8 | 11 41. Jahrgang Deutschland EUR 8,00
BUNDESBANK Axel Webers trauriges Erbe ALTERSVORSORGE Die üppigen Pensionen der Topmanager
Unternehmen geben den Consultants schlechte Noten WERDEN BERATER ÜBERFLÜSSIG?
WER IST MILLIONÄR? Die lukrativen Geschäfte unserer Fernsehlieblinge
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MISSMANAGEMENT Der Pflegefall Marseille-Kliniken
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Am Einkauf erkennt man den Champion.
EDITORIAL
Challenge-Tour Was kann die Deutsche Bank von der Bundesbank lernen? ARNO BALZER, CHEFREDAKTEUR
für die krisengeplagte Hochfinanz ist offensichtlich Mangelware. Die Deutsche Bank etwa leistet sich einen quälend-chaotischen Findungsprozess bei der Suche nach einem Nachfolger für Josef Ackermann. Reibungsloser verlief der Wachwechsel bei der Bundesbank: Als Axel Weber Anfang des Jahres die Brocken hinwarf, dauerte es nur ein paar Tage, bis Jens Weidmann zum neuen Präsidenten berufen wurde. Doch seine Mission mitten in der schwersten Währungskrise der Nachkriegszeit gleicht einem Höllenjob. Die mm-Redakteure Henrik Müller und Ulric Papendick erlebten Weidmann bei offiziellen und inoffiziellen Veranstaltungen, sie sprachen mit Dutzenden Kollegen und Wegbegleitern des jüngsten Bundesbank-Chefs aller Zeiten. Ihren Artikel über den kühlen Kämpfer Jens Weidmann lesen Sie ab Seite 88. ECHTES SPITZENPERSONAL
FOTO: THOMAS RABSCH FÜR MM
ÜBER EINEN MANGEL an Herausforderungen kann sich auch Johannes Teyssen nicht beklagen. Im Nebenjob als Aufsichtsrat kümmert er sich um den Führungswechsel bei der Deutschen Bank. Als Vorstandsvorsitzender von Eon muss er nichts weniger als ein neues Geschäftsmodell für Deutschlands größten Stromkonzern entwickeln. Wie er das schaffen will, verrät Teyssen im Interview mit den mm-Redakteuren Martin Noé und Dietmar Student (Seite 44).
Weil Champions durch ihre Beschaffung sowohl Lieferfähigkeit sichern als auch Kosten senken. Na klar, in der Theorie gibt es viele Champions – in der Praxis sieht das aber ganz anders aus.
Eon-Chef Teyssen (M.), mm-Redakteure Noé (l.), Student
WEM GEHÖRT DAS DEUTSCHE FERNSEHEN? Wer entscheidet, was läuft? Klar: Die Aktionäre (ProSieben/Sat.1), Bertelsmann (RTL), die Staatsbürger (ARD/ZDF). Die Antwort ist nicht falsch, aber oberflächlich. Tatsächlich sind es zunehmend die prominenten Show- und Talkmaster, die Jauchs, Raabs und Gottschalks, die das Programm auf den Flachbildschirmen dominieren. Die Sender rangeln um die TV-Stars, die längst nicht mehr nur ihr Gesicht und ihre Sendung präsentieren, sondern mit ihren Produktionsfirmen Ideen, Werbepartner und sendefertige Konzepte en gros ausspucken. Die mm-Redakteure Klaus Boldt und Simon Hage untersuchten die Geschäfte der Quotengewaltigen, sprachen mit Programmdirektoren, trafen die Moderatoren und ihre diskreten Strippenzieher. Das Fazit: „Aus reinen Unterhaltern sind längst potente TV-Manager geworden, die mehr verdienen als die meisten Dax-Chefs.“ (Seite 50)
manager magazin 8/2011
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5
INHALT
▼
TITEL 50 TV-Stars Wie Thomas Gottschalk,
Stefan Raab und Günther Jauch mit ihren Firmen das Fernsehgeschäft domieren. Und dabei mehr verdienen als DaxVorstandschefs. 54 Wer mit wem? Die größten FOTO: KAI NEDDEN
Produzenten und ihre Shows. 55 Harald-Schmidt-Spezi
Fred Kogel über die Marktmacht der Moderatoren. 26 Gewonnen: Frank Mattern, McKinsey-Chef Deutschland, führt die beste Beratung
UNTERNEHMEN
SPEZIAL MITTELSTAND
10 Daimler/Volkswagen Die Lkw-
26 Unternehmensberater Was
72 Innovation Ein neuer Typus von
▼
NAMEN + NACHRICHTEN Größen kämpfen mit allen Mitteln um die Vorherrschaft.
taugen Consultants? Und wozu braucht man sie eigentlich noch? Eine Exklusivstudie für manager magazin klärt auf.
12 Air Berlin Beerbt ein Holländer
Konzernkapitän Hunold?
29 Umfrage: Wo McKinsey,
13 Münchener Rück „Versuchte Er-
Berger & Co. ihre Stärken und Schwächen haben.
pressung“ – CEO von Bomhard zu den Skandalen der Tochter Ergo.
Nachfolge von Jürgen Großmann. 16 Holtzbrinck Der Verkauf von
StudiVZ ist gescheitert. 17 Deutsche Bank Alles unter Kon-
trolle – wie Starbanker Jain führt.
▼
36 Marseille-Kliniken Eine pflege-
20 Kirch/Breuer Der lange Schatten
des toten Medienmoguls. 21 Schott Krach im Vorstand. 22 Opel Volkswagens Angebot. 22 In Berlin Kommt ein
U-Ausschuss zur Finanzkrise? 23 Terex Vorstandschef DeFeo zur
Übernahme von Demag Cranes. 24 Umfrage Ratingagenturen im Feuer. 24 Konjunktur-Indikator 2012 wird
schwierig. 6
manager magazin 8/2011
84 Finanzierung Für Unternehmen
bedürftige Firma: Wie der Exzentriker Ulrich Marseille sein Unternehmen herunterwirtschaftet. 44 Interview Eon-Chef Johannes
Teyssen über die finanziellen Schäden der Energiewende, seine neue Strategie und die Folgen für den Konzern.
18 VW/Audi Die Produktion wird zur
Schwachstelle.
des Mittelstands? Ein Interview mit der Professorin und Regierungsberaterin Claudia Buch.
60 Deutsche Telekom Die
griechische Tochter OTE befindet sich im freien Fall, wie der Rest des Landes. Ein InsideReport aus der finanziellen Kernschmelze. 64 Kolumne Asien wird die Welt
dominieren. Westliche Manager sind darauf nicht vorbereitet, meint Hermann Simon. 68 Solarworld Frank Asbeck ist der
Vormann der heimischen Sonnenbranche. Nun verblasst sein Glanz – der Druck aus Fernost scheint übermächtig.
mit hohen Schulden wird es eng.
TRENDS ▼
16 RWE Das Rennen um die
80 Politik Wer vertritt die Interessen
30 Die Abrechnungstricks der Berater.
14 Drahtzieher Jörg Asmussen,
Staatssekretär und Frauenförderer.
Firma verändert das Gesicht des deutschen Mittelstands: jung, locker, erfinderisch – aber im Kern genauso konservativ wie die Traditionsunternehmen.
88 Bundesbank In der schwersten
Währungskrise der Nachkriegszeit hat Jens Weidmann das Ruder übernommen. Was kann der junge Präsident tun, um den Euro zu retten? Eine Nahaufnahme. 92 Analyse: Die wahren Risiken in der
Bilanz der Notenbank. 94 BDI Deutschlands wichtigster
Wirtschaftsverband dringt in Berlin nicht mehr durch. Warum eigentlich? Ein Gespräch mit BDI-Chef Hans-Peter Keitel und dem neuen Geschäftsführer Markus Kerber. 98 Technologie Teure und knappe
Rohstoffe zwingen die Unternehmen zu neuen Geschäftsmodellen. Das Ziel: Wertvolle Materialien sollen zu den Produzenten zurückkehren.
FOTO: MARIO VEDDER / DAPD
FOTO: SANDRA SCHUCK / NDR
DUOMÈTRE À QUANTIÈME LUNAIRE
88 Remis: Bundesbanker Jens Weidmann
50 Verloren: TV-Talkerin Anne Will
KARRIERE
RUBRIKEN
104 Managerpensionen Während
5 Editorial
▼
alle auf die Vorstandsgehälter starren, haben die Konzerne diskrete Ausweichmöglichkeiten entdeckt: Die Pensionszusagen haben schwindelerregende Höhen erreicht. 108 Top Ten: Zetsche führt – die
114 Bücher 134 Briefe 135 Impressum 136 Firmen- und Personenregister 138 Was macht eigentlich
Günter Verheugen?
112 Kolumne Warum Frauen anders
▼
Spitzenrenten in der Dax-Liga.
Titelthemen
geführt werden wollen, erklärt Avivah Wittenberg-Cox.
PRIVATE BANKING 118 Hedgefonds Krise? Von wegen.
Die Zockerbranche lässt es krachen. Sollten Anleger den umstrittenen Investoren ihr Geld anvertrauen? manager magazin hat sich auf der weltgrößten Hedgefonds-Konferenz in Monaco umgesehen.
MANAGER PRIVAT 124 Wirtschaftsverbrecher Manager
und Unternehmer, die im Knast gelandet sind, leben nach ihrer Entlassung häufig in Saus und Braus. Lohnt sich Verbrechen doch?
HABEN SIE JEMALS EINE RICHTIGE UHR GETRAGEN?
130 manager unterwegs
„Cap Rocat“, Mallorca. 132 Autotest Audi A6.
manager magazin 8/2011
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AFTSTEIL.
NAMEN + NACHRICHTEN
DUELL DER TRUCKER (74) Karriere ist geprägt von Schlachtenlärm, von Angriffen und Angreifern, und höchst selten, wenn überhaupt, hat man den VW-Aufsichtsratsvorsitzenden je darüber klagen hören. Piëch bevorzugt offenbar eine andere Art, Gefühle auszudrücken. Er schlägt zurück. Zum Beispiel im Fall Daimler. Als Jürgen Schrempp (66) noch Daimler-Chef war, soll er Piëch auf einer Sitzung des Autobranchen-Verbands VDA – die Emotionen müssen hochgekocht sein – kritisiert, ja beschimpft, schließlich gar als „Du Nicht-Porsche“ tituliert haben. Die Begebenheit, so heißt es, sei Startpunkt einer persönlichen Vendetta gegen den Daimler-Konzern gewesen. Eine andere Geschichte reicht noch weiter zurück in die Vergangenheit: Piëch habe sich einst zu Beginn seiner Karriere um einen Job bei Daimler bemüht. Der Konzern habe ihn jedoch abgelehnt. Die Anekdoten mögen sich in den langen Jahre verwaschen und verändert haben, so wie Kiesel in einem Gebirgsbach. Die Animosität jedenfalls ist hart und greifbar. Als Vorstandschef hat Piëch seine Leute in Wolfsburg schon in den 90er Jahren auf das Ziel eingeschworen, die Marke VW müsse langfristig an Mercedes vorbeiziehen. Später, er führte bereits den Aufsichtsrat, blockierte er in letzter Sekunde den Daimler-Plan einer Überkreuzbeteiligung mit Volkswagen. Und gemeinsam mit VW-Chef Martin Winterkorn (64) verweigerte er DaimlerLenker Dieter Zetsche (58) auch die Nutzung der Golf-Plattform für die Mercedes-A- und -B-Klasse. Aktuell steuert die Chronik der Konflikte auf einen neuen Höhepunkt zu. Und das mit schwerem Gerät. Die Lkw-Armada Volkswagens, MAN und Scania, gelenkt von Piëch und Winterkorn, fordert den König der Asphaltgiganten heraus, mit Daimler-Boss Dieter Zetsche (58) und Truck-Vorstand Andreas Renschler (53) am Steuer. Noch ist die Ausgangslage ungleich. Daimlers größter Vorteil ist der eingeschwungene Zustand der Einheit. Die Organisation wurde in vielen JahrzehnFerdinand Piëchs
10
manager magazin 8/2011
ten perfektioniert, die globale Expansion ist weit fortgeschritten. VW dagegen fehlt noch manches. Piëch hat zwar die Mehrheit an Scania und MAN gekauft, die Schweden sind der weltweit profitabelste aller Truckproduzenten und auch die Münchener für Daimler ernst zu nehmende Konkurrenz. Doch zwei eigenständige und sehr stolze Teile ergeben noch lange kein Erfolgsunternehmen. Schon gar nicht, wenn sie so lange erbitterte Konkurrenten waren wie Scania und MAN nach ihrer Übernahmeschlacht. Immerhin sehen Branchenexperten für das Duo in den kommenden sieben bis acht Jahren realistische Einsparchancen von rund 500 Millionen Euro,
Startvorteil für den Stern Europas Truck Giganten im Vergleich1 Umsatz, in Mrd. Euro Gewinn, in Mrd. Euro
Umsatzrendite in Prozent
24,0
Daimler Trucks
5,5
1,3 20,4
Volvo
5,8
1,2 10,6 0,5
MAN
5,0
19,3
8,7 1,4
Scania
16,0
Europäischer Lkw Markt
1,4 Sonstige Iveco DAF
29,1 MAN + Scania 8,4
15,4
16,0
Januar bis Mai 2011, Marktanteile in Prozent
18,8
13,1
16,2 10,7
Mercedes 26,9 Renault2 +Volvo 1
Ergebnisse für das Jahr 2010, Volvo: Sparten Truck & Bus, operatives Ergebnis; MAN: Sparten Truck & Bus und Latin America, operatives Ergebnis; Daimler: Gewinn vor Zinsen und Steuern. 2 Lkw-Marke Renault gehört zum Volvo-Konzern. Grafik: manager magazin Quelle: Unternehmensangaben
etwa über gemeinsam entwickelte oder eingekaufte Hybridantriebe, Abgasfiltersysteme oder Bremsen. Und weil Winterkorn und Piëch ihre neun Pkw-Marken so erfolgreich wie kein anderes automobiles Multimarken-Imperium führen, trauen viele den Wolfsburgern auch den Angriff auf die Stuttgarter Schwerlaster zu. Konzernchef Zetsche habe sich intern bereits verärgert darüber geäußert, dass sein oberster Trucker Renschler zunächst eher gelassen auf die neue Konkurrenz reagiert habe, heißt es in der Daimler-Zentrale. Inzwischen bastelt Renschler intensiv an Abwehrmaßnahmen. So berichten Daimler-Manager, der Truck-Vorstand wolle in Brüssel bei der EU-Kommission Front gegen das neue Bündnis machen. Er lasse durchrechnen, ob MAN und Scania nicht an der einen oder anderen Stelle eine marktbeherrschende Position innehätten. Die Kartellbehörden haben die MAN-Übernahme noch nicht genehmigt, die Prüfung dürfte noch einige Monate dauern. Es wäre nicht das erste Mal, dass Brüssel für Irritationen zwischen den Rivalen sorgt. So ermittelt die Kommission wegen Preisabsprachen bei Lkw gegen mehrere europäische Truck-Hersteller. Auch Daimler und MAN sollen an dem angeblichen Kartell beteiligt gewesen sein, und die Stuttgarter Konzernspitze fand es nicht eben lustig, dass ausgerechnet MAN entsprechende Hinweise nach Brüssel meldete – und sich damit selbst von einer möglichen Strafe freizukaufen suchte. Als die EU vor einigen Monaten ein weiteres Kartellverfahren eröffnete und erneut MAN zu den Beteiligten gehörte, vermutete denn auch mancher in München eine Retourkutsche. Die Friedrichshafener Tognum AG, eine Daimler-Beteiligung mit Renschler als Kontrolleur, ist schließlich ebenfalls verwickelt; es geht um angebliche Preisabsprachen bei schweren Motoren. Tognum, so glauben viele bei MAN, habe Brüssel den Tipp gegeben. Auch wenn das in Friedrichshafen unter der Hand bestritten wird – man traut sich
DAIMLER/VOLKSWAGEN Zwei ewige Rivalen kämpfen um die
inzwischen so ziemlich alles zu im Dreieck zwischen Stuttgart, Wolfsburg und München. Unlängst kamen sich die Kontrahenten auch bei der Personalakquise ins Gehege. VW verpflichtete Daimlers Italien-Chef Bram Schot (49) für den Vorstand seiner Sparte für leichte Nutzfahrzeuge. Gespräche mit weiteren Stuttgarter Managern laufen noch; darunter seien auch einige von Renschlers Topkräften, heißt es in Wolfsburg. Auch Daimler ist zumindest offen für Neuzugänge aus München. Selbst mit MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen (56) hätten die Schwaben einen Wechsel diskutiert, heißt es in der bayerischen Metropole. Die Gespräche, die von beiden Seiten bestritten werden, seien indes schnell wieder abgebrochen worden. Pachta-Reyhofen, so erzählt man sich im Konzern, sei vor allem deshalb noch an Bord, weil er nach den zahlreichen Abgängen der jüngeren Vergangenheit nicht den totalen Dammbruch riskieren wolle. Seine Stellung indes ist geschwächt. Ein Austausch der Konzernspitze sei bei einer Übernahme doch nur normal, bemerkte kürzlich ein MANAufsichtsrat auf die Frage nach der Zukunft des Vorstandschefs. Offenbar hat der MAN-Lenker den Ärger seines Aufsichtsratsvorsitzenden Piëch auf sich gezogen. Der Volkswagen-Patriarch sei unter anderem unzufrieden mit dem 12,4-Liter-Motor der Münchener, berichten Konzerninsider. Pachta-Reyhofen ist nicht der Einzige in Volkswagens neuer Truckgruppe, dessen Zukunft unklar ist. So gilt MANFinanzchef Frank Lutz (42) als Wackelkandidat, und auch der bei Volkswagen offiziell für die Trucks zuständige Jochem Heizmann (59) ist umstritten. Sein Vorstandsvertrag steht Ende des Jahres zur Verlängerung an. Er darf wohl
ILLUSTRATION: CHRISTIAN BARTHOLD FÜR MANAGER MAGAZIN, [M] FOTOS: NIGEL TREBLIN / DAPD, DENIZ SAYLAN / WIRTSCHAFTSWOCHE, GETTY IMAGES
Lkw-Krone. Sie benutzen dabei längst nicht nur feine Methoden.
Rivalen der Landstraße: Die VW-Größen Winterkorn und Piëch (u.) fordern die Daimler-Trucker Renschler und Zetsche
manager magazin 8/2011
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Namen + Nachrichten
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manager magazin 8/2011
AIR BERLIN Ein Niederländer soll die Fluglinie sanieren –
und womöglich Konzernchef Hunold beerben.
Fliegender Holländer Ist er der Wundermann, der Air Berlin retten kann? Monatelang fahndeten Headhunter in ganz Europa nach einem neuen Vorstand für die angeschlagene Nummer zwei des deutschen Flugmarktes. Jetzt ist die Wahl auf einen weithin unbekannten Manager gefallen: Paul Gregorowitsch (54), bislang Chef des niederländischen Fracht- und Ferienfliegers Martinair. Seine Wechselbereitschaft rührt aus eigenen Nöten her. Gregorowitsch hat Martinair, eine Tochter des Aero-Riesen Air France-KLM mit rund 1800 Beschäftigten, zwar erfolgreich geführt. Doch der Mutterkonzern will bei den Holländern künftig das gesamte Cargo-Geschäft von Air France-KLM bündeln. Die Passagierluftfahrt – Gregorowitschs Spezialität – wird zum Jahresende eingestellt, der Chef gewissermaßen überflüssig. Bei Air Berlin erwarten den Niederländer heikle Aufgaben. Als künftiger Verkaufsvorstand (Chief Commercial Officer) soll Gregorowitsch vor allem das Preissystem und das Flugangebot gründlich überarbeiten und der verlustreichen Fluglinie endlich höhere Einnahmen verschaffen. Gerade die zu geringen Erlöse hatte Air-Berlin-Chef Joachim Hunold (61) für die Misere der Airline verantwortlich gemacht – und die Schuld dem zuständigen Vorstand Christoph Debus (40) gegeben. Debus durfte sich fortan
um die angestrebte Integration von Air Berlin ins Airline-Bündnis Oneworld kümmern, Hunold regelte das Kommerzressort wieder selbst. Der Neue bringt tatsächlich einiges Fachwissen mit. Vor seinem Job bei Martinair war er sieben Jahre lang Verkaufsmanager von KLM. Ob er allerdings bei seinem neuen Arbeitgeber durchdringt, ist offen. Bislang tritt Hunold gern als Alleinentscheider auf. Die Führungskräfte sind gewohnt, auch kleinste Details mit ihm abzustimmen. Im Verkauf hat der sperrige Patron zudem schon Fakten geschaffen. So verhandelte er selbst mit den Reiseveranstaltern die Charterpreise für die kommende Wintersaison. Die vereinbarten Konditionen seien kaum auskömmlich, kritisieren Kenner. Hunold, ans Aufbauen gewöhnt, habe wohl erneut mehr die Marktanteile im Blick gehabt als das finanzielle Ergebnis. Der neue Vorstand – so stand es im Suchprofil – sollte auch das Potenzial besitzen, einmal die Führung des Konzerns zu übernehmen. Dem Alter und der Erfahrung nach scheint Gregorowitsch dafür allemal mehr geeignet als die beiden Youngster im Vorstand, Debus und Finanzchef Ulf Hüttmeyer (38). Bislang jedoch hat Vormann Hunold noch jeden weggebissen, der ihm ernsthaft gefährlich wurde. Michael Machatschke
Patron in Pose: Vormann Hunold steht gern im Zentrum
FOTO: JEROEN BOUMAN
FOTO: DOMINIQUE ECKEN / ACTION PRESS
weitermachen; gut möglich allerdings, dass er nicht mehr die Einheit führen wird, sondern eher eine koordinierende Rolle übernimmt. Einem immerhin scheint eine mächtige Rolle gewiss: Ulf Berkenhagen (50). Audis Chefeinkäufer, in der Zuliefererbranche gefürchtet wie kaum ein Zweiter, wartet schon seit Monaten auf seinen Einsatzbefehl. Er werde, kursiert im Konzern, wohl in einer Doppelfunktion den Einkauf von Scania wie MAN übernehmen. Berkenhagen ist derjenige, der jetzt schnell das nachholen soll, was Scania und MAN in den letzten beiden Jahren versäumt haben: durch gemeinsamen Einkauf Millionen zu sparen und damit auch die Entwickler beider Unternehmen auf eine Linie zu zwingen. Berkenhagen gilt als erster Kandidat, wenn künftig einmal der Einkaufsvorstand im Gesamtkonzern besetzt wird; und so darf die Personalie als Signal verstanden wissen, wie ernst Piëch das LkwProjekt nimmt. Der Salzburger Patriarch ist niemand, der sich mit der Rolle der Nummer zwei zufriedengäbe. Längst bastelt Piëch an Plänen, sein Truck-Imperium erneut zu erweitern. Seine Leute haben mit Isuzu verhandelt, einem japanischen Spezialisten für leichte Lkw. Sie haben Kontakt zu Volvo geknüpft, als bekannt wurde, dass die Schweden unter Umständen ihre US-Marke Mack verkaufen wollen. Aber auch Daimler könnte schnell zum Gegenschlag ausholen. Konzernchef Zetsche hätte im vergangenen Herbst beinahe Fiat Industrial übernommen – und damit auch den italienischen Lkw-Hersteller Iveco. Nur überzogene Preisvorstellungen des Fiat-Konzerns und seines Vorstandschefs Sergio Marchionne (59) ließen das bereits weit gediehene Geschäft platzen. Gestorben ist das Projekt aber nicht. Im Gegenteil: Einiges deutet darauf hin, dass es in absehbarer Zeit erneut in Angriff genommen werden könnte. Daimler lässt derzeit eine organisatorische Trennung der Truck-Sparte vom Konzern prüfen. Ein solcher Carve-out gilt gemeinhin als Vorbereitung eines Börsengangs. Oder, so hatten es Italiener und Deutsche schon im Herbst durchgespielt, als erster Schritt auf dem Weg zu einer Fusion von Iveco und MercedesLkw. Michael Freitag
Frische Kraft: Neuling Gregorowitsch
NIKOLAUS VON BOMHARD Der Manager: Seit Anfang 2004 führt
FOTO: HANS-BERNHARD HUBER / LAIF
der Jurist den weltgrößten Rückversicherer Münchener Rück und ist in Personalunion Aufsichtsratschef der Düsseldorfer Ergo-Gruppe.
