwicklung im Verlaufe der Anwendung fester Bestandteil der Praxiseinführung sein. Als hilfreich für eine allgemeine Akzeptanz erwies sich auch eine Zertifizierung durch eine allgemein akzeptierte Institution. Manche Programme scheitern daran, dass die eigentlichen Zielgruppen nicht erreicht werden und keine Verteilungsgerechtigkeit besteht. So wurde in den USA 1979 ein außerordentlich aufwändiges, vorbildlich organisiertes Präventionsprogramm begonnen, um innerhalb von 10 Jahren Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit in 15 definierten Bereichen zu reduzieren. 226 konkrete und überprüfbare Zielsetzungen wurden formuliert (z. B. Senkung der Zahl der Schwangerschaften von 16-Jährigen von 3,1 % auf 2,5 %). Insgesamt wurden
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beeindruckende Erfolge erreicht, wie z. B. eine Erhöhung der Lebenserwartung um 1 ½ Jahre. Es war aber nicht gelungen, die Unterschicht einzubeziehen, so dass im Ergebnis die Ungleichheit in der Bevölkerung hinsichtlich Gesundheit und Lebensqualität zugenommen hatte (Kühn, 1993). Zielgruppen, insbesondere wenn diese aus den unterprivilegierten Schichten kommen, müssen spezifisch angesprochen werden. Die Wege müssen kurz, die Zugangshürden niedrig und die Erreichbarkeit einfach sein. Sollen Familien mit Migrationshintergrund einbezogen werden, dann müssen auch kulturelle Besonderheiten berücksichtigt werden. Wenn die Angebote nicht auch auf bildungsferne und finanziell benachteiligte Familien zugeschnitten werden, dann wird ein Präventionsprogramm nur die Ober- und Mittelschicht erreichen, wie dies z. B. bei vielen Elterngruppen der Fall ist. Die aufgeführten Beispiele machen deutlich, dass an ein Präventionsprogramm hohe Anforderungen zu stellen sind und dass guter Wille und eine Einschätzung der Nützlichkeit einer Initiative aufgrund des gesunden Menschenverstandes bei weitem nicht ausreichen.
1.5 Schlussfolgerungen Eine Prävention von Entwicklungsstörungen ist seit langem in die Praxis eingeführt und hat sich als effektiver erwiesen als eine Förderung und Behandlung betroffener Kinder. Trotz des Erfolgs präventiver Maßnahmen liegt aber im gegenwärtigen Betreuungssystem der Schwerpunkt aller Bemühungen auf einer Therapie und Rehabilitation manifester Störungen. Allerdings hat in letzter Zeit eine Kostenexplosion im Versorgungssystem zu einem Umdenken geführt, so dass in Zukunft Vorbeugung einen höheren Stellenwert erhalten wird. Bei der Forcierung von Prävention muss berücksichtigt werden, dass nicht jede Intervention, die vernünftig und wünschenswert erscheint, auch sinnvoll ist. Manche Präventionsprogramme haben sich bei genauerem Hinsehen als unwirksam erwiesen und bei anderen steht der Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis zu Aufwand und Risiko. Vor dem Start neuer Initiativen ist deshalb eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich. Aber auch nach der Praxiseinführung ist laufend zu überprüfen, ob sich eine Präventionsmaßnahme tatsächlich bewährt, damit Qualitätsmängel behoben bzw. unnütze Programme abgebrochen werden können. Der Nachweis der Effektivität von Präventionsprogrammen setzt klare und überprüfbare Aufgabenstellungen voraus. Konkrete Ziele müssen benannt und deren Erreichen mit aussagefähigen Methoden belegt werden. Dabei ist ein Nachweis langfristig anhaltender Wirkungen unverzichtbar. Um relevante Effekte zu erreichen, ist es oft erforderlich, mehrere Lebensbereiche (Schule, Familie, weiteres Umfeld) einzubeziehen. In der Praxis haben sich Präventionsprogramme, bei denen Information und Aufklärung im Mittelpunkt stehen, als relativ unwirksam erwiesen. Wenn Verhaltensänderungen erreicht werden sollen, dann sind Trainingsprogramme effektiver, die neue Verhaltensmuster, z. B. mit Rollenspielen, einüben.
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Bei der Überprüfung präventiver Maßnahmen ist eine Beachtung von Nebenwirkungen von besonderer Bedeutung. Risiken, die im Rahmen einer Therapie tolerierbar sind, können sich bei der Prävention als nicht tragbar erweisen. Selbst kleine Risiken können den Nutzen eines Präventionsprogramms zunichte machen, da Nebenwirkungen auch primär Gesunde treffen und sich bei bevölkerungsweiten Interventionen ein Nutzen meist nur für eine Minderheit ergibt, aber eine Belastung für alle entsteht. Eine Implementierung von Präventionsprogrammen in die Praxis bedarf eines engagierten und professionellen Managements, denn selbst nachweislich wirksame Maßnahmen setzen sich nicht automatisch durch. Ein Engagement für die breite Anwendung präventiver Interventionen ist aber ein lohnendes Ziel, da effektive Präventionsprogramme, die auf relevante Entwicklungsstörungen gerichtet sind, zu einer erheblichen Verbesserung der Entwicklungschancen von Risikokindern führen können.
Literatur Allhoff, P., Bachmann, K. D., Collatz, J., Flatten, G., Gey, W., Irle, U., Karch, D., Klebe, D., Lajosi, F., Seimer, S., Schirm, H. & Weidtman, V. (1991). Hinweise zur Durchführung der Früherkennungsuntersuchungen im Kindesalter. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. Bergmann, R. L., Bergmann, K. E., Richter, R. & Dudenhausen, J. W. (2005). Über die Beeinflußbarkeit der Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern. Kinderärztliche Praxis, 76, 18-22. BZgA, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.). (2001). Qualitätsmanagement in der Gesundheitsförderung und Prävention, Grundsätze, Methoden und Anforderungen. Köln. Foxcroft, D. (2006). Alcohol education: Absence of evidence or evidence of absence. Addiction, 101, 1057-1059. Hanewinkel, R., Wiborg, G., Isensee, B., Nebot, M. & Vartiainen, E. (2006). „Smoke-free Class Competition“: Far-reaching conclusions based on weak data. Preventive medicine, 43, 150151. Hanewinkel, R. & Wiborg, G. (2002). Primär- und Sekundärprävention des Rauchens im Jugendalter: Effekte der Kampagne „Be Smart – Don’t Start“. Gesundheitswesen, 64, 492-498. Hurrelmann, K., Klotz, T. & Haisch, J. (Hrsg.). (2004). Lehrbuch Prävention und Gesundheitsförderung. Bern: Hans Huber. Klotz, T., Haisch, J. & Hurrelmann, K. (2006). Ziel ist anhaltend hohe Lebensqualität. Deutsches Ärzteblatt, 103, C499-C501. Kühn, H. (1993). Healthismus: Eine Analyse der Präventionspolitik und Gesundheitsförderung in den USA. Berlin: Edition Sigma. Naidoo, J. & Wills, J. (2003). Lehrbuch der Gesundheitsförderung. Hamburg: BZgA. Rotheram-Borus, M. J. & Duan, N. (2003). Next Generation of Preventive Interventions. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 42, 518-526. Walter, U. (2003). Babylon im SGB? Eine Analyse der Begriffsvielfalt zur Prävention in den Sozialgesetzbüchern. Zeitschrift Sozialer Fortschritt, 52, 253-261. Wenderlein, J. M. (2005). Prävention: Mehr Effizienzanalysen. Deutsches Ärzteblatt, 102, C1593. WHO (World Health Organization). Ottawa Charter for Health Promotion First International Conference on Health Promotion. WHO/HPR/HEP/95.1. Genf. Verfügbar unter: http://www. who.int/hpr/NPH/docs/ottawa_charter_hp.pdf (21.11.1986).
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Prävention motorischer Störungen Harald Bode
Gliederung 2.1 2.2. 2.2.1 2.2.2 2.2.3
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motorische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spina bifida . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cerebralparesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nach der Neugeborenenperiode erworbene motorische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Umschriebene Entwicklungsstörung der Motorik. . . . . . . . 2.3 Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Theoretische Konzepte als Grundlage von Prävention . . . 2.3.2 Primäre Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Sekundäre Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1 Experimentelle Therapien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.2 Frühförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.1 Einleitung Die Ursachen, Symptome und Verläufe motorischer Störungen im Kindes- und Jugendalter sind außerordentlich vielgestaltig. Im Rahmen dieses Beitrages muss eine Auswahl aus der Fülle möglicher Themen getroffen werden. Es werden folgende Krankheitsbilder behandelt: 1. Spina bifida 2. Cerebralparesen 3. Nach der Neugeborenenperiode erworbene motorische Störungen 4. Umschriebene Entwicklungsstörungen der Motorik Bei der primären Prävention sollen schädigende Faktoren vor ihrer Wirksamkeit identifiziert und ausgeschaltet werden, um eine Krankheit überhaupt zu verhindern. Sekundäre Prävention umfasst Maßnahmen zur Feststellung und Behandlung von Krankheiten in einem möglichst frühen Stadium, um ihre Auswirkungen zu vermeiden oder gering zu halten. Unter tertiärer Prävention wird die Verhinderung oder Verringerung von Folgeschäden bei bereits bestehenden Erkrankungen verstanden (Bode, 2004a).
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In diesem Beitrag wird auf Möglichkeiten und Grenzen der primären und sekundären Prävention bei den genannten motorischen Störungen eingegangen. Zur sekundären Prävention zählen auch Frühinterventionsmaßnahmen („early intervention“). Maßnahmen der tertiären Prävention beinhalten bei Krankheitsbildern mit motorischen Störungen die verschiedenen Therapieverfahren. Detailliertere Informationen hierzu sind an anderer Stelle nachzulesen (Bode, 2002; Bode, 2004b). Die Prävention einer Störung bzw. eines Krankheitsbildes ist nur möglich, wenn dessen Ursache bekannt ist und spezifische Möglichkeiten der Intervention vor oder zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Wirksamkeit der schädigenden Noxe bestehen. Die in diesem Abschnitt behandelten motorischen Störungsbilder zeichnen sich durch eine unübersichtliche, oft komplexe Ätiologie und Pathogenese aus. Daher sind bei jedem Krankheitsbild mehrere Präventionsstrategien zu betrachten. In manchen Fällen ist es schwierig oder unmöglich, umschriebene Faktoren als alleinig präventiv wirksam zu identifizieren. Im Folgenden werden daher die Krankheitsbilder zunächst unter präventionsrelevanten Aspekten beschrieben. Im Anschluss werden theoretische Konzepte als Grundlage für die Prävention motorischer Störungen dargestellt. Danach werden primäre und sekundär präventive Ansätze aufgezeigt.
2.2 Motorische Störungen 2.2.1 Spina bifida Definition Neuralrohrdefekte (Spina bifida) sind angeborene Fehlbildungen des Rückenmarkes und der umgebenden Gewebestrukturen. Sie treten mit einer Häufigkeit von etwa 1:1000 Geburten auf. Je nach Ausprägung und Läsionshöhe kommt es bei den Betroffenen zu Lähmungen und Sensibilitätsstörungen insbesondere an den Beinen sowie zu Blasen- und Darmfunktionsstörungen. Häufig bestehen zusätzlich zerebrale Fehlbildungen (Mitchell et al., 2004). Ätiologie und Pathogenese Genetische (chromosomale Anomalien, mono- und polygene Ursachen) und teratogene (Fehlbildungen erzeugende) Ursachen (z. B. Antiepileptika) sind nachgewiesen. Folsäure beeinflusst in nicht genau bekannter Weise die Funktion bestimmter Gene, die für den Verschluss des Neuralrohrs mit verantwortlich sind. Die Hemmung des Neuralrohrschlusses durch schädigende Einflüsse findet zwischen dem 19. und 28. Tag nach der Befruchtung statt.
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2.2.2 Cerebralparesen Definition Cerebralparesen (CP; durch Hirnschädigungen hervorgerufene Lähmungen) sind eine Gruppe von Erkrankungen, die infolge nicht-fortschreitender Störungen im sich entwickelnden fetalen oder neonatalen Gehirn auftreten. Sie gehen mit einer Störung von Haltung und Bewegung (Spastik, Dyskinesie, Ataxie) einher und führen damit zu einer Einschränkung der Aktivitäten des Kindes. Die motorischen Störungen sind oft begleitet von Störungen der Sensorik, Wahrnehmung, Kognition, Kommunikation, des Verhaltens und von Anfallserkrankungen (Bax et al., 2005). Die Häufigkeit von Cerebralparesen liegt bei 1,5 bis 2,5 pro 1000 Lebendgeburten (Krägeloh-Mann, 2004). Sie steigt von 1 pro 1000 Lebendgeburten mit einem Geburtsgewicht von über 2500 g bis auf 50 bis 80 pro 1000 Lebendgeburten mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g an. Eigene Untersuchungen zeigen bei in Ulm geborenen Frühgeborenen unter 1000 g keine höhere CP-Häufigkeit als in der letztgenannten Kindergruppe. Neben der Belastung für Betroffene und Familien haben Cerebralparesen eine hohe gesundheitsökonomische und sozioökonomische Relevanz. Man schätzt, dass die in den USA im Jahr 2000 geborenen Menschen mit Cerebralparese auf Basis der Kaufkraft von 2003 Lebenszeitkosten von 11,5 Mrd. $ verursachen (Centers for Disease Control, 2004a). Ätiologie und Pathogenese Cerebralparese ist ein Symptom und keine ätiologische Diagnose. Es ist eine Vielzahl von prä-, peri- und postnatalen Risikofaktoren für die Entstehung von Cerebralparesen bekannt (vgl. Tab. 1). Diese Faktoren können auch kombiniert auftreten. Je nach Stadium der Gehirnentwicklung führen schädigende Ereignisse zu unterschiedlichen Läsionsmustern des Gehirns und z. T. zu typischen neurologischen Läsionsbildern (CP-Subtypen). Die große Mehrzahl der Cerebralparesen (75 bis 80 %) sind vor der Geburt entstanden, meistens im 3. Schwangerschaftsdrittel. Etwa 8 bis 15 % der Cerebralparesen sind während der Geburt, etwa 10 % nach der Geburt entstanden. Die Prävention von Cerebralparesen muss daher im Mutterleib beginnen (KrägelohMann, 2004; Panteliades & Strassburg, 2004). Entsprechend der Vielzahl möglicher Ätiologien und pathogenen Mechanismen, die zur Entstehung einer CP führen können, kann nicht erwartet werden, dass eine umschriebene Präventionsmaßnahme die CP-Häufigkeit wesentlich beeinflusst. Dies erklärt z. T. die bislang wenig hoffnungsvollen Ergebnisse verschiedener systematischer Übersichten und Metaanalysen (zusammenfassende Auswertung mehrerer Studien) zum Effekt einzelner spezifischer CP-präventiver Maßnahmen.
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Tabelle 1: Risikofaktoren für die Entstehung einer Cerebralparese (CP) nach Panteliades (2004) Pränatal (vor der Geburt) – von Seiten der Mutter
– – – – – –
Jodmangel Drogen- oder Alkoholmissbrauch Schilddrüsenunterfunktion Epilepsie Mentale Retardierung Pränatale geburtshilfliche Risikofaktoren
Pränatal (vor der Geburt) – von Seiten des Kindes
– – – –
Gehirnfehlbildungen Infektionen Fehlbildungen erzeugende Substanzen Erkrankungen der Hirngefäße (Hypoxie, Ischämie, Thrombose)
Perinatal (um den Zeitpunkt der Geburt)
– – – – – –
Frühgeburtlichkeit Geburtskomplikationen Infektionen des Gehirns Neugeborenengelbsucht Erniedrigter Blutzuckerspiegel Sauerstoffmangel
Postnatal (nach der Geburt)
– – – – –
Neugeborenenkrämpfe Infektionen des Gehirns Blutungen im Schädelinneren Herzstillstand Schädel-Hirn-Traumen
2.2.3 Nach der Neugeborenenperiode erworbene motorische Störungen Definition und Ätiologie Verschiedenste Störungen können nach der Neugeborenenperiode zu Hirnschäden führen. Insbesondere zu nennen sind: Schädel-Hirn-Traumen (Unfälle, Kindesmisshandlung), Infektionen (Meningitis, Enzephalitis, Sepsis) und zerebraler Sauerstoffmangel bzw. Durchblutungsstörung (u. a. unterschiedlichste schwere systemische Erkrankungen, Komplikationen bei Operationen, kindliche Schlaganfälle). Unterschiedliche schädigende Mechanismen führen zu nach Art und Ausprägung variablen Läsionsmustern von Gehirn, Rückenmark und peripherem Nervensystem. Daraus ergeben sich eine Fülle möglicher motorischer Störungen. Die Häufigkeit von nach der Neugeborenenperiode erworbenen Hirnschäden ist auch heute nicht gering. Besonders wichtig wegen Häufigkeit und Schwere der daraus folgenden Funktionsstörungen sind Schädel-Hirn-Traumen. Zwischen 1981 und 2001 ist die Zahl der jährlich durch Straßenverkehrsunfälle verletzten Kinder von 425 auf 335, die Zahl der tödlich verunglückten Kinder von 6,3 auf 1,8 pro 100.000 Einwohner der Altersgruppe unter 15 Jahren zurückgegangen (Robert Koch-Institut, 2004).
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Zur Häufigkeit von Schädel-Hirn-Traumen infolge Kindesmisshandlung liegen keine gesicherten Daten vor. Daher wird in dieser Übersicht auf das wichtige Thema der Prävention von Kindesmisshandlungen nicht eingegangen. Auch zur Häufigkeit anderer nach der Neugeborenenphase entstandener Hirnschäden liegt wenig Datenmaterial vor. 2.2.4 Umschriebene Entwicklungsstörung der Motorik Definition Nach der ICD-10 handelt es sich bei der umschriebenen Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (F82) um eine „schwerwiegende Entwicklungsbeeinträchtigung der motorischen Koordination, die nicht allein durch eine Intelligenzminderung oder eine spezifische angeborene oder erworbene neurologische Störung erklärbar ist. In den meisten Fällen zeigt eine sorgfältige klinische Untersuchung dennoch deutliche entwicklungsneurologische Unreifezeichen wie choreiforme Bewegungen freigehaltener Glieder oder Spiegelbewegungen u. a. begleitende motorische Merkmale, ebenso wie Zeichen einer mangelhaften feinund grobmotorischen Koordination“. In der DSM-IV spricht man von einer „Entwicklungsbedingten Koordinationsstörung“ (Developmental Coordination Disorder – DCD, 315-40). Sie muss mit einer signifikanten Auswirkung auf Alltagsaktivitäten oder Schulleistungen einhergehen, ohne dass eine eindeutige neurologische oder psychiatrische Erkrankung oder erhebliche Intelligenzminderung vorliegt. Die Häufigkeit dieser Störung liegt bei etwa 4 bis 10 % je nach Alter, verwendeten Testverfahren, Ein- und Ausschlusskriterien. Häufig sind Sprachentwicklungs-, Lern-, Verhaltens- oder Aufmerksamkeitsstörungen assoziiert (Gesellschaft für Neuropädiatrie, 2002). Ätiologie und Pathogenese Ursache und Entstehungsmechanismen sind unterschiedlich und im Detail ungeklärt. Diskutiert werden Normvarianten der Entwicklung, Begabungsmangel, leichte neurophysiologische oder neuroanatomische Veränderungen, Störungen der Körperwahrnehmung, der motorischen Kontroll- oder Steuerungsfunktionen und der zentralen motorischen Prozessierung (Gesellschaft für Neuropädiatrie, 2002). Einige Autoren unterscheiden einfache und komplexe Formen der neurologischen Fehlfunktion. Letztere stehen häufiger im Zusammenhang mit Geburtskomplikationen und sind besonders oft mit Lern- und Verhaltensproblemen assoziiert (Hadders-Algra, 2003). Letztlich stellt die DCD kein eigenes medizinisch-ätiologisches Syndrom dar, sondern ein Symptom, das in hohem Maß Schnittmengen mit anderen Entwicklungs- und Verhaltensstörungen zeigt (Gillberg, 2003; Henderson & Henderson, 2003).
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2.3 Prävention 2.3.1 Theoretische Konzepte als Grundlage von Prävention Bei der Erklärung motorischer Störungen im Rahmen von CP, DCD und auch von postneonatal infolge einer Schädigung des Zentralnervensystems (ZNS) entstandenen motorischen Störungen muss die Interaktion von Nervensystem, Körper und Umwelt während der normalen und gestörten motorischen Entwicklung berücksichtigt werden. Nach der „dynamischen Systemtheorie“ ist die motorische Entwicklung ein Prozess der Selbstorganisation durch eine Interaktion vielfältiger Faktoren wie Körpergewicht, Muskelkraft, Gelenkkonfiguration, Stimmung des Kindes, spezifischen Umgebungsbedingungen und der Hirnentwicklung (Hadders-Algra, 2000a). Die „Theorie der Selektion neuronaler Gruppen“ geht von einem genetisch bedingten primären neuronalen Repertoire aus, das eine Variabilität motorischen Verhaltens ermöglicht. Durch Erprobung unter Berücksichtigung von Informationen der Sinnesorgane werden die effektivsten motorischen Muster und die damit verbundenen neuronalen Gruppen (Netze) ausgewählt. Diese werden im Laufe der weiteren Entwicklung als Folge und in Anpassung an die jeweils spezifischen Anforderungen der Umwelt eingesetzt und weiter entwickelt (sekundäre Variabilität) (Hadders-Algra, 2000b). Genetische Faktoren oder Schäden während der frühen Gehirnentwicklung können das primäre neuronale Repertoire reduzieren oder stören und damit die Variabilität des primären motorischen Verhaltens einschränken. Das stereotype Bewegungsverhalten bei jungen Kindern mit DCD und CP wäre durch Schwierigkeiten in der Verarbeitung sensorischer Informationen und ein begrenztes Repertoire primärer neuronaler Netzwerke bedingt (Hadders-Algra, 2003). Aus diesem theoretischen Konzept kann abgeleitet werden, dass Prävention an den biologischen Voraussetzungen des Nervensystems bzw. Körpers, an Umweltfaktoren und an der Interaktion derselben ansetzen kann. Präventionsmaßnahmen, die das primäre neuronale Repertoire betreffen, werden im Folgenden unter den primären Präventionsmaßnahmen abgehandelt. Frühfördermaßnahmen sind sekundäre Präventionsmaßnahmen, die durch Modifikation der Umweltbedingungen und der Kind-Umwelt-Interaktion (Stressreduktion bei Neu- und Frühgeborenen, sensorische Stimulation, motorische Intervention, gezieltes Funktionstraining, Elternberatung) die Auswirkung motorischer Störungen möglichst gering halten sollen. Verschiedene Präventionsmaßnahmen sind nur teilweise für bestimmte Krankheitsbilder spezifisch; z. T. betreffen sie mehrere der besprochenen Störungsbilder und außerdem andere zerebrale Funktionsbereiche bzw. Erkrankungen (s. Kap. 3).
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2.3.2 Primäre Prävention Ernährung Wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Befruchtung 400 μg Folsäure einnimmt, dann wird das Risiko für das Auftreten einer Spina bifida um 50 bis 70 % gesenkt (Mitchell et al., 2004; Centers for Disease Control, 2004b). Allerdings haben die bisher in etwa 40 Staaten der Welt eingeführten Programme zur Förderung der perikonzeptionellen Folsäureeinnahme nur etwa 10 % der geschätzten 240.000 Fälle pro Jahr von Spina bifida und Anenzephalie (Fehlbildung mit einem Fehlen des Großhirns), die durch Folsäureeinnahme vermieden werden könnten, tatsächlich verhindert (Oakley et al., 2004). General Movements (GM; komplexe Spontanbewegungen) im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter haben in mehreren Studien einen positiven Vorhersagewert für die Entwicklung umschriebener Entwicklungsstörungen der Motorik und von Cerebralparesen gezeigt (Hadders-Algra et al., 2004). Ausschließliche Muttermilchernährung bei gesunden Neugeborenen für mindestens 6 Wochen verbessert die Qualität der GM im Alter von 3 Monaten (Bouwstra et al., 2003a). Die Ergänzung der Nahrung von gesunden Reifgeborenen mit mehrfach ungesättigten langkettigen Fettsäuren während der ersten zwei Lebensmonate vermindert das Auftreten mild abnormer GM im Alter von drei Monaten (Bouwstra et al., 2003b). Ein Effekt auf die motorische Entwicklung ließ sich bei Kindern im Alter von 8 Monaten allerdings nicht mehr nachweisen (Bouwstra et al., 2003c). Eine kontrollierte Studie zum Effekt einer Hinzugabe von Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren zur Nahrung über 3 Monate bei 5- bis 12-jährigen Kindern mit umschriebener Entwicklungsstörung der Motorik zeigte keine Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, wohl aber des Lesens, Schreibens und Verhaltens (Richardson & Montgomery, 2005). Langfristige Effekte einer Muttermilchernährung oder mehrfach ungesättigter Fettsäuren auf die motorische Entwicklung sind bislang nicht nachgewiesen. Auch ohne dass systematische Studien vorliegen, ist anzunehmen, dass eine Jodgabe in Jodmangelbereichen während der Schwangerschaft und eine ausreichende Ernährung Schwangerer und ihrer Kinder die Häufigkeit von Schwangerschaftskomplikationen, Frühgeburtlichkeit sowie von peri- und postnatalen Komplikationen verringern und damit das Auftreten motorischer Störungen, insbesondere einer Cerebralparese, reduzieren können (Bode, 2004a; Nelson, 2003). Toxine Obwohl Studien hoher methodischer Qualität fehlen, kann angenommen werden, dass die Vermeidung toxischer Quecksilberexpositionen während der Schwangerschaft und toxischer Bilirubin-Werte beim Neugeborenen (Neugeborenen-Gelbsucht) zur Prävention von Cerebralparesen beitragen. Diese Faktoren spielen allerdings nur noch in weniger entwickelten Ländern eine Rolle (Nelson, 2003).
