Jürgen Stoffregen Motorradtechnik
Kraftfahrzeugtechnik
Handbuch Verbrennungsmotor
herausgegeben von R. van Basshuys...
261 downloads
2543 Views
76MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Jürgen Stoffregen Motorradtechnik
Kraftfahrzeugtechnik
Handbuch Verbrennungsmotor
herausgegeben von R. van Basshuysen und F. Schäfer Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik
herausgegeben von H.-H. Braess und U. Seiffert Automobildesign und Technik
herausgegeben von H.-H. Braess und U. Seiffert Bremsenhandbuch
herausgegeben von B. Breuer und K. H. Bill Handbuch Verkehrsunfallrekonstruktion
herausgegeben von H. Burg und A. Maser Fahrwerkhandbuch
herausgegeben von B. Heißing und M. Ersoy Passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen
von F. Kramer Fahrzeugreifen und Fahrwerkentwicklung von G. Leister Grundlagen Verbrennungsmotoren herausgegeben von G. P. Merker und ehr. Schw arz Virtuelle Produktentstehung für Fahrzeug und Antrieb im Kfz herausgegeben von U. Seiffert und G. Rainer Rennwagentechnik von M. Trzesniowski Handbuch Kraftfahrzeugelektronik herausgegeben von H. Wallentowitz und K. Reif Handbuch Fahrerassistenzsysteme herausgegeben von H. Winner, S. Hakuli und G. Wolf
www.viewegteubner.de
--.
Iürgen Stoffrege n
Motorradtechni k Grundlagen und Ko nzepte von Motor, Ant rieb und Fahrwerk 7., übera rbe itete und erwe iterte Auflage Mit 391 Abbild ungen POPULÄR
11 VIE WEG + T EUBNER
I ATZj
MTZ-Fachbuch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothekverzeichnet diese Publikation in der Deutschen Naticnatbibliograüe; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 1995 2., verbesserte Auflage 1996 3., überarbeitete und erweiterte Auflage 1998 4., überarbeitete und erweiterte AUflage 2001 5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2004 6., durchgesehene und erweiterte Auflage 2006 7., überarbeitete und erweiterte Auflage 2010
Alle Rechte vorbehalten
© Vieweg- t eubner I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ewald Schmitt I Elisabeth lange Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Seience-Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtfleh geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen. Handelsnamen. Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Künkellopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: KlEMENTZ publishingservrces, Gundelfingen Druck und buchbindensehe Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0698-7
v
Vorwort zur 7. Auflage Auch im Zeitalt er virtueller Welten bleibt d ie Faszination des Motorrad fehrens. der Mechanik und der sichtbaren wie hautn ah zu spüre nde n Technik ungebrochen . Die Un mittelbarkeit und die Dynamik der Bewegu ngsabläu fe sow ie d ie enge Kopp elung zw ischen Mensch u nd Maschine machen da s Erlebn is auf ein em Motorrad ei nz igartig wie bei kei nem anderen Landfahrzeug. Dieses Buch möchte Einblicke in de n technischen Aufb au von Motorrädern geben und die Technik sow ie ihre Hintergr ünde in einem Gesamtzu sammenhang erläutern . Die erste Auflage des Buches Motorradtechn ik kam 1995 auf de n Markt. und dieses Buch hat sich mittlerweile als Sta ndardwerk etab liert. Zuschriften zeigen, dass sein Konzept die Leser bege istert und das Buch seine Zielsetzu ng erre icht hat: Die Tech nik moderner Motorräder w rstündlich und fesselnd darzu stellen u nd neben Fachleuten auch interessiert e Motorrad fa hrer anzusprechen. Dieses wa r und bleibt dem Autor ein besonderes Anliegen. In de n 14 Jahren seit seinem Erscheinen wurde da s Buch regelmäßig aktu alisiert u nd erwe itert. Län gst überfällig war die Aufnahme eines Kap itels über elektronische Systeme und moderne Bordnetze im Motorrad . Dieses wird mit der vorliege nden 7. Auflage nachgeholt. Die neuesten Entwicklungen bei Regelu ngssysteme n für den Ant rieb wie auch bei de n Brem sen (ASS) wurden in d ie bisherigen Ka pitel integriert. Die seit einiger Ze it verstärkt gefüh rte Disku ssion über die End lichkei t des Erdöls un d d ie resultiere nden Forderungen nach Senkung des Kraft stoffve rbrau chs für Kraftfahrzeuge hat die motori sierten Zweiräder erneut als Individualverkehrsmittel für Transportau fgaben ins Gesprä ch gebrac ht. Motorräder mit elektrischen Antrieben machen die ers ten Schritte in den Markt. Diese Entwick lungen werden im Kap itel Zukunftse ntw icklungen kurz anger issen . Dennoch wird d ie Ma rkt steIlung des Moto rrades als Freizeit fahrzeug auch in den nächste n 15 Jah ren erhalten bleiben und der Verbrennungsmotor wird auc h nach 2020 die dominierende Antriebsquelle fü r Motorräder sei n. Deshalb wird d ieses Fachbu ch weiterhin seiner bishe rigen Hauptausrichtung treu bleiben . Es bleibt also auch in de r Zukunft be i dem, was schon in der ersten Auflage 1995 gesagt wurde : Das Motorra d vereint auf engstem Bauraum modern ste Motoren-, Fahrwerks- und Werkstofftechnotogie. In vielen Bereichen de s Fah rzeu gbau s hat das Motorrad Schritt macherfunktionen für d ie Einfü hrung neuer Technologjen geleistet. Erinnert sei hier an die Mehr ventiltechnik. die, im Moto rrad seit rund 30 Jahren Standard, ers t viele Jahre nach dem Motorrad Einzug in die Großserienmotoren des Automobils gefunden hat. Ein weiteres Beispiel ist der Ra hmenba u. Ge schwei ßte Verbundkonstru ktionen aus Aluminium-Strangpress profilen und AluminiumGu sste ilen sind im Moto rradbau längst auf bre iter Basis eingeführt, wä hrend beim Automobil diese Technik nach wie vor nur in Einzelfallen angew andt wird. Auch die mod erne Forsch ung befasst sich seit Jah ren aufgru nd de r Initiative einig er Hochschulinstitut e intensiver mit der Tech nik des Motorrade s. Wicht ige Frage n der Fahrdynamik und der Fahr instabilitäten konnten dadu rch aufge klärt werden, was wesen tlich dazu beigetragen hat, die Hochgeschwi ndigkeitsstabilität mode rner Motorräder zu perfektion ieren. Die Erke nntnisse moderner Fo rschungs- und Entwicklungsa rbeiten dr ingen über de n Kreis der dam it befassten Fachleute immer noch nur we nig hinaus. Gleichwohl besteht be i vielen, die sich berufli ch oder auch nur pr ivat mit dem Motorrad be schäfti gen de r Wunsch, d ie technischen
VI
Vorwort z ur 7. Auflage
Zusammenhänge näher kennen zule rnen. Dieses Buch wurde geschrieben, um dem interessierten Leser das ak tuelle Wissen neuzeitlicher Motorradtech nik zugä nglich zu machen. Abgeleitet aus den theoretischen Gru ndlage n werden die Konstruktionsprinzipien von Motor, Antrieb und Fahrwerk ausführlich erläutert und die praktische Entw icklung mode rner Motorräder da rgestel lt. Aus dem Blickwinkel der indu striellen Praxis heraus, werden dabei auch die Zielkonflikte zwischen dem techni sch Möglic hen u nd wirtsc haftlich Sinnvollen nicht ausgeklammert. Das Buch ist entstanden aus de r g leichnamigen Leh rveranstaltung, d ie de r Autor an der Hochschule München seit nunm ehr 22 Jahren hält. Hauptberuflich warer viele Jah re bei BMW in der Motorradentwicklun g und später als Pressesprecher für den Geschäftsbereich Motorrad tätig. Heute leitet er das Produktmanagement für Fahrerau sstattung und Sonderzubehör im Hause BMW Motorrad. Das Buch wend et sich gleichermaßen an Stud ierende von Fach- und Hochschulen, wie an Zweiradmechan iker und Meister sowie an alle technik interessiert en Motorrad fah rer. Durch den Verz icht auf schwierige mathematische Herleitu ngen zug unsren anschaulicher Zusammenhänge und ausfü hrlicher Erläuterung bleibt es auch für den Motorradfahrer mit physika lischem Gr undverstä ndnis gut lesba r. Wichtige technisch-physikalische Gru ndlagen kö nnen auch im Glossar technisc her Grundbegriffe am Ende des Buches nachgeschlage n werden . Es ist dem Verfasser als begeistertem Motorradfahrer ein be sonde res Anliegen, da ss statt tro ckener Theorie anwendba res Praxiswissen im Vordergrund steht und dam it das Lesen auch Freude bere itet. Dass das gewä hlte Konzept eines lesbaren Fachbuchs be im Leser ankommt, zeigt sich dara n, dass die bisherigen Auflagenjeweils rasch vergriffen waren . Studierende u nd Fachleute der Fahrzeugtechnik u nd verwandter Fachrichtungen. d ie sich an manchen Stellen vielleicht eine strenger wissenschaftliche Darstellu ng wü nschen. seien aufdie za hlreichen Literatu rstellen verwiesen. Eine tiefere Einarbe itung in die Problemstellungen wird d amit leicht mög lich. Für die Überlassung von Bildm aterial und Unterlagen bedan ke ich mich wiede rum bei allen Institutionen u nd Unternehmen der Motor radindust rie. sowie bei befreundeten Motorrad-Fachze itschrifte n. Mein Dank gi lt ebenso allen Kollegen, Studenten und Motorradfahrern, die in Gesprächen und Diskussionen mit vielen Ideen u nd Gedanken fortla ufend zu r weiteren Gesta ltung dieses Buches beigetragen haben . Namentlich erwähnen möchte ich Herrn Dipt.-ln g. Themas Ringho lz, Herrn Dipl.-l ng. Claus Polap und Herrn Dipl.-Ing. Ger t Fischer, die bei der Kon zeption der ersten Auflage wichtige Beiträge zu einigen Kapitel n geleistet haben. Nicht vergessen möchte ich meine Frau, ohne deren Verstä ndnis für meinen Zeitaufwa nd d ieses Buch nie hätte entstehen und weiterentw ickelt werden können . Wie von Beginn an , hat Herr Dipl.-Ing. Ewald Schmitt auch die vorliegende 7. Auflage wieder mit große m pe rsönl ichen Engagement gefördert. Ihm und dem Verlag Vieweg+Teubner danke ich für d ie fachliche und freundschaftli che Unterstützung u nd Berat ung. Münch en und Olching, Oktober 2009
Jiirgen StojJregen
VII
Inhaltsverzeichnis G esa mtfa hrzeug
Ernrühru ng . 1.1 Verkehrsmittel Motorrad und wirtschaft liche Bedeutung 1.2 Cha rakter istische Eigenschaft en von Motorrädern .. .. . 1.3 Baug ruppen des Motorrad es und techn ische Trends 2
Fah r wld erst ände, Leist ungsb eda r f und Fahr leistungen 2.1 Stationäre Fahrwiderstände Rollwiderstand 2.1.1 2.1.2 Luft widerstand 2.1.3 Steigungswiderstand 2.2 Instat ionäre Fahrwiderständ e 2.2.1 Tra nslatorischer Beschleun igungswiderstan d 2.2.2 Rotatoriseher Beschleunigungswiderstand 2.3 Leistungsbedarf und Fahrleistungen
I I
6 7 10 10 10 12 14 15 15 15 16
xtotor und Ant r ieb 3 Arbeits weise, Baufor men und kon stru kti ve Ausfü hr ung von öt cr or r a dm otoren . 3.1 Motorischer Arbeitsprozess und seine wichtigsten Kenngröße n 3.1.1 Energiewandlung im Viert akt- und Zweitaktprozess 3.1.2 Reale Prozessg rößen und ihr Einfluss auf die Motorleistun g 3.2 Ladungswechsel und Ventilsteuerung beim Viertakt moto r . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Ventilöffnungsdauer und Ventilsteuerdiagramm 3.2.2 Ventilerhebung und Nockenform 3.2.3 Geometrie der Gaskanäle im Zylinderkopf 3.3 Ladungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor 3.3.1 Gru ndlagen des Ladungswechsels bei der Schlitzsteuerung . . . . . . . .. . 3.3.2 Membransteuerung fü r den Einlass 3.3.3 Schiebersteuer ung für Ein- und Auslass 3.3A Exte rnes Spülgebtäse 3.3.5 Kombi nierte Steueru ngen und Direkteinspritzung 3A Zündung und Verbrennun g im Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3A.1 Reakt ionsmechan ismen und g rundsätzlicher Verbrennungsablauf 3A.2 Beeinflussung der Verbrennung durch den Zündzeitpunkt 3A.3 Irreg ulä re Verbrennungsabläufe 3A A Bildung der Abgasschadstoffe 3.5 Gas- und Massenkräfte im Motor 3.5.1 Gask raft 3.5.2 Bewegungsgesetz des Kurbeltr iebs und Massen kraft 3.5.3 Ausgleich der Massenk räfte und -momente
21 21 22 28 33 33 36 47 49 49 56 58 59 62 64 64 67 72 77 78 79 80 84
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.6 3.7
Motorkonzeption und geometrische Grundauslegung Konstr uktive Gestaltung der Motorbauteile 3.7.1 Bauteile des Kurbeltriebs und deren Gestaltung 3.7.2 Gestaltung von Kurbelgehäuse und Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.7.3 Gestaltung von Zylinderkopf und Ventiltrieb 3.7.4 Beispiele ausgeführter Gesamtmotoren 3.8 Kühlung und Schmierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.8.1 Kühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.8.2 Schmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.9 Systeme zur Ge mischaufbe reitung und Sauganlagen 3.9.1 Vergaser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.2 Einspritzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Abgasanlagen 3.10.1 Konventionelle Schalldämpferanlagen 3.10.2 Abgasa nlagen mit Kata lysatoren 3.11 Elektrische Systeme - Energieversorg ung. Elektron ik und Bordnetz 3.11.1 Elektrische Energieversorgung 3.11.2 Bordnetz
107 111 111 129 137 163 166 166 171 173 173 179 188 188 192 196 196 198
200 200 202 204 209
4 Motorl eistungsab stimmung im Vers uch 4.1 Grundlagen der Gasdynamik beim Ladungswechsel 4.2 Einfluss der Steuerzeit 4.3 Auslegung der Sauganlage 4.4 Auslegung der Abgasa nlage
. . . . .
5 Me te rent uni ng
. 211
6
Kupplung, Scha ltgetriebe un d Rad antri eb 6.1 Kupplung 6.2 Schaltgetriebe 6.3 Radantrieb
. . . .
223 223 228 233
7
Kra rtsto rr und Schmieröl 7.1 Erdöl als Basis für die Herstellung von Kraft- und Schmierstoffen 7.1.1 Kettenförrnige Kohlenwasserstoffe . 7.1.2 Ringförmige Kohlenwasserstoffe . 7.1.3 Weitere in der Petroc hemie gebräuchliche Bezeichnungen . . 7.2 Rohölverarbeitu ng 7.2.1 Destillation 7.2.2 Konversionsverfah ren 7.2.3 Entschwefeln im Hydrotreater 7.3 Ottokraft stoffe 7.3.1 Zusammensetzung von Ottokraftstoffen 7.3.2 Unerw ünschte Besta ndteile im Ottokraftstoff 7.3.3 Kraftstoffzusätze (Additive) 7.3.4 Wesent liche Eigenschaften von Ottokraftstoffen 7.3.5 Rennkr aft stoffe
. . . . . . . . . .
238 238 239 242 243 244 244 246 247 247 247 248 248 249 253
IX
In baltsverzeichms 7.4
7.5 7.6
Moto renöle 7.4.1 Gr undöle 7.4.2 Additive 7.4.3 Viskositätsindexverbesserer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7.4.4 Klassifizierung von Motorenölen 7.4.5 Zweitaktöle 7,4.6 Rennöle Getr iebeöle Ölzusetze
253 256 257 259 261 265 266 268 270
Fahr werk 8
Kon stru ktive Auslegung von l\fotor ra dfa hrwerk en 8.1 Begriffe und geometrische Gru nddaten 8.2 Kräfte am Motorradfa hrwerk . 8.3 Rahmen und Radführu ngen . 8.3.1 Bauar ten und konstruktive Ausführung von Motorradrahmen 8.3.2 Bauarten und konstru ktive Ausführung der Vorderradführung 8.3.3 Bauar ten und konstruktive Ausführung der Hinterradführung 8.3.4 Federung und Dämpfung 8,4 Lenkung . 8.4.1 Steuerkopflenkung . . 8.4.2 Achsschenkellenkung 8.4.3 Radnabe nlenkung 8.5 Bremsen 8.6 Räder und Reifen
271 . 271 273 277 277
291 306 321 327
328 329 . 330 . 331 . 333
9 Festigkeits- und Sretügketrs unters uchunge n a n Motor r adfah r werk en 9.1 Betriebsfestigkeit von Fahrwerkskomponenten 9.2 Steifigkeitsuntersuchungen . 9.3 Dauererprobung des Gesamtfahrwerks . .
340 340 344 345
10 Fahrdyna mik und Fa hr versuch 10.1 Geradeausfah rt und Gera deausstab ilität . 1O.1.1 Kreiselwirkung und Grundlagen der dynami schen Stabilisierung 10.1.2 Fahrinstabilitäten Flattern, Pendeln und Lenkerschlagen . 10.2 Kurvenfahrt . 10.2.1 Einlenkvorgang und Grundlagen der idealisierten Kurvenfahrt 10.2.2 Reale Einflüsse bei Kurvenfahrt . . 10.2.3 Hand ling .
. 347
11 Regelu ngssysteme für Bremsen und Antriebsschlupf 11.1 Gr undlegende Gesetzmäßigkeiten bei der Bremsung 11 .2 Stabilitätsverlust beim Bremsen und Grundfunktion des ABS 11 .3 ABS-Komponenten und ausgeführte Seriensysteme
. . . .
347 347 353 362 362
364 367 369 369
374 378
x
Inhaltsverzeich nis 11 ,4 Ku rvenbremsurig 11.5 Antriebsschlupfregelung
395 39 7
Karosserie und Gesam tentwu rf 12 Design, Aerodynamik und Karosserieau slegun g 12.1 Desig n als integrale r Bestandtei l der Motorradentwickl ung 12.2 Aerodynamik u nd Verkleidungsauslegung 12.3 Fahrerplatzgestaltu ng u nd Komfort
401 401 411 4 18
Indivlduallsierung 419 13 Zubehör, S pezia lteile und technische vertetnerung 13.1 Verbesseru ngen und Spezialteile für Motor und Ant rieb 419 13.2 Ver besser u ngen und Spez ialteile für das Fahrwe rk 424 13.2.1 Rahmen , Radfüh rungen und Fed erbeine 424 13.2.2 Räder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 13.2.3 Brem san lage 430 13.2.4 Len ke r, Bed ienele me nte. Fuß rasten, Sitzbä nke 433 13.2.5 Verk leidun gen, Ka rosser iete ile u nd Tanks 435 13.3 Gepäcksysteme und sonstiges Zubehör 439 13.4 Komplett umb aute n 440 Zu ku n Its entwicklu ngen 14 Trends und zu k ü n ft ige Anforderungen im Motorradbau
443
Llteratu rve r zelchnis
455
.
457
Anh an g - Glossar techn ischer Grundbegriffe
Sac hwcr t verz etchnts
.
465
Gesamtfahrzeug 1 Einführung Motor räder und Motor radfahren üben aufv iele Men schen eine g roße Faszination aus. Sie beru ht im Wesentli chen au f der Unmittelbarkeit des Fahrerlebnisses. der Dynami k und der Intensität der Sinnenbeanspruchung. Motorradfa hren bed ingt ein sehr enges Zusamme nspiel aller Sinne und des Körpe rs und eine permanente Rückkoppelung und Interaktion zw ischen dem Fahrer und der Technik seiner Maschin e. Man ka nn es als sinnliches Techn ikerleben besch reiben und S em! Spiegel spricht in seinem sehr interessanten Buch [1.1]von hoch entw ickeltem Werkze uggebrauch. Diese Emotionalität und die Vielfalt des Erlebens sind wesentliche G ründe, da ss sich trotz einer Zeitströmung, d ie den Individualverkehr kr itischer als früher betrachtet, Motorräder zunehmende r Beliebtheit erfreuen. Obgleich sich d ieses Buch mit der Technik befasst, soll zu Beginn das Motorrad ku rz in seinem wirtschaftlichen und gesellschaftl ichen Umfeld sowie in seiner Rolle als Verkehrsmittel bet rachtet werden. Denn da s Umfeld wirkt zusammen mit den emotionalen Faktoren auf die techn ische Entwicklung unmittelbar ein. Von erheblicher Bedeutung für d ie Tech nik des Motorrade s sind auch seine ganz spez iellen Eigenschaft en, d ie sich z.T. erheblich von de nen andere r Straßenfahrzeuge unter scheiden. Auch diese muss man sich bewusst vor Augen führen. wenn man techn ische Entw icklungen im Motorradbau verstehen will.
1.1 Verkehrsmittel Motorrad und wlr tschaftllche Bedeutun g Die Bedeutung des Motorrades als Verkehrmittel ist einem stetigen Wandel unterlegen, und dies wird auch zukünftig der Fall sein. Von den Anfangsjahren bis etwa Ende der 20e r Jahre waren Motorräd er ex klusive Fahrzeuge, d ie von wohlhabenden Leuten vornehmlich für Sportund Freizeitzwecke eingesetzt wurde n, Bild 1.1 .
Bild 1.1 Renn-M otorrad der 20er Jahre (C urtiss V-8 von 1907)
I Einführung
2
In den 30er Jahren avancierten sie aber bereits zum lndividualverkehrsmittel, das einz ige. das sich eine größere Bevölkeru ngsschicht überhaupt leisten konnte. Ein Auto war für die meisten Men schen in Buropa gerade auch in der Nachkr iegszeit bis gegen Ende de r 50er Jahre une rschwinglich. Die verbreitetsten Motorräder jener Zeit waren zu meist einfach gebaute. leichte Maschinen mit häufig nicht mehr als 200 cm' Hubraum , Bild 1.2.
Bild 1.2
Motorrad als Individ ualverkehrsmitt el der 50CT Jahre, DKW RT 125
Die Bestand szahlen von Motorrädern (ab 125 cm3) und Pkw in de r Bunde srepublik Deutschland von den 50e r Jah ren bis in neuere Zeit spiegeln die ses eindru cksvoll wider, Bild 1.3. Die Gr afik zeigt im oberen Teil den Fahrzeugbestand u nd darunter die Aufte ilung de r Fah rzeuge auf d ie erwachsene Bevölkerung (älter als 18 Jah re) als Maß stab für die Motor isieru ng. Der Bestand wa r 1955 bei Motorrädern um 50 % höher als bei Autos. Das Motorrad war da s Individualfahrzeug breiter Schichten. da s die Massenmotor isierun g in Deutschland (West wie Ost) in der Zeit des Wiede raufbaus einleitete. Nac h Motorrädern be stand ein Bedarf, sie waren nützlich und hatte n ein pos itives soziales Prestige. Dies änderte sich bekannt erm aßen rapide mit dem An stieg des Woh lsta ndes in den 60er Jahre n, gegen deren Ende da s Motorrad in Westdeut schland ga nz vom Markt zu verschwinden drohte. Es spielte mit nicht einmal mehr 2 % des Pkw-Bestandes nur noch eine Außenseiterrolle. Von den ehemals siebe n große n und bedeutenden Herstellern von Motor rädern übe r 125 cm ' in Westd eutschla nd überlebten z unächst noch vier (BMW, Maico, Zü ndapp und die Sachs-G ru ppe). wobei BMW als Einziger noch großvolumige Motorräder fert igte. Durch die besond eren Verhältn isse in der damal igen DDR vollzog sich die Entwicklung dor t vollkommen anders. Das Motorrad beh ielt eine dom inierende Stellung bis zur Wiederverei nig ung bei. Der Herstell er MZ gehörte mit Produ ktionszahlen zw ischen 80.000- 100.000 Einheiten zu den große n Herstellern. Bild 1.4. Im übrigen Euro pa vollzog sich eine etwas weniger dramat ische. g rundsätzlich aber ähnliche Entwi cklung wie in Westdeutschland.
1.1 Verke hrsmittel Motorrad und wirtsch aftliche Bedeutung
""
o. ~
i
Jahr
~
0_6
~ 0 _4
~ tf
s:
~
~9
~
0 .2
0.06 0.04
o
3
1955
0.01 1970
0.02
rses J« h,
= 2000
~
2003
Bild 1.3 Bestand szahlen für Motorräd er (ab 125 cm' ) und Pk w relativ z ur Bevölkerung in der BRD
Bild 1.4 MZ ETS 250
4
1 Einfü hrung
Die bekannte, unerwartete Renaissance An fang der 70e r Jahre ging von de n USA aus, wo das Motorrad als Sport- und Freizeitge rät neu e ntdeckt wurde und auch z um Symbol der ind ividu ellen Freiheit wurde . Die Entwic klung ist beka nnt. es ka m zu einem Motorradb oo m ungeah nten Ausmaßes, der, mit den üblichen zy klischen Schwa nkunge n. bis heute anhält. Motorräd er sind zu eine m Konsuma rtikel einer kapitalkräftigen Freizeitgesellschaft geworden. mit dem man auch seinen Lebensstil ausdr ückt. Sie werde n gekauft von Leuten, die ihre Faszinat ion von der Technik mit dem unmittelbaren Fahrvergnügen verbinden, und zunehmend auch von Menschen. die keine besonde re " persönliche Ideologie" mit dem Motorrad verbindet. sondern einfach nur da s Fah ren genießen. Trotz die ser insgesamt erfreulic hen Entwic klung werden die Bestandszahlen der 50er Jahre erst in jü ngste r Zeit über sch ritten . Aufgrund der angestiegenen Gesamtbe völkerung bleibt d ie Motorisierungsquote in Bezug au f Motorräde r nied rig. Immerhin errei chen Motorräder inzwischen rund 7 % der Bestandszahle n von Pkw, so dass das Motorrad seine ehemalige Außenseiterrolle verloren hat. Auswirkungen hat d ieses auch auf d ie Gesetzgebung, die Motorräde r hinsichtlich Abga s- und Geräuschemissionen zunehmend ähn lichen Bedingu ngen unterwirft wie die Pkw. Auch dem Unfallge schehe n bei Motorrädern wird de r Gesetzgebe r zukünftig mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Zahl der bei Verkehr sunfällen Getöteten sinkt beim Pkw kontinuierlich und lag in 2008 mit r und 4.50 0 Personen auf dem nied rigsten Stand. Da Moto rräder baua rtbedingt kau m Fortschr itte hinsichtlich ihre r passiven Sicherheit aufwe isen . ist hier nicht solch eine positive Entwick lung au fzeigba r. Die Relation zwischen Motorrädern und Pkw verschiebt sich dahe r bei den Unfallfolgen ungünstig in Richtun g Moto rräder. Die for tschreitende Verstopfu ng der Innenstädte bringt seit geraumer Ze it das Moto rrad als Lösung de s Verkehrproblems für de n indi vidue llen Kurzstreckenverkehr ins Gespräc h. Seine Vor teile werden in der g roßen Wendigkeit, im geringeren Verkehrsflächenbed arfbei niedrigen Geschwind igkeite n (und nur dort !) und insbesondere beim Parken gesehen, Bild 1.5. In einigen europäischen Großstädten wie London und Paris, oder tradit ionell in Italien spielen motorisierte Zweiräder inz wischen wieder eine Rolle ftir d ie Fah rt zur Arbeit. Dieses könnte Verkenrsfläche , ..,.".
~~j
Sic_
und Rang ....StlSl and
p,
•
(Mittelk lasse)
Motorrad
P,.
(Mittelklasse)
B ild
Motorrad
I ruherlder verkehr
i.s
Verkehrsffächcnbcdarf von Auto und Motorrad im Vergleich fließender Verkehr (Stadtlahrt)
1.1 Verkehrsmittel Motorrad und wirtschaftliche Bedeutu ng
5
positive Impulse bei den aufkeimenden Diskussionen hinsichtlich der Umweltbelastun gen durch Motorräder geben. Ob zukünft ig neben dem Sport- und Freizeitmotorrad eine neue Motorradkategorie. möglicherweise auf Basis der bekannte n Roller entsteht, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Fortschrittli che und richtungweisende Lösungen wie der C I von BMW mit seinem einzigartigen Sicherheitskonzept. Hild 1.6, wurden zw ar anfäng lich begeistert von Markt und Medien aufgenommen, konnten sich aber letztlich nicht wie erhofft durchsetzen. Auf weitere Aspekte und mögliche Zukunftsentw icklungen wird am Schluss des Buches im Kapitel 14 ausführlicher eingegangen.
Bild 1.6 BMW C I
Der wirtschaftlichen Bedeutung des Motorrades wird aus Unkenntnis häufig nur ein geringer Stellenwert zugemessen. Unmittelbar mit der Entw icklung und Herstellung von Motorrä dern haben zwa r in Deutschland nur wenige tausend Menschen zu tun, doch gehen die Beschäftigungszahlen in der gesamten Motorradbranc he in die Zehntausende. Dazu gehören die Beschäftigten der Bekleidungs- und Zubehörindustr ie, die Händler und Reparaturbetr iebe. die Reifenindustrie, Fahrschulen und die Hersteller von Kraftstoffen. Schmier- und Pflegemitteln. Hinzu kommen die Versicherungen und die Banken. Auch der Motorrad rennsport bietet Arbeitsplätze. von der Organisation bis über Werbemittel und Fernsehübert ragungen. Insgesamt erre icht der Umsatz dieses gesamte n Bereiches allein in Deutschland pro Jahr eine Größenordnung, die deutlich über 10 Milliarden € liegen dürfte; europaweit dürfte der Betrag ein Mehrfaches dieser Summe betragen. Die Wissenschaft nim mt sich ebenfalls des Motor rades an. Im deutschsprachigen Raum (Deutschland. Schweiz, Österreich) forschen und lehren mindestens 6 Hochschulen und Fachhochschulen direkt auf dem Gebiet der Motorradt echnlk: nimmt man Randgebiete (Unfallmedizin und Psychologie) hinzu, sind es noch einige mehr. Eine Vielza hl weiterer Institutionen (DEKRA. IfZ, TÜV Rheinland und Bayern-Sachsen, Versicherungen etc.) beschäftigen sich intensiv mit speziellen Problemstellungen rund um das Motorrad.
6
Einfü hrung
1.2 Charakteristische Eigensch aften von Motorrädern Motorräder sind mit Ausnah me von Beiwagengespannen. die hier nicht behandelt werden, Einspurfah rzeuge und damit nicht eigen stabil. Das Motorrad befindet sich immer im labilen Gleichgewicht und neigt, wie jeder weiß, z um Umfallen. Es wird rein dynam isch durch die Kreiselkr äfte de r dreh ende n Räder stabilisiert. Mit der dynamischen Stabilisieru ng hängt auch d ie Eigenart de r Lenk ung bei de r Kur venfahrl z usamme n. Motorräder werden, mit Ausnahme sehr niedr iger Geschwindigkeiten, nicht dur ch einen Lenkeinschlag im herkömmlichen Sinne gelenkt, sondern de r Lenkeinschlag dient led iglich zum Einleiten de r für d ie Kurvenfahrt notwendigen Schräglage. In der Kurve kompen siert d ie Schräglage die auftretenden Flieh kräfte, d.h. Fliehkraft und Schwerkraft halten sich da s Gleichgewicht. Diese besonderen Bed ingu ngen der Stabilisieru ng bringen es mit sich, dass de r Fah rer, anders als beim Automobil, in jegliche fahrdynamische Betra chtung mit einb ezogen werden muss. Immerhin trägt schon de r Fahre r allein mit über 20 % zu m Gesamtgewicht bei. Fah rer wie Beifah rer sind darüb er hinaus nicht bloß tote Masse. Sie beeinflussen durch ihr Gewicht, ihre Sitzposition. ihre Bewegu ngen und d ie Fede r-Dämpfer-Eigenschafte n des mensch lichen Körpers aktiv das Fahrverhalten. Auch bei de r rein konstruktiven Auslegu ng des Fahrwerks spielt der Fahrer eine wichtige Rolle. Denn durch die Belastun g mit Fah rer/Beifah rer ände rt sich die Fahrwe rksgeo metrie infolge der Einfederung merklich, und der Schwerpunkt wandert durch die Masse de r aufsitzenden Personen nach oben. Die dynami schen Rad lastveränd erungen sind beim Motorrad viel stärker ausgeprägt als beim Automobil, weil das Verhältnis von Schwer punkthöhe und Radstand ungü nstiger ist. Der Schwerpunkt liegt aufg rund der relativ hohen, aufrechten Sitzposi tion von Fahrer/ Beifahrer gewöhnlich höher als beim Auto, und de r Rad stand ist deutlich kleiner. Zude m ändern sich d ie aerody namischen Verhältnisse und d ie darau s resultierenden Kräfte am Motorrad g ravierend mit der Sitzhaltung und Kleidung von Fahrer und Beifahrer. Ein weite res beso nderes Merkma l von Motorrädern ist d ie freie Zugänglichkeit der Agg regate, die deshalb auch nach stilistischen Kriter ien entworfen werde n müssen. Darüber hinaus gelten für sie besondere Anforderungen hinsichtlich Verschmutzun gsunempfi nd lichkeit und Korrosionsschutz. Generell ist der Bauraum für alle Agg regate sehr eingeschränkt, weshalb oft Sonderkonstru ktio nen notwend ig werden. Leichtbau hat beim Motorrad einen hohen Stellenwert, weil das Fahrzeuggewicht viel mehr als beim Automobil Einfluss auf d ie Handlich keit und Agilität nimmt . Dafür spielen Kraftstoffverbrauch und Umweltverträglichkeit (noch) nicht eine so dom inierende Rolle wie beim Automobil; z um indest ist eine besonders gute Erfüllu ng von Umweltanforderungen fü r d ie Mehrza hl der Motorradfahrer kein entschei dendes Kaufkr iterium. Der Bewusstseinswandel vollzieht sich hier erst langsam, hohe Priorität haben nach wie vor überlegene Fahrl eistungen. Im Gegensatz zu m Automobil (auch dort gibt es allerdings Ausna hmen) richtet sich die konstru ktive Ausführung von Motorrädern nicht nur vorrangig nach tech nischen und wirtschaftlichen Krite rien. Die rein tech nische Unterscheidung zum Wettbewerb und die Tradition spielen bei der Gestaltung von Motorrädern eine außerordentlich wichtige Rolle. Beispiele dafü r sind die Boxermotoren von BMW, die V-Motoren von Moto Guzz i und Ducati, die Chopper von Harley-Davidso n, Bild 1,7, und sicher auch schon manche Reihen-Vierzylindermotoren japa nischer Hersteller.
1.3 Baugruppe n des Motorra des und technische Trends
7
Bild 1.7 Harlcy-Davidson V· Rod
Das Bauprinzip ist teilweise Selbstzwec k, gew ünscht von vielen Käufern mit Interesse und Begeisterung für die Technik. Dies e rklärt die Vielfalt. besonders auf dem Motorensekto r. die man in dieser Form bei kaum einer ande ren Fahrzeugkategorie findet und die rein technisch auch nicht immer begründbar ist. Die nachstehende Tabelle fasst die wichtigen, charakteristischen Eigenschaften von Motorrädern noch einmal kurz zusa mmen. Tab elle 1.1 Wichtige charakterist ische Eige nschaften von Motorrädern -
Fehlende Eigenstabilität, rein dynamische Stabilisierung Erheblicher FahrereinAuss auf d ie Fahrwerksauslcgung Erheblicher Fahrereinfluss auf d ie Aerodyna mik Fahrer stellt über 20 % des Gesamtgewichts Ungünstiges Verhältnis Schwerp unkthöhe zu Radstand Hoher Stellenwert des Leichtbaus Eingeschränkte Bauraumverhä ltnisse Fre ie Zugäng liehkeit der Aggregate Technik als Selbstzweck
1.3 Baugruppen des Motorrades und technische Tr ends Motorräder bestehen aus einer Vielzahl von Bauteilen . die üblicherweise funktional in Gruppen zusammengefasst werden. Bild 1,8.
Einfü hr ung
8
Ant ri eb
Mo tor
Kraft über tr agung
Grundmolor
Ku pplun g
Zylinderkopf
Getriebe
Kühlsystem Motorsch mierung
Hinte rradantrieb
Fah r werk Rah men
Radführungen Feder-Dämpfersysteme Lenkun g
Bremsen
Sauganlage
Räde r und Reifen
Gemischaufbereitung Abgasanlage
Karosseri e
Elekt r ik und Elekt ro nik
Verkle idun g
Kotflü gel
Energ ieversorgu ng
Tank
Sitzbank
Bordnetzsysteme
Blenden
Lenker
I nstru mente
Handhebel
Fußrasten
Gep äckhalterungen und Gepäcksysteme
Leuchten
Hardware- und Softwa re Regelsysteme
Bild 1.8 Funktionale Baugruppen am Motorrad
Elektrische Funktionen mit elektro nischen Kompon enten gew innen auch bei Moto rrädern a n Bedeutung. Elektronische Regelungen für Bremsen (ASS) und Motor (Einspritzung, Zündung, Leerlaufregelung] werd en mit den mechan ischen oder hydraulischen Betätigungen zu Gesamt systemen vernetzt. Elektrik und Elekt ronik bilden mittlerweile eine eige nstä ndige Funktionsg ruppe.
1.3 Baugruppe n des Motorra des und technische Trends
9
Im Gege nsatz zu früher sind die meisten Motorräder heute mit Teil- oder Vollverkleidungen ausgerüstet, die mehr und mehr integ raler Bestandte il des Fahrzeugs geworden und nicht mehr nachträglich adaptiert sind. Abdeckungen, Blenden und Stylingelemenete haben an Bedeutung gewonnen. so dass ma n heute zu Recht auch bei Motorräde rn von Karosserieumf ängen sprechen kann. Haupttrends. die den Motorr adbau dominieren. sind die Modellverschiebungen zu größeren Hubräumen, mehr Leistung und Leichtbau. Die Leistungen wie auch das Leistu ngsgewicht in den jewei ligen Hubraumklassen haben sich in 30 Jahren mehr als verdoppelt. Bild 1.9. Die Leistungsgewichtssteigerung ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass heutige Fahrzeuge sehr viel steifer dimensionierte Fahrwerke mit aufwändigeren Hinterradführungen. großd imensionierte Bremsen sowie sehr viel breitere Räder und Reifen aufweisen und in der Regel mit Verkleidunge n und erheblich mehr Ausstattung versehen sind.
.,
,~
m
./
~ ' 00
"-
•
, "~ • 0
.~
00 00
/ /
./
:
...
,•
O'
~ 0.3
.~, 900 - 1:100 cm'
zcoa
'970
os
0
-=~
-
c
~
• .,
-~~
00
o.
ti
./
~
:2i
-
" " •
...0
-~
-- 1 ~ <m' ~
-
1~ 7
", 0
-~
-1j
-,0
N
I
r
I
0
10
o
0
'"
-j ~
-
,
Teiliast _
~
20
6000
8000
Drehzah l. und Lastvers telung
a
a,
4000
2000
h
30
Bi ld 3.36
Zünd kcnnlinic mit drch zahlabh ängiger Verstellung des Zünd zeitpunktes
40
15
71
./
f
/
-
'\ ,
I
Vollast
Bild 3.37
I
Kennlinien mit Last- und Drehzahlversrctlung für den Zündzeitpunkt
I I o
2000
4000
6000
8000
Motordrehza hl [U/minl
Absc hließe nd soll noch darauf hingewiesen werden, dass im rea len Motorbet rieb die Verbre nnung keineswegs so ideal und gleic hmäßig verläuft. wie vorstehend be schrieben. Es treten vielmehr zyklische Schwankungen im Verb rennu ngsablauf auf, da s heißt von Verbrennung z u Verbrennung gibt es z .T.erhebliche Unter schiede im Ma ximaldruck und in de r Drucklage. Beispielhaft ist d ies im Bild 3.38 a dargestellt. Die Ursachen für die Zyk lenschwa nku ngen liegen in der Entflammu ngs phas e, weil der- G asz usta nd (u.a. Me nge. Homogenit ät des Ge misches) und die Ausbildung des Lichtbogens in dem kurz en Moment des Fun kenübersch lags Zufälligkeifen unter worfen ist [3.15]. Bei Zwe izylinder motoren mit g roßen Einzel hubräumen kön nen die Zyklensc hwa nku nge n be i Ko nstantfahrt mit n iedriger Last und Drehzahl als leichte Laufu nr uhe spürbar werden und den Fahrkomfort mi nde rn ("K onsta ntfa hrruckel n" ). Bereits durch minimale Ä nderu ngen der Bet riebsbedingung en, also etwas mehr Last und Drehzahl, verschwindet diese Erscheinung. Aber Zyk lensc hwank ungen können sich auch ungünstig auf die Schadstoffe mission auswirken. Eine Doppel zündung mit zw ei Zünd kerze n erhöht die Entflammu ngssicherheit in diesen Bet riebsz uständen u nd trägt dazu be i, die Zyklensc hwa nk ungen zu minimieren, Bild 3.3 8b.
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruk tive Ausfü hr ung von Motorrad motoren
72
---+..""'..,.--_.------,. -_., I
I ._, --+-._.. -';".__ -
:
i
,
, i
I
~_._
i
..
'
~- ; _ ~~ ..
Oszillierende Massenhaft I'~"
osz il lierender Ple uelant eil
Die Bauteile des Kurbel triebs, an denen aufgrund ihrer Beschleunigung äußere Massenkräfte angreifen, sind in Tab elle 3.4 noch einmal zusammengefasst. Vereinigt ma n die rotierende n Massen zu einer Gesamtmasse mit Schwerpunkt im Hupzapfen. so kann die rotiere nde Masse nkraft leicht ausgeglichen werden, indem auf der Gegenseite des Hubzapfens ein Ausgleichsgewicht angeordnet wird. Dessen Masse und Schwerpunkt (wirksamer Radius) müssen so abgestimmt sein. dass die entstehende Fliehkraft die Massen kraft am Hubzapfen gerade ausgleicht. Bild 3.49. Diesen Unwuchtausglelcli bezeichnet man als den rotatorisehen Massena usgleich, Durch die gegenseitige Aufhe bung im System werden F rol.l und F ro l .2 zu inneren Kräften und brauchen zunächst nicht meh r betrachtet werden. Im Vorg riff sei an dieser Stelle bereits erwähnt, dass alle Mehrzylindermotoren . deren Kurbelwellen symmetrisch aufgebaut sind. hinsichtlich der rotierenden Massenkräfte immer ausgeglichen sind.