MÜNCHENER RÜCK Konzernchef Nikolaus von Bomhard
über die Skandale bei der Unternehmenstochter Ergo.
„Versuchte Erpressung“ Herr von Bomhard, wann verkaufen Sie endlich die Ergo-Gruppe?
VON BOMHARD Warum sollte ich? Das Retailgeschäft mit Lebens-, Kranken- oder Sachversicherungen liefert stabile Erträge und gleicht Belastungen aus, wenn in der Rückversicherung hohe Kosten aus Naturkatastrophen oder industriellen Großrisiken anfallen. Die Ergo ist und bleibt deshalb eine tragende Säule der Strategie von Munich Re. Die Ergo hat Ihnen doch nur Ärger gemacht. Sowohl nach dem Einbruch der Börsen nach der Jahrtausendwende als auch in der Finanzkrise gab es Verluste.
VON BOMHARD Deswegen ist das Kalkül des Risikoausgleichs aber nicht falsch. In diesem Jahr wird die Ergo beispielsweise überproportional zum Konzerngewinn beitragen, weil sie eben von den Naturkatastrophen des ersten Quartals nicht betroffen ist. Sind Sie sich da sicher? Die Lustreise der Ergo-Vertreter nach Budapest und der Skandal um überhöhte Kosten für RiesterKunden können die Bilanz beschädigen.
nur um Zahlen. Es wurden Fehler gemacht, einige davon sind gravierend. Wir sind dabei, alles auch mit externer Hilfe aufzuklären, und werden konsequent die nötigen Maßnahmen ergreifen. Fakt ist, dass Sie ein massives Reputationsproblem haben. Offenbar passen die Vertriebsmethoden der Ergo-Tochter HMI und das Edelimage des weltweit größten Rückversicherers nicht zusammen.
VON BOMHARD Das stimmt nicht. Ein Strukturvertrieb ist für die Kunden keine per se schlechte Form, Versicherungen zu verkaufen. 99,9 Prozent der HMI-Vermittler haben sich korrekt verhalten. Die Kunst besteht darin, eine solche Organisation richtig aufzustellen und zu führen, Das ist das Ziel des ErgoVorstandschefs Torsten Oletzky und dabei ist er gut unterwegs. Für uns sieht das anders aus. Die Affäre um die Party im Budapester Gellert-Bad
„Ein Vorstandschef VON BOMHARD Davon ist bislang nichts zu sehen. Das Neugeschäft der Ergo kann nicht jeden ist stabil und liegt im Plan. Und unsere Kunden sind uns treu – von 20 Millionen Preis zahlen, nur um Kunden haben etwa 500 wegen der Vorfälle gekündigt. Aber es geht um mehr als Ruhe zu haben.“
Die Affären: 2007 belohnte die Ergo ihre besten Verkäufer mit einer Party im Budapester Gellert-Bad, für die auch Prostituierte engagiert wurden. Zwei Jahre zuvor waren RiesterKunden zu hohe Kosten in Rechnung gestellt worden.
und der Streit um die fehlerhaften RiesterPolicen wurden der Presse doch von HMIInsidern zugespielt, von denen sich der Konzern im Streit getrennt hat.
VON BOMHARD Hintergrund der Veröffentlichungen ist eine Auseinandersetzung, die wir mit ehemaligen HMIVermittlern führen. Dabei geht es um Abfindungsforderungen im dreistelligen Millionenbereich, die wir in dieser Höhe für unberechtigt halten. Wäre es für Unternehmen und Aktionäre nicht günstiger gewesen, sich mit der Gegenseite im Stillen zu einigen?
VON BOMHARD Der Vorstandsvorsitzende einer Aktiengesellschaft kann nicht einfach jeden Preis bezahlen, um in Ruhe gelassen zu werden. Das wäre in einer solchen Auseinandersetzung auch ein völlig falsches Signal. Es dürfen grundsätzlich nur Abfindungen gezahlt werden, die nach den Regeln des Handelsgesetzbuchs berechtigt sind. Das sind wir unseren Anteilseignern und den Kunden schon schuldig. Wie wollen Sie sich gegen diesen Feldzug zur Wehr setzen?
VON BOMHARD Ergo hat bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Strafanzeige wegen versuchter Erpressung erstattet. Noch haben wir keine Rückmeldung, aber wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich Gründe für die Aufnahme offizieller Ermittlungen sieht, dann ist dies für mich ein wichtiger zusätzlicher Aspekt zur Einordnung dieser Vorfälle. ◆ Das Interview führte mm-Redakteur Dietmar Palan.
manager magazin 8/2011
13
DRAHTZIEHER
Frauenförderer JÖRG ASMUSSEN
FOTO: [M] CHRISTIAN THIEL / IMAGO
Der Staatssekretär kämpft nicht nur für die Euro-Rettung, sondern auch für neue Vorstandsfrauen bei der Telekom.
14
manager magazin 8/2011
Eigentlich hat Jörg Asmussen (45) derzeit größere Sorgen als die Frauenquote der Deutschen Telekom. Der womöglich einflussreichste Staatssekretär der Bundesregierung begleitet Finanzminister Wolfgang Schäuble (68) auf Rettungsgipfeln für Griechenland und Italien, feilscht um eine Beteiligung der Banken und verteidigt den Euro gegen Kritik. Und doch fand Asmussen die Zeit, eine zentrale Rolle bei den aktuellen Vorstandsbesetzungen der Staatsbeteiligung zu spielen. Ohne Asmussen, den Regierungsvertreter im Telekom-Aufsichtsrat, wären die jüngsten Personalpläne der Konzernoberen womöglich nicht Wirklichkeit geworden: CEO René Obermann (48) und Chefkontrolleur Ulrich Lehner (65) wollten dem Management ein neues, weibliches Gesicht verpassen. Gleich drei Frauen sollten in den Vorstand einziehen, ein bislang einmaliger Schritt in der deutschen Konzerngeschichte. Das Problem: Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat hatten Vorbehalte gegen die Kandidatin für das Personalressort, Baden-Württembergs Ex-Kultusministerin Marion Schick (52). Die Gewerkschaft Verdi klagte, sie sei sehr kurzfristig über die Personalie informiert und damit glatt überrollt worden. Von einem „Schlag gegen die Grundkultur“ der Telekom war die Rede. Obermann und Lehner drohte ein offener Konflikt. Als CEO und Aufsichtsratschef zu zögern begannen, schaltete Asmussen sich ein. Der Staatssekretär sprach im solidarischen Wir-Ton, sicherte Obermann und Lehner seine Unterstüt-
zung zu. Gemeinsam, beschwor Asmussen die Telekom-Oberen, werde man die Kandidatin durchkämpfen. Selbstbewusst ging Lehner in die Abstimmung am Nachmittag des 4. Juli. Mit der Stimme Asmussens war die Mehrheit für die neue Personalmanagerin gesichert. Zwar sind die Arbeitnehmer paritätisch im Aufsichtsgremium vertreten, doch der Chefkontrolleur besitzt ein doppeltes Stimmrecht. Angesichts dieser Übermacht verließen die Arbeitnehmer den Saal vorzeitig unter Protest. Am Abend präsentierte die Telekom zwei neue Vorstände: die McKinseyDirektorin und künftige Europa-Chefin Claudia Nemat (42) sowie die designierte Arbeitsdirektorin Schick. Eine weitere Managerin soll später folgen: Birgit Grundmann (52), Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, ist als Vorstand für Recht und Compliance vorgesehen. Allerdings will sie ihre Arbeit im Ministerium in den nächsten Monaten noch zu Ende führen. Da mit Schick (CDU) und Grundmann (FDP) zwei Politikerinnen ins Management rücken sollen, machte das Gerücht die Runde, die Regierung habe die Telekom bedrängt. Tatsächlich traf jedoch die Konzernspitze die Auswahl, und das, nachdem ein Personalberater die Kandidatinnen ermittelt und für fachlich geeignet befunden hatte. Selbst die einstige SPD-Justizministerin Brigitte Zypries (57), die ebenfalls für den Compliance-Posten im Gespräch war, glaubt nicht an parteipolitische Ranküne. Beide Aspirantinnen sind keine klassischen Politiker. Schick, Ex-Personalchefin der Fraunhofer Gesellschaft, trat erst 2010 der CDU bei. Grundmann machte Karriere als Beamtin. Ihr Vater war Commerzbank-Vorstand. Wären Schick und Grundmann Parteisoldatinnen, hätte einer sie vielleicht sogar verhindert: SPD-Mann Jörg Asmussen. Simon Hage
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RWE Die Kommunen wollen
Sitzen geblieben: Stefan von Holtzbrinck (bei einem Schulbesuch) wird StudiVZ nicht los
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Stadtbekannt Es gibt Situationen, da werden politische Scharmützel zwischen CDU und SPD hintangestellt. Zum Beispiel, wenn es um die Frage geht: Wen präferieren die Städte und Gemeinden, mit rund 20 Prozent immer noch größter Aktionär des Essener Energiekonzerns RWE, als künftigen Vorstandsvorsitzenden? Informell haben sich einflussreiche kommunale Anteilseigner auf einen Kandidaten verständigt: auf Rolf Martin Schmitz (54). Der ist im RWE-Vorstand zuständig für das operative Geschäft, mit Erfahrungen in kommunal beherrschten Unternehmen. Mit der Unterstützung der Kommunen – bei Arbeitnehmern ist er ohnehin beliebt – besitzt Schmitz gute Aussichten auf den Chefposten. Obwohl der jetzige Amtsinhaber Jürgen Großmann (59) gern den Strategievorstand Leonhard Birnbaum (44) als seinen Nachfolger sähe, wenn er im September 2012 ausscheidet. Der allerdings ist als ehemaliger McKinsey-Mann für viele RWE-Traditionalisten schwer zu akzeptieren. Großmann tat zuletzt einiges, um seinen Protegé elegant nach vorn zu schieben. So saß Birnbaum bei den jüngsten Gesprächen mit Gazprom, die in eine KraftRolf Martin Schmitz werkspartnerschaft münden könnten, ebenfalls mit am Verhandlungstisch. Schmitz kommt gelegen, dass der Einfluss der Bürgermeister und Landräte bei RWE nicht schwinden dürfte. Falls es zu einer Kapitalerhöhung kommt, wollen die Kommunen mitziehen. Ein formales Bekenntnis zu Schmitz steht noch aus. Die Kommunen warten ab, welche externen Kandidaten Aufsichtsratschef Manfred Schneider (72) präsentiert. Über einige deutsche Aspiranten wurde schon öffentlich diskutiert – mittlerweile sucht Schneider auch im Ausland. Dietmar Student 16
manager magazin 8/2011
FOTO: HORST RUDEL / IMAGO
Vorstand Schmitz als CEO.
HOLTZBRINCK Die Schwaben scheitern mit ihrem Versuch,
StudiVZ zu verkaufen. Jetzt irren sie weiter allein umher.
Ohne Freunde Ein paar Monate lang hat Goldman Sachs nichts unversucht gelassen, um einen Käufer für die Netzgemeinde StudiVZ und die ihr angeschlossenen Geschäfte (MeinVZ, SchülerVZ) aufzutreiben. Überall fahndeten die Bankleute nach Interessenten: Sie fragten im Inund im Ausland, sie fragten die Strategen und die Privaten, sie fragten die Guten und sie fragten die Bösen. Doch das Interesse an dem kleinen Facebook-Widersacher aus dem Hause der Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe (unter anderen „Zeit“, „Saarbrücker Zeitung“, Macmillan, S. Fischer, Rowohlt) entsprach nicht den Vorstellungen von Firmenchef Stefan von Holtzbrinck (48). Jetzt wurde die Suche ergebnislos abgeblasen. Nur aus Osteuropa, erzählt man sich, sei ein Angebot eingetrudelt: Doch offenbar wollte man die Herrschaft über ein soziales Netz und seine Millionen (privater) Nutzerdaten nicht Geschäftemachern von zweifelhaftem Ruf überlassen. Seriöse Interessenten fanden sich nicht – oder sie boten zu wenig: Privaten Beteiligungsfirmen fehlt es an Synergien, Medienhäusern schlicht am Glauben, mit Facebook konkurrieren zu können. 2008 noch hatte es Stefan von Holtzbrinck abgelehnt, StudiVZ an Facebook zu veräußern und dafür Anteile der US-Firma zu erhalten – ein teurer Fehler. Die VZ-Gruppierung setzt zwar gut 30 Millionen Euro um und soll in diesem Jahr sogar einen Millionengewinn abwerfen – aber sie hat nur noch rund 17 Millionen Nutzer. Allein in Deutschland sind 20 Millionen bei Facebook registriert: Mit mehr als vier Millionen Neuanmeldungen in den ersten fünf Mo-
naten des Jahres sind die Amerikaner an den Schwaben vorbeigaloppiert, als seien die festgebunden. Abgesehen von dem gescheiterten Verkauf des einst für 85 Millionen Euro erstandenen und für weitere Millionen ausgebauten StudiVZ-Netzes präsentiert sich Holtzbrinck in guter Verfassung: Die Zeitungen, heißt es, liefen exzellent, die Buchverlage und der Bereich Bildung und Wissenschaft blühten. Das Digitalgeschäft trägt ein Viertel zum Gesamtumsatz von 2,26 Milliarden Euro bei, der Reingewinn bei Bol.com ist höher als die Einstandskosten bei StudiVZ, der Anteil an Zalando das Dreifache dessen wert, und das eine Prozent, das man an Groupon hält, wird im Hause mit rund 160 Millionen Euro taxiert. Ein paar Verkäufe (darunter Beteiligungen am Rabattierer Citydeal und an der Verkaufsplattform Brands 4 Friends) brachten zuletzt über 100 Millionen Euro. Die Verlagsgruppe, sagt ein Holtzbrinck-Manager, „steht finanziell so gut da wie seit 15 Jahren nicht mehr“. In StudiVZ will man noch einmal investieren, und sollte sich eine Kooperationsmöglichkeit bieten, mit wem auch immer, dann wird man sicherlich darüber nachdenken. In spätestens drei Monaten soll eine Überarbeitung der Site freigeschaltet werden, man ist entschlossen, den Amerikanern in der Zeit, die StudiVZ noch bleiben mag, das Wirtschaften so unangenehm wie möglich zu machen: Es könne niemandem recht sein, knurrt ein Holtzbrinck-Manager, „wenn der Markt durch Facebook monopolisiert wird, das beim Datenschutz keine Rücksichtnahmen kennt“. Klaus Boldt
Namen + Nachrichten
führt seinen Bereich mit harter Hand.
Alles unter Kontrolle Wenn Anshu Jain (48), Vorstand der Chefs der seit Langem schwächelnden Deutschen Bank und womöglich dem- Vermögensverwaltung des Instituts. Privatkundenchef Rainer Neske (46) nächst Co-Chef des Instituts, den Kontakt zur Basis sucht, lädt der Leiter des hingegen gilt bankintern als kaum geweltweiten Investmentbankings gern fährdet, obwohl auch in seinem Bereich zum sogenannten „Town Hall Meeting“. die Ergebnisse erklärtermaßen besser Dann dürfen die Mitarbeiter in infor- werden müssen. „Die Refinanzierung meller Runde die Ansichten des Chefs zu über die Kundeneinlagen ist für die Bank wichtigen Themen erfahren oder auch überlebenswichtig“, sagt ein Insider. Gerätselt wird in der Bank noch, ob mal die eine oder andere Frage stellen. Die Veranstaltungen haben nur einen Jain einen Nachfolger für das bislang von Schönheitsfehler: Die Fragen, die Jain in ihm geführte Investmentbanking küren den Foren beantwortet, müssen vorher wird. Zwar gelten die Regionalchefs mit ihm abgestimmt werden. Wer sich Boon-Chye Loh (47; Asien-Pazifik) und nicht daran hält, dem droht Ungemach. Jeffrey Mayer (52; Nordamerika) als Das eigenwillige Verhalten verrät viel mögliche Kandidaten. Insider gehen inüber den Führungsstil des möglichen des eher davon aus, dass Jain die Sparte neuen Chefs der Deutschen Bank. Jain ist auch in Zukunft selbst leiten wird. Tatsächlich hat der Inder bisher in Perfektionist, er will die Dinge stets unter Kontrolle halten. Und er hat klare Vor- seinem Einflussbereich penibel darauf stellungen davon, was für seine Bank geachtet, dass mögliche interne Konkurrenten nicht zu mächtig werden. Etliche wichtig ist. Deswegen haben Leute, die ihn gut Topleute haben die Bank daraufhin verkennen, auch schon eine ebenso klare lassen: Der Kredithandelsexperte Rajeev Meinung darüber, wie Jain die Deutsche Bank verändern wird: Indem er den Slogan der Bank – „Leistung aus Leidenschaft“ – zum Dogma erhebt. Er werde, so mutmaßt ein langjähriger Weggefährte Jains, „die Luschen aussortieren“. Das hat Jain auch so gehalten, als er von seinem früheren Vorstandskollegen Michael Cohrs (54) das Geschäft mit FusioRegenmacher: nen und Übernahmen erbte. Das von Jain geleitete Eine der ersten Maßnahmen Investmentbanking erzielt des Inders war ein „Project in guten Zeiten bis zu 80 Integra“ genanntes EffizienzProzent des Bankprofits. programm, das nicht zuletzt Mastermind: auf die Trennung von verJains Expertise für die meintlich überflüssigen MitKapitalmärkte ist gefragt. arbeitern abzielte. In London ist er deshalb, Anders als Josef Ackeranders als in Berlin, ein mann (63), der auch dann loyal gesuchter Gesprächszu seinen Führungskräften partner der Politik. steht, wenn sie eine Zeit lang weniger gute Resultate vorweisen, ist Jain knallhart auf Zahlen fixiert. In der Bank könnten dies als Erste Kevin Parker (51) und Pierre de Weck (61) zu spüren bekommen, die
Misra (49), einst ein enger Vertrauter Jains, arbeitet heute bei der UBS. Brett Olsher (50), bis zum vergangenen Herbst oberster Fusionsberater der Deutschen Bank, ging zu Goldman Sachs. Anders als Ackermann, der sich vor allem als Botschafter der Bank in der weltweiten Hochfinanz sah, dürfte Jain auch als CEO wesentlich mehr Zeit für die Leitung des operativen Geschäfts aufwenden. „Die Charmeoffensive in Berlin wird er anderen überlassen“, sagt ein Deutschbanker. Jürgen Fitschen (62), der Jain womöglich als Co-Chef zur Seite gestellt wird, wäre dafür wohl auch der bessere Mann. Jains Antrittsbesuche bei der Politik, berichten Ministerielle, seien jedenfalls eher schwierig verlaufen. Der mögliche Aufstieg des angloamerikanisch geprägten Managers zum Chef des größten deutschen Geldinstituts sorgt mittlerweile auch in London für reichlich Gesprächsstoff – zumal Jain nach wie vor kaum Deutsch spricht. Der Internetdienst „Financial News“ stellte bereits zehn hilfreiche Sätze auf Deutsch zusammen, die der Inder lernen solle. Die beiden wichtigsten: „Ich denke, dass Frankfurt eine schöne Stadt ist“ und „Um welche Zeit ist der letzte Flug nach London?“ Thomas Katzensteiner/ Ulric Papendick
FOTO: HANNELORE FÖRSTER
DEUTSCHE BANK Der mögliche neue Co-Chef Anshu Jain
Verspätung in Chattanooga: Qualitätsprobleme verzögerten den Start des neuen US-Passats
FOTO: FRISO GENTSCH / DPA
kein Zoll an; und zumindest einen großen Teil der Motoren könnte die Marke aus dem mexikanischen Silao beziehen. Dort baut Volkswagen gerade ein neues Aggregatewerk. In Wolfsburg allerdings stoßen Stadlers Pläne nicht auf Begeisterung. Die Kapazität in Chattanooga lässt sich schließlich relativ einfach von derzeit möglichen 150 000 Autos pro Jahr auf 300 000 ausbauen. Audi könnte somit nach Chattanooga ziehen, genau wie Porsche, das ebenfalls in den Dollar-Raum drängt. Dahin gehe die Tendenz, gibt ein VOLKSWAGEN Der Ausbau der Werke in Nordamerika sorgt hochrangiger VW-Mann die Linie vor. für Probleme – und möglichen Streit mit Audi. Noch allerdings würden die Ingolstädter in dem VW-Werk nicht glücklich werden. Die Produktion dort ist schlecht angelaufen. Von fast 100 ungenau gefertigten Passat-Teilen berichten Konzernmanager; sie beklagen, dass die Autos in Beinahe schon legendär ist die herzliche VW wie für Audi. Die einen wollen dort Zelten vor dem Werk nachgearbeitet Abneigung, die den Ingolstädter Auto- bis 2018 jährlich 800 000 Autos verkaufen würden und dass etliche Werkzeuge behersteller Audi mit seinem Eigentümer und ihren Absatz damit mehr als verdrei- reits erneuert werden müssten. Das Reverbindet, der Wolfsburger Volkswagen fachen. Die anderen planen, die Verkäufe sultat: Die Produktion liege fast ein halAG. Regelmäßig liefert Audi einen Groß- auf 200 000 zu verdoppeln. bes Jahr hinter den Prognosen zurück. teil des Konzerngewinns, fühlt sich dafür Auch deshalb wird Stadler, so viel Offiziell äußert VW zu diesem konzernaber nicht angemessen gewürdigt. Wer steht fest, im Oktober die Erlaubnis zur euphemistisch als „qualitätsorientierte in die Zentrale nach Niedersachsen beor- Produktion in Amerika bekommen. Anlaufkurve“ umschriebenen Fehlstart, dert wird, der muss nach „Sibirien“, gran- Wo genau die Audis allerdings montiert man werde die versäumten Einnahmen teln die Bayern, und etliche der 2007 vom werden, ist noch heftig umstritten. wieder aufholen. Bestellungen gebe es heutigen Konzernchef Martin WinterDer Audi-Chef bevorzugt ein eigenes schließlich genug. korn (64) bei dessen Umzug nach WolfsWerk. Am liebsten würde er in Mexiko Das ist zwar richtig. Doch die Verburg mitgenommenen Manager würden produzieren; und das nicht nur, weil zögerungen kosten Dutzende Millionen nur zu gern zurückkehren in den Süden. Audi dort niedrigere Löhne zahlen Euro – und diese Zusatzkosten will sich Jetzt bahnt sich ein neuer Konflikt an. müsste. Bei einem Export der Autos fiele Audi sparen. Zumal VW ähnliche ProEs geht um die Amerika-Pläne des Kon- im Gegensatz zu einer US-Produktion bleme bei der Produktion des neuen zerns. VW baut in ChattaBeetles im mexikanischen nooga seit Kurzem eine USPuebla sowie in etlichen Made in America Version der MittelklasseAuslandswerken hat: Egal Werke deutscher Automobilhersteller in den USA und Mexiko* limousine Passat, und auch ob Kaluga, Pune oder PaAudi will jenseits des Atlancheco, wo der Pick-up AmaChattanooga, USA Passat tiks fertigen. So machen es rok gebaut wird – überall Tuscaloosa, USA Kapazität: 150 000, M , GL und R Klasse, die großen Rivalen Mercegab oder gibt es teure Startausbaubar auf ab 2014 auch C Klasse 300 000 des und BMW schon erschwierigkeiten. Kapazität: 160 000, Erweiterung geplant Spartanburg, USA folgreich, so plant es auch Schon erkennen interne X3, X5, X6 Audi-Chef Rupert Stadler Kritiker in Wolfsburg mehr Kapazität: 260 000 Mexiko (48). Als erstes Amerikaals die gewohnten KinderWunschstandort, Q5 Kapazität: 150 000 Modell hat er den Geländekrankheiten. Sie fürchten, Puebla, Mexiko gänger Q5 ausgewählt. dass die rasante GlobalisieSilao, Mexiko Jetta, Beetle, Golf Variant Motoren, in Bau Die USA sind neben rung des Konzerns ausgeKapazität: ca. 550 000 China der wichtigste Markt rechnet in der Produktion für die Wachstumspläne an ihre Grenzen stößt. *nur Werke für Pkw und Pkw-Teile Grafik: manager magazin Quelle: Unternehmen, eigene Recherche des Konzerns. Das gilt für Michael Freitag
Der Grenzfall
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manager magazin 8/2011
www.zdf-werbung.de
Karen Webb, Moderatorin von „Leute heute“ im ZDF
Thomas Schönen, Leiter Konzernkommunikation Beiersdorf AG
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17.45
Mo. – Fr.
Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, TV Scope, Montag bis Samstag, 1. Quartal 2011, BRD gesamt. Fernsehpanel (D+EU). Stand: 08.06. 2011. 1 Zeitschnitt. 2 Werbung: Tarif 1 30. GPS Premium und Markenkäufer: alle Personen eines GPS Premium oder Markenkäuferhaushalts.
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KIRCH/BREUER Nach dem Tod des Medienzars geht der
Streit mit dem früheren Bankchef in die nächste Runde.
Kirchs langer Schatten
FOTO: MICHAEL DALDER / REUTERS
Der 18. August dieses Jahres dürfte kein Datum sein, das Rolf-E. Breuer (73) mit Freude herannahen sieht. An diesem Donnerstag soll vor dem Landgericht München I ein Prozess beginnen, in dem sich der frühere Chef der Deutschen Bank gegen den Vorwurf des versuchten Betrugs wehren muss. Das Verfahren ist eine von vielen Hinterlassenschaften, die Breuer und sein ehemaliger Arbeitgeber dem Klageeifer des vor Kurzem verstorbenen Medienmoguls Leo Kirch zu verdanken haben. Bald zehn Jahre lang zog Kirch gegen die Deutsche Bank zu Felde, deren Ex-Chef Breuer er vorwarf, mit einem Interview im Februar 2002 die Pleite seines Konzerns ausgelöst zu haben. Kirchs Erben und sein langjähriger Vertrauter Dieter Hahn (50) wollen den Kampf fortführen. Breuers Gegner in diesem Verfahren sind indes nicht Kirchs Rechtsnachfolger, sondern die Münchener Staatsanwaltschaft. Und Beschuldigter ist nicht die Deutsche Bank, sondern Breuer. Der habe, so sehen es die Staatsanwälte, vor Gericht die Unwahrheit gesagt.
Die Vorwürfe reichen weit zurück. Ende 2003 hatte Breuer in einer Beweisaufnahme vor dem Münchener Oberlandesgericht angegeben, „keinerlei spezifische Kenntnisse“ zum Kirch-Engagement seiner Bank gehabt zu haben. Die Staatsanwälte hingegen wollen dem Ex-Vorstand nachweisen, dass er bei diversen Gelegenheiten intensive Einblicke in Bankinterna zum Thema Kirch hatte. So habe Breuer etwa Ende 2001 an einer Sitzung des Kreditausschusses der Bank teilgenommen, auf der der Risikomanager (und heutige Deutsche-BankVorstand) Hugo Bänziger (55) die Teilnehmer eindringlich vor dem Risiko aus
„Wenn, dann ist das ohne Zustimmung des Vorstands erfolgt.“ Deutsche-Bank-Chef Ackermann auf die Frage, ob sein Vorgänger Breuer Kirch kurz vor dessen Pleite einen Schutzschild angeboten habe.
dem Kirch-Engagement warnte. Bänziger, den die Staatsanwälte als Zeugen befragt haben, soll bei dieser Gelegenheit auch Zahlen zur geschätzten Gesamtverschuldung und zur Kreditwürdigkeit des Unternehmers genannt haben. Außerdem verweisen die Staatsanwälte auf ein Schreiben des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen vom September 2001. Darin verlangen die Kontrolleure vom Vorstand der Deutschen Bank detaillierte Auskünfte über die Kreditbeziehungen zu Kirch. Eine Kopie des Briefs wurde von Breuer gegengezeichnet und mit einem Vermerk zur Weiterleitung an Kollegen versehen. Breuers Verteidiger, der Düsseldorfer Strafrechtler Sven Thomas (63), hält die Vorwürfe für substanzlos. Natürlich habe Breuer als Vorstandssprecher Kenntnisse über Kirch gehabt, ließ Thomas die Staatsanwälte in einer Stellungnahme wissen. Dies sei den Richtern auch klar gewesen. Breuers Aussage vor Gericht habe lediglich klarstellen sollen, dass er keine darüber hinausgehenden Informationen erlangt habe. Im Übrigen habe sich die Krise des Kirch-Imperiums zum Zeitpunkt des Interviews bereits so zugespitzt, dass Breuers Kenntnisstand ohnehin veraltet gewesen sei – und für das Interview ohne Relevanz. Aussagen anderer Topmanager verstärken allerdings den Eindruck, dass die Bank nicht mehr rückhaltlos hinter ihrem früheren Chef steht. So gab Breuers Nachfolger Josef Ackermann (65) erst vor Kurzem vor Gericht zu Protokoll, das damalige Angebot Breuers an Kirch, die Bank könne dem bedrängten Medienmanager einen „Schutzschild“ anbieten, sei mit dem übrigen Vorstand nicht abgestimmt gewesen. Ein entsprechendes Schriftstück sehe er zum ersten Mal. Sollten die Richter zu der Auffassung gelangen, Breuer habe im Alleingang gehandelt, könnte das für die Deutsche Bank durchaus Vorteile haben. Immerhin steht ein Vergleichsvorschlag im Raum, nach dem Kirch – oder dessen Erben – im Ausgleich für den erlittenen Schaden mindestens 775 Millionen Euro erhalten soll. Ulric Papendick
Auf der Anklagebank: Ex-Bankchef Breuer (r.) bleibt auch nach dem Tod Kirchs (bei einem Auftritt im März) im Visier der Justiz 20
manager magazin 8/2011
Namen + Nachrichten
Ab 26.7. im Handel.
FOTO: ANDY RIDDER / VISUM
Obsiegt: Schott-Vormann Ungeheuer konnte sich in internem Machtkampf behaupten
SCHOTT Strafaktionen
in der Führungsriege.
Glasbruch ist ein Mann, der gern Unruhe stiftet. Seit sieben Jahren führt der 60-Jährige den Mainzer Spezialglaskonzern Schott (2,9 Milliarden Euro Umsatz). In der Zeit hat er das Portfolio gehörig umgekrempelt und außerdem allerlei Querelen mit seinen Führungskräften durchgemacht. Ausgeschiedene Mitarbeiter berichten gern von einem „bizarren Schott-Staat“, in dem große wie kleinere Angelegenheiten vor allem von einem bestimmt werden – Ungeheuer eben. Bis vor Kurzem schien es so, als könne bald Schluss sein mit dieser Art der Unternehmensführung. Doch nun kommt es wohl anders. Denn eine Revolte gegen den Chef ist gründlich gescheitert. Die Vorgeschichte reicht zurück bis ins Frühjahr 2010. Damals hatte Aufsichtsratschef Theo Spettmann (66), der zugleich den Stiftungsrat der Schott-Eigentümerin Carl-Zeiss-Stiftung anführt, seinen Schott-Ratskollegen Stephan Schaller (53) ins Management gehievt. Auch Schaller ist ein Mann mit AmbitioUdo Ungeheuer
nen. Der Manager hatte drei Jahre lang das Nutzfahrzeuggeschäft von Volkswagen geleitet, war dort aber gescheitert, anscheinend wegen zu großer Machtansprüche. Offenbar war vorgesehen, dass der neue Schott-Vorstand zu gegebener Zeit Ungeheuer an der Firmenspitze beerben könnte. Das wäre schon Ende kommenden Jahres möglich gewesen. Ungeheuers Vertrag war zuletzt im Dezember 2007 um fünf Jahre verlängert worden. Deshalb wurde eigens für Schaller die Position des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden geschaffen. Außerdem übertrug man ihm die wichtige Solarsparte. Gut 13 Monate später haben sich die Dinge indes sonderbar gewandelt. Schaller ist schon wieder raus aus der Topriege. Vor wenigen Wochen waren er und seine Vorstandskollegen zu einem außerordentlichen Treffen von Aufsichtsräten nach St. Gallen zitiert worden. Dort teilte die Kontrolleursrunde dem verdutzten Vize mit, dass es für ihn keine Zukunft als Vorstand gebe; der Vertrag wurde mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Auch einige von Schallers Vorstandskollegen traf der Bannstrahl. Jürgen Dahmer (54), ein ehemaliger BayerMann, der seit 2008 dem Schott-Vorstand angehört, muss sich in den nächsten Monaten einen neuen Job suchen. Und Finanzchef Klaus Rübenthaler (50), bereits vor einigen Jahren einer zwischenzeitlich drohenden Auswechslung entgangen, erhielt – eigentlich unüblich in Vorstandsrängen – eine Abmahnung. Nur Vorstand Hans-Joachim Konz (51) blieb ungeschoren. Als Begründung für die Strafaktionen muss das mehr oder weniger getrübte Verhältnis der Delinquenten zu Ungeheuer herhalten. Tatsächlich hatten sich Schaller und Co. intern wohl massiv über Ungeheuer und dessen eigenwilligen Führungsstil beklagt. Den kann er jetzt weiter pflegen – womöglich sogar über das kommende Jahr hinaus. Thomas Werres manager magazin 8/2011
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SCHWERPUNKT
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Namen + Nachrichten
IN BERLIN
OPEL VW hat größeres
Interesse als gedacht.
Das Angebot Die Story schien einfach nur absurd, und doch schreckte sie die Öffentlichkeit auf wie sonst nur wenige Wirtschaftsmeldungen. General Motors (GM) wolle seine angeschlagene deutsche Tochter Opel verkaufen, berichteten diverse Medien – und als mögliche Käufer wurden neben den üblichen Verdächtigen aus China ausgerechnet zwei Konzerne genannt, die mit einer zusätzlichen europäischen Marke eigentlich wenig anfangen können: Volkswagen und Hyundai. GM will Opel abstoßen? Hatten die Amerikaner nicht Ende 2009 den fertig ausgehandelten Opel-Verkauf an den Zulieferer Magna wieder abgeblasen? Prompt hagelte es Dementis: Volkswagen („keine Pläne“) und Hyundai gaben sich desinteressiert; GM („derzeit weder Kontakte noch Gespräche“) rang sich wenigstens zu einer halbherzigen Bestandsgarantie für seine noch immer hochdefizitäre Europa-Abteilung durch. Doch die Geschichte hat einen realen Kern. Als GMs Verkaufsüberlegungen in Wolfsburg bekannt wurden, diskutierte der VW-Vorstand mehrere Reaktionen: einen Management-Buy-out zu unterstützen, einem Verkauf tatenlos zuzusehen, aber eben auch: Opel zu kaufen. Also besorgte sich die VW-Spitze nähere Informationen über den Rüsselsheimer Rivalen. Finanzchef Hans Dieter Pötsch (60) ließ Szenarien durchrechnen, und schließlich – selbst Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch (74) hatte sich eingemischt – ließen die Wolfsburger GM wissen, auf welchen Wert sie Opel taxierten. Verhandelt wurde indes nicht. GM befand das Gebot als zu niedrig. Aufgeschreckt hatte die VW-Spitze angebliches Interesse aus Korea. Hyundai spreche mit GM über Opel, hieß es in Detroit. „Einem Verkauf an einen chinesischen Hersteller könnten wir ruhig zusehen“, sagt ein VW-Topmann. „Aber auf Hyundai müssen wir aufpassen.“ Vor allem dass die Koreaner sich die Dienste Tausender Opel-Entwickler sichern könnten, bereitet VW-Chef Martin Winterkorn (64) Unbehagen. Michael Freitag 22
manager magazin 8/2011
FINANZKRISE Kommt jetzt endlich ein Untersuchungs-
ausschuss zur Aufarbeitung des Bankencrashs?
Schuld und Bühne Das Ganze glich einem Tribunal. Topbanker wie Lloyd Blankfein (56, CEO von Goldman Sachs) mussten vor laufenden Fernsehkameras die Hand zum Schwur erheben. Die Untersuchungskommission des US-Kongresses, die Ende Januar ihren Abschlussbericht vorlegte, bildet bis heute den gründlichsten Versuch, die Schuld an der globalen Finanzkrise zu klären. Ganz anders in der deutschen Parteiendemokratie: Lediglich die Beinahepleite der Hypo Real Estate wurde bislang vom Bundestag unter die Lupe genommen. Für einen Untersuchungsausschuss mit breit angelegtem Mandat nach US-Vorbild ist bislang keine Mehrheit in Sicht. Klar, Linke und Grüne sind im Zweifel dafür, schließlich standen sie in den Krisenjahren nicht in der Regierungsverantwortung. Allerdings verfehlen beide Fraktionen zusammen knapp jene 25 Prozent, die die Einberufung eines Ausschusses unterstützen müssen. Union und SPD wiederum haben wenig Interesse an einem allzu genauen Blick auf ihre eigene Regierungsarbeit. Die FDP schließlich tut sich aus Gründen der Koalitionsraison schwer, einen Untersuchungsausschuss gegen den Willen der Union zu unterstützen. Unterhalb des Radars der Fraktionsführungen mühen sich derzeit trotzdem Abgeordnete, die 25 Prozent zusammenzubekommen. In Einzelgesprächen versuchen sie, Kollegen ins Lager der Ausschussbefürworter zu ziehen. „Je weniger öffentlich über das Thema geredet wird,
desto größer unsere Erfolgsaussichten“, sagt einer der Parlamentarier. Wohl wahr, schließlich ist gerade erst ein anderer Untersuchungsausschuss zur Bankenkrise in letzter Minute gescheitert: Im nordrheinwestfälischen Landtag hatten CDUFraktionschef Karl-Josef Laumann (54) und sein grüner Amtskollege Reiner Priggen (58) zunächst einen Ausschuss zur WestLB befürwortet – doch als die Linke Anfang März einen entsprechenden Antrag einbrachte, änderten beide ihre Meinung. Offiziell, um die laufende Filetierung der WestLB nicht zu gefährden. Inoffiziell, weil die Grünen vom Koalitionspartner SPD zurückgepfiffen wurden. Der gebremste Aufklärungseifer zeigt sich auch an anderer Front: Bis heute zieren sich Landesregierungen, zivilrechtliche Forderungen gegen jene Politiker durchzusetzen, die in den Aufsichtsgremien der Landesbanken die Offshore-Zockerei abnickten. So weigert sich Sachsens Finanzminister Georg Unland (57; CDU) bis heute, Schadensersatzklagen gegen die ehemaligen Mitglieder des Kreditausschusses der SachsenLB zu erheben, unter ihnen der damalige Finanzminister Horst Metz (66; CDU). Und das, obwohl vom Ministerium beauftragte Anwälte eindeutige Pflichtverletzungen festgestellt hatten. Unlands originelle Begründung: Selbst im Erfolgsfall gäbe es keine Chance, bei den Aufsehern „mehr Geld zurückzubekommen, als der Prozess den Kläger kostet“. Christian Rickens
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TEREX
Vorstandschef DeFeo über seine Pläne mit dem feindlich übernommenen Kranbauer Demag.
– ohne Demag – sollte dieses Jahr um 25 Prozent wachsen. Wir bauen also auf einem soliden Wachstumsfundament auf.
„Es geht um Wachstum“
Das klingt ziemlich sportlich, wenn man bedenkt, dass der Euro-Zone der Kollaps und den USA ein Staatsbankrott droht.
Herr DeFeo, wir sind verwundert: Seit Monaten beklagen Sie sich, dass Ihnen das Demag-Management immer wieder die Tür vor der Nase zuschlägt. Und jetzt, wo Ihnen die Übernahme gelungen ist, zieht Demag-Chef Aloysius Rauen sogar in den Konzernvorstand von Terex ein. War am Ende alles nur Show?
DEFEO Sicher nicht: Schauen Sie, wir hatten unsere Differenzen, weil jeder seine Interessen vertreten hat. Entscheidend ist: Das Ergebnis ist gut und wird das Unternehmen stärken. Ich freue mich darauf, mit dem Management von Demag zusammenzuarbeiten. Vor ein paar Wochen haben Sie sich noch beschwert, dass Demag 20 Millionen Euro für seine Verteidigung und weitere 15 Millionen für die Verlängerung von Vorstandsverträgen ausgegeben hat. Jetzt ist Ihnen das egal?
DEFEO Das wäre sicher nicht nötig gewesen, wenn man sich früher zusammengesetzt und eine konstruktive Lösung gesucht hätte. Das Geld hätten wir uns sparen können. Aber das ist Vergangenheit. Sie haben einen hohen Preis für Demag bezahlt, obwohl Ihr eigener Aktienkurs in den vergangenen Wochen deutlich gesunken ist. Müssen Sie sich jetzt nicht eingestehen, dass die Akquisition zu teuer ist?
DEFEO Ich bin zufrieden mit dem Preis, muss aber auch sagen, dass er sich
Sie haben den Arbeitnehmern große Zugeständnisse gemacht, unter anderem eine Jobgarantie für die kommenden drei Jahre. Berauben Sie sich damit nicht der Möglichkeit, Synergien zwischen den Unternehmen zu heben?
DEFEO Sie müssen sehen, woher wir kommen. Der Markt für Krane und Baumaschinen ist von 2008 auf 2009 um 80 Prozent eingebrochen. Wenn wir jetzt 25 Prozent wachsen, klingt das viel, ist aber nicht mehr als die Rückkehr zur Normalität. Ich mache mir durchaus Sorgen um die Weltwirtschaft. Wir haben ein Problem in den USA, wir haben Probleme in Griechenland, Italien und Spanien.
DEFEO Es wird aufgrund dieser Transaktion keine nennenswerten Stellen-
Wo sind die Perspektiven denn besser?
am oberen Ende dessen bewegt hat, was Terex zu bezahlen bereit gewesen ist.
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streichungen geben. Jetzt geht es um Wachstum, nicht um Kostensenkung. Ich gehe davon aus, dass der weltweite Markt sich erholen wird und wir an dieser Erholung partizipieren. Terex allein
DEFEO Unser Fokus liegt klar auf den Schwellenländern, auf China, Brasilien, Indien. Terex und Demag wollen in diesen Märkten gemeinsam wachsen. Außerdem glaube ich, dass wir von Demag lernen und rund um unser bisheriges Geschäft noch ein schönes Servicegeschäft bauen können. Und wir haben jetzt das beste Angebot für Häfen. Das wird einer unserer großen Wachstumstreiber für die kommenden Jahre. Welche Auswirkungen wird die Ausrichtung auf Schwellenländer für Ihre Produktionsstandorte haben?
DEFEO Langfristig werden wir Produktionsstätten in Schwellenländern aufbauen und dafür auch ein paar Standorte in entwickelten Märkten schließen. Wann und wo das sein wird, kann ich noch nicht sagen. Aber das ist die logische Konsequenz und unvermeidbar. ◆ Das Interview führte mm-Redakteur Thomas Katzensteiner.
RONALD DEFEO Urgestein: Seit 1995 leitet der 59-Jährige den Baumaschinenhersteller Terex und gehört damit zu den dienstältesten Chefs eines börsennotierten US-Konzerns.
FOTO: GETTY IMAGES
Übernahmespezialist: In seiner Amtszeit hat der Sohn italienischer Einwanderer etliche Übernahmen gestemmt – auch in Deutschland.
manager magazin 8/2011
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MANAGER DIREKT MM-PANEL Führungskräfte sehen Agenturen als Antreiber der Euro-Spekulation.
Entscheider kritisieren Rating-Macht Ihr Wort kann Milliarden vernichten: Die Ratingagenturen stehen wegen der Euro-Schuldenkrise mehr denn je im Blickpunkt der Investoren. Nachdem Moody’s am 5. Juli Portugals Anleihen auf Ramschniveau herabgestuft hatte, brach in den folgenden fünf Handelstagen der Aktienleitindex Euro Stoxx 50 um zeitweise mehr als 9 Prozent ein. Deutschlands Entscheider missbilligen das Vorgehen der Agenturen: Vier von fünf sind der Meinung, dass sie die Spekulation im Euro-Raum unnötig an-
heizen. Fast zwei Drittel der Topentscheider halten es für falsch, dass Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch großen Einfluss auf die Benotung von Staatsanleihen haben. Ihre Bewertungen gelten der Mehrheit als fragwürdig. Die Manager verlangen Reformen, ebenso wie die Politik. Ein Drittel unterstützt auch den Vorschlag aus der EU-Kommission, mit staatlicher Hilfe eine europäische Ratingagentur zu gründen. Mehr zur Methode: www.manager-magazin.de/entscheiderpanel
Übermächtig
Reformbedürftig
Undurchsichtig
Die Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch haben großen Einfluss auf die Benotung von Staatsanleihen. Halten Sie dies angesichts der aktuellen Euro-Krise für richtig oder falsch?*
Was sollte die EU tun?*
Welchen Statements zu Ratingagenturen stimmen Sie zu?* Mehrfachnennungen möglich
Die Ratingagenturen gesetzlich stärker regulieren.
Ich halte es für falsch.
Ich halte es für richtig.
41
Mit staatlicher Hilfe eine neue Ratingagentur gründen.
34
34
Bonitätsnoten für diejenigen EU Länder aussetzen, die unter den Rettungsschirm geschlüpft sind.
63
28 15
Alles so belassen.
3 Weiß nicht. Grafik: manager magazin
*Angaben in Prozent, 336 Befragte.
