Matthias T. Meifert: Mitarbeiterbindung. Eine empirische Analyse betrieblicher Weiterbildner in deutschen Großunternehme...
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Matthias T. Meifert: Mitarbeiterbindung. Eine empirische Analyse betrieblicher Weiterbildner in deutschen Großunternehmen ISBN 978-3-87988-888-7, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2005, 276 S., € 29,80
Die Bundesrepublik Deutschland steuert aufgrund ihrer demografischen Entwicklung auf einen sich verschärfenden Fachkräftemangel zu. Auch ist zu beobachten, dass die Bereitschaft von Mitarbeitern, sich länger an ein Unternehmen zu binden, abnimmt. Die Rategeberliteratur empfiehlt, diese Problemlage durch stärkere Investition in aktive Mitarbeiterbindung zu lösen. An diesem Punkt setzt das vorliegende Buch an und zielt darauf, diese Forderung theoretisch wie auch praktisch zu fundieren. Am Beispiel von betrieblichen Weiterbildnern werden typische Begründungs- und Erklärungsmuster der Mitarbeiterbindung diskutiert. Dabei werden sowohl betriebswirtschaftliche Aspekte als auch organisationspsychologische Konstrukte berücksichtigt. Im Sinne einer interdisziplinären Perspektive werden die Erkenntnisse der Kundenbindungsforschung gesichtet und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die Mitarbeiterbindung analysiert. Basierend auf den theoretischen Vorüberlegungen wird ein Modell entwickelt, welches die Bindung von betrieblichen Weiterbildnern zum Gegenstand hat. Dieses wird anhand einer Studie in deutschen Großunternehmen überprüft. Den Abschluss bildet eine „Übersetzung“ der empirischen Befunde in Handlungsempfehlungen. Konkret: Wie kann die Mitarbeiterbindung aktiv gesteuert werden? Das Buch richtet sich sowohl an Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen als auch an Forschende und Studierende, die mehr über das Phänomen der Mitarbeiterbindung in Theorie und Praxis erfahren möchten. Schlüsselwörter:
Mitarbeiterbindung, Retention Management, Organisationales Commitment, Arbeitszufriedenheit, Fluktuation, Kundenbindung, Weiterbildner
Dr. Matthias T. Meifert (Jg. 1968) ist Partner der Kienbaum Management Consultants GmbH und leitet einen Teil des Geschäftsbereiches Human Resource Management. Er berät Unternehmen zu komplexen Veränderungsprojekten und Fragen des wirkungsvollen Personalmanagements. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Human Resource Management und Lehrbeauftragter der Technischen Universität Berlin.
Matthias T. Meifert
Mitarbeiterbindung Eine empirische Analyse betrieblicher Weiterbildner in deutschen Großunternehmen
Rainer Hampp Verlag
München und Mering 2005
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN: 3-87988-888-4 1. Auflage, 2005 © 2005
Rainer Hampp Verlag München und Mering Meringerzeller Str. 10 D – 86415 Mering www.Hampp-Verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme.
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Vorwort
I
Vorwort Ein Buch über Mitarbeiterbindung in Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit zu schreiben, dass verlangt nach einer Erklärung. Sind nicht die Schlagworte Arbeitsmarktmobilität und Stellenabbau besser geeignet diese Entwicklung zu kennzeichnen? Ist das Thema Bindung nicht grundsätzlich obsolet, weil angesichts der Arbeitsmarktlage ohnehin kein Mitarbeiter das Unternehmen freiwillig verlassen wird? Ich meine Nein. Die Motivation der Arbeit entspringt der Tatsache, dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in erheblichem Ausmaß Arbeitsplätze gewechselt werden und nicht wie häufig angenommen eine schwierige Arbeitsmarktlage die Fluktuationsneigung nachhaltig senkt. Zum anderen droht das Phänomen des Fluktuationsstaus: Mitarbeiter die wechselwillig sind, aber aktuell aufgrund der Arbeitsmarktlage nicht fähig, warten auf eine Gelegenheit, um das Unternehmen zu verlassen. Darüber hinaus sprechen die demografischen Prognosen eine eindeutige Sprache: Für Deutschland wird ein Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen im Alter von 30 bis 39 Jahren von 12,55 Millionen in 1999 auf 9,03 Millionen bis 2010 erwartet. Somit dürfte der Fachkräftemangel in Deutschland sich in den nächsten Jahren erheblich verschärfen und die Mitarbeiterbindung an weiterer Aktualität gewinnen. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Klaus W. Döring, der es vorzüglich verstand, mich zu fordern und zu fördern. Seine motivierenden Worte und inhaltlichen Hinweise haben die Arbeit beflügelt. Nicht minder dankbar bin ich Prof. Dr. Frederic Fredersdorf. Trotz weit entferntem Wohnort stand er jederzeit für Diskussionen zur Verfügung und hat meinen methodischen Blick maßgeblich geschärft. Diese Arbeit wäre neben meiner Berufstätigkeit nicht ohne die Unterstützung von Anderen entstanden. Danken möchte ich den Führungskräften und Mitarbeitern in den Unternehmen, die bereitwillig den Fragebogen ausfüllten. Daneben unterstützten mich Nadine Rüsch bei der Literaturrecherche und Formatierung des Textes, Terence Droste und Torsten Überschar durch das Programmieren des Online-Fragebogens sowie Ingrid Meifert und Jan Poser durch hartnäckiges Erinnern der Studienteilnehmer. Widmen möchte ich dieses Buch meiner Frau Claudia Piehl und meinem Sohn Maximilian. Erstgenannte hat mir auch in schwierigen Zeiten geduldig zugehört und Zuversicht verbreitet. Auch hat sie mich in psychologischen und statistischen Fragen inhaltlich angespornt. Letztgenannten bin ich dankbar dafür, dass es ihn gibt. Eine informative Lektüre wünscht Matthias T. Meifert
Inhaltsverzeichnis
III
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung................................................................................................................ 1 1.1 Problemstellung und Zielsetzung........................................................................ 2 1.2 Methodik und Aufbau ......................................................................................... 4
A Theorieteil 2
Das System der betrieblichen Weiterbildung und seine Akteure........................... 9 2.1 Betriebliche Weiterbildung als System............................................................... 9 2.1.1
Systemgrenzen der betrieblichen Weiterbildung - Begriffsbestimmung10
2.1.2
Bestandteile des Systems betriebliche Weiterbildung............................ 12
2.1.3
Systemgestaltende Prinzipien der betrieblichen Weiterbildung und Erscheinungsformen des Systems........................................................... 14
2.2 Akteure der betrieblichen Weiterbildung.......................................................... 21 2.2.1
Betriebliches Weiterbildungspersonal – Begriffsbestimmung............... 22
2.2.2
Bedeutung des Faktors Personal zur Erbringung der Weiterbildungsleistung ........................................................................... 23
2.2.3
Kompetenzanforderungen an betriebliche Weiterbildner ...................... 24
2.3 Annäherung an die Alltagswirklichkeit der betrieblichen Weiterbildner......... 28 3
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt ............................................................ 35 3.1 Mitarbeiterbindung im Lichte der organisationspsychologischen Commitmentforschung...................................................................................... 37 3.1.1
Grundlagen des Organisationalen Commitments................................... 39
3.1.1.1
Verhaltenscommitment.................................................................... 40
3.1.1.2
Einstellungscommitment ................................................................. 41
3.1.1.3
Verhaltens- vs. Einstellungscommitment - Eine Disjunktion?........ 43
3.1.2
Dreidimensionales Commitmentkonzept nach Meyer und Allen .......... 44
3.1.2.1
Affektive Commitmentkomponente ................................................ 47
3.1.2.2
Kalkulative Commitmentkomponente............................................. 50
IV
Inhaltsverzeichnis
3.1.2.3
Normative Commitmentkomponente .............................................. 53
3.1.3
Abgrenzung des Organisationalen Commitments von verwandten Konstrukten ............................................................................................. 54
3.1.4
Bezugsobjekt des Organisationalen Commitments ................................ 56
3.1.5
Fazit: Stand der Forschung zum Organisationalen Commitment .......... 58
3.2 Mitarbeiterbindung im Lichte der Kundenbindungsforschung ........................ 59 3.2.1
Übertragbarkeit von Befunden der Kundenbindungsforschung auf die Mitarbeiterbindung.................................................................................. 60
3.2.2
Erklärungsmuster zur Kundenbindung und ihre Relevanz für Mitarbeiterbindung.................................................................................. 60
3.2.2.1
Soziale Austauschtheorien............................................................... 61
3.2.2.2
Mikroökonomische Theorie............................................................. 62
3.2.2.3
Theorie der Bankloyalität ................................................................ 64
3.2.2.4
Exkurs: Theorie der Führungsdyade................................................ 66
3.2.2.5
Variety Seeking................................................................................ 68
3.3 Fazit: Zum Stand einer integrierten Kunden- und Mitarbeiterbindungsforschung.......................................................................... 70 4
Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal .............. 71 4.1 Auswirkung von Fluktuation auf die betriebliche Weiterbildung .................... 71 4.1.1
Direkte Kosten der Fluktuation .............................................................. 74
4.1.2
Indirekte Kosten der Fluktuation............................................................ 76
4.1.3
Opportunitätskosten der Fluktuation ...................................................... 77
4.1.4
Fazit......................................................................................................... 81
4.2 Demografische Szenarien und Mitarbeiterbedarfe in der betrieblichen Weiterbildung.................................................................................................... 81 4.2.1
Potentielle Arbeitgeber von Weiterbildnern........................................... 83
4.2.2
Quantitative Personalbedarfe.................................................................. 84
4.2.3
Qualitative Bedarfe................................................................................. 87
4.2.4
Fazit......................................................................................................... 88
4.3 Mitarbeiterbindung - eine sine qua non für die betriebliche Weiterbildung?... 89
Inhaltsverzeichnis
V
B Empirieteil 5
Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung ..................................... 93 5.1 Bausteine eines Modells zur Bindung von Weiterbildnern .............................. 94 5.1.1
Bezugsobjekte des Organisationalen Commitments .............................. 95
5.1.2
Bedingungen des Organisationalen Commitments ................................ 97
5.1.2.1
Personale Determinanten ................................................................. 97
5.1.2.2
Organisationale Determinanten ..................................................... 101
5.1.2.2.1 Auf der Ebene der Organisationseinheit Weiterbildung.............. 101 5.1.2.2.2 Auf der Ebene des Gesamtunternehmens .................................... 103 5.1.3
Konsequenzen des Organisationalen Commitments ............................ 105
5.2 Zusammenfassung der zentralen Annahmen des Modells.............................. 106 5.3 Grenzen des Modells....................................................................................... 107
6
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung ............................................ 111 6.1 Untersuchungsaufbau im Überblick ............................................................... 113 6.2 Grundgesamtheit ............................................................................................. 114 6.3 Stichprobe ....................................................................................................... 120 6.4 Wahl der Forschungsmethode......................................................................... 121 6.5 Konstruktion des Fragebogens........................................................................ 124 6.5.1
Form des Fragebogens.......................................................................... 124
6.5.2
Itemsammlung und -revision ................................................................ 125
6.5.3
Fragebogen-Instruktion......................................................................... 130
6.5.4
Pretest.................................................................................................... 131
6.6 Auswertungsmethoden und Prüfverfahren ..................................................... 131
VI
7
Inhaltsverzeichnis
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung ................................................. 137 7.1 Überlegungen zur Güte der Untersuchung ..................................................... 137 7.1.1
Rücklauf und Repräsentativität ............................................................ 137
7.1.2
Ergebnisse der Itemanalyse .................................................................. 142
7.1.3
Zwischenfazit zur Güte der Untersuchung ........................................... 152
7.2 Ergebnisse der deskriptiven Statistik .............................................................. 154 7.3 Ergebnisse der bivariaten Inferenzstatistik ..................................................... 158 7.3.1
Befunde zu den Bezugsobjekten des Organisationalen Commitments 158
7.3.2
Befunde zu den Bedingungen des Organisationalen Commitments .... 161
7.3.2.1
Personale Determinanten ............................................................... 161
7.3.2.2
Organisationale Determinanten ..................................................... 167
7.3.2.2.1 Auf der Ebene der Organisationseinheit Weiterbildung.............. 167 7.3.3
Befunde zur Konsequenz des Organisationalen Commitments: Verbleibabsicht ..................................................................................... 175
7.3.4
Zwischenfazit: Zusammenfassung der Befunde der bivariaten Inferenzstatistik..................................................................................... 177
7.4 Ergebnisse der multivariaten Inferenzstatistik................................................ 181 7.4.1
Partialmodell I: Commitment schafft Verbleibeabsicht ....................... 181
7.4.2
Partialmodell II: Variablen beeinflussen Commitment........................ 184
7.4.3
Zwischenfazit: Zusammenfassung der Befunde der multivariaten Inferenzstatistik..................................................................................... 186
7.5 Typologisierung der Mitarbeiterbindung........................................................ 187 7.5.1
Bindungstyp 1: „Der Entwurzelte“....................................................... 191
7.5.2
Bindungstyp 2: “Der Überzeugte”........................................................ 193
7.5.3
Bindungstyp 3: „Der Unabhängige“..................................................... 195
7.5.4
Bindungstyp 4: “Der Emotionale”........................................................ 197
7.5.5
Zwischenfazit: Vom Nutzen der Bindungstypen ................................. 199
7.6 Fazit der empirischen Untersuchung .............................................................. 199
Inhaltsverzeichnis
VII
C Anwendungsteil 8
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal ... 203 8.1 Grundprinzipien der Mitarbeiterbindung........................................................ 203 8.2 Ansatzpunkte zur Bindung von Weiterbildnern ............................................. 205 8.2.1
Organisationales Commitment ............................................................. 206
8.2.2
Arbeitszufriedenheit ............................................................................. 209
8.2.3
Dauer der Betriebszugehörigkeit .......................................................... 211
8.2.4
Variety Seeking..................................................................................... 212
8.2.5
Arbeitsplatzgefahr................................................................................. 212
8.2.6
Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung........................................ 214
8.3 Fazit................................................................................................................. 218
9
Fazit und weitere Forschungsbedarfe................................................................. 221 9.1 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse .................................................. 221 9.2 Weitere Forschungsbedarfe............................................................................. 225
Literaturverzeichnis................................................................................................... 229 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis....................................................................... 247 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................. 253 Anhang....................................................................................................................... 255 A Beteiligte Unternehmen der Untersuchung........................................................ 255 B Fragebogen ......................................................................................................... 257
Einleitung
1
1 Einleitung Sowohl in der Forschung als auch in der interessierten Öffentlichkeit ist die Bedeutung von beruflicher Weiterbildung für die persönliche wie gesellschaftliche Entwicklung unbestritten. Insbesondere für rohstoffarme Länder ist das Humankapital der Bevölkerung ein wirtschaftlicher Standortfaktor. Auch die betriebliche Weiterbildung, verstanden als ein Teil der beruflichen Weiterbildung, der betrieblich veranlasst oder finanziert wird (vgl. Weiß 1994, 1998), hat in deutschen Unternehmen nachhaltig an Bedeutung gewonnen. Zumindest in der theoretischen Auseinandersetzung wird sie primär als Wertschöpfungsprozess interpretiert, mit dem Humanressourcen hervorgebracht, aufgebaut und stabilisiert werden, die über den zukünftigen Geschäftserfolg bestimmen (vgl. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 69, Pawlowski/ Bäumer: 1996: 27 ff.). Als Ursachen für diesen Bedeutungszuwachs werden insbesondere Umweltbedingungen der Unternehmung angeführt. So sehen sich Unternehmen seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts konfrontiert mit einer zunehmenden Markt-, Wissens-, Technologie- und Organisationsdynamik sowie dem Trend der Globalisierung (vgl. für viele Doppler/ Lautenberg 2000: 40 ff., Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 54, Scholz 2000: 7). Der Wettbewerb auf einer Mehrzahl der Märkte verschärft sich und wird zunehmend globaler. Nahezu austauschbare Produktmerkmale führen dazu, dass ein einmal erreichter komparativer Konkurrenzvorteil kaum dauerhaft zu verteidigen ist. Mit enger werdenden Gewinnmargen, kurzen Innovationszyklen bei zunehmenden Amortisationszeiten, hoher Markt- und Preistransparenz, einem starken Kostendruck treten die Unternehmen in den Wettbewerb um die Zukunft. Im Faktor Personal wird ein Bindeglied gesehen, mit dem die Zukunftsherausforderungen bewältigt werden können. Im Rahmen des Ideenmanagements sind es Mitarbeiter, die Innovationen anstoßen, durch eine zuverlässige Prozessqualität Kundenzufriedenheit generieren und Alleinstellungsmerkmale wie Dienstleistungs- und Erlebnisangebote realisieren. Dazu bedarf es qualifizierter Mitarbeiter, und dies wiederum setzt u.a. eine professionell gestaltete Weiterbildung voraus. Ein Schlüsselfaktor für die Qualität der betrieblichen Weiterbildung ist sein Personal (vgl. Sauter 1997). Gemeint sind die hauptamtlich Weiterbildung betreibenden Mitarbeiter eines Unternehmens. Mit zunehmender Bedeutung der betrieblichen Weiterbildung sehen sich diese Mitarbeiter erhöhten Anforderungen1 ausgesetzt. Die Überschriften Professionalisierung, Weiterbildner als Katalysatoren für Veränderungs-
1
Zu den spezifischen Anforderungen an Weiterbildnern bzw. Personalentwicklern liegen z.T. umfangreiche Untersuchungen vor (vgl. bspw. Kailer 1991, Kailer/ Mayrhofer 1995, SorgBarth 2000).
2
Einleitung
prozesse, Weiterbildner als interne Berater bzw. Businesspartner oder e-Learning stehen für diese Trendlinien. Im Vergleich zu anderen Mitarbeitern wird von dieser Personengruppe ein besonders breites Spektrum an Kompetenzen, Qualifikationen und Erfahrungen verlangt. Daneben kann ihre Rolle im Unternehmen als besonders bedeutsam eingeschätzt werden: Aufgrund ihrer Multiplikatorenfunktion agieren sie als Transmissionsriemen der Unternehmensführung. Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts sehen sich Unternehmen damit konfrontiert, dass Mitarbeiterressourcen knapper werden2 und die grundlegende Bereitschaft von Mitarbeitern, sich länger an ein Unternehmen zu binden, abnimmt (vgl. Wunderer/ Dick 2001: 118). Die Schlagworte Individualisierung der Gesellschaft, Ich-AG und Employability markieren dabei die Diskussionslinien (vgl. Schanz 2000: 191 ff.). Davon dürfte auch das Weiterbildungspersonal betroffen sein. Von Praktikern wird empfohlen, diese Problemlage durch stärkere Investition in aktive Mitarbeiterbindung zu lösen (vgl. bspw. Jochmann 2001: 191 ff., Meifert 2002: 73 ff.). Damit soll erreicht werden, dass die Leistungsträger auch in schwierigen Situationen an die Unternehmung gebunden werden („retain the best“) und nicht erhebliche Transaktions- und Opportunitätskosten durch ihr Ausscheiden produzieren (vgl. Kienbaum Retention Studie 2001). Daneben dürfte der drohende Verlust von Wissen ein Motiv dafür sein, Mitarbeiter im Funktionsfeld Weiterbildung zu binden. Schließlich gelten sie als eine Mitarbeitergruppe, an die besonders hohe (Wissens-)Anforderungen gestellt werden. Insbesondere im Rahmen der Professionalisierungsdebatte von Weiterbildung (vgl. bspw. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 132) ist deutlich geworden, dass ein zielgerichtetes Weiterbildungshandeln vom Personal mehr verlangt als eine intuitive Gestaltung der Weiterbildungsprozesse. 1.1 Problemstellung und Zielsetzung Das aktuell aufflammende Interesse an der Mitarbeiterbindung hat eine große Anzahl an Publikationen aus den USA hervorgebracht (vgl. Ahlrichs 2000, Branham 2000, Dibble 1999, Harvard Business Review 2001, Herman 1999). Diese sind zumeist rezeptologisch-praxeologisch geprägt und versprechen unter vollmundigen Titeln wie
2
Demografische Studien prognostizieren für Deutschland einen Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen im Alter von 30 bis 39 Jahren von 12,55 Millionen in 1999 auf 9,03 Millionen bis 2010. Ein ähnlicher Trend wird für den europäischen Arbeitsmarkt in der Gänze prognostiziert, so dass eine Kompensation durch Zuwanderung mehr als fraglich ist (Prognos World Report 2003). Daraus wird geschlossen, dass es zukünftig deutlich schwieriger wird, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden und diese zu binden (vgl. Wunderer/ Dick 2001: 118). Auch wenn aktuell konjunkturbedingt die Arbeitsnachfrage zurückgegangen ist, so dürften die geschilderten demografischen Effekte mittelfristig zu einer deutlichen Verknappung des Faktors Arbeit führen.
Einleitung
3
„Keeping your valuable employees“ (Dibble 1999) oder „Finding and keeping the best people“ (Harvard Business Review 2001): 1. „To help you gain a better understanding of the factors within your control or influence that can improve employee retention in your Organization. 2. To give you new ideas based on the successful practices of other companies. 3. To help develop an action plan for retaining your most highly valued talent.“ (Branham 2000: 4) Eine unkritische Orientierung an der anglo-amerikanischen Literatur scheint aus mehreren Gründen problematisch: Zum einen sind sämtliche Arbeiten generalisierend angelegt und berücksichtigen nicht die Besonderheiten des Funktionsfelds Weiterbildung. Zum anderen unterscheiden sich die Rahmenbedingungen des Personalmanagements in den USA und Deutschland erheblich (vgl. Drumm 2000: 3 f.). Insbesondere die Aspekte individuelles und kollektives Arbeitsrecht, Bildungsniveau, Art des Führungsverständnisses sowie Mobilität der Mitarbeiter stehen einer direkten Übernahme der Ansätze entgegen. Darüber hinaus verzichten nahezu sämtliche Beiträge darauf, ihre „Ratschläge“ mit einer elaborierten Modellvorstellung von Mitarbeiterbindung zu unterlegen. Vielmehr wird mit impliziten Annahmen über Wirkmechanismen gearbeitet und meist „naive“ Begriffsdefinitionen benutzt. Dies gilt auch für die vereinzelt vorliegenden rezeptologisch-praxeologischen Arbeiten aus dem deutschen Sprachraum (vgl. bspw. Schuler/ Pabst 2000). Nach Faulstich muss eine „brauchbare“ Theorie jedoch höhere Ansprüche erfüllen. Zum einen sollte sie instrumentelles Wissen bereitstellen und zum anderen dessen Anwendungsbedingungen und –grenzen kritisch reflektieren (vgl. Faulstich 1998: 3). Bei Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur wird deutlich, dass das Interesse an der Mitarbeiterbindung bzw. spiegelbildlich der Fluktuation nicht besonders neu ist. Seit Anfang des letzten Jahrhunderts ist die Fluktuation aufgrund ihrer besonderen ökonomischen Wirkung Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses (vgl. Kaufhold 1985: 314). Eine große Anzahl an Veröffentlichungen bezeugt dies. Bereits 1980 sprachen Muchinsky und Morrow von 1500 bis 2000 Arbeiten aus den verschiedensten Wissenschaftsbereichen (vgl. Muchinsky/ Morrow 1980: 263). Insgesamt lassen sich die vielfältigen Veröffentlichungen in drei grundlegende Forschungsperspektiven untergliedern: 1) In einer volkswirtschaftlichen Sicht wird versucht, die Wirkung der Fluktuation auf die Arbeitsmärkte makroökonomisch zu analysieren, Kriterien für die Bestimmung eines gesamtwirtschaftlich optimalen Fluktuationsumfangs abzuleiten und Ansatzpunkte für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu liefern (vgl. bspw. Adebahr 1971: 38 ff.). 2) Die betriebswirtschaftliche Forschung beschäftigt sich mit dem Fluktuationsphänomen, um die ökonomische Wirkung der Fluktuation auf der Ebene des
4
Einleitung
Betriebes zu analysieren und Möglichkeiten zur wirkungsvollen Beeinflussung des Phänomens zu generieren (vgl. bspw. Kaufhold 1985, Ott 1975). 3) In der verhaltenswissenschaftlichen Perspektive wird auf der Individuenebene nach Einflussgrößen gesucht, die über den Verbleib oder den Austritt aus der Organisation entscheiden. Mittlerweile liegt eine Vielzahl an empirischen Untersuchungen vor, die die Beziehung von verschiedenen Variablen auf das Teilnahmeverhalten zum Gegenstand haben. Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde von Knowles die Anzahl der mehrfach statistisch getesteten Variablen mit 50 angegeben (Knowles 1976: 67 f.). In neuerer Forschung hat es sich durchgesetzt, den Blick stärker auf Konstrukte und ihre Wirkung zu lenken: Neben dem klassischen Konstrukt „Mitarbeiterzufriedenheit“ (vgl. Fischer 1991, Gawellek 1987) wird häufig die Erklärungskraft von „Organizational Commitment“ (vgl. Clugston 2000, Meyer/ Allen 1997) für das Fluktuationsphänomen untersucht. Unter dem Eindruck der beiden oben geschilderten Trendlinien (Bedeutungszunahme des Weiterbildungspersonals und erwachten Interesses an dem Themenfeld Mitarbeiterbindung) ist es Ziel des Forschungsvorhabens, 1. die vorliegende Literatur einer kritischen Durchsicht zu unterziehen, 2. basierend darauf ein verhaltenswissenschaftliches Grundmodell zur Erklärung der Bindung von Weiterbildnern zu entwickeln, 3. dieses Modell im Funktionsfeld Weiterbildung empirisch zu überprüfen und 4. abgeleitet daraus Gestaltungsperspektiven zur Bindung von Weiterbildungspersonal zu entwickeln. 1.2 Methodik und Aufbau Insgesamt ist das zu bearbeitende Forschungsvorhaben um eine interdisziplinäre Perspektive bemüht und versteht sich als praxisorientierte Grundlagenforschung der betrieblichen Weiterbildung (vgl. Lung 1996: 44). Ohnehin gilt für die Forschung zur betrieblichen Weiterbildung, dass sie „darauf angewiesen ist, Theorien, Konzepte und Modelle quer zu den Disziplinen zu sichten und zumindest ansatzweise zu integrieren“ (Faulstich 1998: 7). Diesem Rechnung tragend, werden die Ansätze der Arbeitsund Organisationspsychologie zur Erklärung des Phänomens Mitarbeiterbindung verarbeitet. Als neuer Zugang dienen Anleihen aus der Kundenbindungsforschung, insbesondere dem Relationship Marketing (vgl. Bruhn 2001, Berry 1983). Daneben wird aus einer betriebswirtschaftlichen Sicht die Notwendigkeit von Mitarbeiterbindung diskutiert. Dem Forschungsprogramm liegt ein Wissenschaftsverständnis zugrunde, dass die Weiterbildungsforschung als angewandte Wissenschaft beschreibt (vgl. Faulstich 1998: 2 ff.). Im Sinne von Ulrich (1981: 7 ff.) ist der Praxisbezug der unmittelbare Zweck einer angewandten Wissenschaft, wobei vier Typen von praxisorientierten Aussagen unterschieden werden (vgl. ebenda 11):
Einleitung
5
1. Lösungsverfahren für konkrete Probleme der Praxis, 2. Modelle für die zukünftige Gestaltung des Systems, 3. Regeln für die Entwicklung solcher Gestaltungsmodelle und 4. inhaltliche Lösungen für konkrete Probleme der Praxis (Expertise, Beratung). Diese Arbeit versucht die Aussagetypen miteinander zu verbinden: Es geht darum, konkrete Ausgestaltungen, Anwendungsschwerpunkte und Probleme der Praxis, die mit der Fluktuation und Bindung von Weiterbildnern verbunden sind, zu erkennen und zu beschreiben, um daraus Ansätze zu ihrer Lösung zu generieren. Zur theoretischen Fundierung wird eine Modellvorstellung darüber entwickelt, was Mitarbeiterbindung dieser Zielgruppe bedingt, und es werden theoriegeleitete Empfehlungen zur Gestaltung von Mitarbeiterbindung gegeben. In der Tradition der Geisteswissenschaften können diese Erklärungen meist nicht vollständig sein, sondern eine gewisse Skizzenhaftigkeit ist auch ausgesprochen gewollt (vgl. Schanz 2000: 46). Vielmehr geht es darum, „charakteristische bzw. typische Bedingungskonstellationen zu betrachten und darin Erklärungsmodelle zu erblicken, die bewusst von den zahlreichen Besonderheiten des Einzelfalls abstrahieren“ (ebenda: 47, Hervorhebungen im Original). Damit setzt sich diese Arbeit dem prinzipiellen Vorwurf aus, dass es ihr an „Exaktheit“ mangele hinsichtlich ihrer Theoriebildung und Erklärungskraft. „Mit diesem Handicap müssen die mitunter als ‚soft science’ bezeichneten Wissenschaften jedoch leben, denn es wird aus verschiedenen Gründen vermutlich nie gelingen, in dieser Hinsicht zu den Naturwissenschaften aufzuschließen.“ (ebenda). Trotzdem lohnt es sich zumindest methodisch, sich diesem Ideal anzunähern3. Um eine praktische Relevanz der Arbeit zu erreichen, ist es notwendig, dass der Forscher kontinuierlich in Problemlösungsprozessen der betrieblichen Praxis involviert ist, um diese zu erleben (vgl. Ulrich 1981: 11). Diese Voraussetzung ist gegeben, da das Projekt aus der unternehmensberatenden Perspektive des Autors bearbeitet wird und er über eine langjährige Berufserfahrung in der betrieblichen Weiterbildung verfügt. Die Strukturierung der vorliegenden Arbeit bildet ein Forschungskonzept, das aus neun Bausteinen besteht (vgl. Abbildung 1). Nach diesem einführenden Teil widmet sich das zweite Kapitel dem System der betrieblichen Weiterbildung und seinen Akteuren. Es bildet das Bedingungsfeld4 ab, in dem das Weiterbildungspersonal tätig
3
Vgl. zur Diskussion der methodologischen Position dieser Arbeit ausführlich Kapitel 5 und 6.
4
Der Begriff des Bedingungsfeldes stammt ursprünglich aus der Didaktik und beschäftigt sich mit der Frage, welche Bedingungen ein Lehrender in seiner Unterrichtsplanung berücksichtigen muss. In dem in dieser Schrift zu diskutierenden Kontext steht er für die relevanten Umweltfaktoren, denen Weiterbildner in ihrem beruflichen Handeln ausgesetzt sind.
6
Einleitung
Kapitel 8 Möglichkeiten zur Bindung von Weiterbildungspersonal
Anwendung
ist, erhellt die Alltagswirklichkeit der Weiterbildner und übernimmt somit die Funktion, die Schlüsselbegriffe „Weiterbildung“ sowie „Weiterbildungspersonal“ zu erläutern. Im dritten Kapitel wird der aktuelle Forschungsstand zum Konstrukt Mitarbeiterbindung aufgearbeitet. Dabei werden zunächst traditionelle Erklärungsmuster der Mitarbeiterbindung aus einem organisationspsychologischen Blickwinkel heraus reflektiert.
Kapitel 7
Empirie
Ergebnisse der Empirie
Kapitel 9
Grundlagen und Methoden der Untersuchung Kapitel 5 Modellverständnis der Untersuchung Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
System der betrieblichen Weiterbildung und seine Akteure
Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
Relevanz der Bindung von Weiterbildungspersonal
Theorie
Fazit und weiterer Forschungsbedarf
Kapitel 6
Kapitel 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Im nächsten Schritt werden im Sinne einer interdisziplinären Perspektive die Erkenntnisse der Kundenbindungsforschung gesichtet und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die Mitarbeiterbindung diskutiert. Das Kapitel 2 und 3 bilden zusammen das erkenntnistheoretische Fundament der Arbeit. Im vierten Kapitel wird die praktische Relevanz der vorliegenden Fragestellung diskutiert. Zugespitzt: Inwieweit lässt sich eine Notwendigkeit für eine bewusste Bindung von Weiterbildnern herleiten? Die Motivation für diese Vorgehensweise entspringt der aktuellen Literaturlage. Die zu diesem Thema zahlreich vertretene praxeologisch-rezeptologische Literatur verzichtet nahezu vollständig darauf, diese
Einleitung
7
Frage zu stellen. Vielmehr stellt die Notwendigkeit zur Mitarbeiterbindung einen Art „Glaubenssatz“ dar (vgl. dazu bspw. Branham 2000 und Herman 1999). Eine kritische Reflexion der vorherrschenden Begründungslinien liegt daher nicht nur nahe, sie stellt für die in dieser Arbeit zu bearbeitende Fragestellung auch eine wesentliche Grundlage der Argumentation dar. Basierend auf dem in den vorangegangenen Kapiteln erarbeiteten Theorieverständnis widmet sich der fünfte Teil der Explizierung des Modellverständnisses und, daraus abgeleitet, den in der empirischen Untersuchung zu überprüfenden Hypothesen. In diesem Zusammenhang werden auch die Grenzen des Modells ausgelotet. Im nächsten Kapitel werden der ausgewählte Untersuchungsaufbau und die –methodik charakterisiert. Das siebte Kapitel breitet die Ergebnisse der Empirie aus und liefert Aussagen hinsichtlich der zu prüfenden Hypothesen. Der achte Abschnitt der Arbeit dient der „Übersetzung“ der Befunde in Handlungsempfehlungen. Konkret: Wie kann die Bindung von Weiterbildnern aktiv gesteuert werden? Den Abschluss bildet das neunte Kapitel in Form eines Fazits und von Aussagen hinsichtlich weiterführender Forschungsbedarfe.
Das System der betrieblichen Weiterbildung und seine Akteure
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2 Das System der betrieblichen Weiterbildung und seine Akteure Ziel dieses Kapitels ist es, die erste Dimension des Erkenntnisobjektes der Arbeit näher zu konkretisieren: Das betriebliche Weiterbildungspersonal. Dazu wird in drei Schritten vorgegangen: Zunächst wird das System der betrieblichen Weiterbildung als das Arbeitsfeld des Weiterbildungspersonals charakterisiert. Anschließend gilt das Augenmerk dem Weiterbildungspersonal und seinen Kompetenzanforderungen. Den Abschluss bildet der Versuch, die Alltagswirklichkeit der betrieblichen Weiterbildner zu beschreiben. Alle drei Schritte dienen zum einen der Begriffsschärfung. Zum anderen sollen erste Ansatzpunkte herausgearbeitet werden, die für die Bindung von Weiterbildnern besonders relevant erscheinen. 2.1 Betriebliche Weiterbildung als System Um die betriebliche Weiterbildung zu erfassen, liegt ein systemtheoretischer Zugang nahe. Schließlich handelt es sich bei ihr um ein komplexes, aus interdependenten Einzelobjekten bestehendes „Etwas“. Systeme sind grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass sie aus Elementen bestehen mit besonderen Eigenschaften, wobei diese durch Beziehungen miteinander verknüpft sind. „Der Beziehungszusammenhang dieser Elemente ist deutlich dichter als der zu anderen Elementen, so dass sich Systeme von ihrem Unsystem abgrenzen lassen.“ (Heinrich/Burgholzer 1986: 7 zitiert nach Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 100). Diese (System-)Elemente lassen sich als Teilsysteme des Gesamtsystems interpretieren. Sie zeichnen sich durch ihre Definiertheit, relative Invarianz und Systemstruktur aus (vgl. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 100). Die Analyse der betrieblichen Weiterbildung mittels eines systemtheoretischen Ansatzes hat Vorteile5: Zum einen handelt es sich bei dem Erkenntnisobjekt um ein unüberschaubares, komplexes Gebilde. Der systemische Zugang sichert einen ganzheitlichen Blick und deckt die Elementevielfalt auf. Zum anderen folgt daraus, dass Abhängigkeitsstrukturen und Wirkmechanismen betrachtet werden können. Von diesen wird angenommen, dass sie besonders nachhaltig das System der betrieblichen Weiterbildung prägen (vgl. Abschnitt 2.4). Die Charakterisierung des Systems betriebliche Weiterbildung erfolgt in drei Schritten. Zunächst werden die Systemgrenzen aufgezeigt, indem gängige Weiterbildungsbegriffe definiert und voneinander abgegrenzt werden. Anschließend wird ein Idealtyp eines Weiterbildungssystems mit seinen Bestandteilen entwickelt.
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Vgl. zur ausführlichen Legitimation eines systemtheoretischen Zugangs zur Analyse der betrieblichen Weiterbildung Bäumer 1999: 13 ff. und Lung 1996: 57 ff..
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Danach gilt das Interesse den systemgestaltenden Prinzipien und ihrer Einflussstärke auf das System der betrieblichen Weiterbildung. Sie sind besonders bedeutsam, weil zu vermuten ist, dass die Art der Gestaltung des Weiterbildungssystems nachhaltigen Einfluss auf die Qualität der Mitarbeiterbindung der betrieblichen Weiterbildner besitzt. 2.1.1 Systemgrenzen der betrieblichen Weiterbildung - Begriffsbestimmung Die Bestimmung von Systemgrenzen ist wichtig. Aus der Forschungsperspektive ist sie notwendig, um das Erkenntnisobjekt zu präzisieren. In der systemtheoretischen Sicht dient die Grenzziehung der Komplexitätsreduktion. „Grenzen schaffen heißt, eine Differenz herstellen, in dem das Innenverhältnis ein anderes, weniger komplexes wird, als das Außenverhältnis“ (Steinmann/ Schreyögg 2000: 125). Mit anderen Worten dient der folgende Abschnitt dazu, einen Teil des für diese Arbeit relevanten Wirklichkeitsausschnitts zu definieren. In Deutschland scheint sich mittlerweile ein relativ einheitlicher Begriffsgebrauch zum beruflichen Bildungsbereich durchgesetzt zu haben (vgl. Döring/ RitterMamczek 1999: 53). Dies mag darin begründet sein, dass eine Vielzahl von Rechtsnormen und offizielle Erklärungen von staatlichen Institutionen zu den Begriffen und ihrer Abgrenzung existieren. Häufig wird der Terminus Weiterbildung und Fortbildung synonym aufgefasst und definiert als die „Fortsetzung oder Wiederaufnahme Organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Bildungsphase“ (Deutscher Bildungsrat 1970: 250). Weiter untergliedern lässt sich der Begriff Weiterbildung, indem zum einen der Weiterbildungsinhalt näher erläutert wird (allgemeine Weiterbildung vs. berufliche Weiterbildung vs. politische Weiterbildung) und zum anderen der Weiterbildungsort fokussiert wird (betriebliche Weiterbildung vs. außerbetriebliche Weiterbildung). Die berufliche Weiterbildung lässt sich anhand des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) aus dem Jahr 1969 konkretisieren: „Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich aufzusteigen.“ (§ 1 (3) BBiG). Die betriebliche Weiterbildung ist eine Schnittmenge der beruflichen Weiterbildung und bezieht sich auf die Aktivitäten, die vom Unternehmen durchgeführt und/oder veranlasst und finanziert werden (vgl. Baethge et al 1990: 198). Etwas genauer ist unter betrieblicher Weiterbildung zu verstehen: ,,die außerhalb des Arbeitsvollzugs in der Verantwortung der Betriebe Organisierten Bildungsmaßnahmen (...), die nicht Teil der beruflichen Erstausbildung sind und die sich an den Bedingungsfaktoren des privatwirtschaftlichen Produktionsprozesses orientieren." (Wittwer 1982: 25). Damit schließt diese Begriffsfassung Qualifizierungsprozesse aus, die durch Einarbeitung oder Lernen „im alltäglichen Mitvollzug technischer, organisatorischer und geschäftspolitischer Veränderungen“ entstehen (Baethge et al. 1990: 198). Betriebliche Weiterbildung lässt sich weiter untergliedern in interne und externe Maßnahmen. Interne Weiterbildungsmaßnahmen werden mit eigenem Lehrpersonal
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oder mit fremdem Personal im Auftrag des Unternehmens durchgeführt. Diese stehen gewöhnlich nur Betriebsangehörigen offen. Externe Weiterbildungsleistungen werden außerhalb des Unternehmens angeboten und durchgeführt. Für diese Arbeit ist ausschließlich die vom Unternehmen beeinflusste Weiterbildung von Relevanz. Schließlich steht die Frage nach der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal im Vordergrund. Zugespitzt ist die interne betriebliche Weiterbildung Gegenstand des Interesses. Sie wird im Folgenden kurz betriebliche Weiterbildung genannt. Die folgende Abbildung veranschaulicht zusammenfassend den Begriffsraum, der die Systemgrenzen absteckt:
Weiterbildung vom Unternehmen beeinflußte Weiterbildung allgemeine Weiterbildung
berufliche Weiterbildung
betriebliche Weiterbildung
intern
politische Weiterbildung
außerbetriebliche Weiterbildung
extern
Abbildung 2: Begriffe der Weiterbildung (Pawlowsky/ Bäumer 1996: 10)
Teilweise ist es in der Fachdiskussion strittig, wie die Grenzlinien zwischen der betrieblichen Weiterbildung und der Personalentwicklung verlaufen. In einem engen Begriffsverständnis, welches die klassische Personalwirtschaftslehre benutzt, werden Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung gleichgesetzt (Sorg-Barth 2000: 15, Staehle 1999: 872). In einem weiteren Begriffsverständnis wird Personalentwicklung definiert als die Summe von Tätigkeiten, die für das Personal nach einem
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einheitlichen Konzept systematisch vollzogen werden. „Sie haben in bezug auf einzelne Mitarbeiter aller Hierarchie-Ebenen eines Betriebs Veränderungen ihrer Qualifikation und/oder Leistung durch Bildung, Karriereplanung und Arbeitsstrukturierung zum Gegenstand. Sie geschehen unter Berücksichtigung des ArbeitsKontextes, wobei ihre Orientierungsrichtung die Erreichung (Erhöhung des Erreichungsgrades) von betrieblichen und persönlichen Zielen ist. Bereits diese Orientierung legt eine spezifische Art und Weise der Erfüllung der Personalentwicklungsaufgaben nahe: Die Zusammenarbeit der Betroffenen bei der Bedarfsermittlung, Programmplanung und –durchführung, sowie Kontrolle.“ (Berthel 1997: 226). Aus dieser Definition lassen sich mehrere, aufeinander aufbauende Teilfunktionen ableiten: Personalentwicklung ist eine komplexe, vielschichtige Aufgabe und umfasst • die quantitative und qualitative Personalplanung, • die Personalbeschaffung, • die Personalführung, • die potentialorientierte Personalpolitik, • die Personalbeurteilung, • die Personaldatenerfassung sowie die Personalqualifizierung (vgl. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 301). Dieser Aufgabenkatalog verdeutlicht, dass Personalentwicklung umfassender verstanden wird als im oben definierten Sinne betriebliche Weiterbildung. Die Personalentwicklung wirkt wie die betriebliche Weiterbildung auf das Qualifikationsprofil der Mitarbeiter ein, bedient sich dabei einer größeren Anzahl an Instrumenten und Herangehensweisen. So verstanden ist die betriebliche Weiterbildung ein Kernelement der Personalentwicklung (vgl. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 304, Schanz 2000: 484, Staehle 1999: 872) oder systemtheoretisch ausgedrückt: Die Weiterbildung ist ein Subsystem des Systems Personalentwicklung. 2.1.2 Bestandteile des Systems betriebliche Weiterbildung Es ist im vorangegangenen Abschnitt akzentuiert worden, wie die Systemgrenzen der betrieblichen Weiterbildung verlaufen. Fraglich ist nun, welche Bestandteile (Subsysteme) idealtypisch zur betrieblichen Weiterbildung gehören. Dazu wird ein theoretisches Modell von einem System betrieblicher Weiterbildung referiert. Es ist ein abstraktes System, das den Anspruch erhebt, eine gewisse Allgemeingültigkeit zu besitzen und zur Analyse von verschiedenen realen Weiterbildungssystemen ein Raster zu liefern (vgl. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 101 ff.). Daher wird es als idealtypisch, nicht jedoch als prototypisch, bezeichnet. Grundsätzlich lassen sich vier Kernaufgaben von betrieblicher Weiterbildung identifizieren, die sich jeweils als ein Teilsystem charakterisieren lassen. Im Zentrum
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steht das Subsystem „Bedarfsermittlung“. Im Rahmen eines Vergleiches6 wird die Soll- mit der Ist-Qualifikation abgeglichen. Diese Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs bezieht sich auf die zeitliche (wann?), inhaltliche (was?), personelle (wer?) sowie methodische (wie?) Dimension. Basierend auf dem Weiterbildungsbedarf setzt das Subsystem „Realisierung“ auf. Mittels eines Angebotes an Weiterbildungsmaßnahmen gilt es, die benötigte Soll-Qualifikation zu „produzieren“. Dabei ist es primäres Ziel, das Gelernte aus dem mehr oder minder künstlichen Umfeld Seminarraum in das Funktionsfeld zu übertragen. Dieser „Transfer“ kann als ein weiteres Subsystem aufgefasst werden oder als Teil des Subsystems „Realisierung“. Ein unstrittig abzusetzendes Subsystem bildet die „Erfolgsermittlung“ oder Bildungscontrolling. Es zielt stärker als bisher darauf, den Nachweis darüber zu führen, dass sich die Investition in das Humankapital lohnt (vgl. Landsberg/ Weiß 1995: 3). Neben diesen vier Kernaufgaben lassen sich weitere Subsysteme identifizieren. Döring und Ritter-Mamczek unterscheiden zehn Teilsysteme der betrieblichen Weiterbildung (vgl. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 101 ff.). Dabei gliedern sie bspw. das Subsystem „Realisierung“ auf in die Teilsysteme „Rahmenbedingungen des Lehrens und Lernens“, „Didaktik der Weiterbildung“ sowie „Lernfähigkeit des Erwachsenen“. Die oben dargestellten Teilsysteme „Transfer“ und „Erfolgsermittlung“ fassen sie zu „Transfer-Management und Evaluation“ zusammen. Die restlichen beiden Teilsysteme (TS) finden sich identisch bei den Autoren wieder. Insgesamt strukturieren sie ihr Modell mit vier Clustern: • Voraussetzung der Weiterbildung (TS 1- 3), • Bedingung der Weiterbildung (TS 4 – 7), • Zentraler Prozessablauf im Lernfeld (TS 8) sowie • Ergebnisse und Folgen der Weiterbildung (TS 9 – 10). Die Abbildung 3 veranschaulicht das Modell mit seinen Bestandteilen. Es wird deutlich, dass sich das System der betrieblichen Weiterbildung je nach Blickwinkel unterschiedlich komplex darstellen lässt. Bedeutsam ist es, die Interdependenzen der einzelnen Teilsysteme herauszustellen. Wie oben ausgeführt, sind die Kernaufgaben Bedarfsermittlung – Realisierung – Transfer – Erfolgsermittlung eng miteinander verwoben. Sie sind darüber hinaus weiteren Einflüssen ausgesetzt, wie bspw. dem Organisationsklima (TS 1) oder den rechtlichen Grundlagen (TS 7)7. In dieser Akzentuierung liegt die Stärke der systemtheoretischen Interpretation. Sie lenkt den Blick auf das Ganze und macht damit die Abhängigkeitsstrukturen deutlich. In realiter ist der von Döring und Ritter-Mamczek vorgeschlagene Idealtypus nicht
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Der Abgleich von ermittelter Soll–Qualifikation und Ist-Qualifikation wird häufig auch als Delta- oder Gap-Analyse bezeichnet.
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Eine ausführliche Analyse dieser Wirkmechanismen findet sich bei Lung 1996: 57 ff..
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anzutreffen (vgl. Lung 1996: 249). Mischtypen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Teilsystemen dürften vorherrschen. Der nächste Abschnitt widmet sich daher den systemgestaltenden Prinzipien und ihrer Wirksamkeit. Anders formuliert: Was determiniert die Struktur und Gestaltung des Systems der betrieblichen Weiterbildung? Und welche Weiterbildungstypen lassen sich mittels dieser Faktoren identifizieren?
Teilsysteme der betrieblichen Weiterbildung Voraussetzungen
Bedingungen
Teilsystem 1: - Betriebsführung
Teilsystem 4: Betriebliche Organisation der Weiterbildung
- Organisationsklima - Weiterbildungsphilosophie
Teilsystem 6: Rahmenbedingungen des Lehrens und Lernens
Prozessablauf Ergebnisse Teilsystem 9: Lernen und Lernfähigkeit von Erwachsenen Teilsystem 10: Transfer-Management und Evaluation Teilsystem 8: Didaktik der Weiterbildung
Teilsystem 5: Finanzplanung und Teilsystem 2: FinanziePersonalrung der wirtschaft Weiterbildung als Grundlage betrieblicher Weiterbildung Teilsystem 7: Rechtliche Grundlagen der Weiterbildung
Teilsystem 3: Betriebliche Bildungsplanung
Abbildung 3: Teilsysteme der betrieblichen Weiterbildung (in Anlehnung an: Döring/ RitterMamczek 1999: 103)
2.1.3 Systemgestaltende Prinzipien der betrieblichen Weiterbildung und Erscheinungsformen des Systems In der Fachliteratur finden sich etliche Faktoren, von denen angenommen wird, dass sie die Systemgestalt der betrieblichen Weiterbildung prägen. Gedanklich lassen sich diese Prinzipien unterteilen: nach der Herkunft in internale und externale Faktoren und nach der Ausdrücklichkeit in explizite und implizite Faktoren. Die internalen
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Faktoren entstammen dem Suprasystem Unternehmen8, während die externalen als Einflüsse aus der Unternehmensumwelt interpretiert werden. Explizite Faktoren sind ausdrücklich und deutlich wahrnehmbar; implizite dagegen eher flüchtig und weniger konkret fassbar. Sie sind weniger deutlich wahrnehmbar und häufig durch handelnde Personen mit ihren Werten und Einstellungen geprägt. Die Tabelle 1 fasst die gängigen systemgestaltenden Prinzipien zusammen und systematisiert sie anhand der oben eingeführten Analysekriterien. Fraglich ist, welcher dieser Faktoren besonders nachhaltigen Einfluss auf die Gestaltung des Systems betriebliche Weiterbildung besitzt. Dieser Frage ist Bäumer in Form einer empirischen Untersuchung des Weiterbildungsmanagements in deutschen Unternehmen nachgegangen (Bäumer 1999). Er hat vier Prototypen des Systems betriebliche Weiterbildung herausgearbeitet und nach statistisch signifikanten Zusammenhängen gesucht. Berücksichtigt wurden ausschließlich betriebliche Weiterbildungseinrichtungen. Dabei unterscheidet Bäumer die folgenden Typen von Weiterbildung: Weiterbildungstyp I: Die rudimentäre Weiterbildung9 Dieser Typus ist gekennzeichnet durch einen geringen Organisationsgrad der Weiterbildung. Es existiert nur ein geringes Maß an Institutionalisierung, Organisation und Planung. Insgesamt ist der Ausbaustand des Weiterbildungsmanagements gering (vgl. Bäumer 1999: 171). In Bezug zu dem oben beschriebenen Idealmodell ist die Vielzahl der Subsysteme nicht vorhanden bzw. nur rudimentär. Der Fokus liegt auf der situativen Organisation von Weiterbildungsveranstaltungen ohne eine systematische und strategische Planung.
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Lung benutzt den Begriff Supersystem und liefert eine ausführliche Analyse des Supersystems Betrieb als Bedingungssystem für die betriebliche Weiterbildung (vgl. Lung 1996: 59).
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Zu diesem Typus kann auch die „Nichtweiterbildung“ gezählt werden. Diese Unternehmen verzichten auf betriebliche Weiterbildung. Sie warten so lange, bis sich ein personeller Engpass ergibt oder neue Aufgabengebiete entstehen, und besetzen diese Vakanzen mit zufällig vorhandenem Personal oder Neueinstellungen. Es scheint sich keine Notwendigkeit zur Weiterbildung zu ergeben, weil „fertig“ entwickelte Mitarbeiter von außen gewonnen werden können (vgl. Tylor/ Lipitt 1983 nach Staehle 1999: 878). Andere Unternehmen dieser Prägung übertragen die Verantwortung für Weiterbildung vollständig auf die Mitarbeiter. Als typische Beispiele dafür sind Werbeagenturen oder kleine Handwerkbetriebe zu nennen.
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Tabelle 1: Einflussfaktoren auf die betriebliche Weiterbildung (in Anlehnung an Bäumer 1999: 226 ff., Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 101 ff., Lung 1996: 63 ff. Pawlowski/ Bäumer 1996: 65) Art
Faktor
internal
Strategische
Unternehmens- und Personalstrategie
X
Produktportfolio
X
Aspekte
Kulturelle Aspekte
Technischorganisatorische Aspekte Strukturelle Aspekte
external explizit X X
X
X
Wettbewerbssituation
X
X
Eigentümerinteressen
X
X
X
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X
Ziele der Weiterbildung
X
Unternehmenskultur
X
Lernklima
X
X
Führungsstil
X
X
Traditionen und Werte
X
X
Eingesetzte Technik
X
Art der Leistungserstellung
X
Arbeitsorganisation
X
Unternehmensgröße
X
Aufbauorganisation
X
Belegschaftsstruktur (bspw. Alter und
X
Intensität von strukturellen Veränderungen Geografische Organisation des Unternehmens Volkswirtschaftliche Gesamtwirtschaftliches Wachstum Arbeitsmarktsituation
X 11
(X)
X
X X X X X X
Qualifikation)
Aspekte
implizit
X X
X
X X
X
X
X
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Die Definition der Eigentümerinteressen als Teil der Umwelt oder des Unternehmens ist im starken Maße abhängig von der Rechtsform der Unternehmung. In der vorherrschenden Unternehmensform der Kapitalgesellschaft existiert eine Dichotomie zwischen Eigentümer und Management (vgl. Staehle 1988: 61). Daher werden die Eigentümerinteressen zu der Unternehmensumwelt gezählt.
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In vielen Unternehmen sind Bemühungen zu beobachten, die Unternehmenskultur mittels ausformulierten Leitlinien zur Führung und Zusammenarbeit zu explizieren. Diese bleiben häufiger wirkungslos, weil eine zielgerichtete Implementierung unterbleibt und die Kultur stärker durch Vorbildhandeln der Führungskräfte und anderen Machtpromotoren geprägt wird. Sie stellen jedoch einen Versuch dar, die Unternehmenskultur zu explizieren.
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Weiterbildungstyp II: Die nachgefragt-dienstleistende Weiterbildung Prägendes Merkmal dieses Prototyps ist die anforderungsorientierte Form der Weiterbildungsplanung. Die Weiterbildungseinheit verfügt über ein hohes Maß an weiterbildungsspezifischen Know-hows und agiert als interner Dienstleister. Wird in den Fachabteilungen ein Bedarf ausgemacht, dann wird eine Weiterbildungsleistung nachgefragt. Im Vergleich zur strategieunterstützenden Weiterbildung verzichtet diese Herangehensweise auf eine inhaltliche und zeitliche Koppelung der Weiterbildungsplanung mit der unternehmensstrategischen Planung (vgl. ebenda: 170). Dieser Weiterbildungstypus verfügt über einen soliden Ausbaustand in den Teilsystemen 4 – 9, jedoch Schwächen in dem Zusammenspiel der ersten drei Teilsysteme. Bedarfsplanung wird nur rein reaktiv interpretiert und verfügt über keine Schnittstelle zu TS 1: „Betriebsführung“ und TS 2: „Personalwirtschaft“. Weiterbildungstyp III: Die strategieunterstützende Weiterbildung Die Weiterbildung genießt in den Unternehmen, die diesen Typus wählen, einen hohen Stellenwert. Sie erfolgt in enger inhaltlicher und zeitlicher Nähe zur unternehmensstrategischen Planung. Die Weiterbildungseinheit versteht sich als Dienstleister für die übrigen Organisationseinheiten und unterstützt sie bei der Erfüllung ihrer strategischen Vorgaben mit ihrem weiterbildungsspezifischen Knowhow (vgl. ebenda). Dieser Weiterbildungstypus verfügt über einen hohen Ausbaustand in allen Teilsystemen. Insbesondere die Schnittstelle „Bildungsplanung und Betriebsführung“ sowie das Kernsystem (TS 4 – 9) und das Transfer-Management und die Evaluation sind wohldefiniert und funktionabel. Weiterbildungstyp IV: Die ressourcenbasierte Weiterbildung Während die nachgefragt-dienstleistende Weiterbildung an den Bildungsanforderungen orientiert ist, setzt die ressourcenbasierte Weiterbildung auch an einer anforderungsunabhängigen Qualifizierung an. Weiterbildung erfolgt auf Grundlage der vorhandenen und entwickelbaren Mitarbeiterressourcen und ist über diesen Hebel (Mit-)Initiator für Veränderungen. (vgl. ebenda: 87, 170 f.). Hinsichtlich des Ausbaustandes der Teilsysteme gelten die Aussagen zum Weiterbildungstyp III analog. Nur: Der Akzent der Weiterbildung liegt nicht primär auf einer Strategieunterstützung. Fraglich ist im Folgenden, wovon es abhängt, welcher Weiterbildungstyp sich herausbildet. Dabei dürfen die dargestellten Ergebnisse der empirischen Untersuchung zum Weiterbildungsmanagement nicht als kausale Ursache-Wirkungszusammenhänge aufgefasst werden, dazu war die Untersuchung nicht angelegt (vgl. ebenda: 226). Vielmehr handelt es sich um empirisch auffällige Zusammenhänge, die eine Kausalität lediglich vermuten lassen. Statistisch auffällige Befunde ergaben sich bei den Faktoren: a) Unternehmensgröße, b) Branche/ Wettbewerbssektor, c) Wettbewerbsbedingungen,
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d) Wettbewerbsfaktoren, e) Ausbaustand des Personalmanagements und f) Weiterbildungsziele (vgl. ebenda: 230). Auf den ersten Blick handelt es sich bei allen Faktoren um explizite. Sie sind sachlogisch zu erfassen und in klare Anforderungen an das Weiterbildungssystem zu überführen. Dabei ist die Herkunft überwiegend external. Dahinter steht die Auffassung, dass das offene Suprasystem Unternehmung mit seiner Umwelt in wechselseitiger Beziehung steht. Lediglich der Ausbaustand des Personalmanagements und die Weiterbildungsziele sind als internale Faktoren zu charakterisieren. Sie lassen sich nicht vollständig von den expliziten Faktoren trennen. Schließlich dürfte der Ausbaustand des Personalmanagements sowie die Weiterbildungsziele auch durch Impulse aus der Unternehmensumwelt (mit-)geprägt werden. In der weiteren Diskussion ist noch zu zeigen, dass insbesondere die Weiterbildungsziele zum Teil von einem impliziten „Schleier“ umgeben sind. Anders formuliert, es ist nicht unbedingt von einer Identität der proklamierten und tatsächlich verfolgten Weiterbildungsziele auszugehen. a) Unternehmensgröße Die Unternehmensgröße hat einen nachhaltigen Einfluss auf die Ausgestaltung des Systems betrieblicher Weiterbildung. Die empirischen Befunde weisen darauf hin, dass insbesondere der „Ausbaustand“ des Systems betrieblicher Weiterbildung stark durch die Unternehmensgröße geprägt ist. In der Tendenz wird die Hypothese gestützt, dass je kleiner ein Unternehmen ist, desto weniger findet eine systematischorganisierte Weiterbildung statt (vgl. ebenda: 230 ff.). b) Branche/ Wettbewerbssektor Ein weiterer prägender Faktor ist neben der Unternehmensgröße die Branche, in der das Unternehmen agiert. Beispielsweise ist in Dienstleistungsunternehmen die Bedeutung von betrieblicher Weiterbildung besonders hoch. Schließlich wird der Mitarbeiter mit seinen Kompetenzen als Repräsentant des Unternehmens wahrgenommen. Personale Faktoren sind somit Teil des Produktes bzw. der Leistung. So ermittelt Bäumer für die Banken und Versicherungen einen besonders hohen Ausbaustand der betrieblichen Weiterbildung (1999: 235). Unternehmen des industriellen Sektors weisen in seiner Untersuchung einen geringen Ausbaustand der betrieblichen Weiterbildung bei kleinen bis mittelständischen Unternehmen auf (vgl. ebenda: 233). c) Wettbewerbsbedingungen Fraglich ist, in welcher Weise die Wettbewerbsbedingung des Unternehmens Einfluss auf die Gestaltung des Systems der betrieblichen Weiterbildung nimmt. Die Wettbewerbsbedingung lässt sich sinnvoll durch die relative Marktstellung und die Wettbewerbssituation operationalisieren. Anders formuliert: Wie steht das Unternehmen zur Konkurrenz? Bäumer kommt zu dem Ergebnis: „Es verdichtet sich ein
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Muster des rudimentären Weiterbildungstypus, das geprägt ist von einem extremen Wettbewerbsdruck in zum Teil schrumpfenden Märkten mit viel Unwägbarkeiten.“ (Bäumer 1999: 239). Als mögliche Beispiele gibt er die Automobilzulieferer an. Hinsichtlich der anderen Prototypen kann er keine eindeutigen Hinweise statistisch absichern. d) Wettbewerbsfaktoren In der theoretischen Auseinandersetzung wird die betriebliche Weiterbildung häufig als Wertschöpfungsprozess interpretiert, mit dem Humanressourcen hervorgebracht, aufgebaut und stabilisiert werden, die über den zukünftigen Geschäftserfolg bestimmen (vgl. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 69, Pawlowski/ Bäumer: 1996: 27 ff.). So verstanden, gilt sie auch als Reaktion auf die Wettbewerbsbedingungen des Unternehmens. Fraglich ist, ob eine strategische Positionierung des Unternehmens zu einer typischen Wahl eines Weiterbildungstypus führt. Bäumer kommt in seiner Untersuchung zu folgenden Ergebnissen (vgl. Bäumer 1999: 247): Unternehmen, die sich als innovativer Dienstleister mit einer ausgeprägten Marketing- und Produktorientierung positionieren, wählen signifikant häufiger eine strategieunterstützende Weiterbildung. Industrielle Großunternehmen mit dominierender Marktstellung (insbesondere der Chemie- und Elektroindustrie) praktizieren überwiegend eine nachgefragt-dienstleistende Weiterbildung. Unternehmen, die als Marktnischenanbieter agieren, präferieren mehrheitlich die ressourcenbasierte Weiterbildung. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen der industriellen Kernsektoren (bspw. Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau) praktizieren überwiegend eine rudimentäre Weiterbildung. Sie befinden sich in einem forcierten Wettbewerb mit starkem Preiskampf und bemühen sich über eine Preis- oder Kostenführerschaft um Konkurrenzvorteile. e) Ausbaustand des Personalmanagements Im Abschnitt Systemgrenzen der Weiterbildung wurde die betriebliche Weiterbildung als Teilsystem der Personalentwicklung charakterisiert. Dieses wiederum ist Teil des Systems Personalmanagement. Der Ausbaustand eines Personalmanagements lässt sich anhand von zwei Kriterien erfassen. Zum einen: Inwieweit liegt eine Personalstrategie als übergeordneter Begründungsrahmen für die Personalarbeit vor? Und zum anderen: Wie viele und welche Personalinstrumente12 finden im Unternehmen ihren Einsatz? Bezogen auf diese beiden Aspekte kommt Bäumer zu differenzierten Ergebnissen (vgl. Bäumer 1999: 258):
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Als Personalinstrumente wurden von Bäumer berücksichtigt: Das Mitarbeitergespräch, die Nachfolgeplanung, die Laufbahnplanung, Jobrotation, Stellenbeschreibungen, Personalcontrolling sowie edv-gestützte Personalverwaltung.
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Unternehmen, die über einen strategieunterstützenden bzw. nachgefragt-dienstleistenden Weiterbildungstypus verfügen, weisen in ihren Personalstrategien große Ähnlichkeiten auf. Die Verbreitung der Weiterbildungsziele ist in beiden Gruppen ähnlich. Erwartungsgemäß zeichnen sich Unternehmen mit einer ressourcenbasierten Weiterbildung dadurch aus, dass sie ein ressourcenbasiertes Profil aufweisen. Es dominiert die Personalentwicklung, Personalplanung und Personalbeurteilung. Die Unternehmen mit einer rudimentären Weiterbildung verfügen über einen geringen Verbreitungsgrad an Personalinstrumenten und selten über eine explizite Personalstrategie. f) Weiterbildungsziele Wenn davon ausgegangen werden kann, dass in einer humankapitaltheoretischen Sicht Weiterbildung im Berufsleben an sich keinen Selbstzweck darstellt, sondern vielmehr Mittel zum Erreichen eines Zieles ist (vgl. Becker 2002: 120), dann dürften die Ziele besonders handlungsleitend und prägend für das System sein. Wie bereits oben aufgeworfen, sind die Weiterbildungsziele von einem impliziten „Schleier“ umgeben. Damit ist gemeint, dass Anspruch und Wirklichkeit in realiter auseinander klaffen können. Damit dürften die tatsächlich handlungsleitenden Ziele schwer messtheoretisch zu erfassen sein. Bäumer hat in seiner Untersuchung diesen Umstand damit gelöst, indem er lediglich die proklamierten (also explizierten) Weiterbildungsziele untersucht hat (vgl. Bäumer 1999: 258 ff.)13. Als Ergebnisse notiert er: Unternehmen mit einem strategieunterstützenden oder nachgefragt-dienstleistenden Weiterbildungstypus sind mit ihren (Ziel-)Funktionsprofilen fast identisch. „Weiterbildung dient hier u.a. dazu, die Außenwirkung des Unternehmens zu verbessern und möglicherweise ein Sozialimage aufzubauen. ... Auch diesbezüglich hat die Weiterbildung eine Unterstützungsfunktion, um neue Mitarbeiter zu akquirieren und zu integrieren. Weiterbildung ist für diese Unternehmen außerdem ein Mittel, um die Motivation der im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter zu erhöhen.“ (Bäumer 1999: 264). Unternehmen, die einen ressourcenbasierten Weiterbildungstypus wählen, betonen die Ziele Flexibilität und Innovation, Entwicklung und Mitarbeiterorientierung besonders stark und unterstreichen damit ihren Anspruch einer ressourcen- und potentialorientierten Weiterbildung. Wenig überraschend ist das Bild der Unternehmen des rudimentären Weiterbildungstypus. „Die Weiterbildung ist auch hinsichtlich der Zielvorstellungen der Befragten weitgehend ein ‚notwendiges Übel’.“ (ebenda: 266). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Vielzahl von Einflussfaktoren nachhaltig die Systemgestalt der betrieblichen Weiterbildung zu prägen scheint.
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Diese Einschränkung ist nicht wirklich befriedigend. Schließlich dürften mehr die impliziten Weiterbildungsziele das System betriebliche Weiterbildung prägen als die expliziten.
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Zumindest lassen die hier ausgebreiteten empirischen Befunde Auffälligkeiten von Systemausprägung (Weiterbildungstypus) und Faktor erkennen. Danach lassen sich vier Idealtypen von Weiterbildungssystemen unterscheiden: der rudimentäre, der nachgefragt-dienstleistende, der strategieunterstützende und der ressourcenbasierte Typus. Jeder dieser Idealtypen weist ein charakteristisches Profil auf. Für die weitere Diskussion, insbesondere für die Modellbildung im Kapitel 5 wird auf diese Unterscheidung zurückgegriffen. Nachdem das System der betrieblichen Weiterbildung nun hinreichend beleuchtet ist, wird der Blick auf das Weiterbildungspersonal gerichtet. 2.2 Akteure der betrieblichen Weiterbildung In der Literatur werden unterschiedliche Personengruppen benannt, die für die Entwicklung der Mitarbeiter als verantwortlich gelten. Sie könnten alle als betriebliches Weiterbildungspersonal bezeichnet werden. Zunächst ist es der Mitarbeiter selber, der für seine persönliche Weiterbildung eintreten und seine individuellen Entwicklungsfelder kennen muss (vgl. Scholz 2000: 4). Daneben gilt der unmittelbare Vorgesetzte als der Personalentwickler vor Ort. Damit ist gemeint, dass er Bildungsbedarfe erkennen und eine adäquate Entwicklungsmaßnahme mit dem Mitarbeiter einleiten soll. Unterstützung kann die Führungskraft von einem Weiterbildungsbeauftragten (WBB) erhalten (vgl. Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 146 ff.). Er ist in einer Fachabteilung tätig, jedoch dem betrieblichen Bildungswesen zugeordnet. Der WBB agiert „ehrenamtlich“ ohne Arbeitszeitanrechnung oder mit prozentualer Arbeitszeitverrechnung für die betriebliche Weiterbildung. Seine Kernaufgaben liegen in einer Vermittlerfunktion zwischen dem betrieblichen Bildungswesen, den Mitarbeitern der Fachabteilung und dem Management der Abteilung. Er unterstützt die zielgerichtete und effiziente Wirkung der betrieblichen Weiterbildung durch Reflexions-, Informations-, Beratungs-, Planungs-, Organisations- und Koordinationstätigkeiten. Neben die Funktion des WBB treten in Unternehmen mit einer ausgebauten betrieblichen Weiterbildung die hauptamtlichen Weiterbildner. Diese lassen sich je nach Tätigkeit unterscheiden in: • Leitung und Verwaltung: Organisatoren und Bildungsmanager, • Unterweisung und Unterricht: Dozenten/ Trainer/Ausbilder, • Beratung und Umsetzung: (Weiter-)Bildungsbeauftragte/-berater (ebenda: 143). Die letztgenannte Gruppe unterscheidet sich von den oben beschriebenen WBB dadurch, dass sie im Hauptamt für das betriebliche Bildungswesen agieren und wie
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ein interner Kundenberater14 auftreten. Sie führen jährliche Planungsgespräche mit den WBB oder den Linienmanagern, konzipieren und realisieren individuelle Bildungsmaßnahmen, werten die Bildungscontrollingberichte aus etc. Neben dieser klaren aufgabenbezogenen Gliederung differenzieren andere Autoren das Weiterbildungspersonal15 stärker. So unterscheidet Merk (1998: 428) in: • Ausbilder, • Bildungsmanager, • Weiterbildner, • Personalentwickler und Personalleiter, • Pädagogische Mitarbeiter/ Fachbereichsleiter, • Trainer/Weiterbildungslehrer/ Dozenten, • Bildungsberater/ Unternehmensberater/ Prozessbegleiter, • Bildungsreferenten sowie • Geschäftsführer/ Leiter von Bildungseinrichtungen. Auch die Unternehmensberatung Kienbaum Management Consultants GmbH untergliedert ihre Gehaltsstudien im Bereich Bildung, Training und Personalentwicklung in insgesamt 26 Positionen. Diese reichen vom Institutsleiter über den Mitarbeiter Bildungscontrolling bis hin zum Leiter Anmeldung/ Administration (Kienbaum 1999: 9ff., 2001: 9 ff.). 2.2.1 Betriebliches Weiterbildungspersonal – Begriffsbestimmung In dieser Arbeit wird das betriebliche Weiterbildungspersonal in Anlehnung an Döring und Ritter-Mamczek (1999: 143) eng aufgefasst als die Mitarbeiter, die festangestellt16 Weiterbildungsaufgaben in einem Unternehmen auf den Ebenen Management (Leitung und Verwaltung), Realisierung (Unterweisung und Unterricht) sowie Consulting (Beratung und Umsetzung) wahrnehmen. Zusätzlich wird daneben die Unterscheidung in Weiterbildner mit und ohne Führungsverantwortung eingeführt. Unter Weiterbildner mit Führungsverantwortung wird in diesem Zu-
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Vgl. ausführlich zur Forderung, dass das Personalmanagement ihre internen Kunden nach den Maßstäben von externen behandeln soll: Jochmann 2001: 31 ff..
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Ausführliche Anmerkungen zu den Klassifizierungsansätzen von betrieblichen Weiterbildnern finden sich bei Sorg-Barth 2000: 24 ff..
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Bewusst werden freie Mitarbeiter aus dieser Definition ausgespart. Diese dürften freiwillig Unternehmen nicht verlassen. Somit erübrigt sich für diese Personengruppen die Fragestellung dieser Arbeit.
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sammenhang eine Person verstanden, die die oben genannten Sachaufgaben wahrnimmt und zusätzlich durch ihr Verhalten das Verhalten anderer verändert (Bowers/ Seashore 1966 nach Staehle 1999: 328). Genauer beeinflusst die Führungskraft die Einstellung und das Verhalten von einzelnen Weiterbildnern sowie die Interaktionen in und zwischen Arbeitsgruppen in der Organisationseinheit Weiterbildung, mit dem Zweck, bestimmte Ziele zu erreichen (vgl. Malik 2000: 171 ff., Staehle 1999: 328). In praxi dürften Mischtypen der einzelnen Funktionen vorherrschen, wie bspw. ein Weiterbildungsconsultant, der selber Seminare gibt und zusätzlich ein Fachgebiet leitet. Um auch diese Mischtypen abbilden zu können, aber gleichzeitig die Komplexität des Untersuchungsobjektes einzugrenzen, bezieht sich die oben eingeführte Unterscheidung auf die vorherrschende Tätigkeit des Weiterbildners. Diese wird ermittelt anhand der Arbeitszeit, die für die Kerntätigkeiten aufgewandt wird. Da die vorliegende Arbeit auf die Bindung von hauptamtlichen Weiterbildungspersonal fokussiert ist, werden andere an der betrieblichen Weiterbildung beteiligte Personen wie bspw. Linienvorgesetzte, WBB etc. analytisch ausgeklammert. Sie würden auch eher das Forschungsfeld „vernebeln“ denn zu einem zusätzlichen Erkenntnisgewinn beitragen. Würden sie in die Analyse miteinbezogen, so müsste das Thema dieser Arbeit allgemein „Bindung von Mitarbeitern“ lauten. 2.2.2 Bedeutung des Faktors Personal zur Erbringung der Weiterbildungsleistung Welche Bedeutung dem Faktor Personal im Allgemeinen für das System der betrieblichen Weiterbildung und im Speziellen für die Leistungserstellung zukommt, lässt sich anhand einiger Überlegungen zum Charakter der Weiterbildungsleistung veranschaulichen. Die Weiterbildungsleistung lässt sich von ihrem Wesen her primär als eine Dienstleistung in einem sozialen Raum charakterisieren. Damit ist gemeint, dass die Leistungserstellung nur in der Interaktion mit anderen Individuen möglich ist. Die eigentliche Leistung ist in ihrem Wesen immateriell, abstrakt und erklärungsbedürftig. Deutlich wird der immaterielle Charakter daran, dass sich Weiterbildungsleistungen nicht auf Lager produzieren lassen17. Die Produktion erfolgt erst, wenn der Kunde einen (Weiterbildungs-)bedarf geäußert bzw. gezeigt hat und der Abnehmer (Teilnehmer) die Leistung abzunehmen bereit ist. Um diese Charakterisierung zu veranschaulichen, ist es hilfreich, die Weiterbildungsleistung analytisch in die Anbahnung oder das Leistungsversprechen sowie die Realisierung oder die eigentliche Leistungserstellung zu unterteilen.
17
Von konzeptionellen Vorarbeiten und der Entwicklung von e-Learning Lösungen einmal abgesehen.
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In der Anbahnung muss der Abnehmer auf die Qualität der Leistung vertrauen. Zwar lassen sich mittels Referenzen und Zufriedenheitsanalysen von vorangegangenen Produkterstellungen das Versprechen „begreifbarer“ machen, doch bleibt das Produkt immateriell und nicht körperlich wahrnehmbar wie eine Sachleistung. In dieser Phase ist das Produkt Weiterbildung ein Leistungsversprechen einer Person an den potentiellen Nachfrager. Dabei ist es unabhängig, ob der ausführende Weiterbildner (bspw. ein Verhaltenstrainer) dieses Versprechen abgibt oder ein Weiterbildungsmanager. Pointiert formuliert wird der handelnde Weiterbildner zum Teil seines Produkts. Er wird von seinem Kunden in dieser Rolle wahrgenommen und bestimmt mit seinem Verhalten maßgeblich über das Vertrauen in sein Leistungsversprechen. Daneben nimmt der Weiterbildner eine Beratungsfunktion ein, da die Leistung abstrakt und erklärungsbedürftig ist. Damit ist gemeint, dass die wenigsten Auftraggeber oder Abnehmer ein tiefergehendes Verständnis für Weiterbildungsfragen haben und auch selten der „Fachsprache“ bspw. der Didaktik mächtig sind. In der Realisierung sind es mit wenigen Ausnahmen Menschen, die die eigentliche Weiterbildungsleistung erbringen, indem sie Seminare, Coachings etc. durchführen. Lediglich bei der Leistungserbringung mittels Computerbased bzw. Webbbased Training steht der Weiterbildner nicht in der direkten Interaktion18 mit dem Teilnehmer. Ansonsten gestaltet das Weiterbildungspersonal den Lehr- und Lernprozess in der sozialen Interaktion mit den Teilnehmern. Somit ist der Faktor Personal für die Erbringung der Weiterbildungsleistung von zentraler Bedeutung. 2.2.3 Kompetenzanforderungen an betriebliche Weiterbildner Diese besondere Bedeutung des Faktors Personal unterstreicht auch die Professionalisierungsdebatte in der betrieblichen Weiterbildung. Auf Basis der vorgefundenen Defizite in der Weiterbildungspraxis wurde die Forderung nach einer stärkeren „Kriterienorientierheit des beruflichen Handelns pädagogisch tätiger Menschen“ formuliert (Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 132). Gemeint ist eine Spezialisierung und Akademisierung von Berufswissen hin zu einem Expertenstatus (vgl. Faulstich 1998: 228 f.). Die Weiterbildner sollen in die Lage versetzt werden, in konkreten Situationen ihre Qualifikation19 angemessen anzuwenden. Dazu bedarf es Voraussetzungen. Gefordert werden:
18
Neuere Formen des WBT bzw. CBT beinhalten eine Interaktionsmöglichkeit über das OnlineMedium („e-Tutoring). Somit spielen auch bei dieser Lernform Weiterbildner eine wichtige Rolle.