Fosz
Es sind nur Mass enkräfte dargestellt
Frot 1 = Kraft aller rotierenden Massen Frot 2 = Fliehkraft der Ausg!eichsmasse
Ausgleichsmasse (Gegengewicht) Frot ,2 Bild 3.49 Ausgle ich de r rotierenden Massenkraft durch ein Gegengewicht an der Kurbelwelle
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
87
Als äußere Kraft greift jetzt nur noch die oszillierende Massenkraft a m Kolben an, wobei alle oszillierenden Massen aus Tabelle 3.4 in einer oszillierenden Gesamt masse nlK zusammengefasst werden. Da der oszillierenden Massenkraft keine Kraft entgegenwirkt, wird sie über den Kurbeltrieb und den Motorblock in den Rahmen des Motorrads eingeleitet. Dort regt sie Schwingungen an. die als Vibrationen spürbar werden. Man bezeichnet sie deshalb auch als freie Massenkraft. Zum Ausgleich der oszillierenden Massenk raft liegt der Gedanke nahe, diesen analog zum rotatorise hen Ausgleich mittels einer Ausgleichsmasse zu bewerkstelligen. Wie sich dies bei verschiedenen KurbelwellensteIlungen auswirkt, ist im Bild 3.50 dargestellt. In der OT-Stellung des Kolbens (I), also bei maximaler Masse nkraft. gelingt z unächst ein vollständiger Ausgleich. wenn man die Gege nmasse und ih re Anordnung auf der Kurbelwelle so wählt, dass die resultierende Fliehkraft genauso groß wird wie die maximale Massenk raft am Kolben. Bei einer a usgelenk ten Lage der Kurbelwelle (Kurbelstellung 11 ) hingegen, funktioniert dieser Ausgleich nicht mehr in der gew ünschten Weise. Die oszillierende Massenk raft nimmt jetzt analog zum Kurbelwinkel u (GI. 3-24) ab. Die Fliehkraft. die ja immer radial nach auße n gerichtet ist, ändert aber ih re Richtung. Zerlegt man sie in die beiden Hauptachseichtungen, so gleicht zwar ihre Y-Komponente gertau die oszillierende Massenkraft a m Kolben aus, es bleibt aber die X-Komponente der Fliehkraft als neu entstandene Kraftkomponente unausgeglichen übrig. Zylinder-
Fosz
y r"~
Es sind keine rot ierenden, sondern nur die oszillierenden Massen und deren Massenkräfte dargestellt
~uerachse X
,•
i Fosz = 0 i (Beseht. = 0)
.
Stellung 1
Stellung 11
lOl
Stellung 111
,
.,., Fx = FFli(lh · sin
,
,
FFlie~
.
Cl
Fy=FFlilltl *cos a
Biltl 3,50 Ausgleich der oszillierenden Massenkraft beim Einzylindermotor mit tels Gege ngewicht
88
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstru ktive Aus führu ng von Motorradmotore n
- - - -. >.-
11 OO%-Ausgl eich am Gegeng ewicht
X-Ko mpo nente der Fliehkraft an der Ausgleichsmasse
o
r . ..
,
,
,
-, -. ,
,•
"';C-~'F ' y
Ausgleichsmassen (Gegengewichte)
Bild 3.52 Massenkräfte und Ausgleich I.O rd nung be im Einzylindcrmolor mit Ausgleichswelle
Bild 3.53 zeigt d ie konstruk tive Verwirklichung dieses Massenausgleichs am Beispiel eines Einzyli ndermot ors. Ein Nachteil d ieser Lösung mittels einer Ausgleichswelle ist da s una usgeglic hene Ma ssenmoment , da s durch den Abstand zwischen Ausgleichswelle und Zylinderachse entsteht. Die Ausgleichswelle ist dah er so anzuordnen. da ss dieser Abstand und damit de r Hebelarm a fü r da s Moment möglic hst gering wird . Soll da s Entstehen eines Massenmomentes verm ieden werden, muss man die Ausgleichsmassen auf zwei Ausgleichswellen mit je 25 % Ma ssenau sgleich verteilen und diese symmetrisch zu r Zylinderachse anordnen, Bild 3.54. Der Platzbedarf für zwei Wellen und de r konstruktive Aufwand für den Antrieb sind jedoch erheblich. weil beide Wellen zueinander g leichsinnig, abe r gegensinnig zur Kurbelwelle rotieren müssen.
Unausgeglichen bleibt bei allen Systemen immer noch die Massenkraft 11. Ordn ung. Obwohl sie wege n de r höhe ren Frequenz der resultierenden Vibrati onen häu fig als sehr störend empfunden wird, verzichtet man beim Einzy lindermotor auf diesen Ausgleich. weil sie betragsmäß ig nu r etwa 1/4 der Massenk raft I. Ordnu ng au smacht. Wollte man d ie Massenkraft II. Ordnun g ebenfalls ausgleichen. brauchte man zwei weitere Ausgleichswellen im Motor, die mit doppe lter Kurbelwellendrehza hl rotieren müssten , um Fliehk räfte doppelte r Frequenz zu erzeugen. Der Aufwand für d iesen Vollausgleich mit dan n insge samt vier Ausgleichswellen wäre g rößer als der Bau eines Zweizylindermot ors, bei dem ein weitgehender Massenau sgleich allein durch die Bauart erreichbar ist. Es sei an die ser Stelle auch erwähnt, da ss die zusätzlichen Wellen nicht nur das Motorgesamtgew icht erhöhen. sondern aufgrund ihres Massenträ gheitsmoments auch da s dynamische Ansprechverhalten des Motors (trägeres Hochdre he n) verschlechtern und dam it da s Beschleu-
3.5 Gas- und Massenk räfte im Motor
91
AusgleichsweIle
Ausgleichswelle
Biltl .l:-3 Konstrukt ive Lösung zum Massenausgleich I, Ordnung beim Einzyli ndermotor
100% Fo~
0%
50%
100% Fo~
0% , Fosz
Ausgleichswellen (gegenläufi g zur Kurbelwe lle aber mit gleicher Drehzahl drehend)
50%
Bild 3.:-4 Massenausgleich L Ord nung mit zwei Ausgleichswellen bei m Einzylindermotor
92
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorrad motore n
nigungsverm öge n (Kap. 2.2.2). Zudem erzeuge n die mit hoher Drehza hl im Motor rotie renden Wellen einen erheblichen Ventilationswiderstand und verm inde rn da mit d ie effekt ive Motorleistung. Beim Zweizylindermotor bietet sich d ie Mög lichkeit, durc h einen Versatz der Hubzapfen die oszillierende n Massen zu kompen sieren. Die entsprechende n Kraft verhältnisse sind im Rild 3.55 dargestellt. Durch gege nüberliegende Kurbelwellenk röpfungen (Versalz von 180°) wird erreicht. da ss die Kolben entgegengesetzte Laufri chtungen haben. Dadurch bekommen die osz illierenden Massenkrä fte I. Ordnung gegensinnige Richtungen und heben sich auf. Da aber nach Bild 3.45 und GI. (3-24) d ie osz illierenden Massenk räfte zw ischen Aufwärts- und Abwärtsga ng des Kolbens unterschied lich sind, gelingt der Ausgleich nicht vollstä ndig, und es bleibt eine kleine, allerd ings unbedeutende, Restkraft übrig. Eine Massenwirkung nach au ßen ergibt sich aber dennoch, weil die osz illierenden Massenkräfte ( Kräfte paar) infolge des Zylinde rabstandes a (Hebelarm) ein Drehmoment erzeugen, das den gesamten Motor um eine senkrecht zur Kurbelwelle verlaufende Achse zu drehen versucht. Dieses Massenmoment l. Ordnung läuft mit Kurbelwellendrehza hl um und führt ebenso wie eine freie Masse nkra ft zu einer Schwingungs anregung am Motorrad. Dieses Moment ist mit Gege ngewichten nicht ausg leichba r, daher ist ein möglichst geringer Zylindera bstand anzustreMassenmoment
Gegengewich te
Gegengewichte
Die Gegengewichte dienen zum Ausgleich des Momentes, das auch die rotierenden Massen aulgrund des Hebelarmes erzeugen. Die rotierenden Massenkr äft e sind aulgrund der Symmetrie und der gegenüberliegenden Massen ausgeglic hen
Bild 3.55 Oszillierende Massenk räfte beim Zweizy lindermoto r mit 18()O-Kröpfung
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
93
ben, um über einen kleinen Hebela rm das Moment zu minimieren. Die im Bild gezeichneten Gegengewichte an der Kurbelwelle werde n bei m Zweizy lindermotor benötigt, um das Moment, das sich aus den rotierenden Masse nkräften (nicht eingezeichnet) ergibt, ausz ugleichen. Die rotierenden Massenkräfte selbst sind ja durch den Hubzapfenve rsatz ausgeglichen, nicht aber deren Momente. Die Gege ngewichte verringern auch die Kräfte in den Kurbelwellenhauptlagern und die Biegebeanspruchung der Kurbelwelle. Denn ohne Gegengew ichte würden die Kräfte aus den rotierenden Massen über die Lagerstellen de r Kurbelwelle geleitet, während sie mit Gegengewichten am Entstehungsort kompensiert werde n. Am Beispiel des Zweizy lindermotors soll nun das sehr anschau liche Verfahren der Zeigerdarstellung zur Ermittlung der Massen kräfte bei Mehrzylinder motoren erläutert werden. Damit können auf einfache Weise auch die Massenkräfte IL Ordnung bet rachtet werden. Es kann angewendet werden bei allen gebräuchlichen Reihenmotoren mit einem Hubzapfen fü r jeden Zylinder. Dem Verfahren liegt zugru nde, dass man sich jeden Mehrzylindermotor auch zusa mmengesetzt aus separaten Einzylindertriebwerken vorstellen kann . Man trägt die Massenk räfte nacheinande r für jedes Einzeltr iebwerk in Zylinderachsrichtung auf, verdreht dabei aber die Kraftrichtungen des jeweils nächste n Zylinde rs um den Winkel, den seine Kurbelkröpfung gegenüber dem ers ten Zylinder versetzt ist. Bild 3.56 veranschaulicht diese Vorgehensweise, die oft auch ..Au fzeichnen des Kurbelsterns" genannt wird. Ma n zeichnet in einen Kreis die Kurbelwellenkröpfungen a ller Zylinde r mit ihren Winkelabständen bezogen auf den ersten Zylinder ein. Bego nne n wird bei 0 mit dem ersten Zytin0
-
,
,I
Zyl. 1
-
270 ·
-
1. - 90' , , I
180· Zyl. 2
360 0
0'
,I I
Zyl. 1
270 0
Zyl. 2 .i~ Zyl. 1
90'
------
Zyl. 2
_____1i!, ,I ,I I
180'
180 0
Kurbelstern
Kurbelstern
I. Ordnung
11. Ord nung
Rilt1356 Kurbelstern des Zweizylindermotors mit nmo-KTÖpfung
_
90'
94
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstru ktive Aus führu ng von Motorrad motore n
der. Pfeile in Richtung der Kurbelwellenkröpfung symbolisieren die Massenkräfte I. O rdnung (Kraftve kroren).'! Die Übe rlagerung der Richtungspfeile ergibt dann die ges amte fre ie Massenkraft I. O rdnu ng, d ie nach auße n wirkt. Im gezeichneten Beispiel des Zwe izy linde rmotors m it 1800 Kurbel wellenkröpfung müssen also zwe i Richtu ngspfeile genau e ntgege ngese tzt eingetrage n werde n. Sie heben sich auf. d.h. der vorliege nde Zwe izy lindermotor hat keine freien Massen kräft e I. O rdnung. Analog zur I. O rdn ung we rden zu r Bestim mung der fre ien Massenk räfte 11. Ordnu ng wiederu m Richtu ngspfeile ruf die Kurbelwelle nkröpfungen eingetrage n. Weil abe r d ie Massenkräfte 11. Ordnu ng mit doppeltem Ku rbelwinkel um lau fen. müssen je tzt die Winkel zw ischen den Krö pfu ngen verdoppelt werden. Das heißt in u nserem Beispiel, dass der Richt ungspfeil fü r d ie ers te Kröpfung be i 0 0 bleibt (2 . 0° = 0°). de r der zw eiten Kröpfung aber bei 360° (2 . 180° = 360°) einge trage n werde n muss. Als Resultat aus de r Überlage ru ng erg ibt sich. dass dieser Zwe izy lindermotor ei ne doppelt so g roße freie Ma ssenk raft 11. O rdnung aufwe ist. wie das entsprec hende Einze ltriebwerk. Wegen der gleichen Richtung der Massenk räft e 11. O rdnu ng ist das resultierende Moment aus beiden Kräften Null. Die weitere Anwe ndung dieses Verfa hrens fü r die gebräuchlichste n Reih enmotoren beim Motorrad sow ie die Ergebnisse bezüglich der fre ien Massenk räft e ze igt Bild 3.57. Mit den u ntersc hiedliche n Richtungspfeillängen für d ie 1. und IL Ord nu ng wird in der Darstellu ng berücksicht igt, dass die Massenkrä fte 11. O rdnung entsp rec hend de m Faktor A nu r etwa 25 % der Massenkrä fte I. Ordn ung betragen . Wie ma n sieht. we ist de rbeim Moto rrad weit verbreitete Vierzylinde rre ihenmotor die vierfac he Massenkraft 11. O rdnung des Einzeltr iebwe rks auf. Dies res ultiert aus der gleichen Richtu ng der Einzel kräfte de r Zylinde r. Die Massenkraft 11. O rdnung wir d damit nach außen deutlich spürbar. Die aus d ieser Kraft anregung resultierenden Vibrationen in Lenker und Fußrasten des Motorrades werden als besonders unangenehm em pfunde n. weil sie im Vergleich zur I. O rdn ung ei ne höhere Frequen z aufweisen. Hinzu kommt, dass Vierzylindermotore n in der Regel hochd rehend ausgelegt werde n, was von Haus aus hohe Massen kräfte hervorruft . weil d ie Drehzahl in d ie Berech nung der Massenk räfte quadratisch eingeht, vgl. GI. (3-24). Für derartige Motore n ist es da her äußerst wichtig, d ie Kurbeltriebsbauteile leicht z u ges talten und das Pleuelslangenverhältnis klein zu halten durch kurzen Hub und g roße Pleuellän ge. Vielfach werden auc h Ausg leichswellen verwendet. Da diese unwucht igen Wellen mit doppelter Drehzah l rotieren müssen. begn ügen sich manc he Hersteller mit einem Teila usgleic h. um die Lagerk räfte für diese Wellen und dam it die Dimensionieru ng und de n Platzbedarf k lein halten zu können. Bild 3.58. Wegen des Abst ands zw ischen Ausg leichswelle un d Zylinde rachse wird wiede rum ein fre ies Massenmoment zwe iter O rdnung erzeugt. Das kan n nur elim iniert werden. we nn zwei Ausgleichswellen verwendet werde n. d ie be idse itig und sym metrisc h z ur Kurbelwelle angeor dnet we rde n. Bild 3.59. Mit zw ei Wellen heben sich auch d ie Hori zontalkomponenten der Fliehkra ft, d ie je de Ausg leichswelle erze ugt , au f.
11 Da in de r Regel die oszillierenden Massen bei allen Zylindern gleich groß sind. sind auch die Pfeillän gen gleich. so dass d ie Beträge de r Massenk raft nor malerwe ise keine Ro lle spielen. Der e rläute rte Unte rschied z wischen Auf- und Abwärtsbeweg ung des Ko lbens. de r beim vorliegenden Zweizylinderm otor für eine Restk ra ft sorgt. wird meist vernachlässigt.
3.5 Gas - und Massen kräfte im Motor
95 360·
O'
2- Zyl. Reihe
270.(D90.
360·
180 0 3- Zyl. Reihe O' I
270 ·
--~-, 90· ,,
1 O' 4-Zyl. Reihe
O'
,
270·
--.$.-90· ,, , I
'80'
4-ZyL Reihe 90"
O'
/1'.c:.-
360·
360·
180·
180·
Kurbelsterne I. Ordnung
Kurbelsterne 11. Ordnung
-l- '4J~
Bild J .s7 Kurbelsterne und freie Massenkräfte für Zwci-, Drei- und Vierzylindermotoren
Eine elegante Lösung für den Massenausgleich beim 4-Zyli nderreihenmotor bietet die nichtebene Kurbelwelle mit 90· -Kröpfung. Wie im Bild 3.57 gezeigt, ist dieser Motor bezüglich der Ma ssen kräft e I. und Ir. Ord nung vollstä nd ig ausgeglichen. Trotzdem wird d iese Bauart im allgemeinen nicht für Serienmotoren verwe ndet, weil sie beim Viertakt er einen u ng leichmäßigen Zünd abstand erzwingt. Dieser hat ein en ungleichmäßigen Drehk raftverlauf mit tendenziell ung ünstiger Drehschwing ungsanreg ung der Kurbelwelle zur Folge. Die Ausw irkungen auf de n Ladungswechsel hängen von der strömungsmec hanischen Gesamta uslegung ab und müssen nicht zwingend nachteilig sein. Es wird behau ptet, da ss der ungleichmäßige Drehk raft verlauf
96
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive Ausfü hrung von Motorrad motoren
Kawas aki GPZ 900 R 4- Zylinder-Reihenmotor
900 ccm
ebene Kurbelw elle (0' / 180'-Kröpfung)
Bi ld .t 5K
1 Ausgleichswelle
Te ilweiser Ausgleich der Massenkrä fte 11 . Ordnung beim Vierzy linde rreihenmotor durc h e ine Ausg leichs welle
Kurbelgehäuse Unte rteil
Ausgleichswellen Bi Id 3.59 Vollstä ndiger Ausgleich der Massenkräfte 11. Ord nung beim Vicrz ylindcrrci henmolor d urch zwei Ausgleic hswellen
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
97
im Extremeinsatz (MotoGP) eine besse re Dosierbarkeif der Leistung er möglicht und den Hinterrad reifen weniger beansprucht. Jede nfalls hat YAMA HA dieses Motorprinzip ("big bang Motor") sehr er folgreich im Rennmotorr ad M I fü r die MotoGP eingesetzt und für das Mo delljahr 2009 auch in seinen Straßen-Supersportler YZF-R I) übernommen, siehe Kapitel 3.7. Der eingangs behandelte Zweizylinde rmotor mit 180°-Kröpfung hat übrigens ebenfalls einen ungleich mäßigen Zündabstand für die beiden Zylinder (180° und danach 540°). Deshalb werden Zweizylinderreihenmotoren (bei Viertaktern) manchmal auch als so genannte Parallelt wins mit gleichläufigen Kolben (Kröpfungs- und gleichmäßige r Zündabstand von 360°) gebaut, trotz der dam it verbundenen Nachteile für den Massenausgleich. Die klassischen englischen und italienischen Twins (z. B. NORTON, TRIUMPH, LA VERDA) bevorzugten diese Bauart bis in die 70er bzw. 80e r Jahre und auch YA MAHA verwendete dieses Prinzip in der XS 650. In j üngster Zeit g reift BM W bei der in 2006 vorgestellten F 800 wieder auf die Bauweise des Parallelt wins zurück. Für den Massenausgleich entwickelte das Unternehmen die im Serien-Motorradbau einzigartige Lösung mit einem Schwen kpleuel. Bild 3.68. Diese Bauart und die resultierenden Vorteile werden später in diesem Kapitel noch näher erläutert. Mit einem Kompromiss versucht YAMA HA im Modell TOM 850 de n Zielkonflikt zw ischen Massenausgle ich und Zündabsta nd beim Zweizylinder-Reihenmotor zu lösen. Die Hubzapfen Sind bei diesem Motor um 90° versetzt angeord net (bzw. um 270° im Uhrzeigersinn gezählt). Dadurch ergebe n sich gew issermaße n jeweils nur die " halben" Masse nkräfte erster Ordnung gegenüber dem Parallelt win (wenn ein Zylinder im OT steht, befindet sich der andere bei 90°, d.h. seine Masse nkraft ist dann Null). Die Massenkräfte zweiter Ordnung sind bei dieser Krö pfun gsa nord nung ausgeg lichen, Bild 3,60. Der Zündabsta nd bleibt zw ar ungleichmäßig, verringert sich aber jeweils um 90°, d.h. der Zündungsversetz beträgt 270° und 450°. Die Massen momente können mit dem Kurbelste rn allein nicht ermittelt werden, weil zusätzlich die räuml iche Lage der Kraftvek toren bekan nt sein muss. Dies ist nur bei ebe nen Kurbelwellen
360
0
360
0
0
0
0
0
I
Zyl.1
270
90
0
Zyl.2
0
270
0
Zyl.
- ----
~----
, I
90 0
Zyl.
' 2
180 0 Kurbelstem I. Ordnung
I
1800 Kur1:>elstem 11. Ordnung
Riltl .l 60 Ausgleich der Massenkräfte bei einem Kurbelversatz von 270° (YAlI1AIfA TDM 850)
98
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorradmotoren
einfach. Bei nichtebenen Kurbelwellen mit mehr als d rei Zylindern wi rd d ie Vekt oraddit ion im Raum und deren ze ichnerische Darstellung aufwändig. Daher entnimmt ma n d ie freien Massenmomeme, wie auch die freien Massenkräfte. üblicherweise aus entsprechende n Tabellen
[3.9. 3.101· Massenm omente lassen sich analog zu den Kräft en mittels Ausg leichswellen eliminieren . Ein Ausfü hrungsbeispiel für den Momentenausgleich bei einem Dreizylindermotor mit 1200 Kröpfungswinkel zeigt Bild 3.61. Das Massenmoment I. Ordnung wird du rch eine unterhalb der Kurbelwelle liegende Welle mit zwei versetzten Gegengewichten. die ein gege nsinniges Moment erzeuge n, vollständ ig ausgeglichen. Das (kleinere) Massenmoment 11. Ord nung bleibt unbeeinflusst. Das Gesamtgewicht des Motors wird durch d ie Ausg leichswelle bei dieser Konstruk tion übrigens nur unwesentlich erhöht, weil diese z ugleich als Abtri ebswelle dient, die das Drehmo ment von der Kurbelwelle an die Kupplung weiterleitet. Neben den bisher ausschließlich behandelten Reihe nmotoren sind im Moto rradbau auch Motoren mit ause inanderliegenden Zylindern, vorzugsweise in Boxer- und V-Anord nung, weit verbreitet. Für diese ist d ie unmittelbare Anga be von freien Massen kräft en und Masse nmome nten an hand der Kurbelsterne nicht mög lich, sondern es muss jeweils die Zylinde ranordnu ng be rücksichtigt werden. Für d ie Motorbauarten Zweizy linder-Boxermotor und Zweizylinder-VMotor sollen daher d ie Massen krä fte und Massenmomente näher betrachtet werden. Der Zweizylinder-Boxermotor, Bild 3.62, weist mit 1800 Kröpfungswinkel der Kurbelwelle gleiche Verhältnisse wie der Zweizylinderreihenmotor auf. Nur laufen durch d ie gegenübe rliegenden Zylinder beide Kolben gleichsinnig, - beide bewegen sich gleichzeitig zum OT hin oder vom OT weg - aber mit genau entgege ngesetzter Kraftrichtung. Den Zweizylinder-Boxermotor kann man sich daher auch zusammengesetzt aus zwei Einzylindermotoren denke n, die gegenüberliegend angeordn et wurden. Infolge dieser Anordnung sind alle auftretenden Kräfte am Einzeltriebwerk spiegelsymmetrisch zur Kurbelwellenachse und heben sich damit vollstä ndig auf.
Bild 3.6 1 Ausgleich des Masscnmomentes I. Ordnung beim DreizylinderReihenmotor
99
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor Masse nmoment
(aus den oszillier8'lden Massenkrä fttll )
,~.
0 52 . 1
Gegengewichte (ZI,I' Komp8'l sation dElr Mom8'lte
aus den rotiere nde n Massen)
Bild 3.62 Kräfte und Momente beim ZweizylinderBoxermotor
Der Zweizylinder-Boxermotor hat damit keine freien Massenkrä fte L und 11. Ordnung. Durch den Zylinderversatz erzeugen die Kräfte am Einzeltriebwerk jedoch Massenmomente I. und 11. Ordnung. Da die gegenüberliegende Anordnung der Zylinder aber nur einen Versatz um die Pleuelbreite und die Breite der Mittelwange der Kurbelwelle erfordert, sind die Massenmomente erheblich kleiner als beim Zweizylinderreihenmo tor. Ein drittes Lager (Mit tellager) ist daher für den Zweizylinder-Boxermo tor nicht nur wegen der größeren Baulänge ungü nstig, es vergrößert un nötig den Zylinderversatz und dam it die Massenmomente. Die gestiegenen Komfortansprüche der Kunden füh rten bei BA/W zu der Überlegung, auch beim Boxermotor eine Ausgleichswelle zur weitgehenden Tilgung der Massenmomente erster Ordnung einzuführen. Für die Boxer der neuen Generation (R 1200 OS) wurde eine einfallsreiche und besonders Platz sparende Lösung gefunden, Bild 3,63. Die Ausgleichswelle läuft innerhalb der Nebenwelle (zuständ ig für den Ölpumpen- und Nockenwellenantrieb) und die Ausgleichsgewichte sind nach außen versetzt. Das vordere Ausgleichsgewicht ist dabei als Unwuchtmasse im Antriebsza hnrad integriert. Der Antrieb (Übersetzung I : I) innen liegenden Ausgleichswelle erfolgt per Zahnrad von der Kurbelwelle (die Nebenwelle wird weiterhin über eine Kelle im Verhältnis I :2 angetrieben). Gegengewichte an der Kurbelwelle benöt igt der Zweizylinder-Boxermotor, analog z um Reihenmotor, nur zum Ausgleich der Momente, die die rotie renden Massen erzeugen. Es kann aber auch das aus den oszillierenden Massenkräfte n I. Ordnung resultierende Moment über die Gegengewichtsgröße beeinflusst werden. Dies ist im Bild 3.64 da rgestellt (Motor ohne Ausgleichswelle). Hier wurden drei verschiedene Gegengewichtsmasse n jeweils so groß gewählt, dass nicht nur die rotierenden Massen ausgeglichen werden, sondern zusätz liche Fliehkräfte in der Größe von 10%, 50% und 90% der maximal im OT auftrete nden oszillierenden Massenkräfte e ntstehen. Bei Auslenkung aus dem OT ergibt sich an diesen Gewichten eine Kraftkomponente quer zur Kurbelwellenachse. und sie erzeugen über einen Kurbelwellenumlauf sowohl Momente um die Motorhochachse (Z-Achse, Ebene X-V) als auch um die Motorquerachse (Y-Achse, Ebene X-Z). Das Diagramm stellt in einer Polarkoordinatendarstellung die Momentenverläufe um beide
100
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Ausgleichsgewicht
Bild
J.6J
Ausgleichswelle Zweizylinde r-Boxermotor, BMW R 1200 GS. Das zweite Ausgle ichsgewicht ist im Antriebszahnrad (AZ) der Welle als Unwuchtmasse integriert.
Achsr ichtungen dar. Der geschlossene Kurvenzug entspricht dab ei einer Kurbelwellenu mdrehung, der radiale Abstand der Kurve vom Koordin atenn ullpunkt gibt den momentanen Wert des Momentes an. Beim 10% - und beim 90% -Ausgleich sind naturgemäß die Momente um die jeweiligen Achsen seh r ausgeprägt und erreichen hohe Spitze nwerte. Beim 50% -Ausg leich sind
101
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
x
rs
z
Z
Resultierendes Massenmoment
J~
i '~'; . -~ ~
.:.-~. '"
• _:;:;~" o_ ' ''., , ~" "\..~ ', I'~ .~ ,
v ~' 1-'C>dJ',, " '"t-':~~
.. ........ ..... .. '
'
'0:~ ~
.
",
",
"
..
f~
10 %
""-
""
,
"
,
.. ..
.......
.. .
" , "
'
"
~%
~"
" "
'
" ' ."
,A/
"
"
j"~\ O 'I y
\: 1 ..
,
",
10.000 Ulmi n) ausgelegt si nd, zeigt Bild 3. 115 mit den Zylinder köpfen der HONDA eBR 900 RR (hier Modelljah r 1995) und dem Kopf de r e HR 600 RR (Modelljahr 2004 ).
150
3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Nockenwellenlagertracken
\
Bild 3.11 !'
Zylinderkopf der HüND A CSR 900 RR undCBR600 RR Der Ventilwinkel (320 bei der e BR 900 RR) erg ibt steile, weitestgehend gerade Einlasskanäle. die für eine verlustar me Gasst römung sorgen. Man erkenn t am Beispiel des 600e r Motors, dass die moderne Konstruktion einen noch enge ren Ventilwinkel hat. Zur hohen Ventiltriebssteifigkeit trägt nicht nur die Tassenstößelsteuer ung bei, sonde rn auch die g roßen Nockenwellendurchmesser und ihre fünffache Lagerung. Bemerkenswert ist dabei die Gestalt ung der obere n Nockenwellenlagerbrücke n. die in den Ventildeckel integr iert wurde n und die Hauptbelastu ng aus den Ventiltriebskräften aufnehmen müssen. Durch den Verbund aller Lagerbrücken wird eine hohe Gr undsteifigkeit erzielt und gleichzeitig Gew icht gespart, weil durch die gemeinsame Verschraubung von Nockenwellenlagern und Ventildeckel die sonst üblichen, separate n Schra uben fü r die Lagerdeckel entfallen können. Zur Gewichtsminimieru ng de r bewegten Ventiltriebsteile tragen die mit nur 4,5 mm bzw. 4 mm Durchmesse r sehr schlanken Ventilschäfte ebenso bei, wie die Einstellplättchen für das Ventilspiel (Shims) , die zwisc hen Ventilschaft und Tassenstößelunterseite angeordnet und damit klein und leicht sind. Vom Servicea ufwan d nachteilig ist dabe i, dass zu r Ventilspieleinstellung die Nockenwellen und Tassen ausgebaut und dafü r die Steuerkette bzw. die Kettenr äder abgenommen werden müsse n. Bei den üblichen Einstellplättchen zwischen Tasse und Nockenwelle werden dagege n lediglich die Tassen niederged rückt und die Plättchen ausgewec hselt. Als letztes Detai l sei noch auf die Verschmä lerung der Nocken im Bereich ihres Grundk reises hingewiesen. Die senkt, wenn auch eher unbedeutend , das Nockenwellengewicht und vermin-
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Motorbauteile
151
ßild 3. 116 Schlcp phcbclstcucrung ( KAWASA K I G PX 750)
dert theore tisch (wen n wohl auc h kau m messbar) , d ie Reibleistu ng de r Nockenwelle wä hrend der Gr undk reisphase (da im G ru ndk reis der Noc ken un belastet läuft, ist die Reibung nahe be i Null). Bedeutsamer d ürfte die Verbesserung der Schmie ru ng zw ischen Nocke und Tasse nstö ßel sein, weil der schmale Nocken wä hrend der G ru ndk reisphase eine größe re Tassenoberfläche freigibt, die dann großflächige r von Öl benetzt wird u nd beim anschließenden Auflaufen der Nockenflanke mehr Öl arn Schmierspal t zu r Verfügung steht. Diese Noc kengestaltu ng ist übrigens nicht neu , sie wurde nach Wissen des Autors erstmals gegen Ende de r 80er Jahre von KA WASAK I beim Modell G PX 750 vorgestellt, siehe Bild 3.116. Ähnliche Zylinder kopfko nstruktionen. wie die vorgestellte von HONDA, finden sich bei allen Herstellern spo rtlicher Hochleistungsmotorrä der. Gem ein sames Merkmal ist stets der enge Ventilwinkel und die steile, gerade Form des Einlasskanals als G ru ndvoraussetzu ng für beste St römu ngsverhält nisse und hohe Leistu ng. Die Unterschiede in der Ventilsteueru ng haben sich ebe nfalls verwischt. Mitt lerweile setze n d ie ja panischen Hersteller bei ihren Hochleistungsmotoren ausnahms los auf die Tasse nstößels teuerung. Mögl icherweise sind Kostengründe fü r den Übergang auf eine solche Standa rdlösung auss chlaggebend. Früher wurde häufiger auch die Schlepphebelsteuerung verwe ndet, beispielsweise von KA WASAK I im Modell G PX 750, Bild 3,116. Hier ist d ie Venti lspieleinstellung sehr elegant gelöst, denn d ie Einstellsch raube befindet sich gut zugä ng lich am Lagerpunkt des Schlepphebels. Dort spielt auc h das Gewic ht der Einstellsch raube kein e Rolle (nicht bewegte Masse). Somit ist eine servicefreundl iche, sch nelle Justieru ng des Ventilspiels möglich, ohne d ass de r Ventiltrieb zerlegt werden muss. BM W geht bei seinen Hoch leistungsmotoren für d ie K-Baureihe (ab 2004) und bei seine m Supersportier SIOOORR eigene Wege und folgt n icht der konventionellen Linie der Tasse nstößelsteuerung. Für beid e Motoren favorisiert BM W ei ne Schlepphebelsteuerung. die auch in den Formell -Motoren eingesetzt wu rde . Auch wen n die Unte rsc hiede z um Tassenstößel n icht allz u groß sind: Hinsichtlich der bewegten Massen und der Ste ifigkeit hat eine konsequent ge machte Schlepphebelsteuerung tendenzielle und belegbare Vorte ile, Bild 3.117.
Sie sorg t, wie weiter obe n schon erwäh nt, für ei nen bem erkenswert sch malen Zylinderkopfund gestattet eine n sehr engen Venti lwi nkel von 22", Man erkennt d ie steife und zugleich kompakte
152
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive AusfU hru ng von Motorradm otoren
Bild 3.117 Zyl inderkopf der BM W K 1200 S (oben), Zylinderköpfe mit Schlepphcbclsrcucrung, BMW K 1200/ K 1300 und SIOOORR tunten)
Bauweise. Charakteri stisch ist die Anordnung der Nockenwellen direkt über de n Ventilschäften. Damit unterliegt der Schlepphebel prak tisch keiner Biegebela stun g, so dass trotz zierliche r Gestaltung allerhöchste Steifigkeit der Ventilbetätig ung erzielt wird.
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Moto rbauteile
153
Bild 3. 118 Schlc pphcbclstcucrung mit Vcntilsp iclausglc ich (HONDA CB750, Modelljahr 1992)
Eine Sch lepphebels teuerung mit anderer Z ielsetz ung bietet H ONDA in de r CB750 an. Bild 3.118. Als unverkle idete Sport masc hine mit hoher Alltagsta ug lichkeit kon zipiert und unt er Verzic ht auf max ima le Leistu ngsausbeute. war hier ein wa rtu ngsfreie r Ventiltrieb Z iel de r Entw icklung . Dem zu folge sind die Lager zapfen de r Sch lepphebel als hydrau lische Elemente zum autom ausehe n Ventilspielausgleich ausgebildet (H VA4Elemente = hydra ulischer VentilspieI4Ausgle ich). Diese Eleme nte we rden vom Motorölkreislauf mit Ö l befü llt und bei nhalten einen mit dem Lagerza pfen verbundenen lnnenkolbe n, der von einer Hilfsfeder unt erstü tzt soweit ausfä hrt. bis das Venti lspiel üb erbrückt ist. Ein Ventilsys te m im fnn ern des Hv a -Blements spe rrt den Ölrückfluss, sobald Kräfte auf den Zapfe n wirken, so dass währe nd der ÖlTnungs- u nd Sch fießphase des Ventils der Lagerzapfen sta rr bleibt. Der Nac htei l dera rtiger HVA-Elemente ist, da ss sie gege nüber einem sta rre n Ventiltri eb ei ne vermi nderte Steifigkeit aufweisen. Denn Motoröl ist bei hohen Kräft en. wie sie im Ventiltr ieb auftre te n, nicht völlig ink omp ressib el. Du rch geringfü g ige Luft aufn ah me während des Motorbetri ebs erhöht sich seine Kompress ibilität wei te r. Des hal b si nd HVA· Steueru ngen nie ideal steif, was sie für die Erz ielung höchster Vent ilbesch leuni g ungen ungeeignet macht. Motoren fü r höchste spezi fische Leistunge n u nd Drehzahlen kön nen daher nicht mit einem hyd rau lischen Ventils piela usgleich verse hen we rden. Es ist somit auc h kein Nac hteil, dass bei der gezeigte n Konstrukt ion die Nockenwelle n mitt ig zwische n Ventil und Kipp hebel angeo rdnet wurden . Wegen des hohen G ewichts der HVA-Efemente können sie beim Motorrad nu r in der geze igten, ruhenden A nordnung zusa mme n mit SChlepphebe ln eingese tz t werden. In Tassen stößel integrierte HVA-Elemente, wie bei Automob ilmo tore n üblich, sind aufgrund de r höheren Drehzahlen u nd Ventilbeschleu nigu nge n bei Motorrad motoren nicht verwendbar. Wenden wi r uns nun noch den O hv-Steueru ngen zu. Es w urd e anfangs des Kapitels ber eits darau f hin gewiesen . dass d iese Ste uerungs bauart für Motoren mit auseinanderliegenden Zylindern Kostenvorteile biet et (nur eine Noc kenwel le) und zud em ei ne kompak te Zylinderkopfkonstruktion ermög licht. Bild 3.119 zeig t den konstruktiven Au fb au dieser Ste uerungsbaua rt am Bei spiel des BM W Zwe iventil-Boxe rmoto rs. Die zentrale, unterhalb der Kurbelwelle angeordnete Noc kenwelle betät igt die Ventile über Stößel , Stoßsta nge n und KipphebeL Die Übertragungswege erfo rde rn lange Stoßstange n, bei deren Dim ensioni erung ei n Komp romi ss zw i-
154
3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorrad motoren
Stößelsta nge Stö ße l Nockenwelle
Bild 3.119 Ohv-Steuerung des BMW Boxermotors mit zwei Ventilen pro Zylinder sehen Knicksicherheit und Gewicht gefunden werden muss. Um größere Ventilspieländerungen durch die Ausdehnung der Aluminiumzylinder im Betrieb zu vermeiden, sind die Stoßstangen aus einer Aluminiumlegierung gefertigt, in die Kugelendstücke aus Stahl eingepresst sind. Die horizontale Lage der Gaskanäle im Zylinderkopf bedingt gekröpfte Kipphebel zur Ventilbetätigung, die gewichts- und steifigkeitsmäßig nicht ganz ideal sind. Von dah er eignet sich der Ventiltrieb nur für mäßige Drehzahlen und niedrige Ventilbeschleunigungen. Mit maximal 51 kW(= 70 PS) aus 1000 cm-' Hubraum ist fü r diesen Motor unter Serienbedingungen die Leistungsgrenze erreicht. Das mechanische Drehzahllimit liegt etwa bei 7500 U/min. Die vergleichsweise hohen Massen und das unvermeidbare Spiel zwischen den Übertragungseiernenten bedingen ein ungünstiges akustisches Verhalten der Ohv-Sreuerungen; sie sind relativ laut. Dass Ohv-Steuerungen mit Stoßsta ngen bei entsprechender Konstrukt ion aber auch hohe Drehzahlen erreichen können, hat HONDA schon Ende der 70er Jahre mit dem Zweizylinder-VMotor im Modell CX 500 bewiesen, Bild 3.120. Hier betätigt die zentra le Nockenwelle kurze Schlepphebel, die dann über Stoßstangen und Kipphebel den Nockenhub auf die Ventile über tragen. Diese Schlepphebel können sehr leicht gestaltet werden, wodu rch sich eine erhebliche Reduktion der bewegten Massen gegenüber der von BMW verwendete n Lösung mit Stößeln ergibt. Die nähere Positionierung der Nockenwelle zu den Zylinderköpfen, die wegen der V-Anordnung der Zylinder möglich wird, ergibt kürzere und damit steifere und leichtere Stoßsta ngen. Zusam mengenommen ergibt dies eine n Ventiltrieb, dessen Drehzahlgrenze nur knapp unterhalb 10.000 U/min liegt. Die spezifische Motorleistung als Vierventiler erreicht den beachtlichen Wert von 74 kW/ltr.