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Die mütterliche Einnahme bestimmter Medikamente (u. a. Valproinsäure, Carbamazepin, Phenytoin) und Genussgifte (u. a. Alkohol, Benzodiazepine, Warfarin, Retinoide, Cocain) können zu Spina bifida, zerebralen Anlagestörungen und anderen Fehlbildungen führen (Panteliades et al., 2004). Es ist auch ohne systematische Präventionsstudien klar, dass diese Substanzen in der Schwangerschaft vermieden werden sollten. Gleiches gilt für den Nikotinmissbrauch. Genetische Beratung Die Diagnose einer Spina bifida in der Schwangerschaft führt nach entsprechender genetischer Beratung häufig zu einer Schwangerschaftsbeendigung und reduziert damit die Häufigkeit dieses Krankheitsbildes unter den Lebendgeburten auf etwa 0,5 % (Dietz, 2004). Inhalt einer genetischen Beratung bei Spina bifida muss auch das erhöhte Wiederholungsrisiko bei einer erneuten Schwangerschaft und die perikonzeptionelle Folsäureprophylaxe sein. In seltenen Fällen ist eine Gehirnfehlbildung infolge einer genetischen Störung die Ursache einer Cerebralparese. Bei den insgesamt seltenen ataktischen CP (4 % aller CP) spielen genetische Ursachen eine wesentliche Rolle (Krägeloh-Mann, 2004). Dann kann eine genetische Beratung über das erhöhte Wiederholungsrisiko bei weiteren Schwangerschaften präventiv wirken. Dies gilt auch bei autosomal rezessiv vererbten Krankheiten des Zentralnervensystems oder Blutsverwandtschaft der Eltern, wenn diese nach entsprechender Beratung auf weitere Kinder verzichten bzw. soweit möglich eine pränatale Diagnostik durchführen lassen. Daten zu den Effekten dieser komplizierten und ethisch problematischen Maßnahmen hinsichtlich der Prävention bzw. Häufigkeit von Cerebralparesen liegen nicht vor. Unfallprävention Eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen, technische Verbesserungen und eine unermüdliche Aufklärungsarbeit haben in Deutschland seit 1970 auch bei Kindern und Jugendlichen zu einem sehr deutlichen Rückgang einer unfallbedingten Körperschädigung geführt (Robert Koch-Institut, 2004). Spezifische Zahlen zu unfallbedingten Bewegungsstörungen, die durch Schädel-Hirn-Traumen, aber auch durch Wirbelsäulen- und Extremitätenverletzungen verursacht werden, liegen nicht vor. Impfungen Poliomyelitis-, Masern-, Mumps-, Röteln- und Hämophilus-Infektionen führen mehr oder weniger häufig zu bleibenden Hirnschäden und konsekutiven Bewegungsstörungen. Impfungen gegen diese Erkrankungen wirken primär prä-
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ventiv und verhindern daher bleibende Bewegungsstörungen. Trotz eindeutiger Effekte ist die Durchimpfungsrate dieser von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen immer noch nicht optimal (Robert KochInstitut, 2004). Frühgeburtlichkeit Frühgeburten stellen etwa 50 % aller Kinder mit Cerebralparese. Die Rate der Frühgeburtlichkeit von etwa 7 % hat sich in den letzten 15 Jahren nicht signifikant verändert. Zahlreiche Studien haben die Effekte verschiedener Präventionsmaßnahmen bei Frühgeborenen untersucht. Die vorgeburtliche Gabe von Steroiden an die Mütter (mit dem Ziel, die Lungenreifung des Frühgeborenen anzuregen), von Magnesiumsulfat und anderen Medikamenten zur Wehenhemmung und damit zur Verhinderung einer Frühgeburt zeigten in kontrollierten klinischen Studien keinen Effekt auf die CP-Häufigkeit (Kent et al., 2005; Pryde et al., 2004; Smith, 2003). Die nachgeburtliche Gabe von Surfactant (zur Behandlung des Atemnotsyndroms des Neugeborenen), von Vitamin K, Phenobarbital, Muskelrelaxantien, Morphin, Etamsylat oder Indometazin (zur Verhinderung von Hirnblutungen), die Gabe von Erythropoetin und Eisen (zur Verhinderung von Hirnschäden unter der Geburt), von Steroiden und Stickstoffmonoxid (zur Verhinderung chronischer Lungenerkrankungen) an das Frühgeborene zeigten nicht den gewünschten Effekt bzw. verringerten nicht die CP-Häufigkeit (Bose & Langhon, 2005; Crowther & Henderson-Smart, 2001; Fowlie & Davis, 2002; Gortner & Landmann, 2005; Mestan et al., 2005; Nelson, 2003; Schulte et al., 2005). Maßnahmen zur Behandlung des feto-fetalen Transfusionssyndroms, das bei intrauterinem Tod eines Zwillings häufig zu einer CP des überlebenden Zwillings führt, haben bislang das CP-Risiko für diese Kinder nicht gesenkt (Nelson, 2003). Mehrlingsschwangerschaften Zwillinge zeigen ein 5- bis 8-fach erhöhtes, Drillinge ein 40-fach erhöhtes CPRisiko. Dieses ist wesentlich durch die Frühgeburtlichkeit sowie das feto-fetale Transfusionssyndrom bedingt. Eine Reduktion von Mehrlingsschwangerschaften im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation (künstliche Befruchtung von Eizelle im Labor und späteres Einpflanzen der Embryonen in die Gebärmutter) kann durch einen für viele Eltern nicht akzeptablen intrauterinen Fetozid (Töten eines oder mehrerer Mehrlinge) erreicht werden. Besser ist es, die Zahl der implantierten Embryonen auf zwei zu beschränken. Dies wird durch die Fachverbände inzwischen empfohlen und praktiziert (Wimalasundera et al., 2003). Die Einschränkung der Kostenübernahme gesetzlicher Krankenkassen auf maximal drei In-vitro-Fertilisationen hat seit Anfang 2004 zu einer Abnahme der Zahl der durch künstliche Befruchtung geborenen Kinder von 17.600 (2003) auf 9.800 (2004) geführt (Deutsches
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IVF-Register, 2005). Dies dürfte mit einer Abnahme höhergradiger Mehrlingsgeburten einhergehen. Der zu erwartende Effekt auf die CP-Häufigkeit ist noch nicht abschätzbar. Intrauterine Infektionen Lange bekannt sind die TORCH-Infektionen (Toxoplasmose, Others, Röteln, Cytomegalie, Herpes). Sie sollen für bis zu 12 % der sonst unerklärten spastischen Cerebralparesen verantwortlich sein (Nelson, 2003). Eine zeitgerechte Rötelnimpfung aller Mädchen sowie ein ToxoplasmoseScreening bei Schwangeren in endemischen Gebieten wird trotz fehlender klarer Beweise zur Prävention von Cerebralparesen beitragen (Nelson, 2003). Infektionen der Plazenta (Mutterkuchen) sind bei Kindern mit einem Geburtsgewicht unter 2500 g sicher, bei sehr frühgeborenen Kindern möglicherweise mit einem erhöhten CP-Risiko verbunden. Diese überwiegend bakteriellen Infektionen werden als wesentliche Ursache der periventrikulären Leukomalazie („Erweichung“ der weißen Hirnsubstanz um die zentralen Hohlräume des Gehirns) angesehen, einer häufigen Ursache insbesondere der beidseitigen spastischen CP. Man vermutet, dass bakterielle Infektionen der Plazenta über die Ausschüttung u. a. von Zytokinen die Blutversorgung des fetalen Gehirns stören. Entsprechend erhielten infizierte Mütter in kontrollierten Studien Antibiotika. Die bisherigen Daten reichen jedoch nicht aus, einen Effekt dieser Antibiotikagabe auf die CPHäufigkeit zu belegen (Nelson, 2003). Verbesserte Perinatalmedizin Verschiedene Register zeigen weltweit relativ gleichbleibende CP-Häufigkeiten in industrialisierten Ländern während der letzten 20 bis 30 Jahre (Nelson, 2003). Daraus muss abgeleitet werden, dass entgegen ursprünglicher Erwartung die unten geschilderten Verbesserungen der Perinatalmedizin nicht zu einer wesentlichen Senkung der gesamten CP-Häufigkeit geführt haben. Dies wird durch den geringen Anteil der während der Geburt entstandenen Cerebralparesen an der Gesamthäufigkeit verständlich. Allerdings gibt es Hinweise, dass die Entbindung von Kindern in Perinatalzentren einen gewissen Schutz gegen die Entwicklung einer Cerebralparese darstellt (Gortner & Landmann, 2005; Nelson, 2003). Kontrollierte Untersuchungen zu diesem Thema für den deutschen Sprachraum liegen bislang nicht vor. Hier eröffnet der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung in der Betreuung und Nachsorge von Risiko-Früh- und Neugeborenen neue Erkenntnismöglichkeiten (Gemeinsamer Bundesausschuss, 2005). Monitoring der fetalen Herzfrequenz. Eine Überwachung der kindlichen Herzfrequenz während der Geburt (fetales Herzfrequenz-Monitoring) hat das Ziel, eine Geburtsasphyxie („Pulslosigkeit“), die sich mit niedrigen Apgar-Werten,
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Azidose (Übersäuerung des Blutes) und neonatalen neurologischen Auffälligkeiten, insbesondere Krämpfen, präsentiert, anhand verschiedener Risikoindikatoren so frühzeitig zu erkennen, dass sie durch ärztliche Maßnahmen verhindert oder gemildert werden kann. Die Geburtsasphyxie wird als wesentliche Ursache perinatal erworbener Cerebralparesen angesehen. Mögliche Ursachen einer Geburtsasphyxie sind ein großer Plazentainfarkt, eine vorzeitige Plazentalösung, eine Umschlingung oder ein Vorfall der Nabelschnur und ein mütterlicher Schock durch Blutverlust. Metaanalysen von kontrollierten Studien zeigen, dass das elektronische fetale Monitoring nicht zu einem Abfall der CP-Häufigkeit führte. Auch niedrigere Apgar-Scores, die Aufnahme auf neonatalen Intensivstationen und Todesfälle waren nicht seltener. Die Häufigkeit der Kaiserschnitte stieg allerdings um 40 % an. In einer Studie wurde sogar eine nicht signifikant höhere, in einer anderen bei Frühgeborenen gar eine signifikant höhere CP-Rate bei elektronischem fetalen Herzfrequenz-Monitoring festgestellt. Eine Studie zeigte eine sehr hohe Rate falsch positiver Befunde beim Monitoring und bei ¾ der Kinder mit späterer CP keine auffälligen Befunde (Nelson, 2003). Kaiserschnitt. Wurden Kinder mit Anomalien im fetalen Monitoring per Kaiserschnitt geboren, lag ihre CP-Rate nicht unter derjenigen der vaginal entbundenen Kinder (Nelson et al., 1996). In einer Geburtendatenanalyse von neun industrialisierten Ländern konnte trotz eines Anstiegs der Kaiserschnittrate auf das fünffache, der zumindest z. T. bedingt durch elektronisch dokumentierte fetale Auffälligkeiten zu erklären ist, keine Abnahme der CP-Häufigkeit gefunden werden (Clark & Hankins, 2003). Die Autoren vermuten, dass die operativen Entbindungen auf der Basis eines elektronischen fetalen Monitorings möglicherweise mehr Schaden als Nutzen angerichtet hätten. Fazit: Da eine Geburtsasphyxie unter den Ursachen für eine CP einen insgesamt geringen Anteil hat, sind diese enttäuschenden Effekte verbesserter Perinatalmedizin nicht verwunderlich. Hinzu kommt, dass auch bei optimaler Perinatalmedizin immer schicksalhafte, nicht vorhersehbare Ereignisse auftreten werden, die zu einer Geburtsasphyxie führen. Dennoch bleibt es trotz fehlender Belege intuitiv vernünftig, an einer optimalen Perinatalmedizin festzuhalten und deren Qualität durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Im Einzelfall kann es gelingen durch eine rasche, ggf. operative Entbindung, drohenden Schaden von einem Kind abzuwenden. Für die Geburtshelfer werden dabei drohende juristische Implikationen bei nachweisbaren Hirnschäden das Handeln wesentlich mit beeinflussen. Perinataler ischämischer Schlaganfall Man rechnet heute damit, dass während der Geburt und der Neugeborenenphase bei einem von 4000 reif geborenen Kindern ein durch einen arteriellen Gefäßverschluss verursachter ischämischer Schlaganfall auftritt. Dieser führt bei vielen Kindern zu einer CP, meist einer Hemiparese (Halbseitenlähmung). Unter den
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vielen Ursachen finden sich angeborene Gerinnungsstörungen bei Mutter oder Kind, plazentare Thromben (Blutgerinnsel), Infektionen, Gefäßkatheter und chirurgische Eingriffe. Es gibt bislang keine systematischen Untersuchungen, ob und mit welchen Maßnahmen perinatale ischämische Schlaganfälle verhindert werden können (Nelson & Lynch, 2004). 2.3.3 Sekundäre Prävention 2.3.3.1 Experimentelle Therapien Bei der kleinen Gruppe der Kinder mit perinatal durch Geburtsasphyxie verursachten Hirnschäden (hypoxisch-ischämische Encephalopathie) wird versucht, durch sekundär-präventive Maßnahmen das Ausmaß der Hirnschädigung und die daraus abzuleitende Häufigkeit und Schwere der CP zu mildern. Kühlung. Die Kühlung des Gehirns asphyktischer Neugeborener wird z.Zt. systematisch studiert. Aus den wenigen bislang publizierten Studien zeichnet sich ein milder positiver Effekt von Kühlung auf die Rate gestorbener und schwer behinderter Kinder ab. Eine Studie zeigt eine Abnahme dieser Rate um 18 %. Dabei scheinen nur mittelschwer betroffene Kinder zu profitieren. Eine rasch innerhalb von weniger als fünf Stunden nach der Geburt erfolgte Ganzkörperkühlung ist möglicherweise wirksamer als eine selektive Kühlung des Kopfes. Weitere Studien werden mehr Klarheit über Effektstärke, geeignete Patienten und Ziele für diese z.Zt. noch experimentellen Therapie bringen (Papile, 2005; Shankaran et al., 2005). Medikamentöse Neuroprotektion. Aus theoretischen und tierexperimentellen Studien gibt es Hinweise auf eine positive Wirkung von Glutamat-Antagonisten, Topiramat, Erythropoietin, Xenon und anderen Substanzen auf die Hirnentwicklung. Bisher liegen Studien bei menschlichen Neugeborenen mit hypoxisch-ischämischer Encephalopathie nicht vor bzw. sind zu klein oder sie zeigen keine positiven Effekte. Stammzellen. Die Gabe von embryonalen Stammzellen aus Nabelschnurblut mit dem Ziel einer Neuroregeneration zerstörter Gehirnareale ist bislang ein theoretisch-tierexperimentelles Modell, das beim menschlichen Neugeborenen noch nicht zum Einsatz kam (Jensen et al., 2003). 2.3.3.2 Frühförderung Frühförderung („early intervention“) ist ein Oberbegriff für multidisziplinäre Leistungen für Kinder bis zum Vorschulalter, die das Ziel haben, Gesundheit, Wohlbefinden und Kompetenzen der Kinder zu fördern, Entwicklungsverzöge-
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rungen zu minimieren, bestehende oder sich entwickelnde Behinderungen zu lindern, Funktionsverschlechterungen vorzubeugen sowie die elterlichen und familiären Kompetenzen zu fördern (Shonkoff & Meisels, 2000). Neben anderen Entwicklungsdomänen spielt die Motorik in der Förderung eine wesentliche Rolle (s. auch Kap. 3). Eine frühe motorische Förderung rechnet mit der Plastizität des kindlichen Gehirns, welche in den 2 bis 3 Monaten vor und 6 bis 8 Monaten nach der Geburt besonders ausgeprägt ist (Hadders-Algra, 2000b). In einer systematischen Literaturübersicht wurden kürzlich die Effekte früher Förderung auf die motorische Entwicklung dargestellt (Blauw-Hospers & Hadders-Algra, 2005). Die insgesamt 34 sehr heterogenen Studien bei Kindern mit hohem biologischen Risiko bezogen sich meist auf Frühgeborene oder Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht, vereinzelt auf Kinder mit verzögerter motorischer Entwicklung, manifester CP oder Down-Syndrom. In der Regel wurde eine experimentelle Intervention mit einer Standardbehandlung verglichen, da der Entzug jeglicher Förderung unethisch erschien. Damit konnten in den Studien nur zusätzliche Effekte der Intervention dargestellt werden. 20 der 34 Studien wiesen die höchste methodische Qualität auf. Von diesen Studien zeigten nur 6, d. h. 30 %, einen signifikanten zusätzlichen Effekt der Intervention auf die motorische Entwicklung. Bei den 14 Studien mit geringerer methodischer Qualität fand sich in 50 % ein positiver zusätzlicher Interventionseffekt. Die meisten Untersuchungen beschränken sich im Wesentlichen auf die ersten zwei Lebensjahre. Langzeiteffekte sind damit nicht erforscht. Auch werden überwiegend quantitative Veränderungen in der motorischen Entwicklung und nicht qualitative oder Veränderungen der Funktionsfähigkeit beschrieben. Aufgrund der Datenlage ist es heute nicht möglich, gesicherte Aussagen zu treffen, ob das Alter bei Interventionsbeginn einen Effekt auf die motorische Entwicklungsprognose hat. 17 Studien untersuchten Interventionen bei Risiko-Früh- und Neugeborenen auf der Neugeborenen-Intensivstation, z. B. das „newborn individualized developmental care and assessment program“ (NIDCAP) und die Kängurupflege. Möglicherweise bringt NIDCAP einen temporären Gewinn für die motorische Entwicklung von Risiko-Früh- und Neugeborenen während der ersten Lebensmonate (Als et al., 1994). Dieser Effekt ist allerdings nicht über das erste Lebensjahr hinaus nachweisbar. Kängurupflege zeigte keinen Effekt auf die motorische Entwicklung (Charpak et al., 2001). Eine weitere Studie lässt vermuten, dass durch ein langfristiges intensives Förderprogramm mit Beginn auf der Intensivstation bis zum Ende des zweiten Lebensjahres bei Einbeziehung der Eltern positive Effekte erreichbar sind (Resnick et al., 1988). 17 Studien untersuchten Effekte von Interventionen in den ersten Lebensmonaten nach der Entlassung von Neugeborenen-Intensivstationen auf die motorische Entwicklung. Entwicklungsneurologische (Bobath-)Behandlungen zeigten im Vergleich mit allgemeinen Stimulationsprogrammen keine Vorteile (Palmer et al., 1990; Weindling et al., 1996). Eine Intensivtherapie 1-mal wöchentlich zeigte bessere Effekte als eine 1-mal monatlich stattfindende Therapie (Majo, 1991).
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Konduktive Förderung und traditionelle entwicklungsneurologische Programme führten zu vergleichbaren Fortschritten (Reddihough et al., 1998). Zwei Studien zur Vojta-Therapie zeigten keine unterschiedlichen Effekte von Bobathversus Vojta-Therapie bzw. einen positiven Dosiseffekt intensiverer Vojta-Behandlung. Die Studien haben wegen begrenzter methodischer Qualität jedoch keine verlässliche Aussagekraft (d’Avignon et al., 1981; Kanda et al., 2004). Insgesamt besteht heute die Ansicht, dass spezifische Therapiekonzepte (z. B. Bobath, Vojta, Petö) in der sekundären Prävention motorischer Störung bei Hochrisikokindern keine nachweisbaren spezifischen Effekte zeigen. Daraus kann jedoch nicht auf eine Unwirksamkeit von Frühförderung geschlossen werden. Es werden heute eher allgemeine Entwicklungsprogramme empfohlen, in denen auch die Eltern lernen, wie sie die kindliche Entwicklung fördern können (Blauw-Haspers & Hadders-Algra, 2005). In diesen Förderansätzen sollte motorisches Lernen kind- und interessengeleitet in konkreten Spielsituationen und als alltagsrelevante motorische Aufgaben in einer ausreichenden Intensität angeboten werden (Bode, 2004b; Sugden & Chambers, 1998). Effekte früher Erfahrung auf Gehirnfunktion und Struktur. Erstmals konnte kürzlich bei jungen menschlichen Säuglingen nachgewiesen werden, dass frühe Erfahrungen die Gehirnfunktion und -struktur verändern. Bei Frühgeborenen der 28. bis 33. Woche ohne zusätzliche Risikofaktoren wurde kurz nach der Geburt für die Dauer von etwa 10 bis 14 Wochen NIDCAP eingesetzt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die Standardpflege erhielt, zeigten die NIDCAP-Kinder am Ende der Förderzeit nicht nur ein besseres neurologisches Verhalten, sondern auch eine stärkere spektrale Kohärenz (Übereinstimmung der EEG-Frequenzen) im EEG zwischen Stirnhirn und anderen Hirnabschnitten als Hinweis auf eine intensivere funktionelle Verknüpfung dieser Regionen sowie eine höhere relative Anisotropie in der inneren Kapsel in der MRT-Untersuchung des Gehirns als Hinweis auf eine bessere Myelinisierung (Ummantelung) der dort verlaufenden Nervenbahnen (Als et al., 2004). Klinisch ließen sich positive Effekte der NIDCAP u. a. auf die motorische Entwicklung bis zum korrigierten Alter von 9 Monaten nachweisen. Entsprechende neurophysiologische und funktionell bildgebende Untersuchungen zum Effekt einer motorischen Förderung bei Risiko-, Früh- und Neugeborenen sowie Kindern jenseits der Neugeborenenzeit liegen bislang nicht vor. Dennoch zeigt diese Untersuchung eine neue Möglichkeit auf, Effekte von Fördermaßnahmen zur sekundären Prävention motorischer Störungen zu objektivieren. Effekte motorischer Förderung im Kleinkindalter. Die Abnahme der motorischen Leistungsfähigkeit von gesunden Kindern im Vorschul- und Schulalter während der letzten 20 Jahre wird im Zusammenhang mit einem zunehmenden Bewegungsmangel gesehen (Graf et al., 2005). Daraus kann gefolgert werden, dass vermehrte körperliche Bewegung im Alltag die motorischen Fähigkeiten verbessert. Ob diese unspezifischen Maßnahmen auch primär oder sekundär präventive Effekte bei umschriebenen Entwicklungsstörungen der Motorik haben, ist bisher
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nicht systematisch untersucht. Umschriebene Entwicklungsstörungen der Motorik dürfen nicht mit geringer motorischer Leistungsfähigkeit infolge mangelnder Übung gleichgesetzt werden.
2.4 Zusammenfassung Einige spezielle Maßnahmen zur Prävention motorischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen sind hoch wirksam. Die effektivste Präventionsmaßnahme motorischer Störungen in den letzten 50 Jahren war die Schluckimpfung. Durch sie wurden bei Millionen von Menschen Lähmungen infolge einer Poliomyelitis verhindert. Andere Impfungen haben in Deutschland und in anderen Ländern ebenfalls zu einem Rückgang vorgeburtlich (Röteln) oder nach der Geburt (Masern, Mumps, Hämophilus, Pneumokokken, Meningokokken) erworbener Hirnschäden geführt. Vielfältige Maßnahmen der Unfallprävention haben zu einem deutlichen Rückgang von Verkehrsunfällen, damit verbundenen Schädel-Hirn-Traumen und daraus entstehenden Bewegungsstörungen geführt. Die Prävention von Schädel-Hirn-Traumen im Rahmen von Kindesmisshandlungen steht noch ganz am Anfang. Eine perikonzeptionelle Folsäureprophylaxe stellt eine effektive Maßnahme zur Reduktion der Häufigkeit einer Spina bifida dar. Sie ist leider noch zu wenig bekannt und verbreitet. Sie wird selbst von Geburtshelfern nicht konsequent empfohlen. Die konsequente Behandlung der Hyperbilirubinämie des Neugeborenen hat dazu geführt, dass durch Bilirubinenzephalopathie (Kernikterus) verursachte dyskinetische Cerebralparesen bei uns praktisch vollständig verschwunden sind. Vielfältige andere Anstrengungen zur primären und sekundären Prävention von Cerebralparesen können im Einzelfall wirksam sein (Brown, 2003). Sie haben jedoch bislang die CP-Häufigkeit insgesamt nicht verringern können. Dafür ist möglicherweise auch ein verändertes Ursachen-Spektrum der CP verantwortlich. Es gibt keine gesicherten Nachweise für positive Langzeitwirkungen von Ernährung oder Frühförderung in der Prävention motorischer Störungen. Das bisherige Fehlen mancher wissenschaftlicher Evidenzen beweist jedoch nicht die Unwirksamkeit vieler Präventiv- oder Fördermaßnahmen. Einige sind auch ohne das Vorliegen entsprechender Studien als offensichtlich wirksam anzusehen und bedürfen keiner weiteren kontrollierten Studie. Nur durch gute epidemiologische und kontrollierte Interventionsstudien lassen sich weitere Erkenntnisse über die Effekte mancher noch unbewiesener und auch neuer innovativer Präventionsstrategien gewinnen. Solche Studien sind allerdings aufwändig und schwierig durchzuführen. Fragen des Datenschutzes müssen geklärt werden, adäquate gesetzliche Rahmenbedingungen z. B. für repräsentative oder bevölkerungsbezogene Krankheitsregister sowie organisatorische und finanzielle Voraussetzungen auch für die Untersuchung langfristiger Trends müssen noch geschaffen werden (Bax, 2003; Brown, 2003).