Quelle: manager-magazin-Entscheiderpanel
mm-Konjunktur-Indikator mm-Prognose des BIP-Wachstums für 2011
4,2 % 3,1
3,2
3,4
2,7 OECD Fünf Weise
Okt.
Nov.
2010
Dez.
3,6
3,7
3,5
Gemeinschafts diagnose* Bundesbank EU Kommission
Jan.
Feb.
März
April
3,7
3,9
IfW OECD Dekabank Deutsche Bank
Mai
Juni
mm-Prognose des BIP-Wachstums für 2012
1,5 % Juli
Aug.
2011
(Beginn der Prognose)
Grafik: manager magazin *Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute. Quelle: IfW, Kiel Economics, Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute, Sachverständigenrat Wirtschaft (Fünf Weise), OECD, Deutsche Bank, Bundesbank, EU-Kommission, Dekabank
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manager magazin 8/2011
Mehrfachnennungen möglich
Die Ratingagenturen sind notwendig, um die Politik zu kontrollieren. Ich vertraue den Urteilen der Ratingagenturen.
45 21
Die Ratingagenturen heizen die Spekulationen im Euro Raum an.
82
Die Ratingagenturen arbeiten undurchsichtig, man weiß nicht, welche Interessen dahinterstecken.
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Das Klima wird rauer. Spürbar schwächt sich das Wachstum ab, auch wenn eine akute Krise ausbleibt. Zwar zeigt der mm-Konjunktur-Indikator, die einzige monatliche Vorhersage für das deutsche BIP, für dieses Jahr 4,2 Prozent. Ein stolzer Wert, der vor allem aus dem dynamischen ersten Halbjahr resultiert. Für 2012 liegt die Vorhersage derzeit bei nur 1,5 Prozent. Diese Prognose sei aber wegen der großen Risiken noch unsicher, sagt Carsten-Patrick Meier von Kiel Economics, der den Indikator für mm berechnet. Abhängig von der Entwicklung der Weltwirtschaft, sei sowohl eine erneute Rezession (0 Prozent) möglich als auch weiter kräftiges Wachstum (3 Prozent). Mehr zum Thema: www. manager-magazin.de/mm-indikator
UNTERNEHMEN
DIE REIFEPRÜFUNG UNTERNEHMENSBERATER Die Kunden geben der Branche schlechtere
Noten, zeigt ein exklusiver Test. Wofür also braucht man noch Berater? Die Consultants reagieren auf die Existenzfrage mit einer Ausweitung ihrer Geschäftsmodelle – und Abrechnungstricks. 26
manager magazin 8/2011
Führungstrio: Frank Mattern (McKinsey, links), Christian Veith (BCG, unten), Martin Wittig (Roland Berger)
Just take five Deutschlands beste Berater Veränderung
Kundenzu ggü. 2009 friedenheit* in Punkten 1 McKinsey 2 Boston Consulting 3 Roland Berger 4 Bain 5 Booz
400 395 379 373 369
+3 6 9 11 7
250 *Punkte auf einer Skala von 100 (sehr gering) bis 500 (sehr hoch). Grafik: manager magazin Quelle: WGMB, Prof. Fink
Unternehmen Berater
wei Jahrzehnte gehört Claus Benkert (47) nun schon der weltgrößten Unternehmensberatung, McKinsey, an, plagt sich mit Klienten aus der Halbleiterbranche, müht sich mit der Bildungsreform Saudi-Arabiens. Der Physiker, der die traditionelle Kluft der Consultants trägt (dunkelgrauer Anzug, Krawatte, weißes Hemd), hat viel gesehen, viel verdient und noch mehr erlebt. Und dann das. Eigentlich wollte McKinsey seine innovative Kundenschule in einem Objekt auf der Münchener Theresienwiese, in Bierkrug-Wurfweite zum Oktoberfest, unterbringen. War im Prinzip alles unter Dach und Fach, vulgo ausverhandelt. Bis dann der bauernschlaue Vermieter sich Tiefgarage und Flurbenutzung extra bezahlen lassen wollte (Benkert: „Der wollte uns über den Tisch ziehen“). Anfang 2011 mussten die Consultants eine neue Bleibe suchen. Dass es doch zur Jahresmitte klappte, damit hatte kaum einer gerechnet: „Die Wetten standen gegen uns“, sagt Benkert. Nun sitzt er im ersten Obergeschoss des Airport Business Center, in einem Bürokomplex, dessen Hauptmieter der Kosmetikkonzern Avon ist. In der Gemeinde Hallbergmoos, fünf Taximinuten vom Münchener Flughafen entfernt. Dort, wo die Pizzeria „Da Tony“ mit Sonderkonditionen ihr 40-jähriges Jubiläum feiert („Angebot nur zum Liefern“). Dort, wo „Der Hallberger“ („verlässlich, heimatverbunden, kompetent“) im 20. Jahrgang ausliegt. Es riecht noch neu, die Teppiche dünsten aus. Hier, im sogenannten Capability Center, trainiert McKinsey unter Benkerts Leitung auf 1000 Quadratmetern seit Juni seine Klienten – und fügt damit den vielfältigen Geschäften des Ratgebers eine ungewöhnliche Facette hinzu. Über derlei Innovationen grübelt derzeit nicht nur McKinsey. Etliche Unternehmen erfinden sich neu – der Marktführer stürmt nur vornweg. Vieles wird probiert, nahezu alles erscheint möglich. Sogar die Kombination mit dem Investmentbanking verspricht Erfolg, wie das Beispiel des Münchener Beratungshauses Goetzpartners beweist (siehe Kasten Seite 34). „Das Geschäftsmodell der klassischen Strategieberater stößt an seine Grenzen“, sagt Wirtschaftsprofessor Dietmar Fink, seit Jahren ein profunder Kenner
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der Szene (siehe Interview Seite 31). McKinsey, Roland Berger & Co. müssten ihre Strukturen über kurz oder lang grundlegend verändern, so Fink, „sonst bekommen sie Probleme“. In diesem Jahr jubeln viele Berater zwar über ein zweistelliges Umsatzplus; aber das ist in weiten Teilen ein Nachholeffekt vergangener Krisenzeiten. Der deutsche Beratungsmarkt hat einen Reifegrad erreicht, der auf mittlere Sicht nur noch spärliches Wachstum ermöglicht. Die Internationalisierung des Geschäfts wird immer zwingender – und teuer. Finanzstarke Wirtschaftsprüfer (WP), die in ihrem Stammgeschäft Bilanztestat mit noch niedrigeren Margen auskommen müssen, greifen an. Die Kunden sind kritischer, klüger und selbstbewusster geworden. Hohe Preise und Profite können oft nur noch mit Tricksereien gesichert werden (siehe Kasten Seite 30). Die Klienten stellen die Dienlichkeit von Beratern generell infrage; der Ruf des Vordenkers, den die Zunft gepflegt hat wie eine Avon-Kundin ihren Teint, ist weg. Wozu braucht man Berater heute noch? Wo sind sie gut, wo schlecht? Wer ist im Urteil der Kunden der Beste? Exklusiv für manager magazin hat Professor Fink geprüft, wie zufrieden die Unternehmen mit ihren Beratern sind, und die wichtigsten Branchenmitglieder miteinander verglichen. Zum ersten Mal hat der Forscher die Beratungssparten der WP-Kolosse in die Rangfolge einbezogen. Die wichtigsten Ergebnisse: ■ Nur noch 57 Prozent der Kunden sind mit den Leistungen der Berater zufrieden, der niedrigste Wert seit 2007. Und im Vergleich zur letzten Untersuchung vor zwei Jahren werden die Topconsultants im Schnitt deutlich schlechter bewertet. ■ Es gibt eine Wachablösung an der Spitze: McKinsey verweist den langjährigen Primus Boston Consulting (BCG) auf Rang zwei und legt als Einziger unter den Top Five gegenüber 2009 zu (siehe Grafik Seite 27). ■ Die Wirtschaftsprüfer sind in vielen Disziplinen zwar noch nicht auf Augenhöhe mit den etablierten Consultants, verfügen aber wegen ihres hohen Bekanntheitsgrades in den Unternehmen über ein riesiges Potenzial. Die klassischen Berater stehen unter Druck wie selten zuvor. Einige stellen
sich auf die bedrohliche Lage ein; andere versuchten, so Fink, „die Situation durch konsequentes Ignorieren zu meistern“.
1. MCKINSEY: DAS EXPERIMENT Nein, die Sache ist nicht billig, und Spaß soll sie auch nicht machen, jedenfalls nicht vordergründig. „Es geht um wirksame Veränderungen beim Klienten“, sagt McKinsey-Direktor Benkert, „wir bieten keinen Ersatz für Incentive-Reisen für Manager.“ Schätzungsweise zehn Millionen Euro hat McKinsey in den Aufbau des Trainingszentrums in Hallbergmoos gesteckt. 80 Berater sollen hier einmal die Kunden schlauer machen. Die Truppe vermittelt ihr Wissen erlebnis- und praxisnah. In einem realen Weinshop zum Beispiel wird digitales Marketing gelehrt; als Einkaufsmanager einer Firma namens North Sea Oil muss man Pumpen und Bohrer günstig ordern; in einer fiktiven Alpine Bank sollen Arbeitsabläufe optimiert werden. McKinsey will, dass den Kunden Umbauprojekte leichter von der Hand gehen: Die Maßnahmen sollen sich schneller im Unternehmen verbreiten, der Effekt länger vorhalten. Das Angebot richtet sich sowohl an Vorstände (ein halber oder ganzer Tag) als auch an das Mittelmanagement (3 bis 5 Tage); Transformationsprojekte von mehreren Monaten werden ebenfalls mit Trainings begleitet. Hinter der Bildungsoffensive steckt auch die Einsicht in die Kraft der Fakten. Wie die Fink-Studie zeigt: Die Firmen wünschen Hilfe bei der Umsetzung von Konzepten, die ihnen die Consultants anempfehlen. Sie wollen sich aber einen teuren Topberater wie McKinsey über Monate nicht leisten. Mit dem Trainingstrick macht die Firma Scharen spezialisierter Umsetzungsberater überflüssig – die Konkurrenten schäumen. Nebenbei kann sie ein bisschen Schulgeld verdienen; bei größeren Gruppen werden 1500 Euro pro Person und Tag berechnet. Und sie kann die Kunden enger an sich binden, vor allem auf den unteren Hierarchiestufen, wo die Meckies bislang eher gemieden wurden. Die Paukidee, die in den McKinseyKöpfen seit anderthalb Jahren spukt, ist Teil eines internen Strategieprozesses, den Weltchef Dominic Barton (48) gestartet hat. Der wichtige deutsche Be-
Unternehmen Berater
ratermarkt ist häufig das Experimentierfeld: Was sich hier, im Wirkungskreis von Deutschland-Chef Frank Mattern (49), bewährt, wird dann später auch in Asien oder Amerika eingeführt. McKinsey prüft nicht nur neue Geschäftsideen. Die Berater gehen auch neue Bündnisse ein, um so auf Umwegen mitzuverdienen: Mit dem Marktforscher Nielsen haben sie ein Joint Venture gegründet, das Unternehmen bei der Nutzung sozialer Medien wie Facebook hilft; in Frankreich liieren sie sich mit einer Firma, die sich auf den öffentlichen Sektor spezialisiert hat – solo bliebe den angelsächsisch geprägten Meckies dieses Geschäftsfeld wohl verschlossen. Jetzt entwickelt McKinsey auch noch ein neues Karrieremodell. Bis zu drei Monate im Jahr können sich Berater fortan freinehmen, bei entsprechenden Gehaltsabschlägen. Die Zeit sollen sie, wie es heißt, „zur Typbildung“ nutzen, zur Stärkung ihrer Persönlichkeit. McKinsey will den fatalen Trend stoppen, dass nach wenigen Jahren Betriebszugehörigkeit sämtliche Individualität abgeschliffen wird und sich uniforme Ratgebertruppen herausbilden – die auch Anzüge derselben Farbe tragen. Klar, dass eine solche Neuerung intern heiß umstritten ist. Vielen Altgedienten, die sich seit eh und je nur über ihren Job definieren, klingt das doch zu sehr nach „Weichei“. Auch stellen einige Fragen existenzieller Natur wie diese: „Ist das dann eigentlich noch unsere Firma?“ Gute Frage. Leicht verstört berichten Klienten, man habe neulich doch glatt McKinsey-Berater in Jeans und T-Shirt gesichtet.
2. BOSTON CONSULTING: DER PREIS DES WACHSTUMS Man kann nicht behaupten, der Firma BCG ginge es schlecht. Seit Jahren erfreut sie sich einer vielknospigen Blüte; sogar in der vergangenen Krise konnten die Berater ihren Umsatz steigern, als einer der wenigen großen Spieler. Weltchef Hans-Paul Bürkner (58) hat seine Mannschaft auf Wachstum eingeschworen. In immer neue Geschäfte dringt das Unternehmen vor. „Um unseren Anspruch als Marktführer der strategischen Beratung zu erneuern und zu stärken, addieren wir regelmäßig Kompetenzfelder hinzu“, sagt DeutschlandChef Christian Veith (52), als handele es
Die Suche nach der verlorenen Strategie Während in der Krise in erster Linie Sanierungsrat gefragt war, wollen die Unternehmen nun vor allem Hilfe bei strategischer Planung und M & A. 53 Prozent der befragten Vorstände planen, bis 2013 mehr für M & A-Projekte auszugeben. BCG führt das Strategieranking an, McKinsey liegt bei M & A vorn. Domäne der Wirtschaftsprüfer ist das Finanz- und Risikomanagement.
Wer aus Sicht der Kunden in den wichtigsten Beratungsfeldern kompetent ist*
Veränderung ggü. 2009 in Punkten
Strategische Planung
Veränderung ggü. 2009 in Punkten
Marketing und Vertrieb
1 Boston Consulting
421
7
1 Simon Kucher
389
2 McKinsey
417
6
2 Boston Consulting
387
399
3 Bain
372
4 Roland Berger
354
5 Booz
**
+9 +12
372
+3
3 McKinsey
+2
4 Bain
349
+3
+1
5 Roland Berger
346
+12
250
250
Innovation
M & A-Strategie 380
1 McKinsey
9
2 Bain
379
+14
3 Boston Consulting
375
6
330
+2
325
7
4 A. T. Kearney 5 Roland Berger
1 Boston Consulting
+10 +12
354
3 Booz
346
2
4 McKinsey
341
+11
340
+9
5 A. T. Kearney
250
250
Post-Merger-Integration
Finanz- und Risikomanagement 382
1 McKinsey 2 Boston Consulting
373
+4
1 KPMG
413
+1
2 PwC
408
3 Deloitte
403
4 Ernst & Young
400
3 Roland Berger
348
+7
4 A. T. Kearney
346
+10
329
5 Booz
376
2 Arthur D. Little
+7
Sanierung / Restrukturierung 401 390
2 Roland Berger
376
3 Boston Consulting
12
250
Organisation / Führung 1 McKinsey
392
5 McKinsey
250
8
1 Roland Berger
7
2 McKinsey
4
3 KPMG 4 PwC
4 Booz
368
8
5 Bain
365
+6
397 388
8 8
365 350
5 Boston Consulting
338
6
250
250
Operations-Management 1 A. T. Kearney
390
2 McKinsey
385
+9
3 Management Engineers
380
+21
4 Roland Berger
369
5 Deloitte
364 250
+6
+8 *Punkte auf einer Skala von 100 (sehr gering) bis 500 (sehr hoch). **Kein Vergleich zum Vorjahr möglich. Quelle: WGMB, Prof. Fink Grafik: manager magazin
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Unternehmen Berater
Dolce Vita Die Schliche der Topberater – ohne Anspruch auf Vollständigkeit AUSGANGSLAGE
Die großen Konzerne schließen mit den Beratungsfirmen Rahmenverträge ab, meist 50 bis 60 Seiten starke Regelwerke. Dort wird genau festgelegt, ab welchem Projektvolumen wie viel bezahlt wird. Solche Knebelabkommen drücken die Honorare. Seit der Krise sind sie im Topsegment der Dax-Liga um 15 bis 20 Prozent gesunken. Für einen Juniorberater (ein bis zwei Jahre Erfahrung) werden im Schnitt 1000 Euro am Tag bezahlt, ein klassischer Berater (zwei bis fünf Jahre) ist dotiert mit 2000 Euro, ein sogenannter Engagement Manager (bis sechs Jahre) liegt bei 3000 bis 4000 Euro. Bei Seniorpartnern oder Direktoren sind die Preise stabil; dort werden 5000 bis 10 000 Euro berechnet, je nach Guru-Status. GEGENREAKTIONEN
Zum einen weichen die Berater auf spendable und naive Kundengruppen aus. Zum Beispiel auf Landesbanken, die mit dem Geld der Steuerzahler prassen. Oder auf Mittelständler: Dort werden Projekte meist mit dem Chef persönlich vereinbart, für den spielt der Preis nur eine untergeordnete Rolle. Die andere Möglichkeit, auf die einzelne Consultingfirmen verfallen: Man hebelt die Rahmenverträge mit allerlei Tricks aus. Trick 1: Das Partner-Cloning, auch als „doppeltes Lottchen“ bekannt. Partner werden mehrfach verkauft. Sie berechnen für ein Projekt in der Regel 30 Prozent ihrer Arbeitszeit, betreuen aber nicht drei, sondern manchmal acht oder neun Projekte gleichzeitig. Je seniorer ein Partner, umso öfter wird er auf Kunden verteilt, weil das bei einem Tagessatz von 5000 Euro richtig Geld bringt. Trick 2: Das virtuelle Upgrading. Eine besonders perfide Nummer: Erfahrung wird nur vorgetäuscht. Aus dem Praktikanten wird ein Juniorberater, aus einem Analysten ein Berater. Wer ein paar Wochen in einer Branche hospitiert hat, gilt bereits als Experte, Sabbaticals werden schon mal verschwiegen. Pfiffige Klienten las30
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sen sich zwar die Vita des eingekauften Beraters zeigen. Es hilft nur nichts: „Manche haben zehn verschiedene Lebensläufe“, sagt ein Beratungsexperte. Deshalb gibt es auf den Visitenkarten der meisten Berater auch keine Titel, jedenfalls so lange, bis sie Partner sind. Der Kompetenztrick bringt gerade junge Consultants in Gewissenskonflikte: Sie werden dem Kunden als Projektleiter offeriert, sind es aber noch gar nicht. Trick 3: Das Offshoring. Man holt billige Juniorberater aus dem Ausland in Projekte und vermietet sie zu Toptarifen. Im Branchensprech wird diese Praxis als „Rent an Inder“ oder „Rent a Russian“ bezeichnet. Vor allem in Deutschland und der Schweiz, wo die Tagessätze vergleichsweise üppig sind, rentiert sich der Einsatz der Billigjobber. Die Masche fällt selten auf, in den meisten Rahmenverträgen sind keine landesspezifischen Honorare vereinbart. Trick 4: Das Outsourcing. Ehemalige Berater, in Ehren ergraut, werden als Projektleiter oder Senior Advisor eingesetzt. Die Leiharbeiter, die den Kunden mit Erfahrung beeindrucken, kosten nicht viel und sind flexibel. Bricht das Geschäft ein, bleiben die Freelancer einfach zu Hause. Trick 5: Das Phasing-in. Der Projektleiter kommt erst nach dem Start des Projekts und wird früher abgezogen, weil er schon beim nächsten Kunden gebucht ist. WAS TUN?
Der professionelle Kunde misst die Anwesenheit, lässt die eigenen Leute im Projektteam die Einsatzzeiten der Externen notieren. Er ordert die Lebensläufe, mit denen sich die Berater einstmals bei ihrer Firma beworben haben, die bieten noch den größten Wahrheitsgehalt. Er holt sich Referenzen von anderen Unternehmen, legt Namensdatenbanken an – mit Stärken, Schwächen und Schrullen. Bei Beratern besonders gefürchtet: Volkswagen, Telekom, Daimler, BASF.
sich um das Aufsummieren des griechischen Haushaltsdefizits: Pricing plus Sourcing plus IT plus HR plus Corporate Finance plus ... Einst hatte BCG die reine Strategieberatung gleichsam erfunden, also das Entwickeln intelligenter, visionärer Konzepte für die Beletage der Wirtschaft; mittlerweile machen die Bostoner den Großteil ihres Geschäfts mit operativen Themen, „downstream“, wie die Berater sagen – und treten in Konkurrenz zu Dienstleistungskonzernen wie Accenture oder Wirtschaftsprüfern. Die Taktik rächt sich jetzt. Wer zu schnell wächst, verliert auch schnell sein Profil. Die Fink-Studie legt den Verdacht nahe: Die Marke BCG hat an Strahlkraft verloren. In vielen Know-how-Disziplinen verzeichnen die Bostoner deutliche Rückgänge gegenüber 2009, etwa bei methodischen Kenntnissen, als Vordenker oder bei der Kommunikationsfähigkeit (siehe Grafiken Seite 32). Und die Kunden haben kein einheitliches Bild mehr von BCG. Viele fühlen sich gut beraten, aber viele sind auch maßlos enttäuscht – je nachdem an welchen Berater sie geraten sind. Mathematiker bezeichnen dieses Phänomen als Standardabweichung. Diese Maßzahl ist bei BCG drastisch gestiegen und die höchste unter den großen Konkurrenten; 2009 hatte die Firma noch mit der niedrigsten geglänzt. Herr Veith, hat BCG ein Qualitätsproblem? „Offensichtlich“ sei das „nicht der Fall“, sagt er. „Überhaupt nicht“ sehe er das. Das Ergebnis eigener Befragungen sei vielmehr: „Unsere Kunden sind sehr zufrieden mit unserer Arbeit.“ Viele frühere Leistungsträger können das positive Urteil nicht teilen. In den vergangenen Jahren haben Leiter wichtiger Praxisgruppen BCG den Rücken gekehrt: erst der Industriemann Armin Schmiedeberg, dann Gunther Schwarz (Versicherungen) und erst kürzlich Walter Sinn, der deutsche Banken beriet. Sie alle zog es zu Bain. Um die Lücken zu schließen und das rasante Wachstum zu sichern, bedient BCG sich mittlerweile bei vielen Wettbewerbern. Manche Neulinge haben eine regelrechte Laptop-Odyssee hinter sich. Wie Ingo Wagner, der nun die Versicherungssparte leitet: drei Jahre Ber-
Unternehmen Berater
3. ROLAND BERGER: DAS SCHWIERIGE SOLO Das gescheiterte Bündnis mit dem Wirtschaftsprüfer Deloitte hatte für Transparenzfanatiker ein Gutes. Seit jenen turbulenten Herbsttagen anno 2010 ist glasklar: Die Beratungsfirma Roland Berger ist in wichtigen Auslandsregionen wie den USA nur spärlich vertreten – Deloitte hätte diese Schwächen ausgeglichen. Nun muss Berger allein klarkommen. Auf dem Partnermeeting Anfang Juli im Stockholmer „Sheraton“-Hotel wurde die Stand-alone-Strategie abgesegnet. Die Partner geben bis zu 50 Millionen Euro, Gründer Roland Berger (73) weitere 50, um das Auslandsgeschäft anzukurbeln. Ein mutiger Schritt, zu dem es im zunehmend globalen Business allerdings keine Alternative gibt. Der Neustart zog sich über Monate hin, die Partner wurden ungeduldig, zu jedem Kündigungstermin sorgte sich die Unternehmensführung, ob alle dabei bleiben würden. Selbst der Rücktritt von Berger-Chef Martin Wittig (47) und Oberkontrolleur Burkhard Schwenker (53) schien möglich; am Ende stimmten 95 Prozent zu, was so ziemlich das Gegenteil von Spitz auf Knopf ist. Roland Berger, der einst den DeloitteDeal in letzter Minute gekippt hatte, stellte Bedingungen für seine Kapitalhilfe: Er wollte wissen, wie genau es mit der Firma weitergeht; und er bestand darauf, dass sich die Führungsspitze angemessen beteiligt, erst dann wollte er zahlen. Schwenker, Wittig und der langjährige Vorstand António Bernardo (51) sicherten zu, gemeinsam rund 10 bis 15 Millionen Euro einzuschießen – der Namensgeber und Ehrenvorsitzende war zufrieden.