155
3.7 Konstr uktive Gestalt ung de r Motorbauteile
---:',, ~
,,
zentrale Neckenwelle z'Nischen denZylindern Bild 3. 120 Stoßstangensteuerun g der HONDA CX 500
Es wird deutlich, dass Motoranordnung und Motorbauart die Auswahl de r Ventilsteuerung und des Zylinde rkopfes wesentlich mitbestimmen und sogar die Funktionsgüte de r gewählten Lösung beeinflussen können. Am Beispiel des quer eingebauten Boxermotors soll diese Problematik vertieft aufgezeigt werden. Dies ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass die Auswahl und Beurteilu ng von konstruktiven Lösungen nie an hand von Einzelkriterien er folgen da rf. sondern immer daran. wie g ut sie die Summe aller Anforderungen erfü llt. Bei Boxermotoren besteht ein besonde rs ungünstige r Zusammenhang zwi schen Motorbaubreite und Bauart der Ventilsteuerung, de nn aufgrund de r gegenüberliegenden Zylinderanordnung verg rößern obenliegende Nockenwellen die Motorbaubreite gleich zweifach. Große Baubreite ist aber uner wün scht, da sie bei tief eingebautem Motor die Schräglage des Motorrades bestimmt. Dennoch ist diese Nockenwellenanordnung aus Leistungs-, Geräusch-, und nicht zule tz t wohl auch aus Imagegründen für ein moder nes, sportliches Motorrad nahezu unverzichtbar. Ein höherer Einbau des Motors ist kein sinnvoller Ausweg, weil dadurch de r Vorteil der nied rigen Schwerpunktlage der Boxerbauart aufgegebe n würde. Untersucht man Lösungen mit obenliegenden Nockenwellen und direkter Ventilbetätigung über Tassenst ößel. so ergeben sich neben de r Baubreite eine Reihe weiterer Probleme bei Boxermotoren. Sie lassen sich aus den skizzierten Ventilt riebskonzepten. Btld 3.121, ableiten und an hand verschiedener Kriterien bewerten. Die senkrechte Führung der Ansaug- und Auslasskanäle im Zylinderkopfermöglicht wegen der parallelen Lage der Nockenwellen z ur Kurbelwelle einen problemlosen und kostengünstigen Antrieb de r Noc kenwellen über Kette oder Zahn riemen. Ungün stig hingegen ist die Küh lung
156
3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorradm otoren
Variante A
senk rechte Führung der Gas kanäle
,/
Nockenwe llen paralle l z ur Kurbetwelle
Va riante B
waag erechte Führung der Gaskanäle
-
Führung der G asströ me
Bild 3.121 Vcntihricbs konzcptc mit obenliegenden Nockenwellen bei Boxermotoren
des Auslassbereichs des Zylinderkopfes bei Luft kühlung, weil die ser Bereich nicht meh r frei im Fahrt wind steht. Nachteilig ist weiterhin, dass die notwendi ge Saug- und AuspulTroh rlänge, wie sie für einen g ünstigen Drehmomentverlauf erforderlic h ist. sich am Motorrad nicht sinnvoll verwirklichen lässt. Die waagerechte Durchströmung des Zylinderkopfes erfordert beim Boxer eine Winkelumle nkung für de n Nockenwellenantrieb. Neben de n reinen Kosten für Bauaufwand und Fertigu ng ist eine solche Lösung vor allem aus ak ustischer Sicht abzulehnen, weil schnelllaufende Win -
3.7 Konstruktive Gestaltun g der Motorbauteile
157
kelgetne be ein hohes Verzahnungsgeräusch aufweisen. Vorteile bringt die waagerechte Durchströmung allerdings in der Kühlung fü r den Auslassbereich des Zylinderkopfes. weil er im direkten Luftstrom liegt. Zudem e rmöglicht sie genügend lange Rohrleitungen für Ansaugluft und Abgas und damit günstige Möglichkeiten zur Ladungswechselauslegun g. Es wird aber deutlich, dass keine dieser Konstruktionen eine befriedigende Gesamtlösung bietet, ebensowenig wie der Nockenwellenantrieb über Königswelle n. Neben dem Bauaufwand kann diese, für Boxermotoren zweifellos elegante Lösung. heute aus Geräuschgründen zu vertretbaren Kosten nicht mehr verwirklicht werden. Diese Überlegungen füh rten bei der Neuentwicklung des Vierventil-Boxermotors von BM»: der 1993 neu in den Markt eingeführt wurde. zu einer Konstruktion , die als High Camshaft Ventilsteuerung bezeichnet wird. Sie ist ein Beispiel. wie selbst sehr gegensätzliche Anforderungen durch eine geschickte Anordnung des Ventiltriebs optimal erfü llt werden können. Im Bild 3.122 ist die Gesamtanordnung dieses Ventilt riebs in der überarbeiteten Version, die seit 2004 in den 1200er Motoren verbaut wird, dargestellt. Als Entwicklungsziel für den Motor war ein ausgewogener Drehmomentenverlauf mit hohen Wert en schon bei niedr igen Drehzahlen vorgegeben. Ursprünglich sollte der Motor Potenzial für Leistungen von über 70 kW aufweisen. aber kein ausgeprägtes Sporttriebwerk für höchste Drehzahlen sein. Im Laufe der Jahre wurden diese Anforderungen kontinuierlich höher geschraubt. Konstruktiv wurde dem durch Fein arbeiten am Ventiltrieb und Zylinderkopf Rechnung getrage n und die letzte Ausbaustufe dieses Triebwerks erreic ht in der RI200S immerhin 90 kw. Dies zeigt das beachtliche Potenzial des damaligen Grundentwurfs fü r diesen Motor. Die für diese Leistunge n notwendige Öffnungsc harakteristik der Ventile erforder te von Anfang an eine ühc-Steuerung, die zudem auch der Forderu ng nach einem leisen Ventiltrieb Rechnung trägt. Gleichzeitig sollte aus stilistischen Gründen und wegen der besseren Kühlung des Auslassbereichs die traditionelle. horizontale Ansaugrohr- und Abgaskrümmerführung des Motors beibehalten werden. Das Problem, mit diesen Vorgaben einen Ventiltr ieb mit obenliegender Nockenwelle z u verwirklichen, ohne die Baubreite des Motors gegenüber dem Vorgängermodell z u vergrößern. wurde mit der im Bild dargestellten Konstruktion gelöst. Durch die seitliche Lage der Nockenwelle wird Bauhöhe im Zylinderkopf gespart, und zugleich kan n dieser im oberen Bereich, der die Bodenfreiheit bei Schräglage mitbestim mt, genügend schmal gehalten werden. Dazu trägt auch der Nockenwellenantrieb über Rol1enketten bei. Da dieser über eine, von der Kurbelwelle angetriebene und im Verhältnis 2:1 untersetzte Zwischenwelle erfolgt, können die Kettenräder im Zylinde rkopf entsprechend klein geha lten werden.
Bild 3,122 Zylinderkopf und Ventiltrieb des Vicrvcn nlBoxermotors von BMW
158
3 Arbeitsweise, 8 aufor men und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Bild 3.123 Anordnung der Ventiltriebsb auteile (links), Steuerun gsträger (rechts )
Die halbhohe Nockenwellenanordnung sorgt für ausreichend kurze Wege z u den Ventilen. Die gewählte Übert ragung der Nockenerhebung mittels einseitig offener Stößelbecher, kurzer Stoßsta ngen und Kipphebel. Bild 3. 123, ist steifer und leichter als alternative Lösungen mit längeren Kipphebelarmen bzw. Kipphebeln, die direkt auf gesc hlosse ne Tassenstößel wirken. Sie hat zudem de n Zweck, die Tassendrehung mechanisch von der Einwirkung der Kipphebelkräfte zu entkoppeln (zentrische Lage der Stoßstangen) und eine freie Tassendrehung zu ermöglichen. Diese freie Tasse ndrehung ist für einen ordentliche n Schmierfilmaufb au zw ischen Nocke und Tasse und aus Gründen des Verschleißsc hutzes . übrigens bei allen Tassenst ößelsteuerungen. unverzichtbar. Bemerkenswert ist noch die Lagerung aller Ventiltriebsbauteile in eine m gemeinsamen Aluminium-Gussteil, de m sogenannten Steue ru ngsträge r, Bild 3. 123 rechts. Durch seine Verschraubung zusammen mit Zylinde rn und Zylinderkopf über Zugan ker wird ein optimaler Kraftfluss der Ventiltr iebskräfte ins Kurbelgehäuse gewährleistet. Marktstrategisch wu rde seitens BM W Motorrad ab 2004 der Einst ieg in das Sportseg ment verfolgt, wozu der Boxer in de r Leistung angehoben werden musste. Die Notwendigkeit einer echten DOHC-Steuerung mit zwei obenliegenden Nockenwellen für den Boxer war trotz aller vorste hend beschriebenen Problemati k zw ingend und wurde konstru ktiv intensiv untersucht. Den Durchbruch brachte die Idee. die Ventile radial im Zylinderkopf anzuordnen und diese mittels Schlepphebeln und konisch gesc hliffenen Nocken zu betätigen. Jede Nockenwelle bet ätigt dabei jeweils ein Einlass- und ein Auslassventil, Bild 3.124. Mit dieser einzigartigen Konzeption wurde eine konstru ktive Lösung gefu nden, die alle zuvor beschriebenen Zielkonflikte beseitigt. Die radiale Ventilanordnung ermöglicht eine waagerec hte und im Verlauf ähnliche Kanalfüh rung wie beim herkömmlichen Boxer. Sie schafft zudem den notwendigen Freiraum zur Unterbringung der Ventilbetätigungselemente. Mit der Besonderheit, dass eine Nockenwelle jeweils ein Ein- und Auslassventil steuert , ist überhaupt erst die waagerec hte Nockenwellenanordnung möglich. Diese wiede rum ist die Voraussetzung dafü r, dass die bisherige Steuerkettenanordnung beibehalten werden konnte; nur so ka nn dieser Zylinderkopf überhaupt zusammen mit dem bisherigen Grundtriebwerk verwe ndet werden. Durch
3.7 Konstruktive Gestaltung der Motorhauteile
159
Bi1t1 3. 124 DOHC-Zylimkrkopfund Ventiltrieb für den Sportboxer BMW HP2
die Schlepphebelbetätigung der Ventile benötigt dieser DOHC-Ventiltrieb nicht mehr Raum im Zylinderkopf als die bisherige High Camshaft Steuerung, so dass die Baubreite dieses Motors nicht größer als beim Basis-Boxermotor ausfall t. Mit drei weitere n Konstruk tionsbeispielen sollen die Betrachtungen zum Zylinderkopf und Ventiltrieb abgeschlossen werden. Bild 3.125 zeigt die Venti lsteuerung des 650 cm' Einzylindermotors der Fa. ROTA Xm it fünf radial angeordneten Ventilen. Durch die räumliche Lage der Ventile und die Betätigung über Tassen müssen die Nocken der Auslassventile und der beiden äußere n Einlassventile konisch sein. Das mittlere Einlassventil liegt außerhalb der Nockenwellenebene und muss daher mit einem Kipphebel betätigt werden. Gegenüber der Lösung von YA MAHA hat der ROTAX-M otor einen weniger zerklüfteten Brenn raum. dafür ist aber die Ventilsteuerung aufwä ndiger, teuerer und schwerer.
Bild 3.125 Ventilsteuerung und Brennraum des ROTAX Einzylindermotors mit fü nf Vcruilcn
160
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive AusfU hrung von Motorrad motoren
Öffnungshebel
Bild 3. 126 Desmodre mische Ventilsteuer ung be i D UCA TI Motoren
Eine heute nur von DUCATI exk lusiv verwendete Ventilsteuer ung ist die Desmodromik, Bild 3.126. Sie ist dadur ch gekennzeichnet, dass die Schließbewegung des Ventils zwangsweise erfolgt und eine Ventilfeder entfallen kann. Dazu wird das Ventil mit einem Gabelhebel geführt, auf den ein Öffn ungs- und ein Schließnocken wirken. Theoretisch können mit dieser Ve ntilsteuerung allerhöchste Drehzahlen und Ventilbeschleun igungen verwirklicht werden. weil durch die Zwangsführung das Ventil keine unkoutrollierten Bewegungen , wie z.B. Abheben vom Nocken, mehr ausfü hren kan n. In der Praxis allerdings ergeben sich ebenso wie beim konventionellen Ventiltrieb Drehzahl und Auslegungsgrenzen infolge der Massenkräfte. Werden diese zu groß, komm t es zu elastischen Verformungen der Betätigungshebel und infolge unz ulässiger Flächenpressungen zu Ver schleiß an den Kontaktstellen zwischen Betätigungshebel. Ventilschaft und Nocken. Die desmodrem ische Venti lsteueru ng ist ursprünglich aus Anforderungen im Rennsport erwachsen. Vor Jah rzehnten stellten Ventilfederbrüche bei Rennmotoren ein großes Problem dar. weil zum einen die Auslegung des Ventilt riebs samt der Federn unvollkommen war und zum anderen Vent ilfederwerkstoffe in der erforderlichen Festigkeit und Reinheit nicht z ur Verfü gu ng standen. Inhomogenitäten im Werkstoff führ ten bei höchstbelasteten Ventilfedern zum Bruch.
161
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Motorbaut eile
Bild 3.127 Variable Ventibtcucrung von SUZUKf
Diese Problem e sind heute dur ch Fortsc hritte in der Berechnung und Werk stoffent wicklung überwu nden u nd wie viele Beispiele zeige n, lassen sich Drehzahlen von über 13.000 V/mi n mit herkömmlichen Ventilsteueru ngen und v entilfedern proble mlos beherrschen . Denn och ist d ie Desmod romik eine int eressante und mechanisch einz igarti ge Lösu ng, die viel zur Faszination der DUCATJ Motoren und Motorräder beitr ägt. Alle bisher behan delten Ventiltriebe waren solche mit festen Steuerzeite n. In AutomobilMotorenbau sind in den letzten Jahr en Ventiltriebe mit Yariabilitäten bezü glich Spreiz ung und Steuerzeit zur Serienrei fe entwickelt worden. Problematisch für den Motor radei nsatz all d ieser Automobillösungen sind der Bauaufwand. der Platzbedar f, das Gewicht u nd die Systemkosten. Bei Motorra dmotoren g ibt es außer dem v -Tech-System von H ONDA im Mod ell YFR keinen var iablen Yentiltrieb in Serie. Beim v-Tech-System wi rd jedoch lediglich d rehzah labhängig zw ischen zwe i unterschiedlichen Nocken mit jeweils festen Steuerzei ten umgeschaltet. SUZUK f stellte erstmals auf der Tokyo Motor Show 2003 eine sehr interessante Konst ruktion
eines vollvariablen Ventiltriebs vor. Auf de r Basis des Zylinderkopfes des bekan nten Zweizylindcr-V-Motors (aus der TL 1000, bzw. V-Strom) wu rde eine Lösung erarbeitet, die vom Baurau m und der Grundkonstr uktion serienfähig erscheint, Uild 3.127. Sie bee indru ckt du rch die saubere Integ ration in den Serien- Motor. Verwendet werden räu mliche Nockenkontu ren. Dur ch eine axiale Verschiebung der Raumnocken auf ihren Wellen wirken untersch ied liche Profile auf den darunterliegenden Tasse nstößel (wege n der Nocken kontur als Rollenstö ßel ausgeführt), wodurch un terschied liche Ventilerhebungen und Steuerzeiten reali siert werde n. Die Axi alverschiebung geschieht über eine Kulisse mit einem elektrornotorisch angetri ebenen Schraubtrieb. Nachteilig für eine Leistun gsauslegung eines solchen Motor s ist sicher die höhere Masse des notwend igen Rolle n-Tassenst ößels. Inwiefem d ie Nockengeometrie fertigungsste chni schen Ein-
162
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive Ausführung von Motorrad motoren
Bild 3.128 Motor der SUZ UK I T Ll OOOS
Bild 3.129 Motor der YAM AH A YZ /WR400F
3.7 Konstr uk tive Gestalt ung de r Motorbauteile
163
sch rän ku ngen unterliegt kan n ebensowenig beu rteilt werden, wie be ispielsweise die Schmierverhältnisse u nd die Flächenpress ungen zw ischen Stößel und Nockenfl äche. Herkömmliche Motoren beweisen, dass alle Drehmome nt- und Le istun gsan fo rderu ngen auch mit ko nventionellen , starren Ventiltr iebe n erfü llt werden kön nen. Hinsi chtlich der Schadstoffemission u nd des Laufkomforts im Teillast bereich bieten variable Ventiltriebe jedoch zusätzliche Möglichkeiten, so das s sie zukü nftig mög licherweise in die Serie ein fließen .
3.7.4 Beispiele ausgefü hrte r Ge sa mtmoto re n Mit Beispielen au sgefüh rte r Moto ren soll da s Kapit el über die kon str uk tive Gestaltung von Motoren abge schlossen werde n. Der Motor der SUZUKI TL 1000 S, Bild 3.128, de r in abgewandelter Form auch im Modell DL 1000 V-Strom weiter verwendet wird. steht stellvertretend für die modernste Generation von Zweizylindermotore n. Mit einem Zylinderw inkel von 90 ° bietet d ie Konst ruk tion eine g ünstige Vora ussetzung für einen g uten Mas sena usgleich. Zwar ist d ie Sau länge des Motor s wegen des Zylin derwinkels relat iv groß, dafür ergeben sich aber ausreichende Platzverhältn isse im V4Winkel zwischen de n Zylinde rn für die Dro sselklappenst utze n. Somit kan n de r Einlasskanal ohne größere Kr ü m mung sehr strömungsgü nstig gestaltet werden u nd es erg ibt sich über dem Moto r Platz für eine volum inöse Sauganlage. Bemerkenswert ist de r Nockenwellenant rieb über eine Zahnkette und eine Zwischenwelle. die wiede ru m übe r Zah nräder d ie Nockenwellen ant reibt. Dies erg ibt vorteilhaft kur ze Steuerketten (ge ringe Kett enschwingu ngen), einen steifen Noc kenwellenantrieb fü r prä zise Einhaltung de r Steuerzeite n und einen relativ sch mal und niedr ig bauenden Zylinderkopf Zum kompakten Zylinderkopfdesig n t rägt auch der enge Ventilwinkel bei. Erkennba r sind die optimierten Leichtbaukolben mit geringstmö glicher Kompre ssion shöhe und sehr kurzem Kolbenhemd. Bis ins Detail gewichtsoptimiert ist de r Einzyli ndermotor für da s Enduro-Motorrad YZI WR400R von YAMAHA , Bild 3.129. Mit d iesem Motor bzw. seiner weiter entw ickelten Variante mit 250 cm' Hubraum wird nach derzeitigem Stand de r Technik d ie Grenzen der Mac hbarkeit im Ser ienmotorenbau demonst rie rt. Der Motoraufbau ist sehr kompakt, die Abm essungen entsprechen bei 450 cm' denen frü herer 250e r-Motoren . Extreme r Leichtbau ist im Bild beispielsweis e am Kolbe n erkennbar, der prakt isch nur noch einen Ringträge r darstellt (Ge wicht 340 g bei 0 92 mm) . Bei de n Vierzylinderreihenmotoren waren die Konst ruk tionen der ja panischen Hersteller über Jahrzehnte da s Maß der Dinge, wenn es um Leistung u nd Drehfreude ging. Ein Beispie l für d iesen Hochleistungs-Motorenbau ist der Motor der YAMAHA YZF-R I, Bild 3.130 . Man erkennt die kompakte Gesamtkonstru ktio n mit seinem hoch hint er der Kurbelwelle ange ordnetem Getriebe. Dieses gibt eine zentrale Ma sse nkon zentrat ion, abe r auch einen relati v hohen Motor-Schwerpunkt. Die Sch nittdarstellung zeigt die filig rane Gestalt ung der mechanischen Motor teile. Mit dem Triebwerk des 2004 vorgestellten neuen Sportmotorrades K 1200 S untermauert BMW seine motorenbauerische Kompetenz nun auch bei leistungsstarken Vierzylinder-Motorradm otoren . Dieser ausgeklügelte Motor stellt mit seiner konsequent konst ruierten Techn ik z um Zeitpun kt der Marktei nfü hr ung sicher den modernste n Motorradantrieb der Welt da r, Bild 3.131a . Mit einem Winke l von 55° ist die Zylinderbank extrem weit nach vorn geneigt, was wesentlich zum angestrebte n nied rigen Schwerpun kt beiträgt. Der sehr enge Ventilwinkel von 22° ermög-
164
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konstruktive AusfU hru ng von Motorrad motoren
Bild .U .lO Motor der YAMAHA YZF-Rl ( Modcllja hr 2002j
licht zusammen mit de r bereits z uvor erwähnt en Schlepphebelsteuerung eine n sehr ko mpakten Zylinderkopf Zur geringen Baubre ite de s Zylinderkopfes trägt der Nockenwellenantrieb bei. bei dem die Zahnkette von der Kurbelwelle aus nur die Auslass-Nockenwelle antreibt, wäh rend die Einlass-Noc kenwelle über ein Zahnrad von de r Einlasswelle angetrieben wird. Das ergibt Vorteile im Geräuschverha lten und Präzision in der Ventilsteuerung dur ch eine kurze Kette . Die Frontansicht zeigt. da ss de r Motor in Kurbelwellenrichtun g sehr kurz baut , was für eine hohe Schräglagenfreiheit für da s Motorrad trot z tiefer Motoreinbaulage sorg t. Die Baubreite des 1200 cm" Motors liegt nahezu auf dem Niveau der mode rnsten 600er-Motoren. Erreicht wurde diese ku rze Baulänge du rch minimierten Zylinderabstand und besonders schmale Kurbelwellenha uptlager (vg l. Kap. 3.7.1. Kurbel welle). Nebenagg regate und Lichtmaschi ne wurden hinter die Kurbelwelle verlegt. die Wasserpu mpe sitzt am Zylinderkopf und wird von der Auslassnockenwelle angetri eben. Durch eine Trockensumpfschmierung entfa llt die Ölwa nne. wodurch der Moto r schwerpunktgünstig weit unten im Rahmen platziert werden kan n. Weitere mechan ische Details des Motors wurden in den vorangega ngenen Absch nitte n bereits beschrieben. Als erster und einziger Motor d ieser Klasse ist d ie Motorsteueru ng mit einer Klopfregelung ausgestattet (vgl. Kap. 3.4). Die Fortführung dieser Hochleistungskonzepti on findet sich im Motor des neuen BMW Supersportlers S IOOORR. der in 2009 vorgestellt wurde. Zum Zeitp unkt der Drucklegung dieser
3.7 Konstruktive Gestaltung de r Motorbauteile
165
Bild 3. 131a Motorder BM W K [200 S
166
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konstruktive AusfU hru ng von Moto rrad motoren
Bild 3.Bl b MotordcrBMW SIOOORR
Buchaufla ge ist es da s leistu ngsstärk ste Triebwerk der Welt in der Supersportklasse, das zugleich äußerst k leine Abmessungen und mit 59.8 kg ei n sehr geringes Gewicht aufwei st, Bild 3. l3lb. Neben dem kompakten Motor-G esamt design mit zentraler Massenkonzentrat ion ist als Besonderheit der DOHC-Ventil trieb mit Schlepphebeln z u erwä hnen, der dem Motor große Drehzah lfest igkeit und hohe Drehzahl reserven verleiht und zugleich d ie Bauhöhe des Zylinderkopfes minim iert. Die extreme Ste ifigkeit des Ventiltriebs eröffnet sehr große Freiräume für die Auslegun g der Ventilerhebung, sowohl hin sicht lich maximaler Leistungsaus beute als auch für eine perfekte Leistungschara kteristik. Dieser Ventiltrieb wu rde bereits im Kapitel 3.7.3, "Zylinderkopf und Ventiltrieb", vorgestellt.
3.8 Kühlung und Schmier ung Über de n Wärmehaushalt hä ngen Küh lung u nd Schmieru ng de s Motors eng zusamme n. Das Schmieröl übern im mt neben seiner Hauptaufgabe zug leich d ie wichtige Funktion der Wärmeabfuhr aus den hoch bean spruchten Zonen des Moto rs. Im Gege nzug erfolgt ein ständ iger Wärm eaustau sch zw ischen Schmieröl u nd Kühlmedium. wodu rch d ie Öltemperatu ren gesenkt werden und som it die Sch mierung auch bei hoher Belastung sichergest ellt wird . Kü hlung und Schmieru ng spielen für d ie Zuverläss igkeit, Stand festigkeit und Verschleißarmut des Motors eine sehr wichtige Rolle .
3.8.1 Kühlung Nu r ru nd ein Drittel de r mit dem Kraftstoff z ugeführten Energ ie wird im Motor in ver wertbare mechan ische Arbeit umgewandelt. Der Rest ist Vertustarben . d ie man versc hiedenen Katego rien zuo rdnen kann , z. B. Kühlu ngswärm e. Abgasw ärme. mecha nische Reibung usw, Letztl ich wird d ie gesamte Verlustarbeit in Wärme umgewa ndelt, die aus de m Motor abgeführ t we rden muss. Untersuchu ngen zeigen, dass d ie häufig angege bene Drittelung der Energiebilanz (1/] Nutz-
167
3.8 Kühlu ng u nd Schmier ung
Ober Kraftstoff zugeführter Energiestram 100% Effektive Motol1eistung
Abgaswärmestrom
- 30%
- 30%
Nutzleis tung--!
wärmestrcm wasser-
Verlusleistung
Rest-
wärme-
strom
--'
Bild 3. 132
Energiestrom (Wärmc1cistung) für einen Vierzylinder-Motorradmotor bei Nennleistung
arbeit, 1/ . . Küh lung und 1/ . . Abgaswärme) be i Hoch leistun gsmotoren d ifferenz iert betrachtet werden muss. Der Anteil der Abgaswärme ist zum Beispiel nicht konstant, sondern nim mt bei hohen Drehzahle n erheblich zu. Bild 3.132 zeigt be ispielhaft die Aufte ilung der Energiest röme für einen wassergeküh lten Vierzy linder-Motorrad motor (ohn e separate n Öl kü hler) bei Nennleistu ng, Man erkennt, dass nach Abzug der mechani schen Leistung und des Abgasene rgiestroms im mer noch ca. 40 % des zugeführten Energiestroms als Verlustwä rmestro m übrig bleibt. Davon wiederu m wird nur rund die Hälfte über den Wasserkühler abgeführt. Der verbleibende Rest, im betrachteten Fall eine Wärmeleistu ng von über 30 kW (!). ist Wärme. die Z.B. im Motoröl stec kt und der Wärmestrom. der vom Kühlwasser schon vor dem Kühler z.B. über die Motorwand ungen abgegebe n wird. Enthalten ist in d iesem aus einer Differenzbetracht ung gewo nnenen Wärmerest allerdings auch die Energie von unverbrannt gebliebene m KraftstofTund d ie kinetische Abgasenergie. Die genaue Aufte ilung des Restwä rmestroms soll hier nicht weiter betra chtet werden. Wichtig ist die Erkenntnis, dass auch bei Wasserkühlung ein nicht unerheblicher Wärmestrom bleibt, der direkt von den Motorau ßenflächen an die vorbeiströmen de Luft abgegeben wird. Dies bedeutet in de r Praxis. dass ohne eine Laftumströmung des Motors eine betriebssichere Motorkü hlung auch bei Wasserkühlung nur schwer zu gewä h rleisten ist (die ..Umlenkung" des Restwärmestroms ins Küh lwasser und die Abfuhr am Wasserkühler geling t auch bei Vergrößerung des Wasse rumlaufs und Kühlers nur unvollstä ndig), Bei de r Verkleidungsgest altung muss daher auch auf eine ausreichende Luftzirkulation für den Motor geachtet werde n. Die Mög lichkeiten einer Motorvollk apselung si nd du rch diese Tatsache spü rbar eingeschränkt. Die Aufgabe der Kühl ung, dur ch Wärmeabfuhr für erträgliche Bauteiltemperatu ren zu sorge n, trifft besonders für Brennrau m und Zylinder zu, die unmittelbar den über 2000 "C heißen Verbrennungsg asen ausgese tzt sind. So sollte die Zylinderwa ndtem peratur aus Sch mierungsgrün den deutlich unter 200 "C liegen und im Zylinderkopfbe reich liegt die vertretbare Gr enze für die Bren nraum-Wandtemperatur z wische n 250 und 300 "C (Festigk eitsg renze der Alum iniumlegierungen). Die frü her beim Motorrad fast ausschließlich verwen dete Luft kühlung wurde mit dem fortwährenden Anstieg der spez ifischen Leistun g der Motoren weitgehend von der Wasse rkühlung verd räng t. Der Vorteil der Wasserkühlung liegt nicht allein in der besseren Gesamtk ühllei stung. sondern vielmehr im besseren Abtranspo rt der Wärme aus den hoch belasteten Zonen im Motor. Am Beispiel der Brennraum -w andtemperatur im Zylinderkopf zeigt ein Vergleich zw i-
168
3 A rbeitswe ise, Bauformen und konstru ktive Aus fU hrung von Motorrad motore n
sehen Wasse r- und Luft kü hlu ng d ie Vorteile h insichtli ch Temper aturniveau un d -verteil ung, Bild 3.133. Ein we iter er Vorteil der Wasserkühlung liegt in der geräusc hdä mme nden Wirkun g des Kühlwasserma ntels. Bild 3.134 zeigt das Fu nkti onsschema einer modernen Wasserkühl ung, wie sie in den meisten Moto rrädern in dieser oder äh nlicher Form zu m Einsatz kommt. Die Wasser pum pe fö rdert das Kühlmittel (Wasser-Glykol-Ge misch) zu näc hst zu m Kurbelgehäuse und von dort üb er de n Zylinderkopf zu m Wasse rkü h ler und dan n zu rüc k zu r Pump ensa ugseit e. In den Kreislauf ist ein Thermostat mit einer Bypassleitung gesc haltet, die den Küh ler um ge ht (Rückflu ss
I
tuslusve Ailsteg d 5 nm Wana.bund Pe l;ll. 50 W'I
I 150
~ -c c
,~
• •, c c
rn
~
300
,c
~
200
z0
"
;;
• ~
c,
100
i! , ~
-
~
5
5
i! ,
~
c
a
s
~
i
--=s: 0
Bild 3. 133 Brennraumwandt cmpcraturcn an den Ventilstege n bei Lufr- und Wasserkühlung
'!i
~
1
4
I'
~
.... ~
2
11
Kreislauf bei kahem Motor Kreislauf bei betriebswarmem Mctor 1 = Überäuckventil
2 =Ausgleichsbehäher
3= Kühler
4 = Thermostat 5 =Temperaturfühle r 6 = Wasserpumpe
Bild 3.134 Funktionsschema eines Flüssigkeit s- Kühlsystems
3.8 Küh lung u nd Schmieru ng
169
Bild 3.135 Anordnung von Wasserkühler und Lüftern bei der HONDA VTR
aus Küh ler verschlossen), solange der Motor noch nicht betriebswarm ist. Damit wird eine schnelle re Motorerwärmung erreicht. Hat d iese r seine Betriebstemperat ur erreicht. verschließt der Thermostat d ie Bypassleitun g, und da s Kü hlmittel d urchströmt bei z ugleich geöffnetem Kühlerr ückfluss den Kühler. Ein Ausgleichsbehälte r nimmt überschüssiges Kühlmittel infolge der Wärmeausdehnu ng auf und d ient zug leich als Anze ige für den Kühlmittelstand. Alle moderne n Kühlsysteme sind als gesc hlosse ne Überdruc ksyste me ausgeführt. Ein Druckventil im Kreislaufl ässt einen Überdruck zw ischen 1,2 bis 1,5 bar zu, so dass d ie Siedetem peratu r des Kühl mittel s bei über 120 "C liegt. Damit wird eine höhere Sicherheit gege n Kochen des Kühl syste ms auch bei extrem hohe n Außentempe raturen und höchster Motordauerbelastu ng erz ielt. Die Wasserumwälzmenge liegt etwa zwischen 75 und 100 Ilm in. Bestandteil einesjeden Flüssigkeitskühlsystems ist der Zusatzlüfte r, der den notwend igen Lufts tro m d urch den Kühler auch im Stillstand und bei langs ame r Fahrt erzeugt. Bei allen Motorräde rn wird der Lüfter elektrisch angetrieben und in Abhäng igkeit der Küh lmitt eltemperatu r, meist kn app oberhalb 100 "C, zugesc haltel. Die übliche Frontposition des Kühlers sichert zwar eine g ute Durch ström ung u nd da mit einen hohen Wirkungsg rad des Kühlers, hat abe r aerodynami sche Nachtei le und sch ränkt d ie Des ignfreiheit (breite Front) e in. Bei nach vorn gene igter Motor-Einbaulage reicht auch oft der Bauraum unterhalb des Lenkkopfes nicht aus , denn bei maximaler Einfederu ng ka nn das Rad unte r Umstän den d ie Küh lerunterkant e erreichen. Alternat iv kann der Wasserkühler seitlich in der Verkleidung untergeb racht werden, Bild 3.135. HONDA mach t von diese r Lösung beim Model l VT R Gebrauch. Die an der Verkleidung vorbeiströmende Luft erzeugt einen Unterdruck, so dass die warme Luft aus dem Kühler gesaugt wird. Eine sehr ungewöhnl iche Kühler- und Lüfteranordnung findet sich im Modell Tornado des italienischen Herstellers BENELLI, Bild 3.136. Diese Kühler position dürfte nicht genügend Luftd urchsatz gewä h rleisten, weil der Staudr uck fehlt. Anzuneh men ist, dass die Elektro-Lüfter die Luftströ mung durc h den Küh ler erzeugen und da her mehr ode r weniger im Dauerbetr ieb lau fen müssen.
170
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konst ruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Bild 3.136
Anordnung von wasserkühler und Lüftern bei der RENELU Tornado
Die reine Luftkühlung findet man noch bei Enduromotorrädern bzw, bei Motoren mit einer spez ifischen Leistung u nter 74 kWJI (100 PSI/) . Ihre Vorteile sind die vollkommen e Störuna nfälligkeit und der geri ngere Bauraumbedarf durch das Fehlen des Wasserkü hle rs. Bei Reihe nmotoren ergibt sich als Nachteil allerd ings ein größerer Zylinde rabsta nd durch die Kühlr ippen . Der Gewi chtsvort eil de r Lu ftkühlung liegt bei rund 3-5 kg. Beson de re Sorg falt muss der Ausbildu ng der Kühlripp en gewidmet we rden , die zu r Verg rößeru ng de r wärmeabgebe nden Flächen d ienen. Bei zu großer Lä nge bilden sich Schwingu ngen aus. die die Schallem iss ion des Motors stark vergröße rn. Zude m entsteht bei langen Rippe n ein Luft polster am Rippengr und , d as die Wär meabfuh r vers chlechte rt. Als Anh alt swert gilt eine max imale Rippenlänge von 50 mm bei einem Rippenab stand nicht unter 8 mm . Die Kühlri ppe ndic ke hängt vom Gussverfa hre n fü r Zylinde r un d Zylinde rkopf ab, es sind mög lichst dünne Rippen anz ustreben (Richtwert 3 mm am Ripp eng rund ). Eine genaue Unte rsuc hu ng des Einflusses der Küh lrippen bei Lu ftküh lung u nd weite re Konstr uk tionsh inweise finden sich in [3.14) .
Bild 3. 137 K ühlölk anat im Zylinderkopf
des Viervenril-Boxcrrnorors von BMW
171
3.8 Kühlung u nd Schmierung
Eine bedeutende Verbesserung erg ibt sich, we nn man die Luft kü hlung mit einer inneren Öl kü h lung für hoch belastete Bren nraum stellen kombi niert. Diese Art de r Küh lung wird von BMW und SUZUKI in einigen Mod ellen eingesetzt. Zylinder und Zylinderkopf füh ren dabe i d ie Wärme konvent ionell über ihre Verrippu ng ab; der Brennraum selbst wi rd du rch eine gez ielte Ölzufuh r gekühlt. BMW verwendet einen öldurchströmt en Kühlölkanal , Hild 3.137. Dieser liegt in der Auslassz one des Zylinderkopfes und wird von einer separaten Ölp umpe, d ie für einen hohen Volumen strom bei geringem Druck ausgelegt wurde, gespeist. 4
Es gelingt damit gegenüber einer Zylinderkopfva riante ohne Ölkühlung eine Temperatu rabsenku ng im Ventilstegbereich um rund 20 %. Bei SUZUKJ erfolgt die Kühlung du rch eine Ölan spritzun g heißer Brennraumzonen . Diese zu sätzliche Ölkü hlung ist so wirkungsvo ll, dass sie bis 1992 in den Supersportmodellen de r Baureihe GSX-R mit eine r spezifischen Leistung von rund 100 kW/J eingesetzt wu rde.
3,8,2 Schmier ung Der Motor schmi erung u nd dem Motoröl komm en zusa mmen folgende Aufgabe n zu: - Schmierfilmaufb au zw ischen a llen g leitende n Teilen zur Reibungs- u nd Verschleißmini mie ru ng (B er ühr ungsvermeidung der Gleitflächen) - Wärmeabfuh r und Wärm everteilung - Feinabdichtung an den Kolbe nr ingen Geräuschdämpfung dur ch Ausbildung von Ölp olstern - Obe rflächenschutz vor Korrosion Moderne Motorrad mot oren verfügen ausnahm slos über eine Dru ckum laufschmierun g mit Ölpu mpe, wie sie beispielhaft im Bild 3.138 da rgestellt ist. Die beiden meistverwendeten Bauarten der Ölpumpen sind Za hnr adpumpen und Verd rängerpumpen (soge nannte Eatonpumpen), Hild 3.139. Letztere bauen auch schon bei nied rigen Drehzah len hohe Drü cke auf. da für ist bei Za hnradp umpen d ie Antriebsleistung kleiner. Neben der im Bild darge stellten Ölsum pfsch mierun g, bei der d ie Pumpe das Öl d irekt aus der Ölwanne (Ö lsumpf) ansaug t, wird be i einigen Motorrädern auch die Trockensumpfschmierung
I
'-
J l
177
konisch e Düsen nadel (im Schieber befestigt)
Nade ldüse (im Hauptdüsenstcck)
Bild 3. 145 Zusammenspiel vo n Düsennadel und Nadeld üse beim Schiebe rvergaser
Unterdruck s verg rößert bei konstant em Hauptdüsenquerschnitt die angesaugte Kraftstoffmenge, was infolge des gedrosselten Luftstrom s zu einer Überfetturig de s Kraftstoff-Lult -Gemisches führt. Daher ist be i alle n Schiebervergasern eine konisch geformte Düsennadel am Luftschieber angebrac ht, die in den Hauptd üsenstock (Nadeldüse) hineinragt. Bei schließendem Sch iebe r verkleinert sie den Austrittsq uerschnitt für den Kraftstoff an alog zur Abnahme des Luftst roms. Bild 3.145. Die Verstellmöglich keit der Nadelpo sition ergibt eine weitere Möglichkeit, die Gemi schzusa mmensetzun g den Erforderni ssen an zupa ssen. Fü r die mei sten Vergaser notwendig ist noch eine Einr ichtung, die das Gem isch während eine s Beschleun igu ngsvorga ngs anreic hert. Dem schne llen Öff nen de s Schiebers od er de r Drosselklappe beim Beschleu nigen kan n nämlich der Luftstrom aufgr und der Träg heit nicht unm ittelbar folgen. Dadurch sin kt schlagartig der Unterd ruck im Luftt richter (d .h. der Absolutd ruc k steigt), und es wird zu wenig Kraft stoffangesaugt. Die Folge ist ein Abmagern des Gem isches, eine schlechte Verbren nung im Motor und damit eine ungenügende u nd verzögert einsetzende Beschleunig ung des Fahrzeugs (der Motor verschluckt sich). Um d iesem Abmagern entgegen zuwi rken. wird kur zzeitig Zusatzkraftstoffin den Lufttric hter gefordert, z.B. mittels eine s kleinen Hubkolbens. de r mec han isch mit der Ga sbetät igung gekoppelt ist. Deutliche Fortschritte im Übergangsverhalten und beim Beschle unigen werden mit Gleichdr uckverga sern erzielt. d ie bei modernen Serienmotorrädern heute Sta nda rdaus rüst ung sind. Anhand der Schnittdarstellungen in den Bilder n 3.143 und 3.146 kann d ie Funktionsweise dieser Vergaserbauart erläutert werden. Neben de r Drosselklappe. d ie mit dem Gasgr iff mec hani sch verbunden ist und zur Reguli erun g der Gem ischmenge dien t. ist im Lufttrichter dieses Vergasers zusät zlich ein Ga sschieber angebrac ht. Dieser wird aber nicht mec hani sch betätigt , sondern die Schieberpositio n stellt sich selbsttätig aufgr und der Druckverhältn isse im Vergaser ein. Dazu ist der Schieber an einer Gum mimembran beweglic h aufgehängt. Seine obere Fläche einsch ließlich de r Membranfläche wird übe r eine Bohru ng mit dem Unterdruck im Lufttrichter beaufschlagt. Die untere Membranflä che hingegen steht über eine Auße nbohrung mit dem Umgebun gsdruck in Verbindu ng. Bei weitgehend geschlossener Dro sselk lappe u nd niedriger Strömungsgeschwindig keit ist auch
178
3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorrad motoren
\
Verbindungskanal zum Lufttrichter Membrane
O
I
,
kl~OpSpe"',,~.l ll»'-r
Schiebe r
'
"
r~1
BelOtungsb ohru n!j
11;;~;;;;~r zur ureeren 11 Me mbranftäch e C-«lrtl -.-' I
Düsennadel
o
C) \
; :,.:
Zusatz luftkanal
Nadeldüse Schwimme rnadelventil Hauptdüsenstock
Leertaufdüse Schwimmer kammer Hauptdüse
Bild 3.146 Glcichdruckvcrgascr( B1NG Typ 64) der Unterd ruck im Luft trichter und damit die Druckdifferenz z um Umgebungsdr uck klein. Der Schieber sin kt dan n aufgr und seines Eigengewichts, unterstützt von einer schwachen Hilfsfeder, nach unten. Die sich einstellende Verengung des Lufttri chterque rsch nitts lässt die Strömungsgeschwindigkeit und de n Unterdruck aber ansteigen. Infolge der Druckdifferenz zw ischen Ober- und Unterseite der Membran wird der Schieber leicht angehoben, wodurch de r Unterdruck im Lufttri chter wiederu m etwas nachlässt, bis sich der Schiebe r schließlich in einer Gleichgewichtslage eingependelt hat. Wird die Drosselkl appe zum Beschleunigen geöffnet, bleibt die Schieberposition z unächst unverändert. Erst die etwas verzöge rt einsetze nde Änderung der Luftströmu ng bewirkt eine Bewegu ng des Gasschiebers. Der mit ansteigende m Luft strom wachse nde Unterdr uck hebt den Schieber jeweils soweit an, bis Gleichgew icht zw ischen Gewichts- und Fede rkraft am Schieber und den aus den Druckdifferenzen resultierenden Kräften herr scht. Dam it ist die Schieberposition allein abhängig vom Luftdurchsatz und sorgt als erwünschte Folge dafür, dass der Unterd ruck im Luftt richter nahezu konstant und unabhä ngig vom Luftdurchsatz ist. Der in jedem Betr iebszustand etwa gleiche Druck im Vergaser hat ihm seinen Namen gegeben. Für die Kraftstoffförderung an de r Hauptdüse und die Güte der Gemischaufbereit ungsqualität sind die konstanten Druckverhältn isse sehr vorteilhaft. Das gesamte Kraftstoffsystem des Vergase rs lässt sich sehr gut abstimmen. Vom Prinzip her brauchte der Gleichdruckvergaser kein eigenes Leerlaufsystem. In der Praxis wird jedoch die Ström ung an de n Schieberkanten gestör t, wodurch bei geringem Schiebe rhub die Zerstäubung und Gem ischbildu ng beeinträchtigt wird. Daher verwenden auch die Gleichdru ckvergaser ein eigenes Leerlau fsystem mit Kraftstoffaustritt nahe der Drosselklappe in einer Zone hohen Unterdru cks. Notwendig ist weiterhin eine
3.9 Systeme zur Gem ischaufb ereitung und Sauganlagen
179
Nadeldüse. de nn konstanter Druck auch bei nied rigen Luftdurchsätze n bedeutet konsta nte Kraftstofffö rderung und würde ohne eine Regulierung des Kraftstoffs wie beim Schiebervergase r z ur Überfettung führ en. Auf eine Beschleu nigungsa nreicheru ng hingegen kan n verziehtet werden, weil ein Abmage rn infolge des ko nstanten Drucks im Lufttr ichter nicht eintreten kan n. Nachteile hat der Gleichdruckvergaser, vom Preis einmal abgesehen, nur bei Wettbewerbsmotorrädern . Sein Ansprechverhalten ist aufgrund des zusätz lichen Schiebers, de r dem Luftstrom folgt, etwas träge. Reine Schiebervergaser mit mechanischer Schieberbetätigung und mechanischer Beschleunigungsanreicherung bieten hier Vorteile, allerdings um den Preis eines deutlich höheren Kraftstoffverbrauchs, was im Rennbetri eb keine Rolle spielt. Hingewiesen werden soll noch auf den Flachschieberve rgaser, Bild 3,147. Bei dieser Konstruktion werde n Störkanten. die bei einem zylind rischen Schieber zwangsläufig im Luftt richter entstehen, vermiede n und ein strömungsgünst igerer. glatter Luftdurchgang im Vergase r erz ielt. Eher theoretisc h ist der Vorteil des ger ingeren Schiebe rgewichts. Im Ren nsport spielt die kurze Baulänge von Flachschiebervergasem eine gewisse Rolle, weil sich dam it kürzere Gesamtsaugwege verwirklichen lassen.