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Prävention von kognitiven Entwicklungsstörungen und geistiger Behinderung Dieter Karch
Gliederung 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3
Kognitive Entwicklungsstörungen und geistige Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweregrade und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten zur Prävention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Primäre Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundäre Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evaluation präventiver Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.1 Kognitive Entwicklungsstörungen und geistige Behinderung 3.1.1 Schweregrade und Diagnostik Geistige Behinderung bedeutet eine ausgeprägte kognitive Entwicklungsstörung, wobei der IQ-Wert unter 70 liegt. International und nach ICD-10 werden IQWerte zwischen 51 und 70 als leichtes Intelligenzdefizit oder milde mentale Retardierung und unter 51 als schwere mentale Retardierung definiert. Liegen die IQ-Werte zwischen 70 und 85, so spricht man in Deutschland von leichter mentaler Retardierung oder von Lernbehinderung. Hierfür findet sich im ICD10-Klassifikationssystem der Begriff „Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten“. Im Säuglings- und Kleinkindalter wird der ermittelte Intelligenzquotient einem Entwicklungsalter zugeordnet, wobei z. B. ein Entwicklungsrückstand um einen oder mehrere Monate festgestellt wird. Allerdings können die Fähigkeiten eines 6-jährigen Schulkindes mit einem IQ von 50 (entsprechend einem rechnerischen Entwicklungsrückstand von 36 Monaten) nicht mit denen eines Kindes im Alter von 3 Jahren verglichen werden. Die Häufigkeit einer Lernbehinderung wird auf ca. 3 bis 4 % eines Jahrgangs, die einer geistigen Behinderung auf
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ca. 1,5 % (schwere mentale Retardierung ca. 0,4 %) geschätzt. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten trotz oder wegen der medizinischen Fortschritte offensichtlich wenig geändert (Roeleveld et al., 1997; Cans et al., 1999; Stromme & Hagberg, 2000). Unabhängig von der Tatsache, dass kognitive Fähigkeiten umso schwieriger zu messen sind, je jünger ein Kind ist, unterscheiden sich auch die Testverfahren und Prüfitems für einzelne Altersstufen konzeptionell. Zur Intelligenztestung werden u. a. die folgenden Untersuchungsverfahren eingesetzt: Entwicklungstests für das Kleinkindalter (z. B. Münchener Funktionelle Entwicklungsdiagnostik, Wiener Entwicklungstest, Bayley Skalen), Leiter-Scale, Testbatterie für Geistig Behinderte, SON-R (Snijders-Oomen-Nonverbaler Intelligenztest), K-ABC (Kaufmann Assessment Battery for Children) und HAWIK-III. Nur bei der Leiter-Scale und der Testbatterie für Geistig Behinderte ist eine Differenzierung der kognitiven Fertigkeiten unter einem IQ von 50 möglich. Leiter-Scale, deren Normen veraltet sind, und SON-R sind sprachungebundene Tests. Eine geistige Behinderung ist oft verknüpft mit Störungen der Sinneswahrnehmung, motorischen Störungen oder Symptomen einer zugrunde liegenden Erkrankung. Zusätzlich können auch Verhaltens- oder psychische Störungen bestehen. Testdurchführung und Interpretation der Testergebnisse können dadurch erschwert sein. 3.1.2 Ursachen Die häufigste Ursache für eine geistige Behinderung ist ein angeborener Begabungsmangel, der nur zum Teil durch Erkrankungen bedingt ist: – angeboren: – genetisch: Chromosomenaberrationen z. B. Trisomie 21, molekulargenetische Defekte, – erworben: Infektionen (z. B. Cytomegalie-Virus), Drogen (z. B. Alkohol), Erkrankungen der Mutter; ungeklärt (z. B. Missbildungssyndrome mit Hirnaufbau- oder -reifungsstörungen), – Komplikationen und Erkrankungen während der Geburt (perinatal): z. B. Sauerstoffmangel oder Hirnblutung, – nach der Neugeborenenphase erworben (postnatal): z. B. durch ZNS-Infektionen oder -Traumata sowie bei schweren Allgemeinerkrankungen, – psychosozial: z. B. Unterernährung, Vernachlässigung, Bindungsstörung, emotionale oder andere psychische Erkrankungen der Mutter bzw. des Vaters. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass die Chance, die Ursache einer mentalen Retardierung zu finden, umso größer wird, je deutlicher die Retardierung ausgeprägt ist. Aber selbst bei Kindern mit einer erheblichen kognitiven Störung (geistige Behinderung) lässt sich bei weniger als 50 % eine definitive Ursache nachweisen. Oft können Ursachen nur vermutet werden, wie z. B. toxische Effekte von Alkohol, selbst wenn typische Merkmale des embryofetalen
3 Prävention von kognitiven Entwicklungsstörungen und geistiger Behinderung
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Alkoholsyndroms fehlen. Nicht selten lässt sich aus der biographischen Anamnese und dem psychosozialen Kontext auch nur vermuten, dass es sich um eine familiärgenetische Ursache und/oder die Folge zu geringer Anregungen bzw. eines ungenügenden Lernumfeldes aus psychosozialen Gründen handelt. Die „Aufklärungsquote“ steigt, wenn umfassende Untersuchungen durchgeführt werden; so lassen einige „biologische Marker“ zumindest eine Zuordnung in die Gruppen: Angeborene oder peri- bzw. postnatal erworbene Hirnläsion zu (Stromme & Hagberg, 2000). Die aufgezählten Ursachen können auch zu einer motorischen Entwicklungsstörung führen (s. Kap. 2).
3.2 Prävention Bei den zahlreichen Risikofaktoren, die auch nicht unabhängig voneinander sind, bieten sich theoretisch vielfältige Möglichkeiten für präventive Interventionen an, um das Auftreten von kognitiven Entwicklungsstörungen zu vermeiden oder zumindest ihre Ausprägung zu vermindern (vgl. Tab. 1). Tabelle 1: Prävention von kognitiven Entwicklungsstörungen oder geistiger Behinderung Primäre Prävention
– Genetische Beratung – Impfungen – Vermeidung von Noxen vor und während der Schwangerschaft – Ernährungsberatung (z. B. prophylaktische Gabe von Folsäure) – Vermeidung einer Frühgeburt – Verringerung psychosozialer Risiken – Politische Maßnahmen zur kognitiven Förderung – Schwangerschaftsvorsorge – Verbesserung der perinatalmedizinischen Versorgung
Sekundäre Prävention
– Früherkennungsuntersuchungen im Kindesalter – Frühförderung und frühe Therapien
3.2.1 Möglichkeiten zur Prävention Die Möglichkeit, durch bestimmte Maßnahmen eine Entwicklungsstörung oder Erkrankung zu verhindern, hängt zunächst davon ab, ob man ihre Ursachen kennt und ob wissenschaftlich gesicherte Prädiktoren oder Risikofaktoren existieren (Allhoff, 1994). Erhöhtes Risiko bedeutet, dass ein Ereignis oder eine Erkrankung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, als es dem Erwartungswert entspricht, eintritt. Als Beispiel für die Erfassung von Risikofaktoren als Voraussetzung für primäre Präventionsmaßnahmen sei die Bestimmung des sog. Apgar-Scores genannt, der bei allen Neugeborenen in den ersten Lebensminuten anhand einfacher klinischer Befunde ermittelt wird. Er zeigt an, wie es dem
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Neugeborenen geht bzw. wie groß das Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung ist. Wenn der Score auffällig ist, muss aktuell gehandelt werden. So muss z. B. Sauerstoff verabreicht werden, wenn die Atemfunktion eingeschränkt erscheint. Lange Zeit war man der Meinung, dass dieser Risikoscore (für sich alleine genommen) zugleich ein Prädiktor für die spätere Entwicklung sei. Es wurde unterstellt, dass ein schlechter Apgar-Score mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Entwicklung eines Hirnschadens aufgrund geburtsbedingter Komplikationen mit der Folge einer motorischen und/oder kognitiven Entwicklungsstörung hinweise. Erst Jahrzehnte nach Einführung dieser Untersuchung konnte durch prospektive und langfristige Untersuchungen die geringe prognostische Aussagekraft dieses Risikoscores erkannt werden. Die Auswirkungen einer perinatalen Sauerstoffmangelsituation für die psychomotorische Entwicklung können nicht alleine durch einen aktuellen Befund, wie den Apgar-Score, beurteilt werden; sie sind Teil eines komplexen Systems (Karch, 1994a; Laucht et al., 1997). Ähnliche Überlegungen sind auch bei der Prävention von kognitiven Entwicklungsstörungen zu berücksichtigen. Eine weitere Möglichkeit zur Prävention bieten Therapie oder Förderung bei bestehenden Entwicklungsstörungen. Diese sekundär bzw. tertiär präventiven Interventionen beruhen auf der Annahme, dass durch spezielle Interventionen die Intelligenzentwicklung nachhaltig verbessert werden kann und dass Interventionen so früh wie möglich beginnen sollen. Durch die Förderung sollen Wahrnehmungs- und Lernprozesse angeregt und die große Plastizität der Gehirnentwicklung genutzt werden. Neuere neurobiologische Erkenntnisse sprechen dafür, dass dabei spezielle Defizite oder Läsionen z. T. kompensiert und die Ausbildung von synaptischen Verbindungen im ZNS unterstützt werden können. 3.2.2 Primäre Prävention Genetische Beratung Liegt in der Familie eine angeborene Erkrankung bzw. Entwicklungsstörung vor, ist eine erbliche Erkrankung bekannt, sind die Eltern miteinander verwandt oder hat die Mutter ein Alter von über 35 Jahren erreicht, ist vor der Konzeption eine genetische Beratung zu empfehlen. Ziel ist die Aufklärung über das Risiko bzw. Wiederholungsrisiko für eine erhebliche Entwicklungsstörung oder Erkrankung. Wird die Beratung während der Schwangerschaft durchgeführt, erfolgt sie unter besonderen, z. T. belastenden Voraussetzungen. Unter eugenischen Aspekten entschließen sich nach einer Beratung viele Eltern, auf ein Kind zu verzichten, eine spezielle Schwangerschaftsuntersuchung durchführen zu lassen oder evtl. die Schwangerschaft abzubrechen. Hierdurch verringert sich die Zahl von Kindern mit kognitiven Defiziten; wie groß dieser Effekt ist, kann allerdings nicht exakt beziffert werden. Er ist aber eher gering einzuschätzen, insbesondere im Hinblick auf eine Schwangerschaftsunterbrechung beim Nachweis eines Gendefektes, der nur bei den seltenen monogenen Defekten möglich ist. Selbst wenn bei einem Kind oder Angehörigen der Familie eine geistige Behinderung vorliegt, kann das
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Wiederholungsrisiko vielfach nur empirisch begründet und geschätzt werden, wenn die Ursache nicht bekannt ist (Tariverdian & Buselmaier, 2004). Schwangerschaftsrisiken Erkrankungen der Mutter. Chronische Erkrankungen der Mutter oder akute gesundheitliche Schwangerschaftskomplikationen, wie z. B. eine Schwangerschaftsgestose, erhöhen das Risiko für vorgeburtlich erworbene Hirnschädigungen des Kindes. Als präventive Maßnahmen wurden Schutzimpfungen in der Säuglings- und Kleinkindzeit (insbesondere Röteln) und Überprüfungen auf Antikörper gegen neurotrope Viren, Toxoplasmose und andere Infektionen sowie mehrfache Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen, einschließlich Ultraschalluntersuchungen, etabliert. Eine Infektion mit dem Cytomegalievirus (CMV), gegen das noch nicht geimpft werden kann, stellt z. B. ein relativ häufiges Risiko dar. Erkrankt die Mutter während der Schwangerschaft erstmals an einer CMVInfektion (geschätzte Häufigkeit der intrauterinen Infektion ca. 1 bis 2 %), deren Symptome oft leicht und harmlos sind, liegt das Risiko für eine Hirnschädigung mit dadurch bedingter Einschränkung der kognitiven Entwicklung bei 5 bis 10 % (Übersicht bei Adler et al., 2004). Daher sollte schon vor der Konzeption geprüft werden, ob ausreichend Antikörper vorhanden sind. Wenn Antikörper nicht nachweisbar sind, dann sollten die üblichen hygienischen Maßnahmen bei einem Kontakt mit erkrankten Kindern strikt beachtet werden. Ernährung während der Schwangerschaft. Unabhängig von dem ungünstigen Einfluss akuter oder chronischer Erkrankungen der Mutter auf die Entwicklung des Kindes können Fehl- oder Unterernährung der Mutter, wie z. B. bei Hungersnot, aber auch Anomalien der Placenta (Mutterkuchen), zu einer mangelnden Versorgung des Feten führen. Dies hat zur Folge, dass die Neugeborenen zu klein und zu leicht für die Schwangerschaftsdauer sind und/oder sie haben einen zu kleinen Kopfumfang als Ausdruck einer mangelnden Gehirnentwicklung. Eine sensible Phase für die Gehirnentwicklung beginnt Mitte der Schwangerschaft, wenn die Neuronen gebildet werden. Die Zahl der Neuronen liegt bereits nach dem 8. Schwangerschaftsmonat fest. Danach bildet sich, besonders rasch im Kleinkindalter, das Netzwerk von Neuriten und Dendriten (mit Spines) und den synaptischen Verbindungen zwischen den Neuronen aus, das seinerseits empfindlich auf eine Mangelernährung reagiert. Die Folgen einer Mangelernährung verschlimmern sich, wenn ein Kind intrauterin zusätzlichen Noxen ausgesetzt wird und die Mangelernährung über die Neugeborenenzeit hinaus anhält. Offensichtlich besteht bei manchen Müttern ein latenter Vitaminmangel, so dass z. B. die Einnahme von Folsäure vor dem Eintreten einer Schwangerschaft das Risiko für das Auftreten einer Spina bifida (Missbildung mit unvollständigem Verschluss des Neuralrohres und der Wirbelsäule) und eines Hydrozephalus (Erweiterung der Hohlräume für das Nervenwasser) vermindern kann (Mitchell et al., 2004; s. auch Kap. 2).
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Maßnahmen des Mutterschutzes in der Arbeitswelt, Ernährungsberatung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen und gesundheitliche Aufklärung tragen daher auch zur Vermeidung von kognitiven Entwicklungsstörungen bei. Dies gilt umso mehr für den Bereich der Genussgifte. Noxen (Alkohol, Nikotin und andere Drogen). Toxische Effekte von Alkohol auf das Zentralnervensystem des ungeborenen Kindes sind weitgehend bekannt. Während man früher annahm, dass eine Gefährdung des Kindes nur bei häufigem und starkem Alkoholgenuss eintritt, weiß man heute, dass auch geringere Mengen für eine Hirnschädigung mit einer Einschränkung der kognitiven Entwicklung verantwortlich sein können (Spohr et al., 1995; Steinhausen et al., 1995; Steinhausen et al., 2003). Nach Angaben aus Finnland können Hirnaufbaustörungen auch bei relativ geringem Alkoholgenuss auftreten. Das Risiko ist bei regelmäßigem Genuss von mehr als zwei „Drinks“ (0,3 Bier, 0,12 Wein, 0,04 Schnaps/ Cognac/Likör) pro Tag groß (Autti-Rämö et al., 2002; Autti-Rämö, 2002). Ähnlich ist die Erkenntnislage beim Rauchen. Es mehren sich die Anzeichen, dass bei individueller Überempfindlichkeit, auch unter der üblichen Grenze von maximal zehn Zigaretten pro Tag, Entwicklungs- und Verhaltensstörungen auftreten können, welche die Lernfähigkeit einschränken (Law et al., 2003). Verzicht auf Alkohol und Rauchen verringert das Risiko für Entwicklungsstörungen, insbesondere auch im kognitiven Bereich, da sich sowohl Alkohol als auch Nikotin sehr ungünstig auf die Hirnentwicklung auswirken (vgl. Kasten 1). Kasten 1: Risiken des mütterlichen Rauchens für die Gesundheit des Neugeborenen
– mangelnde Gewichtsentwicklung (Im Mittel 150 bis 250 Gramm geringeres Geburtsgewicht*, 2-fach erhöhtes Risiko für Mangelgeburt**) – erhöhte Rate neurologischer und Verhaltensauffälligkeiten beim Neugeborenen in Abhängigkeit von dem Ausmaß der Nikotinbelastung (Messung der Konzentration im Speichel der Mutter***) * Andres & Day, 2000, ** Guyer et al., 1999, ***Law et al., 2003
Auch Umweltgiftstoffe, wie z. B. Blei oder Quecksilber, können zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Entwicklung des ungeborenen Kindes führen. Umstritten ist, ob sie zu einer wesentlichen Entwicklungsstörung führen, wenn es sich nicht um toxische Mengen handelt. Frühgeburtlichkeit Da eine kurze Schwangerschaftsdauer und ein geringes Geburtsgewicht direkt mit dem Risiko einer Entwicklungsstörung verknüpft sind, ist die Vermeidung von Frühgeburten eine wichtige präventive Maßnahme, die zur Verringerung von kognitiven Störungen beiträgt. Es besteht nicht nur eine direkte Korrelation zwischen einer kurzen Schwangerschaftsdauer (unter 33 Wochen) und dem Auftreten von spastischen Bewegungsstörungen (s. Kap. 2), sondern auch zu sprachlichen,
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visuellen und kognitiven Störungen. Diese können selbst bei Kindern, die keine erheblichen motorischen Störungen aufweisen, auftreten und werden spätestens im Vorschulalter sichtbar (Wolke & Meyer, 1999; Übersicht bei Karch, 1994b und Vollmer & Krägeloh-Mann, 2002). Das Risiko für eine Frühgeburt und andere Komplikationen sind auch bei Schwangerschaften im Jugendalter („Teenagerschwangerschaft“) deutlich erhöht. Daher ist die Vermeidung zu früher Schwangerschaften nicht nur aus psychosozialen Aspekten, sondern auch zur Prävention von Entwicklungsstörungen eine wichtige präventive Maßnahme. Perinatale Medizin Die Fortschritte der perinatalen Medizin haben zu einer erheblichen Verringerung der Sterblichkeit und der Erkrankungsrate während der Geburt geführt und damit wohl auch die Häufigkeit kognitiver Entwicklungsstörungen verringert. Diese Feststellung gilt auch für das Auftreten von motorischen Störungen (s. Kap. 2). In einer internationalen Vergleichsstudie zur Entwicklung von extrem früh Geborenen bis zum Schulalter (8. bis 11. Lebensjahr) wurde festgestellt, dass die Erfolge der Perinatalmedizin in verschiedenen Ländern durchaus ähnlich sind Tabelle 2: Die kognitive Entwicklung von extrem früh geborenen Schulkindern (n = 532, Geburtsgewicht 500 bis 1000 Gramm) in 4 verschiedenen Regionen (Saigal et al., 2003). Tests
New Jersey
Ontario
Bayern
Holland
15 23 62
25 23 52
27 28 45
26 30 44
8 11 81
11 29 60
54 46
4 26 70
15 9 76
25 15 60
47 22 31
30 13 57
-
15 24 61
40 21 39
21 13 65
Intelligenz 84 Lesen 84 Rechnen 84 Schreiben 84
Anmerkung: Häufigkeitsangaben als prozentualer Anteil des Gesamtkollektivs der nachuntersuchten Kinder
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(vgl. Tab. 2). Einbezogen wurden vier prospektive Kohortenstudien mit vergleichbarem Studiendesign aus den 1980er Jahren. Die Überlebensrate lag zwischen 45 bis 49 % (Saigal et al., 2003). Obwohl sich die perinatale Versorgung inzwischen weiter verbessert hat, bleibt das Grundproblem gleich. Es überleben immer mehr Kinder mit einem Geburtsgewicht von weniger als 750 Gramm bzw. einer Schwangerschaftsdauer unter 28 Wochen einhergehend mit einem extrem hohen Risiko für eine Hirnschädigung und gleichzeitig verringert sich das Risiko bei den Kindern, bei denen bis in die 1980er Jahre die Sterbensrate bei ca. 50 % lag! Psychosoziale Risiken Seit langem ist bekannt, dass sich nicht nur finanzielle Not, sondern vor allem eine emotionale Verarmung, mangelnde Bindung sowie das Fehlen eines anregenden Umfelds ungünstig auf die psychomotorische Entwicklung auswirken. Im Extremfall sind Vernachlässigung oder gar Missbrauch bzw. Misshandlung für die Fehlentwicklung verantwortlich. Diese Bedingungsfaktoren gibt es nicht nur in den Ländern der sog. Dritten Welt. Die Folgen ungünstiger psychosozialer Bedingungen verschlimmern sich, wenn zusätzlich somatische Risiken für die Gehirnentwicklung bestehen. Je mehr Risiken nachweisbar sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit einer beeinträchtigten kognitiven Entwicklung. Nach Sameroff et al. (1987) gelten mehr als drei unterschiedliche Risiken als kritisch. Impfungen Zu den effektivsten primär präventiven Maßnahmen im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung und das Auftreten einer geistigen Behinderung in Folge einer erworbenen Hirnschädigung zählen die Impfungen. In gemeinsamer Anstrengung von Kinderärzten und öffentlichem Gesundheitswesen gelingt es inzwischen, Jahr für Jahr fast alle Säuglinge und Kleinkinder gegen die häufigsten Infektionskrankheiten mit einem hohen Risikopotential zu impfen. Spezielle Informationen sind auf den Internetseiten des Robert Koch-Instituts zu finden (www.rki.de). In Bezug auf die kognitive Entwicklung sind viral bedingte Enzephalitiden (Hirnentzündungen) bei Masern und Windpocken sowie Komplikationen bei Erkrankungen durch Meningokokken, Keuchhusten- oder Haemophilusbakterien von besonderer Bedeutung. Impfungen gegen Viren, die intrauterin zu Schädigungen des ZNS führen können, sind besonders erfolgreiche Maßnahmen (z. B. Rötelnimpfung von Mädchen im Jugendalter). Schädigungen des ungeborenen Kindes durch eine Rötelninfektion sind dadurch extrem selten geworden. Ernährung des Kindes In der Öffentlichkeit wird die Hoffnung suggeriert, dass die geistige Entwicklung durch eine Beachtung von allgemeinen und speziellen Regeln für die tägliche
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Ernährung gefördert werden könne. Eine gesunde Skepsis gegenüber der Vielzahl von entsprechenden Versprechungen, z. B. durch spezielle Nahrungsmittelzusätze, die Lernfähigkeit steigern und das Gedächtnis verbessern zu können, ist mehr als berechtigt, da es keine gesicherten Erkenntnisse hierzu gibt. Selbst wissenschaftlich erwiesene kurzfristige Vorteile einer hochwertigen Ernährung gesunder Säuglinge (Muttermilch oder Fertigmilch mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren) haben vermutlich längerfristig keine relevante Bedeutung (Auestadt et al., 2003; Richardson & Montgomery, 2005). In einer philippinischen Studie konnten im Schulalter signifikant höhere IQ-Werte nur bei den Kindern, die länger als 12 Monate voll gestillt und mit zu niedrigem Geburtsgewicht (unter 2500 Gramm) geboren worden waren, festgestellt werden (Daniels & Adair, 2005). Die Zufuhr spezieller Mineralien oder Nahrungszusätze ist allerdings unerlässlich, wenn entsprechende Mangelzustände in der Nahrungskette nachgewiesen sind (z. B. Zink in bestimmten Regionen der Erde). Bevölkerungsweite Maßnahmen zur Förderung der kognitiven Entwicklung Die Prävention von Entwicklungsstörungen im mentalen und psychischen Bereich muss mehrdimensional angelegt sein. Hierzu gehören: eine Förderung von Erziehungsmaßnahmen im Hinblick auf die Kompetenz zum Lernen und Sozialverhalten, eine Verbesserung der familiären und sozialen Lebensumstände und eine Bereitstellung von geeigneten Einrichtungen, wie z. B. Kindergärten, Schulen sowie von Freizeit- und Sportmöglichkeiten. In vielen Ländern wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, die geistige Entwicklung von Kindern schon früh zu fördern („Head Start-Programme“). Mit einer Förderung in Kindergärten wurde in Deutschland Anfang des letzten Jahrhunderts begonnen. Inwieweit es durch primär präventive Maßnahmen gelingt, die Häufigkeit einer geistigen Behinderung zu verringern, ist eine offene Frage. Möglicherweise führen derartige Fördermaßnahmen dazu, dass die begabten Kinder am meisten profitieren und die Unterschiede in der kognitiven Entwicklung zwischen den Kindern dadurch noch größer werden. Viele der von der öffentlichen Hand finanzierten Förderprogramme beziehen sich auf so genannte Risikokinder (s. u.) im Sinne einer sekundären Prävention. 3.2.3 Sekundäre Prävention Krankheits-Früherkennungsprogramm für Kinder Vor über 30 Jahren wurde in Deutschland ein Screeningprogramm ins Leben gerufen mit dem Ziel, Erkrankungen und Entwicklungsstörungen so früh wie möglich zu erkennen und dadurch eine frühzeitige Behandlung mit besseren Erfolgsaussichten zu erreichen. Zehn Untersuchungszeitpunkte sind festgelegt;
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die meisten liegen im ersten Lebensjahr. Zum Neugeborenen-Screening gehört die Suche nach angeborenen Stoffwechselstörungen, wie z. B. nach einer Phenylketonurie und einer Schilddrüsenunterfunktion, bei denen schon in den ersten Lebenstagen abnorme Befunde im Blut zu finden sind, obwohl noch keine eindeutigen klinischen Symptome bestehen. Auch andere angeborene Erkrankungen können durch die Untersuchung einer kleinen Blutmenge, die auf ein Filzpapier getropft werden muss („Guthrie-Test“), früh entdeckt werden. Obwohl diese Erkrankungen sehr selten sind, handelt es sich um eine effiziente Prävention, da die genannten Krankheitsbilder behandelbar sind und durch eine Therapie die Häufigkeit einer geistiger Behinderung vermindert werden konnte (Roscher et al., 2001). Frühförderung/Frühtherapie Die Förderung von Kindern mit speziellen Entwicklungsrisiken oder mit bereits bestehenden Entwicklungsstörungen wird als präventive Maßnahme seit Ende des 19. Jahrhunderts in Europa und Anfang des 20. Jahrhunderts auch in den USA propagiert. Sie wurde vor allem von den Ärzten Itard, Seguin und Montessori initiiert, aber auch von den Pädagogen Fröbel und Pestalozzi. Es wurden Einrichtungen zur speziellen Förderung entwicklungsgestörter bzw. geistig behinderter Kinder gegründet und gesetzlich verankerte Frühförder- und Schulsysteme entwickelt. In den USA wurden auch „Head Start-Programme“ für Kleinkinder (später auch für Säuglinge) insbesondere aus sozial benachteiligten Familien eingeführt (s. o.). In Deutschland wurden seit den 1970er Jahren Frühförderstellen eingerichtet. Allen Initiativen lag die Idee zugrunde, dass man durch eine frühe und gezielte Förderung drohenden mentalen Entwicklungsstörungen vorbeugen und bestehende kognitive Störungen weitgehend kompensieren könne. Auch die Einführung eines Früherkennungsprogramms für Säuglinge und Kleinkinder in Deutschland war in diesem Zusammenhang ein logischer Schritt. 3.2.4 Evaluation präventiver Maßnahmen Bevölkerungsweite Maßnahmen Studien zur Effektivität von bevölkerungsweiten Programmen sind methodisch anspruchsvoll und erfordern einen hohen Aufwand; die Ergebnisse sind schwierig zu interpretieren. Da keine eindeutigen Belege für die Effektivität einzelner Programme vorliegen, werden seit Jahrzehnten immer neue Programme mit wechselnden Zielen und Vorgehensweisen entwickelt, die dem jeweiligen Zeitgeist entsprechen (Übersicht bei Shonkoff & Meisels, 2000). Aktuell unternimmt z. B. China riesige Anstrengungen, um bereits zwei- bis dreijährige Kinder Rechnen und Lesen lernen zu lassen.