„Enormes Potenzial“ Beratungsexperte Fink über die Zukunft der Branche Herr Fink, die Unternehmensberater erfreuen sich glänzender Geschäfte. Ist die Krise vorbei?
FINK In der Tat hat sich der Markt gut erholt. Ich rechne für die Branche in diesem Jahr mit einem Umsatzplus im niedrigen zweistelligen Bereich. Das heißt allerdings nur, dass die schwierigen Jahre 2009 und 2010 wieder halbwegs wettgemacht sind. Es ist ein Aufholprozess – mehr noch nicht. Nach wie vor steht die Branche vor großen strukturellen Herausforderungen. Vor welchen?
FINK Das traditionelle Geschäftsmodell der klassischen Strategieberater stößt an seine Grenzen. Die großen Berater müssen es über kurz oder lang grundlegend verändern, sonst bekommen sie Probleme. Was sollten die Consultants tun?
FINK Die großen Managementberater stehen vor einer grundsätzlichen Entscheidung: immer weiter wachsen oder fokussieren und rückbesinnen auf die alten Tugenden. Wer sich für Wachstum entscheidet, muss früher oder später von den traditionellen Organisationsstrukturen abrücken. Ab einer gewissen Größe muss es zum Beispiel auch eine Ebene von angestellten, preisgünstigeren Beratern geben, die nicht automatisch zum Partner aufsteigen. Nur so können die etablierten Consultingfirmen in immer neue Ge-
Die Methode Wie das Ranking ermittelt wird
Die Befragung: Professor Dietmar Fink, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensberatung und -entwicklung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, hat 452 Führungskräfte zur Reputation von Consultants befragt: Vorstände und Geschäftsführer, Budgetverantwortliche und Projektleiter. Die Teilnehmer kommen aus Großunternehmen mit mindestens einer Milliarde Euro Jahres-
FOTO: WOLFGANG VON BRAUCHITSCH
ger, drei Jahre Ernst & Young, vier Jahre A. T. Kearney, acht Jahre Bain – und jetzt eben BCG. Mithilfe zweier Ex-Berger-Partner haben die Bostoner eine Sanierungssparte aufgebaut („BCG Restrukturierung“), was von vielen als Versuch gewertet wird, auch dort noch ein paar Millionen abzugreifen. Die interne Kundenliste taugt jedenfalls kaum als Referenz für einen Topberater: Garbe-Group, NordHolding – und auch das größte Schweizer Säge- und Hobelwerk gehört dazu, vermeldet stolz „das Holz-Team“.
Stresstest: Professor Dietmar Fink
schäftsfelder vordringen, um ihre Wachstumsziele zu erreichen. Dort müssen sie sich häufig gegen völlig neue Wettbewerber behaupten, gegen Dienstleistungskonzerne wie Accenture oder die großen Wirtschaftsprüfer. Und das ist nicht einfach. Denn die Konkurrenz kann ihre Leistungen oft deutlich billiger anbieten – und das auf einem sehr hohen Qualitätsniveau. Sie haben in Ihrer Studie zum ersten Mal auch die Beratungssparten der vier WP-Kolosse KPMG, PwC, Ernst & Young und Deloitte analysiert. Wie groß ist die Gefahr für die Etablierten?
FINK Die Wirtschaftsprüfer sind bisher nur in ihrer Paradedisziplin, dem Finanz- und Risikomanagement, richtig stark. Aber das wird nicht so bleiben, das Potenzial der Big Four im Beratungsgeschäft ist enorm. Sie können aus ihren starken Marken und ihrer globalen Infrastruktur noch eine Menge Geschäft generieren und den klassischen Beratern richtig weh tun. ◆ umsatz. Die Aktion lief von Februar bis Juni dieses Jahres. Die Bewertung: Verglichen wurden die wichtigsten Managementberatungen Deutschlands und die Beratungssparten der vier großen WP-Konzerne. Fink misst die von den Kunden wahrgenommene Kompetenz. Er bildet Rankings, indem er Rating-Skalen in ein Punktesystem (von 100 bis 500) umrechnet. Bei geringen Abständen sind lediglich Tendenzaussagen möglich. Nähere Informationen zur Studie unter:
[email protected] manager magazin 8/2011
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Unternehmen Berater
Das Geld dient auch dazu, die Bankschulden zurückzuzahlen. Seitdem die Partner die Firma 1998 von der Deutschen Bank zurückkauften, stottern sie den Kaufpreis ab – 40 Millionen Euro stehen noch zu Buche. Die werden nun umgeschuldet, in Mezzanine-Kapital der Partner umgewandelt, das mit üppigen 8 Prozent über Euribor bedient wird. „Wir zahlen lieber Dividenden an unsere Partner als Zinsen an die Banken“, sagt CEO Wittig. Die sogenannten B-Shares wird Berger aber immer noch nicht glattstellen. Das sind stimmrechtslose Anteile von Seniorpartnern aufgrund einer früheren Bürgschaft (Volumen: 125 Millionen Euro). Etwa die Hälfte der Anspruchsberechtigten hat das Unternehmen bereits verlassen. Über die Modalitäten der Rückzahlung gibt es seit Jahren heftigen Streit; nun muss Berger – die Firma hält ihre Rechtsposition für unangreifbar – mit einer Sammelklage der Ehemaligen rechnen. Nicht gerade als Beitrag zum Wohlfühlklima taugt auch die Tatsache, dass die Gewinne niedriger ausfallen, „plangemäß“, wie es heißt – um ein Drittel, schätzen Insider. Die Expansion kostet nun mal Geld, ein beträchtliches Sümmchen ist auch schon investiert worden, zum Beispiel in Schweden und in Singapur. Jetzt will Berger in den USA angreifen, das Geschäft mit Finanzdienstleistungen und Pharma aufbauen sowie das bestehende Business in Branchen wie Energie und Maschinenbau erweitern. In Guangzhou wird demnächst ein weiteres China-Büro eröffnet; zudem prüfen Wittig & Co. den Markteintritt in Indonesien und Vietnam. Ob das Kalkül aufgeht, ist längst nicht ausgemacht. Falls sich Berger übernimmt und die Solostrategie scheitert, landet die Firma irgendwann doch bei einem WP-Giganten. Der Gesprächsfaden zu Deloitte ist jedenfalls nicht abgerissen. Auch andere Wirtschaftsprüfer sind intensiv auf der Suche nach attraktiven Kaufgelegenheiten. PricewaterhouseCoopers übernimmt demnächst den Spezialberater PRTM, nur die Kartellbehörden und die SEC müssen noch zustimmen. KPMG, so berichten Branchenkenner, habe ebenfalls eine Managementberatung im Visier. 32
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Wissen ist Macht McKinsey besetzt dreimal Platz eins, sonst gibt es nur wechselnde Sieger. Eine stark wachsende Bedeutung hat das Vordenkertum. BCG führt, verliert aber deutlich an Boden, wie auch in vielen anderen Know-how-Disziplinen. Alle Berater sind, was Wunder, nach wie vor zu teuer aus Kundensicht. Das gilt auch für die zum ersten Mal einbezogenen Consultingsparten der Wirtschaftsprüfer.
Wie die Kunden die Fähigkeiten ihrer Berater einschätzen*
Veränderung ggü. 2009 in Punkten
Preisniveau
Veränderung ggü. 2009 in Punkten
Methodische Kenntnisse
1 Ernst & Young
293
2 KPMG
286
2 Boston Consulting
3 PwC
284
3 Bain
**
437 4
1 McKinsey
4 Simon Kucher
263
4 Roland Berger
5 Deloitte
257
5 Booz
250
406 398 385 367
27 +18 8 +6
250
Teamfähigkeit
Marktkenntnisse 1 McKinsey
401 396
2 Boston Consulting 3 Roland Berger
367 355
4 Bain
346
5 Booz
+4
1 PwC
+6
2 KPMG
6
388 379
4 Ernst & Young
7
5 Oliver Wyman
+7
366
3 Booz
+7
352 342
+15
250
250
Kommunikationsfähigkeit
Vordenkertum 1 Boston Consulting
394
25
2 McKinsey
391
8
3 Roland Berger
375
+19
4 Bain
369
+4
328
5 Booz
+10
1 Booz
355
2 Roland Berger
3 11
334
3 Boston Consulting
332
34
4 Management Engineers
330
+2
5 McKinsey
329
+1
250
250
Umsetzungsfähigkeit
Fachwissen 403
1 McKinsey
+4
385
2 PwC
378
3 KPMG
374
4 Boston Consulting
363
5 Roland Berger
1 Management Engineers
388 +14
2 Roland Berger
385
3 Oliver Wyman
+40 +4
18
4 A. T. Kearney
338
18
5 PwC
331
250
*Punkte auf einer Skala von 100 (sehr gering) bis 500 (sehr hoch). **Kein Vergleich zum Vorjahr möglich.
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250
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EINE VISIONÄRIN, DIE BEWAHREN WILL. NACHHALTIGE MOBILITÄT. FÜR UNS DER NÄCHSTE SCHRITT.
Wenn Simone Lempa Kindler ihre Arbeit macht, versucht sie stets, die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Als Spezialistin für Nachhaltigkeit in der Entwicklung arbeitet sie an außergewöhnlichen Maßnahmen, die die Ökobilanz unserer Fahrzeuge immer weiter verbessern. Das können Teile aus nachwachsenden Rohsto̓en sein, oder eine Produktion, die mit regenerati ven Energien betrieben wird. Und natürlich Fahrzeuge, die Fahrspaß mit einem guten Gewissen verbinden, wie die Elektrofahrzeuge von BMW i, an deren Realisierung Simone Lempa Kindler maßgeblich beteiligt ist. So kann sie sicherstellen, dass auch die Umwelt etwas von der Freude am Fahren hat. Erfahren Sie mehr auf
www.bmwgroup.com/whatsnext
4. DIE KRITISCHEN KUNDEN: WIR BERATEN UNS SELBST! Experimente mit neuen Geschäftsmodellen, bedrohte Marken, Internationalisierungszwang und Fusionspläne: Dass sich der Markt so rasant wandelt, liegt – nicht zuletzt – an den Kunden. In den vergangenen Jahren haben viele Konzerne ihre sogenannten InhouseAbteilungen massiv aufgestockt. In Netzwerken tauschen Dax-Größen wie Bayer, Eon, Deutsche Bank oder Deutsche Post ihre Erfahrungen aus und entwickeln gemeinsame Strategien, wie sie den Externen noch mehr Geschäft abringen können. Richten wir einmal den Außenspiegel nach Wolfsburg. Als „Denk- und Umsetzungspartner“ für das Management verstehen sich die mittlerweile 90 Mitarbeiter von Volkswagen Consulting. Nach der Gründung 1999 wurden sie von den etablierten Beratungsfirmen lange Zeit nicht ernst genommen. Bis VW seinen Ratgebern vor drei Jahren einen Strategieschwenk verordnete. „Wir sind größer geworden, können hochklassiges Personal von anderen Beratungsfirmen für uns gewinnen, sind enger mit den Fachbereichen und Werken vernetzt“, sagt Sania de Miroschedji (39); der ehemalige Booz-Berater führt die Geschäfte der VW-Tochter seit zwei Jahren. Dem Tempo, mit dem VW-Chef Martin Winterkorn (64) den Konzern an die Weltspitze steuert, müssen auch die Hausberater folgen: Sie entwickeln Wachstumsstrategien, optimieren Prozesse, verbessern Arbeitsabläufe im Controlling und Rechnungswesen. Ihr Vorteil, so de Miroschedji, sei das tiefe Kfz-Know-how: „Wir denken Auto.“ Zudem kennen die Inhouse-Leute die komplexen Hierarchien bei VW, erzielen deshalb viel schneller greifbare Ergebnisse in ihren Projekten: „Externe Berater brauchen oft vier bis acht Wochen, bis sie die Strukturen eines Großkonzerns wie Volkswagen verstehen.“ Nicht dass die auswärtigen Einflüsterer überhaupt nicht mehr gebraucht würden. Für Benchmark-Vergleiche und fremde Regionen der großen weiten Autowelt seien sie dank ihrer Marktkenntnisse durchaus hilfreich. Fragt sich nur, wie lange noch. Dietmar Student 34
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FOTO: DIRK BRUNIECKI FÜR MANAGER MAGAZIN
Unternehmen Berater
Ungewöhnliche Positionierung: Consultants Stefan Sanktjohanser, Stephan Goetz
Käufe & Konzepte Das hybride Geschäftsmodell der Beratung Goetzpartners
Dealmaker: Es ist ein Sujet, in das man nicht alle Tage involviert ist. Der Deal, bei dem Stephan Goetz (55), Gründer der Beratungsgesellschaft Goetzpartners, nun schon seit geraumer Zeit assistiert, ist einer von der spektakulären Sorte: Die Deutsche Bank verhandelt mit dem Finanzinvestor RHJ International exklusiv über den Verkauf der BHF-Bank. Hier sind mithin klingende Namen im Spiel – und wohl 500 Millionen Euro. Derlei Portfolioveränderungen sind der eine Teil des Geschäfts von Goetzpartners. Ein lukrativer zweifelsohne. Denn in vielen Unternehmen wächst der Druck, Randbereiche abzugeben – und neue Aktiva einzukaufen. „Die Anzahl der Deals, die eine Firma heutzutage machen muss, um global wettbewerbsfähig zu sein, steigt dramatisch“, sagt Goetz, der in einer schmucken Büroetage in der Münchener Prinzregentenstraße residiert. Der Namensgeber leitet die Corporate-FinanceSparte, zu der auch das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen, neudeutsch: M&A, gehört. Doppelter Aufschlag: Des Business
zweiter Teil ist die herkömmliche Unternehmensberatung. Hier wächst mithin zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört:
Investmentbanking und Consulting. Der doppelte Aufschlag ist eine Reaktion auf die offenkundigen Schwächen der einzelnen Angebote. Denn ein Investmentbanker hat immer den Abschluss vor Augen – nur dann verdient er seine Gebühren. Ein Unternehmensberater hingegen ist eher bestrebt, die Geschäfte seines Kunden organisch weiterzuentwickeln – so sichert und verstetigt er seine Honorare. Hehre Ziele: Die Wachstumspläne sind ambitioniert. Mit 200 Leuten erzielt Goetzpartners derzeit rund 50 Millionen Euro Jahresumsatz und gehört damit eher zu den Hidden Champions der Zunft. In drei bis vier Jahren sollen sich die Erlöse verdoppeln. Die Kunst besteht darin, unterschiedliche Attitüden zu vereinen. Die Firma beschäftigt wuselige Banker vom Schlage Lazard und Goldman Sachs ebenso wie traditionelle Consultants, die von McKinsey, Bain und Roland Berger emigriert sind. „Man muss in der Spitze Verständnis für beide Kulturen entwickeln“, sagt Stefan Sanktjohanser (52), Chef der Unternehmensberatungssparte. Neue Struktur: Die Firma gehört bisher
einem Gesellschaftertrio: Neben Goetz und Sanktjohanser hält noch der ExBerger-Berater und Corporate-FinanceMann Gernot Wunderle (45) Anteile. Künftig soll der Eignerkreis erweitert werden. Am Ende wird ein Partnermodell stehen, so wie es Wettbewerber auch haben. Klar ist: Ohne dass die Last auf viele Schultern verteilt wird, ist das geplante Wachstum kaum realisierbar.
WENN EIN RIESE ERWACHT, SOLLTE MAN GUT AUFS FRÜHSTÜCK VORBEREITET SEIN.
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Unternehmen Marseille-Kliniken
Der Rechtspfleger MARSEILLE-KLINIKEN Der exzentrische Chef
polarisiert und prozessiert, wo er nur kann. Die Firma leidet unter Filz und Fluktuation.
Marseille-Kliniken AG in Zahlen Aktienkurs in Euro 18 16 14 12 10 8 6 4 2005
2011
Geschäftsentwicklung in Millionen Euro 250
Umsatz
225 200 25
Jahresüberschuss
0
2005/06*
2009/10*
*Geschäftsjahr jeweils 1. Juli bis 30. Juni. Quelle: Thomson Reuters Datastream, Grafik: manager magazin Marseille-Kliniken AG
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lrich Marseille (55) hat zwei große Leidenschaften: die Fliegerei und die Juristerei. Einen Pilotenschein besitzt er. Weniger gut ist es um seinen rechtswissenschaftlichen Abschluss bestellt. Vom Staatsexamen wurde er wegen Täuschungsversuchs ausgeschlossen. Trotzdem – oder gerade deswegen – scheint sich der Großaktionär und Vorstandsvorsitzende des Pflegeheimbetreibers Marseille-Kliniken AG für einen der größten lebenden Experten auf dem Gebiet der Prozessführung zu halten. Er beschäftigt die Gerichte reihum, seine Firma streitet sich hie mit Geschäftspartnern und da mit ehemaligen Managern. Schuld oder unrecht haben in seiner Wahrnehmung immer die anderen. Dass er dennoch vor dem Kadi oft verliert, ändert daran nichts. Sogar gegen ein Bußgeld von 40 Euro wegen Handybenutzung beim Autofahren ging er an: Er habe nicht telefoniert, sondern sich rasiert. Weil ihm der Amtsrichter nicht glaubte, zog Marseille seinen Einspruch zurück. Um weit mehr als eine Bagatelle ging es in einem Strafprozess in Sachsen-Anhalt. Marseille wurde wegen Bestechung einer Krankenkassengutachterin, die Expertisen zu den Pflegestufen seiner Heimbewohner abgab, vom Landgericht Halle zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Wenig überraschend legte er Revision ein, doch die hat das Oberlandesgericht Naumburg im Juli verworfen. In einem zweiten Strafverfahren wartet er auf den Ausgang der Revision.
U
Fürsorgefall
Ebenfalls das Landgericht Halle hat ihn wegen versuchter Anstiftung eines Zeugen zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einem Jahr Haft auf Bewährung und zur Zahlung von sechs Millionen Euro an die Staatskasse verurteilt. All die Rechtshändel kosten viel Geld – ihn persönlich und das Unternehmen. Marseille-Kliniken musste allein im Geschäftsjahr 2009/10 fast acht Millionen Euro Rechts-, Beratungs- und Prozesskosten bezahlen – Mittel, die an anderer Stelle dringend gebraucht worden wären. Die Firma mit 241 Millionen Euro Umsatz hat operative wie finanzielle Probleme. Das Altenheimgeschäft dümpelt vor sich hin; die Banken haben die Kontokorrentkredite total heruntergefahren. Die Hamburger Hauptverwaltung wird von einer exorbitanten Fluktuation belastet. Ehemalige Mitarbeiter berichten, dass jährlich nahezu die Hälfte der etwa 100 Stellen neu besetzt werden müsse. Ulrich Marseille räumt ein, dass es im letzten Kalenderjahr 42 Eintritte und 83 Austritte gab; die Verwaltung sei „unnötig aufgebläht“ gewesen, und es habe Umstrukturierungen gegeben. Seit 2008 sind vier Vorstände gegangen und sechs gekommen. Einer blieb nur ein Vierteljahr. Die Wechselrate hängt anscheinend auch mit Marseilles rüdem Benehmen zusammen. Ein Schulpsychologe würde vielleicht sagen: Ulrich ist verhaltensauffällig. Frühere Mitarbeiter drücken sich krasser aus: Marseille macht krank. Zudem wird das Vertrauen in die Gesellschaft durch zahlreiche Geschäfte
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Lieblingsplatz Gerichtssaal: Ulrich Marseille im April 2010 in Halle
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Unternehmen Marseille-Kliniken
Family & Friends
Vorstandsvorsitzender, Aufsichtsrätin: Ulrich Marseille leitet seit 2010 das Unternehmen, Ehefrau Estella-Maria soll ihn kontrollieren
Stellvertretender Aufsichtsratschef: Hans-Hermann Tiedje sagt, er sei Marseilles „einziger Buddy“ im Kontrollgremium
mit dem Haupteigner und seiner Ehefrau gestört: Darlehen und Forderungen an die Marseilles und deren private Firmen sowie allerlei Deals und Verträge, von denen einige den Verdacht nähren, der Unternehmer selbst und seine Gattin, die Rechtsanwältin und Marseille-Aufsichtsrätin Estella-Maria Marseille (42), profitierten von ihnen. Frau Marseille hat der Firma im Geschäftsjahr 2009/10 für Beratung 654 000 Euro berechnet. Fast überflüssig zu erwähnen, dass das – neben der Prozessiererei – zweite große Hobby Marseilles teils auf Unternehmenskosten geht. Marseille-Kliniken hat eine zweistrahlige Cessna Citation für bis zu 450 Flugstunden pro Jahr angemietet – von einer Firma des Großaktionärs, der auch meist selbst fliegt. Im Geschäftsjahr 2009/2010 seien aber nur 33 Stunden angefallen, teilt Marseille mit. Bei einer solch geringen Nutzung fragt sich, warum die AG hierfür zuletzt Rückstellungen von 240 000 Euro gebildet hat. Die Vermischung von Privat- und Unternehmenssphäre würde außer dem Finanzamt kaum jemanden interessieren – wenn den Marseilles die Gesellschaft allein gehörte. Doch das Ehepaar besitzt nur gut 60 Prozent. Knapp 40 Prozent der Anteile gehören größtenteils bedauernswerten Kleinaktionären, die all die Eskapaden mitbezahlen. Lange Zeit war es relativ ruhig um die Firma gewesen. Ende 1999 hatte sich der 38
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Der Großaktionär der Marseille-Kliniken und seine Getreuen
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Mitglied des Aufsichtsrats: Der frühere ArcandorChef Thomas Middelhoff empfahl Vorstand Stefan Herzberg
exzentrische Unternehmer vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat zurückgezogen. Es folgten zwei Kurzzeitchefs, Peter Wichelhaus (62; Amtszeit fünf Monate) und Wilhelm Hecker (59; zwei Jahre), mit denen Marseille sich anschließend – was sonst? – gerichtlich auseinandersetzte und unterlag. 2002 bekam Finanzvorstand Axel Hölzer (48), ein langjähriger Vertrauter Marseilles, den Spitzenjob. Kurz zuvor war der Firmensitz, nicht aber die Hauptverwaltung, nach Berlin verlegt worden. Dort finden Gremiensitzungen oder Besprechungen mit Geschäftspartnern statt. Viel Leben treffen Besucher in der gut 300 Quadratmeter messenden Büroetage meist nicht an. Außerhalb von Veranstaltungen arbeiten dort nach Firmenangaben nur „ein bis drei Personen“. Doch mit der Ummeldung entkam die Gesellschaft der Hamburger Finanzbehörde, deren Beamte nicht gut auf Marseille zu sprechen waren. NUN ALSO EIN NEUBEGINN. Hölzer schien gut auszukommen mit seinem Herrn. Die Geschäfte freilich liefen meist nicht toll, und das hat sich bis heute kaum geändert. Die Auslastung der Altenheime ist zwar mit gut 87 Prozent im Branchenschnitt nicht übel. Doch von den 60 Häusern drücken einige mit miserablen Zahlen das Ergebnis. Sechs Heime etwa sind zu weniger als 75 Prozent belegt.
