Die beiden Naturforscher
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Die beiden Naturforscher
B
ei einem meiner Streifzüge durch Feld und W a l d lernte ich sie kennen, die beiden „Naturforscher". Ich traf sie am Wegrand über einen Eichenzweig^ebeugt, den sie zu sich heruntergebogen hatten. Neugierig untersuchten sie einen Eichapfel; die rötlich-gelbe Kugel saß wie ein Ball in Kinderhand auf der grünen Blattfläche. Daich stehen geblieben warund ihnen offenbar den Eindruck machte, als ob ich von Naturdingen etwas verstände, kamen wir ins Gespräch und zur Bekanntschaft, die uns nun öfters zusammenführen sollte. Ich erfuhr, daß der rundliche und kleinere Erwin und der aufgeschossene schmale Walter hieß. Der Titel „Naturforscher" •— das muß ich betonen •— stammte keineswegs von einer wissenschaftlichen Akademie — er war halb Spott-, halb Ehrenname, der ihnen von den Klassenkameraden angehängt worden war. Sie trugen ihn aber mit Würde. Natürlich hatte jeder der beiden Naturforscher daheim ein Aquarium und ein Terrarium, darin sie die Ausbeute von ihren Expeditionen in. die Wiesen und Wälder in Pflege hielten. Als Höhepunkt in ihrer bisherigen Forscherlauf bahn betrachteten sie den Augenblick, als ein Pärchen jener kleinen, bunten, lebendgebärenden Zahnkarpfen, die als Guppys bekannt sind und die ich ihnen geschenkt hatte, leibhaftige Junge zur W e l t brachte. Seitdem legten sie sich auch noch den Titel „Tierzüchter" zu. Die beiden Freunde hatten noch eine zweite Leidenschaft: sie verf schlangen Bücher. Ihre Phantasie lockte sie in Abenteuer und Unbekanntes : sie trieben mit wilden Südseehäuptlingen und mit Feuerländern Handel, streiften mit Holzfällern durch die Mammutwälder Kanadas und paddelten in Eskimokajaks auf Robbenjagd. So manches Reisebuch haben sie schon aus meinem Bücherschrank entliehen, und wenn sie es zurückbringen, unterhalten wir uns darüber und folgen auf dem Atlas den Wegen der großen Forscher durch Urwälder und Wüsten, über hohe Gebirge und zu unerforschten Küsten. „W"areni Sie auch schon in Afrika?" fragte Wolter eines Tages, als wir ^wieder einmal zusammen schmökerten. „Nein44, gestand ich, „so weit habe ich es noch nicht gebracht." 2
„Ach, wenn ich doch einmal dahin könnte 1" seufzte der Kleine, „und die Elefanten und Giraffen und Zebras-und Löwen zu sehen bekäme, die Karl Georg Schillings in dem Buch ,Mit Blitzlicht und Büchse' beschrieben hat." „Oder zum Amazonenstrom, zu den Krokodilen und Riesenschlangen, Papageien und Brüllaffen . . . " ergänzte der andere. „Ich las neulich, daß in Australien die seltsamsten Tiere der W e l t leben, die Beuteltiere, das Schnabeltier, der Molchfisch und noch andere," / „Ja, das stimmt", erwiderte ich, „in Australien gibt es eine Menge wunderlicher Tiere. Ich wünschte, ihr könntet in eurem Leben recht viel von all diesen Wundern der weiten Erde sehen. Aber um so seltsame Tiere der W e l t kennenzulernen, braucht man nicht gleich nach Australien zu reisen. Das könnt ihr viel leichter haben. Wenn ihr wollt, führe ich euch am Sonntag zu den Chiropteren . . ." Die beiden schauten mich groß an. Chiropteren? Davon hatten sie wirklich noch nichts gehört. Aber ich verriet ihnen nichts, sondern entließ die beiden Freunde mit der Vertröstung auf den kommenden Sonntag nach Hause.
In der Tropfsteinhöhle Hm Sonntag wandern wir zu dritt unser stilles Tal hinauf. Ein leichter Schnee ist in den letzten Tagen gefallen und hat eine dünne weiße Decke über den Boden gebreitet. Hier und da kreuzen mancherlei Tierfährten unseren Weg. Meine beiden kleinen Freunde kennen sich aus, sie scheinen recht gute Spurenleser zu sein. Ringsum herrscht Stille, in die nur selten ein Laut fällt — etwa, wenn der Bach auf seinem gewundenen W e g sich auf unsere Talseite herüberschwingt und wir sein unaufhörliches Murmeln und Plaudern vernehmen, wenn ein Trupp Schwanzmeisen schnirpsend durch das Weidengebüsch zigeunert oder ein Zaunkönig mäuschenhaft im Wurzelwerk der Ufererlen umherhuscht und die Welt schnicksend vor uns warnt. Nach einer Stunde etwa führt unser W e g den rechten Talhang hinauf. Der Hang ist mit Buchenstangenwajd bestanden, und hier ist es noch stiller als drunten auf der Talsohle. Einmal nur sehen wir ein paar Dompfaffen •— mit prächtig roter W^este die Männchen, schlicht blaugrau die Weibchen —>, die durch die Buchenkronen streichen und wehmütige Flötenpfiffe hören lassen. Dicht unterhalb der oberen Hangkante zweigt von unserem Weg ein kleiner, jetzt verschneiter und dem Unkundigen nicht bemerkbarer Steig ab. Über uns steigen steile Felskiippen aus dem Boden; an diese führt der kleine Pfad heran, und dann sind wir am Ziel unserer Wanderung. Am Fuße der Felswand öffnet sieh ein niedriges, 3
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knapp mannshohes Tor. Lange spitze Eiszapfen hängen an den Mauern oberhalb des Tores herunter, unter ihnen wachsen aus dem Boden kleine dicke Eissäulen empor. „Schaut euch das einmal genau an]" Ich weise mit dem Stock auf diese seltsamen Eisgebilde. „Gleich im Berg könnt ihr etwas Ähnliches sehen." „Ich weiß schon", antwortet einer der Buben, die schon einmal hier oben -waren, „aber die sind aus Stein, die Tropfsteine dort in der Höhle!" Ich nehme meine kleine Laterne aus dem Rucksack und zünde sie an. W i r müssen uns ein 'wenig bücken, als wir nun, einer hinter dem anderen, in das Dunkel des Berges treten. „O, hier drin ist's aber warm." Ganz hohl klingt dieser Ausruf hier in den Felsen. „Nun warm ist das eigentlich nicht", erwidere ich, „es kommt euch nur so vor, weil draußen einige Grad Kälte herrschen. Im Sommer würdet ihr es kühl finden. Die Temperatur in dieser Höhle schwankt innerhalb des Jahres nur um wenige Grad, im Durchschnitt liegt sie bei 8