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Früherkennungsuntersuchungen Durch die Einführung eines erweiterten Neugeborenen-Screenings auf Stoffwechselstörungen (Roscher et al., 2001) konnten in Bayern etwa doppelt so viele seltene Erkrankungen entdeckt werden. Die Früherkennungsuntersuchungen in den folgenden fünf Lebensjahren sind aber bei weitem nicht so effizient wie die im Neugeborenenalter. Insbesondere in Bezug auf psychomotorische Retardierungen haben sich die Hoffnungen nicht erfüllt. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen fehlen für die meisten Erkrankungen klar definierte Suchkriterien, die mit ausreichender Zuverlässigkeit das Bestehen oder das Risiko für eine Erkrankung frühzeitig aufzeigen, und zum anderen sind die Erfolge einer Behandlung bzw. Frühförderung nicht vergleichbar mit denen einer Therapie der genannten Stoffwechselerkrankungen. Auch sinkt die Teilnahmerate an den Früherkennungsuntersuchungen von ca. 100 Prozent im Neugeborenenalter auf weniger als 85 Prozent im Vorschulalter. Insgesamt erscheint der Aufwand eines bevölkerungsweiten Suchprogramms mit den bisher verfolgten Zielen nicht mehr gerechtfertigt. Viele unnötige Kontrolluntersuchungen und therapeutische Interventionen infolge falsch positiver und falsch negativer Befunde (mangelnde Sensitivität und Spezifität der Untersuchungsverfahren) haben das Früherkennungsprogramm infrage gestellt. Frühförderung Die Effekte von Förderprogrammen wurden in zahlreichen Längsschnittstudien erforscht. Die meisten Studien beziehen sich auf spezielle Entwicklungsstörungen oder Kinder, die speziellen Risiken ausgesetzt waren. Es ist üblich, zwischen psychosozialen und biologischen Risikofaktoren zu unterscheiden. Es bestehen aber von Studie zu Studie unterschiedliche Listen oder Definitionen der Risikofaktoren, so dass die Studienergebnisse nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar sind. Umfassende Informationen zu den theoretischen Grundlagen und unterschiedlichen Zielsetzungen sowie zur Effizienz von Interventionsprogrammen finden sich bei Shonkoff und Meisels (2000) und Guralnick (1997). Eine Literaturübersicht über die Ergebnisse von Effektivitätsstudien einer Frühförderung im Hinblick auf kognitive Leistungen hat Krause (2003) vorgelegt. Er weist auf die uneinheitliche Methodik hin: Unterschiede bestehen hinsichtlich der untersuchten Erkrankungen, der Beurteilung des Entwicklungsstandes, der Festlegung von Erfolgskriterien, der Erfassung von Interkorrelationen und konfundierenden Variablen (bedeutsame Einflussfaktoren). Auch für die in Deutschland praktizierte Förderung in Frühförderstellen fehlen adäquate Evaluationsstudien. Generell wird die Effektivität einer frühen Förderung („early intervention“) als besonders hoch und nachhaltig eingeschätzt. Nach Bailey et al. (1999) führt eine intensive Förderung zu mittleren Effektstärken zwischen .40 bis .75. Allerdings sind die Erfolgsaussichten bei schwer betroffenen Kindern wesentlich geringer als bei leichteren Störungen. Auch sind die langfristigen Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung bislang nicht ausreichend untersucht.
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Die Daten einer besonders detaillierten Interventionsstudie sollen kurz dargestellt werden. Bei dem „Milwaukee Projekt“ (Garber et al., 1991) wurden 17 Kinder von Müttern mit niedrigem IQ von der Kleinkindzeit bis zur Einschulung intensiv gefördert und der Verlauf bis zum 14. Lebensjahr dokumentiert. Im Vergleich zu einer unausgelesenen Kontrollgruppe von 18 Kindern ohne intensives Förderprogramm entwickelten sich die geförderten Kinder signifikant besser; insbesondere schnitten sie in Intelligenztests beim Eintritt in die Schule besser ab. Später zeigte sich aber nicht nur eine Verringerung des Unterschieds bei den IQ-Werten, sondern auch bei den Lernergebnissen. Dieser Verlauf wurde als Hinweis darauf interpretiert, dass bei einer vorwiegend kindzentrierten kognitiven Frühförderung zwar signifikante Fortschritte erzielt werden können, aber die tatsächliche Wirksamkeit der Förderung nicht durch Tests alleine beurteilt werden kann, da im Rahmen der intensiven Förderung viele Testaufgaben geübt werden. Studien zur Wirksamkeit von Fördermaßnahmen unter Einschluss der Bezugspersonen bei Kindern mit einem Down-Syndrom zeigten, dass durch eine intensive Förderung in den ersten Lebensjahren kurzzeitige Effekte auf die psychomotorische Entwicklung insgesamt erreicht werden können. Umstritten ist ihre langfristige Bedeutung, insbesondere auch für die kognitive und sprachliche Entwicklung (Spiker & Hopman, 1997). Evaluationsstudien von unterschiedlichen Interventionsprogrammen zur Förderung der kognitiven Entwicklung bei Frühgeborenen wurden von Brisch et al. (1997) in einer Übersichtsarbeit zu Studien mit randomisierten Kontrollgruppen kritisch dargestellt. Die Dauer der Studien betrug zwischen ein und drei Jahren; es gab eine Reihe methodischer Probleme. Die Interventionen richteten sich auf die psychosoziale Situation und bei fast allen Studien fanden sich nach der Förderung signifikante Unterschiede zu den Kontrollgruppen. Inwieweit statistisch signifikante Unterschiede bei den Messwerten für den Alltag relevant sind, lässt sich aus den Studien aber kaum abschätzen; auch ihre langfristigen Auswirkungen wurden nicht untersucht. Metaanalysen (zusammenfassende Bewertung mehrerer Studien) zeigen, dass familienorientierte Förderprogramme bessere Effekte zeigen als kindorientierte, möglicherweise auch als Folge einer Wechselwirkung zwischen seelischer und sprachlicher bzw. kognitiver Entwicklung, da die Eltern-Kind-Interaktion und -Bindung gefördert wird (Dunst et al., 1989; Schlack, 1989, 1994). Die umfangreichste familienorientierte und multizentrische Studie erfasste 985 Kinder, die außerordentlich aufwändig gefördert wurden (Hausbesuche, Ganztagsförderung, Elterngruppe über drei Jahre). Dabei konnten erhebliche Fortschritte gegenüber der Kontrollgruppe erreicht werden (Infant Health and Development Program, IHDP, 1991). Wissenschaftliche Nachweisbarkeit der Effekte Addition, Kumulation und Rückwirkungen (Zirkelkreisläufe) von Störfaktoren und Risiken: Studien an Kindern mit bestimmten Risikofaktoren oder mit spe-
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ziellen Interventionen geben Auskunft über die Effekte, die während der Studie erreicht werden konnten. Es ist aber nicht eindeutig zu unterscheiden, ob die Intervention selbst oder evtl. indirekte Einflussfaktoren für die Ergebnisse verantwortlich sind. Eine frühe Förderung von Kindern im familiären Kontext bewirkt auch Veränderungen im psychosozialen Umfeld und in der inneren Einstellung der Bezugspersonen zum Kind. In vielen Studien wird auf die Bedeutung von Rückwirkungen oder Zirkelkreisläufen hingewiesen und darauf, dass die Erfolge z. T. nicht eindeutig den Interventionen zugewiesen werden können. Zudem bleibt nicht selten die Relevanz der durch Tests und Fragebögen gemessenen Effekte für den Alltag der Kinder unklar. Eine weitere Unsicherheit liegt bei vielen prospektiven Längsschnittstudien darin, dass die Art und Intensität der Therapie bzw. Förderung zwar in der Studiengruppe gut beschrieben wird, aber ihre Umsetzung nicht genau geprüft werden kann, und dass die Förderung in den Kontrollgruppen oft nicht eindeutig erfassbar und bekannt ist. Weitere Probleme ergeben sich aus eingeschränkten Informationen hinsichtlich Randomisierung (Zuteilung zu den Gruppen nach Zufallskriterien), Compliance (Zuverlässigkeit der Mitarbeit) oder Studienabbrüchen. Die Fallzahlen sind oft so gering, dass bei der Vielzahl von geprüften Variablen (Art der Interventionen und Kriterien zur Beurteilung der Effektivität) rein rechnerische Fehlerquellen bestehen. Darüber hinaus sind die Ergebnisse der Studien wegen der Heterogenität der Erkrankungen bzw. Entwicklungsstörungen, der Intensität bzw. Dauer der Interventionen sowie der Konzepte nur bedingt miteinander vergleichbar (Guralnick & Neville, 1997).
3.3 Zusammenfassung Eine primäre Prävention einer geistigen Behinderung ist effektiv möglich durch Impfungen gegen Kinderkrankheiten, die mit einem Risiko für Gehirnentzündungen verbunden sind, sowie durch eine Reduzierung von Risikofaktoren für prä- und perinatale Noxen oder Komplikationen (z. B. Einnahme von Folsäure, Verzicht auf Alkohol und Nikotin in der Schwangerschaft, Vermeidung von Frühgeburten). Exakte Angaben zur Effektivität dieser Maßnahmen existieren allerdings nicht. Eine Wirksamkeit politischer Anstrengungen, deren Ziel es ist, durch eine Aufklärung der Gesamtbevölkerung („Head Start-Programme“) die kognitive und psychosoziale Entwicklung von Kindern, die in psychosozial belasteten Verhältnissen aufwachsen, günstig zu beeinflussen, ist nur kurzfristig nachweisbar. Es liegen keine epidemiologischen Untersuchungen vor, die eine Verminderung der Häufigkeit von kognitiven Störungen durch diese Maßnahmen nachweisen. Eine Prävention ist auch bei einzelnen (seltenen) Stoffwechselstörungen, die im Neugeborenenalter durch Bluttests erkannt werden können, effektiv und verringern damit die Häufigkeit einer geistigen Behinderung. Die sekundäre Prävention von kognitiven Entwicklungsstörungen oder geistiger Behinderung durch Fördermaßnahmen bei entwicklungsgestörten Kindern ist nur erfolgreich, wenn sie umfassend und langfristig angelegt ist. Die Einbe-
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ziehung der Familie oder der nächsten Bezugspersonen, in der Regel der Mutter, sind für den Erfolg unabdingbar. Bei kindzentrierten Förderprogrammen ergeben sich zwar in psychologischen Tests bessere Untersuchungsergebnisse als bei familienzentrierten, aber der Transfer in den Alltag lässt zu wünschen übrig. Die Ausprägung einer kognitiven Entwicklungsstörung kann bei optimalem Verlauf der Förderung gemildert werden. Inwieweit eine Frühförderung und Frühtherapie zu einem selteneren Auftreten von geistiger Behinderung beiträgt, ist eine offene Frage.
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4
Prävention umschriebener Sprachentwicklungsstörungen Waldemar von Suchodoletz
Gliederung 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.3
Umschriebene Sprachentwicklungsstörungen. . . . . . . . . . Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prävention durch eine Vermeidung frühkindlicher Hirnschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prävention durch eine Therapie von Hör- und auditiven Wahrnehmungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prävention durch einen adäquaten Medienkonsum. . . . . . Prävention durch eine Sprachförderung in Kindergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prävention durch eine Anleitung der Eltern . . . . . . . . . . . . Prävention durch eine kindzentrierte Sprachtherapie . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 45 47 52 52 53 58 62 64 69 71
4.1 Umschriebene Sprachentwicklungsstörungen 4.1.1 Symptomatik Sprech- und Sprachstörungen treten im Kindesalter als spezifische Störungsbilder (u. a. Sprachentwicklungsstörung, Mutismus, Stottern, Poltern) oder im Zusammenhang mit umfassenderen psychiatrischen oder neurologischen Erkrankungen (u. a. bei Intelligenzstörungen, Autismus, infantilen Zerebralparesen) auf. Je nach Störungsbild sind jeweils andere präventive Maßnahmen wirksam. In diesem Kapitel soll auf Möglichkeiten zur Prävention von umschriebenen Sprachentwicklungsstörungen eingegangen werden, da diese im frühen Kindesalter besonders häufig sind und da sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der sozialen Entwicklungschancen eines Kindes führen. Eine Prävention dieses Störungsbildes ist deshalb von besonderer Bedeutung. Sprachentwicklungsstörungen treten bei etwa 7 % aller Kinder auf. Jungen sind zwei bis dreimal so oft wie Mädchen betroffen (Tomblin et al., 1997).
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W. v. Suchodoletz
Sprachentwicklungsstörungen sind im Kindergarten- und Vorschulalter ein häufiger Anlass für Frühfördermaßnahmen. Gelingt es nicht, sprachliche Defizite bis zur Einschulung zu überwinden, dann sind die weiteren Entwicklungschancen eines Kindes erheblich eingeschränkt. Den meisten Kindern mit persistierenden Sprachauffälligkeiten fällt es nach Schuleintritt schwer, das Lesen und Rechtschreiben zu erlernen. Dies führt nicht nur zu einem Versagen im Deutschunterricht, sondern zu Minderleistungen in allen schulischen Bereichen. Die Folge sind vorzeitige Schulabbrüche bzw. Schulabschlüsse, die unter dem Niveau liegen, das unter Berücksichtigung der allgemeinen Begabung des Kindes zu erwarten wäre. Das im Erwachsenenalter erreichte Ausbildungsniveau und der spätere soziale Status sind entsprechend niedrig. Hinzu kommen im Schulalter infolge chronischer Misserfolgserlebnisse emotionale und Verhaltensauffälligkeiten (Übersicht über Entwicklungsverläufe sprachentwicklungsgestörter Kinder bei Suchodoletz, 2004a). Eine Prävention von Sprachentwicklungsstörungen könnte derartig ungünstige Entwicklungen verhindern und sollte deshalb ein dringendes Anliegen bei der Betreuung von Kindern sein. Die Symptomatik einer Sprachentwicklungsstörung ist vom Alter des Kindes abhängig. Manche Kinder fallen bereits im Säuglingsalter durch ein vermindertes Lallen auf. Im zweiten Lebensjahr ist ein verspätetes Erlernen der ersten Wörter und eine verzögerte Entwicklung des aktiven und passiven Wortschatzes charakteristisch. Im dritten Lebensjahr steht eine verminderte Äußerungslänge und ein weitgehendes Fehlen syntaktischer Strukturen im Mittelpunkt der sprachlichen Auffälligkeiten. Im Kindergarten- und Vorschulalter haben die Kinder besondere Schwierigkeiten bei der Bildung und dem Verständnis grammatischer Wortformen und Satzstrukturen. Im Schulalter wird die Spontansprache weitgehend fehlerfrei. Die Kinder sprechen in einfachen und kurzen Sätzen und vermeiden kompliziertere grammatische Strukturen. Probleme werden erst bei höheren Anforderungen deutlich. Den Kindern fällt es schwer, Geschichten folgerichtig zu erzählen, übertragene Bedeutungen und Mehrdeutigkeiten zu verstehen und sich schriftlich kohärent mitzuteilen. Diese Schwierigkeiten bleiben oft bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen, werden aber erst bei besonderen Anforderungen oder einer gezielten Überprüfung deutlich. Weitere häufig zu beobachtende Sprachauffälligkeiten sind ein geringer Wortschatz, Wortfindungsund Lautbildungsstörungen. Je nachdem, ob Defizite bei der Sprachproduktion oder dem Sprachverständnis das Störungsbild prägen, wird nach der internationalen Klassifikation der WHO von einer expressiven oder einer rezeptiven Sprachentwicklungsstörung (F80.1 bzw. F80.2) gesprochen (Dilling et al., 1993). Als spezifische Sprachentwicklungsstörung werden aber nur Sprachauffälligkeiten eingeordnet, die nicht durch eine Intelligenzminderung, Hörstörung, neurologische Erkrankung oder eine unzureichende Anregung durch das Umfeld zu erklären sind. Es handelt sich also um Kinder mit einer umschriebenen Spracherwerbsstörung, die nicht durch eine offensichtliche Beeinträchtigung körperlicher oder psychischer Funktionen bedingt ist und erwartungswidrig auftritt. Die nonverbalen kommunikativen Fähigkeiten und das Kommunikationsbedürfnis der Kinder sind weitgehend unbeeinträchtigt.
4 Prävention umschriebener Sprachentwicklungsstörungen
47
4.1.2 Ursachen Primäre Präventionsmaßnahmen haben zum Ziel, durch eine Beseitigung der Ursachen das Auftreten klinisch relevanter Spracherwerbsstörungen zu verhindern. Dazu ist es erforderlich, Faktoren, die zu umschriebenen Sprachentwicklungsstörungen führen, genauer zu identifizieren. 4.1.2.1 Determinanten der normalen Sprachentwicklung Welche Faktoren den normalen Spracherwerb beeinflussen, dazu gibt es eine umfangreiche linguistische Literatur. Trotz des Vorliegens zahlreicher empirischer Untersuchungsergebnisse liegen aber die Auffassungen darüber, wie Kinder Sprache erwerben, weit auseinander. Im Wesentlichen stehen sich zwei Hypothesen gegenüber. Auf der einen Seite wird Sprache als erlernte Fähigkeit, deren Erwerb dem Menschen aufgrund seiner allgemeinen geistigen Potenzen möglich ist, aufgefasst (behavioristische Spracherwerbstheorien) und auf der anderen Seite wird der Spracherwerb als genetisch kodiertes Programm, das sich bei minimaler Anregung aus der Umwelt als Reifungsprozess automatisch entfaltet (nativistische bzw. generative Spracherwerbstheorien), angesehen. Behavioristische Spracherwerbstheorien, die den Spracherwerb durch einen Lernprozess erklären, sind gut nachvollziehbar. Wörter müssen gelernt werden und ohne Anregungen durch die Umwelt wird Sprache nicht erworben. Assoziation, Imitation und Verstärkung wurden anfangs als wesentliche Faktoren beim Sprachlernen aufgefasst. Genauere Beobachtungen der kindlichen Äußerungen zeigten jedoch, dass reine Imitationen nur relativ selten auftreten. Schon in der frühen Phase des Spracherwerbs bestehen kindliche Äußerungen vorwiegend aus nicht gehörten Wortkombinationen mit eigenen Gesetzmäßigkeiten. Dies führte zu der Annahme, dass Kinder Sprache weniger durch reine Nachahmung erlernen, sondern dass sie aus dem Gehörten Regeln, wie Wörter einzusetzen und zu kombinieren sind, entnehmen. Sie wenden diese an und erkennen aus den Reaktionen der Umwelt, ob ihre Vermutungen über die Bedeutung eines Wortes oder die Anwendung einer grammatischen Regel richtig sind. So korrigieren und verfeinern sie ihre Hypothesen über Gesetzmäßigkeiten ihrer Muttersprache. Wenn eine lerntheoretische Erklärung des Spracherwerbs zutreffend ist, dann ist davon auszugehen, dass der Spracherwerbsprozess entscheidend durch das Umfeld geprägt wird. In zahlreichen empirischen Studien wurde der Versuch unternommen, den Zusammenhang zwischen Sprachangebot und Sprachlernen zu belegen. Der Anstieg des Wortschatzes und die Fähigkeit eines Kleinkindes, Zwei- und Mehrwortsätze zu bilden, wurden mit zahlreichen Parametern des sprachlichen Inputs korreliert. Zusammenhänge zum Sprachentwicklungsstand eines Kindes wurden gefunden mit der Länge der Äußerungen der Mutter, der Qualität der Gespräche beim Essen, der „Intellektualität“ und der Größe des Wortschatzes der Mutter und mit der Quantität des Vorlesens und der Gespräche mit dem Kind über dessen Belange (Übersicht bei Toppelberg & Shapiro, 2000).