Völlig in die Irre ging der Plan, in Berlin-Kreuzberg ein Zweisternehaus nur für türkische Senioren zu betreiben. Der Minderheitspartner bei diesem Objekt, die türkische Gemeinde zu Berlin, hätte wissen müssen, dass es in ihren Familien als schändlich gilt, Alte ins Heim abzuschieben. Die etwa 150 Betten sind gerade einmal zur Hälfte belegt. Dank der Erkenntnis, dass in der Hauptstadt auch viele Russen leben, will Marseille nun verstärkt in dieser Landsmannschaft akquirieren. Auch sonst war die Geschäftspolitik von Versuch und Irrtum geprägt. Die Expansion in den Bereich Rehabilitation wurde 2010 mit dem Verkauf der mühsam sanierten Sparte aufgegeben. Nicht über ein einziges Objekt hinaus kam der Plan, in großem Stil Akutkrankenhäuser zu betreiben. Das 2006 übernommene St.-Nikolaus-Hospital im westfälischen Büren ging in die Insolvenz. Zusätzliche Kliniken hatte der 2008 für den Aufbau dieses Bereichs eingestellte Vorstand, der Mediziner Peter Paul Gardosch von Krosigk (52), nicht akquirieren können. Keine privatisierungswillige Kommune wollte ihr Krankenhaus an einen No Name auf diesem Gebiet abgeben. Gardosch schied nach Ablauf seines Jahresvertrags aus. Ganz und gar exotisch ein Ausflug nach Afrika: Mit dem winzigen, aber durch Ölfunde reich gewordenen Staat Äquatorialguinea schloss die Firma im April 2010 einen Fünfjahresvertrag zum Betrieb einer Klinik. Ulrich Marseille schien ein gutes Verhältnis mit dem Staatspräsidenten Teodoro Obiang Nguema Mbasogo (69) zu verbinden – einem Despoten, der 1979 gegen seinen Vorgänger und Onkel geputscht und ihn hatte hinrichten lassen. Im Juni 2010 war das Ehepaar Marseille sogar zum Präsidentengeburtstag eingeladen und ließ sich vom ehemaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (84) begleiten. Mit dem pflegt Marseille angeblich eine gute Bekanntschaft. Ein Honorar für Genscher sei weder vereinbart noch geleistet worden, teilt Marseille mit. Normalerweise ist Genscher gegen Bezahlung für viele Auftritte buchbar, bei denen ein großer Name hilft. Der Kontakt zu Marseille kam wohl über HansHermann Tiedje (62) zustande, den früheren „Bild“-Chefredakteur, der heute
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Unternehmen Marseille-Kliniken
Wechseljahre Zu- und Abgänge im Vorstand der Marseille-Kliniken seit 2008 Axel Hölzer Vorstandsvorsitzender 16.9.2002 bis 5.3.2010
FOTOS: PHOTOWEB X / ACTION PRESS, RETO KLAR, JENS SCHLUETER / DAPD / DDP IMAGES, SÖREN STACHE / PA / DPA, PR (3)
Peter Paul Gardosch von Krosigk Vorstand Akutkliniken 1.8.2008 bis 31.7.2009 Axel Regenhardt Vorstand IT 1.3.2010 bis 28.2.2011
Ulrich Marseille Vorstandsvorsitzender seit 5.3.2010
Claus Dobrowolski Vorstand Finanzen 2.4.2010 bis 30.6.2010
Thomas Klaue Vorstand Finanzen seit 1.7.2010
Stefan Herzberg Vorstand Pflege seit 10.2.2011
die PR-Firma WMP Eurocom leitet. Tiedje ist stellvertretender Aufsichtsratschef bei Marseille, Genscher wiederum Kontrolleur bei WMP. Trotz Einsatzes des Politikveteranen ging das Geschäft mit dem westafrikanischen Land schief. Lediglich eine Anzahlung von 840 000 Euro kam von der Regierung. Seit Anfang 2011 weigert sich der Staat, die Dienste der Deutschen in Anspruch zu nehmen. Um zwölf Millionen Euro Schadensersatz streitet sich das Unternehmen mit Äquatorialguinea vor einem Schiedsgericht in Zürich. Alles in allem keine Erfolgsgeschichte. 40
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Finanziell hübschte sich die MarseilleKliniken AG jahrelang mit Sale-andLease-Back-Transaktionen auf. Die Firma veräußerte Heimimmobilien zu guten Preisen, musste im Gegenzug aber ungünstige Mietverträge akzeptieren. Vier größere Deals gab es seit 2004. Heute drücken hohe Mietzahlungen das Ergebnis, im Geschäftsjahr 2009/10 waren es knapp 50 Millionen Euro – mehr als ein Fünftel des Umsatzes. Die Buchgewinne aus den Verkäufen halfen, die Erträge zu verbessern. Die Erlöse von mehr als 300 Millionen Euro wurden nicht nur zum Schuldenabbau verwandt, sondern auch zur Ausschüttung von Dividenden. Hiervon profitierten vor allem die Marseilles. Der Großaktionär führte meist Aufsicht von oben – aus der Pilotenkanzel. Tageweise wandelte er auf Erden, in der Hamburger Hauptverwaltung. Seine eingeschränkte Anwesenheit reichte jedoch aus, um die Fluktuation in der Zentrale hochzuhalten. Der Unternehmer, der einst in Sachsen-Anhalt für die rechtslastige SchillPartei kandidierte, gilt als Kontrollfanatiker. Notorisch sind sein beinahe zwanghaftes Misstrauen und seine ständige Furcht, hintergangen zu werden. Mitarbeiter, die bei ihm in Ungnade gefallen sind, zählt er vor versammelter Mannschaft regelrecht an und aus. IM GESCHÄFTSJAHR 2008/09 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage erheblich. Es gab keinen großen Sale-andLease-Back-Deal mehr, der einen Verlust hätte verhindern können. Ausgewiesen wurde ein Fehlbetrag von 13,6 Millionen Euro. Wenig später kündigten vier Banken ihre Kontokorrentkreditlinien von zusammen 25,5 Millionen Euro, die Mitte 2009 zu knapp 84 Prozent in Anspruch genommen waren. Als erste stellte um die Jahreswende 2009/10 die WestLB ihr Darlehen fällig. Als die anderen Institute mitbekamen, dass Vorstandschef Hölzer die WestLB ausgezahlt hatte, verlangten auch sie ihr Geld zurück. Die bevorzugte Behandlung der WestLB verstieß gegen die sogenannten Negativklauseln der Kreditverträge. Die HypoVereinsbank brachte ihre Forderung mit der rigorosen Verrechnung von Zahlungseingängen auf null. Die Postbank ließ sich darauf ein, den
Rahmenkredit bis Ende 2010 zu verlängern. Die Commerzbank reduzierte ihr Limit, tolerierte aber bis zum 30. Juni 2011 ein Soll von rund 2,5 Millionen Euro. Seitdem arbeitet die Firma ohne Kontokorrentkredite. Zwischendurch hatte Marseille persönlich mit einem Darlehen über fünf Millionen Euro ausgeholfen. Da es einen Schuldigen für die dramatische Entwicklung geben musste, wurde zunehmend Hölzer zum Opfer marseillescher Kritik. Der damalige Alleinvorstand war total überlastet und Anfang März 2010 körperlich und seelisch fertig. Eine längere Krankschreibung hatte ihm keine nachhaltige Erholung gebracht. In einem vom 3. März datierenden Fax an den „sehr verehrten Herrn Marseille“ klagte Hölzer über „starkes Ohrenpfeifen“ und einen „erneuten Schwächeanfall“. Er wolle sich „mit Würde verabschieden“, sei „aber der Situation nicht gewachsen“ – „herzlichst, Ihr Axel Hölzer“. Am 5. März wurde der langjährige Diener mit Dank entlassen. Die Führungssituation war prekär. Erst zwei Tage vor Hölzers Rücktrittsfax, am 1. März 2010, war Axel Regenhardt (48) intern zum IT-Vorstand aufgestiegen. Zum 1. April würde mit Claus Dobrowolski (54) ein neuer Finanzvorstand von außen kommen. Aber wer sollte das Unternehmen leiten? Besonders Kontrolleur Tiedje („Ich bin Marseilles einziger Buddy im Aufsichtsrat“) will den Großaktionär gedrängt haben, in die operative Verantwortung zurückzukehren. Der zierte sich („Meine Lebensplanung war anders“), dennoch ließ er sich zunächst in den Vorstand delegieren, kurz darauf ganz offiziell zum Vorsitzenden berufen. Auch die neue Führungskonstellation erwies sich nicht als haltbar. Finanzvorstand Dobrowolski machte sich pflichtgemäß daran, unter anderem die Privatgeschäfte Marseilles mit der Gesellschaft zu überprüfen. Er erdreistete sich sogar, fällige Zahlungen bei der Familie und ihren Privatfirmen anzumahnen. Irgendwie war absehbar, dass Dobrowolski keine lange Amtszeit beschieden sein würde. Aber dass der mit einem Jahresvertrag ausgestattete Finanzmann nur drei Monate blieb, ist dann wohl doch Negativrekord bei börsennotierten Gesellschaften in Deutschland. Hinterher verbreitete die Firma die Version, Dobrowolskis Wirken sei nur „interimis-
Bis Muhammad Ali »Der Größte« geworden war, wollte er nicht ruhen. Und ebenso wenig sein Trainer Angelo Dundee. (London, 1966.)
Was sollte Ihr Berater mit Angelo Dundee gemeinsam haben? Welche persönlichen Qualitäten machten Angelo Dundee zu einem der besten Boxtrainer aller Zeiten? Und ermöglichten es seinem berühmtesten Kämpfer zudem, einer der größten Sportler der Welt zu werden? Wir würden gerne drei davon benennen: Wohlüberlegt und ehrlich Rat zu geben (auch wenn dieser nicht immer gerne gehört wird). Unter immensem Druck die Ruhe zu bewahren. Und die Fähigkeit, sich schnell neuen Situationen anzupassen. Es sind dieselben Merkmale, die auch unsere Berater auszeichnen, wenn wir mit unseren Kunden zusammenarbeiten. Denn auch wenn nicht jeder von uns »Der Größte« sein kann ... wir alle können das Beste aus uns machen. Und bis dahin dürfen Sie sich auf eines verlassen:
Wir werden nicht ruhen Ř Ř
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FOTO: THIES RÄTZKE FÜR MANAGER MAGAZIN
Unternehmen Marseille-Kliniken
Hauptverwaltung, aber kein Firmensitz: Die Hamburger Zentrale ist beim Großaktionär angemietet – ein potenzieller Interessenkonflikt
tisch“ angelegt gewesen. Sein Kollege Regenhardt ging Ende Februar 2011. Am 1. Juli 2010 wurde Thomas Klaue (53), zuvor bei der MediGene AG im bayerischen Martinsried, neuer Finanzvorstand. Er kam gerade recht, um den Abschluss des am 30. Juni zu Ende gegangenen Geschäftsjahres 2009/10 vorzubereiten. Gemeinsam mit den Wirtschaftsprüfern von Ebner Stolz Mönning Bachem fand er Wertberichtigungsbedarf zuhauf. Günstigerweise war ein paar Monate zuvor der Verkauf der Reha-Sparte abgeschlossen worden. Dem Unternehmen flossen 24,5 Millionen Euro zu, was die Liquiditätssituation entspannte. Den Entkonsolidierungsgewinn von 20,1 Millionen Euro zehrten Wertberichtigungen praktisch auf. Am Ende blieb ein magerer Jahresüberschuss von rund 700 000 Euro. Die langwierigen Werthaltigkeitstests im Verein mit den Wirtschaftsprüfern führten dazu, dass der Abschluss verspätet fertig wurde, die Hauptversammlung musste verschoben werden. Angesichts der gekündigten Kreditlinien sorgten sich die Hakelmacher anscheinend auch um die Finanzierung der Firma. Auffällig ist: Ihr Testat gaben sie erst am 29. November 2010 – einen Tag bevor das Unternehmen publizierte, noch im Dezember eine Teilschuldverschreibung über 15 Millionen Euro begeben zu wollen, womit die Liquidität gesichert sein würde. Allerdings wurde nur ein Jahr Laufzeit vereinbart, der Zins ist mit 7,9 Prozent nicht eben günstig. Seltsam nur, dass die Firma im selben Quartal einem „konzernfremden Unter42
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nehmen“ ein kurzfristiges, inzwischen getilgtes Darlehen über 1,5 Millionen Euro gab – zu einem Zinssatz, der laut den jüngsten beiden Quartalsberichten mit 6 Prozent deutlich niedriger lag als jene 7,9 Prozent, zu denen sich die Marseille-Kliniken AG refinanzieren musste. Ein solcher Vergleich sei falsch, teilt Marseille mit. In der Quartalsberichterstattung sei vielmehr der Zinssatz für das ausgereichte Darlehen „unvollständig“ angegeben: Nicht 6, sondern 16 Prozent Zinsen seien „verwirkt“ gewesen, wie Marseille sich ausdrückt. Auf welche Angaben soll man sich bei der Marseille-Kliniken AG verlassen? Noch merkwürdiger, dass es sich bei der Kreditnehmerin nach Angaben früherer Mitarbeiter um die Firma Sapinda gehandelt haben soll, was Ulrich Marseille allerdings „ausdrücklich“ bestreitet. Bei Sapinda zeichnet das gescheiterte Wunderkind Lars Windhorst (34) als Deutschland-Geschäftsführer. Ausgerechnet jener Windhorst, den Marseille einst wegen Betrugs anzeigte, weil er einen Privatkredit nicht getilgt hatte. Letztlich einigten sich beide. besorgniserregende Entwicklung der Marseille-Kliniken spiegelte sich auch an der Börse wider. Angesichts des niedrigen Aktienkurses von etwa 2,50 Euro brachte eine Kapitalerhöhung um ein Fünftel im Mai 2011 nur gut sechs Millionen Euro ein – immerhin war sie ein Signal an den Kapitalmarkt. Das tat not. Im September will die Firma eine neue Anleihe über 25 Millionen Euro platzieren, diesmal möglichst
DIE ZEITWEISE
über fünf Jahre. Sie soll auch dazu dienen, die Ende 2011 fällige Schuldverschreibung aus dem Vorjahr zu tilgen. Eher abschreckend wirken dürfte auf Anleger der dichte Filz, wie er im Geschäftsbericht im Kapitel „Beziehungen zu nahestehenden Personen und Unternehmen“ beschrieben wird. Auf viereinhalb Seiten geht es um die Geschäfte der AG mit den Marseilles und ihren Firmen. Da ist zum Beispiel der Mietvertrag für die Hamburger Hauptverwaltung. Das Gebäude gehört im Wesentlichen Ulrich Marseille. Der Mietzins wurde 2009 um 8 Prozent auf 60 000 Euro pro Monat erhöht; er scheint ehemaligen Mitarbeitern im Umfeld eher überdurchschnittlich. Marseille bestreitet dies. Er nennt eine Nettogrundfläche von 5019 Quadratmetern und errechnet so eine Kaltmiete einschließlich Anfangsinventar von 11,95 Euro je Quadratmeter, was im lokalen Vergleich günstig sei. Allerdings hat er Tiefgarage und Kellerräume in die Flächenkalkulation einbezogen. Beleuchtet werden auch etliche Darlehen, Dienstleistungsverträge und Unternehmensverkäufe. Per 30. Juni 2010 veräußerte eine Gesellschaft, die dem Großaktionär gehört, an die MarseilleKliniken eine Firma namens AAP Allgemeine Ansgar Pflegedienste GmbH. Die betreut Senioren in einer 282 Wohnungen umfassenden Anlage in Gera. Auch diese Immobilie steht indirekt im Eigentum Ulrich Marseilles. Auffällig hoch der Kaufpreis: Die AG zahlte 6,5 Millionen Euro für AAP, die gerade mal eine Million Euro pro Jahr umsetzte, ausweislich des Abschlusses per Ende 2009 kaum Geld verdiente und überschuldet war. Der Vorstand verweist auf ein Kaufpreisgutachten der Wirtschaftsprüfung RSM Altavis. Bestandteil der Wertermittlung war unter anderem ein sogenannter „Gestattungsvertrag“, der mit knapp 3,6 Millionen Euro taxiert wurde. So viel also soll es wert sein, dass Ulrich Marseille der AAP erlaubt, in der Wohnanlage Pflegedienstleistungen anzubieten und Mieter vorzuschlagen. AAP muss zusätzlich eine umsatzabhängige Gebühr an Marseilles Privatfirma zahlen. Kein Wunder, dass in der jüngsten Hauptversammlung im Januar 2011 ein Aktionär die Einschätzung wiedergab, Hauptzweck der Gesellschaft seien wohl Geschäfte mit dem Ehepaar Marseille.
Unternehmen Marseille-Kliniken
Das Aktionärstreffen bot auch in anderer Hinsicht Ungewöhnliches. Nicht nur, dass Ulrich Marseille als Vorstandschef keine Entlastung bekam – der Großaktionär durfte in eigener Sache nicht mitstimmen. Die Hauptversammlung verweigerte auch den ehemaligen Vorstandsmitgliedern Hölzer und Gardosch die Entlastung – auf Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat. Das war im Fall Hölzer nicht nur späte Rache. Der Schritt diente der Vorbereitung von Schadensersatzklagen gegen den Abgänger, der heute in Berlin lebt und arbeitet und sich bester Gesundheit erfreut. Marseille will offenbar die für Hölzer abgeschlossene Directors&Officers-Versicherung in Anspruch nehmen. Das ist verlockend: Die Deckungssumme beträgt 12,5 Millionen Euro. Eine erste Klage gegen Hölzer ist bereits beim Landgericht eingereicht. Die Marseille-Kliniken AG verlangt Ersatz in Höhe von 600 000 Euro für einen Schaden, der bei den Verhandlungen über den Verkauf der Reha-Kliniken entstand. Die Hamburger hatten 2009 zunächst mit
der Private-Equity-Firma Waterland verhandelt, einen Letter of Intent unterschrieben und der Interessentin eine Exklusivitätsfrist eingeräumt. Waterland ließ eine Due Diligence durchführen. Derweil soll die Marseille-Seite bereits mit dem späteren Käufer, dem Investor Auctus, gesprochen haben. Waterland klagte auf 900 000 Euro Schadensersatz wegen Verletzung der Exklusivität und falscher Zahlenangaben in der Absichtserklärung. Die Beweislage sah nicht gut aus für die Beklagte. In einem Vergleich willigte das Unternehmen daher in die Zahlung von 600 000 Euro ein, die Marseille nun von Hölzer beziehungsweise der Versicherung erstattet haben will. ALLERDINGS IST EIGENMÄCHTIGKEIT von Hölzer nur schwer vorstellbar, denn Ulrich Marseille hat die Verhandlungen über den Reha-Verkauf engstens begleitet. Regelmäßig saßen Vorstands- und Aufsichtsratschef Zigarren rauchend im Konferenzraum beieinander. Trotz aller Kampfeslust würde sich Marseille gern wieder in den Aufsichtsrat
zurückziehen – spätestens Ende 2011, hat er signalisiert. Als sein Favorit für die Nachfolge gilt Stefan Herzberg (45). Der frühere Karstadt-Chef ist im Vorstand für den Pflegebereich zuständig. Aber ob der von Aufsichtsrat Thomas Middelhoff (58) empfohlene Manager es auf eine längere Verweildauer bringt als in der Firma gemeinhin üblich? Herzberg ist erst seit Februar 2011 im Amt. Gut möglich, dass die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg den Führungswechsel beschleunigt. Ulrich Marseille gilt nun als rechtskräftig verurteilt – auch wenn er, wie sollte es anders sein, Verfassungsbeschwerde einlegen will. Fraglich, ob sich eine Publikumsgesellschaft einen vorbestraften Chef allzu lange leisten kann. Das Urteil könnte für den Unternehmer auch eine andere bittere Konsequenz haben. Das Luftsicherheitsgesetz stellt gewisse Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit von Flugzeugführern. Die Aufsichtsbehörde wird nun wohl prüfen, ob Marseille seinen Pilotenschein behalten darf. Sören Jensen
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Unternehmen Interview
„WIR SIND KEIN HIGH-PERFORMER“ INTERVIEW Eon-Chef Johannes Teyssen über die finan-
ziellen Schäden der Energiewende, die neue Strategie und die Folgen für den Konzern.
Herr Teyssen, keine Branche ist in so kurzer Zeit derart abgestürzt wie die Energiekonzerne im Zuge des Atomausstiegs: von der Politik geschnitten, das herkömmliche Geschäftsmodell perdu, von der Börse bestraft und zum Übernahmekandidaten gestempelt. Wann haben Sie zuletzt gedacht: Wäre ich doch damals in den juristischen Staatsdienst und nicht in ein Energieunternehmen eingetreten?
TEYSSEN Der Gedanke ist mir noch nicht gekommen, obwohl ich diese Tätigkeit hochrespektabel finde und viele Juristenfreunde habe. Natürlich ist der Job an der Spitze eines Energiekonzerns
JOHANNES TEYSSEN
in diesen ungewöhnlichen Zeiten sehr anstrengend. Aber jede Herausforderung birgt auch neue Chancen. Ein schwacher Trost.
TEYSSEN Mit schwierigen Umständen kann man auch Entscheidungen nach innen und außen durchsetzen, die man in Schönwetterperioden nie rechtfertigen könnte. Im Übrigen ist Ihre Eingangsfrage typisch deutsche Nabelschau. Also alles halb so schlimm?
TEYSSEN Das will ich damit nicht gesagt haben. Nur: Wir sind ein im Kern europäisches Unternehmen, das auch in anderen Teilen der Welt weiter wachsen will. In anderen Ländern wie England oder Schweden werden wir noch selbstverständlich als Teil der Lösung begriffen und nicht wie hierzulande teilweise sogar ausgegrenzt.
Tagwerk: Seit 1989 arbeitet der 51-jährige
Jurist aus Hildesheim in Vorläuferfirmen und Eon-Gesellschaften. Vor einem Jahr wechselte er an die Konzernspitze.
FOTO: THOMAS RABSCH FÜR MANAGER MAGAZIN
Netzwerk: Teyssen versteht sich gut
mit seinem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning (64). Mit dem ehemaligen Bayer-Chef sitzt er gemeinsam im Kontrollgremium der Deutschen Bank. Kidswork: Der Eon-Manager lebt in
Düsseldorf und hat vier Kinder. Mit denen verhandelt er derzeit Laufzeitverlängerungen ihres Taschengeldes.