19
Für die Dozenten der Weiterbildung hat Döring dazu bspw. ein Kompetenzmodell, die sogenannte Kompetenzwanne, entwickelt. Er geht davon aus, dass die professionelle Befähigung auf den Ebenen personale, soziale, didaktische, Organisatorische sowie fachliche Kompetenz ansetzt (vgl. Döring/Ritter-Mamzceck 1999: 133).
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• Festgelegte Ausbildungs- und Fortbildungswege20 für den Zugang zum Expertenstatus. • Klar definierte Zugangsvoraussetzungen, welche den Bewerberkreis einschränken und ein Mindestmaß an Homogenität sichern. • Spezifische Einkommens- und Aufstiegschancen, welche ein Sozialprestige verleihen und ein auf die Arbeitstätigkeit bezogenes professionalisierungstypisches Ethos ermöglichen. • Interessenvertretungen in Form von Berufsverbänden zur Durchsetzung von Interessenlagen (vgl. ebenda: 229). Die Professionalisierungsdebatte mündet in der Forderung, dass das Weiterbildungspersonal aufgrund der Aufgabenfülle und –intensität über eine breit angelegte Qualifikation verfügen muss. So wird vom Weiterbildungsbetreuer einer Fachabteilung nicht nur erwartet, das Instrumentarium der betrieblichen Weiterbildung zu beherrschen, sondern auch etwas von den Sachaufgaben der Abteilung zu verstehen (vgl. Becker 1999: 330). Sorg-Barth hat die dazu notwendigen Kompetenzen vom betrieblichen Weiterbildungspersonal anhand von Stellenanzeigen und Interviews mit Weiterbildnern untersucht. Sie gruppiert die herausgearbeiteten Kompetenzfelder in fachliche, methodische, pädagogische, persönliche sowie unternehmerische Kompetenz (vgl. Sorg-Barth 2000: 255). Eine andere Darstellung von Kompetenzen vermittelt die Abbildung 4, welche der Autor in seiner Beratungspraxis einsetzt. Die Anforderungen sind systematisiert nach den Kundenkompetenzen (Welchen Kunden betreut der Consultant?), den Produktkompetenzen (Welche Weiterbildungsprodukte vertritt der Consultant?), den Basiskompetenzen (Welche Grundanforderungen muss ein erfolgreicher Consultant beherrschen?) sowie den Kernkompetenzen (Welche Weiterbildungsprozesse begleitet der Consultant gewöhnlich?). Auf den fünf konzentrischen Schalen könnte die tatsächliche Kompetenzausprägung eines Stelleninhabers sowie ein mögliches Sollanforderungsprofil abgetragen werden.
20
Seit geraumer Zeit existieren einige Angebote von zielgruppenspezifischen, postgradualen Studiengängen im deutschsprachigen Raum. So bietet die Technische Universität Berlin den Aufbaustudiengang „Weiterbildungsmanagement“, die Universität Bern das Nachdiplomstudium „Weiterbildungsmanagement“, die Universität Bielefeld das weiterbildende Studium „Betriebliche Bildung/Personalentwicklung“, die Universität Dresden das Ergänzungsstudium „Berufliche Erwachsenenbildung“ sowie die Universität Landau den Studiengang „Bildungsmanagement“ mit Master-Abschluß an (vgl. die Internet-Homepages der angegebenen Universitäten).
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Basiskompetenzen
Abbildung 4: Beispielhaftes Kompetenzprofil eines Weiterbildungsconsultants
Neben diesen umfassenden Anforderungen scheint sich auch die Rolle des Weiterbildners - zumindestens in einigen Branchen - nachhaltig zu verändern. Während in der Vergangenheit eine angebotsorientierte Weiterbildung in Form eines umfassenden Seminarkatalogs betrieben wurde, verlangen die Wissensarbeiter21 als Abnehmer von Weiterbildungsleistungen eine völlig neue Form der Kompetenzentwicklung. Severing hat diese neuen Anforderungen in vier Thesen zusammengefasst (vgl. Severing 2000: 2 f.).
21
Der Begriff des Wissensarbeiters wurde insbesondere durch Drucker geprägt. In seinem Buch „Landsmark of Tomorrow“ benutzte er 1959 erstmals den Terminus „knowledge worker“ (Drucker 1959). Dieser akzentuiert besonders die Tatsache, dass in modernen Nationalökonomien weniger die kostenoptimale Kombination von Produktionsfaktoren einen nachhaltigen Wertschöpfungsbeitrag erbringt als vielmehr die Nutzung des in den Mitarbeitern vorhandenen Wissens (vgl. in ähnlicher Form Nonaka 1997, Pawlowski 1998, Probst, et al. 1999). Demnach kommt den Mitarbeitern, die mit ihrem Wissen arbeiten – den sogenannten Wissensarbeitern – eine herausragende Bedeutung für die Unternehmen zu.
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1. Der Wissensarbeiter bestimmt selbst darüber, was er lernt. Führungskräfte definieren sich in einem modernen Selbstverständnis eher als Generalisten denn als Spezialisten. Sie können nicht in jedem Arbeitsfeld ihrer Mitarbeiter dieselbe inhaltliche Durchdringung erlangen wie der Stelleninhaber. Daher kann nur er darüber entscheiden, welches Wissen er erwerben muss. 2. Der Wissensarbeiter organisiert sein Lernen selbst. Aus dem oben Gesagten folgt, dass letztendlich der Wissensarbeiter selber am besten bestimmen kann, wie er sich Wissen aneignen kann. Schließlich ist er es gewohnt, im betrieblichen Alltag abstrakte Probleme selber zu lösen und intelligente Informations- und Wissenssysteme zu benutzen. Er erschließt sich Wissensquellen im Internet, in Lernprogrammen, der Fachliteratur etc. 3. Der Wissensarbeiter unterscheidet nicht bipolar zwischen Arbeit und Freizeit einerseits und Lernen und Arbeit andererseits. Die scharfen Konturen der klassischen Dualität von Arbeit und Freizeit verschwimmen zu Gunsten eines „Lebens im Beruf“. Die Arbeit wird als Teil des Hobbys verstanden und vice versa. Ebenso verschwindet die scharfe Trennung von Lernen und Arbeit. Seine Tätigkeit selbst erfordert Lernbedürfnisse, die zeitnah befriedigt werden müssen. Sein Lernpensum kann er nicht mehr mit punktuellen Seminaren bewältigen – die Wissensquellen sind dafür zu disparat, die Lernnotwendigkeiten zu aktuell und die Transferprobleme von anwendungsfern erworbenem Wissen zu groß (Severing 2000: 3). 4. Der Wissensarbeiter hat ein anderes Verhältnis zu seiner Organisation. Die ersten drei Thesen lassen sich mit der Kernaussage zusammenfassen, dass der Wissensarbeiter über eine hohe innere Unabhängigkeit und Selbständigkeit verfügt. Daran lässt sich die vierte These anschließen. „Sie [die Wissensarbeiter, M.M.] beurteilen ihre Organisation danach, ob sie ihnen Freiheit einräumt, ihr Wissen selbständig zu pflegen und zu erweitern. Die Gewährung von Lernautonomie – in Bezug auf die Verfügbarkeit von Lernressourcen, auf die Disponierbarkeit von Lernund Arbeitszeiten, auf offene Kanäle der Fachkommunikation auch über das Unternehmen hinaus – ist ein wesentliches Attraktionsmittel von Organisationen gegenüber Fachexperten“ (ebenda). Diese neuen Anforderungen an das System betriebliche Weiterbildung wirken auch nach innen. Letztendlich ist der Weiterbildner geradezu ein Prototyp des Wissensarbeiters. Er setzt sein Wissen und seine Kompetenz ein, um produktiv für das Unternehmen tätig zu werden. Der Weiterbildner hält sich durch die Lektüre von Fachzeitschriften aktuell, besucht Kongresse, bildet Supervisionsgruppen und liest auch in der Freizeit populärwissenschaftliche Literatur. Insgesamt erfüllt der Weiterbildner die oben beschriebenen Merkmale. Inwieweit auch der vierte Aspekt zutrifft - Bindung im Gegenzug für Freiheit - ist Gegenstand dieser Arbeit und wird eine Rolle im empirischen Teil spielen. Zusammengefasst lässt sich die Bedeutung des Faktors Personal für die betriebliche Weiterbildung als sehr bedeutsam charakterisieren. Letztendlich gilt für die
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Das System der betrieblichen Weiterbildung und seine Akteure
betriebliche Weiterbildung wie für viele Dienstleistungszweige „People matter“. Es lässt sich festhalten, dass das Weiterbildungspersonal von herausragender Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Systems betriebliche Weiterbildung ist. Wenn die oben genannte 4. These zutrifft, dann spricht einiges dafür, dass der Weiterbildner als Wissensarbeiter höher fluktuationsgefährdet ist als andere Mitarbeiterfunktionen. Damit ist es von Interesse zu erhellen, wovon diese Verbleibeabsicht abhängt. Dieser Frage wird ausführlich im Kapitel 3 nachgegangen. Als „argumentative Steilvorlage“ dazu ein abschließender Blick in den Alltag der Weiterbildung. 2.3 Annäherung an die Alltagswirklichkeit der betrieblichen Weiterbildner Im vorangegangenen Abschnitt wurde herausgearbeitet, dass insbesondere die Unternehmensgröße, die Branche bzw. der Wettbewerbssektor, die Wettbewerbsbedingungen, die Wettbewerbsfaktoren, der Ausbaustand des Personalmanagements sowie die Weiterbildungsziele nachhaltig die Gestalt des Systems betriebliche Weiterbildung prägen. Diese lassen sich überwiegend als explizit externale Faktoren charakterisieren. Für die Fragestellung dieser Arbeit ist darüber hinaus bedeutsam, wie die Alltagswirklichkeit22 des Systems betriebliche Weiterbildung gestaltet ist. Zugespitzt formuliert: In welchem realen Bedingungsfeld ist das betriebliche Weiterbildungspersonal tätig? Dazu werden zunächst im Rückgriff auf die Ergebnisse des Kapitels 2.1.3 weiterführende systemgestaltende Prinzipien in praxi herausgearbeitet. Auf Basis dieser Ergebnisse wird dann in einer allgemeineren Perspektive versucht, die Alltagswirklichkeit der betrieblichen Weiterbildner zu bestimmen. In einer stark praxisorientierten Betrachtung fallen weitere, systemgestaltende Prinzipien auf. Diese sind weniger rational begründbar als die oben entfalteten, sondern implizit und teilweise zufällig. Bäumer hat insgesamt vier implizite Hauptfaktoren identifiziert (vgl. Bäumer 1999: 270 ff.). All diesen Faktoren ist gemeinsam, dass sie eher selten in der theoretischen Interpretation ihren Widerhall finden. Ein Motiv dafür mag sein, dass sie dokumentieren, dass die zweckrational gestaltete betriebliche Weiterbildung eher ein Artefakt ist und in praxi selten anzutreffen ist. Bei den vier Faktoren handelt es sich um: a)
die Eigendynamik von Entwicklungen,
b)
die persönlichen Präferenzen von handelnden Personen und insbesondere Entscheidern,
c)
die ökonomische Situation des Unternehmens sowie
22
Der Begriff der Alltagswirklichkeit wird hier in Anlehnung an Holling und Bammé zur Charakterisierung eines Berufsfeldes – die betriebliche Weiterbildung – benutzt (vgl. Holling/ Bammé 1982).
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d)
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die branchenübliche Weiterbildung oder pointiert: Modewellen.
Ad a) Eigendynamik Wie jedes dynamische System unterliegt auch die betriebliche Weiterbildung Entwicklungen. Mit Becker (1999: 2 und 29 ff.) und Bäumer (1999: 267) können drei Entwicklungsphasen23 der betrieblichen Weiterbildung unterschieden werden: • Instituationalisierungsphase (1. Generation): „Wir müssen etwas tun!“ • Differenzierungsphase (2. Generation): „Wir müssen systematisch vorgehen!“ • Integrationsphase (3. Generation): „Wir müssen Betroffene zu Beteiligten machen!“ Damit ist intendiert, dass die Weiterbildung nicht unbedingt nach rationalen Kriterien errichtet wird, sondern Ergebnis eines (eigen-)dynamischen Entwicklungsprozesses ist. In der Literatur findet sich diese Annahme als Analogie zur Reifung von Organisationen wieder (vgl. Bäumer 1999: 267). Nach diesem Verständnis existieren weniger klar erkennbare Motive für die Gestaltung der Weiterbildung, vielmehr bildet sie sich eher situativ heraus. Ad b) Persönliche Präferenzen In welche Richtung diese Eigendynamik weist, wird nicht selten durch die handelnden Personen geprägt. Insbesondere die persönlichen Präferenzen von Entscheidern spielen eine gewichtige Rolle. So gehen Impulse von Personen aus, die zuvor in anderen Unternehmen andere Formen von Weiterbildung kennengelernt haben oder besonderen Einfluss auf Entscheidungen ausüben können (bspw. Mitglieder der Geschäftsführung). Im Vergleich zum vorher beschriebenen Einflussfaktor ‚Eigendynamik’ sind diese als personale zu kennzeichnen. Bäumer verdeutlicht diesen Faktor mit einer Reihe von Statements, die er in Interviews mit Weiterbildungsverantwortlichen geführt hat. Exemplarisch sei eine Aussage einer PE-Leiterin eines Verlagsunternehmens zitiert: „Es gibt einen Geschäftsführer, der für Personal zuständig ist. Der hat den Bedarf erkannt, dass wir dringend etwas für unsere Führungskräfte tun müssen. Und dann wurde das von der Geschäftsleitung so entschieden [...] Ja, PE war immer ein großes Thema, vom Inhaber initiiert.“ (Bäumer 1999: 270).
23
Eine ausführliche Darstellung von Entwicklungsstufen liefert Pawlowski/ Bäumer 1996: 73 ff.
30
Das System der betrieblichen Weiterbildung und seine Akteure
Ad c) Ökonomische Situation In der Diskussion zum Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung wird immer wieder argumentiert, dass sie ein Instrument sei, um optimale Stellenbesetzungen vornehmen zu können, eine positive Wirkung auf die Attraktivität des Arbeitgeberimages habe und die Wettbewerbsposition sichern helfe durch hochqualifizierte Mitarbeiter (vgl. für viele Lung 1996: 40). Auch lassen sich in realiter eine unüberschaubare Anzahl an Unternehmenserklärungen zum besonderen Stellenwert des Personals im Allgemeinen und der betrieblichen Weiterbildung im Besonderen konstatieren (vgl. bspw. bei Faulstich 1998: 1 ff.). „Das Glaubensbekenntnis, für die weitere ökonomische Perspektive sei Personal und damit Qualifikation ein zentraler Faktor, ist weit verbreitet. Diese Unterstellung wird kaum von Zweifeln angekränkelt, obwohl Wirtschaftswachstum sich doch offensichtlich von Arbeitsplatzzuwächsen abgekoppelt hat und die Zahl der arbeitslosen Hochqualifizierter zunimmt.“ (Faulstich 1998: 2). Auch sehen sich Weiterbildungsverantwortliche einem zunehmenden Legitimationsdruck ausgesetzt. Eine Befragung24 von Vorständen durch die Unternehmensberatung Mc. Kinsey hinsichtlich der Bedeutung von Weiterbildung zeigt diesen Trend deutlich. So werden in dieser Studie Statements zitiert wie: • „Weiterbildung hat wohl in der Summe eine hohe Bedeutung. Diese Potenziale werden in unserem Unternehmen kaum genutzt. • Unser Trainingsprogramm ist historischer Schwerpunktsetzung ist kaum zu erkennen.
Wildwuchs,
eine
gezielte
• 50 Prozent unserer Bildungsausgaben sind wahrscheinlich vergeblich. Wir wissen leider nicht, welche 50 Prozent.“ (Pichler 2003: 8). Somit wird von der Bildungsarbeit erwartet, dass sie zielorientiert ist und wertschöpfend wirkt. Folgerichtig werden die Ergebnisse mittels Bildungscontrolling gemessen. Trotz oder gerade deswegen sehen sich Weiterbildner in ökonomisch schwierigen Zeiten mit erheblichen Budgetkürzungen konfrontiert. Die geübte Unternehmenspraxis drängt den Verdacht auf, dass die These „Weiterbildung als Wertschöpfungsbeitrag“ eher umformuliert werden muss in „Weiterbildung als Luxusgut“. Nur solange Budgets vorhanden sind, wird Weiterbildung betrieben. Drucker, der schon früh darauf hingewiesen hat, dass die Humanressourcen über ein eigenständiges organisationales Leistungspotential verfügen, kritisiert diese Entwicklung. Für ihn behaupten heute alle Unternehmen routinemäßig: „Unsere Mitarbeiter sind unser größtes Kapital“. Doch nur wenige praktizieren, was sie propagieren – geschweige denn, dass sie wirklich daran glauben (vgl. Drucker 1992 nach Friedman et al. 1999: 3). Und noch etwas pointierter: „Wie können Arbeitgeber
24
Die explorative Untersuchung wurde im zweiten Halbjahr 2002 bis Anfang 2003 durchgeführt.
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behaupten, dass die Mitarbeiter bei ihnen ‚an erster Stelle’ kommen, wenn das Jahreseinkommen eines Vorstandsvorsitzenden höher ist als das Trainings-Budget ihres Unternehmens für die nächsten fünf Jahre?“ (Friedman et al. 1999: 3). Für Merk hat sich der globale Wettbewerb teilweise verheerend auf die Einstellung zur betrieblichen Weiterbildung entwickelt (Merk 1998: 86). Auch verzeichnet das Institut der deutschen Wirtschaft im Zeitvergleich eine Stagnation der Weiterbildungsbudgets. So liegen die betrieblichen Aufwendungen seit 1995 nahezu auf dem gleichen Niveau. Die Gründe dafür, dass Absichtserklärungen und tatsächliches Handeln auseinander klaffen, lassen sich auch systemimmanent beleuchten (vgl. Goltz 1999: 9 f.): Nach wie vor ist es offen, welcher Idealtypus von Weiterbildung am erfolgversprechendsten ist. So weist Bäumer darauf hin, dass es auf die Frage, welches Weiterbildungsmanagement vor dem Hintergrund der spezifischen Situation, in der es angewendet wird, das erfolgreichste ist, keine ökonomische Antwort gibt (vgl. Bäumer 1999: 279). Auch zeigt die Durchsicht der Fachliteratur, dass es bisher nicht (überzeugend) gelungen ist, sinnvolle Erfolgsindikatoren von Weiterbildung zu definieren. Zwar wird die produktive Wirkung von Bildung auf das Humankapital bereits seit mehr als einem Jahrhundert intensiv diskutiert, doch sind die Schwierigkeiten, die mit der Berechnung und Bilanzierung von Weiterbildungsinvestitionen bis heute nicht gelöst (vgl. ebenda: 278). Es ist bis jetzt nicht gelungen, eine geschlossene Kausalkette zwischen Bildungserfolg einerseits und Unternehmenserfolg andererseits herzuleiten. Ein Grund mag darin liegen, dass auch die Ziele und Erfolgsmaßstäbe im Weiterbildungswesen sich nur sehr schwer quantifizieren lassen. Solange keine klaren Maßstäbe für die Wahl der Weiterbildungsstrategie und der Erfolgsmessung von Weiterbildung bestehen, solange kann der Zusammenhang von Weiterbildung und unternehmerischem Erfolg nur vermutet werden. Er lässt sich zwar logisch herleiten, jedoch nicht eindeutig messen. Gebert und Steinkamp formulieren pointiert: „Dem Leser muss dabei nicht näher erläutert werden, warum es einer Utopie gleichkäme, zweifelsfreie Belege für die ökonomische Wirksamkeit von Weiterbildung erbringen zu wollen“ (Gebert/ Steinkamp 1990: 3). Zwar hat die Debatte um ein intensives Bildungscontrolling Anfang der neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu vielfältigen Ansätzen geführt, Weiterbildungserfolg zu explizieren, doch bleibt der ökonomisch ausgedrückte Nutzen von Weiterbildung nach wie vor offen. So kommen die beiden Vorreiter25 des Bildungscontrollings von Landsberg und Weiß zum Schluss: „Wer alles auf die Kosten herunterrechnet, der läuft Gefahr, auch die „added values“ und den „strategic
25
Nach eigener Aussage sind sie die Wegbereiter der Bildungscontrolling-Idee: „Vor mehreren Jahren kam uns die Idee, die Bereiche Bildung und Controlling miteinander zu verbinden. Das war damals neu und mutig.“ (von Landsberg/Weiß 1995: 3)
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thrust“ der Bildung wegzurechnen.“ (von Landsberg/ Weiß 1995: 3). Auch Weiss resümiert, nachdem er unterschiedliche Ansätze26 zur Nutzenmessung von betrieblicher Weiterbildung in Betrieben diskutiert hat: „Die Beispiele zeigen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, sich dem Thema Nutzenmessung zu nähern. Sie zeigen aber auch die Grenzen der verschiedenen Ansätze sehr deutlich. Denn die jeweils gewählten Verfahren geben nur partiell Hinweise zur Entwicklung des Nutzens, oder sie sind in ihrem Aussagegehalt so vage, dass verlässliche Entscheidungen daraus kaum abzuleiten sind. Letztlich muss jedes Unternehmen daher immer wieder neu für sich entscheiden, welcher Grad an Genauigkeit gewünscht wird und welche Ressourcen hierfür bereitgestellt werden.“ (Weiss 2000: 95). Es bleibt festzuhalten, dass sich ein Teil des Nutzens von betrieblicher Weiterbildung einer streng quantitativen Messung entzieht – sicherlich einer der bedeutsamen Gründe dafür, dass Weiterbildung wie oben beschrieben häufig zum Spielball der ökonomischen Situation des Unternehmens wird. Ad d) Modewellen Als viertes Einflussfeld sind Modewellen zu charakterisieren. Insbesondere die häufig praktizierte Orientierung an „Benchmarks“ anderer Unternehmen führt zu einer ausgeprägten Trendbewegung. In kaum einem anderen unternehmerischen Handlungsfeld wurden in den vergangenen Jahren derart viele „Moden“ hervorgebracht wie in der betrieblichen Weiterbildung. Die Schlagworte arbeitsplatzorientierte Weiterbildung, Bedarfsorientierung der Weiterbildung, Coaching, DIN ISO 9001-9004, selbstorganisiertes Lernen, e-Learning wie CBT und WBT, Telelearning, Blended Learning etc. (vgl. Merk 1998: VI) zeugen von diesen Trends. Unabhängig davon, ob diese Entwicklung im Einzelfall sich als sachlich sinnvoll herausstellt, ist festzuhalten, dass das System betriebliche Weiterbildung in hohem Maße dynamisch ist und permanent mit Neuerungen konfrontiert wird, die es gilt zu bewerten und ggf. zu implementieren. Mit diesen vier Einflussfaktoren ist zumindest der Rahmen der Alltagswirklichkeit des Weiterbildungspersonals abgesteckt. Sie agieren in einem Umfeld, welches grundlegend kritisch ihrer Arbeit gegenüber eingestellt ist („Was ist der Wertbeitrag, den Sie als Weiterbildner leisten?“). Daneben sehen sie sich zum Teil persönlichen Präferenzen ausgesetzt, die sie in ihrer professionellen Tätigkeit behindern können („In meiner früheren Company haben wir das anders gemacht!“). Auch werden sie von einer Eigendynamik der Entwicklungen beeinflusst („Wir müssen jetzt auch mal etwas für unsere Führungskräfte tun!“) und an Modetrends gemessen („Warum haben
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Weiss unterscheidet Verfahren zur Nutzenmessung durch Kennziffern, durch Teilnehmerzufriedenheit, durch Kundenzufriedenheit, durch qualitative Analysen, durch Ermittlung der Opportunitätskosten sowie durch Bilanzierung des Humankapitals (Weiss 2000 85 ff.).
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wir denn noch keine Lernplattform im Intranet?“). Alltagswirklichkeit wie folgt zusammen:
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Faulstich
fasst
die
„Das Personal in der betrieblichen Weiterbildung befindet sich angesichts aktueller und perspektivischer Horizonte in einer ambivalenten Situation. Einerseits wird immer wieder beteuert, dass das Personal für die weitere Unternehmensentwicklung immer wichtiger würde, andererseits wird gerade auch in Sachen zukunftsorientierte Personalarbeit gekürzt und sogar abgebaut. Diese Lage wird gleichsam als „schizophren“ erlebt, weil zum einen restriktive personalpolitische Maßnahmen durchgesetzt werden sollen, zum anderen aber die Leistungsfähigkeit und – bereitschaft des verbleibenden Personals nicht nur stabilisiert, sondern angesichts überschwappender Wellen von Innovationen sogar zusätzlich mobilisiert werden müssen.“ (Faulstich 1998: 221). Damit ist die Alltagswirklichkeit des Systems betriebliche Weiterbildung grundlegend umrissen. Die Beschäftigung mit dem Bindungsverhalten des Weiterbildungspersonals findet hier ihre Wurzel. Die Kernfrage lautet: Welche Rückwirkungen hat diese geschilderte Ambivalenz von notwendiger Professionalisierung bei gleichzeitiger geringer Anerkennung der Leistung im Unternehmen auf das Bindungsverhalten der Mitarbeiter in der betrieblichen Weiterbildung?
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
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3 Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt Das vorangegangene Kapitel diente dazu, die erste Dimension des Erkenntnisobjektes dieser Arbeit zu konkretisieren: Das System der betrieblichen Weiterbildung mit seinen Akteuren. Im Folgenden steht die zweite Dimension im Vordergrund. Es handelt sich dabei um das Phänomen der Mitarbeiterbindung. Grundsätzlich kann dieses Phänomen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Zunächst ist zwischen der juristischen Bindung mittels des Arbeitsvertrages und einer vom Individuum empfundenen Bindung an das Unternehmen zu unterscheiden27. Während erstere eindeutig ist, weil die Rechtsnormen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts präzise die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers regeln, liegen die Dinge im zweiten Fall komplizierter. Die empfundene Bindung ist ein „psychologischer Zustand“ und hat „motivationale Komponenten“ (Moser 1996: VII). Damit ist sie in hohem Maße intraindividuell. Einen weiteren Zugang liefert die Sichtweise des Personalmanagements (vgl. bspw. Schanz 2000: 334 ff.). In diesem Verständnis ist Mitarbeiterbindung das Resultat von Fluktuationsbeeinflussung. Unter fluktuationsbeeinflussenden Maßnahmen werden Aktivitäten gefasst, die darauf zielen, die Zahl der Fluktuationsereignisse in zukünftigen Perioden zu steuern (vgl. Kaufhold 1985: 242). Dabei wird der Begriff der Fluktuation hinsichtlich seines Umfanges und Inhaltes in der Literatur höchst unterschiedlich benutzt. Je nachdem, welcher Aspekt des Phänomens der personellen Bewegungsvorgänge thematisiert wird, finden die Ausdrücke Arbeitnehmermobilität, Fluktuation, Personalumschichtung, Arbeiterwechsel oder Personalrotation Verwendung (vgl. Frey 1970: 12 f.). In dieser Arbeit findet der Begriff der (Personal-)Fluktuation im engeren Sinn Anwendung (vgl. Adebahr 1971: 15, Dincher 1992: 875, Kaufhold 1985: 13 ff., Ott 1975: 17 f.). Unter Fluktuation im engeren Sinn – oder im Folgenden kurz Fluktuation – soll der zwischenbetriebliche Arbeitsplatzwechsel personeller Art verstanden werden, der nicht aufgrund von naturbedingten Anlässen (Erreichen der Altersgrenze, gesundheitliche Gründe, Invalidität und Tod) eintritt, der nicht auf betriebsbedingten Entlassungen beruht, der nicht aus einer verhaltensbedingten Kündigung aufgrund des Verschuldens des Mitarbeiters resultiert und der
27
Die Unterscheidung in eine juristische und eine psychologische Perspektive entstammt dem Konzept des „psychologischen Vertrages“ (vgl. Levinson 1963, Schein 1980, Rousseau 1995). „Der psychologische oder auch ungeschriebene Vertrag basiert auf gegenseitigen Erwartungen. Diese sind (a) weitgehend implizit und nicht ausgesprochen und (b) regeln häufig sehr früh die Beziehung von Individuum und Unternehmen.“ (Levinson et al. 1963: 22, Übersetzung M.M.).
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Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
einen tatsächlich zwischenbetrieblichen Charakter aufweist (Ausscheiden aus dem Betrieb zur Aufnahme eines neuen Arbeitsplatzes) (vgl. Ott 1975: 17). Nicht abgedeckt durch diese Begriffsfassung sind innerbetriebliche Versetzungen, denn sie führen nicht zum Ausscheiden aus dem organisatorischen System, sowie die freiwillige Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses, um zeitweise oder dauerhaft aus der Erwerbsbevölkerung auszuscheiden (bspw. Frühpensionierung, Kindererziehung etc.) (vgl. Adebahr 1971: 15, Kaufhold 1985: 15). Während letztgenannte Ausscheidegründe mit der vorliegenden Fragestellung kompatibel sind, ist dies bei dem Aspekt der innerbetrieblichen Versetzung nicht der Fall. Wie oben gezeigt, handelt es sich beim Weiterbildungspersonal um Spezialisten. Daher ist das Ausscheiden des Weiterbildners aus dem System betriebliche Weiterbildung funktional gleichzusetzen mit dem Verlassen des Unternehmens28. Auch spricht für diese Sicht, dass insbesondere Konzernunternehmen ihre Weiterbildungsaktivitäten in eigenständige Gesellschaften ausgelagert haben und ein konzerninterner Arbeitsplatzwechsel einem zwischenbetrieblichen Arbeitsplatzwechsel gleichkommt. Aus diesem Grunde findet im Folgenden der enge Fluktuationsbegriff Anwendung mit der Ergänzung, dass nicht der zwischenbetriebliche Arbeitsplatzwechsel fokussiert wird, sondern das Ausscheiden des Weiterbildungspersonals aus dem System betriebliche Weiterbildung. Fluktuationsbeeinflussende Maßnahmen sind mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass sie nicht unmittelbar an dem Fluktuationsereignis selber ansetzen können. Schließlich beginnt der Fluktuationsprozess mit der Aussprache der Kündigung bzw. des Versetzungswunsches und dürfte in den überwiegenden Fällen nicht reversibel sein. Vielmehr müssen sie zeitlich früher auf das Individuum einwirken. Wird die Fluktuation als das Ergebnis eines vorangegangenen Abwägungsprozesses des Individuums interpretiert (Jochmann 1989: 5 und 44 ff.), so ist das Ziel der Fluktuationsbeeinflussung auf diesen einzuwirken. Gedanklich lässt sich der Prozess untergliedern in a)
dem von außen nicht beobachtbaren Überdenken des Individuums der ursprünglichen Beitrittsentscheidung mit den Alternativen: Verbleib im Unternehmen oder Bereitschaft, das Unternehmen zu verlassen, sowie
b)
dem tatsächlichen Verhalten in Form der Handlung: Verbleib bzw. Kündigung.
Mitarbeiterbindung wird in diesem Verständnis gleichgesetzt mit dem Verbleib des Mitarbeiters im Unternehmen. Die Schwäche dieser engen Begriffsfassung liegt darin, dass sie ausschließlich eine finale Aussage liefert. Im Sinne einer binären Rationalität tritt das Fluktuationsereignis ein (non Mitarbeiterbindung) oder nicht (Mitarbeiterbindung). Diese Begriffsfassung gestattet jedoch keine Aussage darüber,
28
Vgl. zu dieser Argumentation auch das Kapitel 4.1: Auswirkung von Fluktuation auf die betriebliche Weiterbildung.
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
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inwieweit ein Mitarbeiter eine Fluktuationsabsicht hegt. Idealtypisch ist vielmehr zu fragen: • Verbleibt der Mitarbeiter im Unternehmen oder kündigt er den geschlossenen Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen auf? • Verbleibt der Mitarbeiter nicht nur, sondern ist er auch tatsächlich im Betrieb anwesend? • Verbleibt der Mitarbeiter, ist er anwesend und liefert er auch seinen Beitrag für die Organisation? Auch auf die Gefahr hin, dass diese Leitfragen als Forderung interpretiert werden könnten, die typischen Konstrukte der Organisationspsychologie Fluktuation, Absentismus und Motivation miteinander zu vermengen, so erscheint eine weiter gefasste Begriffsdefinition, in der Mitarbeiterbindung auch als Einstellung des Mitarbeiters zum Unternehmen interpretiert wird, notwendig (vgl. Barth 1998: 39). Dem Rechnung tragend, werden im Folgenden unterschiedliche Erklärungsmuster von Mitarbeiterbindung diskutiert und ein Versuch unternommen, diese zusammenzuführen. Ausgangspunkt bildet die organisationspsychologische Sichtweise der Mitarbeiterbindung. Im zweiten Teil wird eine interdisziplinäre Perspektive versucht: Gängige Modelle des Relationship Marketings werden als Anleihe genommen – und soweit möglich – auf das Phänomen Mitarbeiterbindung übertragen. Damit sollen die von der Organisationspsychologie hervorgebrachten Modellvorstellungen interdisziplinär angereichert und so in ihrer Erklärungskraft erhöht werden. Den Abschluss bildet ein vorläufiges Fazit zum Nutzen einer integrierten Sicht. 3.1 Mitarbeiterbindung im Lichte der organisationspsychologischen Commitmentforschung Die Frage, welche Bedingungen den Verbleib von Mitarbeitern im Unternehmen determinieren, beschäftigt die Organisationspsychologie schon längere Zeit. Es liegt eine große Anzahl an Arbeiten vor, die mit einer spiegelbildlichen Fragestellung versuchen, die Ursachen von Fluktuation herauszuarbeiten. Diese unterscheiden sich in ihren Herangehensweisen zum Teil grundlegend. Eine erste Gruppe von Autoren bemüht das Konstrukt der Arbeitszufriedenheit als Erklärungsmuster für die Fluktuationsneigung. Das bekannteste Modell dieser Art geht auf March und Simon zurück (1958), aber auch Lee (1988) und Mobley (1977) berücksichtigen „Job Satisfaction“ als die prägende Determinante. Andere ziehen das Organisationsklima (DeCottis und Summers 1987), den psychologischen Vertrag (Morrision und Robinson 1997, Robinson 1996), die Form des Involvements (Blau und Boal 1987), die Karriereperspektiven (Krau 1981) und mögliche Rollenkonflikte (Kemerey et al. 1985) heran, um das Phänomen Fluktuation zu erhellen. All diesen Ansätzen ist es gemeinsam, dass sie nicht nur versuchen, eine Fluktuation a posterori zu erklären, sondern mittels einer Modellvorstellung zu Verhaltensvorhersagen zu gelangen. Bis
38
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
heute scheint es aber nicht gelungen zu sein, ein zuverlässiges Prognosemodell für Fluktuation zu entwickeln. „However, the contextual, relational and epistemological complexities surrounding the phenomenon present a challenge which makes such modelling far from straightforward. … The inability for any current model to `fit` empirical data on turnover perfectly, implies that no such account has yet been found.” (Morrell et al. 2001: 18 f.). Einige Anzeichen sprechen dafür, dass sich in der Fluktuationsforschung ein neues Paradigma29 durchsetzt. Insbesondere in der anglo-amerikanischen Forschung wird unter der Überschrift des „Organizational Commitment“30 (Porter et al. 1974, Allen und Meyer 1990) stärker die Identifikation des Individuums mit dem Unternehmen beachtet und damit dem oben aufgeworfenen Aspekt von Mitarbeiterbindung – als Einstellung – Rechnung getragen. Dabei wird unter Commitment „a psychological state, or mind-set, that increase the likelihood that an employee will maintain membership in an Organization“ (Herscovitch/ Meyer 2002: 475) verstanden. Somit wird angenommen, dass es sich bei diesem Konstrukt um eine zentrale Determinante und Moderatorvariable zur Erklärung des Phänomens Verbleibeabsicht handelt (vgl. Haase 1997: 145, Moser 1996: 34). Daneben scheint es auch einen Beitrag zu liefern, um zu erfahren, wie Menschen mit ihrer Umgebung zurechtkommen und wie sie sich mit Objekten in ihrem Umfeld identifizieren (Moser ebenda mit Hinweis auf Mowday et al. 1982). In der deutschsprachigen Arbeits- und Organisationspsychologie lassen sich jedoch nur wenige, vorwiegend theoretisch orientierte Beiträge finden, die sich mit der „Bindung an die Organisation“ auseinandersetzten (vgl. Schmidt et al. 1998: 93). Aufgrund der Dominanz des Konstrukts Organisationalen Commitment in der angloamerikanischen Literatur wird es im Folgenden herangezogen, um Gestaltungshinweise für das in dieser Arbeit zu entwickelnde Modellverständnis zu erhalten.
29
Der Begriff des Paradigmas wird hier im Sinne von Kuhn (1970) benutzt. Die Verwendung dieses Begriffs ist in der Psychologie teilweise umstritten, weil das eindeutige Ablösen von Paradigmen durch neue nicht durchgängig erkennbar ist. Vielmehr ist zu beobachten, dass verschiedene Paradigmen über längere Perioden nebeneinander bestehen (vgl. Legewie 1998: 3). Beim Organisationalen Commitment scheint es sich aber um einen derartigen „Quantensprung“ zu handeln.
30
In der Literatur findet sich keine eigenständige deutschsprachige Übersetzung des Terminus „organizational commitment“. Die meisten Autoren behelfen sich damit, den Anglizismus „commitment“ zu verwenden und die deutsche Entsprechung von „organizational“ dem voranzustellen. Etymologisch betrachtet, stammt das Wort „commitment“ von der transitiven Form des lateinischen Verbs „committere“ ab. Es bedeutet soviel wie etwas „zusammenfügen“ oder „vereinigen“. Die intransitive Form „se committere“ steht für „sich getrauen“ oder „sich wagen“ (Gauger 2000: 6). Die englische Entsprechung „to commit to“ meint sich „verpflichten (zu), binden (an) oder festlegen (auf)“ (Langenscheidt 2001).
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
39
3.1.1 Grundlagen des Organisationalen Commitments Das Forschungsfeld des Organisationalen Commitments ist recht „bunt“. Seit seinen Anfängen in den 50er und 60er des letzten Jahrhunderts wurden von den meist amerikanischen Fachvertretern unterschiedlichste Begriffsfassungen hervorgebracht. So kann es nicht verwundern, dass verschiedene Autoren unter dem Begriff recht unterschiedliche Dinge verstehen und dass in der Konsequenz zum Teil widersprüchliche Operationalisierungen existieren. (Gauger 2000: 62, Haase 1997: 145, Moser 1996: 8, 46 f.). In grundlegenden Monografien zum Organisationalen Commitment werden bis zu elf Definitionen angeboten (vgl. bspw. Mowday et al. 1982 und Meyer und Allen 1997). Als Minimalkonsens scheint sich die Forschungsgemeinschaft darauf geeinigt zu haben, dass das Organisationale Commitment als ein „psychologischer Zustand“ zu verstehen ist, der die Beziehung des Individuums zu seiner Organisation beschreibt (Gauger 2000: 78). Von welcher Art und Güte dieser ist, ist aber höchst umstritten. Der Forderung nach einer überfälligen Systematisierung folgend, liegen mehrere Arbeiten vor, die sich bemühen, das Forschungsfeld zu strukturieren und einzelne Schulen herauszuarbeiten31. Es würde den Rahmen dieser Schrift sprengen, diesen Veröffentlichungen einen weiteren Versuch der grundlegenden Systematisierung an die Seite zu stellen. Vielmehr sollen in diesem Kontext kurz die Ergebnisse der aktuellen Commitmentforschung referiert werden, um daraus Hinweise für das zu entwickelnde Modellverständnis der Bindung von Weiterbildnern zu erhalten. Ein punktueller Rückblick in die Dogmengeschichte erleichtert jedoch die Begriffsschärfung. Es finden sich in der Literatur verschiedene Aussagen darüber, wer letztendlich der Begründer der Forschungsrichtung ist. Häufig werden die Arbeiten von Becker (1960) oder Etzioni (1961) in diesem Zusammenhang genannt. Weniger umstritten als diese Frage scheint in der Forschungsgemeinschaft die grundlegende Systematisierung von Commitment. Es lassen sich anscheinend das Verhaltens- vom Einstellungscommitment unterscheiden. Diese begriffliche Trennung wurde ursprünglich von Salancik (1977) geprägt und von Mowday, Porter und Steers (1979) übernommen. „Attitudinal commitment focuses on the process by which people come to think about their relationship with the Organization. In many ways it can be thought of as a mind set in which individuals consider the extent to which their own values and goals are congruent with those of the Organization. … Behavioral commitment, on the other hand, relates to the process by which individuals become locked into a certain Organization and how they deal with this problem.” (Mowday et al. 1982: 26). Auch wenn diese scharfe Abgrenzung in der modernen Commitment-
31
Vgl. bspw. für den deutschsprachigen Raum: Gauger 2000, Haase 1997, Moser 1996 und in der amerikanischen Literatur: Mowday et al. 1982 sowie Meyer und Allen 1997.
40
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
forschung zugunsten eines integrativen Verständnisses überwunden ist (vgl. dazu weiter unten Kapitel 3.1.1.3), hilft die folgende kurze Charakterisierung dem Grundverständnis von Commitment. 3.1.1.1 Verhaltenscommitment Becker veröffentlichte Anfang der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts eine Schrift, die die Bedeutung von sogenannten „side bets“32 für das Commitment erhellt (1960). Die im Deutschen als „Nebenwetten“ (Gauger 2000: 70) oder „Seitenwetten“ (Moser 1996: 1) bezeichneten „side bets“ sind dem Kartenspiel entlehnt: Neben der eigentlichen Hauptwette des Spiels - dem Gewinn - werden Nebenabreden getätigt wie bspw., wer die höchste Karte im Spiel zieht oder wer eine bestimmte Punktzahl erreicht. Auf diese Weise werden für den eigentlichen Spielausgang irrelevante Informationen zu zusätzlichen Gewinnchancen. Becker überträgt diesen Gedanken auf die Beziehung eines Mitarbeiters zu der Organisation. Für ihn gilt: „Commitments come into being when a person, by making a side bet, links extraneous interests with a consistent of activity.“ (Becker 1960: 32). Demnach sind die Nebenwetten dafür verantwortlich, dass ein Individuum konsistentes Verhalten wie bspw. den Verbleib in einer Organisation zeigt. Die Argumentation ist schlicht (vgl. Gauger 2000 70 f.): Die Nebenwetten werden von einem Organisationsmitglied in Form von individuellen Investitionen bspw. in Form des Aufbaus eines sozialen Netzwerkes in der Organisation getätigt. Auf deren positive Auswirkungen „wettet“ das Mitglied gewissermaßen. Würde das Individuum die Organisation verlassen, so würden die positiven Effekte dieser Investitionen verloren gehen und damit auch die „Wette“ verloren. Beckers Arbeit wird als zentraler Beitrag der Forschungsrichtung ‚Verhaltenscommitment’ gewertet. Vergangenes Verhalten des Mitarbeiters erzeugt die Bindung an die Organisation. Er unterscheidet verschiedene Arten von Nebenwetten (vgl. Tabelle 2). Diese Nebenwetten sind im Sinne von Becker als Austrittsbarrieren zu interpretieren. Konkret: Akzeptiert der Mitarbeiter bspw. eine fachliche Spezialisierung und schränkt er damit seine Arbeitsmarktmobilität ein, so hofft er darauf, dass seine Investition sich für ihn positiv auszahlt. Ein Austritt würde diese positive Wirkung unmöglich machen. Becker geht weiter davon aus, dass diese Art des Commitments nicht unbedingt bewusst und wohl überlegt entsteht. Vielmehr wird es dann bewusst, wenn der Verlust der Nebenwette droht. Daher schreibt Gauger diesen Ansatz auch der „Irrational School“ zu (Gauger 2000: 72).
32
Allgemein spielen Wetten in der psychologischen Interpretation von Entscheidungen eine zentrale Rolle. Bei Entscheidungen unter Unsicherheit wird in der Literatur das Bild von der Wette bemüht. In diesem Sinne ist jede Option mit unsicheren Konsequenzen eine Lotterie und jede Entscheidung unter Unsicherheit ein Spiel oder auch eine Wette (vgl. Jungermann et al. 1998: 197 ff.).
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
41
In der Folgezeit gab es einige Versuche, den „Nebenwettenansatz“ empirisch zu fundieren (Alutto et al. 1973, Cohen/ Lowenberg 1990, Sheldon 1971, Stebbins 1970). Die Befunde stützen wenig das Konzept: „The results indicate that there is very little empirical support for the side-bet theory” (Cohen und Lowenberg 1990: 1022). “Damit scheint die Seitenwettentheorie an sich in Frage gestellt.“ (Moser 1996: 6). Nicht ganz so pessimistisch urteilen Alutto, Hrebiniak und Alonso. Sie können in ihrer Studie herausarbeiten, dass zwischen den meisten „NebenwetteIndikatoren“ und der Bindung an eine Organisation ein positiver, signifikanter Zusammenhang besteht (vgl. Alutto et al. 1973: 450 ff.). Wie dem auch sei, bis heute bleibt der Ansatz von Becker umstritten. Er hat jedoch Meyer und Allen inspiriert, eine kalkulative Komponente in das dreidimensionale Commitmentmodell zu integrieren, welches heute als „state of the art“ der Forschung gilt. Es wird weiter unten ausführlich dargestellt (vgl. Kapitel 3.1.2.2). Tabelle 2: Arten der Nebenwetten nach Becker (1960: 36 ff., vgl. Gauger 2000: 71 f.) Art der Nebenwette
Charakterisierung
Beispiele
Generalisierte kulturelle
Das Individuum übernimmt soziokulturelle
Man sollte nicht zu schnell den
Erwartungen
Normen der Organisation, um eine negative
Job wechseln, wenn man nicht
Sanktion zu vermeiden oder eine positive zu
als wenig vertrauenswürdig
erhalten.
angesehen werden will.
Unpersönliche
Das Individuum unterwirft sich mit Eintritt in
Ansprüche auf eine
bürokratische Regeln
die Organisation den bürokratischen Regeln
Firmenpension
und verpflichtet sich, diese einzuhalten.
Einhalten von Datenschutzregelungen
Individuelle Anpassung
Das Individuum spezialisiert sich fachlich, um
Besuch von firmenspezifischen
an die organisatorische
der Position gerecht zu werden, und nimmt
Maßnahmen der
Position
dabei eine geringere Arbeitsmarktmobilität in
Anpassungsweiterbildung
Kauf.
Zusammengefasst hat Becker mit seinem Ansatz Commitment als eine „erzwungene“ Bindung in Form von Austrittsbarrieren konzeptualisiert. Aus Angst vor dem Verlust der „Nebenwette“ verbleibt der Mitarbeiter im Unternehmen. Diese Form von Commitment wird als Verhaltenscommitment bezeichnet, weil vergangenes Verhalten des Mitarbeiters die Bindung an die Organisation erzeugt. Davon anscheinend abzugrenzen ist das Einstellungscommitment. 3.1.1.2 Einstellungscommitment Als Einstellungscommitment wird in Abgrenzung zum Verhaltenscommitment ein Prozess verstanden, in dem sich ein Individuum mit den Werten- und Zielen einer
42
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
Organisation identifiziert (vgl. Gauger 2000: 73, Haase 1997: 106). Nicht das vergangene Verhalten und die damit verbundene Nebenwetten bilden das Motiv zur Bindung an eine Organisation, sondern die Identifikation mit ihr. Nach March und Simon gilt: „eine Person identifiziert sich mit einer Gruppe, wenn sie im Entscheidungsprozess unterschiedliche Alternativen unter Berücksichtigung der Konsequenzen für die spezifische Gruppe bewertet“ (March und Simon 1976: 205). Mit anderen Worten identifiziert sich ein Individuum mit einer Gruppe, wenn persönliche Motive hinter Gruppenmotiven zurücktreten. Die Identifikation ist damit als ein Prozess zu charakterisieren, in dem die Ziele, Normen und Perspektiven einer Gruppe zunehmend „als die eigenen akzeptiert“ werden (ebenda: 63). Fraglich ist, wovon diese Identifikation abhängt. Einer der ersten Autoren, die sich dem Phänomen empirisch nähern, ist Brown (1969). Er formuliert, dass die Identifikation mit einer Organisation eine Folge des Involvements33 in eine Organisation ist. Das Involvement wiederum hängt davon ab, inwiefern die Organisation als exklusive Quelle der Befriedung wichtiger Bedürfnisse wahrgenommen wird (ebenda). Es liegt demnach dann eine Identifikation vor, „wenn eine Person eine zufriedenstellende selbstdefinierende Beziehung zu einer anderen Person oder Gruppe etablieren oder aufrechterhalten will. Die Identifikation mit einer Organisation wird dann wahrscheinlicher, wenn die Organisation zum einen ein benötigter Ort wird, um die ich-involvierenden Aktivitäten ausführen zu können, und zum anderen eine wichtige Quelle für Leistungsstandards darstellt.“ (Moser 1996: 37). Somit steht Commitment im engen Zusammenhang mit der Wahrnehmung oder Erwartung individueller Bedürfnisbefriedigung. Die bekanntesten Vertreter dieses Commitmentkonzepts sind die Autoren Mowday, Porter und Steers. Sie konzeptualisieren Commitment „as the relative strength of individual´s identification with and involvement in a particular Organization” (Mowday et al. 1982: 27). Die Autoren sehen im Organisationalen Commitment ein Konstrukt, welches positive Wirkungen, wie die Steigerung der beruflichen Leistung, die Reduzierung von Fehlzeiten sowie einem gesteigerten Interesse, im Unternehmen zu verbleiben, induziert. Zur Überprüfung dieser Annahmen und Operationalisierung ihres Konstruktes entwickelten sie 1979 ein Messinstrument, welches den Grad des Commitments erhebt: Der Organizational Commitment Questionaire oder kurz: OCQ. Der OCQ wurde in vielfachen Untersuchungen eingesetzt und findet teilweise in der aktuellen organisationspsychologischen Forschung noch Verwendung (vgl. bspw. Feinstein/ Vondrasek 2001). Die Bedeutung von Mowday, Porter und Steers für die Commitmentforschung wird auch deshalb von vielen Forschern so hoch eingeschätzt, weil sie mit dem OCQ ein erstes breit akzeptiertes Erhebungsinstrument vorgelegt haben. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Konzept von Mowday et al. liefert das Kapitel 3.1.2.1.
33
Vgl. zum Begriff des Involvements Kapitel 3.1.3.
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
43
3.1.1.3 Verhaltens- vs. Einstellungscommitment - Eine Disjunktion? Nach der kurzen Charakterisierung der beiden Grundkonzepte ist fraglich, inwieweit diese scharfe Trennung zwischen Verhaltens- und Einstellungscommitment tatsächlich aufrecht zu halten ist. In einer ersten Betrachtung lassen sich erhebliche Unterschiede ausmachen, wie die folgende Übersicht verdeutlicht (vgl. Tabelle 3). Das Einstellungscommitment basiert darauf, dass das Individuum sich mit den Werten und Zielen der Organisation identifiziert und somit eine positive Einstellung gegenüber der Organisation entwickelt. Das Verhaltenscommitment basiert vielmehr auf spezifischen Verhaltensweisen. Diese auf den ersten Blick plausible Unterscheidung wird fragwürdig, wenn die Beziehung von Verhalten zu Einstellungen näher analysiert wird (vgl. Meyer und Allen 1997: 9, Reichers 1985: 468). Tabelle 3: Einstellungs- vs. Verhaltenscommitment (vgl. Gauger 2000: 75)
Fokus
Einstellungscommitment
Verhaltenscommitment
Psychologischer Zustand
Verhalten i.S. der Aufrechterhaltung der Beitrittsentscheidung
Art des Commitments
Gewollte Bindung durch
„erzwungene“ Bindung durch
Belohnung sowie Werte- und
Austrittsbarrieren
Zielkongruenz Rationalität
Antrieb
Hoch, Basis sind individuelle
Niedrig, Basis sind ex ante nicht
Bedürfnisse
kalkulierte Austrittsbarrieren
Aktuelle Bedürfnisbefriedigung,
Angst vor Verlusten bei Austritt
positive Erwartung
aus der Organisation
Die Sozialpsychologie geht davon aus, dass Interaktionen zwischen Verhalten und Einstellungen existieren34. „Viele Autoren glauben, dass Attitüden35 eine Tendenz, sich zu verhalten, implizieren. ... Den Attitüden könnte man folglich eine motivationale Antriebskraft zuschreiben, Handlungen zu vollziehen.“ (Upmeyer 1985: 112). So wird Verhalten durch Einstellungen beeinflusst und möglicherweise auch vice versa. Auch Mowday et al. (1982) verfolgen die These, dass Commitment sowohl als Einstellung Verhalten verursache als auch Verhalten Einstellungen beeinflusse; somit eine dynamische und wechselseitige Beziehungen zwischen Einstellungen und Verhalten bestehe (vgl. Moser 1996: 42).
34
Vgl. zur ausführlichen Diskussion dieses Aspektes Gauger 2000: 75 ff.
35
Der Begriff der „Attitüden“ wird von Upmeyer synonym zu „Einstellungen“ benutzt.
44
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
Aufgrund der Nähe und möglicher Interaktion der beiden Konzepte ist es wenig hilfreich, sie zur grundlegenden Systematisierung weiter zu verwenden. Im Folgenden wird die dogmenhistorische Perspektive verlassen und der Blick auf die moderne Commitmentforschung gelenkt. Es wird gezeigt, dass eine Differenzierung in Verhaltens- und Einstellungscommitment aufgrund eines integrativen Konzepts sich erübrigt. 3.1.2 Dreidimensionales Commitmentkonzept nach Meyer und Allen Wie in den vorangegangenen Abschnitten deutlich wurde, war die Commitmentforschung in ihren Anfängen geprägt von Partialmodellen, die nicht selten im Wettbewerb zueinander standen. Mittlerweile hat es sich durchgesetzt, ein integratives Modell zu verwenden, das drei Commitment-Komponenten unterscheidet: das affektive, das normative und das kalkulative Commitment36. Dabei wird angenommen, dass ein Individuum die verschiedenen Commitment-Komponenten in variierenden Ausprägungen gleichzeitig erleben kann (vgl. Schmidt et al. 1998: 95). Diese Einsicht ist auf John P. Meyer und Natalie J. Allen (1991) zurückzuführen. Die Anzahl der Veröffentlichungen, die auf dieses Modell zurückgreifen, ist ständig zunehmend (Felfe 2003, Felfe et al. 2002: 2, Herscovitch/ Meyer 2002: 475) und die angenommene Dreidimensionalität des Modells konnte empirisch mehrfach belegt werden (Coleman et al. 1997, Hackett, Bycio und Hausdorf 1994). Bei ihrem Versuch, den Stand der Commitmentforschung in den späten achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts zusammenzufassen, stießen Meyer und Allen auf das Phänomen, dass in der Literatur die drei Arten von Commitment voneinander isoliert konzeptualisiert werden. Sie gehen vielmehr davon aus, dass ein Organisationsmitglied alle drei Formen des Commitments in unterschiedlicher Stärke gleichzeitig besitzt. Für die Autoren gilt: „that it was more appropriate to consider affective, continuance, and normative components, rather than types of commitment, because an employee´s relationship with an Organization might reflect varying degrees of all three.“ (Meyer und Allen 1997: 13). Eine Betrachtung aller drei Komponenten soll damit dem Forscher helfen, die Beziehung eines Mitarbeiters mit seiner Organisation besser zu verstehen. Mit dem affektiven Commitment bezeichnen Meyer und Allen: „the employee´s emotional attachement to, identification with, and involvement in the Organization.“
36
Im Original bezeichnen die Autoren die drei Komponenten mit: affective, continuance und normative commitment (Meyer und Allen 1997: 11 ff.). Hinsichtlich der zweiten Komponente finden sich unterschiedliche Übersetzungen in der deutschen Literatur. Einige heben das Wesen des Konstrukts hervor und verwenden die Bezeichnung kalkulatorisches (Felfe et al. 2002) oder kalkuliertes Commitment (Gauger 2000: 96). Andere halten sich an die englische Semantik und benutzen fortsetzungsbezogenes Commitment (Moser 1996: 44) bzw. Austausch-Commitment (Haase 1997: 144).
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(Meyer und Allen 1991: 67). Die Mitglieder verbleiben in der Organisation, weil sie es wünschen und für sie die Mitgliedschaft positiv besetzt ist. Das kalkulative Commitment kann auch als rationales Motiv bezeichnet werden und ist inspiriert von dem weiter oben skizzierten Nebenwettenansatz. „Continuance commitment refers to an awareness of the costs associated with leaving the Organization.“ (ebenda). Das Individuum wägt die Kosten und Nutzen des Verbleibs ab. Beim normativen Commitment empfindet das Individuum ein Gefühl der Verpflichtung aufgrund eines Drucks von Werten und Normen. Es existiert eine Quasiverpflichtung in der Organisation zu verbleiben, weil dies moralisch richtig ist. Zusammengefasst gilt für die Urheber des dreidimensionalen Commitmentkonzeptes: „Employees with a strong affective commitment remain with the Organization because they want to, those with a strong continuance commitment remain because they need to, and those with a strong normative commitment remain a member of Organization because they feel they ought to do so.” (Meyer, Allen und Smith 1993: 539, Hervorhebungen durch M.M.). Das Modell von Meyer und Allen wird in den aktuellen Veröffentlichungen häufig als Referenzrahmen herangezogen (vgl. bspw. Felfe 2003, Felfe et al. 2002, Herscovitch/ Meyer 2002) und gilt als ein zentrales Konzept der Commitmentforschung37 (ebenda, Jaros 1997: 320). Hinsichtlich des in dieser Arbeit zu diskutierenden Phänomens der Mitarbeiterbindung sind die bis jetzt vorliegenden empirischen Befunde „ermutigend“, was deren Erklärungskraft angeht (Schmidt et al. 1998: 93 ff.). In der Tabelle 4 sind einige empirische Studien zusammengefasst, die das dreidimensionale Commitmentmodell von Allen und Meyer zum Gegenstand haben. Ein besonderer Akzent wird auf die Erklärungskraft der abhängigen Variable Fluktuationsneigung gelegt.
37
Es soll damit nicht verschwiegen werden, dass auch konkurrierende Konzepte als eine Weiterentwicklung vorgelegt werden. So haben Cradona et al. (2003) ein Modell hervorgebracht, das die normative und kalkulative Commitmentkomponente von Meyer und Allen übernimmt, aber das die affektive Komponente gegen eine „growth commitment component“ ersetzt. Unter diesem Terminus verstehen die Autoren „an individual´s attachments to the Organization that results from his or her perceived opportunities of satisfying personal and professional growth needs“ ebenda: 4. Ob sich dieses Konzept gegen das etablierte Modell von Meyer und Allen durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
46
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
Tabelle 4: Ausgewählte empirische Studien zum dreidimensionalen Commitmentmodell mit ihren Ergebnissen zur Fluktuationsneigung Autor/en
Art der Untersuchung
Operationalisierung der
Ergebnisse zur Be-
Commitmentkomponenten
ziehung von Commitment und Fluktuationsneigung
Meyer &
Metaanalyse von
Entsprechend der ursprünglichen
AC: starker negativer
Herscovitch
Studien des
Studien
Effekt
(2001)
Dreikomponenten-
KC und NC: mittlerer
Modells Jaros (1997)
Multiple
negativer Effekt Skala von Meyer und Allen (1990)
Regressionsanalyse
AC: starker negativer Effekt KC und NC: schwacher negativer Effekt
Somers (1995) Multiple Regressionsanalyse
Modifizierte Version der Skala von
AC und NC sind
Meyer und Allen (1990)
signifikante Prädiktoren KC nicht
Hackett, Bycio
Korrelationen und
und Hausdorf
pfadanalytische
signifikant negativ
(1994)
Auswertungen
korreliert
Meyer, Allen
Multiple
Modifizierte Version der Skala von
AC: starker negativer
und Smith
Regressionsanalyse
Meyer und Allen (1990)
Effekt
(1993)
Skala von Meyer und Allen (1990)
AC, NC und KC sind
NC: ein schwächerer, aber noch signifikanter Effekt KC: kein signifikanter Effekt
Wie die Übersicht verdeutlicht, kristallisieren sich in den überwiegenden Studien die drei Komponenten als Prädiktor für den Wunsch, im Unternehmen zu verbleiben, heraus. Die Erklärungskraft der drei Komponenten differiert. Bei Durchsicht der Studien wird deutlich, dass die affektive Commitmentkomponente die höchsten Korrelationen aufweisen. Hinsichtlich des kalkulativen und normativen Commitments liegen widersprüchliche Befunde vor. In den überwiegenden Untersuchungen werden auch sie in Verbindung mit der Fluktuationsneigung gebracht. Einige der oben zitierten Studien weisen aber gegenteilige Befunde auf. Meyer und Allen resümieren jedoch: „Although correlations are strongest for affective commitment, significant relations between commitment and turnover variables are found for all three conceptualizations of commitment.” (Meyer/ Allen 1997: 26).
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Damit kann davon ausgegangen werden, dass das Konstrukt Organisationales Commitment im Allgemeinen für die in dieser Arbeit zu diskutierende Fragestellung eine hohe Relevanz besitzt. Schließlich gilt: „the relation between Organizational commitment and employee retention variables are well established.“ (Meyer/ Allen 1997: 25). Das dreidimensionale Commitmentmodell von Meyer und Allen gilt in der Forschungsgemeinschaft darüber hinaus als „state of the art“ und findet im weiteren Gang der Untersuchung Verwendung. Aus diesem Grunde lohnt es, die einzelnen Commitmentkomponenten noch etwas näher zu charakterisieren und zu fragen, was diese beeinflusst. Mit anderen Worten: Was sind deren Antezedenzfaktoren? 3.1.2.1 Affektive Commitmentkomponente Zur Definition der affektiven Bindung greifen Meyer und Allen zurück auf die bereits oben erwähnten Arbeiten von Mowday et al. Nach deren eindimensionalem Commitmentverständnis38 steht es für die relative Stärke der Identifikation eines Individuums mit einer Organisation, des Involvements in eine Organisation und der Freude an der Mitgliedschaft (Mowday et al. 1979, 1982). Somit sind drei Aspekte des affektiven Commitments auseinander zuhalten: a) Die Identifikation in Form der Übernahme und Akzeptanz der Werte und Ziele der Organisation; b) das Involvement als Bereitschaft, sich in die Organisation einzubringen mittels Beschäftigung mit den Zielen, Werten und Normen der Organisation, sowie c) der starke Wunsch des Individuums, Mitglied der Organisation zu bleiben. Der letztgenannte Aspekt hat eine größere Kontroverse hervorgerufen. Die Kernfrage lautet: Ist eine geringe Fluktuationsneigung Kriterium oder bereits Bestandteil von Commitment? (Moser 1996: IX). Träfe es zu, dass der Wunsch zum Verbleib Bestandteil des Commitments ist, dann liegt der Verdacht einer Tautologie nahe. Bereits Becker erkannte diese grundlegende Gefahr: „Wenn wir das Konzept auf diese Art verwenden, ist die Aussage, dass Commitment konsistente Verhaltensweisen produziere, tautologisch, da Commitment, wie auch immer unsere Vorstellung von einer unabhängigen Existenz aussieht, synonym mit dem Verhalten ist, das es erklären soll.“ (Becker 1960: 35). Es wird mittlerweile von dem Großteil der Forschungsgemeinschaft geteilt, dass der „Wunsch zur Mitgliedschaft“ als
38
Häufig wird das Konzept von Mowday et al. als ein eindimensionales bezeichnet. Dies ist insoweit zutreffend, als nur der affektive Aspekt des Commitments betrachtet wird. Wird der von den Autoren benutzten Unterscheidung in Identifikation, Anstrengungsbereitschaft und Fluktuationsneigung gefolgt, dann kann es sehr wohl auch als ein mehrdimensionales Konzept angesehen werden (vgl. Moser 1996: 39f.).
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Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
Korrelat und nicht als Bestandteil von affektivem Commitment aufzufassen ist (Meyer und Allen 1997, Moser 1996). Fraglich ist, was die affektive Commitmentkomponente beeinflusst. Mowdays et al. meinen, dass zu den wesentlichen Bedingungen von Commitment persönliche Eigenschaften des Mitarbeiters, seine formellen und informellen Rollen in der Organisation, die organisatorisch-strukturellen Gegebenheiten sowie die Arbeitserfahrungen des Mitarbeiters in der Organisation zählen. Die Tabelle 5 veranschaulicht, welche Aspekte Mowday, Porter und Steers diesen Determinanten des Commitments zuordnen. Tabelle 5: Bedingungen des affektiven Commitments (Mowday et al. 1982: 30, nach Haase 1997: 108) Persönliche
Rollenbezogene
Strukturelle
Eigenschaften
Eigenschaften
Eigenschaften
Alter
Tätigkeitsanforderungen
Organisationsgröße
Beschäftigungszeit
Handlungsspielräume
Kontrollspanne
Bildungsstand
Rollenkonflikte
Grad der Zentralisation
Geschlecht
Unklare Rollendefinitionen
Grad der Formalisierung
Rasse u.Ä.
Arbeitserfahrungen
Einstellungen zum Unternehmen Wahrgenommene Ausgewogenheit von Arbeitsleistung und
Funktionale Abhängigkeit Bezahlung einzelner Organisationseinheiten
Gruppennormen Verhältnis zum Vorgesetzten
Meyer und Allen übernehmen im Wesentlichen die Bedingungen, die von Mowdays et al. formuliert wurden. Zusätzlich nehmen sie noch die Unterstützung des Individuums durch die Organisation und die Wahrnehmung von persönlicher Bedeutung und Kompetenz auf (1997: 47 f.). Es liegt eine Vielzahl von Untersuchungen vor, die die empirischen Zusammenhänge von affektivem Commitment und seinen Bedingungen erhellen. Häufig wird dabei der von Mowday et al. hervorgebrachte Organizational Commitment Questionaire (OCQ) verwendet. Als markante Ergebnisse der Untersuchungen39 mit diesem Instrument lässt sich festhalten (vgl. Haase 1997: 132 f.):
39
Die Aussagen beziehen sich auf die von Haase ausgewerteten Untersuchungen: Welsch und LaVan (1981) n = 149, Mottaz (1988) n = 1385 aus sechs unterschiedlichen Organisationen, Mathieu und Zajac (1990) Metaanalysen mit 174 unabhängigen Stichproben aus 124 veröffentlichen Studien, Randall (1990) Metaanalysen mit 35 Studien, Randall und Cote (1991) n = 455 sowie Mathieu (1991) n = 588.
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1. Es wurden Zusammenhänge herausgearbeitet zwischen affektivem Commitment sowie persönlichen Merkmalen (demographische Variablen, Arbeitszufriedenheit etc.), Merkmalen des organisatorischen Kontextes (Kommunikationsstruktur, Entscheidungsspielraum) und Eigenschaften der Arbeitssituation (Rollenkonflikte und -mehrdeutigkeiten). Die Arbeitszufriedenheit und –motivation dürfte in einem besonders engen Verhältnis zu Commitment stehen. 2. Der organisatorische Kontext sowie die Arbeitscharakteristika beeinflussen stark das affektive Commitment. Weniger eindeutig sind die Ergebnisse hinsichtlich der Frage, ob diese Konstrukte direkt auf die Verbundenheit mit dem Unternehmen wirken oder mittelbar über die Arbeitszufriedenheit vermittelten Einfluss besitzen. Die Metaanalyse von Mathieu und Zajac (1990) belegen jedoch einen starken Einfluss von Führungsqualifikation im Unternehmen auf die Bindung von Mitarbeitern. Insbesondere die Mitarbeiterorientierung des Vorgesetzten, seine kommunikative Kompetenz und das Ausmaß der Partizipation der Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen weisen einen markanten positiven Zusammenhang zum Commitment auf. 3. Die empirischen Studien förderten negative Zusammenhänge zu Tage zwischen der Absicht, den Arbeitgeber zu wechseln, sowie dem affektiven Commitment. Mit anderen Worten: Die Intention, nach alternativen Arbeitgebern zu suchen, ist bei starkem affektivem Commitment schwächer ausgeprägt. Zusammengefasst kann festgehalten werden: „Literally hundreds of studies have examined the correlations between affective commitment and variable hypothesized to be its antecedents.“ (Meyer/ Allen 1997: 42). Diese belegen, dass das affektive Commitment von vielfältigen Variablen beeinflusst wird. In ihrem Buch „Commitment in the Workplace“ (1997) versuchen die beiden Begründer des dreidimensionalen Commitmentmodells sämtliche in einer Grafik (vgl. Abbildung 5) darzustellen. Dabei unterscheiden sie in Vorbedingungen, Prozesse und Ergebnis des Commitments. Es steht hier in modifizierter Form als Zusammenfassung des Abschnitts.
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Vorbedingungen
Charakteristika der Organisation Größe, Struktur, Klima, u.s.w.
Persönliche Eigenschaften Herkunft, Werte, Erwartungen, u.s.w.
Führungspraktiken
Prozesse
Arbeitserfahrung Arbeitsbereich, Beziehungen, Partizipation, Unterstützung, Gerechtigkeit
Rollen
Ergebnis
Affektive Zusammenhänge
Affektives Commitment
Zuwendung Rationalisierung Erwartungen erfüllen Person – Job -Passung Bedarf nach Zufriedenheit
mit Organisation, Gewerkschaften, Teams, u.s.w.
Mehrschichtigkeit Konflikte Überbelastung
Selektion, Training, Vergütung, u.s.w.
Abbildung 5: Bedingungen des affektiven Commitments (in Anlehnung an Meyer und Allen 1997: 106 Übersetzung durch M.M.)
3.1.2.2 Kalkulative Commitmentkomponente Die zweite Komponente des Commitments bezieht sich auf eine subjektive Nutzenabwägung. Meyer und Allen (1997) gehen davon aus, dass das Individuum die Kosten seines Austritts aus der Organisation „kalkuliert“ und, soweit vorhanden, einer Alternative gegenüberstellt. Damit sind zwei Aspekte für dieses Konstrukt besonders herauszuheben: Investments und Alternativen. Um die Bedeutung der Investments zu erläutern, greifen die Autoren auf das oben dargestellte Nebenwettenkonzept von Becker zurück (vgl. Kapitel 3.1.1.1). Geht ein Individuum Nebenwetten ein, so wird es den Ertrag aus diesen bei einem vorzeitigen Verlassen der Organisation verlieren. Entsprechend hoch sind die persönlichen Kosten des Ausscheidens aus der Organisation. Je höher diese ausstehenden Wettbeiträge sind, desto höher dürfte das kalkulative Commitment sein. Dabei kann sich diese Überlegung auf das Vermeiden eines Verlustes einer bereits getätigten Investition beziehen oder auf die Erwartung von weiteren (zukünftigen) Anreizen.
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Ein weiterer Zusammenhang wird zwischen Arbeitsmarktchancen (Alternativen) und dem Konstrukt gesehen. Individuen mit guten Arbeitsmarktchancen dürften ein geringeres kalkulatives Commitment aufweisen. Für sie können die Kosten des Ausscheidens hoch sein, sie dürfen aber auf eine Kompensation in der neuen Organisation hoffen. In empirischen Studien konnte belegt werden, dass eine wichtige Determinante auch die Verwertbarkeit der persönlichen Kompetenzen und Ausbildung am Arbeitsmarkt ist. Sind die erlernten Fähigkeiten auch für andere Organisationen von Interesse, so ist das kalkulative Commitment geringer ausgeprägt (Allen/ Meyer 1990). Die Tabelle 6 veranschaulicht empirische Untersuchungen zu den beeinflussenden Faktoren des kalkulativen Commitments. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das kalkulative Commitment von einer überschaubaren Anzahl von Faktoren abhängig ist. Es sind dies die getätigten persönlichen Investitionen, die subjektiv wahrgenommene Arbeitsmarktmobilität und persönliche Abhängigkeit von einem regelmäßigen Einkommen. Andere, wie das Lebensalter oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit, haben sich nicht als zuverlässige Prädiktoren für das kalkulative Commitment herauskristallisiert. Hinsichtlich des Zusammenhanges von Verbleibeabsicht und kalkulativem Commitment liegen unterschiedliche Befunde vor (vgl. Kapitel 3.1.2). Insgesamt ist jedoch von einem eher schwächeren positiven Zusammenhang auszugehen.
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Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
Tabelle 6: Ausgewählte Untersuchungen zu den Bedingungen des kalkulativen Commitments (Meyer/ Allen 1997: 58 ff. Übersetzung durch M.M.) Autor
Fokus
Befunde
Jayne (1994)
Bedeutung von Rollen-erwartung
Arbeitende, junge Eltern zeigen ein
bspw. als Allein-verdiener in einer
höheres kalkulatives Commitment,
Familie
wenn sie sich mit ihrer Rolle bspw. als Alleinverdiener identifizieren.
Whitener und Walz (1993)
Nebenwetten in Form von
Eine positive Korrelation zwischen
Betriebspensionen, beruflicher Status
den Nebenwetten und dem
und Arbeitsplatzsicherheit
kalkulativen Commitment konnte gezeigt werden.
Lee (1992)
Verwertbarkeit der eigenen
Mitarbeiter, die eine geringere
Ausbildung am Arbeitsmarkt
Verwertbarkeit ihrer Ausbildung in einer neuen Organisation annehmen, zeigen ein höheres kalkulatives Commitment.
Meyer, Bobocel und Allen
Alternative
Mitarbeiter, die
(1991)
Beschäftigungsmöglichkeiten in
Beschäftigungsmöglichkeiten in
anderen Organisationen
anderen Organisationen annehmen ,
40
zeigen ein geringeres kalkulatives Commitment. Für viele Ferris und Aranya Lebensalter und
Es konnte kein signifikanter
(1983)
Zusammenhang zwischen
Betriebszugehörigkeit
kalkulativem Commitment und dem Lebensalter und der Betriebszugehörigkeit herausgearbeitet werden. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass die beiden Faktoren eher suggorate Variablen von Langzeitinvestitionen (bspw. Betriebspensionen) sind denn eigenständige Prädiktoren des kalkulativen Commitments (Cohen und Lowenberg 1990).
40
Der Akzent liegt auf der subjektiven Wahrnehmung der Arbeitsmarktchancen. Whitener und Walz (1993) versuchten diese Einschätzung durch die Arbeitslosenquote zu objektivieren und erhielten keinen signifikanten Zusammenhang von Arbeitslosenquote und kalkulativem Commitment (nach Meyer/ Allen 1997: 59).
Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
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3.1.2.3 Normative Commitmentkomponente Wie bereits oben dargestellt, verstehen Meyer und Allen unter der normativen Commitmentkomponente eine Verpflichtung des Individuums gegenüber der Organisation. Es wird angenommen, dass Mitarbeiter aufgrund eines normativen Drucks die Normen der Organisation internalisieren und sich in ihrem Handeln daran orientieren (Wiener 1982: 471). Ein Aspekt dieses Phänomens kann in der LeistungsGegenleistungs-Hypothese gesehen werden (vgl. Gauger 2000: 92 f., Meyer/ Allen 1997: 61 f.). Ein Mitarbeiter fühlt sich bspw. in der Schuld der Organisation gegenüber (in ihr zu verbleiben), wenn er in der Vergangenheit eine besondere Förderung erfahren hat. Vorausgesetzt, dieser akzeptiert die soziale Norm des Leistungs-Gegenleistungs-Prinzips. Daneben können auch in Abwesenheit einer derartigen „Schuld“ soziale Normen wirksam werden. Voraussetzung ist eine entsprechende kulturelle Sozialisation des Individuums durch die Familie oder Organisation selber. So dürften Mitarbeiter, die von ihren Eltern eine hohe Loyalität zum Arbeitgeber vorgelebt bekamen, ein stärkeres normatives Commitment aufweisen41. Die Literaturlage zum normativen Commitment ist recht dürftig und im Vergleich zum affektiven Commitment wenig durch ein hervortretendes Konzept geprägt. Auch hinsichtlich der empirischen Überprüfbarkeit liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. „Inwieweit die Annahme dieses Konstruktes innerhalb einer Commitmentkonzeption sinnvoll ist und ob normatives Commitment Erklärungswert für Verhalten in Organisationen besitzt, kann aufgrund der derzeitigen Forschungslage noch nicht abgeschätzt werden.“ (Haase 1997: 144). Meyer und Herscovitch (2001) zeigen in ihrer Untersuchung aktuell, dass eine negative Korrelation von r = -.23 zwischen dem Wunsch zum Verbleib und dem normativen Commitment besteht. Trotzdem muss konstatiert werden, dass es zur Messung dieser Commitmentkomponente keinen Konsens in der Forschungsgemeinschaft gibt. Die überwiegenden Autoren, die sich mit diesem Konstrukt beschäftigen, haben eigene Skalen zur Erhebung entwickelt (Gauger 2000: 95). Was die normative Komponente prägt, ist in einigen Studien untersucht worden. Danach wird die Rolle der frühen Sozialisation betont (Meyer et al. 1993), die Kongruenz von kulturellen Werten der Organisation mit der sie umgebenen Gesellschaft (Vardi et al. 1989) und die Bedeutung des Verhaltens der Kollegen (Dunham et al. 1994). Insgesamt ist die Forschungslage eher geprägt von theoretischen Überlegungen denn von empirischen Befunden (Meyer und Allen 1997: 64).
41
Diese stark vereinfachte Argumentation dient lediglich der Veranschaulichung. Selbstverständlich ist mit einer entsprechenden kulturellen Sozialisation nicht unbedingt ein stärkeres normatives Commitment zu erwarten. Eine differenziertere Betrachtung müsste bspw. die Bedingungen des sozialen Lernens berücksichtigen.
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Die beiden Autoren des dreidimensionalen Konzepts kommen zum Schluss: „On the basis of several studies, it appears that many of the work experiences that predict affective commitment – particular those associated with supportiveness – are also related, albeit less strongly, to normative commitment …” (1997: 63). 3.1.3 Abgrenzung des Organisationalen Commitments von verwandten Konstrukten Insbesondere von empirisch arbeitenden Autoren wurde früh die Frage gestellt, ob das Organisationale Commitment sich von verwandten Konstrukten abgrenzen lässt. Mit anderen Worten: Ist das Konstrukt Organisationales Commitment eigenständig operationalisierbar? Allen voran, wurden immer wieder enge statistische Zusammenhänge zwischen dem Konstrukt Arbeitszufriedenheit und dem Organisationalen Commitment gefunden (vgl. bspw. Tett und Meyer 1993). Fraglich ist somit, welche Beziehung zwischen den beiden Konstrukten besteht. Vorweg ist zu konkretisieren, was unter dem Konstrukt Arbeitszufriedenheit gewöhnlich zu verstehen ist. Zum Thema „Arbeitszufriedenheit“ wurde in der Vergangenheit eine sehr große Anzahl an Schriften veröffentlicht. Damit dürfte die Vermutung begründet sein, dass es sich um ein gut strukturiertes Forschungsgebiet handelt. Die Sichtung der einschlägigen Literatur vermittelt ein anderes Bild: Der Terminus Arbeitszufriedenheit bleibt nach wie vor unscharf (vgl. für viele Borg/ Staufenbiehl 1991: 158 oder Fischer 1989: 24). Je nach dem, welcher theoretische Bezugsrahmen zugrunde liegt und welcher (Teil-)Aspekt betrachtet wird, differieren die Begriffsexplikationen erheblich. Für Locke kann es daher die Arbeitszufriedenheit nicht geben, vielmehr ist zu fragen, was eigentlich erklärt werden soll (vgl. Locke nach Gebert & von Rosenstiel 1996: 74). Andere Autoren sprechen in diesem Zusammenhang pointiert von „fast babylonischem Begriffschaos“ (Neuberger 1974: 140) oder befürchten eine „Sisyphusarbeit“ (vom Holtz 1997: 29), wenn die Vielzahl der Definitionsansätze erschöpfend aufgearbeitet werden soll. Aus pragmatischen Gründen liegt es – in der Tradition auch anderer Autoren (z.B. Kraus 1996, Gawellek 1987) – nahe, einen begrifflichen Minimalkonsens zu suchen. Gewöhnlich lässt sich ein Minimalkonsens in der Gestalt finden, dass der Terminus in seine beiden Bestandteile – Arbeit und Zufriedenheit – aufgespalten wird. Dabei wird unter Arbeit im Sinne von Hoyos verstanden, „eine Aktivität oder Tätigkeit, die im Rahmen bestimmter Aufgaben entfaltet wird und zu einem materiellen und/ oder immateriellen Arbeitsergebnis führt, das in einem Normensystem bewertet werden kann; sie erfolgt durch den Einsatz der körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte des Menschen und dient der Befriedigung seiner Bedürfnisse.“ (Hoyos 1974 zitiert nach Hentze/ Kammel 2001: 432). Der Begriff der Zufriedenheit wird durch zwei Aspekte geprägt: die Subjektivität und der Soll-Ist-Vergleich. Das Individuum vergleicht die erlebte Arbeitssituation (Ist) mit seinen Erwartungen (Soll). Dabei bestimmt die subjektiv wahrgenommene
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Differenz zwischen eigenem Anspruchsniveau (Erwartungen) und erlebter Bedürfnisbefriedigung das Ausmaß an (Un)Zufriedenheit (vgl. Staehle 1999: 255). Hinzu kommt die Frage nach der Bedeutsamkeit dieser Abweichung für den Mitarbeiter. Für Locke ergibt sich eine multiplikative Verknüpfung (vgl. Locke nach Gebert & von Rosenstiel 1996: 74): Arbeitszufriedenheit = f (Soll-Ist-Differenz) x Bedeutsamkeit Die Arbeitszufriedenheit ist demnach eine Funktion der Soll-Ist-Differenz, multipliziert mit der subjektiv beigemessenen Bedeutsamkeit dieser Abweichung. Mit zunehmender Bedeutsamkeit einer Abweichung nimmt die Wirkung dieser Differenz überproportional zu. Die Standards der Bewertung des Soll-Ist-Vergleichs werden aus sozialen Vergleichen gewonnen (vgl. Salancik/ Pfeffer 1977: 427 ff.). Anders formuliert: Individuen stellen der eigenen Möglichkeit zur Bedürfnisbefriedigung (Soll/ Ist) die einer Referenzpopulation gegenüber. Die Kenntnis der Möglichkeit zur Bedürfnisbefriedigung anderer vergleichbarer Personen steigert oder vermindert die Arbeitszufriedenheit der beurteilenden Person. Somit ist das Begriffsverständnis von Arbeitszufriedenheit für diese Schrift präzisiert: Es handelt sich um eine subjektive Bewertung der Arbeitssituation in Form eines Soll-Ist-Abgleichs. Nachdem der Begriff nun ausreichend konkretisiert42 ist, wird der oben aufgeworfenen Frage nach der Beziehung der Arbeitszufriedenheit und dem Organisationalen Commitment nachgegangen. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts geht Kovach (1977) davon aus, dass die Arbeitzufriedenheit eine Komponente des Organisationalen Commitments ist. Sie ist gleichsam Teil des Konstrukts. Neuere Forschungen nehmen an, dass die Arbeitszufriedenheit ein Prädiktor für das Organisationale Commitment ist (Mowday et al. 1982). Damit sind beide Konstrukte eng miteinander verbunden, sie lassen sich aber unabhängig voneinander operationalisieren. Die Arbeitszufriedenheit lässt sich mit Wiener kennzeichnen als “an attitude toward work-related conditions, facets, or aspects of the job“ (Wiener 1982: 419). Das Organisationale Commitment ist grundsätzlicher und weniger abhängig von aktuellen Arbeitsbedingungen: „Athough day-to-day events in the work place may affect an employee´s level of job satisfaction, such transitory events should not cause an employee to reevaluate seriously his or her attachment to the overall Organization” (Mowday et al. 1982: 28). Damit ist davon auszugehen, dass das Organisationale Commitment im Vergleich zur Arbeitszufriedenheit stabiler ist. Eine kausale Beziehung zwischen den beiden
42
Diese Aussage bezieht sich lediglich auf den Gang der Untersuchung dieser Arbeit. Es soll nicht der Eindruck erweckt werden, dass mit der obigen Skizze die Diskussion um den Begriff der Arbeitszufriedenheit in der Tiefe wiedergegeben wurde. Sie reicht an dieser Stelle aus, weil das Konstrukt der Arbeitszufriedenheit nicht im Vordergrund steht, sondern das Organisationale Commitment.
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Konstrukten bleibt bis heute umstritten (vgl. Moser 1996: 65). Farkas und Tetrick gehen davon aus, dass sie wechselseitig aufeinander einwirken (1989). Auch wenn diese Frage hier nicht abschließend zu klären ist, sind beide Konstrukte für die vorliegende Arbeit bedeutsam. „Nach der metaanalytischen Untersuchung von Tett und Meyer (1993) tragen beide Variablen zur Prognose des Fluktuationsprozesses bei und sollten kombiniert werden.“ (Moser 1996: 66, Hervorhebungen im Original, M.M.). Neben dieser inhaltlichen Nähe von Arbeitszufriedenheit und Organisationalem Commitment gilt in der Literatur das ‚Involvement’ als verdächtig, nicht klar vom Commitment unterscheidbar zu sein. In einer wörtlichen Übersetzung steht Involvement43 für Einbeziehung oder Mitwirkung (www.leo.org) und spielt als psychologisches Konstrukt bei der Frage der Motivation und des Engagements eine Rolle. Ähnlich wie im Falle der Arbeitszufriedenheit finden sich vielfältige Annahmen zum Verhältnis der beiden Konstrukte44. Mit Moser und Schuler wird davon ausgegangen, dass die Unterscheidung eindeutig ist: Involvement ist ein „tätigkeitsnahes“ und „anstrengungsbezogenes“ Konstrukt und das Organisationale Commitment eine „fluktuationsnahe Variable“ (1993). Fraglich ist jedoch, ob das Involvement ähnlich der Arbeitszufriedenheit hilfreich ist, um eine Fluktuationsneigung zu prognostizieren; es sich somit lohnen würde, diesen Aspekt in dieser Arbeit weiterzuverfolgen. „Der Zusammenhang zwischen Involvement und der Fluktuationsneigung, ..., ist zwar statistisch signifikant, Commitment und Arbeitszufriedenheit können aber die Fluktuationsneigung deutlich besser erklären.“ (Moser 1996: 61). Daher wird dieses Konstrukt im Folgenden nicht weiter berücksichtigt. Es findet jedoch mittelbar dadurch Berücksichtigung, dass es Teil der Konzeptualisierung der affektiven Commitmentkomponente ist (vgl. Kapitel 3.1.2.1). 3.1.4 Bezugsobjekt des Organisationalen Commitments In der obigen Einführung in das Organisationale Commitment wird als Bezugsobjekt der Bindung allgemein die „Organisation“ angenommen. Eine genauere Ausdifferenzierung erfolgt in der Literatur vergleichsweise selten (vgl. Gauger 2000: 69, Moser 1996: 48, Reichers 1985: 469). Dies ist recht unbefriedigend. Insbesondere in Großunternehmen, die in dieser Arbeit betrachtet werden, erscheint eine Gleichsetzung von Unternehmen mit Organisation fragwürdig. Es kann kaum davon ausgegangen werden, dass in Konzernstrukturen mit mehreren tausend Mitarbeitern für das einzelne Individuum ihr „Gesichtsfeld“ das gesamte Unternehmen ist. Die in der betrieblichen Praxis immer wieder zu beobachtenden Ressort- oder
43
In der anglo-amerikanischen Literatur wird dafür auch häufig der Terminus ‚employee involvement’ benutzt (vgl. bspw. Icniowski et al. 2000 und Price 2003).
44
Vgl. zur ausführlichen Diskussion: Moser 1996.
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Spartenegoismen45 legen eher nahe, dass kleine (Teil-)Einheiten, die bekannt und überschaubar sind, commitmentstiftend sind. Diese Argumentation stützen auch zwei Studien, die ein stärkeres affektives Commitment bei einer dezentralen Organisationsstruktur ermitteln (vgl. Batemann und Strasser 1984). Auch wenn diese Befunde von Mathieu und Zajac (1990) angezweifelt wurden scheint eins gewiss: „It might simply be that, in forming attitudes toward an Organization, employees are more attuned to their own day-to-day work expierences than they are to these less tangible marco-level variables.” (Meyer/ Allen 1997: 42). Der „Kunstgriff“, davon auszugehen, dass die Organisation ein übergeordnetes Bezugsobjekt ist und das Commitment für nachgeordnete Teilbereiche eingeschlossen ist (vgl. bspw. Gregersen 1993: 35 ff.) hilft, dieses analytische Problem vordergründig zu lösen. Er ändert nichts an dem Vorwurf, dass diese Annahme eine nicht zu rechtfertigende Vereinfachung ist. Fraglich ist demnach, welche sinnvollen Bezugsobjekte existieren. Grundsätzlich kann als potentieller Fokus für das Commitment unterschieden werden in: die Organisation, das Topmanagement, das Arbeitsteam, die Organisationseinheit, den direkten Vorgesetzten und die Arbeitsgruppe. In Verknüpfung mit dem dreidimensionalen Commitmentmodell ergibt sich folgendes Bild: Tabelle 7: Integration von unterschiedlichen Foki des Commitments im dreidimensionalen Commitmentmodell (Meyer/ Allen 1997: 21, Übersetzung M.M.) Wesen des Commitments Fokus des Commitments
Affektiv
Kalkulativ
Normativ
Organisation Topmanagement Organisationseinheit Leiter der OE Arbeitsgruppe Leiter der Arbeitsgruppe
Weiter unten wird gezeigt, welche der angesprochenen Foki in dem in dieser Arbeit zu entwickelnden Modell Berücksichtigung findet.
45
Vgl. zu empirischen Befunden des Phänomens der Ressort- oder Spartenegoismen Bleicher 1991.
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Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
3.1.5 Fazit: Stand der Forschung zum Organisationalen Commitment Der aktuelle Stand der Commitmentforschung lässt sich zusammenfassend wie folgt charakterisieren. Hinsichtlich der in der Anfangszeit vorhandenen Begriffspluralität und konkurrierenden Partialmodelle ist mit dem dreidimensionalen Konzept von Meyer und Allen eine von der Forschungsgemeinschaft akzeptierte integrierte Lösung gefunden. Mehrere empirische Studien belegen, dass der auf dem eindimensionalen Commitmentverständnis von Porter et al. basierende OCQ lediglich das affektive Commitment misst. Die von Meyer und Allen vorgeschlagene Unterscheidung in affektives, normatives und kalkulatives Commitment erweist sich als notwendig, weil sowohl die Bedingungen als auch die Konsequenzen dieser Commitmentkomponenten voneinander abweichen. Daneben wird der dreidimensionale Charakter gut mittels empirischer Daten gestützt (vgl. Kapitel 3.1.2). Während die Bedingungen und Konsequenzen des affektiven Commitments in Studien mit Hilfe des OCQ und der Arbeiten von Dunham et al. (1994) recht gut erforscht sind, gilt dies weniger für die anderen beiden Komponenten. Wie viele Studien zeigen, gelten die drei Commitmentkomponenten als Prädiktor für den Wunsch, im Unternehmen zu verbleiben. Ihre Erklärungskraft differiert doch recht stark. Es wird deutlich, dass die affektive Commitmentkomponente die höchsten Korrelationen mit der in dieser Arbeit besonders interessierenden Verbleibeabsicht aufweist. Hinsichtlich des kalkulativen und normativen Commitments liegen ambivalente Befunde vor. Grundsätzlich wird beiden Commitmentarten ein positiver Zusammenhang zur Verbleibeabsicht unterstellt und empirisch gestützt. Trotzdem kommen einige Untersuchungen zu widersprüchlichen Ergebnissen (vgl. Kapitel 3.1.2). Neben diesen Befunden und Fortschritten in der Commitmentforschung sind auch Defizite zu notieren: Zum einen stammen nahezu sämtliche empirische Arbeiten aus den USA. Eine Ausnahme bilden die Untersuchungen von Haase zum Organisationalen Commitment in deutschen Sparkassen (1997) und die Studien von Felfe (2002, 2003). Inwieweit die amerikanischen Befunde in den deutschen Kulturkreis übertragbar sind, bleibt angesichts unterschiedlicher Rahmenbedingungen des Personalmanagements in den USA und Deutschland insbesondere bei den Aspekten individuelles und kollektives Arbeitsrecht, Bildungsniveau, Art des Führungsverständnisses sowie Mobilität der Mitarbeiter fraglich (vgl. Drumm 2000: 3 f.). Zum anderen differenzieren die meisten der Studien nicht das Bezugsobjekt des Commitments. So wird meist die gesamte Organisation als Bezugsobjekt angenommen. Weiter oben wurde begründet, dass dies für Untersuchungen in Großunternehmen nicht besonders hilfreich ist und zu falschen Ergebnissen führen muss. Daneben untersuchen die meisten Studien das Phänomen des Organisationalen Commitments, ohne dabei die Alltagswirklichkeit der Befragten zu berücksichtigen (vgl. Haase 1997: 147), geschweige denn die Besonderheiten des Weiterbildungspersonals. Nur durch einen Abgleich von subjektiv wahrgenommener Alltagswirklichkeit des Weiterbildungspersonals und der Ausprägung des Organisationalen
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Commitments lassen sich zuverlässige Ergebnisse gewinnen. Die vorliegende Arbeit versucht diese drei Mängel zu überwinden, indem sie a) ausschließlich auf deutsche Unternehmen zielt, b) als Bezugspunkt nicht nur die gesamte Organisation setzt, sondern auch die Organisationseinheit „Betriebliche Weiterbildung“ (vgl. dazu ausführlich Kapitel 4.1.1) und c) die Einschätzung der Weiterbildner sowohl auf der Ebene Commitment als auch der subjektiv wahrgenommenen Alltagswirklichkeit erhebt. 3.2 Mitarbeiterbindung im Lichte der Kundenbindungsforschung46 Die Argumentation verlässt im Folgenden das Feld der Organisationspsychologie und wendet sich dem Marketing zu, genauer dem ‚Relationship Marketing’. Allein die sprachliche Nähe der beiden Begriffe Mitarbeiter- und Kundenbindung legt es nahe, zu prüfen, inwiefern die Erkenntnisse der Kundenbindungsforschung Impulse für die Erklärung des Phänomens Mitarbeiterbindung liefern kann. Für Unternehmen ist es existenziell, Kunden zu binden. Angesichts von gesättigten Absatzmärkten, einem zum Teil ruinösen Preiswettbewerb und sich stark angleichenden Produktmerkmalen ist es wichtig, „Stammkunden“ zu halten. In der betrieblichen Praxis finden sich Vergleichsrechnungen, die davon ausgehen, dass es bis zu zehnmal aufwändiger ist, einen Kunden neu zu gewinnen als einen Bestandkunden zu halten. Dieser Problemstellung nimmt sich das Relationship Marketing (vgl. Bruhn 2001, Bruhn/ Bunge 1996) an. „Das Aufkommen des Relationship Marketing ... liegt in der Kritik an einem rein transaktionsorientierten Marketing begründet. ... Während der Zweck des transaktionsorientierten Marketing überwiegend in der Anbahnung einzelner Transaktionen mit dem Kunden liege, befasst sich das Relationship Marketing mit der Steuerung der Kundenbeziehung ... .“ (Bruhn 2001: 8 f.). Als gedankliche Teilmenge des Erkenntnisbereiches steht die Frage im Interesse, was Kundenbindung bedingt. Dabei kann Kundenbindung definiert werden als sämtliche psychologische Bewusstseinsprozesse beziehungsweise beobachtete Verhaltensweisen eines Kunden, in denen sich die intentionelle oder faktische Erhaltung beziehungsweise Intensivierung seiner Beziehung zum Unternehmen aufgrund von bestimmten Bindungsursachen manifestiert (vgl. Bruhn 2001: 73). Augenfällig ist die recht hohe Überschneidung von dem Erkenntnisobjekt des Relationship Marketings und der Fragestellung nach der Mitarbeiterbindung: In beiden Fällen wird u.a. nach den Erklärungsmustern für die Bindung von Individuen (im Falle des Business to Consumer) an eine Unternehmung gefragt.
46
Die grundsätzliche Idee, Konzepte des Relationship Marketings hinsichtlich ihrer Relevanz für das Phänomen der Mitarbeiterbindung zu untersuchen, geht zurück auf Bauer/Jensen 2001.
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3.2.1 Übertragbarkeit von Befunden der Kundenbindungsforschung auf die Mitarbeiterbindung Eine weitere Gemeinsamkeit beider Erklärungsfelder liegt in der Art der Beziehung der beteiligten Parteien. Eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für beide Beziehungen sind Verträge. Diese regeln die Rechte und Pflichten des Verhältnisses Kunde-Lieferant bzw. Mitarbeiter-Unternehmen. Eine unkritisch-naive Übertragung der Konzepte des Relationship Marketings auf das hier zu diskutierende Problemfeld scheidet aus. Zum einen ist die Mitarbeiter-Unternehmens-Beziehung von deutlich komplexerer Natur. Neben den Regelungen des Individualarbeitsrechts gestalten die Normen des kollektiven Arbeitsrechts die Beziehung. Darüber hinaus ist die Wirkung von psychologischen Kontrakten (vgl. dazu Kapitel 3.1) deutlich manifester, als dies in der Kunden-Lieferanten-Beziehung der Fall ist. Zum anderen ist die Arbeitsbeziehung im Regelfall von einer existenzielleren Bedeutung für den Mitarbeiter, als dies der Fall in einem Kunden-Lieferanten-Verhältnis47 ist. Die Sichtung und Diskussion der Erkenntnisse der Kundenbindungsforschung ist in diesem Rahmen vielmehr als eine interdisziplinäre Suchbewegung zu verstehen, um alternative Erklärungsmuster für die Mitarbeiterbindung zu generieren. Unverzichtbar ist es, nach einer kurzen Vorstellung und möglichen Adaption des Konzepts die Übertragbarkeit der Ansätze kritisch zu hinterfragen. Dabei werden die folgenden Kriterien handlungsleitend sein: 1.
Plausibilität des Konzeptes für die Erklärung von Mitarbeiterbindung sowie
2.
Grad der Operationalisierbarkeit der Konstruktvariablen.
3.2.2 Erklärungsmuster zur Kundenbindung und ihre Relevanz für Mitarbeiterbindung Zur Identifikation von Erklärungsmustern werden im Folgenden theoretische Konzepte diskutiert, die im Wesentlichen dem Relationship Marketing entstammen. Eine Ausnahme bildet die Theorie der Bankloyalität. Sie wurde im Rahmen der bankbetrieblichen Forschung entwickelt (Süchting 1967), greift aber auf verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse des Relationship Marketings zurück. Ausgewählt wurden diese Konzepte, weil sie die größte Übertragbarkeit der Ergebnisse auf das Problemfeld Mitarbeiterbindung erkennen lassen. Im Einzelnen handelt es sich um die Konzepte:
47
Zwar ist dieser Unterschied zu unterstellen, weil Mitarbeiter über ihre Arbeitstätigkeit ihren „Lebensunterhalt“ verdienen. Trotzdem existieren in praxi Kunden-Lieferanten-Verhältnisse, die ebenfalls von existentieller Bedeutung sind, bspw. bei hochspezialisierten Zulieferern in oligopolistischen Beschaffungsmärkten.
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1) Soziale Austauschtheorien 2) Mikroökonomische Theorie 3) Theorie der Bankloyalität 4) Variety Seeking 3.2.2.1 Soziale Austauschtheorien Mittels sozialer Austauschtheorien soll die Entstehung und der Fortbestand von sozialen Beziehungen erklärt werden. Die grundlegenden Ansätze (Homans 1958 und 1961, Thibaut/ Kelley 1959) gehen davon aus, dass eine soziale Beziehung solange aufrecht gehalten wird, wie der Profit als Differenz zwischen Belohnung und Kosten positiv ist. „Jeder Mensch ist motiviert, seine Beziehungen mit anderen ‚profitabel’ zu gestalten, d.h., der Nutzen der Beziehung sollte deren Kosten übersteigen.“ (Forgas 1999: 198). Dabei werden die Begriffe Kosten und Nutzen nicht ausschließlich im strengen ökonomischen Sinne verstanden, sondern weiter gefasst. Es handelt sich eher um ein Geben und Nehmen von Vertrauen, Anerkennung, Zuneigung, aber auch Werten und Leistungen. Soziale Interaktionen finden nur dann dauerhaft statt, wenn für die beteiligten Interaktionspartner ein ausgeglichenes Kosten-Nutzen-Verhältnis existiert. Thibaut und Kelley werfen die Frage auf, was als individueller Vergleichsmaßstab für diese Relation herangezogen wird. Sie gehen davon aus, dass die Interaktionspartner gewisse Erwartungen an die soziale Beziehung stellen. Diese entwickeln sich aus persönlichen Erfahrungen, die die Beteiligten im Laufe ihrer Sozialisation machen (Crott 1979: 67). Diese Erwartungen werden als Vergleichsniveau (comparison level, kurz: CL) bezeichnet. „Das CL wird ständig den Gegebenheiten angepasst, weswegen auch die kurz zurückliegenden Erlebnisse der Person und die gegenwärtige Situation darin am stärksten berücksichtigt werden. Da frühere Bedingungen mit den gegenwärtigen selten übereinstimmen, besteht eine starke Neigung das CL an den Profiten anderer Interaktionsteilnehmer zu orientieren, mit denen man sich vergleichen zu können glaubt“. (Crott 1979: 67) Solange dieses Vergleichsniveau durch den Profit mindestens erreicht wird, verlässt das Individuum die Gruppe nicht. Neben dem Aspekt des Vergleichsniveaus ist die Art der möglichen Alternativen bedeutsam für die Entscheidung über den Verbleib in der sozialen Situation. Würde bspw. ein anderer Interaktionspartner meine Kosten-Nutzen-Relation verbessern? Und in der Konsequenz: Sollte dann ein Interaktionspartnerwechsel in Erwägung gezogen werden? Unzufriedenheit mit dem Status Quo wird in diesem Sinne als ein vorübergehender Zustand interpretiert, der entweder durch einen Wechsel der Beziehung oder durch Anpassung des Vergleichniveaus behoben wird (ebenda 68). Diese allgemeine Theorie der sozialen Interaktion wird im Rahmen der Kundenbindungsforschung auf die Kunden-Lieferanten-Beziehung übertragen. „Die
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Theorie liefert einen Bezugsrahmen, der das Kundenverhalten im Rahmen von Kundenbeziehungen erklärbar macht. Damit weist die Theorie einen engen Bezug zur zentralen Zielgrößen des Relationship Marketing, der Kundenbindung auf.“ (Klee 2000: 38 nach Bruhn 2001: 34). Kundenbindung lässt sich in diesem Verständnis damit erklären, dass der Kunde zum einen seine Kosten-Nutzen-Relation als angemessen beurteilt. Zum anderen werden ihm verfügbare Alternativen geboten. Wenn diese nicht eine Verbesserung seiner Kosten-Nutzen-Relation vor dem Hintergrund seines Vergleichniveaus darstellen, werden diese nicht weiter verfolgt und es wird an der bestehenden Interaktionsbeziehung festgehalten (vgl. Bruhn 2001: 34 f.). Das dargelegte Verständnis von sozialer Austauschtheorie lässt sich auf das Phänomen der Mitarbeiterbindung übertragen. Das Konzept erinnert in starkem Maße an die kalkulative Commitmentkomponente. Diese ist auch durch Kosten-NutzenÜberlegungen und mögliche (Job-)Alternativen geprägt (vgl. Kapitel 3.1.2.2). Danach hängt die (kalkulative) Mitarbeiterbindung davon ab, a) wie der Mitarbeiter seine Kosten-Investitions-Relation der Arbeitssituation auch im Vergleich zu anderen Personen bewertet und b) wie attraktiv ein Angebot von einem anderen Unternehmen ist. Aufgrund der starken Nähe zum kalkulativen Commitment liefert das Konzept der sozialen Austauschtheorien insgesamt keine neuen Aspekte zur Konzeptualisierung der Mitarbeiterbindung. Es wird daher im Folgenden nicht weiter besonders berücksichtigt. 3.2.2.2 Mikroökonomische Theorie Die Mikroökonomische Theorie, wie sie Verwendung im Relationship Marketing findet, fußt auf dem gleichnamigen Paradigma der neoklassich geprägten Volkswirtschaftslehre (vgl. Bruhn 2001: 20). Damit geht sie von vereinfachten Grundannahmen aus, wie z.B. der vollständigen Information aller Marktteilnehmer und dem streng rationalen Handeln der Individuen (vgl. ebenda: 17). Diese begrenzen von Natur aus die Übertragbarkeit des Ansatzes auf soziale Phänomene in realiter. In der Ausprägung der Mikroökonomischen Theorie, wie sie Hirschman (1974) vorschlägt, ist die Zufriedenheit eines Kunden mit dem Lieferanten abhängig von der Qualität der Leistung48. Sollte diese sinken, so verspürt der Kunde Unzufriedenheit und hat zwei Handlungsalternativen: Entweder er rügt den Mangel in Form einer
48
In der Tradition des neoklassischen Paradigmas wird die Qualität nicht näher gefasst. Es wird vielmehr mit dem Kundennutzen argumentiert, im Sinne „Produktqualität liefert Nutzen“. Allerdings wird auch nicht näher beleuchtet, wie sich aus Kundensicht der Nutzen aus einer Leistung ergibt.
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Beschwerde oder er bricht die Geschäftsbeziehung ab. Für das Unternehmen ist die erstgenannte Handlungsalternative von Interesse. Fraglich ist, welche Faktoren dafür ausschlaggebend sind, welches Verhalten der Kunde zeigt. Nach Hirschmann ist der Abbruch der Geschäftsbeziehung unwahrscheinlicher, wenn Wechselbarrieren vorhanden sind. Gemeint sind ökonomische Barrieren wie bspw. Wechselkosten49. Damit kann diesem Ansatz eine gewisse Nähe zum kalkulativen Commitment unterstellt werden. Daneben nimmt Hirschmann an, dass auch psychische Abwanderungshindernisse wirksam werden. Diese bezeichnet er als „Loyalität“. Loyalität veranlasst den Kunden bei Unzufriedenheit mit der Leistung eher abzuwarten und auf eine Besserung der Leistungsqualität zu hoffen als die Beziehung abzubrechen. Mit dieser Erweiterung trägt der Ansatz auch Züge einer weiteren Commitmentdimension, des affektiven Commitments. Die Mikroökonomische Theorie lässt sich somit prinzipiell auf das Phänomen der Mitarbeiterbindung übertragen. Zumal die Theorie von Hirschman bereits durch Farrell für den Einsatzbereich der Arbeitssituation adaptiert wurde (1983). Danach stehen dem Mitarbeiter die Verhaltensalternativen voice (= Beschwerde), exit (= Kündigung) oder loyality bzw. patience50 (= passives Verharren und Hoffen auf Besserung) zur Verfügung. Hinzu tritt eine Option, die sich in der Theorie von Hirschmann nicht wiederfindet. Sie ist eher arbeits- und organisationspsychologisch orientiert. Der Mitarbeiter kann auf die Unzufriedenheit mit neglect51 (= Senkung des Interesses an der Arbeit) reagieren. Die Mikroökonomische Theorie sensu Hirschmann erinnert stark an das Konzept des Organisationalen Commitments. So beinhaltet sie die Frage nach den ökonomischen Wechselbarrieren, welche zur kalkulativen Commitmentkomponente zu zählen ist. Daneben betont sie die Zufriedenheit mit der Arbeitssituation und die Bedeutung der psychischen Bindung. Beide Aspekte sind dem affektiven Commitment zuzuordnen. Somit liefert dieser Ansatz der Kundenbindungsforschung keine weiterführenden Erkenntnisse für die in dieser Arbeit vorliegende Fragestellung. Letztendlich kann sie als eine Betonung der relevanten Stellgrößen von Mitarbeiterbindung interpretiert
49
Zu den Wechselkosten zählen beispielsweise „Poison Pills“, die als Vertragsklauseln im Falle eines Abbruchs der Geschäftsbeziehung eine „giftige“ Wirkung entwickeln und so die Fortführung der Geschäftsbeziehung erzwingen. Oder der Abnehmer hat in die Kunden-LieferantenBeziehung erheblich investiert bspw. in Form einer gemeinsamen Entwicklungsarbeit von Produkten und fürchtet, diese Investition zu verlieren (sunk costs).
50
Der Begriff „Patience“ geht auf Hagedorn et al. (1999: 310) zurück und eignet sich nach der Auffassung der Autoren besser, als der Terminus „Loyality“ das passive Verharren und Hoffen auf eine Besserung der Lage zum Ausdruck bringt.
51
Rusbult et al. verstehen unter “Neglect”: „passively allowing conditions to deriorate through reduced interest or effort, chronic latenesss or absence”. (Rusbult et al. 1988: 601 zitiert nach Lee/Jablin 1992: 208)
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werden. Zusätzlich sind, wie oben ausgeführt, die zu vereinfachten Grundannahmen kritisch zu notieren. Diese begrenzen die Übertragbarkeit des Ansatzes auf reale soziale Phänomene. Aus diesen beiden Gründen spielt die mikroökonomische Theorie im weiteren Gang der Diskussion keine Rolle. 3.2.2.3 Theorie der Bankloyalität Das Ziel der Marketingbemühungen von Bankbetrieben ist es, dass die Kunden den Kauf von Bankleistungen nicht als isolierte Absatzakte betrachten, sondern im Rahmen einer auf längere Sicht angelegten Absatzbeziehung. Diese Bereitschaft des Kunden zur dauerhaften und umfassenden Abnahme von Leistungen bei seiner Hausbank wird als Bankloyalität bezeichnet. Süchting entwickelte in den späten 60er Jahren des 20. Jahrhunderts einen verhaltenswissenschaftlichen Ansatz, der insbesondere das Kunde-Bank-Verhältnis im Mengengeschäft mit den privaten Haushalten erklären soll. Damit steht, wie bei der Frage der Mitarbeiterbindung, die Beziehung eines Individuums mit einer Organisation im Mittelpunkt. Er bezog dabei Anregungen aus dem Konsumgüter-Marketing (Theorie der Treue zu Markenartikeln) und Investitionsgüter-Marketing (Theorie des Beziehungsmanagement) (vgl. dazu Süchting 1967, derselbe 1972: 269, derselbe 1991: 25 ff.). Nach diesem Modell hängt die Loyalität zu einem Kreditinstitut ab von a) den gesammelten Erfahrungen mit dem zuständigen Bankmitarbeiter und dem so gewachsenen Vertrauen, auch als Lernquote der Bankloyalität (BL) bezeichnet, b) der Dringlichkeit des Bedürfnisses des Kunden (D), c) dem absatzpolitischen Instrumentarium (I) sowie d) der Reaktionsbereitschaft auf das absatzpolitische Instrumentarium (IR). Kurz: Nachfragebereitschaft = f (BL; D; I; IR). „Indem der Kunde einen Bankmitarbeiter in seiner Beratungs- und Verkaufstätigkeit kennenlernt, gewinnt er die Erfahrung und das Vertrauen, um Bankleistungen wirtschaftlicher, also in einem Entscheidungsprozess, der zunehmend weniger Aufwand an Überlegungen und Informationssuche erfordert, abzunehmen.“ (Süchting/ Paul 1998: 628; Hervorhebungen im Original, M.M.). Welche Erkenntnisse lassen sich aus dem Konzept der Bankloyalität für die Fragestellung der Mitarbeiterbindung ableiten? An augenfälligen Gemeinsamkeiten sticht hervor, dass die Absatzbeziehung wie auch das Arbeitsverhältnis als langfristiger Prozess angelegt ist. Beide Beziehungen sind stark vertrauensabhängig. Sowohl Bank und Bankkunden als auch Mitarbeiter und Unternehmen agieren auf Basis von Verträgen, doch ist die Ausgestaltung der Beziehungen stets auch vom Goodwill und von impliziten Verständigungen geprägt. Das Lösen der Beziehung ist in beiden Konstellationen meist aufwändig und risikobehaftet.
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Mitarbeiter wie Kunde steht grundsätzlich vor einer Entscheidungssituation. Diese besteht für den Bankkunden darin, sich weiter in Loyalität zu üben und Leistungen exklusiv abzunehmen, eine Zweitbankverbindung zu suchen und die Leistungsabnahme bei der Hausbank zu reduzieren oder die Geschäftsverbindung abzubrechen. Auf den Mitarbeiter übertragen gilt: Er kann weiter den Beitrag zur Organisation erbringen, in der Organisation verbleiben, aber seinen Beitrag reduzieren oder aus ihr ausscheiden. Bei Durchsicht der von Süchting definierten Variablen lassen sich weitere grundlegende Parallelen zur Mitarbeiterbindung erkennen: Für ihn sind die gesammelten Erfahrungen des Kunden mit dem Bankmitarbeiter – als personifizierte Gesamtbank – besonders bedeutsam. Mehrere störungsfreie Leistungsabnahmen steigern die Bankloyalität (vgl. ebenda). Dieses als Lernkurve der Bankloyalität bezeichnete Phänomen lässt sich auf den Aspekt der Mitarbeiterbindung übertragen. Zu vermuten ist, dass die Erfahrungen, die ein Mitarbeiter mit den Führungskräften eines Unternehmens macht und abstrakter mit dem „gesamten Unternehmenshandeln“, prägend sind für sein Vertrauen in die Organisation. Nicht umsonst wird in der theoretischen wie praxeologischen Managementliteratur dem Aspekt des personalen Vertrauens und dem Systemvertrauen eine besondere Bedeutung beigemessen (vgl. Meifert 2003). Wird das Vertrauen im Sinne der Theorie der Bankloyalität interpretiert, so folgt daraus Einkaufswirtschaftlichkeit für den Kunden. Mit anderen Worten, der Kaufakt läuft mit zunehmender positiver Lernerfahrung routinierter ab. Auf die Mitarbeiterbindung übertragen heißt das, die Leistungserbringung des Mitarbeiters erfolgt ungestört, weil er in die Stabilität der Arbeits-Rahmenbedingungen, -Beziehungen etc. vertraut. Es liegt nahe, dies als Lernquote der Unternehmensloyalität zu bezeichnen. Unmittelbare oder mittelbare Negativerfahrungen stören dieses Vertrauensverhältnis und könnten zur Beitragsreduzierung oder gar zum Ausscheiden aus der Organisation führen. Die zweite Variable der Theorie der Bankloyalität ist die Dringlichkeit des Bedürfnisses des Bankkunden. Die Hypothese lautet: Je dringlicher das Bedürfnis, desto tiefer die Bindung an die Bank bei Bedürfniserfüllung. Eine unmittelbare Übertragung in die „Problemwelt“ der Mitarbeiterbindung ist möglich: Die Mitarbeiter, die bspw. ihr Arbeitsentgelt besonders dringend benötigen, dürften eine höhere Loyalität zu dem Unternehmen zeigen. Die dritte Variable absatzpolitisches Instrumentarium lässt sich mit den Maßnahmen und Anstrengungen einer Unternehmung zur Mitarbeiterbindung übersetzen. Letztendlich sind es die Maßnahmen und Instrumente, die weiter unten im Kapitel 8 dieser Arbeit diskutiert werden. Die Reaktionsbereitschaft auf das absatzpolitische Instrumentarium lässt sich unmittelbar übertragen auf die Bereitschaft des Individuums, auf Bindungsmaßnahmen zu reagieren. Zusammengefasst ergibt sich im Lichte der Theorie der Bankloyalität folgende Wirkungsgleichung der Mitarbeiterbindung:
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Die Mitarbeiterbindung als Zielkonstrukt
Die Bereitschaft zum Verbleib in der Organisation ist eine Funktion • der Lernquote der Unternehmensloyalität (Vertrauen zum Vorgesetzten und Unternehmen), • der Stärke der Abhängigkeit vom Arbeitsverhältnis, • des Einsatzes des Instrumentariums zur Mitarbeiterbindung und • der Bereitschaft des Mitarbeiters, auf Bindungsmaßnahmen zu reagieren. Wird die Theorie der Bankloyalität mit dem oben ausgebreiteten organisationspsychologischen Erklärungsmuster abgeglichen, so ergibt sich das folgende Bild: Eine besondere Rolle scheint das Vorgesetztenhandeln und das Vertrauen zu spielen. Daneben ist die Dauer der Betriebszugehörigkeit bedeutsam. Schließlich nimmt das Vertrauen erst mit wiederholten Mitarbeiter-Vorgesetzten-Interaktionen zu. Diese Variablen lassen sich als Bedingungen des affektiven Commitments konzeptualisieren. Sie werden von Meyer und Allen aber nicht explizit in ihrem Modell berücksichtigt. Die Bereitschaft, auf bindende Maßnahmen zu reagieren, kann im weiteren Sinne als „dispositional variables“ des Individuums im dreidimensionalen Commitmentmodell interpretiert werden (Meyer und Allen 1997: 43). Der Aspekt ‚Abhängigkeit vom Arbeitsverhältnis’ hingegen kann als Bedingung für das kalkulative Commitment aufgefasst werden. Schließlich wurde weiter oben das kalkulative Commitment als ein Konstrukt charakterisiert, das von einer überschaubaren Anzahl von Faktoren abhängig ist: von den getätigten persönlichen Investitionen, den subjektiv wahrgenommenen Arbeitsmarktmobilität sowie der persönlichen Abhängigkeit von einem regelmäßigen Einkommen. Die Theorie der Bankloyalität liefert somit keine völlig neuen Erklärungsmuster. Sie betont hingegen einige Variablen des Organisationalen Commitments besonders. Insbesondere wird die Bedeutung des Vorgesetzten hervorgehoben. Dieser Akzent ist deckungsgleich mit der Annahme der betrieblichen Praxis, dass Mitarbeiter keine Unternehmen verlassen, sondern nur Menschen. Aus diesem Grund ist es lohnenswert, diese Impulse in der zu konstruierenden Modellvorstellung zu berücksichtigen. Zur Vertiefung dieses Gedankens dient der folgende eingeschobene Exkurs zum Verhältnis von Vorgesetztem und Mitarbeiter. 3.2.2.4 Exkurs: Theorie der Führungsdyade Fraglich ist, welcher theoretische Bezugsrahmen geeignet ist, um das Verhältnis von Mitarbeitern und Vorgesetzten im oben beschriebenen Sinne zu erklären. Bei Durchsicht der Literatur wird deutlich, dass kein Mangel an Ansätzen besteht, die
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sich mit der Mitarbeiterführung beschäftigen52. Ihr jeweiliger Erklärungsgehalt ist umstritten: „Despite many years of leadership research and thousand of studies, we still do not have a clear understanding of what leadership is and how it can be achieved.” (Graen/ Uhl-Bien 1995: 220). Besonders bemängelt wird, dass die vielfältigen Konzepte nebeneinander stehen und keine Integration erfolgt. Die traditionellen Führungstheorien fokussieren die Rolle und das Verhalten der Führungskraft. Prominente Vertreter dieser Gattung sind der situationale Ansatz (bspw. Vecchio 1997), der Eigenschafts- oder Trait-Ansatz (bspw. Aviolo/ Bass 1995) sowie die Kontingenztheorie (bspw. Fiedler 1995). Gemeinsam haben diese Konzepte auch, dass sämtliche Mitarbeiter eines Führungsbereichs (Team, Abteilung etc.) als eine Einheit betrachtet werden. Für die in dieser Arbeit vorliegende Fragestellung sind diese begrenzenden Ansätze ungeeignet. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, wie der Mitarbeiter die Führungssituation wahrnimmt und welche Rückwirkungen sich daraus auf die Verbleibeabsicht ergeben. Zielführender scheint ein theoretisches Führungsverständnis zu sein, das von einer Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ausgeht und auch die subjektive Bewertung des Mitarbeiters wie des Vorgesetzten berücksichtigt. Ein derartiger Ansatz ist die Leader-Member-Exchange-Theorie53. Graen und Scandura gehen davon aus, dass das Führungsverhalten gegenüber verschiedenen Mitarbeitern sowie die Einstellung der Mitarbeiter gegenüber der Führungskraft unterschiedlich sind (vgl. Graen/ Scandura 1987). Daraus folgt, dass die Annahme von einer homogenen Mitarbeitergruppe zugunsten der Vorgesetzten-Mitarbeiter-Dyade aufgegeben werden muss. In diesem Verständnis wird jeder Mitarbeiter einer Arbeitsgruppe unterschiedlich von der Führungskraft geführt. Die Verhältnisse, die die Mitarbeiter zum Vorgesetzten eingehen, können in dreifacher Weise unterschieden werden: die In-Group54, die Out-Group sowie die mittlere Gruppe. Während die Beziehung der In-Group zum Vorgesetzten geprägt ist durch gegenseitiges Vertrauen, misstraut die Out-Group dem Vorgesetzten und vice versa. Zalesny und Graen bezeichnen die In-Group-Konstellation als reife Beziehung, die u.a. durch die Merkmale Vertrauen, Respekt und Unterstützung gekennzeichnet ist. Analog ist die Out-Group-Beziehung als unreife zu charakterisieren mit dem prägenden Kennzeichen, dass die Zusammenarbeit stark formalisiert ist. Das
52
Vgl. bspw. zur Kritik an diesem Umstand Döring/ Ritter-Mamczek 1999: 250 ff. und Malik 2000: 15 ff..
53
Einen vertieften Überblick zur Geschichte und Entwicklung des LMX liefert Graen/ Uhl-Bien 1995: 225 ff.. Vgl. zur Kritik an diesem Konzept u.a. Schyns 2001: 46.
54
Das Group-Konzept von Graen ist nicht zu verwechseln mit dem sozialpsychologischen Ansatz von Taijfel 1981.
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Führungsdyaden-Modell geht weiter davon aus, dass sich diese Austauschbeziehung über die Zeit entwickelt. Übertragen auf die Fragestellung dieser Arbeit ist anzunehmen, dass die Mitglieder der In-Group eine stärkere Mitarbeiterbindung aufweisen als die der Out-Group. So konnte in Studien nachgewiesen werden „positive relationships between quality of exchange (LMX) and many outcome variable of interest.” (Graen/ Uhl-Bien 1995: 229). Zu diesen besagten Variablen gehört auch das Organisationale Commitment und die Fluktuationsneigung. Auch kommt eine metaanalytische Untersuchung, die 164 Arbeiten55 aus den Jahren 1975 bis 1996 berücksichtigt, zu dem Ergebnis: „We found significant positve correlations between LMX and ... Organizational commitment. We found significant negative correlation between LMX and … turn over intention. Overall, the results suggest that having a high-quality relationship with one´s supervisor can affect the entire work experience in a positive manner”. (Gerstner/ Day 1997: 835). Damit ist die aus der Theorie der Bankloyalität abgeleitete Bedeutung des Vorgesetzten weiter präzisiert und der Exkurs wird beendet. In der im nächsten Hauptkapitel folgenden Modellbildung wird die Beziehung von Vorgesetztem und Mitarbeiter als Dyade im Sinne des LMX-Ansatzes konzeptualisiert. 3.2.2.5 Variety Seeking Das Phänomen ‚Variety Seeking’ stammt ursprünglich aus der Konsumentenforschung. Es steht dafür, dass ein Abnehmer nach wiederholter, anscheinend zufriedener Produktabnahme trotzdem seinen Anbieter wechselt. Besonders intensiv wurde dieses Phänomen für Güter mit habitualisiertem Kaufentscheidungsprozess und geringem Kaufrisiko untersucht und bestätigt (vgl. dazu Herrmann 1992, Herrmann/ Gutschke 1994, Meixner 2002). Aber auch bei Kaufakten mit erhöhter Kaufunsicherheit und einem extensiven Entscheidungsprozess konnten einige Studien diese Ergebnisse bestätigen (vgl. Tscheulin 1994). Es gibt unterschiedliche Erklärungen für dieses Phänomen56. Besonders häufig wird auf die „Theorie des optimalen Levels von Stimulation“ (Deci und Ryan 1985) zurückgegriffen. Das Konzept fußt darauf, dass die Tatsache des Anbieterwechsels bereits dem Individuum einen Nutzen stiftet, unabhängig von den Eigenschaften des Produkts. Der Konsument strebt nach einem gewissen Niveau an Stimulation. Wird diese Schwelle der (An-)Spannung durch wiederholten Kauf des gleichen Produkts unterschritten,
55
Diese stammen aus englischsprachigen Fachzeitschriften sowie der Datenbank Dissertations Abstracts International. Daneben fanden weitere, unveröffentlichte Studien Berücksichtigung (Gerstner/ Day 1997: 829).
56
Vgl. ausführlich zu unterschiedlichen Erklärungsmustern McAlister und Pessemier 1982 sowie van Triyp 1995.
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sorgt das Individuum durch neue Erlebnisse oder Abwechselung für das Erreichen des idealen Pegels (vgl. Peter 1997: 100). Dieses Bedürfnis nach Abwechslung ist vom Kunden selbst abhängig. Genauer: „Variety Seeking is seen as an intrinsically motivated phenomen“ (Homburg und Giering 2001: 50). In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass nicht jeder Kunde dasselbe Ausmaß an Abwechselung wählt (vgl. Inman 2001, Meixner 2002). So kann allgemein nach „Variety Seekern“ und „Non Variety Seekern“ unterschieden werden. Fraglich ist, worin sich diese beiden Konsumentengruppen unterscheiden. In der Persönlichkeitspsychologie ist ein Phänomen bekannt, dass als „Quelle“ des Bedürfnisses nach Abwechslung interpretiert werden kann. Der Faktor „Offenheit gegenüber Erfahrungen“ ist Teil des populären Persönlichkeitskonzeptes der „Big Five“ (Asendorpf 2003: 121, McAdams 2000: 252 ff.). „Openness to experience is manifested in the depth, breadth, and permeabilty of a person´s conscious experience and the desire or drive to expand that experience to encompass a richer array of sensations, perceptions, thoughts, and feelings.” (McAdams 2000: 337). In empirischen Studien konnte gezeigt werden, dass Personen mit einer starken Ausprägung dieses Persönlichkeitsmerkmals die Herausforderung und den Wandel suchen (ebenda 339). McCrae und Costa untersuchten den Zusammenhang zwischen der Neigung, den Arbeitsplatz zu wechseln, und der Offenheit gegenüber Erfahrungen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass 64 % der Männer und 71 % der Frauen, die häufiger ihren Arbeitsplatz im Leben gewechselt haben, einen starken (über den Mittelwert liegenden) Skalenwert bei diesem Faktor aufwiesen (McCrae/ Costa 1987). Die Idee des Variety Seekings lässt sich somit auf die Mitarbeiterbindung übertragen. Demnach tendieren Mitarbeiter zum Arbeitgeberwechsel, wenn ihre Suche nach Herausforderungen und neuen Erfahrungen im Unternehmen nicht befriedigt wird. Inwieweit es sich dabei um ein ausschließlich in der Persönlichkeit des Mitarbeiters angelegtes Phänomen handelt, kann hier nicht abschließend beantwortet werden. Genauso gut können gesellschaftliche Trends wie der in der Öffentlichkeit und Literatur diskutierte anscheinende Wertewandel hin zu einer stark individualistisch und erlebnisorientierten Lebensführung eine Rolle spielen (vgl. Noelle-Neumann/ Petersen 2001). Der Zusammenhang von Varitey Seeking und Mitarbeiterbindung lohnt jedoch in der Modellbildung weiter verfolgt zu werden. Diese Verhaltensdisposition kann sich als Archillesferse der Mitarbeiterbindung erweisen. Trotz stark ausgeprägten Organisationalen Commitments kann das nicht erfüllte Bedürfnis nach Abwechslung den Mitarbeitern motivieren, die Organisation zu verlassen. Zumindest für die Kundenbindung ist dieser Zusammenhang belegt und daher anzunehmen (Homburg/ Giering 2001: 57).
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3.3 Fazit: Zum Stand einer integrierten Kunden- und Mitarbeiterbindungsforschung Aspekte der Kunden- und Mitarbeiterbindungsforschung wurden erstaunlicherweise erst wenig integrativ betrachtet. Es existieren lediglich ein erstes Diskussionspapier von der Universität Mannheim (Bauer/ Jensen 2001) und eine Schrift von Söllner zur Bedeutung von Commitment in der interorganisationalen Geschäftsbeziehung (1993). Während die erstgenannte Veröffentlichung explizit den Aspekt der Mitarbeiterbindung thematisiert, ist die Arbeit von Söllner weniger hilfreich für die Fragestellung dieser Untersuchung. Er beschäftigt sich mit Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Organisationen und argumentiert unter Rückgriff auf die Nebenwettentheorie von Becker (vgl. zum Begriff der Nebenwette ausführlich Kapitel 3.1.1.1) stark ökonomisch. Sowohl das Erkenntnisobjekt als auch die Konzeptualisierung von Commitment mittels „Amount at Stake, Spezifizität sowie Bedeutung“ (Söllner 1993: 107) legen es nahe, diese Schrift nicht weiter zu berücksichtigen. Letztendlich ist eine derartige ökonomische Betrachtung bereits hinreichend im kalkulativen Commitment berücksichtigt. Die Diskussion von typischen Ansätzen des Relationship Marketings ergibt, dass sie überwiegend eine Akzentuierung von Variablen des dreidimensionalen Commitmentmodells liefern. Dies gilt für die Mikroökonomische Theorie sensu Hirschmann, die Theorie der Bankloyalität nach Süchting und für die sozialen Austauschtheorien. Die Theorie der Bankloyalität ist aber insofern bedeutsam, als sie die Rolle des Vorgesetzten und die Dauer der Betriebszugehörigkeit für die Bindung betont. Neue Impulse gehen von dem Konzept des „Variety Seeking“ aus. Wenn die im Kaufverhalten nachgewiesene „Lust am Wechsel“ sich auf das Mitarbeiterbindungsverhalten tatsächlich übertragen lässt, dann könnte darin eine Erklärung liegen, warum Weiterbildner trotz hohen Organisationalen Commitments fluktuieren. Daher findet dieser Ansatz in der weiteren Modellbildung im fünften Kapitel Berücksichtigung.
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4 Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal Die vorangegangenen zwei Kapitel dienten dazu, das Erkenntnisobjekt ‚Bindung von Weiterbildungspersonal’ zu charakterisieren und theoretisch aufzuarbeiten. Im Folgenden soll das praktische Erkenntnisinteresse dieser Arbeit näher begründet werden. Konkret: Lohnt die Beschäftigung mit der ‚Bindung von Weiterbildungspersonal’ in praxi? Oder anders formuliert: Inwiefern besitzen Maßnahmen zur Bindung von Weiterbildnern eine Relevanz im betrieblichen Alltag? Die Frage nach der Relevanz stellt sich aus zwei Gründen: Zum einen verbrauchen Maßnahmen zur Bindung betriebliche Ressourcen und sind damit kein Selbstzweck. In diesem Sinne sind sie instrumentell. Zum anderen ist in der betrieblichen Realität anscheinend ein Trend zu erkennen, der den Wert von Mitarbeiterbindung an sich hinterfragt. Es wird postuliert, dass zukünftig flexible und effiziente Organisationen wirtschaftlich erfolgreich sein werden: „companies must be able to adapt to changing conditions and to cut costs in order to be competitive. ... Consequently, employees are being advised not to become too attached to their employers” (Meyer/ Allen 1997: 4). Daher ist zu fragen, welche Motive eine Rolle spielen könnten, um die Bindung von Weiterbildungspersonal zu betreiben. Diese Frage lässt sich beleuchten, indem typische Begründungslinien kritisch hinterfragt werden. In der Literatur finden sich zwei vorherrschende Begründungsmuster: 1. Mitarbeiterbindung ist notwendig, weil Fluktuation eine erhebliche (negative) Wirkung induziert und aus diesem Grunde zu vermeiden ist (vgl. Ahlrichs 2000: 7 ff.). 2. Mitarbeiterbindung ist notwendig, weil sich die Beschaffungssituation am externen Arbeitsmarkt verschärft und jede eingesparte Akquisition positiv zu bewerten ist (vgl. Wunderer/ Dick 2001: 118). Jeder dieser zwei Thesen ist ein entsprechendes Unterkapitel gewidmet. Aus einer kritischen Grundhaltung heraus werden die möglichen Begründungslinien auf ihre Stichhaltigkeit überprüft. Anschließend werden die Ergebnisse der Diskussion in einem abschließenden Abschnitt zusammengeführt. 4.1 Auswirkung von Fluktuation auf die betriebliche Weiterbildung Grundsätzlich ist Fluktuation für das System Weiterbildung im Speziellen und das Suprasystem Unternehmen im Allgemeinen mit Konsequenzen verbunden. Bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde über die Folgen der Fluktuation gesagt, dass sie das teuerste Personalproblem darstellt (vgl. bspw. Pigors/ Meyers 1973: 216). „It is the most costly and least understood of all phenomena working against productivity, efficiency ands ultimately profits.“ (Peskin 1973: 68). In der
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Vergangenheit wurden zahlreiche Versuche unternommen, um das Phänomen Fluktuation in seiner Breite betriebswirtschaftlich zu erfassen. Die Erklärungsansätze lassen sich in Anlehnung an Kaufhold (1985: 29 ff.) systematisieren nach ihrem Rechenumfang und ihrem Bezugsrahmen in kostenorientierte Phasenmodelle, Modelle unter Berücksichtigung des entgangenen Gewinns und Modelle des Human Resource Accounting. a) Kostenorientierte Phasenmodelle Die kostenorientierten Phasenmodelle zerlegen den Fluktuationsprozess analytisch in seine Hauptphasen und ermitteln die anfallenden Kostenarten im Sinne einer Vollkostenrechung (vgl. Kaufhold 1985: 47). Dabei unterscheiden sie folgende Phasen: • Austritt des scheidenden Mitarbeiters, • Suche eines Nachfolgers, • Auswahl des neuen Stelleninhabers, • Einstellung des neuen Mitarbeiters sowie • Einführung und Einarbeitung. b) Modelle mit Berücksichtigung des entgangenen Gewinns Diese Ansätze berücksichtigen neben den Kosten auch die Möglichkeit eines Gewinnentganges durch die Fluktuation. Insbesondere fokussieren diese Konzepte auf Opportunitätskosten, die durch fluktuationsbedingte Leistungsminderungen und – ausfälle hervorgerufen werden. c) Modelle des Human Resource Accounting Die Ansätze der dritten Gruppe stehen in der Tradition des Human Resource Accounting57 und gehen davon aus, dass bestimmte Personalaufwendungen als Investition in das Humankapital zu interpretieren sind. Danach können die Folgewirkungen von Fluktuation nach folgendem Schema berechnet werden:
57
Die Forschungsrichtung Human Resource Accounting (HRA) lässt sich am ehesten mit Humanvermögensrechnung übersetzen. Das Ziel des HRA ist es, den Wert der menschlichen Ressource in der Unternehmung zu erfassen und zu bewerten. Dabei werden bestimmte Aufwendungen wie bspw. für Personalbeschaffung, Aus- und Weiterbildung als Investitionen interpretiert und als Vermögenszugang aktiviert. Es finden sich auch andere Zugänge, die bspw. den Wert des Personals in Form eines Barwerts zukünftiger Vergütungen erfassen oder zur Wertermittlung die Personalkosten auf Basis historischer Wiederbeschaffungswerte heranziehen (vgl. Drumm 2000: 681).
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1. Kosten durch den Abgänger a. Verlust des im Abgänger inkorporierten Humanvermögens, b. Kosten der Verwaltungsaktivitäten für die Entlassung des Abgängers 2. Kosten der Vakanz a. Kosten für kurzfristige Anpassungsmaßnahmen und/ oder b. Kosten für Reservehaltung von Arbeitskräften und/ oder c. Entgangener Gewinn als Opportunitätskosten (Kaufhold 1985: 46) Werden diese Ansätze näher betrachtet, wird deutlich, dass - unabhängig davon, welcher Rechenumfang gewählt und welcher Bezugsrahmen zu Grunde liegt – Fluktuation stets als Kosten bzw. als Vermögensabfluss interpretiert wird. Im Folgenden soll genauer auf diese Wirkung eingegangen werden. Dabei wird ein pragmatischer Zugang gewählt. Analog dem oben unter b) aufgeführten Ansatz wird auf Basis von Vollkosten unter Berücksichtigung von möglichen Opportunitätskosteneffekten argumentiert. Auf eine Analyse in Tradition des Human Resource Accounting wird verzichtet, weil „kein Verfahren zu einem objektiven und willkürfreien Wert des Humankapitals führt“ und grundsätzlich davon abgeraten wird, die Methode zum Personalcontrolling einzusetzen (Drumm 2000: 681). Um die Konsequenzen von Fluktuation näher zu analysieren, ist es hilfreich, die Systematik des Internen Rechnungswesens heranzuziehen. Das Interne Rechnungswesen zielt darauf, „Informationen für Zwecke der zielgerichteten Entscheidungsvorbereitung, der Realisation der Entscheidungen und der Entscheidungskontrolle durch die Unternehmensführung zu liefern“ (Eilenberger 1995: 4). Somit stehen rein innerbetriebliche Überlegungen im Vordergrund, die die Steuerung von innerbetrieblichen Prozessen – hier: der Fluktuation respektive der Mitarbeiterbindung – ermöglichen. Eine kostenmäßige Analyse der Fluktuation ist mit Vorteilen verbunden (vgl. dazu Ott 1975: 23 f.). Zum einen versetzt sie das Management einer Unternehmung in die Lage, sich des Ausmaßes und der betriebswirtschaftlichen Folgen von Fluktuation bewusst zu werden. Zum anderen hält sie das Management an, geeignete Maßnahmen einzuleiten, um das Fluktuationsproblem einzudämmen. Daneben liefert eine Kostenanalyse einen Maßstab, um Prioritäten zu setzen und den Erfolg der Maßnahmen zu erfassen. Der Systematik des internen Rechnungswesens folgend, lassen sich die Konsequenzen von Fluktuation gedanklich in drei Kategorien unterteilen:
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1. die direkten Kosten (= Einzelkosten58) der Fluktuation; 2. die indirekten Kosten (= Gemeinkosten59) der Fluktuation und 3. die Opportunitätskosten60 der Fluktuation. 4.1.1 Direkte Kosten der Fluktuation Scheidet ein Weiterbildner aus, so verursacht das zunächst keine direkten Kosten. Die notwendigen administrativen Prozesse, wie Zeugniserstellung, Kontrolle und Rücknahme von betrieblichen Sachmitteln etc., sind zwar direkt anfallende Kosten, doch werden sie in praxi meist als Gemeinkosten behandelt. Im strengen Begriffssinn handelt es sich dabei um unechte Gemeinkosten, weil eine verursachungsgerechte Erfassung zwar möglich wäre, aber aus Vereinfachungsgründen unterbleibt (vgl. Plinke/ Rese 2002: 36). Wird das Ausscheiden eines Mitarbeiters und die folgenden Schritte in dem oben skizzierten Verständnis als Prozess beschrieben, dann ändert sich dieser Eindruck. Im Zuge der Neubesetzung der verwaisten Stelle entsteht eine Vielzahl von direkten Kosten. Diese sind in ihrer Höhe und ihrem Anfall abhängig davon, ob eine Besetzung aus dem Unternehmen (interner Arbeitsmarkt) oder von außen (externer Arbeitsmarkt) erfolgt. Die Tabelle 8 verdeutlicht die möglichen direkten Kostenpositionen. In der praxisorientierten Literatur wird davon ausgegangen, dass die direkten Kosten der Fluktuation bei der Besetzung vom externen Arbeitsmarkt rund 50 % des Jahreseinkommens des Stelleninhabers ausmachen (Jochmann 2001, Meifert 2002). Insbesondere wenn ein Personalberatungsunternehmen eingeschaltet wird, laufen Honorare in Höhe von ca. 30 % des Jahresgehaltes zuzüglich Anzeigen- und Nebenkosten auf. Je nach Funktion des ausscheidenden Weiterbildners ergeben sich unterschiedlich hohe Kostenbelastungen.
58
Unter Einzelkosten soll in diesem Zusammenhang die von der Leistungseinheit verursachten und der einzelnen Leistungseinheit aufgrund genauer Berechnung unmittelbar zurechenbaren Kosten verstanden werden.
59
Gemeinkosten sind in dem hier zugrunde liegenden Begriffsverständnis Kosten, die der einzelnen Leistungseinheit nicht unmittelbar zurechenbar sind.
60
Opportunitätskostenüberlegungen prägen stark das Interne Rechnungswesen. Sie fragen danach, was der Wert des entgangenen Nutzens einer nicht gewählten Alternative wäre.
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Tabelle 8: Direkte Kosten der Fluktuation (in Anlehnung an Ahlrichs 2000: 12, Branham 2000: 7, Ott 1975: 25ff.) Besetzung vom internen Arbeitsmarkt
Besetzung vom externen Arbeitsmarkt
Ggf. Unterstützung beim Umzug
Kosten für Stellenanzeige
Kosten für Seminarbesuche zur Einarbeitung
Ggf. Personalberaterhonorare Bewerberauslagen Ggf. Beraterhonorare für Auswahl- bzw. Testverfahren, Interviews etc. Ggf. Kosten zum Einholen von Referenzen Ggf. Unterstützung beim Umzug Kosten für arbeitsmedizinische Untersuchung Kosten für Seminarbesuche zur Einarbeitung Ggf. notwendiger „Gehaltsaufschlag“
Die Tabelle61 9 fasst für die wichtigsten Weiterbildungsfunktionen die Gesamtjahresgehälter in Tausend Euro zusammen. Die Übersicht verdeutlicht, dass die Jahresgesamtbezüge in den betrachteten Weiterbildungsfunktionen relativ stabil sind. Besonders markante Veränderungen sind im Zeitvergleich lediglich in der Position „Weiterbildungsmanagement mit Führungsverantwortung“ zu verzeichnen. Im konkreten Praxisfall sind die absoluten Gehaltshöhen stark abhängig von der gegebenen Situation wie Unternehmensgröße, Verweildauer in der Funktion und Personalverantwortung (vgl. Kienbaum 2001: 30 ff.). Anhand dieser grobkörnigen Übersicht wird deutlich, dass eine externe Wiederbesetzung einer vakanten Funktion in der betrieblichen Weiterbildung eine erhebliche (Gehalts-)Kostenbelastung verursachen kann; insbesondere dann, wenn der ursprüngliche Stelleninhaber deutlich weniger verdient hat als das, was üblicherweise zu zahlen ist.
61
Die Angaben beziehen sich auf zwei Gehaltsstudien der Kienbaum Management Consultants GmbH aus den Jahren 1999 und 2001. Insgesamt wurden 120 Unternehmen und 919 Positionen in 1999 bzw. 96 Unternehmen und 671 Positionen in 2001 untersucht. Mittels Fragebogen sind die Unternehmen gebeten worden, zu den Aspekten Unternehmen, Positionsinhaber, Grundgehalt, variable Vergütung sowie betriebliche Zusatzleistungen Stellung zu nehmen. In den beiden Studien wurden die Befragungsergebnisse u.a. ausgewertet nach Unternehmensgrößen, Verweildauer in der Funktion, Bildungsabschluss und Personalverantwortung. Eine derart feine Aufgliederung ist für die Argumentation nicht notwendig, weil grundsätzliche Aussagen zu fluktuationsbedingten Kosten generiert werden sollen.
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Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
Tabelle 9: Jahresgehälter62 des Weiterbildungspersonals nach Funktionen (vgl. Kienbaum 1999: 42 und 2001:33, Transformation in Euro kaufmännisch gerundet durch M.M.) 1999 Position
Ø
unteres
2001 Median
Quartil Weiterbildungsmanagement mit Führungsverantwortung
Quartil
79 54
74
103
83 60
78
99
60 45
64
70
54 41
55
68
43 34
41
61
43 33
40
57
36 30
39
49
39 32
36
42
62 52
75
80
62 47
68
85
49 41
52
56
50 43
49
59
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Weiterbildungs-Consulting ohne Führungsverantwortung
Quartil
oberes
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Weiterbildungs-Consulting mit Führungsverantwortung
Median
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Weiterbildungsrealisierung ohne Führungsverantwortung
Quartil
unteres
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Weiterbildungsrealisierung mit Führungsverantwortung
Ø
63
Weiterbildungsmanagement ohne Führungsverantwortung
oberes
68
4.1.2 Indirekte Kosten der Fluktuation Werden die indirekten Kosten betrachtet, so dürfte es unerheblich sein, inwieweit die Stellenbesetzung am internen oder externen Arbeitsmarkt erfolgt. Die anfallenden personaladministrativen Prozesse der Versetzung sind ähnlich der Neueinstellung. Lediglich die Ausfertigung des Arbeitsvertrages und die betriebsärtzliche Untersuchung sind bei einer externen Einstellung zusätzlich zu berücksichtigen. Im Regelfall handelt es sich dabei um Kostenblöcke, die nach einem Schlüssel auf die
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Als Bruttogehalt ohne Sozial- und Nebenkosten.
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Entspricht der Position „Leiter Personalentwicklung“ in der Untersuchung. Für die Funktion „Instituts- bzw. Akademieleiter“ liegt das Gehaltsniveau rund 10 Prozent höher.
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Entspricht der Position „Fachgebietsleiter/Sachgebietsleiter“ in den Studien.
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Entspricht der Position „Trainingsleiter“ in den Studien.
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Entspricht der Position „Dozent/ Trainer“ in den Studien.
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Entspricht der Position „Projektleiter/ Koordinator“ in den Studien.
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Entspricht der Position „Studienreferent/ pädagogischer Mitarbeiter/ Personalreferent PE“ in den Studien.
Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
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einzelnen leistungserstellenden Geschäftseinheiten aufgeteilt werden. Diese sind im strengen Sinne nicht verursachungsgerecht, sondern nur eine Annäherung. Als gebräuchliche Kostenschlüssel werden nach Erfahrung des Autors die Anzahl der Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterkapazitäten (MAK) in der Geschäftseinheit eingesetzt. Zwar könnte eine starke Inanspruchnahme der Personalabteilung durch einen besonders von Fluktuation betroffenen Geschäftsbereich den Verteilungsschlüssel mittelfristig ändern, doch herrschen die starren Verteilverfahren im Alltag vor. Im Wesentlichen beziehen sich die indirekten Kosten der Fluktuation auf folgende Positionen: Phase Austritt Kosten für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses (bspw. Austrittsinterviews, Verwaltung etc.) Phase Suche und Auswahl Administrative Kosten der Personalabteilung Phase Einstellung und Einarbeitung Ausbildung am Arbeitsplatz (bspw. Gehaltskosten für Ausbilder/ Mentor, Materialund Ausrüstungskosten zu Trainingszwecken etc.) 4.1.3 Opportunitätskosten der Fluktuation Im Vergleich zu den indirekten Kosten der Fluktuation sind die Opportunitätskosten neben den direkten Kosten von höherer Relevanz. Im Sinne einer Opportunitätsbetrachtung ist zu fragen, welcher Nutzen im Allgemeinen dem Unternehmen und im Speziellen dem System betriebliche Weiterbildung durch das Ausscheiden und die Neubesetzung entgeht. Insbesondere für marktbezogene Tätigkeiten weisen einige empirische Befunde darauf hin, dass der Wechsel des Kundenbetreuers zu einer Erosion und teilweise auch zum Abbruch der Geschäftsbeziehung führen kann (vgl. Süchting/ Paul 1998: 628 ff.). Diese nachhaltigen Konsequenzen lassen sich nicht unbedingt für das System betriebliche Weiterbildung unterstellen. Schließlich ist die direkte Marktwirkung nur dann gegeben, wenn der Betriebszweck des Unternehmens Weiterbildungsleistungen wären oder auch am externen Markt Weiterbildungsleitungen offeriert würden. Trotzdem ist dieser Effekt nicht zu vernachlässigen. Schließlich kann das Ausscheiden eines Spezialisten bspw. für Führungscoachings dazu führen, dass diese Leistungen nicht mehr angeboten werden können oder sie zukünftig extern zugekauft werden müssen. Auch muss in Rechnung gestellt werden, dass der ausscheidende sowie der sich einarbeitende Mitarbeiter eine geringere Arbeitsleistung erbringt. In Anlehnung an Herbert (1991) lassen sich beide Sachverhalte in Form einer Lernkurve darstellen (vgl. Abbildung 6). Ein Mitarbeiter, der aus dem Unternehmen ausscheidet, dürfte eine abnehmende Arbeitsleistung zeigen. Auch wenn der Kurvenverlauf in der linken Grafik einen gleichmäßigeren Rückgang suggeriert, sind in praxi eher sprungfixe Leistungsveränderungen zu beobachten. Schließlich führt noch abzugeltender Resturlaub sowie ein geringes Engagement des ausscheidenden Weiterbildners zu einem nachhaltigen
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Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
Leistungsrückgang. Der mit (x) angegebene Punkt dokumentiert, ab welchem Zeitpunkt der ausscheidende Mitarbeiter im Unternehmen mehr Kosten als Wertschöpfung produziert. Im rechten Kurvenverlauf steht der herausgehobene Schnittpunkt für die Schwelle, an der der Mitarbeiter wertschöpfend tätig ist, d.h., die Kosten durch die Leistungen überkompensiert werden. Dieser Schnittpunkt lässt sich analytisch leicht bestimmen, in realiter dürfte dies für Weiterbildner aufgrund des Quantifizierungsproblems von Weiterbildungsleistungen nicht ohne Schwierigkeiten möglich sein. Der Kurvenverlauf ist abhängig von der Lernrate des neuen Mitarbeiters (= Steilheit der Kurve) sowie seinen Vorkenntnissen (= Kurvenniveau).
Arbeitsleistung des ausscheidenden Mitarbeiters
Arbeitsleistung des Mitarbeiters in Einarbeitung
Leistungsgrad (in Prozent)
Leistungsgrad (in Prozent)
100
100
90
90
Minimalleistung
80
80
70
70 der Einarbeitung Opportunitätskosten des des Opportunitätskosten Austritts Austritts
60
50
40
40
30
30 Arbeitsleistung des Mitarbeiters
20 10
10 0
Minimalleistung
60
50
20
Opportunitätskosten
X
Zeit
0
X
Zeit
Abbildung 6: Individuelle Arbeitsleistung und verursachte Opportunitätskosten im Ausscheiden und der Einarbeitung (vgl. Herbert 1991)
Bei einer Opportunitätskostenbetrachtung ist weiter zu berücksichtigen, dass nicht alle Konsequenzen von Fluktuation sich exakt in Kosten auszudrücken lassen. Bereits 1959 resümierte das British Institute of Management „Labour turnover has certain
Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
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long-term effects which are not measurable in financial terms.” (BIM 1959: 10). Von den britischen Forschern wurden besonders die Aspekte Wirkung auf das Betriebsklima, Belastung des Managements und Beeinträchtigung des Goodwills69 hervorgehoben. Da betriebliche Weiterbildner über breite Netzwerke in das Unternehmen verfügen, dürften sich ähnliche fluktuationsbedingte Risiken ergeben. In neuerer Zeit müssen neben diesen eher „weichen“ Effekten erhebliche Auswirkungen in Form von Wissensverlust berücksichtigt werden. In einem Zeitalter, in dem immer mehr die Kopfarbeit die Arbeitssituation prägt, wird Wissen als zentrale Voraussetzung für langfristigen Unternehmenserfolg angesehen (vgl. Heidenreich 2002: 12, Schanz 2000: 139). Für das Weiterbildungspersonal ist, wie im Kapitel 2.2 dargelegt, sein Wissen die wichtigste Ressource. Während das explizite Wissen als semantisches Wissen bspw. im Intranet, in Seminarleitfäden und Handbüchern festgehalten werden kann, entzieht sich das implizite Wissen diesem Prozess. Es ist höchst personengebunden und teilweise dem Betroffenen selber nicht bekannt. Für Polanyi gilt, „dass wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen“ oder „dass wir von Dingen wissen, und zwar von wichtigen Dingen wissen, ohne dass wir dieses Wissen in Worte fassen können“ (Polanyi 1985: 14 und 19). Deutlich wird dieser Umstand, wenn bspw. Top-Trainer in Interviews nach ihren Erfolgsgeheimnissen gefragt werden. Die wenigsten wissen darauf eine umfassende Antwort. Die besondere Problematik des impliziten Wissens ist, dass es zum einen höchst personengebunden und zum anderen aufgrund seines Charakters nur unzureichend übertragbar ist. Zwar existieren Ansätze wie Story Telling und Mentorship, doch sind diese Verfahren in ihrer Wirksamkeit umstritten (Bäumer/ Meifert 2000: 259 f.). Das implizite Wissen ist somit besonders bedeutsam, um die Wirkung einer drohenden Fluktuation abzuschätzen. Der Verlust dieser Wissensbestandteile führt unweigerlich zu einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Systems betriebliche Weiterbildung. Die Ausprägung dieser Wirkung ist je nach betroffener Funktion unterschiedlich und reicht von leichten Defiziten in der Seminarverwaltung bis hin zu einem Ausfall von spezifischen Leistungsangeboten. Darüber hinaus berichtet Schanz davon, dass das implizite Wissen auch eine hohe Bedeutung für die Zusammenarbeit im Arbeitsteam hat. “Wie wertvoll die Nutzung derartigen impliziten Wissens der Teammitglieder wirklich ist, wird häufig erst dann deutlich, wenn eines davon aus irgendwelchen Gründen ersetzt werden muss.“ Er schließt daraus: „Daher hat das Management von Absentismus und Fluktuation ... auch etwas mit Wissensmanage-
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Unter „Goodwill-Verlusten“ wird in diesem Zusammenhang die fluktuationsbedingte Nichteinhaltung von Lieferterminen oder der Imageverlust durch negative Mund-zu-MundKommunikation verstanden (vgl. Ott 1975: 29).