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W. v. Suchodoletz
Als von Bedeutung erwiesen sich aber nicht nur die Menge des sprachlichen Angebots, sondern auch Vielseitigkeit, Betonung und Responsivität (Hart & Risley, 1995). Die nonverbale Kommunikation kann sich gleichfalls auf den Spracherwerb fördernd oder hemmend auswirken. Namy et al. (2004) fanden bei ein- bis zweijährigen Kindern Beziehungen zwischen elterlichen Gesten und Wortschatzentwicklung. Schon für das Säuglingsalter konnten Korrelationen zwischen Input und präverbaler Entwicklung nachgewiesen werden. Die Sprachdiskriminationsfähigkeit sechs bis zwölf Monate alter Kinder steht in Beziehung zur Deutlichkeit der Aussprache der Mutter (Liu et al., 2003). Die geringeren sprachlichen Fähigkeiten von Unterschichtkindern werden demzufolge damit erklärt, dass Mütter aus bildungsferneren Bevölkerungsschichten weniger und uniformer mit ihren Kindern sprechen. Insgesamt sind die beschriebenen Korrelationen zwischen sprachlichen Inputfaktoren und der Geschwindigkeit des Spracherwerbs aber relativ gering und die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen nicht widerspruchsfrei. Ein eindeutiger Beleg dafür, dass der Spracherwerb im Wesentlichen auf Lernprozessen beruht, ohne dass ein angeborenes Sprachwissen entscheidende Voraussetzung ist, konnte bislang nicht erbracht werden. Auch lassen sich lerntheoretische Spracherwerbstheorien mit einigen Beobachtungen des Verlaufs der Sprachentwicklung nur schwer in Einklang bringen. Das führte dazu, dass der lerntheoretische Ansatz von zahlreichen Sprachwissenschaftlern bezweifelt und zugunsten nativistischer Theorien verworfen wird. Seit den 1950er Jahren bestimmt die von Noam Chomsky (1957) vom Massachusetts Institute of Technology entwickelte generative Spracherwerbstheorie die Diskussion in der Linguistik. Chomsky argumentiert, dass das Sprachangebot der Umwelt so vielfältig und verwirrend sei, bestehend aus kompliziert verschachtelten Sätzen oder auch Halbsätzen, aus denen grammatische Regeln kaum zu entnehmen seien. Er postulierte ererbte Spracherwerbsstrukturen (Language acquisition device, LAD), in denen das Welt-Grammatikwissen genetisch kodiert verankert ist. Dem sprachlichen Input kommt nach seiner Theorie lediglich eine Auslöserfunktion für die konkrete Regelbildung zu, während die grammatischen Regeln selbst als im kindlichen Gehirn bereits vorhanden angesehen werden. Für die Richtigkeit der generativen Spracherwerbstheorie spricht, dass der mittlere Zeitpunkt des Erwerbs wichtiger Meilensteine der Sprachentwicklung und deren Variabilität in allen Kulturen und selbst beim Erwerb der Gebärdensprache gleich ist, unabhängig davon, ob mit Kindern viel oder wenig gesprochen wird (Fenson et al., 1994). Unterstützung fand die generative Theorie in letzter Zeit auch durch Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren. Musso et al. (2003) ließen deutsche Probanden grammatische Regeln der italienischen und japanischen Sprache lernen. In der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) wurde eine deutliche Aktivierung im Bereich der Broca-Region, in der die angeborenen Spracherwerbsstrukturen vermutet werden, beobachtet. Im Vergleich dazu trat keine Aktivierung beim Erlernen einer Kunstgrammatik auf, die universellen Grammatikprinzipien widersprach. Dass der sprachliche Input nicht so vielfältig und mehrdeutig ist, wie die Nativisten behaupten, spricht nur bedingt gegen die generative Spracherwerbs-
4 Prävention umschriebener Sprachentwicklungsstörungen
49
theorie. Die Sprache, mit der sich Erwachsene an Kinder wenden, ist intuitiv dem Sprachentwicklungsstand des Kindes angepasst. Das so genannte „Mutterische“ ist gekennzeichnet durch einfache Satzstrukturen mit Hervorhebungen der entscheidenden sprachlichen Komponenten, Wiederholungen in Variationen und Rückmeldungen über die Richtigkeit der sprachlichen Äußerungen des Kindes. Regelhaftigkeiten werden deutlicher als in der üblichen Erwachsenensprache und können deshalb vom Kind erkannt und schrittweise erlernt werden. Ob ein Sprachangebot in Form des „Mutterischen“ aber tatsächlich den Spracherwerb fördert, ist nicht sicher (Übersicht bei Rüter, 2004). Auch in Kulturen, in denen das Mutterische nicht benutzt wird oder in denen Kleinkinder von Erwachsenen weitgehend unbeachtet bleiben, entwickeln sich Kinder sprachlich nicht langsamer als in anderen Gesellschaftsformen. In der Auseinandersetzung über lerntheoretische und generative Spracherwerbstheorien können Ergebnisse aus Zwillingsstudien wichtige Beiträge leisten. Durch den Vergleich der Ähnlichkeit der Sprachentwicklung eineiiger und zweieiiger Zwillinge lassen sich genetische und Umwelteinflüsse voneinander abgrenzen. Eineiige Zwillinge sind genetisch identisch und stimmen in Eigenschaften, die durch Vererbung bestimmt werden, völlig überein. Zweieiige Zwillinge hingegen teilen nur 50 % der individuellen genetischen Informationen und unterscheiden sich deshalb hinsichtlich vererbter Eigenschaften deutlich. Als Faustregel kann gelten, dass das Zweifache des Unterschieds der Übereinstimmung von Eigenschaften zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen in etwa dem genetischen Anteil bei der Herausbildung eines Merkmals entspricht. Wesentliche Erkenntnisse erbrachte die Twins Early Development Study (TEDS), in der die frühe Entwicklung von etwa 3.000 Zwillingspaaren aus England und Wales verfolgt wurde. Die Studie ergab, dass im Alter von zwei Jahren etwa 25 % der Variabilität des Wortschatzes eines Kindes durch erbliche und 75 % durch Umwelteinflüsse zu erklären sind. Grammatische Fähigkeiten erwiesen sich als etwas stärker genetisch determiniert (39 % gegenüber 61 %) (Plomin & Dale, 2001). Vergleichbare Befunde wurden im Wisconsin Twin Project mit 116 eineiigen und 125 gleichgeschlechtlichen zweieiigen Zwillingen erhoben. Danach sind bei 20 bis 38 Monate alten Kindern 10 bis 30 % der Varianz des Wortschatzes und der Fähigkeit zur Bildung von Zwei- bis Mehrwortsätzen als genetisch determiniert anzusehen und 50 bis 80 % durch Umwelteinflüsse zu erklären (Van Hulle et al., 2004). Zu berücksichtigen ist, dass genetische und Umwelteinflüsse für den Erwerb der einzelnen Sprachdimensionen von unterschiedlicher Bedeutung sind. Wortschatz und sprachliche Kompetenz sind stärker von Inputfaktoren abhängig als grammatische und phonologische Fähigkeiten. 4.1.2.2 Ursachen von umschriebenen Sprachentwicklungsstörungen Erklärungen für die normale Variationsbreite der Sprachentwicklung sind nicht ohne Weiteres auf Sprachentwicklungsstörungen zu übertragen. Eine genauere Aufschlüsselung der Ergebnisse der TEDS-Studie zeigte, dass der erbliche Anteil bei Kindern mit einer ausgeprägten Sprachentwicklungsverzögerung deutlich
50
W. v. Suchodoletz
genetisch
Umfeld
100%
27 80%
58 60%
75
70
40%
73 20%
42 25
30
0% alle Kinder
0,10). Die Ergebnisse für verschiedene Trainergruppen fielen zumindest tendenziell unterschiedlich aus (χ2 (df = 1) = 2,82, p < 0,09). Wenn Autoren, Projektmitarbeiter und supervidierte Studenten als Trainer arbeiteten, waren die Effekte etwas größer als bei Lehrern und anderen Praktikern. Dies galt aber nur im Hinblick auf die soziale Kompetenz. Beim Alter der Programmteilnehmer zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Gesamteffektivität im Posttest. Programme mit älteren Kindern hatten allerdings größere Posteffekte für dissoziales Verhalten (χ2 (df = 2) = 6,08, p < 0,05). Ein ähnliches Ergebnis, das aber nur auf zwei Untersuchungen basierte, zeigte sich auch im Follow-up. Im Follow-up unterschieden sich die Altersgruppen auch insgesamt (χ2 (df = 1) = 16,59, p < 0,001). Hier schnitten die älteste und die jüngste Gruppe besonders gut ab. Für letztere konnte vor allem ein signifikanter Langzeiteffekt auf die soziale Kompetenz nachgewiesen werden (d = 0,72). Der tendenzielle Effekt des Alters der Kinder steht möglicherweise in Zusammenhang mit der Art der Prävention, da sich die meisten Vergleiche mit älteren Kindern auf indizierte Präventionsprogramme bezogen. Dieser Ansatz hatte stärkere Effekte auf das dissoziale Verhalten als andere Präventionsstrategien, und zwar sowohl im Posttest (χ2 (df = 2) = 13,25, p < 0,01) als auch im Follow-up (χ2 (df = 2) = 4,84, p < 0,05). Universelle und selektive Präventionsmaßnahmen hatten dagegen nur signifikante Effekte in Maßen der sozialen Kompetenz, wobei sich dieser Effekt bei universellen Maßnahmen im Follow-up nicht bestätigen ließ. Die meisten anderen Moderatoranalysen zu methodischen und inhaltlichen Variablen erbrachten nicht signifikante Ergebnisse (vgl. Lösel & Beelmann, 2003, 2005, 2006). Eine wichtige Ausnahme war allerdings die Stichprobengröße, die (trotz Gewichtung der Effektstärke mit dieser Variablen) einen negativen Zusammenhang mit der Wirksamkeit zeigte (χ2 (df = 2) = 6,20, p < 0,06). Studien mit geringen Stichprobenumfängen (bis n = 30) hatten die höchsten Effekte (d = 0,50, k = 66 Vergleiche), Studien mit Stichproben über 100 Kindern und Jugendlichen die geringsten Effekte (d = 0,25, k = 15). Studien mit Stichprobengrößen
13 Entwicklungsbezogene Prävention dissozialer Verhaltensprobleme
247
zwischen 30 und 100 lagen dazwischen (d = 0,34, k = 46). Diese Ergebnisse fanden sich auch für das Follow-up und galten nicht nur für den Gesamteffekt, sondern auch für die beiden Ergebniskategorien (soziale Kompetenz und dissoziales Verhalten). 13.3.4 Vergleich zu Ergebnissen anderer Meta-Analysen In den letzten Jahren sind zahlreiche Meta-Analysen zu Präventionsprogrammen dieser und anderer Art erschienen (vgl. Beelmann, 2006), die sich zu einem großen Teil mit der Wirksamkeit in der Dissozialitätsprävention befassten. Tabelle 4 fasst Ergebnisse dieser Arbeiten zusammen (vgl. Beelmann & Lösel, im Druck b). Tabelle 4: Übersicht zu den Ergebnissen (Posttest-Effekte) ausgewählter Meta-Analysen zur Prävention dissozialen Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen Autoren
Maßnahmen
Mittlere ES
Anzahl der Studiena
Ang & Hughes (2002)
Training sozialer Kompetenz (nur gezielte Prävention und Behandlung)
0,62
41
Beelmann & Bogner (2005)
Elterntraining (alle Präventionsarten und Behandlung)
0,64
110 (75)
Farrington & Welsh (2003)
Familienorientierte Kriminalitätsprävention (alle Präventionsarten)
0,22b
40 (39)
Lundahl, Risser & Lovejoy (2006)
Elterntraining (gezielte Prävention und Behandlung)
0,47c
83 (63)
Serketich & Dumas (1996)
Elterntraining (indizierte Prävention und Behandlung)
0,65c
36 (26)
Tremblay & Craig (1995); Tremblay & Japel (2003)
Entwicklungsbezogene Kriminalitätsprävention (universelle und gezielte Prävention)
0,09bc
49
Tremblay, LeMarquand & Vitaro (1999)
Alle Präventionsprogramme mit Ein-Jahres-Follow-up (universelle und gezielte Prävention)
0,24bc
20
Wilson, Gottfredson & Najaka (2001)
Schulbasierte Delinquenz- und Suchtpräventionsprogramme (alle Präventionsarten)
0,10bc
216 (165)
Wilson, Lipsey & Derzon (2003)
Schulbasierte Prävention von aggressivem Verhalten (alle Präventionsarten)
0,25b
221
Anmerkungen: ES = Effektstärke, a Der aufgeführte Studienpool ergibt sich aus der Anzahl der Treatment-/Kontrollgruppen-Vergleiche als Analyseeinheit. In Klammern ist (soweit verfügbar oder abweichend) die Zahl der Studien/Publikationen angegeben, b Es wurden nur Dissozialitätsmaße integriert, c Werte beziehen sich auf Schätzungen, da keine mittleren Effektstärken angegeben wurden.
248
A. Beelmann & F. Lösel
Die mittleren Posttest-Effektstärken in den aufgeführten Arbeiten zeichnen insgesamt ein sehr heterogenes Bild. Sie variieren von nahe Null bis zu 0,65. Analysen vergleichbarer Arbeiten zu sozialen Trainingsprogrammen kommen teilweise zu höheren (Ang & Hughes, 2002), teilweise zu geringeren Effektivitätsschätzungen (Wilson et al., 2001, 2003). Wie in anderen Interventionsfeldern kommt es offenbar darauf an, welche Zielgruppen betrachtet und welche Erfolgsmaße zugrunde gelegt werden. Allgemeine Wirksamkeitsparameter können daher nur ein sehr grobes Bild der Verhältnisse liefern. Mit den Ergebnissen von eltern- und familienorientierten Maßnahmen sowie umfangreichen Programmen der Frühintervention (vgl. Beelmann & Bogner, 2005; Farrington & Welsh, 2003; Serketich & Dumas, 1996; Tremblay et al., 1999) sind die Effekte von sozialen Trainingsprogrammen durchaus vergleichbar, zumindest wenn kurzfristige Erfolgsmessungen zugrunde gelegt werden. Teilweise werden aber bei diesen Interventionen deutlich längere Follow-up-Erhebungen durchgeführt (vgl. insbesondere Farrington & Welsh, 2003; Tremblay et al., 1999). Allerdings sind auch dabei Programme mit langfristig positiven Effekten die Ausnahme (vgl. z. B. das Perry Preschool Project, Schweinhart et al., 2005, mit über 35-jährigen Katamnesen).
13.4 Diskussion Das wichtigste Ergebnis unserer systematischen Integration der vorliegenden Forschung ist der insgesamt positive Effekt sozialer Trainingsprogramme. Es wird die soziale Kompetenz der Kinder und Jugendlichen durch solche Programme nachweisbar gefördert und das Ausmaß dissozialen Verhaltens verringert sich. Mit 127 Vergleichen zwischen trainierten und untrainierten Gruppen und einem gesamten Stichprobenumfang von über 16.000 Kindern und Jugendlichen hat dieser Befund eine solide Datenbasis. Die durchschnittlichen Gesamteffekte von d = 0,39 (Posttest) und d = 0,28 (Follow-up) sind ähnlich denen aus familiären Programmen zur Delinquenzprävention (Farrington & Welsh, 2003) und liegen über den Effekten der späteren Behandlung junger Straftäter (Lösel, 1995, 2001b). Ein d-Koeffizient von 0,39 entspricht etwa einer Korrelation von r = 0,20. Dies kann grob so interpretiert werden, dass in der Behandlungsgruppe etwa 20 Prozent mehr positive Ergebnisse auftreten als in der Kontrollgruppe. Da viele Kindertrainingsprogramme relativ kurz sind und im Gruppenformat angeboten werden, können sich die kleinen Effekte unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten durchaus auszahlen (Welsh & Farrington, 2001). Der längerfristige kriminalpräventive Nutzen solcher Programme muss aber vermehrt in Langzeituntersuchungen überprüft werden. Insgesamt lässt die Wirksamkeit mit der Zeit etwas nach und die wenigen bisherigen Primärstudien mit einer Nachbeobachtung von mehr als einem Jahr zeigen noch keine konsistenten Ergebnisse (z. B. Dishion & Andrews, 1995; Hundert et al., 1999; Kazdin et al., 1987; Lochman et al., 1993; Michelson et al., 1983). Bei anderen Studien mangelt es an aussagekräftigen Daten. Eine weitere Einschränkung betrifft das Ergebnis, dass die Effekte auf dissoziales Verhalten insgesamt geringer ausfallen als die Effekte in Maßen der sozi-
13 Entwicklungsbezogene Prävention dissozialer Verhaltensprobleme
249
alen Kompetenz. Dies ist insofern plausibel, als die hier trainierten Gruppen oft noch kein ausgeprägtes Problemverhalten zeigen. Auch ist bei Maßen der sozialen Kompetenz oftmals kein Transfer der Lerninhalte in den Alltag erforderlich. Teilweise werden in dieser Kategorie Erfolgskriterien erhoben, die sehr eng an die Trainingsinhalte angelehnt sind. Die geringeren Effekte im aggressiven, delinquenten oder sonstigen dissozialen Alltagsverhalten stehen auch im Einklang mit anderen Meta-Analysen (z. B. Beelmann et al. 1994; Wilson et al., 2001, 2003) sowie groß angelegten Einzelstudien wie dem Fast Track Projekt (Conduct Problems Prevention Research Group, 1999, 2002). Gerade im Hinblick auf die Kriminalprävention müssen aber auch die nicht signifikanten Ergebnisse bei den offiziellen Quellen und den Selbstberichten zur Delinquenz betont werden. Denn dies sind gerade jene Daten, die in der Forschung zur Jugendkriminalität am meisten verwendet werden (z. B. Loeber et al., 1998). Erfolgskriterien aus Polizei- und Gerichtsakten wurden bei der Evaluation präventiver Kompetenztrainings bislang viel zu selten herangezogen. Wir fanden z. B. keine einzige solche Studie mit Follow-up. Natürlich muss dabei der Schwerpunkt der entwicklungsbezogenen Prävention im Kindesalter berücksichtigt werden. Der Mangel an offiziellen Daten ist aber zugleich ein Ausdruck fehlender Langzeitstudien, bei denen diese Erfolgskriterien wichtiger würden. Wir brauchen deshalb dringend längerfristige Evaluationen von Kindertrainingsprogrammen mit umfassenden Erhebungen verschiedener Erfolgsmaße. Dabei darf man natürlich von einmaligen kurzen Trainings keine unrealistischen Langzeitwirkungen erwarten. Unsere Daten zur Intensität der Programme deuten tendenziell auch an, dass umfangreiche Hilfen erfolgreicher sind. Deshalb ist es sinnvoll, die Programmintensität zu staffeln und z. B. frühere Lerneffekte im Kindergarten durch spätere Angebote in der Schule zu festigen oder aufzufrischen (vgl. Beelmann, 2000; Lösel et al., 2006). Eine weitere wichtige Botschaft unserer Arbeit ist die große Bandbreite der Ergebnisse. Neben überwiegend positiven Effekten konnten wir auch negative oder Null-Effekte feststellen (vgl. Lösel & Beelmann, 2003). Die Studien, in denen die Kontrollgruppe besser abschnitt als die Trainingsgruppe sind eine wichtige Mahnung: Gute Absichten allein reichen nicht aus. Auch wenn etwas gut gemeint ist, kann es unerwünschte Wirkungen haben (vgl. Dishion et al., 1999; McCord, 2003). Deshalb muss man bei der Auswahl und Durchführung von Programmen sehr sorgfältig die vorhandene empirische Datenbasis prüfen sowie die teilweise signifikanten Einflüsse von Erfolgsmoderatoren berücksichtigen. Unsere Daten deuten zum Beispiel darauf hin, dass einige Interventionen erfolgreicher sind als andere. Insbesondere kognitiv-behaviorale Programme zeigten konsistent signifikante Effekte, sowohl insgesamt als auch hinsichtlich der verschiedenen Erfolgskriterien. Diese Ergebnisse können auch als relativ zuverlässig gelten, weil sie auf der größten Zahl von Primärstudien basieren. Das positive Ergebnis kognitiv-behavioraler Kindertrainingsprogramme steht ebenfalls im Einklang mit der Evaluation der Straftäterbehandlung (z. B. Lipsey & Wilson, 1998; Lösel, 1995, 2001b). Dass rein kognitive Trainings oder reine Verhaltenstrainings geringere Effekte haben, zeigt die Notwendigkeit eines multimodalen Ansatzes in der Prävention (vgl. Beelmann, 2000; Lösel, 2004; Yoshi-
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kawa, 1994). Die Multimodalität könnte auch ein Grund dafür sein, dass die eher heterogenen Betreuungs-, Beratungs-, Therapie- und sonstigen Programme bei einigen Erfolgskriterien einen positiven Effekt hatten. Ein weiterer Grund dürfte darin liegen, dass sie teilweise durchaus strukturierte Elemente des kognitiv-behavioralen Ansatzes enthalten (z. B. Big Brothers/Big Sisters Program; Grossman & Tierney, 1998). Ein anderer praktisch relevanter Befund aus unserer Forschungssynthese betrifft das Alter der Kinder. Die größten Effekte wurden in der ältesten Gruppe der 13- bis 18-Jährigen gefunden. Dies widerspricht auf den ersten Blick dem zentralen Präventionsgedanken, möglichst frühzeitig in der Entwicklung anzusetzen. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich jedoch ein Zusammenhang mit dem Präventionstyp. Indizierte Programme mit bereits etwas auffälligen Teilnehmern kamen unter älteren Kindern und Jugendlichen häufiger vor und waren erfolgreicher als die selektiven und universellen Präventionsprogramme, zumindest bezogen auf dissoziales Verhalten. Dies liegt wohl daran, dass bei Kindern aus den unausgelesenen Gruppen die große Mehrheit auch ohne Training keine ernsthaften Verhaltensprobleme entwickeln würde. Folglich ist das Verbesserungspotential gegenüber der unbehandelten Kontrollgruppe gering. In den Studien mit bereits leicht auffälligen Kindern können dagegen die Programme ihre potentiellen Effekte deutlicher demonstrieren, da die Teilnehmer ein höheres Risiko der Fehlentwicklung haben. Die positiven Befunde zur indizierten Prävention sind auch kein Artefakt der Regression zum Mittelwert, da nur randomisierte Studien mit äquivalenten Behandlungs- und Kontrollgruppen untersucht wurden. Unser Ergebnis spricht einerseits dafür, Präventions- und Interventionsmaßnahmen speziell auf die Risikogruppen zuzuschneiden und nicht nach dem „Gießkannenprinzip“ vorzugehen. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass universelle Programme leichter implementiert werden können und eventuelle Stigmatisierungen vermeiden (vgl. Lösel, 2002; Offord et al., 1998). Die größeren Effekte indizierter Prävention sollten auch nicht auf Kinder mit massiv kumulierten Risikofaktoren generalisiert werden, da hier Erfolge besonders schwierig sind. Wahrscheinlich besteht eher ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang zwischen Risikostatus und der Effektstärke in Programmevaluationen (Lösel, 2001a). Da Risikoprognosen im Kindesalter nur begrenzt treffsicher sind (vgl. Lipsey & Derzon, 1998; Lösel, 2002), halten wir es für sinnvoll, stufenweise vorzugehen. Kostengünstige universelle Präventionsansätze (mit begleitender Diagnostik) wären dabei ein Einstieg in verschiedene Programmpfade, die bei den Hochrisikogruppen zu individuell zugeschnittenen, intensiven Maßnahmen führen. Zusätzlich zu den Moderatoreffekten von Merkmalen der Programme und der Klientel hatte auch die Stichprobengröße einen Einfluss auf die Effektstärke. Zumindest im Posttest gab es bei größeren Stichproben kleinere Effekte. Eine Erklärung dafür könnte im so genannten „publication bias“ liegen. Große Untersuchungen erzielen leichter signifikante Ergebnisse und werden so auch bei kleineren Effekten von den Autoren oder Zeitschriftenherausgebern eher veröffentlicht (vgl. Weisburd et al., 2003). Bei kleineren Studien wären dagegen größere Effekte erforderlich, um die Publikationsschranke zu überspringen. Eine
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solche Publikationsverzerrung schließen wir nicht aus. Unsere Ergebnisse aus unveröffentlichten Studien und andere Daten sprechen aber dagegen, dass dies die einzige Ursache für geringere Effekte in großen Studien ist (vgl. Lösel & Beelmann, 2003). Eine andere Erklärung bezieht sich auf die Umsetzung der Programme. In großen Studien können mehr Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der Programmintegrität und der Sensitivität des Designs auftreten (Lösel & Wittmann, 1989; Weisburd et al., 1993). Dies würde für lokal gut supervidierte Präventionskonzepte sprechen. Die von uns festgestellte Tendenz zur geringeren Effektivität groß angelegter Programme scheint jedenfalls kein Artefakt zu sein, sondern wird in anderen Bereichen bestätigt. Zum Beispiel fanden Farrington und Welsh (2003) eine inverse Korrelation zwischen Stichprobengröße und Effektstärke familienbezogener Präventionsprogramme. Lipsey und Wilson (1998) beobachteten einen ähnlichen Zusammenhang bei Studien zur Behandlung junger Straftäter. Um den Einfluss der Stichprobengröße näher aufzuklären, wären genauere Prozessevaluationen zur Implementierung von sozialen Kompetenztrainings für Kinder erforderlich. Unsere Meta-Analyse gibt nicht nur einen systematischen Überblick über die Programmwirkungen und Moderatoren der Effektstärke, sondern zeigt auch Defizite in der Forschung auf: Bislang stammen die weitaus meisten randomisierten Studien aus den Vereinigten Staaten. In Deutschland erfüllte dagegen nur eine einzige Untersuchung die methodischen Anforderungen unserer MetaAnalyse (Beelmann, 2000). Es ist erfreulich, dass in letzter Zeit der Forschung über soziale Kompetenztrainings für Kinder mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird (z. B. Beelmann, 2003, 2004; Cierpka, in diesem Band; Gerken et al., 2002; Schick & Cierpka, 2003; Lösel et al., in diesem Band). Die methodisch fundierte Evaluationsforschung steht allerdings noch ziemlich am Anfang (vgl. Heinrichs et al., 2002). Sie ist nötig, weil die Programme und Ergebnisse aus den Vereinigten Staaten nicht ungeprüft auf unseren kulturellen Kontext übertragen werden können. Dabei muss es sich nicht nur um randomisierte Studien handeln. Je nach Gegenstandsbereich und Kontext können auch andere Untersuchungen eine relativ gute Aussagekraft haben (Heinsman & Shadish, 1996). Systematische Evaluationen und deren Synthese tragen zu einem kontinuierlichen Lernprozess bei, durch den wir erfolgreiche Wege und Irrwege der Prävention von Verhaltensproblemen junger Menschen besser erkennen als bisher. Nach den hier dargestellten Befunden kann vorsichtig gefolgert werden, dass soziale Kompetenztrainings wahrscheinlich keine Sackgasse der Prävention darstellen.
