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FCir Susanne, Luis und Lino
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Markus Zydra
Mensch, Bt)rse! Experten f...
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FCir Susanne, Luis und Lino
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Markus Zydra
Mensch, Bt)rse! Experten finden Worte f~r die Kurse
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet tiber abrufbar.
1. Auflage M~rz 2006 Alle Rechtevorbehalten 9 BetriebswirtschaftlicherVerlag Dr. Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Karin Janssen Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+BusinessMedia. www.gabler.de ~ ~ ~ ~ ~~o~%~~.~~~!~1 ~
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Das Werk einschliel~lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschCitzt. Jede Verwertung aul~erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzesist ohne Zustimmung des Verlags unzul~issigund strafbar. Das gilt insbesonderef~irVervielf~iltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitungin elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebungals frei zu betrachten w~ren und daher von jedermann benutzt werden dOrften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign,Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf s~iurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 3-8349-0068-0
Inhalt
I n h a l t ........................................................................................5 E i n l e i t u n g ................................................................................7 I n t e r v i e w M a r c F a b e r ............................................................17 I n t e r v i e w A n k o B e l d s n i j d e r ................................................. 27 I n t e r v i e w V e r n o n S m i t h ........................................................39 I n t e r v i e w F o l k e r H e l l m e y e r ..................................................49 I n t e r v i e w B e n o i t M a n d e l b r o t ...............................................65 I n t e r v i e w G o t t f r i e d H e l l e r .....................................................75 I n t e r v i e w H u g h H e n d r y ........................................................85 I n t e r v i e w W i e l a n d S t a u d ......................................................95 I n t e r v i e w Sean C o r r i g a n ....................................................111 I n t e r v i e w R ( i d i g e r v o n N i t z s c h .......................................... 119 I n t e r v i e w J i m R o g e r s ......................................................... 131 I n t e r v i e w C h r i s t i a n S c h l a g ................................................. 141 G l o s s a r ................................................................................153
Einleitung Trfiumen Sie vom schnellen Geld? Es w~re so einfach gewesen, sich diesen Traum zu er~llen. Im Jahr 2003 stand der deutsche Aktienindex Dax bei 2300 Punkten. Ende 2005 notierte er bei 5400 Punkten. Da h~tten Sie ihre groBe Chance auf 100 Prozent Gewinn gehabt. Ach, das hat Ihnen damals niemand gesagt? Oder Sie haben es nicht geglaubt? Sie waren mental noch in einem schwarzen Loch, weil der Dax in den drei Jahren zuvor von 8000 Punkten auf knapp 2300 Punkte gefallen war? Doch jetzt begreifen Sie, dass die gute Gelegenheit vertan ist, aber Sie begreifen nicht, warum es so kam? Kommen Ihnen S~tze in den Sinn wie ,,h~tte ich doch bloB"? Fragen Sie sich ,,soll ich jetzt noch...? Gr~beln Sie und denken: ,,Mensch B6rse, gib mir einen Wink!"? Die B6rse gibt Signale. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute. Doch hinschauen und zuhOren hilft nicht viel. Die Informationen brauchen eine Interpretation, und von denen gibt es viele. Der Aktienkurs der Allianz hat sich in den letzten zweieinhalb Jahren verdoppelt. Geht das so weiter? Natfirlich wollen die meisten Investoren, dass es so weitergeht. Doch gleichzeitig fahnden sie stetig nach Indizien, die einen Verkauf der Aktie nahe legen. Wann ist der richtige Ausstiegszeitpunkt? Was bedeutet es, wenn der Kurs fiber eine Handelswoche nachgibt? Dreht der Kurs danach wieder nach oben? Zwei Kontrahenten stehen sich an der BOrse gegen~ber. Der Verk~ufer spekuliert auf fallende Kurse, der K~ufer einer Aktie tr~umt von Kursgewinnen. Beide glauben fest, dass sie Recht haben. Nur einer kann Recht bekommen. Die B6rse als Ort der Duelle, ein groBer Basar, auf dem Marktschreier ihre Oberzeugungen verkaufen, mit dem st~ndigen Kampf um die Hoheit. Ausgetragen wird das auch Ober die Medien, die verschiedenste Expertenmeinungen verbreiten. Niemand weiB, ob die BOrsenexperten wirklich meinen, was sie sagen. Wenn eine groBe amerikanische Investmentbank schreibt, der Olpreis werde fiber 100 Dollar je Barrel steigen, dann stimuliert das den Markt.
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Einleitung
Viele Investoren kaufen 01. Entweder weil sie der Prognose tats~ichlich glauben, oder weil sie davon ausgehen, dass das Urteil der grol3en m~ichtigen Bank gentigend Marktmomentum erzeugt, was steigende Preise zur Folge h~itte. Und die Bank selbst? Sie profitiert von solch optimistischen Studien schon dadurch, dass Investoren auf den Zug aufspringen und beispielsweise Olzertifikate dieser Bank kaufen. Was ist also von solchen Informationen zu halten? Zumal sie auch noch kostenlos der Offentlichkeit pr~isentiert werden. Wer teilt schon freiwillig und kostenlos mit anderen seinen Wissensvorsprung? Was steckt dahinter? Geht es um Fakten oder um die Erzeugung von Stimmungen? Diese Fragen besch/iftigen nicht nur Privatanleger. Auch die Profis sind gefangen in dieser Matrix aus Bauchgefiihl und Verstand. Meist wird die B/Srse als Hort kaufm/innischer Effizienz beschrieben. Doch mit Kennzahlen kann man nur bedingt berechnen, wie viel eine Aktie ,,wirklich" wert ist. Das weil3 niemand, deshalb wird ja spekuliert. Der Handel ist zwar reglementiert, und die Produkte sind definiert, doch zu welchem Preis die Leute kaufen und verkaufen bleibt ihrer subjektiven Einsch~itzung tiberlassen. Dafiir gibt es kein Regelwerk. Niemand weir3, wo der ,,wahre" Wert einer Aktie liegt. Da k6nnen die Experten und Gurus noch so laut mit ihren Kurszielen trommeln. Der Wert kann wie im Jahr 2000 sehr hoch sein, er kann wie im Jahr 2003 sehr tief liegen. Es kommt darauf an, jeden Tag aufs Neue. Dazu kommt, dass sich der B6rsenhandel ver~indert hat. Immer h~iufiger sind es Computerprogramme, die die Aktien ausw~ihlen. So genannte Trendfolgemodelle nutzen das Kursmomentum einer Aktie. Es spielt bei dieser Art der Aktieninvestition keine Rolle mehr, ob das Unternehmen mittelfristig gute Gesch/ifte mit seinen Produkten macht, denn dieser Aktienhandel ist sehr kurzfristig orientiert. Es wird schnell gekauft und ztigig weiterverkauft. Mancher Investor weiB nicht einmal, wie der Vorstandschef des Konzems heil3t, dessen Untemehmen er gerade anteilig gekauft hat. Auch dieser Sachverhalt macht es schwierig, einen fairen Preis fiir eine Aktie zu bestimmen. Einfach gesprochen gibt es nur eine verl~issliche Untemehmensinformation: Die Profitzahlen der Vergangenheit. Die Zukunft kann nur prognostiziert werden, es ist eine Art WeRe. Sicherlich lassen sich Risiken identifizieren, etwa durch Gespdiche mit dem Management oder Vergleiche mit anderen Konzernen der Branche. Einige Fondsmanager bilden sich
Einleitung
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so eine Art ,,objektive Basis" ihrer Investmententscheidung. Doch am Ende entscheidet auch der Bauch. Und der ist sehr anf'~illig fiir ~iuBere Einfltisse, weil er sehr genau registriert, was die konkurrierenden Investoren machen. Und pl6tzlich ist der Mensch wieder Tier in seiner Gier. BOrse und Emotion sind untrennbar miteinander verzahnt. So kommt es, dass auch viel Schund gehandelt wird. John Maynard Keynes verglich den Aktienmarkt mit einem Sch6nheitswettbewerb. Doch w~ihrend es auf dem Laufsteg darum gehe, die Dame auszuw~ihlen, die man pers6nlich als Sch6nste erachtet, so gehe es an der BOrse darum, die Aktie auszuw~ihlen, von der man annimmt, dass die Mehrheit der Investoren sie als die Sch0nste ansieht. Das ist ein gewichtiger Unterschied. SchlieBlich ktinnen Anleger mehrheitlich zeitweise an Geschmacksverirrung leiden und ein ziemlich h~issliches Papier zur B6rsenk6nigin ktiren. Ein betriebswirtschaftlich gut gefiihrtes Unternehmen kann zwar ein gutes Aktien-Investment sein, muss es aber nicht, schon gar nicht auf kurze Sicht. Ganz im Gegenteil: Schlecht geftihrte Unternehmen bewegen h~iufig die Fantasie der Anleger, schlieBlich besteht die Chance, dass der Konzern die Kurve kriegt. Und in diesem Fall sind ordentliche Kursgewinne drin. 1000 Prozent oder 10.000 Prozent Profit - wer will da schon nein sagen? Ziel ist hier nicht die Dividende, sondern der rechtzeitige Absprung v o n d e r Aktie. Auch das ist BOrsenrealit~it. Der Markt und seine Ergebnisse gelten als sakrosankt, obwohl es mitunter wahre Kurspossen zu beobachten gibt. Solche Ereignisse sind sozusagen das mentale Korrektiv. Verunsicherte Investoren freuen sich pl6tzlich tiber v611ig unerwartete Kurssteigerungen, der Markt, k6nnte man sagen, leistet hier ungewollt psychologische Aufbauarbeit und h~ilt die Gestrauchelten bei der Stange, w~ihrend tibermtitige Investoren pl6tzlich Demut lernen, weil es entgegen ihrer Erwartung nach unten geht. Solche tiberraschenden Schocks sind das Wesen der B6rse. Beim Roulette k6nnen Spieler auch schockiert werden, aber sie wissen genau, was im besten und schlimmsten Fall maximal mOglich ist: Setzen sie auf die Zahl 12 und kommt die 12, dann haben sie gewonnen. Prognostiziert der Investor den Gewinn eines Unternehmens ftir das n~ichste Jahr auf 12 Millionen Euro und die 12 Millionen Euro kommen a u c h dann hat er noch lange nicht gewonnen. Die Aktie kann gnadenlos absttirzen. Die Grtinde werden nachgereicht: ,,Der Gewinn war schon ein-
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Einleitung
gepreist", ,,die weiteren Wachstumsaussichten sind schlecht", ,,der amerikanische Konkurrent hat schlechte Zahlen abgeliefert", ,,die Stimmung ist eingetrtibt", ,,der Euro ist zu stark"- der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, plausible Grtinde ftir einen Kurssturz zu finden: Man h~itte es halt nur geme vorher gewusst, oder? Doch aus dieser Welt der extremen Stimmungsgef~ille gibt es kein Entrinnen. Mal bewerten Investoren das Kurs-Gewinn-Verh~iltnis einer Aktie von 12 als teuer, mal erscheint es ihnen billig. In einem Jahr ist die Fusion von Daimler Benz und Chrysler das beste Gesch~ift des Jahrhunderts, einige Zeit sp~iter hat man das Geffihl, bei der Fusion sei alles schief gelaufen. Die Deutungshoheit hat sich dann verschoben. Es gibt eine neue Mehrheit an der B6rse, die das Sagen hat und deren Meinungen transportiert werden. Die Medien verst~irken die Neuausrichtung, und langsam gleitet man in eine Phase der selbsterf/illenden Prophezeiung. Die Herde stampft in die neue Richtung, sie verkauft DaimlerChrysler-Aktien, w~ihrend sich schon eine andere Gruppe formiert und positioniert, n~imlich die, denen die Masse ein guter Contraindikator ist, die geniisslich die Hand aufhalten und die ihrer Meinung nach billigen DaimlerChrysler-Aktien wieder kaufen. Und wenn man nicht gerade viel Geld verloren hat, k6nnte man sagen: Ein wunderbares Schauspiel. In diesem Sinne hat die B6rse viel mit dem Autoverkehr gemeinsam. Zwar kursieren hier Blechkarossen und dort Finanztitel, doch an beiden Pl~itzen sitzen Menschen am Steuer, und jeder einzelne h~ilt sich ftir den besten und schlausten. Schon mal erlebt? Volle Innenst~idte an Weihnachten, und dennoch finde ich an diesem Tag einen Gratis-Parkplatz direkt vor dem Kaufhaus. Einmaliger Zufall? Nein, ich bin nattirlich der Mann mit dem richtigen Parkplatzriecher. Mein Aktiendepot hat im vergangenen Jahr 100 Prozent Plus gemacht. Gltick oder K6nnen? Die Frage ertibrigt sich nahezu. B0rsenpsychologen haben belegt, dass sich der Mensch nicht nur als Autofahrer iabersch~itzt. Spekulationserfolg stellt sich deshalb ein, weil man selbst der gr013te Meister aller Meister ist. Danach kommt erst einmal nichts. Misserfolge stehen nur auf dem Papier. Die gesteht sich niemand gerne ein. Eine gestrandete Aktie wird ,,billig" nachgekauft, um den Einstiegskurs zu senken. Investoren haben Probleme, sich von Verliereraktien zu trennen. Davor sind auch Profis nicht gefeit.
Einleitung
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Genauso scheint es in der DNA der Menschen verankert zu sein, die B6rsenkurse regelm~il3ig entweder nach ganz oben, oder nach ganz unten zu treiben. Hausse und Baisse, Euphorie und Depression, Gewinne und Verluste - diese zyklische Wellenbewegung passiert einfach. Sie folgt nattirlich keiner Absprache unter den Marktteilnehmern, es ist vielmehr ein offenkundig nicht zu vermeidendes Sisyphos-Schicksal: BOrsen ticken wie jedes andere Menschen-Biotop, die meisten Akteure machen immer wieder dieselben Fehler, die Lemf~ihigkeit ist nicht sehr ausgepr~igt. Die Kugel rollt runter und wird wieder hochgeschoben. ,,Die Spekulation", sp6ttelte einst der amerikanische Wirtschaftsprofessor John Kenneth Galbraith, ,,kauft in einem sehr handgreiflichen Sinn den Verstand der Beteiligten auf." Die Psychologie spielt eine wichtige Rolle, um zu begreifen, warum die Kurse steigen und warum sie fallen. B0rsen unterscheiden sich in dieser Hinsicht grunds~itzlich vom Gtitermarkt. W~ihrend die meisten Konsumenten dann ein neues TV-Ger~it kaufen, wenn die Preise niedrig sind, investieren dieselben Menschen in ihrer Rolle als Anleger ihr Geld dann in eine Aktie, wenn die Kurse schon stark gestiegen sind. Sie folgen der Herde, die sich st~indig neu orientiert. Und es ist schwer gegen eine solche Herde zu argumentieren, obwohl bekannt ist, dass die Mehrheit meist Unrecht hat. Warum lehnt man sich dann an diese Mehrheit an? Wohl weil es angenehmer ist, in der Masse unterzugehen. Ein Einzelk~impfer verliert das Gesicht, wenn er sich verspekuliert- und seine Kunden. Spekulation geschieht in Wellen. An manchen Tagen sind die B6rsenums~itze gering, da halten Investoren ihr Geld zurtick und warten auf ein Zeichen. Niemand weil3 auf welches. Aber sie erkennen es. Und pl6tzlich laufen alle los. Wie bei Freibier. Der Neue Markt im Jahr 2000 ist das beste Beispiel. Damals gait es als Risiko, keine Aktien zu kaufen. Dann kam der Crash. Wieder liefen alle los - nur in die andere Richtung. Es war ein schlimmer Niedergang tiber drei lange Jahre. Das wirft unmittelbar die Frage auf, wann so etwas wieder geschieht. Extremereignisse dieser Art passieren angeblich selten, doch was heiBt das? In den Jahren 1987, 1998 und 2000 ist es passiert, obwohl es nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung so h~iufig in so kurzer Zeit nicht h~itte passieren dtirfen. Es sind diese Tage, wenn Kurse extreme Ausschl~ige haben, die fiber Reichtum und Armut vieler Anleger ent-
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Einleitung
scheiden. Das richtige Zeitfenster ffir die Geldanlage zu erwischen ist deshalb auch ein wichtiges Erfolgskriterium. Wer sein Geld 1995 in Aktien investierte und im Jahr 2000 wieder ausstieg, der kann auf erfolgreiche Anlegerjahre zurtickblicken. Wer 2000 einstieg und 2005 ausstieg, dem erging es trotz des jtingsten Aufschwungs wohl nicht so gut. Mitunter gibt es gar verlorene Generationen, sie erlebten die Wende zum Guten nicht mehr. Der Dow-Jones-Index sttirzte im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 innerhalb weniger Jahre von 400 auf fast 40 Punkte ab. Das Hoch von 1929 erreichte das amerikanische BOrsenbarometer erst tiber zwei Jahrzehnte sp/ater wieder. Investoren k6nnen in dieser Hinsicht aus historischen Erfahrungen lernen, manchmal wiederholt sich die Geschichte punktuell a u c h - aber immer unter anderen Vorzeichen. Wer st~indig in den Rtickspiegel schaut, f~ihrt gegen die Wand, wer nie nach hinten blickt, der sieht nicht, was von dort anrollt. Sind Aktien also eine interessante Geldanlageform? Sicherlich. Aber werfen sie auch gentigend Rendite ab, beispielsweise im Vergleich zu Anleihen? Wird der Anleger ffir das Risiko, das er eingeht, auch entsprechend belohnt? Selbst diese grundlegende Frage ist nicht abschliel3end gekl~irt. ,,Wir wissen mehr tiber Automotoren als tiber die Funktionsweis e d e r BOrse", sagt der Mathematiker Benoit Mandelbrot in diesem Buch. Spielen wir an der B0rse ,,Russisch Roulette" oder ,,Mensch ~irgere dich nicht"? Die globalen Finanzm~irkte haben sich in den vergangenen 15 Jahren enorm ver/andert. Das Ende der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West brachte die Offnung. Die ganze Welt ist nun kapitalisierbar in einem System. Das ffihrt zu globalen Interdependenzen. Es herrscht globale Ansteckungsgefahr. Ein Crash in Asien erreicht in Sekundenschnelle Europa und damit den Fonds eines deutschen Sparers. Die M~irkte korrelieren immer st~irker. Die Suche nach unkorrelierenden Anlageobjekten wird immer schwieriger. P16tzlich investieren Profis bei ihrer rastlosen Suche in Uran, Baumwolle, Zucker, Platin, Palladium, Heiz61 und Gas. Auch Gold war das grol3e Anlagethema im Jahr 2005. Es ist eine gewisse Unruhe sptirbar. In gewissen Kreisen wird die Frage gestellt, ob das derzeitige Primat der Finanzwirtschaft nicht zu Lasten der Realwirtschaft geht: Es mache
Einleitung
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schliel31ich einen Unterschied, ob Geld am Aktienmarkt investiert oder ~ r den Kauf einer Industriemaschine verwendet werde. Zudem k6nnte aus den USA Gefahr drohen, denn der dortige Immobilienmarkt ist ein Lebensnerv der globalen B0rsen. Auch das ist Ausdruck der neuen interdependenten Welt: US-H~uslebauer ffihlen sich immer reicher, weil ihre Immobilien immer hOhere Preise erzielen. Sie verschulden sich auf Basis dieser Preissteigerungen und konsumieren mehr. Der Privatkonsum macht gut 70 Prozent der US-Wirtschaft aus, er hat massiven Einfluss auf die Gewinnerwartungen der US-Firmen, mithin auf deren Aktienkurse. Und die US-BOrsen sind Signalgeber ffir die anderen BOrsen dieser Welt. Wenn also die US- Immobilienpreise einbrechen, k6nnte die Konsumlust der Amerikaner zur~ckgehen, was schliel31ich im Zuge der negativen Kettenreaktion auch die deutschen B6rsen negativ beeinflussen wtirde - so eng h~ngt die Finanzwelt zusammen. Gleichzeitig steigert der Eintritt von China und Indien in die Weltwirtschaft die Fantasie. Noch niemals zuvor sind so viele Menschen gleichzeitig in den Weltmarkt eingetreten. Geldstr6me, die fr~her nach Europa oder in die USA flossen, werden umgelenkt, und mittlerweile scheint das globale Investorenglfick am Wachstum Chinas zu h~ngen. Das wird vom Rest der Welt finanziert. Doch die wenigsten ausl~ndischen Firmen, die in China investiert haben, verdienen derzeit schon Geld. Es gibt auch politische Unw~gbarkeiten. Der Kampf um Roh61, Gas und Wasser kann zu Kriegen und Knappheiten ftihren. In einem solchen Umfeld braucht es eine geh6rige Portion Denkverm6gen und emotionale Intelligenz, um langfristig Erfolg zu haben. Auch wenn immer wieder der Eindruck entstehen mag, dass es an der B6rse langfristig nur Gewinner gibt, so sollte man sich immer vor Augen ffihren, dass sich an der Reichtumspyramide der WeltbevOlkerung nicht viel ge~ndert hat. Nat~rlich k6nnen viele Investoren eine Zeit lang erfolgreich sein, sehr sogar. Die Geschichte kennt auch zahlreiche F~lle, in denen einige talentierte Menschen wahre Seherqualit~ten entwickelt haben. Sie prognostizierten den Auf- oder Aufschwung von M~rkten und gaben sogar den zu erwartenden Kurskorridor an. Doch ein Guru-Leben ist in aller Regel kurz. Die Tatsache, dass die Frage nach dem erfolgreichsten Investor aller Zeiten wohl meist nur mit
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Einleitung
dem Namen Warren Buffett beantwortet wird, mag ein Indiz daf'tir sein, wie sp~irlich ges~it nachhaltiger B6rsenerfolg in Wirklichkeit ist. Und dieser Sachverhalt sollte deutlich machen, dass das Geld verdienen an der Btirse ein schweres Gesch~ift ist. Investoren k6nnen dem Trend folgen und Erfolg haben, doch richtig Spal3 macht es erst, wenn man der Konkurrenz eine Nasenl~inge voraus ist. Dafiar mtissen Anleger ein Gesptir far Trends entwickeln. Und dabei kann niemand helfen. Ein neuer Trend ist per se etwas, das nicht in der Zeitung steht, wortiber man auf keiner Party ein Wort verliert, ja, die Ausrufung eines neuen Trends dtirfte sogar far strengen Widerspruch sorgen, da er die gewohnte Welt in Frage stellt. Eine M6glichkeit, um neue lukrative Investments zu identifizieren, ist es, sich die Verlierer der vergangenen Jahre anzuschauen. Roh~l ist ein gutes aktuelles Beispiel. Die Preisbewegung nach oben begann schon vor einigen Jahren, v611ig unbemerkt von der Masse, die sich noch mit Intemet-Unternehmen herumplagte. Also einfach nur die Verlierer von gestern kaufen? Wenn es nur so einfach w~ire. Zum einen ist es ein enormer psychologischer Druck, gegen die Masse zu investieren. Schliel31ich wird Sie jeder andere verlachen, wenn Sie ihr Geld in etwas investieren, das vielleicht immer noch an Wert verliert. Man braucht Geduld, um Recht zu bekommen an der Btirse. Doch selbst wenn man im streng rationalen Sinne alles richtig gemacht hat, und die eigene Investmententscheidung als vemtinftig zu bezeichnen ist, gilt doch die Erkennmis von Ex-Bundeskanzler Willy Brandt fiar die Btirse und das Leben gleichermal3en: ,,Man kann nie so kompliziert denken, wie es pl6tzlich kommt." Far AufSenstehende mag das Gebaren an den Finanzm~irkten widersprtichlich sein. Vielleicht betrachten sie deshalb die B6rse als unheimlichen Gegner, der wie ein Schattenmann sein schwer nachvollziehbares Eigenleben ffihrt. Frtiher konnten sich die Uninteressierten noch halb belustigt, halb angewidert abwenden. Doch mittlerweile ist die B6rse Teil der Altersversorgung. Die Finanzm~irkte werden deshalb far den Wohlstand des Einzelnen immer wichtiger. Ein grundlegendes Verst~indnis der dortigen Abl~iufe ist da eine Art notwendiger Selbstschutz, will man nicht mit dem falschen Fonds oder der falschen Aktie havarieren.
Einleitung
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Dieses Buch soil deshalb eine Art Selbstverteidigungskurs in Sachen B6rse sein. Auf den folgenden Seiten ~iul3ern sich Experten unterschiedlichen Alters, unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlichster Philosophie zu einem Thema, das oft durch Zahlen und Charts erkl~irt wird auf den folgenden Seiten sollen Worte das Regiment ftihren. Beim Thema B6rse winken viele ab und sagen ,,das ist nichts for mich, da kenne ich mich nicht aus". Doch das stimmt nicht. Jeder ist Fachmann auf seinem Berufsgebiet und daraus lassen sich nat0rlich Investments ableiten. Jeder ist auch Kunde und kann beurteilen, ob er sich mit einem Produkt anfreunden kann. Wenn man das berticksichtigt, liegt der Investmentschritt schon sehr viel n~iher. NatOrlich haben auch die in diesem Buch Befragten ihre eigenen Interessen. Mancher von ihnen ist viel in den Medien vertreten. Ausgew~ihlt wurden sie, weil ihnen eine Eigenschaft gemeinsam ist: Sie bieten keine abschliel3enden Antworten, sondern stellen auf pointierte und verst~indliche Weise Fragen, die das System Btirse ein wenig transparenter machen. Zudem handelt es sich um PersOnlichkeiten, die den Mut haben, gegen die Mehrheitsmeinung zu argumentieren. Sie wecken Lust ~ r die Geldanlage als Kunstform, als ein Leben mit dem Zufall. Und denen, die die B/Srse grunds~itzlich als Ort der schlimmen Spekulation ansehen, sei mit einem Augenzwinkern, folgende Textpassage aus Franz Hermann Meil3ners Roman "Moderne Menschen. Ein Berliner Roman" aus dem Jahre 1909 ans Herz gelegt: ,,Ist, wenn wires unbefangen priifen, nicht jeder Beruf mehr oder weniger spekulativ? Der Referendar will Minister, der Leutnant General werden, der Landwirt spekuliert auf gute Ernten -jeder will Vorteile aus den Umst~inden auf Kosten des anderen und zu seinem Nutzen ziehen." Einige der Gespr~iche wurden in Auszfigen in der ,,Financial Times Deutschland" publiziert. Sie fanden zum Teil am Telefon, zum Teil, wo es m6glich war, unter vier Augen statt. Die Interviews sind im zweiten Halbjahr 2005 ge~hrt worden. Allen Interviewpartnern sei von ganzem Herzen gedankt for ihre Zeit und ihr Interesse an dem Projekt.
Interview Marc Faber
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Marc Faber ist meistens anderer Meinung als die Mehrheit der BSrsenexperten. Da der Schweizer erst Ober Risiken spricht, bevor er die Chancen an der B(Srse wC~rdigt, wird er auch "Dr. Doom" genannt. Sein B6rsenbrief, mit dem er die Anleger immer wieder konfrontiert, heil~t "Gloom, Boom & Doom Report". Mit 24 Jahren promovierte Faber im Fach Wirtschaftswissenschaft. Fr0h zog es ihn nach Asien. Faber erl&utert die Grenzen von BOrsenprognosen und bezeichnet die wachsende BOrsenspekulation als gef~hrlich. ,,Sie ist ein Indiz vergangener Prosperit&t."
FRAGE: Herr Faber, Sie gelten als Investment-Guru, der in die Zukunfi schauen kann. Erfiillt Sie soviel Zutrauen mit Stolz?
FABER: Ich halte es ~ r unwichtig. Kein Mensch behauptet von sich selbst, er sei ein Guru. Es ist das Publikum, das einen daf~r ausw~hlt. Aber es ist doch nicht unangenehm ein solches Publikum zu haben. Schliefllich wird man an der Eitelkeit gepackt, und da stellen Sie das Gurutum in Frage?
An den Finanzm~rkten gibt es jedes Jahr einen Aktienfonds mit einem Fondsmanager, der besonders gut abgeschnitten hat. Das ist erfreulich. Nur ist es selten so, dass im Jahr darauf derselbe Fondsmanager wieder an der Spitze steht. Es gibt tiberhaupt keine Best~ndigkeit verl~sslicher Prognosen- aller Qualit~ten der Geldverwalter zum Trotz. Der Amerikaner Joe Granville galt in den siebziger Jahren als Guru. Es war unglaublich, wie treffsicher er war. Der Mann setzte Kauf- und Verkaufs-
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Interview Marc Faber
signale ftir den Markt. Die B6rse schien blind umzusetzen, was er prophezeite. Das konnte natiirlich nicht so weitergehen, irgendwann musste Granvilles ,,Fgihigkeit" an Schub verlieren?
Genau, und bei ihm ging es dann auch sehr schnell. P16tzlich war Schluss. Von einem Tag auf den anderen. Er verpasste die Hausse nach 1982. Einfach so. Die Seherqualit/iten waren ersch6pft. Seit den achtziger Jahren spricht niemand mehr von Granville. Ein Guru zu sein, ist ein verg/ingliches Gesch~ift. A ber es scheint so, als ob die B6rse diese Gurus trotzdem braucht, erst um sie zu hofieren und dann, um sie abzusdigen. Schliefllich gibt es in der Geschichte viele solcher Beispiele.
Der US-Amerikaner Robert Prechter ist auch so ein Fall. Ein brillanter Mann, dessen Biacher ich auch gelesen habe. Prechter prophezeite 1977, dass der Dow Jones Index auf 2300 Punkte steigen wiarde, und 1980, dass der Dow auf 2700 Punkte z u l e g t - und damals lag der Dow Jones bei rund 1000 Punkten. Im Jahr 1987 waren seine Prophezeiungen erffillt. Prechter hatte einen guten Ruf, hatte Ansehen und nichts und niemand schien ihm etwas anhaben zu k6nnen... ...bis auf die BOrse selbst
Ja, bis er vom B6rsencrash im selben Jahr wieder auf den Boden der Tatsachen zuriickgeholt wurde. Nach dem Crash folgte die Hausse von 1988 bis zum Jahre 2000. Auch die verpasste er, sprich er sah sie nicht voraus. Gurus sind also keine guten Ratgeber. Man sollte nicht auf sie h6ren?
Niemand weiB, was in der Zukunft passieren wird. Aber als Okonom kann man grunds/itzlich sagen, dass die Weltwirtschaft real mit drei Prozent pro Jahr w/ichst. Manchmal kOnnen es zwei, manchmal auch vier Prozent sein, wenn es aufgrund der Inflation nominal hOher ausf~illt. Es ist jedoch unm6glich, dass die Gesellschaft bis in alle Ewigkeit schneller w/achst als das Bruttoinlandsprodukt.
Interview Marc Faber
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Was heiflt das genau?
Wenn der Software-Konzern Microsoft jedes Jahr um 20 Prozent w~chst, w~hrend die US-Wirtschaft nur 4 Prozent zulegt, dann w~re Microsoft irgendwann die gesamte US-Wirtschaft. Und das geht natfirlich nicht. Microsoft wird also irgendwann so groB, dass der Konzern nicht mehr wesentlich schneller als die Gesamtwirtschaft waehsen kann. Solcherlei Aussagen tiber die Zukunft kann man treffen ohne ein Guru zu sein. Wagt man sich weiter vor, wird es gefahrlich. Von ihnen stammt folgendes Bonmot: Ein Anleger h~itte in den vergangenen Jahrzehnten nur drei Anlageentscheidungen treffen miissen, um eine iiberdurchschnittliche Performance zu erreichen: Von 1970 bis 1980 h~itte er in Gold, Ol oder Rohstoffen, von 1980 bis 1990 in japanischen Aktien und von 1990 bis 2000 in amerikanischen Aktien investiert sein miissen. SchOn wgire es doch, wenn man solche langj~ihrigen Trends friihzeitig erkennen wiirde?
Ja, aber das ist sehr schwer. Allerdings lassen sich Indizien ~ r einen neuen Trend manchmal erkennen, besonders wenn es von Zeit zu Zeit zu groBen Ubertreibungen kommt. Man sieht das, indem man die Preise der einen Verm6genswerte relativ zu anderen VermBgenswerten misst. Der amerikanische Dow Jones-Index lag 1980 bei rund 1000 Punkten, Gold kostete im selben Jahr 850 Dollar je Unze. Damals konnte man anhand der Preisbewegungen sagen, dass Gold teuer war und Aktien sowie Renten billig. An einer solchen Wegmarke kommt es zu Verschiebungen. Es kommt zu einer Ver~nderung der Leadership, wie w i r e s auch im Jahr 2000 erlebt haben. Damals konnte man erkennen, dass nicht mehr die Technologieb6rse Nasdaq, sondern der O1- und Minenbereich die Leadership tibernehmen w~rden. Damals konnten wir ganz eindeutig sagen, dass Rohstoffe billig und Aktien teuer sind. Die Rohstoffpreise waren seit 1980 nominal und real sehr stark gefallen, w~hrend die Kurse von Aktien und Obligationen stiegen. Mit einem solchen Ansatz l~isst sich also ein neuer Investmenttrend identifizieren ?
Bei derartiger Preisdiskrepanz ist es sehr wahrscheinlich, dass sich etwas ~ndert. Es ist ein Signal, dass die Blase platzt. Es gibt kein Rezept daffir,
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Interview Marc Faber
wie man den genauen Zeitpunkt der Korrektur bestimmt, man kann aber sicher sein: Diese Divergenz wird irgendwann korrigiert. Das muss so sein, aber man braucht mitunter Geduld. Wie lange kann diese Geduld strapaziert werden?
Eine ganze Weile. Die Technologieb6rse Nasdaq war meiner Meinung nach schon 1998 tiberbewertet, aber dennoch legte der Index noch bis zum Jahr 2000 zu. Erst danach ging es bergab. Es gibt viele solcher Obertreibungen. Im Jahr 1989 machte der japanische Nikkei-Index die H~ilfte der weltweiten B6rsenkapitalisiemng aus. Japan war teurer als die USA, GroBbritannien und Deutschland zusammen. Danach kam die Baisse. Obertreibungen werden irgendwann immer korrigiert, nach oben genauso wie nach unten. Was lernt man daraus ?
Wenn die ganze Welt dasselbe macht, sprich in dieselben Aktien oder M~irkte investiert, dann ist das per Definition ein schlechtes Zeichen. Etwas hat sich in der Weltgeschichte schlieBlich nicht ver~indert, und das ist die Reichtumspyramide: Es gibt global gesehen immer noch wenige Reiche und viele Arme. Wenn alle Welt an eine Sache glaubt, und alle dort spekulieren, dann gibt es bald viele Arme. Wie erkennt man eine solche ungesunde Spekulationswelle?
Erste Symptome sind hohe Handelsvolumina an der B6rse. Aber auch wenn das Anlageobjekt jeden Tag in einer B~rsensendung im Fernsehen besprochen wird, wenn so genannte Experten behaupten, nun werde eine neue Wirtschafts~ira eingeleitet, wenn die Seminarangebote ftir Anleger Oberhand nehmen, dann kann man davon ausgehen, dass wir eine Spekulationsblase haben. Die Aktienblase ist im Jahr 2000 geplatzt. Es war ein langer Prozess. Hat sich danach eine andere Blase gebildet?
US-Immobilien werden jedes Jahr um zehn Prozent teurer, aber die Inflation und das Bruttoinlandsprodukt steigen nur um zwei Prozent. Die US-Btirger denken, wenn sie sich jetzt keine Immobilien kaufen, dann
Interview Marc Faber
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k6nnen sie es sich hie mehr leisten. Das treibt die Preise in ungesunde H6hen. Das Geld fliel3t mithin in unrentable Investitionen. Das hat in den USA zu einer starken Expansion der Verschuldung ge~hrt, die seit 2000 um 9700 Milliarden Dollar angestiegen ist, w/~hrend das Bruttoinlandsprodukt nur um 1800 Milliarden Dollar zugelegt hat. Die Schulden wachsen also schneller als das Wirtschaftswachstum. Der US-Konsum, Hauptantrieb der US-Wirtschaft, wird durch diese Immobilienblase angetrieben. Der Preisboom hat es erlaubt, die Immobilien zu refinanzieren und zu verbrauchen, w/~hrend die realen Einkommen ja kaum gestiegen sind. Diese Situation ist sehr fragil. Aber wie ist es mOglich, dass an den Finanzmiirkten solche Preisiibertreibungen entstehen, schliefllich gelten die Miirkte doch als effizient? Ein Finanzmarkt, der die Erspamisse nimmt und diese durch Aktien oder Obligationen an die Untemehmen weiterleitet, ist ideal. Aber wenn alle Welt nur noch spekuliert und beispielsweise ein Konzem wie General Motors kein Geld mehr mit Autos verdient, sondem nur noch mit Finanzprodukten, dann ist das sehr bedenklich und nicht gerade Ausdruck einer gesunden Untemehmung. KOnnen Sie das ndher erl6utern? Schaut man auf die Zusammensetzung der Gewinne der im USAktienindex Standard&Poor's gelisteten Untemehmen, dann sieht man: Bis 1980 entstammten noch rund 40 Prozent der Gewinne dieser Konzeme aus der Fabrikation von greifbaren GOtem wie Autos, KOhlschr/~nken oder Flugzeugen, aus dem Bereich eben, den man auch als Realwirtschaft bezeichnen kann. Heutzutage machen die Gewinne aus der Realwirtschaft im Standard&Poor's nur noch etwa 10 Prozent aus, w/~hrend die Gewinne aus dem Finanzsektor 50 Prozent beisteuem. Das sind inflation/~re Gewinne durch VermOgensgtiterinflation. Ober die Realwirtschaft, wo Gtiter produziert und Dienstleistungen erbracht werden, hat sich eine gewaltige Finanzindustrie gest01pt, in der alle Akteure spekulieren. Das ist die eigentliche Blase. Wir, der Sektor in dem ich arbeite, sind die Blase.
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Und diese Blase entsteht durch einen Angebotsiiberhang von Geld? Ja, auch. Die Funktion des Geldes ist die Wertkonservierung. 10.000 Euro auf der Bank sollten in zehn Jahren die gleiche Kaufkraft haben, plus Realzins von 1,5 bis 2 Prozent. Aber wenn die Zinsen so unglaublich kfinstlich tief gedrfickt werden durch die Zentralbanken, wie es lange geschehen ist, dann gibt es eine Inflationsgefahr: Papiergeld ist in den letzten Jahren zunehmend entwertet worden, einfach dadurch dass die Geldmenge schneller gewachsen ist als die Wirtschaft, als das Bruttoinlandsprodukt. Zwar kosten Grater wie Faxmaschinen oder Handys immer weniger, doch Immobilien und Aktien sind enorm gestiegen in den letzten 20 Jahren, was immer mehr Akteure auf diesen Investitionspfad ffihrte. Und das ist das Ergebnis angeblich effizienter M~irkte? Ein Markt ist ein Markt. Es kann immer zu 1/~ngeren lJbertreibungsphasen kommen. Doch fest steht: Die heutige Weltwirtschaftslage kann langfristig nicht anhalten. Etwas wird passieren. Das Finanzsystem, insbesondere aufgrund der Derivativprodukte, der hohen Verschuldung und der relativ niedrigen Volatilit~it, ist sehr angreifbar geworden. Da muss kein groBer Sturm kommen, um das Ungleichgewicht zu einem groBen Problem zu machen. Sie sprechen von Inflationsgefahr, doch die entsprechenden Indizes in den USA weisen kaum Preissteigerungen aus ? Der amerikanische CPI-Index basiert auf besonderen Messmethoden. Zum einen wird hedonisch justiert, das heil3t, nominale PreiserhOhungen beispielsweise f~r ein TV-Ger~it werden nach unten korrigiert, weil man davon ausgeht, dass ein Teil der hOheren Preise Ausdruck hOherer Qualit/~t ist. Zum anderen macht etwa das Gesundheitswesen in den USA rund 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, doch wird dieser Sektor bei der Inflationsmessung im CPI nur zu sechs Prozent berficksichtigt. Die Inflationsraten in den USA, die enormen Einfluss auf die Weltb6rsen haben, sind also eigentlich h6her als es ausgewiesen wird.