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Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
ment bzw. mit der Frage zu tun, wie dem Unternehmen wertvolles Wissen erhalten werden kann.“ (Schanz 2000: 142). Fluktuation kann somit dazu führen, dass implizites Wissen aus dem System betriebliche Weiterbildung abfließt. Daneben sind deutliche direkte Kosten- und Opportunitätskostensbelastungen zu notieren. Für das Suprasystem Unternehmung ergeben sich daraus Risiken: Das fehlende Wissen kann die Funktionsfähigkeit des Systems betriebliche Weiterbildung oder einzelner Teilsysteme einschränken und gleichzeitig erhöhte Kosten durch Ersatzbeschaffung hervorrufen. Daraus können weitere Effekte im Sinne einer negativen Multiplikationswirkung resultieren. So drohen Anpassungsschwierigkeiten der Mitarbeiter an Innovationen, neue Führungskräfte werden weniger wirkungsvoll führen können, Mitarbeiter verlassen aufgrund fehlender Weiterbildungsangebote das Unternehmen etc. Trotz dieses Drohpotentials fragen einige Autoren, ob Fluktuation auch eine positive Wirkung haben könne. Schließlich erhöhe die Fluktuation die Anpassungsfähigkeit, fördere neue Ideen, verhindere Betriebsblindheit und verjünge die Belegschaft (vgl. Kesner/ Dalton 1982: 71, Sabathil 1976: 177 ff.). Daneben könnte eine geringe Mitarbeiterbindung die notwendige Bedingung dafür sein, dass Organisationen flexibel Personalbestände auf- und wieder abbauen können (vgl. Meyer/ Allen 1997: 4 ff.). Diese Einschätzung mag auf den ersten Blick plausibel erscheinen, erweist sich aber als problematisch: Meist beruht dieser Einwand auf einem (zu) weit gefassten Begriffsverständnis von Fluktuation. Werden die vom Unternehmen veranlassten verhaltensbedingten Kündigungen bspw. auch als Teil der Fluktuation gesehen, dann ist sehr wohl von positiven Effekten der Fluktuation auszugehen. Ein derart weites Begriffsverständnis wurde bewusst ausgeklammert (vgl. Kapitel 3). Daneben verkürzt diese Argumentation das Wesen des Personalmanagements erheblich: „Denn die Aufgabe der Personalpolitik kann es, überspitzt formuliert, nicht sein, drauf zu hoffen, dass ihre Ziele durch die Einzelwirtschaft mehr oder weniger zufälligen ‚autonomen’ Fluktuationsentscheidungen von Mitarbeitern ... von selbst erreicht werden.“ (Kaufhold 1985: 5). Diesen Einwänden ist entgegenzuhalten, dass Umweltsituationen konstruierbar sind, in denen eine Unternehmung Personal abbauen muss. Unter diesen Bedingungen kann die Fluktuation als ein sozialverträgliches Instrument interpretiert werden, um Personalüberhänge zu verringern (vgl. Drumm 2000: 293 ff.). Folgerichtig fordern einige Autoren, die Fluktuationsbeeinflussung nicht nur im Sinne einer Senkung der Fluktuationsereignisse zu fassen, sondern darunter auch fluktuationsfördernde Maßnahmen zu zählen (vgl. Drumm 2000: 299 f., Kaufhold 1985: 242 ff., Sabathil 1976: 180 f.). Dazu zählen beispielsweise die Ausnutzung der natürlichen Fluktuation mit Einstellungsstopp, die Fluktuationsförderung durch Nichtverlängerung von Zeitverträgen, das Angebot von Aufhebungsverträgen mit Abfindung und die vorzeitige Pensionierung. Wenn Fluktuation in diesem Sinne aufgefasst wird, fallen einige der oben diskutierten Negativeffekte weg. Insbesondere ist die Kostenwirkung der Widerbesetzung einer vakanten Position nicht vorhanden. Trotzdem bleibt das
Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
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Risiko von Wissensverlusten bestehen; insbesondere dann, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, um das implizite Wissen an andere Weiterbildner weiterzugeben. 4.1.4 Fazit Im Hinblick auf die hier diskutierte Begründungslinie lässt sich zusammenfassend festhalten, dass Fluktuation in einer Unternehmenssituation mit gleichbleibendem oder steigendem Personalbedarf starke Kosteneffekte hervorruft. Je nach Art der vakanten Stelle in der betrieblichen Weiterbildung und der Art der Personalbeschaffung sind mit direkten Mehrkosten von bis zu 50 % des Jahresgehaltes zu rechnen. Hinzu kommen indirekte Kosten, die in ihrer Höhe jedoch zu vernachlässigen sind. Relevanter sind die Effekte, die schwerer zu quantifizieren sind. Insbesondere der drohende Abfluss erfolgskritischen Wissens kann die Funktionsfähigkeit des Systems betriebliche Weiterbildung ganz oder partiell in Frage stellen. Auch kann sich daraus die Notwendigkeit zum Outsourcing einzelner Teilleistungen ergeben, weil das interne Know How nicht mehr ausreichend vorhanden ist. Mit den oben diskutierten Einschränkungen kann sich diese Wirkung von Fluktuation auf die betriebliche Weiterbildung auf das Unternehmen übertragen. Diese mögliche Wirkung bleibt auch bestehen, wenn von einem Personalüberhang ausgegangen wird. Dann führt die Fluktuation zwar nicht zu den beschriebenen Kosteneffekten, doch strahlt der drohende Wissens- und damit verbundene Funktionsverlust auf das Unternehmen negativ aus. 4.2 Demografische Szenarien und Mitarbeiterbedarfe in der betrieblichen Weiterbildung Das wissenschaftliche Interesse an der Fluktuation und ihrer Beeinflussung war in der Vergangenheit stark von der konjunkturbedingten Arbeitsmarktsituation geprägt. Es stieg und fiel mit der entsprechenden Konjunkturentwicklung. Mit zunehmender Prosperität der Wirtschaft in den 50er Jahren wurde in Deutschland die Ressource Arbeit knapp. Unter dem Eindruck einer Vollbeschäftigung und einer darüber hinaus ungesättigten Nachfrage an Personal rückt das Fluktuationsphänomen ins Zentrum vielfältiger Veröffentlichungen. Angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage galt der zwischenbetriebliche Arbeitsplatzwechsel als ein Phänomen, welches die Situation noch weiter verschärfte. Einige Autoren benannten die Fluktuation als „unmoralisches Verhalten“70 des Mitarbeiters, welches dem Unternehmen erhebliche Kosten verursachte (Lutz/ Weltz 1966: 35). Folgerichtig standen Maßnahmen im Vordergrund, die darauf zielten, die Fluktuation in Zeiten der Hochkonjunktur zu
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Lutz & Weltz berichten darüber, dass in den fünfziger und sechziger Jahren Formulierungen wie „Die Wandervögel kosten Milliarden“ oder „Zugvögel nicht erwünscht“ üblich waren. (1966: 35).
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Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
senken (vgl. Hackstein/ Ludemann 1978: 37). Diese waren stark an materiellen Anreizsystemen orientiert oder betonten die Bedeutung der (Arbeits-)Motivation. Seit den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ging das Interesse am Thema in der Wissenschaft zurück (vgl. Dincher et al. 1989: 46). Auch in den 90er Jahren blieb die Aufmerksamkeit für das Phänomen Fluktuation angesichts einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland lange Zeit gering (vgl. Boerner et al. 1996: 3). Ende der 90er Jahre änderte sich das Bild grundlegend. Unter dem Eindruck einer überschießenden Nachfrage an qualifizierten Fach- und Führungskräften wurde die Bezeichnung „War for Talents“ geprägt (McKinsey 1999). Gemeint ist, dass sich die Personal-Beschaffungssituation bis zum Jahr 2010 deutlich zuspitzen wird und ein regelrechter Kampf um die Talente geführt werden muss. Nach demografischen Hochrechnungen sinkt die Zahl der 30- bis 39-jährigen deutschen Erwerbstätigen bis 2010 von 12,5 Millionen auf 9 Millionen. Eine ähnliche Bewegung wird für den gesamten westeuropäischen Arbeitsmarkt vorhergesagt (Prognos World Report 2001). Verantwortlich für diese Entwicklung wird die Geburtenrate gemacht. Schon seit etwa 25 Jahren liegt in Deutschland das Geburtenniveau um etwa ein Drittel unter dem Stand, der für den Generationenersatz erforderlich wäre. Nach der zusammengefassten Geburtenziffer gab es 1998 in Westdeutschland 141 Kinder je 100 Frauen, nach der Mikrozensuserhebung 1998 kamen auf 100 35- bis 39-jährige Frauen 143 im Haushalt lebende Kinder (BiB 2000). Über diese grundlegende Entwicklung sind sich Personalexperten weitgehend einig. „Viel weniger Einigkeit besteht jedoch darin, bei welchen Berufen ein Überangebot bzw. Mangel herrschen wird.“ (Wunderer/ Dick 2001: 42). Fraglich ist im Sinne der zweiten Begründungslinie, inwieweit auch das System betriebliche Weiterbildung von dieser möglichen Entwicklung betroffen ist und die Arbeitsmarktsituation ein Motiv für das Binden von Weiterbildnern darstellt. Um sich der Arbeitsmarktsituation für Weiterbildner zu nähern, bietet es sich an, folgenden Leitfragen nachzugehen: 1.
Welche Unternehmen suchen Weiterbildungspersonal und sind damit potentielle Arbeitgeber? Und mitgedacht: Welche alternativen Karrieremöglichkeiten existieren für Weiterbildner neben der Verwendung im System betriebliche Weiterbildung?
2.
Welcher quantitative Bedarf an Weiterbildungspersonal lässt sich im Zeitablauf konstatieren?
3.
Was sind typische Erwartungen von potentiellen Arbeitgebern an den Bewerber oder wie ist der qualitative Bedarf gestaltet?
Grundsätzlich sind diese Fragen schwierig zu beantworten. Dies liegt daran, dass der Arbeitsmarkt für betriebliche Weiterbildner wenig Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses ist. Entsprechend „dürftig“ ist die Literaturlage. Zwar liegen einige Verbleibstudien zu Absolventen von erwachsenenpädagogischen Studiengängen (Bahnmüller et al. 1988, Peters/ Schrader 1996) und zwei stichprobenartige
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Auswertungen der Stellenanzeigen für Weiterbildner vor (Kailer et al. 1995, SorgBarth 2000), doch kann nicht davon gesprochen werden, dass verlässliche Daten zur Grundgesamtheit aller betrieblichen Weiterbildner existieren. Diese Erfassung dürfte sich auch (forschungs)ökonomisch als wenig sinnvoll erweisen (vgl. Sorg-Barth 2000: 156). Schließlich herrscht ein ausgeprägter Pluralismus, was den Terminus „Weiterbildungspersonal“ angeht, und entsprechend groß ist das Abgrenzungsproblem. Die weitere Diskussion ist aus diesem Grunde als sekundäre Analyse angelegt. Bestehende Zahlen, Daten und Fakten werden unter den hier in Frage stehenden Aspekten betrachtet. Auf eine Primärerhebung wurde bewusst verzichtet, weil damit die thematische Akzentuierung dieser Arbeit einseitig verschoben würde. 4.2.1 Potentielle Arbeitgeber von Weiterbildnern Sorg-Barth hat Kompetenzanforderungen von betrieblichen Weiterbildnern untersucht. Dazu hat sie 574 Stellenanzeigen in Form einer Stichprobe in den Jahren 1990 bis 1998 ausgewertet. Als Quelle dienten ihr sowohl Zeitungen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Welt und Die Zeit) als auch Fachzeitschriften (Personalführung, Management & Seminar, Training aktuell, Wirtschaft & Weiterbildung). Sie kam zu dem Ergebnis, dass die meisten Anzeigen aus Dienstleistungsunternehmen sowie aus Unternehmen des produzierenden Gewerbes stammen (vgl. Sorg-Barth 2000: 158). Auch zeigen andere Untersuchungen, dass insbesondere die Versicherungs- und Kreditwirtschaft, der Bergbau und Energiesektor, die Verkehrswirtschaft sowie die Organisationen ohne Erwerbscharakter am weiterbildungsaktivsten sind (Grünewald/ Moraal 1996: 34, Düll/ Bellmann 1998: 217). Damit dürften sie das priorisierte Berufsfeld für betriebliche Weiterbildner sein – wobei traditionell behauptet wird, dass dies die Versicherungs- und Kreditwirtschaft wäre (Weiß 1994: 53, Kuwan 1996: 191). Daneben stellt die Unternehmensgröße eine kritische Determinante dar. So gelten Klein- und Mittelbetriebe im Allgemeinen als wenig weiterbildungsaktiv (Grünewald/ Moraal 1996: 42, Weiß 1994: 51 und 1998: 27 ff.), und damit ist ihr Bedarf an betrieblichem Weiterbildungspersonal als geringer einzuschätzen. In diesen Unternehmen herrscht die Entsendung der Teilnehmer zu externen Seminaren als Weiterbildungsform vor (Weiß 1998: 28). Unternehmen ab einer Zahl von 1000 Mitarbeitern veranstalten gewöhnlich auch interne Lehrveranstaltungen (Weiß 1998: 28) und haben daher Bedarf an Personal, welches sich dieser Aufgaben annimmt. Damit gelten größere Unternehmen tendenziell als potentielle Arbeitgeber für Weiterbildner. Nach einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes sind dies lediglich 4 % der deutschen Unternehmen, die über einen eigenständigen Arbeitsbereich „berufliche Weiterbildung“ verfügen (2002: 10). Für Weiterbildner bieten sich auch alternative Karrierewege an. Insbesondere die berufliche Selbständigkeit als Verhaltenstrainer oder Lehrender bildet für erfahrenes
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Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
Personal eine Option. Zumal die formalen Markteintrittsbarrieren fehlen, da die Berufsbezeichnung Trainer nicht geschützt ist. Insgesamt dominieren kleinere Trainingsanbieter. Nach der jährlich vom Verlag managerSeminare durchgeführten Untersuchung (Muskatewitz/ Busch 2002) beschäftigen zwei Drittel der auf dem Weiterbildungsmarkt tätigen Seminarinstitute maximal fünf Mitarbeiter. In der Mehrzahl arbeiten die Trainer jedoch allein oder zu zweit (50,3 %). Die Befunde verdeutlichen, dass es übliche Geschäftspraxis ist, bei Bedarf mit externen Trainern zusammenzuarbeiten (ebenda: 40). Die Geschäftsentwicklung der selbständigen Trainer ist zwiespältig: Während im Jahr 2001 noch etwa 50 Prozent der Weiterbildungsanbieter mehr Aufträge als im Vorjahr verzeichneten (ebenda: 76 ff.), dürfte die Marktsituation im Jahr 2002 eher auf eine Verschärfung hindeuten. Bei einer Betrachtung der potentiellen Arbeitgeber für Weiterbildner darf nicht übersehen werden, dass eine Vielzahl der Studienabsolventen mit dem Berufsziel Weiterbildung auch artfremde Tätigkeiten nach ihrem Studium aufnehmen. So kommt eine Untersuchung von Bremer Erwachsenenbildner zum Schluss: „Nur 15 der insgesamt 57 Absolventen, die auf unsere Befragung geantwortet haben, arbeiten tatsächlich auf Stellen für hauptberufliche Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung“ (Peters/ Schrader: 1996: 62). Bevorzugt werden Funktionen, die über eine gewisse Nähe zu pädagogischen Fragestellungen verfügen: von der Sozialpädagogik über die Arbeit an der Hochschule bis hin zum Schulbuchverlag. Aber auch völlig artfremde Tätigkeiten werden angenommen (vgl. ebenda). Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass es für Weiterbildner das Profil eines typischen Arbeitgebers nicht gibt. Zu vielfältig sind in praxi die Arbeitsformen. Stark abhängig ist der Bedarf nach betrieblichem Weiterbildungspersonal von der Branchenzugehörigkeit, der Unternehmensgröße und der Weiterbildungsaktivität. Gemessen an diesen drei Faktoren sind insbesondere größere Unternehmen des Dienstleistungsbereichs, des Bergbaus, des Energiesektors, die Verkehrswirtschaft sowie die Organisationen ohne Erwerbscharakter potentielle Arbeitgeber von Weiterbildnern. 4.2.2 Quantitative Personalbedarfe Der quantitative Bedarf an betrieblichem Weiterbildungspersonal spiegelt sich im Stellenmarkt von Tageszeitungen wider. Er gilt nach wie vor als ein wichtiges Medium zur Personalsuche, schließlich informiert sich eine große Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer mittels einer Zeitung über das Stellenangebot (vgl. Lichius 1999: 137). Von besonderem Interesse sind die überregional erscheinenden Tageszeitungen, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), die Frankfurter Rundschau, Die Welt und die Süddeutsche Zeitung (SZ). Sie verfügen über eine starke Verbreitung in Deutschland. Allein die FAZ und SZ haben mit Abstand die höchste Auflage (600.000 bzw. 650.000 Stück) und den umfangreichsten Stellenmarkt in Deutschland mit 50 – 100 bzw. 50 Anzeigen je Woche (consultants 2004). Damit kann davon ausgegangen werden, dass Trendlinien in diesen Stellenmärkten eine
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gewisse „Repräsentativität“ besitzen, natürlich gilt dies nicht in einem strengen statistischen Sinne. Dazu fehlen Aussagen über die Beschaffenheit der Grundgesamtheit und der Stichprobe. Diese sind – wie oben ausgeführt - nur schwierig zu ermitteln, weil bisher keine verlässlichen Daten zur Grundgesamtheit aller betrieblichen Weiterbildner existieren. Lediglich die FAZ veröffentlicht regelmäßig Zahlen über ihren Stellenmarkt. Damit steht sie alleine da, denn die Verlage gehen nicht unbedingt offensiv mit der Veröffentlichung statistischer Daten über ihren Stellenmarkt um (vgl. Lichius 1999: 136 f.). Nach Angaben der FAZ schwankt die Anzahl der ausgeschriebenen Stellen im Berufsfeld Personal, Sozialwesen und Weiterbildung71 erheblich. Wird als Vergleichsmaßstab das gesamte Anzeigenaufkommen herangezogen, so wird deutlich, dass die Entwicklungslinien beider Maßstäbe relativ gleichförmig verlaufen (vgl. Abbildung 7). Während das gesamte Volumen von 1998 auf 2000 um 15,7 % zunahm, stiegen auch die Gesuche im Berufsfeld Personal, Sozialwesen und Weiterbildung um 11,8 %. Der Rückgang von 2000 zu 2003 schlug insgesamt mit –79,5 % zu Buche und in dem zu analysierenden Cluster mit –79,3 %. Daraus lässt sich mit einiger Vorsicht ableiten, dass das Berufsfeld Personal, Sozialwesen und Weiterbildung zyklisch mit der allgemeinen Arbeitsmarktsituation schwankt. Somit handelt es sich bei dem quantitativen Bedarf an Weiterbildnern um eine anscheinend konjunkturabhängige Größe. Auch wenn der Bedarf an betrieblichen Weiterbildnern offensichtlich mit der wirtschaftlichen Konjunktur schwankt, so sollte die Bedeutung der Bedarfssituation nicht überschätzt werden. Eine Studie72 der Technischen Universität Berlin weist daraufhin, dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in erheblichem Ausmaß Arbeitsplätze gewechselt werden und nicht wie häufig angenommen eine schwierige Arbeitsmarktlage die Fluktuationsneigung nachhaltig senkt. Trotz Unterbeschäftigung bleibt gemäß dieser Untersuchung Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Absicht, den Arbeitsplatz zu wechseln, nahezu unverändert (vgl. Boerner et al. 1996: 20). „Eine gleichbleibende Fluktuationsneigung auch bei Unterbeschäftigung bedeutet somit, dass offensichtlich die durch Unsicherheit und Unzufriedenheit verursachte
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Eine feinkörnigere Auswertung nimmt die Redaktion der Zeitung nicht vor.
72
Diese Untersuchung basiert als Sekundäranalyse auf dem Sozioökonomischen Panel (SOEP) in den Jahren 1991 bis 1994. Die Stichprobengröße wird von den Autoren mit 10.000 Personen aus Ost- und Westdeutschland angegeben. Explizit werden auch ausländische Befragungspersonen berücksichtigt (vgl. Boerner/Maier/Schramm 1996: 4). Die Datenanalyse bedient sich der multiplen Klassifikationsanalyse, die den Einfluss von Arbeitsunsicherheit, Arbeitsmarktchancen und Arbeitszufriedenheit auf die Fluktuationsneigung zu ermitteln erlaubt (ebenda: 18).
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Die Relevanz der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
‚Druckmotivation’ die nachlassende, durch wahrgenommene Chancen in alternativen Beschäftigungsverhältnissen begründete ‚Zugmotivation’ für einen Arbeitsplatzwechsel kompensiert.“ (ebenda). Eine dauerhaft schwierige Wirtschaftslage führt dazu, dass nur die besonders qualifizierten und am Arbeitsmarkt begehrten Mitarbeiter eine mögliche Wechselabsicht in die Tat umsetzten können (vgl. ebenda: 20 f.). Damit entsteht für Unternehmen die Gefahr einer negativen Auslese (vgl. William/ Livingston 1994 nach Boerner et al. 1996: 21). „Gute“ Arbeitskräfte verlassen das Unternehmen, jene mit einer geringeren Arbeitsmarktmobilität verbleiben.
Stellenanzeigen für die Funktionen Personal, Weiterbildung und Sozialwesen 10000 9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0
Personal, Weiterbildung, Sozialwesen Gesamtaufkommen (Faktor 10)
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Abbildung 7: Anzahl der Stellenanzeigen im Berufsfeld Personal, Sozialwesen und Weiterbildung (FAZ 2004)
Dincher et al. weisen auf ein weiteres Risiko hin: Können Mitarbeiter ihren Wunsch nach Arbeitgeberwechsel nicht realisieren, dann könnte sich eine Fluktuation „aufstauen“ (vgl. Dincher/ Ehreiser/ Nick 1989: 90). Damit ist gemeint, dass die Wechselwilligen, aber nicht –fähigen nur auf eine Gelegenheit warten, das Unternehmen zu verlassen. Die Folge kann sich in dysfunktionalem Verhalten oder „innerer Kündigung“ der Betroffenen äußern (vgl. Boerner et al. 1996: 22). Auch wenn die Argumentation der Studie in dem letztaufgeführten Punkte nicht empirisch unterfüttert wird, sind diese Befunde von Interesse. Schließlich gehen die Autoren von einem Drohpotenzial aus: Wenn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine
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Fluktuationsneigung des Mitarbeiters angesichts fehlender Alternativen nicht realisiert werden kann, dann können aufgrund eines „Fluktuationsstaus“ motivationale Probleme auftreten bzw. das Fluktuationsereignis zeitlich später einsetzen (vgl. ebenda). In der quantitativen Perspektive lässt sich festhalten, dass der Bedarf an betrieblichem Weiterbildungspersonal ähnlich verläuft wie die gesamte Nachfrage an Fach- und Führungskräften. Zumindest weist die Auswertung des Stellenmarktes der FAZ auf diesen Trend hin. Damit dürften Anstrengungen zur Mitarbeiterbindung dann angezeigt sein, wenn die Beschaffungssituation besonders schwierig ist. Eine Studie der Technischen Universität Berlin belegt indes, dass dieser Schluss einseitig ist. Danach können fehlende Bleibeanreize in Arbeitsmarktsituationen mit einem überschießenden Angebot an Weiterbildnern zu einem vordergründigen Verbleib des Mitarbeiters im System betriebliche Weiterbildung führen. Mit Besserung der Arbeitsmarktsituation kann dieser „Stau“ dann zu fluktuierendem Verhalten führen. 4.2.3 Qualitative Bedarfe Wird der Fokus des quantitativen Bedarfs erweitert und werden qualitative Aspekte berücksichtigt, so ist zunächst auffällig, dass im Vergleich zu anderen Stellenanzeigen überproportional häufig Leitungspersonen für die betriebliche Weiterbildung gesucht werden (Sorg-Barth 2000: 184). Auch wird von den Mitarbeitern regelmäßig eine mehrjährige Berufserfahrung gefordert. Hinsichtlich der Kompetenzanforderungen kann auf das Kapitel 2.2 verwiesen werden. Demnach sind die Erwartungen hoch gesteckt. Sie reichen von typischen weiterbildungsspezifischen Kenntnissen (bspw. Einsatz moderner Lehr- und Lernmethoden sowie didaktisches Handeln) über allgemeine methodische Fähigkeiten bis hin zum unternehmerischen Denken und Handeln. Etwas abstrakter zusammengefasst gilt: „Herausragende Fähigkeiten im Kompetenzprofil des betrieblichen Weiterbildners sind eine akademische Fachausbildung, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit und Durchsetzungsvermögen sowie Motivation und allgemeine persönliche Kompetenz.“ (Sorg-Barth 2000: 185). Dabei sind die Weiterbildner im hohen Maße selbst verantwortlich für ihre eigene Kompetenzentwicklung. Sie können auf vielfältige Weise einen Beitrag zur Bildung ihres Berufsprofils leisten, Position beziehen, Netzwerke bilden und sich professionell darstellen (vgl. Lehner/ Fredersdorf 2003: 128). Die Abbildung 8 veranschaulicht einen prototypischen Bildungs- und Berufsweg.
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Die Weiterbildner-Qualifikation
Präsenzstudium Bildungsmanagement
Branchenspezifische Weiterbildnerausbildung
Fernstudium Bildungsmanagement
Seminare aus Erwachsenenund Weiterbildung
Mehrjährige Weiterbildnertätigkeit
Hochschulstudium
Berufsausbildung
Studium Erziehungswissenschaft / Schwerpunkt Weiterbildung
Abbildung 8: Bildungs- und Berufsweg von betrieblichen Weiterbildnern (in Anlehnung an Lehner/ Fredersdorf 2003: 129)
4.2.4 Fazit Im Hinblick auf die zu diskutierende Begründungslinie „Arbeitsmarktsituation als Motiv für Mitarbeiterbindung“ lässt sich festhalten, dass die kompetenzmäßigen Anforderungen an betriebliche Weiterbildner besonders hoch sind. Insbesondere wird von ihnen neben einer adäquaten wissenschaftlichen Ausbildung ein hohes Maß an unterschiedlichen Kompetenzen erwartet. Diese zu erwerben, setzt eine mehrjährige Berufserfahrung und Zusatzqualifikationen voraus (Sorg-Barth 2000: 211 ff.). Somit handelt es sich bei Weiterbildnern um hochqualifizierte Wissensarbeiter. Einige Anzeichen sprechen dafür, dass der Bedarf an betrieblichen Weiterbildnern abhängig ist von der gesamten Arbeitsmarktsituation. Zumindest verlaufen die Änderungsraten der Stellenanzeigen gleichförmig mit dem Gesamtaufkommen. Damit werden die für die Zukunft prognostizierten demografischen Effekte auch relevant für die Beschaffung von Weiterbildnern. Spätestens ab 2010 wird das Angebot an qualifizierten Weiterbildnern wahrscheinlich knapp. Besonders betroffen davon werden die größeren Unternehmen der Versicherungs- und Kreditwirtschaft, des Bergbaus und Energiesektors, der Verkehrswirtschaft sowie die Organisationen ohne Erwerbscharakter sein. Sie gelten als besonders weiterbildungsaktiv. Diese Aussage
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gilt nur unter der Voraussetzung, dass ihre Weiterbildungsaktivität auch in der Zukunft anhält. Verschärft wird die Situation dadurch, dass berufserfahrene Weiterbildner sich selbständig niederlassen können. Eine Option, die neben größeren Freiheitsgraden und Risiken auch größere finanzielle Anreize bieten kann. In der aktuellen wirtschaftlichen Lage scheint sich dieser Effekt weniger abzuzeichnen. Es drängen eher berufserfahrene Weiterbildner auf den Arbeitsmarkt, was zu einem Überschussangebot führt. Trotzdem sollte nicht übersehen werden, dass fehlende Bindungssignale in wirtschaftlichen angespannten Situationen zu einem erst später wirksam werdenden „Fluktuationsstau“ führen können. Somit liefert die Arbeitsmarktsituation stichhaltige Motive für die Bindung von Weiterbildungspersonal. Sollten die Befunde zum „Fluktuationsstau“ zutreffend sein, so sprechen diese dafür, Mitarbeiterbindung proaktiv zu betreiben. 4.3 Mitarbeiterbindung - eine sine qua non für die betriebliche Weiterbildung? Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird versucht, die eingangs aufgeworfenen Leitfragen abschließend zu beantworten. Diese lauteten: Lohnt die Beschäftigung mit der ‚Bindung von Weiterbildungspersonal’ in praxi? Und: Inwiefern besitzen Maßnahmen zur Bindung von Weiterbildnern im betrieblichen Alltag eine Relevanz? Mit Blick auf die in diesem Kapitel diskutierten Begründungslinien ergibt sich ein klares Fazit: Die Bindung von Weiterbildungspersonal hat ihre praktische Relevanz und daher lohnt die Beschäftigung mit ihr. Diese Einsicht fußt auf den weiter oben kritisch diskutierten Begründungslinien. In einer betriebswirtschaftlichen Analyse (Kapitel 4.1) wurde gezeigt, dass die grundsätzliche Wirkung von Fluktuation abhängig ist von der Beschäftigungssituation des Unternehmens. Im Fall eines Personalüberhangs kann das freiwillige Ausscheiden von Mitarbeitern aus dem Unternehmen helfen, diesen sozialverträglich zu vermindern. Analog dazu verursacht die Fluktuation bei gleichbleibendem oder steigendem Personalbedarf erhebliche Kosten. Diese resultieren zum einen aus der Wiederbesetzung der Vakanz und zum anderen aus den auftretenden Opportunitätskosten in Form von Ausfall- und Einarbeitungszeiten. Daneben droht ein deutlicher Wissensabfluss. Dieser ist besonders bedeutsam, weil die Weiterbildungsleistung eng mit der Person des Weiterbildners verbunden ist und somit sein Wissen zentral für die Leistungserbringung ist. Ein Verlust an Wissen kann die Funktionsfähigkeit des Systems betriebliche Weiterbildung einschränken und damit negativ auf das Suprasystem Unternehmen zurückwirken. Diese Wirkung ist unabhängig von der Beschäftigungssituation. Die Analyse der demografischen Szenarien und der Arbeitsmarktsituation von betrieblichen Weiterbildnern (Kapitel 4.2) liefert unterstützende Argumente für die Relevanz der Mitarbeiterbindung. Zwar sind Szenarien stets Prognosen und müssen deshalb entsprechend vorsichtig interpretiert werden. Doch kommt die obige Analyse zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsmarktsituation ein nachhaltiges Motiv für die
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Bindung von Weiterbildnern liefern kann. Wenn die demografischen Prognosen zutreffend sind, nach denen das Potential an erwerbstätigen Menschen in Deutschland bis zum Jahre 2010 deutlich sinken wird, dann wird sich auch die Beschaffungssituation verschlechtern. Konkret: Der Bedarf an betrieblichem Weiterbildungspersonal wird schwerer am externen Arbeitsmarkt zu decken sein. Dies gilt umso mehr, da die Qualifikationsanforderungen von dieser Mitarbeitergruppe besonders hoch gesteckt sind und einige vor der Entscheidung stehen, eine attraktive Selbständigkeit aufzunehmen. Daneben muss das oben geschilderte Phänomen der „gestauten Fluktuation“ berücksichtigt werden. Wenn es zutrifft, dass Weiterbildner bei fehlenden Bindungsanreizen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wechseln, dann ist die Mitarbeiterbindung eine permanente Aufgabe. Somit lassen sich Begründungslinien herleiten, die in wohl definierten Umweltsituationen eine gezielte Mitarbeiterbindung von Weiterbildnern rechtfertigen. Inwieweit tatsächlich davon gesprochen werden sollte, dass sie eine sine qua non darstellt, erscheint hingegen fraglich. Die aufgezeigten negativen Wirkungen der Fluktuation sind zwar ernst zu nehmen und können, wenn eine größere Anzahl der Mitarbeiter betroffen ist, zu deutlichen dysfunktionalen Effekten führen. Ob dadurch das gesamte System Weiterbildung ernsthaft gefährdet ist, muss jedoch vorsichtig eingeschätzt werden. Schließlich lässt sich neues Weiterbildungspersonal am externen Arbeitmarkt rekrutieren; dies aber meist zu erhöhten Kosten und unter Billigung der erläuterten negativen Effekte.
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5 Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung In den vorangegangenen Kapiteln wurde das Erkenntnisobjekt dieser Arbeit – die Bindung von betrieblichen Weiterbildnern – theoretisch aufgearbeitet und analytisch zugespitzt. Daneben wurde die praktische Relevanz der Fragestellung begründet. Gegenstand des folgenden Abschnitts ist es darzulegen, auf welchen Annahmen und auf welchem Modellverständnis die vorliegende empirische Untersuchung basiert. Dazu werden zunächst das entwickelte Modell vorgestellt und anschließend die dazugehörigen Arbeitshypothesen erläutert. Mit Hypothesen sind in diesem Zusammenhang verbalisierte generelle Vermutungen über Eigenschaften der „tatsächlichen“73 Welt und über deren Gesetzmäßigkeit gemeint. Diese Herangehensweise basiert auf einem analytisch-nomologischen74 Wissenschaftsverständnis. Es wird davon ausgegangen, dass die Welt geordnet, strukturvoll und geregelt ist. “D.h. die einzelnen Gegenstände stehen in geordneter Weise miteinander in Beziehung, sie bilden eine Struktur; Ereignisfolgen laufen nach gleichbleibenden Regeln (‚Gesetzen’) ab; für jedes Ereignis muss es eine Ursache oder auch eine komplexe Menge von Ursachen geben (Kausalitätsprinzip). Unter solchen Gegebenheiten besteht die Aufgabe der Wissenschaftler darin, die in der Welt der Tatsachen herrschenden Strukturen und Gesetzmäßigkeiten zu ‚entdecken’.“ (Kromrey 2000: 25). Gegen diese Position wird von Kritikern75 eingewandt, dass Menschen sich in der Interaktion miteinander ihre Regeln und Gesetzmäßigkeiten immer wieder neu schaffen und damit sich nicht festgelegten Mustern unterwerfen (vgl. Lamnek 1995: 6 ff., Kromrey 2000: 26 ff.). Die analytisch-nomologische Position verneint keinesfalls die Bedeutung von Interaktionen im sozialen Kontext. Sie geht vielmehr davon aus, dass auch situationsspezifische unterschiedliche Bedeutungszuschreibungen nicht beliebig erfolgen, sondern auch sozialen Regelmäßigkeiten unterliegen. Diese gilt es aufzudecken und herauszuarbeiten. Die Entwicklung des Modells erfolgt unter Rückgriff auf das in den Kapiteln 2 und 3 ausgebreitete Theorieverständnis. In diesem Sinne ist das Vorgehen deduktiv. Bei der Formulierung der Hypothesen liegt ein besonderes Augenmerk auf: der präzisen und eindeutigen Formulierung, einem hohen Informationsgehalt, der logischen Konsistenz sowie der empirischen Überprüfbarkeit (vgl. Bortz 1999: 4 ff., Friedrichs 1990: 103 ff.).
73
Vgl. zu den Problemen, die mit dem Begriff der „tatsächlichen“ Welt verbunden sind, die Position des Konstruktivismus (bspw. Legewie 1998).
74
Zum Teil wird diese Position auch als deduktiv-nomologisch bezeichnet (Kromrey 2000: 28).
75
Zu den Kritikern der analytisch-nomolgischen Position zählen insbesondere die Vertreter der qualitativen Sozialwissenschaft (vgl. Lamnek 1995).
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Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
5.1 Bausteine eines Modells zur Bindung von Weiterbildnern Das dieser Arbeit zugrunde liegende Modell veranschaulicht die folgende Übersicht:
Organisationseinheit Weiterbildung
Organisationale Determinanten Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung Weiterbildungstyp
Demografische Merkmale
Mitarbeiteranzahl in der Weiterbildung Beziehung zum Vorgesetzten
Gesamtunternehmen
Personale Determinanten
Arbeitszufriedenheit
Variety Seeking Branchenzugehörigkeit Unternehmensgröße
Spezifisches Organisationales Commitment • affektiv • kalkulatorisch • normativ
Konsequenz
Verbleibeabsicht
Unspezifisches Organisationales Commitment • affektiv • kalkulatorisch • normativ
Arbeitsplatzgefahr
Abbildung 9: Modell der Bindung von Weiterbildnern
Insgesamt handelt es sich um ein heuristisches Modell mit 10 Variablen und 3 MetaVariablen76, die miteinander in Beziehung stehen. Es basiert auf dem dreidimensionalen Commitmentverständnis von Meyer und Allen (1997). Das Organisationale Commitment wird als das zentrale Konstrukt zur Erklärung der Verhaltensintention „Verbleibeabsicht“ aufgefasst. Damit ist die „Verbleibeabsicht“ als abhängige Variable des Modells zu bezeichnen. Es wird angenommen, dass das Konstrukt
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Mit dem Begriff der Meta-Variable ist gemeint, dass sich diese aus weiteren Variabeln zusammensetzt. Konkret handelt es sich dabei um die demografischen Merkmale sowie das spezifische und unspezifische Commitment.
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Organisationales Commitment von einer Reihe anderer Größen beeinflusst wird77. Diese werden unterschieden in personale und organisationale Determinanten. Zu den personalen Determinanten zählen demografische Daten wie das Geschlecht, Lebensalter, die Betriebszugehörigkeit, Anzahl der Arbeitgeber- und Wohnortwechsel, der höchste Bildungsabschluss und die hierarchische Position im Unternehmen. Daneben wird die Stärke der Arbeitszufriedenheit und die Neigung zum Variety Seeking als individuelle Bedingungen konzeptualisiert. Die organisationalen Determinanten lassen sich unterteilen in eine Mikro- und eine Makroebene. Die erstgenannte ist gleichbedeutend mit der Organisationseinheit betriebliche Weiterbildung und umfasst den Stellenwert der Weiterbildung, die Art des Weiterbildungstyps, die Anzahl der Mitarbeiter in der betrieblichen Weiterbildung sowie die Beziehung zum direkten Vorgesetzten. Auf der Makroebene bildet das Gesamtunternehmen den Rahmen und beinhaltet die Unternehmensgröße, die Branchenzugehörigkeit sowie die Arbeitsplatzgefahr. Es wird angenommen, dass die Einflussstärken der einzelnen Determinanten unterschiedlich sind. Im Folgenden werden die angenommenen Wirkungsweisen präzisiert in Form von operationalisierbaren Hypothesen. Dazu werden zunächst die Bezugsobjekte des Organisationalen Commitments erläutert, anschließend die Bedingungen des Konstruktes aufgezeigt und seine Konsequenzen dargelegt. 5.1.1 Bezugsobjekte des Organisationalen Commitments Weiter oben wurde gezeigt, dass in den meisten Untersuchungen zum Organisationalen Commitment als Bezugsobjekt das gesamte Unternehmen gewählt wird, und auf die Schwächen dieser Vorgehensweise hingewiesen (vgl. Kapitel 3.1.4). In diesem Modell wird stärker differenziert. Das Bezugsobjekt bildet zum einen die ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ sowie zum anderen das ‚Gesamtunternehmen’. Dem entsprechend werden die Begriffe spezifisches78 bzw. unspezifisches79 Organisationales Commitment eingeführt. Anders formuliert: Es wird angenommen, dass das Organisationale Commitment bezogen auf das gesamte
77
Somit ist das Organisationale Commitment sowohl als abhängige (in Bezug auf die Bedingungen) als auch als unabhängige Variable (als prägendes Konstrukt für die Verbleibeabsicht) zu bezeichnen.
78
Das spezifische Organisationale Commitment bezieht sich auf die Organisationseinheit Weiterbildung. Der Begriff „spezifisch“ wird daher gewählt, weil das Bezugsobjekt trennscharf definiert werden kann.
79
Das unspezifische Organisationale Commitment bezieht sich auf das Gesamtunternehmen. Aufgrund des recht vagen Bezugsobjekts wird der Terminus „unspezifisch“ verwendet (vgl. dazu ausführlich Kapitel 3.1.4).
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Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
Unternehmen sowie auf eine spezifische Organisationseinheit unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Daraus ergeben sich folgende Hypothesen: H1: Die ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ und das ‚Gesamtunternehmen’ unterscheiden sich in ihrer Ausprägung des affektiven Commitments. Es wird angenommen, dass die affektive Commitmentkomponente in einem höheren Maße beeinflusst wird vom unmittelbaren Arbeitsumfeld als von dem eher abstrakten Bezugsobjekt Gesamtunternehmen. Dafür spricht die Annahme, dass die emotionale Beziehung eines Individuums mit seiner Organisation über sein unmittelbares Umfeld „vermittelt“ wird: also über Kollegen, Vorgesetzte, Arbeitsbedingungen etc. Inwieweit dies unbedingt zu einem höheren Commitment führt, ist offen. Sind die Bedingungen im unmittelbaren Arbeitsumfeld dem Commitment abträglich, so kann die Ausprägung in Bezug auf das Gesamtunternehmen höher sein. Daher wird bewusst eine ungerichtete Hypothese benutzt. H2: Die ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ und das ‚Gesamtunternehmen’ unterscheiden sich in ihrer Ausprägung des kalkulativen Commitments. Dem Konzept des kalkulativen Commitments unterliegt die Vorstellung einer individuellen Kostenkalkulation. Mitarbeiter verbleiben im Unternehmen, um den Ertrag aus getätigten Investitionen nicht zu verlieren oder weil sie sich mit einem Arbeitsplatzwechsel allgemein schlechter stellen würden. Die Hypothese basiert darauf, dass die überwiegende Anzahl der Faktoren, die Gegenstand der „Kalkulation“ sind, auf der Ebene des Gesamtunternehmens verankert sind. Dazu zählt beispielsweise die Pensionsansprüche, die Aufstiegschancen, der Dienstwagen etc. Daher wird davon ausgegangen, dass sich die Ausprägung des kalkulativen Commitments hinsichtlich des Bezugsobjekts unterscheidet. H3: Die ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ und das ‚Gesamtunternehmen’ unterscheiden sich in ihrer Ausprägung des normativen Commitments. Wie im Kapitel 3 erläutert, verstehen Meyer und Allen unter der normativen Commitmentkomponente eine Verpflichtung des Individuums gegenüber der Organisation. Als eine mögliche Ursache dieser Verpflichtung wird das LeistungsGegenleistungs-Prinzip genannt: Der Mitarbeiter erfährt eine besondere Förderung und fühlt sich daher in der „Schuld“ zu bleiben. Inwieweit dieser Aspekt das Organisationale Commitment prägt, hängt von der Art der Attribuierung des Mitarbeiters ab. Fördert bspw. der direkte Vorgesetzte den Mitarbeiter, so dürfte das auf die Organisationseinheit bezogene Organisationale Commitment stärker ausfallen als bezogen auf das Gesamtunternehmen. Dieser Effekt ist unsicher: Das normative Commitment hängt auch im hohen Maße von der individuellen Sozialisationserfahrung des Mitarbeiters ab. Akzeptiert er bspw. das Leistungs-GegenleistungsPrinzip oder ist er mit normativen arbeitsbezogenen Regeln in seinem Elternhaus konfrontiert worden? Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit wird davon ausgegangen, dass das normative Commitment sich zwar in seiner Ausprägung unterscheidet, dass aber die Richtung unbestimmt ist.
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5.1.2 Bedingungen des Organisationalen Commitments Nachdem die Annahmen hinsichtlich der Ausprägung des Organisationalen Commitments bei unterschiedlichen Bezugsobjekten erläutert sind, sollen die Bedingungen des Commitments vorgestellt werden. Im vorliegenden Modell wird grundsätzlich in personale und organisationale Determinanten unterschieden. Diese Zweiteilung ist eine Vereinfachung. Einige Variablen müssten in einer strengen Betrachtung eher als „Sowohl-Als-Auch-Bedingung“ bezeichnet werden. Schließlich ist bspw. die Arbeitszufriedenheit zwar eine individuelle Größe, die aber aus einer Bewertung des organisationalen Alltags entsteht. Bewusst wird diese Unschärfe in Kauf genommen, um die eigentliche Fragestellung der Mitarbeiterbindung nicht durch einen unnötigen Komplexitätszuwachs zu verstellen. 5.1.2.1 Personale Determinanten Unter personalen Determinanten werden in diesem Modell Variablen verstanden, die im hohen Maße individuell unterschiedlich sind und Einfluss auf die Ausprägung des Organisationalen Commitments nehmen. Es sind dies die demografischen Merkmale (a), die Arbeitszufriedenheit (b) und die Neigung zum Variety Seeking (c). Ad a) Demografische Merkmale In den meisten empirischen Untersuchungen zum Organisationalen Commitment werden auch Zusammenhänge zwischen demografischen Merkmalen und der Ausprägung des Commitments berücksichtigt. Insgesamt sind diese keineswegs eindeutig, so dass weiterer Forschungsbedarf notwendig ist (vgl. Kapitel 3.1.2 ff.). In dem hier zu entwickelnden und später zu überprüfenden Modell werden die folgenden demografischen Merkmale berücksichtigt: Geschlecht, Lebensalter, höchster Bildungsabschluss, Dauer der Betriebszugehörigkeit (gesamt und in der betrieblichen Weiterbildung), hierarchische Position, Anzahl der Vorarbeitgeber sowie Anzahl der Wohnortwechsel. Die folgenden Arbeitshypothesen finden Verwendung: H4: Das Geschlecht steht in keinem Zusammenhang mit dem Organisationalen Commitment. Auch wenn einige wenige Untersuchungen zum Organisationalen Commitment einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und dem Commitment herausgearbeitet haben (vgl. Meyer/ Allen 1997: 43), zeigen Meta-Analysen (bspw. Mathieu/ Zajac 1990), dass diese Befunde anzuzweifeln sind. Auch in diesem Modell wird davon ausgegangen, dass Frauen wie Männer ähnliche Ausprägungen des Organisationalen Commitments aufweisen. Es lässt sich im Übrigen auch keine sachlogische Argumentation finden, die einen Unterschied herleiten würde. H5: Das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit stehen im positiven Zusammenhang mit dem kalkulatorischen Commitment.
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Es findet sich in der Literatur eine Vielzahl an demografischen Merkmalen, von denen angenommen wird, dass sie positiv auf die Mitarbeiterbindung wirken. Insbesondere das Lebensalter und die Beschäftigungsdauer gelten als mögliche Bedingungsfaktoren für das kalkulative Commitment (Haase 1997: 154). Dabei entspringen die Begründungslinien der vereinfachten Annahme: Je älter ein Weiterbildner ist und je länger er in einem Unternehmen tätig war, desto geringer sind seine Vermittlungschancen am Arbeitsmarkt. Insbesondere scheint eine typische Grenze bei Ende 40 bzw. Anfang 50 gesehen zu werden. Davon losgelöst dürfte er auch mit steigendem Alter und Betriebszugehörigkeit weniger zur Fluktuation bereit sein. Diese abnehmende Flexibilität kann mit Gewöhnung an Arbeitsbedingungen, Anwartschaften auf eine betriebliche Rente, einer gewissen Abhängigkeit von Sozialleistungen des Unternehmens wie bspw. einer Betriebswohnung, einem intensiven sozialen Netzwerk im Unternehmen, Immobilienbesitz und einem vertieften Freundeskreis begründet werden. Somit beruht die Hypothese auf zwei grundlegenden Annahmen: zum einen der abnehmenden Chance auf Vermittlung mit zunehmendem Alter und zum anderen dem gestiegenen Investitionsvolumen80 des Mitarbeiters bei längerer Betriebszugehörigkeit. Wenn diese beiden Annahmen zutreffen, dann steht die Ausprägung des kalkulativen Commitments in einem positiven Zusammenhang mit dem Lebensalter und der Betriebzugehörigkeit. Diese Aussage wird in dieser Arbeit einem Falsifikationsversuch unterzogen, weil in der Literatur häufig davon ausgegangen wird, dass das Lebensalter und die Beschäftigungsdauer keine zuverlässigen Prädiktoren für das kalkulative Commitment sind. H6: Die hierarchische Position steht im positiven Zusammenhang mit dem Organisationalen Commitment. Grundsätzlich wird angenommen, dass je exponierter die Position eines Mitarbeiters in der Hierarchie ist, desto stärker ist das Commitment ausgeprägt (Haase 1997: 154). Diese Einschätzung ist zu relativieren: Zwar darf angenommen werden, dass mit gehobener hierarchischer Position (bspw. in der Funktion der Führungskraft) die Freiheitsgrade zunehmen und damit eine stärkere Möglichkeit zur Selbstverwirklichung besteht. Dies wiederum dürfte zufriedenheitsstiftend sein, was wiederum das Commitment erhöht. Doch können intrapersonelle Rollenkonflikte bspw. bei einem betriebsbedingten Arbeitsplatzabbau dem Bindungsverhalten abträglich sein. In dem vorliegenden Modell wird die erstgenannte Wirkrichtung stärker eingeschätzt und daher ein positiver Zusammenhang von hierarchischer Position und Ausprägung des Commitments unterstellt. H7: Ein höherer Bildungsabschluss steht im negativen Zusammenhang mit dem affektiven und kalkulatorischen Commitment.
80
Vgl. zur Modellierung des kalkulativen Commitments als Investition Kapitel 3.1.2.2.
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Meyer und Allen gehen davon aus, dass „[the] educational level appears [not] to be consistently related to affective Commitment. … the relations between these variables and commitment might be moderated by other Organizational or personal factors.” (Meyer/ Allen 1997: 44). Trotz dieser pessimistischen Einschätzung der beiden Autoren des dreidimensionalen Commitmentkonzepts wird in dem vorliegenden Modell ein Zusammenhang unterstellt: nämlich ein negativer. Diese Hypothese fußt auf der Annahme, dass mit einem höheren Bildungsabschluss die Mobilität im Beruf und die Karriereorientierung steigen können. Schließlich haben diese Individuen besonders viel in ihre Ausbildung investiert und dürften auch zukünftig bereit sein, Opfer zu erbringen und Risiken - wie einen Arbeitgeberwechsel – einzugehen. Trifft diese Annahme zu, dann müsste sich dies in einer niedrigen affektiven Bindung, aber auch kalkulatorischen Bindung niederschlagen. H8: Die Anzahl der Wechsel des Wohnorts und der Arbeitgeber steht im negativen Zusammenhang mit dem affektiven und kalkulatorischen Commitment. Mit dieser Hypothese werden vergangenheitsbezogene Daten bzw. Ereignisse benutzt, um Prognosen für die Zukunft zu erhalten. Die einfache Argumentation lautet: Wer sich in der Vergangenheit flexibel gezeigt hat bezüglich des Wechsels des Wohnorts und des Arbeitgebers, der wird dies auch in der Zukunft tun. Gegen diese Aussage muss eingewandt werden, dass eine Prognose auf Basis von extrapolierten ex post Daten immer unter hoher Unsicherheit erfolgt. Somit ist sie nicht unbedingt zuverlässig. Wird trotzdem angenommen, dass diese einfache Argumentation zutrifft, dann ergibt sich die obige Hypothese zwangsläufig: Eine in der Vergangenheit gezeigte Wechselbereitschaft macht eine Wechselbereitschaft wahrscheinlicher, und dies wiederum setzt geringe kalkulative Commitmentwerte voraus. Ad b) Arbeitzufriedenheit In den Anfängen der Commitmentforschung war die Grenzziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Organisationalem Commitment schwierig. Mittlerweile hat es sich in der Forschungsgemeinschaft durchgesetzt, die beiden Konstrukte isoliert voneinander zu operationalisieren (vgl. Kapitel 3.1.3). Für diese Arbeit ist das Konstrukt Arbeitszufriedenheit besonders wichtig. Im Kapitel 2.2.3 wurde der Weiterbildner als Wissensarbeiter charakterisiert, der seine Organisation danach beurteilt, ob sie ihm die Freiheit einräumt, sein Wissen selbständig zu pflegen und zu erweitern. Gewöhnlich zählt dieser Aspekt zur Arbeitszufriedenheit und wird auch bei der Fragebogenkonstruktion entsprechend stark gewürdigt. Es finden insgesamt drei Hypothesen Verwendung, um das Verhältnis des Konstruktes Arbeitszufriedenheit mit dem Organisationalen Commitment zu charakterisieren: H9: Je höher die Arbeitszufriedenheit, desto höher ist das spezifische affektive Commitment.
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Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
In den vorliegenden empirischen Studien wird überwiegend eine starke positive Korrelation beider Konstrukte vorgefunden (vgl. bspw. den Überblick bei Moser 1996: 64 ff.). Dies bezieht sich auf die affektive Commitmentkomponente (vgl. Meyer/ Allen 1997: 45). Von diesem Zusammenhang wird auch in diesem Modell ausgegangen, insbesondere gemessen auf der Ebene Organisationseinheit Weiterbildung. Daher wird die oben formulierte Hypothese benutzt. H10: Der positive Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und dem spezifischen affektiven Commitment ist stärker als der von Arbeitzufriedenheit und unspezifischem affektivem Commitment. Aufgrund des ähnlichen Bezugsobjektes des spezifischen Commitments und der Arbeitszufriedenheit - das unmittelbare Arbeitsumfeld – wird ein stärkerer Zusammenhang zwischen diesen beiden Konstrukten angenommen als im Verhältnis zum unspezifischen Commitment. H11: Es existiert kein Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit und dem kalkulativen und normativen Commitment. Das kalkulative und normative Commitment fußt auf anderen Motiven81 als das dem Konstrukt Arbeitszufriedenheit nahestehende affektive Commitment. Daher wird eine neutrale Beziehung zwischen der Arbeitszufriedenheit und diesen Commitmentkomponenten erwartet. Ad c) Variety Seeking Das aus der Konsumentenforschung übernommene Konstrukt des „Variety Seeking“ wird in dem vorliegenden Modell in zweifacher Weise wirksam. Zum einen liegt die Vermutung nahe, dass eine Person, die über ein starkes Bedürfnis nach Abwechslung verfügt, grundsätzlich ein geringeres Organisationales Commitment aufweist. Schließlich kollidiert der starke Wunsch nach Abwechselung mit einer hohen Identifikation und Bindung82. Auch dürften für diese Personen kalkulative Überlegungen (kalkulatives Commitment) und Werthaltungen, die eine besondere Loyalität betonen (normatives Commitment), eine geringere Rolle spielen. Entsprechend wird formuliert: H12: Je stärker die Neigung zum Variety Seeking, desto geringer ist das Organisationale Commitment. Darüber hinaus wird das Konstrukt losgelöst vom Organisationalen Commitment konzeptualisiert. Es wird im Rückgriff auf die bestehenden Befunde der
81
Vgl. ausführlich zu den Konzepten die Kapitel 3.1.2.2 und 3.1.2.3.
82
Es sei denn, die eigentliche Aufgabe bietet im hohen Maße die Möglichkeit, die Neigung zum Variety Seeking auszuleben. Dies dürfte im Aufgabenfeld der betrieblichen Weitebildung eher unwahrscheinlich sein.
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Konsumentenforschung angenommen (vgl. Kapitel 3.2.2.5), dass Mitarbeiter mit einer starken Neigung zum Variety Seeking grundsätzlich eine geringere Verbleibeabsicht aufweisen, unabhängig davon, wie stark ihr Organisationales Commitment ausgeprägt ist. Diese Hypothese findet sich weiter unten im Abschnitt 5.1.3. 5.1.2.2 Organisationale Determinanten Nachdem die Annahmen zur Wirkung der personalen Determinanten präzisiert sind, wird der Blick auf die organisationalen Determinanten gerichtet. Mit ihnen sind Variablen gemeint, die der Organisation entspringen und das Organisationale Commitment beeinflussen. Dabei wird analytisch unterschieden zwischen Variablen auf der Ebene der Organisationseinheit Weiterbildung und dem Gesamtunternehmen. 5.1.2.2.1 Auf der Ebene der Organisationseinheit Weiterbildung Bei den Modellvariablen, die das Organisationale Commitment beeinflussen - auf der Ebene der Organisationseinheit Weiterbildung -, handelt es sich um den Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung (a), die Art des Weiterbildungstyps (b), die Mitarbeiteranzahl in der Organisationseinheit Weiterbildung (c) sowie die Beziehung zum Vorgesetzten (d). Ad a) Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung Im Kapitel 2.3 wurde darauf hingewiesen, dass die Alltagswirklichkeit der Weiterbildner nicht unbedingt commitmentfördernd ist. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Frage nach dem Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung. Anders formuliert: Welche Bedeutung genießt die Arbeit der Weiterbildner im Unternehmen? Oder: Wie wichtig werden die Aktivitäten des Weiterbildungspersonals im Unternehmen angesehen? Insgesamt zwei Hypothesen bilden die Zusammenhänge des Stellenwertes der betrieblichen Weiterbildung mit dem Organisationalen Commitment ab. H13: Je höher der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung im Unternehmen, desto stärker ist das affektive Commitment. Weiter oben wurde gezeigt, dass das affektive Commitment neben anderen Faktoren durch die Arbeitserfahrungen des Mitarbeiters in der Organisation beeinflusst wird (vgl. Kapitel 3.1.2.1). Erhält ein Individuum wenig Anerkennung für seine geleistete Arbeit, so dürfte dies als negative Arbeitserfahrung interpretiert werden, was sich in einem geringen affektiven Commitment niederschlagen kann. Dieser Grundgedanke spiegelt die obige Hypothese wider: Ist der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung hoch, dann erhält der Weiterbildner Anerkennung für seine Arbeit und seine Ergebnisse werden zur Kenntnis genommen. Damit dürfte das affektive Commitment hoch ausgeprägt sein.
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H14: Die restlichen Commitmentarten sind vom Faktor Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung im Unternehmen unabhängig. Das kalkulative und normative Commitment bezieht sich weniger auf Arbeitserfahrungen, sondern auf getätigte Investitionen bzw. generalisierte Wertvorstellungen. Für diese Commitmentarten ist es unerheblich, inwieweit die Leistung des Weiterbildners im Unternehmen geschätzt wird. Somit wird von einer neutralen Beziehung des kalkulativen und normativen Commitments zum Stellenwert der Weiterbildung ausgegangen. Ad b) Art des Weiterbildungstyps In Anlehnung an Bäumer (1999) werden in dem vorliegenden Modell vier Weiterbildungstypen unterschieden (vgl. Kapitel 2.1.3). Es handelt sich dabei um den nachfrage-dienstleistenden, strategie-unterstützenden, ressourcen-basierten sowie rudimentären Typ. Dem liegt die Vermutung zu Grunde, dass der herrschende Weiterbildungstyp das Organisationale Commitment beeinflusst. Als Hypothese wird angenommen: H15: Weiterbildner, die in einer Einheit tätig sind, die einem strategieunterstützenden Weiterbildungstypen entspricht, verfügen über ein höheres affektives Commitment als die Weiterbildner anderer Weiterbildungstypen. Diese Aussage basiert darauf, dass Weiterbildner im strategieunterstützenden Weiterbildungstypen deutlich positivere Arbeitserfahrungen machen dürften als Weiterbildner in anders ausgerichteten Einheiten. Schließlich zeichnet sich der strategieunterstützende Weiterbildungstyp durch Merkmale aus, die als commitmentförderlich interpretiert werden können: Die Weiterbildung genießt in den Unternehmen, die diesen Typus wählen, einen hohen Stellenwert. Sie erfolgt in enger inhaltlicher und zeitlicher Nähe zur unternehmensstrategischen Planung. Dieser Weiterbildungstypus verfügt über einen hohen Ausbaustand in allen Teilsystemen. Kurzum, er ist in hohem Maße professionalisiert (vgl. dazu ausführlich Kapitel 2.1.3). Damit einhergehen dürfte ein gewisser Stolz auf die eigene Arbeit und die Organisationseinheit Weiterbildung. Beides gilt als förderlich für das affektive Commitment. Ad c) Mitarbeiteranzahl in der Organisationseinheit Weiterbildung Einige Arbeiten verweisen darauf, dass die Größe einer Organisationseinheit die Ausprägung des Commitments beeinflusst (Batemann/ Strasser 1984). Trotzdem lassen insbesondere die meta-analytischen Studien Zweifel an diesen Befunden aufkommen: „Overall, however, the evidence regarding these links is neither strong nor consistent.“ (Mathieu/ Zajac 1990: 189). Auch in dem vorliegenden Modell wird eine pessimistischere Position eingenommen: H16: Die Mitarbeiteranzahl in der Organisationseinheit Weiterbildung steht in keinem Zusammenhang mit der Stärke des Organisationalen Commitments. Dieser Hypothese liegt die Annahme zu Grunde, dass kleinere Organisationseinheiten eigentlich identitätstiftender sein müssten als große. Sie zeichnen sich durch eine
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größere Nähe zu Kollegen und Führungskräften aus. Da aber ohnehin das direkte Arbeitsumfeld wie bspw. das Arbeitsteam diese Funktion übernimmt, dürfte es unerheblich sein, wie groß die Gesamteinheit tatsächlich ist. Vielmehr scheint entscheidend, wie die Beziehung zum Vorgesetzten und den Kollegen (Betriebsklima) ist. Somit müsste das Organisationale Commitment unabhängig von der Größe der Einheit sein. Ad d) Beziehung zum Vorgesetzten In der betrieblichen Praxis wird davon ausgegangen, dass nicht Unternehmen, sondern nur Menschen von Mitarbeitern „verlassen“ werden. Damit wird die herausragende Rolle des direkten Vorgesetzten und seines Führungshandelns für die Verbleibeabsicht betont83. Auch in der organisationspsychologischen Forschung finden sich Hinweise, die die Rolle des Vorgesetzten betonen. Schließlich prägt das Führungshandeln das unmittelbare Arbeitsumfeld nachhaltig. Damit dürfte das spezifische affektive Commitment stark von der Qualität der Beziehung zum Vorgesetzten abhängen. Auch die im Kapitel 3.2.2.4 aufgeführten empirischen Befunde weisen in diese Richtung. Als Hypothese wird formuliert: H17: Je besser die Beziehung zum Vorgesetzten beurteilt wird, desto stärker ist das spezifische affektive Commitment. Die anderen Commitmentkomponenten könnten durch eine besonders hohe Qualität der Beziehung zum Vorgesetzten beeinflusst sein. Im Sinne eines Halo-Effektes84 könnte diese „überstrahlt“ werden. Zwar beziehen sich die anderen Commitmentarten entweder auf ein anderes Bezugsobjekt (unspezifisches Commitment) oder bilden andere Motive ab (kalkulatives und normatives Commitment), doch wird von einer beeinflussenden Wirkung ausgegangen. Aufgrund der wenig zu präzisierenden Wirkrichtung wird eine ungerichtete Hypothese benutzt. Somit wird formuliert: H18: Die restlichen Commitmentarten stehen in einem Zusammenhang zur Beziehung zum Vorgesetzten. 5.1.2.2.2 Auf der Ebene des Gesamtunternehmens Zu den Modellvariablen, die auf der Ebene des Gesamtunternehmens das Organisationale Commitment beeinflussen, werden drei gezählt: die Branchenzugehörigkeit (a), die Unternehmensgröße (b) und die Arbeitsplatzgefahr (c). Ad a) Branchenzugehörigkeit
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Vgl. dazu auch die Anleihen aus der Theorie der Bankloyalität im Kapitel 3.2.2.3.
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Der Halo-Effekt ist ein Sonderfall von Eindrucksverzerrungen: Besonderes gute oder schlechte Eigenschaften werden bei der Beurteilung einer Person generalisiert (vgl. für viele Forgas 1999: 61).
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Dem Autor ist keine Studie bekannt, die signifikante Zusammenhänge von Branchenzugehörigkeit und Organisationalem Commitment hervorgebracht hat. Trotzdem lohnt sich für die in dieser Arbeit zu diskutierende Fragestellung eine nähere Betrachtung. Schließlich gilt die Branche, in der das Unternehmen tätig ist, als ein systemgestaltendes Merkmal der betrieblichen Weiterbildung (vgl. dazu ausführlich Kapitel 2.1.3). Anders formuliert: Je nach Branchenzugehörigkeit kann die Alltagswirklichkeit für die Weiterbildner anders gestaltet sein, und damit könnte das Organisationale Commitment unterschiedlich ausgeprägt sein. Ob und inwieweit diese Argumentation tragfähig ist, muss angezweifelt werden. Im Kapitel 3.1.1 ff. wurde dargelegt, dass das Commitment von einer Vielzahl von Variablen beeinflusst wird. Diese wirken unterschiedlich stark. Es ist wahrscheinlich, dass etliche andere Variablen besser für das Organisationale Commitment als Prädiktor geeignet sind. Daher wird ein neutraler Zusammenhang unterstellt: H19: Die Branchenzugehörigkeit steht in keinem Zusammenhang mit der Stärke des Organisationalen Commitments. Ad b) Unternehmensgröße Weiter oben wurde bereits der Frage nach dem Einfluss der Größe der Organisationseinheit auf das Commitment nachgegangen. Die Forschungslage ist dazu uneindeutig. Noch schwieriger, als den Einfluss der Größe der Organisationseinheit zu begründen, ist es im Falle des Gesamtunternehmens. Warum sollte ein mittleres Großunternehmen85 eine andere Bindungskraft entfalten als ein „großes“ Großunternehmen? Aus diesem Grunde wird von einer neutralen Beziehung ausgegangen: H20: Die Unternehmensgröße (Anzahl der Mitarbeiter) steht in Zusammenhang mit der Stärke des Organisationalen Commitments.
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Ad c) Arbeitsplatzgefahr Die Variable „Arbeitsplatzgefahr“ wird in diesem Modell als organisationale Determinante auf der Ebene Gesamtunternehmen verortet. Damit wird der Tatsache Ausdruck gegeben, dass die Entscheidung zum Arbeitsplatzabbau eher gesamtunternehmerische Projekte sind denn Einzelmaßnahmen in spezifischen Organisationseinheiten86. Es wird von folgender Beziehung ausgegangen: H21: Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, den Arbeitsplatz zu verlieren, desto geringer ist das affektive Commitment.
85
In dieser Arbeit werden ausschließlich deutsche Großunternehmen untersucht.
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Natürlich kann die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes auch durch das individuelle Verhalten des Mitarbeiters hervorgerufen werden und muss nicht Ursache eines größeren Personalabbauprozesses sein. Somit ist die hier getroffene Kennzeichnung der Variable als organisationale Determinante auf der Ebene Gesamtunternehmen nicht in jedem Fall sachgerecht.
Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
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Weiter oben wurde argumentiert, dass das affektive Commitment neben anderen Faktoren durch die Arbeitserfahrungen des Mitarbeiters in der Organisation beeinflusst wird. Erhält ein Individuum wenig Anerkennung für seine geleistete Arbeit, so dürfte dies als negative Arbeitserfahrung interpretiert werden, was sich in einem geringen affektiven Commitment niederschlagen kann. Fraglich ist, ob eine andere Arbeitssituation konstruierbar ist, die derart negativ erlebt wird wie der drohende Arbeitsplatzverlust. Somit wird davon ausgegangen, dass die Sorge um den Arbeitsplatz dem affektiven Commitment abträglich ist. 5.1.3 Konsequenzen des Organisationalen Commitments Die abhängige Variable des Modells ist die Verbleibeabsicht. Damit ist die Intention gemeint, im Unternehmen auch zukünftig zu verbleiben. In Anlehnung an die in den Kapiteln 2 und 3 herausgearbeiteten Konzepte werden fünf Beziehungen unterstellt. Die ersten drei beziehen sich auf den Zusammenhang von Verbleibeabsicht und dem Organisationalen Commitment. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass das Organisationale Commitment mit der Verbleibeabsicht korreliert (vgl. Kapitel 3.1.2 ff.). Dieser Zusammenhang wird auch in dem vorliegenden Modell für die Arten des spezifischen wie für das unspezifische Commitment angenommen. Entsprechend wird formuliert: H22: Je stärker das spezifische Organisationale Commitment ausgeprägt ist, desto stärker ist die Absicht, im Unternehmen zu verbleiben. H23: Je stärker das unspezifische Organisationale Commitment ausgeprägt ist, desto stärker ist die Absicht, im Unternehmen zu verbleiben. Ziel einer Modellbildung zur Mitarbeiterbindung ist es nicht nur, vermutete empirische Zusammenhänge darzustellen, sondern auch zu Prognosen zu gelangen. Somit ist fraglich, welche Größe sich als Prädiktor der Verbleibeabsicht eignet. Die organisationspsychologische Forschung unterstellt dem Organisationalen Commitment eine derartige Eigenschaft (vgl. Kapitel 3.1.2.4). Aufgrund der in dem vorliegenden Modell analytischen Zweiteilung in spezifische und unspezifische Commitments ist es von Interesse, welche Größen besser die Verbleibeabsicht vorhersagen können. Es wird von folgender Beziehung ausgegangen: H24: Das spezifische affektive Commitment ist ein besserer Prädiktor für die Verbleibeabsicht als das unspezifische. Diese Annahme stützt sich auf dem Gedanken, dass das affektive Commitment eine besondere Bedeutung für die Verbleibeabsicht besitzt (vgl. Kapitel 3.1.2.1). Weiter oben wurde bereits begründet, dass die affektive Commitmentkomponente in einem höheren Maße beeinflusst wird vom unmittelbaren Arbeitsumfeld als von dem eher abstrakten Bezugsobjekt Gesamtunternehmen (vgl. Kapitel 5.1.1). Somit müsste das spezifische affektive Commitment besser geeignet sein, die Verbleibeabsicht zu prognostizieren, als das unspezifische.
106
Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
Neben diesen drei Beziehungen, die sich auf das Organisationale Commitment beziehen, werden zwei weitere zur Verbleibeabsicht unterstellt. Es sind dies die Neigung zum Variety Seeking sowie die Arbeitsplatz(un)sicherheit. H25: Je stärker die Neigung zum Variety Seeking, desto geringer ist die Verbleibeabsicht. Weiter oben wurde die Wirkung der Neigung zum Variety Seeking beschrieben (vgl. Kapitel 5.1.2.1). Im Rückgriff auf die bestehenden Befunde der Konsumentenforschung wird angenommen, dass Mitarbeiter mit einer starken Neigung zum Variety Seeking grundsätzlich eine geringere Verbleibeabsicht aufweisen, unabhängig davon, wie stark ihr Organisationales Commitment ausgeprägt ist. Schließlich ist ihr Wunsch nach Abwechselung weniger eine „Laune“ als eine manifeste Persönlichkeitseigenschaft (vgl. Kapitel 3.2.2.5). Die drohende Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes stört nachhaltig das affektive Commitment (vgl. Kapitel 5.1.2.2). Aufgrund der zentralen Bedeutung des affektiven Commitments für den Verbleibewunsch wird davon ausgegangen, dass der drohende Verlust eines Arbeitsplatzes auch zu einer geringen Verbleibeabsicht führt. In Hypothesenform: H26: Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, den Arbeitsplatzes zu verlieren, desto geringer ist die Verbleibeabsicht. 5.2 Zusammenfassung der zentralen Annahmen des Modells Die vorstehend dargelegten Annahmen des Modells lassen sich in einer Übersicht zusammenfassen: Lediglich die Hypothesen 1 bis 3 und 24 sind ausgespart, weil sie keine Wirkrichtungen besitzen, sondern unterschiedliche Ausprägung von Variablen zum Gegenstand haben. Bei den grafisch dargestellten Beziehungen handelt es sich entweder um positive (+), negative (-) oder neutrale (0) Zusammenhänge der Variablen. Die Tabelle 10 erläutert, welche Abkürzungen benutzt wurden. Die Darstellung unterscheidet sich deutlich von dem am Kapitelanfang gezeigten Modell. Es stehen weniger die gesamthaften Bezüge im Vordergrund als die im Detail hinterlegten Hypothesen. Diese werden weiter unten im bivariaten, das gesamte Modell hingegen im multivariaten Analyseteil überprüft. Somit ist die Übersicht eine Ergänzung zur Abbildung 13.
Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
107
Mitarbeiteranzahl in Weiterbildung Geschlecht
o
Arbeitsplatzgefahr
-
-
-
Verbleibeabsicht
Branche Unternehmensgröße
0
+
Variety Seeking
SOCA
SOCC
SOCN
UOCA
UOCC
UOCN
0
+
+
Arbeitszufriedenheit
+
+ 0 Stellenwert der Weiterbildung
+
Weiterbildungstyp
Bildungsabschluss
+ Beziehung zum Vorgesetzten
0
+
Hierarchische Position
Lebensalter
-
Betriebszugehörigkeit
Anzahl der Wohnungs- und Arbeitgeberwechsel
Abbildung 10: Zentrale Annahmen des Modells
Tabelle 10: Legende zur Zusammenfassung der zentralen Annahmen des Modells Abkürzung
Bedeutung
SOCA
Spezifisches Organisationales Commitment, affektiv
UOCA
Unspezifisches Organisationales Commitment, affektiv
SOCC
Spezifisches Organisationales Commitment, kalkulativ
UOCC
Unspezifisches Organisationales Commitment, kalkulativ
SOCN
Spezifisches Organisationales Commitment, normativ
UOCN
Unspezifisches Organisationales Commitment, normativ
5.3 Grenzen des Modells Grundsätzlich ist kritisch zu notieren, dass jedes menschliche Verhalten durch komplexes Zusammenwirken vieler Variablen beeinflusst ist und eine Auswahl weniger Variablen sowie das Erstellen von Modellen immer eine Reduktion bedeutet,
108
Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
die mehr oder weniger angemessen sein kann (vgl. Nachtigall/ Wirtz 1998: 197 f.). Dies ist schlicht systemimmanent (vgl. Kromrey 2000: 21 ff.). Es finden sich daneben Argumente, die die Reduktion rechtfertigen. Zum einen dient die Modellbildung mit der damit verbundenen Komplexitätsreduktion der Beschreibung und Erklärung von realen Phänomenen. Würde es gelingen, Modelle als Abbild der Realität mit dem gleichen Komplexitätsgrad zu formulieren, so wäre die Orientierung in ihnen eingeschränkt. Dieses Phänomen lässt sich gut an einer Landkarte veranschaulichen: Ein Modell, welches vollständig die Realität abbildet, ist genauso wenig hilfreich wie eine Landkarte im Maßstab 1:1. Zum anderen müssen forschungsökonomische Gründe hervorgebracht werden. „Die Praktikabilität von Verfahren erfordert immer eine Einschränkung der Anzahl der untersuchten Variablen, sonst wächst die Zahl der benötigten Versuchspersonen über jedes realisierbare Maß, der Aufwand für die notwendigen Untersuchungen würde jeden vertretbaren Rahmen sprengen.“ (Nachtigall/ Wirtz 1998: 198). In diesem Sinne ist das oben dargestellte Modell eine Verkürzung der Realität. Die angedeutete Diskussion mag deutlich gemacht haben, dass die Sehnsucht nach dem „realen Modell“ für Humanwissenschaftler unerfüllt bleiben muss. Es ist eine weitere grundlegende Begrenzung zu nennen. Diese basiert auf dem Fokus des Modells. In dieser Arbeit wird untersucht, was prägend auf die abhängige Variable „Verbleibeabsicht“ von betrieblichen Weiterbildnern einwirkt. Naturgemäß ist mit dieser Fragestellung nicht erfasst, inwieweit die Absicht auch zu einer tatsächlichen Fluktuationshandlung führt. Damit liefert das Modell sehr wohl Aussagen über eine Veränderungsmotivation, nicht jedoch über deren –volition87. Daneben wird in dem Modell die Dimension Zeit nicht berücksichtigt. Konkret: Wie schnell ändert sich bspw. die Verbleibeabsicht, wenn sich das affektive Commitment verringert? Das Modell unterstellt einen synchronen Zusammenhang, der nicht mit der Realität übereinstimmen muss. Weiter ist kritisch anzuführen, dass im Theorieteil überwiegend auf angloamerikanische und deutschsprachige Literatur zurückgegriffen wurde. Damit ist die Theoriebasis kulturell westlich geprägt. Es bleibt offen, inwieweit andere Kulturkreise (insbesondere asiatische Kulturen) das Phänomen der Mitarbeiterbindung anders interpretieren und somit zu einem gänzlich anderen Modell kommen würden. Eine fünfte grundsätzliche Kritik ist in der gewählten Form der Modellbildung zu sehen. Am Anfang dieses Kapitels wurde das Vorgehen als deduktiv gekennzeichnet. Durch diese Herangehensweise ergibt sich eine naturgemäße Abhängigkeit von
87
In der psychologischen Forschung wird im Rahmen des Rubikonmodells eine Handlung in die Phasen prädezisionale Motivation, präaktionale Volition, aktionale Volition sowie postaktionale Motivation unterschieden. Für die eigentliche Handlung werden die zweite und dritte Phase verantwortlich gemacht (vgl. Heckhausen 1989: 212 ff.). Gegenstand dieser Arbeit ist lediglich die Verbleibeabsicht, also die erste und zweite Phase.
Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
109
bereits existierenden wissenschaftlichen Arbeiten. Diese ist notwendig, denn schließlich sollen sich nach einem kumulativen Wissenschaftsverständnis neue Forschungen auf Bestehendes beziehen und ältere Erkenntnisse weiterentwickeln. Neuberger nennt diesen Umstand auch „Wissenschaft als Abschreibungsgesellschaft“ (2002: VIII). Die Übernahme der in der Vergangenheit herausgearbeiteten Befunde birgt aber auch Risiken: • Die ursprünglichen Ergebnisse sind mit einer fragwürdigen Methodik88 erhoben worden; • sie sind unvollständig89 oder • sie wurden bewusst oder unbewusst manipuliert90. Diesen Risiken ist entgegenzuhalten, dass viele der benutzten Konzepte in einem anderen Kontext meist mehrfach bestätigt wurden (bspw. Organisationales Commitment, Arbeitszufriedenheit, Beziehung zum Vorgesetzten). Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass sie fehlerhaft sind. Dies ist bei der abschließenden Würdigung der empirischen Ergebnisse zu berücksichtigen.
88
Bei Durchsicht der einschlägigen Literatur zur Organisationspsychologie wird deutlich, dass viel Zeit und Mühe aufgewendet wird, um den Autoren methodische Schwächen oder Fehler nachzuweisen. Nicht zuletzt hat auch der Methodenstreit zwischen der quantitativen und qualitativen Schule dazu einen Beitrag geleistet.
89
So arbeitet die psychologische Forschung häufig mit Studenten als Versuchspersonen. Diese sind leicht zu beschaffen, liefern jedoch nicht für jede Fragestellung zuverlässige Ergebnisse.
90
Mehrere spektakuläre Betrugsfälle in der Science Society nähren den Verdacht, dass Ergebnisse manipuliert werden (Hochschulverband 2000).
110
Das Modellverständnis der vorliegenden Untersuchung
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
111
6 Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln ein Theorie- und Modellverständnis der Mitarbeiterbindung von Weiterbildungspersonal entwickelt wurde, ist es Ziel dieses Abschnitts, die methodischen Grundlagen der empirischen Untersuchungen zu erhellen. Die Studie dient dazu, die in Form von Hypothesen hinterlegten Begründungszusammenhänge mittels statistischer Verfahren zu überprüfen. Dieses Vorgehen lässt sich, wie bereits im Kapitel 5 angedeutet, methodologisch zum quantitativen Paradigma der empirischen Sozialforschung zählen und wird als „Inferenzstatistik“ (Bortz 1999: 1) bezeichnet91. Es steht in der Tradition der analytisch-nomologischen Position, ausformuliert als kritischer Rationalismus, sowie des Empirismus (vgl. Kromrey 2000: 25 ff., Lamnek 1995: 258, Mayer 2002: 15 ff.). Der Grundgedanke dieser Denkschule ist es, ex ante formulierte Hypothesen zu überprüfen, um auf dieser Basis zu genaueren Hypothesen oder Theorien zu kommen. Für Popper gilt: „Was die wissenschaftliche Einstellung und die wissenschaftliche Methode von der vorwissenschaftlichen Einstellung unterscheidet, das ist die Methode der Falsifikationsversuche. Jeder Lösungsversuch, jede Theorie, wird so streng, wie es nur möglich ist, überprüft.“ (1996: 26). Dabei ist mitgedacht, dass Aussagen und Theorien nicht zu verifizieren sind. Es lässt sich lediglich eine „Annäherung an die Wahrheit“ durch die „kritische Diskussion von konkurrierenden Theorien“ schaffen (ebenda: 39). Der Forscher übernimmt im Verständnis des quantitativen Paradigmas die Rolle des unabhängigen, kritischen Beobachters. Dabei besteht seine Aufgabe darin, Merkmale und Regelmäßigkeiten, die dem Erkenntnisobjekt innewohnen, abzubilden. Er benützt standardisierte Instrumente zur Datenerhebung und statistische Verfahren zur Datenauswertung (vgl. Lamnek 1995: 258). Dadurch soll sowohl die intersubjektive Replizierbarkeit als auch eine Generalisierbarkeit gewährleistet werden. In diesem Grundverständnis sollen wissenschaftliche Aussagen wertfrei92 sein.
91
Auch wenn sich die Vorgehensweise überwiegend als quantitativ charakterisieren lässt, ist dies streng genommen unscharf. Letztendlich wohnt auch in der Inferenzstatistik ein „qualitativer Geist“. Jede Frage mit offenen Antwortmöglichkeiten öffnet Interpretationsspielräume. Und auch der übliche Blick auf das Datenmaterial hinsichtlich weiterer Auffälligkeiten jenseits der Hypothesen ist streng genommen nicht hypothesenüberprüfend, sondern -generierend. Ebenfalls zählt die weiter unten angewendete Methode zur Typologisierung der Bindungstypen eher zu den hypothesengenerierenden Verfahren (siehe Kapitel 7.4). Aufgrund der vorherrschenden Perspektive dieser Untersuchung wird im Folgenden die Methode trotzdem als quantitativ bezeichnet.
92
Darüber, ob und inwieweit die Wissenschaft tatsächlich frei von Einflüssen durch die persönliche Meinung und politische Weltanschauung des Forschers ist, wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Die als „Werturteilsstreit“ bezeichnete Debatte ist bis
112
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Das quantitative Paradigma hat seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts „Konkurrenz“ durch die qualitative Schule93 in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Diskussion erhalten. Es resultiert aus „dem Unbehagen an der unreflektierten Anwendung herkömmlicher Forschungsverfahren“ (Lamnek 1995: 1). Gegen das quantitative Paradigma wird u.a. vorgebracht, dass es das Erkenntnisinteresse von vornherein auf das tatsächlich Gegebene beschränkt und nur standardisierbare und quantifizierbare Erfahrungsdaten betrachtet (vgl. ebenda: 8 f.). Die qualitative Schule tritt vielmehr an, um „die erforschte Realität zutreffend zu deuten.“ (Kromrey 2000: 519). Dazu ist es notwendig, „die subjektiven Sichtweisen, Deutungsmuster und Denkschemata der Erforschten als Bestandteil ihrer ‚Lebenswelt’ prinzipiell mitzuerheben. Der Prozess der Datengewinnung wird als ‚kommunikative Leistung’ angesehen, bei dem umgangssprachliche Äußerungen und (Alltags-)Handlungen – die Datenbasis – nur aus dem Verständnis für den Gesamtkontext der Erhebungssituation heraus zu begreifen sind.“ (ebenda). Prinzipiell könnten für die vorliegende Fragestellung beide Herangehensweisen gewählt werden. Daher ist es notwendig, die getroffene Entscheidung für das quantitative Paradigma zu begründen. Grundsätzlich wird in der Literatur argumentiert, dass eine Entscheidung zwischen der qualitativen und quantitativen Schule von dem „Netzwerk von Erkenntnisziel, Gegenstand und Methode als Einheit“ abhängig zu machen ist (Lamnek 1995: 260). Das qualitative Vorgehen wird dann empfohlen, wenn das zu bearbeitende Forschungsfeld wenig erschlossen ist, eine Strukturierung durch Vorarbeiten anderer Forscher nicht gegeben ist und insgesamt wenig gesichertes Wissen über das Erkenntnisobjekt vorliegt (Bortz/ Döring 2002: 53 ff.). Gemäß dieser Ausgangslage hat die Forschungsarbeit einen erkundenden Charakter. In der vorliegenden Problemstellung liegen die Dinge anders. Es existiert eine Vielzahl von unterschiedlich akzentuierten Schriften zur Fluktuation und Mitarbeiterbindung. Bereits 1980 zählten Muchinsky und Morrow über 1500 Arbeiten zum Themenkomplex Fluktuation (Muchinsky/ Morrow 1980: 263). Mittlerweile dürfte im globalen Kontext von einer schier unüberschaubaren Literaturlage ausgegangen werden. Auch wurde im Theorieteil dargelegt, dass intensiv auf bestehende Erkenntnisse anderer Forscher zurückgegriffen wird. Daher wäre es forschungsstrategisch nicht angemessen, explorativ vorzugehen. Vielmehr geht es um die statistische Überprüfung der im fünften Kapitel ausgebreiteten Modellvorstellungen. Diese Form der Studie wird als explanative Untersuchung bezeichnet (Bortz/ Döring 2002: 55). Weiter spricht für dieses Vorgehen, dass im Schwerpunkt organisationspsychologische Fragestellungen betroffen sind. Nach der
heute nicht abgeschlossen (vgl. u.a. Schnell et al. 1999: 83 ff.). Spätestens die Aussagen des Konstruktivismus legen es aber nahe, die Wertfreiheit von Wissenschaft eher als Absichtserklärung zu bezeichnen denn als erreichbares Ideal (vgl. dazu bspw. Legewie 1998). 93
Vgl. ausführlich zum Wesen und der Methodik des qualitativen Paradigmas: Lamnek 1995 Band I und II. und überblicksartig: Mayer 2002: 21 ff.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
113
vorherrschenden Lehre betont die empirische Psychologie das quantitative Paradigma94 (vgl. bspw. Bortz 1999 und Bortz/ Döring 2002). 6.1 Untersuchungsaufbau im Überblick Jede empirische Untersuchung hat einem forschungslogischen Ablauf zu folgen (Friedrichs 1990: 50 ff.). Gedanklich lässt sich dieser im Sinne der quantitativen Schule unterteilen in die Definition des Erkenntnisinteresses, der theorieorientierten Ableitung von Begründungszusammenhängen in Form von Hypothesen und Variablen sowie der Konzeption der eigentlichen Untersuchung.
Erkenntnisinteresse und -ziele
Begründungszusammenhänge
Grundgesamtheit und Untersuchungsstichprobe
• Variablenfestlegung
• Definition der Grundgesamtheit
• Hypothesenbeschreibung
• Ziehen der Stichprobe
Operationalisierung
Wahl der Forschungsmethode • Schriftliche Befragung
Ressourcen
• Erstellung des Fragebogens
• Zeit/ Geld
• Formulierung des Anschreibens
• Kapazität
Erhebung Datenumwandlung Datenanalyse, Auswertung
Abbildung 11: Forschungslogischer Ablauf der Untersuchung (in Anlehnung an Friedrichs 1990: 51)
94
Was nicht bedeutet, dass diese Position in der Psychologie unumstritten ist. Es gibt auch die Forderung, dass die psychologische Forschung deutlich stärker mit qualitativen Methoden arbeiten sollte (vgl. für viele Legewie 1998, Mayring 2002).
114
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Diese setzt sich aus den Handlungsfeldern Wahl der Forschungsmethode, Definition der Grundgesamtheit und Stichprobe, Operationalisierung der Forschungsfragestellung sowie der Auswertung der Daten und ihrer Interpretation zusammen. Neben diesen wissenschaftlichen Erwägungen sind auch forschungsökonomische Kriterien, wie die zur Verfügung stehende Zeit, finanzielle Mittel oder personelle Ressourcen, zu beachten. Für die vorliegende Fragestellung wurde eine Grundstruktur gewählt, die die Abbildung 11 veranschaulicht. Im Folgenden werden die Handlungsfelder der Untersuchung näher erläutert. Dazu wird zunächst die Grundgesamtheit und die Stichprobe definiert, anschließend die Wahl der Forschungsmethoden begründet sowie das erstellte Erhebungsinstrument erläutert. Den Abschluss bilden einige grundsätzliche Anmerkungen zu den vorgesehenen Auswertungsmethoden. 6.2 Grundgesamtheit Die Definition der Grundgesamtheit einer Untersuchung ist ein wichtiger Schritt, um ihren Aussageraum abzugrenzen (vgl. Kromrey 2000: 249 ff., Mayer 2002: 58 ff., Schnell et al. 1999: 247 ff.). Anders formuliert: Die Ergebnisse und Befunde einer Studie gelten maximal für ihre Grundgesamtheit. Diese auf den ersten Blick einfache Aufgabe gestaltet sich in der Umsetzung komplex: Die angestrebte Grundgesamtheit lässt sich selten vollständig und korrekt erfassen (Kromrey 2000: 253). So existieren keine Studien in Form einer verlässlichen Erhebung, die Auskunft über die Anzahl an betrieblichem Weiterbildungspersonal in deutschen Großunternehmen geben. Würden diese Erhebungen vorliegen, dann wären trotzdem Zweifel hinsichtlich ihrer „Fehlerfreiheit“ angebracht. Kromrey verweist darauf, dass selbst staatliche Register, wie die „Einwohnermeldekartei“, nicht geeignet sind, die angestrebte Grundgesamtheit bei einer Befragung mit der Zielgruppe „Einwohner einer Stadt“ abschließend zu definieren (ebenda). Bei einer Vollerhebung zum betrieblichen Weiterbildungspersonal dürften insbesondere ein mangelnder Rücklauf und methodische Fehlerquellen95 die Ergebnisse fraglich machen. Es erweist sich somit als notwendig, Abstand von der eigentlichen Grundgesamtheit zu nehmen und anstelle dessen mit der „Erhebungs-Grundgesamtheit“ zu arbeiten. „Von der eigentlichen (der angestrebten) Grundgesamtheit zu unterscheiden, ist die Erhebungs-Grundgesamtheit (Auswahlgesamtheit). Darunter wird diejenige Gesamtheit von Fällen verstanden, aus der faktisch die Stichprobe gezogen wird.“ (ebenda, Hervorhebungen im Original). Die vorliegende Untersuchung bezieht sich auf das Weiterbildungspersonal in deutschen Großunternehmen. Fraglich ist, welche Auffassung von „deutschen
95
Wäre eine derartige Vollerhebung mittels einer schriftlichen Befragung erfolgt, so wäre eine Vielzahl an potentiellen Fehlerquellen zu notieren. Vgl. für viele Schnell et al. 1999: 330 ff. und 336.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
115
Großunternehmen“ dieser Studie zu Grunde liegt. Grundsätzlich bieten sich zwei Quellen an, um das Begriffsverständnis zu schärfen: Zum einen findet sich im deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) in der Fassung vom 10.12.2001 eine Legaldefinition im § 267. Danach sind drei Kriterien für die Beurteilung der Größenklasse maßgeblich: Die Bilanzsumme (> 13,7 Millionen €uro), die Umsatzerlöse (> 27,5 Millionen €uro) und die Anzahl der im Jahresdurchschnitt beschäftigten Arbeitnehmer (>250 Mitarbeiter). „(3) Große Kapitalgesellschaften sind solche, die mindestens zwei der drei in Absatz 2 genannten Merkmale überschreiten. Eine Kapitalgesellschaft gilt stets als große, wenn sie einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 Wertpapierhandelsgesetzes durch von ihr ausgegebene Wertpapiere ... in Anspruch nimmt oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt worden ist.“ (§ 267 HGB Abs. 3). Zum anderen liegen Studien vor, die darum bemüht sind, den Mittelstand gegenüber Großunternehmen abzugrenzen (vgl. bspw. Günterberger/ Wolter 2002). Sie verweisen auf eine Vielzahl von Indikatoren und die Schwierigkeit der eindeutigen Grenzziehung. Zumindest aus der Gesetzgebung der praktischen Mittelstandspolitik lassen sich eindeutige Betriebsgrößen des Mittelstandes ableiten (vgl. Tabelle 11). Danach gelten als Großunternehmen alle, die die aufgeführten Kriterien überschreiten. Eindeutig ist diese Abgrenzung jedoch nicht, weil bspw. die KfWFörderung andere Kriterien vorsieht als die übrigen Programme. Tabelle 11: Förderprogramme der Mittelstandspolitik und anspruchsberechtigte Unternehmen (Günterberger/ Wolter 2002: 7 ff.) Art des Förderprogramms
Kriterien der Betriebsgröße
ERP-Förderung
Bilanzsumme ≤ 27 Millionen €uro Jahresumsatz ≤ 40 Millionen €uro Mitarbeiter < 250
FuE-Förderung
Bilanzsumme ≤ 27 Millionen €uro Jahresumsatz ≤ 40 Millionen €uro Mitarbeiter < 250
DtA-Förderung
Bilanzsumme ≤ 27 Millionen €uro Jahresumsatz ≤ 40 Millionen €uro Mitarbeiter < 250
KfW-Programme
Jahresumsatz ≤ 500 Millionen €uro
Neben diesen formaljuristischen Definitionen müssen forschungsstrategische Aspekte bei der Begriffsdefinition berücksichtigt werden: Die Qualität der Ergebnisse der
116
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Befragung ist davon abhängig, dass die Teilnehmer der zugesicherten Befragungsanonymität vertrauen und offen antworten. Aus diesem Grund muss eine Mindestanzahl von Weiterbildnern je Unternehmen festgelegt werden. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass die Befragten befürchten, über die demografischen Angaben ermittelbar zu sein. Aufgrund dieses Arguments wird für die vorliegende Untersuchung die Mindestzahl an betrieblichen Weiterbildnern je untersuchtem Unternehmen auf ≥ 8 definiert. Daneben wird eine Obergrenze eingeführt. Zum einen ist ein Oberwert notwendig, um eine Vergleichbarkeit der untersuchten Unternehmen zu gewährleisten. So verfügt bspw. die Deutsche Bahn AG über rund 100 Trainingszentren sowie sieben Seminar- und Gästehäuser. In diesen Einrichtungen sind 700 Trainer und Ausbilder tätig (Deutsche Bahn 2003: 93). Würde der Konzern in die Untersuchung mit aufgenommen, dann würde er neben Unternehmen mit 30 Weiterbildnern stehen. Ein Zerrbild wäre die Folge, und typische statistische Prüfverfahren wären aufgrund der Heterogenität nicht sinnvoll anwendbar. Zum anderen dürften sehr große Weiterbildungseinheiten sich deutlich stärker je Niederlassung unterscheiden; insbesondere dann, wenn sie regional angesiedelt sind. Damit könnte es sich als schwierig erweisen, mit generalisierenden Aussagen wie bspw. zum Typen des Weiterbildungsmanagements zu arbeiten. Aus diesen beiden Motiven wird eine Obergrenze mit 32 Weiterbildnern je Unternehmen festgelegt. Die Erhebungs-Grundgesamtheit wird für die vorliegende Untersuchung definiert: Sämtliche betriebliche Weiterbildner96 in deutschen Großunternehmen, die in einer Organisationseinheit (Weiterbildungsabteilung, Bildungszentrum etc.) mit mindestens 8 und maximal 32 Mitarbeitern arbeiten. Erste Hinweise, um diese Objektgruppe näher zu bestimmen, liefern die von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGfP) veröffentlichten 97 „Personalwirtschaftlichen Kennzahlen“ . Für das Cluster Großunternehmen98 weist die Untersuchung die folgenden Kenndaten der Fort- und Weiterbildung aus (vgl. Tabelle 12). Danach sind in der Fort- und Weiterbildung von deutschen Großunternehmen 0,8 ‰ aller Mitarbeiter eines Unternehmens beschäftigt. Auch
96
Im Sinne des Begriffsverständnisses des Kapitels 2.
97
Diese Erhebung dient der Erfassung von typischen personalwirtschaftlichen Kennzahlen in deutschen Unternehmen. Sie ist untergliedert in die Blöcke: Personalstruktur, Personalaufwand, Weiterbildung, Mehrarbeit, Ausfallzeiten, Fluktuation sowie Vorschlagswesen. An der Untersuchung aus dem Jahre 2002 nahmen insgesamt 62 Unternehmen teil.
98
Wie viele empirische Untersuchungen greift auch die DGfP aus Vereinfachungsgründen auf das Kriterium „Anzahl der Mitarbeiter“ zurück, um Großunternehmen zu definieren. Gewöhnlich wird das Cluster 5000 Mitarbeiter und mehr synonym dem Großunternehmen gesetzt (vgl. für viele Bäumer 1999, DGfP 2002, Kienbaum 2001).
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
117
wenn diese Angabe aufgrund der Art des Wertes (Median) und der starken Streuung99 eher als Richtwert denn als verlässliche Größe interpretiert werden muss, hilft sie zur überschlägigen Berechnung. Tabelle 12: Kapazitäten in den einzelnen Funktionen der Fort- und Weiterbildung in Großunternehmen (mindestens 5.000 Mitarbeiter), Angaben in ‰ der Anzahl der Arbeitnehmer ohne Inaktive, DGfP 2002, Summen eigene Berechung Funktion
Anzahl
Durch- Median
der
schnitt
1. Quartil 3. Quartil Streuung
Nennungen
Leitung der Fort- und Weiterbildung
10
0,09
0,07
0,03
0,16
0,06
11
0,44
0,44
0,07
0,77
0,33
9
0,64
0,29
0,20
0,44
0,60
-
1,17
0,8
0,3
1,37
-
Administration der Fort- und Weiterbildung Mitarbeiter in der Fort- und Weiterbildung
100
Summe
Um die oben eingeführten Mindest- und Maximalgrößen zu erreichen, ergeben sich unter Berücksichtigung des Medians folgende Bandbreiten:
99
Insbesondere ist kritisch an den Ergebnissen anzumerken, dass nicht eindeutig definiert ist, welche Fort- und Weiterbildungsleistungen von den betrieblichen Weiterbildnern selbst erstellt und welche extern dazu gekauft werden. Daraus dürfte die relativ starke Streuung resultieren.
100
Im streng methodischen Sinne ist eine derartige Summenbildung nicht zulässig. Schließlich unterscheiden sich die drei Funktionscluster hinsichtlich ihres Stichprobenumfangs (n = 10, 11 und 9). Selbst bei gleicher Stichprobengröße ist das Ziehen einer Summe aus Medianeinzelwerten bei unterschiedlichen Verteilungen nicht unproblematisch. Dieses methodische Problem wird bewusst in Kauf genommen, um zu einer ersten Konkretisierung der Untersuchungsgesamtheit zu gelangen.
118
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Tabelle 13: Merkmale der Zielunternehmen der Befragung Untere Grenze Anzahl Weiterbildner
Obere Grenze Gesamtanzahl
Anzahl Weiterbildner
Mitarbeiter
≥8
≥ 10.000
Gesamtanzahl Mitarbeiter
≤ 32
≤ 40.000
Die Angaben der gängigen Informationsdienste101 weisen für dieses Cluster unterschiedlich viele Adressen aus. Daher wurden sie hinsichtlich folgender Kriterien telefonisch überprüft102: Gesamtanzahl der Mitarbeiter des Unternehmens sowie Anzahl der betrieblichen Weiterbildner. Das Ergebnis ist eine „korrigierte“ Erhebungs-Grundgesamtheit bestehend aus insgesamt 244 Unternehmen. Trotz dieser Vorgehensweise sind potentielle Fehlerquellen festzuhalten. Die Erhebungs-Grundgesamtheit kann sich von der tatsächlichen Grundgesamtheit durch folgende Umstände unterscheiden: 1. Die von den Firmeninformationsdiensten gelieferten Daten enthalten Lücken, und damit bleiben Unternehmen des Clusters 10.000 bis 40.000 Mitarbeiter unberücksichtigt. 2. Es existieren deutsche Unternehmen, die weniger als 10.000 bzw. mehr als 40.000 Mitarbeiter beschäftigen und trotzdem über die gesuchte Anzahl an Weiterbildnern verfügen. 3. Es werden Unternehmen in die Grundgesamtheit mit einbezogen, die laut Information des Unternehmens über die Zielanzahl von Weiterbildnern verfügen. Diese Information ist jedoch falsch. 4. Aufgrund von Bearbeitungsfehlern des Autors werden Unternehmen aufgenommen, die nicht die Kriterien erfüllen, oder andere ausgespart, die die Kriterien erfüllen. Der erste potentielle Fehler ist nicht vollständig auszuschließen, ist jedoch recht unwahrscheinlich. Der Verband der Vereinten Creditreform e.V. sowie die Hoppenstedt Firmeninformationen GmbH gelten als seriöse Anbieter von Firmeninformationen. In ihrer Selbstbeschreibung heißt es: „Die hohe Qualität und Zuverlässigkeit und die außergewöhnliche Datentiefe dieser Business-Daten stehen für die Nutzer im Vordergrund. ... Die Hoppenstedt Firmendatenbank bietet detaillierte Profile von rund 152.000 Unternehmen und Institutionen, mit
101
Berücksichtigt wurden die Adressen der Informationsdienste Verband der Vereinten Creditreform e.V. sowie Hoppenstedt Firmeninformationen GmbH.
102
Ein besonderer Dank ist in diesem Zusammenhang Ingrid Meifert und Jan Poser geschuldet.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
119
Informationen zu deren rund 460.000 Entscheidern im Top- und Middlemanagement.“ (www.hoppenstedt.de, 18.10.2002). Mehrere Male im Jahr werden Unternehmen von Hoppenstedt angeschrieben und notwendige Änderungen eingepflegt. Über 70 % der Firmen sind bereit, ihre aktuellen Daten zur Verfügung zu stellen. Alle eingehenden Daten werden von den Redakteuren „in die Hand genommen“ und auf Richtigkeit überprüft. Es werden keine Daten ungeprüft von außen in die Datenbank gespielt. Außerdem werten die Redaktionen öffentliche Quellen (Bundesanzeiger, Handelsregister, FAZ, Handelsblatt, Die Welt, Börsenzeitung) sowie Geschäftsberichte und Beteiligungslisten aus. Täglich werden durchschnittlich 1.000 Firmen bearbeitet und über Nacht ins Internet gestellt (telefonische Auskunft von Hoppenstedt, 9.1.2004). Trotz aller angepriesenen Sorgfalt wurden bei der Bearbeitung der Adressen einige wenige Fehler identifiziert und entsprechend das Adressenmaterial für die Studie korrigiert. Die zweite Fehlerquelle ist latent vorhanden und methodisch nicht auszuräumen. Lediglich eine Vollerhebung sämtlicher deutscher Unternehmen könnte dieses Fehlerrisiko zwar minimieren, aber nicht vollständig ausschließen103. Die letzten beiden Fehler lassen sich durch besonders sorgfältiges Vorgehen minimieren. So wurde bei der telefonischen Aufnahme der Mitarbeiteranzahl besonderer Wert auf die Richtigkeit der Angaben gelegt und auch entsprechend hinterfragt. Bei der Erfassung und Bearbeitung dieser Informationen wurden mittels Vieraugenprinzip permanent mögliche Fehler „aufgespürt“. Insgesamt dürfte die aufgezeigte Fehlergefahr nicht nachhaltig die Ergebnisse in Frage stellen. Eine geringe Abweichung in der Erhebungs-Grundgesamtheit zur Realität ist aber möglich. Eine Vollerhebung aller deutschen Großunternehmen ist für die vorliegende Fragestellung aus forschungsökonomischer Sicht ein wenig sinnvolles Unterfangen. Zu groß wäre der Aufwand im Hinblick auf die zu erwartenden Befunde. Damit verbleibt die Möglichkeit einer Teilerhebung. Friedrichs hat vier Forderungen formuliert, die sicherstellen sollen, dass ein Rückschluss von der Stichprobe auf die ErhebungsGrundgesamtheit möglich ist (1990: 125): „1. Die Stichprobe muss ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit hinsichtlich der Heterogenität der Elemente und hinsichtlich der Repräsentativität der für die Hypothesenprüfung relevanten Variablen sein. 2.
Die Einheiten oder Elemente der Stichprobe müssen definiert sein.
3.
Die Grundgesamtheit sollte angebbar und empirisch definierbar sein.
4.
Das Auswahlverfahren muss angebbar sein und die Forderung (1) erfüllen.“
103
Vgl. dazu auch die obige Argumentation zu den methodischen Problemen der Vollerhebung.
120
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Grundsätzlich werden mehrere Verfahren in der Literatur diskutiert, um eine Stichprobe zu generieren, die die oben genannten Kriterien erfüllt. Im vorliegenden Fall wurde die einfache Zufallsauswahl benutzt (vgl. Eckstein 2000: 340 f., Kromrey 2000: 260, Schnell 1999: 255 f.). Für dieses Vorgehen sprach, „dass - innerhalb berechenbarer Fehlergrenzen und mit angebbaren Wahrscheinlichkeiten Repräsentativität für alle Elemente, für alle Merkmale und Merkmalskombinationen sichergestellt werden kann, ohne dass Kenntnisse über die Struktur der Grundgesamtheit vorhanden sein müssen.“ (Kromrey 2000: 273). Trotzdem müssen einige Aspekte der Grundgesamtheit bekannt sein: „Die Ziehung einer einfachen Zufallsstichprobe setzt voraus, dass jedes Untersuchungsobjekt der Population erfasst ist und nach dem Zufallszahlenprinzip ... ausgewählt werden kann.“ (Bortz/ Döring 2002: 403). Dazu wurden – wie oben beschrieben - sämtliche in der Untersuchungsgrundgesamtheit befindlichen Unternehmen kontaktiert, um die Anzahl der hauptamtlich beschäftigten Weiterbildner zu eruieren, sowie die Branchenzuordnung überprüft. 6.3 Stichprobe Die Definition des Stichprobenumfangs ist ein besonders erfolgskritischer Schritt einer Untersuchung. Nur so lassen sich verlässliche statistische Befunde erheben. Es erstaunt daher, dass in vielen Untersuchungen eine Berechnung des notwendigen Stichprobenumfangs im Vorfeld unterbleibt (Friedrichs 1990: 147). Grundsätzlich wird die zu wählende Stichprobengröße u.a. vom Konfidenzintervall und dem – koeffizienten beeinflusst (Bortz 1999: 101 ff.). Nun wird kein Forscher den Stichprobenumfang nur über diese beiden Größen bestimmen, denn schließlich gelten diese ausschließlich für ein Merkmal mit dichotomer Ausprägung (Friedrichs 1990: 145 f.). Nachtigall und Wirtz betonen die Bedeutung der Effektstärke und empfehlen: „Liegt ein kleiner Effekt vor, so kann er nur mit großen Stichproben ‚entdeckt’ werden. Liegen große Effekte vor, so sind diese auch bei kleinen Stichproben testbar.“ (1998: 194). Für die vorliegende Untersuchung ist in Rückgriff auf die Ergebnisse der Commitmentforschung (vgl. Kapitel 3) von einer mittleren Effektsstärke auszugehen. Anhand den gängigen Übersichten lässt sich der optimale Stichprobenumfang bei einem gesetzten Signifikanzniveau von α = 5 % (vgl. dazu Kapitel 6.6) bestimmen.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
121
Tabelle 14: Optimale Stichprobenumfänge für verschiedene Signifikanzteste (Bortz/ Döring 2002: 613) Art des Testes
Stichprobenumfang bei mittlerer Effektstärke und α = 5 %
Korrelation
64
Varianzanalyse df = 1
64
df = 2
52
df = 3
45
df = 4
39
df = 5
35
df = 6
32
Somit ist ein Stichprobenumfang von mindestens 64 zu erreichen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass einige Effekte schwächer ausfallen, wird ein Stichprobenumfang von 100 angestrebt. 6.4 Wahl der Forschungsmethode Aufgrund der angestrebten Stichprobengröße kommt ausschließlich eine schriftliche Erhebung in Betracht. Für diese Vorgehensweise spricht gegenüber einer persönlichen Befragung: der geringere Ressourceneinsatz (Kosten und Zeit), die gute Erreichbarkeit der zu Befragenden, die große räumliche Streuung der Fragebögen, die einfach sicherzustellende Anonymität und damit höhere Aufrichtigkeit bei der Beantwortung, das stärkere Durchdenken der Fragen durch den Antwortenden104 sowie der Wegfall des Einflusses des Interviewers auf das Antwortverhalten (vgl. für viele Friedrichs 1990: 237, Kromrey 2000: 210 ff.). Neben diesen Vorzügen sind auch Nachteile zu notieren. Diese gilt es adäquat im Untersuchungsdesign zu berücksichtigen. Die folgende Auflistung zeigt, welche spezifischen Probleme der Methode in der Literatur (vgl. für viele: Friedrichs 1990: 236 ff. und Kromrey 2000: 210 ff.) diskutiert werden und welche Maßnahmen im Rahmen des Forschungsprojektes ergriffen wurden, um diese zu beheben bzw. einzudämmen.
104
Ob durch die frei wählbare Dauer der Beantwortung tatsächlich die Antwortqualität gegenüber dem Interview steigt, ist umstritten (vgl. Friedrichs 1990: 237).
122
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Tabelle 15: Nachteile der schriftlichen Befragung und ergriffene Maßnahmen im Forschungsprojekt Nachteile der schriftlichen Befragung
Ergriffene Maßnahmen
Niedriger Rücklauf
Eigenhändig unterschriebener Brief von Prof. Döring und dem Autor an den Leiter der Weiterbildung mit der Bitte um Unterstützung bei der Befragung Benutzung des Logos der TU Berlin und der Kienbaum Management Consultants GmbH im Briefkopf und auf dem elektronischen Fragebogen, um über den Imagevorteil eine höhere Motivation zur Beantwortung zu erhalten Angebot an die Teilnehmer, die Ergebnisse der Studie zu erhalten, an einer kostenfreien Ergebniskonferenz teilzunehmen, und der Hinweis auf die Verlosung von Sachpreisen
105
Nachfassaktion mittels E-Mail und Telefon Non-response-bias
106
Information über die Bedeutung der Befragung durch den Leiter Weiterbildung Sorgfältige Kontrolle der Adresslisten Fehlermeldung bei nicht korrekt ausgefüllten Fragebögen
Keine Identifikation der antwortenden
Potentielle Fehlerquelle, ist methodisch nicht auszuschließen
Person Keine Beratung und Kontrolle während der Beantwortung
Prägnante Einführung in den Fragebogen Besonders sorgfältige Formulierung der Items und Abfolge Pretest des Fragebogens Von professionellen Webdesignern gestaltetes Layout des Fragebogens
Keine Motivation des Interviewpartners
Zu vernachlässigender Nachteil, weil bewusst ein kurzer
möglich und damit nur ein begrenzter
Fragebogen gewählt wurde und Maßnahmen wie
Fragebogenumfang möglich
„Zwischenmoderationen“ zur Motivation ergriffen wurden
105
Ausgelobt wurden zehn Sachbücher zum Thema „Weiterbildung und Personalentwicklung“.
106
Bei dem Non-response-bias handelt es sich um ein „Kontaktproblem“: Die Zielperson ist nicht erreichbar, weil die Adressdaten falsch sind, sie zum Zeitpunkt der Befragung nicht arbeitet oder sie das Anschreiben und die E-Mail wegwirft (vgl. Pepels 1995: 174).
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Risiko des Antwortbias
107
123
Motivierende Instruktion mit dem klaren Hinweis auf die Anonymität und die technischen Sicherungsmaßnahmen Verständliche Items Kurzer Fragebogen Ausgelobte Präsente und die Möglichkeit, die Ergebnisse der Studie zu erhalten
Spontane Reaktionen nicht erfassbar
Zu vernachlässigender Nachteil, weil ex ante Hypothesen überprüft werden sollen
Entsprechend der oben aufgeführten notwendigen flankierenden Maßnahmen ergab sich folgender Ablaufplan:
Persönlich adressierter Brief an den Leiter Weiterbildung mit der Bitte um Unterstützung
Negative oder keine Faxantwort
Anruf und Versuch für Studie zu motivieren
Positive Faxantwort
E-Mail an den Leiter Weiterbildung mit dem Link als Zugang zum Fragebogen
Erfolg
Regelmäßige Anrufe und Mails an den Leiter Weiterbildung zur Erinnerung Ohne Erfolg
Leiter Weiterbildung verteilt intern die Mail Regelmäßige Anrufe und Mails an den Leiter Weiterbildung zur Erinnerung Fragebögen werden bearbeitet, elektronischer Rücklauf
Anruf, um restliche Nichtantwortende zu aktivieren
Ende der Befragung
Abbildung 12: Ablauf der Befragung
107
Unter dem Antwortbias wird die fehlende Bereitschaft der Zielgruppe verstanden, auf die Fragen zu antworten. Entweder verweigert der Teilnehmer ganz die Befragung oder bricht sie während der Beantwortung ab (vgl. Pepels 1995: 174).
124
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Die gewonnenen Daten wurden rechnergestützt weiterverarbeitet. Mit Hilfe der Software SPSS 11.0 wurden Datenmatrizen erstellt und die Daten ausgewertet. SPSS gilt als das weltweit wohl am weitesten verbreitete Programmsystem zur statistischen Datenanalyse (Mayer 2002: 136). 6.5 Konstruktion des Fragebogens Die Qualität des Fragebogens ist ein zentrales Kriterium für die Güte der Ergebnisse der Untersuchung. Diese Qualität lässt sich gedanklich in drei Aspekte untergliedern: Zum einen misst das Instrument tatsächlich, was es messen soll (Validität)? Sind die Resultate stabil, genau und wiederholbar (Reliabilität)? Und sind die Ergebnisse frei von Verzerrungen und systematischen Fehlern (Objektivität)? (vgl. dazu ausführlich Kapitel 7.1). Nur wenn die drei Kriterien erfüllt sind, kann der Fragebogen zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse benutzt werden. Der Forscher steht somit vor der Herausforderung, die Fragestellungen, die sich aus seinem Forschungsbezugsrahmen ergeben, in den Bezugsrahmen des Befragten zu übertragen und dabei die Gütekriterien einzuhalten (Kromrey 2000: 351). Gemäß der Bedeutung wurde der Fragebogen besonders sorgfältig konstruiert. Entsprechend der Empfehlung der Literatur zur empirischen Sozialforschung wurde in folgenden Schritten vorgegangen: 1) Bestimmung der Form des Fragebogens, 2) Definition des Urteilsobjektes und Item-Sammlung, 3) kritische Revision der Items, 4) Formulieren der Instruktion sowie 5) Pretest (vgl. Mummendey 1999: 53 ff.). 6.5.1 Form des Fragebogens Entgegen einer herkömmlichen papiergebundenen Befragung wird ein OnlineFragebogen eingesetzt. Als Online-Befragungen108 werden Erhebungen bezeichnet, „bei denen die Teilnehmer den auf einem Server abgelegten Fragebogen im Internet online ausfüllen, Fragebogen von einem Server herunterladen und per E-Mail zurücksenden, [oder] Fragebogen per E-Mail zugeschickt bekommen und
108
Grundsätzlich sind Online-Verfahren als Datenerhebungstechnik umstritten. Insbesondere wird angeführt, dass offene Befragungen via dem Internet aufgrund der unkontrollierbaren Stichprobenauswahl und Selbstselektionseffekte starken Verzerrungen unterliegen (vgl. bspw. Bogner/ Mayer 2000: 50 ff.). Beseitigen lässt sich dieser methodische Mangel nur durch einen „Medienbruch bei der Anwerbung von Panelteilnehmern“ (Bogner/ Mayer 2000: 54). Dieser wird in dieser Untersuchung bewusst realisiert, indem per Informationsdienst und Telefonate die Stichprobe konkretisiert wird.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
125
zurücksenden.“ (ADM et al. 2001). Auch wenn dieses relativ neue Vorgehen im Vergleich zu herkömmlichen Erhebungsinstrumenten der empirischen Sozialforschung noch wenig methodologisch109 untersucht ist (vgl. Pötschke/ Simonson 2001: 8, Wittenberg et al. 2000: 6), bietet es gewichtige Vorteile: Die Erhebungskosten sind deutlich geringer als bei schriftlichen oder telefonischen Befragungen, weil die Verbreitungs- und Verbindungskosten entfallen. Die Daten sind schneller verfügbar, da auf eine fehleranfällige manuelle Erfassung der Fragebögen verzichtet werden kann. Daneben bietet die Computertechnik vielfältige Möglichkeiten der Fragepräsentation. So sind neben variablen Darstellungsformen mittels Audio- und Videosequenzen auch automatisierte (Frage-)Filter möglich. Auch scheint die Anonymität mittels einer elektronischen Befragung leichter herstellbar, soweit personengebundene und inhaltsbezogene Daten streng voneinander getrennt werden. Neben diesen klaren Vorteilen sind auch spezifische Probleme zu notieren. So gehen Gräf und Heidingsfelder davon aus, dass ein höherer Grad an Anonymität eher die Unaufrichtigkeit der Befragten befördere denn verringere (1999: 120). Eine Behauptung, die zum jetzigen Stand der Forschung nicht falsifizierbar ist und daher weitere empirische Untersuchungen notwendig macht (vgl. Pötschke/ Simonson 2001: 14). Die allgemeine Literatur zur empirischen Sozialforschung geht von einer eher verbesserten Antwortgüte durch anonyme Befragungen aus. Auch wird angezweifelt, ob sich die technisch schaffbare Anonymität tatsächlich den Befragten vermitteln lässt. Schließlich verfügen die wenigsten Teilnehmer über vertiefte Computer-Kenntnisse und können somit die ergriffenen Maßnahmen zur Datensicherheit nur wenig einschätzen (vgl. ebenda). Dieser Einwand lässt sich nur mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Kommunikation (Anschreiben, Eröffnungsbildschirm etc.) mit den Befragten entkräften. Neben diese mediumspezifischen Probleme treten die oben genannten typischen Nachteile der schriftlichen Befragung. 6.5.2 Itemsammlung und -revision Soweit es sich als inhaltlich sinnvoll erweist, wird auf Items zurückgegriffen, die bereits in anderen Untersuchungen validiert wurden. Damit kann der Validierungsaufwand grundsätzlich gesenkt werden. Gänzlich entfallen können diese Überlegungen nicht, weil zum einen einige Items völlig neu formuliert, die Anordnung der Items nachhaltig verändert, die Skalen vereinheitlicht sowie einige der ursprünglichen Items geringfügig modifiziert wurden (vgl. ausführlich zu Validierungsstrategie und -ergebnissen Kapitel 7). Die folgende Übersicht
109
Einen Überblick zum Stand der Forschung zu Online-Befragungen liefert bspw. Bortz/ Döring 2002, Pötschke/ Simonson 2001 und Wittenberg et al. 2000.
126
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
veranschaulicht, welche Items zur Operationalisierung welcher Modelldimensionen Verwendung finden. Tabelle 16: Herkunft der benutzten Items Modelldimension
Autor/en Art des Instrumentes, Items und
Arbeitszufriedenheit Fischer/
Im Fragebogen benutzte 110
Antwortskalen im Original
Items
Fragebogen zur allgemeinen
Zwei Items wurden übernommen
Lück 1972 Arbeitszufriedenheit mit 37 Items; die auf (V5, V34). (2002)
einer fünfstufigen Skala von "richtig" bis "falsch" eingeschätzt werden.
Neuberger Fragebogen zur Arbeitszufriedenheit
Ein Item wurde modifiziert
/ Allerbeck bestehend aus 9 Themengebieten mit
aufgenommen (V3). Es ist
1978
insgesamt 81 Items, die auf einer
identisch mit einem Item von
(2002)
vierstufigen Skala einzuschätzen sind;
Gallup (1997)
zusätzlich einige allgemeine Fragen und eine Priorisierungsaufgabe hinsichtlich Merkmalen der Arbeit. Weyer et Instrument zur "Zufriedenheit und
Ein Item wurde modifiziert
al. 1980
Belastung im Beruf" mit 30 Items, die
aufgenommen (V22).
(2002)
dichotom mit "stimmt" oder "stimmt nicht" einzuschätzen sind.
Gallup
Instrument zur Messung des
Fünf Items wurden übernommen
GmbH
Mitarbeiterengagements und Zufriedenheit (V2, V3, V9, V10, V15).
1997
mittels 12 Aussagen
Arbeitsplatzgefahr
neu
entfällt
Ein Item neu formuliert (V32).
Beziehungs-
Schyns,
Leader-Member-Exchange (LMX 7);
Alle sieben Items übernommen
qualität zum
B./ Paul,
Fragen zur Qualität der Zusammenarbeit
und im Rahmen der Revision
direkten
T. 2001
mit den Vorgesetzten, verschiedene
sprachlich angepasst; das
Vorgesetzten
(2002)
fünfstufige Antwortskalen
Bezugsobjekt vom Allgemeinen "Ihre Vorgesetzte" auf den "direkten Vorgesetzten" verändert (V84 – V90).
110
In Klammern ist die entsprechende Kennung des Items angegeben. Vgl. dazu auch Kapitel 7.1.2.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Branchenzu-
127
neu
In Anlehnung an Hoppenstedt
neu
entfällt
Acht Items neu formuliert
Mitarbeiteranzahl in neu
entfällt
neu formuliert
gehörigkeit
Demografische Merkmale
der Weiterbildung
Organisationales
Felfe et al. Fragebogen zur Erfassung von affektivem, 13 Items zum Komplex
Commitment
2001
kalkulatorischem und normativem
„Verbundenheit und Identifikation
Commitment gegenüber der Organisation, mit der Organisation“ dem Beruf/ der Tätigkeit und der
übernommen und auf die
Beschäftigungsform (COBB); 65 Items, die Bezugsobjekte vom Befragten anhand einer fünfstufigen
"Gesamtunternehmen" (V92,
Skala von 1 = "trifft nicht zu" bis 5 = "trifft
V98, V100 – V103, V105 – V110,
vollständig zu" eingeschätzt werden
V113 sowie
sollen.
"Organisationseinheit Weiterbildung" (V4 - V 6, V13, V14, V17 - V19, V24, V27 - V29, V31) angepasst.
Unternehmens-
neu
entfällt
neu formuliert
größe
Variety Seeking
Costa und Neo-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI);
Aus dem Konzept "Offenheit für
McCrae
Persönlichkeitsfragebogen mit 60
Erfahrungen" wurden fünf Items
nach
Aussagen, die die Befragten einschätzen benutzt und diese im Rahmen
Borkenau sollen; fünfstufige Skala von "starke
der Revision sprachlich
und
angepasst (V55, V62, V64, V69,
Ablehnung" bis "starke Zustimmung".
Ostendorf
V75).
1993 neu
entfällt
Sechs weitere Items neu formuliert (V47, V52, V53, V66, V68, V73)
128
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Verbleibeabsicht
Felfe et al. Fragebogen zur Erfassung von affektivem, Zwei Items revidiert 2001
kalkulatorischem und normativem
übernommen (V12, V15).
Commitment gegenüber der Organisation, dem Beruf/ der Tätigkeit und der Beschäftigungsform (COBB); 65 Items, die vom Befragten anhand einer fünfstufigen Skala von 1 = "trifft nicht zu" bis 5 = "trifft vollständig zu" eingeschätzt werden sollen. Haase
Fragebogen zum Organisations-
Ein Item in modifizierter Form
1997
commitment in deutschen Sparkassen;
übernommen (V67).
fünfstufigen Skala von 1 = "trifft nicht zu" bis 5 = "trifft vollständig zu". Moser und Instrument zur Messung von Involvement Zwei Items revidiert Schuler
übernommen (V51, V60).
1993 Jochmann Fragebogen zur Analyse der
Zwei Items zur
1989
Entscheidungsprozesse zur beruflichen
Wechselbereitschaft modifiziert
Veränderung von Führungskräften;
übernommen (V71, V57).
siebenstufige Skala mit unterschiedlichen Beschriftungen Rolle der
Bäumer
Fragebogen zum
Eine Itemgruppe zur
Weiterbildung
1999
Weiterbildungsmanagement mit 65
Weiterbildungsstrategie
Itemgruppen; zum Teil vierstufige
übernommen und deutlich in
Einschätzungsskalen, zum anderen Teil
Bezug auf die Fragestellung
Auswahl aus Antwortkategorien.
modifiziert (V124 – V129).
entfällt
Sieben Items neu formuliert (114,
Stellenwert der Weiterbildung
neu
V116, V118, V120 - V123
Insgesamt greift der Fragebogen auf 67111 (77 %) bereits in anderen Untersuchungen benutzten Items zurück. 20 (23 %) sind gänzlich neu formuliert. Sämtliche Items wurden einer mehrfachen, kritischen Revision unterzogen und, soweit nötig, sprachlich modifiziert.
111
Exklusive der 11 Items zu den demografischen Daten und Angaben zum Unternehmen.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
129
Wie oben angesprochen sind die Antwortskalen in Abweichung zu den Originalen vereinheitlicht. Ursprünglich sehen die meisten eine ungerade Zahl an Antwortmöglichkeiten vor. Um die Probleme112, die aus einer mittleren Antwortkategorie resultieren, zu vermeiden, findet eine vierstufige Antwortskala Verwendung. Die Antwortmöglichkeiten bestehen aus: Stimmt vollständig, Stimmt eher, Stimmt eher nicht sowie Stimmt nicht. Damit soll nicht der Eindruck erweckt werden, dass eine vierstufige Skala kritikimmun sei. Dem Antwortenden ist die mittlere Antwortkategorie „entzogen“. Dadurch kann er – um bei dem in der Fußnote benutzen Beispiel zu bleiben – nicht ausdrücken, er sei durchschnittlich aktiv. Er wird vielmehr zu einer Tendenzaussage „gezwungen“. Dieser Umstand kann Verfälschungen hervorrufen und im ungünstigen Fall zu einer gänzlichen Ablehnung der Untersuchung führen. In der Konsequenz besteht die Gefahr, dass der Befragte den Antwortvorgang abbricht. Dieses Risiko wird für die vorliegende Arbeit geringer eingeschätzt als die Nachteile, die aus einer ungeraden Skala resultieren. Die Tabelle 17 veranschaulicht die Grundstruktur des Fragebogens. Neben den viererskalierten Einschätzungsaufgaben werden den Befragten 14 Items vorgelegt mit vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten und einer freien. Alle Items sind so angeordnet, dass eine möglichst einfache Handhabung des Fragebogens für den Nutzer möglich ist und sich inhaltliche sinnvolle Themencluster ergeben. Nähere Informationen zu den Items und ihrer Anordnung liefert der im Anhang beigefügte Fragebogen.
112
Mummendey verweist darauf, dass häufig die mittlere Kategorie weggelassen wird, weil die mittlere Antwort nicht eindeutig interpretierbar ist. So kann eine derartige Angabe bei dem Item „Ich bin ein aktiver Mensch“ ausgelegt werden, als a) der Antwortende hält sich für mittelmäßig aktiv, b) der Antwortende kann keine eindeutige Aussage treffen, c) der Antwortende hält die Antwort für irrelevant und macht sich nicht die Mühe, ernsthaft zu antworten, oder d) der Antwortende ist sich unsicher, wie seine Antwort interpretiert werden könnte, und bemüht sich um keine eindeutige Festlegung (vgl. Mummendey 1999: 56 f.).
130
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Tabelle 17: Struktur des Fragebogens Themencluster
Modelldimension
1. Aussagen, die die Arbeit in der
Organisationales Commitment bezogen auf die
Organisationseinheit betriebliche Weiterbildung
betriebliche Weiterbildung
betreffen 2. Allgemeine Angaben zur Person und zum Unternehmen
Arbeitszufriedenheit Demografische Merkmale Unternehmensgröße Branchenzugehörigkeit Mitarbeiteranzahl in der betrieblichen Weiterbildung
3. Charakterisierung der Person des Befragten
Variety Seeking Verbleibeabsicht
4. Verhältnis zum direkten Vorgesetzten
Beziehung zum direkten Vorgesetzten
5. Beurteilung des Unternehmens, in dem der
Arbeitsplatzgefahr
Befragte tätig ist
Organisationales Commitment bezogen auf das gesamte Unternehmen
6. Angaben zur Weiterbildung im Unternehmen
Stellenwert der Weiterbildung Typ des Weiterbildungsmanagements
6.5.3 Fragebogen-Instruktion Mit der Wahl einer schriftlichen Befragung ist intendiert, dass der Versuchsleiter nur indirekt die Probanden auf die Befragung einstimmen und Hintergründe erläutern kann. Diese Aufgabe übernimmt im Wesentlichen113 die Fragebogen-Instruktion. Sie dient dazu, eine „starke Vor-Einstellung auf die zu erledigende Aufgabe“ zu erzeugen (Mummendey 1999: 68), mit dem Ziel, dass der Proband auch „schwierige, schwer zumutbare oder aber auch ausgesprochen langweilige Tätigkeiten“ vollzieht (ebenda). In der vorliegenden Befragungen dient die Instruktion neben der Motivation und Information der Teilnehmer auch der Verringerung eines sozial erwünschten
113
Weitere Informationen über die Befragung erhielten die Probanden durch den direkten Vorgesetzten.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
131
Antwortverhaltens114. Es wird dazu besonders die Anonymität der Befragung betont und auf die Gefahr einer Antworttendenz hingewiesen. Die in Anlehnung an Mummendey (1999: 68 ff. ) formulierte Instruktion findet sich im Anhang. 6.5.4 Pretest Der Fragebogen wurde einem Pretest unterzogen. Dieser Schritt ist grundsätzlich von besonderer Bedeutung: "If you don' t have the resources to pilot test your questionnaire, don' t do the study" (Sudman/ Bradburn 1982: 283). Der Pretest wurde in zwei Phasen realisiert. Zunächst standen die Prüfung der Items hinsichtlich ihrer Verständlichkeit, ihrer Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Antwortvorgaben sowie die Ermittlung der Befragungsdauer im Vordergrund. Dazu wurde ein papiergebundener Fragebogen erstellt. Insgesamt füllten 18 Personen115 dieses Instrument aus. Die Pretestgruppe weist eine demografische Struktur auf, die typischerweise in der betrieblichen Weiterbildung anzutreffen ist (vgl. Kienbaum 1999 und 2001). Nachdem einzelne Items modifiziert wurden, konnte die elektronische Version programmiert werden116. Hinsichtlich der Oberflächengestaltung des Fragebogens lieferte der Beitrag von Pötschke und Simonson (2001: 16) wichtige Hinweise. Der erneute Pretest galt primär der Qualität der Nutzerführung. Dazu wurden 7 Personen gebeten, den elektronischen Fragebogen zu bearbeiten. 6.6 Auswertungsmethoden und Prüfverfahren Neben einer sorgfältigen Planung der Untersuchung und adäquaten Gestaltung der Instrumente sind die statistischen Prüfverfahren besonders erfolgskritisch für die
114
In der Literatur zur empirischen Sozialforschung werden insbesondere zwei Formen von Antworttendenzen beschrieben. Zum einen das Phänomen des „Jasagens“ und zum anderen das der „Sozialen Erwünschtheit“ (Mummendey 1999: 146 und 161 ff.., weitere...). Insbesondere das letztgenannte Verhalten ist für die vorliegende Untersuchung von Relevanz. Schließlich betreffen die Fragen die berufliche Veränderungsmotivation und sind damit höchst vertrauensempfindlich. Es ist denkbar, dass ein Proband in seinem Antwortverhalten berücksichtigt, welche mögliche Wirkung eine offene Meinungsäußerung hätte, und sich für eine ihm günstiger erscheinende Antwort entscheidet. Dieser Fall wird als Antworttendenz der Sozialen Erwünschtheit (Social Desirability) bezeichnet (Mummendey 1999: 161).
115
Es wurde bewusst darauf verzichtet, anhand dieser Pretestgruppe das vorliegende Instrument zu validieren. Eine abschließende Validierung erfolgt anhand der tatsächlichen Stichprobe. Dieses Vorgehen ist zu rechtfertigen, weil zum großen Teil auf validierte Items zurückgegriffen wurde (vgl. dazu ausführlich Kapitel 7.1) und eine Vorstudie einen nicht zu vertretenden Aufwand bedeutet hätte.
116
Ein besonderer Dank gilt in diesem Zusammenhang Terence Droste und Torsten Überschar.
132
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Güte und Aussagekraft der Ergebnisse. Denn es können grundsätzlich keine gültigen Ergebnisse mit unangemessenen statistischen Modellen erzielt werden. Die Antwort auf die Frage, ob statistische Modelle und auf ihrer Basis berechnete Werte in angemessener Weise benutzt werden, kann niemals die Statistik allein liefern, sondern sie muss in den Eigenschaften des gemessenen Sachverhaltes gesucht werden (Kromrey 2000: 201). Grundsätzlich liefert die vorliegende Untersuchung Daten auf zwei unterschiedlichen Skalenniveaus. Zum einen handelt es sich um kategoriale Daten auf Nominalniveau und zum anderen um quantitative Daten auf Intervallniveau117 (vgl. für viele Bortz 1999: 20 ff., Kromrey 2000: 231 ff.). Zu den nominalskalierten Daten sind insbesondere demografische Merkmale wie das Geschlecht zu fassen. Diese lassen sich auszählen und in Form von Häufigkeitsverteilung darstellen (vgl. Bortz 1999: 20). Die Skalen der meisten Items der Untersuchung liegen auf Intervallniveau. Die Befragten wurden gebeten, auf einer vierstufigen Skala von „stimmt vollständig“ bis „stimmt nicht“ anzugeben, inwieweit sie einer Aussage über ihre Arbeitssituation zustimmen oder nicht zustimmen. Bedeutsam ist, dass bei Intervallskalen stets „die Rangordnung der Zahlendifferenzen zwischen je 2 Objekten der Rangordnung der Merkmalsunterschiede zwischen zwei Objekten entspricht.“ (Bortz 1999: 23). Entsprechend der unterschiedlichen Datentypen fanden die in der Literatur als adäquat angesehenen statistischen Prüfverfahren ihre Anwendung. Dabei handelt es sich zum einen um Verfahren der bivariaten Analyse und zum anderen um multivariate Verfahren118. Diese ermöglichen, den Zusammenhang bzw. den Unterschied von zwei oder mehr Variablen zu erhellen. Gemeinsam haben diese Verfahren, dass sie unterscheiden sollen, ob die vorliegenden Ergebnisse als ein rein zufälliger Befund oder als ein systematischer Zusammenhang zu interpretieren sind. Mittels der unterschiedlichen Verfahren zur Signifikanztestung lassen sich diese Fragestellungen beleuchten. Im Grundprinzip zielen diese darauf, zu ermitteln, inwieweit eine bzw. mehrere unabhängige Variablen, bspw. die Rolle der betrieblichen Weiterbildung im Unternehmen, Einfluss auf die abhängige Variable, bspw. auf die Absicht, in der betrieblichen Weiterbildung zu verbleiben, haben (vgl. Bortz 1999: 111 ff.). Dazu werden im Vorfeld der Untersuchung jeweils zwei Hypothesen gebildet. Zum einen wird in der „Alternativhypothese“ die Vermutung formuliert, dass der Zusammenhang systematisch ist. Zum anderen bildet die
117
Grundsätzlich gelten Ratingskalen als ordinale Daten. „Bei einer genügend großen Anzahl von Ausprägungen kann jedoch angenommen werden, dass die Abstände auf der Skala von den Befragten als gleiche Intervalle aufgefasst werden.“ (Mayer 2002: 82). Damit wird von den Daten, die mittels der benutzten Viererskala gewonnen wurden, angenommen, dass sie intervallskaliert sind.
118
Eine kurze Skizze und Begründung des jeweils eingesetzten Testverfahrens findet sich im Kapitel 7.
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
133
„Nullhypothese“ den logischen Gegenpol. Sie beschreibt den Umstand, dass der Zusammenhang rein zufällig auftritt und „der Forscher mit seiner hypothetisch formulierten Behauptung nicht recht hat.“ (ebenda: 109). Grundsätzlich können bei diesem Vorgehen Fehler auftreten. Entweder wird die Alternativhypothese auf Basis der statistischen Auswertung angenommen, obwohl in der Population die Nullhypothese gilt (α-Fehler). Oder der umgekehrte Fall tritt ein: Die Nullhypothese wird bestätigt, obwohl die Alternativhypothese gilt (β-Fehler). Die Wahrscheinlichkeit, sich irrtümlich für die Alternativhypothese zu entscheiden, obwohl die Nullhypothese gilt, wird mit dem Signifikanztest begrenzt. Üblicherweise wird mit Werten für das Signifikanzniveau (α ) von α = 5 % oder α = 1 % gearbeitet (ebenda: 12). Für die vorliegende Untersuchung wird ein Signifikanzniveau von α = 5 % aus forschungsökonomischer Sicht als ausreichend angesehen. Wie die Ergebnisse weiter unten zeigen, werden aber auch Befunde erzielt, die noch auf einem Signifikanzniveau von α = 1 % signifikant sind. Bei aller Sorgfalt in der Auswertung der Daten muss darauf hingewiesen werden: „Die Statistik selber ist lediglich ein Handwerkszeug der Sozialforschung, nicht mehr und nicht weniger; ihre Ergebnisse können niemals besser sein als die Daten, auf die die Statistik angewendet wird.“ (Kromrey 2000: 207).
134
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
135
136
Die Grundlagen und Methoden der Untersuchung
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
137
7 Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung Während die vorangegangenen Kapitel als notwendige Vorarbeiten der Empirie zu charakterisieren sind, steht nun die Untersuchung an sich im Mittelpunkt. Genauer handelt es sich um die Befunde der Studie. Zunächst werden einige Kenndaten der Befragung beleuchtet, um Aussagen hinsichtlich ihrer Güte zu generieren. Dabei handelt es sich um den Rücklauf sowie die klassischen Gütekriterien. Danach folgen Auswertungen mittels der Methoden der deskriptiven Statistik sowie später der bivariaten und multivariaten Inferenzstatistik. In einem weiteren Teil wird versucht, aus den gewonnen Daten auf Prototypen von Weiterbildnern hinsichtlich ihres Bindungsverhaltens zu schließen. Ein Fazit fasst die Ergebnisse zusammen und bewertet diese. 7.1 Überlegungen zur Güte der Untersuchung Bevor empirisch-statistisch gewonnene Ergebnisse als Basis für wissenschaftliche Aussagen dienen können, ist zu prüfen, inwieweit diese die üblichen Qualitätskriterien erfüllen. Allen voran steht die Forderung nach der Repräsentativität: Inwieweit ist die Stichprobe geeignet, auf die Erhebungs-Grundgesamtheit119 zu schließen? Daneben gelten die Gütekriterien der klassischen Mess- und Testtheorie: die Objektivität, Reliabilität und Validität (vgl. bspw. Schnell et al. 1999: 143 ff.). Nur wenn alle vier Anforderungen erfüllt sind, ist es möglich, die empirischen Ergebnisse zur Theoriebildung oder –prüfung heranzuziehen. Im Folgenden werden die Kenndaten der vorliegenden Untersuchung hinsichtlich dieser vier Kriterien dargestellt. 7.1.1 Rücklauf und Repräsentativität Die Erhebungs-Grundgesamtheit der vorliegenden Untersuchung ist definiert als betriebliche Weiterbildner in deutschen Großunternehmen, die in einer Organisationseinheit (Weiterbildungsabteilung, Bildungszentrum etc.) mit mindestens 8 und maximal 32 Mitarbeitern arbeiten. Damit ist eine Unternehmensgröße von ≥ 10.000 bis ≤ 40.000 Mitarbeitern intendiert. Insgesamt erfüllen 244 deutsche Unternehmen diese Anforderung (vgl. dazu ausführlich Kapitel 6.2). Von diesen wurden im August 2003 58 (23,8 % der Erhebungs-Grundgesamtheit) zufällig ausgewählt und angeschrieben. 40 Unternehmen sagten zu, sich an der Studie
119
Vgl. zum Begriff der Erhebungs-Grundgesamtheit in Abgrenzung zur Grundgesamtheit Kapitel 6.4.
138
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
zu beteiligen120. Insgesamt wurden von den teilnehmenden Unternehmen 106 Fragebögen ausgefüllt. Damit liegt die Stichprobe zwar über der geforderten Größe von 100 (vgl. Kapitel 6.3), trotzdem hätte sie angesichts der ursprünglichen hohen Resonanz deutlich größer ausfallen können. Als Gründe für diesen relativ geringen Rücklauf, trotz intensiver Marketingmaßnahmen (vgl. Kapitel 6.4), kommen im Wesentlichen in Frage: 1. In einigen Zielunternehmen existieren lediglich Personalentwickler, die sich nicht trennscharf von Weiterbildnern unterscheiden lassen. 2. Die Leiter der Weiterbildungseinheiten wurden als „zentrale Anlaufstelle“ und „Verteiler“ benutzt. Dadurch ist die Gefahr groß, dass der Fragebogen nicht an die Mitarbeiter weitergeleitet wurde aufgrund von mangelnder Zeit oder Sorge vor den Ergebnissen. 3. Von mehreren Ansprechpartnern wurde die Befürchtung geäußert, dass eine Befragung in der jetzigen Unternehmenssituation ein falsches „Signal“ wäre bzw. ein Erinnern der Mitarbeiter an den Fragebogen falsch verstanden werden könnte. 4. Einige Zielunternehmen sahen die Notwendigkeit, die Befragung dem Betriebsrat vorzulegen, und verzichteten daher auf eine breite Verteilung des Fragebogens. 5. Der elektronische Fragebogen ist so konstruiert, dass jede Frage/ Item beantwortet werden muss. Die Option „keine Antwort“ wurde bewusst nicht verwendet, um „Missing Data“ zu vermeiden. Dadurch ist es möglich, dass Teilnehmer die Befragung abgebrochen haben, wenn sie keine Antwort zu der Frage angeben wollten oder konnten. 6. Die Teilnehmer vertrauten nicht auf die zugesicherte Anonymität und befürchteten, über den elektronischen Versand ihrer Antworten identifizierbar zu sein. 7. Von Untersuchungen, die auf die Methode des Online-Fragebogens zurückgreifen, ist ohnehin bekannt, dass der Rücklauf tendenziell schwächer ausfällt als bei herkömmlichen schriftlichen (vgl. Wittenberg et al. 2000: 13 ff.). Fraglich ist, ob vor dem Hintergrund dieses Rücklaufs die Studie das Kriterium der Repräsentativität erfüllt. Kann somit von der Stichprobe auf die ErhebungsGrundgesamtheit geschlossen werden? Notwendige Bedingung dafür ist, dass die Stichprobe in der Verteilung aller interessierenden Merkmale der Grundgesamtheit entspricht (Mayer 2002: 173). Für die vorliegende Erhebungs-Grundgesamtheit ist die Verteilung nach Branchen sowie nach der gesamten Anzahl an Mitarbeitern
120
Eine Liste der Unternehmen findet sich im Anhang.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
139
bekannt. Es bietet sich an, die Stichprobe mit der Erhebungs-Grundgesamtheit hinsichtlich dieser beiden Merkmale zu vergleichen. Die Tabelle 18 zeigt die Branchenverteilung in Stichprobe und Erhebungs-Grundgesamtheit. Tabelle 18: Verteilung nach Branchen in der Stichprobe und Erhebungs-Grundgesamtheit Branche
Stichprobe
Erhebungs-Grundgesamtheit
Häufigkeit
Prozent
Häufigkeit
Prozent
Handel- und Konsumgüterindustrie
3
2,8
8
3,3
Chemische Industrie und
9
8,5
25
10,2
Banken, Versicherungen und Handel
45
42,5
64
26,2
Bauindustrie
1
0,9
4
1,6
Stahl-/Maschinen-/Fahrzeugbau
15
14,2
48
19,7
Verlage, Druck. Medien,
3
2,8
9
3,7
19
17,9
42
17,2
Sonstige
11
10,4
8
3,3
Summen
106
100
244
100
Mineralölverarbeitung
Nachrichtenübermittlung Energie, Verkehr und sonstige Dienstleistungen
In den überwiegenden Branchen-Cluster werden recht gute Übereinstimmungen121 von Stichprobe und Erhebungs-Grundgesamtheit erreicht. Als relativ schlechter sind die Ergebnisse bei den Branchen „Banken, Versicherungen und Handel“, „Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau“ sowie „Sonstige“ zu bezeichnen. Weiter unten ist zu prüfen, ob diese Abweichungen statistisch bedeutsam sind.
121
Kritisch ist allerdings anzumerken, dass der vorgenommene Vergleich von Stichprobe mit Erhebungs-Grundgesamtheit streng genommen methodisch fragwürdig ist. Gegenstand der Erhebungs-Grundgesamtheit sind Unternehmen, die den im Kapitel 6 erarbeiteten Kriterien genügen. Die Stichprobe besteht aus Fragebögen, die von Weiterbildnern ausgefüllt wurden. Somit werden Unternehmen mit einzelnen Weiterbildnern verglichen. Dieses Vorgehen lässt sich damit rechtfertigen, dass eine sehr hohe Anzahl an Unternehmen sich bereit erklärt hatte, an der Studie teilzunehmen. Damit ist eine Streuung über viele Unternehmen gegeben, so dass sehr wenige Fragebögen aus identischen Unternehmen stammen.
140
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Neben der Branchenzugehörigkeit ist die Mitarbeiteranzahl der Unternehmen bekannt. Zur Vereinfachung werden drei Größenklassen gebildet: a) 10.000 bis 20.000 Mitarbeiter b) 20.001 bis 30.000 Mitarbeiter c) 30.001 bis 40.000 Mitarbeiter Die Häufigkeitsverteilung in Stichprobe und Erhebungs-Grundgesamtheit ist in Tabelle 19 dargestellt. Tabelle 19: Verteilung nach Mitarbeiteranzahl in der Stichprobe und Erhebungs-Grundgesamtheit Mitarbeiteranzahl
Stichprobe
Erhebungs-Grundgesamtheit
Häufigkeit
Prozent
Häufigkeit
Prozent
10.000 bis 20.000
81
74,5
166
68,0
20.001 bis 30.000
13
14,2
48
19,7
30.001 bis 40.000
12
11,3
30
12,3
Summen
106
100
244
100
Danach liegt die höchste Identität zwischen Stichprobe und Erhebungs-Grundgesamtheit beim Cluster „30.001 bis 40.000“ vor. Die deutlichste Abweichung weist das erste Cluster „10.000 bis 20.000“ auf. Auch hier ist zu prüfen, ob diese Abweichungen statistisch bedeutsam sind. Dazu erfolgt ein Goodness-of-fit-Test. Mit Hilfe dieses Testes können die Hypothesen überprüft werden, ob die Verteilung der Erhebungs-Grundgesamtheit der des Rücklaufes bezüglich Branchenverteilung und Anzahl der Mitarbeiter entspricht. Hinsichtlich der Branchenverteilung ergibt sich das folgende Bild (vgl. Tabelle 20). Gemäß den üblichen Nachschlagewerken (hier Bortz 1999: 774) liegt der kritische Chi-Quadrat-Wert für df = 7 bei 18,4753. Der erreichte GF-Wert wurde mit 16,07 berechnet. Somit kann die Hypothese hinsichtlich der Gleichverteilung von Stichprobe und Erhebungs-Grundgesamtheit beim Merkmal Branche mit p = 0,01 nicht abgelehnt werden. Auch die Verteilung der Mitarbeiteranzahl in Stichprobe und Erhebungs-Grundgesamtheit wurde einem Goodness-of-fit-Test unterzogen. Die Tabelle 21 zeigt das Ergebnis. Für diesen Test weisen die Tabellen einen kritischen Chi-Quadrat-Wert von 9,21034 bei df = 2 aus. Mit einem erreichten GF-Wert von 4,13361181 kann die Hypothese hinsichtlich der Gleichverteilung der Mitarbeiteranzahl in Stichprobe und ErhebungsGrundgesamtheit mit p = 0,01 ebenfalls nicht abgelehnt werden.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
141
Somit kann die Untersuchung basierend auf dem vorliegenden Datenmaterial bezüglich der Branchen und Mitarbeiteranzahl als repräsentativ angesehen werden. Tabelle 20: Kenndaten der Verteilung des Merkmals Branche in Erhebungs-Grundgesamtheit und Stichprobe Branche
N
pij
nij
n * pij
Handel- und Konsumgüterindustrie
8
0,03278689
3
3,47540984 0,06503248
Chemische Industrie und Mineralölverarbeitung
25 0,10245902
9
10,8606557 0,31876895
Banken, Versicherungen und Handel
64 0,26229508
45 27,8032787 10,6364155
Bauindustrie
4
1
Stahl-/Maschinen-/Fahrzeugbau
48 0,19672131
15 20,852459
Verlage, Druck. Medien, Nachrichtenübermittlung
9
3
Energie, Verkehr und sonstige Dienstleistungen
44 0,18032787
19 19,1147541 0,00068892
Sonstige
42 0,17213115
11 18,2459016 2,87752787
Summen
244 1
106 106
0,0163934
0,03688525
1,7377049
0,3131766 1,64255336
3,90983607 0,21172286
Legende: N = Erhebungs-Grundgesamtheit (absolut)
n * pij = erwartete Häufigkeit
N = Rücklauf (gesamt) nij = Rücklauf (absolut)
pij = Grundgesamtheit (relativ) GF =
GF
(nij − n ∗ pij)2 n ∗ pij
16,07
142
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 21: Kenndaten der Verteilung des Merkmals Mitarbeiteranzahl in ErhebungsGrundgesamtheit und Stichprobe Mitarbeiteranzahl
N
pij
nij
n*pij
GF
10.000 bis 20.000
166
0,68032787
81
72,1147541
1,09474955
20.001 bis 30.000
48
0,19672131
13
20,852459
2,95701876
30.001 bis 40.000
30
0,12295082
12
13,0327869
0,08184349
Summen
244
1
106
106
4,13361181
7.1.2 Ergebnisse der Itemanalyse Üblicherweise werden Itemanalysen vor der eigentlichen Untersuchung anhand einer Eichstichprobe durchgeführt (Bortz/ Döring 2002: 217). Sie zielen darauf, die Qualität eines Fragebogens zu bestimmen. In der vorliegenden Untersuchung wurde auf eine vorhergehende Itemanalyse aus forschungsökonomischen Gründen verzichtet. Wie anhand des Rücklaufs oben gezeigt wurde, ist die Motivation einer ausreichend großen Zahl von betrieblichen Weiterbildnern für zwei Untersuchungen (Eichstichprobe sowie Hauptstudie) ein besonders aufwändiges und schwieriges Unterfangen. Dieser methodische Mangel wird dadurch relativiert, dass überwiegend auf Items zurückgegriffen wurde, die in anderen Untersuchungen bereits Verwendung fanden. Damit liegen für diese entsprechende Kenndaten vor. Trotzdem müssen weitere Überlegungen hinsichtlich der Güte des Fragebogens angestellt werden. Schließlich wurden bei der Fragebogenkonstruktion einige Items gänzlich neu formuliert, eine einheitliche Viererskala benutzt, die Anordnung der Items verändert sowie einige Formulierungen im Rahmen der Itemrevision korrigiert (vgl. dazu ausführlich Kapitel 6.5.2). Um Aussagen über die Qualität des Fragebogens zu erhalten, wird das vorliegende Datenmaterial einer Itemanalyse unterzogen. Da der Fragebogen aus einzelnen Items besteht, die zu entsprechenden Faktoren zusammengefasst werden, erfolgt die Itemanalyse sortiert nach diesen Faktoren. Es handelt sich dabei um die Konstrukte: Arbeitszufriedenheit, spezifisches affektives Commitment, spezifisches kalkulatives Commitment, spezifisches normatives Commitment, Stellenwert der Weiterbildung, unspezifisches affektives Commitment, unspezifisches kalkulatives Commitment, unspezifisches normatives Commitment, Variety Seeking, Verbleibeabsicht und Verhältnis zum Vorgesetzten.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
143
Bei der Itemanalyse werden die Kriterien ‚Trennschärfe’122, ,Homogenität’123 sowie ‚Dimensionalität’124 berücksichtigt. Hinsichtlich der übrigen Modelldimensionen lassen sich derartige Kennwerte nicht berechnen, weil sie nicht als Summenfaktor aus Einzelitems berechnet werden. Arbeitszufriedenheit Das Konstrukt Arbeitszufriedenheit wurde mit neun Items hinterlegt. Acht sind positiv gepolt, ein Item negativ. Tabelle 22: Items der Modelldimension „Arbeitszufriedenheit“
V2: Ich weiß, was bei der Arbeit von mir erwartet wird. V3: Ich habe die Materialien und Arbeitsmittel, um meine Aufgaben richtig zu erledigen. V5: Ich habe richtig Freude an der Arbeit. V9: Ich habe bei der Arbeit die Gelegenheit, das zu tun, was ich am besten kann. V10: Ich habe in den letzten sieben Tagen für gute Arbeit Anerkennung und Lob bekommen. V15: Bei der Arbeit gibt es jemanden, der mich in meiner Entwicklung unterstützt und fördert. V22: In meiner Organisationseinheit herrscht ein ausgezeichnetes Betriebsklima. V27: In den letzten sechs Monaten hat jemand in der Organisationseinheit Weiterbildung mit mir über meine beruflichen Fortschritte gesprochen. V34: Meine Arbeit macht mir wenig Spaß, aber man sollte nicht zuviel erwarten. (umkodiert)
122
Zur Ermittlung der Trennschärfe findet der korrigierte Trennschärfenkoeffizient Verwendung. Würde lediglich die Korrelation des Items mit dem Faktorwert betrachtet, so wäre dieses Ergebnis verfälscht, weil in der Faktorsumme das jeweilige Item einberechnet ist. Daher werden die Faktorwerte um das entsprechende Item korrigiert. Trennschärfenkoeffizienten zwischen .3 und .5 gelten als mittelmäßig und Werte größer .5 als hoch (vgl. für viele Bortz/ Döring 2002: 218 f.).