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14
Prävention sozial-emotionaler Störungen bei Kindern mit Behinderung (PESS) Johannes Bach
Gliederung 14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.2 14.2.1 14.2.2 14.3
Sozial-emotionale Störungen bei Kindern mit Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozial-emotionale Störungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff der Behinderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risiko- und Schutzfaktoren für sozial-emotionale Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Programm PESS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theoretisches Rahmenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele und Wirkweise des Programms PESS . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259 259 263 265 268 268 272 276
14.1 Sozial-emotionale Störungen bei Kindern mit Behinderung 14.1.1 Sozial-emotionale Störungen Sozial-emotionale Störungen im Kindes- und Jugendalter weisen eine sehr hohe Prävalenzrate (Auftretenshäufigkeit) auf. Entgegen der in den Medien propagierten Meinung betrifft dies nicht nur externalisierende Störungen wie Gewalt und Aggression. Zwar zeichnen sich aggressive Verhaltensweisen, delinquentes Verhalten und Risikoverhalten durch eine hohe mediale Präsenz aus, sei es aufgrund extremer Einzelfälle wie z. B. in Erfurt oder der effekthascherischen Propagierung einer allgemeinen Zunahme der Gewalt im Jugendalter. Gleichzeitig haben wir es jedoch mit massiven Problemen im Bereich internalisierender Störungen wie Angst und Depression im Kindes- und Jugendalter zu tun. Die Prävalenzraten sozial-emotionaler Störungen lassen sich dabei nur schwer vergleichen, da häufig unterschiedliche Kategoriesysteme und Definitionen zu Grunde gelegt werden (Petermann, 2005). Eine der größten epidemiologischen Studien der letzten Jahre ist die British Child and Adolescent Mental Health Study (Ford et al., 2003), welche in
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J. Bach
Großbritannien mit 10.438 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 5 und 15 Jahren durchgeführt wurde. Es zeigte sich, dass nach den Kriterien des Klassifikationsschemas der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (DSM-IV) 9,5 % der Teilnehmer zumindest eine psychiatrische Diagnose aufwiesen. Hierbei fielen 5,9 % auf die externalisierenden Störungen und 3,8 % auf Angststörungen. Auffallend war, dass ein Fünftel der betroffenen Kinder eine „nicht näher bezeichnete“ Störungsdiagnose aufwies, d. h., dass diese Kinder deutliche Beeinträchtigungen zeigten, ohne die Kriterien einer definierten Störung vollständig zu erfüllen. Weiterhin wurde deutlich, dass fast ein Drittel aller betroffenen Kinder und Jugendlichen (29,7 %) mehr als eine Störung aufwiesen, die Komorbiditätsrate demnach sehr hoch zu sein scheint. Dies galt in besonderem Maße für Depression mit einer Rate von 66 %. Die beiden letztgenannten Phänomene werfen die Frage auf, ob die kategoriale Diagnostik eine angemessene Beschreibung der Phänomene der sozial-emotionalen Störungen darstellt. Insbesondere die Tatsachen, dass sich eine Reihe von Störungen nicht zuordnen lassen und die Komorbidität unter den einzelnen Störungen sehr hoch ist, lassen den Schluss zu, dass eine dimensionale Beschreibung von Störungen (Angabe des Ausprägungsgrades der einzelnen Symptome) eine adäquatere Annäherung an die Problematik ist. Gerade im Kindes- und Jugendalter gestaltet sich zudem die Unterscheidung zwischen dem Vorliegen und Nichtvorliegen einer klinischen Störung schwierig, da diagnostische Kriterien hinsichtlich ihrer klinischen Bedeutung nicht eindeutig definiert sind und/oder nicht auf empirischen Belegen beruhen (Petermann, 2005). Bei der dimensionalen Betrachtungsweise wird im Unterschied zur kategorialen Betrachtungsweise in besonderem Maße berücksichtigt, dass ein fließender Übergang zwischen Normalität und Pathologie besteht (Rutter & Sroufe, 2000). Aus diesem Grund sind weitere epidemiologische Studien nötig, welche sich an anderen Kriterien (wie z. B. psychosoziale Beeinträchtigung) orientieren und in stärkerem Maße den kontinuierlichen Übergang zwischen Gesundheit und Krankheit berücksichtigen als dies bei Anwendung bestehender diagnostischer Kategoriensysteme der Fall ist. Auf der Analyseebene können sozial-emotionale Störungen in die beiden Bereiche emotionale und soziale Störungen unterschieden werden. De facto treten diese beiden Störungsbereiche parallel auf und sind in unterschiedlichen Ausprägungen gleichzeitig zu beobachten. Der Begriff der Störung kann allgemein als eine nicht gelungene Passung zwischen der Person und ihrer Umgebung, welche die Person selbst und/oder ihre Umgebung beeinträchtigt, definiert werden (Resch, 1999). Im Folgenden werden die einzelnen Störungsbereiche dargestellt, welche die beiden Dimensionen sozial-emotionaler Störungen kennzeichnen. Die genannten Beispiele sind auf den Kinder- und Jugendbereich eingegrenzt, um eine thematische Fokussierung vorzunehmen. Von zentraler Bedeutung für emotionale Störungen ist die fehlende oder eingeschränkte Emotionswahrnehmung (vgl. Kasten 1). Diese bezieht sich auf die Person selbst und kann als Unfähigkeit beschrieben werden, die eigenen Emotionen wahrzunehmen bzw. Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden. Beispielhaft wird dies bei einem depressiven Menschen deutlich, welcher im Gegensatz zu der alltagspsychologischen Vermutung nicht Trauer empfindet,
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sondern häufig nur sehr eingeschränkt in der Lage ist, eigene Gefühle wahrzunehmen. Sehr ähnlich stellt sich die Problematik bei Jugendlichen dar, die sehr starken Stimmungsschwankungen unterliegen und denen es sehr schwer fällt, einen Zugang zu den eigenen Emotionen zu finden. Im Extremfall wie z. B. beim selbstverletzenden Verhalten wird zum „Ritzen“ oder anderen autoaggressiven Verhaltensweisen gegriffen, um den eigenen Körper zu spüren und somit einen Zugang zu den eigenen Emotionen zu finden. Einen weiteren Bereich stellt die Unfähigkeit der Wahrnehmung von Emotionen anderer Personen dar. Dies kann sich beispielsweise in der Fehlinterpretation emotionaler Zustände äußern. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass aggressive Jugendliche neutrale Situationen falsch (z. B. bedrohlich) einschätzen und aufgrund dessen inadäquat reagieren (de Castro, 2005). Die Fähigkeit der Emotionswahrnehmung in sozialen Situationen ist allerdings die Voraussetzung für angemessenes Verhalten (Denham, 1998). Kasten 1: Zentrale Bereiche emotionaler Störungen
– – – –
Unfähigkeit, Emotionen wahrnehmen zu können (Selbst/Andere) Unfähigkeit, Emotionen ausdrücken zu können Unfähigkeit, Emotionen regulieren zu können (funktionale Regulation) Unfähigkeit, auf ein Ereignis (intern, extern) emotional adäquat reagieren zu können
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Emotionsausdruck: Verfügt der Heranwachsende über ein breites Gefühlsvokabular? Kann er in schwierigen Situationen Gefühle wie Trauer oder Angst verbalisieren und damit eine emotionale Bindung zu anderen Personen herstellen? Dies ist insbesondere bei Personen mit einem niedrigen Sprachniveau und eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten häufig problematisch (Janke, 2002). Weiterhin stellt sich die Frage, ob der Heranwachsende in der Lage ist, seinen Emotionen mimisch und gestisch in angemessener Weise Ausdruck zu verleihen. Hierbei spielt der Adressat allerdings eine wichtige Rolle, da Gefühle gegenüber Peers anders kommuniziert werden (müssen) als gegenüber Erwachsenen. Einen weiteren zentralen Bereich stellen Probleme in der Emotionsregulation dar. Werden Verhaltensweisen gewählt, welche für die Person selbst schädlich sind, kann von einer dysfunktionalen Emotionsregulation gesprochen werden. Artikuliert beispielsweise ein Kind seine Wut dadurch, dass es andere bespuckt und tritt, stellt dies keine funktionale Regulation der eigenen Emotionen dar, da das Verhalten in der Regel negative Konsequenzen auch für das Kind selbst hat. Dies gilt gleichermaßen für internalisierende Verhaltensweisen. Wird auf Trauer dauerhaft mit Sprachlosigkeit, Resignation und Rückzug reagiert, können hieraus für die Gegenwart wie auch die Zukunft verfestigte problematische Verhaltensmuster erwachsen (von Salisch, 2002a). Funktionale Emotionsregulation bedeutet, auf ein Ereignis emotional adäquat reagieren zu können. Dies gilt sowohl für äußere Ereignisse (z. B. eine angsterzeugende Situation wie das Erkunden einer neuen Umgebung) als auch für innerpsychische Zustände. Die situationsangemessene kontrollierte Anpassung
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der Emotionen an soziale Bedingungen kann man auch als Emotionsmodulation bezeichnen. Der erste Bereich sozialer Störungen beschreibt eine ganz grundlegende und schwerwiegende Störung: die Unfähigkeit, überhaupt in einer Gruppe Gleichaltriger interagieren zu können, d. h., sich auf eine Gruppe von Peers einzulassen und mit ihnen in einen Austauschprozess zu treten (vgl. Kasten 2). Diese Problematik bezieht sich im Fall von Heranwachsenden häufig auch auf die Interaktion mit anderen Altersgruppierungen, vor allem Erwachsenen. Von entscheidender Bedeutung für die Gestaltung des Alltags ist jedoch der Umgang mit Gleichaltrigen (Webster-Stratton, 2000). Kasten 2: Zentrale Bereiche sozialer Störungen
– Unfähigkeit, in einer Gruppe Gleichaltriger interagieren zu können – Unfähigkeit, dauerhaft den Regeln einer Gruppe folgen zu können – Unfähigkeit, sich in eine andere Person hineinzuversetzen (kognitiv und emotional) – Unfähigkeit, die eigene Person und ihre Grenzen zu akzeptieren Mit der Unfähigkeit zur Interaktion mit anderen im Rahmen einer Gruppe ist häufig ein zweiter Aspekt der sozialen Auffälligkeit verbunden: Schwierigkeiten beim Einhalten von Gruppenregeln. Dies gilt für spezielle Vereinbarungen wie Regeln zu Alltagsroutinen (z. B. Schuhe ausziehen in der Gruppe), aber auch für allgemeine Übereinkünfte wie z. B. Rituale innerhalb einer Gruppe. Die fehlende Empathiefähigkeit, welche sich sowohl auf den emotionalen als auch den kognitiven Bereich bezieht, hat besonders weit reichende Folgen. Durch die mangelnde Perspektivenübernahme kommt es häufig zu Fehleinschätzungen von Situationen, z. B. wird das Verhalten eines anderen Kindes als feindselig interpretiert, obwohl dieses nur alleine spielen möchte. Die Folgen sind situativ inadäquate Verhaltensweisen, welche häufig in negative Handlungsmuster oder Teufelskreisläufe gegenseitiger Missverständnisse münden. Die Konsequenzen der eigenen Aggression für den anderen werden häufig unzureichend realisiert, während neutrale Verhaltensweisen anderer nicht selten unberechtigterweise als Aggression eingeschätzt werden (Crick & Dodge, 1994). Ähnliches findet auch auf emotionaler Ebene statt und führt zu unangemessenen Empfindungen und Verhaltensweisen wie beispielsweise zu roher Gewalt aus mangelndem Mitgefühl (Lemerise & Arsenio, 2000). Ein letzter Bereich, von dem insbesondere Kinder mit Behinderung in sehr starkem Maße betroffen sind, ist die ungenügende Akzeptanz der Begrenztheit der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Als Resultat ständiger Vergleichsprozesse neigen hierbei vor allem Heranwachsende dazu, auf Bereiche zu fokussieren, in denen sie keine oder nur geringe Fähigkeiten und/oder Aussicht auf Erfolg und Anerkennung besitzen. Versteifen sich die Betroffenen in diesen Problembereichen auf absolute Leistungsparameter und allgemeine soziale Akzeptanz, kann dies ein niedriges Selbstwertgefühl und Rückzugsverhalten zur Folge haben. Dies gilt sowohl für Vergleichsprozesse mit anderen behinderten als auch mit nicht
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behinderten Personen. Diese Problematik wird häufig dadurch verschärft, dass es den betroffenen Kindern und Heranwachsenden aufgrund kognitiver Einschränkungen schwer fällt, von Einzelsituationen oder einzelnen Fähigkeiten zu abstrahieren und eine globalere Betrachtung der eigenen Potenziale vorzunehmen. 14.1.2 Begriff der Behinderung Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert in der ICIDH-2 (1999) Behinderung nach der „Funktionsfähigkeit“ („functioning“) eines Menschen. Diese wird in drei Bereiche aufgegliedert: 1. Körperfunktionen/Körperstrukturen, 2. Aktivitäten und 3. Partizipation. Der Bereich der Körperfunktionen betrifft die Abhängigkeit des Menschen von seinem Körper, d. h. von seinen anatomischen Strukturen. Störungen auf dieser Dimension werden als Schäden („impairments“) bezeichnet und in Funktions- und Strukturschäden unterschieden. Der zweite Bereich umfasst die Aktivitäten des Menschen als selbstständig handelndes Subjekt. Aktivitäts- oder Leistungsstörungen werden als Beeinträchtigungen („activity limitations“) angesehen und anhand von Leistungstests operationalisiert. Der dritte Bereich umfasst schließlich die Partizipation am sozialen Leben, d. h., der Mensch wird als Subjekt in Umwelt und Gesellschaft angesehen. Hierbei wird in besonderem Maße betont, dass der Mensch stets im Kontext seiner physikalischen Umwelt betrachtet und in seinen sozialen Bezügen beurteilt werden muss. Laut Weltgesundheitsorganisation äußert sich die Daseinsentfaltung des Menschen in seiner aktiven Teilhabe an Aktivitäten und seiner Wertschätzung in diesen Aktivitäten. Die Aufgabe der Rehabilitationspolitik besteht demnach darin, Voraussetzungen für die Bewältigung von Lebenssituationen behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen zu schaffen. Mögliche Partizipationsbereiche sind in einer entsprechenden Klassifikation der Behinderung angegeben. Laut Schuntermann (1999) bleiben bei dieser Klassifikation von Behinderung jedoch einige Aspekte offen: Zum einen wird das Verhältnis von Gesundheit bzw. eingeschränkter Gesundheit und Funktionsfähigkeit nicht hinreichend geklärt. Zum anderen wird die mangelnde Funktionsfähigkeit Behinderter auf Störungen aus anderen Bereichen der ICD-10 (Internationale Klassifikation der Erkrankungen der WHO) zurückgeführt, was nur teilweise zutreffend ist. Aufgrund der aufgezeigten Probleme schlägt Schuntermann (1999) eine Erweiterung des Behinderungsbegriffs vor. Bei bisherigen Definitionen wurde deutlich, dass die Aspekte der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Funktionalität gewichtet werden müssen. Der Begriff der Partizipation wird in diesem Zusammenhang relational definiert. In ihm werden insbesondere Umweltfaktoren wie Einstellungen, Werte und Überzeugungen der Gesellschaft mit berücksichtigt. Schuntermann (1999, S. 361) kommt dabei zu folgender Definition von Behinderung: „Behindert ist eine Person, deren Teilhabe am Gesellschaftsleben,
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J. Bach
Gesundheitliche Beeinträchtigung – Regelwidriger (körperlicher, geistiger, seelischer) Zustand oder – Funktionsstörungen/Strukturschäden (im Zusammenhang mit regelwidrigem Zustand) oder – Aktivitätsstörungen (im Zusammenhang mit regelwidrigem Zustand)
Umwelt Faktoren der sozialen und physikalischen Umwelt (Umweltfaktoren)
können wechselwirken zu • erheblicher Gefährung oder • Einschränkung/Aufhebung der
Partizipation an einem oder mehreren Lebensbereichen (Teilhabe am Gesellschaftsleben, insbesondere am Arbeitsleben)
Abbildung 1: Das Modell der Behinderung des Definitionsvorschlages für den Begriff der Behinderung basierend auf der ICIDH-2 (mod. nach Schuntermann, 1999, S. 362)
insbesondere am Arbeitsleben, infolge ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung aufgehoben oder nur vorübergehend eingeschränkt ist. Eine ‚gesundheitliche Beeinträchtigung’ ist (a) eine Gesundheitsstörung im Sinne eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes oder (b) damit im Zusammenhang stehend ein anatomischer Strukturschaden oder eine psychische oder physiologische Funktionsstörung oder Aktivitätsstörung.“ Diese Zusammenhänge sind in Abbildung 1 graphisch zusammengefasst. Das Modell bezieht sich bei der ICIDH-2 der WHO nur auf den Erwachsenenbereich und wählt dementsprechend Beispiele des Erwachsenenlebens aus. Für Heranwachsende muss der Begriff der gesellschaftlichen Partizipation jedoch genauer spezifiziert werden. Kinder und Jugendliche betrifft dies insbesondere in Bezug auf die schulische Partizipation. Eine solche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Sinne einer Gemeinschaft der Gleichaltrigen ist durch die frühe Selektion und Ausgrenzung behinderter Kinder vom Regelschulsystem weitestgehend nicht gegeben. Ein weiterer Problembereich behinderter Kinder umfasst die eingeschränkten Möglichkeiten der Teilhabe an Aktivitäten in Sport und Freizeit. Auch in diesem für die Ausbildung eines außerschulischen Selbstkonzepts und Selbstwertgefühls immens wichtigen Bereich kommt es häufig zu Ausgrenzungen. Obwohl technisch wie organisatorisch häufig durchaus möglich, sehen die meisten institutionellen Sport- und Freizeitangebote eine Partizipation von Behinderten überhaupt nicht vor. Der Mangel an Interaktionserfahrungen mit nicht behinderten Peers führt jedoch nicht selten zur Ausbildung oder Verstärkung bestehender sozial-emotionaler Störungen. Hinzu kommt die konzeptionelle Problematik, dass in der Sonderpädagogik in der Regel ein schulsystemimmanenter Behinderungsbegriff verwendet wird,
14 Prävention sozial-emotionaler Störungen
265
der eine fächerübergreifende Diskussion dieser Thematik erschwert. Einige Autoren wie z. B. Fischer (2003) kritisieren den Behinderungsbegriff der WHO, bieten allerdings keine alternativen Definitionsvorschläge an. 14.1.3 Risiko- und Schutzfaktoren für sozial-emotionale Störungen Im Folgenden sollen einige Risiko- und Schutzfaktoren dargestellt werden, welche sich auf die Ausbildung einer sozial-emotionalen Störung auswirken und insofern von zentraler Bedeutung für diesbezügliche Präventionsmaßnahmen sind. Hierbei wird von einem allgemeinen Risiko- und Schutzmodell ausgegangen, vor dessen Hintergrund die spezifische Problematik von Kindern mit Behinderung dargestellt wird. Problematisch ist in diesem Zusammenhang der Mangel an empirischen Untersuchungen. Auf Seiten des Kindes gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, welche sich negativ auf die sozial-emotionale Entwicklung auswirken können (vgl. Kasten 3). Hierzu gehören vor allen Dingen temperamentbezogene Faktoren wie beispielsweise eine Verhaltenshemmung. Nach Essau (2003) können diese zu ängstlichen Verhaltensweisen führen, die sich im Laufe der Zeit mehr und mehr stabilisieren und entsprechende Reaktionsmuster hervorrufen. Gleichermaßen stellt eine allgemeine Entwicklungsstörung des Kindes einen Risikofaktor zur Ausbildung einer sozial-emotionalen Störung dar. Kognitive Funktionen wie Wahrnehmung oder Informationsverarbeitung spielen für die emotionale Entwicklung eine wichtige Rolle. Fehler in der Wahrnehmung sozialer Konstellationen sind häufig die Grundlage einer Fehleinschätzung von Situationen, was in der Folge situationsunangemessene Reaktionen begünstigt und zu erheblichen generalisierten Problemen in der sozialen Interaktion führen kann (de Castro 2005). Kasten 3: Risikofaktoren für die emotionale Entwicklung auf Seiten des Kindes (mod. nach Petermann & Wiedebusch, 2003, S. 96)
– temperamentsbedingte Vulnerabilität, z. B. Verhaltenshemmung, Überaktivität – allgemeine Entwicklungsstörung, z. B. Verzögerung – erhöhte physiologische Reaktivität – mangelnde Responsivität – Probleme in der Wahrnehmung – Probleme in der Informationsverarbeitung Andererseits erbrachte die empirische Forschung in den vergangenen Jahren klare Hinweise auf Schutzfaktoren für die kindliche Entwicklung, welche im Rahmen einer Intervention in besonderem Maße berücksichtigt werden sollten (vgl. Kasten 4). Hierzu zählen positive Temperamentsfaktoren wie eine gute emotionale Ansprechbarkeit, Auslenkbarkeit und Beruhigbarkeit, die allerdings bei Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten nur selten gegeben sind. Weitere
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Schutzfaktoren stellen altersgemäße Selbstregulationssysteme für Aufmerksamkeit und Verhalten dar. Auch diese sind bei Kindern mit Behinderung jedoch oftmals beeinträchtigt. Kasten 4: Schutzfaktoren für die emotionale Entwicklung auf Seiten des Kindes (Katz et al., 1999)
– Positive Temperamentsfaktoren – Selbstwirksamkeitsregulationssysteme für Aufmerksamkeit, Erregung, Verhalten – „Freude am…“ – positive Leistungsmotivation – Positives Selbstwertgefühl, Attraktivität – Begabungen, die von der Person selbst sowie der Gesellschaft geschätzt werden – Gute Beziehungen zu Freunden/Peers – Gute Schulbildung – Spiritualität und religiöse Systeme Wichtig ist auch die Förderung der Leistungsmotivation. Hierzu müssen Themen gefunden werden, welche Kinder und Heranwachsende interessieren und ihnen wiederholte Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen. Insbesondere ein positives Selbstwertgefühl, eine gute intellektuelle Begabung sowie eine gute Schulbildung stellen allerdings Schutzfaktoren dar, über die behinderte Menschen oft nicht in hinreichendem Maße verfügen. Zugleich darf nicht außer Acht gelassen werden, welche Risiko- und Schutzfaktoren auf Seiten der Eltern behinderter Kinder bestehen. Als Risikofaktoren sind psychische Störungen der Eltern bedeutsam, insbesondere wenn diese selbst an einer sozial-emotionalen Störung wie z. B. einer Depression oder Angststörung leiden (Jones et al., 2001; McClure et al., 2001). Problematisch ist darüber hinaus auch ein unangemessenes Erziehungsverhalten, d. h. inadäquate Reaktionen auf das Verhalten des Kindes (vgl. Kasten 5). Weiterhin wirken sich eine geringe Responsivität, d. h. ein wenig feinfühliger Umgang mit Signalen des Kindes, und eine geringe Unterstützung beim Aufbau Kasten 5: Risikofaktoren für die emotionale Entwicklung auf Seiten der Eltern (mod. nach Petermann & Wiedebusch, 2003, S. 97)
– Psychische Störung eines Elternteils, z. B. Depressivität der Mutter – Unangemessenes Erziehungsverhalten, z. B. Überprotektion oder Laisserfaire-Stil – Soziale Belastung der Eltern bzw. des Familiensystems (geringe Paarzufriedenheit, niedriger sozio-ökonomischer Status) – mangelnde Responsivität – häufiger Ausdruck negativer Emotionalität (expressed emotions) – geringe Unterstützung bei der kindlichen Emotionsregulation
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von Emotionsregulationsstrategien negativ auf die emotionale Entwicklung des Kindes aus. Hinzu kommen indirekte Faktoren auf Seiten der Eltern wie z. B. niedrige Paarzufriedenheit oder niedriger sozial-ökonomischer Status, welche die Lebenssituation des Kindes mittelbar belasten, indem beispielsweise Ressourcen gebunden werden, welche andernfalls zur Förderung des Kindes eingesetzt werden könnten. Demgegenüber gibt es eine Reihe elterlicher Schutzfaktoren, welche sich positiv auf die emotionale Entwicklung eines Kindes auswirken (vgl. Kasten 6). Hierzu zählt zunächst ein responsives Elternverhalten, d. h. die korrekte Wahrnehmung der Signale des Kindes sowie eine feinfühlige Reaktion in einem angemessenen Zeitraum (Denham et al., 1997). Eine zentrale Rolle nimmt dabei das Verbalisieren eigener Gefühle durch die Eltern ein, da das Kind auf diese Weise ein Modell für den eigenen Gefühlsausdruck erhält (Garner, 1999). Kasten 6: Schutzfaktoren für die emotionale Entwicklung auf Seiten der Eltern und sozialen Systeme (Katz et al., 1999)
– Responsives Elternverhalten – Verbalisieren von Gefühlen (Modellverhalten): positive und negative Gefühle – Unterstützung bei der Modulation von Emotionen seitens des Kindes (positiver und negativer Emotionen) – Aufbau eines sicheren Bindungssystems zum Kind – Gute Beziehungen zu anderen kompetenten und fürsorglichen Erwachsenen – Kommunale Organisationssysteme Weiterhin wichtig ist die Unterstützung des Kindes beim Umgang mit seinen Gefühlen sowie beim Aufbau von Strategien der Emotionsmodulation. Voraussetzung hierfür ist die Ausbildung eines sicheren Bindungssystems. Auf der Basis einer sicheren Bindung wird das Explorationsverhalten des Kindes begünstigt und durch vermehrte Umwelterfahrungen sein Handlungsrepertoire im Umgang mit Gefühlen erweitert. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass über den Umgang mit Mutter und Vater hinaus auch der Austausch mit anderen kompetenten und fürsorglichen Erwachsenen einen positiven Einfluss hat. Das gleiche gilt für kommunale Organisationssysteme, die sich über eine Unterstützung der Eltern auch positiv auf die emotionale Entwicklung des Kindes auswirken. Risikofaktoren des Kindes einerseits sowie der Eltern andererseits haben einen kumulativen Effekt und erhöhen beim Vorhandensein mehrerer Faktoren die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung einer sozial-emotionalen Störung überproportional. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine Schutzfaktoren, welche die Risikofaktoren abmildern und die Ausbildung emotionaler Kompetenz trotz kritischer Einflüsse fördern, als Puffer greifen. Daher ist eine möglichst frühe Intervention bei Kindern mit einem erhöhten Risiko sinnvoll, um zum einen vor der Verfestigung negativer Interaktionsketten einzugreifen und zum anderen eine möglichst frühe Ausbildung emotionaler Kompetenzen zu unterstützen (vgl. Abb. 2).