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Dennoch, Elektronikger~ite und vieles andere werden immer billiger.
Das stimmt, und deshalb sehen die meisten Anleger die Inflation auch nicht. Die Erh6hung der Geldmenge kann zu verschiedenen Symptomen ffihren: In den sechziger Jahren schlug sich die wachsende Geldmenge auf die L6hne nieder, in den siebziger Jahren stiegen die Rohstoffpreise. Seit 25 Jahren sehen wir durch die Geldmengenausweitung steigende Verm6genswerte ffir Aktien und Obligationen- auch das ist Inflation. Und was sagen Sie den Experten, die vor einer Deflation in den USA warnen, was die BSrsen nachhaltig negativ beeinflussen wiirde?
Natfirlich kann es eines Tages zu einer Deflation kommen, dann n/~mlich, wenn der Schuldenberg in den USA zusammenbricht, weil sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt. Zun/~chst wird die US-Zentralbank aber in einer solchen Situation Geld drucken, und wenn n6tig mit dem Helikopter fiber dem Land abwerfen, was zun/~chst zu einer Hyperinflation ffihren k6nnte. Wie mutiert eine solche Entwicklung in die Deflation?
Durch die Inflation des Schuldenbergs. Im Jahr 1980 machten die USSchulden 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, jetzt liegt dieser Wert bei tiber 300 Prozent. Irgendwann wird der Berg gr61]er, aber das Gelddrucken verliert an Wirkung und wird nicht mehr zum Wachstum beitragen, weil die Produktion und Investition in China und Asien stattfindet. Und dann platzt der Geldhaufen. Und es folgt die Deflation. Halten wir fest, unsere globale Wirtschafi ist mit GeM iiberschwemmt, was zu einer Inflation bei VermOgensgiitern gej~hrt h a t - vieles an den BOrsen ist ihrer Meinung nach teuer?
Vieles ja, aber nicht unbedingt alles. Dadurch, dass viel Geld in die Ubertreibungen bewegt wird, ist logischerweise anderes unterbewertet. Wenn man im Jahr 1999 eine Kaufempfehlung ffir O1 gegeben h/~tte, dann w/~re der Kommentar damals gewesen: O1 f'fillt ja nur. Damals war die Aufmerksamkeit nur auf Neuen Markt konzentriert. Der war t~berbewertet bei gleichzeitigen Unterbewertungen der Untemehmen aus der Old Economy.
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Also gibt es auch heute Bereiche, w o e s vergleichsweise billig ist, wo es sich mittelfristig lohnen kann zu investieren?
Agrarrohstoffe wie Weizen, Mais und Soja sind relativ billig. Das Risiko, dass die Preise sinken, sch~tze ich auf 20 Prozent. Die zunehmende Anzahl von DOrren in Asien k~nnte zu groBen Preisausschl~gen nach oben ~hren. Es ist gut m/~glich, dass die Nahrungsmittelpreise binnen drei Jahre sehr stark ansteigen. Zudem ist Gold im Vergleich zu amerikanischen Aktien billig. Falls aufgrund des massiven Gelddruckens durch die US-Zentralbank der Dow Jones auf 36.000 Punkte steigen sollte, so dt~rfte auch der Preis f~r die Unze Gold auf Minimum 3.600 Dollar steigen. Das ist ihre Prognose, wenn Sie Recht haben, dann werden die GuruRufe wieder lauter.
Wie gesagt, niemand kann die Zukunft vorhersehen. Nehmen Sie Asien. Klar gibt es hier Chancen, aber es gibt hier auch geopolitische Risiken. Es kann zu Kriegen kommen, was die M~rkte durchschfitteln wfirde. Oder ein Risiko wie die Vogelgrippe Sars. Als das Virus erstmals die Runde machte, da ist der Tourismus in Asien v~llig zusammengebrochen. In den Luxushotels von Hongkong war urpl6tzlich kaum noch ein Bett besetzt. Man sieht hier sehr deutlich, von wie vielen Variablen steigende Aktienkurse abh~ngen. Man hat das Gef~hl, dass sich immer mehr Menschen auf das Spiel mit den Aktien einlassen wollen. Die Umsgitze steigen und steigen. Kann das so weitergehen? Welche Rolle spielt die BOrse in der Zukunfi?
In den siebziger Jahren betrug das t~gliche Aktienvolumen an dem New York Stock Exchange rund 12 Millionen, und dies an einem guten Tag. Heute werden t~glich etwa 1.2 Milliarden Aktien an der New Yorker B6rse gehandelt und oft ein noch gr6Beres Volumen an der Technologieb6rse Nasdaq. Dieses exponentiale Wachstum kann langfristig nicht so weitergehen. Der gesamte Finanzsektor wird eines Tages gewaltig schrumpfen. Die derzeitige Finanzblase ist ja nicht nur an den Aktienb~rsen messbar, sondern auch bei Bonds, Derivaten und strukturierten Produkten. Das Devisenmarktvolumen ist mit t~glich weit fiber 1000 Milliarden Dollar wesentlich gr6Ber als das eigentliche Handelsvolumen
Interview Marc Faber
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der Giiter. Die Verdienstm6glichkeiten eines Hedgefonds-Managers sind enorm -je mehr der Geldspiegel steigt, desto mehr Kunden hat man als Geldverwalter. Ich habe davon auch profitiert. Doch all das ist ungesund. Sind Sie ein Spekulant?
Ich bin grunds~itzlich gegen die Spekulation. Wenn es iJberall in der Welt solche Spekulationswellen gibt, dann ist das kein Zeichen kiinftiger Prosperit~it, sondern ein Indiz ftir vergangene Prosperit~it. Es ist eine Phase, in der Geld gedruckt wird, um diesen geschaffenen Reichtum und Wohlstand zu erhalten. Was ist zu tun? Soil die Politik einschreiten durch neue Regelungen?
Ich bin fiir freie M~irkte, eine Regierung sollte nicht einschreiten, auch nicht, wenn es schlecht l~iuft. Insbesondere sollte eine Regierung nicht mit Gelddrucken und einer expansiven Geldpolitik mit kiinstlich tiefen Zinss~itzen, wie es in den USA in den letzten Jahren der Fall war, die Wirtschaft zu sttitzen suchen. Das Schlimme ist jedoch, dass die Politik dann einschreitet, wenn gro6e Fische betroffen sind. Es war nicht gut, dass der Hedgefonds LTCM im Jahr 1998 gerettet wurde. Nun nehmen die M~irkte an, es gebe kein Risiko, und deshalb geht man immer h6here Risiken ein. Es ist das klassische ,,Moral Hazard"-Problem. Die Akteure gehen davon aus, dass die Politik ganz gro6e Pleiten finanziell dann auffiingt, wenn das Finanzsystem gef~ihrdet ist. Und das erh6ht nattirlich den Spekulationsdrang.
Interview Anko Beldsnijder
Anko Beldsnijder ist Manager des MainFirst
avant-garde Stock Fund in Frankfurt. Vorher arbeitete er bei Griffin Capital Management, ABN Amro und Credit Suisse. Seit Beginn seiner T~itigkeit als VermSgensverwalter 1995 schnitt Beldsnijder mit seinen Fonds in jedem Jahr besser ab als der Vergleichsindex. Er wurde mehrfach ausgezeichnet. Beldsnijder z0gelt seine BSrsenemotionen durch eine klar definierte Anlagestrategie. Im Interview beschreibt Beldsnijder den Schmerz der verpassten Chancen und die Vorz0ge des eigenen Wegs. ,,Man muss pragmatisch sein. Starrsinn bringt an der BSrse gar nichts."
FRAGE: Herr Beldsno'der, was geht in ihnen vor, wenn eine Aktie, die Sie gekaufi haben, an Wert verliert?
BELDSNIJDER: Das ist der empfindlichste Punkt in der Arbeit eines Fondsmanagers. Fallende Kurse nerven sehr. Und zwar sowohl die Tatsache, dass man eine schlechte Aktie im Portfolio hat. Aber auch genauso, dass eine Aktie steigt, die man nicht gekauft hat. Man kann als Geldverwalter viele Ideen haben, aber in diesem Metier ist es immer ein riesiger Unterschied zwischen Recht haben und Recht bekommen. Im Unterschied zur Politik oder Literatur sieht man an der B6rse sofort, ob man Recht bekommt. Ob man Recht hat, das eine ganz andere Frage. Wie lange warten Sie, bis Sie Recht bekommen?
Ich bin nicht sehr geduldig und ziehe schnell die ReiBleine, wenn eine Aktie nicht lfiuft. Als Portfoliomanager versuche ich zu vermeiden, irgendeine emotionale Verbindung zu einzelnen Aktien aufzubauen. Das
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Interview Anko Beldsnijder
zu verhindern, ist mitunter sehr schwer. Aber Aktien sind neutrale Elemente, und wenn es nach unten geht, darf man sich nicht pers6nlich beleidigt ffihlen. Dann heil]t es nur noch: Raus aus der Aktie. Deshalb stelle ich mir jeden Tag aufs Neue die Frage, ob ich die Aktie heute auch noch zu dem aktuellen Preis kaufen w~rde. SchlieBlich wird das Papier ja bei steigenden Kursen teurer. Wenn ich diese Frage verneine, weil es beispielsweise schlechte Nachrichten von dem Konzem gab, dann verkaufe ich. Dabei spielen dann bestehende Gewinne oder Verluste auf der Position keine Rolle. Eine konsequente Grundhaltung &t also wichtig an der BOrse? Ja, und das gilt auch, wenn man eine Aktie nach intensiver Priifung nicht gekauft hat, und das Papier dann wider Erwarten zu einem Outperformer wird. Das ist mir zum Beispiel mit dem niederl/~ndischen Untemehmen Stork passiert. Die Aktie notierte bei 19 Euro, ich habe das Management getroffen und war nicht Oberzeugt. Sechs Monate sp/~ter aber stand die Aktie bei 40 Euro. Ich habe den Preis ~ r meine Oberzeugung und meine vielleicht zu konsequente Haltung bezahlt. Das rut ganz schOn weh. Klar, vor allem, wenn man nicht weir3, warum es schief lief. Wenn man die Grfinde kennt, dann kann man wenigstens etwas daraus lernen. Das kann ich dann besser akzeptieren. Wen beschuldigen Sie denn, wenn sie eine Kaufgelegenheit wie Stork verpasst haben? Sich selbst oder die BOrse? Am Ende trage natfirlich immer ich die Verantwortung daf~r, ich bin also schuld - wenn das fiberhaupt eine Kategorie von Schuld ist. Ich kaufe und verkaufe die Aktien, daher muss ich reich also immer fragen, was ich im konkreten Fall nicht verstanden habe. Bei Stork war es etwa so, dass das Unternehmen selbst nicht mit dem riesigen Gesch/~ftserfolg gerechnet hatte. Und diese skeptische Grundhaltung hatte das Management mir gegen~ber ebenfalls kommuniziert. Die Vorst/~nde waren daher selbst fiberrascht vonder Dynamik der eigenen Restrukturiemng.
Interview Anko Beldsnijder
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Das hOrt man immer w i e d e r - die Akteure sind iiberrascht, weil Kurse steigen oder fallen - folgen BOrsenkurse keiner Logik? Langfristig ja, mittelfristig meistens, kurzfristig nicht unbedingt. Der Fotokonzern Leica Camera AG zum Beispiel, der war am Ende so billig, dass man dachte, die Aktie kann jetzt ohne Risiko gekauft werden. Doch dann wurde deutlich, dass der Konzern den Strukturwandel hin zur digitalen Fotografie verpasst hatte. Der Kursverlust war also v611ig gerechtfertigt. Die Aktie und das Unternehmen waren fast nichts mehr wert. B6rsenkurse folgen also einer Logik, ja, aber es kann eine Weile dauern, bis sich diese Logik offenbart. Da braucht es auch psychologische Disziplin. An der B6rse darf man deshalb nie arrogant sein. Vielleicht iiberoder untersch~itzt man die Marktdynamik, oder vielleicht stuff man ein Entwicklung einfach v611ig falsch ein. Leider kann es auch noch sein, dass ein Unternehmenschef im pers6nlichen Gespr~ich auch etwas tibertrieben oder gar gelogen hat. Sie wurden regelrecht angelogen? Leider ist mir das am Neuen Markt mehrmals passiert. In manchen F~.llen habe ich dies auch intuitiv gespfirt und die Finger von den entsprechenden Papieren gelassen. Teilweise sind diese Aktien dann trotzdem nach oben explodiert, zumindest eine Zeit lang. Manche Aktien sind sogar mehrere tausend Prozent gestiegen, und ich habe alles verpasst. Das hat mich furchtbar aufgeregt. Dennoch habe ich mich aber gefragt, wie ich in etwas investieren kann, bei dem ich nicht weir3, was es wert ist, und wo ich dem Management nicht vertraue. Auch wenn dann ab 2000 die Blase geplatzt ist, und die Aktien ins Bodenlose stfirzten, ich also im Nachhinein Recht bekommen habe mit meiner Einsch~.tzung, fragt man sich doch, was dieses ,,Rechthaben" wert ist, wenn man 10.000 Prozent Kursplus einfach liegen gelassen hat. Gute Frage, was haben Sie daraus gelernt? Schlicht nur das: Man muss pragmatisch sein. Starrsinn bringt an der B6rse gar nichts. Wenn mich das Management nicht tiberzeugt, gut, aber das bedeutet ja nicht, dass diese Leute nicht trotzdem etwas bewegen k6nnen, auch wenn es nur kurzfristig ist. Um aber Entscheidungen nicht zu ungezielt und zuffillig zu treffen, gehe ich bei der Aktienauswahl sehr
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fokussiert vor. Um in der Riesendatenmenge an Informationen, die Investoren zur Verftigung stehen, nicht ganz den Oberblick zu verlieren wende ich ein Denkraster mit fiinf Qualit~itskriterien an, womit ich so genannte Quality-Growth Untemehmen selektiere und verfolge. Sie gehen mithin streng methodisch vor, wie funktioniert das genau?
Ich versuche den l~lberfluss an Information zu kanalisieren. Klare Kriterien disziplinieren da ganz gut. Wichtige Informationsquelle sind da Gespr/iche mit den Untemehmensvorst/inden, die so genannten One-onones. Zusammen mit meiner Kollegin hatten wir w/~hrend der letzten zw61f Monate etwa 400 solcher Gespr/~che. Dabei ist ein klares Qualit/~ts-Analyseraster sehr hilfreich. Doch wenn eine Aktie, die durch das Raster fiel, trotzdem steigt, dann muss ich das vielleicht doch noch einmal anschauen. Wom6glich habe ich ja etwas tibersehen. Das ist das permanente Spiel, das ich als Herausforderung in diesem Job begreife. Ein verwirrendes Spiel ist das aber auch. Denn offenbar kann ein schlechtes Unternehmen ein lukratives Aktieninvestment sein. Ein gutes Unternehmen hingegen muss noch lange keine gute Aktie sein.
Das stimmt, doch das macht gerade auch den Reiz an der B6rse aus, die ein Barometer der Wirtschaft und Gesellschaft ist. Politische, wirtschaftlithe und gesellschaftliche Trends k6nnen dort quasi-objektiv abgelesen werden. Und diese Trends ver/indem sich st/indig. Der Dax ist da wie ein Thermometer fiir Deutschland. Die M/irkte sind ein lebendiges Biotop von Meinungen und Strategien, was aber auch zu unerkl/~rlichen Preisverwerfungen fiihren kann. Das erlebten wir ja 2005 auch wieder. Die Qualit/itsuntemehmen sind extrem gtinstig. Keiner will sie haben. Aber solche Untemehmen, die sich billig an den Bondm/irkten refinanziert haben, und Untemehmen, die Probleme haben und deshalb restrukturieren, deren Aktienkurse sind deutlich gestiegen. Das zeigt, wie weniger gut positionierte Untemehmen kurzfristig trotzdem gute Aktien sein k6nnen.
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Das klingt wie ein seltsames Anlegerverhalten. KOnnen Sie ein plakatives Beispiel geben? Nehmen wir die Konzerne Fiat und Porsche. Ersterer k~mpfte lange urns Oberleben, letzterer macht stetige, solide Gewinne. Wenn man sich also die Fundamentaldaten und die Finanzstruktur beider Konzerne anschaut, dann gibt es wirklich keinen Zweifel, welches von beiden das besser positionierte Unternehmen ist. Der Blick auf die Aktienkursentwicklung zeigt aber, dass es auch Phasen gibt, in dem man mit Fiat-Aktien besser verdient hat.
Ist das nicht bemerkenswert? Denn schliefllich haben ja alle Investoren dieselben Zahlen als Entscheidungsgrundlage. Das ist zum Teil massenpsychologisch zu erkl~ren. Die B6rse ist eine Reflexion von Stimmungen. Und Stimmungslagen k~nnen zu Obertreibungen, zu Massenpsychosen f~hren. Das zeigte die Blase im Jahr 2000 genauso wie die Tulpenmanie im 17. Jahrhundert. Im Jahr 2000 haben alle Anleger nach Internetunternehmen gesucht, die Old Economy war bei der Masse der Investoren uninteressant. Jetzt schauen alle auf Dividenden, Turnaround und Restrukturierungskandidaten. Das bedeutet, dass eine bestimmte Aktie wie BMW viele Anleger nicht interessiert. Dort gibt es eben keine Restrukturierungsgeschichte, ganz anders als bei Fiat.
Was fasziniert Sie an der BOrse? Jeden Tag aufs Neue interessante Aktien zu finden kann doch ganz schOn aufreibend sein? Es ist eine intellektuelle Auseinandersetzung. Man versucht seine Ideen zu testen und durch Aktienk~ufe umzusetzen. Man kann sich durch den Performancevergleich mit anderen messen. Es ist ein st~ndiges Wettrennen, bei dem es gilt, immer ein bisschen voraus zu sein. Und das schafft der Fondsmanager am besten, wenn er immer ein bisschen anders denkt als die Masse.
Das heiflt konkret? Wenn alle Experten vor einer Aktie warnen, dann ist die Chance groB, dass diese Warnungen bereits in den aktuellen Kurs eingepreist sind.
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Wenn meine Analyse dann noch zeigt, dass die Aktie tats/~chlich Potenzial hat, dann kaufe ich sie, obwohl die Masse eine andere Meinung hat. Aber immer dienen hier auch wieder die ffinf Qualit/~tskriterien als Anleitung und Richtlinie, um meine Gedanken und Ideen zu disziplinieren. Kann man als Profi die Frage beantworten, welchen Kurs eine Aktie in der Zukunft haben wird? Daran glaube ich nicht. Analysten arbeiten h/~ufig mit Kurszielen, das ist zwar nett, aber es funktioniert nur, wenn die M/~rkte einigermaBen stabil sind. Wenn die Kurse volatil sind, dann rennen die Analysten und wir Portfoliomanager bei unseren Prognosen immer dem Markt hinterher. Sowohl nach oben, als auch nach unten. Wer ist Ihr Vorbild als Investor? Niemand, und das ist nicht arrogant gemeint. Meine Strategie hat sich entwickelt aus einer Kombination von Praxiserfahrung und Theorie. Ich hatte da keine Vision, so als ob ich eines Morgens aufgewacht w/~re und dachte: Das ist es. Ich lese auch fast nie die klassischen Investmentb~cher der vielen Gurus. Ich arbeite den ganzen Tag mit der Thematik, und wenn man zuviel bei den anderen schaut, dann t~bemimmt man auch zu viel von deren Methodik, Urteilen und Vorurteilen. Vielleicht w/~re ich dann schon 1/~ngst kein wachstumsorientierter Investor mehr, sondern w/~re ins Value-Fach gewechselt. Ich schaue mir auch keine anderen Portfolios an. Eine eigene, klare Strategie ist sehr wichtig. Sie macht die ganze Investmententscheidung fi~r mich und den Anleger greifbar. Beschreiben Sie Ihre Strategie einmal exemplarisch, wie w6hlen Sie die Aktien J~r ihr Portfolio aus ? Die Basis sind die drei Elemente Qualit/~t, Bewertung und Momentum, wobei die endgt~ltige Anlageentscheidung eindeutig, mit sagen wir einmal 70 Prozent, vonder Qualit/~t eines Unternehmens abh/ingt. Um die Qualit/~t zu taxieren, p~fe ich erstens wie die Aktion/~rsfreundlichkeit eines Unternehmens ist, sprich ob man mit der Aktie Geld verdienen kann. Zweitens: Hat das Unternehmen eine dominante Marktposition, wodurch es seine Margen gegent~ber der Konkurrenz verteidigen kann.
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Daraus folgt das dritte Kriterium: Kann es tiberdurchschnittliche Wachstumsraten von Cashflow und Gewinn im Vergleich zur Branche vorweisen? Die Qualit~it des Managements ist Kriterium Nummer vier und als letztes schaue ich auf den strategischen Einsatz von Informationstechnologie bei dem Unternehmen. Diese fanf Kriterien fahren zu einer Art Qualit~itsuniversum von etwa 250 westeurop~iischen Unternehmen, die far mich potenzielle Investments sind. Und was spielt neben der Qualitdt des Unternehmens noch eine Rolle?
Dazu kommen noch 20 Prozent Bewertungsfragen, man schaut sich also die entsprechenden Kennzahlen meistens relativ zur Konkurrenz an oder entwickelt eine eigene Bewertungshistorie. Ich halte dabei nicht so viel von den Discounted-Cashflows, sondern schaue lieber altmodisch auf das Kurs-Gewinn-Verh~iltnis und die Price Earning to Growth-Ratio. Zum Schluss, als letztes Element, sagen wir mal far 10 Prozent der Gesamtentscheidung, betrachte ich das Momentum einer Aktie. Das miissen Sie erkldren. Momentum hat mit der Qualitdt der Aktie nicht viel zu tun?
Nein, an sich nicht, aber ich schaue ja nur das Momentum der ausgew~ihlten Qualit~itstitel an. Bei dem Momentum geht es darum, ob ein Aktienkurs eine bestimmte Tendenz hat. Ein Kollege aus meinen Anfangsjahren bei einer Schweizer Bank hat mich da nachhaltig beeinflusst. Er kam ursprtinglich aus Tibet, er war Buddhist, und hat mir einen gesunden Pragmatismus beigebracht. Und der lautet wie ?
Ein Unternehmen kann sehr gut sein und die Aktie sehr billig, aber wenn das Preismomentum sehr negativist, dann sollte man mit dem Zukauf warten. Man darf nie die Illusion haben, es immer besser zu wissen als der Gesamtmarkt. Man muss da die psychologischen Elemente wichtiger nehmen als die rationalen.
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Wie meinen Sie das ?
Der Kollege aus Tibet hatte ein Ge~hl ~ r den Markt, er roch das Momentum in einer Aktie nahezu, er ahnte, wohin sich der Kurs kurzfristig entwickelt. Ich war da immer sehr erstaunt. Diese viel beschworene Rationalit/~t bei der Anlageentscheidung schien es bei ihm nicht zu geben. Dieses Thema hat mich auch im meiner Diplomarbeit besch/fftigt. Sogar die Chaostheorie und das kollektive Unterbewusstsein k6nnen bei der Preisbildung an der B6rse eine genauso wichtige Rolle spielen wie die Rationalit/it der Investoren. Die M/irkte sind oft von Stimmungen getrieben. Und mein damaliger Kollege konnte sich gut in diese Stimmungen einleben. Das klingt esoterisch, aber es war so. Im Vergleich zu ihm empfand ich mich eindeutig als zu analytisch. Doch ein guter Analyst ist noch kein guter Portfoliomanager. Man kann eine gute Aktienanalyse schreiben, doch ob man auf Basis dieser Fakten auch Geld verdient, das ist eine ganz andere Geschichte und h/~ngt auch mit diesen weichen psychologischen Faktoren zusammen. Was treibt die Kurse an der BOrse dann hauptsgichlich? Ist es die Qualitat eines Unternehmens oder sind es Emotionen, das eben erw6hnte Momentum ?
Mittel- und L/ingerfristig bestimmt meiner Meinung nach eindeutig die Qualit/at des Unternehmens das Kurspotenzial. Kurzfristig aber sicher auch die Emotionen. Im Jahr 2000 war mir bei der Technologie-Blase an der B6rse auch klar, dass etwas nicht stimmen kann. Klar war aber auch, dass das Momentum, der Schwung der K/iufermasse, sehr stark war. Deshalb konnte man sagen: Fundamental, also v o n d e r Qualit/it her, stimmt hier zwar einiges nicht, aber von dieser Wahrheit wurde man sicher nicht reicher. Das hiel3 zwar nicht, dass man seine Investmentgrunds/itze verletzen sollte, denn dieser Bumerang kommt zurtick. Man kann in solchen Situationen aber vorsichtig und diszipliniert mitmachen, mit Risikobewusstsein und dem Fokus auf Qualit/it. Was ist ihrer Meinung nach die gr6flte Tugend an der B6rse ?
Ich halte es da mit Goethe, der sagte, dass sich erst in der Beschr/inkung der Meister zeige. Auch wenn man ein sehr gutes Gefiihl ffir eine Aktie hat, dann darf man nicht gleich zehn Prozent der Anlagegelder darin
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investieren. Von den 100 Aktienk~ufen, die ein Fondsmanager durchffihrt, sollte er mit 51 Entscheidungen richtig liegen. Das ist entscheidend. Genauso entscheidend ist es aber ebenso, dass die 49 anderen ,,falschen" Entscheidungen nicht so falsch sein dfirfen, als dass sie die 51 richtigen Entscheidungen im Portfolio kaputt machen k6nnten. Ein gro13er Verlust bei einer Aktie, in die ich sehr vielder Gelder investiert habe, kann die Gewinne der vielen anderen Papiere vernichten. Man verliert dann soviel, dass man es im Gesamtportfolio nicht mehr einholen kann. Es geht daher immer um die Stetigkeit der Rendite. Das gilt umso mehr ffir mich als Portfoliomanager, da ich das Kapital von anderen zu verantworten habe.
Es geht Ihnen also darum, kleine Wetten einzugehen und in 51 Prozent der F~ille richtig zu liegen. Klingt wie ein dauerhafi knappes Match. Was sagt das iiber die BOrse aus ? Es sagt zun~chst einmal aus, dass die B6rsen doch sehr effizient sind, und zwar vor allem in Westeuropa und den USA. Bei den Blue-Chips, also den grol3en Standardaktien, sind zu viele Profis am Markt. Da kann man einfach nicht erwarten, dauerhaft intelligenter zu sein als die anderen. Man sollte aber anstreben, besser zu sein als der Durchschnitt. Und der Durchschnitt ist der Vergleichsindex. Mein Ziel ist es also, dass ich auf jeden Fall nach Transaktions- und Verwaltungskosten den Durchschnitt erreiche. Das haben meine Investoren verdient.
Der Index ist also heiligfiir den Fondsmanager? Ich bin kein Indexanleger, aber man wird dennoch an ihm gemessen. Ein Beispiel: Im Dax-Index macht die Deutsche Telekom rund zehn Prozent an Gewicht aus. Wenn ich die Deutsche Telekom Mitte der neunziger Jahre ffir ein schlechtes Unternehmen gehalten und die Aktie nicht gekauft h~tte, dann h~tte ich das ganze Kursplus von 30 auf 100 Euro verpasst. Eine solche Fehlentscheidung macht kein Fonds wieder wett. Der Gewinnausfall kann kaum kompensiert werden, es sei denn, es gibt einige supergeniale Kfiufe, was aber angesichts der oben beschriebenen Markteffizienz unwahrscheinlich ist. Um eine solche Situation zu vermeiden, nehme ich die Telekom mit einem gr613eren Gewicht meiner Anlagegelder ins Depot. Man versucht also, besser zu sein als der Index,
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weil es auch implizit bedeutet, dass man besser ist als die Mehrheit der Konkurrenzfonds. Nur wenige schlagen den Index. Deswegen stimuliert der Index einen gesunden Pragmatismus. Moment, Sie generieren also Nachfrage nach einer Aktie, wie in ihrem Beispiel nach der T-Aktie, obwohl Sie das Papier eigentlich nicht fiir kaufwiirdig halten ? Ja, das k6nnte so sein, besonders wenn es sich um einen EinzelL/~nderfonds handelt. Bei einem Europa-Fonds ist der Druck so nicht gegeben. Was hat sich an den BOrsen in den vergangenen zehn Jahren am meisten verdndert? Die Informationsdichte hat zugenommen, was die M/~rkte eigentlich effizienter machen sollte. Doch das Gegenteil ist der Fall. Durch das Intemet ist es viel einfacher, neue und alte Informationen abzurufen. Dadurch wird Hektik transportiert. Man muss deshalb aufpassen, dass man von den Informationen nicht tiberw/iltigt und panisch wird. Frtiher wartete man auf die Zeitung des n/~chsten Tages. Wie beeinflusst das aggressive Aufireten der Hedgefonds die traditionellen Investmentfonds. Gibt es mehr Performance-Druck? In der Tat ist der Handel volatiler geworden, die M/~rkte reagieren schneller auf Informationen. Und wenn Hedgefonds eine Aktie shorten, sprich auf sinkende Kurse wetten, und den entsprechenden Verkaufsdruck erzeugen, dann ist das fiir einen fundamentalen Investor wie mich nattirlich unbefriedigend. Es hat doch Ziige von Kasino-Treiben, wenn man sein Geld an der BOrse verdient. Wo liegt der Unterschied zu Roulette? Es hat Kasinoelemente, allerdings nicht in einem Portfolio mit Qualit/itsStandardwerten. Mit Aktien von Roche oder BMW kann man ,,unterperformen", man wird aber niemals extreme Risiken eingehen. Es steckt Substanz dahinter. Durch die klare Fokussierung auf Qualit/itsuntemehmen mit dominanten Positionen in deren Branchen, versuche ich das
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Rouletteelement beim Investieren auszuschalten. Ins Kasino gehen und spekulieren sollte man nach der Arbeit machen und das nicht verwechseln. Aber ich gehe sowieso lieber ins Konzert oder Theater und versuche dabei jegliche direkte Verbindung mit der Finanzwelt zu vermeiden.
Interview Vernon Smith
Vernon Smith ist Professor for Wirtschaftswissenschaft und Jura an der George Mason University in Virginia. Im Jahr 2002 erhielt er den Wirtschafts-Nobelpreis for seine Okonomische Verhaltensforschung. Smith holte die M~irkte ins Labor. Er simuliert in Experimenten, wie sich Menschen in bestimmten 0konomischen Entscheidungssituationen verhalten. Die Akteure sind demnach impulsgetrieben und treiben Aktienkurse in extreme HOhen und Tiefen. Smith macht im folgenden Interview deutlich, warum das auch immer so bleiben wird. Er sagt: ,,BOrsen sind schlimmer als Poker, doch es gibt zur Marktwirtschaft keine Alternative".
FRAGE: Herr Smith, Sie waren in ihrer Jugend in den USA ein iiberzeugter Sozialist? Das war ziemlich mutig zu Zeiten des Kalten Krieges. Wie kam es dann doch zu dem Gesinnungswandel?
SMITH: Die Experimente zeigten mir, dass ich Unrecht hatte mit meiner fr~heren Ansicht. Ich war fiberrascht, wie effizient G0ter- und Rohstoffm/~rkte sind. Hier funktioniert das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Der Wert eines Gutes auf diesen M/~rkten wird weniger davon bestimmt, was andere Menschen denken, dass es wert sein sollte, sondem ausschlieBlich von der physischen Nachfrage. Das gilt fiir Autos, Kiihlschr~inke, H~iuser und Roh6l, aber an den B6rsen, wo es um Finanzpapiere geht, l~iufi es weniger rund. Es kommt immer wieder zu Obertreibungen und Verwerfungen.
Natfirlich bilden die Finanzm/~rkte Preisblasen, aber niemand kennt ein System, mit dem wir es besser machen k6nnen. Es gibt keine Altemative
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zur Marktwirtschafl. Wir haben in Europa und der Sowjetunion erlebt, was passiert, wenn eine Regiemng die Wirtschafl plant und steuert. Da wird Kapital sehr ineffizient verteilt, und deshalb kam es zum Zusammenbruch. Obwohl M~irkte nicht perfekt sind, kann man sie kaum abschaffen. Sie sind die beste Alternative. Der Markt hat eine wichtige Funktion, und die ist es, Kapital zu geben. Die Investoren sind in diesem Prozess bereit, auf den Erfolg ihrer Unternehmung zu wetten, ihr Geld zu investieren. Es gibt alle Arten langfristiger Anlagen, doch nur wenige Ideen werden tiberleben. Das System mag zerst6rerische Ztige haben, doch es ist die einzige M6glichkeit. Gut, es fehlen die Alternativen zum Marktsystem, dennoch steht die Frage im Raum, warum Giiterm~'rkte wesentlich effizienter funktionieren als Finanzmgirkte ? An den Finanzm/~rkten fehlt die vollst/~ndige Information t~ber Angebot und Nachfrage. Die ist auch schwer zu beschaffen, weil Aktienpreise viel st/~rker von kfinftigen Renditeerwartungen getrieben sind, als es bei einer klassischen Gfitemachfrage der Fall ist. Dadurch kommt es zu irrationalen Ergebnissen. Zwar erreichen auch Aktienm/~rkte ein Equilibrium, doch das dauert seine Zeit, und es ist nicht best/~ndig. Man muss die M/~rkte immer wieder in den Gleichgewichtszustand zurfickdrehen. Wir sind Sie zu diesen Ergebnissen gekommen ? Wir haben 6konomische Theorien getestet. Man ging fisher davon aus, dass sich die Menschen rational verhalten und umfassend informieren, bevor sie eine Entscheidung treffen. Doch in der Realit/~t sieht man, dass Leute, die t~berhaupt nicht verstehen, wie die M/~rkte funktionieren, sich trotzdem engagieren und Aktien kaufen. Die experimentelle Okonomie hilft, den M/~rkten ein menschliches Antlitz zu geben. Kann sich der Mensch iiberhaupt perfekt informieren? W/~re der Markt eine Zweierbeziehung, dann vielleicht. Bei zwei Menschen sind die Vorteile des Handelns klar: Ich mache etwas ~ r dich und du etwas ~ r mich. Auf dem Gesamtmarkt ist die Sache nicht so klar. Wenn der Olpreis steigt, dann habe ich weniger Geld in der Tasche, und
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die C)lfirmen haben mehr. Die Interpretation dieser Marktinformation ist schon bedeutend schwieriger. Was heiflt das f~r das allta'gliche Wirtschaften? Die Kosten-NutzenRechnung ist nicht die einzige Triebfeder? Menschliches Handeln ist nicht nur durch 6konomische Rahmenbedingungen beeinflusst, sondern vor allem auch durch ihre Vorlieben, und den psychologischen Rahmen. Anreize sind wichtig, aber Anreize sind ffir menschliches Handeln oftmals mehr als simple Geldgewinne. Diese Anreize ffihren mitunter zu Entscheidungen, die man anhand der 6konomischen Theorie nicht erwarten w~rde. Es ist daher wichtig, dass wir akzeptieren, dass menschliche Aktivit~t diffuse Grfinde hat, die dominiert ist vom Unbewussten. Wir k~nnen nicht immer eine grundlegende Kosten-Nutzen-Rechnung machen, bevor wir eine Entscheidung treffen. Das geht zeitlich schon gar nicht. Also kaufen Anleger aus einem unterbewussten Impuls heraus Aktien, obwohl sie wissen, dass die Preise eigentlich zu hoch sind, und sie verschmiihen Aktien, obwohl sie wissen, dass sie nun billig sind. Das klingt alles wie ein zwanghaft falsches Verhalten? Wir haben entsprechende Experimente mit Versuchspersonen gemacht. Die Leute erkennen, dass die Preise zu hoch gestiegen sind, sie sind sich also der Preisblase bewusst, dennoch kaufen sie weiter. Wir nennen das eine vom Momentum getriebene Entwicklung. Ein Momentum kann stark sein, wenn Preise steigen, selbst wenn sie sich weit vom Fundamentalwert entfernen, dann geht diese Preisentwicklung zun~chst einmal weiter. Unsere Experimente haben auch gezeigt, dass die Blase zunimmt, je mehr Geld in den Umlauf gepumpt wird. Die Zentralbanken sind also auch ein wichtiger Aspekt bei der Preistibertreibung. Daraus kann man doch eigentlich nur eine Schlussfolgerung ziehen. Investoren sind komplett irrational und die B6rse ist ein Tollhaus ? Den rationalen Homo Oeconomicus habe ich in der Tat noch nie getroffen, und wenn man schaut, wie die Anleger das Verlustrisiko einsch~tzen, kann man sagen, sie sind irrational. Sie glauben an ein geringes
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Risiko, weil sic hoffen, viel Geld zu machen. Doch das ist die AuBensicht. Der individuelle Investor sieht sich selbst nattirlich keinesfalls als irrational an. Ganz im Gegenteil, er meint, er habe alles im Griff. Und es ist ja durchaus so, dass manche Investoren mit ihren Strategien sehr viel Geld verdienen, sei es, dass sie dem Markttrend folgen, sei es, dass sie eine fundamental gepr/igte Kaufentscheidung treffen. A ber es ist doch ziemlich irrational wenn Anleger solche Aktien, J~r die sie im Jahr 2000 H6chstpreise bezahlt haben, drei Jahre spgiter nicht anriihren, obwohl sie dann billig waren?
Stimmt, wenn ein Markt extrem gedreht hat wie im Jahr 2000, dann kommt es zu Oberreaktionen. Die Aktienpreise fallen dabei auf Tiefst~inde unter den Fundamentalwert. Eigentlich sind Aktien dann also billig. Doch obwohl dieser Sachverhalt den Anlegem rational bewusst ist, setzen sie es selten in eine Kaufentscheidung um. Sie kaufen das, was jetzt billig ist, nicht mehr, obwohl sie es noch zu H6chstpreisen einige Jahre zuvor liebend geme erworben haben. Angst und Furcht als Bremsklotz vor verniinfiigen Entscheidungen, warum ist das so ?
Es ist die spiegelverkehrte Situation zu einer Marktfibertreibung nach oben. Unsere Laborversuche mit Probanden haben das gezeigt. Die Versuchspersonen haben Aktien und Bargeld erhalten, womit sie handeln sollten. Der fundamentale Wert der Papiere war vorab definiert, also sollte man eigentlich, nach rationalen Erw~igungen, keine groBen Preistibertreibungen erwarten k6nnen. Doch es gab immer eine Blase mit folgendem Crash. Die meisten Anleger kaufen ihre Aktien also zu teuer ein und verkaufen sie dann in Panik zu sp6t und damit zu billig?
Eine Markttibertreibung muss offenbar immer weitergehen, bis gentigend Leute davon fiberzeugt sind, dass die Bewegung an Dampf verliert. Das gilt ftir die Hausse und Baisse gleichermaBen. Und natiirlich gewinnen da die einen, was die anderen verlieren.