Sie haben lange darauf vertraut, auch in Deutschland Teil der Lösung zu sein. Als die Bundesregierung nach Fukushima die Energiewende ausrief, haben Sie, anders als RWE, weder mit Klagen gedroht noch starke Worte gewählt. Die weiche Tour hat aber nichts gebracht, jetzt klagen Sie doch. Warum die Kehrtwende zum Rambo?
TEYSSEN Die Rambowende ist mir entgangen. Ich habe von Anfang an versucht, den Gesprächsfaden zu allen Teilnehmern nicht abreißen zu lassen. Jetzt ist der Umbau des deutschen Energiesystems ein Faktum, auf das wir uns ein-
stellen. Nun hat allerdings die Politik bei der Ausgestaltung vermeidbare Schäden verursacht. Die habe ich an unsere Schadensabteilung, also unsere Juristen, zur Bearbeitung gegeben, wie ich das bei einem Verkehrsunfall mit meiner KfzVersicherung auch tun würde. Wie viel kostet Eon der Unfall?
TEYSSEN Aus der Stilllegung der acht älteren Kernkraftwerke mitten im Betriebszyklus erwächst für die ganze Branche ein mittlerer einstelliger Milliardenbetrag. Wir laden die Kernkraftwerke für jeweils ein Jahr mit Brennelementen auf. Und wir verkaufen den Strom, der dort erzeugt wird, im Voraus und müssen uns nun am Markt eindecken, um unsere Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Diese Kosten hätte man vermeiden können, wenn die Politik mit einer gewissen Gelassenheit gesagt hätte: Die Kraftwerke können ihr Betriebsjahr zu Ende laufen, und dann ist Schluss. Gelassenheit und Fukushima – das passt irgendwie nicht zusammen.
TEYSSEN Mag ja sein. Aber Deutschland wäre durch eine solche Entscheidung mit Augenmaß in keiner Weise unsicherer geworden. Nichts, aber auch gar nichts wäre anders gewesen. Der zweite Schadensfall ist die zugesagte Laufzeitverlängerung ... ... die Eon zig Milliarden Euro Gewinn eingebracht hätte.
TEYSSEN Das sind Fantasiezahlen. Den Löwenanteil hätte sich der Staat manager magazin 8/2011
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Unternehmen Interview
gesichert. Wir hätten zunächst einmal jahrelang nur mehr gezahlt. Fakt ist: Die Laufzeitverlängerung ist nun mal gesetzlich wirksam geworden. Die kann man nicht einfach rückgängig machen mit dem Argument, die Anlagen seien ja längst abgeschrieben. Wenn abgeschriebene Anlagen in Deutschland keinen Rechtsschutz genießen, könnte sich der Staat alle Autos, die älter als vier Jahre sind, überschreiben lassen. Das würde die Bürger doch etwas verunsichern. Sie klagen jetzt auch gegen die Brennelementesteuer. Haben Sie zu leichtfertig darauf vertraut, dass die gekippt wird?
TEYSSEN Diese Steuer war schon immer verfehlt und in Deutschland wie in Europa rechtlich nicht haltbar. Mit dem vorzeitigen Atomausstieg hat sie auch noch ihre inhaltliche Legitimation verloren. Ich habe in der Tat nicht ausgeschlossen, dass Politiker das bemerken und den Fehler korrigieren würden. Für 2011 rechnet Eon mit einem Gewinnrückgang von 15 bis 20 Prozent. Wenn künftig auch noch der Cashflow aus den AKW fehlt: Haben Sie dann noch genug Geld zum Investieren?
TEYSSEN Wenn der Cashflow sinkt, sinkt natürlich auch die Investitionskraft. Aber wir holen unsere Mittel ja auch aus Verkäufen, im Volumen von 15 Milliarden bis 2013. Und wichtiger als
absolute Summen ist die Frage, welche Prioritäten wir setzen: Welche Investition hat Vorfahrt, welche muss warten? Lohnen sich Investitionen in Deutschland noch?
TEYSSEN Durchaus. Hier müssen wir jetzt die Chancen, die sich durch den Umbau des Energiesystems ergeben, nutzen: kundennahe Energieversorgung durch intelligente Netze, den Ausbau erneuerbarer Energien und – zentral für das Gelingen des Umbaus – neue Speichertechnologien. Diese Themen haben oberste Priorität für uns. Aber die schöne neue Stromwelt kommt nicht ohne ein konventionelles Rückgrat aus. Kohleund Gaskraftwerke stabilisieren nämlich das neue System. Auch hier werden wir einiges tun. Wenn man Sie lässt. Schon seit Jahren zittern Sie darum, das Kohlekraftwerk in Datteln zu Ende bauen zu können. Das rot-grüne Nordrhein-Westfalen tut sich nun erst recht schwer, dieses Projekt zu genehmigen.
TEYSSEN Ich spüre in den Genehmigungsverfahren Rückenwind. Ich denke, dass verantwortungsbewusste Politiker, gerade hier in Nordrhein-Westfalen, erkennen: Wenn man eine andere Energiewelt will, kann man nicht Investoren entmutigen und hoffen, dass auch so alles gut geht. Es gibt viele Leute, die
Datteln heute positiver beurteilen als vor der Energiewende. Ein Schwerpunkt der neuen Konzernstrategie ist, mehr Strom im Ausland zu erzeugen. Längst wollten Sie neue Zielländer bekannt geben. Wie weit sind Sie?
TEYSSEN Zunächst haben wir unsere Engagements in Russland und Nordamerika kräftig erweitert. In Russland haben wir mittlerweile Kraftwerke mit insgesamt fast 10 000 Megawatt Leistung; am 29. Juli wird unser neuestes Kraftwerk in Sibirien eröffnet. Und in Nordamerika überschreiten wir gerade die 2000-Megawatt-Grenze bei Windkraftwerken. Aber wo sehen Sie die neuen Märkte?
TEYSSEN Wir haben den Rahmen der Zielregionen stärker eingegrenzt. Wir sehen nun klarer, was wir wollen. Aber wir reden erst, wenn wir es genau wissen. Wie sieht denn das Geschäftsmodell aus? Wollen Sie dort einzelne, autonome Kraftwerke, sogenannte IPP, errichten?
TEYSSEN Nein, nicht hier mal ein Kraftwerk und 5000 Kilometer weiter das nächste. Sondern wir streben Cluster an, also mehrere Kraftwerke in einer Region, die wir gemeinsam kostensparend bewirtschaften können. Wir wollen keine Insellösungen in Form von IPP. Welche Regionen sind für Eon interessant?
TEYSSEN Alle, deren Wirtschaft und Bevölkerung stark wachsen.
Der Fluch der Börse Nach dem Atom-Moratorium im März stürzten die Kurse der deutschen Energiekonzerne ins Bodenlose. Kursentwicklung Energieaktien* indiziert 110
Marktkapitalisierung Energiekonzerne* in Milliarden Euro
121,7
Gazprom RUS
Gazprom
105
Nun wächst die Gefahr einer Übernahme durch Konkurrenten, die der Kapitalmarkt weitgehend verschonte – Russlands Gazprom ist dreimal so viel wert wie Eon.
GDF Suez F
52,3
100 95 90
Enel I
38,3
Eon D
37,2
Eon
85
RWE D
19,7
80 RWE
75 1.3.2011=100
46
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7/2011
*Stand: 14. Juli 2011 Grafik: manager magazin
Quelle: Thomson Reuters Datastream
Also geht es in die anderen BRIC-Staaten Brasilien, China und Indien?
TEYSSEN Ich kommentiere das nicht. Oder nach Westafrika, mit seinen großen Erdgasvorkommen vor der Küste? EonRuhrgas ist dort schon mit einem Flüssiggasprojekt präsent. Künftig könnten Sie auch Erdgaskraftwerke bauen.
TEYSSEN Guter Versuch, aber es bleibt dabei: Wir sprechen darüber, wenn Entscheidungen getroffen sind. Die Bundesregierung hat bei OffshoreWindanlagen die staatlich garantierte Vergütung kräftig heraufgesetzt. Kommt jetzt endlich Schub in die Technologie?
TEYSSEN Die Rentabilität hat sich durch die Förderumstellung verbessert. Zudem werden die Anlagen billiger. Wir haben 2010 jede zweite Offshore-Wind-
EIN TAB
DAS
IHR LEBEN
VERÄNDERT
Unglaublich dünn, schnell und leicht: Für ungeahnte Möglichkeiten und mehr Mobilität. YouTube, Google Maps, Android Market und Google Talk sind Warenzeichen von Google Inc.
FOTO: THOMAS RABSCH FÜR MANAGER MAGAZIN
Unternehmen Interview
mühle weltweit gebaut. Gerade erst haben wir für sechs Jahre eines der großen Konstruktionsschiffe nur für uns gechartert. Wir meinen es also ernst. In Deutschland ist nicht viel passiert.
TEYSSEN Hier ist eben alles etwas komplizierter. In Dänemark oder England kann man relativ nah an der Küste bauen. Das ist technologisch einfacher und billiger. Deutschland will das Wattenmeer schützen, wofür ich Verständnis habe, deshalb müssen wir in tieferes Gewässer. Aber wenn ich sehe, wie verspargelt Brandenburg oder SchleswigHolstein mittlerweile mit Landwindmühlen sind, frage ich mich schon, ob es so dramatisch wäre, wenn wir etwas dichter an die Küsten gingen. Solange das nicht passiert, wird Deutschland beim Thema Offshore einen Tick später durchstarten als die anderen. Das klingt nicht sehr euphorisch. Auch bei Gaskraftwerken zögern die Investoren. Wann kommt es zu dem nötigen Zubau als Ersatz für wegfallenden Atomstrom?
TEYSSEN Das lohnt sich angesichts der immer noch hohen Einkaufspreise für Gas und niedrigen Verkaufspreise für Strom derzeit nicht. Aber um die nächsten Abschaltungen von Kernkraftwerken auszugleichen, muss nicht schon morgen der Bagger rollen. Wir haben noch ein bisschen Zeit. Sie scheinen die Ruhe weg zu haben. Der Eon-Kurs ist seit März um rund 20 Prozent gesunken, die Zukunftsperspektive wirkt unklar. Können Sie sich wirklich so viel Zeit mit existenziellen Fragen lassen?
TEYSSEN Ich habe nicht den Eindruck, dass unsere Strategie unklar ist. Natürlich schafft die deutsche Energiewende Unsicherheit. Und das hat den Kurs gedrückt. Hinzu kommt, dass viele 48
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„Ich hätte mir das Jahr ohne viel Fantasie einfacher vorstellen können.“
europäische Märkte überversorgt sind und die Margen schon mal attraktiver waren; aber das trifft die ganze Branche.
ja mit dem Staatsfonds von Abu Dhabi – eine spannende Region für einen Energiekonzern.
Eon ist zu einem Konzern mutiert, der keine Wachstumsfantasie mehr auslöst und sich das Wohlwollen der Aktionäre mit hohen Dividendenrenditen erkaufen muss. Soll das so bleiben?
TEYSSEN Wir haben noch nie gezielt nach einem Ankeraktionär gesucht. Und wir haben unsere Partner nicht gefragt, ob sie Eon-Aktien kaufen wollen, sondern ob sie mit uns in Offshore-Technologien investieren wollen. Das ist viel spannender für beide Seiten.
TEYSSEN Nein. Wir haben immer gesagt, dass Eon nicht Dividendenweltmeister werden will. Wir wollen wieder wachsen. Aber im Augenblick geht es darum, das Geschäft abzusichern und neu aufzustellen. Wenn wir das jetzt nicht richtig machen, werden wir die wachstumsstarke Zukunft nicht mehr erleben. Und alle Wachstumsschritte müssen unter möglichst zurückhaltender Nutzung des Kapitals geschehen; nicht wie früher: kaufen, kaufen, kaufen. Gutes Stichwort – wie groß ist die Gefahr, dass Eon übernommen wird?
TEYSSEN Das Risiko einer Übernahme hat mich noch keinen Nachtschlaf gekostet. Denn der größte Teil der Kursverluste wird exogenen Ereignissen zugerechnet: der deutschen Politik, Marktverwerfungen. Wer Eon kaufen würde, hätte diese Probleme auch. Und dann müssen Sie für den Konzern eine Summe aufbringen, die immer noch gigantisch ist.
Herr Teyssen, aufregend war Ihr erstes Jahr als Eon-Chef zweifellos. Aber war es auch gut?
TEYSSEN Ich hätte mir das Jahr ohne viel Fantasie einfacher vorstellen können. Die Agenda war zu oft fremdbestimmt, ich konnte häufig nur reagieren. Ich musste zu viel Zeit investieren in das Thema AKW-Laufzeiten. Im zweiten Jahr hätte ich gern mehr Freiraum für interne Reformen. Eon ist noch längst kein High-Performer, da müssen wir noch einiges tun. Was heißt das konkret?
TEYSSEN Wir sind operativ besser als in der Verwaltung und der Steuerung des Konzerns. Was bedeutet das für die Mitarbeiter? Muss Eon Personal abbauen?
TEYSSEN Ich halte Vier-Augen-Gespräche vertraulich, aber so viel kann ich sagen: Über eine Kapitalbeteiligung haben wir nicht gesprochen.
TEYSSEN Wir müssen möglichst effiziente, flexible Beschäftigungsstrukturen aufbauen, die zur Strategie passen. Mitte August, wenn wir die Zahlen fürs zweite Quartal veröffentlichen, werden wir einen Kassensturz machen. Und dann werden wir sagen, was zu tun ist. Wissen Sie, so ein Konzern ist wie eine Dombauhütte. Nur ein Dom, an dem ständig gebaut wird und der ständig modernisiert wird, der bleibt stehen. ◆
Dann fahnden Sie nach Ihrem Ankeraktionär vielleicht anderswo. Sie kooperieren
Das Interview führten die mm-Redakteure Martin Noé und Dietmar Student.
Gazprom könnte sich das leisten. Die Russen verhandeln mit RWE über eine strategische Partnerschaft. Auch Sie haben sich neulich mit Gazprom-Chef Alexej Miller getroffen. Worum ging es?
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1
DER NEUE CITROËN DS4: GEWÄHLT ZUM SCHÖNSTEN AUTO SEINER KLASSE.1 Unkonventionell, unangepasst und einfach anders als andere Autos: Der neue CITROËN DS4 setzt neue Maßstäbe. Mit einzigartigem Design, innovativer Technologie und bereits jetzt mit zahlreichen Designpreisen: dem Plus X Award2, der AUTO BILD-Wahl zum schönsten Auto 20111 und dem 1. Platz beim Festival Automobile International3. Erleben Sie ihn bei einer ausgiebigen Testfahrt.
1
Sieger in der Kategorie „Klein und Kompaktwagen“, AUTO BILD 20/2011. 2Ausgezeichnet durch die Jury beim Plus X Award Automotive 2011 für: DESIGN (www.plusxaward.de). Quelle: Eurosport 2010: Von über 60.000 Internetnutzern aus 62 Ländern zum „Schönsten Auto des Jahres 2010“ gewählt. Abb. zeigt evtl. Sonderausstattung/höherwertige Ausstattung.
3
Kraftstoffverbrauch kombiniert von 6,5 bis 4,4 l/100 km; CO2 -Emissionen kombiniert von 149 bis 114 g/km (VO EG 715/2007).
Unternehmen TV-Stars
TV-STARS Raab, Jauch &
GERMANY’S NEXT TOPMANAGER
Co. machen mit ihren Firmen Millionen – und diktieren die Regeln des Fernsehgeschäfts.
inen ähnlichen Trubel um seine Person hat Günther Jauch bislang nicht erlebt. „Weit mehr als 100 Anfragen von den verschiedensten Medien“, seufzt der Moderator, seien an ihn gerichtet worden. Manche wollen ihm nur ein paar Fragen stellen, andere ihn treffen oder beim Dreh zuschauen. „Ich schaff’ das alles überhaupt nicht mehr“, stöhnt Jauch. Es sei ihm „einfach nicht mehr möglich, das alles so abzuarbeiten, wie das verständlicherweise viele gern von mir möchten“. Und das alles nur aus einem eher unspektakulär wirkenden Anlass: Am 11. September feiert der Mann im Ersten die Premiere seiner wöchentlichen Talkshow „Günther Jauch“, zur besten Zeit, die es für verfilmtes Gerede nach einhelliger Überzeugung gibt: Am Sonntagabend gleich nach dem „Tatort“, dessen Millionenpublikum gern noch ein wenig vor der Glotze sitzen bleibt und sich mit gepflegtem Geschwätz ermüden, erschöpfen und bettfertig machen lässt. Man muss schon sehr viel verkehrt machen, um auf diesem Sendeplatz keine gute Quote zu erzielen. Aber so eine Unterhaltungskünstlerseele ist zart, sie spürt den Druck, Routinier Jauch ist keine Ausnahme: „Fast überbordend“, sagt er, sei die „Erwartungshaltung“. ARD-Programmchef Volker Herres, der den Mann zumindest für Sonntagsschichten von RTL abgeworben hat, ist, was seinen Spitzentransfer betrifft, von äußerster, geradezu öffentlich-rechtli50
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FOTO: MAURICE WEISS / OSTKREUZ
E
DAS MULTITALENT Stefan Raabs Firma Raab TV erhält von ProSieben
37 Mio. Euro pro Jahr
manager magazin 8/2011
51
FOTO: ROLF VENNENBERND / PA / DPA
8,4 Mio. Euro für etwa 70 Sendungen
FOTO: DIRK BRUNIECKI / LAIF
DER WERBEKÖNIG Günther Jauch brachte RTL mit „Wer wird Millionär?“ 2010
HEIMKEHRER NR. 1 Der frühere ARD-Talker Harald Schmidt erhält von Sat.1
101 Mio. Euro an Bruttowerbeerlösen ein
MISTER HARIBO Thomas Gottschalk erzielt mit Gummibärchen-Werbung seit
20 Jahren Millioneneinnahmen
FAMILIENUNTERHALTER Kai Pflaume erreichte mit der ARD-Show „Klein gegen Groß“
FOTO: GUNDLACH / ACTION PRESS
cher Gelassenheit: Jauch habe bewiesen, lächelt Herres durchs Telefon, „dass er in allen Genres – von der seriösen Information bis zur großen Unterhaltungsshow – beim Publikum reüssiert und das ganze TV-Geschäft beherrscht“. Aber das TV-Geschäft beherrscht auch einen wie ihn, Jauch. Unruhe, Mühe und Anstrengungen, die den Journalisten Jauch bei den Vorbereitungen zu seiner neuen Sendung ergreifen – schließlich arbeitet er auch weiterhin für RTL („Wer wird Millionär?“) –, finden ihre Fortsetzung in der Betriebsamkeit des Unternehmers Günther Jauch: Wenn die Scheinwerfer erloschen und die Kameras 52
manager magazin 8/2011
ausgeschaltet sind, ist nur ein Teil seines Pensums erledigt. Denn sozusagen im Nebenberuf produziert der Geschäftsmann Jauch sendefertige Programme in Fülle, und zwar für Kanäle und Moderatoren nicht aller, aber doch vieler Arten und Klassen. Mehr als 100 Festangestellte verdienen ihr Geld in seiner Produktionsanstalt I & U Information und Unterhaltung, die über Studios in Köln und Berlin verfügt. Sie setzte über 40 Millionen Euro um und machte rund 6 Millionen Euro Gewinn, allerdings im Jahr 2009. Frischere Zahlen liegen nicht vor, und Jauch ist auch in dieser Hinsicht ein bisschen scheu.
FOTO: THÜRINGEN PRESS / ACTION PRESS
6 Mio. Zuschauer
Natürlich stellt er seine neue ARDRunde selbst her und zusammen. Auftragsvolumen: 10,5 Millionen Euro im Jahr. Weitere ARD-Produktionen dürften noch hinzukommen. Jauch ist eine der Vorzeigefiguren einer Moderatorenwirtschaft, die immer größere Bedeutung gewinnt. Die Erfolgsentertainer machen nicht nur Mätzchen vor der Kamera, sondern auch Millionen dahinter, Publikumsmagneten wie Thomas Gottschalk oder Stefan Raab bestimmen inzwischen die Regeln mit, nach denen Programm gemacht wird. Multitalent Stefan Raab, der neben seiner Show „Schlag den Raab“ auch
FOTO: MATTHIAS JUNG / LAIF FOTO: STEFFI LOOS / DAPD
HEIMKEHRER NR. 2 Ex-ZDF-Mann Johannes B. Kerner kassiert von Sat.1 rund
9 Mio. Euro für etwa 75 Auftritte
TALKMEISTER Frank Plasbergs Sendung „Hart aber fair“ sahen 2010
3,46 Mio. Zuschauer im Durchschnitt
FOTO: ZINKEN / DAVIDS
stundenlange Großereignisse wie „Wok WM“ oder „TV Total Turmspringen“ auf ProSieben nicht nur erfunden und inszeniert hat, sondern sich für das Unternehmen „Titelverteidigung“ beim Eurovision Song Contest auch die ARD gefügig machen konnte, er schloss Ende 2010 einen Fünfjahresvertrag ab, der ihn zu einem der einflussreichsten Unterhalter der Szene macht. Rund 185 Millionen Euro überweist ProSieben an die Raab TV Produktion, eine Tochter der Produktionsfirma Brainpool, an der Raab wiederum mit gut 12 Prozent beteiligt ist (siehe auch mm 5/2011). Auch Jauchs Schaustellerei I & U ist ein zuverlässiger Lieferant, sowohl von ARD („Klein gegen Groß“, „Das unglaubliche Quiz der Tiere“) als auch von RTL („Die ultimative Chartshow“, „Stern TV“), für die er beide auch auf der Bühne steht. Jauch arbeitet mit vielen namhaften Moderatoren zusammen: von Frank Plasberg über Hape Kerkeling bis hin zu Kai Pflaume. Wenige Monate nach Jauchs Unterschrift hatte auch der einstige Börsenmakler Pflaume seinen Wechsel von Sat.1, wo sich seine Vorabendshow „Nur die Liebe zählt“ noch nicht totgelaufen, aber erschöpft und abgenutzt hatte, zur ARD verkündet. Nun sitzt Pflaume beim Frühstück im Schwabinger Café „Florian“. Vor der Tür parkt sein brauner Audi Q7. Pflaume nimmt Müsli und einen Latte Macchiato mit doppelter Portion Espresso. „Mein Anspruch ist es, Sendungen zu machen, die die ganze Familie ansprechen“, sagt Pflaume.
Wer wird Millionär? Günther Jauch, RTL
6,64
Die ARD-Granden verbinden einige Hoffnungen mit Pflaume. Er ist nicht das beste Pferd in ihrem Stall, aber bislang hat er sie auch nicht enttäuscht: Mehr als sechs Millionen Zuschauer sahen Mitte Juni seine neue Samstagabendshow „Klein gegen Groß“. Und wer hat sie produziert? Jauchs I & U. Und wer trat als Stargast auf? Jauch selbst. Und wenn Pflaume im Herbst seine neue Quizshow („Der klügste Deutsche 2011“) eröffnet, dann wundert sich keiner mehr, dass die ebenfalls von Günther Jauchs Leuten konzipiert worden ist. Pflaumes Produzent ist nicht nur Deutschlands beliebtester Moderator und einer der angesehensten TV-Unternehmer des Landes, sondern auch eine bedeutende Einnahmequelle der Sender, für die er auftritt: Allein mit „Wer wird Millionär?“ erzielte RTL im vergangenen Jahr Werbeerlöse in Höhe von 101 Millionen Euro (siehe Grafik Seite 56).