Bild 3. 147 Flachschicbcrvergascr
3. 9. 2 Einspritzung Die elektron ische Kraftstoffeinspritzung hat auch bei Motorrä dern die Vergase r weitgehend verd rängt. Die Vorteile der Einspritzung liegen in der besseren Gem ischanpassung für die unterschiedlichen Betriebszustände des Motors und der Möglichkeit, eine echte Regelung der Gemischzusam mensetzung verwirklichen zu können; alles notwendige Voraussetz ungen für den Einsatz eines Drei-Wege-Katalysators zur Abgasreinigu ng. Leistungsm äßig bietet die Einspr itzung allerdings nicht zw ingend Vorteile gegenüber Vergaseran lagen mitje einem Vergaser pro Zylinder. Mit den mittlerweile recht strengen Abgasvo rschr iften beim Motorrad und mit den Forderunge n nach ger ingerem Kraftstoffverbrauch füh rt aber kein Weg an der Einsprit-
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorradmotoren
180
2
1 =
s teneceener
2 '" zoooecnener 3 = Kraft sl off behäll e r 4 :: Kralts toflitte r
5 = Kratts tottpurnpe 6 " ZOndungssteuergerät
7 :: x rattstctuerst e
8 = 9 = 10 = 11 ::
Druckreg ler Einsprilzrelais Drossel klappenschalter Ei nspritzsteuergeräl
11
12 = zonoscue 13 = l uftsammler 14
= =
Luft mengenmes ser ay.cees lult schraube 16 '" Elnspntzventil 17 = Drosselklappe 18 = Leer tautetneteüscnraube 19 = KOhlmiltell emperal url Oh ler
15
20 = Balle rie
21 22
= =
Zündkerze Hall -Geber
~)22 , 20 Bild 3.14H Erste serienm äßige Einspritzanlage be im Motorrad ( Ldctronic. Bli1W, 1983)
zung vorbei. Der hohe Grad an Zuverlässigkeit auch unter Extrembedingungen und die mitt lerweile perfektioniert e Abstimmung lässt auch keinen Raum mehr für Kritik . Jede Kraftstoffeinsprit zung besteht grundsätzlich aus vier Systemkomponenten: - einer Kraftstoffpumpe z ur Erzeugung des notwendigen Kraftstoffdru cks - einer Einrichtung z ur Erfassung der engesaugten Luftmenge - dem elektronischen Steuergerät - den Einspritzdüsen zur Gem ischbildung Ergänzt werden diese Grundk omponenten VOll zusätz lichen Sensoren zur Messu ng von Umfeldbedingungen (u.a. Luftd ruck, Umgebungstemperatur) und Motor-Betriebszust änden (u.a. Temperaturen von Öl und Wasser, Klopfsignale) sowie verschiedenen Regelungseinr ichtungen (Leerlaufregelung, Lambda regelung). Diese Zusatzkomponenten sind mit dem zentralen Steuergerät vernetzt.
181
3.9 Systeme zu r Gem ischaufb ereitung und Sauga nlage n
Die Unterschiede zw ischen den Einsprit zanlagen liegen in der Ausfü hrung d ieser Systembausteine. Bild 3.148 ze igt d ie System komponente n und das g run dsätzliche Fu nkt ionsschema einer Einspritza nlage am Beispiel der von BMW im Jahre 1983 erstmals eingesetzten Ldetromc. Zu r Erfass u ng der angesaugten Luft menge dient bei diesem Syst em eine Stau klappe, deren proportionale Auslenkung im Luftstrom ein Maß für die vom Motor angesaugt e Luft menge ist (Stauk lappen-Luft mengenm esser). Die Auslenku ng wird elektrisch mitt els Potentio meter erfasst und de ssen Signal im Steuergerät verarbe itet. Die zwe ite Eingangsgröße fü r d as Steuergerät ist die Motordrehza hl. Aus beiden Größen errechnet das Steuergerät unter Berücksichtigu ng von Kc rrekturfaktoren , die aus den gemessenen Temperaturen für Ansaugluft und Küh lwasser gewonne n werden, d ie A nsteue rsignale für d ie Einspritzdüsen. Diese d irekte Erfass ung des engesaugten Luft volumens ist mittlerweile veraltet und wird nicht mehr angewendet. Das g roße Bauvolumen des Luft menge nmesse rs ist im Motorrad hinderlich für eine freie Gest altung der Sauganlage. und die Strömungsbeeinträchtig ung an der Stauklappe wirkt sich leist ungsmindernd aus . Heute wird die Luft menge bei Motor rädern meist indirekt bestimmt. Dazu wi rd derjeweilige Drosselklappen- Öff nungswi nkel (a) über ein Potentiometer gemesse n und die Motord rehza hl (n) erfasst. Aus beiden Grö ßen lässt sich de r Betriebspun kt des Motors eindeutig bestimmen und anhand hinterlegter Ken nfelder d ie notwe nd ige Kraftstoffmenge für die Einspr itzung errec hne n (a -ln·Steuerung). Eingespritz t wird bei allen Systemen in de r Regel in den Einlass kanal vor d as Ein lassventil (Saugrohreinspritzu ng), Bild 3.149, d.h. der Kraftstoff wi rd dem Einlassventil vorgelagert und beim Saugtak t angesaugt.
Bild 3. 149
Saugrohreinspritzung ( HON DA C BR 60ü )
182
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren
Die Eingriffsgröße zur Regulier ung der Gemi schzu sammensetzung ist normalerweise die Öffnungsdauer der elektro magnetischen Einspntzventile, also die Einspritzzeit. Zusammen mit der Düsengröße und dem Kraftstoffdru ck ergibt sie die insgesamt pro Arbeitsspiel eingespritzte Kraft stoffme nge. Der Kraftstoffdruck muss daher in diese n Systemen konsta nt gehalten werden (hier 2,5 bar), wofiir ein Druckregler im Kraftstoffkre islauf sorgt. Erzeugt wird der Druck von der Kraftstoffpumpe, die den Kraftstoff ständig vom Tank zur Einspritz leiste mit den a ngeschlossenen Düsen und von dort über eine Ringleitung z urück zum Tank fördert. Die Einspr itzleiste ist so dime nsioniert, dass sie einen Vorratsbehälte r fü r den Kraftstoffb ildet und somit für alle Düsen gleiche Bedingu ngen für die Einspritzung he rrschen. Die Einspritzung wird über den Zündimpulsgeber ausgelöst, es wird bei diesen Systemen einmal pro Kurbelwellenumdrehung für alle Düsen gleichzeitig in die Saugrohre des Motors eingespritzt (Vorlagerung von Kraftstoff) . Die Vari ation der Einspritzzeit abhängig von den Motorb etriebsparametern gewä hrleistet eine optimale Gemischz usammensetzu ng in allen Betriebsz uständen des Motors. Die notwendige Gemischanreicherung jeweils fü r Warm lauf und Beschleunigung wird über eine entsprechend verlängerte Einspritzdauer erreicht. Ein Beschleunigungsvorgang wird über die Öffnungsgeschwindigkeit der Drosselklappe erkannt. In Abhängigkeit davon wird die not wendige Gemischa nreicher ung berechnet und ein Zusatzvolumen an Kraftstoff eingespritzt. Das vorstehend beschriebene gr undsätz liche Arbeitsprinzip der Einspritzan lagen wurde bis in die heutige Zeit beibehalte n. Dennoch finden sich in Systeme n neuesterGeneration wesentliche Änderunge n, Verbesserungen sowie funktionale Erweiterungen.
2 3 4 5 6 7 8 9 10
o
Drosselklappenpotentiometer (l astsignal) Hallgeber (Drehzahlsignal) Wassertemper atur lufttemperatur Steuergerat Kraftstoffpumpe Einspritzdosen Zündspulen Lambdasonde Katalysator
• " Bild 3. 150 Funktionsschema der Digitalen Motorelektronik für BMW-I"'lotorräder der K-Baurcihc ( bis 2(04)
3.9 Systeme zur Gem ischaufbereitung und Sauganlagen
183
Eine erste Weiterentwicklung stellte die Digitale Motorelektro nik (DME) dar, oft auch als MOTRONIC bezeichnet (MOTRONIC ist die Bezeichnung des Herstellers BOSCH). Bei dieser
sind die Steuerungsfunktionen für Einspritz ung und Zündung in einem einzigen Steuergerät mit digitaler Verarbeitung der Daten zusam mengefasst. Bild 3.150 zeigt ein vereinfachtes Signalschema der MOTRONIC, wie sie von BM W fü r die ..alte" K-Baureihe bis z um Jahr 2004 verwendet w urde. Sie ist bereits mit Lambda regelung ausgestattet. Die aktuelle Ausfüh rung der digitalen Motorsteuerung bei BMW, die im Frühjahr 2004 zeitgleich mit der damals neuen Boxergeneration eingefü hrt wurde. zeigt das Bild 3.151. Die Einspritzung erfolgt hier vollsequentiell. das heißt die Zylinder werden unabhängig voneinander angesteuert und injeden Zylinder wird individuell passend zum Ansaugtakt eingespritzt (keine .Vorlage rung" von Kraftstoff vor das Einspritzventil). Dazu liefert ein Geber am Nockenwellenrad das entsprechende Signal. Wie vorstehend bereits erwähnt. wird die engesaugte Luftmenge indirekt über den Drosselklappenwinkel und die Motordrehzahl erfasst. Zusammen mit der Ansanglufttemperatur. der Kühlmittel- bzw, Zylindertemperatur und dem Umgebungsdruck. der mittels eines speaiellen Sensors aufgenommen wird. e rrechnet das Steuergerät aus diesen Daten die angesaugte Luftmasse und daraus die notwendige Einspritzme nge. Dabei wird auf Basiswerte aus abge-
DME Steuergerät
i
1 = Zündspulen 2 = Einspritzdüse 3 = Drosselklappenpofentiometer mit Leerlautsteller
4 = turttemceretcr-senscr 5 = Temperatursensor Motoröl
-
6 = Nockenwellensensor 7 = Drehzahlsensor 8 = Klopfsensor 9 = Sensor Zylindertemperatur 10 = Lambdasonde Abgas
Biltl 3.151 Funktionsschema der Digitalen Motorelektronik für BMw- Mororrädcr der neuen Boxergeneration (ab 2004)
184
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstru ktive Aus fU hru ng von Motorrad motore n
spe iche rten Kennfeldern zu rüc kgeg riffen. Mit Hilfe der im Steuergerät hint erlegten Korrekturfunktionen we rde n da nn ind ividuell abgestimmte Wert e fü r d ie Einspritzmenge und den Zündze itpunkt für jed en Betriebspu nkt und Bet riebszu stand des Motors bereitgestellt. Diese Berücks ichtigung vielfältiger Einflussg rößen einschließlich wichtige r Umgebungsbedi ngungen durch eine umfang reic he Senso rik ermög licht eine sehr fein fühlige A npassu ng des Motorbetr iebs an untersch iedlichste Ra ndbedin gungen. d ie de r Anpass ungsfä h igkeit der frü heren Vergaseranlage n weit überlegen ist. Zu den we iteren Vorteilen dieser und ähnlicher Systeme andere r Motorrad hersteller gehört auc h, da ss sie eine ech te Warmlau f- und Leerlau fregelung ermög lichen und d amit die frü her übli che manuelle Gernischanreicher ung (c.Choke") mitsamt der oft mals sprunghaften Drehza hlanheburig im Leerlauf nach dem Kaltstart überflüssig machen. Beim BMW-System erfo lgt d ie notwendige Leerlaufarthebung automat isch und fein ges tuft über gesteuerte Bypass-Kanäle für Zusatzluft u nd eine ents prechende Anpassung de r einges pritzten Kra ftstoff menge. Ein Zusatze ffekt ist die Mögli chkeit, je nach Strombed arf die Leerlau fdrehzah l zusätzlich zu erhöhen, um über die dan n höhere Lichtmas chinendre hza hl mehr Stro m fü r Verbraucher liefern zu können und damit die Ladebilanz für die Batter ie zu verbessern. Als Besonderheit hat das dargestel lte BM W-System ei ne geregelte Kraft stoffpumpe. Da mit kann d ie Einspri tzmenge zusätz lich zu r Einspritzzeit noch über de n Kraft stoffdruck variiert werden. Diese Techn ik wurde weiterentw ickelt zu einer variablen Druc kregelung fü r de n Kraftstoff (e rstmals eingese tzt im BMW-Modell KI 200 S). Hier wird durch eine bed arfsgerechte Anste uerung der Kraft stoffpumpe jeweils nur gen au die Menge Kra ftstoff z u den Einspritzvent ilen gefördert , d ie momenta n tatsächlich benötigt wird. Auf einen KraftstofTrücklaufkann dam it verzichtet werden. Vorteilhaft an d ieser Regelung sind d ie noch präz isere Kr aftstoffzu messung sowie der geringere Leistungsbeda rf der elek trischen Kraftstoffpumpe. Die vors tehende DME-Generation bei n haltet auch eine Klopfregel ung, d ie im Motorradbau noch selten anzu treffen ist. Zur Erkenn ung klopfender Verbrennung d ienen jeweils Körperschallsenso ren (Klopfse nsoren), die an die Zylinde r und d as dortige Schwing ungsumfel d ada ptiert sind . Auf entsprec hende Schwingungss ignale. d ie von klopfender Verbrennung hervorgerufen we rde n, reagiert d ie Motorel ektronik mit Zündw inkel rücknahme (Verste llung in Richtung "s pät"') u nd schützt damit den Motor vor möglichen Schäden. Die integ rier te..1.- Regelung stellt das Gemi sch mittels einer ..1.-Sonde Im Abgasstrom, Bild 3.152. in eine m gesc hlosse nen Regelk reis unter allen Bed ingungen auf seine Idealzusammensetzu ng (..1. = I) ein. Damit sind d ie Voraussetzungen für einen 3-Wege- Kata lysator zur Abgas rein igung gesc haffen. mit dem d ie entspreche nden BMW-Motorräder auc h ausger üste t sind. Die ..1.-Sonde misst dazu die Abgaszusamme nsetzung (genauer gesagt den restlichen Sauers toffgehalt des Abgases) und abhäng ig vom Sondensignal modifiziert d ie Elektron ik d ie Einspritzm enge dan n so, dass eine Ge misc hz usa mme nsetzung auf den Idealwert erreicht wird . Eine ausführliche Beschreibung der ..1.- Regelu ng im Zusa mme nspiel mit de r katalyt ischen Abgasreinigung wird in [3.19J gegebe n. Die neuesten Ge nerationen der digitale n Motorelektro nik zeichnen sich durch höhere Rechenleistung gege nüber den Vorgä ngern, schnellere Regelu ng. mehr Speic her (damit mehr und feinere Stützstellen für d ie Zündw inkel- und Einspritzkennfelder) und die Integ ration von Zusatzfunktionen aus. Die Wichtigkeit hoher Rechenleist ung nimmt mit steige nden Nennd rehzahlen der Motoren zu, dieses zeigt schon ei ne sehr einfache überschlä gige Berechnu ng: Bei 12.000 Ulmin
185
3.9 Syste me zu r Gem ischaufb ereitung und Sa uga nlage n
- . ._..-- --
Beheizte Lambda-Sonde
a
_ '1'-:-
a
< ~ -.
~
-3\1;::' j i ~~
_ " 11'
-'
,
s
,
r
e
a
ßild 3. JS Z La mbdasonde I Sondengehäuse. 2 keramisches Stützrohr. 3 Anschlusskabel. 4 Schutzrohr mit Schlitzen, 5 aktive Sondenkeramir. 6 Kontaktteil. 7 Schutzhülse. 8 Heizelement. 9 Klemmanschlüsse für Heizelement
dau ert eine Ku rbelwellenumd rehung nur 11200 s. Ein Vierzyli nder-Vierta ktmoto r hat zwe i Einspritzvorgänge pro Umdrehung, die in einem Ze itfenste r von einigen Ze hn G rad Kurbelwi nkel vollzoge n werden. Damit befindet man sich im Milli sek undenber eich bzw. in Bruchteilen davon fü r den Einspritzvo rga ng. Entsp rechend kurze Zeitspannen ste hen zur Berechnung zu r verfügung. Die Rechenvorgänge im Steuergerät sind se hr u mfang reich, denn es müssen eine Vielza hl von dyna mischen Signalen. Ken nfeldgrößen und Speicherwer ten per manent ausgewertet und in Steue rsignale umgesetz t werden . Für einen Beschleuni gungsvorgang steigt die notwend ige Rechenleistu ng und -gesc hwindigkeit wegen der sich schne ll veränderlichen Par ameter dan n noch mals an. Ma n kann sich leicht vors tellen, dass die Güte des Motorlaufs und de r A npassung sowie das per fekte ..Ga sgefüh l" auch von der Gesc hw indigkeit und de r Güte der Sig nalvera rbeitung abhä ngen. Für Ren n- und Superspo rtmoto rräder g ibt es noch eine Besonderheit bei der Einspr itzu ng. Die Einsprit zd üsen sind hier h inter dem Luft tr ichter angeo rdnet, Bild 3.153. Durch die Verda mpfu ng des Kraftstoffs kühl t sich die Luft im Saug rohr sc hon ab dem Lufttr ichter ab. Die dadu rch höhere Dichte des Luftstroms filh rt zu ents prec hend g rößere r Luft masse im Zylinder, so dass ents prechend me hr Kraft stoff einges pritzt werd en kan n, was wiederu m z u einer Erhöhu ng der Motorleistu ng fü hrt. Im Gesamtve rbund mit der Einsp ritzung ist d ie Sauganlage ein wichtiger Baustein für d ie Leistun gsent faltu ng, vgl. auch Kap itel 4. Die Füh rung der Ansaugluft sollte möglichst geradlinig und ohne scharfe Umlenku ngen erfolgen. und der Luft filterk asten muss ein großes Volumen aufwe isen (Richtwe rt : IO-faches Hubvolumen). Um eine nied rige A nsaugluftte mperatur zu gewä hrleisten (g röße re Dichte), saugen moderne Hochleistungsmotoren die Luft über Schnorchel im Frontbereich der Verkleidung an , Bild 3.154 . Der dort vorhandene Sta udruck wird ebe nfa lls gen utz t, um die Füllung zu verbessern, doch wird diese r Einfl uss oft überschätzt (siehe Kapitel 4 ). Variable Saugrohrlä nge n - im Auto mobilbereich längst bei vielen Motore n üblich - sind bei Motorrädern noch d ie Au snah me. Erstmals setzte M V AG USTA diese Technik z ur d reh zah labhängigen Füllungsverbesserung im Mod ell F4 ein, Bilder 3.155a .
186
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfUhrung von Motorrad motoren
Bild 3.153 Einspritzung in den Lufttrichter
Luftfilterkasten mit Ansaugschnorchel
lJild 3.154 Sauganlage BMW K 1200 S
187
3.9 Systeme zur Gemischaufb ereitung und Sauga nlagen
Bild 3. 155a
Sauganlage M V AGUSTA F4 1000 Mittle rweile haben andere Hersteller, unter anderem YAMA HA (Modell RI) und BMW (Model l S IOOORR) nachgezogen. Bild 155 b. Mittel s Unterdruck und einer Druckdose oder mittels eines elektr ischen Stellers werde n bei niedrigen Drehza hlen Verlängerungsstücke auf die Lufttr ichter abgese nkt und damit die Saugrohrlängen an die niedrigen Drehzah len angepasst. Das Resultat ist ein höheres Drehmoment in diesen Drehzahlbereichen. Im oberen Drehzah lband wird d ie Verlängerung angehoben. so dass der Motor opt imal über die kurzen Saugtrichter atmen kann.
Bild 3. 155 b
Variable Saugrohrlängen bei der BMW SIOOORR oben: Saugrohre ..lang" (niedrige Drehzahlen), unten: Saugrohre"kurz" (hohe Drehzahlen)
188
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hrung von Motorrad motoren
3.10 Abgasanlagen Die Abgasanlage erfüllt drei Aufgaben. Sie beeinflusst die Leistungscharakteristik des Motors, sie reduziert das Auspuffgeräusch und vermindert zusammen mit einem eingebauten Katalysator die Schadstoffe im Abgas. Diese Aufgaben können nicht vollständig voneinander getrennt werden. Die Geräuschdämmun g beeinflusst immer, meist in unerwünschter Weise, die Leistungscharakterisrik: umgekehrt sind leistungsoptimale Abgasanlagen oft zu laut.
3.10.1 Konventionelle Schalldä mpferanlage n Dieser Abschnitt widmet sich schwerpunktmäßig dem konstruktiven Aufbau des Schalldämpfers; die Aspekte der Leistungsbeeinflussung durch die Abgasanlage werden im Kap. 4 behandelt. Die Darstellung muss sich auf die elementa ren Zusammenhänge beschränken, weil ein tieferer Einstieg in das Spezialgebiet der Schalldämpferauslegung umfangreiche Kenntnisse der Akustik erfordert. die nicht vorausgesetzt werden können. Es gibt zwei Grundbau arten von Schalldämpfern, den Reflexionsdämpfer und den Absorptionsdämpfer. Manchmal werden Kombinationen aus beiden Typen verwendet. Der Absorptionsdämpfer, Bild 3.156, nutzt zur Schalldämmung die Eigenschaften einiger Stoffe, den Schall zu verschlucken. Die Schallleitung dieser Materialien ist schlecht, und der Schall wird innerhalb des Mater ials vielfach aber regellos und insgesamt nur sehr wenig reflektiert. Letztl ich erfolgt dabei eine Umwandlung der Schallenergie im Wärme. Typischer weise handelt es sich bei Absor ptionsstoffen um weiche, leicht verformbare Materialien mit loser, faseriger Struktur. Für die Verwendung in Schalldämpfern muss dieses Material temperaturbeständig sein. Üblicher weise wird Mineral- oder Stahlwolle verwendet. Im Dämpfer sind eine oder mehrere Schalldämpferkammern mit dieser Dämmwolle umhül lt und diese Kammern über ein perforiertes Rohr angeschlossen. Der Schall breitet sich im Rohr gleichmäßig aus, und alle Schallwellen, die durch die Perforation in die Kammer eintreten, werden praktisch vollständig eliminiert. Die Schallanteile in Rohrr ichtung verlassen die Dämpferkammer weitgehend ungedämpft und werden im nächsten Schalldämpferteil absorbiert. Reine
Bild 3.156 Absorptions-Sc halldämpfer
3.10 Abgasanlagen
189
Bild 3.157 Reflexions-Schalldämpfer Absor ptionsdämpfer werden heute von den großen Motorradherstellern serienmäßig nicht mehr angewandt. Bei Zubehörliefe ranten sind sie noch verb reitet. weil sie preisgünstig herzustellen sind. Ein Nachteil ist. dass die Faserein lage mit der Zeit z unehmend aus dem Schalldämpfer hinau sgeblasen wird, wodurch sich die schalldämmenden Eigenschaften verschlechtern und der Dämpfer lauter wird. Der Reflex ionsdä mpfer. Bild 3.157. macht sich das physikalische Prinzip der Interferenz zunutze, das im Anhang dieses Buches ausführlicher erklärt wird. Dabei löschen sich Schallwellen gleicher Frequenz gegenseitig aus, wenn sie mit umgekehrtem Vorzeichen (umgekehrter Amplitude) überlagert werden. Dies ka nn durch eine geschickte Reflexion der Schallwellen im Dämpfer erreicht werden. Das Abgas wird dazu durch ein System von para llel- und hintereinander geschalteten Kammern, die mit Rohren abgestimmter Länge und Durchmessern verbunden sind, geleitet. Die einzelnen Kamm ern bilden Resonanzsysteme. deren Durchtrittswiderstände fü r bestimmte Frequenzen des Schalls sehr hoch sind und diese wirkungsvoll dämpfen. Die gezielte Reflexion der Schallwellen an offenen oder geschlossenen Rohrenden erzeugt die gewünschte Phasenlege, die zusammen mit den Wellenlaufzeiten in den Rohren die gewünschte phasenrichtige Überlagerung und Auslöschurig der Schallwellen hervorr uft. Obwohl die Gestaltung dieses Kammer- und Rohrsystems zunächst nach akustischen Erfordernissen erfolgt, muss zugleich darauf geachtet werden, dass die Drosselung des Abgasstro ms nicht zu groß wird. Zwar wirkt auch die Drosselung geräuschmindernd, sie führt aber auch zu einer negative n Beeinflussung des Ladungswechsels und bewirkt spürbare Drehmoment- und Leistungseinbußen beim Motor. Die Kunst des Schalldämpferbaus besteht in einer a kustisch günstigen und gleichzeitig widerstandsa rmen Gasf ührung. Im Kap. 4.4 wird anhand von Beispielen gezeigt. welch hoher Stand heute auf diesem Gebiet erreicht ist. Ein problematischer NebenefTekt von Reflexionsdämpfern ist die Schwingungsanregung, die die Wandstruk tur des Schalldämpfers durch den pulsierenden Abgasstrom erfahrt. Der resultierende Körperschall kann die vom Schalldämpfer ausgehende Ge räuschemission erhöhen. Dem kann entgegengewirkt werden durch die Wahl genügend dicker Wandstärke n fü r die Zwischenbleche im Dämpfer, durch genügend steife Konstruktion der gesamten Schalldämpfer-
190
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konst ruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
struktu r und eine Schalldämpferauße nhaut aus Doppelblech . Eine we itere Möglich keit ist die doppel wandi ge Ausfüh rung der Schaltdä mpferauße nhaut mit ei ner absorbierenden Zwischenschiebt, wie im Hild 3.157 zu erkennen ist. Das relat iv hohe Gewicht von Schalldä mpferanlagen (z wischen 10 und 20 kg) ergibt sich aus diesen Ko nstruk tionsanforderun gen . Eine Rolle für die Scha llabstra hlung spielt auc h die Größe der Schalld ämpfe roberfläche. In vielen Fällen sind zwei k leine Scha lldä mpfer gü nstiger als ein g roßer (4-in-2 statt 4-in-I). Denn d ie Einzelscha lldä mpfer bauen kompakter, sind daher steifer und weisen eine kleinere EinzeIaußenfläche auf. Da sie jeweils nur mit ru nd de r halben Schallene rgie beau fschla gt we rde n. ist ih r Emissionsve rhalten oft gü nstiger. Mit derartigen Anlage n lässt sich meist auch ein größeres Schalldä mpfervo lumen baura umverträglich am Motorrad unterbr ingen. Das etwa lu -fache Hubvolumen des Motors gilt als seh r g rober Richt wert für einen Schalldämpfer mit ausgewo gene n ak ustisc hen Eigenschaft en und gü nstigem Leistungsverhalten. Dabei beeinflussen d ie Volumena nord nung u nd die Formgestalt des Volu mens d ie Leistun gscharakterist ik des Motors u nd das akust ische Verhalten des Dämpfers. Dies macht die Form gebu ng des Scha lldäm pfers und seine Platzieru ng am Motorrad z u einer diffi zilen und schwer lösbaren Au fgabe. Aus d iesem G rund wird de r Schalld ämpfer vielfac h auc h zwe igeteilt in eine n Vorschalldämpfer und einen Nac hschalld ämpfe r. Für d ie Leistungsentfaltu ng spielt der Vorsch alldämpfer eine entsc heidende Rolle. Da beso nders bei sehr sportlic hen Motorrädern d ie Schräglage nfrei heit nicht eingesc h rän kt werde n darf. andererse its aber nur bei großem Schalldä mpfervolumen der Zielkonflikt zw ischen gesetzes konform er Lauts tärke und hoher Motor leistung entsc hä rft we rden ka nn. muss der Schalldä mpfer mit seinem Volume n bereits bei der erste n Konzept ion eines neuen Motorrades aus reichend berüc ksichtig t werden. Bei den Supersportlern neuester Konstruktion wird der Vorsc halldämpfer fallweise im hinteren Bere ich unte r dem Motor angeordnet, Bild 3.158. Dort findet sich bei entsp rechen der Fahrzeug- und Antriebsausleg ung hinreichend Raum. Diese Scha lldä mpferlage kommt auch einer gewü nschte n tiefen Schwerpunktlage entgege n und er trägt zu einer günst igen Massen konze ntration um den Ges amtsc hwer punkt bei.
Bild 3.151' Schalldämpfera nlage BMW SIOOORR
3.10 Abgasanlagen
\9\
Bild
3.159
Klappensysteme in der Schalldämpferanlage BMW SIOOORR
Weitere Baustei ne zur Lösung des Ziel konff iktes zw ischen Geräusch und Motorleistung sind Klappen im Abgassystem. die sowohl die Gasschwingungen gezielt beeinflussen als auch bei höheren Drehzahlen und Gasdurchsätze n zusätzliche bzw, größere Que rschnitte im Abgassyslern freigeben, Bild 3.159. Verbindungen zw ischen den Krüm merrohren wirken sich ebenfalls auf die Schwingungsvorgänge im Abgassystem aus, und es lässt sich damit gezielt der Drehmomentverlaufi n bestimmten Drehzahlbereichen beeinflussen. Waren diese Interferenzroh re bisher stets als feste Rohrleitungen ausgeführt. so finden sich in neuesten Motorkonstr uktionen (BMW SIOOORR) auch Verbindungen, die sich drehzahlabhängig öffnen und verschließen lassen, Bild 3. 160. Dadurch lassen sich unerwünschte und nachteilige Effekte der Interferenzverbin dungen. die zwangsläufig sonst in best immten Drehzahlbereichen auftreten. vermeiden.
192
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive AusfU hrung von Motorrad motoren
Bild 3.160 Abgassystem der BMW SlOOORR
3.10.2 Abgasa nlage n mit Kat alysatoren Bei sich verschärfenden Gesetzesanforderungen zur Luft reinhalt ung werden Abgasreinigungssysteme auch bei Motorrädern zuk ünftig zur Serienausstattung gehören und nach heutigem Stand wird sich der geregelte Drei-Wege- Katalysator durchsetzen. Der Katalysator ist im vorderen Teil des Schalldämpfers oder in einem separaten Vorschalldämpfer angeordnet . In der geregelten Ausfüh rung bildet er mit der Lambdasonde und der übrigen Abgasa nlage eine Funktionseinheit, Rild 3.161. Ein Abgaskatalys ator selber ist üblicherweise als rohrförmiger Körp er ausgebildet, der vom Abgas durchströmt wird. Zur Oberflächenvergrößeru ng weist der Katalysator im Inneren eine Wabenstruktur auf, Bild 3.162. Die Waben oder Zellen tragen eine dünne Beschichtung aus Edelmetallen (Mischung aus Platin. Palladium und Rhodi um), die als aktivierende Substanzen die chemischen Umwandlungsprozesse im Abgas bew irken. Das Edelmetall wirkt dabei als Reakrionsheschleuniger; nimmt also an den Umwandlungsprozessen nicht teil und ..verbraucht" sich auch nicht. Im Betrieb muss der Katalysator eine Mindesttemperat ur von rund 250 "C erreichen, erst da nn kommen die chemischen Reaktionen in Gang. Die Zeitspanne zur Aufheizung und bis z um Beginn der Umwandlung wird als Anspringzeit und die entsprechende Temperatur als Anspring temp eratur bezeichnet. Abgebildet ist ein Metallträ gerkatalysator. Er besteht aus einem Trägerblech aus Edelstahl mit einer aufgebrachten gewellten Edelstahlfolie in einer Wandstärke von 0.05 mm. Dieses Blech ist in einer speziellen Technik spiralförmig aufgewickelt. so dass ein ru nder Monolith mit gleichmäßig über den Querschnitt verteilten rohrförmigen Kanälen (Zellen) entsteht, an deren innerer Oberfläche das Edelmetall aufgebracht ist. Lieferbar sind Metallträgerkat alysatoren mit unterschiedlichen Zellendichten. dargestellt ist ein Träger mit 400 Zellen/inch-. Aufgrund der geringen Wandstärke der Zellen haben sie einen niedrigen Strömungsw iderstand, und die Verwendung von Edelstahl gewährleistet eine hohe mechanische und thermi sche Stabilität. Nach derzei tigem Entw icklungsstand erfüllen einzig derartige Metallträgerkatalysatoren die hohen Belastungen im Motorrad, nachteilig ist ihr relativ hoher Preis.
3.10 Abgasanlagen
193 . ~
un ge regelter Katal ysator im Endschalldäm pfer
Krümme reingang
...
Katalysatoren Bild 3.161 Abgasan lagen m it integr iertem Katalysator
~
Lambda-Sonde
SM-Technik 400 Zellen/inch-
Bild 3.162 Abgaskataly sator für Motorr äder ( Mctallträgcrkatalysator)
194
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konst ru ktive AusfUhrung vo n Moto rradmotoren
Wegen der zu meist sportlichen Ausric htu ng von Moto rräde rn spielt da s Leistu ngsverhalten de r Moto ren immer noch eine dominante Rolle. so dass die gru ndsätzlichen Anforde rungen bei de r Auslegu ng von Abgasan lage n mit Kata lysatoren fü r Moto rräder lauten: - keine spürbare n Drehmoment- und Leistu ngseinbußen - keine Beeinträchtigung des dyn amische n Motorverh altens - keine Fah rfehler - Kra ftsto ff mehrverbrauch < 2% - attraktiver Auspu ffk lang Letzter Punkt ist des halb wichtig, weil d ie schon heute hohe Zah l an (z.T. nicht lega len) Schalldämpferumrüstungen zeig t, das s Motorradfahrer hier eine besondere Sensibilität entwickeln. Die Haltbarkeitsan forderu ngen orientie ren sich an de r du rchschnittlic hen Jahreslaufle istung von Motorrädern. Eine Mindesthaltba rkeit von 50.000 km im verschärfen Dauertestbetrieb sollte gewährlei stet sein, das ent spric ht einer dur chsch nitt lichen Leben sdaue r fü r den Katalysator von 80.000 - 100.000 km im Kundenbetrieb und übe rtrifft dami t tendenziell die Leben sdaue r konventione ller Schalld äm pferanlagen. Die allgemeinen Randbedingunge n. denen de r Kata lysator im Motorrad unterworfen ist. zeigt Bild 3.163 . Aus der hohen spezifischen Leistun g de r Motore n un d dem hohen Drehza hlniveau bere its im Normalbetrieb ergibt sich eine hohe thermische Belastung. Zur hohen mechanischen Beanspru chung trägt bei, dass d ie Vibrationsentkoppelung de r Scha lldä mpferan lage durch eine weiche, elastische Gummilage rung wie beim Auto mobil nicht möglich ist (Platzbedarf Schwingwege, z.T. Motor mitt ragend). Eine g ünsti ge Posuionierung des Kata lysator in de r Scha lldämpfera nlage ist eingesch rän kt, weil bei de r Anordnun g de r Schalldämpferan lage am Fahrzeug Kriterien wie ausreichende Schrägjage. Abstände zur Verkleidung, Platzbeda rf fü r die Fußra ste nanl age u nd den Hauptständer sowie Stylinggesichtspunkte berü cksichti gt werden müssen . Eine Übers icht der z.T. wide rsprüchlic hen Funktio nsa nforderungen und der sich ergebenden Zielko nflikte bei der Katal ysatorauswa hl zeig t Tabelle 3.8 . Einbau im Sichtbereich
Hohe mechanische und thermische Belastung
Eingeschränkter Bauraum
Nässe- und Schm utzbeaufschlagung der Lambdasonde
Bild 3. 163 Randbed ingung en für den Katalysator im Motorrad
3.10 Abgasanlagen
195
Tabell e 3. M Funk t ionsa nforde run gen und Zicl ko nflikt e beim Katal ysato rein sat z Krill'rlum
Etn zctrorucrun g
Löseng
Proble m I Konflikt
Motorlcist un;::
keine Leist ungs- und Drehmo mentein-
g roßer Katalysato rq uerschnür
Ba uraum
bußcn
Sty li ng Anspring verhalten
Ab;::ase m issio nen
hohe Konverticrung im Kat alysator
schnelles Anspr ingverhalten
hohe Ze llendic hte
Abgasgegendruck. Leist ung
gleichmäßige A nströmu ng des Katal ysators
Bau raum
ho he Edchuctalldichtc
Prei s
mot ornah e Position
Über hitzu ng, Krümmerlänge, Ba uraum
kleine Wärmekapa zität
Überhitzu ng, Leerlaufkonvcrtic rung
niedrige Wärmeleufähigkeit. klein es Kataly sato rvolume n
Über hitz ung
motor nahe Position
K r ümme rlänge.
Bau raum.Üb erhitzung g ute Regeleigenschatte n
motorn ahe Lambdasonde
Abgask rü m mcrz usam rnenführu ng
optim ierte Regel fu nktio n Dauerha llbar keit
Kosten
akzeptabler Preis fü r Je n Kunden
niedrige
Konvcrricrung
hochwertiges Material. a ufwändige Fert igung
Kosten
ger inge Edelmet alldichte
Konverti eru ng
preiswer ter Träger
Haltb arkeit
Karafysarortcmpcrature n
Ohne auf alle Punk te detaillie rt einzugehen, seien a n dieser Stelle die Kriterien Motorleistung und Abgasgesamtemission hera usgegriffen, um die Zielkonflikte bei der Auswahl geeigneter Katalysatoren näher zu erläutern: Aus Leistungs- und Drehmomentgründen ist ein Katalysator mit möglichst großem Querschnitt wegen der geringeren Drosselverluste wünschenswert. Dieser hat aber den Nachteil des großen Platzbedarfs (Bauraum), und ein groß dimensionierter Katalysator erwärmt sich im leerlaufnahen Bereich wegen des kleinen Gasdurchsatzes auch nur langsam. Sein Anspringverhalten ist damit ungünstig, und das bedeutet länger dauernde hohe Schadstoffemi ssionen während der Warmlaufphase. Ein ansprechendes Styling einer Auspuffanlage mit einem großvolumigen Kata lysator ist ebenfalls nicht einfach darzustellen. Bei den Emissionen sind die Zielkonflikte noch ausgeprägter. So führt die motornahe Kata lysator position u.a . durch Verkürzung der Anspringzeit (schnellere Erwärmu ng) z u den wü nschenswerten niedri gen Schadstoffwerten. Es ergeben sich dadurch aber bei Volllast Überh itzungsprobleme fü r den Katalysator mit der Gefahr von Dauerschäden und negativen Auswir-
196
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konst ru ktive Aus flihru ng von Motorradmotoren
ku ngen auf d ie Leistu ngsabgabe des Motors. Denn dur ch die erforderlic he Zusa mmenführ ung der Abgask rü mmerrohre vor dem Kata lysator ergeben sich meist kurze Krü mmerläng en, die nachteiligen Einfluss auf die Gasdyn am ik (vgl. Kap . 4 ) und den Drehmomentverlauf haben können (ung leichmäßig, niedri ges Drehm oment im untere n Drehzahlb ereic h). Som it muss in u mfangreichen Versuchsreihen der g ünstigste Kompromiss zwische n Leistu ngsverhalten, Schadstoffemission u nd Dauer haltbarkeit des Kata lysators ermittelt werden. Es ist für jedes Motorrad eine aufwä nd ige ind ividue lle Entwic klung notwendig, woraus sich erg ibt, da ss u niversell verwendbare Nach rüstkatalysatore n. wie sie im Handel angebote n werden, den An forde rungen kau m gerecht werden könne n. Auf d ie Fu nktion de r Lambdasonde u nd de r Regelung sowie der Mechanismen bei der Umwa ndlung de r Schadstoffe wird an d ieser Stelle nicht eingegangen, sondern au f d ie Literatur [3.19] verw iesen.