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Selbst als Sie Preislimits in die Experimente mit eingebaut hatten, hat es dasselbe Ergebnis gegeben, einzig dass die Blasenbildung dadurch liinger dauerte. Wie kam das ? Wenn der Markt dreht, und die Leute aufgrund der Preislimits denken, das Verlustrisiko sei begrenzt, dann wollen alle verkaufen. Doch es gibt dann keine K~iufer, die bereit w~iren, die Papiere zu diesen Preisen zu erwerben. Der Handel findet nicht mehr statt, bis der Markt wieder auf eine fundamental gerechtfertigte Bewertung gefallen ist. Preislimits schtitzen also auch nicht vor einer Blase an den Aktienm~irkten. Das klingt aber nicht sehr trdstlich. Haben die unbedarfien Privatanleger in ihren Experimenten eher versagt als die Profis ? Ob Profih~indler, Studenten oder L a i e n - in unseren Versuchen haben alle Gruppen eine Blase herbei gekauft. Nattirlich hat jeder seine eigene Signatur der Ubertreibung hinterlassen. Manche Blasenbildung verlief steiler und abrupter als die andere. Aber alle machen die Ubertreibung mit. Dieses Auf und Ab an der B6rse ist nicht aufzuhalten. Das ist oftenbar eine Art Naturgesetz. Und daraus gibt es kein Entrinnen? Menschen wiiren demnach nicht lernfiihig. Lemeffekte sah man erst, als die Versuche wiederholt wurden. Da verlief alles sehr viel ruhiger, die Kursblasen hatten deutlich weniger Volumen und waren auch schneller aufgestochen, doch das hilft auch nicht weiter. Man kann das reale Leben nicht wiederholen, bis es besser l~iuft. Die M~irkte sind immer in Bewegung mit immer neuen Akteuren, manche mit mehr, manche mit weniger Erfahrung. Nach 15 Jahren sind zudem ganz neue Teilnehmer am Markt, die ohne eigene Erfahrung dieselben Fehler wieder machen. Das erkl~irt auch die langfristigen Unterschiede zwischen den Ergebnissen im Laboratorium und der realen B6rsenwelt. Woriiber haben Sie sich in Versuchen am meisten gewundert? Es zeigte sich tiberraschenderweise, wie einfach es ist, dass Anleger sehr schnell jenseits der fundamentalen Werte handeln, sie also geneigt sind, zu hohe Preise zu bezahlen, obwohl alle Testteilnehmer die gleichen
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Informationen haben. Zu Anfang einer Preisblase verkaufen die Leute lieber, als dass sie kaufen. Dann, je mehr die Preise steigen, desto starker wird der Kaufreflex. Hier ist der Moment erreicht, an dem die M~rkte bald wieder nach unten drehen werden. Die Profis merken das, und sie fangen an auf fallende Preise zu spekulieren.
Der Anleger als Getriebener. Mit Fundamentaldaten, also Zahlen, die einen Markt beschreiben, liisst sich wenig iiber Marktentwicklungen sagen? Solche Daten haben wenig Wert fiir den Gesamtmarkt. Aber ftir den individuellen Investor k~nnen Fundamentaldaten nfitzlich sein, wenn er auf dieser Basis eine Investmententscheidung trifft.
Sind Fundamentaldaten, mithin die Gewinn-und Verlustrechnung eines Konzerns, die Profiterwartung, der Schuldenstand, objektive Kennziffern, an denen man sich bei der Aktienbewertung orientieren kann? Die Zahlen vielleicht schon, doch deren Interpretation ist es nicht. Wir kennen den fundamentalen Wert einer Aktie nicht genau. Man hat zwar Indikationen, doch weiB man nie, wie viel eine Aktie wirklich wert ist, und wann sie tiberbewertet ist. So bilden sich unterschiedliche Meinungen, die ihren Ausdruck in stetig schwankenden Preisen finden. Es gibt also kein wissenschaftliches Rezept daffir, die Leute davon abzuhalten, sich mit einem Investment selbst zu schaden.
Kann man BOrsen mit einem Pokerspiel vergleichen? Die B~rsen sind viel schlimmer als Poker. Beim Kartenspiel kann die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses viel besser kalkuliert werden. Spieler k6nnen zwar bluffen, aber nur auf Basis des vorgegeben Kartensatzes. Und alle Spieler wissen, wie viele Karten im Spiel sind. An den Finanzm~rkten herrscht grOBere Unsicherheit. Jede Situation ist neu, hat neue Regeln, neue Spieler und neue Karten.
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Man kann also nur schwer Investmentregeln fiir die Zukunfi aufstellen? Geschichte wiederholt sich in dieser Hinsicht nicht? Ja, um ein Beispiel zu geben, die Erfahrung mit der Entwicklung der Automobiltechnologie hilft Anlegern nicht, die ktinftige Wertentwicklung der Internettechnologie einzusch~tzen. Die Internet-Produkte mtissen zuerst auf den Markt. Erst dann weiB man mehr. Dieses Problem mit neuen Technologien ist theoretisch nicht zu 16sen. Man muss in solchen Situationen etwas bewerten, wozu es keine Erfahrungswerte gibt.
Welche Lehren kann man aus den vergangenen BOrsenkrisen ziehen? Es gibt einige Implikationen: Wenn man die Kreditlinien einschr~nkt, und wenn man die Geldmenge kontrolliert, dann beschr~nkt das vielleicht das AusmaB der B l a s e - aber Kurstibertreibungen werden auch dadurch nicht verhindert. US-Notenbankchef Alan Greenspan hat die Wirtschaft gut ge~hrt aber nicht die Bubble an den Aktienm~rkten verhindert.
Zukunfisentwicklungen einer Gesellschaft kOnnen auch eine Preisblase an den BOrsen auslOsen? Ja, Blasen sind auch von neuen Technologien getrieben, die neuen Wert versprechen: Die Expansion des Zugverkehrs, die Telefone, die Elektrizit~t, Automobile oder die Flugzeuge. In einer kleinen Stadt in Kansas, dort wo ich herstamme, gab es in den zwanziger Jahren eine bedeutende Flugzeugindustrie mit 15 bis 20 Herstellern, zehn Jahre sp~ter waren nur noch drei Firmen tibrig. All das waren Ideen, die ausprobiert wurden. Und da ist viel Geld verspielt worden, denn nur wenige Unternehmen tiberlebten und haben sich gut entwickelt. Es gibt keinen Nutzen ohne Kosten.
Eine gesunde Gesamtwirtschafi und Unternehmenspleiten bedingen sich, und die BOrse spiegelt diese Entwicklung wider? Schauen Sie auf die Geschichte neuer Produkte. Seit 100 Jahren gibt es nun Autos. Die Zahl der ftihrenden Hersteller ist auf rund zehn geschrumpft. Vor 100 Jahren gab es tiber 100 Automobilhersteller. Kleine Firmen, die ihre eigenen Ideen umsetzen wollten und daffir vom Kapi-
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talmarkt das Geld gestellt bekamen. Noch bis 1912 schienen die ElektroAutos die Nase vorn zu haben, bis Ford mit dem Modell 5 kam, das wesentlich billiger war. Die Firmen haben also viel experimentiert mit Elektrik und Dampf, aber die Verbrennungsmotoren waren die L6sung, um zu einem vemiinftigen Preis ein Auto herzustellen. Diese Entwicklung hin zur marktreifen L6sung verschlang viel Kapital, viele Investoren, die Geld in die eine oder andere Firma gesteckt hatten, machten hohe Verluste, ja die Mehrheit der Investoren verlor Geld. Nur sehr wenige Konzeme schaffen es, mehrere Jahrzehnte zu tiberleben, die meisten gehen in Konkurs. Doch ~ r eine dynamische Wirtschaft ist das eine gute Entwicklung. Wie beurteilen Sie die Informationsflut unserer Zeit? Jeder Anleger kann sich fiber das Internet Informationen zu Aktie und Unternehmen besorgen, auf eine umfassende Art, wie es friiher undenkbar und nur den Profis vorbehalten war.
Es gibt viel Information, aber es gibt auch eine bessere Technologie, um die Str6me zu kanalisieren und zu filtem. Aber selbst diese neuen M6glichkeiten verhindem nicht, dass es zu Preistibertreibungen kommt. In Experimenten funktioniert der Markt selbst dann suboptimal, wenn alle Teilnehmer optimal informiert sind. Verk~iufer, die die Pr/fferenzen der K/~ufer genau kennen, neigen zum Beispiel dazu, zun~ichst tiberh6hte Preise zu verlangen. Dadurch verz6gert sich die Bildung eines Gleichgewichts auf dem Markt. Oberhaupt spielen so genannte objektive Informationen im Entscheidungsprozess meist nur eine unterordnete Rolle. Das iiberrascht nun aber doch. Schalten Investoren den Verstand vOllig ab?
Nein, aber Anleger trauen ihrer eigenen Meinung sehr viel zu, sie halten sich fiir sehr schlau oder zumindest schlauer als die meisten anderen. Anleger sind damit tiberoptimistisch beziehungsweise ,,overconfident", wie das in der Wissenschaft heiBt. Bei M~innem ist diese Selbsttibersch~itzung tibrigens weiter verbreitet als bei Frauen. Deshalb handeln M~inner auch viel h~iufiger Aktien als Frauen. Sie glauben, kurzfristige Kurs~inderungen vorhersehen zu kOnnen und wollen daraus Profit schla-
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gen, was nat~rlich nur selten gelingt. Frauen sind daher die besseren Investoren.
Lassen sich die Gier und die Emotionen der Anleger wissenschafilich analysieren? Kollegen haben angefangen, die GehirnstrOme bei Entscheidungsverhalten zu analysieren. Man kann die emotionalen Aspekte einer Entscheidung bei Aktiengesch~ften identifizieren. Man kann auch die Gehirnbereiche lokalisieren, wo Furcht und Angst die Entscheidung beeinflussen. Dennoch weil3 man damit noch lange nicht, warum Gruppen in Paniksituationen vOllig unkontrolliert handeln und ihren Verstand nicht mehr einsetzen. Wenn im Theater jemand Feuer schreit, rennen alle raus, viele werden dabei verletzt. Die Soziologie weil3 bis heute nicht, warum das so ist. Deshalb ist eine gute Analogie zu den B6rsen. Als Wissenschaftler lernt man nicht viel dazu, wenn man die Leute nach dem Grund ihrer Entscheidungen fragt. Sie sagen n~mlich selten die Wahrheit.
Interview Folker Hellmeyer
~~ Folker Hellmeyer ist Chefanalyst der Bremer Landesbank. Er kennt den Devisenhandel seit (~ber 20 Jahren aus der Praxis. Er war lange im Devisenhandel der Deutschen Bank t~tig. Hellmeyer bezeichnet Devisenh~ndler als Sp(Jrhunde. In diesem Gespr&ch erl~utert er die Gefahren politischer Preise an den Devisenb(Srsen. ,,Die Finanzm~rkte 15sen sich in der Grundtendenz von den 5konomischen Realit~ten. Risiken werden nicht mehr ad~quat bewertet."
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FRAGE: Herr Hellmeyer, viele Touristen kOnnen nicht verstehen, warum sie vor ihrer USA-Reise real mehr und mal weniger fiir den Dollar bezahlen miissen. Die Wechselkurse werden an den DevisenbOrsen gemacht, was passiert da? HELLMEYER: Die Bewertung an den Devisenm~rkten ist vergleichbar mit
einem Barometer, das Auskunft fiber Stfirken und Schw~chen von Volkswirtschaften gibt. Sie stellt damit eine Zusammenfassung der Bewertung aller M~rkte dar: der Aktien- Geld- und Rentenm~rkte, dal~ber hinaus des internationalen Handels und der global diversifizierten Investitionst~tigkeit. Daneben spielen bei Wechselkursen auch die Erwartungen fiber die weitere Entwicklung der Volkswirtschaften und der Politik eine wesentliche Rolle. All diese Einflfisse wirken bei der Preisfindung zusammen. Wechselkurse waren friiher das Ergebnis des Giiterhandels. Wenn deutsche Firmen amerikanische Waren kaufien, dann brauchten sie Dollar,
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Interview Folker Hellmeyer
was die Dollar-Nachfrage und damit den Preis antrieb - so einfach ist es nicht mehr?
Aus historischer Sicht sollten die Devisenm/~rkte den internationalen Handel tiberhaupt erm6glichen. Das waren das prim/~re Ziel und die Hauptaufgabe. Doch heute macht der Warenhandel vielleicht noch zwei bis drei Prozent des t/~glichen Gesamtumsatzes am Devisenmarkt aus. Der intemationale Gtiterhandel hat keinen dominanten Einfluss mehr auf die Wechselkurse. Wir haben einen freien Kapitalverkehr mit einem grol3en Arbitragegesch/~ft, das bestimmend wirkt. Investoren lenken ihre Mittel beispielsweise nach Stidafrika oder in die USA, um erh6hte Renditen oder st/~rkere Wachstumspfade ffir Direktinvestitionen zu realisieren und diese Str6me treiben die Wechselkurse an. W6hrungen sind doch nur ein Stiick Papier, und das Gesetz des einen Preises besagt, dass sich alle W6hrungspapiere dem einen Preis niihern sollten.
Theorie und Praxis sind zwei Welten. Eine Theorie setzt Perfektion und rationales Verhalten voraus. Doch weder Devisenh/~ndler noch Finanzmarktteilnehmer weisen diese Eigenschaften auf. Deshalb kommt es zu f)ber- und Untertreibungen. Der faire Wert einer W/~hrung ist deshalb schwer definierbar und ffir die meisten Marktteilnehmer nicht fassbar, da ihnen nur Teile des gesamten Informationspools zur Ver~gung stehen. Von daher wird sich der faire Preis am Markt kaum finden lassen, da ihn so gut wie keiner kennt. Verschiedene kulturelle Hintergrtinde der Marktteilnehmer spielen ebenso eine wesentliche Rolle, die eine homogene Bewertung von W/~hrungen verhindert. Manipulative Eingriffe von Zentralbanken sind ein weiterer Grund, warum der faire Preis ein meist unfaires Schicksal ereilt. Der US-Dollar zog zwischen 1980 und 1985 um fast 50 Prozent an und gab in den folgenden drei Jahren um mehr als die H6lfte nach. Der Yen legte zwischen 1990 und 1995 um 80 Prozent zu, verlor in den folgenden Jahren 40 Prozent seines Werts, under stieg seitdem wieder um 30 Prozent. Welche Krdfie stehen hinter drastischen Kursspriingen an den Devisenmgirkten. Warum gibt es so viele kontrgire Meinungen, die das auslOsen?
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G/~be es wirklich so viele kontr/~re Meinungen oder anders ausgedrfickt ein heterogenes Meinungsbild, dann h/~tten wir tendenziell einen ausgeglichenen Markt. Das Problem stellt sich genau andersherum dar. Wir sind oft mit einer Einheits- oder deutlichen Mehrheitsmeinung konfrontiert, und dann streben Devisenmarktteilnehmer in einseitige Positionierungen hinein, was Ubertreibungen hervorrufen kann. Ist der Markt extrem einseitig positioniert, kommt es zu Korrekturbewegungen. Teilweise werden diese Korrekturen durch offene Zentralbankinterventionen ausgel6st.
Der Dollar als LeitwiT"hrung ist da ein gutes Beispiel? Die USA weisen das h6chste Leistungs- und Handelsbilanzdefizit aus, das jemals von einer Industrienation zu verzeichnen war und das sich latent ausweitet. Die Gesamtstruktur der produzierenden US-Wirtschaft ist ausgeh6hlt. Der Dollar steht unter strukturellem Verkaufsdruck. Diese Grundtendenz ist da, aber die Anpassung an den Devisenm/~rkten findet in Wellenbewegungen und nicht in linearen Bewegungen statt. Zentralbanken sind bemt~ht, marktbereinigend einzugreifen. Das wissen wir von Japan, wo wir einen so genannten managed float haben.
Was heiflt das ? Die Bank of Japan beh/~lt sich das Recht vor, verdeckt oder often zu intervenieren. Und vonder EZB wissen wir auch, dass sie in extremen Situationen auf der Klaviatur der Deviseninterventionen zu spielen weiB. Die Zusammenarbeit der G3, G7 und G30-Staaten ist bisher ein Garant dafar, dass sich die Fluktuation der W/~hrungen in definierten Bandbreiten bewegt, um sie nach Ansicht unserer geldpolitischen Eliten ffir die Volkswirtschaften vertr/~glich zu gestalten. Mit freien M/~rkten hat das t~brigens wenig zu tun. Welche Bandbreiten gelten als akzeptabel? Wir reden von Gr6genordnungen von 10 bis 15 Prozent j/~hrlich. Das ist ffir die betroffenen Volkswirtschaften der westlichen Hemisph/~re nach den Erfahrungswerten der letzten 30 Jahre vertretbar.
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Interview Folker Hellmeyer
Also bringen Zentralbankinterventionen entgegen landl~iufiger Meinung doch etwas? Die Zentralbanken kOnnen eine Trendwende anschieben, sofem eine W~ihrung sachlich falsch bewertet ist. Wenn die Interventionen aber gegen die 6konomischen Realit~iten durchge~hrt werden, dann wird man keine Trendwende erreichen k/Snnen, sondern nur eine zeitliche Verschiebung der notwendigen Anpassung bewirken. Mithin wirken derartige Interventionen kosmetisch und laufen Gefahr nichts anderes als eine billige Subvention und damit eine Fehlallokation des Kapitals zu sein.
Einige Experten vergleichen die Devisenm~irkte mit einem groflen Kernreaktor. Stimmt der Vergleich? Ja, aber nicht vergleichbar mit einem Kernkraftwerk der Marke Tschernobyl, sondern eher deutscher Bauart. Aufgrund der engen internationalen Zusammenarbeit ist ein unkontrollierter Crash der globalen Hauptw~ihrungen an den Devisenm~irkten heutzutage nahezu ausgeschlossenBewegungen innerhalb der erw~ihnten 10-15 Prozent Bandbreite sind grunds~itzlich m6glich.
Starke Wgihrungen bremsen den Export, heiflt es immer. Stimmt das eigentlich? Man h6rt das immer wieder, gerade in Deutschland, dass ein fester Euro unserer Exportwirtschaft schadet. Das ist Unsinn. Das miissen Sie erklgiren. Die Geschichte Deutschlands als Exportweltmeister bei gleichzeitig immer wiederkehrender W~ihrungsaufwertung ist der handfeste Beweis, dass dieses Statement sachlich nicht zutrifft. Exporterfolge haben in erster Linie mit der Qualit~it der Produkte zu tun. Entscheidend ist auch die Produktivit~itsentwicklung in dieser Branche. Dartiber hinaus sind heute im Rahmen globaler M~irkte Exporteure gleichzeitig auch Importeure und zwar von Energie und von Halbfertigwaren - da profitieren sie von dem starken Euro, weil sie billiger auf Dollar-Basis importieren ktinnen. Diese Vorteile haben diejenigen Konkurrenten, die im Dollarraum arbeiten, nicht. Nur der Veredlungsprozess, der in Deutschland
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stattfindet, unterliegt der Aufwertung. Wenn wir uns die Zahlen der Bundesbank anschauen, dann importieren wir mehr auf Dollarbasis, als dass wir auf Dollarbasis exportieren. Das bedeutet, ein fester Euro ist ~ r unsere gesamte Volkswirtschaft positiv. Kann man Wechselkursentwicklungen an den BOrsen prognostizieren?
Alle M~irkte atmen, es gibt eine Aufw~irtsbewegung, unter Umst/~nden eine Ubertreibung und dann eine Korrektur. Entscheidend bei einer langfristigen Prognose ist es, dass man nicht von einer linearen Entwicklung ausgehen kann. Die Trendbewegung findet in Wellenbewegung statt. Langfristige Trends, als auch zwischenzeitliche Korrekturen sind prognostizierbar. Wie spielt man solche Mgirkte als Unternehmer?
Zun/~chst muss der Prim~irtrend am Wfihrungsmarkt identifiziert werden. Daraus leitet sich das Risikoprofil des Unternehmens in Fremdw~ihrungsfragen ab, beispielsweise abh~ingig davon, ob das Unternehmen Importeur oder Exporteur oder beides ist. Dann wird im Rahmen der Analyse der Wellenbewegungen eine Absicherungsstrategie implementiert, die dem Unternehmen eine stabile Bewertungsgrundlage zuktinftiger ZahlungsstrOme in Fremdw/~hmng gew/~hrleistet. Als Instrumente bieten sich Devisentermingesch/~fte oder W/~hmngsoptionen an, die individuell auf die Unternehmen zugeschnitten werden. FOr international t~itige Grol3konzerne, beispielsweise VW und Porsche, geh6rt dieses Gesch/~ft zum t~iglichen Standard. Exporte sind wichtig, erkl~iren Sie die China-Story aus der Sicht des Devisenanalysten.
Hintergrund ist die Globalisierung. Nach der Markt6ffnung haben westliche Industrienationen ihre Waren dorthin verkauft und in der Folge prosperiert. Aktuell erleben wir die Kehrseite. China hat Strukturen aufgebaut, die mit unseren konkurrieren und mittlerweile als Werkbank der Welt bezeichnet werden. 13ber die Festanbindung an den Dollar sichert sich China nach G7-Ansicht Marktvorteile und tiberflutet die internationalen M~irkte mit billigen und zunehmend auch h6herwertigen G~item. In
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Interview Folker Hellmeyer
der Folge werden die Strukturen in den bisherigen Produktionsl~indem erodiert und deren Wachstum und Stabilit~it gefiihrdet. Das fiihrt zu Konflikten ?
Der Druck der Industriel~nder auf China wird erh6ht, Anpassungen fiber eine Aufwertung des Yuan zuzulassen. G7 Vertreter lassen dabei unberficksichtigt, dass China ein Land der ffinf Geschwindigkeiten ist und der gr6Bte Teil Chinas, insbesondere der Agrarsektor, eine nachhaltige Aufwertung des Yuan nicht vertragen kann und damit die Stabilit~t Chinas nachhaltig gef'~hrdet w~rde. Das kann China kaum akzeptieren?
China wird sich gegen nachhaltige Aufwertungen wehren. Die kleine Anpassung 2005 belastet das Land nicht. Die Chinesen produzieren zu weniger als 10 Prozent unserer Produktionskosten. Es gibt in der chinesischen Handelsbilanz keine aggressiven 13berschtisse, die den Begriff Ungleichgewicht sachlich fundieren k6nnten. China tut sich deshalb keinen Gefallen, wenn sie nachhaltig aufwerten. Sie werden nur kleinste Zugest~ndnisse auf Basis des politischen Drucks aus USA und Europa machen. Dieser Druck ist politisch ziemlich unkorrekt?
Ja, aber mit 740 Milliarden Dollar an Devisenreserven hat China ein Pfand in der Hand. Wenn sie verkaufen, bekommt die USA ein Problem in der Finanzierung ihrer Leistungsbilanzdefizite. China ist mittlerweile in einer Position, selbst zu entscheiden, ob, wann und um welche Gr6f3enordnung sie aufwerten. Sie werden bestenfalls in kleinen Schritten agieren, denn sonst riskieren sie politische Instabilit~t im eigenen Lande, weil die Aufwertung Importe attraktiver macht und die schwachen Strukturen Chinas, beispielsweise der Agrarsektor, geffihrdet werden. DevisenbOrsen gelten als der grOflte Markt der Welt. Rund um die Uhr rotieren die Umsgitze. Jeden Tag werden etwa 2000 Milliarden Dollar umgewiilzt- ein Vielfaches des globalen Renten- oder Aktienumsatzes.
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Ende der 70er Jahre waren es nur 75 Milliarden Dollar. Wie kam es zu dieser Umsatzexplosion ?
Diese Entwicklung ist Ausdruck der freien Kapitalm/~rkte und auch wesentlich Ausdruck der Geldmengenerh6hung durch die Zentralbanken. Das hat zu einer Inflationierung an den Immobilien-, Aktien-, Rentenund Geldm/~rkten geffihrt. Die globale Geldmengenausweitung wurde insbesondere forciert durch die japanische Notenbank mit ihrer NullZinspolitik und US-Fed-Politik von 1997 bis 2005. Wo ist das ganze Papiergeld?
Dieses Geld vagabundiert innerhalb der internationalen Finanzwirtschaft, die Tagesums/~tze erhOhend, und landet tiberwiegend nicht in der Realwirtschaft. Das ist der Grund daffir, dass wir eine relativ niedrige Inflationsrate haben trotz des Geldmengenwachstums. Die Inflation in den Anlageklassen wird vonder klassischen Inflationsmessung nicht berficksichtigt. Was heij3t das konkret?
Die Gelder wandern im globalen Rahmen von Finanzinvestition zu Finanzinvestition und nicht in die Realwirtschaft, um sie dem Konsum oder Investitionen zuzuffihren. Internationale Finanzarbitrage ist der Fachbegriff. Es sind zwei Welten, die nebeneinander existieren. Die Finanzm/~rkte 16sen sich in der Grundtendenz von den 6konomischen Realit/~ten. Risiken werden nicht mehr ad/~quat bewertet. Fiihrt die Ausweitung der globalen Papiergeldmenge nicht unweigerlich zu Frage, ob man den Goldstandard wieder einfiihren sollte?
Die Einffihmng eines offiziellen Goldstandards ist zumindest derzeit illusion/~r. Die Zentralbankgoldvorr/~te sind h6chst ungleich verteilt und von daher ist ein international homogenes Interesse nicht erkennbar. Der gr61]te Nachteil ist laut aktuellem Mainstream, dass keine aktive Konjunkturpolitik betrieben werden kann. Das System des Goldstandards zwingt zu volkswirtschaftlicher Tugendhaftigkeit. Das passt nicht zu dem aktuellen politischen Zeitgeist, der gepr/~gt ist von Bilanzkosmetik, Interventionen oder auch politischen Preisen. Mithin ist das Interesse
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weder in der Politik noch in den Zentralbanken auch nur ansatzweise gegeben. Ftir die Anpassungsprozesse sind nach derzeitigem Zeitgeist ,,freie M~irkte" n6tig, losgel6st vom Gold.
Aber natiirlich spielt das Edelmetall eine zentrale Rolle? Ja, deshalb halten Zentralbanken zum Teil massive Reserven, offensichtlich smarte Zentralbanken. Gold hat eine lange Geschichte als W~ihmng, und zwar von 5000 Jahren. Der Euro kommt auf fiinf Jahre, der Dollar hat mit markanten Krisen 34 Jahre auf dem Buckel, seit er 1971 vom Gold abgekoppelt wurde. Gold ist im Hinblick auf die latenten Unsicherheiten im Finanzsystem Versicherung und Investment zugleich. Weder Euro, Schweizer Franken noch US-Dollar k6nnen Gold langfristig das Wasser reichen. Alle W~ihmngen, die nur auf Vertrauen basieren und durch nichts als das Vertrauen in die Wirtschaftskraft gedeckt sind, unterliegen einer latenten W~ihmngsreform.
Geben Sie doch ein Beispiel. Nehmen Sie die D-Mark und den Euro. Die Kaufkraft von 50.000 Euro im Jahr 1960 entspricht der Kaufkraft von circa 200.000 Euro im Jahr 2005. Wir reden tiber einen Kaufkraftverfall von 75 Prozent in 45 Jahren. Auch wenn der Goldstandard nicht zur Disposition steht, so ist es jedem einzelnen Btirger tiberlassen, sich mit seinen Finanzanlagen angesichts zunehmender Probleme edelmetalltechnisch auszurichten. Die Chance fOr den privaten Goldstandard ist jedem zug~inglich.
DevisenbOrsen gelten als das Schmiermittel der Okonomie? Ja, die jeweiligen Preise sind Ausdruck eines Gleichgewichtspreises. Ob dieser Gleichgewichtspreis ein angemessener Preis ist, sei dahin gestellt, denn die Zunft der Devisenh~indler fristet seit Anfang der 90er Jahre tendenziell ein Schattendasein, weil die Kompetenz der H/indler im Bankensystem nicht mehr in gewohntem MaSe en vogue ist. Handelstische sind in ihren Aktionsm6glichkeiten der aktiven Positionierung massiv beschnitten oder sogar aufgel6st worden und nehmen damit an dem Preisgestaltungsprozess bestenfalls unterproportional teil. Hintergrund ist der elektronische Handel, der in den Banken dominiert. Die damalige
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Expertise der H~ndler, die ihre M/~rkte kannten und die auch mit den Daten entsprechend umgehen konnten, ist geringer geworden. Entsprechend fehlt heute partiell und im zunehmenden MaBe eine ad~iquate Bewertung von Risiken. Viele Devisenh/~ndler und professionelle Finanzmarktteilnehmer k6nnen heute nicht einmal zwischen Nominal- und Realzins unterscheiden. Welche Einflussfaktoren bestimmen den Wechselkurs. Ist es das Verh6lthis der Kaufkrafi, die besagt, dass der Wechselkurs dann im Gleichgewicht ist, wenn vergleichbare Giiter in den jeweiligen Wgihrungen zu identischen Preisen gekaufi werden kOnnen?
Diese so genannte Kaufkraftparit~it besagt, dass beispielsweise der identische Hamburger in Deutschland, Japan oder den USA gleich viel kosten mtisste unter Berticksichtigung der W~ihrungsrelationen. Das funktioniert grunds/~tzlich nicht, weil es Ineffizienzen in der globalen Wirtschaft gibt. Devisenh/~ndler, die auf Basis der Kaufkrafttheorie handeln, sind nur in seltensten F/~llen erfolgreich. Die Theorie funktioniert nicht, weil beispielsweise Themen wie Schulden und Defizite einer Volkswirtschaft von der Kaufl~aftparit/~t nicht abgedeckt werden und Finanzmarktteilnehmer unterschiedliche Sichtweisen und Interpretationen von Wirtschaftsdaten oder politischen Ereignissen vertreten. Wie analysiert man die Devisenmgirkte stattdessen?
Es gibt fiinf unterschiedliche Ans~tze. Erstens die Fundamentalanalyse. Da geht es um die Analyse von Wirtschaftsdaten, beispielsweise Industrieproduktion, Wachstum, Auftragseing/~nge oder Besch~ftigung. Zum zweiten haben wir die Zinsanalyse. Die geht der Frage nach, welche W/~hrung eine m6glichst hohe Rendite abwirft. Dabei muss unter anderem ergrtindet werden, ob der Zins wegen hoher Inflation auf dem aktuellen Niveau oszilliert, was unter Anlagegesichtspunkten nicht tiberzeugen kann, oder aber Ausdruck 6konomischer S~rke ist. Letzteres ist Ausdruck von Attraktivit~it einer W~ihrung.
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Wie ist es mit der Analyse der Kapitalstr6me? Auch das ist ein wichtiger Faktor t~r die Wechselkurse. 1997 bis 2002 ist sehr viel Kapital in die USA geflossen. Meist t~ber Direktinvestitionen. Daimler t~bemahm Chrysler, die Telekom kaufte Voicestream. Solthe Deals erh6hen die Nachfrage nach einer W~hrung und damit den Preis der betreffenden W~hrung.
Auch die Psychologie der M~irkte spielt eine Rolle? Ja, die Technische Analyse wird immer wichtiger, weil viele Markteilnehmer darauf schauen. Dann gibt es das Ph~nomen der asymmetrischen Wahrnehmung. Beispielsweise k~nnen gute Fundamentaldaten aus der Euro-Zone, ebenso wie entt~.uschende US-Daten von den M~rkten ignoriert werden. Der Euro f~llt und der Dollar steigt. In einer solchen Phase ist die Marktpsychologie sehr einseitig zu Gunsten des Dollar ausgepr~gt. Der Markt reagiert nicht rational.
Welche derj~nf Analysemethoden hat die Oberhand? Derzeit befindet sich das globale Finanzsystem im Umbruch, da ist keine fixe Gewichtung der Methoden zul~ssig. Manchmal werden in kurzer Zeitspanne mehrere dieser Methoden gehandelt. Montags die Zinsdifferenz, Mittwoch die Politik, am Freitag die Fundamentaldaten - damit kann ein Modell, das eine fixe Gewichtung hat, dem nicht Rechnung tragen. Sie mfissen von den f~nf Faktoren den Treiberfaktor fi~r den Devisenkurs identifizieren. Das ist derzeit die Kunst der Analyse.
Inwiefern befindet sich das Finanzsystem im Umbruch? Weil es aus dem Zentrum heraus fragil ist. Auch deshalb kooperieren die Zentralbanken so intensiv, um zun~chst ein kfinstliches Gleichgewicht zu erhalten. Das heutige System entstand in der Phase 1944-1955. Die USA waren damals Gl~iubiger der Welt, sie hatten eine aktive Handels- und Leistungsbilanz, sie waren milit~risch stark und autark als ein Netto(~lproduzent. Heute ist nur noch die milit~xische St~rke geblieben- alles andere hat sich ins Gegenteil verkehrt. Also stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage der Dollar und die USA die Verankerung unseres
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Finanzsystems zukfinftig sein sollen? Fakt ist, dass die sachliche Grundlage entfallen ist.
Was ist ihre Prognose? Wir werden uns sukzessive und hoffentlich evolution~r von einem unilateralen zum multilateralen Finanzsystem entwickeln. Dabei wird der Euro zun~chst eine wesentlichere Rolle spielen. Die W~hrungen Asiens und unter Umst~nden der GUS-Staaten werden langfristig an Bedeutung gegenfiber Dollar und Euro gewinnen.
Und das, obwohl der Dollar doch starke und miichtige Anh~inger hat? Aktuell wird von Seiten des Finanz-Establishment der Versuch unternommen, an dem US-zentrischen Finanzsystem festzuhalten. Lediglich die Kooperation auf G3 und G7 Ebene hat den Dollar bislang vor rapiden Wertverlusten geschfitzt. Wir sind mit politischen Preisen konfrontiert. Augenf'allig wird das an den Volumina der japanischen W~hrungsinterventionen. Mit 380 Milliarden Dollar intervenierte die Bank of Japan 2003-2004, um den Dollar zu st~tzen. Derartige Volumina w~ren noch vor f~nf Jahren undenkbar gewesen. Diese Entwicklungen dt~rfen als Ausdruck der aktuellen Dramatik verstanden werden.
Dramatisch J~r wen ? Die USA brauchen einen riesigen Kapitalzufluss. Pro Handelstag stellt sich der Kapitalimportbedarf mittlerweile auf drei Milliarden Dollar. Damit absorbieren die USA 80 Prozent der globalen Sparquote primfir f~r Konsum in den USA. Das ist kein tragffihiges Modell. Die riesigen Devisenreserven wirken potentiell destabilisierend auf L~nder wie China, weil sie dort die Inflationsgefahren erh6hen. Unternehmen tauschen die Dollar gegen Yuan e i n - das erh/~ht dort die Geldmenge.
Sie haben v o n d e r Kooperation der Marktteilnehmer und politischen Preisen gesprochen. Es wird gesch~itzt, dass rund 150 Finanzinstitute 80 Prozent des globalen Devisenhandels abwickeln. Werden Devisengeschgifie kartellisiert und monopolisiert?
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Fest steht, dass ein Fall George Soros wie 1992, als Spekulanten das britische Pfund in die Knie zwangen, heute in dieser Form nicht mehr m6glich ist. Damals hatten wir einen Polypol, also sehr viele Marktteilnehmer. Das war ein perfekter Markt. Keiner wusste, was der andere machte. Niemand konnte kontrollieren. Heute haben wir eine Noblesse, einen Banken-Adel wie die Citibank, JP Morgan Chase, UBS oder die Deutsche Bank, die fast schon ein oligopolistisches Monopol gebildet haben und eine extreme N~ihe zu den Zentralbanken leben. Das bedeutet, dass die Devisenm~irkte nicht mehr perfekt sind. Es ist kein Monopol, es ist mit Sicherheit ein Oligopol.
Welche Konsequenzen hat das J~r die Devisenmgirkte? Diese multinationalen GroBbanken stehen den Zentralbanken sehr nahe. Das war beispielsweise 1992 in der EWS-Krise bei weitem nicht so ausgepr/~gt, weil es diese Bankenjumbos zu dieser Zeit noch nicht gab. Seinerzeit ergab sich eine gr6Bere spekulative Wucht aus der Struktur des Bankenmarkts der Sache geschuldet und ohne Rt~cksichtnahme gegent~ber den Zentralbanken und der G-3 oder G-7 Politik. Das Regulativ des Marktes wirkte voll. Der Devisenmarkt bewertete die Probleme und zwang damit die Politik zu handeln. Schwedens Reformen sind ein klassisches Beispiel im Zuge der EWS-Krise von 1992. Heute k6nnen solche spekulativen Attacken viel besser abgewehrt werden, weil der Markt diese neue Struktur hat. Bei den GroBbanken ist im Devisenbereich die Differenz zwischen An- und Verkauf einer W/~hrung im Rahmen von elektronischen Handelssystemen interessanter geworden, als die W/~hrungsarbitrage oder das Eingehen von strategischen Positionen.
Aber Stabilit~it ist doch ein kostbares Gut? Aber nicht so. Es bedeutet, dass es weniger Experten gibt, die Witterung von internationalen Problemfeldern aufnehmen und sich insbesondere gegen kosmetische Interventionen von Zentralbanken und damit gegen politische Preise wehren. 15brigens genau diese politischen Preise verhindern strukturelle Reformen, die, wie das Beispiel Schweden 1992 zeigt, zu einer nachhaltigen L6sung der Probleme beitragen.
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Witterung wie ein Spiirhund? Sicher, Devisenh~ndler waren fr~her Spt~rhunde. Und wenn der Markt Witterung eines Problems aufgenommen hat, dann hat er es bewertet. Wenn man ein Risiko in einer W~hmng sah, dann wurde die W~hrung leer verkauft. Heute werden auch die Wirtschaftsindikatoren nicht mehr richtig eingesch~tzt. Nehmen wir die Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt von Deutschland und den USA. Die M~rkte vergleichen die Zahlen. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ist das in dieser Form unkommentiert nicht zul~ssig, weil das US-BIP anders als das deutsche BIP berechnet wird. Der Markt bewertet Apfel und Zitronen auf einer Basis. Das sind Dinge, bei denen die Marktteilnehmer heute sehr oberfl~chlich agieren.
Und welche Folgen hat es, dass Devisenmgirkte so handzahm geworden sind? Wir machen es m0glich, dass sich Probleme weiter verschlimmern. 2000/2001 hatten wir ein Problem: Die Oberbewertung der USAktienm~rkte, jetzt sind zus~tzlich US-Renten und USImmobilienm~rkte t~berbewertet. Der Devisenmarkt spiegelt das reale Risiko nicht mehr wider. Wir leben in einer Zeit, in der Risiken nicht mehr angemessen bewertet werden.
Dann reden wir wieder iiber politische Preise. Es versch~rft sich die Gefahr eines abgestimmten Verhaltens maBgeblicher Akteure. Wir k0nnen davon ausgehen, dass es zwischen diesen Akteuren eine sehr enge Kommunikation gibt, mit klar definierten gemeinsamen Interessenlagen. Aus den USA wissen wir, dass es dort seit 1987/88 eine so genannte ,,working group on financial markets" gibt. Diese Gruppe soll kfinftige Crashs verhindern. Das Thema politische Preise ist heute aktueller denn je, da die US-Wirtschaft heute von der Bewertung der Anlageklassen Aktien, Immobilien und Renten abh~ngig ist. Das US-Wirtschaftspferd wird von hinten aufgez~umt.
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Interview Folker Hellmeyer
Erkldren Sie das b itte genauer. Klassisch gilt, dass die Wirtschaflsentwicklung die Preise der Finanzanlagen bestimmt. In den USA bestimmen nun Aktienmarktindizes, das niedrige Zinsniveau und der tiberbewertete Immobilienmarkt die Entwicklung der US-Wirtschaft. Die Finanzm/~rkte sind damit nicht abh/ingig v o n d e r Wirtschaft, sondem die Wirtschaft ist abh/ingig von den Finanzm/~rkten. Willkommen in Absurdistan!
Asien hat auf diesen freien Mdrkten in den neunziger Jahren furchtbare Wdhrungsturbulenzen durchgemacht, kann das wieder passieren und die internationalen Finanzmdrkte hart treffen ? Damals bestimmten iiberwiegend Finanzinvestoren den Kapitalzufluss nach Asien, die im Verlauf der Krise schnell ihr Kapital abgezogen hatten, was zu den Turbulenzen fiihrte. Doch Probleme in den Tigerstaaten waren schon lange Zeit im Voraus zu erkennen, weil das Exportwachstum in Asien zuriickging. Doch man kann eine derartige krisenhafte Entwicklung auch in unserem Finanzsystem vermeiden. Nehmen sie China, das Land 1/~sst kein heiBes Geld herein. Die sich entwickelnden L/~nder miissen zusehen, dass sie beim Investitionskapital nachhaltige Kapitalfliisse bekommen- das haben die Regierungen und Kreditnehmer dort groBenteils damals vers~iumt.
Ist das die groJ3e Lehre ? Ja, eine Asienkrise dieser Art wird es auf absehbare Zeit nicht mehr geben, weil vor allem China auch noch ein zweites gelernt hat. Die asiatischen Staaten hatten in den neunziger Jahren zu geringe Devisenreserven und konnten ihre W/ihrung deshalb nicht dauerhaft verteidigen. Das hat sich v611ig gewandelt. Asiatische Zentralbanken haben massive Devisenreserven akkumuliert. Aus dieser Politik der asiatischen Zentralbanken zeichnet sich jedoch ein neues Problem ab.