Deutschland sucht den Superstar Dieter Bohlen, RTL
6,45
IMMER MEHR SENDER
STAR DER ZUSCHAUER Anne Will erreichte mit ihrer Talkshow 2010 im Schnitt
14,5 Prozent Marktanteil
Könige der Quote Durchschnittliche Reichweite einzelner TV-Shows im Jahr 2010, in Millionen Zuschauer* Wetten, dass …? Thomas Gottschalk, ZDF Das Supertalent u. a. Dieter Bohlen, RTL
Rette die Million! Jörg Pilawa, ZDF
9,12 7,92
5,31
*Zuschauer ab drei Jahren. Grafik: manager magazin Quelle: AGF/GfK, TV Scope, Fernsehpanel (D+EU)
konkurrieren um die Unterhaltungskünstler. Mit der Nachfrage steigen die Preise und verschärfen sich die Bedingungen der Umworbenen: „Es gibt nun einmal nicht viele talentierte Entertainer“, sagt ARDmanager magazin 8/2011
53
Unternehmen TV-Stars
Programmdirektor Herres. „Die wachsen nicht auf den Bäumen.“ Über drei Jahre lang buhlte die ARD um Jauch. Selbst eine erste Abfuhr ließ sie nicht in ihrem Liebeswerben ermatten. Auch um Gottschalk bemühte sich das Erste intensiv und mit Erfolg: Ab Januar 2012 moderiert der langjährige ZDF-Mann viermal pro Woche eine Live-Show vor der Tagesschau. Im Konkurrenzkampf der Kanäle um die zugkräftigsten Moderatoren geht es inzwischen zu wie auf dem Transfermarkt der Fußball-Bundesliga: Wer keine Spitzenstars zu bieten hat, dem droht der Verlust von Zuschauern und Werbekunden. Millionen werden in die Hand genommen und Anschlussauf-
träge versprochen, um Rivalen ihre Quotenbringer abzujagen. ARD-Neuverpflichtung Pflaume im Café „Florian“ schiebt seinen leeren Müsliteller ein bisschen nach vorn – jede seiner Bewegungen von einer Brünetten am Nebentisch auffällig unauffällig beobachtet – und lächelt sein Sat.1-Lächeln, mit Zähnen so weiß, dass sie fast blau schimmern. „Die Zuschauer verbinden Sender mit den programmprägenden Moderatoren“, sagt Pflaume, „daher sind sie wichtige Aushängeschilder.“ Die ARD, die sich schwertut, eigene Nachwuchskräfte aufzubauen, und jede Abwerbung bei den Privatkanälen zum eigenen Triumph umdeutet, köderte Pflaume mit der Zusage, außer dem „Star
Stars der Produktion Wer hinter den TV-Shows steckt Rang/Moderator 1
Günther Jauch
Jauchs Firma I & U produziert rund ein Dutzend verschiedener Sendungen
2
Stefan Raab
Die Firma Raab TV, an welcher der Moderator 50 Prozent hält, entwickelt neun Shows.
3
Frank Plasberg
Plasbergs Unternehmen produziert aktuell fünf unterschiedliche Sendungsformate.
4
Johannes B. Kerner
Nach seinem Wechsel zu Sat.1 verantwortet Kerner die Herstellung von vier Shows.
5
Harald Schmidt
Der Talker konzentriert sich auf die Produktion seiner Late-Night-Show auf Sat.1. 54
manager magazin 8/2011
Firma/Produktionen (Auswahl) I & U Information und Unterhaltung Günther Jauch (ARD, Günther Jauch) Stern TV (RTL, Steffen Hallaschka) 2010 – Das Quiz (ARD, Frank Plasberg) Der klügste Deutsche 2011 (ARD, Kai Pflaume) Die ultimative Chartshow (RTL, Oliver Geissen) Raab TV (Tochter von Brainpool) TV Total (ProSieben, Stefan Raab) Schlag den Raab (ProSieben, Steven Gätjen) Wok WM (ProSieben, zuletzt Matthias Opdenhövel) Unser Song für Deutschland 2011 (ProSieben/ARD, Sabine Heinrich und Matthias Opdenhövel) Ansager & Schnipselmann Hart aber fair (ARD, Frank Plasberg) Das Quiz der Deutschen (ARD, Frank Plasberg) Das fantastische Quiz des Menschen (ARD, Eckart von Hirschhausen) J. B. K. TV-Production Kerner (Sat.1, Johannes B. Kerner) Das große Allgemeinwissensquiz (Sat.1, Johannes B. Kerner)
Kogel & Schmidt Harald Schmidt Show (Sat.1, Harald Schmidt)
Quiz“ noch weitere Sendungen moderieren zu können: eine Neuauflage des Ratequizklassikers „Dalli Dalli“ zum Beispiel. Im Herbst kommt noch eine wöchentliche Vorabendshow hinzu. Senderwechsel, einst undenkbar, sind längst Teil der TV-Normalität geworden. Anders als vor ein paar Jahren noch sonnt sich der Entertainer nicht mehr im Glanz des Senders, wo er zu sehen ist, sondern der Sender im Lichte des Stars. vom Fußball ab, sind Entertainer die verlässlichsten Quotenbringer. Zumal in der Internetzeit auch die neuesten Hollywood-Streifen, einst in großen Output-Deals von den TV-Unternehmen eingekauft und triumphal gefeiert, an Bedeutung verlieren: Das junge Publikum schaut sich Filme an, wann es will, und nicht, weil es den Sendern gefällt, sie ins Programm zu nehmen. Die einzige und zudem noch relativ preiswerte Programmware, mit der sich die Sender voneinander unterscheiden, sind die Shows und ihre Präsentatoren oder Gesprächsleiter, heißen sie nun Anke Engelke („Ladykracher“), Florian Silbereisen („Feste der Volksmusik“) oder Carmen Nebel („Willkommen bei Carmen Nebel“), die ebenfalls selbst produziert und einer der höchstbezahlten TV-Stars in Deutschland ist. Die ARD verpflichtete nicht nur Jauch, Pflaume, Reinhold Beckmann und zuvor Jörg Pilawa, der mittlerweile zum ZDF übergelaufen ist, sondern auch den ProSieben-Mann Matthias Opdenhövel. Angesichts des wachsenden Bedarfs können die populärsten Moderatoren nicht selten Spitzengagen aushandeln oder doch zumindest über Sendeplätze und Inhalte mitbestimmen – schließlich stellt man lukrative Aufträge für ihre Folgeproduktionen in Aussicht. „Wer einen Moderator unbedingt bekommen oder halten will“, sagt der Geschäftsführer einer Produktionsfirma, „der pumpt ihn voll mit Aufträgen.“ Die eigenen Unternehmen steigern den Einfluss der Entertainer zusätzlich: „Moderatoren, die in hoher Schlagzahl und mit großen Budgets Unterhaltungssendungen produzieren“, sagt ARD-Talkerin Sandra Maischberger, „schaffen sich dadurch eine größere Gesprächsmacht gegenüber dem Sender.“ Und entscheidende Vorteile im Kampf um den besseren Sendeplatz. SIEHT MAN EINMAL
Auch Frank Plasberg („Hart aber fair“) ist Moderator und Manager zugleich. Die Firma des 54-Jährigen, Ansager & Schnipselmann, hat ihren Sitz in einem Altbau am Düsseldorfer Südring. In den Büros war früher ein Tanzlokal untergebracht und später einmal die koreanische Religionsgemeinschaft Full Gospel. Von seinem Schreibtisch aus fällt Plasbergs Blick auf einen ausgestopften Fuchs, der auf den Hinterbeinen steht, die Zähne bleckt und ein Tablett mit Visitenkarten hält. Das erinnert ein bisschen an den Bären im Kontor der Familie Buddenbrook. Durch den Gewinn von Jauch löste die ARD einen Dominoeffekt aus: Da ihm der Sonntagabend zugesagt worden war, musste Anne Will ihren Platz räumen. Doch wohin sollte sie ausweichen? Nun mussten sich auch die Talkkollegen Reinhold Beckmann, Sandra Maischberger und Frank Plasberg Eingriffen der ARD-Obrigkeit erwehren. Als seine Sendung hinter die „Tagesthemen“ verbannt werden sollte, machte Plasberg sämtlichen ARD-Intendanten seine Aufwartung: „Hart aber fair“, betete er ihnen vor, sei inhaltlich zu anspruchsvoll für eine Zeit nach 22.45 Uhr. Am Ende bekam Plasberg seinen Willen, jedenfalls fast: Er darf um 21 Uhr auf Sendung gehen – allerdings am Montag, nicht mehr am Mittwoch. Dorthin wurde Kollegin Anne Will abgeschoben. Der ARD dient Plasberg nicht nur als Quoten-, sondern auch als Programmlieferant. Sein 35-Mann-Betrieb stellt neben der Hausmarke „Hart aber fair“ auch das „Quiz der Deutschen“ her sowie zwei Shows mit dem Kabarettisten Eckart von Hirschhausen. Weitere Formate sind in Planung. „Es ist ökonomisch sinnvoll, sich breiter aufzustellen und nicht von einer einzelnen Sendung abhängig zu sein“, sagt Plasberg und runzelt bedeutungsvoll die Stirn. ALS CHEFS ihrer eigenen Produktionsfirmen haben Moderatoren die Hoheit über Investitionen, Personal und Arbeitszeiten. Zudem verschaffen sie sich neben dem Moderationshonorar des Senders und ihrem jährlichen Gewinnanteil eine dritte Einkommensquelle: das Geschäftsführergehalt ihrer Firma. Den Sendern wiederum bieten die TV-Unternehmer alle Vorteile des Auslagerns: befristete Produktionsverträge,
Die vier Großen Fred Kogel, Ex-Chef von Sat.1, über die Arbeit mit Harald Schmidt und die Macht der Moderatoren TVProduzent Fred Kogel
Ihr Kompagnon Harald Schmidt wechselte von der ARD zurück zu Sat.1. Verbessert er sich dadurch?
KOGEL Ja – von den Sendeplätzen und der Kontinuität her gesehen eindeutig. Oder unterstellen Sie etwa, dass ARD und ZDF nicht so gut bezahlen wie die Privaten? Inzwischen unterstellen wir, dass ARD und ZDF mit Gebührenmilliarden um sich werfen.
KOGEL Die Finanzen geben nicht den Ausschlag für einen Senderwechsel, zumindest nicht für die Big Four: Moderatoren wie Jauch, Gottschalk, Schmidt und Raab geht es um Inhalte, Eigenständigkeit und darum, dass sie sich wohlfühlen. Das sind sehr hochwertige Gründe.
KOGEL Um Erfolg geht es ihnen natürlich auch und um die Bedingungen, die ihn ermöglichen – Sendeplätze etwa oder Vorprogramme. Aber diese Leute haben ihren Preis und es nicht nötig, irgendwo anzuheuern. Entertainer gehören zu den Trümpfen der Sender im Kampf um Publikum und Werbekundschaft. Wie sieht das Machtverhältnis aus, wie hat es sich verändert?
KOGEL Die vier Großen sind ja Marken an sich. Der Name ist Programm. Ihr Bekanntheitsgrad entspricht dem des Senders, für den sie arbeiten. Angesichts des großen Medienangebots auch im Internet ist es doch heute so, dass man nicht mehr einen Sender schaut, sondern ein Programm. Deshalb zählen die großen Marken mehr als früher. Die Machtverhältnisse haben sich sicher zuungunsten der Sender verschoben, zumindest bei den wirklich großen Namen. Worin unterscheidet sich Kogel & Schmidt von den Produktionsfirmen Jauchs, Raabs oder Kerners?
KOGEL Wir haben insofern eine Sonderstellung, als wir ausschließlich Harald Schmidt produzieren. Wir sind
nicht daran interessiert, auch andere Künstler, Sendungen und Aufträge zu akquirieren. Warum nicht?
KOGEL Weil wir versuchen wollen, das Beste für Harald Schmidt zu erreichen: satirische Late Night ist ein äußerst schwieriges Genre. Das haben viele andere leidvoll erfahren. Man braucht ein sehr spezielles Know-how. Unternehmerische Hygiene ist unser Geschäftsprinzip, wir produzieren nur ihn und verfolgen keine anderen Interessen. Bei Günther Jauch und I & U sieht es anders aus. Günther macht Dutzende von Sendungen, unter anderem seine eigenen. Ähnlich ist es bei Stefan Raab und Brainpool. Kogel & Schmidt ist Teil einer kleinen Firmengruppe. Auch eine Stiftung, die Sie mit Harald Schmidt gegründet haben, gehört dazu. Welche Pläne verfolgen Sie?
KOGEL Die Kogel & Schmidt Stiftung hat in erster Linie den Zweck, klassische Musik zu fördern. Mit der Kogel Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH habe ich vor, mich an interessanten Unternehmen zu beteiligen. Daneben führe ich die Fred Kogel GmbH, die unter anderem das Management von Til Schweiger übernommen, einen umfangreichen Beratervertrag mit der Constantin Film AG abgeschlossen hat und deren Geschäftsmodell es ist, die richtigen Menschen und Unternehmen zusammenzubringen. Kein Interesse mehr, noch einmal die Führung eines Senders zu übernehmen?
KOGEL Nein, ich hatte das Glück, sehr jung ZDF-Unterhaltungschef und später Sat.1-Geschäftsführer zu werden. Später habe ich viele Jahre lang eine börsennotierte Gesellschaft geführt, Constantin Film. Heute genieße ich es, meine Kreise mit meinen eigenen Firmen zu ziehen. ◆ manager magazin 8/2011
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FOTO: MICHAEL TINNEFELD / AGENCY PEOPLE IMAGE
Unternehmen TV-Stars
Unternehmen TV-Stars
höhere Flexibilität, geringere Fixkosten. Wird die Show eingestellt, haben die Sender keinerlei Verpflichtungen gegenüber den Partnerfirmen und ihren Beschäftigten. „Ich verdiene heute mehr, als ich in der Funktion des fest angestellten Sender-Hierarchen verdienen würde“, sagt Plasberg. „Doch ein Teil des Geldes ist eine Risikoprämie.“ Die Sender honorieren das unternehmerische Risiko, das ihre Talker und Entertainer für sie übernehmen. So lässt sich Sat.1 die Rückkehr des langjährigen ZDF-Talkers Johannes B. Kerner gut neun Millionen Euro pro Jahr kosten. Dieser Paketpreis umfasst rund 75 Auftritte: als Moderator von Fußballspielen und Quizsendungen sowie als Gastgeber der Gesprächsrunde „Kerner“. Auftragnehmer der Talkshow ist Kerners Firma J. B. K. TV-Production. Nachttalker Harald Schmidt handelte bei seinem Wechsel von der ARD zu Sat.1 eine Jahressumme von 8,4 Millionen Euro aus. Für jede der rund 70 Sendungen, die Schmidt moderiert und produziert, erhält er somit 120 000 Euro. Für die Produktion seiner Show hat Schmidt eine eigene Firma gegründet: Kogel & Schmidt mit Sitz in MünchenGrünwald. Der Moderator betreibt seine Geschäfte gemeinsam mit Fred Kogel, ehedem Chef von Sat.1 und später von Constantin Film und heute dessen Aufsichtsratschef (siehe Interview Seite 55). Co-Management ist eine beliebte Organisationsform in der Szene.
Stars der Reklame Bruttowerbeumsätze einzelner TV-Shows im Jahr 2010, in Millionen Euro Wer wird Millionär? Günther Jauch, RTL
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Deutschland sucht den Superstar Dieter Bohlen, RTL Germany’s Next Topmodel Heidi Klum, ProSieben TV Total Stefan Raab, ProSieben Quelle: Sender
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56,9
39,0 Grafik: manager magazin
Studienabbrecher Jauch hat schon vor elf Jahren seinen Vertrauten, den SternTV-Chefredakteur Andreas Zaik, an die Spitze von I & U geholt: Zaik hält Jauch den Rücken frei, denn der sei „in erster Linie Journalist“. Jauch ist das prominente Gesicht der Firma, Zaik der Geschäftsmann. Zu den jüngsten Coups der Firma gehört die Verpflichtung des NDR-Moderators Steffen Hallaschka, der Jauch bei Stern TV ersetzt. Es gibt auch Entertainer, die bewusst auf eine eigene Firma verzichten und allein oder nur mit einzelnen Beratern arbeiten wie Kai Pflaume etwa oder Thomas Gottschalk: Der ist vor fast drei Jahren aus der gemeinsam mit seinem Bruder Christoph betriebenen Vermarktungsgesellschaft Dolce Media ausge-
stiegen, die „Wetten, dass ...?“ bislang mit Werbepartnern versorgte. Christoph Gottschalk hat ungefähr die Körper- und Nasengröße seines Bruders, ist ein Freund der weit ausholenden Geste und verfügt über einen Bariton, der Hallen füllt. „Thomas wollte seine Neutralität beweisen und ist deshalb aus der Firma ausgestiegen“, ruft er. Berichte über Streitereien seien erfunden: „Thomas und ich telefonieren fast jeden Tag.“ Auch künftig will Christoph Gottschalk der wichtigste Berater seines Bruders bleiben. Gespräche mit den Sendern führt der berühmte Bruder dagegen allein, sei es mit seinem Duzfreund Udo Reiter, dem scheidenden MDR-Intendanten, über seine Zukunft bei der ARD, sei es mit ZDF-Intendant Markus Schächter, der Gottschalk bis zuletzt zum Bleiben überreden wollte. „Ich komme ins Spiel, sobald Finanzierungslücken auftreten“, sagt Christoph Gottschalk. „Ich kann Sponsoren und prominente Gäste besorgen.“ Zurzeit bastelt er mal wieder an einer großen Sache und verhandelt mit dem weltgrößten Parfümhersteller, Coty, ob man nicht zusammenarbeiten könne. Coty vermarktet Düfte unter den Namen von Prominenten wie Kate Moss, Halle Berry oder David Beckham. Gottschalk will Coty beziehungsweise die Namensgeber der Parfüms dazu bewegen, in der neuen Sendung seines Bruders aufzutreten. Geschäft ist Geschäft, und eine Hand wäscht die andere. Win-win sozusagen.
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Unternehmen TV-Stars
Ob mit Bruder oder ohne: Der Moderator dürfte auch künftig zu den Spitzenverdienern seiner Zunft zählen. Kenner beziffern Gottschalks Jahreseinkommen auf mindestens zehn Millionen Euro. Einen beträchtlichen Teil davon verdient er mit Gummibärchen-Werbung: 1991 schloss Gottschalk einen Vertrag mit Haribo ab, der noch bis 2013 läuft. „Für Spitzenmoderatoren ist es sehr wichtig, sich senderunabhängige Erlösquellen zu erschließen“, sagt Christoph Gottschalk. zu Sendern und Unternehmen agieren oft große Agenturen wie die Pool Position in Köln. Geschäftsführer Alexander Elbertzhagen arbeitet für rund 50 Künstler und Entertainer, darunter Barbara Schöneberger, Michelle Hunziker und Sandra Maischberger. Er beschäftigt 80 Mitarbeiter. Elbertzhagen verfügt über einen guten Ruf in der Innung. Jeden Tag pünktlich um 9.30 Uhr findet das Morgenmeeting statt mit Presseschau und Analyse der Einschaltquoten. Jeder Kunde bekommt einen ständigen Mitarbeiter, der Kontakte knüpft und Jobs vermittelt. Für solche Dienstleistungen streichen die Agenten in der Regel 10 bis 20 Prozent der Vertragssumme ein. Nebenjobs sind für gefragte Entertainer äußerst einträglich. Im Schnitt können sie rund eine Million Euro zusätzlich pro Jahr durch Werbung verdienen, in Einzelfällen deutlich mehr. Noch schnel-
ALS TÜRÖFFNER
leres Geld lässt sich mit Auftritten bei Veranstaltungen wie Firmenfeiern machen: bis zu 250 000 Euro am Tag. Die wichtigste Währung im TV-Geschäft ist das Image. Auch daran arbeiten die Promi-Manager. Die Agentur Anke Lütkenhorst beispielsweise achtet mit darauf, dass ihr Schützling Kai Pflaume – Vater zweier Söhne im Alter von 10 und 13 Jahren – stets als tadelloser Familienmensch rüberkommt. Er moderiert Spielshows wie „Dalli Dalli“, wirbt nebenbei für elektrische Zahnbürsten. „Produkt und Testimonial müssen harmonieren“, sagt Pflaume. Dass er etwa eine Wirtschaftssendung präsentierte, wäre undenkbar, obwohl Pflaume bei einer Frankfurter Privatbank Börsenhändler gelernt und auf dem Parkett mit Aktien gehandelt hat. Eine Zeit, die ihn geprägt hat: Pflaume lehnt sich zurück und hält ein kurzes Referat über den Einfluss von Optionsgeschäften auf die Börsenkurse. Christoph Gottschalk hingegen ist nach eigenem Bekunden kein Experte für Finanzmärkte. Dennoch sollte der Jurist einst im Werbespot für die Post-Aktie an der Seite seines Bruders den Börsenprofi mimen. Das notwendige Profil war schnell gezeichnet: Im Verlag Hoffmann und Campe erschien zeitnah „Christoph Gottschalks Börsen Lexikon“. Dort der Entertainer, hier der Geschäftsmann: So soll das Publikum die Arbeitsteilung der Brüder wahrnehmen. Waren Topentertainer in alten TVZeiten noch in die Hierarchien ihrer
Haussender eingebunden, haben sie sich inzwischen eigene Netzwerke geschaffen. Die Sender reagieren auf die Macht der Moderatoren oft mit größtmöglichen Zugeständnissen. Nach dem Erfolg mit Gottschalk möchte Programmdirektor Herres nicht einmal ausschließen, dass irgendwann alle talentierten Entertainer beim Ersten unter Vertrag stehen: „Das wäre ja nicht das Schlechteste ...“ ProSieben & Co. befürchten weitere Lockangebote für ihr Spitzenpersonal – und wehren sich: „ARD und ZDF sollten von ihren Gebührengeldern besser ihren eigenen Nachwuchs pflegen, als Entertainer bei den Privaten abzuwerben“, fordert Jobst Benthues, Chef der Redseven Entertainment, der Produktionsfirma der Sendergruppe ProSiebenSat.1. Vom verschärften Kampf der Kanäle können die TV-Stars nur profitieren. Wer als Spitzenkraft gilt, gewinnt Privilegien, gute Programmplätze – und Popularität. Im Café „Florian“ nähert sich eine mittelalte Brünette dem Mann, der Pflaume heißt und der so adrett aussieht, schaut ihm so tief in die Augen, wie sie kann, und sagt: „Ich bewundere Ihre Arbeit.“ Pflaume kennt solche Damen. Er holt aus seinem Audi, den er direkt vor dem Café abgestellt hat, eine Autogrammkarte und schreibt der Brünetten eine kleine Widmung auf. Dann schwingt er sich in seinen Q7, schiebt den Schaltknüppel auf „D“ und gleitet davon. Klaus Boldt/Simon Hage
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