3.11 Elekt r ische Systeme - Energ ieversorg ung, Elekt ronik und Bordn etz Klassisch gehören die elek trischen Systeme mit ihren Komponenten zu m Antrieb. Der Gene rator (die ..Lichtmaschine") wird vom Motor angetrieben , de r Anlasser wirkt auf die Kurbel welle und der Motor selbst benötigt elektri sche Hilfsenergie für die Einspritz ung und die Zü ndu ng. Mit der Einfüh rung und Verbreitung komplexer elektronischer Steuerungen verändert sich allerd ings zu nehmend de r Stellenwert der elek trische n Systeme . Waren sie fr üher hauptsächlich ..Nebenagg regate", so bestim men die modernen elekt ronischen Steueru ngs- u nd Regelu ngssysteme des Motors (dig itale Motorelektronik) heute tief greifend wese ntliche Motoreigen schaften. Auch im Fahrwerksbereich hat die Elektronik nachgezogen; erstes Beispiel war 1988 das ABS, das ohne zuverlässige Elektronik ga r nicht möglich wäre. We itere Systeme wie elektro nisch veränderliche Dämpfung u nd Antriebsschlupfregelung (siehe Kapitel 8.3.4 und Kapitel 11) wurde n seit Mitte des ers ten Jahrzehnts der 2000er Jah re in die Serie bei Motor rädern eingefüh rt. Derzeit finden sich die meisten elekt rischen und elektronischen Syste me mitsamt ihren Sensoren noch auf der Motorseite. daher e rfolgte die Einordnung dieses neu aufgenommenen Abschnitts in das Kapitel ..Motor un d Antrieb". Doch d ie Koppelung, Vernetzu ng und teilweise Versc hmelzu ng der elektronischen Regelungssysteme von Antrieb und Fahrwerk, wie es heute bereits bei der Antriebsschlupfregelung der Fall ist, schreitet fort. Komforta usstatt ungen und Unterhaltungselektronik (Ra d io, M P3-Player, Navigationssyste me) neh men besonde rs bei Tou renmoto rrädern einen immer größ eren Stellenwert ein. Parallel mit den elektronische n Kompon enten wurden Diag nosesys teme für die Werk stätten erheblich ausgebaut. Dadurch wird die Feh lersuche vereinfacht, zug leich aber sind nu n viele Wartu ngsumfänge ohne spezialisierte Tester kaum noch mög lich. Zukünftig wi rd dem T hema Elektr ik und Elektro nik daher mög licherweise ein eigenständ iges Kapitel in d iesem Buch gewidmet werden müssen.
3,11 .1 Elekt r ische Energ ieverso rg ung Die elektr ische Energ ie wird bei modernen Motorradmotoren fast ausschließlich mittels Drehstro m-Ge neratoren erzeugt und in Bleibatter ien gespeichert. Der früher übliche Bleiakk u mit flüssiger Schwefelsä ure als Elektrolyt wird z unehmend dur ch wartungsfreie Batt erien abgelöst, in denen die Säure als erstarrtes Gel (Zusatz von Kieselsäure zur Schwefelsäure) enthalten ist, beziehungsweise von einem spez iellen M ikroglasfaser-Vlies aufgesaugt wird. Damit sind diese
3.11 Elektrische Systeme - Energieverso rgung. Elektronik und Bordnetz
197
ßild 3.164 Generatoranord nung auf der Kurbelwelle (YAMAHA RI)
Batter ien auch bei äußerer Beschädig ung auslau fsicher. Die Batteriekapa zitäten liegen meist zw ischen 7 Ah und 19 Ah. Die Bordspannung beträgt bei allen heutigen Serienmotorr ädern. die für die Straße zugelassen sind, 12 V. Bei den meisten Motorkonstruktionen sitzt de r Generator direkt auf de r Kurbelwelle, Hild 3,164. Üblich sind bei Straßenmotorrädern Generatorl eistungen zw ischen 300 und 720 W. Den größte n Strom- und dam it Leistungsbedarf haben die Motorsteuer ung (Kraftstoffpumpe und Zündung), die Bremsenr egelung (ABS) und die Beleuchtung. Nötig sind die hohe n Ge neratorleistung en aber auch, um Reser ven für elektrische Komfortausstatt ungen (heizbar e Handgr iffe, Radio) zu haben. Endure-Motorräder begnügen sich aufgrund ihrer geringeren Ausstartung mit Generatorleistungen von unter 200 W. Bild 3.165 zeigt ein Beispiel fü r die Vernetzung von Gene rator, Batterie und de n Haupt-Verbrauche rn.
ß ild 3.165 Elektrisches System mit Ver brauchern. Batterie und Generator (BMW R 1200 GS)
198
3 A rbeitsw eise, Bauformen und konst ru ktive Aus fU hru ng von Moto rradmotoren
3. 11.2 Bordnetz Bordnetze für Motorräder waren bis vor wen ige n Jahren aussch ließl ich konventionell aufgebaut . Zu j ede m ei nzel nen Verbra ucher füh rten separate Kupferk abel , durch die sowoh l die Signale als auch d ie notwendige Energie geleite t w urde n. Alle Kom ponent en , d ie mit ei nander arb eiteten, ware n auch unmittelbar über Leit ungen verbunden. Auch Se nso re n, deren Sig nale an u nterschied lichen Stel len benöt igt w urd en, wa ren einzel n mit den jeweiligen Bauteilen verkabelt. Mit Zuna hme der Funktionsviel falt der elektrischen Syste me und mit imme r mehr Steueru ngsaufgabe n, für die wiederu m eine steige nde A nzah l von Sensoren benöt igt w urd e, stieg der Verkabelungsaufwand enorm an. Das bedeutete höhere Kosten und eine Zunahm e des Gewichts des Kabelbaum s. Die natürlicherweise begrenzte A nza hl der Pins bei Stec kve rbindungen w urd e ebenso ein Problem, wie auch das höhere Stör- und Fehl erpotenzia l (Stec kverbindungen. Leit ungsbesch ädig ungen) mit Zunahme der Funktionen. Ein e Lösun g bot sich durch eine vollkomme n neue Bordnet z-Arch itektu r an un ter Nutzu ng mod erner CAN-Bus-Syste me [3.20 ] (Co ntroller A rea Networ k), wie sie beim Pkw scho n länger Ver wendu ng finden. Pion iere bei der Etabli er ung dera rtiger Bordnet ze im Motor rad sektor wa ren die Firmen D UCATI und BM W Motorrad, d ie diese in den 2000er Ja h ren in die Se rie e inführte n. Das G rundprin zip ei nes solchen CAN- Bus-Syste ms ist denkbar ein fach: Alle elektrischen und elektronischen Kom ponenten (Stationen) sind u nterein ander linear mit einer sogenannten Busleitung verbunden u nd damit verne tz t, Bild 3,166. Der Datentransfer im Netz erfolgt dig ital. Bei den als "Stationen" bezeichneten Komponenten kann es sich um Verbrau cher , Ste uergeräte. Stellglieder (Ak tuat oren) ode r u m Se nso re n hand eln. Der Name .Bus-System" rührt daher, dass d ie Sta tionen wie d ie Ha ltestellen einer Buslinie angesch lossen sind.
Bild 3,166 Prinzip der linearen Busstru ktur beim CAN-Bus [3.21]
Sowohl d ie elektrische Energ ie als auch alle Signale u nd Informa tionen fließen durch diese gemeinsame Busleitu ng und ste hen prinz ipiell für alle angesc hlossenen Stationen zu r Verfügu ng. Das hat unter andere m den Vorteil, da ss Se nsore n für Sig nale, die an verschie de nen Stellen u nd mehrfach benötigt werden, wie beispielsweise d ie Raddrehza hl/G eschwind igkeit (Motorsteu erung, A nzeigeinstru mente, A BS), nu r einmal angeschlossen werden müss en. Eine Mehrfachverkabelung mit separater Leitungsführun g zu mehre ren Stel len entfa llt da mit. Das minimiert nicht nu r den Kabel aufwand , es reduz iert auch d ie Stö ranfälligkeit. weil Stec kve rbin dun gen entfallen kön nen . Bei der CAN-Bus- Date nübertragu ng werden keine Empfänger adress iert, sondern den Sig nalen/ Nachrichte n sind Identifikationsmerkmale zugeordnet (so genannte Identifier), die In halte als auch Prior ität eindeut ig kenn zeichn en . Damit sind Signalkollisionen au sgeschlossen . Die Verbraucher, A nzeigei nst rum ente oder Ste uergerä te erkennen daran " ihre" Sig nale und "e ntn ehmen" jeweils nur d iej en igen Informationen aus dem Bus. die sie auch benötigen; alle anderen bleiben unbeac htet. Damit hab en d ie Komponen ten im Sys-
3.11 Elekt rische Systeme - Energieverso rgung. Elekt ronik un d Bordnetz
199
tem ihre eigene dezentrale Zugr iffskontrol le auf die Info rmationen. Ein Ausfall eines Gerätes hat also ledi glich lokale Auswirku ngen, die Funktionsfäh igkeit des Ge sa mtsystem s wird nicht beeinflusst. Aufgrund de r Priorisierung ist gewährleistet, dass wichtige und sicherheits relevane Signale zuerst weite rgeleitet werden (zu m Beispiel d ie Radd rehzah linformation für das A BS). Wo notwe ndig (ABS) erfolgt die Datenübertragun g in Echtze it. Alle an den Bus angesch lossenen Komp onent en kön nen - soweit sie d afü r eingerichtet sind - sowohl Signa le/Nachrichten empfange n als auch senden. Damit werden ein Date naustau sch und eine Komm unikat ion a ller Steuerge räte und sonstiger Komp onenten unterein a nder mögli ch, ohne d ass es ei ner übergeordneten " Steuerzentrale" beda rf. Da im CA N-Bus-System nur ein ei nzelne r Signa lpfad verwe ndet wird (nämlich d ie Busleitu ng ) wurde der irr efü hrende Begriff usingle-wire-system" geprägt. Das legt nah e, dass es nur noch eines einzigen Kabels beda rf, was natürlich Unsi nn ist. Physisch werden nat ürlich schon meh rere Leitu ngen verwendet, abe r insge samt ist de r Kabe laufwand gegenüber herk ömmlichen Bordn etzen erhe blich kleiner. Herkömmliche Schmelzs icherungen fü r Verbraucher sind im CAN-Bus-Bord netz nicht mehr nötig. Wenn eine Überlast erk annt wird, schaltet die Elektronik den bet reffenden Verbraucher einfach ab. Beim nächste n Sta rt, steht die entsprechende Kom ponent e dan n wieder zu r v erf ügung, falls d ie Störung nicht mehr existent ist. Andern falls bleibt sie abgeschaltet. Ein weiterer Vortei l des CAN -Bus-System s ist d ie ei nfache re Nac hr üstung und Integration entsprechend vorbereiteter Zusatzkomponenten in das System. Werd en für elektronische Zusatzgeräte beispiel sweise me hrere Signale ben ötigt, so genüg t der "einfache" Ansch luss an das Bussystem , es müssen kein e separaten Kabel zu Sensoren me hr eingezoge n werden. Allerdings müssen diese Kompo nenten im Bus angem eldet werden, wozu es spezieller Geräte und Softwa re beda rf, über die in der Regel nur d ie Fachwerkstatt verfügt. Die Diagn osemöglichkeiten werden durch das Bussystem erheblich erwe ite rt, weil alle Signale in der Busleitung zu r Verfügung stehen und geprüft werden können. Zudem ist ein zentraler Diag nosezugr iff auf alle Steuerge räte, Verbraucher und Sensoren möglich.
200
4 Motorleistungsab stimmung im Versuch Durch die konstruktive Ausführung der Motorbauteile werden die grundlegenden Voraussetzungen fü r eine hohe Leistun gsausbeute des Motors geschaffen. Die eigentliche Leistu ngsabstimmung, d.h . die Festlegung des Drehmomentenverlaufs über der Motordrehzah l, erfolgt in Ver suchsreihen mit dem Motor auf dem Prüfstand. Wie einleitend im Kapitel 3 dargestellt, ist das Ziel d ieser Abstimmung d ie Erreichung eines möglichst hohen Luftliefergrad es über einen weilen Drehzahlbereich des Motors. Die Einflussfaktoren, die im Motor versuch daz u untersucht werden, sind die Steuerzeit zusammen mit der Ventilerhebung. die Sauganlage und die Abgasanlage. Voraussetzung zum Verständnis dieser Abstimmungsarbeiten ist die grundlegende Kenntnis der gasdynamischen Vorgänge beim Ladungswechsel. die nachfolgend in einem knappen Abriss zusammengefasst sind.
4.1 Grund lagen der Gasdy na mik beim Ladungswechsel Der Ansaugvorgang für das Frischgas und das Ausschieben des Abgases wird beim selbstansaugenden Motor durch die Kolbenbewegung angeregt. In erster Näherung folgen die Gassäulen dieser Kolbenbewegung, d.h. Artsaug- und Ausschubvorgang können stark vereinfacht zunächst als reine Volumenverschiebungen (wie bei einer Flüssigkeit) aufgefasst werden. Für alle schnelllaufenden Motoren, und ganz besonders für hochdrehende Motorradmotoren. reicht diese einfache Modellvorstellung aber nicht aus. Denn in Wirklichkeit sind Frisch- und Abgas kompressibel, und diese Kompressibilität kann bei den schnell ablaufenden Ladungswechselvorgängen hochdrehender Motoren (bei 6000 Ulmin daue rt der Ansaugvorgang nur rund 0,015 s) nicht vernachlässigt werden. Die Kolbenbewegung und das rasche Öffnen bzw. Schließen der Ventile lösen Überdruck- bz w. Unterdruck wellen in den Saug- und Abgasleitungen aus. Diese laufen mit Schallgeschwindigkeit von den Ventilen weg durch die Leitungen und fü hren zu örtlichen und zeitlichen Dichteänderungen im Gas. An den jeweiligen Rohrenden oder anderweitigen sogenannten Unstetig keitsstellen (Rohrerweiter ungen, Rohreinschnürungen etc.) werden die Wellen reflektiert und laufen in den Rohren zum Zylinder z urück. Dabei stellt sich folgender, grundsätzlicher Mechan ismus für die Reflexion ein: Am offenen Rohrende wird die Welle mit umgeke hrtem Vorzeichen reflektiert. Eine Druckwelle läuft als Unterd ruckwelle im Rohr zurück und umgekehrt. Am geschlossenen Rohrende wird die Welle mit gleichem Vorzeichen reflektiert. Eine Druckwelle läuft als Druckwelle im Rohr zurück, eine Unterdruckwelle als Unterdruckwelle. Aufgrund der Schallgeschwindigkeit, die ein Mehrfaches der Transportgeschwindigkeit des Gases beträgt, können die Wellen während des Ladungswechselvorga ngs das Saug- bzw. Abgassystem mehrmals durchlaufen. Bild 4,1 zeigt beispielhaft einen Druckverlauf wie er sich am Einlassventil aufgrund der Wellenausbreitung im Saugrohr einste llt. Zunächst erzeugt die Sogwirkung des abwärtsgehenden Kolbens bei Ventilöffnung (E.ö.) einen Unterd ruck am Ventil, der sich in Richtung auf das (luftfilterse itige) Rührende im Saugrohr fortpflanzt (Unterdruckwelle). An diesem Saugrohrende wird die Unterdruckwelle reflektiert
4.1 G rundlage n der Ga sdy namik be im Ladu ngswechsel
=
1,25
.:l
*
~
1,00
~ J;;
201
r-;:~::::':-1r[~~~~~~ = = E.ö . E.s.
MeS50rt Einla;;svenlil
EinBss öffnet Einlass schließt
f-\-- -Pt+--,A,-t-I-fJJ-- + + -,Y
ur E
•
.>t
~
o
O,75 1----+--~t+';--+t_+:_-_j _ _
Drudo; der refleklierteo We lle ~
Druek der vorJl Kob en angeregten Saugwelle
180
,,
s.e.
E.
,I I
OT
UT 540
Bild4.1 G rund sätzl icher Wc1 lcnverlauf im Saugroh r
I
720
(offenes Rohrende) und läuft da nach als Überdruekwelle zurück z um Einlassve nti l. Ein Einströmen von Frischgas in den Zylinder ka nn nur be i einem Druckgefa lle zw ischen Saugrohr (höherer Dru ck) und Zylinder (niedrigerer Druck) statt finden. In diesem Sinne unterstützt d ie an komm ende Überdruck welle den Einströmvorgang. Der analoge. nur umgekeh rte Prozess findet bei m Auslass vorgang statt . Hier induziert der Zylinderüberdruck bei sich öffnendem Auslassventil ei ne Überdru ckwelle im Abgasrohr. d ie bei entsprechenden Reflexionsbe d ing unge n als Unterdruckwelle zu m Auslassventil zu rückläu ft und mithilft. Abga s aus dem Zylinder zu sauge n. Die Gass trömung bei m Ansaug- und Ausschubvorgang setzt sich damit aus zwei überlage rten Bewegungen z usamme n: - dem rei nen Volumentranport. der der Kolbe nbeweg ung nach folgt und - de r Fort pflan zu ng von Druck- bz w. Unterdruckwellen In der weitere n Betrachtung wird d ie Strömung a ls eindime nsion al angesehen. d.h . es wird nur die Hauptströmungsr ichtun g entlang der Achsen von Saug- und Abgasrohren bet rachtet. Eine vereinfachte Mode llvorstellung de r Überlagerung und der resu ltierenden Strömu ngsvorgä nge gibt Bild 4.2. Im Ze itinte rvall I] bis 14 bewegt sich ein Gasvolumen Vo g leichmä ßig durch das Rohr nach rec hts. Die Ge schwin dig keit des Ga ses im Rohr (Transportgeschwindig keit) betrage 11-'] . Nun wird dem Ga s ein Druck impuls aufgeprägt. Dieser Druckimpuls läuft mit Schallges chwind igkeit durch das Roh r und erre icht das bet rachtete Volumen z um Ze itpunkt t., . Als Folge erfäh rt das Ga s örtlich eine Zusammendrücku ng, wod urch seine Dichte lokal ansteigt. Wäh rend sich das Gasvolumen als Ganzes weiter fortbewegt. durchwander t d ie Druckstöru ng das Volume n mit de r Schallgeschwindigkeit c l ' Zum Zeitpunkt 14 herrscht dadurch an einer anderen Stelle des Rohres im Gas ku rzzeitig der erh öhte Dr uck s.. Die Druckstöru ng dur ch läuft also d as Rohrsystem bzw. das Gas als Welle. unabhängig von der Transportbewegu ng. Wie anfang s schon ausgefü hrt. kann deren Amplitude positive oder negative Werte annehmen . d.h. ei n Überdruck oder auch ein Unte rd ruck sein. In den nach folgenden
202
4 Motorleistungsabstimmung im Versuch zur
1CJ
Einlassseite
•
2[/\
•
\..jJ
Druckimpuls
(z.B, aus reflektierter Unterd ruckweäe )
p-
c,
1
Rohrlänge I
•
Bild 4.2 Modell der überlagerten Gasströmung
Kapiteln wird geze igt, wie sich d iese Wellen z ur Unterstützu ng des Lad ungswechsels und insbesonde re für eine Erhöhung der Frischgasladung im Zylinder und dami t zur Leistu ngssteigerung, ausnutze n lassen. Denn wie schon erwä hnt, bestim men letztlich die Druckverhältn isse zw ischen Zylinder und Saug- bzw. Abgasrohren das Ein- und Ausströmen von Frischgas und Abgas. Zuvor abe r muss noch auf den grundsätzlichen Einfluss de r Steuerzeit (Ventilöffnungsdaue r) eingegange n werden.
4.2 Einfluss der Steuerzeit Die Steuerzeit. genauer gesag t d ie Lage der Öffnungs- und Schließzeitpunkte de r Ventile relativ zur Stellung de r Kurbelwelle, beeinflusst d ie Leistu ngs- und Drehmomentcharakteristik de s Motors in sehr hohem Maße , Den größten Einfluss hat de r Schließzeitp unkt des Einlassventiis (E.s.), die übr igen Öffnungs- und Schließzeitpunkte haben eine geringere Bedeutung für die Leistungscharakteristik. Die Lage des Einlassschlusses hängt von de r Steuerzeit und de r Spreizu ng ab und ka nn du rch Variation d ieser Werte verlegt werden. Die zugrunde liegenden, theoretischen Zusammenhänge wurden im Kap. 3.2.1 bereits erläutert.
4.2 Einfluss der Steuerzeit
203
100
...
I;C-"'
75
30 .,; 2
0> C 0
~
"li0
I
50
, ;;
"
-- -J
25
V\ !" Aug ass I
1
o
o
~o
:~' 1\
Eirta~~l\ 320' 33
Es nu
100
,
-/\' 50 2000
...
I r--
V2~
4000
-~"
3
I
/ sen ern aber
Sch a ldä mpfer
,,(
25 Bi1t1 4 .7 Leistu ngsein fluss des Scha lldäm pfers an einem 1000 cm ' Vierzy lindermotor
o 2000
4000 6000 Drehzahl [U/min]
8000
211
5 Motorent uni ng Das klassische Tuni ng von Motoren hat imm er zwei Verbesserunge n z um Ziel, die Anhebung der nom inellen Leistu ng und die Gewichtserleichterung. insbesondere von bewegten Teilen. Behandelt werd en die Gru nd lagen des Tunings von Viertaktmotoren, ohne jedoch detaillierte handwerk lichen Anleitungen zur Ausführung zu geben. Ziel ist vielmehr, die leistungssteigernden Maßnahmen im Gesamtzusamme nha ng mit all ihr en Vor- und Nachteilen zu erläutern und einen Übe rblick über wi rksame, aber auch über unwirk same bzw. schädliche Tuningma ßnah men zu geben. Zweitaktmotoren müssen von de r Betra chtung weitge hend ausgenomm en werd en, weil sie aufg rund ihres störungsanfäl ligeren Lad ungswechsels in Abhängigkeit von ihrer Baua rt sehr ind ividuell betrachtet werden müssen , was über den Rah men dieses Buches hinausgehen würde . Alle physikali schen und z.T. auch die prakt ischen G ru ndlage n des Tunings wurden bereits in vora ngegangenen Kapitel n des Buches behandelt, so dass bei der Erläuteru ng von Tu ningmaßnahmen darauf zu rückgegriffen wird. Der Leser wird gebet en. aufd ie entsprechenden Hinweise im Text zu achten und gg f. in den entsprechenden Abschn itte n noch einmal nachzu sch lagen. Es ist zu Beg inn sicher nützlich , sich an die Defin ition der Leistung zu eri nnern . Physikalisch ist Leistu ng defini ert als Arbeit pro Zeit. Die Leist ungsabgab e an der rotierenden Ku rbelwelle besch reibt folgende allgem eine Formel: P = Md 'w = Md ' 2 11" ' n
P
(5- 1)
Leistung lkW)
Md
Drehmoment [Nm]
w
Winkelgeschwind igkeit
n
Motordrehz ah l [l/s]
Man erkennt, dass sich rein formelmäßig die Leistu ng durch Drehzahl- und/oder Dreh momentenerhöhung steigern ließe . Die einfache Drehzahle rh öhung. z. B. durch die Entfernung eines evtl. vorhandenen Drehzahlbegrenzers, bringt abe r fü r sich allein in der Realität noch keine Mehrleistung (es sei denn es wurde vom Hersteller eine kün stl iche Leistungsbeschneidung mittel s einer Drehzahlbegrenz ung vorge nomme n). Der G ru nd ist anband von Bild 3.6 un mittelba r ablesbar. Der Luftliefergra d , das d irekte Maß für die real angesa ug te Gemischme nge des Motors, fäl lt jenseits seines Maxi mu ms mit der Drehz ahl sta rk ab (Drosselvorg änge beim Lad ungswechsel. vgl. Kap . 3.1). Dam it sinkt das abgege bene Drehmoment des Motors in stärkerem Maße, als seine Drehza hl ansteigt. Das Produkt aus Dreh zah l und Drehm oment, d ie Leistu ng, nim mt demzufolge n icht zu . sondern ab und es ist sinnlos, den Motor aus Leistungsgrü nden höher zu drehen. Die anges trebte Leistungssteigeru ng mittels Dreh zah lerhöhu ng wird nur dann erreicht. wenn
gleichzeitig de r Lufttie fergr ad verbessert, d.h . de r Lad ungswechsel des Motors opti miert wird (wäre es anders, würden d ie Hersteller d ie Motoren von sich aus höher drehen lassen t). Vollkommen nutz los ist auch die alleinige Anfeu ung des Ge misches. z .B. durch d ie Verwend ung größerer Vergaserhauptdü sen, auc h dies eine Tuningmet hode. die un sinnigerweise manchmal im mer noch propa gier t wird . Denn der überschü ssige Kraft stoff kan n. wenn nicht gleichzeit ig meh r Luft angesaugt wird, gar nicht verbra nnt werden u nd damit auc h keine Mehrlei stung
212
5 Motorentun ing
erzeugen. Einzig und allein die Vergrößerung der angesGugten Gemischma sse brin gt also die gewünschte Mehrleistung des Motors und ist da mit das eigentliche Ziel des Motorentunings. Ein weitere s Ziel ist dan eben natürlich d ie Minimier ung der innermotoris chen Verluste, also im Wesentlichen d ie Minimierung der Motorreibung. Eine Erhöhung der angesaugte n Gemischma sse ka nn ganz simpel dur ch Hubraumvergrößerung erreicht werden, eine relativ koste ngün stige Maßn ahme. derer sich auch Hersteller im Zuge von Modellpflegemaßnahme n manchmal bedienen. Man kan n davon ausgehen , dass eine Hubraumvergrößerung sich etwa proportional in Leistun g um setzen lässt, d.h. 10 % mehr Hubraum bringen ru nd 8-10 % Meh rleistun g. Fü r den Privatt uner kommt aber fast nu r die Verg rößeru ng der Zylinderbohrung in Betracht. Wenn d ie Wandstärke der Zylinder g roß genug ist, kan n die Bohru ng durch Ausdre hen um \-2 mm im Durchmesser vergrößert werde n, da s ergibt bei den üblichen Bohrungsma ßen zwischen 2 % un d 5 % mehr Hubraum . In g ünstigen Fällen erzielt man da du rch sogar eine n überproportionalen Leistungsgewin n. nämlich dan n, wenn dur ch die Bohru ngsverg rößerung sich d ie Einströmve rhältnisse am Einlassventil verbe ssern (größerer Abstand der Ventile von der Zylinder wand) . In derar tigen Fällen (was man natürlich in de r Regel vorher nicht weiß) lohnt sich diese Maßn ahme. Ein Risiko besteht be i de r Bohrungsverg röße rung da rin, da ss aufgrund de r verr ingerten Wandstärke die Zyli nderverformungen zunehmen (vgl. Kap. 3.6.2 und Bild 3.100) und es be i nicht entsprechend angepasster Kolbenk ont ur und abgestimmtem Laufspiel zu Kolben fressern komme n kan n. Auch ken nt man in de r Regel nicht die Belastu ngsgrenzen der im Zubehörhandel angebotenen Übermaßkolben u nd de r Kolbenher steller übe rn immt höchstens eine Garantie für Material- und Fertig ungsfehler, nicht abe r für d ie Leben sdauer seiner Tuningkolben . Eine Hubrau mverg rößerung durch größe ren Kolbenh ub ist ung leich schwerer z u verwirklichen, weil man dazu eine neue Kurbelwelle braucht. Nicht nur, dass eine solche Welle durc h die gerin gere Überdeck ung (Ka p. 3.4.1 und Bild 3.45) weniger steif wird, oft ist auch für eine derar tige Welle nicht genug Platz im Kurbelgehäuse (größerer Umlaufk reis für d ie Welle und g rößere Auslenkung de s Pleuels). Hat man die Mögli chke it, ein u nbea rbeitetes Kurbel wellenrohteil zu bekommen, kann man d araus U.U. eine Welle mit g rößerem Hub herstellen, indem man innerha lb des Aufmaßes des Rohte ils die Exze ntr izität de r Welle vergr ößert und diese entsprechend be arbe itet. Beachtet werden muss bei der Hubvergrößerung imm er d ie geänderte Position des Kolbens im OT und UT, unter Umständen ragt näm lich de r Kolben über die Zylinderlaufb ah n hinaus. Durch neue, kürzere Pleuel kann man den Überstand im OT ausgleichen, falls d ie Laufb ahn am Zylinder fuß genügend lang ist. Eine verringerte Kompression shöhe der Kolben (vgl. Bild 3.51) bietet einen weiteren Ausweg, allerdings ist diese bei modernen Hochleistu ngsmotoren normaler weise schon bis an die Gren zen minim iert. Man sieht an diesen wenigen Aspe kten, welch einen große n Änderungsumfang am Motor eine einzelne Tuningmaßnahme bewirken ka nn. Dies war früher, als die Motoren konstruktiv weniger ausgereizt ware n, nicht der Fall, weshalb Tu ning wesentlich lohnender (und billiger!) als heute wa r. Deutlich weniger Aufwand hin sichtlich de r Bau/eile bedeu tet es, wenn man den Ladungswechsel des Motors verbessern will. Denn och ist es auch hier heutz utage sehr schwer, noch erfolgreicher, d.h. besser als de r Hersteller z u sein. Eine Chance besteht nu r, wenn der Hersteller be im Serienmotor aus produkti on stechnischen oder wirtschaftlichen Grü nden Kompromisse be i der Ladungswechselausleg ung eingehen musste. Der bauteilmäßig einfachste Weg ist, neue
5 Motorentu ning
213
Noc kenwellen mit geänderter C ha rakte ristik und ande ren Steuerzeite n in de n Moto r ein zubauen . Denn wie in den Kapitel n 3.2 und 4.2 geze igt wu rde, ist die gesamte Nockenwelle nauslegu ng (Hub, Steuerzeit und Besc hleunigungs verlauf) beim Serien motor ein Kompromiss aus ausgeg lichener Dreh mome ntencharakteristik u nd Höchstle istung. Will man ko mprom isslos eine ma xim ale Leistu ng erzielen, wo mög lich noch bei höherer Drehzahl als be im Ser ienmotor, und verzichtet auf einen orde ntlichen Dreh mome ntenver lauf bei n iedr igen Drehzahl en (z. B. für den Rennbetrieb), lässt sich durch Veränderu ngen der Nockenwellengeometrie eine z.T. erhebliche Leistu ngssteigerung erre iche n. Die g ru ndsätzliche n Kr iterien für derartige Nocke nwellen (ho he Ventilbeschleunig u ng. la nge Steuerzeit. großer Ventilhu b. g roße Übersc hneidung) k önnen in den angege benen Kapitel n detailli ert nachgelesen werden. Bei der Ausw ahl gee igneter Nocke nwellen ist man allerdings aufdas Angebot des Zubehörmark tes a ngew iesen. Eine eige ne Auslegu ng der Nockengeo metr ie oder womög lich die Selbsta nfert igung von Noc ken (bz w, das Umsc hleifen vorhandener Nocken) ist Spez ialiste n vorbehalten und fü r den Privatt une r heute praktisch nicht me hr sinnvoll m öglich.' Die Güte der angebotenen Noc kenwellen ka nn man anhand der angegebenen Daten nicht beu rtei len (d ie Steuerzeit und der Hub allein sind kein Beurteilungs- ode r Gütek riteriu m. sondern ledig lich vage Indizien für d ie Nockenauslegung). Entweder ma n weiß aus den Erfahrunge n und de n Versuchen andere r, welche Mehrleistung d ie ents prechende Nockenwelle bringt, ode r man ist auf eigene Versuche angewiesen . Aussagefähige Versuche z ur Motorabstim mung mit geä nderten Noc kenwellen bz w, zur Motorleistung lassen sich kaum mit Mess fah rten auf der St raße (Höchstgeschwindigkeitsmessunge n etc.) durchführen. Die Versuchsbedingu ngen (W ind, Temperatur, Luftdruck, Luftfeuc htigkeit, Fahrerhaltung. Öl- und Wassertemperatu r des Motors etc.] kann ma n selbst auf abgesperrten Rennst recke n kaum so konsta nt halten, dass verg leichba re Resultate erzielt werden. Für d ie Durch füh rung derartige r Versuche be nötigt ma n zw ingend einen Moto rp r üfsta nd. e rsatzweise zumindest einen gut en Rollenpr üfsta nd. Allein der Tausch von Nockenwellen führ t ohne h in nicht automatisch z u höherer Leistung. Den geänderten Steuerzeiten müssen zume ist die Saugrohrlä ngen a ngepasst werde n (Kap. 4.1-4.3) und ggf. auch noch die Abgasa nlage . Wir d da nn tatsächlich in besti mmten Drehzahlbereichen der Luftliefergr ad erhöht , muss noch das Gemisch an den größeren Luftdurchsatz ange passt werden (feu ere Vergase rabst imm ung, größere Hauptdüsen) und gg f. auc h d ie Zündeinstellung korrig iert werde n. Man erkennt aus dieser Aufzäh lungdengesamthaften Aufwand, der auch mit dem Tuning über einen Nocke nwellenaustausch verbun den ist. M it dem ein fache n Auswechseln eines Bauteils ist es, auch wen n manc he Tuninganleitung ode r manc her Nockenwel lenanbiete r es ande rs vers pricht, allei n nicht geta n. Erfolg versprechend sind erprobte Tun ingkits, d ie nebe n de n geänderten Nocke nwellen auch de tai llie rte An leit unge n z u Saugroh r-, Vergase r- und Zündungsa npass unge n entha lten . Derartige Kits we rden teilweise sogar von einigen Motorrad herstellern für Renneins ätze spezielle r Modelle angebote n. Hingew iese n werden soll an dieser Stelle auf weitergehende Konsequenze n eine r geä nde rte n Nockengeometrie. In aller Regel müssen beim Einsatz anderer Nockenwellen die Ve ntilfedern ebe nfalls ersetzt werden, auc h hier ist eine an d ie Nocke n angepasste Neuauslegu ng notwend ig. Du rch eine höhere Ventilbesch leu nigu ng ste igt die mech anische Bela stu ng im Ventiltrieb u.U. In dem intere ssante n Buc h von Ludwig Apfelheck [5.1] werden Näherungsmethod en zur Noc ke nauslegung auf zeichnerischer Basis und so gar ei ne Baua nle itung für eine Vorrichtung zum Schleifen von Nocken beschriebe n. Doch genügt eine de ra rtige Auslegung und d ie Genauigkeit des Fertigungsverfahrens heutzuta ge bei weitem nicht mehr den Anforderungen. die hochdrehende MOlo ren an die Güte des Nocken profils stellen.
214
5 Motorent un ing
erheblich an . Die Flächenpressu ngen zwischen Nocke und Betätigungselement (Tasse nstö ßel oder Hebel ) steig en, was zu erhöhtem Verschleiß oder gar zum frühzeitige n Ausfall dieser Bauteile führen kann , wenn Werkstoffg renzen überschritten werden. Die höheren Kräfte im Ventiltrieb könne n bei ma ngelh after Steifigkeit des Ventiltriebs auch zu elastischen Bauteilverformu ngen im Ventiltrieb führen , so dass das Ventil nicht meh r der vorgegeb enen Nockenform folgt (u.U. war die beg renzte Ventiltriebssteifigkeit auch der Grund für d ie .Jeistu ngsärmere'' Serienausleg ung des Herstellers), Die erhoffte Mehrleistung ode r d ie Möglichke it, höhe r zu d rehe n. stellt sich in d iesen Fällen da nn nicht ein. Im ung ünstigsten Fall kommt es nach mehreren Tausend Kilomet ern zum Bruch von Ventiltri ebsbauteilen und damit zu m Mororscbaden . Auch dies sind Grü nde. beim Austausch de r Nockenwellen nu r auf bewä hrte Bauteile. mit denen fundierte Erfa hr ungen vorliegen. zurückzugreifen. Kommen wir zur letzten Maßnahme de r Liefergraderhöhung, der Entd rosselung de r Ansaugund Abgaswege. Man ka nn davon ausgehen . da ss bei einem modernen Motor die reine Geo metrie. d.h . Länge , Ma xima ldurchme sser und Querschnittsverlauf der Ansaug- und Abgaskanäle bereit s in der Serienausfü hru ng weitestgehend opti miert (vgL Kap. 3.2.3 und 3.4.3) und kaum mehr verbesserbar ist, Bild 5.1. Wenn Abweichungen vom bestmöglichen Quersch nitt sverlau f vorhanden sind, liegt d ies meist an konst ruktiven oder produktion stechn ischen Zwängen (notwendige wandstärken. Kühlwasserr äume. kein Hintersch nitt möglich, g usstechnische Vorgabe n). Hier ka nn in Einzelfallen durc ha us wirkungsvoll nachgebe sser t werden. Wenn im Einlass- oder Auslass kanal (was allerdings nu r noch selten vorkommt) Kante n, scharfe Übergä nge, Que rschni ttssprünge oder unsaubere Gussoberflächen vorhanden sind, loh nt es sich. diese mechanisch zu entfernen (schleifen od er biaxen) und zu ega lisieren. Bei g rößerem Materialabtrag muss man allerdings sicher sein, da ss nach de r Bea rbeitung noch genügend Wand stärke
Bild 5.1 O ptimale Kanalgesta ltung beim Scricnmotor ( YAMAHA YFZ·R l j
5 Motorentu ning
215
übr igbleibt . Ein Du rchbruch zu Wasser- ode r Ölräumen im Zylinde rkopf lässt sich nachträglieh nicht meh r zuve rlässig reparieren und abdic hte n. Der Zylinderk opf ist dann unwe igerl ich sch rott reif! Problematisch ist es auc h, detaill ierte Empfehlungen für den Que rsc hnittsverlauf im Einlassoder Aus lasskanal zu gebe n. Einm al abgese hen davon, dass die dün nen Wandstärken größere nachträgl iche Modifikatione n ohnehin nicht erlauben. zeigen Strömungsversuche widers prüchliche Ergebnisse. Die Erhöhung de s Gasdurchsatze s durch eine Aufweit ung des Einlass kanals an de r Ventilführung oder vor dem Ventilsitz. wie sie man chmal empfohlen wird. ka nn nicht unbed ingt be stät igt werden. Selbst eine messba re Verbess eru ng der Durchflusszahl eines Einlasskanal s auf dem Strömungsprüfstand führt nicht zw angsläufig zu einer messba ren Leistu ngserhöhung des Motors. Die dyn ami sche n Strömungseffekte im realen Motorbetr ieb sind für d ie Moto rleist ung dom inant , so dass sich ei ne geringfüg ige Verbess eru ng der Strömungsgüte im Kanal nicht auswirkt. Daher lohnt es sich auch nicht, in aufwä ndiger Handarb eit die Einlasskanäle zu polieren . Eine Egalisieru ng und Glätt ung der fühlba ren Rauigkeit reicht h ier vollkommen aus. Das Polieren kann in Einzel fällen höchstens störende Nebeneffekte. wie das Niederschlag en von Kraftstofftröpfchen aus dem Gemischstrom, min imi eren . Im Auslasskanal sind aufwändi ge Glätt ung sope rationen noch wirk ungsloser als im Einl asskan al. Hier genügt als einzig e Ma ßnahm e die Beseiti gun g von eventuellen Stör kanten. Die Ventilg röß e muss nur da nn verände rt werden, we nn der Luft mass enstrom dur ch das Zusamme nwirken aller Tuningmaßnahmen wese ntlich anwächst und we nn de r fre ie Ventilquersch nitt bei max imalem Ventilhub eine ausgeprä gte Engstelle im Einlass kanal darstellt. Es genügt in der Regel eine Verg rößer ung de s Venti ltellerdurc h messers um O,5- 1mm, dennoch muss meist auch der Ventilsitzring verg rößert werden. Die Herste llung der Passbohrung im Zylinderkopf für den neuen Ventilsitzring erfordert eine Präzisionsbearbeitung. Es muss darau f geachtet werden , dass in de r Umgebung des Sitzrings aus reichend Mate ria l vorhanden ist, um bei dem notwendigen Übermaß de s Sitzringes eine genügende Pressung aufrechtzue rhalten . Bezüg lich der weiteren Entd rosselung de r Ansau g- und Abgaswege durch Entfernen von Luftfi ltern oder Schalldämpferei nsätze n muss angem erkt we rden. da ss dies bei Betri eb des Fahrzeugs im öffentl ichen Straßenverkehr illegal ist. Es wird in aller Regel n icht nur die Geräuschemi ssion über da s gese tzliche Lim it hinaus erhöht, auch d ie Abgase missionen können sich ändern (Ge mischbeei nfluss ung, Ände rung des Restgasgehaltes. Beeinflussu ng der Nachreaktionen im Auspuff) . Davon abgesehen füh ren derartige Veränderungen in vielen Fällen gar nicht z u der gewünschten Leistun gserhöhung. oder nur z u einer Leist ungsanhebung in einem schmalen Drehzahl bereich mit Leist ungseinbr üchen in anderen Drehzahlreg ionen (d ie subjektiv empfundene Leistungssteigeru ng hat viel mit der psychologischen Wirk ung der g rößeren Lautstärke zu tun). Der G ru nd für Leistungseinbrüche ist, dass d ie sorgfältig abgest immten dy nam ischen Strömu ngseffekte sehr sensibel auf Veränderungen im Saug- und Abgastrakt reag ieren. Wenn man d ie Vergleichstests mit Nachrüst· Schalld ämpferan lage n in den Motorradzeitschrift en aufme rksa m liest. findet ma n diese Erkenntni s immer wieder bestätigt. Es steigern bis aufwe nige erfreuliche Ausnahme n meist nur dieje nigen Auspuffa nlage n die Leistung, die im Ger äusc bmveau über den gesetz lichen Lim its liegen . Auch hie r g ilt, da ss Verbesserunge n nur mit au fwä ndigen Prü fstandsversuchen u nd einer Einzelab stimmu ng auf die jeweiligen Gege benheiten des Motors e rzielbar sind. Einz ig diesem Aufwa nd verd anken getu nte Ren nmot orräde r ihr e Mehrleist ung gege nüber den Serienmaschinen.