Welches ? Mittlerweile sind die aufttirmten Devisenreserven Chinas mit 740 Milliarden Dollar oder Japans in H6he von 840 Milliarden Dollar so hoch, dass die Klassifizierung Reserve in Frage gestellt werden kann. Reserven
Interview Folker Hellmeyer
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werden gehalten, um im Krisenfall das eigene Land zu stabilisieren. Diese Dollar-Reserven sind in der H6he unverk~iuflich. Damit diirfen wir derartig hohe Devisenreserven treffender als Devisenhypotheken bezeichnen.
Interview Benoit Mandelbrot
Benoit Mandelbrot ist emeritierter Professor f•r "Mathematical Science" an der US-Universit~it Yale. Er studierte in Paris an der Ecole Polytechnique. Mandelbrot gilt als Begr0nder der Fraktaltheorie. Die daraus abgeleitete MandelbrotMenge ist ber0hmt: Vergr(51~ert man einen Ausschnitt dieser Menge, so sieht man neue komplexere Muster, die aber der Ursprungsmenge ~ihneln. Fraktale dienen der Beschreibung von chaotischen Systemen. Mandelbrot verwendet die Methode auch zur Erkl~rung von Preisver~inderungen. In dem Gespr~ich verdeutlicht Mandelbrot, wie sehr Statistik den Blick auf B(Srsenrisiken treben kann. Er sagt: ,,Ein Crash ist wahrscheinlicher als man denkt."
FRAGE: Herr Mandelbrot, die Finanzma'rkte entscheiden zum Groflteil iiber unseren Wohlstand. Dennoch, so sagen Sie, wissen wir mehr iiber die Funktionsweise eines Automotors als iiber das Wesen der BOrsen. Ist es wirklich so schlimm?
MANDELBROT: Es ist sogar noch schlimmer. Automotoren kennen wir, weil wir selbst sie gebaut haben. Wir hatten da eine klare Idee und ein Modell, das bis heute immer weiterentwickelt wird. Wir haben Automotoren fiber Jahrzehnte hinweg getestet, in der Praxis und in Laboren. Die Maschinen werden deshalb immer besser. Schauen Sie sich nur die Reduzierung des Benzinverbrauchs an oder die Leistungsffihigkeit der Motoren. Dieser Fortschritt der Ingenieurskunst ist unbestritten, doch auch die BOrsen haben doch eine Entwicklungsgeschichte hinter sich - f e h l t da der Fortschritt?
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Interview Benoit Mandelbrot
Ftir die Finanzm~irkte gilt, was far viele Institutionen gilt. Wir haben sie nicht gemacht, sie sind aus sich selbst heraus gewachsen. Es gab keinen Plan und keine Idee, dass die Finanzm~irkte eine solche GreBe erreichen w~rden. Das konnte niemand vor dem Zweiten Weltkrieg erahnen. Nattirlich sind im 18. Jahrhundert die ersten Firmen gegrOndet wurden, von denen einige auch Pleite gingen. Doch dass solche Kursblasen an den B~rsen entstehen warden wie heutzutage, das konnte niemand erahnen, auch nicht aufgrund der Erfahrungen mit der viel zitierten Tulpenblase in Holland, als Tulpenzwiebeln zu horrenden Preisen gehandelt wurden. Wie solche Kursblasen entstehen ist Gegenstand vieler Forschungszweige. Die moderne Portfoliotheorie geht aber davon aus, dass solche Obertreibungen sehr selten vorkommen. Damit sei das Risiko von Aktieninvestitionen iiberschaubar. Das sagt die moderne Portfoliotheorie, und sie hat Unrecht damit, auch wenn ich zugeben muss, dass der Ansatz dieser Schule natarlich verlockend klingt, denn einfache L6sungen haben immer etwas sehr Angenehmes. Doch die Realit~t ist anders. Preise entwickeln sich diskontinuierlich. Bevor wir diesen Begriff kl~iren, lassen Sie uns die Standardtheorie zur Risikoanalyse betrachten, die an allen Universitgiten der Welt gelehrt wird. Sie geht bildhaft gesprochen davon aus, dass sich Preisbewegungen an den BOrsen im Prinzip wie durchschnittliche Bev6lkerungsgrOflen verhalten. Genau, man weil3 beispielsweise, dass die meisten m~innlichen Erwachsenen auf dieser Erde eine Durchschnittsgr613e um die 1,80 Meter haben. Die Personen tiber zwei Meter und unter 1,70 Meter sind zu wenige, um den Durchschnitt zu beeinflussen. Und es gibt keine Drei-Meter-Riesen und keine Ein-Meter-Zwerge. Und gihnlich sei es an den B6rsen: Einige wenige drastische Kursbewegungen verdndern den Kursdurchschnitt nicht sehr. Alles an den Finanzm~irkten 16ufi damit statistisch gesehen sehr ruhig und damit kontrollierbar ab ?
Interview Benoit Mandelbrot
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Das stimmt sogar, die drastischen Kursver~indemngen vedindem den Durchschnitt nicht. Aber der Durchschnittswert von historischen Kursschwankungen ist irrelevant. Entscheidend sind doch die wenigen Tage, an denen die M~irkte einbrechen. Entscheidend an der B6rse sind also im tibertragenen Sinne die Zwei-Meter-M~inner. Zudem gibt es an der B6rse relativ h~iufig auch die Drei-Meter-Riesen zu bestaunen.
Ihrer Meinung nach sollte man Aktienkursschwankungen also nicht mitteln. Der Durchschnitt vernebelt den Blick auf die Risiken. Warum funktioniert die Durchschnittsbildung bei Personengr6flen? Sie funktioniert, weil die Gr6Be eines Menschen durch viele Faktoren beeinflusst wird. Seine Em~hmng, sein genetisches Erbe, seine Lebensumst~nde, seine Kindheit, seine Krankheiten- alles das beeinflusst die Gr6Be. Viele kleine Dinge spielen hier also eine Rolle, die man irgendwann nicht mehr voneinander trennen kann. Jeder einzelne Faktor ist dann vemachl~ssigbar, aber zusammen machen sie die Gr6Be eines Menschen aus. Bei Preisen verhfilt es sich jedoch nicht so. Wenn eine Aktie pl6tzlich 30 Prozent verliert, dann geschieht das nicht aufgrund vieler kleiner Ursachen, sondern dann gibt es genau einen entscheidenden Grund.
Ein A bsatzmarkt bricht ein, ein CEO tritt ab, oder bei einem Pharmaunternehmen platzt die Zulassung eines Medikaments ? Richtig, hier gibt es kein Aufaddieren von Ursachen. Und wenn man diese Aussage akzeptiert, dann hat man pl6tzlich ein v611ig anderes Universum. Preise haben anders als Menschen, die physische Grenzen besitzen, kein Limit. Aktienkurse k~nnen in ganz kurzer Zeit um 1000 Prozent ansteigen oder ins Bodenlose fallen. Bei Preisen gibt es keine Ruhephase und deshalb auch kein Equilibrium.
Warum ist das so? Die meisten Experten gehen doch davon aus, dass sich alle Preise einem Gleichgewicht zumindest ann~ihern. Weil die Erwartungen der Investoren in solchen Situationen entt~uscht oder t~bertroffen werden. Das f'tihrt zu extremen Reaktionen. Aktienkurse springen in diesen Situationen und lassen dabei Zwischenwerte aus. Es
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Interview Benoit Mandelbrot
sind keine kontinuierlichen Bewegungen sondern Spriinge. Das ist die so genannte Diskontinuit~it der Preise. Das Geld wechselt also nicht in Cent-Schritten den Besitzer. Eine Aktie ist vom einen auf den anderen Moment 30 Dollar statt 50 Dollar w e r t die Kurswerte dazwischen hat es nie vollstdndig gegeben?
Nehmen Sie die Nachricht eines Terrorangriffs, der in Sekundenschnelle die M~irkte erreicht, da geht es sofort nach unten mit den Kursen, nicht Schritt ftir Schritt sondern tiberfallartig. Es ist eine Diskontinuit~it der Preisbildung. Und in diesen Sekunden und Minuten des Aktienhandels konzentrieren sich grol3e Verluste und in anderen F~illen grol3e Gewinne. Das sind die entscheidenden Situationen. Alles andere ist das normale Gesch~ift. Wie bei einem Fuflballspiel, in dem 88 Minuten nichts passiert und dann binnen 120 Sekunden fur eine Mannschaft zwei Tore fallen?
In zwei Minuten k6nnen Sie alles verlieren an der B6rse. Ihrer Oberzeugung nach, sind die B6rsen also risikoreicher als gemeinhin angenommen wird, sehr viel risikoreicher sogar. Damit treten Sie gegen das Establishment an. Schliefllich kalkuliert jede Bank auf Basis dieser Durchschnittsmethode ihre Risiken in der Bilanz.
Ich weil3, und ich trete gerne gegen die etablierte Theorie an, weil ich sptire, dass ich richtig liege. Ein sehr guter Freund von mir, William Morris ist sein Name, hat an den B6rsen immer wieder viel Geld gewonnen und dann wieder verloren. Seine Spekulantenlaufbahn war sehr wild, wie eine Achterbahnfahrt. Die Finanzfachleute sagten ihm, die Wahrscheinlichkeit eines Ruins an der B6rse liege bei 1: 1.000.000. Doch ihm ist es mehrfach passiert, immer wieder hatte er viel gewonnen und alles verloren. Ich sagte ihm auch immer, die Wahrscheinlichkeit eines Ruins liege eher bei 1:10. Er sagte, dass ich Recht h~itte, er sei das lebende Beispiel dafiir. Die Profis wissen also, dass die etablierten Risikomodelle nicht funktionieren.
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Diese etablierten Risikomodelle, die so genannten Value-at-RiskMethoden, berechnen die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Aktie in einer gewissen Zeitperiode fiinf zehn oder 20 Prozent verliert. Und sie gehen davon aus, dass extreme Kursbewegungen sehr selten vorkommen und damit eher unwahrscheinlich sind. Hintergrund ist die Annahme, dass Preisver/~nderungen der Normalverteilung folgen, sich eben so verhalten wie durchschnittliche Bev61kerungsgr6Ben. Im Jahr 1900 hatte der franz6sische Mathematiker Louis Bachelier diese Idee aufgebracht, gewfirzt mit der Behauptung, dass sich Aktienkurse v611ig zufallig verhalten und dass sich weder aus der Geschichte noch aus der Fundamentalanalyse irgendwelche Rfickschlfisse auf kt~nftige Preisbewegungen machen liel3en. Damals war diese Erkenntnis ein grol3er Fortschritt, doch dieses Gesetz gilt so nicht.
Lassen Sie uns genauer auf dieses Gesetz schauen. Was besagt die Normalverteilung mathematisch bezogen auf Preisver~inderungen an der BOrse? Man schaut sich die Kursver/~nderungen einer Aktie in der Vergangenheit an und berechnet daraus den Mittelwert, eine durchschnittliche Schwankungsbreite also. Um diesen Mittelwert herum, so die Hypothese, scharen sich in abnehmender Zahl abweichende Werte. Dieser Durchschnittswert ist nach Ansicht dieser Schule in der realen Welt am h/~ufigsten anzutreffen. Je extremer die Abweichung, desto seltener kommt sie vor. Die so genannte Glockenkurve des Mathematikers Friedrich Gaul3 ist hier die Norm.
Es ist also, als ob zwei M6nner Miinzen werfen und bei Kopf der eine gewinnt, bei Zahl hingegen der andere. Langfristig werden beide gleich oft gewinnen, weil die Wahrscheinlichkeit 50:50 ist. Extreme Gewinnserien des einen gleichen sich langl?istig aus. Ja, die etablierte Risikoanalyse geht davon aus, dass Kurse mit gleicher Wahrscheinlichkeit steigen oder fallen, mit der eine nicht manipulierte M~inze Kopf oder Zahl zeigen kann. So lautet das Gesetz der groBen Zahl. Aber schon an diesem beliebten Beispiel 1/~sst sich das Problem aufzeigen.
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Wie denn? Langfristig liegen die Chancen bei 50:50, doch der Mathematiker Willy Feller machte sich die M~ihe, 10.000 W(irfe zu simulieren und nach jedem einzelnen Wurf die kumulierten Gewinne und Verluste der Spieler zu notieren.
Und was kam da heraus ? Es gab Phasen, in denen einer der Spieler sehr hohe Gewinne verbuchen konnte. Das heiBt, die Chancen sind nicht gleichm/~Big verteilt, sondem ballen sich zusammen. Es gibt lange Phasen, in denen etwas passiert, was eigentlich sehr unwahrscheinlich ist. Hier funktioniert die Durchschnittsbildung also nicht.
Wir verlassen uns also bei jedem Kauf einer Aktie auf ein Risikomodell, das nicht funktioniert? Die Risiken an den B6rsen sind also sehr viel grOfler als gemeinhin angenommen? Es ist die alte Krankheit mit den Statistiken. Stellen Sie sich vor, man will die durchschnittliche Gr6Be aller amerikanischen Softwarenunternehmen berechnen, auf Basis ihrer Mitarbeiterzahl. Welche Untemehmen soll man da mit aufnehmen?
Microsoft wiire eine gute Idee. Nehmen wir Microsoft in den Korb. Nun weiB ich, dass fast alle meine Studenten auch eine Softwarefirma ~ h r e n - nattirlich als Ein-MannBetrieb - und in den USA gibt es Zehntausende von diesen Firmen. Soll man die auch mit aufnehmen, um daraus die durchschnittliche Gr6Be einer amerikanischen Softwarefirma zu berechnen?
Je mehr kleine Unternehmen mitgez~ihlt werden, desto kleiner wird der Durchschnittswert. Es macht absolut keinen Sinn, diesen Durchschnittswert zu berechnen. Bei Softwareuntemehmen gibt es Microsoft, und sonst gar nichts. Dieser Konzem ist die entscheidende Gr6Be. Der GroBe sticht den Kleinen aus. Und genau so verh/flt es sich mit den Risiken an der B6rse. Eine Durch-
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schnittsbildung verstellt den Blick auf die wahren Risiken. Die Grof~gefahren muss man im Auge haben. Dagegen muss man sich wappnen. Man wappnet sich aber nicht. Die Flut in New Orleans war vorhersehbar, doch die Dgimme hielten nicht.
D/~mme sind ein gutes Beispiel. Auch hier rechnet man auf Basis der Normalverteilung. Man weir3, dass es schlimme Hurrikane gibt, doch bei der Konstruktion des Damms wird so kalkuliert, dass eine durchschnittlich hohe Flut abgewehrt werden kann. Bei Sturmflut reif3en alle Deiche. Das ist dann eine lebensgef~ihrliche Katastrophe. An der B6rse ist es genauso, auch wenn es hier nur um Geld geht. Und das ist die Krux an der Theorie der Normalverteilung?
Genau, man muss zun/~chst einmal wissen, ob etwas fest, gasf6rmig oder fltissig ist. Vorher kann man keine Detailuntersuchungen machen. Die Normalverteilung geht davon aus, dass M/~rkte sich mild verhalten und die Aktienkurse meist um den Mittelwert herumschwirren. Extreme Ereignisse sind demnach selten. Ich gehe davon aus, dass die M/~rkte wild sind, und dass extreme Kursbewegungen h~iufig passieren. Mehr noch: Extreme Kursbewegungen sind die entscheidenden Ereignisse. Darauf handelt man doch auch. Einzelne grol3e Preisver~inderungen dominieren ganz schnell die kleinen Preisver/~nderungen. Auf3erdem tendieren grofe Preis/~nderungen dazu, geballt aufzutreten und dicht aufeinander zu folgen. Die herkOmmlichen Value-at-Risk-Methoden beriicksichtigen doch mittlerweile diese Extremereignisse. Die Preisbewegungen nach Katastrophen werden aufgrund der historischen Daten mit einberechnet, es gibt so genannte Stresstests, in denen extreme Kursverluste simuliert werden, und die Zunfi kalkuliert mit Worst-Case Szenarien. Hat man da von ihnen abgekupfert?
Nein, diese Modelle berticksichtigen eben immer noch nicht, dass schlechte Nachrichten geballt daherkommen. Eine Bank kann vielleicht eine Krise tiberwinden, aber die zweite und dritte, die kurz danach fol-
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gen, eben nicht. Extreme Preisver~inderungen btindeln sich in einem engen Zeitfenster. Das miissen Sie konkretisieren. Wenn man in den letzten zehn Jahren auf~er an sechs Handelstagen keine Aktien gehandelt h~itte, dann w~ire mit dem Portfolio nicht viel passiert. An 95 Prozent der BSrsentage l~iuft der Markt undramatisch, doch an den wenigen anderen Handelstagen wird es ruin6s. Diese paar Tage mit extremen Kurssprtingen sind entscheidend. Hier entscheidet sich, ob Anleger alles gewinnen oder verlieren. Doch solche Ereignisse sind doch extrem unwahrscheinlich. Wieso? Der Crash von 1987 ist ein gutes Beispiel, als der amerikanische Aktienindex Dow Jones an einem Tag 20 Prozent verlor. So etwas sollte gem~il3 der geltenden Risikotheorie tiberhaupt nicht passieren. Niemals. Und es ist passiert. Bachelier ging davon aus, dass Preis~inderungen fortlaufend passieren, immer in kleinen Zeitr~iumen in kleinen Schritten. Doch das widerspricht der Realit~it. Preisvedinderungen kommen, wie 1987 zeigte, brutal und plOtzlich daher. Und das Schicksal von Einzelaktien kann sich auch einem Tag entscheiden? Nehmen Sie die Aktie des Pharmakonzerns Merck, die sofort ein Drittel an Wert verlor, als das Unternehmen bekannt gab, das Medikament Vioxx vom Markt zu nehmen. Bachelier ging davon aus, dass M~irkte an jedem neuen Tag eine Neugeburt erleben, dass es keine Rolle spielen wiirde, wenn Merck am Vortag ein Drittel an Wert verloren hat, dass es nur neue Informationen sind, die dann am n~ichsten Tag den Preis bewegen. Doch das ist nicht so. Preise sind nicht durch neue Informationen getrieben, Preise h~ingen auch davon ab, woran sich Leute erinnern, was sie mit einer Aktie verbinden. Das Merck-Papier wird als am zweiten Handelstag nach der Vioxx-Information tendenziell wieder fallen, obwohl nichts Neues passiert ist.
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Passiert das Unwahrscheinliche wirklich so oft an den BSrsen?
Wir haben das berechnet. Nach dem konventionellen mathematischen Modell h/~tte es zwischen 1916 und 2003 nur an 58 Handelstagen passieren dt~rfen, dass der US-amerikanische Dow-Jones-Index an einem Tag mehr als 3,4 Prozent steigt oder fallt. In Wahrheit geschah es an 1001 Tagen. In der Theorie sollte eine Sieben-Prozent-Schwankung des DowJones-Index an einem Handelstag nur alle 300.000 Jahre v o r k o m m e n tats/~chlich ist es zwischen 1916 und 2003 48 Mal geschehen. Oder der Crash vom 19. Oktober 1987. Damals gab es noch nicht einmal einen extemen S c h o c k - die US-B6rse st~rzte einfach ab. Die schlichte Glockenkurve bildet die Realit/~t folglich nicht ab. Die Extremereignisse lodem hoch an den Enden der Kurve. Sie sind Begriinder der Fraktaltheorie, die gerne auch in der Chaoswissenschafi eingesetzt wird. Was haben Fraktale, also Muster, deren Einzelteile so aussehen wie das Ganze, mit der BOrse zu tun?
Dieses Prinzip der Selbst/~hnlichkeit, das den Fraktalen zugrunde liegt, ist auch dort anzutreffen. Wenn man sich Preisver/~nderungen an den Finanzm/~rkten t~ber einen 1/~ngeren Zeitraum anschaut, mal t~ber einen Tag, t~ber eine Woche und ein Jahr oder gar ein Jahrhundert, dann sieht man an den Charts, dass die Auf- und Abschw~nge statistisch in jedem Zeitrahmen dieselben sind, es sei denn, man schaut auf ganz kleine Zeiteinheiten wie eine Minute oder weniger. Wie wiirden Sie die BOrse bildhafi beschreiben?
Man kann sich zwei BogenschtRzen vorstellen. Der eine zielt sehenden Auges auf eine Scheibe. Seine Treffer werden sich immer im Umkreis der Scheibe befinden. Es wird, wenn er einmal v611ig daneben zielt, einige AusreiBer geben. Doch im Prinzip wird die Masse der Pfeile bei der Scheibe zu finden sein. Hier gelten die Regeln der Normalverteilung. Man kann einen Mittelwert bilden, um die durchschnittliche Treffsicherheit des Schfitzen zu ermitteln. Wenn man aber die Augen des BogenschtRzen verbindet und er nicht mehr weil3, in welche Richtung geschossen werden soll, dann sieht die Sache anders aus.
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Interview Benoit Mandelbrot
Inwiefern?
Der Bogenschfitze kann den Pfeil in alle m0glichen Richtungen abfeuern, er weiB ja nicht, wo das Ziel ist. Manchmal wird er mit seinem Pfeil gar mehrere hundert Meter am Ziel vorbeirauschen. Ein solcher Fehlschuss fiberlagert die vielen Schfisse nahe dem Ziel vollst~ndig. Es gibt hier keinen Mittelwert, den man prognostizieren k6nnte. Die potenziellen Schwankungen der Treffsicherheit des Bogenschfitzen mit verbundenen Augen sind unendlich. Ich denke, dieses Bild trifft das Wesen der B6rse recht gut. Alles, jegliche Preisverwerfung, ist m6glich. Wir feuern also Geldsalven an der BOrse ab, ohne genau zu wissen worauf wir uns da einlassen ? Ein wenig Wilder Westen also ?
Die Welt ist wild, auch wenn die Menschen darauf geeicht sind, die Welt durch Modelle als sanft und weich zu definieren. Doch schauen Sie sich urn. Wie viele Kreise, wie viel Harmonie sehen Sie in diesem Universum? Den Vollmond, ihre A u g e n - viel ist es nicht. Wie viele gerade Linien gibt es in der Natur? Fast keine, einige Gr~ser wachsen gerade, aber sonst? Alles um uns herum ist wild und rau. Die Menschen wollen nur, dass es einer Harmonie folgt, und deshalb schaffen sie sich einfache, passende Regeln. Doch solche Modelle existieren nur in der Fantasie. Man muss sie weiterentwickeln. Und das passiert ja auch, schauen Sie nur auf die Entwicklungsgeschichte der Naturwissenschaften. Lange Zeit glaubten die Astronomen, die Planeten bewegten sich in Kreisen, bis Johannes Kepler herausfand, dass es Ellipsen sind. Das meiste um uns herum ist nicht so, wie es scheint.
Interview Gottfried Heller
Gottfried Heller gr0ndete 1970 zusammen mit Andr6 Kostolany die FIDUKA Depotverwaltung. 1974 Grendung der Kostolany B6rsenseminare. Er ist Manager von f(~nf internationalen Investmentfonds. Heller ist Ingenieur, er arbeitete in der Wirtschaft als Management Consultant- 1959 bis 1963 in Deutschland, von 1963 bis 1969 in den USA. In dem Gespr~ch erkl~rt Heller, warum man auf B6rsenkennzahlen schauen soil, obwohl man ihnen nicht immer trauen kann. ,,Das Investmentgesch&ft lehrte mich Demut und Vorsicht."
FtOGE: Herr Heller, Sie sind lange im Gesch~ifi, macht die BOrse siichtig? HELLER: Stichtig wfirde ich nicht sagen. Vielleicht nur in der Hinsicht, dass ich mir jeden Morgen die Aktienkurse anschaue. Ich mache das immer morgens und nicht etwa abends. Da beherzige ich den Ratschlag von Andr6 Kostolany, der gesagt hat, man solle sich abends nicht mehr nerv6s machen und lieber gut schlafen, um sich morgens ausgeruht alles anzuschauen. Danach kann man die Analyse machen, um mittags Entscheidungen zu treffen. Dieser geregelte Ablauf ist wichtig, denn man kann an der B6rse nur Erfolg haben, wenn man seelisch und nervlich gut beisammen ist.
Was machtJ~r Sie pers6nlich die Faszination an der B6rse aus ? Ich war lange Jahre in Deutschland und in den USA im ManagementConsulting t~itig. Wirtschaftliche Vorg/~nge haben mich immer interessiert. Ich habe verschiedenste Unternehmen gesehen, wie beispielsweise eine Schuh- und Textilfabrik, eine Versicherung sowie Elektronikkon-
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Interview Gottfried Heller
zerne. Diese unternehmerische Vielseitigkeit ist etwas Faszinierendes, denn die B~rse bringt physische Vorg~nge mit dem Kapital zusammen.
Sie sind ein so genannter lang)Cristiger Investor? Was heiflt das konkret beziiglich der Investmentstrategie ? Ein langfristiger Anleger ist jemand, der genauso denkt wie ein Unternehmer. Wenn man eine altmodische Maschine, die zu wenig Leistung bringt, durch eine neue ersetzt, dann denkt man ja nicht in Monatsabst~nden, sondern in Zeitr~umen von drei bis sechs Jahren. In dieser Phase soll sich das alles amortisieren. Und mit diesem Zeithorizont investiere ich auch. In dieser Hinsicht hat mich mein vorheriges Berufsleben schon ffir das B6rsengesch~ft gepr~gt. An der Wall Street gilt ja bei vielen Anlegern schon die Zeit von Lunch bis zum Abendessen als langfristig. Das ist nicht meine Welt.
Mit dieser Einstellung sind Sie aber in der Minderheit an der B6rse. Schnell, schnell ist das Motto. Das stimmt, aber die kurzfristigen Investoren sind mr mich kein Problem sondern vielmehr eine Chance. Schliel31ich f~hrt das kurzfristige Kaufen und Verkaufen zu ziemlichen Kursschwankungen. Und aus dieser Kurzatmigkeit der anderen kann ich Profit schlagen, indem ich die Kursfibertreibungen nach oben oder unten ausnutze. Ein Markt ohne die Spekulanten w~re ziemlich langweilig.
Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Hedgefonds, denen ja Wunderdinge nachgesagt werden? Diese Fonds sind sehr popular geworden, und sie haben auch eine Marktmacht ffir den Augenblick. Den Generaltrend k6nnen sie aber nicht beeinflussen. Nat~rlich sind sie verantwortlich ~ r starke Kursausschl~ge. Ich halte die Bezeichnung Hedgefonds f~r einen Etikettenschwindel: Das Wort ,hedge' bedeutet absichern. In Wirklichkeit sind viele Hedgefonds hSchst riskant und k6nnen sogar Pleite gehen.
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Die Zahl der Marktteilnehmer an der B6rse w~ichst stetig- eigentlich sollte das doch den Markt effizienter machen und die Kursschwankungen glgitten. Man hat den Eindruck, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich habe schon vor 15 Jahren gesagt, dass die Volatilit~t zunehmen wird, obwohl oder gerade weil die Marktteilnehmerzahl anw~chst. Sicher, man w~rde das auf den ersten Blick nicht erwarten, denn je gr6Ber die Teilnehmerzahl desto mehr steht jedem K~ufer ein Verk~ufer gegenfiber und umgekehrt- das sollte die Kursentwicklung eigentlich gl~tten. Doch diese Theorie greift nicht, weil die Kurse kurzfristig nicht durch langfristig/~konomisch-kaufm~nnische Uberlegungen getrieben werden, sondern durch Emotionen.
Was heiflt das? Der Kaufimpuls folgt Emotionen und nicht dem Verstand? Weil immer mehr Leute teilnehmen, und mehr Leute dieselbe Information zur selben Zeit bekommen und zur selben Zeit dann auch handeln, werden die Kursausschl~ge gr6Ber in jeweils eine Richtung - bei einer schlechten Nachricht geht es ffir die Aktie nach unten, bei einer guten Nachricht nach oben. Viele Akteure kaufen in solchen Situationen, wenn kein anderer verkauft, was den Preis treibt. Dasselbe gilt umgekehrt. Leute verkaufen massenhaft, wenn kaum jemand Interesse hat, was den Preis dr~ckt. Die Effizienz der M~rkte nimmt durch die Zahl der Teilnehmer deshalb nicht zu sondern ab. Kurzfristig ist die B/~rse nicht rational getrieben.
Solche Kursiibertreibungen sind aber, wie Sie schon andeuteten, nicht von Dauer? KOnnen Sie ein Beispiel geben? Es wurde ja beispielsweise immer behauptet, dass der Olpreis zu einem gewissen Grad spekulantengetrieben sei. Tatsache ist jedoch, dass die gehandelten Kontrakte letztlich auch von den Spekulanten abgerechnet werden mfissen. Die Positionen werden glattgestellt, der eine macht den Gewinn, der andere einen Verlust. Schlussendlich ist es damit so, dass der Preis nur dann steigen kann, wenn tats~chlich mehr O1 nachgefragt wird. Man kann durch Spekulation, sei es durch Computerhandel oder Menschenhand gesteuert die Kurse nur kurzfristig in eine Richtung be-
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wegen. Langfristig wird sich Angebot und Nachfrage immer ausgleichen. Der Preis n/ihert sich dem Equilibrium, dem Gleichgewicht an. Das GeJ~hl eines Equilibrium-Preises hat man an den Mdrkten aber selten. Irgendwie geht es doch immer nach oben oder nach unten.
Mag sein, aber der Schein triigt. Es gibt zwei Dinge auf der Welt, die nicht aul3er Kraft gesetzt werden kOnnen: Das Gesetz von Angebot und Nachfrage sowie das menschliche Verhalten, das getrieben ist von Angst und Gier. Ohne Angst und Gier g~ibe es keine Schwankungen an der B6rse. Diese Schwankungen muss man akzeptieren. Der Gleichgewichtspreis wird nur ann/ihemd erreicht, aber es geht langfristig immer in diese Richtung. Bei diesem A u f und Ab an den BOrsen kann es doch nicht so leicht sein, die richtigen Aktien heraus zu suchen. Wie gehen Sie vor?
Als Value-Investor, der werthaltige Untemehmen sucht, bin ich ein Schn~ippchenj/iger und gehe streng nach kaufm~innischen Grunds~itzen vor. Zwar gibt es keine exakte Formel, nach der man den inneren Wert einer Firma genau berechnen k6nnte - allein der so genannte Goodwill ist ja wie ein kaum quantifizierbarer Schaum... beispielsweise bei der Deutschen Telekom...
...wo der Goodwill heute praktisch Null und vor fiinf Jahren sch~itzungsweise 30 Prozent des Untemehmenswertes entsprochen hat. Aber dennoch: Wird die Aktie einer Firma an der B6rse beim Substanzwert und Ertragswert unter ihrem Wert gehandelt, so l~isst sich das absch~itzen. Dann schaut man noch darauf, ob das Papier historisch billig ist, auch im Vergleich zur Branche. Auch das l~isst sich quantifizieren. Und so kann man den fairen Wert einer Aktie berechnen?
Das Wort ,,berechnen" ist tiberzogen. Bei der Feststellung des ,,inneren Werts" handelt es sich eher um ein Sch~itzverfahren als um genaue mathematische Berechnungen. So wie man von einem Menschen durch bloBes Ansehen sagen kann, ob er dick oder dtinn ist. Ftir eine solche
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Einsch/itzung braucht man keine Waage. Genauso ist es beim ersten Eindruck von Aktien.
Andere Investoren, die ebenfalls den Value-Ansatz folgen, miissten dann doch zum selben Ergebnis kommen, die Aktie sofort kaufen und damit den Kurs hochtreiben. Wie kann man da Schndppchenjdger sein? Sagen wir so, viele Marktteilnehmer versuchen den fairen Wert eines Untemehmens oft auch mit unterschiedlichen Kriterien oder mit vereinfachten Methoden zu berechnen.
Zum Beispiel? Etwa nach dem Motto, die Aktie hat heute ein Kurs-Gewinn-Verh/iltnis von 10 nachdem sie frtiher ein Kurs-Gewinn-Verh/~ltnis von 20 hatte also sei die Aktie billig. Das kann in die Irre fiihren. Man muss verschiedene Kriterien betrachten, beispielsweise den Aktienkurs in Relation zur jeweiligen Branche. Verschiedene Value-Investoren k6nnen zu unterschiedlichen Aktienselektionen kommen und trotzdem/ihnlich gute Ergebnisse erzielen. Aktienkurse und Bewertungsans/~tze sind immer relativ.
Relativ zu was? Das ist die Frage, die sich immer nur in der jeweiligen Zeitperiode beantworten 1/isst. Professor Benjamin Graham, der ein wichtiges Buch zur Aktienanalyse geschrieben hat, das fiir viele Analysten zur Bibel wurde, war gepr/igt vom B6rsencrash in den USA 1929 bis 1932. Ftir ihn war es deshalb immer wichtig, die Bewertung einer Aktie mit einer Anleihe zu vergleichen und beide Asset-Klassen in Relation zueinander zu setzen.
Und dann erschienen Aktien irgendwann sehr teuer zu sein? Genau, der heute weltberiihmte US-Investor Warren Buffett war Grahams Schtiler. U n d e r hat gesagt, ,,wenn ich auf Graham geh6rt h/itte, dann h/itte ich in den fiinfziger Jahren nie in Aktien investiert, weil sie zu teuer waren". Und nattirlich waren die Aktien in den fiinfziger Jahren im Vergleich zu 1933 dreimal so hoch bewertet, aber damals, nach dem Crash, konnte man die Papiere zu einem Drittel des Buchwerts kaufen.
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Das zeigt, wie relativ alles ist, wie Modeerscheinungen einen Einfluss auf die Bewertung haben. Was in den dreil3iger und fOnfziger Jahren richtig war, ist heute eben nicht mehr richtig. Und was bedeutet das fur die Gegenwart?
Das Kurs-Gewinn-Verh~iltnis reicht heute nicht mehr als Indikator. Die so genannte Price Earning to Growth-Ratio gehOrt auch dazu. Ich finde auch die Unterscheidung zwischen Value- und Growth-Aktien etwas ktinstlich. Ich wtirde immer nur Value-Aktien kaufen, die auch Wachstum (Growth) haben, aber ich wiirde die Finger weglassen von GrowthAktien ohne Value. Erkldiren Sie kurz die Price Earning to Growth Ratio.
Diese Kennzahl setzt das Kurs-Gewinn-Verh~iltnis in Relation zum Gewinnwachstum. Eine Price Earning to Growth-Ratio, die kleiner als 1 ist, weist auf eine Unterbewertung des Unternehmens hin. Warum ?
Weil das Kurs-Gewinn-Verh~iltnis geringer ist als die implizierte Wachstumsrate des Untemehmens. Eine Price Eaming to Growth-Ratio von grOf3er als 1 deutet auf eine l~)berbewertung, eine Price Eaming to Growth-Ratio gleich 1 auf eine faire Bewertung hin. So einfach ist das?
Die Price Eaming to Growth-Ratio eines Untemehmens muss sinnvollerweise mit dem Branchendurchschnitt verglichen werden. Wenn beispielsweise eine Aktie ein Price Eaming to Growth-Ratio von 1,1 aufweist, die gesamte Branche jedoch mit einem Price Eaming to GrowthRatio von 1,4 bewertet ist, kann man nicht in isolierter Betrachtung des Untemehmens von einer Uber- oder Unterbewertung ausgehen. Was gibt es noch fiir Indikatoren ?
Als Faustregel kann gelten, dass das Kurs-Gewinn-Verh~iltnis nicht die prozentuale Wachstumsrate der Gewinne tibersteigen sollte, der Faktor
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also 1 sein sollte. Wenn das Kurs-Gewinn-Verh~iltnis 20 betr~igt, dann sollte die Gewinnsteigerung je Aktie also auch 20 sein. Wenn das KursGewinn-Verh~iltnis bei 20 Prozent Gewinnwachstum 30 betr~igt, dann ist die Aktie mit einem Faktor von 1,5 relativ teuer. Das klingtja nachvollziehbar, ich ziicke gleich den Taschenrechner. Nur zu, aber bei aller Liebe zu diesen Regeln, man muss immer aufpassen, und zwar mit jeglichen Kennzahlen. Ich dachte, Zahlen liigen nicht. Tun sie auch nicht, man muss sie nur richtig lesen. In den neunziger Jahren funktionierten die Optionsprogramme fiir Ftihmngskr~ifte mit einem Trick. Die Zahl der umlaufenden Aktien wurde durch Aktienrtickk~iufe reduziert und erh6hte rechnerisch das Kurs-GewinnVerh~iltnis. Analysten, die nicht genau hinschauten, und das waren damals nahezu alle, meinten dann, der Gewinn sei gesteigert worden, obwohl das nur auf die geringere Zahl der umlaufenden Aktien zu~ckzuftihren war. Damit nicht genug wurden damals die Aktien~ckk~iufe oft auf Kredit get~itigt. Die Unternehmen haben sich also zus~itzlich verschuldet, der Gewinn wurde so auf dem Papier hochgepumpt und das wiederum hat den Aktienkurs und den Wert der Optionen nach oben getrieben. Das hat funktioniert, obwohl sich im BOrsenkosmos doch so viele selbsternannte Experten tummeln? Wunderbar hat das funktioniert. Die Verschuldung der US-Industrie war enorm zum Ende der Blase im Jahr 2000. Obwohl man einen Wirtschaftsboom hatte, waren manche bis zur Halskrause verschuldet, vor allem im Technologiesektor. Was lernt man daraus ? Man lemt, dass man im Kapitalismus niemandem trauen kann. Kostolany hat immer gesagt, ,,ich liebe den Kapitalismus, aber die Kapitalisten liebe ich nicht". Das gilt besonders an der B6rse, und speziell bei Tipps, die Leute geben. Die Motive eines Tippgebers sind meist nicht philanthro-
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pisch sondern eigenntitzig. In erster Linie liegt ihm sein eigener Gewinn am Herzen. Die BOrsen leben von Tipps und Geriichten. Das war immer so. Doch heutzutage scheint alles etwas schneller zu gehen? Wir werden iiberrollt von Einschgitzungen und Marktmeinungen.
Das hat enorm zugenommen. Die Medien sind dabei ein guter Trendverstarker und Durchlauferhitzer. Sie sind aber niemals Trendsetter. Medien springen immer auf Trends auf. Dabei wird suggeriert, dass jeder, der den Finanzgeschichten folgt, auch Erfolg haben wird. Das Gegenteil ist richtig: Wenn es ein Anlagethema auf die Seite 1 einer Zeitung schafft, dann ist in vielen Fallen sicherlich das Gegenteil richtig. Die Masse hat immer Unrecht?
Das hat viel mit Psychologie zu tun. Gustav Le Bon hat das hervorragend analysiert. Die Masse entscheidet demnach immer emotional und nicht rational. Das Ergebnis ist deshalb negativ. Selbst intelligente Profis entscheiden in der Herde genauso dumm wie eine Masse von Laien, die sich mit dem Thema gar nicht auskennt. Also gilt es, Herdenbildung an der B6rse zu meiden?
Ja, nur wie erkennen Sie eine Herde an der B~rse? Um eine Masse zu bilden, muss man ja nicht im selben Raum sein. Die Handler sitzen heutzutage raumlich viele Tausend Kilometer voneinander getrennt in Tokio, New York, Frankfurt oder Rom vor dem Bildschirm und bilden trotzdem eine Masse. Sie sehen gleichzeitig dieselbe Kursbewegung und reagieren auch meist in der gleichen Weise darauf. Sie handeln spontan und nicht rational. Deshalb ist es wichtig dass Sie sich als intelligenter Investor absondern von der Masse. Es ist vergleichbar mit einem Raum mit vOllig verschnupften Leuten - da sollten sie schnell wieder rausgehen, um nicht angesteckt zu werden. Privatanleger ersticken an den vielen BOrsen-Informationen?