123
Die Homogenität wird ausgedrückt durch den Homogenitätsindex nach L. J. Cronbach (Cronbachs Alpha). Ein reliables Konstrukt sollte einen Alphawert von größer als .8 aufweisen (vgl. für viele Eckstein 2000: 329).
124
Zur Überprüfung der Dimensionalität werden die Itemcluster einer Faktoranalyse unterzogen. Eine gewünschte Eindimensionalität liegt dann vor, wenn die Item-Interkorrelationen auf einen „Generalfaktor“ reduziert werden können, auf dem sie hoch „laden“. Die Untergrenze für diese Korrelation (Faktorladung) wird in der Literatur mit .6 angegeben. Items mit einer geringeren Ladung sind zu entfernen (vgl. Bortz/ Döring 2002: 220).
144
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den neuen Items zwischen .39 und .72. Damit verfügen sie über eine mittlere bis hohe Trennschärfe. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .85 liegt dieser über der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als zufrieden stellend zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer Faktorladung zwischen .51 und .83. Auch wenn Variable V3 mit einer Ladung von .51 nicht vollständig zufrieden stellen kann, verbleibt sie aufgrund ihrer inhaltlichen Bedeutung im Itemsatz. Spezifisches affektives Commitment Das spezifische affektive Commitment wurde mit drei positiv und einem negativ gepolten Item konzeptualisiert. Tabelle 23: Items der Modelldimension „spezifisches affektives Commitment“
V4: Ich bin stolz darauf, der Organisationseinheit Weiterbildung anzugehören. V14: Ich empfinde ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu der Organisationseinheit Weiterbildung in diesem Unternehmen. V17: Ich denke, dass meine Wertvorstellungen zu denen der Organisationseinheit Weiterbildung passen. V24: Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit der Organisationseinheit Weiterbildung verbunden. (umkodiert) Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den vier Items zwischen .58 und .76. Damit ist von einer hohen Trennschärfe der Items auszugehen. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .83 liegt dieser über der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als zufrieden stellend zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer homogenen Faktorladung zwischen .75 und .88. Spezifisches kalkulatives Commitment Das spezifische kalkulative Commitment wurde mit vier positiv gepolten Items abgebildet.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
145
Tabelle 24: Items der Modelldimension “spezifisches kalkulatives Commitment“
V13: Es wäre mit zu vielen Nachteilen für mich verbunden, wenn ich momentan die Organisationseinheit Weiterbildung verlassen würde. V27: Zu vieles in meinem Leben würde sich ändern, wenn ich die Organisationseinheit Weiterbildung jetzt verlassen würde. V28: Ich glaube, dass ich momentan zu wenig Chancen habe, um ernsthaft in Erwägung zu ziehen, aus der Organisationseinheit Weiterbildung auszuscheiden. V29: Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in die Organisationseinheit Weiterbildung gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den vier Items zwischen .33 und .57. Damit ist von einer mittelmäßigen Trennschärfe der Items auszugehen. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .67 liegt dieser unter der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als nicht zufrieden stellend zu bezeichnen. Die Ausgangs-items stammen aus einer Referenzstudie und wurden an das Konzept ‚spezifisches Organsiationales Commitment’ angepasst. Die Autoren dieser Studie berichten bei der Dimension kalkulatives Commitment, gemessen bei Zeitarbeitern, von einem ebenfalls niedrigen Alphawert von .67 (Felfe et al. 2002). Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer knapp zufrieden stellenden Faktorladung zwischen .59 und .80. Spezifisches normatives Commitment Das spezifische normative Commitment wurde mit fünf positiv gepolten Items konzeptualisiert.
146
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 25: Items der Modelldimension „spezifisches normatives Commitment“
V5:Selbst wenn es für mich vorteilhaft wäre, fände ich es falsch, jetzt die Organisationseinheit Weiterbildung zu verlassen. V6:Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich die Organisationseinheit Weiterbildung jetzt verlassen würde. V18:Es macht keinen guten Eindruck, häufiger die Organisationseinheiten zu wechseln. V19:Ich würde die Organisationseinheit Weiterbildung jetzt nicht verlassen, weil ich mich einigen Leuten darin verpflichtet fühle. V31:Viele Leute, die mir wichtig sind, würden es nicht verstehen oder wären enttäuscht, wenn ich die Organisationseinheit Weiterbildung verlassen würde. Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den fünf Items zwischen .25 und .67. Das Item V18 kann mit einem Wert von .25 nicht überzeugen und ist daher aus dem Itemsatz zu entfernen. Die verbleibenden vier Items weisen eine mittelmäßige bis hohe Trennschärfe von .43 bis .67 auf. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .73 liegt dieser unter der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als nicht zufrieden stellend zu bezeichnen. Wird das Item V18 entfernt, so ergibt sich ein Alpha-Wert von .76. Wird berücksichtigt, dass sich diese Kennzahl lediglich auf vier Items bezieht, so kann diese nahezu zufrieden stellen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer Faktorladung zwischen .4 und .78. Wird Item V18 mit einer unbefriedigenden Faktorladung von .4 entfernt, weisen die restlichen Items homogene Werte zwischen .63 und .78 auf. Stellenwert der Weiterbildung Der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung wurde mit vier positiv und drei negativ gepolten Items abgefragt.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
147
Tabelle 26: Items der Modelldimension „Stellenwert der Weiterbildung“
V114: Insgesamt ist der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung in meinem Unternehmen hoch. V116: Ich bin mir nicht sicher, ob es unserer Geschäftsführung wirklich bewusst ist, wie wichtig unsere Weiterbildungsarbeit ist. (umkodiert) V118: Es würde in meinem Unternehmen kaum jemand merken, wenn wir unsere Arbeit in der betrieblichen Weiterbildung einstellen würden. (umkodiert) V120: Weiterbildung ist in meinem Unternehmen nur in wirtschaftlich guten Zeiten möglich. (umkodiert) V121: Viele Führungskräfte in meinem Unternehmen setzen sich für eine aktive Weiterbildung ein. V122: In wichtigen Projekten werden wir als Weiterbildner frühzeitig einbezogen. V123: Wir genießen als Organisationseinheit betriebliche Weiterbildung einen guten Ruf im Unternehmen. Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den sieben Items zwischen .36 und .69. Damit weisen die Items eine mittlere bis hohe Trennschärfe auf. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .83 liegt dieser über der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als zufrieden stellend zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer Faktorladung zwischen .46 und .81. Item V116 weist eine unbefriedigende Faktorladung von .46 auf und ist daher zu entfernen. Die verbleibenden Items verfügen über homogene Werte zwischen .73 und .81. Unspezifisches affektives Commitment Das unspezifische affektive Commitment wurde mit drei positiv und einem negativ gepolten Item abgebildet. Tabelle 27: Items der Modelldimension „unspezifisches affektives Commitment“
V100: Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit dem Unternehmen verbunden. (umkodiert) V101: Ich bin stolz darauf, diesem Unternehmen anzugehören. V109: Ich empfinde ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem Unternehmen. V110: Ich denke, dass meine Wertvorstellungen zu denen dieses Unternehmens passen.
148
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den vier Items zwischen .54 und .76. Damit ist von einer hohen Trennschärfe der Items auszugehen. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .82 liegt dieser über der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als zufrieden stellend zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer homogenen Faktorladung zwischen .72 und .89. Unspezifisches kalkulatives Commitment Das unspezifische kalkulative Commitment wurde mittels vierer positiv gepolter Items konzeptualisiert. Tabelle 28: Items der Modelldimension „unspezifisches kalkulatives Commitment“
V92: Es wäre mit zu vielen Nachteilen für mich verbunden, wenn ich momentan dieses Unternehmen verlassen würde. V102: Zu vieles in meinem Leben würde sich ändern, wenn ich dieses Unternehmen jetzt verlassen würde. V103: Ich glaube, dass ich momentan zu wenig Chancen habe, um ernsthaft in Erwägung zu ziehen, aus dem Unternehmen auszuscheiden. V105: Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in dieses Unternehmen gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den vier Items zwischen .46 und .70. Der Item V103 ist mit einem Wert von .46 als mittelmäßig zu bezeichnen. Die restlichen drei Items weisen eine hohe Trennschärfe von .66 bis .70 auf. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .8 liegt dieser auf der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als noch zufrieden stellend zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer befriedigenden bis guten Faktorladung zwischen .65 und .86. Item 103 weist den geringsten Wert mit .65 auf. Die restlichen Items verfügen über eine homogene Ladung zwischen .83 und .86. Unspezifisches normatives Commitment Das unspezifische normative Commitment wurde mit fünf positiv gepolten Items abgefragt.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
149
Tabelle 29: Items der Modelldimension „unspezifisches normatives Commitment“
V98: Es macht einen schlechten Eindruck, häufiger das Unternehmen zu wechseln. V106: Viele Leute, die mir wichtig sind, würden es nicht verstehen oder wären enttäuscht, wenn ich dieses Unternehmen verlassen würde. V107: Selbst wenn es für mich vorteilhaft wäre, fände ich es nicht richtig, das Unternehmen zu verlassen. V108: Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich das Unternehmen jetzt verlassen würde. V113: Ich würde das Unternehmen jetzt nicht verlassen, weil ich mich einigen Leuten darin verpflichtet fühle. Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den fünf Items zwischen .05 und .69. Das Item V98125 kann mit einem Wert von .05 nicht überzeugen und ist daher aus dem Itemsatz zu entfernen. Die verbleibenden vier Items weisen eine hohe Trennschärfe von .50 bis .69 auf. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .72 liegt dieser unter der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist damit nicht zufrieden stellend. Wird Item V98 entfernt, so verbessert sich die interne Konsistenz auf .81 und ist als zufrieden stellend zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt für die vier Items V106 - V108 und V113 ein eindimensionales Konstrukt mit einer homogenen Faktorladung zwischen .74 und .84. Würde Item V98 berücksichtigt, ergebe sich ein zweidimensionales Konstrukt. Variety Seeking Das Konstrukt Variety Seeking wurde mit sechs positiv und fünf negativ gepolten Items konzeptualisiert.
125
V98 ist vergleichbar mit dem Item V18 des Konstrukts spezifisches Commitment. Es erwies sich ebenfalls als nicht ausreichend trennscharf.
150
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 30: Items der Modelldimension „Variety Seeking“
V47: Ich bin ein sehr aktiver Mensch. V52: Ich bezeichne mich als jemanden, der sehr neugierig ist. * V53: Routineaufgaben langweilen mich schnell. V55: Ich probiere oft neue und fremde Speisen aus. V62: Ich glaube, dass es Menschen oft nur verwirrt und irreführt, wenn man sie Rednern zuhören lässt, die kontroverse Standpunkte vertreten. (umkodiert) * V64: Ich finde philosophische Diskussionen langweilig. (umkodiert) * V66: Ich bevorzuge unvorhersehbare Dinge in meiner Arbeit weniger. (umkodiert) * V68: Zu wenig Herausforderungen am Arbeitsplatz wären für mich ein Grund, den Arbeitsplatz zu wechseln. V69: Ich habe Spaß daran, mit Theorien oder abstrakten Ideen zu spielen. * V73: Ich schätze es sehr, wenn ich meine Arbeitsaufgaben sorgfältig und langfristig planen kann. (umkodiert) V75: Ich habe wenig Interesse, bspw. über die Natur des Universums oder die Lage der Menschheit zu spekulieren. (umkodiert) Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den elf Items zwischen .24 und .58. Das Item V47 kann mit einem Wert von .24 nicht überzeugen und ist daher aus dem Itemsatz zu entfernen. Die verbleibenden zehn Items weisen eine zufrieden stellende bis hohe Trennschärfe von .32 bis .58 auf. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .73 liegt dieser unter der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist damit nicht zufrieden stellend. Wird Item V47 aufgrund der geringen Trennschärfe entfernt, verringert sich der Cronbach´s-alphaKoeffizient auf .72. Eine weitere Eliminierung von Items erbringt keine höhere interne Konsistenz. Die geringe Homogenität ist erstaunlich, da die überwiegende Anzahl der Items dem seit Jahren im Umlauf befindlichen Persönlichkeitstest ‚NeoFFI’ entnommen wurde (Vgl. Kapitel 6.5.2). Borkenau und Ostendorf (1993) geben für den gesamten Test einen Cronbach´s-alpha-Koeffizienten von .67 bis .85 an. Damit ist der in dieser Untersuchung erreichte Wert - relativ betrachtet - als knapp zufrieden stellend zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein zweidimensionales Konstrukt mit stark variierenden Faktorladungen von -.68 bis .63 und wenig eindeutigen Faktorzuordnungen. Werden nur die mit einem Stern (*) gekennzeichneten Variablen V52, V62, V64, V66 sowie V69 betrachtet, so ergibt sich ein eindimensionales Konstrukt mit Faktorladungen zwischen .51 und .69. Auch wenn die Ladungen nicht durchgängig die geforderte Grenze von .6 überschreiten, verbleiben die Items aufgrund ihrer inhaltlichen Relevanz im Itemsatz.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
151
Verbleibeabsicht Die Verbleibeabsicht stellt die zentrale abhängige Variable der Studie dar und wurde aus diesem Grunde intensiv abgefragt. Insgesamt vier positiv und drei negativ gepolte Items bilden den Faktor ab. Tabelle 31: Items der Modelldimension „Verbleibeabsicht“
V12: Ich wäre froh, mein weiteres Arbeitsleben in der Organisationseinheit Weiterbildung bei diesem Arbeitgeber verbringen zu können. V51: Ich habe in letzter Zeit nach einem anderen Arbeitsplatz gesucht. (umkodiert) V54: Ich wäre froh, mein weiteres Arbeitsleben in der Organisationseinheit Weiterbildung bei diesem Unternehmen verbringen zu können. V57: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass ich in den nächsten 12 Monaten meinen Arbeitsplatz wechseln werde. (umkodiert) V60: Ich könnte mir nicht vorstellen, meinen Arbeitsplatz in den nächsten 12 Monaten zu wechseln. V67: Ich möchte auch in Zukunft an meinem Arbeitsplatz arbeiten. V71: Ich habe in den letzten 12 Monaten ernsthaft in Betracht gezogen, meinen Arbeitsplatz zu wechseln. (umkodiert) Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den sieben Items zwischen .55 und .77. Damit weisen die Items eine hohe Trennschärfe auf. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .87 liegt dieser über der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als gut zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer Faktorladung zwischen .65 und .86. Beziehung zum Vorgesetzten Die Beziehung zum direkten Vorgesetzten wurde mit sieben positiv gepolten Items abgefragt.
152
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 32: Items der Modelldimension „Verhältnis zum Vorgesetzten“
V84: Wissen Sie im Allgemeinen, wie Ihr direkter Vorgesetzter Sie einschätzt? V85: Wie gut versteht Ihr direkter Vorgesetzter Ihre beruflichen Probleme und Bedürfnisse? V86: Wie gut kennt Ihr direkter Vorgesetzter Ihre Entwicklungsmöglichkeiten? V87: Wie würden Sie das Arbeitsverhältnis zu Ihrem direkten Vorgesetzten bezeichnen? V88: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr direkter Vorgesetzter Ihnen auf seine Kosten aus der Patsche hilft? V89: Wie hoch ist Ihr Vertrauen in Ihren direkten Vorgesetzten, um seine Entscheidungen zu verteidigen? V90: Wie hoch ist die Chance, dass Ihr direkter Vorgesetzter seinen Einfluss nutzt, um Ihnen bei Arbeitsproblemen zu helfen? Trennschärfe: Der korrigierte Trennschärfenkoeffizient variiert bei den sieben Items zwischen .43 und .78. Damit weisen die Items eine mittlere bis hohe Trennschärfe auf. Homogenität: Mit einem Alpha-Wert von .86 liegt dieser über der üblicherweise geforderten Grenze von .8 und ist als zufrieden stellend bis gut zu bezeichnen. Dimensionalität: Die Faktoranalyse ergibt ein eindimensionales Konstrukt mit einer Faktorladung zwischen .53 und .85. Item V90 weist einen Wert von .53 auf und ist daher aus dem Satz zu entfernen. Die restlichen Ladungen ergeben ein homogenes Bild zwischen .7 und .85. 7.1.3 Zwischenfazit zur Güte der Untersuchung Nach der ersten Analyse der Daten lässt sich die Güte der Untersuchung als insgesamt zufrieden stellend charakterisieren. Gemessen an den Kriterien ‚Branche’ und ‚Unternehmensgröße nach Mitarbeiteranzahl’ erscheint die Studie repräsentativ. Somit dürften Rückschlüsse von der Stichprobe auf die Untersuchungsgesamtheit möglich sein. Hinsichtlich der Gütekriterien der klassischen Testtheorie kann Folgendes festgehalten werden: Die Objektivität, verstanden als Unabhängigkeit des Testergebnisses vom Testanwender, ist gegeben (vgl. für viele Bortz/ Döring 2002: 194). Diese Einschätzung beruht darauf, dass ein elektronischer Fragebogen mit einer standardisierten Instruktion eingesetzt wurde und kein Versuchsleiter unmittelbar Einfluss auf die Befragten hatte. Damit kann von einer Durchführungs-Objektivität ausgegangen werden. Die Auswertungs- und Interpretationsobjektivität ist dadurch sichergestellt, dass vorgegebene Antwortmöglichkeiten (Skalen oder Auswahl-
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
153
optionen) den Teilnehmern vorgelegt wurden und lediglich diese in der Datenauswertung benutzt werden. Somit gilt das Kriterium der Objektivität insgesamt als erfüllt. Die Reliabilität als Grad der Genauigkeit des Tests, mit dem die zu prüfenden Merkmale gemessen werden (ebenda: 195), ist als zufrieden stellend zu bezeichnen. Die überwiegende Anzahl an Faktoren weist einen „Cronbach´s-alpha-Koeffizienten“ von größer .8 auf. Ausnahmen bilden das spezifische kalkulative Commitment mit .67, das spezifische normative Commitment mit .76, das unspezifische normative Commitment mit .72 sowie das Variety Seeking mit .72. Trotzdem kann von einer insgesamt reliablen Messung ausgegangen werden, weil auch in anderen Studien meist weit niedrige Koeffizienten als .8 noch akzeptiert werden (vgl. Schnell et al. 1999: 147). Neben der Reliabilität bildet die Validität126 das zentrale Gütekriterium einer empirischen Untersuchung. Nach der Klassifizierung der „American Psychology Association“ ist die Inhalts-, Kriteriums- und Konstruktvalidität zu unterscheiden. Die Inhaltsvalidität fragt danach, inwieweit die Testitems das zu messende Konstrukt in seinen wichtigsten Aspekten erschöpfend erfasst (Bortz/ Döring 2002: 199). Diese Forderung dürfte erfüllt sein, weil zum einen mit Items gearbeitet wurde, von denen aufgrund von anderen Untersuchungen bekannt ist, welche Inhalte sie tatsächlich messen127. Zum anderen wurden die neuen Items mit größtmöglicher Sorgfalt formuliert. Trotzdem ist nicht vollständig auszuschließen, dass wichtige Teile des Konstruktes fehlen könnten. Letztendliche Gewissheit ist nicht zu erreichen, weil kein Verfahren bekannt ist, mit dem die Inhaltsvalidität numerisch bestimmt werden kann. Sie gilt daher eher als eine Zielvorgabe denn als ein hartes „Prüfkriterium“ (vgl. Schnell et al. 1999: 149). Die Kriteriumsvalidität bezieht sich auf den Abgleich des Messergebnisses des Instruments mit einem korrespondierenden externen Merkmal (Bortz/ Döring 2002: 200). In der vorliegenden Studie bildet ein derartiges Merkmal die tatsächliche Fluktuation128. Damit könnten die durch den Fragebogen gemessenen Konstrukte dahingehend überprüft werden, inwieweit sie tatsächlich die Fluktuation prognostizieren. Es dürfte von einer signifikant negativen Korrelation von Verbleibeabsicht und Fluktuation ausgegangen werden. Da die Anzahl der tatsächlichen Fluktuationsereignisse nicht erhoben wurde, ist in diesem Sinne die Kriteriumsvalidität für die vorliegende Untersuchung nicht zu ermitteln.
126
Genauer ausgedrückt ist nicht von der Validität im Singular zu sprechen, sondern von unterschiedlichen Formen der Validität im Plural.
127
Zu diesen Items liegen entsprechende Kennzahlen vor.
128
Daneben könnte auch ein geeichter Test, der die modellierten Konzepte misst, als Außenkriterium herangezogen werden. Dem Autor ist kein derartiger Test bekannt.
154
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Während die ersten beiden genannten Formen der Validität aufgrund der geschilderten methodischen Probleme in diesem Kontext wenig Aussagekraft besitzen, kommt der Konstruktvalidität eine besondere Bedeutung zu (vgl. ebenda 1999: 150). Ein Test gilt als konstruktvalide, wenn aus dem zu messenden Zielkonstrukt Hypothesen ableitbar sind, die anhand der Testwerte bestätigt werden können (Bortz/ Döring 2002: 200). Bis zu diesem Punkt der Arbeit wurden noch keine Hypothesen überprüft. Somit lassen sich Aussagen zur Konstruktvalidität erst zu einem späteren Zeitpunkt der Datenanalyse treffen. Im Kapitel 7.3.4 wird diese Frage wieder aufgegriffen. Zum jetzigen Stand kann auf einen Aspekt der Itemanalyse verwiesen werden: die Faktorladung. Wie oben dargestellt, konnten durchgängig eindimensionale Konstrukte nachgewiesen werden. Damit ist eine notwendige, wenn jedoch auch nicht hinreichende Bedingung für die Konstruktvalidität gegeben. 7.2 Ergebnisse der deskriptiven Statistik Im Folgenden wird das Antwortverhalten der Befragten deskriptiv ausgewertet. Dabei handelt es sich um die Angaben zu den demografischen Merkmalen, zur Arbeitsplatzsicherheit und welche Alternativen im Falle eines Jobwechsels in Frage kommen könnten. Aufgrund des Skalenniveaus einiger dieser Angaben129 sind zunächst rein deskriptive Auswertungen möglich. Im späteren Gang der Analyse (vgl. Kapitel 7.3 ff.) werden die deskriptiven Ergebnisse mit denen der Inferenzstatistik in Beziehung gesetzt. Von den 106 Befragten waren 65 (61,3 %) männlichen Geschlechts und 41 (38,7 %) weiblichen. Der jüngste Teilnehmer war 23 und der älteste 62 Jahre alt. Der Modalwert des Alters liegt bei 36 Jahren. Werden die Angaben zum Alter der Teilnehmer gruppiert, so ergibt sich das folgende Bild: Tabelle 33: Alter der Teilnehmer nach Gruppen Alter in Jahren
Häufigkeit
Prozent
23 – 30
19
31 – 40 41 – 50
130
Alter in Jahren
Häufigkeit
Prozent
17,9
51 – 60
16
15,1
47
44,3
61 und älter
1
0,9
23
21,7
Angesprochen auf den höchsten Bildungsabschluss, gaben die Teilnehmer an, dass die meisten über einen Studienabschluss (61 = 57,5 %) verfügen, mit deutlichem
129
So sind die Items Geschlecht, Bildungsstand, Position und Branche lediglich nominal skaliert.
130
Abweichung zu 100 % aufgrund von Rundungsdifferenzen.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
155
Abstand gefolgt von Abitur (20 = 18,9 %) und Realschule (18 = 17 %). Lediglich fünf (4,7 %) der Teilnehmer verfügen über einen Hauptschulabschluss und zwei gaben an, dass sie promoviert sind (1,9 %). Die Antwortmöglichkeit ‚Habilitation’ wurde kein Mal gewählt. Damit werden in dieser Befragung ähnliche Ergebnisse erzielt, wie sie auch Sorg-Barth herausgearbeitet hat (vgl. Kapitel 4.2.3). Die Beschäftigungsdauer der Teilnehmer in ihrem Unternehmen schwankt in der Stichprobe zwischen 0 und 40 Jahren. Am häufigsten wird eine dreijährige Betriebszugehörigkeit genannt. Gruppiert lassen sich folgende Häufigkeiten ausmachen: Tabelle 34: Betriebszugehörigkeit nach Gruppen Zugehörigkeit zum
Häufigkeit
Prozent
Unternehmen in Jahren
Zugehörigkeit zum
Häufigkeit
Prozent
Unternehmen in Jahren
1 – 10
56
52,8
21 - 30
13
12,3
11 – 20
30
28,3
31 – 40
7
6,6
Hingegen schwankt die Beschäftigungsdauer in der Organisationseinheit Weiterbildung zwischen 1 - 30 Jahren. Ein Großteil der Studienteilnehmer ist bis zu 10 Jahren in der Weiterbildung tätig (89 = 84 %), gefolgt von 11 bis 20 Jahren mit 14 Nennungen (13,2 %). Lediglich drei Teilnehmer sind seit 21 bis 30 Jahren (2,8 %) Weiterbildner in der Organisationseinheit. Die meisten der Befragten (37 = 34,9 %) sind bei ihrem ersten Arbeitgeber beschäftigt und haben damit noch nie ein Unternehmen verlassen. Das weitere Antwortverhalten veranschaulicht die folgende Übersicht: Tabelle 35: Anzahl der Vorarbeitgeber Anzahl der
Häufigkeit Prozent
Vorarbeitgeber
Anzahl der
Häufigkeit Prozent
Vorarbeitgeber
0
37
34,9
4
7
6,6
1
31
29,2
5
1
0,9
2
20
18,9
6
1
0,9
3
9
8,5
Insgesamt standen sechs Antwortvorgaben zur Verfügung, um die aktuell wahrgenommene Position in der Weiterbildung zu charakterisieren. Die Häufigkeiten der Angaben zeigt die Tabelle 36:
156
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 36: Aktuell bekleidete Position Positionsbezeichnung
Häufigkeit
Prozent
Mitarbeiter mit dem Schwerpunkt Seminarverwaltung und Sachbearbeitung
11
10,4
Mitarbeiter mit dem Schwerpunkt Bildungsmanagement und -beratung
37
34,9
Mitarbeiter mit dem Schwerpunkt Unterricht und Training
16
15,1
Führungskraft mit dem Schwerpunkt Seminarverwaltung und Sachbearbeitung
2
1,9
Führungskraft mit dem Schwerpunkt Bildungsmanagement und -beratung
28
26,4
Führungskraft mit dem Schwerpunkt Unterricht und Training
12
11,3
Danach sind die meisten der Befragten entweder als Mitarbeiter oder Führungskraft in Bildungsmanagement und –beratung tätig. Gefolgt vom Einsatzbereich Unterricht und Training. Die wenigsten (2) sind als Führungskräfte in der Seminarverwaltung und Sachbearbeitung beschäftigt. Auf die Frage, wie oft die Teilnehmer in den letzten zehn Jahren umgezogen sind, wurden folgende Antworten abgegeben: Tabelle 37: Anzahl der Wohnortwechsel Anzahl der
Häufigkeit
Prozent
Wohnortwechsel
Anzahl der
Häufigkeit
Prozent
Wohnortwechsel
0
24
22,6
5
2
1,8
1
25
23,6
6
7
6,6
2
19
17,9
7
2
1,9
3
19
17,9
10
1
0,9
4
7
6,6
Somit wohnt eine Mehrheit der Befragten noch in derselben Wohnung bzw. ist erst einmal in den letzten 10 Jahren umgezogen. Neben den rein demografischen Merkmalen wurde auch gefragt, was die Teilnehmer meinen, wie sicher der eigene Arbeitsplatz ist131.
131
Aus methodischen Überlegungen wurde dieses Thema lediglich mit einem Item abgefragt. Es wurde befürchtet, dass eine stärkere Präsenz die Ergebnisse zu stark beeinflusst hätte.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
157
Tabelle 38: Antwortverhalten zur Frage nach der Arbeitsplatzgefahr N =106
Stimmt vollständig
Stimmt eher
Stimmt eher nicht
Stimmt nicht
13
14
48
31
Die Gefahr, meinen Arbeitsplatz aktuell zu verlieren, ist
12,3 %
13,2 %
45,3 %
29,2 %
hoch.
Danach sehen sich 27 (25,5%) der Befragten erheblich bzw. relativ stark in Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Eine Mehrheit von 79 (74,5 %) empfindet keine bzw. wenig Gefahr, arbeitslos zu werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, welche Alternativen für die Teilnehmer im Falle eines Wechsels des Arbeitsplatzes in Frage kommen würden. Dabei konnte aus einem vorgegebenen Satz an Antworten gewählt werden. Mehrfachantworten waren zugelassen. Von den 106 Befragten antworteten 104 auf diese Frage132. Mittels eines offenen Feldes „Sonstiges“ konnten zusätzliche Alternativen notiert werden. Die Verteilung auf die Antwortoptionen zeigt die Tabelle 39. Als häufigste Alternative wurde der Wechsel innerhalb des Unternehmens auf eine Position außerhalb der betrieblichen Weiterbildung genannt, gefolgt von einer ähnlichen Tätigkeit in der Weiterbildung in einem anderen Unternehmen. Der Wechsel in der Organisationseinheit Weiterbildung wird mittelstark präferiert. Eine geringere Rolle spielt die Option „Andere Funktion in einem anderen Unternehmen“ sowie die „Selbständige Tätigkeit“. Im freien Antwortfeld wurde angegeben: Jeweils einmal Geschäftsführung, Ausbildung, Produktentwicklung sowie zweimal Schuldienst, Berufsschule. Offensichtlich scheint die Option der Selbständigkeit nicht so bedeutsam zu sein, wie es im Kapitel 4.2.1 herausgearbeitet wurde.
132
Aufgrund der Option „Mehrfachantworten“ ist es bei diesem Frageblock möglich, ohne eine Antwort den Fragebogen fortzusetzen. Bei den anderen Items ist ein technischer „Antwortzwang“ hinterlegt (vgl. zu den Risiken dieser Ausgestaltung Kapitel 7.1.1).
158
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 39: Alternative Tätigkeiten im Falle eines Arbeitsplatzwechsels Alternative
Häufigkeit
Prozent
Andere Funktion in der Weiterbildung
49
20,9
Ähnliche Tätigkeit in anderen Unternehmen
55
23,5
Andere Funktion im Unternehmen
62
26,5
Andere Funktion in einem anderen Unternehmen
39
16,7
Selbständige Tätigkeit
29
12,4
Fraglich ist, inwieweit die deskriptiv ausgewerteten Daten Einfluss auf die in dieser Untersuchung gemessenen Konstrukte haben. Eine Vielzahl dieser „Beziehungen“ wurden in Hypothesen hinterlegt. Weiter unten werden diese überprüft und somit dieser Frage nachgegangen. 7.3 Ergebnisse der bivariaten Inferenzstatistik Der folgende Abschnitt stellt die Ergebnisse vor, die mittels Methoden der bivariaten Inferenzstatistik gewonnen wurden. Dabei werden die im Kapitel 5 referierten Hypothesen überprüft. Um dem Leser die Orientierung zu erleichtern, wird die gleiche Struktur benutzt wie im Kapitel 5, d.h., es werden zunächst die Befunde zu den Bezugsobjekten dargestellt; anschließend die Ergebnisse zu den Bedingungen und Konsequenzen des Organisationalen Commitments erhellt. Den Abschluss dieses Teils bildet eine Zusammenfassung und Bewertung der Befunde. 7.3.1 Befunde zu den Bezugsobjekten des Organisationalen Commitments In der vorliegenden Studie wurden die drei Dimensionen des Organisationalen Commitments, bezogen auf die Bezugsobjekte ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ sowie ‚Unternehmen’, gemessen. Entsprechend werden die Bezeichnungen spezifisches bzw. unspezifisches Commitment benutzt (vgl. ausführlich Kapitel 5.1.1). Im Folgenden werden die formulierten Hypothesen zu den unterschiedlichen Bezugsobjekten des Commitments mit den Ergebnissen der Untersuchung abgeglichen. Dabei werden jeweils paarweise die Befunde zu den beiden Bezugsobjekten für das affektive, kalkulative und normative Commitment vorgestellt. Das affektive Commitment H1: Die ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ und das ‚Gesamtunternehmen’ unterscheiden sich in ihrer Ausprägung des affektiven Commitments. Um diese Hypothese zu überprüfen, werden die Mittelwerte der Faktorscores der Konstrukte „spezifisches affektives Commitment (SOCA)“ sowie „unspezifisches affektives Commitment (UOCA)“ einem T-Test für gepaarte Stichproben (vgl.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
159
Brosius 1998: 467 ff.) unterzogen. Es wird dabei geprüft, ob der Unterschied zwischen den Mittelwerten null ist (H0) und somit die oben formulierte Hypothese (H1) zu verwerfen ist. Formal ausgedrückt: H0: µ0 = µ1 , H1 µ 0 ≠ µ1133 Der t-Wert wird mit 3,821 und die Signifikanz mit 0,000 angegeben. Damit ist H0 zu verwerfen und es gilt H1. Es bestehen demnach signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der Faktorscores des Konstruktes SOCA und UOCA. Fraglich ist, wie geartet diese Unterschiede sind. Ein Blick auf die Mittelwerte klärt diese Frage: Tabelle 40: Mittelwertvergleich von spezifischem und unspezifischem affektivem Commitment Art des Commitments
Mittelwert
Varianz
SOCA
3,3
1,67
UOCA
3,11
1,64
Demnach wird das SOCA durchschnittlich höher eingeschätzt als das UOCA bei nahezu gleicher Varianz des Antwortverhaltens. Aus diesen Befunden lässt sich die a-posteriori-Hypothese formulieren: Wenn das affektive Commitment auf den Ebenen Organisationseinheit und Unternehmen gemessen wird, dann wird das SOCA durchschnittlich stärker eingeschätzt als das UOCA. Zur Überprüfung dieser Hypothese müsste jedoch eine neue Stichprobe gezogen werden. Das kalkulative Commitment H2: Die ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ und das ‚Gesamtunternehmen’ unterscheiden sich in ihrer Ausprägung des kalkulativen Commitments. Auch diese Hypothese wird mittels eines T-Tests für gepaarte Stichproben überprüft. Die zu untersuchenden Variablen sind das „spezifische kalkulative Commitment (SOCC)“ sowie das „unspezifische kalkulative Commitment (UOCC)“. Es wird geprüft, ob der Unterschied zwischen den Mittelwerten null ist (H0) und somit die oben formulierte Hypothese (H1) zu verwerfen ist. Formal ausgedrückt: Der t-Wert wird mit –4,273 und die Signifikanz mit 0,000 angegeben. Damit ist H0 zu verwerfen. Es bestehen demnach signifikante Unterschiede zwischen den Mittel-
133
Im Sinne einer Vereinfachung wird im Folgenden darauf verzichtet, die jeweiligen Hypothesen und Gegenhypothesen in der formalisierten Schreibweise darzustellen.
160
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
werten der Faktorscores des Konstruktes SOCC und UOCC. Fraglich ist, wie diese Unterschiede geartet sind. Ein Blick auf die Mittelwerte erhellt diese Frage: Tabelle 41: Mittelwertvergleich von spezifischem und unspezifischem kalkulativem Commitment Art des Commitments
Mittelwert
Varianz
SOCC
2,1
1,3
UOCC
2,4
2,2
Danach wird das UOCC durchschnittlich höher eingeschätzt als das SOCA bei einer deutlich höheren Varianz. Analog dem Vorgehen zum affektiven Commitment ließe sich aus diesem Befund auch eine a-priori-Hypothese formulieren. Das normative Commitment H3: Die ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ und das ‚Gesamtunternehmen’ unterscheiden sich in ihrer Ausprägung des normativen Commitments. Wie bei den beiden vorangegangenen Commitmentarten wird ein T-Test für gepaarte Stichproben benutzt, um die Konstrukte „spezifisches normatives Commitment (SOCN)“ sowie „unspezifisches normatives Commitment (UOCN)“ zu überprüfen. Es wird untersucht, ob der Unterschied zwischen den Mittelwerten null ist (H1)und somit die oben formulierte Hypothese (H0) zu verwerfen ist. Der t-Wert wird mit 5,072 und die Signifikanz mit 0,000 angegeben. Damit ist H0 zu verwerfen. Es bestehen demnach signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der Faktorscores des Konstruktes SOCN und UOCN. Fraglich ist, wie diese Unterschiede geartet sind. Auch hier hilft ein Blick auf die Mittelwerte: Tabelle 42: Mittelwertvergleich von spezifischem und unspezifischem normativem Commitment Art des Commitments
Mittelwert
Varianz
SOCN
2,2
2,0
UOCN
1,9
1,9
Danach ist das SOCN durchschnittlich etwas stärker ausgeprägt als das UOCN bei nahezu gleicher Varianz. Analog dem Vorgehen zum affektiven Commitment ließe sich aus diesem Befund auch eine a-priori-Hypothese formulieren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die angenommenen Hypothesen für die Bezugsobjekte ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ sowie ‚Unternehmen’ sich nicht falsifizieren lassen. Es scheinen tatsächlich Unterschiede in den Ausprägungen des Commitments zu bestehen. Werden die Mittelwerte miteinander verglichen, so zeigt
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
161
sich, dass das affektive und normative Commitment in Bezug auf die ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ stärker ausgeprägt ist. Beim kalkulativen Commitment ergibt sich ein umgekehrter Befund. Das unspezifische Commitment zeigt eine höhere Ausprägung als das spezifische. Dies überrascht in keiner Weise. Schließlich zählen Betriebsrenten, Weiterbildungsprogramme, Karriereoptionen etc. zu den Maßnahmen, die das kalkulative Commitment positiv beeinflussen. Diese sind auf der Ebene des gesamten Unternehmens zu finden. Damit dürfte das kalkulative Commitment auch deutlich weniger von dem Bezugsobjekt Organisationseinheit Weiterbildung beeinflusst sein. Die in der Untersuchung gefundenen Ergebnisse zum Bezugsobjekt des Commitments sind statistisch bedeutsam und rechtfertigen die Trennung in spezifisches und unspezifisches Commitment. 7.3.2 Befunde zu den Bedingungen des Organisationalen Commitments In dieser Studie wurden nicht nur das Organisationale Commitment, bezogen auf die Bezugsobjekte ‚Organisationseinheit Weiterbildung’ sowie ‚Unternehmen’, gemessen, sondern auch die Wirkungen von Variablen auf die Ausprägung des Commitments untersucht. Diese Faktoren werden als determinierende Variablen bezeichnet. Grundsätzlich unterschieden werden diese in personenbezogene und organisationsbezogene Größen. Für die erstgenannten wird der Begriff der personalen Determinanten benutzt, und die anderen werden organisationale Determinanten genannt. Im Folgenden werden die im fünften Kapitel formulierten Hypothesen zu den Determinanten des Commitments mit den Ergebnissen der Untersuchung abgeglichen und auf Signifikanz geprüft. Dabei werden zunächst die Ergebnisse der personalen Determinanten referiert und anschließend die der organisationalen. 7.3.2.1 Personale Determinanten Zu den personalen Determinanten werden in dem zu überprüfenden Modell die demografischen Merkmale, die Arbeitszufriedenheit, die Neigung zum Variety Seeking sowie das Organisationale Commitment gezählt. Schwerpunkt dieses Abschnitts bilden die ersten drei Variablen. Das Organisationale Commitment ist eine der zentralen Größen des Modells und wirkt in zweifacher Weise: Als abhängige wie als unabhängige Variable (vgl. Kapitel 5.1). Es wird aufgrund seiner zentralen Stellung in jedem der Unterkapitel diskutiert. Demografische Merkmale H4: Das Geschlecht steht in keinem Zusammenhang mit dem Organisationalen Commitment.
162
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Um diese Hypothese zu überprüfen, werden die Korrelationen zwischen dem Geschlecht und den Commitmentarten in dem Datensatz verglichen134. In der folgenden Übersicht sind die Korrelationskoeffizienten135 abgetragen. Tabelle 43: Korrelation des Faktors Geschlecht mit dem Organisationalen Commitment
Geschlecht
SOCA
SOCC
SOCN
UOCA
UOCC
UOCN
.06
.00
.00
.11
.07
.04
Die Werte spannen zwischen keiner und schwacher Korrelation. Damit ist der Faktor Geschlecht scheinbar ungeeignet, die Ausprägung des Organisationalen Commitments zu erklären. Aufgrund der fehlenden Signifikanz ist dieses Ergebnis statistisch aber nicht bedeutungsvoll. Somit lässt sich die Hypothese weder bestätigen noch falsifizieren. H5: Das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit stehen im positiven Zusammenhang mit dem kalkulatorischen Commitment. Diese Hypothese kann anhand der Korrelate zwischen den unabhängigen Faktoren (Alter, Betriebszugehörigkeit) und den zwei Commitmentarten überprüft werden. Es ergeben sich überwiegend mittlere bis starke Beziehungen, die signifikant sind. Tabelle 44: Korrelation der Faktoren Lebensalter und Betriebszugehörigkeit mit dem kalkulativen Commitment SOCC **
UOCC **
Alter
.23
.33
Betriebszugehörigkeit
.12
.45
**
**
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Damit kann die Gegenhypothese für den Aspekt ‚Lebensalter’ fallengelassen werden. Es ist von einer Korrelation zwischen Alter und den beiden Arten des kalkulativen Commitments auszugehen. Diese ist signifikant, mittel und positiv. Für den Aspekt ‚Betriebszugehörigkeit’ liegen die Dinge anders: Das unspezifische kalkulative Commitment weist eine mittlere, signifikante Korrelation von .45 auf. Jedoch erweist
134
Zuvor war eine Umkodierung der Antworten „w“ für weiblich und „m“ für männlich in numerische Ausdrücke notwendig.
135
In Anlehnung an die Usancen der psychologischen Forschung wird von einer schwachen Korrelation bei einem Korrelationskoeffizienten von 0.1, von einer mittleren bei 0.3 und von einer starken bei 0.5 gesprochen (Bortz 1999: 607).
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
163
sich die Beziehung zwischen der Betriebszugehörigkeit und dem spezifischen kalkulativen Commitment als schwach positiv. Da dieser Befund nicht signifikant ist, lässt sich keine verlässliche Aussage zu diesem Teil der Hypothese treffen. Interessant ist weiterhin, in welchem Maße die betrachteten unabhängigen Variablen das kalkulative Commitment beeinflussen. Informationen zu dieser Frage liefert eine einfaktorielle Varianzanalyse. Der Faktor Lebensalter erreicht eine Varianzaufklärung für das spezifische kalkulative Commitment von 39,5 % und 37,3 % für das unspezifische. Trotz dieser hohen Varianzaufklärung sind die Werte wenig aussagekräftig, weil keine Signifikanz vorliegt. Damit ist das Ergebnis möglicherweise zufällig. Für den Faktor Betriebszugehörigkeit liegt die Varianzaufklärung bei 34,1 % (spezifisches Commitment) und 49,2 % (unspezifisches Commitment). Während der letztgenannte Wert mit .002 signifikant ist, weist der andere keine Signifikanz auf. Somit lässt sich als Ergebnis der Varianzanalyse festhalten: Das unspezifische kalkulative Commitment steht signifikant im positiven Zusammenhang mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit. H6: Die hierarchische Position steht im positiven Zusammenhang mit dem Organisationalen Commitment. Zur Analyse dieser Hypothese werden wieder die Korrelate miteinander verglichen. Die folgende Übersicht veranschaulicht die Werte. Tabelle 45: Korrelation des Faktors hierarchische Position und Organisationales Commitment SOCA Hierarchische Position *
*
.21
SOCC
SOCN
-.14
.21
*
UOCA
UOCC
UOCN
.11
-.06
.25
**
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,05 signifikant. **
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Es ergeben sich schwache bis mittlere Werte. In einem statistisch bedeutungsvollen positiven Zusammenhang steht das spezifische und unspezifische normative Commitment sowie das spezifische affektive Commitment mit der hierarchischen Position. Alle drei Befunde sind auf unterschiedlichen Niveaus signifikant. Ein anderes Bild ergibt sich hinsichtlich der kalkulativen Commitmentarten. Die Ergebnisse sind nicht signifikant und lassen sich daher nicht eindeutig interpretieren. Daneben liegt eine schwache, statistisch nicht bedeutungsvolle Korrelation zwischen der hierarchischen Position und dem unspezifischen affektiven Commitment vor. H7: Ein höherer Bildungsabschluss steht im negativen Zusammenhang mit dem affektiven und kalkulatorischen Commitment. Der Vergleich der Korrelationskoeffizienten liefert Aussagen darüber, inwieweit der Faktor Bildungsabschluss hilfreich ist, um die Ausprägung der beiden Commitmentarten zu erklären.
164
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 46: Korrelation des Faktors Bildungsabschluss und Arten des affektiven und kalkulativen Commitments
Bildungsabschluss *
SOCA
SOCC
-.08
-.2
*
UOCA
UOCC
-.2
-.43
**
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,05 signifikant. **
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Insgesamt spannen die Koeffizienten von schwacher bis gut mittlerer negativer Korrelation. Eine Signifikanz ist lediglich bei den Arten des kalkulativen Commitments gegeben. Der Zusammenhang von Vorbildung und dem spezifischen sowie unspezifischen kalkulativen Commitment liegt bei - .2 bzw. - .43. Bei den affektiven Commitmentarten wird ein Wert von - .08 (spezifisches) sowie -.2 (unspezifisches) erreicht. Somit kann die Hypothese in Teilen bestätigt werden. Es ist von einer Bedeutung der Vorbildung für die Ausprägung der Arten des kalkulativen Commitments auszugehen. H8: Die Anzahl der Wechsel des Wohnorts und der Arbeitgeber steht im negativen Zusammenhang mit dem kalkulatorischen Commitment. Sollte diese Hypothese zutreffen, dann müssten die Variablen negativ miteinander korrelieren. Werden die Korrelate miteinander verglichen, dann ergibt sich das folgende Bild: Tabelle 47: Korrelation der Faktoren Anzahl der Umzüge und Arbeitgeber mit dem kalkulativen Commitment SOCC
UOCC
Anzahl der Umzüge
.04
- .13
Anzahl der Arbeitgeber
- .22*
- .23**
* Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,05 signifikant. ** Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Sehr schwache negative Korrelationen finden sich zwischen der Anzahl der Umzüge und dem spezifischen wie unspezifischen kalkulativen Commitment. Diese Befunde sind nicht signifikant. Statistisch bedeutungsvolle Werte sind bei der Variable Anzahl der Arbeitgeber zu verzeichnen. Signifikant negative Beziehungen finden sich zum spezifischen und unspezifischen kalkulativen Commitment. Diese liegen im Wertebereich zwischen - .22 bis - .23 und sind damit als schwache Korrelation zu kennzeichnen. Somit lässt sich von einer schwach negativen Beziehung zwischen der Anzahl der Arbeitgeber und dem spezifischen wie unspezifischen kalkulativen
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
165
Commitment ausgehen. Hinsichtlich des negativen Zusammenhangs von Anzahl der Umzüge und dem spezifischen kalkulativen Commitment kann die Hypothese weder falsifiziert noch bestätigt werden. Arbeitszufriedenheit H9: Je höher die Arbeitszufriedenheit, desto höher ist das spezifische affektive Commitment. Um diese Zusammenhangshypothese zu überprüfen, ist es zweckmäßig, das Korrelat des Faktors ‚Arbeitszufriedenheit’ mit dem Faktor ‚spezifisches affektives Commitment’ zu ermitteln. Die Korrelation liegt bei .71 und ist auf dem Niveau von 0,01 signifikant. Mit dieser starken Korrelation kann die H0 verworfen werden. Somit kann, zumindest vorläufig, von diesem Zusammenhang ausgegangen werden. H10: Der positive Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und dem spezifischen affektiven Commitment ist stärker als der von Arbeitzufriedenheit und unspezifischen affektiven Commitments. Auch diese Hypothese lässt sich mittels eines Blickes auf Korrelationen prüfen. Dabei interessiert der Vergleich von Korrelaten. Die folgende Übersicht veranschaulicht die entsprechenden Werte: Tabelle 48: Korrelation des Faktors Arbeitszufriedenheit mit dem spezifischen und unspezifischen affektiven Commitment SOCA Arbeitszufriedenheit **
**
.71
UOCA **
.49
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Ein einfacher Vergleich der beiden Werte zeigt, dass das spezifische affektive Commitment eine deutlich höhere Korrelation aufweist als das unspezifische. Dies lässt sich damit begründen, dass das spezifische affektive Commitment aufgrund seines Bezugsobjektes deutlich „näher“ an der Arbeitszufriedenheit ist als das unspezifische. H11: Es existiert kein Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit und dem kalkulativen und normativen Commitment. Diese Hypothese bezieht sich sowohl auf das spezifische als auch auf das unspezifische Commitment. Daher müssen insgesamt vier Korrelate verglichen werden:
166
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 49: Korrelation des Faktors Arbeitszufriedenheit mit weiteren Commitmentarten SOCC Arbeitszufriedenheit *
*
- .18
SOCN
UOCC
**
UOCN
**
.30
*
- .25
.18
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,05 signifikant. **
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Danach liegen Korrelationen vor, die in ihrer Höhe schwache bis mittlere Zusammenhänge erkennen lassen. Beim kalkulativen Commitment werden negative und beim normativen positive Beziehungen der Variablen errechnet. Alle Befunde sind auf unterschiedlichen Niveaus signifikant. Somit ist die obige Hypothese zu falsifizieren. Es existieren Zusammenhänge zwischen der Arbeitszufriedenheit und dem kalkulativen und normativen Commitment. Besonders bemerkenswert ist der negative Zusammenhang zwischen kalkulativem Commitment und Arbeitszufriedenheit. Offensichtlich ist eine hohe Arbeitszufriedenheit nicht kompatibel mit starkem kalkulativem Commitment – ein Befund, der bis jetzt noch nicht in der Literatur erörtert wurde. Variety Seeking H12: Je stärker die Neigung zum Variety Seeking, desto geringer ist das Organisationale Commitment. Tabelle 50: Korrelation des Faktors Variety Seeking mit Commitmentarten
Variety Seeking **
SOCA
SOCC
- .03
- .24
**
SOCN
UOCA
UOCC
-.04
-15
- .35
**
UOCN - .14
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Insgesamt findet sich die Wirkrichtung der Hypothese „je stärker desto geringer“ in den negativen Vorzeichen wieder. Trotzdem zeigt der Vergleich der Korrelate überwiegend sehr schwache bzw. schwache Beziehungen zwischen dem Faktor Variety Seeking und den einzelnen Commitmentarten. Lediglich das kalkulative Commitment weist mit - .24 (spezifisches) sowie - .35 (unspezifisches) einen mittleren Korrelationskoeffizienten bei vorliegender Signifikanz auf. Damit kann die Hypothese für die kalkulativen Commitmentarten bestätigt werden. Daraus lässt sich die aposteriori-Hypothese formulieren: Je stärker die Neigung zum Variety Seeking, desto geringer ist das kalkulative Commitment. Zusammenfassend lässt sich für die Ergebnisse zu den personalen Determinanten festhalten, dass überwiegend Befunde herausgearbeitet wurden, die die angenommenen Hypothesen stützen und somit keine Falsifikation möglich ist. Lediglich die
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
167
Hypothese 11 muss gänzlich fallengelassen werden. In einigen Fällen können aufgrund fehlender Signifikanz nur Teile der Hypothese bestätigt werden (H5, H6 und H8). Die Hypothese 4 konnte aufgrund der fehlenden Signifikanz nicht eindeutig überprüft werden. Soweit Zusammenhangshypothesen überprüft wurden, lag die überwiegende Anzahl der Korrelationskoeffizienten im mittleren Wertebereich < .4. Die demografischen Merkmale hinterlassen hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Commitment ein ambivalentes Bild. Einige der Faktoren sind als Prädiktoren geeignet. So bietet sich die Betriebszugehörigkeit zur Erklärung des unspezifischen kalkulativen Commitments an, die hierarchische Position, um das normative Commitment zu erhellen, der Bildungsabschluss, um das kalkulative und normative Commitment zu erklären, und die Anzahl der Vorarbeitgeber zur Erläuterung des kalkulativen Commitments. Hingegen liefern das Geschlecht sowie die Anzahl der Umzüge keinen Erklärungsgehalt und sind zudem statistisch nicht bedeutungsvoll. Die Ergebnisse decken sich überwiegend mit den Befunden der Commitmentforschung (vgl. Kapitel 3.1.2. ff.). Als besonders überraschend hat sich die Hypothese 11 herausgestellt. Insgesamt ist, entgegen der Annahme, die Bedeutung der Arbeitszufriedenheit für alle Commitmentarten hervorzuheben. Interessanterweise weist der Befund auf eine mittlere negative Korrelation von unspezifischem kalkulativem Commitment mit der Arbeitszufriedenheit hin. Somit scheint die Bedeutung von kalkulativen Bindungsanreizen bei einer hohen Arbeitszufriedenheit gering oder sogar kontraproduktiv. Das aus der Kundenbindungsforschung gewonnene Konstrukt Variety Seeking hat sich als tragfähig erwiesen. So wurden signifikant negative Korrelationen auf einem knapp mittleren Niveau zu den kalkulativen Commitmentarten gefunden. Somit kann die Erweiterung des Modells um den Faktor Variety Seeking als gerechtfertigt angesehen werden. 7.3.2.2 Organisationale Determinanten In der vorliegenden Untersuchung werden neben den bereits vorgestellten personalen Einflussgrößen auf das Commitment auch organisationale Determinanten gemessen. Diese sind zweigeteilt in a) organisationale Determinanten auf der Ebene Organisationseinheit Weiterbildung sowie b) organisationale Determinanten auf der Ebene Gesamtunternehmen. Die nächsten zwei Abschnitte informieren über die entsprechenden Befunde. 7.3.2.2.1 Auf der Ebene der Organisationseinheit Weiterbildung Auf der Ebene der Organisationseinheit Weiterbildung sind vier Felder zu untersuchen hinsichtlich ihrer Relevanz für die Ausprägung des Commitments: der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung im Unternehmen, die Art des Weiterbildungstyps, die Mitarbeiteranzahl in der betrieblichen Weiterbildung sowie die
168
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Beziehung zum direkten Vorgesetzten. Entsprechend werden die dazugehörigen Hypothesen im folgenden Teil überprüft. Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung H13: Je höher der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung im Unternehmen, desto stärker ist das affektive Commitment. Tabelle 51: Korrelation des Faktors Stellenwert der Weiterbildung mit affektiven Commitmentarten SOCA Stellenwert der Weiterbildung **
UOCA
**
**
.50
.58
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Die Korrelation zwischen dem Faktor Stellenwert der Weiterbildung und den beiden Commitmentarten liegt in einem insgesamt mittleren Bereich und ist signifikant. Damit kann die Gegenhypothese als falsifiziert betrachtet werden. Somit hat die Positionierung der Organisationseinheit Weiterbildung eine nachhaltige Wirkung auf das Ausmaß der affektiven Commitmentarten der Weiterbildner. Auch die einfaktorielle Varianzanalyse stützt diese Aussage: Sie liefert eine signifikante Varianzaufklärung von 39,2 % (spezifisches affektives Commitment) bzw. 49 % (unspezifisches affektives Commitment) und ist somit als hoch zu bezeichnen. Interessanterweise zeigen die Ergebnisse des Korrelationsvergleichs und der Varianzanalyse einen etwas stärkeren Zusammenhang von wahrgenommenem Stellenwert der Weiterbildung und dem unspezifischen affektiven Commitment. H14: Die restlichen Commitmentarten sind vom Faktor Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung im Unternehmen unabhängig. Tabelle 52: Korrelation des Faktors Stellenwert der Weiterbildung mit weiteren Commitmentarten
Stellenwert der Weiterbildung
SOCC
SOCN
UOCC
UOCN
- .14
.15
- .05
.14
Schwache Korrelationswerte zeigen an, dass nur eine schwache Beziehung zwischen Faktor Stellenwert der Weiterbildung und den untersuchten Commitmentarten zu verzeichnen ist. Damit wäre die Hypothese zu falsifizieren, wenn die Befunde signifikant wären.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
169
Art des Weiterbildungstyps Wie gezeigt, gilt der Stellenwert der Weiterbildung zentral für die Ausprägung des affektiven Commitments. Interessant ist, ob dieser Befund unabhängig von dem Weiterbildungstypus ist. Als Hypothese wird dazu angenommen: H15: Weiterbildner, die in einer Einheit tätig sind, die einem strategieunterstützenden Weiterbildungstypen entspricht, verfügen über ein höheres affektives Commitment als die Weiterbildner anderer Weiterbildungstypen. Um diese Hypothese zu überprüfen, wurden die Befragten gebeten, mit fünf Items und jeweils drei Antwortalternativen den Weiterbildungstyp zu charakterisieren. Wie im Kapitel 2.1.3 entfaltet, wird unterschieden in den nachfrage-dienstleistenden, strategie-unterstützenden, ressourcen-basierten sowie rudimentären Typ. Besonders bemerkenswert ist, dass die aus der Untersuchung von Bäumer übernommenen Items (vgl. Kapitel 6.5.2) wenig trennscharf sind. Zwar lassen sich mittels Clusteranalyse aus der Stichprobe vier Grundtypen identifizieren, doch ist das Antwortverhalten in den einzelnen Clustern mehrdeutig. So wird in zwei der vier Grundtypen das Item „strategieunterstützend“ angegeben, obwohl es typischerweise ausschließlich dem „strategie-unterstützenden Typen“ vorbehalten sein müsste136. Auch finden sich einige Widersprüche: Das Item „planvoll“ wird auch dem „rudimentären Typen“ zugewiesen. Eine Zuordnung, die inhaltlich nicht sinnvoll ist. Dem „strategieunterstützenden Typen“ wird das Attribut „ad hoc“ zugewiesen, wobei gerade das Gegenteil gelten müsste. Aufgrund dieser Mehrdeutigkeit der einzelnen Items findet ein anderer Auswertealgorithmus Anwendung: Die vier Weiterbildungstypen werden mittels der Sortierfunktion „Fälle auswählen“ 137 von SPSS gewonnen. Dazu werden die folgenden Items als Auswahlkriterien benutzt:
136
Möglicherweise ist dieses Phänomen auch Ausdruck eines Zeitgeistes. Mittlerweile scheint es sich unter Weiterbildnern durchzusetzen, die Vokabel „strategische Weiterbildung“ zu benutzen, unabhängig davon, wie die Weiterbildungspolitik tatsächlich beschaffen ist.
137
Konkret entspricht der Auswahlprozess dem Ziehen ohne Zurücklegen aus einer Urne.
170
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 53: Eigenschaften der Weiterbildungstypen mit den dazugehörigen Items und Antwortverhalten Weiter-
Nachfragedienst-
Strategieunter-
Ressourcen-
bildungstyp
leistender Typ
stützender Typ
basierter Typ
Kennzeichen
Bedarfsorientiert
planvoll (V125 = 1)
potenzialorientiert
(V124 = 1)
Anzahl der
strategieunterstützend
(V126 = 2)
anforderungsorientiert (V127 = 2)
berufsübergreifend
(V126 = 1)
(V129 = 2)
n = 45
vernetzt (V128 = 1) n = 13
n=9
Rudimentärer Typ
ad hoc (V125 = 2) isoliert (V128 = 2)
n=1
zugeordneten Fälle
Zunächst werden die Fälle ermittelt, die dem Weiterbildungstypen entsprechen, von dem angenommen wird, dass er zahlenmäßig am häufigsten verbreitet ist: der nachfrage-dienstleistende Typ (vgl. Bäumer 1999: 154 ff.). Es werden alle Datensätze herausgefiltert, die den beiden Kriterien „bedarfsorientiert“ und „anforderungsorientiert“ entsprechen. Im genannten Beispiel ergeben sich 45 Fälle. Anschließend werden aus der nach jedem Ziehen reduzierten Stichprobe der strategieunterstützende, ressourcen-basierte sowie rudimentäre Typ gewonnen. Zu vernachlässigen ist der rudimentäre Typ mit n = 1. Erwartungsgemäß spielt er in dieser Untersuchung eine untergeordnete Rolle. Schließlich handelt es sich bei den teilnehmenden Institutionen durchweg um Großunternehmen. In der Literatur wird mehrfach darauf hingewiesen, dass der Ausbaugrad der Weiterbildung stark auch von der Unternehmensgröße abhängig ist (ebenda: 230 ff.). Somit dürfte eine rudimentäre Weiterbildung in praxi in Großunternehmen eher selten anzutreffen sein. Insgesamt können über dieses Verfahren 68 (64,2 %) alle Fälle verortet werden. Die geringe Anzahl an eindeutigen Zuordnungen zeigt eine deutliche Schwäche der Vorgehensweise an: Es bleibt eine Vielzahl von Fällen unberücksichtigt. Damit müssen die zu diesem Punkt referierten Ergebnisse mit der entsprechenden Vorsicht interpretiert werden.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
171
Tabelle 54: Ausprägung des affektiven Commitments bei unterschiedlichen Weiterbildungstypen
spezifisches affektives
Nachfrage-
Strategieunter-
Ressourcenbasierter
dienstleistender Typ
stützender Typ
Typ
n = 45
n = 13
n=9
Mittelwert
Varianz
Mittelwert
Varianz
Mittelwert
Varianz
3,24
6,11
3,35
6,26
3,06
15,19
2,99
6,61
3,42
2,9
3,14
13,53
Commitment Unspezifisches affektives Commitment
Der Vergleich der Mittelwerte des Antwortverhaltens zum spezifischen und unspezifischen affektiven Commitment zeigt, dass sie beim strategieunterstützenden Typ bei einer Varianz von 6,26 bzw. 2,9 am höchsten ausgeprägt ist. Dabei zeigt sich ein ähnlicher Befund wie bei der Variable ‚Stellenwert der Weiterbildung’: Der Zusammenhang von unspezifischem Commitment zum Weiterbildungstypen ist stärker als beim spezifischen. Dieses Ergebnis ist aufgrund der oben geschilderten methodischen Schwierigkeit vorsichtig zu interpretieren. Mitarbeiteranzahl in der Organisationseinheit Weiterbildung Neben der Art des Weiterbildungstyps ist ein möglicher Einflussfaktor auf die Ausprägung des Commitments die Größe der Organisationseinheit. Es wird angenommen: H16: Die Mitarbeiteranzahl in der Organisationseinheit Weiterbildung steht in keinem Zusammenhang mit der Stärke des Organisationalen Commitments. Ein Vergleich der Korrelationskoeffizienten liefert das folgende Bild: Tabelle 55: Korrelation der Anzahl der Mitarbeiter in der Organisationseinheit mit Commitmentarten
Anzahl der Mitarbeiter in der OE *
SOCA
SOCC
SOCN
UOCA
UOCC
.05
.12
.08
.00
.2
*
UOCN .05
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,05 signifikant. **
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Die Werte weisen eine Spanne von keiner bis schwacher Korrelation auf. Lediglich der Korrelationskoeffizient beim unspezifischen kalkulativen Commitment ist bei .2
172
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
signifikant. Somit sind die meisten Befunde statistisch nicht bedeutungsvoll und lassen sich daher nicht eindeutig interpretieren. Bei der Beziehung zum kalkulativen Commitment ist jedoch zu überprüfen, inwieweit dieser Effekt von Gewicht ist. Eine Antwort darauf liefern die Ergebnisse der multivariaten Analyse. Damit dürfte sachlich weiterhin davon ausgegangen werden, dass die Größe der Organisationseinheit keine Wirkung auf das Commitment hat. Beziehung zum Vorgesetzten H17: Je besser die Beziehung zum Vorgesetzten beurteilt wird, desto stärker ist das spezifische affektive Commitment. Anhand der Korrelation des Faktors Leader-Membership-Index mit dem spezifischen affektiven Commitment lässt sich diese Hypothese überprüfen. Es ergibt sich ein signifikant (Signifikanzniveau 0,01) positiver Zusammenhang von .59. Damit ist die H0 widerlegt, und es kann von einer derartigen Wirkung ausgegangen werden. Die Beziehung zum direkten Vorgesetzten ist ein wichtiger Einflussfaktor, der nachhaltig die Stärke des spezifischen affektiven Commitments prägt. H18: Die restlichen Commitmentarten stehen in einem Zusammenhang zur Beziehung zum Vorgesetzten. Die Übersicht der einzelnen Korrelate des Faktors Leader-Membership-Index mit den Commitmentarten zeigt, inwieweit diese Hypothese zu falsifizieren ist. Tabelle 56: Korrelation des Faktors Leader-Membership-Index mit Commitmentarten
Leader-Membership-Index *
SOCC
SOCN
UOCA
UOCC
UOCN
- .19
.35
.37
- .18
.23
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,05 signifikant. **
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Die aufgeführten Werte zeigen, dass ein schwacher bis mittlerer Zusammenhang zwischen dem Faktor Leader-Membership-Index und der jeweiligen Commitmentart zu verzeichnen ist. Während die normativen Commitmentarten und das unspezifische affektive Commitment einen positiven Zusammenhang aufweisen, ist er bei den kalkulativen Commitmentformen schwach negativ ausgeprägt. Diese Beziehung ist, wie beim Befund zur Arbeitszufriedenheit und dem kalkulativen Commitment, überraschend. Alle Befunde stehen jedoch unter der Einschränkung der fehlenden Signifikanz und sind damit statistisch nicht bedeutungsvoll. Bei gegebener Signifikanz könnte H0 verworfen werden und von der zumindest vorläufigen Richtigkeit der Hypothese ausgegangen werden. Sachlich spricht weiterhin einiges dafür, dass die Art des Verhältnisses zum direkten Vorgesetzten ein Stell-
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
173
hebel ist, um das normative und das spezifische affektive Commitment zu beeinflussen. Zusammenfassend lässt sich für die organisationalen Determinanten auf der Ebene der Organisationseinheit Weiterbildung festhalten, dass keine Hypothesen falsifiziert wurden. Der Stellenwert der Weiterbildung hat sich als ein zentraler Prädiktor für das affektive Commitment und erstaunlicherweise auch für alle anderen Commitmentarten (H14) erwiesen. Die letztgenannte Aussage steht unter dem Vorbehalt der fehlenden Signifikanz. Die berechneten Korrelationen erreichen im Zusammenhang mit dem affektiven Commitment starke Werte. Mit einer methodischen Einschränkung (vgl. die Diskussion oben) weist der strategie-unterstützende Weiterbildungstyp die höchsten affektiven Commitmentwerte auf. Hingegen bietet die Mitarbeiteranzahl in der Organisationseinheit Weiterbildung wenig Erklärungsgehalt. Starke Effekte konnten zwischen der Beziehung zum Vorgesetzten und dem affektiven Commitment herausgearbeitet werden. Aber auch zu den übrigen Commitmentarten konnten teils positive, teils negative Beziehungen aufgezeigt werden. Auf der Ebene des Gesamtunternehmens Insgesamt gilt es auf der Ebene des Gesamtunternehmens drei Felder zu untersuchen hinsichtlich ihrer Relevanz für die Ausprägung des Commitments: die Bedeutung der Branchenzugehörigkeit, die Unternehmensgröße sowie die Arbeitsplatzsicherheit bzw. –gefahr. Entsprechend werden die dazugehörigen Hypothesen im folgenden Abschnitt überprüft. Branchenzugehörigkeit H19: Die Branchenzugehörigkeit steht in keinem Zusammenhang mit der Stärke des Organisationalen Commitments. Ein Vergleich der Korrelationskoeffizienten erhellt, ob Zusammenhänge zwischen der Branchenzugehörigkeit und den Commitmentarten im Datensatz zu finden sind. Tabelle 57: Korrelationen von Branchenzugehörigkeit und Commitmentarten
Branchenzu-gehörigkeit *
SOCA
SOCC
SOCN
UOCA
UOCC
UOCN
.08
.04
.05
.1
.16
.11
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,05 signifikant. **
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
174
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Danach liegen sehr schwache bis schwache nicht signifikante Korrelationen vor. Somit kann die Hypothese weder falsifiziert noch bestätigt werden. Sachlich betrachtet, bildet die Branchenzugehörigkeit keinen zuverlässigen Prädiktor für die Ausprägung des Commitments. Unternehmensgröße H20: Die Unternehmensgröße (Anzahl der Mitarbeiter) steht in Zusammenhang mit der Stärke des Organisationalen Commitments.
keinem
Ein Vergleich der Korrelate liefert Aussagen, die helfen, die obige Hypothese einzuschätzen. Danach ergibt sich das folgende Bild: Tabelle 58: Korrelationen von Unternehmensgröße und Commitmentarten
Unternehmensgröße *
SOCA
SOCC
SOCN
UOCA
UOCC
UOCN
.12
- .02
.07
.09
.03
.12
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,05 signifikant. **
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Mit sehr schwachen bis schwachen nicht signifikanten Korrelationen zwischen - .02 und .12 lässt sich die oben genannte Hypothese nicht eindeutig überprüfen. Es spricht aber einiges dafür, dass die Unternehmensgröße keine Rückwirkung auf das Commitment hat. Arbeitsplatzgefahr H21: Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, den Arbeitsplatz zu verlieren, desto geringer ist das affektive Commitment. Tabelle 59: Korrelation des Faktors Arbeitsplatzgefahr mit Arten des affektiven Commitments SOCA Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren **
**
- .41
UOCA **
- .41
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Mit signifikanten Korrelationen in beiden Fällen von - .41 ist die Gegenhypothese zu verwerfen und von einem signifikanten negativen Zusammenhang auszugehen. Somit ist die emotionale Verbundenheit mit der Organisationseinheit wie dem Unternehmen stark von der Arbeitsplatzsicherheit beeinflusst. Anders formuliert: Mitarbeiter, die
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
175
um ihren Arbeitsplatz fürchten, fühlen sich deutlich weniger mit ihrer Organisationseinheit und dem Unternehmen verbunden. Zusammenfassend lässt sich für organisationale Determinanten auf der Ebene des Gesamtunternehmens festhalten, dass keine Hypothese falsifiziert werden konnte. Die Branchenzugehörigkeit und die Unternehmensgröße scheinen wenig geeignet, die Ausprägung der Commitmentarten zu erklären. Diese Aussage steht jedoch unter dem Vorbehalt der fehlenden Signifikanz. Dagegen ist die Arbeitsplatzsicherheit bzw. – gefahr von überdurchschnittlich starker Bedeutung. 7.3.3 Befunde zur Konsequenz Verbleibabsicht
des
Organisationalen
Commitments:
H22: Je stärker das spezifische Organisationale Commitment ausgeprägt ist, desto stärker ist die Absicht, im Unternehmen zu verbleiben. Tabelle 60: Korrelation des Faktors Verbleibeabsicht mit Arten des spezifischen Commitments SOCA Verbleibeabsicht **
**
.48
SOCC
SOCN
.09
.32
**
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Das affektive und das normative Commitment weisen eine starke signifikante Korrelation mit der Verbleibeabsicht auf. Das kalkulative Commitment ist hingegen fast als unabhängig von der Verbleibeabsicht zu bezeichnen. Diese Einschätzung ist dadurch erklärbar, dass die spezifische Organisationseinheit wenig kalkulative Anreize für den Verbleib liefert. Vielmehr ist es das Gesamtunternehmen. Dieser Befund ist statistisch nicht bedeutungsvoll. H23: Je stärker das unspezifische Organisationale Commitment ausgeprägt ist, desto stärker ist die Absicht, im Unternehmen zu verbleiben. Tabelle 61: Korrelation des Faktors Verbleibeabsicht mit Arten des unspezifischen Commitments UOCA Verbleibeabsicht **
**
.56
UOCC **
.23
UOCN **
.30
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01signifikant.
Das Commitment, bezogen auf das Bezugsobjekt Gesamtunternehmen, weist signifikante positive Korrelationen zur Verbleibeabsicht über alle drei Dimensionen auf.
176
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Am stärksten ist die Korrelation zwischen dem affektiven Commitment und der Verbleibeabsicht ausgeprägt. H24: Das spezifische affektive Commitment ist ein besserer Prädiktor für die Verbleibeabsicht als das unspezifische. Wenn diese Hypothese zutreffen soll, dann müsste sich in der vorliegenden Untersuchung eine höhere positive Korrelation der Verbleibeabsicht mit dem spezifischen affektiven Commitment ergeben als mit dem unspezifischen. Ein Paarvergleich zeigt das folgende Bild: Tabelle 62: Korrelation des Faktors Verbleibeabsicht mit Arten des affektiven Commitments SOCA Verbleibeabsicht **
**
.48
UOCA **
.56
Korrelationen sind auf einem Niveau von 0,01 signifikant.
Danach ist der Zusammenhang zwischen dem unspezifischen affektiven Commitment stärker als bei dem spezifischen. Ein ähnliches Bild zeigt auch eine einfaktorielle Varianzanalyse138: Die signifikante Varianzaufklärung liegt beim spezifischen affektiven Commitment bei 31,3 Prozent und beim unspezifischen bei 37,9 Prozent. Somit ist die oben formulierte Hypothese zu falsifizieren. Trotzdem kann festgehalten werden, dass beide affektiven Commitmentarten recht gute Prädiktoren für die Verbleibeabsicht sind. H25: Je stärker die Neigung zum Variety Seeking, desto geringer ist die Verbleibeabsicht. Ähnlich wie bei der vorangegangenen Hypothese lässt sich die Hypothese anhand der Korrelation erhellen. Der Korrelationskoeffizient liegt bei - .31 und ist auf einem Signifikanzniveau von 0.01 signifikant. Damit liegt ein negativer Zusammenhang vor, wie ihn die Hypothese unterstellt. Die Gegenhypothese muss fallengelassen werden. H26: Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, den Arbeitsplatz zu verlieren, desto geringer ist die Verbleibeabsicht. Die Korrelation zwischen den beiden Variablen ist signifikant auf einem Niveau von 0,01 und liegt bei - .34. Somit ist von einer mittleren negativen Korrelation auszugehen. Die Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes hat in diesem Verständnis einen negativen Einfluss auf die Verbleibeabsicht. Dass dieser Effekt von mittlerer Ausprägung
138
Dabei wird, dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Modell (vgl. Kapitel 5) folgend, die Verbleibeabsicht als abhängige Variable des affektiven Commitments konzeptualisiert.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
177
ist, zeigt auch die einfaktorielle Varianzanalyse an. Sie liefert eine Varianzaufklärung von 15,8 %. Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Konsequenz des Organisationalen Commitments festhalten, dass überwiegend starke Korrelationen nachgewiesen wurden. Somit kann der Zusammenhang Verbleibeabsicht und Commitmentarten als gut gesichert betrachtet werden. Eine Ausnahme bildet lediglich das spezifische kalkulative Commitment. Es hat sich als nicht sinnvoller Prädiktor herausgestellt. Auch aufgrund der weiter oben referierten Befunde zu dieser Art des Commitments müssen Nutzen und Sinn des Konstrukts angezweifelt werden. Die Organisationseinheit Weiterbildung liefert zu wenig Bleibeanreize139, die das kalkulative Commitment adressieren. Interessanterweise hat sich das spezifische affektive Commitment zwar als ein sehr guter Prädiktor für die Verbleibeabsicht herausgestellt. Doch ist das unspezifische affektive Commitment ihm hinsichtlich der Prognosekraft knapp überlegen. Somit scheint die im Kapitel 3.1.4 kritisierte Ungenauigkeit vieler Studien beim Bezugsobjekt doch nicht von so hoher Bedeutung zu sein. Des Weiteren können die Konstrukte Variety Seeking und Arbeitsplatzgefahr als Prädiktoren der Verbleibeabsicht herangezogen werden. Ihre Zuverlässigkeit liegt im mittleren Bereich (Korrelationen von - .3). 7.3.4 Zwischenfazit: Zusammenfassung Inferenzstatistik
der
Befunde
der
bivariaten
Gegenstand des folgenden Abschnitts ist es, die oben referierten Befunde der Inferenzstatistik zusammenzufassen und zu bewerten. Daneben soll die im Kapitel 6.1.3 angefangene Diskussion zur Konstruktvalidität der Untersuchung abgeschlossen werden. Als zentrales Ergebnis kann festgehalten werden, dass die untersuchten Variablen unterschiedlich gut als Prädiktoren der Verbleibeabsicht fungieren. Zur Verdeutlichung der Einflussstärken der unterschiedlichen Determinanten auf die Verbleibeabsicht werden diese in einem „Planetensystem“ abgebildet (vgl. Abbildung 13). Je näher die Variable der Verbleibeabsicht steht, desto stärker ist ihr Einfluss. Somit kommt neben dem ohnehin in der Literatur häufig zitierten affektiven Organisationalen Commitment (UOCA) dem in dieser Arbeit entwickelten spezifischen (SOCA) eine wichtige Rolle zu. Auch das aus der Kundenbindungsforschung abgeleitete und neu in die Diskussion eingebrachte Variety Seeking (VS) erweist sich als geeignet
139
Gemeint sind insbesondere Betriebsrenten, Karriereoptionen etc., die gewöhnlich auf der Gesamtunternehmensebene verankert sind.