21 6
5 Motorentun ing
Eine noch nicht bet rac htete Möglichke it zur Lei stungserhöhu ng liegt in de r A nhebung de s Verdichtungsve rhälmiss es. Höhere Verdichtung führ t zu einer Wirkungsgrad ste igerung und zu höheren Drücken bei der Verbren nung. wodurc h d ie Leistu ng a nsteigt. Die Verdicht ung ka nn erhöht werden ent wede r durch Abfräse n des Zylinderkopfes oder du rch Einbau von Kolben mit g rößere r Kompression shöhe. Beides birgt gewisse Risiken, de nn es muss geprüft werd en, ob ein ausre ichender Freigang für die Vent ile während der Überschneidung vorhanden ist. Der Freiga ng muss nicht nur im Übersc hneid ungs-Of geprüft we rden. sondern auch in einem Winkelbereich von 10- 20 0 Ku rbelw inkel vor un d nach dem O 'F. Denn du rch die Ventilhubkurve n (vgL Bild 3.8) liegt de r Kollision sp unkt in diesem Wi nkelbereich. Besonders wichtig wird die Freiga ngs prüfung für die Ventile, wenn zusä tz lich zu r Verdicht ungserhöhu ng noch die Noc kenwellen gege n solche mit größerem Ventilhub getausc ht werd en. Sehr wichti g ist bei Verd ichtungser höhung d ie Über prüfu ng de r Z ünde instellung. Mit Zunahme der Verdicht ung steigt die Gefah r irreg uläre r Verbrennunge n (" Klingel n", siehe Kap. 3.4.3). Zur Erhöhung de r Nutzleistung des Motors trägt selbstverstä nd lich auch bei, die Mot orverluste. d.h . die innere Reibu ng, zu verringern . Den größten einzel nen Reibanteil liefert der Kolbe n mit seinen Ringen. Als Tun ing maßnahme geeignet ist d ie Verr ingerung de r Kolbenringspannung und ggf. die Verwend ung neuer Kolben mit nur einem Kompression sring . Die übliche Bestückung von Serienkolben mit zwe i Kom pre ssion sringen erfolgt meist zur Ö lverbrauchsredu zierung . Spielt de r Öleerbrauch kei ne Rolle, kann auf den zwe ite n Rin g verz ichtet werde n. Es m üsse n aber imme r neue speziell angefer tig te Kolben verwendet werden, die simple Entfernung des zweiten Kolbenrings ist n icht zu lässig! Bei einer Redu zie run g de r Kolbenringspannung (spe ziel le neue Kolbenringe) sind Vers uche zur Abstimmung notwend ig. Die Abdic htung kann unz ureichend werden und je nac h Zylinderverform ung im Bet rieb kann neben dem Ölverbrauch auch d ie Durchblasemenge (blow-by) e rheblich ansteige n. Das g ibt dann Probleme mit der Ku rbelgeh äuseent lüft ung. Der Leistu ngsgew in n du rch diese Ma ßnahme n am Kolben dürfte in etwa be i I kW liegen. Eine Reib ungsm inimie rung an anderen Bauteilen ist nachträglich kaum me hr zu verw irklichen. Die Verhältn isse an den Gleitlagern sind Z.B. so di ffizil. dass von Ma nipulati one n an d iese n Stellen abzuraten ist. Na türlich verri ngert ei ne Redu zie ru ng der Lagerbreite (sch ma lere Lagersch alen) die Lage rreib ung. doch ste ht der Gewin n an Leistu ng (deutlich kleiner als 0,3 kW) in kein em Verhältnis z um Risiko eine s Lage rschaden s. Eher loh nend scheint es, d ie Ventila tionsverl uste de r Ku rbelwe lle z u verringern . Eine aerody nami sch g ünstigere Ges taltung der Gegengewichte (Abrunden, Kanten entferne n, koni sch sch lei fen) senkt die " Lu ftreib ung" de r d reh enden Welle im Kurbelgehäu se und kan n im oberen Drehzahlb ereich die Verlustleistung spürba r senken. was einen di rekt en Gew in n an Nutzleistu ng darstel lt. Auch hier sind im Einzel fall Versuche erforde rlich od er es muss auf d ie Erfah rung ande re r zurückgeg ri ffe n werden. Für ein ernsthaftes Motorent uning wird man keine Einzel maßnahmen um set zen, sondern be mü ht sein, alle Maßn ah men anzu wend en. Wie ber eits erwä hnt, schöpfen nat ürl ich d ie Hersteller bei der Serienabstimmung ihrer Motoren d ie geboten en techn ischen Möglichkeiten in der Regel voll aus, so da ss Spielraum für Tuning nur dort verbleibt, wo die Kosten , prod uktion stechnische Gründe ode r abe r auch Se rienanforderunge n wie Zuverläss igkeit u nd Versc hleißsicherheit die Ausleg ung des Motors auf ein Lei stungsmax imum verhindern. Gemäß der Leistungsdefinition als Prod ukt aus Dreh moment un d Drehz ahl (GL 5-1) ist es selbstverständliches Z iel aller o.a . Tu ningmaß nahmen. den Liefergrad n icht nur ge nerel l zu verbess ern, sondern
217
5 Motore ntu ning
das Maximum z u höheren Dreh zahlen zu verlage rn . Dam it ist der zweite Sch ritt des Tunin gs definier t, die An hebu ng der Drehzahlg renze des Motors. In de n meisten Fälle n führe n die Maßnahmen zu r Liefergraderhöhung fast autom at isch dazu . dass de r Motor höhere Dreh zahl en erreicht. Es ergibt sic h aber das Problem. dass höher e Drehza hlen zu höheren Massenk räften füh ren u nd es dad urch zu einer mech ani schen Überlast ung von Bauteilen kommt. Dah er müssen bei einer Dreh zah la nheb ung in viele n Fällen d ie Massen der bewegt en Bauteile des Mot ors verr inge rt werde n. Betroffen sind davon die Kolb en. di e Pleuel un d Ventiltriebsteile. also Ventile, Ventilfede rn und Federteller, sow ie Betä tigungshebel bzw. Tassens tößel. Da gleichzeitig d ie Stei figkeit de r Teile nicht klein er werden darf, ist die Gewichtserleichte rung eine schw ierige Aufgabe . Kla mme rt m an ei ne Neuanfe rtigu ng von Bauteilen aus leichteren (und teueren ) Werkstoffen (z .B. Tit an statt Sta hl) bzw . eine Ne ugesta ltu ng d ieser Bautei le zu nächst aus . bleibt als konventionelle Tuning maßnah me d ie nach trägliche Bearbeitu ng de r vorhandenen Bautei le. Dabei gi lt der Gr undsa tz , dass an alle n Stellen de r Bauteile. die nich t im Kra ft fluss liegen und d ie keine un mittelba re Fu nktion erfülle n, problem los Ma teri al weggenom me n werden da rf. Beim Kolbe n sind d ies z.B. der untere Teil des Kolbenschafts . Hild 5.2. de r ohne d irekte Funktionseinbuße gek ürzt we rde n kan n. Die Gewichtsred uz ierung fä llt aller dings be i mod ernen Kast enko lben seh r ge ring aus, weil die Wandstärke des Leichtmet alls hier in der G röße nord nung von 2 mm liegt. Du rch Kürzung des Kolbe nschafts wird di e K ippbewegun g des Kolbens und dam it se in Laufge räusch g röße r (vgl. Bild 3.90). Im Extrem fa ll führ t ein verstärktes Kolbenk ippen , z usammen m it einer höheren Gesamtbelastu ng des Kolbens. zu einer Erhöhung der Fressgefahr. Eine größe re Massenreduktion erg ibt sic h durc h das konische Ausdrehe n des Kolbe nbo lze ns (vgL Bild 3.88), das allerdings bei mo derne n Motoren be reits serienmäßig durchgefüh rt w ird. Inw ieweit die Ausdreh ung noch vergrößert werde n kann , ist sc hwe r vorhe rzusagen. Die Bru chgefahr für
Bild S.2
Mögliche Gewichtserleichterung
am Kolben
21 8
5 Motorent un ing
den Kolbenb olzen im Betr ieb ste igt du rch eine solche Ma ßnahme erheblich, de nn der Kolben bolzen gehört z u den hoc hbeanspruchten Motor bauteilen. Ge nerell gilt, dass die Kolben von heutigen Hochleistungs-Serienmotoren gew ichtsmäß ig bereits soweit optimiert sind. dass eine nachträgliche Gewichtse rleichterung mit hohen Risi ken fü r die Haltb arkeit verbunde n ist. Wie weit heute be i Se rienmotorrädern der Le ichtbau an den Kolbe n get rieben wird, zeigt das Beisp iel des Kolben s der Yamaha WR4 00 F. Bild 3. 129. Zwa r handelt es sich bei dieser reinrassige n Sport-Endure eigentlich um ein Moto rrad für den w enbewerb seinsatz, aber sie wi rd serienmäßig hergestellt und ist zulass ungsfä hig. Bei gesc h miedeten Pleueln könn en die Außen flächen im unteren Auge nbereich bearbeitet werden . Bild 5.3 . Überstehende Stege ode r Mater ialüberstände , die aus der Formgebu ng und dem Schmiedeprozess herrühren , können ohne Einbußen an Festigkeit u nd Dauerhaltbarkeit entfernt werden. Aufp assen muss man allerdings. da ss dur ch den Mater ialabtrag nicht an Übe rgä ngen schar fe Kanten (Kerbwirkung) entstehen. Eine Kerbwirkung kann auch bere its dur ch Schleifriefen entstehen. so dass ein Polieren der bearbeiteten Flächen ratsam ist. Risikoreich ist jede Veränd eru ng im Sc haft bereic h. am oberen Pleuelauge oder an den Übergä ngen zwischen Schaft und den beiden Pleuelaugen. Hier treten hohe Spa nnungen auf, und solange man die Auslegungs- un d Belastun gsgrenzen de s Pleuels nicht im Deta il kennt. besteht
hier kann gg1. Material entfernt werden
hier ni dlts WEgnehmen Flachenpressung
Bi ltl S.3 Gewichtserleichte rung und Nacharbeit an Pleueln
5 Motore ntu ning
219
Bild 5.4 Polierte Pleuel
bei einer mechanischen Bearbeitun g und Materialwegnah me imm er die Gefahr einer unzu lässigen Schwächung des Pleuels, die im Betrieb zum Bruch führ en kann. Völlig tabu ist auch eine Gewichtserleichterung an den Pleuelschrauben. Allenfalls die Muttern (so vorhanden) könnten an den Ecken leicht engefast werd en, doch ist die Gewichtsersparn is im Verhältnis z um Risiko unbedeutend. Wird der Pleuelschaft dennoch bearbeitet, muss die ser nachträglich poliert werden, um Spannungsüberhöhungen durch Kerbwirkung z u vermeide n, Bild 5.4. Noch besser ist ein Festigkeitsstrahl en (Kugelstrahlen), mit dem Druck ve rspan nungen in der Mate rialoberfläche aufgebaut werden, wodurch die Daue rfestigkeit des Pleuels gesteigert werden kann. Eine elegante und hinreichend sichere (aber auch sehr teure) Tuningmaßnahme ist das Ersetzen aller Ser ienpleuel dur ch solche aus Titan. Für verschiedene Sportmotoren werden Titanpleuel angeboten. Stammen diese von einem renommierten Hersteller, kann man davon ausgehen, dass die Pleuel genügend erprobt wurden und kein besonderes Bruchrisiko besteht. Eine Gewichtserleichterung der Kurbelwelle ist aus Dreh zahlg ründen direk t nicht notwendig. Sie wird aber häufig durchgeführt. weil die Drehma sse (das Massenträgheitsmoment) reduziert wird. Je geringer diese ist, desto ge ringer wird der rotatori sehe Beschleunigungswiderstand des Fah rzeugs (vgL auch Kap. 2.2.2), was in der Praxis bedeutet. da ss de r Motor schneller hoch dreht, also " besser am Gas hängt" und das gesamte Fah rzeug besser beschleunigt . Aus dem gleichen Grund werd en auch Gewichtserleichterungen an der Kupplung durc hgefü hrt, Getriebewellen hohlgebohrt oder auch Lichtmaschinen fü r Rennzwecke entfernt. weil all die se Drehmassen zusätzlich beschl eunigt werden müssen, was " Leistung kostet". Zusätz lich senkt die Massenreduktion all die ser Bauteile natürl ich auch das Motorgewicht und damit das Gesamtgewicht des Fahrzeugs. Die prinzipiellen Möglichkeite n für eine festigkeitsmä ßig unschädliche Gewichtsreduzierung von Kurbelwellen wurden bereits im Kapitel 3.6.1 anhand des Bildes 3.68 aufgez eigt. Für Rennzwecke können bei Vierzylinderreihenm otoren die Gegengewichte an der Kurbel welle auch völlig entfernt werden , was u.U. eine Gewichtserleichterung von mehr als I kg bringt. Der äußere Massenausgleich ändert sich dabei aufgrund des sym metrischen Aufbaus de r Welle nicht (gilt bei anderen Motoren nicht unbedingt, vgl. Kap. 3.5.2 und 3.5.3). Nachteilig ist aber die g rößere Lagerbela stung. weil zwa r die Welle als Ganzes ausgewuchtet bleibt, abe r jeweils zwischen benachbarten Hauptlagern stark unw uchtig wird und inn ere Biegemomen te entsre-
220
5 Motorent un ing
hen. Die Dauerhaltb arkeit der Hauptlager wird also dur ch da s Entfernen der Gegengewichte stark beeinträchtigt , was für Rennm oto ren ke ine Rolle spielt, ruf Serienmotoren aber nicht akze ptabel ist. Gew ichtse rleichterunge n im Ventiltrieb haben im Wesentlichen fu nktionale Gr ünde. Die Drehza hlgre nze des Ventiltr iebs ist du rch d ie auftretenden Massen kräft e am Ventil und d ie Haltekr äfte, die Ventilfeder aufbringen kan n, vorgege ben. Im Kapitel 3.2.2 wurden die Zusammenhänge erläutert und anhand von Bild 3.14 gezeigt. da ss die Drehzahlreserven des Ventiltriebs bei Serienmotoren in der Regel relativ gering sind. Um Nockenwellen mit höhe rer Besch leunigu ng einsetzen zu können , was die Massenk räfte erhöht, müssen als Gegen maßnahm e die bewegten Massen im Ventiltrieb reduziert werden, aber ohne da ss d ie Bauteile an Steifigkeit verlieren. Auch hier ist es heute Tatsache, dass d ie Ventiltr iebsbauteile de r meisten Hochleistungsmotoren weitgehend ausgereizt sind, sonst wären die Nennd rehza hlen der Serienmotoren von z.T. über 13.000 Ulmin nicht er reichbar. Bei Ventiltrieben mit Tasse nstößeln kommt ggf. eine Kürzun g der Tassen infrage. Dies erhöht zwar der en Kippneigung, wodurch die Stöße lbohr ung schneller verschleißt, mindert aber an sonsten weder Festigkeit noch Steifigkeit. Ob ein weiteres Ausdrehen der Innenbohrung de r Stößel oder ein Abdrehen de s Tassenbodens zu verantworten ist, muss im Einzelfa ll entschieden werden. Die Dicke des Stößelbodens bestimmt immerhin die Steifigkeit, so dass hier Vorsicht geboten ist.
An Schlepp- ode r Kipphebel ist es noch schwerer zu beur teile n, ob ma n Material abtrage n darf, weil man den gertauen Spa nnungsverlauf im Hebel nicht kennt. Deutlic h Gewicht lässt sich aber spare n, wenn d ie Einstellsch rauben fü r da s Ventilspiel so angeo rdnet sind, da ss sie mitb ewegt werden. Ein Hohlbohren der Einstellsch raube (falls nicht schon serienmäßig) ist zulässig, die Kontermutt er kann bea rbeitet werden, ebenso können Einstellschraube und Kontermutter dur ch Bauteile aus Titan ersetzt werden. Beim Ventiltrieb zä hlt jede s Gramm an Gewichtsreduzierung, so da ss hier auch kleine Ma ßnahmen hilfrei ch sind. Das meiste Gew icht lässt sich am Vent il sparen. Die früh er gängige (und preiswerte) Maßnahme, der Ersatz der Ventil e dur ch solche mit dünnerem Schaft, ist heute, wo Schaftdurchmesse r von 5mm oder gar 4mm Serienstand sind, nicht meh r möglich. So kommt nur der Einsatz von (teuren) Titanventilen (vorzugsweise fllr den Einlass) in Frage, wodurch sich allerdings da s Ventilgewicht um rund 40 % reduzieren lässt, Bild 5.5. Allerdings müssen bei Titanventilen die Ventilsitzringe gegen solche aus einem ande ren Werkstoff ausgetau scht werden. Üblicherweise wird Beryllium-B ronze dafü r verwe ndet, das aber in seiner Handhabung wegen der ext remen Giftigkeit de s Berylliums äu ßerst problematisch ist! Teile aus Beryllium dürfen nur unter besonder en Vorsichts- und Schutz maßnahmen bearbeitet werden. Selbst geringste Mengen von Staub ode r Bea rbeit ungsrückständen . d ie in den Körper gelangen (Einatmen von Staubpartikeln), kön nen schwerste, irreversible Ges undheitsschäden her vor rufen! Werkstätten ohne entsprechende (von der Berufsgenossen schaft zugelassene) Schutzeinrichtungen dürfen mit diesem Werk stoffal so keinesfalls umgehen! Bei allen Maßn ahme n am Ventiltrieb dar f aber nicht vergesse n werden, da ss d ie Steifigkeit der Bauteiledie wichtigste Voraussetzung fü r erfolg reiches Tuning an die ser Stelle ist. Stellt sich de r erwünschte Tuningerfolg nicht ein, muss d ie Gesamtk onstruktion des Ventilt riebs nähe r untersucht werden. Der steifste Tassenstößel z.B. nützt nicht viel, wenn sich bei hohen Drehzahl en die Nockenwelle in ih ren Lagern durchbiegt und so den Ventilkräften ausweicht. Eine Steifig-
5 Motorentu ning
221
keitserhöhung der Nockenwellenlagerdeckel durch eine komplette Neuanfertigung könn te hier zwar helfen. dü rfte aber in den meisten Fällen nicht prak tisch machba r sein. Möglicherweise müssen auch Nockenwellen mit g rößere m Gesamtdurc hmesser eingebaut werden , wenn die Platzverhältn isse Im Zylinde rkopf dies zulasse n und eine Nacharbe it der Nockenwelle n-Lagergasse mög lich ist.
Es ist de utlich geworde n und sei an d ieser Stelle wiederholt. dass die Tuning möglichkeiten bei dem heutigen Stand de r Gro ßserientec hnik insgesa mt gering geworden sind. Moderne Hochleistungsmotoren sind. wie an andere r Stelle schon angemerkt, auf einem Leistungsniveau, wie es vor weniger als 10 Jahre n nur bei reinrassigen Superbike-Re nnmotorrädern zu finden war und soweit ausge klügelt, dass es selbst für professionelle Tuner nur noch wenige Möglichkeiten für eine deutliche Verbesserung gibt. und dann das Tuning einen imme nsen Aufwand erforde rt. Das g ilt zum indest, solange die gesetzlichen Vorgaben für Geräusch- und Abgasemissionen eingehalten werden und d ie Alltagstaug lichkeit erhalten bleiben soll. Lohne nd sind fü r Privat leute mit handwer klichem Gesc hick und entspreche nder Werkstatta usstattu ng Detailverbesserungen und Feintuni ng. Dazu gehört die Verfeinerung und Perfekt ionieru rig von Bauteilen. die in einer Ser ienfertigung aus Kosteng ründen so nicht möglich ist. Zwischen de n Pleueln in einem Motor gibt es in der Serie z.B. Gewichtsuntersch iede von einigen Gramm. Wenn man hier durch Nacharbeit und Auswiegen d ie Gewichte ang leicht, Bild 5.5 Titanventil erhöht sich die Laufru he des Motors. Für die Bearbeitung der Pleuel gelten die oben angefü hrten Regeln. Eine Gewichtsangleichung ka nn auch an den Kolben vorgenommen werde n. Die Ausw uchtung der Kurbe lwelle ist in der Serie ebe nfalls mit g rößere n Toleranzen beha ftet. Ein Feinwuchten der Kurbelwelle, das Spezi albetriebe d urchführen, verbessert ebenfalls das Laufverhalten des Motors (nicht aber die Leistung). Auch die Brennräume und Einlasska näle der Motoren sind nicht genau volume ngleich. Durch sorgfa ltiges .Auslitern" können Volumenunterschiede ermittel t werden und du rch entsprec hende Nacharbeit [bia xen ] angeglichen werde n. Die Füllung der Zylinder und der Verbre nnungsablaufwerde n durch diese Maß nahmen untereinander gleichmäßige r, auch d ies träg t zu einem geschmeidigere n Motorla uf bei. Inwieweit sich all die Maßnahm en tatsächlich deut lich spürbar auswirken, muss im Einzelfall be urteilt werden. Verschlechte rn wir d sich abe r das Motorverhalten in keinem Fall, und wenn nicht grun dlegende handwerkliche Regeln bei der Bearbeitung der Bauteile verletzt werde n, bestehen auch keine Ris iken für d ie Haltbarkeit und Funktion der Bauteile. E.~ wird an dieser S telle aber ausdrücklicIr darauf hingewiesen, dass der Autor keine Gewälrrfü r die Wirksamkeit oder au clr die Unschödtichkett der empföhleIJeIl Maß nahmen uöem ehmen kann, Die Risiken bez üglich Tuningmaß na hmen liegen altein hei", Ausführende n,
Als Letztes sei vor "Wundermitteln" auf de m Tuningsektor gewarnt. Leistung wird ausschließlich erzeugt, indem eine Gemischmasse mit einer bestimmten Frequenz verbrannt wird . Dar-
222
5 Motorentun ing
aus e rgibt sich, dass Zusatzgeräte wie "Zündverstärker", "S pezialzündkerzen" und Ähnliches schlichtweg Unsinn Sind und keinerlei Mehrleist ung bew irke n kö nnen. Aus dem Mechanismus de r Verbrennung (vgL Kap. 3.4) e rgibt sich, dass nach Einleitung de r Entflammurig die Zünd kerze bzw, der Zündfu nke n keinerlei Rolle meh r für de n Verbrennungsablaufs pielt. Somit ist eine Leist ungsste igeru ng durc h eine .Funkenverstä rkung'' physika lisch gar nicht möglich. In Einzelfä llen mag bei Motoren mit ungünstiger oder fehlerhafter Gemischaufbereit ung und schlechter Entflam murig eine gewisse Verbesser ung im Lau fverhalten eintreten, abe reine Leistungssteigerung bei Hochleistungsmotore n ist prakti sch ausgeschlossen. Etwas anders sind die Verh ält nisse bei der Doppelzündung mit zwei Zünd kerze n. Deren nachträglicher Einbau verkür zt bei g roßvolu migen Ein- und Zweizylindermotoren die langen Flammwege. Damit wird es möglich, in krit ischen Kennfeldbereichen leistungsoptimale Zündwinkel einz ustellen (Kap. 3.4). Ohne d iese Maßna hme müssen wege n de r Gefahr des Klingelns oft (späte) Sicherheitszündwinkel eingestellt werden , bei denen es zu Leistun gseinbußen kommt. Insofern kön nen Doppelzündanlagen eine Leistungssteige rung bewirken. Das Chiptuning bringt aus den vorgenan nten Gründen trotz Versprechungen in der Werbung meistens auch keine Mehrl eistung. Es hat nur dann einen positiven Leistungseinfluss, wenn der Motorrad-He rsteller aus irgend welchen Gründen die Höchstdrehzahl kü nstlich begren zt hat und diese durch Eing riffe in die Motorsteuerung aufgehoben wird. Voraussetzun g ist aber, da ss bei den dann möglichen höhere n Drehzahlen kein zu großer Liefergradabfall eintritt. Die andere Einflussmöglichkeit ist de r Zündwi nkel. Auch hier gilt, da ss es nur dann einen positiven Leistungseffekt gibt, wenn der Hersteller absichtlich nicht den optimalen Zündwinkel gewählt hat. Es bleibt dann imme r noch die Frage nach de n Gründen für eine derartige Auslegung seitens des Herstellers. Meist ist es eine Klopfneigung de s Motors in bestimmten Kenn feldbe reichen. Eine Zündz eitpunktveränderung stellt in diesen Fällen ein erheb liches Risiko für schwere Motorschäden da r. Es würd e an dieser Stelle z u weit führen. weitere Aspekte de s Tunings zu beha ndeln. Es mag der Hinweis genügen, da ss bei getunten Motoren neben de r .Leistungssuche'', Drehzahlsteigerung und Gewichtserleichteru ng weitere Untersuchungen und Modi fikat ionen notwend ig werden , um die Zuverlässigkeit des Motors z u erhalten. So muss ggf. die Kühlung dem größeren Wärmean fall angepasst werden, die Zündungs- und Gem ischabstimmung muss überarbeitet werden und de r Zündkerzen wärmewer t angepasst. Der Ölkreislau f muss mögl icherweise geänder t werde n, mindeste ns dur ch Vergr ößer ung der Ölmenge (größere Ölwanne), Einbau bz w. Vergrößerun g eines Öl kühlers, ggf. dur ch eine grö ßere Ölpum pe, z usätzliche Schmierstoffversorgungen , eine Ölspritzkühlung de r Kolbenbö den usw. Insgesamt ergibt sich ein bet rächtliche r zeitlicher, finan zieller und gerätetechnischer Aufwand , der leicht de n Kaufpre is eines neuen Motorrades übersteigen kann .
223
6 Kupplung, Scha ltgetriebe und Radantrieb Die Leistun g von Verbren nungsmotore n kan n nicht direkt auf da s Hin terrad übertra gen werden. Das liegt daran, dass ein verwe rtbares Drehmoment erst ab einer bestim mten Drehzahl abgegebe n wird und dar übe r hinau s da s Dreh moment des Motors (MA ngebot) z um Anfahren und für da s Befahr en von Steigungen (Bed arfsdreh moment M bed. vgl. auch Kap. 2) nicht ausreicht, Bild 6.1. Drehmoment und Drehzahl des Motors müssen dah er mittel s geeigneter Übersetzungen an die Fahr widerstünde und den gewünschten Geschwind igkeitsbereich des Fahrze ugs angepasst werden. Diese Aufgaben übernehmen beim Motorrad das Schaltgelriebe und der Radant rieb. Zusätz lich ist eine Kupplung erforderlich, d ie eine Dreh zahlang leichung zwischen Motor und Ge triebe beim Anfahren bewirkt und für die notwend ige Unterbrechung des Kraftflusses bei m Schalten sorg t.
BedarfsmOlTlElnte
)
fU r S etiQnillrfahrt
---
....
Bedarfsmomente die Ebene und ane Steigung ( M Bed )
f(r
Bild 6. 1
geringste Reibung und keinerlei Ver-sc hleiß
BiId 7.5 Mischreibun g und Flüssigkeitsreibung und Wirkung des Schmierfil ms
Es muss gewä hrleistet sein, dass das Öl genügend gut an den Bauteiloberflächen haftet und auch bei hoher Belastung der Schmierfilm nicht .weggedriickt" wird und abreißt . Diese Eigenschaften werde n bei einem Öl durch maßgeschneiderte Kombination von geeignetem Grundöl und gezielte Zugabe von Additiven (Ölzusätzen) erreicht. Dabei ist z u beachten, dass das Öl neben seiner primären Aufgabe, näm lich • Schmieru ng und Verschleißschutz, noch eine Reihe anderer wichtiger Aufgaben zu erfü llen hat. Diese zusätzlichen Aufgaben des Schmieröls sind: Kühlung Wärmetra nsport Feinabdichtung Korrosionsschutz Neutralisation von aggressiven Verbrennungsprodukten Dispergieren ("in-Schwebe·halten") von festen Fremdstoffen und Sauberhalten des Motorinneren. Dabei muss bei der Entwicklung eines Öles sehr sorgfa ltig darauf geachtet werden, dass auch Aspek te nicht außer Acht gelassen werden wie: Verträglichkeit mit Dichtu ngen Verträglichkeit mit Abgasnachbehandlung ssysternen (Kata lysatore n) maxima le Umweltverträg lichkeit der Additivierun g, bis hin zur Mischba rkelt mit anderen Motorenöle n. Fast alle diese Aufgaben haben Öle z.T, noch bis in die 50er Jahre ohne den Einsatz von Additiven, also leistungsverstärkenden Komponenten, verrichten müssen. Verschleißprobleme z.B. im Ventiltrieb konnten damals zuweilen durch Einsatz eines dickere n Öles gelöst werden. Heutzutage ist das nicht mehr möglich. Neben hohen Temperaturen im Motor, Bild 7.6. treten im
255
7.4 Motorenöle
ßild 7.6
Tcmpcraru rbcrcic hc im Motor
Schmierfilm auch seh r hohe Drücke auf. Beispielsweise wirken an de r Konta ktstelle zwischen Noc ken und Übertrag ungselement ( Kipphebel, Stößel) sehr hohe Pressungskräfte. Der Druck im (sehr dünnen) Schmierfilm an dieser Stelle kann bis z u 10.000 bar bet ragen. Übe r da s sog. .blow by", einen norma lerweise geringen Anteil an v erbrenn ungsgasen. d ie während de r Verbrennung an den Kolben vorbei in da s Kurbelgehä use gelangen. wird mit den heiße n Abga sen unverbran nter oder nur teilweise verbrannter Kraftstoff und Wasser aus dem Verbrennungsprozess in da s Motorenöl eingetragen. wie auch saure agg ressive Verbrennungsprodukte. Erst in den 40e r Jahre n wurden den bis da hin eingesetzten reine n Mineralölen Zusätze, d ie sogenan nten Additive, zugegeben. d ie zu einer deutlichen Verbesseru ng der Leistungsfähigk eit de r Öle führ ten . Damit war ein wichtiger Schritt getan, der den Ingenieu ren in der Fahrzeugentwicklung eine wichtige Voraussetzung fü r d ie Konstrukt ion leistungsfähige rer Agg regate bot. Heutz utage sind z. 8. die Vent iltriebe der Viertak tmoto ren so hoch belastet, da ss sie nicht mehr ohne Verschleißschutzadd itive im Motore nöl überleben würden. Selbst ein Öl höchster Viskosität wä re hier ohne Verschleißsc hutzadd itiv vollkom men über fordert. Moderne Vierta ktmotore nöle beinhalte n heute je nach Qu alität zwischen 5 und 25 % Additivpaket. d. h, einen Cocktail aus in Grun döl vorgelösten Add itiven mit den verschiede nsten Aufgaben. Das ist da s eige ntliche Leistungspaket mode rner Öle. Bevor d ie wesentlichsten Typen dieser Add itive und de ren Aufgaben erklärt werden. soll aufd ie verschiedenen Grundölty pen eingegangen werden.
256
7 Kra ftstoff und Schmie röl
7.4.1 G r undöle (a) :\I ine ra löle
Die Gewi nnung von Schmie rölen für Motor und Getriebe erfolgt hauptsäch lich aus Erdöl, das in chemisch-physik alisc hen Verfahren aufb ereitet wird. Die G ru ndverfahren zu r Trenn ung de s mine rali schen Rohöls in verschiedene Produktgruppen wu rden im Kap. 7.2 be reit s ausfüh rlich erläute rt. So liefert d ie Destillation als Ausga ngsprodukt für die weitere Schmie rölherstellung Kohlenwasserstoffe mit 20 bis 35 Kohlenstoffarome n. Dieses Destill at e nthält aber noch u nerwü nschte Bestandt eile. die im Motorb etrieb zur beschleunigten Ölalterung sowie zu r Bildun g von Säuren und Öisch lamm füh ren wü rden. Daher muss da s Destillat durch Raffination sverfahre n weiter veredelt werden. Bei dieser Raffination werden spezifische, schädliche Kohlenwasse rstoffkompo nenten durch Lösungsmittel weitgehend au s dem Öl herausgewaschen . Ein weiteres Raffinationsverfahren ist das Hyd rieren, be i dem durc h Anlageru ng von Wasserstoff ungesätt igte Kohlenwasserstoffe in gesätt igte, alterungsstabile Verb indunge n umgefo rmt u nd Schwefel u nd Stickstoffverbindu ngen aus dem Öl entfernt werden. Das so entstandene Raffin at d ient als Grundöl fü r d ie weitere Schmierölherstellung. Aufgrund de r vielfältigen Verzweigu ngsm öglich keiten von langkettige n Kohlenwasserstoffmolekü len (vgl. Isomeriemöglich keiten weiter oben) sind die Moleküle eines minerali sche n Gr undöls jedoch niemals einheitlich stru ktur iert, sondern be stehe n immer aus verschiedenen Komponenten. Mineralöle haben den Vorteil einer relativ preisgünstigen Herstellung. In Kombi nat ion mit einem leistu ngsfähigen Additivpaket sind durchau s g ute Motorenölqualitäten herstel lbar. Es sollte aber vom Einsatz nied riger Viskositäten im Motorradmo tor abgesehen werden, insbesondere aus Gründen einer nu r margin alen Verdampfungsstabilität niedrigviskoser Mineralöle. (b) Syn thet ikö le
Einen wesentlich gleich mäßigeren chemischen Aufb au haben hingegen sy nthetische Schmieröle. Diese werden aus Spaltprodukten des Erdöls gew isse rmaßen als Maßa nferti g ung gezielt aufgebaut, sie sind also auch Kohlenwasserstoffe. Dazu wird Rohben zin aus der Erdöldestillation durch Crac ken zunächst in sehr kur ze, einfach gebaute Moleküle zerlegt (z.B. in ga sförmi ges Ethen). Anschließend werden d iese Gasmoleküle in mehreren Verfahrensschritten wieder zu langkettigen Kohlenwasserstoffmolekü len planmäßig z usammengesetzt (Poly-Alpha-Olefine, PAO ), wobei durch da s Syntheseve rfahren sich d ie gewünschte Molekülstruktur einstellen lässt. Eine Vakuumdes tillation trenn t bestimmte Molek ülg rößen ab und eine Hyd rieru ng sätt igt verbleibende instabile Molek ülbindungen ab. Das Ergebn is ist ein vollsy nthetisches Gru ndöL Aufg rund seiner planmäßigen chemische n Struktur und den stabilen, abgesätt igten Bindu ngen bleiben die chemischen Veränderu ngen in den Ölmolekül en unter Temperatureinfluss im Betr ieb klein, so dass sy nthetische Öle neben den gesamthaft bessere n Sch mierstoffeigenschaften auch eine sehr gute Alteru ngsbeständigkeit habe n. Sie werden im Pkw-Bereich bevorzugt als sogenanntes Leic htlaufdl eingesetzt. Im Moto rrade insatz ist von Pkw-Leichtlauföten abzu rate n, da die niedrige Grundölv iskosität zu Verschleiß im integ rierte n Getriebe führen kann. Die als Additiv hinzugefügten und fü r Pkw-Motoren sinnvollen Reibwertmi nderer. die zu r Kraft stoffeinsparung beitragen , begünstigen be i Motor räde rn mit Nasskupplung das Durchrut schen der Kupplung im Betrieb. Andererseits weisen Synthetiköle. d ie gezielt für Motorr äde r entwickelt wurden (also nicht zu dünn ausgelegt und ohne Reibwertminderer) eine Reihe nennen swerte r Vort eile auf. So führt da s überlegene Kaltfließverhalten z u schneller Durchölung nach dem Kaltstart. Das ist auch
7.4 Motorenöle
257
im Sommer vorteilhaft (geringerer Kaltstart -Verschleiß). Die vergleichsweise bessere Verdampfungsstabilität brin gt geringeren Ölverbrauc h mit sich und bessere Schmiersicherheit. Professtonelle Rennteam s setzen daher generell Synthetiköl ein. Au ßerdem besitzen Synthetiköle eine "eingebaute Mehrbereich scharakte ristik'', kommen also mit weniger Viskosit ätsind exverbesse rem aus und können somit scherstabiler ausgelegt we rden. Auch für die Motorsauberkeit hat dies Vort eile. Auf die Viskositätsindexverbesserer wird später noch ausführlic her eing egan gen .
(c) Hydrocr acköle Ein weiteres Verfahren zur Erzeugung von verbess erten G rundö len aus Erdöl ist da s teilweise Cracken von Raffinatprodukten in ein er Wasserstoffatmo sphäre unter Verwendung spez ieller Kata lysatoren. Es entstehen kür zere Schmierstoffmolekü le. die aufg run d des Herstellverfahrens eine bevorzugte, gewünschte Molekülstr uk tur aufweisen . Diese als Hydrocracköle bezeichneten Grundöle liegen in ihren Eigenschaften näher bei den synthetischen Ölen , gehören aber noch z u den mine ralischen Ölen , weil die Moleküle der Kohlenwa sserstoffe nur verändert, nicht aber vollständig neu aufgebaut (synthetisiert) werden. Ein ganz besondere r Vorteil von Hydrocrac kölen liegt be i den qua litativ höherwer tigen Typen (X HVI) in einem sehr hohen Viskositätsindex, de r teilweise noch über denen sy nthetischer G rundöle (PAG ) liegt. (d) Teil syntheti sch e Ö le Mischunge n von synthetischen Ölen und Mineralölen werd en als teilsynthetische Öle bezeichnet. Insbesondere im Pkw-Bereich werden Min eralölen oft Ant eile von Synthetiköl z ugegeben, um so die Verdampfungsneig ung zu reduzieren.
7.4.2 Additive (a) v er schl elü schu tzaddltl ve Diese Add itive (im Motorenöl üblicherwe ise Zink-Dialkyldithiopho.vphate, ZnD DP) legen sich schütze nd zw ischen die Metallg leitpaarungen. wenn der Dru ck so stark anste igt, da ss der Ölfilm komp lett weggedrückt wi rd. Daher werde n d iese Add itive auc h EP-Addilh'e gena nnt (extre me pressure). Sie sind chemisch reakt iv, bauen allmählich eine n Schutz film auf und vermeiden so den Kontakt von Metall zu Meta ll. der sonst zu Fressverschle iß führen wü rde. Neue, noch nicht eingelaufene Motoren. müssen die sen Schutzfilm erst langsam während der Einlaufpha se aufbauen . Zin k-Dialkyld ithiophosphate werden be i der Erfüllu ng ihrer Aufgabe zerstört, sind also irgendwann aufgeb rauc ht, weswegen Ölwech sel oder zuminde st Öln achfü llungen so wichtig sind. Zn DDP brau chen ein Minimum an Öltemperatur, um überhaupt ihren Schutz aufzubau en. Es gib t ZnDDP, die bei relativ niedri gen Öltemperaturen bereits ak tiv werden (sekundäre ZnDDP) und andere, die erst be i hohen Temperaturen optimal schützen. Daher ist beim Einfahr en eines Motors auch erwün scht, da ss ein weites Temperaturprofil erreicht wird, ohne den Moto r bereits zu stark z u bela sten. (b) An tioxida nt ien Öl unterliegt als ein Natu rprod ukt einer natürlichen Alteru ng. Alte ru ng tritt ein. wenn da s Öl mit Lu ftsauerstoff reagiert. Die Alteru ng, dur ch d ie ein Öl me hr u nd mehr eindi ckt, ist sehr stark von der Temperatur abhängig. der ein Öl ausge setzt wird . Eine Faustregel be sagt, da ss bei durchschnittlich 10 °C höherer Ölte mperatur eine doppe lt so rasche Alteru ng eintr itt. Al so
258
7 Kraftstoff und Schmie röl
altert ein Öl. das durchsch nittlich 110 "C im Ölsumpf aufweist. doppelt so schnell wie eines. da s im Durc hschnitt 100 "C aufwe ist, müsste also genau genommen doppelt so häufig gewec hselt werden. Antioxidantien machen da s Öl in dieser Bez iehung unempfindlicher, so da ss bei Einhaltung de r vorgeschriebe nen Ölwech selintervalle eine Eindickung dur ch Alterung normalerweise vermieden werden kann. Dies ist auch erwü nscht, da eingedicktes Öl unnötig Leistung und Kraftstoff kostet. Wichtige Antioxida ntien sind Phenole und Amin e. Übrigens wirken auch die oben be reits gena nnten Zink-Dialky ld ithiophosphate als Antioxida ntie n, reichen aber allein üblicherweise nicht aus. (c) Det er genrfen Detergentien sind "Waschmittel", d ie den Motor innen sauber halten . Werden z. B. die Kolben nicht sauber genug gehalten, kan n es zu Ringstecke n kommen . Zunächst treten dann .kaltfeste" Kolbenringe auf. Der Motor hat in ka ltem Zustand unzu reichende Kompression und springt schlecht an. In warmem Zusta nd lösen sich d ie Ringe abe r wieder und d ie Kompression ist in Ordnung. Schlimmer wird es, wen n .heißfeste" Ringe auft rete n, die dann auch im heißen Motor nicht mehr kor rekt abdichten. Die heißen Abgase streichen dann mehr und meh r ungehindert am Kolbenhemd vorbei und heizen den Kolben so auf, da ss es durch die thermisch verursachte Ausdehnung des Kolbens zum Kolbenfresser kommt. Trotzdem, ein Zuviel an Detergentien kann auch schade n. Dete rgentien sind besonders reichhaltig in Hochleistu ngsölen für Lkw enthalten, da hier der ins Öl einget ragene Ruß von den Metallobe rflächen abgewaschen werden soll. Trotzdem sind d iese Hochleistungs-Lkw-Öle fü r Benzinmotoren nicht gee ignet, da Detergentien bei de r Verbrennung, wie sie beim Ölverbrauch im Brennraum des Motors auftr itt, Metallmoleküle an de r Brennraumoberfläche hinterlassen, d ie bei zu hoher Dosis an Detergenti en zu Glühzündungen mit nachfolgendem Motor schaden führen können. Chemisch gesehen sind Detergentien soge nannte Metallsalze wie Sulfonate, Phena te und Salieylate, d ie meistens das Meta ll Calciu m enthalten. (d) Dlspergentlen Diese Additive halten die Fremdstoffe im Motorenöl in der Schwebe, dam it sie beim nächsten Ölwechsel mit dem Altöl den Motor verlassen. Dabei ist schwarzes Öl ein Zeichen dafür, da ss die Dispergentien gut ihrer Aufgabe nachkom men. Sauberes Öl beim Ölwechsel ist eher bedenklich, denn wenn d ie Fremdstoffe nur unzu reichend in Schwebe geha lten werden, kann es zum gefürchteten Schwarzschlamm kommen. Erfreulicherweise sind Motorräde r davon, im Gegensatz zu Pkw, so g ut wie ga r nicht betroffen. Als Dispergentien werden z. B. Succinimide eingesetzt. {e) Flie ßver besser er Diese Zusätze sind besonders wichtig im Einsatz unter strengen Winterbe ding ungen. Öle werde n dadurch wintertauglicher gemacht. Doch schütze n sie den Motor auch bei einem Kaltstart unter sommerlichen Temper aturen. Der Motor springt nicht nur besser an, sonde rn die Schm ierstellen werden auch schneller mit Öl versorgt, wodurch der Versch leiß weiter reduz iert wird, denn Kaltstarts belasten Moto ren bekanntlich überpropo rtional hoch. Als Fließverbesserer werden z. B. Potymethy lacry late eingesetzt. ( f) Buntmet aupasstvaroren
Buntmeta lle wie Ventilschaftabdichtungen aus Messing kön nen durch d iese Add itive zusätzlich vor dem Angriff agg ressiver Substanze n im Gebrauchtöl geschützt werden.