Nicht nur die, auch die Profis haben heute Probleme und mehr Mt~he, sich zurecht zu finden. Frfiher gab es weniger Informationen, oft hat man
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die Charts noch mit der Hand selber gescribbelt. Damals funktionierte das alles nicht per Tastendruck, es war nicht so einfach, einen Chart zu haben, der zehn Jahre zurfickging. Bis in die siebziger Jahre hinein spielte die B6rse in den Medien kaum eine Rolle. Es war umst~ndlicher damals, aber es hatte auch mehr romantische Aspekte. Heute ist das Investmentgesch~ft viel mehr nfichterne Routine. Vielfach sind heute auch automatisierte Computerprogramme Ausl6ser von K~ufen oder Verk~ufen. Da ist also noch nicht mal eine menschliche Hand mehr im Spiel.
Klingt nicht wie ein Traumjob ? Die Tatsache, dass heute das Instrumentarium ~ r die B6rse enorm gewachsen ist, sei es, weil die elektronische Verbreitung von Informationen in Sekundenschnelle t~ber das Internet abl~uft, sei es, dass die Produktvielfalt zugenommen hat, beispielsweise durch die Derivate- all das hat dazu geffihrt, dass auch das ganze Niveau der Nervosit~t zugenommen hat. Der Philosoph Friedrich Nietzsche hat schon vor 100 Jahren gesagt, dass die Menschen aufgrund der Reiz~berflutung neurotisch w~rden. Er hat das gesagt, als es weder Radio, Fernsehen, Auto oder Flugzeug gab. Wie viel neurotischer werden wir dann heute bei all dem Tempo und der 10berreizung der Sinne sein. Diese Informations~lle muss man filtern und verarbeiten. Der Aphoristiker und Philosoph Christoph Lichtenberg hat einmal gesagt, viele von unseren mittelm~Bigen Gelehrten h~tten grof3e Gelehrte werden k6nnen, wenn sie nicht so viel gelesen h~tten.
Was halten Sie von den Daytradern, die mehrmals am Tag Aktien kaufen und verkaufen und damit die Tageskurse machen? Ich beneide sie weder, noch reizt es mich, weil die Kursschwankungen durch mechanistische und computergest~tzte Handelsmodelle ausgel6st werden. Das sind Differenzgesch~fte und hat mit Investieren nichts zu tun. Da werden 24 Stunden am Tag auf dieser Basis Aktien, Derivate, Futures oder Schweinebauchh~lften gehandelt- es k6nnten genauso gut auch Heringsdosen sein -, doch all das k6nnte ja eigentlich auch ein Schimpanse machen. Daytrader gehen auf die Terti~rtrends, die sich auf Stunden fokussieren. Mich interessieren die Primfirtrends an der B~rse, die t~ber viele Jahre laufen.
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In der westlichen Welt macht sich Furcht dariiber breit, ob der Wohlstand gehalten werden kann. Stehen wir und damit auch die westlichen BOrsen vor einem Abschwung? Nachdem die Grenzen zwischen Sozialismus und Kapitalismus gefallen sind erleben wir derzeit ein dramatisches Lohngef~lle und eine DeIndustrialisierung der Industriel~nder und eine Industrialisierung der Schwellenl~nder. In China beispielsweise arbeiten die Leute ~ r 50 Cent die Stunde. Sie streiken nicht, es gibt dort keinen Sozialstaat. Daraus folgt, dass Europa und die USA Billigwaren importieren k 6 n n e n - zu einem Bruchteil der Preise, die wir bezahlt h~tten, wenn es diese billigen Arbeitskr~fte nicht g~be. Unser Wohlstandsniveau bleibt auch bei konstanten L0hnen zumindest konstant, weil wir billiger einkaufen k0nnen. Fr~her gab es den Hang zur Inflation weil es Unterkapazit~ten gab. Jetzt haben wir Oberkapazit~ten bei Arbeitnehmern und Produktionsst~tten. Und in einer solchen Situation gewinnt der, der schon Wohlstand hat.
Was heiflt das fiir die Finanzmgirkte? B6rsen tendierten in Inflationsjahren wegen entsprechend hoher Zinsen oft seitw~rts oder gar abw~rts. Heute haben wir eine Deflation in den Gt~term~rkten und Inflation in den Kapitalm~rkten - fr~her war das genau umgekehrt.
Was war ihre lehrreichste BOrsenerfahrung? Nachdem Kostolany und ich die Firma Anfang der siebziger Jahre starteten erlebten wir das Ende einer Aufw~rtsbewegung an den B0rsen. Was folgte, war eine lange schmerzhafte Baisse bis Ende 1974. Das war eine Erfahrung, die sich sehr tief in meinem Ged~chtnis einpr~gte. Ich begann das Investmentgesch~ft gleich in der H611e und die lehrte mich Demut und Vorsicht.
Was ist die wichtigste Lehre, die Ihnen Kostolany mit auf den Weg gab? Man muss gegen die Masse gehen. Das antizyklische Handeln sollte in Fleisch und Blut t~bergehen, auch wenn das leichter gesagt als getan ist. Wenn 95 Prozent der Masse etwas tut und man agiert dagegen - da geh6rt schon eine gute Portion Erfahrung, Mut und Chuzpe dazu.
Interview Hugh Hendry
Hugh Hendry ist
Chef-lnvestmentstratege des Eclectica-Asset-Management-Fonds in London. Im Jahr 1999, am HShepunkt der Aktienhausse, antizipierte er den kommenden Crash. Von 2000 bis 2005 machte er mit seinem Fonds ansehnliche Profite. Die BSrsen bergen fer Hendry ,,unendliche Weisheit". Man m0sse die M~rkte und ihre Gesetze respektieren. In dem Gespr~ch macht Hendry deutlich, wie er an den Finanzm~irkten vor allem seine emotionale Intelligenz testen muss. Sein Motto: ,,Es gibt im schlimmsten B&renmarkt auch immer einzelne Bullenm~rkte."
FRAGE: Herr Hendry, Sie haben im Jahr 2002, als die BOrsen zweistellig fielen, mit ihrem Fonds ein Plus yon drei Prozent gemacht. Auch sonst sind Sie ziemlich erfolgreich. Das fordert Respekt und wirfi die Frage nach ihrer Strategie auf Mit welchen Augen sehen Sie die BOrsenwelt? HENDRY: Ich versuche aus der Geschichte zu lemen, ich schaue mir Charts an anstatt mit Aktienh/indlem zu sprechen. Ich suche auch keinen Kontakt mit Untemehmen, deren Aktien auf dem Markt gehandelt werden. Das habe ich frtiher gemacht und dabei kein Geld verdient.
Damit machen Sie vieles anders als ihre Kollegen, die immer wieder die Vorstginde von Aktienunternehmen treffen, um sich zu informieren. Was ist der Grund f~r ihre Zuriickhaltung? Weil man entweder die Vorurteile der Leute aufschnappt, was den Aktienkurs nicht positiv beeinflusst, oder aber man erh~lt deren Interpretation der vergangenen sechs Monate, was auch keinen Einfluss auf den Preis hat. Nein, ich will mich losl6sen von all dem. Ich will keinen Zu-
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gang zum Firmenmanagement und brauche keine Marktanalysen. Die meisten anderen wollen ihren Glauben dem Markt iibersttilpen, doch das funktioniert nicht. Ich versuche vielmehr das zu registrieren, was der Markt mir jeden Tag aufs Neue sagen will. Und was sagt der Markt Ihnen, was h6ren Sie ?
Der Markt sagt mir, dass es auf Sicht der vergangenen sieben Jahre bergab gegangen ist, mit steilen Aufw/~rtsbewegungen zeitweise, aber wenn Sie die Chartstg,nde des S&P 500 oder des Dow Jones von 1998/1999 und 2005 vergleichen, dann stellen sie fest. Es ging tendenziell nach unten, und deshalb will ich nicht allzu hohe Risiken eingehen. Damit sind Sie in der Minderheit. Die Mdrkte haussieren wieder, und zwar seit 2003, dennoch Sie sind nicht optimistisch wie viele ihrer Kollegen ? Woran liegt das ?
Es ist gut m6glich, dass der Dow Jones-Index seine alten H6chstst/~nde des Jahres 2000 erreicht, und auch in Europa kann es weiter nach oben gehen. Doch das/~ndert nichts an meiner Einsch/~tzung, dass wir in einem B/~renmarkt leben. Bdrenmarkt bedeutet, dass der augenblickliche Aufschwung triigerisch ist, dass es mittelfristig noch einmal starke Kursverluste gegen wird?
Es wird etwas passieren in Europa und den USA, entweder ein Crash, oder aber eine qu/~lende Seitw/irtsbewegung fiber die n/~chsten 15 Jahre. Wenn man sich die Aktienkurse in den USA und Europa anschaut, dann notieren sie im Herbst 2005 vielfach immer noch auf den Stand, auf dem sie vor sechs bis sieben Jahren notierten. Ich frage mich da eher, warum die Anleger tiberhaupt noch bullish sein k6nnen beziehungsweise, wie dieser Enthusiasmus fiir Aktien begrenzt werden kann, fiir den Fall, dass die Erwartungen entt/iuscht werden. Geben Sie uns einige Argumente, wie kommen Sie zu dieser Weltsicht?
Die M/~rkte sind von 2000 bis 2003 abgestiirzt. Seitdem geht es zwar aufw/irts, aber das ist iiberhaupt nicht ungew6hnlich. Die Geschichte lehrt, dass jedem Crash eine Rally folgt, die danach allerdings wieder
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abrupt enden kann. Alles ist in solchen Situationen m6glich. Der USMarkt kann die alten H6chstst~inde von 2000 wieder erreichen, obwohl viele Anleger noch gute Erinnerung an die damalige Oberbewertung haben. Was die meisten Investoren aber nicht erinnern ist, dass auch B~irenm~irkte im Extrem enden k6nnen. Nehmen sie 1974 als der letzte B~irenmarkt endete, und dann nach einer Kursrally nach oben erst im Jahr 1978 seinen endgtiltigen Tiefststand erreichte. Der Schein kann also trtigen. Ein Aufschwung an den Finanzm~irkten kann Teil eines grol3en Abschwungs sein. Damals, zu den Tiefst~inden, hatte der Dow JonesIndex ein Kurs-Gewinn-Verh~iltnis von 6,9, die Dividendenrendite lag bei 7,1 Prozent und US-Grol3investor Warren Buffett sagte, diese Investmentgelegenheit sei besser als Sex...
...gute alte Zeit... ...und die Leute sagen heute, solch einen Wertverlust an den Aktienm~irkten werden wir nie mehr sehen. Genauso wie die Leute 1995 gesagt haben, dass die Aktienm~irkte keinesfalls weiter steigen werden. Das Gegenteil war bekanntlich richtig. Die Aktienb6rsen haussierten noch bis zum Jahr 2000.
Die Masse hat Unrecht, dennoch kOnnen auch Sie mit ihren Prognosen danebenliegen. Ja, ich wage aber dennoch eine: Es wird immer wieder solche extremen Kursbewegungen geben, es wird einen Crash geben. Der kann schnell kommen, oder er kann sich dadurch ausdriicken, dass die Kurse tiber sieben bis 15 Jahre auf demselben Niveau verharren, also seitw~irts laufen.
Was sind die fundamentalen Griinde ihrer mittelfristigen Skeps& ? Denn schliefllich sagen Sie ja, dass die grofle Zeit der Aktienmgirkte vorerst vorbei ist. Die Geldpolitik des amerikanischen Notenbankchefs Alan Greenspan war das Hauptproblem. Er pumpte viel zu viel Geld in die Wirtschaft. Das ~hrte zu einer Inflation vieler Verm6genswerte. Der Anstieg der Aktienkurse ist nur Ausdruck der US-Geldpolitik, denn irgendwohin
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muss die Liquidit/~t ja flieBen. Und sie flieBt in die Finanzm/~rkte, die im Vergleich zur Realwirtschaft enorm gewachsen ist. Die Gesamtverschuldung der USA liegt bei rund 320 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die US-Aktienm/~rkte sind rund das 1,2-Fache des Bruttoinlandsprodukts wert- die Finanzwirtschaft ist also fast 4,5 Mal so groB wie die Realwirtschaft, wo die fassbaren Gtiter und Dienstleistungen produziert werden. Und ich pers6nlich verdiene 20 Prozent am Wachstum der Finanzwirtschaft. Das ist die Blase. Gliickwunsch, und wem haben Sie das zu verdanken?
Der globalen Geldpolitik der letzten 15 Jahre. Sie hat uns auf einen schlechten Weg gefiihrt. Wir haben keine Konjunkturzyklen mehr. Vom Sonderfall Deutschland vielleicht einmal abgesehen ist es doch so, dass es in dieser Periode keine Rezession mehr gab. Doch ein Wirtschaftsabschwung, folglich auch eine Rezession, ist ein na~rlicher Marktmechanismus genauso wie der folgende Aufschwung. Extreme Wirtschafiszyklen sind aber nicht nur politisch unerwiinscht. Ist es nicht richtig, sie zu zgihmen. Eine Welt ohne Rezession ist doch eine bessere Welt?
Nein, ist es nicht. Dieser Zyklus ist wichtig, er schafft ein neues marktwirtschaftliches Gleichgewicht. Zuviel Sonne macht aus gesundem Ackerland bekanntlich eine Wtiste. Man braucht auch Regen. Doch die Geldpolitik der letzten Jahre hat uns von diesem Gleichgewicht entfemt und alles nur noch schlimmer gemacht. Aber diese monetaristische Politik galt doch immer als das Nonplusultra f~r die B6rsen?
Ja, aber der Monetarismus machte dieselben Fehler wie der Keynesianismus. Keynesianische Politik wollte die Wirtschaftszyklen b/~ndigen und z/~hmen, indem man antizyklisch investierte. Die Inflation stieg an, die Arbeitslosigkeit ebenfalls. Nach Keynes kamen die Monetaristen, doch auch die lieBen es nicht zu, dass sich die Wirtschaftszyklen voll entfalteten. Bei Zeichen einer Krise, pumpten sie Geld in den Kreislauf.
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Man k6nnte es schon als Treppenwitz der Geschichte bezeichnen, dass die Monetaristen Keynes nacheifern. Keynes und Friedman in einem B o o t - eine interessante These. KOnnen Sie ein konkretes Beispiel geben?
In den USA gibt es eine Immobilienfirma mit dem Namen Toll Brothers. Wenn man vor 14 Jahren in diese Firma 1000 Dollar investiert h~ttte, dann w~iren daraus bis Herbst 2005 rund 80.000 Dollar geworden. Hat diese Firma ein wichtiges Krebsmittel entdeckt, oder produziert sie etwas anderes Weltbewegendes? Nein, diese Firma baut einfach nur H~tuser, sonst nichts. Solche Bewertungen beunruhigen mich. Ft~nf Dinge kann man als Investor immer kaufen: Aktien, Anleihen, Immobilien, Kunst und Rohstoffe. Aufgrund der stark gestiegenen Geldmenge haben wir nahezu t~berall Inflation. Die H~userpreise sind extrem gestiegen. Mein Haus kostet mittlerweile 1,3 Millionen P f u n d - mein Nachbar bezahlte ffir das Haus neben uns, und es ist vergleichbar grol3, vor 30 Jahren 6000 Pfund. Wir erleben eine Zerst6mng der Kaufkraft. 1974 lag der Dow bei 400 Punkten, im Jahr 2000 erreichte er 12.000 Punkte. Zehnj~ihrige USStaatsanleihen hatten 1981 eine Rendite von 15 Prozent, jetzt liegt sie um die vier Prozent. Kunstauktionen erzielen immer neue HOchstpreise. Es gibt einfach zuviel Geld. Zuviel Papiergeld, das in die die Finanzindustrie flieflt, deren Produkte immer teurer werden. Ist wirklich alles iiberteuert?
Die einzige Ausnahme betrifft vielleicht die landwirtschaftlichen Grater. Alles das, was ein Farmer braucht, um Getreide herzustellen, hat sich enorm verteuert. Nur die Produktpreise ffir Mais, Weizen oder Soja haben da nicht mitgezogen. Aber sonst ist alles sehr teuer. Und die Geschichte kennt solche Perioden. Wer 1929 in den US-Aktienmarkt investierte, als der Dow bei 320 Punkten den H6hepunkt erreichte, der konnte sich erst 1967, also 38 Jahre sp~tter, wieder fiber den Breakeven-Punkt freuen. An der BOrse gibt es eben immer glt~ckliche und ungliickliche Generationen.
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Das ist aber keine beruhigende Aussage, schliefllich sollen die Biirger fortan an den BOrsen ihre Rente absichern. Was k6nnen Privatanleger in einer solchen Situation tun? Es gibt im schlimmsten B~renmarkt immer auch vereinzelte Bullenm~rkte. Man muss sie nur rechtzeitig entdecken. Und das mt~ssen beileibe nicht immer Aktien aus Deutschland oder Grol3britannien sein. Die Rohstoffm~rkte haben zuletzt sehr gut performt, und schon fragen sich die Nachzfigler, ob man nicht schon zu sp~t einsteigt. Viele Leute sind immer erschrocken, wenn sie lesen, dass irgendein neuer H6chststand erreicht ist. S ie meinen dann, etwas verpasst zu haben. Aber Bullenm~rkte laufen l~nger als man denkt. Beim Kupferpreis beispielsweise ist 25 Jahre nichts passiert, jetzt erst geht es nach oben. Also nie glauben, was die anderen sagen? Als Investor muss man sich gedanklich 6ffnen, das Undenkbare denken. Das jt~ngste Beispiel ist 01. Wenn ich Ihnen Anfang 2004 gesagt h~tte, der Preis je Barrel kOnne auf 100 Dollar steigen, dann h~tten Sie wohl den Kopf geschfittelt angesichts der unglaublichen Behauptung. Nun sehen das die Leute schon ein wenig anders. Und es ist kein Wunder. Zieht man die Steuern ab beim 01preis, dann haben wir immer noch die Notierungen wie vor 25 Jahren. Das ist unna~rlich - alle anderen Preise sind gestiegen in dieser Zeit, sogar ein Pint Bier in London kostet heute 1000 Prozent mehr als vor 25 J a h r e n - nur die Rohstoffpreise sind bislang vor dieser Teuerung verschont geblieben. Jeder muss sich seine eigene Meinung bilden, aber es spricht viel daffir, dass die Rohstoffpreise weiterhin steigen. Wie weit soll man zuriickgehen in die Geschichte, um Lehren fiir die Zukunfi zu ziehen ? Sehr weit. Dem groSen schottischen (~konom John Law wurde Anfang des 18. Jahrhunderts klar, dass eine Wirtschaft Kredit und Papiergeld brauchte. Gold reichte nicht. Er erhielt die Lizenz Geld zu drucken und beriet tiber die Banque G6n6rale ab 1715 auch den franz0sischen Hof in diesen Dingen. Je mehr Geld kreiert wurde, desto starker wuchs die franz6sische Wirtschaft. Die Menschen wurden zun~chst immer reicher.
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Als Gegenleistung erhielt Law Aktien der Mississippi Company, die in der franz6sischen Kolonie Louisiana Aufbauarbeit leisten sollte.
Was passierte ? Erstmals hatte eine Regierung durch das tiberm~il3ige Drucken von Papiergeld eine Blase erzeugt. Wenn eine Wirtschaft mit sechs Prozent w~ichst, die Geldmenge aber um 12 Prozent, dann wird spekuliert. Das Geld floss also in den Aktienmarkt und hier auch in die Papiere der Mississippi Company. Der Kurs stieg um das 20-fache. John Law wurde sehr reich.
Die Blase betraf nur die Aktienm~irkte? Nein, auch der irische Okonom Richard Cantillon merkte sehr schnell, dass Papiergeld ohne inneren Wert ein Problem ftir die Wirtschaft darstellte. Er merkte aber auch, dass er aus seinem Wissen Kapital schlagen konnte. Er investierte in Immobilien und Rohstoffe und verkaufte zu hohen Preisen. Das wertlose Papiergeld tauschte er in Gold und transportierte das Edelmetall aus dem Land, was die Krise in Frankreich nur noch versch~irfte. Er war der reichste Mann seiner Zeit und vielleicht der erste moderne Hedgefonds-Manager tiberhaupt.
Irgendwie klingt diese Geschichte sehr aktuell, finden Sie nicht? Auch heute wiichst die Geldmenge nach Ansicht vieler schneller als die Wirtschaft. Der Chef der US-Zentralbank Alan Greenspan hat dieselben Fehler gemacht wie John Law. Und man muss wissen, dass Frankreich danach eine schwere 6konomische Krise erlebte, die dann in der franzOsischen Revolution mtindete. Erst nach Napoleon hat Frankreich das Papiergeld wieder eingeftihrt, dann aber auf Basis des Goldstandards. Und dieses Goldstandard-System war intakt bis 1969. Ich glaube, dass das der entscheidende Test ftir die Qualit~it eines Systems ist, die Langlebigkeit. Wenn es hunderte Jahre funktioniert hat, dann hat das wohl auch seinen Grund.
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Interview Hugh Hendry ~ U ~ 7 ~ . ~ 7 ~ . ~ 7 . " ~ U U ~ - "
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Wie wird man eigentlich ein erfolgreicher Aktienhdndler? Man braucht natfirlich Disziplin, aber es braucht auch die Pers6nlichkeit eines Eigenbr6tlers, auch wenn diese Charaktereigenschafl im Zusammenhang mit der Person eines Geldverwalters einen negativen Beigeschmack haben dfirfte. Wir machen viele Fehler, und das Marktsystem macht diese Fehler gnadenlos transparent. Fehler zu machen ist aber auch Ausdruck der Neugierde. Und das ist wichtig in dieser Welt, in der jeder Fondsmanager denkt, er sei schlauer als der andere. Es gibt diese nette Geschichte von dem toten Polizisten, dessen Hund noch fiber Jahre hinweg treu zum Grab des Herrchens dackelte anstatt sich neu zu orientieren. Das ist auch der Fehler, den viele Investoren machen. Sie dackeln den Toten hinterher. Aktien aus dem Technologiesektor starben im Jahr 2000, dennoch werden die Titel noch kr/iftig gekauft. Die Olpreise erreichten ihren H6hepunkt nach dem Geiseldrama in Teheran 1980, dennoch haben Investoren noch sieben weitere Jahre Olfirmen gekauft- und machten Verluste. Man muss das Neue suchen. Man muss die ausgetretenen Pfade verlassen.
Sie arbeiten auch viel mit der Technischen Analyse? Richtig, ich werte die japanischen Candlestick-Charts aus. Das ist eine uralte Methode, die frfiher Basis des Reishandels war. Und diese Charts sagen deutlich, dass sich die DNA des Menschen in Sachen Spekulation nicht ver~indert hat. Das gilt heute, das galt far John Laws MississippiAktien, das wird kfinftig gelten, es sei denn du bist ein wenig anders als die anderen.
Was geben Sie einfachen Leuten mit auf den Weg in Sachen B6rse? Leuten, die ein Interesse an der B6rse entwickeln, denen rate ich, ein disziplinierter Abweichler zu sein, auch wenn das wie ein Widerspruch in sich klingt. Doch die Wahrheit ist, dass es keine guten L6sungen gibt. Ffir jemanden, der sich fiberhaupt nicht auskennt an der B6rse, der aber ftir das Alter vorsorgen will, fiir den ist ein konventioneller Publikumsfonds besser als nichts - aber nicht viel besser. Wenn man sich als Privatanleger einen Fonds anschaut und die gr6Bten zehn Firmen in dem Fonds kennt, dann sollte man den Fonds nicht kaufen.
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Warum denn das? Bekannte grofle Firmen sind doch Blue-Chips, mit denen man lang~istig nicht viel falsch kann? Vielleicht, aber auch Blue-Chip-Unternehmen sind schon Pleite gegangen. Doch darum geht es bei dieser Frage gar nicht. Wenn Sie als Laie die meisten Unternehmen eines Fonds kennen, dann ist das ein Indiz daf~r, dass der Fondsmanager dann offenkundig nicht neugierig ist und wenig tut f~r sein Geld. Er kauft, was nahe liegt und was alle kaufen. Er vermeidet das Neue und die Risiken.
Was ist dann zu tun? Wenn Sie als Anleger schon die Firmen kennen, dann sind sie wohl auch Tell eines Index. Also sollte man gleich einen Indexfonds kaufen. Die sind billiger und liefern den gleichen wert.
Sind sie siichtig nach der BOrse? Das mt~ssen andere beantworten. Ich spiele Tennis, gehe schwimmen, aber egal wo ich bin, habe ich immer mein Laptop und meinen Breitbandanschluss dabei. Ich habe einen Investment-Lifestyle entwickelt, Urlaub zu machen ist mir fremd. Sicher, es gibt harte Tage an der B6rse, da wirst du so geprfigelt, dass dir schlecht wird. Aber ich mag den Job. Ich bin die Ratte im Laufrad, um immer aufs Neue meine emotionale Intelligenz zu testen.
Interview Wieland Staud
Wieland Staud fehrt in Bad Homburg sein Analysehaus. Der Okonom ber~it Banken bei deren Anlageentscheidungen. Er publiziert auch in gro6en deutschen Tageszeitungen. Stauds Expertise basiert auf der Technischen Analyse, die mit Hilfe von Aktiencharts k0nftige Kursentwicklungen prognostiziert. In dem folgenden Interview beschreibt Staud aus Sicht des Charttechnikers die Finanzm~irkte als einen zutiefst menschelnden Ort. Seine Kernaussage: ,,Das Festhalten an eigenen 0berzeugungen kann an den B6rsen den Ruin bedeuten."
FRAGE: Herr Staud, ihr Beruf ist Technischer Analyst. Mit Verlaub, wenn Sie das einem Laien sagen, wie reagiert der? STAUD: Da herrscht oftmals Unverst/~ndnis. Die Leute wissen nicht so recht, was ich da mache. Manche ordnen es in die Esoterik ein, interpretieren es als eine Art Halbwissenschaft, die wenig fassbar ist. Aufjeden Fall kommt vielen Menschen die Technische Analyse immer noch als etwas vor, womit sich kein ehrliches Brot verdienen 1/~sst.
Werden Sie auch direkt darauf angesprochen? Es kommt 6fters vor. Letztlich ist das aber nachrangig. Entscheidend ist, dasses funktioniert. Man kann zwar einen hohen Elfenbeinturm um die technische Analyse bauen, aber letztendlich ist es eine Erfahrungswissenschaft, die sich von jedermann erlemen 1/~sst.
Erkliiren Sie kurz ihren Job. Man schaut sich Charts an, und wenn man dann feststellt, dass ein aktuelles Muster in der Vergangenheit schon einmal auftrat, dann gehe ich davon aus, dass die heutigen Konsequenzen dieses Musters denen der
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Interview Wieland Staud
Vergangenheit zumindest vergleichbar sein werden. Aber, sehen Sie, wenn ich schon das Wort ,,Muster" erw~ihne ohne es genauer zu beschreiben, gar von einem ,,gefiihlten Muster" spreche, dann wird es schwer, das einem Laien zu vermitteln. Und dennoch: Es gibt for mich keine auch nur ann/ihemd vergleichbar gute M~glichkeit, sich den M~irkten mit Aussicht auf Erfolg zu n~ihern.
Die BOrsenwelt passt auf ein Blatt Papier. Chart und ein Lineal reichen ihnen? K6nnte man so sagen. Ein PC ist aber auch kein Fehler.
Wie verstehen Sie das System ,,B6rse"? Ich frage mich ganz einfach, wie Handelsentscheidungen an der B6rse eigentlich zustande kommen. Die einfache Antwort lautet: Ganz viele Leute wollen ganz schnell ganz viel Geld verdienen. Sie sind gierig, und von dieser Gier getrieben gehen sie ihre Positionen ein, w~ihrend sie die Angst vor Verlust und vor allem vor entgangenen Gewinnen wieder zur Aufgabe der Position ddingt. Zwischen Gier und Angst pendeln die Anlegerentscheidungen. Die B~rse kann man also als Ort begreifen, wo Massen von Menschen versuchen, Geld zu verdienen. Und besonders eklatant ist doch, dass sie versuchen Geld zu verdienen, indem sie diametral entgegen gesetzte Entscheidungen zum gleichen Zeitpunkt treffen: Die einen kaufen, was die anderen ihnen verkaufen- und beide sind erst einmal glticklich.
Es gibt also trotz der vielen Informationen zu Aktien und B6rse immer zwei Meinungen? Sonst k~imen sie nicht zusammen. Beide, der K~iufer und Verk~iufer, sind for kurze Zeit glticklich, manchmal eine Minute lang, manchmal eine Stunde, manchmal einen Tag. Aufjeden Fall h~ilt dieser Zustand beidseitiger Gliickseligkeit nicht lange an. Der Markt kann sich nur in eine Richtung bewegen. Einer von beiden hat ihn falsch antizipiert. Der eine hatte vielleicht zuviel Angst, der andere zuviel Gier, doch das zeigt sich erst sp~iter.
=.
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Und ihrer Meinung nach folgen die Kurse an den B6rsen einer Technik, einer Mechanik gar? Eine Mechanik wfirde ich nicht sagen, aber einer Regelm~13igkeit. Die Vergangenheit wiederholt sich an der B6rse, es gibt einfach Muster, die sehen heute so ~hnlich aus wie in der Vergangenheit. Die Konsequenzen, die aus diesen Mustern erwachsen, sind das Entscheidende: Nehmen Sie Dreiecke. Wenn ein Chart ein solches Muster bildet, und ich in meinem B6rsenleben schon zehnmal ein Dreieck gesehen habe, das in der Vergangenheit fast immer ein Zeichen ffir eine Trendbest~tigung war, dann gehen ich auch in diesem Fall von eine Fortsetzung des Trends aus.
Es gibt also eine Art Gesetzmgifligkeit, wie Aktienkurse verlaufen? Aber nicht mechanisch, denn ich kann das Dreieck mathematisch nicht exakt beschreiben. Oft ist es f~r mich erst dann richtig sichtbar, wenn ich die beiden Katheten eingezeichnet habe. Und jeder Analyst zieht die Katheten ein wenig anders. Es gibt viele M6glichkeiten einen Trend anzulegen. Die richtige Entscheidung zu treffen, da hilft vor allem die Erfahrung. Manche legen ganze Strickmuster ~ber den Chart, da sieht man gar nichts mehr. Es geht ganz entscheidend auch immer um die Frage, in welche Richtung der Trend gerade weist. Aber das ist bei Zahlen und Bilanzen ja auch so; das identische Zahlenwerk wird verschieden interpretiert.
Eine naturwissenschafiliche Gesetzesmgifligkeit der Kursentwicklungen gibt es aber nicht? Das nicht, aber es gibt Abh~ngigkeiten. Bestimmte Muster kehren wieder, die Vergangenheit wiederholt sich, wobei eins plus eins dann halt mal 2,2 ist. Es gibt einfach Unsch~rfen.
Chart-Technikern ist das Unternehmen hinter der Aktie egal, sie schauen nicht auf Kennzahlen. Es interessiert ihre Zunfi nicht einmal, ob ein Unternehmen Verluste macht? HOren Sie mal. Ja, definitiv nicht. Das geht so weit, dass ich den Wirtschaftsteil einer Zeitung nicht mehr lese. Ich lese vielleicht Meinungen im Finanzteil und je mehr Leute ich finde, die nicht meiner Meinung sind, desto sicherer
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Interview Wieland Staud
fiihle ich mich. Das ist der Contrarian-Opinion Ansatz der Technischen Analyse. Ich ktimmere mich nicht um Zahlen, nicht um den Vorstandschef, nicht um die Auftragslage oder das Produktsortiment. Nur wenn ich vermuten darf, dass starke, im Chart sichtbare, Kursbewegungen, ausgel6st durch radikal neue Informationen, meine fundamental orientierten Kollegen sehr wahrscheinlich zu einer vOlligen Neubewertung des Unternehmens veranlassen werden, dann habe ich das ein wenig in meinem Hinterkopf. K6nnen Sie das an einem konkreten Beispiel erl6utern?
Als Jtirgen Schrempp seinen R t i c ~ g bei DaimlerChrysler anktindigte war klar, dass die Aktie reagieren wOrde. Im 0brigen ist der Chart von DaimlerChrysler ein Paradebeispiel daftir, dass man mit technischer Analyse die anstehenden Dinge schon sehr frtih erkennen kann. Die Aktie hatte schon Wochen zuvor den langfristigen Abw~irtstrend endgtiltig gebrochen und damit ein erstklassiges Aufbruchssignal geliefert. Doch ansonsten besch~iftige ich mich tiberhaupt nicht mit den Fundamentaldaten. Und ihre Kunden schlucken das auch ?
Das bringt na~rlich ein Kommunikationsproblem mit sich. Man kann sich nur sehr schwierig mitteilen, wie man zu einem Analyseergebnis kommt, weil den meisten Leuten mein Know-how fehlt. Fundamentalanalysten sagen, die Zinsen fallen, dann steigen die K u r s e - und das kann jeder nachvollziehen. Wenn ich hingegen sage, der MACD, etwas ganz Einfaches in meiner Welt, der MACD hat ne positive Divergenz ... ...mein lieber Mann...
...dann muss ich ja schon mal ausholen, um zwei Worte zu erkl/aren. Deshalb ist es unter Marketingaspekten katastrophal, Technischer Analyst zu sein, weil die Chance sich mitzuteilen und ohne grol3e Abstriche zu erkl~iren, warum man zu der einen oder anderen Entscheidung gekommen ist, bei nahe Null liegt.
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Aber diese, fiir viele unverstgindliche, Analyseart ist erfolgreich?
Ja sicher. Sonst s~il3en wir uns jetzt garantiert nicht gegentiber. Der grol3e Vorteil der Technischen Analyse ist es eben, dass man nicht nach fundamentalen Begrtindungen sucht, sondern einfach ihre Regeln anwendet. Aber das ist auch das Problem. Wir Menschen wollen nachvollziehbare Grtinde mr eine Verhaltensempfehlung geliefert bekommen. Aber die kennt die Technische Analyse nicht. Sondern nur Ableitungen: Wenn die Dinge so oder so sind, dann empfiehlt es sich zu kaufen. Das im Alltag nachvollziehbare Warum bleibt ausgeklammert. Was bedeutet das konkret?
Wenn der Chart senkrecht in den Boden gerammt wird, wie es bei den Zinsen tiber Jahre hinweg zu beobachten war, dann braucht es unglaublich viel, damit es zu einer Trendwende kommen kann. Die Prognose lautet dann, dass die Zinsen weiter fallen werden. Wenn die richtig guten Grtinde der Technischen Analyse ~ r eine Trendwende ausbleiben, dann gilt die Lehre von Karl Popper, dass es am besten ist, die aktuelle Situation einfach fortzuschreiben. Sind Chartanalysen Basis fiir computergestiitzte Kaufsignale. Blinkt es bei bestimmten Formationen bei allen technisch orientierten Hgindlern dann am Bildschirm ?
Eben nicht. Wenn man sich etwa die Elliot Waves anschaut, eine Interpretationsm6glichkeit, die zwar besonders umstritten aber in meinen Augen gleichzeitig am weitesten ausgereift ist, dann es gibt von zehn Elliot-Wavern neun Meinungen und davon sind acht falsch. Es ist n~imlich nicht so, dass sich die Situation so eindeutig darstellt, dass sie ~ r alle Techniker ein und dasselbe Signal generiert. Wir erleben das immer wieder. Man hat das gleiche Handwerkszeug und kommt dennoch zu unterschiedlichen Empfehlungen. Das liegt beispielsweise an den Einstellungen der Parameter. Wie stellt man die Parameter ein ?
Das kann ich nicht in ein paar S~itzen beantworten. Das ist alles vor allem eine Frage der Erfahrung. Grunds~itzlich gilt aber immer, dass man
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als Analyst den Trend akzeptieren muss. Um auf die Zinsen z u r f i c ~ kommen: Wenn die Banken in den Jahren 2002 bis 2005 steigende Zinsen prognostizierten, und die Zinsen genau das nicht taten, dann haben sie einen elementaren Grundsatz der Technischen Analyse verletzt: ,,the trend is your friend". Ein Trendwechsel liegt erst dann vor, wenn es ganz klare Gl~nde darer gibt, etwa einen Trendbruch. Warum sind Trends so stabil?
Ich vergleiche das mit den Tr~gheitsmomenten, wie wir sie aus der Physik kennen. Eine solche Tr~gheit ist mit Sicherheit auch in unseren K6pfen verankert. Wir sind Teil eines physikalischen Systems, das genau beschrieben wurde, und es w~re vermessen anzunehmen, dass wir da oben im Kopf mehrheitlich weniger tr~ge sind als eine ,,normale" Masse. Wenn etwas Fahrt aufgenommen hat, dann hat es einfach eine gewisse Energie. Und um die Energie aus dem System herauszunehmen, braucht es eben Zeit oder eine Betonwand. An der B6rse gibt es diese Betonwand mitunter bei einem externen Schock, aber in der Regel braucht ein Trend Zeit um auszulaufen. Und so etwas sieht man in den Charts. Herr Staud, wenn eine Aktie von 2 Euro auf 20 Euro steigt, was lesen Sie daraus ?
Wenn es sich um eine relativ konstante Bewegung nach oben handelt, die t~ber ein bis zwei Jahre lief, und auch sonst kein Warnlampen im Chart sichtbar sind, dann w~rde ich sagen: Das geht wahrscheinlich weiter. Die historische Erfahrung ist, dass eine Trendfortsetzung sehr viel wahrscheinlicher ist als alles andere. Auch wenn mir das als Technischer Analyst schwer anzuerkennen f~llt: Diese Trends sind auch deshalb so stabil, weil sie oft eine Untermauerung im Unternehmenserfolg oder deren Misserfolg finden. Ist das etwa versteckter Respekt f~r die Fundamentalanalyse?
Ja und nein, denn diese fundamentalen Begrfindungen werden ja immer nachgereicht. Man kennt sie vorher nicht, dennoch haben viele Marktteilnehmer ein Gef~hl, dass sich etwas ~ndern k6nnte. Faszinierend ist das. Im Regelfall ist die Technische Analyse sehr viel fr~her da mit Sig-
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nalen fur eine Kursentwicklung als die neuen Fundamentaldaten. Manchmal habe auch ich richtig Fracksausen vor Quartalsberichten. Aber oftmals ist es so, dass die Werte schon im Vorfeld anzeigen, was zu erwarten ist.
Klingt ziemlich mystisch. Ja, mag sein, doch der Markt weiB etwas, ohne zu wissen, was es genau ist. Man legt einen Strich unter den Chart, man sieht, dass der Aufw/~rtstrend gebrochen ist weil die Investoren die herrschen Kursniveaus nicht mehr akzeptierten. Schon lange bevor die Fundamentaldaten wackeln sieht man dann, dass da was nicht in Ordnung ist. Die Kurskapriolen nach der Ver6ffentlichung der Daten sind dann oft keine echte Oberraschung mehr.
Was haben Sie f~r eine Trefferquote mit ihren Prognosen? 66 bis 67 Prozent durchschnittlich seit 1997, im Jahr 2000 war wir deutlich schlechter bei rund 55 Prozent. Der Markt war da extrem schwierig.
Damals im Jahr 2000, haben Sie die Obertreibung nicht gesehen? Ganz klar: nein! Ich habe nicht am 07.03.2003 geahnt, dass der Dax bei 8136 Punkten ffir sehr lange Zeit sein absolutes Top markiert hat. Ich behaupte: keiner wusste das. Ich habe da nicht zum Ausstieg getrommelt. Aber im Chart stand schon drin, dass die Dinge anfingen unrund zu werden. Schaute man damals im Chart auf die Kursentwicklungen, dann konnte man sehen, dass unabh/~ngig von den 6ffentlich bekundeten Einsch/~tzungen die entscheidenden Marktteilnehmer anfingen, vorsichtig zu werden. Die Mehrheit der Marktteilnehmer als ganzes hat ein fast schon transzendentales, nicht bewusstes Geffihl daffir, dass sich die Dinge /~ndem werden. Ihr Kauf- und Verkaufsverhalten/~ndert sich. Und das sieht man im Chart.