178
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
zur Erklärung der Intention zum Verbleib. Ungeeignet haben sich die Variablen spezifisches und unspezifisches kalkulatives Commitment sowie unspezifisches normatives Commitment erwiesen.
+ Spezifisches kalkulatives Commitment
Arbeitsplatzgefahr
Variety Seeking
+ Unspezifisches affektives Commitment
Verbleibeabsicht
+ Spezifisches normatives Commitment
+ Unspezifisches kalkulatives Commitment
+ Spezifisches affektives Commitment
+ Unspezifisches normatives Commitment
Abbildung 13: Einflussstärken von unterschiedlichen Determinanten auf die Verbleibeabsicht
Hinsichtlich der a priori formulierten Hypothesen dieser Studie ergibt sich das folgende Gesamtbild (Tabelle 63). Somit sind zwölf (46,2 %) der formulierten Hypothesen bestätigt und sechs (23,1 %) in Teilen bestätigt worden140. Zwei Hypothesen (7,6 %) müssen fallen gelassen werden, weil sie falsifiziert wurden. Die restlichen sechs (23,1 %) konnten aufgrund der fehlenden Signifikanz nicht eindeutig überprüft werden.
140
Diese Aussage soll nicht intendieren, dass diese Hypothesen verifiziert wären.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
179
Tabelle 63: Übersicht der überprüften Hypothesen Kennzeichen
Inhalt
Ergebnis
H1
Spezifisches affektives Commitment ≠ unspezifisches
Bestätigt
affektives Commitment H2
Spezifisches kalkulatives Commitment ≠ unspezifisches Bestätigt kalkulatives Commitment
H3
Spezifisches normatives Commitment ≠ unspezifisches
Bestätigt
normatives Commitment H4
Geschlecht o → Organisationales Commitment
Nicht signifikant
H5
Lebensalter und Betriebszugehörigkeit + → kalkulatives Teilweise bestätigt Commitment
H6
Hierarchische Position + → Organisationales
Teilweise bestätigt
Commitment H7
Bildungsabschluss - → affektives und kalkulatives
Teilweise bestätigt
Commitment H8
Anzahl Wohnort- und Arbeitgeberwechsel - →
Teilweise bestätigt
kalkulatives Commitment H9
Arbeitszufriedenheit - → spezifisches affektives
Bestätigt
Commitment H10
(Arbeitszufriedenheit + → spezifisches affektives
Bestätigt
Commitment) > (Arbeitszufriedenheit + → unspezifisches affektives Commitment) H11
Arbeitszufriedenheit o → kalkulatives und normatives
Falsifiziert
Commitment H12
Variety Seeking - → Organisationales Commitment
Teilweise bestätigt
H13
Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung + →
Bestätigt
affektives Commitment H14
Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung o →
Nicht signifikant
kalkulatives und normatives Commitment H15
H16
Strategieunterstützender Weiterbildungstyp + →
Bestätigt, aber methodisch
affektives Commitment
kritisch
Mitarbeiterzahl in der Organisationseinheit o →
Überwiegend nicht signifikant
Organisationales Commitment H17
Beziehung zum Vorgesetzten + → spezifisches affektives Commitment
Bestätigt
180
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
H18
Beziehung zum Vorgesetzten → spezifisches
Nicht signifikant
kalkulatives und normatives Commitment sowie unspezifisches Commitment H19
Branchenzugehörigkeit o → Organisationales
Nicht signifikant
Commitment H20
Unternehmensgröße o → Organisationales
Nicht signifikant
Commitment H21
Arbeitsplatzgefahr - → affektives Commitment
Bestätigt
H22
Spezifisches Organisationales Commitment + →
Teilweise bestätigt
Verbleibeabsicht H23
Unspezifisches Organisationales Commitment + →
Bestätigt
Verbleibeabsicht H24
(Spezifisches affektives Commitment + →
Falsifiziert
Verbleibeabsicht) > (unspezifisches affektives Commitment + → Verbleibeabsicht) H25
Variety Seeking - → Verbleibeabsicht
Bestätigt
H26
Arbeitsplatzgefahr - → Verbleibeabsicht
Bestätigt
Legende:
+ → positiver Zusammenhang
→ steht in Zusammenhang
- → negativer Zusammenhang
o → neutraler Zusammenhang
≠ Variablen unterscheiden sich
Diese Angaben liefern Hinweise für die oben aufgeworfene Frage nach der Konstruktvalidität. Es wurde argumentiert, dass ein Test als konstruktvalide gilt, wenn aus dem zu messenden Zielkonstrukt Hypothesen ableitbar sind, die anhand der Testwerte bestätigt werden können (Bortz/ Döring 2002: 200). Angesichts einer Quote von 69,3 % von nicht vollständig falsifizierten Hypothesen dürfte dieser Forderung Genüge getan sein und es ist von einem konstruktvaliden Test141 auszugehen. Sechs Hypothesen waren aufgrund der fehlenden Signifikanz nicht
141
Eine Eintrübung erhält diese Aussage dadurch, dass ex post Items aufgrund von nicht zufriedenstellenden Kennwerten (vgl. Kapitel 6.1.2) entnommen wurden. Somit könnte argumentiert werden, dass die Konstruktvalidität erst durch das nachträgliche Entfernen hergestellt wurde. Ein Vorwurf, der mit Hinweis auf die geringe Zahl der extrahierten Items zu entkräften ist.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
181
überprüfbar. Es ist davon auszugehen, dass die „Annahmequote“ bei einer entsprechend größeren Stichprobe noch höher ausgefallen wäre. 7.4 Ergebnisse der multivariaten Inferenzstatistik In den vorangegangenen Abschnitten wurden a-priori-Hypothesen des Modells überprüft. Diese bezogen sich auf bivariate Konstellationen der Variablen. Um den Erklärungsgehalt des Modells in der Gänze zu überprüfen, ist diese Vorgehensweise naturgemäß nicht geeignet. Dazu sind vielmehr multivariate Verfahren notwendig, die die Wirkung von möglichst vielen Variablen „zeitgleich“ überprüfen. Im Folgenden wird das Modell einer multiplen Regressionsanalyse unterzogen. Sie dient dem Messen von einseitig gerichteten Abhängigkeiten zwischen zwei oder mehr Merkmalen mit Hilfe geeigneter Modelle und Maßzahlen (Backhaus et al. 2000: 2 ff., Eckstein 2000: 215 ff.). Da das vorliegende Modell von einseitig gerichteten Abhängigkeiten ausgeht, scheint diese Methode besonders geeignet. Gedanklich lässt sich das Modell in zwei Bereiche unterteilen. Auf der einen Seite stehen die Variablen, von denen angenommen wird, dass sie unmittelbaren Einfluss auf die Verbleibeabsicht haben (alle Arten des Commitments, Variety Seeking und Arbeitsplatzgefahr) und auf der anderen Seite die Variablen, die diese wiederum beeinflussen. Dem Rechnung tragend wird die Regressionsanalyse in zwei Schritten realisiert: 1. Zunächst werden die Variablen Commitment, Variety Seeking und Arbeitsplatzgefahr hinsichtlich ihrer Erklärungskraft für die Verbleibeabsicht untersucht (Partialmodell I) und 2. anschließend die das Commitment beeinflussenden Variablen in ihrer Wirkung überprüft (Partialmodell II). 7.4.1 Partialmodell I: Commitment schafft Verbleibeabsicht In der durchgeführten Regressionsanalyse gehen als Regressoren die sechs Commitmentarten, das Variety Seeking und die Arbeitsplatzgefahr ein. Der Regressand ist die Verbleibeabsicht. Die Ergebnisse hinsichtlich der Modellzusammenfassung sind in der Tabelle 64 dargestellt.
182
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 64: Ergebnis der Regressionsanalyse hinsichtlich des Modellfits für das Partialmodell I Modell
1
R
R-Quadrat
,681 ,463
Korrigiertes
Standardfehler
Durbin-Watson-
R-Quadrat
des Schätzers
Statistik
,419
3,31910
1,740
a Einflussvariablen : (Konstante), Arbeitsplatzgefahr, VS, UOCN, SOCC, SOCA, UOCC, UOCA, SOCN b Abhängige Variable: VB
- 0,167*
Variety Seeking
Spezifisches affektives Organisationales Commitment
0,228*
Spezifisches kalkulatives Organisationales Commitment
- 0,007
Spezifisches normatives Organisationales Commitment
0,114
Verbleibeabsicht
Arbeitsplatzgefahr
Unspezifisches affektives Organisationales Commitment
0,339*
Unspezifisches kalkulatives Organisationales Commitment
0,237*
Unspezifisches normatives Organisationales Commitment
- 0,051
- 0,103
R2 = 46,3 % * signifikant
Abbildung 14: Erklärungsgehalt der Regressoren im Partialmodell I
Danach lassen sich 46,3 % der Varianz der Verbleibeabsicht mit der Varianz der Regressoren erklären. Ein Wert, der nicht voll zufrieden stellen kann. Mit einem Durbin-Watson-Koeffizienten von 1,74 liegt lediglich eine geringe Autokorrelation vor, und Verzerrungen beim Signifikanztest sind auszuschließen. Oder genauer: Liegt der Wert nahe 2, werden Autorkorrelationen der unabhängigen Variabeln abgelehnt und auftretende Fehler als zufällig angesehen (Brosius 1998: 561). Fraglich ist weiterhin, welcher Erklärungsanteil welchem Regressor zukommt. Die Abbildung 14 veranschaulicht dies, indem sie die standardisierten Beta-Koeffizienten ausweist.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
183
Sollte eine Signifikanz auf dem Niveau von 0,05 vorliegen, so ist dies mit * gekennzeichnet. Offensichtlich sind die einzelnen Variablen unterschiedlich gut geeignet, als Prädiktor der Verbleibeabsicht zu fungieren. Die höchste Aufklärung liefert das unspezifische affektive Commitment, das unspezifische kalkulative Commitment, das spezifische affektive Commitment sowie das Variety Seeking. Die restlichen Variablen zeigen sehr geringe oder gar keine Varianzaufklärung und sind zudem nicht signifikant. Um diesen Befund abzusichern, wird eine schrittweise Regressionsanalyse gerechnet. Sie zielt darauf, ein revidiertes Partialmodell zu erhalten (vgl. Tabelle 65). Tabelle 65: Ergebnisse der schrittweisen Regressionsanalyse des Partialmodells I Modell
R
R
2
Korri-
Standardfehler 2
giertes R des Schätzers
Änderung Änderung df1 df2 Änderung in R
2
in F
DW
Signifikanz von F
1
,563 ,317 ,311
3,61457
,317
48,341
1
104 ,000
2
,611 ,373 ,361
3,48068
,056
9,155
1
103 ,003
3
,651 ,423 ,406
3,35474
,050
8,879
1
102 ,004
4
,669 ,448 ,426
3,29904
,024
4,473
1
101 ,037
1,674
1 Einflussvariablen : (Konstante), UOCA 2 Einflussvariablen : (Konstante), UOCA, UOCC 3 Einflussvariablen : (Konstante), UOCA, UOCC, SOCA 4 Einflussvariablen : (Konstante), UOCA, UOCC, SOCA, VS
Abhängige Variable: VB
Somit liefern die Variablen unspezifisches affektives Commitment, unspezifisches kalkulatives Commitment, spezifisches affektives Commitment sowie Variety Seeking (Modell 4) eine signifikante, aber etwas geringere Varianzaufklärung von 44,8 % als das ursprüngliche Partialmodell mit 46,3 %. Wird berücksichtigt, dass gegenüber dem ursprünglichen Modell vier Variablen entnommen wurden, ist dieser leichte Verlust an Aufklärung deutlich zu relativieren. Schließlich verbessern diese vier Variablen den Determinationskoeffizienten (R2) um lediglich 1,5 %. Damit ergibt sich unter Berücksichtigung der standardisierten Beta-Koeffizienten das folgende revidierte Partialmodell (vgl. Abbildung 15). Basierend auf den Ergebnissen der Regressionsanalyse lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Variablen spezifisches kalkulatives Commitment, spezifisches
184
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
normatives Commitment, unspezifisches normatives Commitment sowie die Arbeitsplatzgefahr wenig geeignet sind, die Varianz der Verbleibeabsicht zu erklären. Damit sind sie als Prädiktor der Verbleibeabsicht nicht geeignet. Hingegen bieten die Variablen unspezifisches affektives Commitment, unspezifisches kalkulatives Commitment, spezifisches affektives Commitment sowie Variety Seeking eine Varianzaufklärung von insgesamt 44,8 %. Die restliche Varianz ist mit diesen Variablen nicht zu erhellen. Sie basiert entweder auf weiteren Variablen, die nicht im Modell enthalten sind, auf Interaktionseffekten zwischen den Variablen oder einem methodischen Rauschen.
- 0,167*
Spezifisches affektives Organisationales Commitment
0,228*
Variety Seeking
Verbleibeabsicht
Unspezifisches affektives Organisationales Commitment
0,339*
Unspezifisches kalkulatives Organisationales Commitment
0,237*
R2 = 44,8 % * signifikant
Abbildung 15: Revidiertes Partialmodell I
7.4.2 Partialmodell II: Variablen beeinflussen Commitment Gegenstand des Partialmodells II sind die übrigen Modellvariablen und ihre Wirkung auf die sechs Commitmentarten. Zur Prüfung des Modells wurden die jeweilige Commitmentart als Regressand und die übrigen als Regressoren gesetzt. Die sechs
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
185
Regressionsanalysen zeigen, dass eine Vielzahl der aus der Literatur abgeleiteten unterstellten Beziehungen nicht aufrechtgehalten werden können. Daher wurde für die sechs Commitmentarten eine schrittweise Regressionsanalyse gerechnet. Das Ergebnis stellt die Tabelle 66 dar. Die Varianzaufklärung der Teilmodelle zur Bestimmung der sechs Commitmentarten schwankt relativ stark. Während R2 für die bereits im revidierten Partialmodell I besonders betonten Variablen unspezifisches affektives Commitment, unspezifisches kalkulatives Commitment sowie spezifisches affektives Commitment Werte zwischen 36,7 und 51 % erreichen, liegen diese bei den anderen Commitmentarten deutlich darunter. Der Durbin-Watson-Koeffizient liegt um zwei und ist daher als zufrieden stellend zu bezeichnen. In den einzelnen Zeilen finden sich die Variablen, die sich als zuverlässigste Prädiktoren der jeweiligen Commitmentart herausgestellt haben. Tabelle 66: Ergebnisse der schrittweisen Regressionsanalyse des Partialmodells II Regressanden SOCA 2
R =51%
SOCC 1
2
R =16,1% 2
DW=2,01 Alter Arbeitszufriedenheit Arbeitsplatzgefahr
SOCN 1
2
UOCA
2
R =19,9%
1
2
DW=1,77
DW=1,99
0,205*
0,261*
UOCC
2
R =36,7%
1
2
DW=2,13
0,714*
2
R =37%
UOCN 1
2
R =20,2% 2
DW=1,76
1
2
DW=2,15
-0,248* 0,239*
-0,227*
Betriebszugehörigkeit
0,434*
Beziehung zum
0,382*
0,208*
Regressoren
Vorgesetzten Bildungsstand
-0,297*
Position
0,231*
Stellenwert der
0,480*
Weiterbildung Variety Seeking
- 0,237*
-0,309*
2
1 R bezieht sich auf die Varianzaufklärung des Teilmodells mit den angegebenen Variablen. 2 DW steht für den Durbin-Watson-Koeffizienten. * signifikant auf einem Signifikanzniveau von 0,05
Danach wird für das spezifische affektive Commitment die Arbeitszufriedenheit als die wesentliche beeinflussende Variable angesehen. Das spezifische kalkulative Commitment weist eine geringe Varianzaufklärung für die Verbleibeabsicht von 16,1
186
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
% auf. Als zentrale Variablen werden herausgearbeitet: das Lebensalter (+) , die Arbeitsplatzgefahr (+) sowie das Variety Seeking (-). Die beiden normativen Commitmentarten weisen beide eine Varianzaufklärung von rund 20 % auf. Im Falle des spezifischen Commitments sind das Lebensalter (+) sowie die Beziehung zum Vorgesetzten (+) und im Falle des unspezifischen Commitments die Beziehung zum Vorgesetzten (+), der Bildungsstand (-) sowie die Position maßgeblich. Das unspezifische affektive Commitment erreicht eine Varianzaufklärung von 36,7 %. Als zentrale beeinflussende Variablen wurden identifiziert: die Arbeitsplatzgefahr (-) sowie der Stellenwert der Weiterbildung (+). Eine ähnlich hohe Varianzaufklärung erreicht das unspezifische kalkulative Commitment mit 37 %. Die zentralen Variablen hier sind die Arbeitszufriedenheit (-), die Betriebszugehörigkeit sowie die hierarchische Position. Werden diese Befunde denen der bivariaten Analyse gegenübergestellt, so ergeben sich häufige Überdeckungen142. Als überraschend ist wiederum die negative Beziehung von Arbeitszufriedenheit und dem unspezifischen kalkulativen Commitment hervorzuheben. Ein Befund, der in dieser Form nicht erwartet wurde, sich aber bereits in der bivariaten Analyse abzeichnete. 7.4.3 Zwischenfazit: Zusammenfassung der Befunde der multivariaten Inferenzstatistik Die Analyse mittels der multiplen Regressionsanalyse diente der Überprüfung des entwickelten Gesamtmodells zur Bindung von betrieblichen Weiterbildern. Dabei zeigte sich, dass zur Erklärung der Verbleibeabsicht lediglich die Variablen unspezifisches affektives Commitment, unspezifisches kalkulatives Commitment, spezifisches affektives Commitment sowie Variety Seeking geeignet sind. Gemeinsam erreichen sie eine Varianzaufklärung von lediglich 44,8 %. Die restliche Varianz ist mit diesem Modell nicht zu erhellen. Die Überprüfung der Commitment beeinflussenden Variablen erbrachte ebenfalls einen Bedarf an Variablenreduktion. Erstaunlich ist dabei, dass einige der in der Literatur beschriebenen Wirkbeziehungen nicht bestätigt werden konnten. Insbesondere sei hier die Vielzahl an demografischen Merkmalen sowie die Beziehung zum Vorgesetzten genannt. Als Abschluss des Abschnitts lassen sich die Ergebnisse in einem revidierten Modell festhalten.
142
Grundsätzlich können sich die Ergebnisse der bivariaten und multivariaten Analyse aufgrund ihrer methodischen Vorgehensweise unterscheiden. Während die bivariate Analyse lediglich Korrelationen oder Varianzen zwischen zwei Variablen betrachtet, werden im mulitvariaten Fokus mehrere Faktoren gleichzeitig analysiert.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Organisationale Determinanten
187
Personale Determinanten
Konsequenz
Organisationseinheit Weiterbildung
Arbeitszufriedenheit
0,714*
Stellenwert der Weiterbildung
0,480*
Unspezifisches affektives Organisationales Commitment
-0,227*
Gesamtunternehmen
Spezifisches affektives Organisationales Commitment
Dauer der Betriebszugehörigkeit Arbeitsplatzgefahr 0,434* -0,248*
Variety Seeking
0,228*
0,339*
Verbleibeabsicht
0,237* Unspezifisches kalkulatives Organisationales Commitment
-0,309* - 0,167*
* signifikant
Abbildung 16: Revidiertes Modell zur Bindung von betrieblichen Weiterbildnern
7.5 Typologisierung der Mitarbeiterbindung Die vorangegangenen Abschnitte bedienten sich der Methodik der Inferenzstatistik und hatten zum Ziel, Hypothesen zu überprüfen. Im Folgenden soll diese Analyse angereichert werden. Dazu wird das vorliegende Datenmaterial mittels SPSS einer Clusteranalyse unterzogen. Sie zielt darauf, eine Menge von Objekten derart in Gruppen (Cluster) zu unterteilen, dass die derselben Gruppe zugeordneten Objekte eine möglichst hohe Ähnlichkeit aufweisen (vgl. Brosius 1998: 691 ff.). Als Clusterkriterien finden die sechs im Modell hinterlegten Commitmentdimensionen Verwendung. Das Ergebnis bilden vier Cluster, die als Prototypen von Weiterbildnern unter Berücksichtigung ihres Commitments, interpretiert werden. Diese Einsicht ist notwendig, damit deutlich wird, an welchen individuellen „Stellen“ Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung ansetzen können. Die Ausprägung der sechs Commitmentdimensionen je Cluster illustriert die Tabelle 67. Sie stellt die Clusterzentren dar, um die sich die tatsächlichen Fälle „ranken“.
188
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 67: Ergebnis der Clusteranalyse - Die Clusterzentren Commitmentdimension
Cluster Typ 1
Typ 2
Typ 3
Typ 4
Spezifisches affektives Commitment
7,80
14,00
12,41
14,74
Spezifisches kalkulatives Commitment
8,20
10,00
8,98
7,14
Spezifisches normatives Commitment
5,60
12,94
7,37
9,06
Unspezifisches affektives Commitment
6,20
13,29
12,20
13,29
Unspezifisches kalkulatives Commitment
7,80
10,82
11,10
6,89
Unspezifisches normatives Commitment
4,40
11,76
7,43
6,94
Die Verteilung der vorliegenden Fragebögen (Fälle) auf die Cluster ist unterschiedlich. Das zahlenmäßig kleinste Cluster ist das erste. Es beinhaltet fünf Fälle. Im Cluster 2 sind es 17. Auf das Cluster 3 entfallen 49 und zum Cluster 4 zählen 35. Führt der Leser sich vor Augen, dass jede Commitmentdimension mit vier Items hinterlegt ist und Antworten auf einer Viererskala erfasst wurden, so ergibt sich eine mögliche Bandbreite von 4 bis 16. Dementsprechend sind die Werte 4 bis < 8 als schwach ausgeprägt, 8 bis < 12 als mittel ausgeprägt und 12 bis 16 als stark ausgeprägt zu interpretieren. „Übersetzt“ ergibt sich das folgende Bild: Tabelle 68: Ergebnis der Clusteranalyse - Eigenschaften der Bindungstypen Commitmentdimension
Cluster Typ 1
Typ 2
Typ 3
Typ 4
Spezifisches affektives Commitment
schwach
stark
stark
stark
Spezifisches kalkulatives Commitment
mittel
mittel
mittel
schwach
Spezifisches normatives Commitment
schwach
stark
schwach
mittel
Unspezifisches affektives Commitment
schwach
stark
stark
stark
Unspezifisches kalkulatives Commitment
schwach
mittel
mittel
schwach
Unspezifisches normatives Commitment
schwach
mittel
schwach
schwach
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
189
Wird das mittlere Antwortverhalten143 der Bindungstypen hinsichtlich der Verbleibeabsicht betrachtet, so ergibt sich erwartungsgemäß ein heterogenes Bild. Tabelle 69: Antwortverhalten der Bindungstypen zur Verbleibeabsicht Typ1
Typ 2
Typ 3
Typ 4
1,8
3,2
3,0
3
1,6
3,4
3,3
3,3
1,2
3,2
3,0
2,8
1,8
3,6
3,0
3,1
nächsten 12 Monaten zu wechseln.
1,4
2,9
2,5
2,5
V67: Ich möchte auch in Zukunft an meinem Arbeitsplatz arbeiten.
1,4
3,6
3,1
3,1
1,2
3,4
3,0
3,3
V12: Ich wäre froh, mein weiteres Arbeitsleben in der Organisationseinheit Weiterbildung bei diesem Arbeitgeber verbringen zu können. V51: Ich habe in letzter Zeit nach einem anderen Arbeitsplatz gesucht. (umkodiert) V54: Ich wäre froh, mein weiteres Arbeitsleben in der Organisationseinheit Weiterbildung bei diesem Unternehmen verbringen zu können. V57: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass ich in den nächsten 12 Monaten meinen Arbeitsplatz wechseln werde. (umkodiert) V60: Ich könnte mir nicht vorstellen, meinen Arbeitsplatz in den
V71: Ich habe in den letzten 12 Monaten ernsthaft in Betracht gezogen, meinen Arbeitsplatz zu wechseln. (umkodiert)
Die Verbleibeabsicht, als die zentrale abhängige Variable der Untersuchung, wird von den vier Typen unterschiedlich eingeschätzt. Der Typ 1 weist durchgängig geringe Werte auf. Am schwächsten werden Item V54 „wäre froh zu bleiben“ und V71 „Wechsel in Betracht gezogen“ von diesen Personen eingeschätzt. Keiner der Mittelwerte erreicht bei dieser Befragtengruppe die 2,0. Somit ist die Verbleibeabsicht für das Cluster 1 als sehr gering zu charakterisieren. Die Teilnehmer suchen aktiv einen neuen Job (V51) und schätzen die Wahrscheinlichkeit des Verbleibs (V57, V60 und V71) pessimistisch ein. Der Typ 2 weist durchgängig sehr hohe Mittelwerte auf. Eine Ausnahme bildet Item V60: Dieses wird am ehesten schwächer beurteilt. Einige der Befragten des Typs 2 können sich somit schon vorstellen, den Arbeitsplatz in den nächsten 12 Monaten zu wechseln. Insgesamt betrachtet, ist die Verbleibeabsicht des Typs 2 jedoch sehr hoch. Auf einem etwas schwächeren Niveau liegen die Antworten der Typen 3 und 4. Beide weisen eine
143
Die Angaben beziehen sich auf die arithmetischen Mittelwerte auf einer 4er Skala.
190
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
hohe Verbleibeabsicht auf. Deutlich geringer wird ebenfalls Item V60 eingeschätzt. Hier liegen die Mittelwerte mit 2.5 gleich auf. Weiter konkretisieren lassen sich die Eigenschaften dieser Bindungstypen, indem die Korrelationen der determinierenden Variablen mit der Verbleibeabsicht dargestellt werden (Tabelle 70). Auch wenn sämtliche Ergebnisse angesichts der geringen (Teil-)Stichprobengröße nicht signifikant sind, ergeben sich interessante Befunde. Tabelle 70: Korrelationen von Variablen mit der Verbleibeabsicht bei unterschiedlichen Bindungstypen Konstrukt
SOCA
SOCC
SOCN
UOCA
UOCC
UOCN
VS
Jobsicherheit
Kenndaten
Typ 1
Typ 2
Typ 3
Typ 4
N=5
N = 17
N = 49
N = 35
Korrelation
,591
,275
,462
,256
Signifikanz (2-seitig)
,294
,286
,001
,138
Korrelation
,202
,131
,064
-,041
Signifikanz (2-seitig)
,745
,617
,662
,816
Korrelation
-,223
,042
,178
,302
Signifikanz (2-seitig)
,719
,873
,221
,078
Korrelation
,318
,465
,476
,339
Signifikanz (2-seitig)
,602
,060
,001
,046
Korrelation
,556
,369
,316
-,006
Signifikanz (2-seitig)
,331
,145
,027
,974
Korrelation
,108
,178
,253
-,057
Signifikanz (2-seitig)
,863
,494
,080
,746
Korrelation
-,613
-,107
-,321
-,109
Signifikanz (2-seitig)
,271
,683
,025
,532
Korrelation
-,682
-,224
-,336
-,185
Signifikanz (2-seitig)
,205
,388
,018
,286
Für den Typ 1 bilden das spezifische affektive Commitment (+), das unspezifische kalkulative Commitment (+), das Variety Seeking (-) sowie die Arbeitsplatzgefahr (-) den besten Prädiktor zur Erklärung der Verbleibeabsicht. Da diese bei dem Typ 1 gering ausgeprägt ist, zeigen diese hohen Korrelationen auch an, dass sich diese Variablen ebenfalls im niedrigen Wertebereich bewegen. Beim Typ 2 dominiert eine Variable: das unspezifische affektive Commitment. Es ist die zentrale Determinante, die die Verbleibeabsicht erklärt. Die anderen spielen eine untergeordnete Rolle. Der
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
191
Typ 3 zeigt hohe Korrelationswerte beim spezifischen und unspezifischen affektiven Commitment (+), dem Variety Seeking (-) sowie der Arbeitsplatzgefahr (-). Beim Typ 4 wiederum liegen besonders hohe Korrelationen bei den Variablen spezifisches normatives (+) und unspezifisches affektives Commitment (+) vor. Ziel der nächsten Abschnitte ist es, die vier Bindungstypen in ihren Eigenschaften näher zu charakterisieren. Dazu wurde u.a. das mittlere Antwortverhalten der Befragten nach Clustern zu jedem Faktor ausgewertet. 7.5.1 Bindungstyp 1: „Der Entwurzelte“ Der Bindungstyp 1 zeichnet sich aus durch geringe Werte in allen Dimensionen des spezifischen wie auch des unspezifischen Commitments mit Ausnahme eines mittleren Wertes im spezifischen kalkulativen Commitment. Somit gilt er als „entwurzelt“. Er verfügt über keine starke Bindung zur Organisationseinheit Weiterbildung sowie zum Gesamtunternehmen. Seine Verbleibeabsicht ist unterdurchschnittlich ausgeprägt. Sie wird am stärksten geprägt durch das spezifische affektive Commitment (+), das unspezifische kalkulative Commitment (+), das Variety Seeking (-) sowie die Arbeitsplatzgefahr (-). Ein heterogenes Bild hinterlässt sein Antwortverhalten zur Arbeitszufriedenheit. Während er mit der sachlichen Ausstattung des Arbeitsplatzes zufrieden ist, bekommen die eher weichen Faktoren wie Entwicklung (V10) und Klima (V22) besonders niedrige Werte. Die Beziehung zum Vorgesetzten wird als eher mittelmässig eingeschätzt. Insbesondere das Vertrauensverhältnis zum Vorgesetzten (V88 und V89) wird als schwächer beurteilt. Er verfügt über eine starke Neigung zum Variety Seeking. Der Stellenwert der Weiterbildung im Unternehmen wird von den Befragten als eher gering eingeschätzt. Insgesamt sehen sie ihren eigenen Arbeitsplatz gefährdet ( x = 3,0). Die Personen, die zum Bindungstyp 1 zählen, verfügen über eine höhere Bildung (Studium oder Abitur) und sind im Vergleich zu den anderen Bindungstypen recht jung mit einem durchschnittlichen Alter von 35,2 Jahren. Ein etwas genaueres Bild dieses Typs liefert die Analyse des Antwortverhaltens. Als die sechs stärksten Items haben sich herausgestellt (vgl. Tabelle 71). Die meisten der am stärksten eingeschätzten Items entstammen der Dimension Variety Seeking. Damit dürften diese Personen über eine ausgeprägte Neigung zur Abwechselung verfügen. Daneben sind sie mit der Arbeitsausstattung besonders zufrieden.
192
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 71: Stärkste Items des Bindungstyps „Der Entwurzelte“ Stärkste Items
Dimension
V62: Ich glaube, dass es Menschen oft nur verwirrt und irreführt, wenn man
Variety Seeking
sie Rednern zuhören lässt, die kontroverse Standpunkte vertreten. (4) V52: Ich bezeichne mich als jemanden, der sehr neugierig ist. (3,8)
Variety Seeking
V64: Ich finde philosophische Diskussionen langweilig. (umkodiert) (3,8)
Variety Seeking
V69: Ich habe Spaß daran, mit Theorien oder abstrakten Ideen zu spielen.
Variety Seeking
(3,6) V66: Ich bevorzuge unvorhersehbare Dinge in meiner Arbeit weniger.
Variety Seeking
(umkodiert) (3,4) V3: Ich habe die Materialien und Arbeitsmittel, um meine Aufgaben richtig zu Arbeitszufriedenheit erledigen. (3,2)
Als besonders schwach wird von diesen Personen eingeschätzt: Tabelle 72: Schwächste Items des Bindungstyps „Der Entwurzelte“ Schwächste Items
Dimension
V108: Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich das Unternehmen Unspezifisches normatives jetzt verlassen würde. (1,0)
Commitment
V113: Ich würde das Unternehmen jetzt nicht verlassen, weil ich mich
Unspezifisches normatives
einigen Leuten darin verpflichtet fühle. (1,0)
Commitment
V106: Viele Leute, die mir wichtig sind, würden es nicht verstehen oder
Unspezifisches normatives
wären enttäuscht, wenn ich dieses Unternehmen verlassen würde. (1,2)
Commitment
V107: Selbst wenn es für mich vorteilhaft wäre, fände ich es nicht richtig, das Unspezifisches normatives Unternehmen zu verlassen. (1,2)
Commitment
V54: Ich wäre froh, mein weiteres Arbeitsleben in der Organisationseinheit
Verbleibeabsicht
Weiterbildung bei diesem Unternehmen verbringen zu können. (1.2) V71: Ich habe in den letzten 12 Monaten ernsthaft in Betracht gezogen,
Verbleibeabsicht
meinen Arbeitsplatz zu wechseln. (umkodiert) (1.2) V109: Ich empfinde ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem
Unspezifisches affektives
Unternehmen. (1,2)
Commitment
Alle vier Aussagen des unspezifischen normativen Commitments finden sich in der Liste der schwächsten Items wieder. Damit empfinden diese Personen eine geringe Verantwortung dem Unternehmen oder Kollegen gegenüber. Die restlichen Items stammen aus dem Feld Verbleibeabsicht sowie dem Feld unspezifisches affektives
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
193
Commitment. Insgesamt unterstreicht die Item-Liste die Etikettierung des Typs mit „entwurzelt“. 7.5.2 Bindungstyp 2: “Der Überzeugte” Der Bindungstyp 2 weist hohe Werte im affektiven (spezifisch wie unspezifisch) und spezifischen normativen Commitment auf. Die restlichen Commitmentdimensionen liegen im mittleren Wertebereich. Damit erreicht dieser Typ im Quervergleich mit den anderen durchgängig die höchsten Commitmentwerte. Aufgrund der Ausgewogenheit zwischen spezifischen und unspezifischen Commitmentarten wird er als „Überzeugter“ bezeichnet. Seine Verbleibeabsicht ist hoch und wird dominant von der Variable unspezifisches affektives Commitment (+) beeinflusst. Er ist mit der Arbeitssituation sehr zufrieden, lediglich etwas mehr Anerkennung und Entwicklungsgespräche könnten seine Zufriedenheit noch steigern. Die Beziehung zu seinem Vorgesetzten ist gut. Der Stellenwert der Weiterbildung im Unternehmen wird hoch angesehen, mit anderen Worten: Die Personen erhalten Anerkennung für ihre Arbeit. Insgesamt sehen sie ihren eigenen Arbeitsplatz wenig gefährdet ( x = 1,7). Die Vorbildung dieses Typs ist heterogen. Tendenziell ist er etwas älter mit einem durchschnittlichen Alter von 41,1 Jahren. Der Blick auf das Antwortverhalten präzisiert den „Steckbrief“ des Bindungstyps 2 (vgl. Tabelle 73). Unter den am stärksten eingeschätzten Items finden sich die Arbeitszufriedenheit, das spezifische und unspezifische affektive Commitment, die Verbleibeabsicht sowie der Stellenwert der Weiterbildung. Insgesamt zeugt diese Itemsammlung von einer recht breiten Gesamtzufriedenheit und einem hohen affektiven Commitment.
194
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Tabelle 73: Stärkste Items des Bindungstyps “Der Überzeugte” Stärkste Items
Dimension
V34: Meine Arbeit macht mir wenig Spaß, aber man sollte nicht zuviel
Arbeitszufriedenheit
erwarten. (umkodiert) (3,8) V2: Ich weiß, was bei der Arbeit von mir erwartet wird. (3,7)
Arbeitszufriedenheit
V4: Ich bin stolz darauf, der Organisationseinheit Weiterbildung
Spezifisches affektives
anzugehören. (3,7)
Commitment
V5: Ich habe richtig Freude an der Arbeit. (3,6)
Arbeitszufriedenheit
V100: Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit dem Unternehmen
Unspezifisches affektives
verbunden. (umkodiert) (3,6)
Commitment
V57: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass ich in den nächsten 12
Verbleibeabsicht
Monaten meinen Arbeitsplatz wechseln werde. (umkodiert) (3,6) V67: Ich möchte auch in Zukunft an meinem Arbeitsplatz arbeiten. (3,6)
Verbleibeabsicht
V118: Es würde in meinem Unternehmen kaum jemand merken, wenn wir
Stellenwert der Weiterbildung
unsere Arbeit in der betrieblichen Weiterbildung einstellen würden. (umkodiert) (3,6)
Am schwächsten werden von diesem Typ eingeschätzt: Tabelle 74: Schwächste Items des Bindungstyps “Der Überzeugte” Schwächste Items
Dimension
V29: Ich glaube, dass ich momentan zu wenig Chancen habe, um ernsthaft
Spezifisches kalkulatives
in Erwägung zu ziehen, aus der Organisationseinheit Weiterbildung
Commitment
auszuscheiden. (2,4) V30: Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in die Organisationseinheit
Spezifisches kalkulatives
Weiterbildung gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. (2,4)
Commitment
V103: Ich glaube, dass ich momentan zu wenig Chancen habe, um
Unspezifisches kalkulatives
ernsthaft in Erwägung zu ziehen, aus dem Unternehmen auszuscheiden.
Commitment
(2,4) V28: Zu vieles in meinem Leben würde sich ändern, wenn ich die
Spezifisches kalkulatives
Organisationseinheit Weiterbildung jetzt verlassen würde. (2,6)
Commitment
V105: Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in dieses Unternehmen
Unspezifisches kalkulatives
gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. (2,6)
Commitment
V66: Ich bevorzuge unvorhersehbare Dinge in meiner Arbeit weniger.
Variety Seeking
(umkodiert) (2,6)
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
195
Die Items mit den geringsten Mittelwerten entstammen überwiegend den kalkulativen Commitmentarten, genauer dem Aspekt der Arbeitsmarktmobilität. Somit weisen diese Personen ein positives Selbstbild auf, was die Chancen und Bereitschaft eines Arbeitsplatzwechsels angeht. Eine Aussage aus der Dimension Variety Seeking (V66) verweist darauf, dass diese Personen lieber planvoll arbeiten. 7.5.3 Bindungstyp 3: „Der Unabhängige“ Der Bindungstyp 3 zeigt wie der Typ 2 starke affektive Commitmentwerte (spezifische wie unspezifische). Das kalkulative Commitment (spezifisch wie unspezifisch) ist bei ihm mittel ausgeprägt. Schwache Werte finden sich hingegen bei den normativen Commitmentarten. Daher erhält er das Etikett „Der Unabhängige“. Er ist mit der Arbeitssituation überwiegend sehr zufrieden. Nur das Betriebsklima, das Anerkennungsverhalten und die aktive Unterstützung bei der persönlichen Entwicklung könnten verbessert werden. Die Beziehung zum Vorgesetzten ist recht gut, aber auf deutlich geringerem Werteniveau als beim Typ 2. Das Vertrauen zur Führungskraft ist besonders steigerungsfähig (V88). Die Verbleibeabsicht ist hoch. Trotzdem könnte der Typ 3 sich vorstellen, in den nächsten 12 Monaten den Arbeitsplatz zu wechseln. Die Verbleibeabsicht wird geprägt von den Variablen spezifisches und unspezifisches affektives Commitment (+), dem Variety Seeking (-) sowie der Arbeitsplatzgefahr (-). Insgesamt sehen sie ihren eigenen Arbeitsplatz weniger gefährdet ( x = 2,3). Personen des Bindungstyps 3 weisen überwiegend eine höhere Bildung (Promotion, Studium oder Abitur) auf. Das Altersmittel liegt bei 39,8 Jahren.
196
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Die stärksten Werte weisen die folgenden Items auf: Tabelle 75: Stärkste Items des Bindungstyps „Der Unabhängige“ Stärkste Items
Dimension
V2: Ich weiß, was bei der Arbeit von mir erwartet wird. (3,7)
Arbeitszufriedenheit
V3: Ich habe die Materialien und Arbeitsmittel, um meine Aufgaben richtig
Arbeitszufriedenheit
zu erledigen. (3,4) V34: Meine Arbeit macht mir wenig Spaß, aber man sollte nicht zu viel
Arbeitszufriedenheit
erwarten. (umkodiert) (3,4) V118: Es würde in meinem Unternehmen kaum jemand merken, wenn wir
Stellenwert der Weiterbildung
unsere Arbeit in der betrieblichen Weiterbildung einstellen würden. (umkodiert) (3,4) V4: Ich bin stolz darauf, der Organisationseinheit Weiterbildung
Spezifisches affektives
anzugehören. (3,4)
Commitment
V18: Ich denke, dass meine Wertvorstellungen zu denen der
Spezifisches affektives
Organisationseinheit Weiterbildung passen. (3,3)
Commitment
V92: Es wäre mit zu vielen Nachteilen für mich verbunden, wenn ich
Unspezifisches kalkulatives
momentan dieses Unternehmen verlassen würde. (3,3)
Commitment
V5: Ich habe richtig Freude an der Arbeit. (3,3)
Arbeitszufriedenheit
V27: In den letzten sechs Monaten hat jemand in der Organisationseinheit
Arbeitszufriedenheit
Weiterbildung mit mir über meine beruflichen Fortschritte gesprochen. (3,3) V51: Ich habe in letzter Zeit nach einem anderen Arbeitsplatz gesucht.
Verbleibeabsicht
(umkodiert) (3,3)
Unter den am stärksten eingeschätzten Items finden sich die Arbeitszufriedenheit, das spezifische affektive und das unspezifische kalkulative Commitment, die Verbleibeabsicht sowie der Stellenwert der Weiterbildung. Insgesamt zeugt diese Itemsammlung von einer recht breiten Gesamtzufriedenheit und einem hohen affektiven und kalkulativen Commitment. Am schwächsten werden von diesem Typ eingeschätzt:
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
197
Tabelle 76: Schwächste Items des Bindungstyps „Der Unabhängige“ Schwächste Items
Dimension
V7: Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich die
Spezifisches normatives
Organisationseinheit Weiterbildung jetzt verlassen würde. (1,6)
Commitment
V108: Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich das
Unspezifisches normatives
Unternehmen jetzt verlassen würde. (1,7)
Commitment
V113: Ich würde das Unternehmen jetzt nicht verlassen, weil ich mich
Unspezifisches normatives
einigen Leuten darin verpflichtet fühle. (1,7)
Commitment
V31: Viele Leute, die mir wichtig sind, würden es nicht verstehen oder
Spezifisches normatives
wären enttäuscht, wenn ich die Organisationseinheit Weiterbildung
Commitment
verlassen würde. (1,8) V107: Selbst wenn es für mich vorteilhaft wäre, fände ich es nicht richtig,
Unspezifisches normatives
das Unternehmen zu verlassen. (1,9)
Commitment
V30: Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in die Organisationseinheit
Spezifisches kalkulatives
Weiterbildung gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. (2,0)
Commitment
Die schwächsten Werte stammen bis auf eine Ausnahme aus den Dimensionen spezifisches und unspezifisches Commitment. Damit wird die Charakterisierung dieses Typs mit „Der Unabhängige“ noch einmal verstärkt. Lediglich das spezifische kalkulative Commitment findet sich mit einem Item in der Liste der schwächsten Items. 7.5.4 Bindungstyp 4: “Der Emotionale” Der Bindungstyp 4 zeichnet sich durch starke affektive Commitmentwerte in bezug auf das Unternehmen und die Organisationseinheit Weiterbildung aus. Das spezifische normative Commitment ist mittel ausgeprägt. Schwach hingegen werden die restlichen Commitmentdimensionen von Personen des Typ 4 beurteilt. Aufgrund der Dominanz des affektiven Commitments wird dieses Cluster als „Der Emotionale“ bezeichnet. Personen dieses Bindungstyps verfügen über unterschiedliche Vorbildung und weisen auch beim Alter eine relative Streuung auf. Hinsichtlich ihrer demografischen Merkmale sind diese Personen somit wenig klar zu identifizieren. Er zeichnet sich durch eine hohe Verbleibeabsicht aus und eine gute bis sehr gute Beziehung zum direkten Vorgesetzten. Am stärksten wird die Verbleibeabsicht von den Variablen spezifisches normatives (+) und unspezifisches affektives Commitment (+) geprägt. Starke Werte zeigt dieser Typ im Variety Seeking. Insgesamt sind die Personen dieses Typs sehr zufrieden mit der Arbeitssituation, lediglich etwas mehr Anerkennung würde die Arbeitszufriedenheit noch erhöhen. Auch schätzen sie den Stellenwert der Weiterbildung im Unternehmen besonders hoch ein. Wenn sie noch frühzeitiger in laufende Projekte eingebunden würden, wäre
198
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
diese Beurteilung noch positiver. Insgesamt sehen sie ihren eigenen Arbeitsplatz wenig gefährdet ( x = 1,9). Ein positives Bild zeigt sich auch in den stärksten Items: Tabelle 77: Stärkste Items des Bindungstyps “Der Emotionale” Stärkste Items
Dimension
V34: Meine Arbeit macht mir wenig Spaß, aber man sollte nicht zuviel
Arbeitszufriedenheit
erwarten. (umkodiert) (3,9) V4: Ich bin stolz darauf, der Organisationseinheit Weiterbildung
Spezifisches affektives
anzugehören. (3,8)
Commitment
V24: Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit der Organisationseinheit Spezifisches affektives Weiterbildung verbunden. (umkodiert) (3,7)
Commitment
V5: Ich habe richtig Freude an der Arbeit. (3,7)
Arbeitszufriedenheit
V27: In den letzten sechs Monaten hat jemand in der Organisationseinheit
Arbeitszufriedenheit
Weiterbildung mit mir über meine beruflichen Fortschritte gesprochen. (3,7) V118: Es würde in meinem Unternehmen kaum jemand merken, wenn wir
Stellenwert der Weiterbildung
unsere Arbeit in der betrieblichen Weiterbildung einstellen würden. (umkodiert) (3,7)
Bei den schwächsten Items finden sich das spezifische und unspezifische normative Commitment sowie das unspezifische kalkulative Commitment wieder: Tabelle 78: Schwächste Items des Bindungstyps “Der Emotionale” Schwächste Items
Dimension
V108: Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich das
Unspezifisches normatives
Unternehmen jetzt verlassen würde. (1,4)
Commitment
V105: Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in dieses Unternehmen
Unspezifisches kalkulatives
gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. (1,5)
Commitment
V102: Zu vieles in meinem Leben würde sich ändern, wenn ich dieses
Unspezifisches kalkulatives
Unternehmen jetzt verlassen würde. (1,6)
Commitment
V30: Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in die Organisationseinheit
Spezifisches kalkulatives
Weiterbildung gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. (1,7)
Commitment
V28: Zu vieles in meinem Leben würde sich ändern, wenn ich die
Spezifisches kalkulatives
Organisationseinheit Weiterbildung jetzt verlassen würde. (1,7)
Commitment
V107: Selbst wenn es für mich vorteilhaft wäre, fände ich es nicht richtig,
Unspezifisches normatives
das Unternehmen zu verlassen.(1,7)
Commitment
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
199
Somit spielen normative und kalkulative Erwägungen für die Bindung dieses Typs keine besondere Rolle. 7.5.5 Zwischenfazit: Vom Nutzen der Bindungstypen Die in diesem Unterkapitel herausgearbeiteten Befunde stehen statistisch gesehen auf „dünnem Eis“. So sind die oben referierten Korrelationen nicht signifikant und die Orientierung an arithmetischen Mittelwerten lässt keinen Rückschluss auf eine Grundgesamtheit zu. Trotzdem ist die Charakterisierung der einzelnen Prototypen von Nutzen. Insbesondere bilden sie eine Grundlage, um zu bestimmen, wie Mitarbeiterbindung im betrieblichen Alltag zielgruppenspezifisch gestaltet werden sollte. Daneben bieten sie einen Fundus zur Generierung von a-posterioriHypothesen, die in späteren Untersuchungen aufgegriffen werden können. Werden die Befunde gesichtet, so wird deutlich, dass sich die einzelnen Bindungstypen doch markant unterscheiden. In letztendlicher Konsequenz ist der „Entwurzelte“ am stärksten fluktuationsgefährdet. Auch wenn die übrigen Typen eine recht stabile Verbleibeabsicht aufweisen, so ist ihre Motivstruktur dazu heterogen. Bevor somit Maßnahmen zur Bindung ergriffen werden können, ist es bedeutsam zu ergründen, welchem Prototyp die jeweilige Person zuzurechnen ist. Nur so können diese ihre gewünschte Wirkung erzielen. Dieser Grundgedanke wird im Kapitel 8 wieder aufgegriffen und hinsichtlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen hinterfragt. 7.6 Fazit der empirischen Untersuchung Wie sind nun die vorstehend referierten Ergebnisse der Studie zu beurteilen? Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der Rücklauf recht gering war (N = 106). Trotzdem lässt sich die Hypothese, die davon ausgeht, dass diese Untersuchung gemessen an der Branchenzugehörigkeit und Mitarbeiteranzahl im Unternehmen repräsentativ ist, nicht falsifizieren. Die Itemanalyse ergab für die wichtigsten Kenngrößen (Trennschärfe, Homogenität und Dimensionalität) zufrieden stellende Werte. Auch hinsichtlich der klassischen Testgütekriterien konnte argumentiert werden, dass sie eingehalten sind. Somit ist die Messung insgesamt als zufrieden stellend zu bezeichnen. Die mit den Methoden der bivariaten Inferenzstatistik herausgearbeiteten Befunde stützen überwiegend die a priori formulierten Hypothesen. Lediglich 7,6 % der Hypothesen konnten vollständig falsifiziert werden. Eine negative Konsequenz ist mit dem geringen Stichprobenumfang verbunden: Sechs Hypothesen waren nicht eindeutig überprüfbar aufgrund einer fehlenden Signifikanz. Bei einer größeren Anzahl an Teilnehmern wäre dieser Effekt sicherlich nicht aufgetreten. Die im Theorieteil angestellten Überlegungen hinsichtlich der Bedingungen, Konsequenzen und der Bezugsobjekte des Commitments haben sich überwiegend als
200
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
fruchtbar erwiesen. Eine Trennung in das spezifische und in das unspezifische Commitment konnte zumindest für die Kategorien affektives und normatives Commitment empirisch gestützt werden. Dagegen hat sich das spezifische kalkulative Commitment als ein nicht sinnvoller Modellbestandteil herausgestellt. Das aus der Kundenbindungsforschung abgeleitete Variety Seeking korreliert erwartungsgemäß negativ mit der Verbleibeabsicht. Insgesamt haben sich aus der bivariaten Perspektive als besonders geeignete Prädiktoren für die Verbleibeabsicht das unspezifische und das spezifische affektive Commitment, das spezifische normative Commitment, die Arbeitsplatzgefahr sowie das Variety Seeking erwiesen. Als ungeeignet haben sich die Variablen spezifisches und unspezifisches kalkulatives Commitment sowie das unspezifische normative Commitment herausgestellt. Im weiteren Verlauf wurde das Datenmaterial einer multivariaten Analyse unterzogen. Die herausgearbeiteten Befunde weisen darauf hin, dass das ursprüngliche Modell einige Variablen enthält, die sehr wenig zur gesamten Varianzaufklärung beitragen. Nach schrittweiser Reduktion wurde ein revidiertes Modell mit acht Variablen und einer Varianzaufklärung von 44,8 % hervorgebracht. Insgesamt ist diese recht geringe Varianzaufklärung nicht zufrieden stellend. Ob die restliche Varianz daraus resultiert, dass Variablen im Modell fehlen, Interaktionseffekte zwischen den Variablen eine Rolle spielen oder schlicht ein ausgeprägtes methodisches Rauschen vorliegt, ist mit den angewandten Verfahren nicht zu ermitteln. Der letzte Teil der Datenanalyse verließ die Methodik des Hypothesenprüfenden und ging in das Hypothesengenerierende über. Mittels einer Clusteranalyse konnten aus dem Datenmaterial vier Prototypen von Weiterbildnern gewonnen werden, die sich hinsichtlich ihres Bindungsverhaltens unterscheiden. Eine nähere Charakterisierung dieser erfolgte mittels der Auswertung der Häufigkeiten ihres Antwortverhaltens. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Cluster „Der Entwurzelte“, „Der Überzeugte“, „Der Unabhängige“ sowie „Der Emotionale“ deutlich in ihrem Antwortverhalten unterscheiden. Eine Systematisierung in dieser Form ist ein notwendiger Schritt, um die individuelle Präferenzstruktur der Weiterbildner zu analysieren und so Bindungsmaßnahmen wirkungsvoll einzusetzen. Aufgrund der geringen Größe der Teilstichproben erwiesen sich tiefergehende statistische Analysen der einzelnen Prototypen als methodisch nicht sinnvoll.
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
201
202
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
203
8 Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal Basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Studie können Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, wie Weiterbildner gebunden werden können. Dass dies kein einfaches Unterfangen ist, haben die Begründer des dreidimensionalen Commitmentkonzeptes bereits verdeutlicht: „First, the nature of commitment means its difficult, if not impossible, to manipulate levels of commitment directly.” (Meyer/ Allen 1997: 25) Auch wenn nur eine mittelbare Beeinflussung möglich ist, lohnt es zu fragen, inwieweit diese geschehen kann. Dies erfolgt in zwei Schritten. Zunächst werden basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit Grundprinzipien herausgearbeitet, wie Mitarbeiter gebunden werden können. Darauf aufbauend werden anhand des überprüften Modells und der Befunde des Kapitels sieben Ansatzpunkte zur Bindung von Weiterbildnern benannt und konkretisiert. 8.1 Grundprinzipien der Mitarbeiterbindung Die Grundprinzipien zur Mitarbeiterbindung werden im Folgenden in Form von Leitgedanken vorgestellt. Gemeint sind übergeordnete Vorstellungen, die von einer konkreten Handlungsebene abstrahiert sind. Diese stützen sich inhaltlich auf das zweite bis vierte Kapitel sowie auf das Kapitel sieben. Dabei werden unterschieden: die Individualisierung, die Prävention und die Effektivität. Alle drei Leitgedanken bilden zusammen die notwendigen Bedingungen für eine „nachhaltige“ Mitarbeiterbindung. Dieser Begriff wird weiter unten in einem zusammenfassenden Abschnitt erläutert. Erster Leitgedanke: Individualisierung Wie die empirische Studie gezeigt hat, ist Mitarbeiterbindung ein individuelles Phänomen. Vielfältige Variablen nehmen Einfluss auf das Konstrukt Organisationales Commitment und die damit verbundene Verbleibeabsicht. Zwar lassen sich unterschiedliche Bindungstypen zu Gruppen zusammenfassen (vgl. Kapitel 7.5), doch bleibt das Bindungsverhalten recht unterschiedlich. Somit setzen Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung eine starke Individualisierung voraus. Konkret: Die eingeleiteten Maßnahmen müssen immer den Personenkreis ansprechen, für den sie gedacht sind. Das Personalmanagement sieht sich durch diese Anforderung anscheinend mit einem Dilemma konfrontiert: Zum einen müssen die individualistischen Bedürfnissen des Mitarbeiters berücksichtigt werden, um die gewünschte Bindungswirkung zu erreichen. Zum anderen sind die unternehmerischen Ziele einer allgemeingültigen Personalpolitik zu berücksichtigen. In der Vergangenheit stand die letztgenannte Perspektive im Vordergrund. So war einen starke Dominanz der kollektiven Regelungen in Bezug auf Arbeitszeit, Vergütung und Personalentwicklung zu verzeichnen. Erst seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts zeichnet sich eine
204
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
Tendenz zu einer stärkeren Individualisierung ab (vgl. Drumm 2000: 24 ff.). Nach Marr ist das Ziel einer differentiellen Personalwirtschaft144, mitarbeiterseitige Leistungs- und unternehmensbezogene Situationsbedingungen in Deckung zu bringen und dadurch positive betriebswirtschaftliche Effekte wie bspw. die Senkung der Fluktuation zu generieren (vgl. Marr 1989, Morick 2002). Somit handelt es sich weniger um ein Dilemma als um eine integrative Sicht dieser Anforderung. Zweiter Leitgedanke: Prävention Dem ersten Leitgedanken folgend ist die Bereitschaft, auf Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung zu reagieren, individuell. Maßnahmen zur Bindung sind damit konfrontiert, dass sie nicht unmittelbar an dem Fluktuationsereignis selber ansetzen können. Schließlich beginnt der Fluktuationsprozess mit der Aussprache der Kündigung bzw. des Versetzungswunsches und dürfte in den überwiegenden Fällen nicht reversibel sein. Vielmehr müssen sie zeitlich früher auf das Individuum und seine Einstellung einwirken. Damit müssen diese Maßnahmen präventiv sein. Dies gilt umso mehr angesichts der Gefahr einer aufgestauten Fluktuation (vgl. Kapitel 4.2.2). Diese Forderung ergibt sich nicht nur aus dem hier zu behandelnden Phänomen: Das gesamte personalwirtschaftliche Handeln benötigt einen längeren zeitlichen Vorlauf. Dieser „time lag“ beruht zum einen auf den rechtlichen Rahmenbedingungen des Personalmanagements, wie bspw. Regelungen zum Kündigungsschutz und Mitbestimmungsverfahren, zum anderen auf der Langfristigkeit der Prozesse an sich. So dürfte bspw. die Neubesetzung einer Vakanz mindestens 12 Wochen benötigen (vgl. dazu Kapitel 4.1). Angesichts dieser Wirkverzögerungen, aber auch der deutlichen Umfeldveränderungen, denen deutsche Unternehmen im Allgemeinen und ihre Personalabteilungen im Speziellen ausgesetzt sind, wird der Ruf nach einem konzeptionell, strategisch ausgerichteten Personalmanagement laut, welches in mittelfristigen Zeitdimensionen handelt (Döring/ Ritter-Mamczek 1999, Wunderer/ Dick 2001). Diese Grundforderung mündet für die Frage der Mitarbeiterbindung in ein präventives Bindungsmanagement. Dritter Leitgedanke: Effektivität Jedwede personalwirtschaftliche Maßnahme ist mit Ressourcenverbräuchen verbunden. Dies gilt auch für Aktivitäten zur Mitarbeiterbindung. Somit muss vorher der erwartete Nutzen klar definiert werden. Nur wenn mittelfristig betrachtet die Kosten für die Maßnahmen geringer sind als der bewertete Nutzen, sind sie betriebswirtschaftlich zu rechtfertigen145. Dies setzt voraus, dass die Maßnahmen
144
Der von Marr geprägte Begriff der „differentiellen Personalwirtschaft“ stellt eine Anleihe aus der Psychologie, genauer der differentiellen Psychologie, dar (vgl. Marr 1989).
145
Mit Nutzen ist in diesem Zusammenhang eine geringere Fluktuationsrate gemeint (vgl. ausführlich zur ökonomischen Bewertung der Fluktuation Kapitel 4.1).
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
205
tatsächlich ihre beabsichtigte Wirkung erzielen. Dazu ist es notwendig, dass die bindungsstiftenden Aktivitäten die beiden oben genannten Leitgedanken (Individualität und Prävention) berücksichtigen. Daneben ist eine geeignete Evaluation notwendig, um zu ermitteln, ob die angestrebten Ziele erreicht wurden. In diesem Verständnis wäre es unsinnig, pauschal Maßnahmen zur Bindung von allen Mitarbeitern zu ergreifen. Vielmehr ist abzuwägen, welche Mitarbeiter-Zielgruppen für das Unternehmen besonders bedeutsam und dabei einem hohen (Fluktuations-)Gefährdungspotenzial ausgesetzt sind. Somit lässt sich festhalten, dass eine nachhaltige Mitarbeiterbindung nur erreicht wird, wenn alle drei Grundprinzipien berücksichtigt werden. Jedes Grundprinzip kann als notwendige, aber alleine betrachtet nicht hinreichende Bedingung der Mitarbeiterbindung interpretiert werden. Jedes für sich betrachtet ist unzureichend. Zwar lässt sich bspw. eine hohe Mitarbeiterbindung erreichen durch große Investitionsbeträge, doch ist dann zu fragen, inwieweit diese Aktivitäten betriebswirtschaftlich sinnvoll (effektiv) sind. Ebenfalls sind pauschale Maßnahmen zwar möglicherweise präventiv, aber nicht wirkungsvoll aufgrund der fehlenden Individualität. Somit gilt, dass eine nachhaltige Mitarbeiterbindung als eine individuelle, präventive und effektive Bindungsarbeit zu verstehen ist. Nachdem die Grundprinzipien der Mitarbeiterbindung vorgestellt sind, werden nun konkrete Ansatzpunkte zur Bindung von Weiterbildnern herausgestellt. Damit wird dieser Abschnitt praxisnah und „handfest“. 8.2
Ansatzpunkte zur Bindung von Weiterbildnern
Ein Rückblick auf das in Kapitel 5 erarbeitete und im Kapitel 7 überprüfte Modell veranschaulicht Ansatzpunkte zur gezielten Bindung. Die in der Abbildung mit Zahlen markierten Bereiche sind Ansatzpunkte zur Steuerung der Mitarbeiterbindung. Im Zentrum stehen die drei Arten146 des Organisationalen Commitments. Sie haben sich als guter Prädiktor für die Verbleibeabsicht147 herausgestellt. Somit ist es das Ziel, dieses positiv zu beeinflussen, um den Verbleib zu erreichen. Die weiteren Ziffern charakterisieren die überprüften Bedingungen des Organisationalen
146
Diese sind nicht zu verwechseln mit dem Drei-Komponentenmodell von Meyer und Allen. Schließlich handelt es sich um zwei Formen des affektiven Commitments und eine des kalkulativen.
147
Genau genommen haben sich das spezifische und unspezifische affektive Commitment als ein sehr verlässlicher Prädiktor erwiesen. Eine schwächere, aber noch annehmbare Korrelation weist das un- und spezifische normative sowie unspezifische kalkulative Commitment zur Verbleibeabsicht auf. Lediglich das spezifische kalkulative Commitment ist ungeeignet als Prädiktor.
206
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
Commitments. Diese sind Ansatzpunkte, um mit überschaubarem Aufwand die Ausprägung des Organisationalen Commitments zu verändern.
Organisationseinheit Weiterbildung
Organisationale Determinanten
Personale Determinanten
2
1
Arbeitszufriedenheit
6
Spezifisches affektives Organisationales Commitment
Stellenwert der Weiterbildung
1 Unspezifisches affektives Organisationales Commitment
3 Gesamtunternehmen
Konsequenz
5
Dauer der Betriebszugehörigkeit
Verbleibeabsicht
1
Arbeitsplatzgefahr
Unspezifisches kalkulatives Organisationales Commitment
4 Variety Seeking
Abbildung 17: Ansatzpunkte zur Bindung von Weiterbildungspersonal
8.2.1 Organisationales Commitment Angesichts der oben zitierten pessimistischen Einschätzung von Meyer und Allen hinsichtlich der direkten Veränderbarkeit vom Organisationalen Commitment könnte dieser Abschnitt sehr knapp gehalten werden, und man könnte argumentieren: Das Commitment lässt sich nur über seine Bedingungen verändern und somit sollten diese auch nur betrachtet werden. Zwar legt das in dieser Arbeit entwickelte Modell diese Sichtweise nahe, trotzdem soll auch eine andere Auffassung aus der Literatur an dieser Stelle zur Sprache kommen. Gauger hat sich in ihrer Arbeit „CommitmentManagement in Unternehmen“ (2000) damit beschäftigt, wie das Commitment direkt beeinflusst werden kann. In einer einfachen Betrachtung ergeben sich für die im revidierten Modell herausgearbeiteten Commitmentbestandteile die folgenden Zusammenhänge: Affektives Commitment
→
Emotionen aufbauen
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
Kalkulatives Commitment
→
207
Vorteile bieten
Gauger argumentiert, dass ein aktives Commitment-Management über die „Stellhebel“ Vergütung und Führung zu erreichen ist. Dabei unterscheidet sie die in der Tabelle 79 dargestellten Instrumente. Tabelle 79: Stellhebel des Commitment-Managements (in Anlehnung an Gauger 2000: 247)
Affektives Commitment
Vergütung
Führung
a) Bonusvergütung
b) Humanressourcenorientierte Unternehmensgrundsätze
Kalkulatives Commitment
c) Aktienoptionen
d) Coaching
Ad a) Bonusvergütung Unter Bonusvergütung wird eine variable Form der Entlohung verstanden, die neben dem Fixgehalt ausgezahlt wird. Die Höhe dieses Bonus richtet sich nach Kriterien (bspw. Zielen), die mit dem Mitarbeiter vereinbart werden. Werden diese Sollvorgaben erreicht, wird eine Ausschüttung fällig. Für die Frage nach dem affektiven Commitment ist es bedeutsam, dass diese Boni als „vergütungsgerecht“ wahrgenommen werden (ebenda: 150 ff.). Damit ist gemeint, dass der individuelle Arbeitseinsatz sich in einer adäquaten Entlohung niederschlagen soll. Als Referenzgröße dient dabei häufig das Arbeitsverhalten von Kollegen148. Eine commitmentförderliche Wirkung kann dann unterstellt werden, wenn der Mitarbeiter die variable Vergütung als Anerkennung seiner Leistung interpretiert. Ad b) Humanressourcenorientierte Unternehmensgrundsätze Um Emotionen aufzubauen, argumentiert Gauger, sind Unternehmensgrundsätze und Leitlinien nötig, die die Qualität des Verhältnisses zwischen Organisation und ihren Mitgliedern festlegen. Dabei sollten ein möglichst hohes Identifikationspotenzial und starke Involvierungsanreize geschaffen werden (Gauger 2000: 203 ff.). Typischerweise regeln derartige Leitlinien Fragen der Mitarbeiterführung, der Zusammenarbeit und des allgemeinen Stellenwerts der Human Ressource im Unternehmen. Somit ist dieses Instrument ein wesentliches, um aktiv an der Unternehmenskultur zu arbeiten. Nagelprobe ist für den Erfolg der Leitlinien ihre Glaubwürdigkeit. Nur wenn es gelingt, die in Verbalisierungen hinterlegten Absichtserklärungen mit Leben zu füllen, wird sich die gewünschte Bindungswirkung einstellen (vgl. Meifert 2004).
148
Vgl. dazu auch das Konzept der Sozialen Austauschtheorie von Thibaut und Kelley (1959) im Kapitel 3.2.2.1.
208
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
Ad c) Aktienoptionen Das kalkulative Commitment bezieht sich auf getätigte Investitionen. Somit muss ein Instrument, welches das kalkulative Commitment adressiert, den Mitarbeiter davon überzeugen, dass er sein Invest bei vorzeitigem Ausscheiden verlieren würde. Dies ist nach Überzeugung von Gauger mittels ausgelobter Aktienoptionen möglich (Gauger 2000: 185 ff.). Für den Mitarbeiter ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen kann er sein Einkommen durch das Ausüben von Optionen in der Zukunft maßgeblich erhöhen. Zum anderen würde er diese Vergütungskomponente verlieren, wenn er vorzeitig aus dem Unternehmen ausscheiden würde. Um diese positive Wirkung auf das kalkulative Commitment zu erreichen, ist es notwendig, dass die ausgelobte Option und der tatsächliche Aktienkursverlauf von höherem Anreiz sind als eine mögliche Job-Alternative (ebenda: 188). Ad d) Coaching Das Coaching gilt als ein sehr spezieller Weiterbildungstypus der modernen betrieblichen Bildungsarbeit. Es zeichnet sich durch die Merkmale Arbeitsplatznähe, Ernstcharakter, Individualisierung, Beratungsbezug, Eigenverantwortung des Lernens, ganzheitlicher Lernansatz sowie Formenvielfalt aus (Döring/ RitterMamczek 1999: 319 ff.). Früher wurde besonders das Einzel-Coaching für Führungskräfte mit dem Terminus Coaching verbunden. Mittlerweile setzt es sich durch, dass Coaching auch als Teil der Führungsaufgabe „Entwicklung der Mitarbeiter“ zu sehen ist (vgl. Sauter 1994). Dabei soll die Führungskraft für den Mitarbeiter als Sparringspartner agieren und so eine individuelle Personalentwicklung ermöglichen149. Es wird von Gauger angeführt, dass derartige Aktivitäten commitmentförderlich sind, weil sie vom Mitarbeiter als Investition in die eigene Person wahrgenommen werden (vgl. Gauger 2000: 233 ff.). Somit kann der Vorgesetzte durch Einsatz des Coachings die Mitarbeiterbindung mit beeinflussen. Insbesondere dann, wenn es gelingt, den investiven Charakter des Coachings dem Mitarbeiter zu vermitteln, dürfte es das kalkulative Commitment befördern. Alle von Gauger vorgeschlagenen Instrumente scheinen unter definierbaren Bedingungen commitmentförderlich zu wirken. Als Schwäche dieser Vorschläge ist anzuführen, dass die Autorin darauf verzichtete, sie empirisch zu überprüfen. Ihre Schrift ist als Literaturanalyse angelegt und muss damit notgedrungen hinsichtlich der prognostizierten Wirkung der Instrumente auf Sekundärmaterial zurückgreifen. Trotzdem bietet diese Arbeit Ansatzpunkte zur aktiven Steuerung von Mitarbeiterbindung. Bevor diese in praxi umgesetzt werden sollen, wäre jedoch eine empirische Fundierung notwendig.
149
Vgl. zu den Voraussetzungen und der konkreten Ausgestaltung des Coachingprozesses Backhausen/ Thommen 2003 und Schreyögg 2003.
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
209
Neben den oben erläuterten Instrumenten, die anscheinend direkten Einfluss auf das Organisationale Commitment nehmen, lohnt es argumentativ, zu den Bedingungen des Konstrukts zurückzukehren. Fraglich ist im Folgenden, wie diese Bedingungen des Commitments positiv beeinflusst werden können und damit wiederum das Commitment gesteigert werden kann. Es handelt sich dabei um die Arbeitszufriedenheit, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Variety Seeking, die Arbeitsplatzgefahr sowie der Stellenwert der Weiterbildung. 8.2.2 Arbeitszufriedenheit Im Kapitel 7.3.2.1 wurde auf die besondere Bedeutung der Arbeitszufriedenheit für das spezifische affektive Commitment, aber auch unspezifische affektive Commitment hingewiesen. Somit ist die Arbeitzufriedenheit ein wichtiger Ansatzpunkt zur Steuerung der Verbleibeabsicht mittelbar über das Organisationale Commitment, aber auch unmittelbar: „Gleichwohl ist Unzufriedenheit ein sehr häufiger Kündigungsgrund. ... Analog der Behandlung des Absentismusproblems geht es also auch hier um Fluktuationsprophylaxe durch Zufriedenheitsmanagement.“ (Schanz 2000: 337). Fraglich ist, wie die Zufriedenheit in diesem Sinne gefördert werden kann. Ein Blick auf die benutzten Items zeigen die Handlungsfelder auf (vgl. Tabelle 80). Somit lassen sich aus den Items sechs Handlungsmaximen ableiten, um Zufriedenheit zu fördern: 1. Kläre die Erwartungen und Anforderungen mit dem Mitarbeiter ab. 2. Verschaffe ihm adäquate Arbeitsmittel. 3. Gib ihm Aufgaben, die ihn persönlich herausfordern. 4. Bestärke Entwicklungsfortschritte und gib Anerkennung für gute Leistung. 5. Besprich mit ihm realistische Entwicklungsperspektiven. 6. Sorge für ein partnerschaftliches Betriebsklima.
210
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
Tabelle 80: Handlungsfelder der Arbeitszufriedenheit Items
Handlungsfeld
V2: Ich weiß, was bei der Arbeit von mir erwartet wird.
Rollenerwartung
V3: Ich habe die Materialien und Arbeitsmittel, um meine Aufgaben richtig
Arbeitsausstattung
zu erledigen. V5: Ich habe richtig Freude an der Arbeit.
Kein Handlungsfeld, allgemeine Zufriedenheit
V9: Ich habe bei der Arbeit die Gelegenheit, das zu tun, was ich am besten Entwicklung kann. V10: Ich habe in den letzten sieben Tagen für gute Arbeit Anerkennung
Anerkennung
und Lob bekommen. V15: Bei der Arbeit gibt es jemanden, der mich in meiner Entwicklung
Entwicklung
unterstützt und fördert. V22: In meiner Organisationseinheit herrscht ein ausgezeichnetes
Klima
Betriebsklima. V27: In den letzten sechs Monaten hat jemand in der Organisationseinheit
Entwicklung
Weiterbildung mit mir über meine beruflichen Fortschritte gesprochen. V34: Meine Arbeit macht mir wenig Spaß, aber man sollte nicht zuviel
Kein Handlungsfeld,
erwarten. (umkodiert)
allgemeine Zufriedenheit
Fraglich ist, wer der Adressat dieser Handlungsmaximen ist. Auf den ersten Blick ist es der direkte Vorgesetzte. Schließlich gestaltet er das unmittelbare Arbeitsfeld maßgeblich. Dabei kommen zwei Aspekten des Führungshandelns eine zentrale Rolle zu: die Kommunikation und das Feedback. Kommunikation Führung manifestiert sich in Kommunikation. Oder anders formuliert: Kommunikation ist das zentrale Medium der Führung (Neuberger 2002: 623). Neben der aufgabenbezogenen Kommunikation dient sie dazu, dass der Vorgesetzte die beruflichen Probleme und Bedürfnisse des Mitarbeiters kennt und darauf reagieren kann. Mit anderen Worten geht es um eine „soziale Kommunikation“. Gemeint ist die Fähigkeit zum zwischenmenschlichen Austausch von Mitteilungen, Gedanken und Gefühlen (auch nicht verbaler Art) sowie das Unterhalten von sozialen Beziehungen in Gruppen (vgl. Staehle 1999: 301). Ist eine Führungskraft zu einer derartigen Kommunikation fähig, dann kann sie die Beziehung zum Mitarbeiter unterstützen und damit das Commitment erhöhen.