7.4 Motorenöle
259
(g) Dichtu ngsverr r ägti chkeirsverbesserer Es ist wichtig, die empfindlichen Gummidichtlippen besonders zu schützen. Es dürfen weder Quellung oder Aufweichung noch Verhärtung auftreten. Über gekonnte Additivierung und G ru nd ölkomposition (z.B. Ester) kann man hier viel zum Schutz der Dichtungen erreiche n. (h) Scha umdä mpfer Gerade hochdrehende Motoren sollten vor der Bildung von Oberflächenschaum geschützt sein. Wird Luft oder lufthaltiges Öl engesaugt. kann es rasch zu einem Zusammenbruch des Schmierfilms kommen. Gleitlager können dadurch über kurz oder lang zerstört werden. Insbesondere Kavitat ion, also eine Ar t .H öhlenbildung" durch .Jvlikroexplosionen" in Bereichen des Lagers, wo der Öldruck stark abfällt, kan n hier in hochbelasteten Gleitlagern auftre ten. Hier können übrigens auch leichtflüchtige Bestandteile im Öl wie eingetra gener Kraftstoff eine Rolle spielen. Als Schaumdämpfer werden üblicher weise geringe Mengen an Silikonöl zugegeben. (i ) Reibwer- tminderer
Reibwertminderer können den Leichtlauf eines Motors verbessern und so helfen, den Kraftstoffve rbrauch geringfügig zu senken oder die Leistung etwas z u erhöhen. Größe nordnungen von deutlich mehr als 0,5 % sind aber nicht zu erwarten. Reibwertm indere r werden bevorzugt in sogenannten Leichtla ufölen fü r Pkw eingesetzt. Wie im Abschnitt über Synthetiköle schon erwähnt können Reibwertmindere r in Motorrädern mit Nasskupplung zum ber üchtigten Kupplungsrutschen führen. Deshalb werden diese Zusätze normalerweise in Schmierölen. die speziell für Motorräder konzipiert wurden, nicht verwendet. Selbst fü r Motorräder mit Trockenk upplung ist vom Einsatz von Pkw-Leichtlaufölen eher abz uraten, da diese Öle generell oft zu dün n für die spezifisch viel höher belasteten Motorradm otoren sind. Auch die Getriebe, sofern sie vom Motoröl geschmiert werden, reagieren empfindlich und mit Verschleiß an den Zahnflan ken auf ein zu dünn es Öl.
7,4,3 Viskoslt ätsl ndexverbesserer Öle besitzen nat urgemäß eine gewisse "Zä higkeit". Diese ist vergleichsweise hoch bei niedrigen Temperaturen (hohe Viskosität) und nimmt bei steigenden Temperat uren deutlich ab (niedrige Viskosität). Idealer weise könnte man sich ein Öl vorstellen, das bei jeder Temperatur die gleiche Viskosität aufweisen würde. D.h. bei Kälte ermöglicht es einen leichten Motorsta rt und ist schnell an den Schmierstellen im Motor verfügbar. Gleichzeit ig würde solch ein ideales Öl bei ther misch hoher Belastu ng nie zu dünn werden. Leider gibt es solche Öle nicht, und so muss ein technische r Trick weiterhelfen, Ölen wenigstens annähernd solch ei ne Charakteristik, also eine sogenannte " Mehrhereichs-Charakteristik", z u geben. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten, die auch miteinande r kombiniert werden können. Zunächst kann übe r eine geeignete Grundölauswahl bere its eine Mehrbereichscharakteri stik e rreichen. Synthetische Öle und insbesondere die höherwertigen Hydrocracköle besitzen hier gute Ausga ngseigenschafte n. Dann kan n man Wirkstoffe, sogenannte Viskosit ätsindexverbesserere r, zugeben. Diese Vl-Verbesserer sind sehr große Moleküle, etwa 2· bis 3000 mal so groß wie Ölmolekille. Im kalten Zustand sind sie - vereinfacht ausgedrückt - zusammengeknäult und dicken das Öl nur wenig ein. Im heißen Zustand ent kn äulen sie sich aber so stark, da ss sie das Fließen der Ölmoleküle behindern. Dies führt zu einer erwünschten Bremsung des Dünne rwerdens des Öles bei hohen Temperaturen.
260
7 Kraftstoff und Schmie röl
Leider können Vl-verbesse rer unt er hoher Scherung zerschnitte n werde n und somit ih re Wirkung verlieren. Zusätzlich neigen sie dazu. den Motor ga nz besonders an heißen Stellen wie im Kolbenbe reich zu verschmutzen (z. B. Kohlebildung in der ersten Kolbenriugn ut). Gerade in Motorradmotoren. in denen nicht nur im Ventiltrieb sehr hohe Scherkräfte auf das Öl wirken, sondern zusätzlich ganz besonders im integrierten Getriebe und a n der Nasskupplung. Daher sollten im Motorradöl v l-ve rbesserer nur sparsam zudosiert werden. Auf unnötig große Viskositätsspa nnen sollte verzichtet werden , da da nn sel bst ein hochwertiges synthetisches Grundöl g roße Mengen an Vl-Verbesse rem benötigt. In Straßentesten mit Motorräd ern konnte gezeigt werden. dass synthetische Öle mit mode rater Viskositätsspanne pro 1000 km etwa d rei Prozent ihrer Viskosität durc h Scherung verloren, während selbst synthetische Öle. aber mit hoher Viskosit ätsspanne, über 16 Prozent pro 1000 km verloren.
Temperatu r
•
niedrig
.. hoch Grundöl wir\o;l als Lösungsmi ttel
•
schlecht
verknäult
konoo e Lösung Micelle
.. gut
Polymeres
•
•
entknäult echte Lösung
Bild 7.7 Wi rkungswe ise von v l-vc rbcsscrcm
,
0
•
5
--"" Kugelge lenke
Achssenenkel
,
,,
,
,
.' Lenkachse
Schwinge
8.3 Rah men und Radfü hr ungen
305
in dem Radt räger. dem soge nannten Achssc henkel. einse itig gelage rt. und d ieser Achsschenkel wiederu m ist mitte ls zweie r Kugelgelenke mit beiden Schwingarme n verbunden. Die Radh ubbewegu ng erfolgt damit auf einer gekrümmten Bahn. d ie Federu ng und Däm pfung de r Bewegu ng übernimmt ein einzel nes. schräggestelltes Fede rbein, das sich zw ischen den beiden Schwirrgarmen am Rahmen abstützt. Durch die Kugelgelenke. de ren Verbindungsge radedie Lenkachse bildet, wird d ie Lenkbewegu ng des Rades ermög licht. Die Lenkbewegung selber wird vom Lenker über ein Le nkrohr direkt auf de n Achsschenkel übertragen. Die teleskopartige Ausbildu ng des Le nkrohrs er nkoppelt dabei die Lenkbetätigu ng von der Hubbewegung des Achssc henkels. Das Massenträg heitsmoment um die Len kachse ist sehr gering, weil neben dem Rad nur der Achsschenkel bei der Lenkbewegu ng gesc hwenkt wird und dessen Masse sich nahe der Len kachse konzent riert. Die Rad kräft e we rden bei dieser Vorderradführung von beiden Schwinga rme n aufgenomme n und sehr gü nst ig auf geradem Wege d irekt in de n Rahmen eingeleitet. Es treten in de r Rad aufh äng ung wege n der ku rzen Hebelarme (nur etw a halber bzw, voller Radd urchmesser) nur geringe Biege- und Torsionsbea nspruchungen auf. weshalb diese Radaufh äng ung als sehr steif anzusehen ist. Die Leichtgäng ig keit der Radh ubbeweg ung ist auc h unter höchster Belastung gewa hrt, da kei n Verklemmen de r Radfüh rung auft reten kann , so dass die Feder ung im mer seh r feinfüh lig anspr icht. Voraussetzung da für sind allerdings reibungsarme. ausre ichend dimensionierte Kugelgelenke und eine ger inge Reibung im Teleskop des Lenkrohres. Bei allen Vorteilen bezüg lich de r Aufnahme und Weiterleitu ng der Rad kräft e und bez üglich des Fahrkomforts. gibt es abe r auch meh rere deutliche Nachteile bei de r Achsschenkellenk ung. So wird der Einschlagwinkel der Räder (Rang ieren des Motorrades) beg renzt vom unte ren Schw ingenholm, der dami t sehr weit nach außen gefüh rt werden muss, oh ne abe r die Einschlag winkel anderer Vorderrada ufbä ngunge n zu erre ichen. Dies ist auch belastungsmäßig ungü nstig, weil damit die Schwinge ein zusätzliches Biegemoment ver krafte n muss, wodurc h sich ihre Stabilität vermindert. bzw, d iese dur ch eine entsprec hende Dime nsionierung sichergestellt werden muss. Weiterhi n erfordert die unsymmetrische, einseitige Rada ufh ängu ng aus Steifigkeitsg rü nden eine g roßzügige Dim ension ier ung aller Rada ufh ängungsbauteile. Zudem erlaubt sie nur d ie Verwe ndung einer Bremsscheibe. die zwar belastungsgün stig fast in der Radmittenebene angeordnet werden kann, dort abe r nur unzureichend mit Küh lluft beaufschlagt wird. Und schließlich erfordert d ie Achsschenkellenkung eine aufwä ndige Lenkbetätigu ng mit teleskopartigem Lenkrohr und einem Hilfsrahme n zu r Lenkrohrlagerung. was das ohnehin nic ht übermäßig g ünst ige Gewicht der gesa mten Konst ruktion erhöht. Für ein präzises Lenkgefühl muss darüber hinaus das Lenkt eleskop spielfrei sein. was de ssen Fertigung verteue rt. Das we nig filigrane Aussehen der Achsschenkellenku ng ist sicherlich Geschm ackssa che, aber die aus ladende Konstr uktio n des Schwingarms kann nicht ohne negative Auswirkung auf die Aerody nami k und de n Luftwiderstand bleiben, wie die Frontansicht im Bild 8.37 nahelegen. Auch eine Studie von Suz uki m it eine r altern ativen Vorderradführung, Bild 8.37, wirkt nicht sch lan k. Welche Änderu ngen der Fahrwerksgeomet rie beim Ein- und Ausfede rn der Achsschenkellenkung auftreten, kann nicht beurteilt we rde n. weil d ie ge nauen Geometriedat en der Achssc henkellenk ung nicht vorliegen. G ru ndsätzlich lässt sich aber be i einer derart igen Konstruktio n durch entsp rec hende Wahl der Lenkerlä ngen. Gelen kpunk te und Anstellw inkel die gew ünschte Raderhebu ngskur ve und Fahrwe rksgeo metrie bei der Federbewegu ng in weiten G renzen vorwählen. Eben so ist ein Bremsnickausgleich (mechanisches Anti-d ive) problem los mög lich. Der Fed erweg der Achssc hen kellenk ung ist, ähnlich wie bei der Vorderradsc hwinge und dem TeleIever, durch de n knappen Baurau m für d as Federbein zwische n oberer und unterer Schwinge
306
8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfahrwerke n
Bild 8.37 Frontansichten verschiedener alternativer vorderr edfiihrungcn links; Studie von SU1UKI (Tokyo, 2003) rechts: Yamaha GTS 1000
begrenzt (theoretisch könnte man natürlich das Federbein mittels einer Hebel übersetz ung betätigen und damit Radfederweg gewinnen). Aufgr und des sensiblen Ansprech verhaltens g ilt aber für die Achssc he nkellenkung da s Gleiche wie für den Telelever: Die Anfangsfederh ärte kann höher sein als be i der Telegabel, und es ge nügt letztlich ein kürzerer Federweg für gleiche n, bz w. höheren Fahrkomfort. Bisher konnte sich die Achssc henke llenkun g au f breiterer Front nic ht durchsetzen. Bezüg lich der Herstellkosten dürfte diese Vorderradaufh ängung verg leichba r mit einer aufwändi gen Telegabelkonstruktion sein , während das Ge wicht eher höher liegt. In der Funktionsgüte fallt im Vergleich (Tests in Motorra d-Fachzeitsc h rifte n) derzeit die subjektive Beurteilung bezüglich Fahrd ynamik. Lenkpräz ision. Eigenlenkverhalten und Kurvenwilligkeit z ugunsten der Telegabel und de s Telelevers au s. Weite re Altern ativen von Vorderradführungssystemen konnten sich auf de m Markt noch nic ht du rchsetzen. Tech nisch interessant ist noch da s Diffa:!io-System mit einer Schwingenführung des Vorde rrads und einer Radnabenle nku ng. Diese Rad aufhängu ng, die BIMOTA in Einzela nfert igung ex klusiver Motorräder anbiete t, wird wege n de r ausgefallenen Art der Lenk ung im Kap. 8.4 behandelt.
8.3.3 Bauarten und konstruk tive Ausfü hrung der Ili nterradfü hrung Im Gege nsatz zu r Vorde rradau fh äng ung wird für das Hinterrad heute be i allen Herstellern als Radführu ngspri nzip ausnahms los d ie gezogene Lang arm schwi nge verwendet. Sie vereint die Vorteile eine r ste ifen Rad fü hru ng mit g uten Federu ngseigenschaft en und einfac her Bauweise un d bietet eine günstige Bremsmomentenabstützung. Es gibt allerdings in den Bauausführungen eine nahezu unübersehbare konstrukti ve Vielfalt, die man zunächst grob in zwei Kategorien ei nteile n kann : Schwi ngen ohne übersetzte Federung u nd Schwingen mit Hebelübersetzung. Beide werden als Einarm- und Zweia rmschwingen gebaut. Bild 8.38 zeigt ty pische Beispiele für verschiedene Schwingenkonstru ktionen. Gemeinsames Ziel aller Konstruk tionen ist wie be im Vorderrad ein e verwind ungssteife Rad führ ung und hoher Fahrkomfort durch opti male Feder- und Dämpfercharakteristik. Eine Grundvora ussetzung da fü r ist zu nächst ein möglichst g roßer Radfederweg. der allerdings nicht
8.3 Rahmen und Radfü hrungen
307
Zweiarmschwinge in Kastenp rofilbauwe ise
Zweiarmschw inge als RohrKonstruktion
Zweiarmschwinge als Guss konstruktton
Einarmschwin ge als RohrKonstruktion
Ri ltl lt3K Bauprinzipicn und ausgef ührte Konstruktion en von Hinterradschwingen
mit einer übermäßig großen Sitzhöhe erkau ft werden sollte. Dies kann bei der nichtübersetzten Schwinge durch die Anordnung und einer Schrägstellung des Federbeins erreicht werden. Anhand von Bild 8.39 werden die Zusammenhänge deutlich. Bei der klassischen Anordn ung mit nahezu senkrechtem Federbein nahe der Radachse bestimmt die Federbeinlänge die Sitzhöhe. Der Radfeder weg entsp richt ziemlich genau dem konstruktiv möglichen Einfederweg des Federbeins. Der durch den Radfreigang bestimmte, theoretisch mögliche Einfederweg kann nicht ausgenutzt werden.
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwer ken
308
Ordnet man das Federbein näher an der Schwingenachse a n, wird be i gleichem Einfederweg fü r da s Federbei n, d.h . bei gleichbleibender Federbei nlänge und Sitzhöhe. Radfederweg gewonnen (St rahlensatz). Eine Schrägs tellu ng des Federbeins vergrößert den Einbauraum (Lä nge) für da s Federbein, so da ss wahlweise das Fede rbein und dam it de r Federweg verlängert ode r die Sitzhöhe abgesenk t werden könnte. Doch selbst be i konsta nter Federbeinlänge vergrößert sich der Radfederweg noch gegenüber dem geraden Federbe in bzw, es könnte bei gleichem Radfederweg dur ch ein kürzeres Federbein d ie Sitz höhe verkleine rt werden. S eide Konstr uktionen. die Schrägs tellung wie das nach innen versetz te Fede rbein . erhöhen aufgr ünd der Hebelgesetze die Abstütz krä fte. d ie die Federbeine in de n Rah men einleiten.
-r--------
Sitzbank.linie - - - - - --
Radfreigang = max möglicher Einfederweg
~k",,4e-~~t~i==ty
-f-----
Sitzbank.linie - - - - - - - -
Einfederweg am Federbein, bedingt durch Blocklänge der Feder", Radfederweg
------- Sitzbanklinie------- -
•
""' ~
N
.~
'Y,;~""~~t~:~1R~' ~ -_ _ ~dfederweg
Bild H.39 Zusammenh ang zw ischen Radfederweg. Federweg am Federbein und Sitzhöhe
Bild HAO Cantilcver-Hinterradfederu ng
8.3 Ra hmen und Radfü hrungen
309
Eine extrem schräge FederbeinsteIlung erlaubt die so genannte Cantilever-Federung. bei der ein einzelnes, zentrales Federbein unterhalb des Hauptrahmens des Motorrades angeordnet ist, Hild 8.40. Durch die Geometr ie ergibt sich eine Progression. Die Schwinge ist als Dreieckskonstruktion ausgefüh rt und damit sehr steif. Die Einbaulage ermöglicht nahezu eine beliebige Länge für das Federbein und damit extreme Federwege. weshalb sie z uerst im Moto-Cross Sport ( YAMAHA 1973) eingesetzt wurde. Nachteilig ist das relativ hohe Gewicht der Schwinge, das die ungefederten Massen erhöht sowie die schlechte Kühlung des Federbeins unter dem Tank. Wie wir später noch sehen werden, sind zu große Federwege wegen ihres negativen Einflusses auf die Fahrwerksgeometrie bei Straßenmotorrädern auch nicht immer erwün scht. Neben der Zweiarmschwinge gibt es seit einigen Jahren auch Einarmschwingen mit einem Federbein. Ausgehend von Enduro- Motorrä dern, bei denen sich die Forderung nach einem unkomplizierten, schnellen Radausbau ergibt, hat sich diese Schwingenbauart auch bei Straßenmotorr ädem etabliert. Bild 8.41 zeigt verschiedene Ausführungen dieser Konstru ktion. Die Vorteile neben dem Radausbau liegen vor allem darin, dass wegen des einzelnen Federbeins keine toleranzbedingt unterschiedlichen Feder- und Dämpferk räfte mehrauftreten können. Diese können bei herkömmlichen Zweiarmschwingen mit zwei Federbeinen zum Verwinden der Schwingarme und als Folge zu einer unerwünschten Schrägstellung des Hinterrades (Radsturz) führ en. Bei beanspruchungsgerechter Konstruktion sind da her Einarmschwingen hinsichtlich
Bild 8.4 1 Einarmschwingen BMW F 800 (oben) und MV Agus ta F 4 (unten)
310
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwer ken
der Präzision der Radführu ng und der Steifigkeit (großer Durch messer des Schwingarms) den Zweiarmschwi ngen überlege n. Gew ichtsmäß ig allerd ings kö nnen mit Einar msc hwingen wegen der notwend igen größeren Dimen siomerung (exzentrischer Kraft angr iff) keine wesentlichen Vorteile erzielt werde n. Ein weiterer Nachteil kann die einseitige Rah menbeanspru chung sein, wenn die Federbeinkräfte unsy mmetrisch in de n Rah men eingele itet werden. Schwingenkonstru ktione n mit Hebelübersetzu ngen ruf d ie Federung und Dämpfu ng haben ebenfalls über die Enduro- und Moto-Cross-Motorräd er ihre n Weg in den Straßen moto rrad bau gefunde n. Die übe r Hebelsysteme von de r Rad - bzw. Schwingenbeweg u ng entkoppelte Einu nd Ausfeder ung ermöglicht die Erzeugu ng einer kinematischen Progress ion un d erlaubt damit eine radweg- bzw. belast ungsabhängige Verände rung de r Fede r- und Dämpferkennungen. Beispielhaft ist die Fu nktion einer hebelübersetzten Schwi nge im Bild 8.4 2 dargestellt. Das Federbein wird ind irekt übe r zwei Hebel betätigt , die an der Schwinge und am Rah men engele nkt sind. Mit ansteigen de r Radei nfede rung wird da s Gele n ksystem ges trec kt u nd damit der Weg am Federbein z unehmend g röße r. Bei linearer Fed erken nung ergi bt dies d ie gew ünsc hte prog ress ive Zuna hme sowohl der wirksa men Feder kraft als auc h der Dämpfun g. Federbein zentral zwischen den Schwingenholmen
V
e,;:J
eingefedert
Normallage Hebel zum Federbein ausgefedert
Nulllage (Normallage ) der Federung bei Belastung der Fahrer -
o
neg. Federweg. I "Ausfedem"
Pos, Fede rweg, "Eintedem" -
50 Radfederweg [% 1
Blld 1'1.42 Hinterradschwinge mit Hebelübersetz ung (YAMA J!A Monocros s)
"':
100
8.3 Ra hmen und Radfü hrungen
311
Das Diagramm im Bild zeigt qualitativ den Zusammenhang zw ischen Radfederweg und dem Weg am unteren Anlenkpunkt des Federbeins. Der flache Verlauf der Federwegkurve um die Nulllage gewäh rleistet ein sensibles Ansprechen der Federung; durch den Anstieg bei hoher Radeinfede rung verhärtet sich die Federung bei groben Fahrbahnst ößen. so dass ein Durchschlagen verhindert wird. Bild 8.43 zeigt weitere Lösungen für über setzte Federungen bei Hinterradschwingen . Bei prinzipiell gleicher Funktion unterscheiden sich die Konstruktionen lediglich durch die Anordnung und Längen der Hebel und die Lage des Federbeins. Neben der Anpassung an die individuellen Bauverhältnisse beim jeweiligen Motorrad und der Erzielung unterschiedlicher Progression hat die Konstruktionsvielfalt oft auch den Grund, patentrecht liehe Absieherungen der Wettbe werber zu umgehen. Grundsätzliche Neuerungen bieten die da rgestellten Lösungen nicht, so dass auf Einzelhe iten nicht näher eingegangen zu werden braucht.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass bei allen federungstechnischen Vorz ügen die übersetzte Federung den Nachteil hat, dass die Hebel bzw. die Hebellagerungen sehr große n Kräften (entsprechend den Übersetzungsverhältnissem ausgesetzt sind. Sie müssen deshalb sehr kräftig
-- .-
. - - - ~-
YAMAH A
SUZUKI (Full Floater)
Bild 8.43 Weitere konstruktive Lösunge n für übersetzte Federungen bei Hinterradschwingen
312
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwerke n
d imensioniert sein, wenn Versc hleiß und vorzeitiger Ausfall vermieden werden sollen. Für die Hebel lager we rden Gu mmi-M etallla gerungen (Sile ntbuchse n), Bronzebuchsen ode r Nadellage r vorgese hen. Der Aufwa nd ruf die Hebelübersetzung erhöht das Gew icht der gesamte n Schwingenkonstruküo n und d ie Herstellkosten. Eine Teilkompe nsation e rgibt sich aber zumindest gegenüber der ko nventionellen Zwe iarmsc hwinge dur ch de n Entfall eines Federbein s. Entscheidend ruf die G üte der Hinterradschwinge ist die Lager ung im Rahmen. Sie muss k räftig d imensioniert un d steif ausgefü hrt sein. Die beste un d steifste Konst ru ktion der Schwinge bleibt nutzlos, wenn Spiel in der Lage rung au ftret en ka nn und dad urch d ie Spurha ltu ng de s Hinterrades verschlechtert wird. Eine auf Dauer vers chleiß- u nd spielfreie Lage rung kann nu r mit (teuren) Kegel rollen lagern erre icht werden. Es wurde schon darau f hingewiesen . da ss der Federweg am Hinterrad zw ar grundsätzlich g roß bemessen sein soll. für rei ne Straßenmotorrä der allerdings n icht länger als es für den gew ünschten Komfort nötig ist ausfallen sollte. Denn die result ierenden Geometrieveränderu ngen (Radstand, Nac hlauf, Lenk kopfwinkel} werde n sonst zu groß un d wir ken sich nachteilig aufdie Fahrstabilität aus, vgl. auc h Kap. 8. 1 und Kap. 8.2. Ein weiterer wichtiger G rund sind die Rückwirku ngen de r Schwinge nbewegu ng auf den Antriebsstrang. die anha nd der Bilder 8.44 u nd 8.45 zunächst fü r kettenget riebene Motorräder erläutert we rde n sollen. Zur Verei nfachu ng neh men wir mo ment an an, das Kette nr itzel befinde sich ge nau im Schwingend rehpunkt. diese in der Praxis be i Se rienmotorrä der nu r in Einzelfällen zutreffende Vorausse tz ung we rde n wir an schließend fallenla ssen. Wenn das ausgefederte Rad bis zu r Horizontalen einfedert ( Bild 8.44, linke obe re Abbildu ng), vergrößert sich de r horizontale Abstand zw ischen Radm ittelpun kt und Schw ingenlage r (d ie einfede rnde Schwinge schiebt das Rad von sich weg). Er wird am größten bei genau wa age rec hter Lage der Schwinge. Bei der weiteren Einfederung über die Horizontale hinaus (Abbildung oben rechts), nähert sich das Rad dann wieder dem Schwingendrehpunkt. Diese Abstand sänderungen sind zwa ngsläufig mit einer Radd rehung verknüpft, den n das Rad rollt ja au f der Fahrbahn ab, wenn sich die Lage des Radmittel pu nk tes versc hiebt. Die Einfede rung bis zu r Horizontalen bedingt eine Rückwärtsd rebung, bei der we iteren Einfederun g d reht das Rad da nn wieder vorwä rts. Diese Vorwä rts- und Rückwärtsdr ehung des Rades lässt sich übrigens beobachten, wenn man das Motorrad im Stand kräft ig durchfedert. Die gleiche Drehbewegung macht natürl ich auch da s Kettenrad am Hinterrad mit, wegen des ger ingeren Durchmessers ist die abgerollte Wegstrec ke am Kettenradumfang aber kleiner als am Reifenum fang. Die Kette wird dann am Kettenrad aufgewickelt und an der gegenüberliegenden Seite um die gleiche Weglänge wieder abgewickelt (u ntere Bildreihe), woraus ein Vor- und Rückdrehen des Kettenr itzels am Get riebeausgang folgt. Diese Zwangsbeweg ung von Kette und Kettenr itzel überlagert nat ürl ich den Ant riebszu g de r Kett e, was einmal die Kette selbst z usätzlich bea nsprucht (Verschleiß ), sie zu Schwingungen anreg t, und da rüber h inaus den gesamt en An triebsstrang verspannt. Um das abz umi ldern , sind elastische Zwischenglieder, meist in Form von Gu mmipuffern zw ischen Kettenrad und Hinterrad , in den Antriebsst rang geschaltet. Es leuchtet unmittelbar ei n, dass die Drehbewegungen des Hinterra des bei m Durch federn mit ansteigendem Fede rweg g röße r we rden und sich daraus eine Begrenz ung des Federwegs ableitet. Bei Wettb ewerbsmotorrädern mit sehr g roßen Federwegen (M oto-Cro ss) wird d ie höhere Ketten- und Antriebsstrangbelastung durch entsprec hende Bauteilausleg ung berücksichtigt bz w. in Kauf genommen, der höhere Versch leiß spielt eine untergeordnete Rolle. Neben dem
313
8.3 Ra h me n und Radführ un ge n
Fede rweg hat natü rlic h auc h die Schwi nge nlänge eine n Einfluss a uf die Dreh bewegung des Hinterrad es. Je kü rze r d ie Schwi nge, d.h. j e ge kr üm mter die Kreisbah n der Radführ ung ist, desto größer werden die ho rizo ntale n Absta ndsä nde ru ng en beim Ein- und Ausfeder n. Da he r ist g ru ndsätz l ich eine möglichst g roße l ä nge de r Hinte rradsc hw inge a nz ust re ben. Überlagert w ird die Zwangsdrehbewegu ng de s Hinte rrades bzw, Kette nr ades vo n der sogena n nten Plan ete nbeweg ung, die im Bild 8.45 er läu te rt ist. Es sei die Hinterradeinfede ru ng von " I" nac h ,,2" betrac htet , bei de r das Hinte rrad zu samme n m it dem Ke ttenrad u m die Achse
Einfederung bis zur Horizontalen
Einfederung ab der Horizontalen
,
\
»>
.-'-~ - ~
_ ~-.-
"'
" ausge feclert
,
I•
, abgewälzte Strecke
/
.-
, ,I ~ l;
-a-
,
Horizontal-
lage
- - - - - i !-
abgewälzte Strecke
Der Radaufstandspun kt wandert nach hinten. DerRadauf stands punktwande rt nach vorne. also muss das Rad rückwä rts drehen , um von also muss das Rad vorwä rts drehen , um scn 1 nach 2 zu kommen 2 nach 3 zu kommen
Ritzela m Getriebeausgang
........
.
,
! abgewälzte Strecke Kette wi rd von "1" nach "2" unten am Kettenra d abgewickelt und an der Oberseite
wieder a ufgewickelt. Entsprechend werden das Ritzelund der Motor zurückgedreht
abgewälzte s eeo.e
,'--
Kelle wird von "2" nach "3" unten am Kettenrad aufQewickelt und a n der Obe rseite wiede r ebqewckelt. Entspreche nd werden das Ritzel und der Motor vorw ärtsqed rebt
Riltl 8,44 Rück wirk ung der Federbeweg ung der Schwinge auf J en Antrie bsstrang
314
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwer ken Kette wircl aufgewickeR
"2"
-~- -
-- .
" 1" Bild 8.45 Planctcnbcwcg ung des Ketten rades um d as Kettenritzel
des Kettenr itzels (= Schwingenachse) schwenkt. Die Kette sei straff gespannt. Die Schwenkbewegung kan n nur erfolgen, wenn das hintere Kettenrad (und damit auch das Rad) sich rück wärts dr eht (die Vorstellung wird erleichtert, wenn man den Extre mfall einer 180 o-Drehung der Schwinge um das Ritzel gedanklich ausfü hrt). Der Drehwinkel des Kettenrade s entspricht dabei genau dem Einfeder ungsw inkel a. und d ie Kette wird entsprechend auf das Kettenr ad aufgew ickelt. Die gleiche Ketten länge, d ie am Kett enrad aufgew ickelt wird, muss am Kettenritzel abgewickelt werden, d. h. der Drehwi nkel am (kleineren) Kettenr itzel muss entsprechend dem Übersetzu ngsve rhältnis (Kette nr itzel z u Kett enra d) g rößer sein. Daraus resultiert im realen Fall ein zwangsweisesZuriickd rehen des Motors, wenn das Hinterrad ein federt. Dieses Zur ückd rehen aufgru nd der Planetenbewegun g überlagert sich mit der z uvor(Bild 8.44) beschrieben en Zwangsdrehung des Rades dur ch die Abrollbewegung beim Ein- und Ausfedern , wobei allerd ings betragsmäßig die Planetenbeweg ung deutlich größe re Drehwinkel verursacht. Betrachten wir nun noch d ie Verhältnisse im real sehr häu figen Fall, dass der Schwingendrehpunkt nicht mit dem de s Kettenr itzels zusa mmenfa llt, sonde rn dieser (in Fahrtrichtung) vor dem Schwingend rehpunkt liegt, Bild 8.46. Die Kreisbahn der Hinterradschwinge hat dann einen kleineren Radius (= Schwingenlänge) und ist demzufolge stärker gekrümmt. Daraus resultiert bei Ein- und Ausfederun gjen seits de r horizontalen Schwingenlage eine Verkürzun g des horizontalen Absta ndes von Kettenrad und Ritzel, d.h. d ie notwendige Kette nlänge verringert sich (der gedankliche Extremfall wäre eine 180o-Drehu ng der Hinterradschwinge). Es ergibt sich also beim Ein- wie beim Ausfedern ein Durchh ang de r Kette im Leertru mm, de r eben falls mit dem Federweg zu nim mt. Das ist der Grund, weshalb beim unbelasteten Motorra d, wenn d ie Schwinge nicht horizontal steht, sondern nach unten ausgelenkt ist, immer ein Durchhang der Kelle eingestellt sein muss. Eine stralTgespannte Kette würde in diesem Fall beim Einfedern in horizontaler Lage übermäßig gedeh nt und über den Kellen zug unzulässig hohe Querkräfte auf d ie Getriebeausgangswelle ausüben , im Extremfall könnte die Kelle soga r reißen. Auf die Zwangsdrehung des Hinterrades aufgrund der Planetenbeweg ung und der Abrollbewegung beim Durchfedern hat d ie unterschied liche Lage von Schwingendrehpunkt und Kettenr itzeldrehpunkt nur insofern Einfluss, als dass sich d ie Größen der Drehwinkel verändern. Auf d ie genaue Darstellung der geometrischen Verhältnisse soll an d ieser Stelle verzichtet
8.3 Rahmen und Radführungen
-.
Schwenkbereich.wenn Schwingendrehpunkl mit Ritzet zusemrrenränt
315
Schwenkbereich der Schwinge
~ Getriebeau~s~g:a~n~g~3~~~~~;=~Irt:
Ritzet am
Kettenrad
Scbwnqen-
"2"
Bild H.46 Längendehnung der Kette d urch unterschied liche Lage von Schwingendrc hpunkt und Drehpunk t des Ketten ritzels
drehpunkt
Verkürzung
des Abstands Kettenrad-Ritzel werden. Der Zwangsdrehbewegung des Kette nrades ist allerdings im realen Fahrbetr ieb die Abstandsänderung von Kette nrad und Ritzel beim Durchfedern überlagert und damit wechselnde Kettenspann ung. Zusammen mit der Massent rägheit. der die Kette beim Beschleunigen und beim Übergang in Schubphasen bzw. beim Bremsen unterliegt, führen beide Vorgänge zu Vertikalschwingungen in der Kettenebene. die den Ketten strang durchlaufen. Bei MotoCross-Motorrädern mit großen Federwegen und entsprechenden Kettendurch hängen könne n die Schwingungsamplituden beträchtliche Größen erreichen, so dass die Schwingungsformen manchmal gut sichtbar werden (Fern sehaufnahme n in Zeitlupe). Mittels entsprechender Kettenfü hrun gen oder separater federbelastete r Keue nspa nner muss versucht werden, die Schwingungsausschläge so zu begrenzen, dass ein ordentlicher Einlauf der Kette auf die Kettenräd er gewährlei stet wird, weil sonst die Kette überspringen kann . Aus der Federbewegung und dem Kettenantrieb resultieren noch weitere Rückwirkungen. So entsteht aus dem Unterschied zw ischen Kette nzugrichtung und Richtung der Umfangskraft arn Kettenrad eine vertikale Störkraft, die die Federung beeinflusst (Verhärtung). Die Größe dieses Kraftvektors hängt ebenfalls von den geometrischen Verhältnissen der Schwinge und des Kettentriebs ab. Auch der sogenannte high-sider, der bei Straßenrennmaschinen auftritt, wenn das Hinterrad plötzlich wegrutscht und sich dan n wieder fangt. und bei dem der Fahrer regelrecht aus dem Sitz katapultiert wird, hat seine Ursachen in Kraftw irkungen, die aus den geometr ischen Verhältnissen an der Hinterradschwinge herrühren. Er kann mit einer geschickten kinematischen Auslegung von Schwinge und Kettent rieb wirkungsvoll abgemildert werden [8.1 ). Wegen der Komplexität der geometr ischen Anordnungen und der Kraftwirkungen soll auf derartige Effekte nicht näher eingegangen werden. Für Motorräder mit Kardanantrieb gilt hinsichtlich der Rückwirk ungen der Schwingenbewegun g auf den Antrieb prinzipiell das Gleiche. wie für Ketlenma schinen. Das Vor- und Zurückdrehen des Hinterrades wirkt sich hier über die Verzahnung des Winkelgetriebes auf
316
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwerke n Gelriebeseile Kardangelenke
Federbelasleter
Nocke n
Antriebswelle aus ko nzentrischen Rohre n mit eingepresster Gummi -
zwischenlage
Bild It47 Torsionsdämpfer beim Kard anan tr ieb
d ie Antriebswelle (Karda nwelle) aus, weshalb zwischen Ge triebeausgang und Kardanwelle ein Torsionsdämpfer geschaltet ist, der entweder als federbel asteter Nocken oder als Gummielement ausgebildet ist, Bild 8.47. Die Längenänderung. die d ie Antriebswe lle beim Ein- und Ausfedern analog z ur Kette erfahrt, wenn der Schwingend rehpu nkt und das Gelenk de r Ant riebswelle nicht zu samm enfallen, wird dur ch eine Längsverschiebbarkeit der Welle (z.B. mittels Keilnulverzahnung) ausgeg lichen. Betrachtet werde n sollen noch d ie Reaktionen, d ie an der Hinterradschwinge beim Bremsen auftreten. Wie im Kap. 8.1 (Bild 8.5) schon erläutert wurde und aus der Erfahru ng geläufig ist, wird beim Bremsen das Vorde rrad belastet und das Hinterra d entlastet. Dieser Mechanism us beruht auf den bei der Bremsu ng au ftretenden rrüghei f.l"krüJfen und ist dah er grundsätzlich unabhängig von der Art der Bremsbetä tigung (Vorderrad- oder Hinterradbremsung oder beide gemeinsam). Je nach Bauart der Radführungen stellen sich Beweg ungsreakt ionen an den gefederte n Rädern ein. Üblicherweise taucht das Vorderrad (z.B. bei der Telegabel) mehr oder weniger stark ein, entsprechend hebt sich da s Fahrzeugheck an. Dieser prinz ipiellen Reaktion überlagern sich nun d ie Wirkungen der Bremskräft e an den jeweiligen Rädern. Bild 8.48 zeigt d ie Fahrwerksreaktion am Hinterrad, wenn ausschließlich mit der Hinter radbremse gebremst wird. Betrac htet werden nur d ie dynam ischen Radkräft e, d.h. d ie statischen Rad lasten sind nicht be rücksichtigt , da sie von der statischen Einfede ru ng aufgenommen werden. Die Kra ftkomp onente t..Gh aus derdynam ischen Radl astverlageru ng entlastet das Hinterrad , wobei die Massenträgh eit als Ursache jetzt im Kräftesystem nicht mehr berü cksichtigt zu werden bra ucht. Diese Entlastung des Hinterrades bew irkt nun über den Hebelarm der Schwingenlänge I ein Moment M s u m den Schwingendrehpunkt, so dass da s Heck angehoben (hochgehebelt) wird (die ebenfalls zulässige Betra chtungsweise ist d ie. dass die Entlastungskraft t..Gh die statisc he Hinterrad last verminde rt und sich d amit d as Motor rad aus den Federn hebt). Übe rlagert man nun die Kra ftw irkung aus der Bremsung des Hinter rades, so erzeugt d ie Bremskraft über den Hebelarm h ebenfalls ein Moment um den Schwi ngend rehpunkt (Mb). Dieses wi rd dur ch d ie Reibk raft an der Bremsscheibe (Es) in die Schwinge eingekoppelt, wenn, wie üblich , der
.
317
8.3 Rahmen und Radführungen
..
Mas se nträghe it
M s =.6G h* Mb = B *h
I
,
Bi ld KAK
I
~ h , ,I
Kraftwirkungen an Hinterrad und Schwinge beim Bremsen mit der Hinterradbremse B
,•.- - I
Bremssattel fest mit dem Schwingenholm verbunden ist. Es wirkt am Schwingendrehpunkt gegensinnig z um Moment aus der Radentlastung und versucht dam it. das Hinterrad z um Einfedern zu bewegen. Wenn also allein mit der Hinterradbremse gebremst wird. dann will zwa r d ie dynamische Radlastverlagerung imme r zunächst ein Anheben des Fahrzeugheck s (Ausfedern) bewirken , zugleich hält aber das Bremsmoment dagegen , so dass sich je nach den geometrischen v erhältniesen am Fahrzeug (Bremsenanord nung. Schwerpun ktlage, Schwingenlänge) als Resultat eine entsprechende Ein federung. also ein Absenken des Fahrzeughecks ergibt. Anders hingegen bei der Bremsur ig nur mit der Vorde rradbre mse bzw, mit beiden Bremsen gemeinsa m. Aufgru nd der hohen Verzögerung, die dann erzeugt wird. dominiert die Träg heitswirkung und die dy namische Rad lastverlage rung wird sehr g roß. Das resultierende Moment Ms ist in diesem Fall immer sehr viel g rößer als das Bremsmoment an der Hinterradbrem se. so dass das Fahrzeugheck ausnahmslos angeho ben wird. Will man d ie Hinterradschwinge und die Fede rung von de n Reaktione n aus dem Bremsmoment entkoppeln , darf d ie Bremskraft nicht mehr in die Schwinge eingeleitet werden. sondern der Bremssattel muss wie im Bild 8.49 angeordnet werden. Durch die gelenkige Lagerung des Bremssattels kan n kein Moment aus der Brem skraft mehr auf d ie Schwinge übertragen werden. Die Abstützung der Brem skraft erfolgt über eine Druck strebe. d ie am Rahm en beweglich gelagert ist und d ie Bremskraft dort einle itet. Das Bremsmoment bewirkt keine Schwingend rehung mehr. Beim umgekehrten Fall zu r Brem sung, dem Ant rieb, folgen die Kräfte und ihre Rückwirkungen auf die Hinterradschwinge analogen Gesetzm äßigkette n. Im Gegensatz zum Brem sen, das naturgemäß ein instatio närer Vorgang ist, muss beim Ant rieb zw ischen der Konstan tfahrt (Ü berwindung der stationä ren Fahrwidersta nde) und der beschleunigten Fahrt untersch ieden werden. Beim Beschleunigen bewirkt die dyna mische Rad lastverlager ung immer eine Momentenwirkung an der Hinterradschwinge. Sie g leicht. bis auf die umgekehrte Kraftrichtung. der bei der Bremsung. Aus der Zusatzbelas tung de s Hinterrades (vgl. auch Bild 8.5) folgt zunächst
318
..
.