Einen Chart kann man so und so interpretieren ? Ja sicher, aber wenn beispielsweise eine Unterstfitzungslinie unterschritten wird, dann ist das ziemlich eindeutig. Keiner hat sich offensichtlich dagegen gestemmt. Und das ist bemerkenswert, denn eine Unterst~tzung
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Interview Wieland Staud
generiert normalerweise Kaufbereitschaft, und wenn die fehlt, dann ist im Markt irgendwas g~inzlich anders geworden. Sie sagen, an einer Unterstiitzungslinie kommt es zu Kaufbereitschaft. Das sagt die Technische Analyse. Doch Sie sind doch in der Minderheit. Warum kommt es bei dieser technischen Marke offenbar auch zu Kaufbereitschaft von Seiten der fundamental orientierten Investoren?
Eine Unterstiitzung oder auch ein Widerstand kann man sich als ein bestimmtes Kursniveau vorstellen, das schon off erreicht worden ist. Weil das so ist, kann man alle Punkte, die auf demselben horizontalen Niveau mit einer Linie verbinden. N/ihert sich der Kurs nun dieser Linie von oben, dann handelt es sich um eine Untersttitzung. Kommt er von unten an dieses Niveau heran, dann handelt es sich um einen Widerstand. Unters~tzungen markieren ein Niveau erhOhter Kaufbereitschaft der Markteilnehmer. Warum ist das so ?
Einfach deshalb, weil sie in der Vergangenheit auf diesem Niveau gute Erfahrungen gemacht haben. Die Kurse sind danach gestiegen. N/ihert sich der Markt jetzt sich diesem Niveau wieder, dann werden die alten guten Erinnerungen aktiviert und die Lust zuzulangen wird spiirbar gr613er. Und wenn das geniigend Leute machen, was zun/ichst immer als das wahrscheinlichste Verhaltensmuster angesehen werden muss, dann prallt der Kurs wieder nach oben ab. Und bei Widerst~inden ist es genau umgekehrt?
Genau. Die Investoren, die auf einem bestimmten Niveau, etwa 30 Euro verkauft haben und danach den Kurs wieder zusammenfallen sehen, die erinnem sich wieder daran. Sie wollen die gute Erfahrung von damals wieder machen und werden deshalb dazu tendieren, die Aktie bei einer emeuten Erholung auf 30 Euro wieder zu verkaufen. Man hat einfach gelemt, wohin die Reise geht.
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A ber irgendwann werden diese Unterstiitzungen und Widerstdnde doch gebrochen? Exakt. Und dann werden im Regelfall besonders viele Marktteilnehmer auf dem falschen Ful3 erwischt. Weil sie eben nicht damit gerechnet haben, dass der Kurs den kritischen Wert unter- beziehungsweise t~berbietet. Dann versuchen sie besonders schnell, ihre Positionen zu korrigieren. Was ist der Unterschied der Technischen Analyse zur Behavioural Finance? Das ist die Frage. Alle diese Dinge, die aus der Spieltheorie kommen, sind Oberschrift ffir das, wie sich Menschen verhalten, wenn sie an den Finanzm/~rkten agieren. Risikomodelle zeigen, dass die Anleger in einigen Situationen extrem risikofreudig sind, in anderen extrem risikoavers. Auch wenn ich daf'tir wahrscheinlich gesteinigt werde: Ft~r mich ist Behavioural Finance manchmal nur ein anderes Label far Technische Analyse. Behavioural Finance beschreibt die Dinge, die absolut unabdingbar sind, damit Technische Analyse wirklich funktionieren kann, Beide versuchen die Stimmung des Einzelnen zu erfassen, wenn er als Teil der Masse agiert. Und wie wir wissen sind Entscheidungen in den seltensten F/~llen rational begrfindet. Meistens nehmen Stimmungen eine sehr viel dominantere Rolle ein - auch wenn wir das nicht unbedingt gem h6ren. Und diese gefiihlsorientierten Muster wiederholen sich also ihrer Meinung nach. Die Gene der Menschen sind einfach so programmiert. Wenn jemand Feuer ruff, dann springen immer alle auf?. Machen Sie es mit Freibier, das ist besser. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Versammlung mit 500 M/~nnem und einer auf dem Podium sagt ,,Drauf3en gibt es Freibier". Die Bereitschaft der Anwesenden, das Zelt zu verlassen und dorthin zu gehen, ist ganz gewiss grof3. Das kann sich jeder denken. Und diese Bewegung setzt unmittelbar ein. Jeder denkt, er komme sonst zu spdt. Genau, und vielleicht ist es an der BOrse so, dass da oben einer steht und nur Freibier denkt, und alle anderen denken, der denkt Freibier. Und
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wenn wir jetzt nicht rausgehen, ist vielleicht nachher keines mehr da. Man hat also eine Ahnung. Das ist eine Frtihindikation des Marktes fiir das, was kommt. Zwar kennt niemand das konkrete Ereignis, aber die Ahnung gibt an, ob es gut oder schlecht ist. Und diese Ahnung steht in den Charts und kann mit Hilfe der Technischen Analyse erkannt werden. Technische Analyse ist ein Frtihwamsystem. Sie sprachen vorhin fiber die Bedeutung der Trends. In welchen Situationen sind Sie sich denn sehr sicher, dass sich ein Aufw~'rtstrend trotz deutlich fallender Kurse fortsetzen wird?
Nehmen wir an, die Kurse befinden sich in einem schon lang anhaltenden Aufw/~rtstrend. Die Trendlinie, die den Aufw/~rtstrend markiert, steigt von links unten nach rechts oben. Es gibt mehrere Bertihrungspunkte des Kurses mit der Trendlinie. Dann kommt es zu einer Korrekmr--phase. Wichtig ist zun/ichst einmal, dass diese Trendlinie nicht unterschritten wird. Denn wenn es mal so weit gekommen ist, dann wird in wenigstens zwei Drittel aller F~ille Schmalhans Kiichenmeister. Die Kurse fallen. Und wann geht es gut aus ?
Ein gutes Indiz dafiir, dass der Durchbruch durch den Aufw~irtstrend den Investoren erspart bleibt, ist regelm/iBig ein Sellout, ein Ausverkauf also, oberhalb des kritischen Trendniveaus. W/ihrend eines solchen Ausverkaufs wollen die Letzten das sinkende Schiff verlassen. Der Verkaufsdruck ist enorm. Die Bereitschaft, auf dem jeweilig aktuellen Niveau Stticke aufzunehmen, ist gering. In dieser Situation wechseln die Papiere von den schwachen H/~nden die H/~nde der Starken. Nach einem solchen Prozess ist der Markt sauber, die Zittrigen haben die Stellung ger~iumt, und die Hartgesottenen sind wieder unter sich. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass damit der Trend best/itigt wurde. Was es jetzt noch braucht sind eindeutige Kaufsignale. Die wie aussehen?
Idealerweise steht am Anfang wie oben skizziert ein Tag mit hohem Volumen und deutlichen Verlusten, die aber zum Schluss des Handels
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oder auch erst am Tag darauf wieder weitestgehend wettgemacht werden k6nnen. Das ist dann ein Kaufsignal der Candlesticks. Dazu sollten noch bullishe Divergenzen eines Indikators kommen. Beispielsweise vollzieht der bereits oben erw~ihnte MACD die neuerlichen Tiefstkurse nicht mehr nach. Es ist dann wahrscheinlich, dass die ,,negative" Energie aus dem System raus ist, und die Bullen wieder am D~cker sind. Wenn dann noch der zurfickliegend Abw~rtsschub mit einiger Sicherheit eine Elliott ,,C" war, dann wird der Markt sehr wahrscheinlich steigen. Eigentlich sehr einfache Dinge, man muss sich nur danach richten. Man sieht es in den Charts und muss daraus aber eben auch die nOtigen Konsequenzen ziehen. Auch da gilt: Es gibt nichts Gutes, auBer man tut es. Das klingt alles doch sehr kompliziert, werfen wir doch einen Blick auf den Candlestick-Chart. Was ist das genau ? Das ist relativ einfach. Es gibt vier markante Punkte for jede Periode an der B6rse: Er6ffnungskurs, Schlusskurs, H6chstkurs und Niedrigstkurs. Diese vier Punkte werden von Candlestick-Charts mit Kerzen besonders sch6n abgebildet. Wenn die ,,Kerze" eine Tages weil3 ist, dann ist der Kurs von ErOffnung bis Schluss nach oben gelaufen. Ist er schwarz, dann ging es nach unten. Die kleinen Striche, die aus diesen kleinen weil3en oder schwarzen K6rpern herausschauen, das sind die H6chst- und Tiefstpunkte. Was lernt man daraus ? Aus mehreren einperiodigen Mustern kann man ein Oberlagemdes Gesamtmuster zusammenstellen. Wenn der Kurs heute abst~rzt und sich dann morgen, in der n~ichsten Periode, wieder erholt - dann ist das beispielsweise ein so genanntes ,,bullish engulfing", das ziemlich oft auf das Ende einer Konsolidierung hinweist. Es gibt unz~ihlige solcher Muster, und jedes Muster hat eine besondere Bedeutung. Die Trefferquote, die man hat, wenn man auf dieser Basis kauft oder verkauft, kann in bestimmten Situationen bei 70 bis 80 Prozent liegen. Darauf kann man schon mal eine Wette eingehen.
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Wie verdient man Geld an der B6rse? Man muss den Trend erkennen und gegen die Mehrheitsmeinung antreten ?
So k6nnte man es extrem Kurz zusammenfassen. Aber die Kunst, technische Signale zu erkennen, ist nicht so schwer. Darer gibt es Lehrbt~cher und Seminare. Aber die eigenen Kauf- und Verkaufsentscheidungen danach auszurichten, daffir bedarf es einer gewissen mentalen St~rke. Erklgiren Sie das doch einmal.
Nehmen wir den Crash von 1998, den der Hedgefonds LTCM ausgel/Sst hatte. Der Dax war schon vor der LTCM-Pleite nach unten abgedreht und hatte den Aufw~rtstrend gebrochen. Es gab danach einfach keinen vernfinftigen Grund mehr, Aktien zu halten. Und dennoch taten die A1lermeisten genau das. Die Kunst besteht darin, den Charts zu glauben und die eigenen Handelsentscheidungen an ihnen zu orientieren, auch wenn es noch keine ersichtlichen fundamentalen Grfinde etwa ffir stark nachgebende Kurse gibt, denn die werden nachgeliefert. Sobald, wie im Sommer 1998, ein entscheidender Aufw~rtstrend gebrochen ist, gibt es nur drei MOglichkeiten. Entweder man sitzt die Dinge aus und hofft, dass sich die Zeiten auch wieder bessern werden. Das ist einfach nur dumm. Oder man verkauft, g6nnt sich einen ruhigen Schlaf und wartet auf die n~chste gute EinstiegsmOglichkeit. Wann haben Sie und ihre Analysemethoden zuletzt versagt?
Anfang 2005 waren wir sehr bearish ffir den Dax. Unser Kursziel war erreicht, jetzt musste es nach unserer Meinung nach unten gehen. Aber da lagen wir v/Jllig daneben. Wichtig ist, dass man dies erkennt und nicht etwa an einer Fehlprognose bis zum Sankt Nimmerleinstag festh~lt. Als Analyst muss man akzeptieren, dass das immer wieder passieren kann und wird. Was im sonstigen Leben richtig ist, n~mlich das Festhalten an den eigenen 10berzeugungen, das ist an den B~rsen der unmittelbare Ruin. Dort gilt es sich vom Strom treiben zu lassen. Und wenn man gerade gegen ihn schwimmt, dann muss man das erkennen und die Konsequenzen ziehen.
Interview Wieland Staud
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Wiirden sie es jetzt riickblickend auf Basis ihrer Modelle die Situation im Friihling 2005 richtig prognostizieren ? Nein, in solch einer Situation werde ich wahrscheinlich wieder eine Fehlprognose zu Markte tragen. Unsere Modelle funktionieren in einer solchen Situation nur bedingt. Das ist einfach das totale menschliche Unverm6gen, t~ber die Zukunft Gewissheit zu erlangen. Eine Prognose wird immer nur bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich sein k6nnen. Mehr nicht. Wenn wir eine Trefferquote jenseits der 90 Prozent behaupten wfirden, dann w~ren wir Scharlatane. Und jeder andere, der das tut, der ist einer. Das geht nicht, weil es hier um die Zukunft geht. Aber die kennt keiner wirklich.
Worauf achten Sie besonders ? Ein ganz wesentliches Moment ist darauf zu warten, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer auf dem falschen Dampfer ist. Wenn zu viele dasselbe machen, dann sag ich okay, jetzt haben zu viele ge- oder verkauft, die setzen auf das falsche Pferd, und jetzt kann ich sagen, die liegen falsch. Das Gegenteil von dem, was alle tun, ist dann richtig.
Der klassische Contrarian-Ansatz? Ja, man beobachtet die anderen und tut ab einem bestimmten Punkt genau das Gegenteil davon. Das kommende Leid der anderen ist ~ r mich ein guter Indikator. Zugegeben, das ist etwas zynisch, aber die Mehrheit der Marktteilnehmer liegt nun einmal immer schief. Ich warte darauf, dass sich die Mehrheit der Marktteilnehmer f't~r eine Richtung entscheidet und wenn meine Modelle sagen, jetzt sind es zu viele, dann stelle ich fest, dass mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit genau Gegenteil von dem, was jetzt alle erwarten, geschehen wird.
Was wdre, wenn die Mehrheit der Markteilnehmer auf diese Signale h6ren wiirde? Nun, die Erfahrung lehrt, dass sie es nicht tun werden. Man kann davon ausgehen, dass bestenfalls 10 Prozent aller Marktteilnehmer wirklich in der Lage sind, ihr Verhalten dauerhaft zu ~ndern. Wenn es deutlich mehr w~rden, dann w~re das allerdings schlecht. Dann h~tten wir Sprungfunk-
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Interview Wieland Staud
tionen an den B6rsen. Wenn alle nach einem yon allen beobachteten Trendbruch wiissten, dass es jetzt zu einem Kursabschlag von 5 Prozent kommt, dann wtirde es keinen S inn machen, zu kaufen, bevor dieser Abschlag nicht auch eingetreten ist. Ich bin deshalb kein Missionar der Technischen Analyse. Das Ganze funktioniert umso besser je weniger Technische Analysten auf dem Markt sind. Wenn es alle machen wiirden, w~ire es vielleicht der Tod der Technischen Analyse. Warum gleich das Ende? Weil alle gleichzeitig das gleiche machen wollten. Es k~ime keine kontinuierlicher Handel zustande und damit auch kein Chart, den es zu analysieren lohnte. Die Technische Analyse braucht Muster, und in diesen Mustern muss die ver~gbare Fundamentalinformation drin stecken. Die Fundamentalakteure sind so eine Art Versuchskaninchen, ich brauche sie als Beobachtungsobjekt, weil sie sich alle Miihe geben, die Fundamentaldaten zu verarbeiten und dieses Wissen in ihre Handelsentscheidung hineinflief3en lassen. Ich sehe dann die daraus entstehenden Kurs- und Preismuster und kann daraus meine Rtickschltisse ziehen. Die Kollegen als Versuchskaninchen, haben in diesem Zusammenhang eigentlich BOrsenspriiche wie ,, never catch a falling knife" eine gewisse Giiltigkeit? Oh ja. Unbedingt. Sie sind Ausdruck geronnener Weisheit von Generationen von BOrsianem. Die meisten von ihnen haben einen sehr beachtenswerten, realen Bezug. Wer sich gegen sie vergeht, der ist selber Schuld. Es gibt aber auch andere Spriiche - politische B/~rsen haben kurze Beine etwa - die stimmen nur sehr bedingt. Wie ist es mit dem Spruch ,, Sell in May and go away"? Der gilt auch nicht. Da achten zu viele drauf, und wenn alle das wissen, dann verkaufen sie im April und nicht im Mai. Der April ist also das Problem. Seit Jahren sind die Zeitschriften auch voll mit der Behauptung, dass der September der schlechteste B6rsenmonat im Jahr sei. Und seit das alle wissen, ist es der August, der am schlechtesten l~iuft, weil die Marktteilnehmer sich auf den September-Spruch konzentrieren. Es
Interview Wieland Staud
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w~ire ja auch eigentlich unklug, Aktien auch im September zu halten, wenn die Kurse da fallen. Also bleibt die vermeintlich kluge L6sung, sie zuvor, also im August zu verkaufen. Aber wenn das alle tun, dann ist das schon wieder falsch. Individuell richtige Entscheidungen verkehren sich so in kollektiv falsche Entscheidungen. BOrse ist vor auch eines: ein unendlicher Rtickkopplungsprozess.
Interview Sean Corrigan
Sean Corrigan ist Investmentstratege bei Sage
Capital in ZOrich. Die Gesellschaft managt den Edelweiss Fonds. Corrigan hat Naturwissenschaften und Luftfahrttechnik studiert und als Anleiheh~ndler gearbeitet. Sp~ter grOndete er mit ,,Capital Insight" seine eigene Investmentberatung. Er kam gerade recht, um Kassandra zu spielen in einer Zeit, die von einer ,,Neuen Okonomie" sprach. Corrigan sieht sich in der Verantwortung, das Kapital seiner Kunden zu erhalten. Corrigan erkl~rt, warum der reale Wert einer Aktie mit dem B6rsenkurs oft nur wenig zu tun hat. ,,Immer mehr Kaufentscheidungen an der BOrse macht der Computer, nicht der Mensch."
FRAGE: Herr Corrigan, fiber einfache Fragen kann man bekanntlich am ausj~hrlichsten philosophieren. Deshalb gleich die Urfrage der B6rsianer. Was ist eine Aktie eigentlich wert? CORRIGAN: Man k6nnte sagen, der Wert ist davon bestimmt, was ein Investor daf'tir bezahlen will. Und wenn er zu diesem Preis auch jemanden findet, der die Aktie abgibt, dann h/~tte man eine Antwort auf die Frage. Also bt es zum Beispiel der letzte Kurs eines Papiers an einem Handelstag an der BOrse? Ja, so wird es in aller Regel berechnet. Man nimmt den Schlusskurs, sagen wir der Google-Aktie, dann wird dieser Wert mit der Anzahl der ausgegebenen Aktien multipliziert und schon hat man den Wert eines b6rsennotierten Unternehmens berechnet.
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Interview Sean Corrigan
Das klingt einleuchtend, aber kann man wirklich sagen, dass der BOrsenkurs immer den realen Wert eines Unternehmens widerspiegelt? Schliefllich weifl man doch, dass BOrsen immer iibertreiben - real in die eine, mal in die andere Richtung. Richtig, der aktuelle Aktienkurs repr~sentiert nur den Wert, den die B6rse der Aktie zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt. Mit dem realen Wert muss dieser Preis aber nicht viel zu tun haben. Wenn man sich fiir einen Moment vom Symbol der Aktie 16st, wird das Problem deutlicher. Was schlagen Sie vor? Wir beide k6nnten Pokemon-Karten tauschen und dabei zu dem Ergebnis kommen, dass sie uns 100 Dollar wert sind. Ich bin bereit Ihnen die Karten zu diesem Preis zu geben. Sie sind bereit, die Karten zu diesem Preis zu kaufen? Na gut, um der guten Sache willen. Wir haben nun ein Geschiifi, das beide Seiten gliicklich macht. Bestens, oder? Ja, doch was ist diese Pokemon-Karte selbst wert? Ein steifes S~ck Pappe mit ein paar Monsterfiguren darauf. Ein paar Cent vielleicht, mehr kostet das Material doch nicht. Dennoch tauschen wir die Karten f~r 100 Dollar. Der Wert dieser Karten h~ngt also nur davon ab, wie viel wir ihm subjektiv beimessen. Und dieser Wert kann schwanken? Aufjeden Fall. Stellen Sie sich eine Situation vor, in der sich ein Mann in der Wtiste verirrt hat und nahe am Verdursten ist. P16tzlich sieht er den Stadtrand und genau am Stadttor steht ein H~indler, der Cola verkaufl. Der H~indler erkennt die Situation und nutzt sie marktwirtschaftlich aus. Der Preis ist hoch, doch der Mann ist bereit, dem H~indler 5 Dollar fiir die Dose zu bezahlen. Schlief31ich hat er Durst. Er muss etwas trinken. Er h~itte wohl auch 20 Dollar bezahlt.
Interview Sean Corrigan
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Aber nur fiir die erste Dose, denn wenn der erste Durst gel6scht ist, dann sinkt der Preis.
Der Mann wiarde fiir eine zweite Dose Cola keine 5 Dollar mehr bezahlen, da er nun weiB, dass es nicht mehr weit ist zum n/ichsten Supermarkt, wo er ftir diesen Preis zehn Dosen bekommen wird. Was ist eine Cola nun wert? Natorlich macht es keinen Sinn, den Preis des StraBenh/indlers als MaBstab zu nehmen. Und genauso wenig Sinn macht es, den Wert eines B6rsenunternehmens auf Basis des letzten Tageskurses zu berechnen, wenn von einigen Millionen Aktien gerade einmal 4000 StOck gehandelt wurden- doch genau das wird gemacht. Der letzte verzweifelte Kdiufer setzt den Marktpreis an der B6rse und bestimmt damit den Wert einer Aktie. Und dieser Ansatz ist ihrer Meinung nach nicht in Ordnung?
Genau, das ist ein alter 6konomischer Fehler, man sollte nicht so einfach denken. Der augenblickliche Marktpreis einer Aktie und deren langfristiger Wert sind definitiv nicht deckungsgleich. Das h/ingt mit dem Marginalwert einer Sache zusammen. Sagen wir, dass Gold zu 430 Dollar je Unze gehandelt wird. Der Grund f'tir diesen Preis ist, dass der letzte K/iufer bereit ist, diesen Preis zu bezahlen. Das ist seine individuelle Entscheidung in diesem Moment. Und was heiflt das in Bezug auf den Wert des Goldes ?
Nun k6nnte man die weltweit vorr~itigen 120.000 Tonnen an Gold natorlich mit diesem letzten Marktpreis je Unze multiplizieren, also mit 430 Euro. Dadurch h/itte man den gesamten Marktwert allen auf der Welt vorr/itigen Goldes berechnet. Im Umkehrschluss k6nnte das bedeuten: Man hat den Preis berechnet, den man erhalten wOrde, wenn man alles verkauft, doch das ist der Trugschluss. Warum denn das ?
Wenn man versuchen wiirde, alles Gold zu verkaufen, wOrde der Preis natorlich einbrechen. Man wOrde also gar nicht soviel Geld daftir erhalten, wie der aktuelle Unzenpreis nahe legt. Das gilt auch umgekehrt. Wenn wir alles Gold auf der Welt kaufen wollten, mtissten wir immer
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Interview Sean Corrigan
mehr je Unze bezahlen, weil wir es von immer mehr unwilligen Verk~ufern einholen mfissten. In diesem Fall w~re der letztgehandelte Preis immer niedriger als der n~chste. Deshalb bezahlen Unternehmen bei Obernahmen ja auch immer eine Extra-Pr~mie an die anderen Aktion~re, um sie zum Verkauf zu bewegen.
Sollen sie doch, wo sehen Sie das Problem genau? Wenn man den Wert seiner Holdings berechnet, dann nimmt man den letzten aktuellen Preis, der an der B/~rse fixiert wurde, und leiht sich beispielsweise bei der Bank mit dieser Sicherheit im R~cken Geld. Doch wenn diese Sicherheit zu Geld gemacht wird, dann fallen in der Regel die Preise. Damit ist der B6rsenpreis keine solide Bewertung.
Was ist denn nun der Wert einer Aktie, wenn man sich auf den BOrsenpreis nicht mehr verlassen kann? Ein Unternehmen wie Google hat doch Aktien aus dem Grund ausgegeben, damit ich als Aktion~r einen Besitzanteil an dem Unternehmen habe. Und in einer kleinen gesunden Welt w~rde meine ganze Spekulation darum kreisen, ob das Gesch~ft von Google morgen mehr wert ist als heute. Und das wiederum wfirde von deren Gesch~ftsstrategie abh~ngen, n~mlich ob sie gut oder schlecht ist. Und davon, ob Google Profite macht, ob sich der Konzern um die Aktion~re kt~mmert, ob Google Reichtum und Kapital aufbaut, an dem ich als Aktion~r einen Anteil habe. Daraus sollte sich doch der Wert einer Aktie speisen.
Spielen diese fundamentalen Oberlegungen keine entscheidende Rolle mehr bei der Preisfindung? Das ist nicht mehr die Art, wie heute gehandelt wird. Der Kurs von Google ist ein Abbild der Aktionen von Leuten, die Zugang zu den Handelsr~umen der B6rse haben. Die einen handeln auf Arbitrage, die anderen sind Programmh~ndler, bei denen im Prinzip nur noch das Computerprogramm die Kauf- oder Verkaufstaste dl~ckt.
Interview Sean Corrigan
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Aktien werden automatisiert gehandelt? Sicher, und beim anderen H/indler ist die Google-Aktie Teil eines Exchange Traded Fund. Wenn die Google-Aktie gut 1/iuft, dann kommt sie in den Index. Dann wird das Papier automatisch mehr gekauft als vorher. Die Kursbewegung verst/irkt sich. Wenn Google einen anderen Konzem tibemimmt und sich damit der Wertanteil der Google-Aktie im Index vergr6gert, dann ffihrt das bei den Index-Trackem automatisch zu weiteren K/iufen der Google-Aktie. Dieser mechanistische Aktienhandel hat nichts mit einer fundamentalen Wertanalyse des Unternehmens zu tun. Also k6nnen diese B6rsenbewertungen komplett getrennt werden von den realen betriebswirtschaftlichen Aussichten des Konzems. Bei solchen Preisfindungen ist es zun/ichst irrelevant, ob Google in der Zukunft untemehmerischen Erfolg haben wird.
Was sagt denn dieser Trend fiber die BOrse aus, immerhin ein Marktplatz, der sich Effizienz bei der Preisfindung auf die Fahnen schreibt? An den B6rsen werden Wert-Illusionen gehandelt. Die M/irkte sind alles andere als effizient. Wer das Gegenteil behauptet, der soll einmal das Fiasko des Neuen Markts erkl/iren. Die Idee der 6konomischen Rationalit/it kommt aus den ~nfziger Jahren. Das hat viel Irrtum erzeugt. Der Markt weig es eben nicht besser. All diese Index-Kauflust zielt weder auf den Kapitaltransfer an Untemehmen, noch auf Wertsicherung.
Ist dieser computergesteuerte Aktienhandel so weit verbreitet? Das betrifft bestimmt die H/ilfte als Handelsaktionen an der New Yorker BGrse. Dort, an der NYSE, werden am Tag Aktien im Wert von 55 Milliarden Dollar umgesetzt. Zahlen der Depositary Trust & Clearing Corporation zeigen, dass normalerweise nur 2 bis 3 Prozent dieser Summe tats/ichlich tiberwiesen und bezahlt w i r d - der Grol]teil dieser Gesch~fte werden ausgeglichen zwischen den H/indlern. Kurzfristig orientierte Profis machen somit dort das Kerngesch/ift. Und viele Leute haben Blackbox-Computermodelle, die zum Beispiel Arbitragem6glichkeiten berechnen.
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Interview Sean Corrigan
Der Computer als nettes kleines Helferlein?
Es geht um viel mehr, es handelt sich hier um eine Art Jongliermechanismus, denn die Kauf- und Verkaufsentscheidungen fallen g~nzlich ohne menschlichen Einfluss und ohne menschliches Denken. Die Leute sitzen am Bildschirm, und das Softwareprogramm reagiert auf Preisbewegungen, um Kauf- oder Verkaufssignale zu berechnen. Und das alles, um eine kleine Marge zu verdienen. Das ist verwerfiich?
Nein, das hat nichts mit Moral zu tun. Der Punkt ist, wenn ein H~indler einen Index-Future kauft, dann hat er sich nicht hingesetzt und gefragt, wie die betriebswirtschafllichen Aussichten von Ford ftir die n~ichsten f'tinf Jahre sind, wie es mit IBM weitergeht, was Ciscos Manager ftir Pl~ine h a b e n - all das ist diesem H~indler-Typus egal. Sie drticken den Knopf und die Aktien sind verkauft. Alles, worum sie sich ktimmem, ist die Frage, ob ihre Aktie in ein paar Minuten billiger ist als der Preis, zu dem sie das Papier gerade verkauft haben. Dann kaufen sie sich die Aktie wieder zurtick und verdienen Geld. Welcher Vorstandschef das Unternehmen ftihrt, ist den Leuten egal, sie kennen den Namen nicht einmal. Dennoch machen sie damit die Preise, sie bestimmen den B6rsenwert eines Unternehmens. Ist das ein neues Ph~inomen oder gab es solche H~indler nicht auch schon friiher?
Ja, die gab es schon immer. Die Rolle der alten Marktspezialisten in New York, Frankfurt und London war es, Liquidit~t zu liefern, um Aktiengesch~fte zu vermitteln. Langzeitinvestoren wollten sich von Aktien trennen und gaben sie den Spezialisten, die eine Gebfihr nahmen, und das Paket an den n~chsten Langzeitinvestoren verkauften, als Zwischenh~ndler. Aber die Balance hat sich heutzutage komplett verschoben. Den Langzeitinvestor gibt es kaum noch. Er ist fiberrollt worden von Leuten die einander wieder, wieder und immer wieder etwas verkaufen. Und wenn am Ende des Tages die Musik abgeschaltet wird, dann hoffen sie darauf, im Plus zu sein, sie hoffen auf den Bonus, und am n~chsten Tag geht das Spiel wieder von vorne los.
Interview Sean Corrigan .
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Aber man kann von diesem Spiel auch als fundamental und lang~istig orientierter Investor profitieren ?
Es ergeben sich Gelegenheiten, beispielsweise, wenn der Chipkonzern Intel mit den aktuellen Quartalszahlen entt~uscht, die Aktie 15 Prozent verliert, und alle Branchenunternehmen an diesem Tag ebenfalls Kursverluste von acht bis zehn Prozent hinnehmen mfissen, weil alle Aktien in einem Branchenkorb sind und gleich mit abgestraft werden. Da ergeben sich Chancen, denn eigentlich mt~sste sich die Konkurrenz ja freuen, wenn ein Konzern wie Intel schlecht performt. Daraus k6nnten sich ja gute Chancen ergeben ffir sie selbst. Doch in dieser B6rsenlandschaft werden alle vom Big Leader mit herunter gezogen - und daraus kann man vielleicht Kapital schlagen. Nat~rlich gibt es auch die Chance, dass diese kurzfristigen Handlungen eine Aktie so weit nach unten treiben, dass sie billig wird und wieder eine Kaufgelegenheit bietet, und zwar ffir den, der das Business kennt. Doch das ist heutzutage alles sehr schwer geworden, weil alles sehr teuer ist. Das hOrt man immer wieder, alles sei teuer. KOnnen Sie das erklgiren?
Geld ist so billig geworden, vor allem ~ r die groBen Akteure. Wir haben eine Geldentwertung, und das zeigt sich daran, dass die Investoren nicht mehr richtig schauen, welche Unternehmen sie kaufen. Es scheint oftenbar besser zu sein, irgendeine Aktie zu besitzen als Geld. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Aktie gar nicht so lange gehalten wird, als dass sie sich darum kfimmern mfissten, ob das Unternehmen je Profite abwirft. Am Bondmarkt ist es ~hnlich. Die Akteure kaufen Bonds mit geliehenem Geld, und das treibt die Kurse. Das gab es frfiher nicht. Das ist eine ganz andere K~ufermentalit~t. Ob eine Anleihe wirklich sicher ist, das interessiert niemanden mehr, weil man sie ja vorher wieder abstoBen will. Welche Konsequenzen hat das ?
An den B/~rsen gibt es keine realistischen Preise ffir solche Investoren, die Anteil haben wollen an einem unternehmerischen Prozess der Wohlstandsmehrung. Diesen Zweck erffillt die B6rse heute nicht mehr in erster Linie, obwohl sie daffir geschaffen wurde. Die B6rse ist etwas anderes geworden, eine abgeschlossene Welt. Sarkastisch formuliert
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Interview Sean Corrigan
k/Snnte man die Firmen abschaffen und nur die Papiere handeln. Es wtirde keiner merken.
BOrsenkurse sind also keine grofle Hilfestellung bei der Wertbestimmung eines Unternehmens? Wenn ich eine gute Aktie habe, dann mtisste es mir eigentlich egal sein, was der Aktienkurs tiber eine lange Zeit macht, selbst wenn er absttirzt. Denn wenn das Gesch~ifl floriert, reicht das voll und ganz. Stellen Sie sich einen Hotel-Komplex in Ztirich vor, den Sie besitzen. P1Otzlich bricht eine Immobilienkrise tiber das Land herein. Das Hotel verliert an Wert. Doch die G/aste kommen weiterhin, und dann kann dem Besitzer der augenblickliche Preisverfall der Immobilie egal sein. Der Einsatz wird tiber die Zeit durch das operative Gesch~ift ausbezahlt. Das sieht ein kurzfristig orientierter Shortseller natiirlich v611ig anders.
Was ist ihr Tipp an Privatanleger? Vor einem Investment sollte man sich verhalten wie ein ganz normaler Mensch: Einfache Fragen stellen. Wenn der B~icker in deiner StrafSe das Gesch/aft verkaufen will, liegt die Frage nahe, ob er gute Br6tchen verkauft. Dann schaut man doch als Kaufinteressent, welche Verm6genswerte es gibt, ob die B~ickerei verschuldet ist, ob sie Gewinne macht, ob sie eine modeme Gesch/aftsstrategie f~ihrt.., und so fort. Zum Schluss fragt man sich dann, welchen Preis man bezahlen will, was diese Unternehmung einem wert ist. So sollte das auch mit Aktien funktionieren, obwohl man nicht das ganze Unternehmen sondern nur Anteile erwirbt. Das Prinzip ist dasselbe: Man will ein lebensf~ihiges Gesch~ift haben. Nattirlich gibt es Unsicherheiten. Na~rlich kann man mit Bilanzen viel machen. Doch ein Urteil dariiber, ob das Gesch~iftsmodell Erfolg haben kann, das muss man sich schon bilden, bevor man kauft.
Interview Rediger von Nitzsch
R0diger von Nitzsch ist Professor for Betriebswirtschaft an der RWTH Aachen und amtiert dort auch als Vorstandsvorsitzender des Forschungsinstituts Asset Management. Er besch~ftigt sich mit Anwendungen der Erkenntnisse aus der BehaviouraI-Finance-Forschung. Er vergleicht in diesem Gespr,~ch die B0rse mit einem Wochenmarkt und macht deutlich, wie die eigene Psyche dem B0rseninvestor regelm,~l~ig einen Streich spielt. ,,Im Gewinnbereich sind Anleger eher risikoscheu, im Verlustbereich hingegen gehen sie gerne Risiken ein."
FRAGE: Herr von Nitzsch, wenn ich mich entscheide, 100 Aktien der Allianz zu kaufen, wie kann ich sicherstellen, dass mir meine Psyche bei dieser Sache keinen Streich spielt?
VON NITZSCH: Da Sie kein Computer sondem ,,nur" ein Mensch sind, k6nnen Sie das kaum sicherstellen. Die Psyche des Menschen spielt immer eine geh6rige Rolle im Entscheidungsprozess. Von groger Bedeutung hierbei ist die jeweilige Verf'tigbarkeit von Informationen, wobei ich gar nicht mal die reale Verfagbarkeit meine, sondem die unbewusste. So kann es leicht passieren, dass bestimmte Informationen den Gedankenstrom im Gehim in eine bestimmte Richtung lenken, die nicht zwingend die richtige sein muss. Und pl6tzlich landet man unvermittelt in einem falschen Investment. Ich sollte reich also sehr genau fragen, warum ich die Aktie gerade jetzt kaufen will, und welche Informationen mich dazu gedriingt haben?
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Interview R~idiger von Nitzsch
Das ist richtig. Man sollte analysieren, ob es sachliche und fundierte Bewertungen zu einem Unternehmen sind, die den Kauf motivieren, oder ob die Entscheidung von der speziellen Situation abh~ingt, in der man sich gerade befindet. Also, ob es mein Nachbar war, der die Aktie empfiehlt, weil er sie auch gekaufi hat, oder ob ich im Fernsehen oder der Zeitung eine positive Einschgitzung der Aktie aufgeschnappt habe ?
Diese Situationen sind gute Beispiele for zuf~illige Verffigbarkeiten von Informationen, die allein noch nicht eine Anlageentscheidung begrtinden sollten. Allerdings ist es sicherlich eine schwierige Herausforderung f'tir einen Anleger, seine eigentlichen Kaufmotive exakt zu analysieren. Warum eigentlich?
Weil man sich beispielsweise in der beschriebenen Situation m6glicherweise schon kognitiv darauf eingestellt hat, die Allianz-Aktien zu kaufen. Die Gedanken um das Investment k6nnen als Investitionen aufgefasst werden, die nicht umsonst gewesen sein sollen. Nicht selten kommt der Anleger in solchen F~illen von dem Kaufwunsch nur schwer wieder weg, selbst dann, wenn die innere Logik sagt, dass man sich wom~glich gerade von nicht ganz tiberzeugenden Argumenten verleiten 1/~sst. Speziell der Gedanke, etwas Gutes zu verpassen, lenkt in diesem Fall das Verhalten. Kann man iiberhaupt herausfinden, was es nun tatsgichlich war, das den Kaufimpuls ausl6ste ?
Dies kann wenn tiberhaupt nur ein Mensch, der sich intensiv mit den psychologischen Besonderheiten der Informationsaufnahme und verarbeitung besch~iftigt hat und die typischen Verhaltensmuster und Verzerrungen kennt. Und genau diese Erkenntnisse vermittelt die Behavioural Finance. Dieser relativ junge Zweig der Kapitalmarktforschung erm6glicht es dem Anleger, sein Verhalten sozusagen aus der Brille eines Psychologen zu beobachten.
Interview R~idiger von Nitzsch ~
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Wie kann man die Behavioral Finance von der Technischen Analyse abgrenzen?
Die Technische Analyse fragt nicht nach dem Warum. Sie identifiziert beispielsweise Chartwiderst/~nde, doch die Grtinde ftir diese Widerst/~nde sind den Technikem im Prinzip egal. Die Behavioural Finance liefert zum einen die inhaltliche Begrtindung fiir einige wichtige Muster, sie bietet aber auch Erkennmisse, die fiber die Technik deutlich hinausgehen. An der BOrse, so k6nnte man sagen, werden 6konomische Erwartungen fiber die Zukunfi eines Unternehmens gehandelt. Was sagen Sie? Werden da irrationale Individualphantasien gehandelt?
Sicherlich sind es zun/ichst einmal Erwartungen, die gehandelt werden. Nach den verbreiteten Bewertungsmethoden werden in jedem Fall die ldinftig erwarteten Cashflows eines Untemehmens ins Visier genommen und auf einen so genannten Barwert diskontiert. Mit welchen Zinss/itzen diese Diskontierung explizit oder implizit vorgenommen wird, h/ingt allerdings davon ab, wie die Marktteilnehmer das Risiko wahmehmen. Je ausgepr/agter die Wahmehmung der Risiken ist, desto h6her ist der Risikozuschlag im Diskontzins und desto geringer f~illt der Barwert aus. Die Risikowahmehmung ist hierbei ein sehr subjektiver und im Zeitablauf durchaus variierender Prozess. Was bedeutet das genau?
Die Risikowahmehmung h/angt von vielen psychologischen Effekten ab. Beispielsweise weiB man, dass Marktteilnehmer bei 1/anger steigenden Kursen in ihrer Risikowahmehmung abstumpfen und Risiken immer weniger sehen. Der Risikozuschlag im Diskontzins sinkt und die Marktteilnehmer halten die gestiegenen Kurse deshalb immer noch fiir angemessen, obwohl die Aktien teurer und weniger lukrativ geworden sind. Entsprechendes gilt in einem schlechten B6rsenumfeld mit niedrigen Kursen, die von den Marktteilnehmem deshalb nicht als gute KaufmOglichkeiten gesehen werden, weil die Risikowahmehmung aufgrund der Stimmung viel zu ausgepr/igt ist. Anleger sehen also das Preis/Leistungsverhaltnis beim Aktienerwerb h/iufig aus einer verzerrten Perspektive.