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Risikofaktoren beim Kind
Schutzfaktoren beim Kind
Gestörte E-KInteraktion
Risikofaktoren bei den Eltern
Risikofaktoren
Schutzfaktoren im sozialen Umfeld
Sozialemotionale Entwicklung des Kindes
Intervention/ Prävention
Sozial-emotionale Störung
Förderung emotionaler Kompetenz
Abbildung 2: Prävention bei sozial-emotionalen Störungen
14.2 Das Programm PESS 14.2.1 Theoretisches Rahmenmodell Wie im ersten Abschnitt deutlich wurde, besteht ein immens hoher Bedarf an Präventions- und Interventionsprogrammen, welche sich speziell mit sozial-emotionalen Störungen befassen und gleichzeitig für eine Zielgruppe zugeschnitten sind, die kognitive und sprachliche Defizite aufweist. Generell bleibt zu kritisieren, dass momentan sowohl im angloamerikanischen als auch im europäischen Kontext ein deutliches Übergewicht an kognitiv orientierten Programmen herrscht. Vorläufer bzw. Rahmenmodell stellt in originären oder veränderten Formen fast immer das Modell von Crick und Dodge (1994) dar. Auch wenn man berücksichtigt, dass es sich bei den vorliegenden Programmen nie um „nur“ kognitive Programme handelt, stellt sich den-
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noch die Frage, inwieweit die vorliegenden Erklärungsmodelle genügen, um sich dem Phänomen der Aggression in ausreichendem Maße zu nähern. Eine Übersichtsarbeit von Lösel und Beelmann (2003) hat verdeutlicht, dass die kognitiven Programme zum Teil sehr gute Erfolge aufzuweisen haben, was aufgrund des großen Überhangs an kognitiv-behavioralen Programmen zumindest zum Teil auf eine Verzerrung durch die Betrachtungsweise zurückzuführen ist. Außerdem haben Erweiterungen des Modells um emotionale Aspekte wie beispielsweise die von Lemerise und Arsenio (2000) nur eine scheinbare Verbesserung erbracht. Ausgegangen wird nach wie vor davon, dass eine Veränderung der Wahrnehmung und Bewertung Gewalt auslösender Situationen zu einer Verbesserung des Verhaltens führt. Eine weitere Schwäche nahezu aller aktuell vorliegenden Programme besteht in einer Sprachlastigkeit. Inwieweit diese eine Bedingung der kognitiven Orientierung der Programme darstellt oder aber zwangsläufige Folge dieser Orientierung ist, sei dahingestellt. Dennoch finden sich in den unterschiedlichen Programmen sowohl zu Aggression (z. B. FAUSTLOS) als auch zu Ängsten (FREUNDE) eine zu geringe Handlungsorientierung und ein überhöhter Einsatz an Geschichten, die gelesen oder vorgelesen werden müssen. Hierdurch erhalten die Programme zuweilen „Deutschstundencharakter“ – diese Kritik wurde von Teilnehmern wortwörtlich so geäußert – und bleiben gewissen Zielgruppen somit verschlossen (Bach, 2004). Insbesondere Programme, welche sich mit sozial-emotionalen Störungen befassen, sollten jedoch auch und gerade kognitivsprachlich schwächeren Kindern zugänglich gemacht werden. In der einschlägigen Literatur wird immer wieder darauf hingewiesen, dass eine sehr genaue Zielgruppenorientierung der Programme einen Schlüssel zu ihrem Erfolg darstellt (Durlak, 1997; Greenberg et al., 2001; Heinrichs et al., 2002). Gegenwärtig werden jedoch in wachsendem Umfang eher universelle anstelle von problem- und zielgruppenspezifischen Programmen aufgestellt und manualisiert. Von den jeweiligen Anwendern wird dann erwartet, dass sie diese selbstständig an die jeweilige Zielgruppe anpassen und insbesondere für Kinder mit Behinderung Vereinfachungen vornehmen. Bei dem Programm „Prävention Emotionaler und Sozialer Störungen bei Kindern mit Behinderung – PESS“ wird hingegen versucht, bereits in der Konzeption des Programms auf die Zielgruppe einzugehen und den Schwerpunkt dabei auf den Bereich sozial-emotionaler Praktiken zu legen. Als theoretischer Hintergrund wurde dazu das Modell von Carolyn Saarni (1999, 2002) gewählt, da in ihrem Ansatz die Bereiche der sozialen und emotionalen Entwicklung innerhalb des Konzeptes der Emotionalen Kompetenz verbunden sind. Andere Modelle nehmen in diesem Zusammenhang eine einseitige Fokussierung vor. Salovey und Mayer (1990) orientieren sich an der Vorstellung multipler Intelligenzen und erweitern sie um den Bereich des Emotionalen. Neben empirischen Einwänden, die gegen dieses Konzept vorgebracht werden können, weist das Modell auch konzeptionelle Schwächen auf, da es auf das Individuum fokussiert und somit den Einfluss des Kontextes und die Problematik sozialer Interaktionen nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Auch die Einteilung in richtige und falsche Emotionen erscheint fragwürdig (von Salisch, 2002b).
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Das Modell von Rose-Krasnor (1997) fokussiert demgegenüber auf die soziale Kompetenz und versucht, kognitive und emotionale Werte in Form einer Pyramide zu vereinen und hierarchisch zu organisieren. Es ist insgesamt sehr komplex aufgebaut und erlaubt die Entwicklung unterschiedlicher Hypothesen zu einzelnen Teilbereichen der Entwicklung. Letztlich dürfte es jedoch schwer fallen, die Einzelaspekte des theoretischen Modells in der Praxis zu operationalisieren und empirisch zu kontrollieren. Des Weiteren wird ein deutlicher Schwerpunkt auf den Bereich des Kontextes bzw. der Interaktionen gelegt, der Bereich der Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation jedoch nicht ausführlich genug behandelt, um als Rahmenmodell einer Intervention dienen zu können. Halberstadt et al. (2001) schließlich fokussieren bei ihrem Modell nicht auf die Person als Individuum, sondern betrachten die Interaktion zwischen zwei oder mehr Beteiligten. Hierbei werden die drei Komponenten (oder Prozesse) „Senden“, „Empfangen“ und „Erleben“ beschrieben, die durch vier Fertigkeiten gekennzeichnet sind, welche die Interaktionsprozesse genauer beschreiben und in ihrem affektiv-sozialen Inhalt bestimmen. Kritischer Punkt dieses Ansatzes ist u. a., dass nach Halberstadt et al. (2001) das Gelingen einer Interaktion in erster Linie vom Interaktionspartner und nicht von der sozial-emotionalen Kompetenz des Handelnden abhängt. Des Weiteren gehen die Autoren von einer über die Lebensspanne relativ konstanten Struktur der affektiv-sozialen Kompetenz aus; der empirische Nachweis hierfür steht jedoch nach wie vor aus (von Salisch, 2002b). Im Unterschied zu den drei kurz skizzierten Modellen bestehen die Vorteile des Konzepts der „Emotionalen Kompetenz“ von Saarni (1999) in der Verbindung der beiden Bereiche der sozialen und emotionalen Entwicklung. Zudem fokussiert Saarni zwar auf das Individuum und seine Fähigkeiten und Fertigkeiten, bezieht jedoch in besonderem Maße auch die Wechselwirkungen mit anderen Beteiligten ein und berücksichtigt somit sowohl individuelle Sozialisationserfahrungen als auch den anhaltenden Einfluss der umgebenden Kultur. Saarni (2002, S. 10) definiert emotionale Kompetenz wie folgt: „Emotionale Kompetenz äußert sich als Selbstwirksamkeit in emotionsauslösenden sozialen Transaktionen. Selbstwirksamkeit bedeutet, dass ein Individuum die Fähigkeiten und Fertigkeiten dazu hat, ein erwünschtes Ergebnis zu erreichen.“ In dieser Definition greift Saarni den bereits von Bandura (1977) beschriebenen und in zahlreichen empirischen Studien bestätigten Aspekt einer positiven Entwicklung auf: Selbstwirksamkeitserfahrungen, aus welchen im Sinne einer erlebten Eigenkontrolle von Interaktionen emotionale Kompetenz erwächst. Saarni gliedert die emotionale Kompetenz in acht Fertigkeiten auf und beschreibt diese detailliert (Saarni, 1999). Für das Präventionsprogramm PESS wurden allerdings nur die ersten sechs Fertigkeiten ausgewählt, da nur diese für das Kindesalter von Bedeutung sind. Die Fertigkeiten werden in Kasten 7 kurz aufgelistet. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die von Saarni skizzierten Fertigkeiten sich immer im Wechselspiel zwischen Individuum und in Interaktion
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Kasten 7: Fähigkeiten/Fertigkeiten (sozial-)emotionaler Kompetenz (Saarni, 2002, 13)
1. Bewusstheit über den eigenen emotionalen Zustand 2. Die Fähigkeit, Emotionen anderer Menschen auf der Grundlage von Merkmalen der Situation und des Ausdrucksverhaltens zu erkennen 3. Die Fähigkeit, das Vokabular der Gefühle und Ausdruckswörter zu benutzen 4. Die Fähigkeit, empathisch auf das emotionale Erleben von anderen Menschen einzugehen 5. Die Fähigkeit, aversive oder belastende Emotionen und problematische Situationen in adaptiver Weise zu bewältigen 6. Die Fähigkeit zur emotionalen Selbstwirksamkeit; die Person ist der Ansicht, dass sie sich im Allgemeinen so fühlt, wie sie sich fühlen möchte mit seiner Umgebung manifestieren. Insofern berücksichtigt das Modell Saarnis im Gegensatz zu biologischen Modellen in besonderem Maße, dass Emotionen ein Produkt der individuellen Sozialisationserfahrungen sind und sich aufgrund des Austausches mit der Umgebung in einem ständigen Wandel befinden. Das Modell der „Emotionalen Kompetenz“ bietet auf diese Weise einen theoretischen Rahmen für eine spezifische Adressierung einzelner Bereiche sozial-emotionaler Störungen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, die einzelnen Fertigkeiten genau zu operationalisieren, was sowohl für die Intervention als auch ihre Überprüfung von zentraler Bedeutung ist. In einem ersten Schritt beschreibt Saarni die Bewusstheit der eigenen Emotionalität, d. h. die Fertigkeit, diese überhaupt wahrnehmen zu können. In einem zweiten Schritt geht es darum, die Gefühle anderer zu erkennen und situative Merkmale mit einzubeziehen. Entsprechend verhält es sich mit dem nächsten Begriffspaar, bei dem zunächst die Fertigkeit der Person angesprochen wird, eigenen Emotionen verbal und gestisch Ausdruck zu verleihen. Darüber hinaus ist der Aufbau eines umfassenden Repertoires an Ausdrucksmöglichkeiten von Bedeutung. Dieses ist eine Voraussetzung für die emotionale Mitteilungsfähigkeit des Einzelnen. Ein weiterer Punkt umfasst die Fähigkeit, sich in Bezug auf die Emotionen anderer empathisch zu verhalten und adäquat auf sie zu reagieren. Voraussetzung hierfür ist ein sowohl kognitives als auch emotionales Hineinversetzen in die andere Person. Wichtig ist darüber hinaus ein konstruktiver Modus der Emotionsmodulation, d. h. die Fähigkeit des Individuums, in förderlicher Weise mit belastenden Situationen umzugehen und aufgrund eines breiten Handlungsrepertoires angemessen reagieren zu können. Schließlich geht es um die Inkongruenz innerer und äußerer Zustände: Inwieweit ist die Person in der Lage, eine Differenz zwischen selbst gesetzten Zielen und der Realität zu akzeptieren und die Wahrnehmung von Inkongruenzen funktional zu verarbeiten. In diesem Zusammenhang spielt die Frage, ob diese Ziele objektiv erreicht werden können (realistische vs. unrealistische Ziele), nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend sind die Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse auf Seiten der handelnden Person.
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14.2.2 Ziele und Wirkweise des Programms PESS Wie im vorherigen Abschnitt verdeutlicht wurde, stützt sich das Programm PESS auf das theoretische Rahmenmodell von Saarni (1999). Dies gilt sowohl für den konzeptionellen Aufbau des Programms als auch seine Ziele. Hierbei wird großer Wert auf die Verzahnung von Programmelementen gelegt, welche sich dominant auf die soziale Entwicklung beziehen, mit Elementen, die vor allem die emotionale Entwicklung betonen (vgl. Abb. 3). Umgang miteinander: Gruppenidentität Umgang miteinander: Gruppenregeln Ziele setzen/Ziele aushandeln Selbstwertgefühl (Person/Gruppe)
Emotionswahrnehmung I (Selbst/Andere) Emotionsmodulation I Emotionswahrnehmung II (Selbst/Andere) Emotionsmodulation II
Abbildung 3: Zentrale Elemente des Programms PESS
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die einzelnen Fähigkeiten wie z. B. die Emotionswahrnehmung zu einem frühen Zeitpunkt innerhalb des Programms angesprochen werden. Sie werden allerdings zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgegriffen und vertieft. Insofern werden die Bereiche der Emotionswahrnehmung und der Emotionsmodulation mehrfach aufeinander aufbauend adressiert. Die einzelnen Module des Programms PESS sind entsprechend dem Rahmenmodell von Saarni (1999) aufgeteilt in die Fokussierung auf die Person selbst („Wie bin ich, wenn ich wütend bin?“) und auf die Person in Interaktion mit Gleichaltrigen („Wie erkenne ich, dass mein Freund wütend ist?“). Im Bereich der Emotionen wird eine Fokussierung auf die Basisemotionen Freude, Trauer, Angst (Furcht) und Wut (Ärger) vorgenommen. Diese Emotionen wurden ausgewählt, da zum einen in kulturvergleichenden Studien nur diese Basisemotionen trennscharf identifiziert werden konnten (Ulich et al., 1999). Sie gelten als gut unterscheidbar und sind für die emotionale Entwicklung von Kindern von grundlegender Bedeutung. Zum anderen erscheint es sinnvoller, eine Beschränkung auf wenige Basisemotionen vorzunehmen und deren Wahrnehmung und Modulation zu üben, anstatt eine größere Zahl von Emotionen zwangsläufig nur kurzzeitig und eher oberflächlich abzuhandeln.
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Des Weiteren erhalten die Kinder mit diesen Basisemotionen ein Grundwerkzeug zum Ausdruck ihrer Gefühle, das einer weiteren Differenzierung offen steht. Ist beispielsweise ein Kind in der Lage, seiner Freude Ausdruck zu verleihen, wird es ihm später leichter fallen, ein mit dieser Basisemotion verbundenes Gefühl wie Stolz zu zeigen. Die Fokussierung auf Basisemotionen dient demnach nichtsdestoweniger auch der Ausbildung eines breiten Emotionsrepertoires, ohne dass diese Emotionen im Rahmen des Programms eigens angesprochen werden. Weiterhin macht diese Elementarisierung und Konzentration auf wenige zentrale Emotionen nachgerade für Kinder mit einer Behinderung Sinn, da sie die Teilnehmer kognitiv nicht überfordert. Das Programm PESS ist als Gruppenprogramm in Schulvorbereitenden Einrichtungen konzipiert und stellt somit ein sekundäres Präventionsprogramm dar (vgl. Kasten 8). Obwohl die teilnehmenden Kinder bereits häufig eine Reihe der anfangs genannten Risikofaktoren aufweisen, ist es in den meisten Fällen noch nicht zu einer Verfestigung bestehender Interaktionsmuster bzw. zu einer Chronifizierung der Störungen gekommen. Die Kinder haben bereits Vorerfahrungen im Gruppenkontext gemacht, welche sich zuweilen auch negativ auf ihr Selbstkonzept auswirken. Zugleich befinden sich Kinder in Schulvorbereitenden Einrichtungen in einer Übergangsphase zwischen Kindergarten und Schule. Entwicklungspsychologisch betrachtet gewinnen der Aufbau von Freundschaften und die Beziehung zu Gleichaltrigen in dieser Phase mehr und mehr an Bedeutung (Zollinger, 2000). Kasten 8: Ansatzpunkt und Zielgruppe des Programms PESS
– Mittlere Kindheit: Altersgruppe der 5- bis 7-Jährigen (Vorbereitung auf die Schule) – Kinder mit Auffälligkeiten im Bereich der sozial-emotionalen Entwicklung (sekundäre Prävention) – Setting: Schulvorbereitende Einrichtungen (SVE) – Personenbezogene Intervention (Gruppenprogramm) – Fokus: Kinder (primär) und Eltern (unterstützend) PESS ist als Gruppenprogramm in der alltäglichen Umgebung der Kinder konzipiert. Zum einen werden die Vorzüge der normalen Umgebung genutzt, um den Kindern ein eher niedrigschwelliges Angebot machen zu können, welches sie nicht aus ihren gewohnten Bezügen herausreißt. Zum anderen hilft das gewohnte Setting, den Transfer des Erlernten in den Alltag zu erleichtern, da die Teilnehmer neu erworbene Fertigkeiten sogleich im Gruppenalltag anwenden können. Der Gruppenkontext ist dabei von zentraler Bedeutung, um sowohl von als auch mit Peers einen sozial angepassten Umgang mit Emotionen zu erlernen. Dies gilt in besonderem Maße für emotionale Störungen, da der soziale Kontext für den Umgang mit Emotionen und die Ausbildung emotionaler Störungen eine besondere Rolle spielt. Zugleich werden eine Reihe von Problemen in der Emotionswahrnehmung und Emotionsmodulation überhaupt erst im Gruppenkontext greifbar. Dies gilt vor allem für das fehlende Bewusstsein individuell
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unterschiedlicher Wahrnehmungen oder sozial inadäquate Bewältigungsversuche einzelner Teilnehmer. Die Durchführung des Programms findet wöchentlich zweistündig über einen Zeitraum von drei Monaten statt (vgl. Kasten 9). Das Programm wird von den betreuenden Erzieherinnen und Erziehern durchgeführt, da diese bereits eine emotionale Beziehung zu den Kindern aufgebaut haben und den Transfer des Erlernten in den Alltag unterstützen können. Das pädagogische Personal der jeweiligen Einrichtung wird mit dem notwendigen Interventionsmaterial ausgestattet und vor der Durchführung des Programms geschult. Gemeinsam mit den Kindern wird ein Workbook erstellt, bei dem individuelle Aspekte der Teilnehmer eine große Rolle spielen. So dürfen die Kinder beispielsweise den Umschlag ihres Workbooks selbst gestalten. Des Weiteren werden Beispielfotos der Kinder in das Workbook eingefügt, um einen hohen persönlichen Bezug herzustellen und das Workbook zu „ihrem“ Buch werden zu lassen. Darüber hinaus sind die Erzieherinnen und Erzieher aufgefordert, auch im pädagogischen Alltag jenseits der Programmdurchführung eine Modellfunktion einzunehmen, was den positiven Ausdruck und Umgang mit Emotionen betrifft. Kasten 9: Aufbau des Programms PESS
– Wöchentliche Gruppensitzung mit Kindern über einen Zeitraum von drei Monaten – Begleitender Elternabend (Beginn/Ende) – Erstellung eines Workbooks zur Weiterführung des Erlernten mit den Kindern (mit Ergänzungsmöglichkeiten) – Auffrischungskurs nach einem halben Jahr PESS ist ein personzentriertes Programm, d. h., der Schwerpunkt der Intervention wird auf die direkte Förderung der Kinder gelegt. Unterstützend werden zwei Elternabende durchgeführt, an denen die Eltern inhaltlich über das Programm informiert werden und Hinweise zum Umgang mit Emotionen erhalten. Hierzu gehört auch ein „Elternbuch“, welches eine Ergänzung zu den Übungen der Kinder darstellt, den Transfer in den häuslichen Alltag erleichtert und der Absicherung mittelfristiger Effekte dienen soll. Ergänzend wird ein Auffrischungskurs nach einem halben Jahr angeboten, in dem reflektiert wird, inwieweit einzelne Elemente des Programms umgesetzt werden konnten. Beispielübungen des Programms PESS Im Folgenden werden einzelne Übungen des Programms PESS beschrieben, um einen Eindruck vom konkreten Aufbau des Programms zu vermitteln. Die einzelnen Übungen decken dabei häufig nicht nur eine, sondern mehrere Emotionsstufen nach Saarni gleichzeitig ab. Für die einzelnen Fertigkeiten nach Saarni wurden im Rahmen des Programms Leitfragen entwickelt, die auf kindgerechte Weise die zentralen Aspekte der jeweiligen Fertigkeit wiedergeben. Die Leitfra-
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Tabelle 1: Leitfragen zu den einzelnen Bausteinen des Programms PESS 1. Bewusstsein über den eigenen emotionalen Zustand
– Was macht mich traurig/wütend/fröhlich/ängstlich? – Wie fühle ich mich, wenn ich traurig/ wütend/fröhlich/ängstlich bin? – Wie fühle ich mich in diesem Augenblick? – Wie sehe ich aus, wenn ich traurig/ wütend/fröhlich/ängstlich bin?
2. Die Fähigkeit, Emotionen anderer Menschen auf der Grundlage von Merkmalen der Situation und des Ausdrucksverhaltens zu erkennen.
– Wie fühlt sich der andere? – Was fühlt der andere, wenn er traurig/ wütend/fröhlich/ängstlich ist? – Wie sieht jemand aus, der traurig/ wütend/fröhlich/ängstlich ist?
3. Die Fähigkeit, das Vokabular der Gefühle und Ausdruckswörter zu benutzen.
– Wie sage ich, wenn ich traurig/wütend/ fröhlich/ängstlich bin? – Wie beschreibe ich (auch fremde) Gefühle?
4. Die Fähigkeit, empathisch auf das Erleben anderer Menschen einzugehen.
– Was tue ich, wenn jemand anderes traurig/wütend/fröhlich/ängstlich ist? – Wie geht es mir, wenn andere traurig/ wütend/fröhlich/ängstlich sind?
5. Die Fähigkeit, aversive oder belastende Emotionen und problematische Situationen in adaptiver Weise zu bewältigen.
– Was mache ich, wenn ich traurig bin? – Was mache ich, wenn ich wütend bin? – Was mache ich, wenn ich Angst habe?
6. Die Fähigkeit zur emotionalen Selbstwirksamkeit; die Person ist der Ansicht, dass sie sich im Allgemeinen so fühlt, wie sie sich fühlen möchte.
– Fühle ich mich wohl? – Kann ich erreichen, was ich will?
gen werden in den einzelnen Übungen wörtlich aufgegriffen, dienen den Erzieherinnen aber auch als Orientierung bzw. handlungsleitende Fragen (vgl. Tab. 1). Eine Übung, um die Emotionswahrnehmung (Saarni I) zu fördern, stellt das Gefühlswappen dar. Dabei malen die Kinder an verschiedenen Tagen auf ein zuvor in vier Teile eingeteiltes Wappen je eine Situation, in der sie eine der vier Grundemotionen besonders stark erlebt haben. Die Wahrnehmung und das Verstehen der Emotionen anderer Menschen auf der Grundlage von Merkmalen der Situation und des Ausdrucksverhaltens (Saarni II) lässt sich im Spiel „Paare bilden“ schulen. Zusammen mit den Kindern wird hierbei ein Set von vier Bildern betrachtet. Die einzelnen Bilder zeigen den gleichen Menschen, jeweils mit dem Ausdruck einer der Emotionen Angst, Freude, Wut und Trauer. Die Gefühle werden von den Kindern benannt und genauer beschrieben. Im Anschluss erhält jedes Kind mehrere Sets à vier Fotos, auf denen die vier Emotionen jeweils von derselben Person dargestellt abgebildet sind. Die Kinder sollen nun dem bereits bekannten Bilder-Set die „neuen“ Bilder richtig zuordnen, so dass am Ende vier Stapel entstehen, die jeweils alle
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Bilder enthalten, die zur jeweiligen Emotion gehören (also ein „Wut-Stapel“, ein „Angst-Stapel“, ein „Freude-Stapel“, ein „Trauer-Stapel“). Wichtig ist nach Saarni weiterhin die Fähigkeit, Gefühlsvokabeln aufzubauen und möglichst viele Ausdruckswörter zur Verfügung zu haben (Saarni III). Im Programm PESS wird dies beispielsweise durch das Spiel „Lustige und traurige Gesichter“ gefördert. Hierbei formen die Kinder aus Knetmasse verschiedene Gesichter, welche unterschiedliche Gefühle zeigen, z. B. Freude oder Wut. Durch die gemeinsame Betrachtung der Knetgesichter lernen die Teilnehmer, dass sie ihre Gefühle in unterschiedlicher Weise erleben und ausdrücken. Einen weiteren Baustein stellt die Fähigkeit dar, empathisch auf das Erleben anderer Menschen einzugehen (Saarni IV). Hierbei steht der Umgang mit den Emotionen der anderen im Vordergrund. Eine Übung hierzu ist der „blinde Spaziergang“. Die Kinder finden sich dazu paarweise zusammen. Einem der beiden Kinder werden die Augen verbunden. Der Partner führt seinen Kameraden im Folgenden behutsam herum. Nach ein paar Minuten werden die Rollen getauscht. Im Anschluss erfolgt ein gemeinsames Gespräch. Der Spielleiter befragt die Kinder zu ihren Gefühlen beim Führen und Geführtwerden, welche Rolle ihnen angenehmer war und ob sie beim Führen merkten, welche Gefühle das geführte Kind hatte, vor allem ob es sich sicher oder unsicher fühlte. Auf diese Weise erleben die Kinder, dass es sehr schwer ist, die Gefühle der anderen richtig wahrzunehmen. Zudem lernen sie, feinfühliger auf die Gefühle anderer einzugehen. Ein wichtiger Baustein ist nach Saarni darüber hinaus die Fähigkeit, belastende Emotionen und problematische Situationen in adaptiver Weise zu bewältigen (Saarni V). Diese Fähigkeit wird im Programm beispielsweise durch das Lösen von Konfliktgeschichten gefördert. Die Erzieherin bzw. der Erzieher spielt hierzu mit zwei Handpuppen eine Geschichte aus der Lebenswelt der Kinder vor. Zunächst werden die Kinder nach den Gefühlen der in der Geschichte vorkommenden Figuren gefragt, um sodann in der Gruppe Möglichkeiten der Konfliktlösung zu sammeln. Dabei werden wiederum die Gefühle der Figuren thematisiert, wenn der Konflikt gelöst ist. Die Aufforderung, selbst erlebte Situationen zu berichten, begünstigt den Transfer der Lösungen in die individuelle Lebenswelt des einzelnen Kindes. Nach diesem spielerischen Einüben des Umgangs mit Konflikten wird in einem zweiten Schritt ein erlebter Konflikt der Kinder in einem Rollenspiel durchgespielt. Entscheidend ist dabei, dass für diesen konkreten Fall unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten gemeinsam erarbeitet und im Rollenspiel umgesetzt werden. Die Fähigkeit zur emotionalen Selbstwirksamkeit (Saarni VI) wird letztendlich als übergeordnetes Ziel durch das Programm in seiner Gesamtheit gefördert.