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwer ke n
Massenträgheit
B,
B ,I
Bild H.49 Entkoppcltc Anord nung des Bremssattcls
eine Einfederbewegung der Schwinge. Eine d ifferenzierte Betrachtung erfordern die Reaktionen an der Schwin ge aufgrund der Ant riebskräfte , die in der Reifenau fstandsfläche immer, auch bei konstanter Fahr t oh ne Besch leunigung, wirksa m sind. Es wird zu nächst der Kette nantrieb betrachtet, Bild 8.50. Die Keuenzugkraft Fk. erzeug t am Rad das Antriebsmoment, dem über die Ant riebskraft FA in de r Radau fstand sfläche das Gleichgewicht gehalte n wird. Das Antriebsmoment bzw. die Ant riebskra ft übt auf d ie Schwinge keine unmittelbare Wirku ng aus, de nn das Radla ger als Drehgelenk ka nn kein Moment auf die Schwinge übe rtragen. Es wirkt aber an de r Radac hse die Reaktionskra ft aus dem Kelte nzug (F k 0), die über den eingezeichneten Hebelarm versucht, die Schwinge aufz ustellen (Moment M k). Da de r Hebelarm kur z ist, entste ht auch bei großen Ant riebs- bzw. Reaktionskräften nur ein kleines Moment. Das Rad federt etwa s aus, die (nicht eingezeichnete) Federbeinkraft wirkt dage gen, so dass sich bei Konstantfahrt ein Gleichgewic ht an de r Schwinge einstel lt. Bei jeder Änderung des Kettenzu gs. Z.B. beim Gaswegnehmen vor dem Schalte n ode r beim Beschleuni gen, erfolgt eine Bewegu ngsreak tion der Schwinge. Bei der Gaswegnahme feder t da s Rad z.B. etwas ein, weil dan n das Moment M k wegfällt. Eine Beschleunigu ng bewirkt, wie bereits erwäh nt, eine Einfeder ung infolge der dynamischen Radlastverlageru ng (Mom ent M ,) I. Die dur ch das Moment M k bewirkte Ausfede rung ist betragsmäßig so klein, dass sie nicht dagegen halten kann. Insgesamt sind also die direkten Rückw irkungen des Antriebs auf die Schwinge bei de r Kelte gering. Anders ist das beim Kardanantrieb; die Reaktionen aus dem Antrieb dort sind im Bild 8.51 dargestellt. lnfolge der Träghe it des Rades kann die Kette nzugk ratt beim Beschleunigen eine zusätzliche, direkte Momcntcnwirkung ausüben. Das Massenträgheitsmoment des Rades wi rkt bei der Beschleunigung so. als ob das Rad momentan d rehfest an die Schwinge ange koppelt wäre. Dadu rch erzeugt die Kette nz ugkraft. wenn sie nicht durch den Schwingendreh punkt geht , sondern durch ihre n Abstand einen Hebela rm bildet , ein Moment um den Schwingcndrchpun kt. Bei üblicher Geometrie resultiert aus d iese m Moment eine geringe Einfederung.
.
8.3 Rahmen und Radführ ungen
319
(Massenlrägheil - Beschleunigung)
(M s = .6.G h * I)
..
M k = Fk* * h k Bei Konstanlfahrt ____-:~~ -, ird h '" 0
sa
, FA ,I ,I ("G h )
, ,I
,I
.',
,I .
Bi ld K.50 K raft - und M omentenwirk ungen auf die Hin terradschwin ge beim K ettenantrieb
Fahrtrichtung
•
Bi ld S.51
____-~~ " MAN ,, \ Durch die feste Verbindung von Kardang enäuse und Schwinge wird über die Verzahnung das Antriebsmoment in die Schwinge eingeleitet.
Kraft- und Momcnlcnwirk ungcn auf die Hinterradschwinge beim Kurdanantrieb
Wir betrachten wieder nur die Reaktionen bei der Konstantfahrt. Über die Verzahnung des Winkeltriebs im Kardan und die feste Verbindung des Kardangehäuses mit der Schwinge wird die Antriebskraft FA in die Schwinge eingekoppelt. Mit dem Hebelarm h e rgibt sich ein Moment (Aufstellmoment M K D) , das die Schwinge im Drehpunkt a nheben will.' Das Rad federt aus. die Federbeinkraft (nicht eingezeichnet) wirkt dagege n und sorgt fü r das Gleichgewicht. Das Moment an der Schwinge ist sehr viel höher als beim Kettenantrieb, weil die gesamte Antriebskraft über einen großen Hebelar m an der Schwinge wirkt. Deshalb sind die Lastwechselrea ktionen beim Karda nantrieb sehr viel auslJildlich gut vorstellbar wird dic Kardanrea ktion. wc nn man in Gedan ken das Motorra d gegen ein Hindernis stellt, das d ic Vorwärts bewegung zunächst ve rhindert (wie es im Prinz ip der Fahrwiderstand auch tut ). Da nn würde dic angetriebene Kardanwelle versuchen . sich auf de r Verzahn ung weiterzubewcgcn . Dies haue in der gezeich neten Anord nung cin Anheben de r Schwinge im Schwinge nlage rpunk t. also ein Ausfedern . zur Folge.
320
8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfahrwer ke n
geprägter als beim Kette nant rieb. Beim Gasweg nehmen (FA = 0) bricht da s Aufstellmo ment schlagar t ig zusa mme n und die Hi nterrad federu ng sackt ein. Die Federbewegu ngen sind u mso intensive r, je größer der Federweg und je weicher d ie Federung ausgelegt ist (Fah rstuhleffekt de r alten BMW Boxermotorräder ohne Paralever). Beim Beschleunigen hebt sich das Fahrzeugheck an (Ausfederung), allerdings wirkt die dynamische Rad lastverlage ru ng dagegen. Insgesamt beeinträchtigen d ie beschriebenen Federbewegu nge n be im Lastwec hsel des Kardanant riebs die Fahrsicherheit. Sie bringen generell Unruhe ins Fah rwerk, weil sich mit de n Federbewegungen auch d ie Fahrwerksgeometrie ändert (Kap. 8.1). Das Einsinken des Fahrzeughecks beim plötzlichen Ga sweg neh men verringert in Schräg lage d ie Bode nfre iheit, so dass da s Moto rrad aufsetzen kan n. Routinierte Fahrer allerdi ngs nutzen da s Ausfedern , das sich be im Gasgeben einstellt, um in Kurven eine g röße re Bodenfreiheit zu gew innen und erzie len so eine höhere Sch räglage u nd g rößere Ku rvengeschwin d ig keiten. Eine Elimini erung de r Fah rwerksrea ktionen wir d erreicht. wenn d ie Stülzkräfte de s Antriebs von der Schwinge entkoppett werden. Dazu muss das Ge häuse des Hinterrad antriebs d rehba r in der Schwinge gelagert werden und die Reak tionskräfte müssen in den Rah men eingeleitet werde n. Eine entsprechende Konstruk tion wurde von BAl W u nter dem Namen Parale ver in Serie eingeführt, Bild 8.52.
Bremssattel
1~~~~~,-/
~
•
Gelriebegehäuse (rahmenfest)
:/:: ,
Drehge lenk {Kegelrollenlager} für Achsanl riebsgeh8use gegenüber der Schwinge
Bild tI.52 BMW Paralcvcr mit d rehbarem Antriebsgehäuse und Kraftabst ütz ung am Rahmen
8.3 Rahmen und Radführungen
321
Die Drehbarkeif des Achsantriebsgehäuses wird durch zwei Kegelrollenlager in der Schwinge und ein zwe ites Kreuzgelenk in der Kardanwelle ermöglicht. Eine Strebe leitet die Reaktionskräfte des Antriebs direkt in den Rahmen ein. Da die Bremse in das Antr iebsgehäuse integr iert ist, wird bei dieser Konstruktion die Bremskraft ebenfalls von der Schwinge entkoppelt. Dam it wirke n auf die Schwinge bis auf die dynam ische Radlastve rlagerung keine weiteren Reaktionskräfte, und es stellt sich ein zum Kettenantrieb vergleichbares Verhalten ein.
8.3.4 Federung und Dämpfung Die Federung und Dämpfung der Radbewegung sorgt neben dem Komfort von Fahrer und Beifahrer vor allem fü r die Fah rsicherheit. Generell besteht die Aufgabe der Federung und Dämpfung darin, bei allen Fahrzuständen ausreichenden Kontakt zwischen Reifen und Fahrbah n sicherzustellen, d.h. bei groben Bodenunebenheiten ein Abheben von Rad bzw. Reifen von der Fahrbahn zu verhindern und die Radlastschwankungen aufgrund der Federbewegungen z u min imieren. Da diese generelle Aufgabe fü r das Vorder rad und das Hinterrad gleich sind, können die grundsätzlichen Betrachtu ngen für beide Räder gemeinsam durchgefü hrt werden. Das Motorrad mit seinen Räde rn kann als Schwingungssystem aufgefasst werden, das sich sehr stark vereinfacht für ein Rad wie im Bild 8.53 darstellt. Auch der Reifen weist Federungs- und Dämpfungseigenschaften auf, die fü r die Fahrdynamik im Bereich der Eigenschwingunge n eine große Rolle spielen, bei unseren Betrachtungen hinsichtlich Fahrkomfort (Schwingungskomfort) und Bodenhaftung j edoch vernachlässigt werden können. An dieser Stelle sollen nur die Radfedern und die Stoßdämpfer (richtiger wäre Schwingungsdämpfer) behandelt werden. Wenn das Motorrad eine Bodenunebenheit überfa hrt, ermöglicht die Federung ein Ausweichen des Rades, so dass im Idealfall nur das Rad der Unebenheit folgt, das Motorrad selbst und der Fahrerjedoch in Ruhe bleiben. d.h. sie füh ren keine Vertikalbewegung aus. Die Federbewegung muss dabei grundsä tzlich gedämpft werden. denn sonst würde die ausgelenkte Feder das Rad so Reale Radaufhängung mit Federu ng und Dämpfung (schematisch)
Ersatzmodell
Masse Fahrzeug
o
Feder
Dämpfer
Auch der Reifen seeer wirk! als Feder und Dlimpfer
Bild 8.53 Radauf häng ung mit Federung und Dämpfung und Ersatzmodell
322
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwer ken
lange nachschwi ngen lassen , bis d ie gespe iche rte Federenergie durch die Reibung der Rad fiihru ng "a ufgebraucht" wäre. Dies wäre nicht nur aus Kom fort gründ en u nerwün scht, sondern bei mehreren, aufeinande r folgende n Unebenheiten könnte sich die Fede ru ng auch aufschaukel n, wodurch das Rad den Fahrbah nkontakt verlieren wü rde un d die Fah rsicherheit beeinträchtigt wäre. Das Rad fü hrt also imm er eine gedä mpfte Schwingung aus, wob ei die Federhärte und die Dämpfung so aufeinander abges timmt werden müsse n, dass sowohl der Fah rsicherheit als auch dem Fahrkomfort Rechnung get ragen wird. Für hohen Komfort, d.h . ein sensibles Anspreche n bereits auf kleine Fah rba hnunebenheiten. sollten die Federu ng wie auch die Däm pfun g weich ausgelegt sein. Das bedingt aber einen g roßen Gesamtfederweg. denn d ieser ergibt sich aus de r statischen Einfederung bei voller Beladung und dem Restfederweg bzw. der notwendigen Federk raft , die d ie Federu ng aufbauen muss. um auch grobe Unebenheiten abzu fangen. oh ne du rchzu schlagen. Wie im vorigen Kapitel erläutert, sind aber seh r große Feder wege sowohl wege n de r Rückwirkun gen auf den Antr ieb als auch wegen de r Geome tr ieverä nderu ngen am Fahrwe rk nicht unbedingt erwün scht. Mit progressiven Federn , die sich mit z unehmender Zusammendrückung verhärten. lässt sich das Problem elegant umgehen. Bild 8.54 ze igt verschiedene Fede rba uarten. mit de nen sich eine Prog ression erz ielen lässt. Die häufigste und preiswerteste Bauart ist die Fede r mit veränderlichem Windungsabstand. bei de r die Verhärtu ng dad urch erfolgt. da ss sich d ie engeren Wind ungen mit zun ehmender Einfeder ung aneinand erlegen und an der Federbewegung nicht mehr teilhaben. Die Feder mit veränderlicher Drahtstärke ist in der Herst ellu ng teuer und wird selten verwendet. Häufiger findet man hingegen die Feder mit verände rlichem Windungsdurchmesser. Dur ch die Prog ression wird auch die statische Einfederu ng bei Beladun g verringer t. un d au ßerdem bleibt d ie Eigenfre quenz der Fed erung unabhängig vom Betadun gszu stand weitgehend konstant. Dies ist wichtig. weil beim Motorrad im Gegensatz z um Auto d ie Zuladung eine sehr g roße prozentuale Verände rung des Gesa mtgewic htes bewirk t (ein ty pischer Wert sind 180 kg Zuladung bei einem Leergewicht des Motorrades von 220-250 kg). Ge ne rell wird wege n des Soz iusbetriebs un d der Zuladu ng. die haupt sächli ch die Hinter radlast erhöhen, für das Hinterrad eine deutlich g rößerere Feder rate als für das Vorderrad gewählt. lineare Feder
Progressive Federn
veränderlicher Wndungsdurchmesser
veränderlicher veränder tehe Wndungsabstand Dfahtdicke
Blld It 54 Verschiedene Federbauarten mit progressive r Kennung
323
8.3 Rah men und Radführ ungen
An dieser Stelle sei a ngemerkt, dass die bei viele n Motorrädern vorhande ne Fed erbeinverstellung zur A npass u ng an die Beladu rig bzw, den Soz iusbetrieb keine Veränderung der Federvors pannung oder de r Federkennlinie bewirkt, wie dies fälschlicherweise häufig a ngenommen wird. Verstellt wird led iglich die untere POSition der Fede rauflage. damit wird das Motor rad gegenüber de r Fahrbahn angehoben und de r Verlust an Bode nfreiheit durch die statische Einfederu ng wird kompensiert. Ein zwei ter (erw ü nschter) Effe kt ist die Vergrößer ung der Binfederlänge (pos itiver Federweg). Sie e rgibt sich d araus, dass durch die Verstellung der Federbasis der Stoßdä mpfer, der den Feder weg durch Ansc hläge beg renzt , weiter ause inandergezoge n wird. Wie wir im vor igen Kapitel gesehen haben, ka nn eine Progression auch du rch d ie kinemat ische Auslegung der Hinterradschwinge erz ielt werden, was den Vorteil hat, dass sich gez ielt eine Abhä ngigkeit zw ischen Rad einfederung und Dämpfu ngsweg einstellen lässt. Dies kann Vorteile für das Ansprechverhalten der Fede ru ng mit sich bringen . Die Schwing ungsdämpfung beruht bei allen mod ernen Stoßdä mpfersysteme n letztlich auf der Drosselu ng eines Flüssigkeitsstromes. Das Funk tionsprinz ip eines Stoßdä mpfers ist im Bild 8.55 dargestellt. In einem Zylinde r wird ein Kolbe n in einem mit dü n nflüssigem Dämpferöt befül lten Zylinder bewegt. Das vom Kolben beim Ein- und Aus fede rn verdrängte Flüssigkeitsvolumen strö mt durch eine Drossel (Ringspalt oder kalibrierte Bohru ngen bzw, Ventile) u nd bremst dabei die Bewegu ng. Die im Dämpfer geleistete Arbe it, d ie be i unebenen Straßen erhebliche Größen annim mt, wird in Wärme umgewandelt , die nach außen abgege ben werden muss. Das Ausma ß der Dämpfung (Dämpferkraft) wird vom Drosselwiderstand. d.h . von der Form und Größe des Ringspalts bzw. der Boh ru ngen , de r Viskosität des Dämpferöls und auch von der Hubgeschwindigk eit des Kolbens bestimm t. Grund sätzlich gilt der Zusammenhang, dass d ie Dämpfungskraft m it der Hubgeschwindigkeit des Kolbens zunimmt. Daraus ergibt sich eine Phasenversch iebung zw ischen Däm pfu ngskraft und Fede rkra ft, d.h . bei ku rzen, harten Fahrbahnstöße n wird prinzipiell eine große Dä mpfungsk raft aufgeba ut, so dass oh ne besondere Maß nahmen am Dämp fer d ie Federung hart und unkom fortabel würde. Fü rdas Ein- und Ausfede rn werden u nterschiedl iche Dä mpferk räfte benötigt. Erw ünscht ist für hohen Fah rkom fort normalerweise ein weiches , wenig ged ämpftes Einfede rn. wohingegen die
Gaspolster
() - C-
Gumm imemb ran
I,
Kolben mit Drosseldüsen Kolbenstange
Dämpfer öt
/\
- t f-
'-- f -
Beim Einfede rn verdrängt die in den Dämpfer einfahrende Kolbenstange zusätzliches nsrrcrerör. Der dafOr notwendig e Volumenausgle ich wi rd durch das Gaspolst er geschaffen, das unterschi edlich starx zusa mmenged rückt wi rd.
Bi ld 8.SS
'--'
Prinzipieller Aufba u von SIOßdämpfern (Schw ingungsdäm pfern I
324
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerke n
Ausfederbeweg ung stärker bedä mpft werden sollte, damit die Gege nfede rbewegun g. die sich z.B. nach dem Übe rfahren einer Bodenwelle einstellt. nicht zu weit ausschwingt. Die Dämpfung der Zugstufe bet rägt de shalb ca. das 4· bis gfache der Dr uckst ufend ämpfung. Erreicht wird d ies durch un terschiedl ich g roße Drossselquersch nitte fü r da s Ein- und Ausfedern. die z.B. durch fede rbelastete Ventile im Dämpfer gesteuert werde n. Für den Volume nausgleich im Dämpfer und die notwend ige Tren nung von Gas polster und Dämpferöl gibt es neben de r im Bild 8.55 gezeigten Konstru ktion weitere, prinzipiell unterschied liche Lösungen . Bild 8.56 zeigt die beiden klassischen Konstr uktio nsvarian ten. den Einrohr- und den Zweirohrdä mpfer. Bei dem links abgebildete n Einrohrdäm pfer ist d as Gaspolste r nicht wie im vorangestellten Beispiel durch eine Gumm imembran abgetrennt, sondern es wird dur ch einen federbelasteten Geg enkolben abgetrennt. Eine weitere Mögli chkeit ist. das Luftvolumen in einem Gummiball einzus chließen. Kennzeich nend fü r den Einrohrdämpfer ist. dass er in beliebiger Lage verbaut werden kan n. Beim Zweiro hrdä mpfer. rechts im Bild. ist der eigentliche Dämpferrau m von einem Mantelrohr umgeben. das ein Ölreservoir und Luft enthält. Beim Einfedern wi rd über ein ge ring füg ig geöffnetes Bodenventil (Dro sselung !) Öl in d as Mant elrohr übergeschoben und komp rimiert die do rt eingeschlosse ne Luft. Dieses Öl wird beim Ausfede rn durch das dann völlig offe ne Bodenventil zu rüc kgesaugt. Damit sich Öl und Luft nicht ver mischen können und durch da s Bodenventil keine Luft a ngesaugt wird, dürfen Zweiro hrdä mpfer nu r senkrec ht, bzw. nur geringfüg ig schräg angeordnet werden. Keinesfalls darf man sie umgekehrt einbaue n. Eine Vermischu ng von Öl un d Luft führt zu Ölseheu mbildung mit weitgehendem Verlust der Dämpfungsw irkung. Bei ausgeführten Dämpferkonstru ktionen kann Öl auch im Ringspalt an de r Kolbenstange vorbeifließen und gela ngt dur ch einen Rücklaufins Mantelrohr. Damit wird die eigentliche Kolbenstangend ichtung vom Druck im Dämpfer entlastet , und die radiale Vorspannung de r Dichtung ka nn abge senkt werden. Es ergeben sich deutlich geringere Losbrech kräfte für den Dämpfer und dadurch u.U. ein feinfü hligeres Ansprechen. Beim Einro hrdämpfer hingegen ist d ie Kolbenslangend ichtung dem vollen Dämpferdru ck ausgesetzt. Beim Gasd ruckdämpfer (Einroh rdä mpfer), dessen Gaspolster unter hohem Druck '-"ft
::::::r- F"',
r----~,.... Gegenkolben
önück-
lauf
Kolbenstangendichtung
l oft Ausgleichsraum Kolbenstangendichtung
Bodenventil
Einrohrdämpfer
I
Zweirohrdämpfer
Mantelrohr
Bild S.56 Prinzipieller Aufbau von Ein- und Zweirohrdämpfern
8.3 Rah men und Radführungen
325
(ca. 25 bar) steht, bedeut et dies eine hohe Beanspruchung der Dichtung und setzt eine besonders präzise Fertigun g der Kolbenstange und des ganzen Dämpfers voraus. Daher resultiert auch der relativ hohe Preis derartiger Dämpfer. Der Vorteil des Gasrohrdämpfers liegt da rin, dass der hohe Gasdruck auch bei hoher Belastung und Temperatur eine Ölverschäumun g und Kavitation sicher verhindert. Das Ölvolumen kann daher klein gehalte n werden, wodurch die Abmess ungen des Dämpfers gering bleiben und eine günstige, schlanke Bauform erreicht wird (Verwendung im Federbein und opti sche G ründe). Ein weiterer Vorteil der Einrohrbau art liegt in der unmittelbaren Kühlung des Dämpfe rs, während die Wärm eabfuh r aus dem Inneren des Zweirohrdämpfers durch das Mantelrohr erschwert wird. Bild 8.57 zeigt Prinzipbilder verschiedener Dämpferkonstruktionen und eine Ansicht. Eine Sonderbauform des Dämpfers stellt der Gasdruck dämpfer mit separatem ÖI- und Gasreservoir dar. ganz rechts im Bild. Ursprünglich fü r Moto-Cross-Motorräder entwickelt. ist er heute weit verbreitet. Der vom eigentlichen Dämpfer abgetrennte Öl- und Gasbehälter erlaubt höhere Füllmengen, und die größere Behälteroberfläche ermöglicht eine wirksame Kühlung des Dämpferöls. Durch eine Regulier schraube im Überströmkanal des Öls kann das Dämpfungsverhalten beeinflusst und in gewisse n Grenzen den Wünschen des Fahrers angepasst werden. Das große Luftvolumen dient nicht nur als Ausgleichvolumen für die Kolbenstange. sondern wirkt bei einigen Konstru ktionen zugleich als unter stützende Luftfeder. Durch Variation der Luftmenge (Fülldruck) über ein Füllventil kann die Federkennlin ie des Federbeins verändert werden. Bei der konstruktiven Realisierung der Dämpfer gibt es v ielfältige Detaillösu ngen. Meist finden sich Kombi nationen der erläuterten Grundpri nzipien, also Ringspalte kombiniert mit Bohrungen bzw. Ventilen. Die generellen Vor- und Nachteile von Einrohr- und Zweirohrdämpfern halten sich die Waage. so dass kein System eindeutig bevorzugt werden kann. Grundsätzlich werden
ÖlfÜCk-
lauf-
bohrung
01
Bodenventil
Einrohrdämpfer (Gasdruckstoßdämpfer)
Zweirohrdämpfer
Bild 8.S:7 Ausgefü hrte Stoßdämpferbauar ten
Gasdruckdämpfer mit Reservoir
326
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerke n
die Fede rung s- und Dämpfungsfunktionen in einem Baute il kombin iert. Bei Fede rbeinen ist die Feder konzentri sch zum Dämpfer angeordnet. In Telegabeln findet man auch Konstrukt ionen. bei denen Feder u nd Dämpfer nacheinander angeord net sind (vgl. Bild 8.28), wodurch sich aber die Baulänge vergrößert. BMW führte mit der neuen K 1200 S im Ju li 2004 erst mals bei einem Serienmotorrad eine elektronisch angesteuerte Verstellung fü r d ie Federbasis und de r Dämpfercharakteristik ein. Dieses ESA (Electronic Suspension Adju stment ) getaufte System erlaubt es, auf Knopfd ruck die Zug- und Druckstufendämpfung auch während der Fahrt in d rei Stufen (" Komfort", ..Normal", "S po rt" ) zu verstellen. Die Federbasis kann dem Beladun gszu stand angepasst werden, d iese Verstellung funk tioniert nur im Stand. Fü r die Dämpfer verstellun g wird ein Ring spalt im Dämpfe r mittels einer kon ischen Nadel verändert. Der Nadelhub wird über Sch ritt motoren gesteu ert. Bild 8 .58 zeigt da s ESA-Federbein mit seinen Funktionselementen.
Eine weitere Weltneuh eit von BMWist da s Luft- Fed er-Dämpfersystem, das in 2005 mit de r HP2 Enduro in Serie ging, Bild 8.59. Die g ru ndlege nden Forschungen leistete Prof. Henning Gold (Fahrzeug labo r Bingen ). der auch in die Entwicklung des Systems involviert war [8.4]. Das geme insam mit der Firma CONTINENTAL AutO /1/01iw zu r Serienreife entwickelte Federb ein hat wede r die übliche Stahlfede r noch einen hyd rauli sch Dämpfer; es a rbe itet ausschließlich mit Luft. Dadu rch red uziert sich da s Systemgew icht gegenüber einem konventionell en Federb ein u m respektable 2,0 Kilog ram m. Der komplette Gasfederdä mpfer wiegt nu r noch knapp 2,3 Kilogram m - e ntsprechend geringer fallen am Fahrzeug die u rigefede rten Massen aus. Das Federbein besteht aus d rei Druckkammern und einem Trennkolben. der analog zu hyd raulischen Dämpfern mit einer Spaltd rossel und einer Bypa ssbohrun g versehen ist. Die komp ressible Luft in der oberen ( I) und unteren Kammer (3) fungiert als Feder. Das Volumen der mitt leren Kamm er (2) ände rt sich bei der Federbew egung. Es erfolgt ein Druckausgleich mit der oberen Ka mmer, indem Luft über ein dopp elt wirkendes Plattenventil (Spaltd rosscl) zw ischen beiden Kamm ern überströmt. Abhängig vom Dur chla sswiderstand dieses Plattenventils stellen sich die Dämpfungskr äfte für die Fed erbewegung ein. Das System ist mit einem Rollbalg nach
Bild H.5H ESA·Fcdcrbc in mit Funktio nsele menten
8.4 Lenk ung
327
Trennkolben mit Plattenventil
Rollbalg
Bild 8.59 Luft-Feder- Dämpfersystem isuw,
außen komplett abgedichtet und besitzt keine Kolbensta ngendichtung. Da mit ist dieses Federbein unempfindlich gegen Schmutz und arbeitet praktisch verschleißfrei. Der große Vorte il liegt neben der Gewichtsersparn is in der Progressivität der Federung und in der frequenzselektiven Dämpfung aufgr und der temperaturabhä ngigen Viskositätsänderung der eingeschlossenen Luft. Für jeden Betriebszustand stellt sich wegen dieser physika lischen Eigenschaft von Luft automatisch die ..richtige" Dämpfung und Federkennung ein.
8.4 Lenk ung Die Lenk ung beim Motor rad unterscheidet sich wegen seiner grundsätzlich abweichenden Fahrdynamik und Stabilisierung deutlich von der Lenkung zweispuriger Fahrzeuge (Automobil). Eine Lenkbewegung im eigentlichen Sinn mit großen Lenkwinkeln findet nur beim Rangieren statt. Im Fahrbetrieb bewegen sich die Lenkwinkel selbst bei Kurvenfahrt im Bereich von wenigen Grad. Dementsprechend muss die Lenkung des Motorrades äußerst präzise und feinfühlig um die Mittellage sein. Besonders bei Geradeausfahrt ist dies von großer Wichtig-
328
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerke n
keit , wei l die Stabilisierung hier durch kleinste. unbew usst eingeleitete Lenkwin kelausschlä ge erfolgt (vgL dazu auc h Kap. 10). Die Aufgabe n un d A nforderungen an d ie Mot orradlenk ung können folge nder maß en charakte risiert werden:
Auf gahen
Anforderungen
Lenkwinkeli nformation
Steifigkeit
Lenkmomentinfor mati on
Spielfreiheit
Steuereinga ben de s Fahrers
Reibu ngsar mut Niedriges Träg heitsmome nt
G ru ndsä tzlich ist die Baua rt der Lenkung eng verkn üpft mit dem Syste m der Vorderradführung. Drei Baup rinz ipien finden heutzutage A nwendung, d ie Steuerkopt1enkung, d ie Achsschenkellenkung und d ie Radnab enlenkung.
8.4.1 Steuerkopflenkung Die Steuerkopflenkung ist d ie älteste und am weiteste n verbre itete Bauart der Motorradlenk ung. Bei d iese r Kon stru ktion ist die ges amte Vorderradfü hru ng drehbar u m eine feste Achse im Rahmen gelagert, und die Len kbewegung wird direkt über eine Lenkstange auf d ie Radau fh ängung übertragen, Bild 8.60. Da n icht nur da s Rad, so ndern auc h d ie Radaufh äng ung mit bewegt wird, ist das Massenträg heitsmoment um d ie Lenkachse bei die ser Lenkung relativ groß. Dies ist der einz ige Nachte il der Ste uerkopflenku ng. die an sonsten alle A nforderu ngen se hr g ut erfüllt und sich z udem durch ih re Einfach heit ausz eichnet und eine kosteng ün stige Lösu ng darstellt. Ihre Funktion sg üte hängt von der Lenku ngslagerung ab, die für schnelle Motorräder mit Kegel rollen lagern ausgefü hr t werden sollte, weil nur die se sich exakt und spiel frei einstellen lassen, ihre Einstellung über lange Zeit kon stant halten und eine ausreichende Belastbark eit aufw eise n, Da d ie gesamte n Kräfte vom Vorderrad über die Lenkungs lager in den Ra hmen eingeleitet werden , ist auf eine ausreichen de Dimensionierung de r Lagerung (Lagerdurchmesser u nd Lagerabsta nd) zu ac hten. Ebenfalls ein e Steue rkopflenk ung stellt d ie Lenk ung da r, wie sie BMW z usamme n mit dem Vorderradfü h rungssystem Telelever verwendet (Bild 8.33, Kap. 8.3) . Der Unte rschi ed liegt ledig-
Gabel-
Lenkungslag er
sta ndrohr
steoen opr -I'---+~
Lenkrohr
Rahmenrohre
Lenkungslager
Bild 8.60 Steuerko pflenkung
8.4 Lenku ng
329
lieh darin, dass hier Kugelgelenke als Lenkungslager verwendet werden und dass das untere Lenkungslager nicht rahmenfest ist, sondern beweglich am Längslenker geführt wird.
8,4.2 Ac hss c henkellenkung Die Achsschenkellenkung wurde erst in neuerer Zeit von YA MAHA zur Serienreife entwickelt und vorgestellt, Bild 8.61. Das Rad schwenkt um eine Achse, die von der Verbindungsgeraden der zwe i Kugelgelenke gebildet wird, mit denen der Radträger (Achsschenkel) verbunden ist. Die Lenkbewegung selbst wird vom Lenker über ein Lenkrohr direkt auf den Achsschenkel übertragen. Durch die längsverschiebliehe Ausbildung des Lenkrohres wird dabei die Lenkbetätigung von der Radhubbewegung entkoppelt. Lenkrohr, teleskopartig zusammensc hiebbar Hi lfsrahmen
Achss chenkel (Radcll rager)
Bild H.61 Achsschenkellen kung
330
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfa hrwerken
Der Vorteil dieser Ko nstru ktion liegt in der Rad führung. wie im Kap. 8.3 erläutert, und weni ger in der Lenkung. Diese ist aufgrund der notwend igen Hubentkoppel ung, d ie spielfrei aber g leichzeitig leichtgängig sein muss, aufwänd ig und teuer. Zudem werd en d ie Gelenke aufgru nd ihrer radnahen Positio n leichter von Schmutz beaufschlagt , was eine g ute Kapselung erforde rt, wenn Verschleißfreiheit erzielt werden soll. Der mögliche Lenkeinschlag ist deutlich kleiner als bei der Steuerkopftenkung, was zwar im Fahrbetrieb bede utu ngslos. be im Rang ierenj edoch zumindest lästig ist. Ein Vorteil der Achsschenkellenkung ist allerd ings das sehr geri nge Trägheitsmoment um die Lenkachse. Es schwenken nur das Rad und der Achsschenkel um die Lenkachse, nicht aber d ie gesamte Radaufhäng ung wie bei der Steuerkopflenkung.
8.4.3 Radn abenl enkung Die ungewöh nlichste Lenku ngsbauart stellt sicherlich d ie Radnabenlen k ung da r. auch als Diffat io-Lenkung bezeichne t, Bild 8.62 . Diese Lenk ung ka nn im weiteren Sinne zur Gru ppe der Achsschenkellenkungen gezählt werden. weil das Rad ebenfalls an einem Radt räge r befest ig t ist. der um eine Dreha chse (Lenkachse) geschwenkt wird. Die Lenkachse befinde t
Lenklagerzapfen mit Schwenklager fürdie Lenkung
!:::::::l!r--- Radachse (feststehend) ~qH'--- Radlager Radnabe Radträger
1'-.-2:li i-__ Bremssattel Das Rad dreht beim Le nkvorgang um den Lenklagerzapfen, de r fest mit der Radachse verbunden ist. Das Rad wird über einen Hebel, der am Radträger angreift um die Lenkachse geschwenkt.
Bild 1'1.62 D i f faz io- Radnaben lenk ung
8.5 Bremsen
331
sich allerdin gs bei die ser Len ku ngsbauart in der Radmitte . In der Sch nittdarstellung wird das Fu nkt ionspri nzip deut lich. Das Rad d reht sich in Umfangsrichtu ng auf zwe i Radlagern. d ie auf dem Radträger angeordnet sind. Der Radträger selbst ist in Rad mitte wiederum auf zwei Kegelrollen lagern gelagert, d ie auf einer festen Radachse sitzen, die ihrerseits mit den beiden Längslen kern de r Rad füh rung (ges chobene Schwinge) verbunden sind. Durch d ie Kegelrollenlagerung wird ein Lenkeinschlag de s Rade s ermöglicht, die Lenkachse ist die Verbindu ngsgerade der beiden Lager in der Radm itte. Gebaut wird d iese Lenk ung derzeit nur von der Firma BIMo r A in exklusiver Einzelfertigun g. so da ss über die Funktionsg üte der Len kung kaum Erfah rungen vorliegen. Jede Beurteil ung ka nn dah er nur vorläufiger Natur sein. Nachteilig ist siche rlich die aufwändige, ind irekte Lenkbet ätigun g, die über ein Gelenkparallelog ramm erfolgt. Dieses muss spielfrei und sehr steif ausgeführ t werd en, um ein präzises Lenkgefühl zu gewä hrleisten. Der Lenkeinschlag ist noch kleiner als bei der konvention ellen Achsschenkellenk ung. da für allerdings erlaubt diese Konstruktion die Anbring ung zweier Brem sscheib en . Ob die Lenk ungslager in Radm itte Probleme mit Ve rsehrnutzu ng und Verschleiß aufwerfe n, ka nn nicht beurteilt werden. Das Massenträgheitsmoment um die Len kachse dürfte wege n de s ausladenden Achsschenkels höher als be i der konve ntionellen Achsschenkellenku ng ausfallen, allerdings deutli ch nied riger als be i de r Steuerkopflenku ng liegen, weil der Abstand der Drehma ssen von der Lenkachse klein ist. Ob sich diese Art der Le nkun g durchsetzen ka nn, muss fraglic h bleiben , de nn offenk und ige Vorteile sind aus Sicht des Autors nicht zu erkennen.
8.5 Bremsen Die Leistu ngsfähigkeit der Motorradbremsen hat sich in den letzten Jahren enorm erhöht und wurde den gestiegenen Fahrleistungen über proportional angepa sst. Damit wurde ein g roßer Beitrag zu mehr Sicherheit geleistet. Für Motorradbremsen g ibt es u nterschied liche Bauformen und kon str uk tive Ausfü hrungen. Die Doppe lscheibenbrem se im Vorderrad und Doppelkolbe n-Brem ssättel sind zu m Sta ndard für leistu ngsstarke Motorräder geworden. Nur noch Enduro s und leichte, leistungsschwache Maschinen sind mit nur einer Scheibe im Vorderrad ausge rüstet. Bremssc heibendurchmesser über 300 mm sind keine Seltenhe it mehr. Fü r die Bremssättel gibt es zwei unterschiedlic he Bauarten, die Schwimmsä ttel und die Festsättel. Schwimmsättel Sind in einem Rahmen axial verschiebbar gelage rt (meist übe r eine Bolzenfüh rung) . Sie benötigen nu r die halb e Zah l an Bremskolb en. da die Reakt ion skräft e sich am Schwimmrahmen abstüt zen. Beim Festsattelliegen sich die Bremskolben paarweise gegenüb er. Der Festsattel ist wesentlich steifer als der Schwimmsattel. baut abe r breiter und benötigt axia l deutlich mehr Platz im Rad , Bild 8.63 . Motorräder über 200 kg Ge wicht und im Leistungsbereich über 37 kW werde n heute übliche rweise mit vier-Kolbe n-Pestbremssät teln ausgerüstet. Es gibt abe r auch Motor räde r mit Sechs-Kolben-Sätteln. Die g rößere Anz ahl Bremskolben bringt Vorteile fü r eine gleichmäßige Anlage der Beläge an der Scheibe und diese Sättel sind stei fer (härterer und stabilerer Druckp unkt). Sie haben aber auch ein höheres Gewicht, das z udem z u den urigefederten Ma ssen zählt.
332
8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfa hrwerken
Bolzenführung
Bild 8.63 Schwim msatte lbremse und
Fcsrsanclbrcrn sc
Seit einigen Jahr en werden imm er häufiger radi al verschraubte Pest-Bremssättel eingesetzt, Bild 8.64. Sie stammen aus dem Renn sport und erlaube n dort die rasche Anpass ung an unte rschiedliche Bremsscheibendurchmesser (durch einfaches Unterlegen von Distanzst ücken). Vergleichsmessu ngen zeigen aber nicht zwingend eine höhere Bremsleist ung oder eine bessere Dosierbarkeit.
Bild 8.64 Bremssatt el mit radia ler Verschraubung
333
8.6 Räder und Reifen
Bild 8.65 ..w avc- Brcmsschcibc"
Bremsscheiben werden entweder fest mit dem Rad versch raubt oder schwimm end befestigt. Die feste Verschraubung ist pre isgü nstiger und wird nur in Kombination mit Schwimmsätteln verbaut. Bei der schwimmenden Lageru ng erfolgt die Befestig ung übe r Rollen . die eine gew isse axiale Beweglic hkeit de r Scheibe und damit eine gute An lage an die Beläge ermöglichen. Schwimmende Bremsscheiben werden in Verbindung mit Festsätte ln verwe ndet [8.2]. Ver mehrt werden auch sogenannte ..w ave-Bremsscheiben'' verwen det. Diese sind am Außendurchmesse r wellenförmig gestaltet oder auch ..gezac kt" ausgefüh rt, Bild 8.65. Ihr Ausdehnungsverhalten soll durch die ungleichförmige Struktur verbessert werde n und sie sollen sich dadurch bei Erhitzung weniger verzi ehen. Auch hier bleibt der schlüssige Beweis der positiven Wirkung noch aus, ein modi scher Effekt spielt wohl eher eine Rolle. Im Vergleich zum Pkw konnt e sich ABS beim Motor rad nur zöge rlich durchsetzen. Mittlerweise haben sich derart ige Ass iste nzsys teme aber in vielen Modellen etabliert. Wegen der Bedeutu ng werde n die Bremsenregelungssysteme n sepa rat im Kapitel 11 betrachtet.
8.6 Räder und Reifen Der Reifen und das Rad bilden eine Einheit; beide zusamm en hab en als Bindeglied zwischen der Fahrb ahn und dem Gesa mtsys tem Motorrad einen erheblichen Einfluss auf da s Fahrve rhalten. Für da s Rad selbst gilt als Grund forderung. da ss es stabil konstruiert sei n muss, da sämtliche Kräfte über das Rad in das Fahrwe rk eingeleitet werden. Ein verwindungss teifes Fahrwe rk
334
8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfahrwerken
ist weitgehend wertlos. wenn da s Rad sich unter Belast ung verformt und die Spurhaltung nicht mehr gewä hrleisten kan n. Räde r stehen beim Motorrad im Blickp unkt . neben ihrer Funktion ist da s Desig n sehr wicht ig. Stabile Kon struktion ist in de r Regel mit einer gewissen Masse des Bauteil s verbunden, was insofern von Bedeutung ist, als da ss da s Rad zu den ung efederten Ma ssen zählt. Diese sollten aber möglichst gering sein, um die Feder-Dämpferabstimmung zu erleicht ern . Auch ruf die Fahrs tabilität spielt die Masse de s Rade s zusammen mit der des Reifens eine wichtige Rolle. Am Rad bauen sich Krei selk räft e auf. die d ie eigentliche Stabilisieru ng des Motorrade s bewirken (vgl. Kap. 10). Deren Gr öße werden vom Raddurchm esser und de r Ge samtmasse Rad i Reifen besti mmt. Zwar sind g ru ndsätzlich g roße Kre isel kräfte wegen ihrer stabilisierenden Wirkung erw ü nscht, andererse its wac hsen d ie am Rad angre ifende n Störkräfte mit Zunahme der Radrna ssen ebenfalls an. so da ss insgesamt eher leichte Radkonstr uktionen erstrebenswe rt sind. Das Rad unterliegt folgende n Beanspruchunge n: - Vertikalk räft en aus dem Fahrzeuggewicht u nd Fahrba hnstößen - Se itenkrä fte n aus Schräglage und infolge von Pendeln und Flatte rn - Umfangskräft en , d.h . Antriebs- und Bremskräfte - Fliehkräften - Kreisel kräft en Zusätzliche Kräfte treten dan n auf. wenn da s Rad durch un gleichmäßige Ge wicht sverteilung un wuchtig wird. Bei den Radkonstrukt ionen lassen sich vier Gru ndtypen unte rscheiden. da s Speichenrad, da s einteilige Leicht metallg ussrad. das Scheibenrad und da s Verbu ndrad. Bild 8,66 . Den inn eren Aufbau eines Leichtmetall-Gu ssrade s mitsamt de r Radnabe zeigt da s Schnitt modeli im Bild 8.67. Eine Gesamt an sicht ei nes modernen Gu ssrades für Vorder- und Hinterrad ist im Bild 8,68 z u sehen.
Speic h en räde r
I
Le ic ht metallräde r
I
Sch e ibenräde r
I
V erb u n drä der
lnn enspeicheoräder Kreuzspeichenrader
Com-Star Rad
,------ --------,:
Senmiederader
,L
cartcorac
'":
,
.
•........................................................................................................................' • leicht
. erasuscn
• filigran • maßlger Rundlau f • schlauchlos nur als Sonderl