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Interview R~idiger von Nitzsch
Was verstehen Sie genau unter einem Preis-/LeistungsverMiltnis bei Aktien?
Verstehen Sie die B6rse am besten als einen Wochenmarkt, auf dem nicht Obst und Gemtise, sondern Zahlungsversprechen yon Unternehmen gehandelt werden. Denn Aktien oder auch Anleihen sind nichts anderes als derartige Versprechen, die zudem ein bestimmtes Risiko tragen. Der Preis, den ein Anleger beim Erwerb eines Zahlungsversprechens zu zahlen hat, ist die Bereitschaft, dieses Risiko tiber eine gewisse Zeit in der Zukunft zu tragen. Hier~r erh~ilt er eine so genannte Risikopr~imie, also eine h6here erwartete Verzinsung als bei einer sicheren Anlageform. Das Preis-/Leismngsverh~ilmis kann dann als fair angesehen werden, wenn er ~ r die Risikotibernahme eine passende Risikopr~imie erh~ilt. Je h6her das Risiko ist, desto hOher sollte auch die Risikopr~imie ausfallen. Und das Preis-/Leistungsverhgilmis schwankt im Laufe der Zeit?
Ja, und dies deutlich heftiger als auf einem Wochenmarkt, da hier Preise und Leismngen viel transparenter sind als die Risiken und Erwartungen an der BOrse. Beispielsweise haben die Anleger zu Zeiten des Neuen Markts im Jahr 2000 Risiken tibemommen, ohne eine positive Risikopr~imie erwarten zu k6nnen. Mit anderen Worten haben Sie da~r bezahlt, ein Risiko eingehen zu dtirfen. Auf dem Wochenmarkt w~ire dies mit einer Situation vergleichbar, in der die Marktbesucher dem H~indler zum einen Geld geben, zum anderen aber auch das eigene Obst von zuhause mitbringen mtissen. Also eine verkehrte Welt. Das ist doch ziemlich irrational
Zweifelsfrei. Normalerweise steigt die Nachfrage bei sinkenden Preisen und sie steigt bei fallenden Preisen. Das gilt nicht nur auf dem Wochenmarkt, sondern ~ r alle Konsumgtiter. Doch bei Aktien ist es nicht selten umgekehrt: Steigende Preise steigern die Nachfrage. Der Herdentrieb setzt ein. Dabei sollten Investoren in der Boom-Phase skeptisch sein und in der Baisse optimistischer. Doch der Mensch tickt genau andersherum.
Interview R(idiger von Nitzsch
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An der B6rse geht es um Geld, aber die Triebkrafi f~r Aktienkurse sind Emotionen? Wie konnte sich die Idee vom rationalen Homo Deconomicus so lange halten - wie konnte man das glauben, obwohl man sich selbst doch jeden Tag im Spiegel sah und wissen musste, wie irrational Menschen sich verhalten?
Man sollte nicht davon ausgehen, dass die Psychologie in der 6konomischen Kapitalmarktforschung bis dato keine Rolle gespielt hat. So ist es schlieBlich auch eine Binsenweisheit, dass Menschen nicht immer rational agieren. Berfihmte Forscherpers~nlichkeiten wie beispielsweise Keynes oder auch Le Bon haben dies auch schon erkannt und dargestellt. Allerdings standen fr~her die verhaltenswissenschaftlichen Aspekte nicht im Vordergrund der Analyse. So gibt es auch in der Wissenschaft immer Moden, und nachdem viele andere Aspekte inzwischen schon ausgereizt sind, nimmt man sich zurzeit eben der Verhaltenswissenschaft besonders stark an. Die Basis ffir die Behavioural Finance legten im t~brigen die Psychologen Daniel Kahneman und der inzwischen verstorbene Amos Tversky in den siebziger Jahren, doch bis diese Erkenntnisse dann sozusagen interdisziplinfir in die Kapitalmarktforschung hint~berschwappten, dauerte es dann doch noch einige Zeit. Entscheidungen werden nicht gemacht, sie quellen auf sagte Nobel preistr~iger Reinhard Selten. Rationales Abw~igen ist also nur ein Aspekt. Der Rest ist Psychologie?
Ob die reine Vernunft oder die Psychologie des Menschen die zentrale Rolle in der Entscheidung spielen, h~ngt bei Anlegern zun~chst von dem Anlagehorizont ab. Legt der Anleger sein Geld kurzfristig an, also sagen wir mit einem Zeithorizont von h6chstens ein paar Monaten, dann spielen Oberlegungen zu Fundamentaldaten, wie etwa das Kurs-GewinnVerh~ltnis, nur eine untergeordnete Rolle. Hier geht es dann ausschlieBlich um das Ausnutzen der Marktpsychologie. Auf langfristige Sicht k6nnen sich die M~rkte allerdings nicht von den Fundamentaldaten, also durch die Ratio erkl~rbare Zusammenh~nge, abkoppeln. Was heiflt das fiir die Preisbildung an den BOrse?
,,Mean Reversion" ist das Stichwort. Die Kurse an der B~rse schwanken letztlich wie ein Pendel um einen gerechtfertigten Kurs. Sie liegen mal
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Interview R~idiger yon Nitzsch
einige Zeit fiber dem fairen Niveau, in anderen Phasen verweilen sie unter diesem Niveau. Solche Wellenbewegungen der Aktienkurse gab es immer in der BOrsengeschichte und wird es auch weiterhin immer geben. Doch an einem bestimmten Punkt werden die Fehlbewertungen deutlich, und dann knallt es, wie beispielsweise am Neuen Markt. Langfristig spielt die Psychologie also eine untergeordnete Rolle. Hier z~hlt dann wirklich die F~higkeit der Unternehmen, Cashflow zu erwirtschaften. Dennoch wundert man sich off, wie divergierend die Einschditzungen der Marktteilnehmer zu bestimmten Zeitpunkten sein kOnnen Ja, das ist richtig. Die Entscheidungen der Marktteilnehmer h~ngen sehr stark von der jeweiligen Stimmung ab. Ein und dieselbe Information kann bei einer optimistischen Stimmung als positiver Aspekt gedeutet werden, in einer pessimistischen Stimmung kann dieselbe Information als negativ angesehen werden. Betrachten Sie beispielsweise die Ankt~ndigung einer Unternehmensakquisition. Eine solche Ankt~ndigung regte in den Zeiten der Aktieneuphorie positive Phantasien an und stfitze den Aktienkurs. In einer pessimistischen Stimmung sehen die Marktteilnehmer eher die Probleme einer Obernahme, in Bezug auf die Kosten und Kulturunterschiede etwa - und strafen das fibernehmende Unternehmen ab. Sind denn wenigstens die Entscheidungen eines einzelnen Marktteilnehmers in sich konsistent, oder treten auch hier Widerspriiche auf?. In der Tat. Denken Sie nur an die Unterschiede, die Anleger im Gewinnbereich und im Verlustbereich zeigen. Im Gewinnbereich sind Anleger tendenziell eher risikoscheu, im Verlustbereich hingegen gehen sie gerne Risiken ein. Risikoscheu und Risikofreude gleichzeitig? Das klingt unlogisch. Ist es auch und es kostet den Anleger Rendite, wie man zeigen kann. Der Grund ffir dieses Verhalten liegt in dem Ph~nomen der ,,abnehmenden Sensitivit~t". Ober den ersten Euro Gewinn freut sich der Investor am meisten. Danach wird die Freude t~ber einen weiteren Gewinn immer geringer. Hat er einmal eine Gewinnposition erreicht, so wird er risiko-
Interview R~idiger von Nitzsch
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scheu, weil ihm ein m6glicher weiterer Gewinn weniger bringt als der Verlust des schon erreichten Gewinns. Das gilt aber nicht immer?
Nat~rlich ist der Anleger manchmal auch mit einem Plus von 30 Prozent unzufrieden und bleibt im Risiko, und zwar dann n~mlich, wenn die anderen Marktteilnehmer noch mehr Rendite gemacht haben, oder er von bestimmten Medien gierig gemacht wird, die von entsprechend h~heren Renditen sprechen. In diesem Fall verschiebt sich der Bezugspunkt des Anlegers nach oben, under fasst seinen Gewinn von 30 Prozent als ,,relativen Verlust" im Vergleich zu diesem Bezugspunkt auf. Aber es gibt doch immer andere Marktteilnehmer, die mehr Rendite machen als ich?
Die Frage, ob ich meinen Bezugspunkt nach oben verschiebe oder nicht, h~ngt davon ab, wie kognitiv verffigbar dieser h6here Punkt ffir mich ist. Wenn ich ein Investment habe, das im Kurs explodiert ist, und ich habe im H6hepunkt intensiv fiberlegt, ob ich den Gewinn realisiere, dann ist dieser hohe Kurs ffir mich fest in den Kopf gebrannt und noch lange verffigbar. Jetzt definiert dieser Kurs den Bezugspunkt. Ich ~rgere mich in der Folgezeit, dass ich damals, zum KurshOchststand, nicht verkauft habe. Ich habe ein Verlustgef'tihl, obwohl ich im Plus bin. Und wenn ich es mit Kostolany halte und meine Investments mehrere Jahre nicht anschaue?
Auch wenn ich mein Aktiendepot nicht beobachte, werde ich irgendwann auch mal den historischen Verlauf in einem Chart sehen und dabei bemerken, dass es sehr attraktive H6chstst~nde gegeben hat, zu denen ich h~tte verkaufen k6nnen. Die kognitive Ver~gbarkeit dieser HOchstst~nde ist jedoch in aller Regel nicht so ausgepr~gt, dass der Einstiegskurs als Bezugspunkt abgel6st wird. Ein Plus im Vergleich zum Einstiegskurs wird hier auch immer noch als relativer Gewinn wahrgenommen.
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Interview ROdiger von Nitzsch
Wie kann denn der Anleger in dieser Frage zu mehr Rationalit~it bei seinen Entscheidungen kommen? Er muss sich konsequent disziplinieren und seinen Blick nur in die Zukunft lenken. Kurse der Vergangenheit sind ohnehin Schnee von gestern und von heutigen Entscheidungen nicht mehr beeinflussbar. Dem Entscheider hilft es auch nichts, wenn er versucht, die Vergangenheit irgendwie gerade zu biegen. Er sollte genau in den Engagements investiert bleiben, in die er zum heutigen Zeitpunkt auch einsteigen w~rde.
Und bei Verlusten ist alles anders, da gehen die Anleger volles Risiko ? Im Verlustbereich wirkt die eben erkl~rte abnehmende Sensitivit~t genau andersrum. Auch hier schmerzt der erste Euro Verlust am meisten und ab einer bestimmten Gr6Benordnung sind dann weitere Verluste letztlich egal, denn das Investment ist dann ohnehin schon abgeschrieben. Risikofreude entsteht im Verlustbereich nun deshalb, weil das Weiterlaufen des Investments die Chance mit sich bringt, den gesamten Verlust wieder wettzumachen. Denn vielleicht wird ja irgendwann der Einstandspreis wieder erreicht. Dies bringt eine wesentlich h6here Freude als der zus~tzliche Schmerz, den man erleidet, wenn das Investment noch weiter an Wert verliert.
Das leuchtet ein. Und deshalb kaufen Anleger auch gerne nach und verbilligen ihren Einstandspreis ? Genau. Hierdurch erh6ht sich aber auch nur scheinbar die Chance, den Einstandspreis zu erreichen. Denn der Anleger hat jetzt ein altes Engagement mit einem neuen Engagement schlichtweg in ein mentales Konto gepresst. In Wirklichkeit sind es aber zwei Investments mit unterschiedlichen Einstandspreisen.
Was, bitte sehr, ist ein mentales Konto? Ich will Ihnen dies an einem Beispiel erl~utern: Wenn man beispielsweise im Vorverkauf ffir 100 Euro eine Theaterkarte kauft und an der Abendkasse feststellt, dass man die Karte verloren hat, dann steht man vor folgender Frage: Soll ich noch einmal 100 Euro ~ r eine neue Karte investieren oder nicht? Da sagen viele, nein, das ist mir zu teuer.
Interview ROdiger von Nitzsch
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Das kann man nachvollziehen.
Doch wenn man die Karte lediglich vorbestellt h/~tte, an der Kasse aber feststellen muss, dass man einen 100-Euro-Schein verloren hat, /~rgert man sich in dem Moment, geht aber trotzdem in das Theater, vorausgesetzt man hat die EC-Karte mit oder noch mehr Geld im Portemonnaie. Okonomisch gesehen sind dies zwei identische Entscheidungssituationen: Entweder sie sind um 200 Euro/~rmer und im Theater, oder sie sind nicht im Theater und haben lediglich 100 Euro weniger. Menschen entscheiden sich dennoch unterschiedlich, weil sie im ersten Fall die 100 Euro auf dem Konto ,,Theaterbesuch" abgebucht haben. Noch einmal 100 Euro f't~r die Karte investieren, das w/~ren auf dem ,,Theaterkonto" 200 Euro, was ein bisschen viel erscheint. Und im anderen Fall?
Da buchen sie verlorenen 100 Euro auf dem ,,Pechkonto" ab. Das ,,Theaterkonto" bel/~uft sich weiter auf 100 Euro. Damit kann man leben. Diese mentale Kontof~hrung gibt es f'tir jede Entscheidung, die Menschen treffen. Ganz wichtig ist hierbei die Beobachtung, dass ein Konto, welches sich in einem unausgewogenen Zustand, das hei6t im Verlust, befindet, am Selbstwert nagt. Man ~irgert sich vielleicht, aber Selbstwert? Warum?
Weil es das Ergebnis der eigenen Entscheidung ist und diese offensichtlich nicht gut gewesen ist. Die Psychologen sprechen in diesem Fall auch von einer kognitiven Dissonanz, die der Anleger verspt~rt. Und eine Dissonanz schmerzt den Menschen empfindlich, in einem mentalen Konto genauso wie in der Musik. Wenn der Anleger sich nun entscheiden w~rde, ein Aktienpaket mit 7000 Euro Verlust zu verkaufen, w~rde diese Dissonanz auf ewig manifestiert sein. Deshalb bleibt der Anleger im Risiko und sitzt den Verlust aus. Hierbei versucht er die Situation insofem ertr/~glich zu machen, dass er sich Informationen sucht, die dieses Engagement noch irgendwie in ein positives Licht rficken. All das geschieht unbewusst.
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Interview R~idiger yon Nitzsch
Wie filtern Anleger eigentlich die Informationen? Gestern wollte ich vielleicht noch Olzertifikate kaufen, weil ich einen positiven TV-Bericht gesehen habe, heute will ich es nicht mehr, weil ein anderer Analyst sagte, die Hausse sei vorbei. Man muss bei dieser Frage ganz klar differenzieren zwischen dem Moment vor der Entscheidung und danach. Habe ich das Wertpapier gekauft, dann setzt die selektive Wahrnehmung ein, denn man will ja, wie oben geschildert, den Kauf immer vor sich selbst rechtfertigen. Vor der Kaufentscheidung ist der Mensch im Prinzip noch frei, um das beste Investment zu machen. In dieser Phase geht es dann vielmehr um Ver~gbarkeiten von Informationen und die Frage, welche Information mein Denken am st~irksten beeinflusst.
Wovon hgingt das ab ? Es gibt da vier Faktoren. Zum einen bewegen mich aktuelle Informationen st~irker als ~iltere Neuigkeiten. Zum zweiten ist die Plausibilit~it der Informationen entscheidend, mithin die Frage, ob ich alles verstehe, was da gesagt wird. Zum dritten kommt es auf die Lebendigkeit der Informationen an, sind sie auff'fillig, farbig und wie in einer guten Reportage aufbereitet, dann hinterlassen sie eine starke Wirkung. Und zum vierten kommt es auf die H~iufigkeit an. Je 6fter eine Aussage oder Meinung zu einer Aktie wiederholt wird, desto mehr Eindruck macht sie auf den Empf~inger.
Erfahrene Investoren lassen sich aber nicht so leicht blenden? Das stimmt, die Ver~gbarkeit ist relativ zum Fachwissen des Investors zu sehen. Wer sich auskennt, der entscheidet eigenst~ndiger und kann auch die Informationen besser filtern. Wer jedoch wenig weir3, wird von den Informationen getrieben. In der Konsequenz bedeutet dies: Der Aktienlaie sollte sich nie eigenst~ndig ffir eine Aktie entscheiden, denn sein Entscheidungsprozess h~ingt davon ab, welche Informationen zuffillig auf ihn treffen.
Interview R0diger von Nitzsch
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Irgendwie ist es aber doch von Bedeutung, wenn ein Freund sagt, er h~itte an der B6rse 100 Prozent plus gemacht. Zu viele Informationen sind offenbar auch nichtsJ~r die Geldanlage? Der Vergleich mit den Renditen anderer Marktteilnehmer birgt stets eine groBe Gefahr, da es wieder das typische relative Denken des Menschen anst6Bt. Wir kennen dieses Spiel doch aus vielen Situationen: Beispielsweise wollen wir immer mehr verdienen als unsere Kollegen. Wenn ich also 30 Prozent mehr Gehalt verhandle, mein Kollege aber 50 Prozent, dann bin ich mit einem guten Ergebnis trotzdem unzufrieden, nur weil ich die Information fiber das Gehalt des Kollegen habe. Ohne diese Information w~re ich mehr als zufrieden. Wie kommt es, dass viele Investoren immer einen Hang zum Optimismus haben? Es ist im Grunde kein Optimismus, der die Investoren pr~gt, sondern vielmehr eine Selbstfibersch~tzung oder auch Kontrollillusion. Die Begr~ndung hierffir ist im Grunde recht einfach: Jeder Mensch hat ein ausgepr~gtes Motiv nach Kontrolle und wfinscht stets, seine Situation und soweit m/~glich die Umwelt kontrollieren zu k~nnen. Dieses Motiv ist angeboren und fest im Menschen verankert. Ein unbewusster Mechanismus im Kopf sorgt nun daf't~r, dass sich Menschen gerne diese Kontrolle einbilden. Man hat es hier sozusagen mit einem automatischen Prozess zu tun, der das Wohlbefinden der eigenen Person f6rdert. Mit welchen Konsequenzen ? Problematisch ist diese Kontrollillusion deshalb, weil Anleger sich zu sicher sind, dass ihre Auffassung fiber die weitere Kursentwicklung stimmt. Letztlich sind auch die hohen Handelsvolumina durch diese Kontrollillusion erkl~rbar. Wieso, das sind doch meistens Profis, die handeln? Stellen Sie sich den Handel mit einer Aktie bitte mal als Spiel mit drei Teilnehmern vor, dem K~ufer, dem Verk~ufer und der Bank. Der K~ufer glaubt, dass die Kurse steigen, der Verk~ufer erwartet das Gegenteil. Bei diesem Gesch~ft verlieren beide zunfichst einmal die Transaktionsgebfihr
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Interview Rfidiger von Nitzsch
fiir den Deal, die an die Bank geht. Nur wenn der Kurs mehr als die Transaktionskosten steigt, gibt es einen Gewinn fiir den K~iufer, oder wenn er mehr als die Transaktionskosten f~illt fiir den Verk~iufer. Nimmt man die Gewinne und Verluste von K~iufer und Verk~iufer zusammen, so ist das Ergebnis aber immer negativ, nur die Bank ist der sichere Gewinner. Es ist ein Spiel, bei dem K~iufer und Verk~iufer im Schnitt also verlieren werden, weil sie beide die Bank bezahlen. Kein verntinftiger Mensch wiirde ein solches Spiel mitmachen, wenn er nicht selbst sicher w~ire, auf der richtigen Seite zu liegen. Die Erkenntnisse der Behavioural Finance sind doch unter Profis mittlerweile Allgemeingut - welche Konsequenzen hat das ?
Vielleicht sind sie noch nicht Allgemeingut, aber sicherlich schon gut verbreitet. Die Konsequenz ist die, dass aus der Kenntnis der Verhaltenseffekte im Markt vermutlich keine signifikanten Informationsvorspriinge mehr gezogen werden kOnnen. Mit Ans~itzen der Behavioural Finance beispielsweise im Fondsmanagement den Markt zu schlagen, wird also immer schwieriger werden. Gleichwohl k6nnte man vermuten, dass die Rationalit~it zumindest bei den professionellen Investoren durch die verbreiteten Erkenntnisse steigen sollte. Aber daran habe ich noch meine ernsten Zweifel, die Psyche des Menschen ist einfach zu dominierend.
Interview Jim Rogers
Jim Rogers ist eine Investmentlegende. In den
siebziger Jahren gr(3ndete er mit George Soros den legend&ren Quantum-Fonds, ein Hedgefonds der in zehn Jahren rund 4000 Prozent Gewinn machte. Rogers war fortan ein reicher Mann und zog sich zur0ck. Er fuhr mit dem Motorrad um die Welt. Ende der neunziger Jahre machte er als einer der ersten auf den bevorstehenden Rohstoffboom aufmerksam. Rogers studierte in Yale und Oxford Geschichte, Philosophie und Wirtschaftswissenschaft. Er sagt: ,,M~rkte verhalten sich nicht so, wie du denkst. Begreife das!"
FRAGE: Herr Rogers, bei welchem Aktiengesch~ifi haben Sie am meisten gelernt? ROGERS: Im Jahr 1970 hatte ich einen B/~renmarkt antizipiert, ich dachte also, der Markt werde fallen. Deshalb habe ich alles Geld in Puts investiert... Papiere, die das Recht einrgiumen, Aktien zu einem vorher festgelegten Preis zu verkaufen... ...und innerhalb von vier Monaten konnte ich so meinen Einsatz vervierfachen, w/~hrend viele andere H/~ndler Bankrott gingen. Das ist der Traum eines jeden Aktienh~indlers, da diirfien einige Gliickshormone bei ihnen freigeworden sein ? Ja, und ich dachte zudem noch, ich sei richtig smart. Also h6rte ich auf meine weitere Eingebung, die da lautete, dass der Markt zwar wieder nach oben gehen w~rde, dass das aber erst sp/~ter geschehen w~rde.
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Interview Jim Rogers
Zun/~chst sollte es meiner Meinung nach weiter abw/~rts gehen. Also ging ich mit all meinem vorher verdienten Geld short, wettete also auf sinkende Kurse, und ging Baden. Jetzt war ich bankrott, und da lemte ich, dass ich noch gar nichts t~ber die M/~rkte wusste, keine Ahnung vom Handel hatte und auch nicht viel tiber mich selbst nachgedacht hare. Konnten Sie aus dem Erlebten eine Regel formulieren, eine Art Kernsatz f~r die BOrse, der Sie fortan nicht mehr losliefl?
M/~rkte verhalten sich nicht so, wie du denkst, dass sie sich verhalten sollten. Sei bereit, das zu begreifen. Sie w&sen nun, wie es funktioniert und spielen deshalb mit bei dem t~iglichen A u f und Ab an der BOrse?
Nein, ich bin kein H/~ndler und zudem habe ich bei solchen kurzfristigen Geschichten immer ein schlechtes Timing. Ich halte meine Assets lange, so lange, bis die Fundamentaldaten sich ver/~ndem. Mgirkte wirken oft launisch wie die Menschen. Sie scheinen das zu machen, was sie wollen und nichts das, was Experten prognostizieren. Gibt es dennoch eine Logik hinter den Marktbewegungen? Passen die Begriffe ,,BOrse und Logik" zusammen?
Schlussendlich passen die Begriffe ganz gut zueinander. Wenn eine Firma immer wieder dumme Gesch/~ftsentscheidungen trifft, dann wird sie vom Markt verschwinden. Die Aktie kann zwar noch eine Weile 1/~nger im Handel bleiben, denn der Markt liebt mitunter auch die Dummheit. Aber langfristig ist die Sache klar. Es ist logisch, dass diese Aktie irgendwann nichts mehr wert sein wird. Inwiefern liebt der Markt die Dummheit? Das bedeutet doch, dass die Marktteilnehmer bereit sind wider besseres Wissen enorme Risiken einzugehen, ganz so wie kleine dumme Jungs im Alter von zehn Jahren?
So ungef~hr ist es auch mitunter. Als die Leute im Jahr 1999 t~ber die Internetunternehmen geredet haben, da war das alles andere als logisch. Aber der Markt wollte damals keine logischen Dinge h6ren. Alle waren aufgeregt und verr~ckt. Es war die Zeit der Preisblase, und da macht man
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verr~ckte Dinge. M~rkte, die t~berschieBen, wollen keine logischen Analysen h~ren. Da will man mitspielen und schnell viel Geld machen. Dasselbe gilt auch umgekehrt: M~rkte, die abst~rzen, wollen keine guten Nachrichten h6ren. Sie wollen ihr Leid ausleben an schlechten Nachrichten. Das war immer so, in Zeiten von Panik haben die Logik und der Verstand keinen Platz.
Wie werden die B6rsenkurse gemacht? Ist es Psychologie, oder sind es die Fundamentaldaten eines Unternehmens ? Langfristig sind es die Fundamentaldaten. Die Psychologie spielt vor allem in Paniksituationen eine entscheidende Rolle. Jeder versucht mitzumischen und rechtzeitig abzuspringen.
Ein Groflteil des Aktienhandels ist heutzutage sehr kurzfristig ausgerichtet. H~indler kaufen Aktien, obwohl sie nicht einmal den Vorstandschef des Unternehmens kennen, geschweige denn die Bilanz des Konzerns. Halten Sie das J~r problematisch ? Manche dieser H~ndler kennen nicht einmal den Namen des Unternehmens, das sie gerade kaufen, sondern nur das Aktienk0rzel, das die BOrse vergeben hat. Mitunter vertippen sie sich dann sogar, sie geben also das falsche Kfirzel ein, kaufen die falschen Aktien und verdienen trotzdem Geld, weil sie Glt~ck haben. Nat~rlich ist diese Art von kurzfristigem Kaufen und Verkaufen ein Problem, aber diese Zeiten werden vorbeigehen. Das ist alles eine Anomalie. Die letzten Jahre an den Finanzm~rkten haben mit der Realit~t nicht mehr viel zu tun. Sobald wir eine l~ngere Periode mit sinkenden Aktienkursen erlebt haben, dann werden diese Ausw~chse verschwinden. Es wird eine Zeit kommen, in der die Leute sagen, dass sie nie mehr Aktien kaufen werden. Und dann wird man im Vergleich zu heute viel weniger Aktienhandel sehen.
Das klingt sehr pessimistisch. Haben Sie ein Problem mit der Spekulation, die Sie reich gemacht hat? Nein, aber es gibt derzeit viele uniformierte Akteure im Markt. Die denken, es sei einfach viel Geld zu verdienen. Aber das war noch niemals einfach. Doch wenn viele von diesen Uninformierten im Markt sind,
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dann kommt es immer zu 0bertreibungen, egal ob auf den Aktien- oder Immobilienm~irkten. Sobald Leute auf einen Zug aufspringen und ganz schnell reich werden, dann ist das ein sehr schlechtes Zeichen.
Viele Anleger springen seit einiger Zeit auf den Rohstoff-Zug auf Obwohl die Preise f~r einige Rohstoffe bereits seit einigen Jahren steigen, halten Sie Rohstoffe f~r ein gutes langt~istiges Investment. Worauf griindet sich Ihr Optimismus? Bullenm~irkte haben in der Vergangenheit 15 bis 23 Jahre angedauert. Das ist natiarlich keine Vorhersage, aber wenn es wieder so kommt, dann werden wir bei diesen Rohstoffen deutlich ansteigende Preise erleben, und zwar in einer Periode bis 2014 oder gar 2022. Das Besondere an Rohstoffm~irkten ist ihre Zeitsensitivit~it. Es dauert einfach eine ganze Weile, bis neue Bleischmelzen, Zinnminen oder ~ihnliches gebaut werden ktinnen. Ein knappes Angebot kann also nicht so schnell ausgeweitet werden. In den siebziger Jahren ist der Olpreis auch weiter gestiegen, obwohl riesige Erd61vorkommen in Alaska und der Nordsee gemacht wurden- es dauerte jedoch einige Jahre, bis diese Vorkommen erschlossen wurden.
Und so wird es wieder kommen ? Womtiglich. In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch keine groBen Quellen mehr entdeckt.
Sie haben bereits Ende der neunziger Jahre die neue Rohstoffepoche ausgerufen, damals als kaum jemand Ihnen zuh6rte. Wie erkennt man als Investor einen neuen Trend wie diesen? Wenn eine Anlageklasse lange Zeit ignoriert wird, wie das bei Rohstoffen der Fall war, dann besteht immer die Chance, dass sich das irgendwann einmal ~indert. Als ich Ende der 90er Jahre erstmals tiber Rohstoffe sprach, schtittelten alle nur den Kopf. Damals waren Internetuntemehmen das grol3e Thema. Doch davon darf man sich nicht beirren lassen. Als erfolgreicher Investor muss man das im Blick haben, was andere nicht sehen. Das habe in meinem Leben gelernt: Wenn eine Anlageklasse lange Zeit ignoriert wird und sehr billig ist, dann gibt es eine gute
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Chance, dass sich das ~indert. Und genau das habe ich gesehen. Kaum ein Konzern hatte mehr Produktionskapazit~iten geschaffen ftir Rohstoffe, obwohl die Nachfrage in den vergangenen 20 Jahren gestiegen war. Eine solche Situation hat historisch immer zu einem Bullenmarkt gefiihrt.
Rohstoffe sind ein hochspekulatives Anlagefeld. Profis machen die Preise, mitunter ist unklar, warum es hoch- oder runtergeht mit den Notierungen. Ldsst sich dieser komplizierte Markt tatsdchlich auffundamentale Aspekte reduzieren? Nehmen wir Kaffee. Ober viele Jahre hinweg sind keine neuen Kaffeeplantagen gepflanzt worden. Die Qualit~it der Kaffeeb~iume hat sich verschlechtert, in einigen Regionen sind die B~iume sogar abgeholzt worden. Dabei dauert es fiinf Jahre, bis ein Kaffeebaum gewachsen ist und abgeerntet werden kann. Ich rechne mit Preissteigerungen, weil man das Angebot nicht so schnell in Einklang mit einer steigenden Nachfrage bringen kann, und die Nachfrage bei Kaffee und anderen Agrarrohstoffen steigt weiter.
Worauffuhren Sie das zuriick? Die Menschen essen und trinken seit 20 Jahren immer mehr. In den vergangenen fiinf Jahren hat die Welt mehr Nahrungsmittel verbraucht als produziert. Das ist fiber eine so lange Periode noch nie passiert. Die globalen Reserven an Nahrungsmitteln gehen daher immer weiter zuriick, auch bei Kaffee - und das obwohl wir hier noch nicht einmal eine echte Dt~rre erlebt haben. Doch die Geschichte lehrt, dass es immer Dtirren geben wird. Wenn das passiert, dann gehen die Preise durch die Decke.
Triffi das auch auf Agrarrohstoffe wie Mais, Zucker, Baumwolle und Weizen zu? Hier gelten einige Besonderheiten. Mais und Zucker wird immer h~iufiger zu ,~thanol verarbeitet, um es dem Benzin beizumischen. Vor allem in Brasilien geschieht das. Hintergrund ist der hohe Olpreis, der so umgangen werden soll. Natiirlich erh6ht das die Nachfrage nach Mais und Zucker. Gleichzeitig sind die globalen Anbaufl~ichen etwa ftir Mais und
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Weizen sind ganz klar rtickl~iufig. Was Baumwolle betrifft, so l~isst sich das zwar relativ schnell neu pflanzen, aber die Preise lagen Ende 2005 rund 70 Prozent unter ihrem Rekordhoch. Gleichzeitig notiert der t31preis auf einem Rekordniveau. Was habenjetzt Baumwolle und Ol miteinander zu tun?
Viele Textilien werden aus Kunstfasern wie Polyester hergestellt. Und dazu braucht man 01, das immer teurer wird. Da liegt der Schluss nahe, dass die Textilproduzenten kiinftig auf Polyester verzichten und stattdessen den Kunststoff durch echte Baumwolle ersetzen werden. Dieser Nachfragewechsel wird mittelfristig die Preise ftir nattirlich gewachsene Baumwolle nach oben treiben. Welche Rolle spielen die Medien bei neuen Investmenttrends wie diesen?
Sie kommen immer zu sp~it, genauso wie die Experten an der Wall Street oder der City of London. Sobald diese Leute merken, dass sich da ein Trend andeutet, dann ist es kein Trend mehr. Dann sind alle engagiert in dem Gesch/aft, dann rollt die Masse an. Es dauert immer eine ganze Weile, bis die Akteure einen Trend erkennen. Im Jahr 1998 hat niemand gesehen, dass der B~irenmarkt mr Rohstoffe vorbei war, genauso wie der Bullenmarkt ftir Internetuntemehmen sich dem H6hepunkt n~iherte. Damals war der perfekte Zeitpunkt, Internet zu verkaufen und China sowie Rohstoffe zu kaufen. Die Masse holt den Trend langsam ein. So ist es immer. Die Masse ist der hinterherhinkende und damit best/atigende Indikator f'tir einen Trend. Dennoch kann es auch bei Rohstoffen wieder zu Preiseinbriichen kommen?
Ja sicher, und gehe fest davon aus, dass es passiert, beispielsweise, wenn sich die Konjunktur abktihlt oder China weniger nachfragt. Doch der langfristige Trend bleibt erhalten, solange das Angebot knapp ist. Jeder Investor muss sich dann selbst fragen, was er tut, wenn die Preise einbrechen. Ich weil3, was ich zu tun habe.
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Man muss einen starken Charakter haben, um an seinen Uberzeugungen festzuhalten und gegen den Strom zu investieren ? S icher, aber es ist gmnds~itzlich immer besser, zu frtih dabei zu sein als zu sp~it. Dazu braucht es Vertrauen in die eigene St~irke. Und natOrlich ist es nicht einfach, etwas zu kaufen, von dem alle anderen sagen, dass es sich nicht lohnen werde. Das ist mir oft passiert, aber es macht mir mittlerweile nichts mehr aus. Ganz kalt lassen wird es Sie wohl nicht, aber gelassener zu werden, ist bestimmt ein langer Lernprozess ? Frtiher als junger Mann mit weniger Erfahrung und weniger Selbstvertrauen habe ich nattirlich nicht gegen die Masse gewettet. Jetzt weiB ich, dass solche Situationen, wenn alle das Gegenteil von dem sagen, was ich sage, eher ein gutes Zeichen sind. Was hat sich in den vergangenen 30 Jahren an den BOrsen am meisten ver~indert ? Nat~rlich hat die Technologie das Gesch~ift grundlegend auf neue FtiBe gestellt. Alle Aktiengesch~ifte gehen schneller und laufen effizienter ab. Doch das betrifft ja alle Teile des Wirtschaftslebens und ist nicht nur ein B/Srsenph~inomen. Der gr6Bte Unterschied zu frOher ist wohl, das die B/Srse heutzutage die Gesellschaft sehr viel st~irker durchdrungen hat. Vor 25 Jahren h~itte wahrscheinlich kaum ein deutscher BiJrger gewusst, was ein Publikumsfonds ist, wom6glich h~itte er nicht einmal so recht gewusst, dass es im Land auch eine B6rse gibt. Doch diese Zeit der Unkenntnis hat sich grundlegend gewandelt. KOnnen Sie diese Entwicklung erkliiren? Schliefllich ist das BOrsengesch~ifi noch genauso wie friiher ein riskantes und kompliziertes Unterfangen? Es ist das Ergebnis des langen Bullenmarkts. Es ist einfach zu gut gelaufen. Die steigenden Kurse haben immer mehr Anleger ins Boot geholt. Doch das ~hrt, wie gesagt, zu Problemen, weil die Unwissenheit der Marktteilnehmer zu immer neuen Obertreibungen ftihrt.
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Interview Jim Rogers
Hedgefonds sind die neuen Stars der Investmentbranche. Sie verdienen immer Geld, so heiflt es, egal wohin die M~irkte tendieren, weil sie anderes als Publikumsfonds mehr Freiheit haben. Sie diirfen beispielsweise auf sinkende Kurse wetten. Sie haben in den siebziger Jahren zusammen mit George Soros den ersten richtig erfolgreichen Hedgefonds gegriindet, wie hat sich die Branche seit damals ver~indert? Es gibt mittlerweile zu viele von ihnen. Rund 15.000 Hedgefonds sollen es angeblich sein, doch so viele schlaue 29-J/~hrige gibt es nicht auf dieser Welt. Also rechne ich mit vielen Pleiten in diesem Segment. Das Problem sind die hohen Gebiihren der Fonds. Anleger sind nur bereit, diese zu bezahlen, wenn die Performance aul]ergew6hnlich gut ist. Um die Performance zu steigem fahren diese Fonds eine riskante Strategie mit starkem Hebel...
...sie leihen sich GEM... ...und das wird besonders die Dach-Hedgefonds hart treffen. Wenn da einzelne Hedgefonds an ihrer Schuldenlast kollabieren, dann brechen die Dachfonds auch zusammen.
Warum haben Sie relativ bald mit ihrem Hedgefonds aufgehOrt? Hat es Sie gelangweilt, und hatten Sie das Gef~hl, man solle sein Gliick nicht iiberstrapazieren ? Ich wollte mehr als ein Leben haben. Ich hatte genug Geld gemacht und wollte nicht als grol]er Investor in die Geschichte eingehen. Ich wollte und will noch mehr machen. Also bin ich erst einmal mehrere Jahre mit dem Motorrad um die Welt gefahren.
Die Finanzindustrie wird immer grOfler. Wie beurteilen Sie die Lage, ist das System gefdhrdet? Keine Frage, die Finanzbranche ist zu grol] geworden. Dazu kommen die hohe Verschuldung, die daraus resultierenden Hebeleffekte und die unz/ihligen Derivatekonstruktionen. Wenn Sie sich den Standard&Poor'sAktienindex in den USA anschauen, dann stellen sie fest, dass 30 Prozent der Gewinne aus dem Finanzsektor kommen. Das wird ein Problem geben. Anfang der achtziger Jahre kamen 30 Prozent der Gewinne aus
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dem Energiesektor - die Branche ist dann kollabiert. Ende der neunziger Jahre kamen 30 Prozent der Profite aus dem Telekommunikations- und Technologiesektor- auch der ist kollabiert. Historisch war es somit nie gut, wenn in einem Sektor eine 15berkonzentration stattfand. Was raten Sie in einem solchen Umfeld den Privatanlegern? Sie sollten niemals in etwas investieren, wovon sie keine Ahnung haben. Zwei Prozent auf einem Bankkonto sind besser als j/~hrlich zwei Prozent zu verlieren. Die meisten Anleger haben doch keine Ahnung, was ihr Fondsmanager tut. Aber wie soll man auch Ahnung haben von Finanzdingen. Das ist doch Profisache? Wieso? Ein Arzt weiB viel fiber Pharmazeutik, ein Mechaniker weiB viel t~ber Autos. Investiere nur in das, was du kennst, oder womit du dich besch/~ftigt hast. Es ist verdammt schwer, reich zu werden an der BOrse. Die meisten H/~ndler verlieren Geld. Das wollen die Menschen na~rlich nicht hOren, aber am besten w/~re es, wenn man die meiste Zeit fiberhaupt keine Aktien kaufen w~rde. Aber es gibt einige wenige Gelegenheiten im Leben, die muss man erkennen und handeln. Diese paar Investments kOnnen reichen, um Wohlstand zu erlangen. Selbst wenn wir eine Rezession erleben oder einen wirtschaftlichen Abschwung, so gibt es doch auch in diesen Phasen immer wieder Bullenm/~rkte, die man entdecken kann.
Interview Christian Schlag
Christian Schlag ist Professor for Derivate und
Financial Engineering an der Johann Wolfgang Goethe-Universit~it Frankfurt. Derivate spielen an den internationalen B0rsen eine immer gr0~ere Rolle. Manche sehen in den Produkten eine Gefahr for die Stabilit~it des Finanzsystems. Schlag hat in Augsburg Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert. Er h~lt Dedvate for einen Fortschritt in der Entwicklung der Finanzmarktprodukte. ,,Derivatedesaster kamen immer dann, wenn tier Risikomanager die Konstruktionen entweder nicht gesehen oder nicht verstanden hat."