14.3 Schlussfolgerungen für die Praxis Im Folgenden sollen einige Beispiele erläutert werden, welche sich im Umgang mit Emotionen als hilfreich erwiesen haben und daher auch im Präventionspro-
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gramm PESS berücksichtigt wurden. Einige der genannten Beispiele sind von Webster-Stratton (2000) sowie von Denham und Burton (2003) übernommen, jedoch für die Zielgruppe modifiziert. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch die Stoffsammlungen von Pfeffer (2002) und Smith (2005) sowie die bereits etwas ältere Geschichtensammlung von Jensen und Wells (1979). Es bleibt in jedem Fall zu beachten, dass vor der Verwendung des Materials überlegt werden sollte, ob der Text und das Spiel bzw. die Übung für die jeweilige Zielgruppe geeignet sind, wie dies für die Zielgruppe im Allgemeinen bereits bei der Planung des Projekts PESS geschehen ist. Zunächst sollten Kinder zu Gefühlsäußerungen und Gesprächen über Gefühle ermutigt werden. Hierbei ist es wichtig, dass emotionale Äußerungen und Reaktionen – auch in für die Erwachsenen unverständlichen Formen – akzeptiert und aufgegriffen werden. Wenn Kinder sich ausgelassen freuen, laut weinen, wenn sie traurig sind oder sich vor Angst unter der Bettdecke verkriechen, ist das ein Ausdruck ihrer momentanen Befindlichkeit. Eltern und Erzieher sollten diese Gefühlsäußerungen keinesfalls abwerten oder verbieten. Sie sollten den Kindern stets erlauben, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, ohne dass die Kinder sich dafür schämen müssen. Das gilt auch und in besonderem Maße für Trauer und Angst. Äußerungen wie „Hör auf zu weinen!“, „So schlimm kann es wohl nicht sein, stell dich nicht so an!“ oder andere Abwertungen der momentanen kindlichen Befindlichkeit können die emotionale Entwicklung eines Kindes in negativer Weise beeinflussen und zu generellem sozialen Rückzug führen. Daher ist es wichtig, dass die Kinder in ihrer eigenen Gefühlswelt ernst genommen werden und ihrem Emotionsausdruck ein hinreichender Raum eingeräumt wird. Kinder sollten aus diesem Grund u. a. nicht von ihrer Trauer abgelenkt werden, da sie die Auseinandersetzung mit der eigenen Trauer brauchen, um Gefühle an sich und anderen zu akzeptieren. Nur wenn die Heranwachsenden ein breites Repertoire an Emotionen und deren Ausdruck erfahren, können sie diese auch kennen lernen, imitieren und in ihr eigenes Verhaltensrepertoire aufnehmen. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern und Erzieher ihre Trauer, Angst und Wut nicht vor den Kindern verstecken. Das gemeinsame Erleben von negativen Gefühlen hat zwei unterschiedliche Funktionen: zum einen normalisiert es diese Gefühle und verdeutlich den Heranwachsenden, dass jeder Angst (Wut, Trauer) hat und diese Gefühle zum alltäglichen Leben gehören. Zum anderen werden die Kinder damit vertraut, diese für einen selbst schwierigen und belastenden Gefühle in adäquater Weise zu äußern. Sie erfahren am Modell, mit diesen Gefühlen umzugehen. Eine weitere bedeutsame, in ihrer sozialen Wirkung jedoch häufig problematische Emotion stellt die Wut dar. Hier gilt es, kindliche Wut zuzulassen, solange sie nicht in destruktives oder extrem aggressives Verhalten mündet. Kinder können nur lernen, mit ihrer Wut adäquat umzugehen, wenn Wütendsein erlaubt ist. Wut sollte deswegen nicht unterdrückt werden. Die Kinder müssen aber auch die Grenzen ihrer Gefühlsäußerungen erfahren. Erwachsene müssen Vorbilder im Umgang mit Wut sein: Körperliche Gewalt oder die Zerstörung von Gegenständen stellen keine adäquaten Ausdrucksformen von Wut dar und führen zwangsläufig zu sozialen Konsequenzen, deren Tragweite Kindern nach
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Möglichkeit vermittelt werden sollte. Ziel ist es, nicht zuletzt durch das Vorbild der Erwachsenen Kinder zu einem angemessenen verbalen Ausdruck von Frustrationen und Wut anzuleiten. Hierzu gehört auch, dass ein dem Kind verfügbares Repertoire an Handlungsalternativen und/oder Ausweichmöglichkeiten für Konfliktsituationen geschaffen wird. Auch Kinder auf einem niedrigen Entwicklungsstand können Gefühle verbalisieren. Sie können in Gesprächen viel über sich selbst und ihre Gefühle lernen und üben, diese auch sprachlich auszudrücken. Eltern und Erzieher verfügen über vielfältige Möglichkeiten, Gespräche über Gefühle zu führen. Im Kindergarten oder der Schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) kann schon im morgendlichen Stuhlkreis die Frage eingeführt werden „Wie geht es dir heute?“, die durchaus auch in einfachen Worten oder gestisch (z. B. Daumen nach oben oder unten) beantwortet werden kann. Unterstützt werden kann dies durch so genannte „Stimmungskalender“, auf denen jedes Gruppen- oder Klassenmitglied mittels Skalen zwischen Begriffspolen (schlecht – gut) oder Piktogrammen (Smileys, Wetterbilder, u. a.) angeben kann, wie es ihm geht. Berichte von Kindern über eigene Erlebnisse können als Anlass für einen Austausch über Gefühle dienen. Gezielte Fragen können dabei helfen, auf die Gefühle des Kindes in einer bestimmten Situation zu fokussieren. Lernen Kinder in Gesprächen über alltägliche Gegebenheiten, ihre Gefühle zu äußern, so fällt ihnen dies in schwierigen, angsterzeugenden Situationen leichter. Eine zentrale Funktion nehmen in diesem Zusammenhang die Emotionen Freude und Stolz ein. Wenn Kinder stolz auf eine erbrachte Leistung sind oder sich über bzw. auf etwas besonders freuen, ist es wichtig, diese Gefühle zu bekräftigen, indem man sie mit den Kindern teilt. Kinder, die ihre Affekte mit Erwachsenen teilen, werden über die Selbstwirksamkeitserfahrungen in ihrem Selbstwert unterstützt. Zugleich bietet dies die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Kind realistische Ziele zu formulieren und Erfolg positiv zu verstärken. Fazit: Es gibt viele Ansatzmöglichkeiten, sozial-emotionalen Störungen bei Kindern mit Behinderung präventiv entgegenzuwirken. Einzelne Interventionsmaßnahmen wie z. B. das Programm PESS stellen dabei nur einen Baustein dar, der die Förderung der emotionalen Entwicklung im familiären und außerfamiliären Kontext unterstützen und ergänzen, auf keinen Fall jedoch ersetzen kann. An der Entwicklung und Evaluation entsprechender Programme besteht anhaltend großer Bedarf. Ein besonderes Augenmerk sollte hierbei auf die genaue Passung zwischen Programm und Zielgruppe gelegt werden. Der Förderbereich sozialemotionaler Entwicklung insbesondere in seiner Verknüpfung zur Behindertenproblematik stellt insofern ein Forschungsdesiderat dar.
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Pfeffer, S. (2002). Emotionales Lernen. Ein Praxisbuch für den Kindergarten. Weinheim: Beltz. Resch, F. (1999). Beitrag der klinischen Entwicklungspsychologie zu einem neuen Verständnis von Normalität und Pathologie. In R. Oerter, C. v. Hagen, G. Röper & G. Noam (Hrsg.), Klinische Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch (S. 602-622). Weinheim: Beltz. Rose-Krasnor, L. (1997). The nature of social competence: A theoretical review. Social Development, 6, 111-135. Rutter, M. & Sroufe, L.A. (2000). Developmental Psychopathology: Concepts and Challenges. Development and Psychopathology, 12, 265-296. Saarni, C. (1999). The development of emotional competence. New York: Guilford. Saarni, C. (2002). Die Entwicklung von emotionaler Kompetenz in Beziehungen. In M. v. Salisch (Hrsg.), Emotionale Kompetenz entwickeln (S. 3-30). Stuttgart: Kohlhammer. Salisch, M. v. (2002a). Seine Gefühle handhaben lernen. Über den Umgang mit Ärger. In M. v. Salisch (Hrsg.), Emotionale Kompetenz entwickeln (S. 135-156). Stuttgart: Kohlhammer. Salisch, M. v. (2002b). Emotionale Kompetenz entwickeln: Hintergründe, Modellvergleich und Bedeutung für Entwicklung und Erziehung. In M. v. Salisch (Hrsg.), Emotionale Kompetenz entwickeln (S. 31-49). Stuttgart: Kohlhammer. Salovey, P. & Mayer, J. D. (1990). Emotional intelligence. Imagination, Cognition, and Personality, 9, 185-211. Schuntermann, M. F. (1999). Behinderung und Rehabilitation: Die Konzepte der WHO und des deutschen Sozialrechts. Die neue Sonderschule, 44, 342-363. Smith, C. A. (2005). Hauen ist doof. 160 Spiele gegen Aggression in Kindergruppen. Mühlheim a. d. Ruhr: Verlag an der Ruhr. Ulich, D., Kienbaum, J. & Volland, C. (1999). Sozialisation und Emotionen: Erklärungskonzepte. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, 19, 7-19. Webster-Stratton, C. (2000). How to promote children’s social and emotional competence. London: Chapman. WHO (1999). International Classification of Functioning and Disability, ICIDH-2. Beta-2 draft, Full Version (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung – Deutsche Fassung). Genova: World Health Organization. Zollinger, B. (2000). Erkenntnisse, Beobachtungen und Ideen zur Welt der Drei- bis Siebenjährigen. Bern: Haupt-Verlag.
Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes Bach, Johannes, Dr. phil., Dipl. Psych. Dipl. Theol. Lehrstuhl für Geistigbehinderten- und Verhaltensgestörtenpädagogik Abt. für Präventions-, Integrationsund Rehabilitationsforschung Leopoldstr. 13 80802 München E-Mail:
[email protected] Beelmann, Andreas, Prof. Dr. phil. Institut für Psychologie Universität Jena Humboldtstr. 26 07743 Jena E-Mail: andreas.beelmann@uni-jena. de Blatter, Judith, Dipl.-Psych. Institut für Psychologie Klinische Kinderund Jugendpsychologie Universität Basel Missionsstr. 60/62 CH-4055 Basel E-Mail:
[email protected] Bode, Harald, Prof. Dr. med. Sozialpädiatrisches Zentrum der Universitätsklinik für Kinderund Jugendmedizin Frauensteige 10 89075 Ulm E-Mail:
[email protected] Brisch, Karl Heinz, PD Dr. med. habil. Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie des Dr. von Hauner’schen Kinderspitals Ludwig-Maximilians-Universität Pettenkoferstr. 8a 80336 München E-Mail:
[email protected] Cierpka, Manfred, Prof. Dr. med. Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie Universitätsklinikum Heidelberg Bergheimer Str. 54 69115 Heidelberg E-Mail:
[email protected] Hahlweg, Kurt, Prof. Dr. phil. Institut für Psychologie Technische Universtität Braunschweig Spielmannstr. 12 A 38106 Braunschweig E-Mail:
[email protected] Heinrichs, Nina, Prof. Dr. rer. nat. Institut für Psychologie Technische Universität Braunschweig Spielmannstr. 12 A 38106 Braunschweig E-Mail:
[email protected] Jaursch, Stefanie, Dr. phil. Institut für Psychologie Universität Erlangen-Nürnberg Bismarckstr. 1 91054 Erlangen E-Mail:
[email protected]. uni-erlangen.de Karch, Dieter, Prof. Dr. med. Klinik für Kinderneurologie und Sozialpädiatrie Kinderzentrum Maulbronn Knittlinger Steige 21 75433 Maulbronn E-Mail:
[email protected] Krajewski, Kristin, Dr. phil. Lehrstuhl für Psychologie IV des Instituts für Psychologie Universität Würzburg Röntgenring 10 97070 Würzburg E-Mail:
[email protected] 282
Autorinnen und Autoren
Küspert, Petra, Dr. phil. Würzburger Institut für Lernförderung Balthasar-Neumann-Promenade 11 97070 Würzburg E-Mail:
[email protected] Lösel, Friedrich, Prof. Dr. phil., Dr. sc. h.c. Institute of Criminology University of Cambridge Sidgwick Avenue Cambridge, CB3 9DT United Kingdom E-Mail:
[email protected] Marx, Peter, Dr. phil. Universität Würzburg Fachbereich Psychologie Wittelsbacherplatz 1 97074 Würzburg E-Mail:
[email protected] Probst, Paul, Prof. Dr. phil. Fachbereich Psychologie Von-Melle-Park 5 20146 Hamburg E-Mail:
[email protected] Schneider, Silvia, Prof. Dr. phil. Institut für Psychologie Klinische Kinderund Jugendpsychologie Missionsstr. 60/62 CH-4055 Basel E-Mail:
[email protected] Schneider, Wolfgang, Prof. Dr. phil. Lehrstuhl für Psychologie IV des Instituts für Psychologie Universität Würzburg Wittelsbacherplatz 1 97074 Würzburg E-Mail:
[email protected] Stemmler, Mark, Prof., Ph.D. Institut für Psychologie Universität Erlangen-Nürnberg Bismarckstr. 1 91054 Erlangen E-Mail:
[email protected]. uni-erlangen.de von Suchodoletz, Waldemar, Prof. Dr. med. Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität Nußbaumstr. 7 80336 München E-Mail:
[email protected] Weber, Jutta, Dr. phil. Universität Würzburg Institut für Psychologie IV Röntgenring 10 97070 Würzburg E-Mail:
[email protected] Stichwortverzeichnis ABCX-Modell 158 Aggression 212 Alkohol 34 Alternativen 205 Amygdala 207 Angst 277 Ängste, alterstypische 116 Anleitung von Eltern 65 Anzahlkonzept 100, 104, 106, 109 Anzahlrelationen 102, 104, 106, 107 Apgar-Score 32 Arbeitsgedächtnis, sprachgebundenes 87 Asperger-Syndrom 135 Attributionsfehler 136 Ausgangsabstraktion 99, 100, 108 Autismus, frühkindlicher 134 Autismus-Spektrum 133
B.A.S.E.® 177 Babywatching 177 Basisemotionen 272 Basisfertigkeiten 100 Beeinträchtigung 263 Behaviorismus, subjektiver 161 Behinderung 259, 263 – geistige 29 Behinderungsbegriff 263 Beratung, genetische 18, 32 Beruhigungstechniken 212 Bewusstheit, phonologische 86, 87 Beziehungswissen 207 Bibliotherapie 196 Bielefelder Screening 92 Bindungsentwicklung 168 Bindungserfahrungen 169
Bindungsstörungen 167 Bobath-Behandlungen 23 Breitband-Elternberatung 141 Buchstabe-Laut-Zuordnung 91 Buchstaben-Laut-Training 90
Campbell Collaboration 237 Cerebralparese 13, 21, 25 Coping Cat 120 Cytomegalie 33
Darstellungsmittel 99, 103, 107, 108, 111, 112 Diskretes Lernformat 142 Durchführung von Faustlos 211
early intervention 12, 22 EFFEKT-Elterntraining 222 EFFEKT-Kindertraining 218 EFFEKT-Präventionsprogramm 229 Effektivität 5 Effektstärke 238, 240, 243 Effizienz 6 Eltern-Kind-Interaktion 145 Eltern-Mediatoren-Konzept 141 Eltern-Säuglings-Interaktionen 171 Elternprogramm 189 Elterntraining 186, 222 – nach Patterson 188 – verhaltenstherapeutisches 217 Elterntrainingsprogramm 188
Emotionsausdruck 261, 277 Emotionsmodulation 262, 272 Emotionsregulation 206, 213, 261 Emotionswahrnehmung 260, 272, 275 Empathie 177, 204 Empathiefähigkeit 210, 262 Entwicklung mathematischer Kompetenzen 100, 103 Entwicklungspfad 235 Erfolgskriterien 244, 249 Erlangen-Nürnberger Studie 218 Ernährung 36 Erwachsenen-BindungsInterview 173 Erzieherprogramm 189 Erziehung 37, 216 Erziehungsfertigkeiten 186 Erziehungskompetenz 187, 217, 223 Evaluation 38, 225 Exo-System 136
Familien-Adaptation 135, 145 Familien-Coping 137 Familienadaptation 137 Familienökologisches System 158 Fast-Track-Programm 230 Faustlos-Unterricht 211 Feinfühligkeit 177 Fernsehkonsum 58 Folsäure 12, 17, 25 Förderhypothese 60 Förderung, konduktive 24 Förderunterricht 83 FREUNDE-Programm 120
284 Früherkennung 4 Früherkennungsprogramm 37 Früherkennungsuntersuchung 39 Frühfördermaßnahmen 16 Frühförderung 22, 25, 38, 39 Frühgeburtlichkeit 19, 34 Frühintervention 12 Frustrationstoleranz 206 Funktion, reflexive 209 Funktionsfähigkeit 263
Geburtskomplikationen 14, 15 Gefühlsäußerungen 277 Gefühlsvokabeln 276 Gegenseitigkeit, sozioemotionale 156 Generalisierte Angststörung 119 Genussgifte 18 Gerechte-Welt-Annahme 137 Gesundheit, bedingte 134 Gesundheitsförderung 1 Gesundheit und Optimismus 123 Gewalt, familiäre 184 Gewalterfahrungen 173 Gruppenprogramm 273
Handlungsalternativen 209 Handlungskonsequenzen 221 Handlungsorientierung 269 Handlungsrepertoire 208 Hanen-Programm 65 Hat-Mut 127 Head Start Program 67 Hirnschädigung, frühkindliche 52 Hörstörungen 53 Hotline 174
impairment 263
Stichwortverzeichnis Impfung 18, 25, 36 Implementierung 9, 225, 251 Impulsivität 209 Impulskontrolle 210 Infant Health and Development Program 40 Infektionen, intrauterine 20 Informationsaustausch, sozialer 205 Informationsverarbeitung, phonologische 87 Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, verbale 87 Intelligenz, emotionale 203 Interaktionserfahrungen 264 Interaktionsprozess 270 Interventionen, schulische 160 Interventionsprogramm 40 Interventionsstudie 40 Irrelevanz-Hypothese 60
Jod 17 Kausalitätsprinzip 221 Kieler Lese- und Rechtschreibaufbau 85 Kieselschule 211 Kindesmisshandlung 25, 184 Kohärenzbewusstsein 138, 161 Kompetenz – emotionale 269, 270 – soziale 216, 239, 243 Kompetenztraining, soziales 219, 235, 245 Konfliktgeschichten 276 Konfliktlösung 203 Konfliktlösungsverhalten 206 Konfliktsituation 204, 212 Kontingenz-ManagementFormat 142
Kosten-Nutzen-Gesichtspunkt 248 Kriminalprävention 249 Krippenerziehung 63 Kurzzeitgedächtnis 87
Lautgebärden 86 Lautgetreue Lese-Rechtschreibförderung 83 Legasthenie 82, 83 Lehrer-Gruppentraining 156 Lehrer-Schüler-Beziehung 157 Leitfaden zur Bekämpfung der Lese-Rechtschreibschwäche 85 Leitfragen 274 Lernbehinderung 29 Lernen, sozial-emotionales 203 Lese-Rechtschreibschwäche 82 Lese-Rechtschreibstörung 81, 82 Leseinteresse 91 Lovaas-Programm 145 Lückenbüßer-Hypothese 61 Mainstreaming-Hypothese 61 Makro-System 136 Marburger Rechtschreibtraining 84 Medienkonsum 58 Medikamente 18 Medizin, perinatale 35 Mehrlingsschwangerschaft 19 Mentalisierungsprozess 208 Meso-System 136 Meta-Analyse 235, 242, 247 Migrationshintergrund 93 Mikro-System 136 Milwaukee Projekt 40 Missbrauch 36 Missbrauch, sexueller 184
Stichwortverzeichnis Misshandlung 36 Mitgefühl 262 Moderatoranalyse 246 Motorik 15 Mutter, allein erziehende 188 Mutter-Kind-Beobachtung 179 Muttermilchernährung 17 Naturalistisches Lernformat 142 Nebenwirkungen 9 – psychosoziale 160 Neugeborenen-Screening 39 Nikotin 34 Nikotinmissbrauch 18 Nutzen-Risiko-Abwägung 8
Ottawa-Charta 1 Partizipation 263 Pathogenese 1 Perinatalmedizin 20, 21 Perspektivenübernahme 262 PESS 268, 269 Phobische Störung des Kindesalters 118 positiv erziehen 224 Prävalenzrate 243 Prävention – indizierte 3, 243 – personale 3 – primäre 3 – sekundäre 3 – selektive 3, 243 – strukturelle 3 – tertiäre 3 – universelle 3, 243 Präventionsparadoxon 7 Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten – PEP 189 Problemlösespiele 220 Problemverhalten 183 Programme – kognitiv-behaviorale 246, 249 – kognitive 268
Programmintegrität 251 Prophylaxe 1 Prozess-Evaluation 225 Psychoedukatives ElternEinzeltraining 150, 155 Psychoedukatives ElternGruppentraining 147, 153 Psychoedukatives Lehrergruppen-Training 152 publication bias 250
Randomisierung 237, 242 Rauchen 34 Read Together – Talk Together 68 Rechtschreibregeln 86 Rehabilitationspolitik 263 Retardierung, mentale 30 Risiken – biologische 53 – psychosoziale 36 Risikoabwägung 6 Risikofaktoren 14, 236, 265, 266 Risikokind 92 Rollenspiel 209
SAFE®-Mentorenausbildung 175 SAFE®-Programm 168 Salutogenese 1 Schädel-Hirn-Trauma 14, 25 Schallleitungsschwerhörigkeit 54 Schlaganfall 21 Schlüssel-FertigkeitenTraining 142 Schriftsprachkompetenz 82 Schutzfaktoren 265, 267 Schwangerschaftsrisiken 33 Selbstkontrolle 216 Selbstwirksamkeit, emotionale 276 Selbstwirksamkeitserfahrungen 270
285 soziale Beziehungen stärken 225 Soziale Phobie 118 Sozialisationserfahrungen 271 Spastik 13 Spezifische Phobie 118 Spielregeln in der Familie 224 Spina bifida 12, 25, 33 Sprachentwicklung 47 Spracherwerbstheorie – behavioristische 47 – generative 48 Sprachförderung 62 Sprachtherapie 69 Stimmungskalender 278 Störung – des Schriftspracherwerbs 81 – des Sozialverhaltens 215 – mit sozialer Ängstlichkeit 118 – mit Trennungsangst, emotionale 117 – sozial-emotionale 260 Straftäterbehandlung 249 Stress-Coping-Modell 138 Strukturierte Lehrstrategie 158
TEACCH 144, 152, 161 Teilleistungsschwäche 82 Training im Problemlösen 230 Trainingsprogramm zur phonologischen Bewusstheit 88 Trauer 277 Traumapsychotherapie 173 TrennungsAngstprogramm Für Familien (TAFF) 127 Triple P – Positive Parenting Training 190
286
Überforderung in der Erziehung 225 Überforderungshypothese 59 Umgang mit Ärger und Wut 210 Umwelteinflüsse 51 Umweltgiftstoffe 34 Unfallprävention 18, 25 Universelles Triple P 190 Ursachen von Sprachentwicklungsstörungen 49
Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen, auditive 55 Verdrängungshypothese 59
Stichwortverzeichnis Vererbung 51 Verhalten – aggressives 183, 235, 259 – delinquentes 183, 259 – dissoziales 244 Verhaltensprävention 3 Verhaltensprobleme, dissoziale 239, 243 Verhaltensstörungen 183 Verhältnisprävention 3 Vernachlässigung 36 Verteilungsgerechtigkeit 7 Video-Interaktionstraining 171 Videotrainingsprogramm 68 Viktimisierung, soziale 136
Visuell-Strukturiertes Lernformat 141 Vojta-Therapie 24 Vorläufermerkmale 86 Vorlesen, dialogisches 67
Wahrnehmung 205, 208 Wahrnehmungstraining, auditives 57 Wirksamkeit 5 Wirkungsevaluation 226 Wissen, soziales 207 Wut 277
Zahlenstruktur 103, 107, 112 Zielgruppe 8 Zielgruppenorientierung 269