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
211
Feedback Im Kapitel 2.2.3 wurde der Weiterbildner als Wissensarbeiter charakterisiert, der seine Organisation danach bewertet, inwieweit sie ihm Entwicklungschancen ermöglicht. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, sind Feedbackgespräche bedeutsam. Sie zielen darauf, dem Mitarbeiter Rückmeldungen zu seinem Leistungsverhalten zu geben und weitere Entwicklungsschritte zu planen. Neben den operativen Feedbacks zum Tagesgeschäft bieten sich dazu umfangreichere Mitarbeitergespräche150 an. Diese erfolgen in der Regel orientiert an Leitfäden, Kriterien sowie Checklisten und bedürfen von beiden Seiten eine größere Vorbereitung. Üblicherweise kommen in diesen Mitarbeitergesprächen immer die Sichtweisen der beiden Partner zu Wort. Damit ist ein Abgleich von Selbst- und Fremdbild für den Mitarbeiter möglich. Der sechste normative Satz in der obigen Aufzählung erfordert mehr als nur den Einsatz des direkten Vorgesetzten. Das Betriebsklima hängt eng mit der Unternehmenskultur zusammen, und damit sind zum einen als Adressaten die Geschäftleitung sowie alle Führungskräfte und Mitarbeiter gemeint. Um ein produktives Klima zu erzeugen, kann das von Gauger vorgeschlagene Instrument „Leitlinien für Führung und Zusammenarbeit“ eine wichtige Rolle spielen. Wie bei vielen personalwirtschaftlichen Instrumenten gilt aber: ‚Es gibt keinen Mangel an guten Absichten - nur einen an verwirklichten’. 8.2.3 Dauer der Betriebszugehörigkeit Die Dauer der Betriebszugehörigkeit hat sich als Prädiktor für das unspezifische kalkulative Commitment herausgestellt. Somit wirkt sie mittelbar auf die Verbleibeabsicht ein. Würde nun gefordert, dass möglichst lange Betriebszugehörigkeiten anzustreben sind, um Weiterbildner zu binden, so läge die Gefahr eines zirkulären Schlusses nahe. Diese Forderung kann verstanden werden als: Bindung erzeugt Bindung. Diese auf den ersten Blick bestehende Gefahr wird dadurch relativiert, dass vergangene Bindung zukünftige erzeugt. Trotzdem ist diese Aussage schwierig in eine Handlungsempfehlung zu überführen. Es lässt sich lediglich festhalten, dass eine möglichst lange Betriebszugehörigkeit anzustreben ist, weil sie wiederum mittels eines starken kalkulativen Commitments eine starke Verbleibeabsicht hervorruft.
150
Einen guten Überblick über verschiedene Verfahrenalternativen liefert Breisig 1998.
212
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
8.2.4 Variety Seeking Das Variety Seeking wurde in dieser Arbeit als mögliche Achillesferse der Mitarbeiterbindung bezeichnet und empirisch gestützt. Es wurde argumentiert, dass selbst bei hohem Commitment die Neigung zum Variety Seeking eine „Veränderungslust“ hervorruft. Wie lässt sich dieser Befund in eine Handlungsempfehlung überführen? Ein erster Ansatz könnte darin bestehen, lediglich Mitarbeiter einzustellen mit einer geringen Variety-Seeking-Neigung. Dass dieses Vorgehen in praxi wenig sinnvoll ist, zeigt sich an zwei Umständen. Zum einen dürfte sich eine zuverlässige Personalauswahl, die dieses Kriterium herausfiltert, als methodisch kaum realisierbar herausstellen151. Zum anderen ist zu fragen, ob eine derart rigide Personalauswahl negative Wirkungen induziert. In dieser Arbeit wird das Variety Seeking im Wesentlichen mit der Persönlichkeitseigenschaft „Offenheit für Erfahrungen“ konzeptualisiert (vgl. Kapitel 3.2.2.5). Die Autoren dieses Konzeptes (McCrae/ Costa 1987) übersetzen diese Dimension mit wissbegierig, kreativ und phantasievoll. Somit wäre ein Herausfiltern aller potentiellen Mitarbeiter, die über eine hohe Neigung zum Variety Seeking verfügen, gleichzusetzen mit dem Verlust dieser positiven Eigenschaften. Offensichtlich ist die Personalselektion nach diesem Kriterium wenig sinnvoll. Ein anderer Zugang ist notwendig. Damit Variety Seeking im betrieblichen Alltag nicht zu einem Fluktuationsrisiko wird, ist es wichtig, den Mitarbeitern mit einer entsprechenden Präferenz ausreichend Gelegenheit zu geben, um die Neigung zur Abwechslung „auszuleben“. Dies kann in Form von Projektarbeiten, Dienstreisen, Job-Rotation etc. geschehen. Trotzdem verbleibt ein latentes Restrisiko. Dadurch, dass zumindest in der Konsumentenforschung nachgewiesen werden konnte, dass selbst bei zufriedener Produktabnahme der Abnehmer den Anbieter wechselt (vgl. Kapitel 3.2.2.5), kann dies auch im Kontext der Mitarbeiterbindung wirksam werden. Somit ist diese Fluktuationsursache nicht vollständig auszuschließen. 8.2.5 Arbeitsplatzgefahr Es wurde gezeigt, dass die Arbeitsplatzgefahr auf zweifache Weise negativ wirkt. Zum einen ist sie dem affektiven Commitment abträglich und zum anderen senkt sie die Verbleibeabsicht unmittelbar. Somit ist sie eine geeignete „Stellschraube“, um das affektive Commitment und die Verbleibeabsicht zu erhöhen. Anders formuliert: Arbeitsplatzsicherheit sichert die Verbleibeabsicht. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Arbeitsplatzgefahren unterscheiden.
151
Zwar existiert eine Vielzahl an personaldiagnostischen Instrumenten, doch ist ihre Vorhersagegüte als mittelmäßig einzustufen (vgl. für viele Sarges 1995).
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
213
1. Die einzelfallbezogene Freisetzung Der Mitarbeiter sieht sich von einer Kündigung aufgrund von personen- oder verhaltensbedingten Ursachen bedroht. Dieser Fall ist für die Frage der Mitarbeiterbindung nicht von großer Relevanz. Schließlich ist es im Interesse des Unternehmens, dass der Mitarbeiter ausscheidet. Auch sind kulturelle Folgereaktionen152 weniger zu befürchten, vorausgesetzt, die Ursachen für die Kündigung sind von den Kollegen nachvollziehbar. 2. Die gruppenbezogenen Freisetzungen Bei gruppenbezogenen Freisetzungen sieht sich eine Vielzahl von Mitarbeitern von einer Kündigung bedroht. Diese können bspw. Werkschließungen, Stilllegungen einzelner Produktionsstränge oder ein Cost-Cutting-Programm zur Ursache haben. Dieser Fall ist für die Mitarbeiterbindung von hoher Relevanz. Es drohen mehrere Risiken: Die verbleibende Belegschaft beschäftigt sich intensiv mit dem drohenden Arbeitsplatzverlust, und es kommt zu den oben angesprochenen kulturellen Reaktionen. Die Folge sind drastische Produktivitätseinbussen sowie Abnahme des Organisationalen Commitments. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass Mitarbeiter freiwillig fluktuieren, die aus unternehmerischen Gründen hätten bleiben sollen (vgl. Kapitel 4.2.2). Somit bieten gruppenbezogene Freisetzungen die größten Gefahren für das Organisationale Commitment. Auch einzelfallbezogene Kündigungen bergen Risiken, wenn die Gründe für die Kündigung nicht ausreichend transparent der Umwelt des betroffenen Mitarbeiters kommuniziert werden. In beiden Fällen droht, dass das Organisationale Commitment der verbleibenden Mitarbeiter sinkt. Wie lassen sich diese negativen Begleiterscheinungen vermeiden bzw. reduzieren? Es ist ein Allgemeinplatz, aber nicht unwichtig: Die direkte Freisetzung sollte aufgrund der geschilderten Risiken die ultima ratio sein. Im Zuge einer antizipativen Personalfreisetzungsplanung kann vielmehr versucht werden, durch Prognose der Freisetzungsursachen und Planung geeigneter Verwendungsalternativen Personalüberhänge zu verringern oder vorzeitig abzubauen, damit Entlassungen vermieden werden können (Drumm 2000: 288 ff.). Wenn Entlassungen trotzdem unausweichlich sind, ist es erfolgskritisch für die Wirkung auf das Organisationale Commitment der verbleibenden Mitarbeiter, wie diese realisiert werden. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Kommunikation mit den Betroffenen ein. Diese sollte zeitnah, klar, partnerschaftlich und hilfeanbietend durch
152
Hiermit sind irrationale Ängste und Gerüchte gemeint, die den Arbeitsalltag belasten können. Schließlich gilt das Ausscheiden eines Mitarbeiters auch als Prüfstein für die Unternehmenskultur. Wie der Prozess abläuft, ist Ausdruck des impliziten Bewusstseins über erfolgreiches, d.h. für beide Seiten akzeptables Vorgehen (vgl. Scholz 2000: 551).
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Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
den direkten Vorgesetzten erfolgen. Nur wenn es gelingt, den Prozess möglichst „geräuschlos“ zu gestalten, d.h. einfühlsam und fair, werden dysfunktionale kulturelle Wirkungen vermeidbar sein. Dazu sind Angebote seitens des Arbeitgebers hilfreich. Neben den üblichen Abfindungen153 setzt sich mehr und mehr das aus den USA stammende Konzept des Outplacements durch: „Unter Outplacement versteht man die vom Arbeitgeber finanzierte Beratung und Unterstützung eines freizusetzenden oder freigesetzten Mitarbeiters bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, der seinen Qualifikationen und Bedürfnissen entspricht.“ (Rundstedt 1999: 344). Der Umgang mit dem sensiblen Thema Kündigung zeigt sich nicht nur bei der unternehmensseitig gewollten Freisetzung, sondern auch im umgekehrten Fall, wenn der Mitarbeiter kündigt. Häufig wird mit Ausscheidenden nach dem Motto „Reisende soll man nicht aufhalten“ wenig partnerschaftlich umgegangen. Dabei wird der Nutzen der Situation verkannt: Wann sonst kann das Unternehmen ein ehrlicheres Feedback einholen als von einem scheidenden Mitarbeiter? Zum „Pflichtprogramm“ bei Kündigungen sollte deshalb ein Austrittsgespräch mit dem direkten Vorgesetzten und einem Mitarbeiter der Personalabteilung stehen. Zusätzlich empfiehlt es sich, einen Fragebogen ausfüllen zu lassen, der die Meinung über zentrale Kulturdimensionen, aber auch über das Organisationale Commitment enthält (Meifert 2002: 78). Zusammenfassend lässt sich für die Variable „Arbeitplatzgefahr“ festhalten: Eine negative Wirkung des drohenden Arbeitsplatzverlustes auf das Organisationale Commitment und die Verbleibeabsicht ist nicht völlig auszuschließen. Über die Art und Weise, wie Personal abgebaut wird, entscheidet sich, wie stark dieser Effekt ist. Dysfunktionale kulturelle Wirkungen lassen sich durch eine zeitnahe, klare, partnerschaftliche und hilfeanbietende Kommunikation vermeiden bzw. verringern. 8.2.6 Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung In der obigen Untersuchung wurde deutlich, dass der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung sehr nachhaltig das affektive Commitment und damit verbunden die Verbleibeabsicht beeinflusst. Ein Blick auf die benutzten Items zeigt, was mit dem Stellenwert der Weiterbildung gemeint ist:
153
Üblich ist es, ein Monatsgehalt je Jahr der Betriebszugehörigkeit als Abfindung dem freizusetzenden Mitarbeiter zu zahlen.
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Tabelle 81: Items des Faktors Stellenwert der Weiterbildung
V114: Insgesamt ist der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung in meinem Unternehmen hoch. V118: Es würde in meinem Unternehmen kaum jemand merken, wenn wir unsere Arbeit in der betrieblichen Weiterbildung einstellen würden. (umkodiert) V120: Weiterbildung ist in meinem Unternehmen nur in wirtschaftlich guten Zeiten möglich. (umkodiert) V121: Viele Führungskräfte in meinem Unternehmen setzen sich für eine aktive Weiterbildung ein. V122: In wichtigen Projekten werden wir als Weiterbildner frühzeitig einbezogen. V123: Wir genießen als Organisationseinheit betriebliche Weiterbildung einen guten Ruf im Unternehmen. Bei der Durchsicht der obigen Aussagen fällt auf, dass der Stellenwert der Weiterbildung nicht ohne weiteres verändert werden kann. Vielmehr setzt dies eine grundlegende Neupositionierung der Weiterbildung voraus. Konkret geht es darum, dass die Leistung der Organisationseinheit Weiterbildung von den internen Kunden als nutzbringend und wertschöpfend wahrgenommen wird. Dieser Anspruch berücksichtigt unweigerlich auch die Frage des Weiterbildungstyps, der ebenfalls, soweit er strategieunterstützend ist, im positiven Zusammenhang mit dem affektiven Commitment steht. Daher werden im Folgenden beide Aspekte gemeinsam diskutiert. Die Abbildung 18 veranschaulicht, wie ein Projekt154 zur Neupositionierung der betrieblichen Weiterbildung gestaltet werden kann. Augenfällig ist, dass dies ein aufwändiger Prozess ist, der meist mit Unterstützung eines Beraters realisiert wird. Er dürfte wohl kaum ausschließlich aus Gründen der Mitarbeiterbindung in praxi angestoßen werden. Vielmehr dürfte die Unzufriedenheit mit dem Statuts Quo der Weiterbildungsarbeit, seitens der Geschäftsführung oder anderer meinungsbildender Führungskräfte, der Auslöser sein. Insgesamt sind drei Schritte des Projektes zu unterscheiden: Die Analyse-, die Konzept- und die Umsetzungsphase.
154
Die folgenden Ausführungen sind stark durch die praktischen Erfahrungen des Autors in dem Beratungsunternehmen Kienbaum Management Consultants GmbH geprägt.
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Analyse
Konzept
Umsetzung
Aufgaben Prozesse Ressourcen
ca. 6 Wochen
1,5 - 2 Monate
Implementation der IT-Lösungen
rstütz
ung
Auswahl und Qualifizierung Weiterbildungspersonal
IT-Un te
bi l du n -con gsplanu n trolli ng g und Weie tr
l sona bildu ngsp er Weit er
anisat ion gsorg rbildu n Weite
Selektives Benchmarking
sstrat egie
Kundenbedarfe
Weite rbildn ug
Organisation Instrumente Dokumente
Restrukturierung Prozessredesign
Modifizierung und Neuentwicklung von Weiterbildungsprodukten
Steuerung über Weiterbildungsscorecard
ca. 6 Monate
Abbildung 18: Projektphasenmodell zur Neuausrichtung der betrieblichen Weiterbildung
In der Analysephase geht es darum, die Ist-Situation der Weiterbildung abzuklären. Dazu werden bspw. die Aufgaben, Prozesse und Ressourcen aufgenommen, die Organisation, Instrumente und Dokumente (insbesondere die Unternehmens- und Personalstrategie) analysiert und ggf. mit externen Informationen verglichen („Benchmarking“155). Daneben können die Erwartungen und Bedarfe der unternehmensinternen Kunden erhoben werden. Zwar ist eine Kundenbefragung wichtig, um bspw. die Zufriedenheit abzuklären, doch zeigt sich in der Beratungspraxis häufig, dass interne Klienten an die betriebliche Weiterbildung wenig klare Erwartungen äußern können.
155
Gegen diese typische Vorgehensweise von Unternehmensberatern können zwei Argumente angeführt werden: Zum einen ist stets kritisch zu hinterfragen, inwieweit die herangezogenen „Benchmarks“ tatsächlich vergleichbar sind („Äpfel mit Birnen vergleichen“). Zum anderen ist der Nutzen an sich zu hinterfragen: Die Gefahr ist bspw. groß, „Schlendrian mit Schlendrian“ zu vergleichen.
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
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Basierend auf den Ergebnissen der Analysephase wird in der Konzeptphase eine Sollvorstellung für die betriebliche Weiterbildung erarbeitet. Im Zentrum steht eine verbalisierte Weiterbildungsstrategie. Sie sollte Antworten auf folgende Fragen liefern: • Wofür wollen wir stehen? • Welche Rollen und Werte sollen unser Handeln prägen? • Welches Verhalten wollen wir fördern? • Was soll uns auszeichnen? • Welche Leistungen wollen wir anbieten, welche werden wir einfordern? • Welchen Erfolgsmaßstab setzen wir uns? • Wann haben wir Erfolg? Die Abbildung 19 fasst beispielhaft eine derartige Weiterbildungsstrategie zusammen.
Unser Traumziel und Leitstern Unser Auftrag
Die Unternehmensprozesse wirkungsvoll unterstützen – durch die effiziente Sicherstellung bedarfsorientierter Qualifikationen bei allen Gruppen von MitarbeiterInnen.
Wir wollen erreichen ...
Wir wollen sein ...
Vision
„Das Benchmark für Weiterbildung“
Den unternehmerischen W andel erfolgreich machen
Die Mitarbeiterqualifikationen bedarfsorientiert ausbauen
Erstklassige Führungsqualität sicherstellen
Steuerungsfähigkeit der Human Assets entwickeln
ChangeManagement
MitarbeiterEntwicklung
FührungskräfteEntwicklung
Skill Management
Competence Center
Change Manager Rollen
Service Partner
partnerschaftlich
innovativ
professionell
Mission
Zielfelder
Produkte
Selbstverständnis
W erte
Abbildung 19: Beispiel einer Weiterbildungsstrategie aus der unternehmensberatenden Praxis des Autors
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Aufbauend auf dieser niedergelegten Strategie werden die zukünftige Aufbauorganisation definiert, die notwendigen Anforderungen an das Weiterbildungspersonal beschrieben, die Planungs- und Controllinginstrumente entworfen und ggf. benötigte IT-Unterstützung beschrieben (Pflichtenheft). Den Abschluss eines derartigen Projektes bildet die Umsetzungsphase. In diesem Schritt werden die in der Konzeptphase definierten Sollvorstellungen in die Tat umgesetzt. Diese Phase ist für das Projekt am erfolgskritischsten. Schließlich ist der gesamte Prozess wirkungslos, wenn er nicht mit Leben gefüllt wird. Mit einem derartigen Prozess lässt sich bei erfolgreicher Durchführung nachhaltig der Stellenwert der Weiterbildung im Unternehmen steigern. Dies wiederum kann commitmentförderlich auf die Weiterbildner wirken. Trotzdem sollten die Risiken für die Mitarbeiterbindung nicht übersehen werden. Eine nachhaltige Umorganisation birgt stets auch die Gefahr von dysfunktionalen Kulturwirkungen aufgrund der Sorge der Mitarbeiter vor der Veränderung. 8.3 Fazit Die aktive Steuerung der Mitarbeiterbindung hat sich als eine Aufgabe mit einigen Unwägbarkeiten herausgestellt. Zum einen ist Mitarbeiterbindung individuell und damit ohnehin schwerer kalkulierbar. Zum anderen lässt sie sich eher mittelbar über das Commitment steuern. Dies wiederum gilt als direkt schwer beeinflussbar. Somit sollten die optimistischen Aussagen der praxelogischen Arbeiten, die eine stärkere Investition in Mitarbeiterbindung empfehlen (vgl. bspw. Jochmann 2001:.191 ff.), mit der nötigen Vorsicht eingeschätzt werden. In diesem Kapitel wurde gezeigt, wie trotz dieser Unwägbarkeiten Mitarbeiterbindung betrieben werden kann. Allen voran sind Grundprinzipien zu berücksichtigen, wenn eine nachhaltige Bindung erreicht werden soll. Es sind dies die Individualisierung von Bindungsmaßnahmen, die Prävention im Sinne eines vorausschauenden Agierens und die Betrachtung der Effektivität der Maßnahmen. Basierend auf Vorschlägen aus der Literatur konnte aufgezeigt werden, dass die Aspekte Führung und Vergütung markanten Einfluss auf die Ausprägung des affektiven und kalkulativen Commitments haben. Entsprechend wurden daraus Instrumente abgeleitet. Es sind dies die Bonusvergütung und Aktienoptionen (Vergütung) sowie humanressourcenorientierte Unternehmensgrundsätze und Coaching (Führung). Diese Vorschläge wurden bis jetzt nicht empirisch überprüft. In Anbetracht der Befunde der vorliegenden Studie ergeben sich weitere Ansatzpunkte zur Steuerung der Bindung. Es handelt sich dabei um die Bedingungen des Commitments: die Arbeitszufriedenheit, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Variety Seeking, die Arbeitsplatzgefahr sowie der Stellenwert der Weiterbildung. Aufgrund der Ergebnisse der Studie wurden Gestaltungshinweise für die jeweiligen Ansatzpunkte geliefert.
Die Möglichkeiten zur Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal
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Fraglich ist abschließend, wer Akteur der Mitarbeiterbindung ist. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Ansatzpunkte lässt sich ein einzelner Verantwortlicher schwer ausmachen. Vielmehr ist es sinnvoll, Mitarbeiterbindung als Querschnittsaufgabe zu betrachten: Das Topmanagement muss vom Personalressort Instrumente zur Mitarbeiterbindung einfordern und durch commitmentförderliches Verhalten diese unterstützen. Insbesondere fallen unter das Zweitgenannte kulturelle Symbolhandlungen, Umgang mit Arbeitsplatzabbau, Anerkennung des Stellenwerts der Weiterbildung etc.. Die unmittelbaren Vorgesetzten müssen sich ihrer Rolle bewusst sein und ihr Führungsverhalten zufriedenheits- und commitmentstiftend akzentuieren. Und nicht zuletzt sind auch die Mitarbeiter selber gefordert, durch eigenes Verhalten eine “bindende“ Unternehmenskultur zu befördern.
Fazit und weitere Forschungsbedarfe
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9 Fazit und weitere Forschungsbedarfe Die vorliegende Arbeit widmete sich der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal in deutschen Großunternehmen und ihrer empirischen Überprüfung. Ziel des Forschungsvorhabens war es, die relevante Literatur einer kritischen Durchsicht zu unterziehen, basierend darauf ein verhaltenswissenschaftliches Grundmodell zur Erklärung von Mitarbeiterbindung von Weiterbildnern zu entwickeln, dieses Modell im Funktionsfeld Weiterbildung empirisch zu überprüfen und aus den Befunden Gestaltungsperspektiven zur Bindung von Weiterbildungspersonal abzuleiten. Die zentralen Ergebnisse der einzelnen Arbeitsschritte werden nachfolgend zusammengefasst (1) und die sich ergebenden weiteren Forschungsbedarfe (2) identifiziert. 9.1 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse Insgesamt lässt sich die Arbeit in drei Blöcke unterteilen. Der Theorieteil mit den Kapiteln zwei bis vier hatte zum einen die Funktion, das Erkenntnisobjekt dieser Arbeit näher zu konkretisieren und den Stand der Diskussion um die Mitarbeiterbindung in der Forschungsgemeinschaft widerzuspiegeln (Kapitel 2 und 3). Zum anderen sollte die Frage nach der praktischen Relevanz des Erkenntnisinteresses dieser Arbeit erhellt werden. (Kapitel 4) Die Kapitel fünf bis sieben bildeten den Empirieteil. In ihnen wurde das auf Basis des Theorieverständnisses entwickelte Modell mit den zu überprüfenden Hypothesen referiert (Kapitel 5), Überlegungen zum Untersuchungsaufbau angestellt (Kapitel 6) und die Ergebnisse der Empirie ausgebreitet (Kapitel 7). Um dem Anspruch einer angewandten Wissenschaft zu genügen, diente das achte Kapitel als „Brückenschlag in die Praxis“ im Sinne eines Anwendungsteils. Nachfolgend erfolgte eine knappe Rekapitulation der Ergebnisse und Argumentationsstränge, gegliedert nach den Blöcken: Theorie, Empirie sowie Anwendung. Theorieteil Das 2. Kapitel widmete sich dem System Weiterbildung und seinen Akteuren. Somit wurden in diesem Abschnitt die für die Arbeit zentralen Begriffe „betriebliche Weiterbildung“ und „Weiterbildungspersonal“ präzisiert. Unter Erstgenanntem wird in dieser Arbeit die ausschließlich vom Unternehmen beeinflusste interne Qualifizierung verstanden. Das betriebliche Weiterbildungspersonal wurde eng aufgefasst als die Mitarbeiter, die hauptamtlich Weiterbildungsaufgaben auf den Ebenen Management (Leitung und Verwaltung), Realisierung (Unterweisung und Unterricht) sowie Consulting (Beratung und Umsetzung) wahrnehmen. Zusätzlich wurde unterschieden in Weiterbildner mit und ohne Führungsverantwortung.
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Fazit und weitere Forschungsbedarfe
Es wurde herausgearbeitet, dass der Faktor Personal für die Erbringung der Weiterbildungsleistung von zentraler Bedeutung ist. Schließlich handelt es sich bei ihr um eine abstrakte und erklärungsbedürftige Dienstleistung in einem sozialen Raum. Zusätzlich ist die Leistungserstellung nur in der Interaktion mit anderen Individuen möglich. Anhand der Professionalisierungsdebatte in der Weiterbildung konnte gezeigt werden, dass das Weiterbildungspersonal hohen Kompetenzanforderungen genügen muss. In diesem Sinne wurde der Weiterbildner als ein Prototyp eines Wissensarbeiters charakterisiert. Er setzt sein Wissen und seine Kompetenz ein, um produktiv für das Unternehmen tätig zu werden. Eine nähere Analyse des Systems der Weiterbildung als Arbeitsfeld des Weiterbildungspersonals erbrachte Aussagen zu den systemgestaltenden Faktoren und daraus abgeleitet vier Prototypen von Weiterbildungssystemen: Typ I: die rudimentäre Weiterbildung, Typ II: die nachgefragt-dienstleistende Weiterbildung, Typ III: die strategieunterstützende Weiterbildung sowie Typ IV: die ressourcenbasierte Weiterbildung. In einem weiteren Analyseschritt wurde versucht, die Alltagswirklichkeit von Weiterbildern zu erhellen. Es zeigte sich, dass weniger sachlogische Faktoren die Art der Weiterbildungsarbeit prägen als irrationale Beweggründe. So agiert das Weiterbildungspersonal in einem Umfeld, welches grundlegend kritisch ihrer Arbeit gegenüber eingestellt ist. Daneben sehen sie sich zum Teil persönlichen Präferenzen von Entscheidern ausgesetzt, die sie in ihrer professionellen Tätigkeit behindern können. Auch werden sie von einer Eigendynamik der Entwicklungen beeinflusst und an Modetrends gemessen. Zusammenfassend lieferte das zweite Kapitel neben den begrifflichen Zuspitzungen erste analytische Stoßrichtungen hinsichtlich der besonderen Problematik der Bindung von Weiterbildnern. Sie gelten als hochspezialisierte Wissensarbeiter, die in einer meist wenig motivierenden Alltagswirklichkeit arbeiten. Dieses galt es in der späteren Modellbildung adäquat zu berücksichtigen. Das 3. Kapitel zielte darauf, das Konstrukt Mitarbeiterbindung aufzuarbeiten. Dazu wurde zunächst der Forschungsstand zum Organisationalen Commitment referiert und das dreidimensionale Commitmentkonzept von Meyer und Allen als State-of-theArt herausgestellt. Als Defizite der aktuellen Forschungslage wurden herausgearbeitet: die fehlende Berücksichtigung der Besonderheiten des Weiterbildungspersonals, die anglo-amerikanische Herkunft der überwiegenden Studien zum Organisationalen Commitment, die geringe Differenzierung des Bezugsobjekts des Commitments (ausschließlich bezogen auf die Gesamtorganisation) sowie die zu geringe Berücksichtigung der Alltagswirklichkeit der Befragten. Im nächsten Schritt wurden im Sinne einer interdisziplinären Perspektive die Erkenntnisse der Kundenbindungsforschung gesichtet und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die Mitarbeiterbindung diskutiert. Dabei zeigte sich, dass die überwiegenden Konzepte lediglich eine Akzentuierung des dreidimensionalen Commitmentmodells darstellen. Als fruchtbarer erwies sich das Konzept „Variety Seeking“
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sowie partiell die „Theorie der Bankloyalität“ in Form des LMX-Ansatzes. Beide Konzepte fanden in der späteren Modellbildung Berücksichtigung. Zusammenfassend hat das 3. Kapitel zentrale Forschungsdefizite zum Organisationalen Commitment aufgezeigt und eine interdisziplinäre Anreicherung durch die Erkenntnisse der Kundenbindungsforschung geliefert. Daneben diente es als „theoretischer Steinbruch“ für die spätere Modellbildung. Im 4. Kapitel wurden praktische Begründungslinien für die Forschungsfrage dieser Arbeit diskutiert. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass die Bindung von Weiterbildungspersonal in wohl definierten Umweltsituationen seine praktische Relevanz besitzt. In Zeiten von gleichbleibendem oder steigendem Personalbedarf führt Fluktuation zu erheblichen Kosten. Im Fall eines Personalüberhangs entfällt zwar diese Argumentation, trotzdem bleibt in beiden Unternehmenssituationen das Risiko von Wissensabfluss bestehen. Dieses kann die Funktionsfähigkeit des Systems betriebliche Weiterbildung einschränken und somit negativ auf das Suprasystem Unternehmen zurückwirken. Weitere Argumente lieferte eine Analyse der demografischen Szenarien und der Arbeitsmarktsituation von betrieblichen Weiterbildnern. Wenn die demografischen Prognosen zutreffend sind, nachdem das Potential an erwerbstätigen Menschen in Deutschland bis zum Jahre 2010 deutlich sinken wird, dann wird sich auch die Beschaffungssituation für Weiterbildungspersonal verschlechtern. Zusammenfassend konnte im Kapitel 4 gezeigt werden, dass die Beschäftigung mit der Bindung von betrieblichem Weiterbildungspersonal eine praktische Relevanz besitzt. Empirieteil Anliegen des 5. Kapitels war es, die entwickelte integrative Modellvorstellung zur Bindung von Weiterbildnern zu erläutern und die damit verbundenen Hypothesen zu erhellen. Es handelt sich dabei um ein Modell, das auf dem dreidimensionalen Commitmentverständnis von Meyer und Allen (1997) beruht und über zehn Variabeln und drei Meta-Variablen verfügt. Abschließend wurden die Grenzen der entwickelten Modellvorstellung aufgezeigt. Das methodische Vorgehen der Studie wurde im 6. Kapitel als überwiegend Hypothesen prüfend charakterisiert und entsprechend der Usancen der empirischen Sozialforschung ein Erhebungsdesign entwickelt. Die Wahl fiel auf eine schriftliche Befragung mittels Online-Fragebogen. Bei der Entwicklung des Befragungsinstruments wurden soweit wie möglich Items benutzt, die bereits in anderen Studien Verwendung fanden. Aus diesem Grund konnte auf eine vorherige Eichstichprobe verzichtet werden. Das 7. Kapitel diente dazu, die Ergebnisse der empirischen Studie auszubreiten. Vorweg wurden einige Überlegungen zur Güte der Untersuchung angestellt. Als
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Fazit und weitere Forschungsbedarfe
Ergebnis konnte notiert werden, dass die Güte der Untersuchung als insgesamt zufrieden stellend zu charakterisieren ist. Gemessen an den Kriterien ‚Branche’ und ‚Unternehmensgröße nach Mitarbeiteranzahl’, ist die Studie trotz eines recht geringen Rücklaufs von 106 repräsentativ. Eine negative Konsequenz war mit dem geringen Stichprobenumfang verbunden: Sechs Hypothesen konnten nicht eindeutig aufgrund der fehlenden Signifikanz überprüft werden. Belege dafür, dass die klassischen Kriterien der Testtheorie – Objektivität, Reliabilität sowie Validität - eingehalten wurden, konnten geliefert werden. Die mit den Methoden der bivariaten Inferenzstatistik herausgearbeiteten Befunde stützen überwiegend die a priori formulierten Hypothesen. Lediglich 7,6 % der Hypothesen konnten vollständig falsifiziert werden. Damit haben sich die im Theorieteil angestellten Überlegungen hinsichtlich der Bedingungen, Konsequenzen und der Bezugsobjekte des Commitments als fruchtbar erwiesen. Eine Trennung in das spezifische und das unspezifische Commitment konnte zumindest für die Kategorien affektives und normatives Commitment empirisch gestützt werden. Dagegen hat sich das spezifische kalkulative Commitment als ein nicht sinnvoller Modellbestandteil herausgestellt. Insgesamt haben sich aus der bivariaten Perspektive als besonders geeignete Prädiktoren für die Verbleibebabsicht das unspezifische und spezifische affektive Commitment, das spezifische normative Commitment, die Arbeitsplatzgefahr sowie das Variety Seeking erwiesen. Die mittels einer multivariaten Analyse herausgearbeiteten Befunde weisen darauf hin, dass das ursprüngliche Modell einige Variablen enthält, die sehr wenig zur gesamten Varianzaufklärung beitragen. Nach schrittweiser Reduktion wurde ein revidiertes Modell mit acht Variablen und einer Varianzaufklärung von 44,8 % hervorgebracht. Insgesamt ist diese recht geringe Varianzaufklärung nicht zufrieden stellend. Ob die restliche Varianz daraus resultiert, dass Variablen im Modell fehlen, Interaktionseffekte zwischen den Variablen eine Rolle spielen oder schlicht ein ausgeprägtes methodisches Rauschen vorliegt, ist mit den angewandten Verfahren nicht zu ermitteln. Der letzte Teil der Datenanalyse verließ die Methodik des Hypothesenprüfenden und ging in das Hypothesengenerierende über. Mittels einer Clusteranalyse konnten aus dem Datenmaterial vier Portotypen von Weiterbildnern hinsichtlich ihres Bindungsverhaltens gewonnen werden. Eine nähere Charakterisierung dieser erfolgte mittels der Auswertung der Häufigkeiten ihres Antwortverhaltens. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Cluster „Der Entwurzelte“, „Der Überzeugte“, „Der Unabhängige“ sowie „Der Emotionale“ deutlich in ihrem Antwortverhalten unterscheiden. Aufgrund des geringen Umfangs der Teilstichproben erwiesen sich tiefergehende statistische Analysen der einzelnen Prototypen als methodisch nicht sinnvoll bzw. müssten anhand einer neuen Stichprobe überprüft werden. Im methodologischen Rückblick ist zu konstatieren, dass sich das relativ neue Medium Online-Fragebogen in der vorliegenden Befragung bewährt hat und gewichtige Vorteile liefert. Neben den für eine schriftliche Befragung typischen (vgl.
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Kapitel 6.4) sind besonders forschungspraktische Argumente anzuführen. So ist der Fragebogen einfach zu verteilen, und die aufwändige sowie fehleranfällige Erfassung entfällt. Als deutlicher Nachteil sind der eher geringe Rücklauf und die fehlende Möglichkeit von Kommentaren der Probanden (bspw. in Form von handschriftlichen Randnotizen) anzuführen. Anwendungsteil Das 8. Kapitel diente der „Übersetzung“ der Befunde in Handlungsempfehlungen. Konkret: Wie kann die Bindung von Weiterbildnern aktiv gesteuert werden? Dabei wurde gezeigt, dass die Steuerung der Mitarbeiterbindung schwieriger als angenommen ist. Zum einen ist Mitarbeiterbindung individuell und damit ohnehin schwerer kalkulierbar. Zum anderen lässt sie sich eher mittelbar über das Commitment steuern. Dies wiederum gilt als direkt schwer beeinflussbar. Somit müssen die Forderung der praxeologischen Arbeiten, die eine stärkere Investition in Mitarbeiterbindung empfehlen (vgl. bspw. Jochmann 2001:.191 ff., Meifert 2002: 73 ff.), etwas relativiert werden. Trotz dieser Schwierigkeiten konnten in diesem Abschnitt Möglichkeiten zur Mitarbeiterbindung aufgezeigt werden. Zunächst wurden allgemeine Grundprinzipien herausgestellt, die für eine nachhaltige Bindung notwendig sind. Es sind dies die Individualisierung von Bindungsmaßnahmen, die Prävention im Sinne eines vorausschauenden Agierens und die Betrachtung der Effektivität der Maßnahmen. Basierend auf Vorschlägen aus der Literatur konnte aufgezeigt werden, dass die Aspekte Führung und Vergütung markanten Einfluss auf die Ausprägung des affektiven und kalkulativen Commitments haben. Entsprechend wurden daraus Instrumente abgeleitet. Es sind dies die Bonusvergütungen und Aktienoptionen (Vergütung) sowie humanressourcenorientierte Unternehmensgrundsätze und Coaching (Führung). Diese Vorschläge sind bis jetzt nicht empirisch überprüft worden. Basierend auf den Befunden der vorliegenden Studie ergaben sich weitere Ansatzpunkte zur Steuerung der Bindung. Es handelte sich dabei um die Bedingungen des Commitments: die Arbeitzufriedenheit, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Variety Seeking, die Arbeitsplatzgefahr sowie der Stellenwert der Weiterbildung. Aufgrund der Ergebnisse der Studie wurden Gestaltungshinweise für die jeweiligen Ansatzpunkte geliefert. 9.2 Weitere Forschungsbedarfe Während der Bearbeitung der vorliegenden Schrift wurden die Grenzen der Untersuchung sichtbar, und es haben sich offene Fragen herausgestellt. Diese Aspekte sollten in weiteren Forschungsarbeiten aufgegriffen werden. Allen voran steht das in dieser Arbeit entwickelte Modell. Es verfügt in der revidierten Fassung über eine Gesamtvarianzaufklärung von 44,8 %. Da dieses Ergebnis
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Fazit und weitere Forschungsbedarfe
nicht abschließend befriedigend ist, wäre es lohnenswert zu ermitteln, wie die Aufklärung gesteigert werden kann. Dies könnte bspw. durch eine Anreichung des Modells mit weiteren Variablen geschehen und eine erneute empirische Überprüfung. Sechs Hypothesen waren aufgrund der fehlenden Signifikanz nicht eindeutig überprüfbar. Dies ist dem geringen Stichprobenumfang geschuldet. Es wäre lohnenswert, den Fragebogen einer größeren Anzahl an Probanden vorzulegen. Im Kapitel 5 wurde kritisch zum entwickelten Modell angemerkt, dass es lediglich als abhängige Variable die Verbleibeabsicht von betrieblichen Weiterbildnern erfasst. Damit ist die Frage nach einer tatsächlichen Fluktuationshandlung unbeantwortet. Es sollte in weiteren Studien geprüft werden, inwieweit die vorgefundenen Befunde tatsächlich im Zusammenhang stehen mit fluktuierendem Verhalten. Zusätzlich wäre es von Interesse, analog der Unterscheidung in spezifisches und unspezifisches Commitment die Verbleibeabsicht aufzuspalten. Als Komponenten bieten sich zum einen die in dieser Arbeit benutzte Operationalisierung „Verbleibeabsicht in der Organisationseinheit Weiterbildung“ und zum anderen die „Verbleibeabsicht im Unternehmen“ an. Weiter ist zu dem Modell anzuführen, dass es auf überwiegend anglo-amerikanischer und deutschsprachiger Literatur basiert. Damit ist die Theoriebasis kulturell westlich geprägt. Es bleibt weiterer Forschungsarbeit überlassen, zu überprüfen, inwieweit andere Kulturkreise (insbesondere asiatische Kulturen) das Phänomen der Mitarbeiterbindung anders interpretieren und somit zu einem gänzlich anderen Modell kommen würden. Das Variety Seeking hat sich in der empirischen Studie als ein mittelmäßig gut geeigneter Prädiktor für die Verbleibeabsicht herausgestellt. Es wurde im Wesentlichen mit dem Konstrukt „Offenheit für Erfahrungen“ aus dem Neo-FFI konzeptualisiert. In weiteren Forschungsarbeiten sollte dieses aus dem Relationship Marketing stammende Phänomen näher untersucht und die verwendete Konzeptualisierung überprüft werden. Im Kapitel 7.5 ff. wurden anhand des Datenmaterials Bindungstypen und ihr Antwortverhalten herausgearbeitet. Dieses Vorgehen wurde als hypothesengenerierend charakterisiert. In weiteren Untersuchungen wäre es notwendig, die Bindungstypen einer breiteren empirischen Überprüfung zu unterziehen. Dabei wären die folgenden Leitfragen von hoher Relevanz: • Durch welche weiteren organisationspsychologischen Merkmale (bspw. Leistungsmotivation, Absentismus, beruflicher Erfolg etc.) zeichnen sich diese Typen aus? • Ist die Zugehörigkeit zu einem Bindungstyp im Zeitablauf stabil? • Wie gut sind die Bindungstypen als Prädiktor der Verbleibeabsicht geeignet? • Wie zuverlässig sagt der identifizierte Bindungstyp eine tatsächliche Fluktuationshandlung voraus?
Fazit und weitere Forschungsbedarfe
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Im Kapitel 8 wurde darauf hingewiesen, dass die aus der Literatur referierten Ansatzpunkte zur Mitarbeiterbindung (Führung und Vergütung) nicht empirisch überprüft wurden. Auch dieses Feld wäre lohnenswert für eine weitere Forschungsarbeit. Nicht zuletzt liefert die in dieser Arbeit vorgenommene Fokussierung auf Weiterbildungspersonal einen Ansatz für weiterführende Forschung: Inwieweit lassen sich die referierten Befunde auch auf andere Mitarbeitergruppen übertragen?
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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
247
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungen Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ................................................................................... 6 Abbildung 2: Begriffe der Weiterbildung ................................................................... 11 Abbildung 3: Teilsysteme der betrieblichen Weiterbildung ....................................... 14 Abbildung 4: Beispielhaftes Kompetenzprofil eines Weiterbildungsconsultants ...... 26 Abbildung 5: Bedingungen des affektiven Commitments .......................................... 50 Abbildung 6: Individuelle Arbeitsleistung und verursachte Opportunitätskosten im Ausscheiden und der Einarbeitung ................................................. 78 Abbildung 7: Anzahl der Stellenanzeigen im Berufsfeld Personal, Sozialwesen und Weiterbildung .............................................................................. 86 Abbildung 8: Bildungs- und Berufsweg von betrieblichen Weiterbildnern .............. 88 Abbildung 9: Modell der Bindung von Weiterbildnern.............................................. 94 Abbildung 10: Zentrale Annahmen des Modells ...................................................... 107 Abbildung 11: Forschungslogischer Ablauf der Untersuchung................................ 113 Abbildung 12: Ablauf der Befragung........................................................................ 123 Abbildung 13: Einflussstärken von unterschiedlichen Determinanten auf die Verbleibeabsicht................................................................................ 178 Abbildung 14: Erklärungsgehalt der Regressoren im Partialmodell I ...................... 182 Abbildung 15: Revidiertes Partialmodell I................................................................ 184 Abbildung 16: Revidiertes Modell zur Bindung von betrieblichen Weiterbildnern. 187 Abbildung 17: Ansatzpunkte zur Bindung von Weiterbildungspersonal ................. 206 Abbildung 18: Projektphasenmodell zur Neuausrichtung der betrieblichen Weiterbildung.................................................................................... 216 Abbildung 19: Beispiel einer Weiterbildungsstrategie ............................................. 217
248
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tabellen Tabelle 1: Einflussfaktoren auf die betriebliche Weiterbildung ................................. 16 Tabelle 2: Arten der Nebenwetten nach Becker ......................................................... 41 Tabelle 3: Einstellungs- vs. Verhaltenscommitment .................................................. 43 Tabelle 4: Ausgewählte empirische Studien zum dreidimensionalen Commitmentmodell mit ihren Ergebnissen zur Fluktuationsneigung ................. 46 Tabelle 5: Bedingungen des affektiven Commitments ............................................... 48 Tabelle 6: Ausgewählte Untersuchungen zu den Bedingungen des kalkulativen Commitments........................................................................................................ 52 Tabelle 7: Integration von unterschiedlichen Foki des Commitments im dreidimensionalen Commitmentmodell ............................................................... 57 Tabelle 8: Direkte Kosten der Fluktuation.................................................................. 75 Tabelle 9: Jahresgehälter des Weiterbildungspersonals nach Funktionen.................. 76 Tabelle 10: Legende zur Zusammenfassung der zentralen Annahmen des Modells 107 Tabelle 11: Förderprogramme der Mittelstandspolitik und anspruchsberechtigte Unternehmen ...................................................................................................... 115 Tabelle 12: Kapazitäten in den einzelnen Funktionen der Fort- und Weiterbildung in Großunternehmen ........................................................................................... 117 Tabelle 13: Merkmale der Zielunternehmen der Befragung..................................... 118 Tabelle 14: Optimale Stichprobenumfänge für verschiedene Signifikanzteste........ 121 Tabelle 15: Nachteile der schriftlichen Befragung und ergriffene Maßnahmen im Forschungsprojekt .............................................................................................. 122 Tabelle 16: Herkunft der benutzten Items................................................................. 126 Tabelle 17: Struktur des Fragebogens....................................................................... 130 Tabelle 18: Verteilung nach Branchen in der Stichprobe und ErhebungsGrundgesamtheit................................................................................................. 139 Tabelle 19: Verteilung nach Mitarbeiteranzahl in der Stichprobe und ErhebungsGrundgesamtheit................................................................................................. 140 Tabelle 20: Kenndaten der Verteilung des Merkmals Branche in ErhebungsGrundgesamtheit und Stichprobe ....................................................................... 141 Tabelle 21: Kenndaten der Verteilung des Merkmals Mitarbeiteranzahl in Erhebungs-Grundgesamtheit und Stichprobe..................................................... 142 Tabelle 22: Items der Modelldimension „Arbeitszufriedenheit“.............................. 143 Tabelle 23: Items der Modelldimension „spezifisches affektives Commitment“ .... 144
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
249
Tabelle 24: Items der Modelldimension “spezifisches kalkulatives Commitment“. 145 Tabelle 25: Items der Modelldimension „spezifisches normatives Commitment“ .. 146 Tabelle 26: Items der Modelldimension „Stellenwert der Weiterbildung“ .............. 147 Tabelle 27: Items der Modelldimension „unspezifisches affektives Commitment“ 147 Tabelle 28: Items der Modelldimension „unspezifisches kalkulatives Commitment“ ..................................................................................................... 148 Tabelle 29: Items der Modelldimension „unspezifisches normatives Commitment“149 Tabelle 30: Items der Modelldimension „Variety Seeking“..................................... 150 Tabelle 31: Items der Modelldimension „Verbleibeabsicht“.................................... 151 Tabelle 32: Items der Modelldimension „Verhältnis zum Vorgesetzten“ ................ 152 Tabelle 33: Alter der Teilnehmer nach Gruppen ...................................................... 154 Tabelle 34: Betriebszugehörigkeit nach Gruppen..................................................... 155 Tabelle 35: Anzahl der Vorarbeitgeber..................................................................... 155 Tabelle 36: Aktuell bekleidete Position .................................................................... 156 Tabelle 37: Anzahl der Wohnortwechsel .................................................................. 156 Tabelle 38: Antwortverhalten zur Frage nach der Arbeitsplatzgefahr...................... 157 Tabelle 39: Alternative Tätigkeiten im Falle eines Arbeitsplatzwechsels................ 158 Tabelle 40: Mittelwertvergleich von spezifischem und unspezifischem affektivem Commitment..................................................................................... 159 Tabelle 41: Mittelwertvergleich von spezifischem und unspezifischem kalkulativem Commitment ................................................................................. 160 Tabelle 42: Mittelwertvergleich von spezifischem und unspezifischem normativem Commitment................................................................................... 160 Tabelle 43: Korrelation des Faktors Geschlecht mit dem Organisationalen Commitment ....................................................................................................... 162 Tabelle 44: Korrelation der Faktoren Lebensalter und Betriebszugehörigkeit mit dem kalkulativen Commitment .......................................................................... 162 Tabelle 45: Korrelation des Faktors hierarchische Position und Organisationales Commitment ....................................................................................................... 163 Tabelle 46: Korrelation des Faktors Bildungsabschluss und Arten des affektiven und kalkulativen Commitments.......................................................................... 164 Tabelle 47: Korrelation der Faktoren Anzahl der Umzüge und Arbeitgeber mit dem kalkulativen Commitment .......................................................................... 164
250
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tabelle 48: Korrelation des Faktors Arbeitszufriedenheit mit dem spezifischen und unspezifischen affektiven Commitment...................................................... 165 Tabelle 49: Korrelation des Faktors Arbeitszufriedenheit mit weiteren Commitmentarten ............................................................................................... 166 Tabelle 50: Korrelation des Faktors Variety Seeking mit Commitmentarten .......... 166 Tabelle 51: Korrelation des Faktors Stellenwert der Weiterbildung mit affektiven Commitmentarten ............................................................................................... 168 Tabelle 52: Korrelation des Faktors Stellenwert der Weiterbildung mit weiteren Commitmentarten ............................................................................................... 168 Tabelle 53: Eigenschaften der Weiterbildungstypen mit den dazugehörigen Items und Antwortverhalten......................................................................................... 170 Tabelle 54: Ausprägung des affektiven Commitments bei unterschiedlichen Weiterbildungstypen........................................................................................... 171 Tabelle 55: Korrelation der Anzahl der Mitarbeiter in der Organisationseinheit mit Commitmentarten......................................................................................... 171 Tabelle 56: Korrelation des Faktors Leader-Membership-Index mit Commitmentarten ............................................................................................... 172 Tabelle 57: Korrelationen von Branchenzugehörigkeit und Commitmentarten...... 173 Tabelle 58: Korrelationen von Unternehmensgröße und Commitmentarten............ 174 Tabelle 59: Korrelation des Faktors Arbeitsplatzgefahr mit Arten des affektiven Commitments...................................................................................................... 174 Tabelle 60: Korrelation des Faktors Verbleibeabsicht mit Arten des spezifischen Commitments...................................................................................................... 175 Tabelle 61: Korrelation des Faktors Verbleibeabsicht mit Arten des unspezifischen Commitments............................................................................. 175 Tabelle 62: Korrelation des Faktors Verbleibeabsicht mit Arten des affektiven Commitments...................................................................................................... 176 Tabelle 63: Übersicht der überprüften Hypothesen .................................................. 179 Tabelle 64: Ergebnis der Regressionsanalyse hinsichtlich des Modellfits für das Partialmodell I .................................................................................................... 182 Tabelle 65: Ergebnisse der schrittweisen Regressionsanalyse des Partialmodells I ............................................................................................ 183 Tabelle 66: Ergebnisse der schrittweisen Regressionsanalyse des Partialmodells II ........................................................................................... 185 Tabelle 67: Ergebnis der Clusteranalyse - Die Clusterzentren ................................. 188 Tabelle 68: Ergebnis der Clusteranalyse - Eigenschaften der Bindungstypen ......... 188
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
251
Tabelle 69: Antwortverhalten der Bindungstypen zur Verbleibeabsicht.................. 189 Tabelle 70: Korrelationen von Variablen mit der Verbleibeabsicht bei unterschiedlichen Bindungstypen....................................................................... 190 Tabelle 71: Stärkste Items des Bindungstyps „Der Entwurzelte“............................. 192 Tabelle 72: Schwächste Items des Bindungstyps „Der Entwurzelte“....................... 192 Tabelle 73: Stärkste Items des Bindungstyps “Der Überzeugte” ............................. 194 Tabelle 74: Schwächste Items des Bindungstyps “Der Überzeugte” ....................... 194 Tabelle 75: Stärkste Items des Bindungstyps „Der Unabhängige“........................... 196 Tabelle 76: Schwächste Items des Bindungstyps „Der Unabhängige“..................... 197 Tabelle 77: Stärkste Items des Bindungstyps “Der Emotionale” ............................. 198 Tabelle 78: Schwächste Items des Bindungstyps “Der Emotionale” ....................... 198 Tabelle 79: Stellhebel des Commitment-Managements ........................................... 207 Tabelle 80: Handlungsfelder der Arbeitszufriedenheit ............................................. 210 Tabelle 81: Items des Faktors Stellenwert der Weiterbildung.................................. 215
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis AC
Affektives Commitment
AZU
Arbeitszufriedenheit
CBT
Computer Based Training
DtA
Deutsche Ausgleichsbank
ERP
European Recovery Program
KC
Kalkulatives Commitment
KfW
Kreditanstalt für Wiederaufbau
LMX
Beziehung zum Vorgesetzten
NC
Normatives Commitment
NEO-FFI
NEO-Fünf-Faktor-Inventar
OCQ
Organizational Commitment Questionaire
OE
Organisationsentwicklung
PE
Personalentwicklung
SOCA
Spezifisches Organisationales Commitment, affektiv
SOCK
Spezifisches Organisationales Commitment, kalkulativ
SOCN
Spezifisches Organisationales Commitment, normativ
SW
Stellenwert der Weiterbildung
UOCA
Unspezifisches Organisationales Commitment, affektiv
UOCK
Unspezifisches Organisationales Commitment, kalkulativ
UOCN
Unspezifisches Organisationales Commitment, normativ
VB
Verbleibeabsicht
VS
Variety Seeking
WBT
Web Based Training
253
Anhang
255
Anhang A Beteiligte Unternehmen der Untersuchung Die folgende Aufstellung enthält in alphabetischer Reihenfolge die Unternehmen, die schriftlich ihre Beteiligung an der Untersuchung zugesagt haben. Ob tatsächlich von den Mitarbeitern dieser Unternehmen Fragebögen ausgefüllt wurden, lässt sich aufgrund des anonymen Rücklaufs nicht abschließend sagen. Adolf Würth GmbH & Co. KG, Künzelsau Airbus Deutschland GmbH, Paris AXA Service AG, Köln Axel Springer AG, Berlin B. Braun Melsungen AG, Melsungen Bankgesellschaft Berlin AG, Berlin Barmer Ersatzkasse, Wuppertal BayWa AG, München Benteler AG, Paderborn Berliner Verkehrsbetriebe, Berlin Bertelsmann AG, Gütersloh BSH Bosch Siemens Haushaltsgeräte GmbH, München Coca-Cola Erfrischungsgetränke AG, Berlin Degussa AG, Frankfurt am Main Deutsche Angestellten Krankenkasse, Hamburg Dr. Alexander Wacker Familiengesellschaft GmbH, München Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main EDEKA AG, Hamburg Ford AG, Köln Gegenbauer Bosse Holding GmbH, Berlin Gerling-Konzern Versicherungs-Beteiligung AG, Berlin GLOBUS-Betriebe-Geschäftsführung AG, St. Wendel Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG, Hamburg
256
Anhang
Heidelberger Druckmaschinen AG, Heidelberg HELIOS Kliniken GmbH, Fulda Infineon Technologies AG, München KSB AG, Frankfurt am Main Linde AG, Wiesbaden Lisa Dräxlmaier GmbH, Vilsbiburg R + V Versicherung AG, Wiesbaden RWE-Rheinbraun AG, Köln Schering AG, Berlin Schott Glas, Jena SECURITAS GmbH, Düsseldorf SPAR-Handels AG, Schenefeld ThyssenKrupp Automotive AG, Bochum TUI Group GmbH, Hannover VICTORIA Versicherungsgesellschaften AG, Düsseldorf Vodafone D2 GmbH, Düsseldorf Wal-Mart Germany GmbH & Co. KG, Wuppertal
Anhang
257
B Fragebogen In der vorliegenden Untersuchung wurde ein elektronischer Fragebogen benutzt. Die folgende Darstellung ist eine Abschrift des Online-Instruments.
Befragung zur beruflichen Veränderungsbereitschaft von Weiterbildnern
Guten Tag, vielen Dank für Ihre Bereitschaft, an unserer Studie teilzunehmen. Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Aussagen, die es gilt einzuschätzen. Dabei geht es nicht um objektiv richtige oder falsche Antworten, sondern um Ihre persönliche Einschätzung. Bitte markieren Sie Ihre Antwort, indem Sie auf der Skala die für Sie passende Antwort ankreuzen bzw. ergänzen. Die Befragung dient ausschließlich wissenschaftlichen Forschungszwecken und erfolgt vollständig anonym. Weder während der Befragung noch in der Auswertung wird ein Rückschluss auf das Antwortverhalten einzelner Personen möglich sein. In diesem Zusammenhang eine dringende Bitte: Antworten Sie offen, ehrlich und ohne lange zu überlegen. Nur so sind die Ergebnisse für die wissenschaftliche Studie verwendbar. Vielen Dank dafür im Voraus! Sie werden insgesamt knapp 20 Minuten benötigen, um alle Fragen zu beantworten. 20 Minuten, die helfen mehr über die berufliche Veränderungsmotivation von Weiterbildnern zu erfahren. Vielen Dank für die Zeit, die Sie investieren.
Prof. Dr. Klaus W. Döring
Matthias T. Meifert
Ordinarius Technische Universität Berlin Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre Fachgebiet: Organisation und Didaktik der Weiterbildung
Bereichsleiter und Partner Kienbaum Management Consultants GmbH Geschäftsbereich Human Ressource Management
258
Anhang
Zunächst finden Sie eine Reihe von Aussagen, die Ihre Arbeit in der Organisationseinheit betriebliche Weiterbildung betreffen. Es sind insgesamt 32 und der damit größte Befragungsblock: Stimmt vollständig
Ich weiß, was bei der Arbeit von mir erwartet wird.
Stimmt eher
Stimmt eher nicht
Stimmt nicht
Ich bin stolz darauf, der Organisationseinheit Weiterbildung anzugehören.
Ich habe richtig Freude an der Arbeit.
Mit meinem Gehalt inklusive der Nebenleistungen bin ich nicht zufrieden.
Ich habe bei der Arbeit die Gelegenheit, das zu tun, was ich am besten kann.
Bei der Arbeit scheinen meine Meinungen und Vorstellungen zu zählen.
Mit der zeitlichen Arbeitsbelastung bin ich zufrieden.
Meine Kollegen streben danach, Arbeit von hoher Qualität zu leisten.
In meiner Organisationseinheit herrscht ein ausgezeichnetes Betriebsklima.
Ich habe die Materialien und die Arbeitsmittel, um meine Aufgaben richtig zu erledigen.
Selbst wenn es für mich vorteilhaft wäre, fände ich es falsch, jetzt die Organisationseinheit Weiterbildung zu verlassen. Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich die Organisationseinheit Weiterbildung jetzt verlassen würde.
Ich habe in den letzten sieben Tagen für gute Arbeit Anerkennung und Lob bekommen. Mein Vorgesetzter interessiert sich nicht für mich als Mensch. Ich wäre froh, mein weiteres Arbeitsleben in der Organisationseinheit Weiterbildung bei diesem Arbeitgeber verbringen zu können. Es wäre mit zu vielen Nachteilen für mich verbunden, wenn ich momentan die Organisationseinheit Weiterbildung verlassen würde. Ich empfinde ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu der Organisationseinheit Weiterbildung in diesem Unternehmen. Bei der Arbeit gibt es jemanden, der mich in meiner Entwicklung unterstützt und fördert.
Ich denke, dass meine Wertvorstellungen zu denen der Organisationseinheit Weiterbildung passen. Es macht keinen guten Eindruck, häufiger die Organisationseinheiten zu wechseln. Ich würde die Organisationseinheit Weiterbildung jetzt nicht verlassen, weil ich mich einigen Leuten darin verpflichtet fühle.
Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit der Organisationseinheit Weiterbildung verbunden. Ich habe einen sehr guten Freund innerhalb der Organisationseinheit Weiterbildung. In den letzten sechs Monaten hat jemand in der Organisationseinheit Weiterbildung mit mir über meine beruflichen Fortschritte gesprochen. Während des letzten Jahres hatte ich bei der Arbeit die Gelegenheit, Neues zu lernen und mich weiterzuentwickeln. Zu vieles in meinem Leben würde sich ändern, wenn ich die Organisationseinheit Weiterbildung jetzt verlassen würde. Ich glaube, dass ich momentan zu wenig Chancen habe, um ernsthaft in Erwägung zu ziehen, aus der Organisationseinheit Weiterbildung auszuscheiden. Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in die Organisationseinheit Weiterbildung gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. Viele Leute, die mir wichtig sind, würden es nicht verstehen oder wären enttäuscht, wenn ich die Organisationseinheit Weiterbildung verlassen würde.
Anhang
259
Die Gefahr, meinen Arbeitsplatz aktuell zu verlieren, ist hoch.
Meine Arbeit macht mir wenig Spaß, aber man sollte nicht zuviel erwarten.
Ich kann mir meine Arbeitszeit selber einteilen.
260
Anhang
Vielen Dank für Ihre ersten Einschätzungen. Nun interessieren uns einige Angaben zu Ihrer Person und zum Unternehmen in dem Sie tätig sind: Ihr Geschlecht Ihr Alter? Ihr höchster Bildungsabschluss? Wie lange sind Sie in Ihrem Unternehmen bereits tätig? (gerundet in ganzen Jahren) Wie lange davon in der betrieblichen Weiterbildung? (gerundet in ganzen Jahren) Bei wie vielen Arbeitgebern waren Sie vorher tätig?
Welche Postion bekleiden Sie derzeit?
Wie häufig haben Sie in den letzten 10 Jahren Ihre Wohnung gewechselt?
männlich Hauptschule Abitur Promotion
weiblich ___ Jahre Realschule Studium Habilitation ___ Jahr(e) ___ Jahr(e)
___ Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Seminarverwaltung und Sachbearbeitung Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Bildungsmanagement und –beratung Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Unterricht und Training Führungskraft mit den Schwerpunkten Seminarverwaltung und Sachbearbeitung Führungskraft mit den Schwerpunkten Bildungsmanagement und -beratung Führungskraft mit den Schwerpunkten Unterricht und Training ___ Mal
Nun die Fragen zu Ihrem Unternehmen... Wie viele Mitarbeiter/innen beschäftigte das Unternehmen zu Beginn des letzten Geschäftsjahres insgesamt (gerundet auf __________ Mitarbeiter/innen Tausende)? Wie hoch ist die Anzahl der Mitarbeiter/innen in der __________ Mitarbeiter/innen Organisationseinheit Weiterbildung? In welcher Branche ist Ihr Unternehmen im Schwerpunkt Handel- und Konsumgüterindustrie tätig? Chemische Industrie und Mineralölverarbeitung Banken, Versicherungen und Handel Bauindustrie Stahl-/ Maschinen-/ Fahrzeugbau Verlage, Druck, Medien, Nachrichtenübermittlung Energie-, Verkehr und sonstige Dienstleistungen Sonstige
Anhang
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Zurück zu Ihren Einschätzungen. Im Folgenden möchten wir mehr über Sie erfahren...
Stimmt vollständig
Stimmt eher
Stimmt eher nicht
Stimmt nicht
Ich bin ein sehr aktiver Mensch.
Manchmal ist mein Arbeitsalltag schon sehr langweilig.
Ich habe in letzter Zeit nach einem anderen Arbeitsplatz gesucht.
Ich bezeichnen mich als Jemanden, der sehr neugierig ist.
Routineaufgaben langweilen mich schnell.
Ich finde philosophische Diskussionen langweilig.
Ich bevorzuge unvorhersehbare Dinge in meiner Arbeit weniger.
Ich möchte auch in Zukunft an meinem Arbeitsplatz arbeiten.
Ich wäre froh, mein weiteres Arbeitsleben in der Organisationseinheit Weiterbildung bei diesem Unternehmen verbringen zu können. Ich probiere oft neue und fremde Speisen aus. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass ich in den nächsten 12 Monaten meinen Arbeitsplatz wechseln werde. Ich mag meine Zeit nicht mit Tagträumerein verschwenden. Ich könnte mir nicht vorstellen, meinen Arbeitsplatz in den nächsten 12 Monaten zu wechseln. Ich glaube, dass es Menschen oft nur verwirrt und irreführt, wenn man sie Rednern zu zuhören lässt, die kontroverse Standpunkte vertreten.
Zu wenig Herausforderungen am Arbeitsplatz wären für mich ein Grund, den Arbeitsplatz zu wechseln. Ich habe Spaß daran, mit Theorien oder abstrakten Ideen zu spielen. Ich habe in den letzten 12 Monaten ernsthaft in Betracht gezogen, meinen Arbeitsplatz zu wechseln. Ich schätze es sehr, wenn ich meine Arbeitsaufgaben sorgfältig und langfristig planen kann. Ich habe wenig Interesse bspw. über die Natur des Universums oder die Lage der Menschheit zu spekulieren. Ich würde es sehr begrüßen, wenn meine Arbeit mehr Abwechslung bieten würde. Welche der folgenden Alternativen würden für Sie im Falle eines Arbeitsplatzwechsels grundsätzlich in Frage kommen? (Mehrfachnennungen möglich)
andere Funktion in der betrieblichen Weiterbildung beim jetzigen Unternehmen ähnliche Tätigkeit in einem anderen Unternehmen andere Funktion innerhalb des Unternehmens andere Funktion in einem anderen Unternehmens Selbständige Tätigkeit Sonstiges, und zwar:
262
Anhang
Nun einige Fragen, die das Verhältnis zu Ihrem direkten Vorgesetzten betreffen. Besonders wichtig: Wie alle Einschätzungen bleiben auch diese anonym! Wissen Sie im Allgemeinen, wie Ihr direkter nie Vorgesetzter Sie einschätzt? Wie gut versteht Ihr direkter Vorgesetzter Ihre gar nicht beruflichen Probleme und Bedürfnisse? Wie gut kennt Ihr direkter Vorgesetzter Ihre gar nicht Entwicklungsmöglichkeiten? Wie würden Sie das Arbeitsverhältnis zu Ihrem direkten schlecht Vorgesetzten bezeichnen? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr direkter Vorgesetzter Ihnen auf seine Kosten aus der gering Patsche hilft? Wie hoch ist ihr Vertrauen in ihren direkten Vorgesetzten, gering um seine Entscheidungen zu verteidigen? Wie hoch ist die Chance, dass Ihr direkter Vorgesetzter seinen Einfluss nutzt, um Ihnen bei Arbeitsproblemen gering zu helfen?
gelegentlich
oft
immer
wenig
gut
sehr gut
wenig
gut
sehr gut
befriedigend
gut
sehr gut
eher gering
eher hoch
hoch
eher gering
eher hoch
hoch
eher gering
eher hoch
hoch
Die Befragung ist fast abgeschlossen. Nur noch zwei Themengebiete sind offen. Uns interessiert nun, wie Sie das gesamte Unternehmen, in dem Sie tätig sind, beurteilen. Stimmt vollständig
Stimmt eher
Stimmt eher nicht
Stimmt nicht
Es wäre mit zu vielen Nachteilen für mich verbunden, wenn ich momentan dieses Unternehmen verlassen würde.
Ich empfehle meinen Arbeitgeber im Freundeskreis ohne weiteres weiter.
Es macht einen schlechten Eindruck, häufiger das Unternehmen zu wechseln.
Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit dem Unternehmen verbunden.
Ich bin stolz darauf, diesem Unternehmen anzugehören.
Ich empfinde ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu diesem Unternehmen.
Ich denke, dass meine Wertvorstellungen zu denen dieses Unternehmens passen.
Ich habe schon mal jemanden abgeraten bei meinem Arbeitgeber anzufangen.
Ich würde das Unternehmen jetzt nicht verlassen, weil ich mich einigen Leuten darin verpflichtet fühle.
Zu vieles in meinem Leben würde sich ändern, wenn ich dieses Unternehmen jetzt verlassen würde. Ich glaube, dass ich momentan zu wenig Chancen habe, um ernsthaft in Erwägung zu ziehen aus dem Unternehmen auszuscheiden. Ich möchte auch in Zukunft in diesem Unternehmen tätig sein. Ich habe schon zu viel Kraft und Energie in dieses Unternehmen gesteckt, um jetzt noch an einen Wechsel zu denken. Viele Leute, die mir wichtig sind, würden es nicht verstehen oder wären enttäuscht, wenn ich dieses Unternehmen verlassen würde. Selbst wenn es für mich vorteilhaft wäre, fände ich es nicht richtig, das Unternehmen zu verlassen. Ich würde mich irgendwie schuldig fühlen, wenn ich das Unternehmen jetzt verlassen würde.
Anhang
263
Nun am Schluss noch einige Einschätzungen von Ihnen zur Weiterbildung in Ihrem Unternehmen. Zunächst: Welchen Stellenwert hat die betriebliche Weiterbildung?
Stimmt vollständig
Insgesamt ist der Stellenwert der betrieblichen Weiterbildung in meinem Unternehmen hoch. Ich bin mir nicht sicher, ob es unserer Geschäftsführung wirklich bewusst ist, wie wichtig unsere Weiterbildungsarbeit ist. Es würde in meinem Unternehmen kaum jemand merken, wenn wir unsere Arbeit in der betrieblichen Weiterbildung einstellen würden. Weiterbildung ist in meinem Unternehmen nur in wirtschaftlich guten Zeiten möglich. Viele Führungskräfte in meinem Unternehmen, setzen sich für eine aktive Weiterbildung ein.
Stimmt eher
Stimmt eher nicht
Stimmt nicht
In wichtigen Projekten werden wir als Weiterbildner frühzeitig einbezogen.
Wir genießen als Organisationseinheit betriebliche Weiterbildung einen guten Ruf im Unternehmen.
264
Anhang
Bitte charakterisieren Sie nun die Weiterbildungspolitik Ihres Unternehmens anhand der nach folgenden Dimensionen (Mehrfachnennungen sind möglich):
Eher bedarfsorientiert; erst nachdem Qualifikationsdefizite offensichtlich sind, werden Qualifizierungsmaßnahmen eingeleitet. Eher angebotsorientiert; bereits bevor Qualifikationslücken entstehen, werden Qualifizierungsmaßnahmen eingeleitet. Weder noch. Eher planvoll, sämtliche Maßnahmen werden im Voraus geplant und dazu ein Budget eingestellt. Eher ad hoc, bei Bedarf werden Maßnahmen realisiert und auf Pauschal- bzw. Nachbudgets zurück gegriffen. Weder noch. Eher anforderungsorientiert; Qualifizierungsmaßnahmen setzen bei den Anforderungen an, die sich aus dem Arbeitsablauf ergeben. Eher potenzialorientiert; Qualifizierungsmaßnahmen setzen bei den verfügbaren Qualifikationspotenzialen der Mitarbeiter an und zielen darauf ab, diese zu verbessern. Weder noch. Eher strategieunterstützend, sämtliche Maßnahmen sind primär an der Unternehmens- und Personalstrategie ausgerichtet. Eher operativ, sämtliche Maßnahmen sind primär an den Qualifikationsbedarfen der Mitarbeiter ausgerichtet. Weder noch. Eher vernetzt; die Weiterbildung erfolgt in regelmäßiger Abstimmung mit anderen Bereichen, wie z. B. ArbeitsOrganisation, Personalplanung, Anreizsystem. Eher isoliert; die Weiterbildung erfolgt unabhängig von der Planung und Ausgestaltung in anderen Bereichen des Unternehmens. Weder noch. Eher arbeitsplatzspezifisch; die Qualifikation, die im Rahmen der Weiterbildung vermittelt werden, sind im Allgemeinen eng an den Arbeitsplatz gebunden. Eher berufsübergreifend; bei den Qualifikationen, die im Rahmen der Weiterbildung vermittelt werden, handelt es sich im Allgemeinen um Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auch in anderen Unternehmen der gleichen Branche genutzt werden können. Weder noch.
Vielen Dank für Ihre Antworten!
Ausgewählte Veröffentlichungen im Rainer Hampp Verlag
Albert Martin (Hg.): Personal als Ressource Empirische Personal- und Organisationsforschung, hrsg. von W. Weber, A. Martin, W. Nienhüser, Bd. 23 ISBN 3-87988-795-0, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2003, 261 S., € 24.80
Das vorliegende Buch versammelt die Beiträge der Tagung des Arbeitskreises „Empirische Personal- und Organisationsforschung“ vom 28./29. März 2003 an der Universität Lüneburg. Die Lüneburger Tagung befasste sich mit der „Ressource Personal“, einem Thema, das bislang nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit gefunden hat, obwohl seine Bedeutung offenkundig ist und innerhalb von methodologischen, praktischen und theoretischen Diskursen auch immer wieder einmal ganz besonders ins Blickfeld gerät. Eingeleitet wird der Tagungsband von einer kritischen Würdigung des Ressourcendenkens in der Personalwirtschaftslehre. Die einzelnen Forschungsberichte, die sich hieran anschließen, befassen sich mit den folgenden Themen: mit der Erfolgswirksamkeit des personalwirtschaftlichen Instrumenteneinsatzes, mit den Forschungsergebnissen zur personellen Diversität, mit der Frage, ob flexibilitätsfördernde Maßnahmen die Wirkungen hervorrufen, die man sich von ihnen verspricht, mit den Bestimmungsgründen für das Absentismusverhalten von Arbeitnehmern, mit der Ressource „Vertrauen“, mit den besonderen Belastungen, denen Leiharbeitnehmer ausgesetzt sind und mit dem Weiterbildungsverhalten von Selbstständigen. Außerdem werden zwei spezielle personalwirtschaftliche Instrumente und ihre Erfolgsversprechen analysiert: die so genannte „Organisationsaufstellung“ und die „Arbeitsituationsanalyse“. Die Beiträge des vorliegenden Buches zeichnen sich durch zwei Besonderheiten aus. Zum Ersten reflektieren sie – so wie es der Titel des Buches auch verspricht – den Bezug ihrer Forschungsfrage zur Ressourcenproblematik. Und zum Zweiten geht es – entsprechend der Zielsetzung des Arbeitskreises – um die empirische Fundierung der gelieferten Erkenntnisse.
Günther Schanz: Das individualisierte Unternehmen. Neurobiologische und motivationstheoretische Grundlagen – konzeptionelle Merkmale – Gestaltungs- und Handlungsfelder ISBN 3-87988-839-6, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2004, 212 S., € 24.80
Individualisierung ist ein Programm, das der prinzipiellen Einmaligkeit der Mitarbeiter – ihrer Individualität – systematisch Rechnung zu tragen sucht. Seinen institutionellen Niederschlag findet es im individualisierten Unternehmen. Die Problematik wird in vier Teilen entwickelt: Zunächst werden neurobiologische und motivationale Grundlagen von Individualität dargestellt. Von dem sich solchermaßen abzeichnenden Menschenbild erfolgt ein Brückenschlag zu den institutionellen Folgen. Es schließen sich, dargelegt anhand verschiedener Gestaltungs- und Handlungsfelder, differenzierte Überlegungen zur Individualisierung im Sinn einer personalwirtschaftlichen Leitlinie an. Die Ausführungen enden mit Hinweisen auf das prozessuale Vorgehen.
Christian Deller: Evaluation flexibler Arbeitszeitmodelle am Beispiel einer Unternehmensberatung. Die motivationalen Auswirkungen verschiedener Sabbatical- und Teilzeitprogramme aus Teilnehmersicht ISBN 3-87988-820-5, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2004, 308 S., € 29.80
Flexible Arbeitszeitmodelle liegen derzeit im Trend. Arbeitgeber versprechen sich durch die Einführung von neuen Flexibilisierungsinstrumenten eine verbesserte Reaktionsfähigkeit auf die rasanten Marktentwicklungen. Arbeitnehmer verstehen die Modelle als Chance zur besseren Vereinbarung ihrer beruflichen und privaten Interessen (Work-Life-Balance). Dabei wird von Unternehmensseite und Wissenschaft wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass flexible Arbeitszeiten bei den Teilnehmern die Arbeitsmotivation, Arbeitszufriedenheit und Bindung an die Organisation (Commitment) erhöhen. Dieser Zusammenhang wurde jedoch bis heute durch keine wissenschaftliche Untersuchung differenziert nachgewiesen. Im vorliegenden Buch untersucht der Autor vier verschiedene flexible Arbeitszeitmodelle, die in einer Unternehmensberatung angeboten werden. Es handelt sich dabei um je zwei Sabbatical- (Ansparmodell sowie 6-12-monatige teilbezahlte Auszeit als Kriseninterventionsmodell) und Teilzeitmodelle (klassisch-flexibel sowie mit Weiterbildungsziel). Anhand von über 80 Einzelinterviews wird der Motivationsprozess von der Teilnahmeentscheidung über das Erleben bis zum Bewerten des jeweiligen Modells aus Teilnehmersicht erfasst und modellspezifisch analysiert. Dabei können verschiedene Entwicklungstendenzen und Einflussfaktoren je Variable festgestellt werden. Durch die hohe Praxisrelevanz sowie den aktuellen Bezug ist die Lektüre sowohl für Praktiker als auch für Wissenschaftler von hohem Interesse. Aus den Ergebnissen können einerseits Hinweise für die bedarfsgerechte Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen gewonnen werden. Andererseits bieten sie neue Ansatzpunkte für die künftige Forschung.
Christian Ehrlich: Erfassung und Gestaltung von Motivationspotenzialen als Aufgabe der Personalführung. Entwicklung und Erprobung eines Fragebogens zur Erfassung von Motivationspotenzialen in Unternehmen ISBN 3-87988-778-0, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2003, 366 S., € 32.80
Motivierte Mitarbeiter sind ein zentraler Erfolgsfaktor für Unternehmen. Eine wichtige Führungsaufgabe ist somit die Motivation der Mitarbeiter in entsprechendem Maße zu verbessern bzw. zu fördern. Nachhaltige Veränderungen lassen sich aber nur dann realisieren, wenn durch entsprechende Messungen der Erfolg von Veränderungsmaßnahmen überprüft werden kann. Hier kann eine zentrale Schwäche bisheriger Instrumente zur Erfassung motivationsförderlicher Arbeitsbedingungen gesehen werden. Sie erfassen lediglich Motivationspotenziale der konkreten Tätigkeit, d. h. des Arbeitsinhaltes des Mitarbeiters. Die vorliegende Arbeit greift diesen Kritikpunkt auf und ergänzt bis dato vorliegende Fragebogen zur Erfassung motivationsförderlicher Arbeitsbedingungen um weitere motivationsrelevante Aspekte außerhalb des Arbeitsinhaltes. Ein solches Instrument existierte bisher nicht.