FRAGE: Herr Schlag, Derivate haben nicht den besten Ruf Woran liegt das ihrer Meinung nach?
SCHLAG: Derivative Instrumente sind komplex. Eine Option ist komplizierter als eine Aktie oder ein Bond. Insofem braucht man als Investor immer einen zus/~tzlichen Schritt, um sich damit auseinander zu setzen. Intellektuelle Mehrarbeit ist also unabdingbar, um wie Sie den Charme dieser Instrumente schgitzen zu kOnnen ?
Eine Mehrarbeit, die nicht jeder leisten will, wogegen auch nichts einzuwenden ist. Aber wenn es dann einmal zu einem Desaster im Derivatebereich kommt, und viele Leute ihr Geld verlieren, dann entsteht im Zuge der Berichterstattung manchmal die Wahmehmung, solche Ereignisse 1/agen in der Natur der Instrumente.
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Interview Christian Schlag
Und das ist nicht der Fall? Derivate sind also v61lig ungefgihrlich?
Ein Arzt verschreibt Ihnen drei Tabletten t~iglich und Sie nehmen ~nf, weil das ihrer Meinung nach noch schneller helfen wOrde - nattirlich ist das gef~ihrlich. Genauso ist es mit Derivaten. Sie lassen sich sinnvoll einsetzen, in MaBen und mit technischem Verst~indnis erreicht man mit diesen Instrumenten Dinge, die ansonsten nicht m0glich w~iren. Ganz einfach erklgirt, Derivate sind Vertr~ige, die eine Zahlung an einen anderen versprechen, wenn etwas Bestimmtes passiert, fast so wie ein Versicherungsfall ?
Ja, die Auszahlungen eines Derivats sind an, sagen wir, Umweltzust~inde gebunden, die von irgendeiner 6konomischen Variable abgeleitet werden, daher auch der lateinische Begriff ,,Derivat". Diese Variablen k6nnen im Prinzip alles sein. In gewisser Weise ist auch eine Sportwette ein Derivat, da es sich um einen Vertrag zwischen zwei Parteien handelt, dessen Zahlung sich daran orientiert, welches Ergebnis ein bestimmtes Ful3ballspiel hat. Aber meist geht es um 6konomische Variable?
Genau, alles von Aktien und Anleihen bis hin zu Inflationsraten oder Wechselkursen. Es gibt auch Energiederivate, Wetterderivate und so genannte Katastrophenanleihen, die von Rtickversicherem begeben werden. Deren Zahlung richtet sich danach, ob beispielsweise ein Unwetterschaden eingetreten ist oder durch einen havarierten Oltanker ein grof~er Umweltschaden entstanden ist oder eben nicht. Kommt es zu einem solchen GroBschaden, dann k6nnen die Klauseln der Anleihe zum Beispiel festlegen, dass die Investoren keine Kuponzahlung ffir ihre Anleihen erhalten. Die Idee ist es einfach, die Risiken auf viele Schultem zu verteilen und so in diesem Beispiel die Kapitalbasis der Rtickversicherungsindustrie zu st~irken. Ist ein Derivat nun eine Wette oder eine Versicherung?
Kommt darauf an, es kann beides sein. Man kann einen Put kaufen, um auf fallende Kurse zu setzen...
Interview Christian Schlag
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...beim Put kaufi man das Recht, eine Aktie sp(iter zu einem bestimmten Preis zu verkaufen... ...oder man hat die Aktie schon und packt den Put auf die Aktie dazu. Dann ist es eine Art Versicherung, weil man mit dem Put ja den Gesamtwert seiner Position nach unten absichert.
K6nnen Sie das etwas genauer erkl~iren? Ich kaufe mir mit dem Put das Recht, die Aktie zu einem bestimmten sp/~teren Zeitpunkt beispielsweise zu 50 Euro zu verkaufen, auch wenn der Kurs dann nur bei 40 Euro liegt. Meine Option ist dann 10 Euro wert. Wenn ich die zugrunde liegende Aktie f't~r 50 Euro gekauft habe, wfirde ich mit einer reinen Aktienposition in diesem Fall einen Verlust von 10 Euro erleiden. Habe ich noch einen Put dazu gekauft, erhalte ich aus der Option eine Zahlung von 10 Euro, die meinen Aktienverlust genau ausgleicht.
Es gibt mittlerweile Derivate fiir Privatanleger und f~r Profis? Wo liegt der entscheidende Unterschied? Ich wtirde zun/~chst den Profimarkt in zwei Segmente unterteilen. Zum einen gibt es die b6rsengehandelten Derivate, die an der Eurex notiert sind, zum anderen gibt es den so genannten OTC-Markt, wo institutionelle Kunden maBgeschneiderte P r o d u k t e - im Regelfall von Investmentbanken- kaufen k6nnen.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang maflgeschneidert? Eine Versicherung beispielsweise geht auf eine Investmentbank zu und sagt, ,,ich h/~tte geme genau dieses oder jenes Derivat", die Bank konstruiert das gewfinschte Zahlungsmuster und ist dann Gegenpartei. Die maBgeschneiderten Produkte sind naturgem/~B weniger liquide, da sie eben genau auf die Bed~rfnisse eines Kunden zugeschnitten sind.
An der Derivate-B6rse Eurex ist das anders ? Bei den b6rsengehandelten Derivaten hat man eine hohe Liquidit/~t und Standardisierung. Da gibt es so genannte ,,Plain Vanilla"-Produkte wie
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Interview Christian Schlag
Puts und Calls, aber kaum Exoten. An der Derivate-B6rse geht es um das Management von Standardrisiken, wie etwa darum, den Kurs einer Aktie oder den Wechselkurs einer W~ihrung nach unten oder oben abzusichern.
Gerade in Deutschland wgichst auch der Derivate-Markt j~r Privatanleger. Es gibt da ganz einfache Instrumente, beispielsweise die DiscountZertifikate. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus einer Aktie und einem Short Call. Short gehen aus der Sicht des Kunden heil3t, den Call, also eine Kaufoption, an die Bank zu verkaufen. Damit ist der Privatanleger nicht an extremen Kurssteigerungen beteiligt - es gibt da eine Obergrenze der Auszahlung des Discount-Zertifikats. Doch fiir diesen Nachteil erh/~lt der Kunde das Papier billiger als die Aktie. Diese Art von Derivate-Konstruktionen wird aber immer komplizierter.
Ein Zertifikat erlaubt also beispielsweise eine Wette auf steigenden Olpreis bei fallendem Dollar? Da ist alles mOglich, was Sinn macht? Die Sinnfrage stellt sich da nicht einmal direkt. Ich habe hierzu eine ganz agnostische Position, man kann im Derivate-Bereich prinzipiell alles erfinden. Und wenn jemand eine solche Idee hat, dann zerlegen wir Experten das Produkt und bewerten das Risiko dieser Konstruktion. Die entscheidende Frage ist, ob die Kunden solche Titel kaufen wollen.
Konkret: Was ist der Unterschied zwischen einer Spekulation mit einer Aktie und einer Derivate-Spekulation auf eine Aktie ? Das Besondere beim Derivat ist der potenziell hohe Hebel. Eine Kaufoption verh/~lt sich von der Richtung der Preisbewegung her genauso wie die zugrunde liegende Aktie, doch die Option ist im Einkauf billiger. Und deshalb kann man mit einem Derivat h6here Renditen erzielen als mit der Aktie. Aufgrund der beschr/inkten Laufzeit habe ich allerdings auf der Gegenseite auch das Risiko des Totalverlusts.
Derivate pr~igen das B6rsengeschgifi in zunehmendem Mafle, was von einigen Experten kritisch kommentiert wird. Was sind ihrer Meinung nach die Vorteile im Tagesgeschgifi?
Interview Christian Schlag . . . . . . . . . . . . . . .
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Nehmen Sie den Kauf einer Verkaufsoption, also eines Puts. Frfiher h~tte man ffir ein Gesch/~ft, das bei fallenden Aktienkursen einen Profit erzeugt, einen Leerverkauf machen mtissen, also eine Aktie verkaufen, die man nicht besitzt, sondem die man nur geliehen hat. Mit einem Put ist das wesentlich einfacher, es ist eine bequeme M6glichkeit sich abzusichem.
Mit Derivaten lgisst sich aufjeden Markttrend spekulieren ? Das ist grunds/~tzlich richtig. Ohne diese Instrumente w/~re es kaum m6glich, in seitw/~rts tendierenden M/~rkten Gewinne zu machen. Heutzutage kann man das entsprechende Papier kaufen, bei dem man beispielsweise nur dann gewinnt, wenn die Kurse sich nicht bewegen. Genauso kann man darauf wetten, dass sich die M/~rkte extrem b e w e g e n - egal ob nach unten oder oben. Dann verliert man nur, wenn die M/~rkte ruhig bleiben. Man kann ganze Kurskorridore abdecken durch die Kombination von Derivaten. Die eben beschriebenen Instrumente heiBen dann beispielsweise Straddle oder Butterfly Spread. Jede Marktmeinung, und sei sie noch so spektakul/~r oder langweilig, kann man mit den entsprechenden Derivaten in eine Strategie umsetzen.
Hat das Derivategeschgift Einfluss auf die Preisbildung der zugrunde liegenden Assets - oder ist es umgekehrt? Sprich: Bewegt sich die Allianz-Aktie, wenn Derivate auf die Allianz-Aktie gehandelt werden? Das ist die klassische Frage der Derivatem/~rkte, und es gibt empirisch keine eindeutige Antwort. Die eine These lautet: Derivate erleichtern die Spekulation, aber die Spekulation muss auch abgerechnet werden, sprich die Papiere, auf die die Derivate laufen, wechseln auch den Besitzer. Damit steigt die Volatilit/~t an den M/~rkten. Andere Experten argumentieren umgekehrt: Sie gehen von einer hohen Ausgangsvolatilit/~t aus, weil die Marktteilnehmer nur mit Aktien handeln k6nnen. Durch den Einsatz von Derivaten hat man ein anderes Instrument zur Risikosteuer u n g - und deshalb geht die Volatilit/~t zur~ck. An grof3en Verfallstagen von Index-Derivaten sowie Puts und Calls auf Einzelaktien, den so genannten ,,Triple Witching Days", sptirt man allerdings schon ein gewisses fiebriges Gef~hl am Markt, weil dann viele groBe Positionen glattgestellt werden mfissen.
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Die Geschichte der Derivate ist relativ jung. Wo kommen die Produkte her?
Den Terminhandel gibt es ja schon lange, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts etwa. Die Geschichte der modemen Derivate beginnt Anfang der 70er Jahre nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems. Als die W/~hrungen frei handelbar waren, stieg die Volatilit/~t zun/~chst an den Devisenm/~rkten, dann auch im Zinsbereich. Und das hat Absicherungsbedarf erzeugt. Am Anfang gab es im Wesentlichen nur Aktienoptionen und W/~hrungsfutures. Seit 1990 ist die Entwicklung nur noch schwer zu beschreiben, weil sie so schnell vor sich geht. In der Tat, es gibt Zinsderivate, Kreditderivate, Optionen, Asset Backed Securities, Futures, Swaps - da kommt man nicht nur als purer Laie schnell durcheinander - gibt es eine Typologie der Produkte?
Man kann grunds~itzlich die unbedingten Termingesch~ifte von den bedingten Termingesch~iften unterscheiden. Erstere sind Futures oder Forwards. Sie zurren fest, dass etwas zu einem fest vereinbarten Preis gehandelt werden muss. Letztere Gruppe betrifft Optionen, die ein Recht, aber nicht die Pflicht festlegen, das Termingesch~ift durch Lieferung der Ware gegen die vereinbarte Bezahlung zu erfiillen. Eine Partei hat bei Optionen also ein Wahlrecht. KOnnen Sie das an einem Beispiel erl~iutern.
Der so genannte Swap geh6rt zu den unbedingten Termingesch/iften. Hier wird etwas getauscht zwischen zwei Parteien, beispielsweise der variable Libor-Zins gegen einen fixen Zinssatz. Ein solches Gesch/fft hat sensationelle Eigenschaften: Frfiher war es ein riesiges Problem, wenn eine Bank kurzfristig variabel verzinste Einlagen hatte, aber langfristig festverzinslich Geld verliehen hat. Wenn da die variablen Zinsen steigen, wird ganz schnell das Eigenkapital der Bank aufgefressen. Ein Swap kann da helfen: Vom Swappartner bekommt man variable Zinsen auf eine bestimmte Summe, w/~hrend man die festen Zinsen auf die Summe an den Partner weitergibt.
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Man tauscht Zinss6tze miteinander?
Ich zahle den variablen Libor an Sie und bekomme darer einen festen Zinssatz von Ihnen, auf eine Basissumme von sagen wir 10.000 Euro bei einer Laufzeit von zehn Jahren. Das ist die Absicherung. Aber natfirlich kann man auch spekulieren und nur die variablen Zinsen kaufen. Wie kommt es, dass der Derivatemarkt so kreativ ist?
Es ist ein Wettbewerb der K6pfe. Gerade im Zins- und Kreditbereich sind die fundamentalen Derivatprodukte vonder Modellierung her schon sehr anspruchsvoll. Wer besser modellieren kann und sich am besten absichert, der gewinnt. Die Investmentbanken fahren hier massives intellektueUes Gescht~tz auf. Sehr gute Kenntnisse von Mathematik, Statistik, Wahrscheinlichkeitsrechung sowie 6konomische Kreativit~t sind wichtig, um diesen Job zu machen. Wie gestalte ich Zahlungsstr6me, wie bewerte ich die Risiko? Die Beantwortung dieser Fragen erfordert ein besonderes Profil. Wie sieht dieses Bewerberprofil aus ?
Viele Banken in den USA nehmen nur studierte Mathematiker und Physiker. In den besten US-amerikanischen Doktorandenprogrammen in Finance finden sich auch viele promovierte Naturwissenschaftler, die dann noch einen Doktor der Finanzwirtschaft nachschieben. Physik und Geld so eng beieinander, wer h~itte das gedacht?
Der Derivatemarkt ist gar nicht so weit weg vonder Physik. Man hat ein Marktph~nomen, das durch ein Modell beschrieben wird. Die Arbeit besteht darin, ein solches Modell zu entwickeln, auf das man sich verlassen kann. Welche PhZinomene meinen Sie?
Ein Ph~nomen ware etwa die Bewegung einer Variablen, wie die eines Zinssatzes, einer W~hmng oder eines Aktienkurses. Das Modell muss also verl~sslich die Bewegungen dieser Variablen abbilden, so dass man darauf Handelsstrategien aufbauen oder Arbitragem6glichkeiten identifi-
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zieren kann. Die zunehmende Komplexit~it der Produkte und die Analysetechniken bediirfen da schon einer Kategorie von Methoden, wie man sie im Rahmen einer Physik-Ausbildung kennen lernen kann. Wie laufen solche Derivate-Gesch~ifie der Profis ab? Da geht es doch um Riesensummen mit kleiner Marge, weil so viele Profis am Werk sind?
Die Spreads sind sehr eng, deshalb ist ein optimales Modell so entscheidend. Die Profis machen in liquiden Titeln Gesch~ifte bei Spreads zwischen 5,10 und 5,08, also bei einer sehr geringen Spanne. Da muss man oft den Kapitaleinsatz mit Krediten hebeln, um noch signifikante Profite erzielen zu k6nnen. Gibt es Grenzen bei Derivate-Konstruktionen, wie weit kann man als kreativer Mensch seine Fantasie ausleben?
Letztendlich ist alles synthetisierbar. Es gibt beispielsweise die so genannte Put-Call-Parit~it, die besagt, wenn ich Puts, Calls und einen Kredit auf eine geeignete Weise zusammenbaue, dann kommt dabei eine Aktie heraus. Bitte?
Ja, ein Call long und ein Put short und den Present Value des Basispreises zusammengenommen ergibt das gleiche wie eine Aktie. Das ist Synthetisierung. Selbst wenn man annimmt, es gebe ein bestimmtes Finanzinstrument nicht, dann kOnnte man es wohl in den meisten F~illen zumindest ziemlich gut, wenn auch nicht perfekt, synthetisieren. Derivate auf Aktien sind die eine Sache, mittlerweile gibt es auch Derivate, die sich auf Kredite beziehen. Wenn ich mir bei der Bank Geld leihe J~r ein Haus, wird der Kredit bestimmt weiterverkaufi an einen institutionellen Investor in irgendeiner derivativen Form.
Das kann passieren. Es gibt zwei M~glichkeiten bei Kreditderivaten. Entweder der Kredit wird weiterverkauft und geht in so genannte Asset Backed Securities ein. Bei dieser Konstruktion werden Zahlungsansprtiche aus vielen Krediten gepoolt und dann in eine Anleihe gegossen. Es ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit.
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In der Tat, und was ist die andere M6glichkeit? Die Bank beh~ilt den Kredit in den Btichern, und versichert sich gegen den Kreditausfall. Hier bezahlt die Bank dem Garantiegeber eine Pr~imie daftir, dass dieser einspringt, wenn der Schuldner nicht mehr bezahlen kann. Das heil3t dann Credit Default Swap. Bei diesen Credit Default Swaps gilt es, das Kleingedruckte zu beachten? Ja, da gab es zumindest in der Vergangenheit ab und an Streit dartiber, ob der Versicherungsfall eingetreten war oder nicht. Das ist aber auch ein Indiz da~r, dass es sich um einen jungen Markt handelt, der noch nicht standardisiert ist. Die Pleite des Hedgefonds L TCM im Jahr 1998, die fast das gesamte Finanzsystem in Turbulenzen gestiirzt hiitte, wird immer gerne den Derivaten zugeschoben. Zu unrecht. Der entscheidende Punkt war damals, dass die anderen Marktteilnehmer die Positionen des LTCM-Fonds zumindest in der Endphase kannten und sich darauf einstellen konnten. Sprich: LTCM musste weit unter Preis verkaufen, weil der Markt wusste, dass LTCM liquidieren musste. Was war passiert? LTCM wettete damals beispielsweise auf die Renditekonvergenz italienischer und deutscher Staatsanleihen aufgrund der Einf'tihrung des Euro. Man vermutete, dass sich in einem gemeinsamen W~ihrungsraum die Renditen zwangsweise ann~ihern mtissten. Das war eine grunds~itzlich vemtinftige Wette, doch dann passierte etwas, was die Experten nicht in ihren Modellen berticksichtigt hatten. Die Spreads gingen auseinander, weil aufgrund der Asien- und der Russlandkrise pl6tzlich jeder deutsche Anleihen kaufte und italienische Bonds verkaufte. Das brachte LTCM t~iglich Millionenverluste.
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Schliefllich kam es aber doch zur Konvergenz?
Ja, LTCM hatte Recht, dass die Spreads wieder zusammen gehen wfirden, aber sie haben niemanden gefunden, der ihnen ihre Position noch finanziert h~tte. Dieses Ph~nomen nennt die akademische Literatur die ,,limits of arbitrage". Bei solchen Gesch~ften brauche ich immer jemanden, der es mir glaubt und die Sache finanziert. Finde ich niemanden, dann bin ich tot. Derivate kOnnen schiitzen, aber sie k6nnen auch der Bilanzmanipulation dienen, wenn man sie so kompliziert konstruiert, dass keiner mehr durchblickt.
Natfirlich geht das, und es wird wohl auch gemacht wie die Erfahrung mit F~llen wie dem US-Konzern Enron zeigt. Nur, es ist nat~rlich illegal, Derivate so einzusetzen. Allerdings kann es Wirtschaftsprfifern durchaus schwer fallen, mit solchen Instrumenten umzugehen, und das ist gar nicht ehrenr~hrig gemeint. Das bringen diese Dinge mit sich und es zeigt, wie komplex das Anforderungsprofil an so einen Berufsstand werden kann, wenn Derivate mit rein kommen. Was sind die destabilisierenden Elemente von Derivaten?
Derivatedesaster kamen immer dann, wenn der Risikomanager die Konstruktionen entweder nicht gesehen oder nicht verstanden hat. Das ganze ist also oft eine Angelegenheit des Risikocontrollings. Der Nutzen der Derivate ist klar, und systemische Risiken k6nnte man nur durch ein Verbot vollst~ndig eliminieren, was allerdings niemand w~nschen kann. Wie geht es weiter mit diesen Produkten?
Das ist schwer zu sagen. Man dachte schon oft, jetzt sei das Ende der Entwicklung erreicht. Doch nach den Kreditderivaten kamen Konstrukte auf Wetter und Elektrizit~t. So k6nnte es theoretisch weitergehen. Es gibt Diskussionen in den USA dar~ber, ob es nicht derivative M~rkte ffir grol3e Lebensrisiken- beispielsweise die Arbeitslosigkeit- geben sollte.
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Wie soil denn das funktionieren? Man k6nnte einen Future auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, BIP, kaufen oder verkaufen. Hintergrund ist die These, dass das BIP mit dem Arbeitsmarkt korreliert. Dieses BIP-Derivat w~rde dann zur Auszahlung kommen, wenn das B IP f'fillt und der Inhaber arbeitslos wird. Aber die Umsetzung dieser Idee ist sicher noch schwierig.
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Abschlag**, Abzugsbetrag, der in verschiedenen Formen zur Anwendung kommt. 1. W~ihrungsrechnen: Differenz zwischen Devisenkassakurs und Devisenterminkurs - 2. Bei Abzinsungspapieren: Differenz zwischen Nennwert und Kaufkurs.
Aktienriickkauf**, M~glichkeit ftir eine Aktiengesellschaft eigene Aktien zu erwerben. Ein A. kann z. B. sinnvoll sein, wenn er aus Griinden der Kurspflege notwendig erscheint oder der Erschwerung einer Unternehmenstibemahme dient. Auf der anderen Seite kann sich das Unternehmen dadurch, dass es eigene Anteile erwirbt, teilweise der Kontrolle durch die Aktion~ire entziehen. Aus diesem Grund gilt ftir den A. eine Obergrenze von zehn Prozent des Grundkapitals. Anleihe**, Bond, Obligation, Schuldverschreibung, festverzinsliches Wertpapier, Wertpapier, das einen Anspruch auf Zinsen und einen Rtick-
zahlungsanspruch verbrieft. Anleihen werden in Prozent notiert. Der K~iufer erwirbt einen Nennwert (Nominalwert) Eine A. besteht aus zwei Urkunden: dem Mantel, der das Gl~iubigerrecht verbrieft, und dem Bogen, an dem sich die Zinsscheine befinden. Die Aush~indigung von Urkunden (effektive Stticke) an den Anleger ist selten und wird vielfach durch die Anleihebedingungen des Schuldners (Emittent) ausgeschlossen. Bei A. des Bundes und der Lander liegen keine Urkunden vor. Es handelt sich um Wertrechte.- Als Emittent einer A. kommen verschiedene Unternehmen oder Institutionen in Frage, z. B. Bund und L~inder (6ffentliche A.), Realkreditinstitute (Pfandbriefe und Kommunalobligationen), Kreditinstitute (Bankschuldverschreibungen) oder Industrie-
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Die nachfolgend mit * gekennzeichneten Begriffe sind entnommen aus: Krumnow, Jtirgen/Gramlich, Ludwig/Lange, Thomas A./Dewner, Thomas M. (Hrsg.): Gabler BankLexikon, Bank - B6rse - Finanzierung, 13. Auflage, Wiesbaden 2002. Die nachfolgend mit ** gekennzeichneten Begriffe sind entnommen aus: Wierichs, G~inter/Smets, Stefan: Gabler Kompakt-Lexikon Bank und B6rse, 2.000 Begriffe nachschlagen, verstehen, anwenden, 3. Auflage, Wiesbaden 2005.
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unternehmen (Industrieobligationen).- Der Zinsanspruch bei einer A. kann einerseits als regelm~il3ige Zinszahlung festgelegt werden; der Zinssatz kann dabei w~ihrend der Laufzeit unver~indert oder variabel sein. Andererseits werden an einem Markt abgezinste (Abzinsungspapiere) oder aufgezinste (Aufzinsungspapiere) angeboten. Baisse**, Bear Market, Bgirenmarkt, Entwicklung an einer Btirse, die tiber einen l~ingeren Zeitraum durch fallende Kurse gekennzeichnet ist. Barwert**, Gegenwartswert, aktueller Wert einer in der Zukunft f'~illigen Zahlung, der sich durch Abzinsen (Diskontieren) mit einem bestimmten Abzinsungsfaktor unter Berticksichtigung von Zinsen und ggfs. Zinseszinsen ergibt. Blue Chips**, Aktien allgemein bekannter Grol3untemehmen, denen
einwandfreie Bonit~it, sichere Zukunftsperspektiven und stabile Dividendenpolitik beigemessen werden. B. gelten aufgrund dessen als Anlageobjekte mit begrenztem Risiko.
Bretton-Woods-Abkommen*, auf einer W~ihrungs- und Finanzkonferenz der (sp~iteren) Vereinten Nationen 1944 in Bretton Woods (USA) geschlossene v61kerrechtliche Vertr~ige tiber die Neugestaltung der Internationalen W~ihrungsordnung; sie betrafen insbesondere die Errichtung des Internationalen W~ihmngsfonds (IWF) und der Weltbank. Die ursprtinglichen Aufgaben haben sich teilweise erheblich ge~indert. Beim IWF betrifft dies v. a. die Abl/Ssung des Systems fester Wechselkurse, die endgtiltig mit der zweiten )kndemng des IWF-Abkommens 1978 erfolgte, sowie die Erweiterung der Fazilit~iten. Bei der Weltbank hat der Auftrag zur Unters~tzung des Wiederaufbaus der durch den Zweiten Weltkrieg zerstOrten L~inder und Volkswirtschaften bereits in den ftinfziger Jahren seine Bedeutung verloren; seither steht die Untersttitzung der Entwicklungsl~inder im Mittelpunkt der T~itigkeit der Weltbankgruppe. Bretton-Woods-System*, auf der Konferenz von Bretton Woods (USA) im Juli 1944 konzipiertes Festkurssystem fiir die Nachkriegszeit. Wechselkurspolitisches Merkmal des B.-W.-S. war die Verpflichtung der Mitgliedsl~inder, mit dem Internationalen W~ihrungsfonds (IWF) Parit~iten - ab 18.12.1971 auch Leitkurse - zu vereinbaren und die Schwankungen ihrer W~ihrungen innerhalb bestimmter Spannen (Band-
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breite) zu halten. Eine Anderung der Parit~iten bzw. der Leitkurse (Aufwertung, Abwertung) war m6glich, wenn ein ,,fundamentales Ungleichgewicht" vorlag. Das mit dem B.-W.-S. geschaffene System fester (aber anpassungsf~ihiger) Wechselkurse (fester Wechselkurs) land im M~irz 1973 sein effektives Ende, als nahezu alle wichtigen Mitgliedsl~inder die Interventionen am Devisenmarkt in US-Dollar (der W~ihrung, in der tiberwiegend die Parit~iten bzw. Leitkurse ausgedrtickt waren) einstellten. Bruttoinlandsprodukt**, Wert der innerhalb der geografischen Grenzen eines Wirtschaftsgebietes von den volkswirtschaftlichen Sektoren geschaffenen Gtiter und Dienstleistungen nach Abzug verbrauchter Vorleistungen. Unerheblich ist hierbei, ob die Wertsch6pfung von Inl~indem im Inland oder von Ausl~indem im Inland erbracht wurde. So ist z. B. auch die Wirtschaftsleistung eines in den Niederlanden wohnhaften, aber in Deutschland t~itigen Arbeitnehmers im deutschen B. enthalten. Bullenfalle**, Situation, in der ein Haussier als Ergebnis technischer Aktienanalyse eine Kaufentscheidung trifft, die sich als falsch erweist, da die B6rse entgegen der Erwarmng eine negative Kursentwicklung aufweist. Call**, engl. J~r Kauf Begriff, der vor allem bei Optionen (Call Option = Kaufoption) und bei der Geldaufnahme zwischen Kreditinstituten (Call Money = Nachfrage nach Geld) verwendet wird. Cashflow**, engl. fiir Liquiditiitszufluss, Nettozugang an flt~ssigen Mitteln (Bargeld, Kontoguthaben) aus dem Umsatz und sonstigen Aktivitgten eines Unternehmens. Der C. F. ist eine Kennzahl zur Bewertung der Selbstfinanzierungskraft, da er Auskunft da~ber gibt, wie schnell ein Unternehmen in der Lage ist, Verbindlichkeiten (z. B. Zins- und Tilgungszahlungen ffir Kredite) aus den fiber die Geschgftstgtigkeit zuflie13enden Mitteln zu begleichen. Er wird daher bei Entscheidungen fiber die Kreditvergabe hinzugezogen. Darfiber hinaus hat der C. F. eine grol3e Bedeutung im Zusammenhang mit der fundamentalen Aktienanalyse.Ausgangspunkt ffir die Berechnung des C. F. ist der Gewinn des Unternehmens. Da in diesem jedoch Gewinn mindernde Aufwendungen enthalten sind, die nicht zu Liquiditgtsabflt~ssen geffihrt haben (vor allem Abschreibungen und Rt~ckstellungen), werden solche Aufwendungen zum Gewinn wieder addiert. Da~ber hinaus werden i.d.R, der
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aul3erordentliche Aufwand und Ertrag wieder korrigiert. Vereinfacht ergibt sich folgendes Schema ~ r die Berechnung des C. F." Gewinn (Ertr~ige - Aufwendungen) + Abschreibungen + ZufGhrungen zu RGckstellungen + aul~erordentliche Aufwendungen - aul~er0rdentliche Ertr~i.qe = Cashflow
Credit Default Swap**, Sonderform von Kreditderivaten. Beim C.D.S. zahlt ein Partner als Sicherungsnehmer (Risikogeber) dem Kontrahenten als Sicherungsgeber (Risikonehmer) eine Pr~imie dafiir, dass er in Zukunft fiir Verluste entsch~idigt wird, die dadurch entstehen, dass sich die Bonit/it eines Kreditnehmers oder Emittenten einer Anleihe verschlechtert. Day Trading**, Handel mit Aktien, Optionen und anderen Finanzinstrumenten unter kurzfristiger Ausnutzung oft nur geringer Kursschwankungen. Die einzelnen Positionen werden oft nur ~ r wenige Minuten gehalten und sp~itestens zum Ende eines B6rsentages glattgestellt. D.T. wird zunehmend auch von Privatpersonen tiber das Internet (teilweise auch von angemieteten Handelsr~iumen aus) betrieben. Deflation**, anhaltender Riickgang des Preisniveaus und daraus resultierender Anstieg der Kaufkraft des Geldes. Ursache der D. ist ein fJberhang des gesamtwirtschaftlichen Angebots tiber die Nachfrage. Die fehlende Nachfrage bewirkt, dass Produktionskapazit~iten der Unternehmen nicht ausgelastet sind. Auf diese mangelnde Auslastung wird tendenziell mit Preissenkungen reagiert. Derivate**, Finanzderivate, Rechte, deren Marktpreise direkt oder indirekt vonder Kursentwicklung anderer Finanzinstrumente (Basiswerte) abh~ingen. Bei diesen Basiswerten kann es sich z. B. um Wertpapiere, Indices, Zinss~itze oder W~ihrungen handeln. D. sind Termingesch~ifte, deren gemeinsames Merkmal das Auseinanderfallen von Vertragsabschluss und Erfiillung ist. Zu den D. geh6ren z. B. Futures und Optionen. D. werden entweder als standardisierte Kontrakte an Terminb6rsen oder aul3erb0rslich an Over-the-Counter-M~irkten gehandelt. Discounted-Cashflow-Methode*, Verfahren der Bewertung von Unternehmen oder Finanzinstrumenten, bei dem zuktinftige ZahlungsstrOme
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mit einem Kapitalkostensatz abgezinst werden, um einen Gegenwartswert zu ermitteln. Bei der Unternehmensbewertung unterscheiden sich die D.-C.-f.-Verfahren dadurch, wie die Cashflows abgegrenzt werden und wie der Kapitalkostensatz ermittelt wird. Die Cashflow-to-EquityMethode diskontiert den Cashflow nach Zinsaufwendungen zum Eigenkapitalkostensatz. Sie wird meistens bei Finanzdienstleistungsunternehmen angewendet. Die am weitesten verbreitete WACC-Methode (Weighted Average Cost of Capital) zinst den Cashflow vor Zinsaufwendungen mit einem gemischten Eigenkapital- und Fremdkapitalkostensatz ab, wobei unterstellt wird, dass die Finanzierungsstruktur des Unternehmens konstant bleibt. Die APV-Methode (Adjusted Present Value) ermittelt zun~ichst den Gegenwartswert eines unverschuldeten Unternehmens durch Diskontierung mit dem Eigenkapitalkostensatz und ermittelt anschlieBend den Wert erh6henden Effekt der Fremdfinanzierung durch Diskontierung der Steuerersparnisse, die aus den Zinsaufwendungen resultieren. Alle D.-C.-f.-Verfahren der Unternehmensbewertung teilen die zuktinftigen Cashflows auf einen expliziten Planungszeitraum und den unendlichen Zeitraum danach auf, fiir den ein sog. Endwert (Terminal Value) ermittelt wird. Diskont**, Bezeichnung des Zinsabschlags, der beim Ankauf noch nicht f~illiger Forderungen for die Zeit vom Ankaufstag bis zur F~illigkeit der Forderung berechnet wird. EBIT**, Earnings before Interests and Taxes, Ergebnis vor Zinsen und Ertragssteuern; international verwendete Erfolgsgr6Be. Da sowohl der Verschuldungsgrad als auch die (national unterschiedliche) Steuerbelastung eines Unternehmens herausgerechnet werden, genieBt das EBIT einen hohen Stellenwert als MaBstab for den Erfolg eines Unternehmens im internationalen Vergleich. EBITDA*, Earnings before Interest, Tax, Depreciation and Amortization, Ergebnis vor Abzug von Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf immaterielle und materielle Verm6gensgegenst~inde als Indikator zur Generierung von Zahlungsmitteln (Kapitalflussrechnung). Elliot-Wellen-Theorie*, geht davon aus, dass sich die Finanzm~irkte stets in bestimmten vorgegebenen Wellenmustern bewegen, a) Eine typische Hausse zeichnet sich durch eine fiinfleilige Struktur aus, bei der die Wellen Nr. 1, 3 und 5 nach oben und die den jeweiligen Anstieg
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korrigierenden Wellen Nr. 2 und Nr. 4 nach unten bzw. seitw~irts gerichtet sind. b) Baisse-M~irkte bestehen nur aus einem dreiteiligen Muster. Sie werden in der Regel mit Buchstaben benannt. Die Wellen ,,A" und ,,C" sind nach unten gerichtet, die entgegen dem abw~irts gerichteten Haupttrend verlaufende B~irenmarkt-Baisse, die Welle ,,B" dagegen nach oben. Floating**, freies Schwanken eines Wechselkurses aufgrund von Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt ohne Festsetzung einer Bandbreite und ohne Verpflichtung zur Intervention der Notenbanken. Nehmen W~ihrungsbeh6rden dennoch Einfluss auf die Kursbildung, so spricht man von kontrolliertem Floating. Forward**, Bezeichnung eines aul3erb6rslich abgeschlossenen, auf individueller Vertragsgestaltung basierenden Termingesch~ifts. Fundamentale Faktoren*, gesamtwirtschaftliche, branchenspezifische und unternehmensbezogene Daten, die im Rahmen der Analyse von Wertpapieren (Aktienanalyse) bzw. volkswirtschaftlichen Gr68en (Wechselkurse, Zinss~itze, Volkseinkommen usw.) als wertbestimmende EinflussgrOl3en untersucht werden. Future**, standardisierter, b6rsenm~il3ig handelbarer Terminkontrakt, mit dem die Verpflichtung eingegangen wird, Waren (Commodity Future) oder Finanztitel (Financial Future, Finanzterminkontrakt) zu einem sp~iteren Zeitpunkt und zu einem bereits bei Vertragsabschluss festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Bei F~illigkeit wird ein F. i.d.R. durch ein Gegengesch~ift glattgestellt oder es findet ein Barausgleich statt. Gesch~ftswert*, F i r m e n w e r t , ,, G o o d w i l l " . Der G. ist ein immaterieller VermOgenswert des Anlageverm6gens. Der G. wird allgemein als Differenz zwischen dem Wert des gesamten Unternehmens und dem Wert der bilanzierungsf'~ihigen Einzelgtiter berechnet. Im G. drticken sich besondere, bilanziell nicht in Einzelgtitem erfasste Vorteile aus, wie z. B. Ruf des Unternehmens, Kundenkreis, Organisationsstruktur usw. Beim G. unterscheidet man einen selbst geschaffenen (origin~iren) und den entgeltlich erworbenen (derivativen) ,,Goodwill". Der bilanziell relevante (derivative) G. wird gesetzlich als derjenige Betrag definiert, der im Rahmen der f.)bernahme eines Unternehmens tiber den Verkehrswert der
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einzeln tibemommenen Verm6gensgegenst~inde abziiglich der Schulden hinaus entgolten wird. Glattstellungstransaktion*, Closing Transaction, Schliel3en einer Handelsposition durch Kontrahierung eines Gegengesch~iftes bzw. Schlief3en einer Terminmarkt-Position. Durch Kauf wird eine Short Position, durch Verkauf eine Long Position geschlossen. Durch eine G. ist es dem Marktteilnehmer m6glich, sich vor Verfall bzw. F~illigkeit des Terminkontraktes aus seiner Verpflichtung zu lOsen und damit bestehende Gewinne oder Verluste zu realisieren. Goldstandard*, 1. Begriff: W/~hrungssysteme (W~hrungsordnung) auf nationaler oder intemationaler Ebene, in denen entweder das Gold als gesetzliches Zahlungsmittel dient oder eine Eintauschverpflichtung der jeweiligen W~ihrung in Gold besteht (Goldkonvertibilit~it). Da die Knappheit des Goldes sich nur wenig ~indert, garantiert eine Goldw~ihrung die Geldwertstabilit~it. Die Goldparit~it wird durch die Goldankaufsund Geldeinl6sepflicht der Zentralbank aufrechterhalten. Hausse**, Bull Market, Bullenmarkt, Entwicklung an einer B6rse, die tiber einen l~ingeren Zeitraum durch steigende Kurse gekennzeichnet ist. Hebelwirkung bei Optionsseheinen (Leverage-Effekt)**, die H.b.O. besagt, dass eine Ver~inderung des B6rsenkurses einer Aktie wegen des geringeren Kapitaleinsatzes beim Erwerb des entsprechenden Optionsscheins eine prozentual st/~rkere Ver~inderung des jeweiligen Optionsscheinkurses nach sich zieht. Dabei gibt der Leverage-Faktor (Hebel) an, mit dem wie vielfachen der relativen Aktienkurs~nderung der Optionsscheinkurs rechnerisch auf diese Vergndemng reagiert.- Beispiel: Es wird ein Bezugsverh~iltnis von 1:1 unterstellt, d. h. ein Optionsschein berechtigt zum Bezug einer Aktie. Von einem Aufgeld wird abgesehen. Bei einem Aktienkurs von 100 Euro und einem Optionspreis (Bezugspreis) von 70 Euro ergibt sich daraus ein rechnerischer Optionsscheinkurs von 30 Euro. Steigt nun der Aktienkurs um 20 Euro und der Optionsscheinkurs um den gleichen Betrag, so betr/~gt der prozentuale Anstieg des Aktienkurses 20%, der prozentuale Anstieg des Optionsscheinkurses jedoch 66,67%. Der Hebel betr~gt hier also 66,67:20 = 3,33.
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Hedge Fund**, besondere Form eines Investmentfonds, bei dem das Fondsverm~gen tiberwiegend in hochspekulativen Finanzinstrumenten (z. B. Optionen, Futures) angelegt wird. Indexfonds**, Sonderform von Investmentfonds. Bei I. werden die
Wertpapiere des Sonderverm6gens in einem Verh~iltnis zueinander gewichtet, das der Gewichtung dieser Wertpapiere bei einem korrespondierenden Wertpapierindex (z. B. Deutscher Aktienindex DAX) entspricht. I. werden als passive Form der Verm(igensverwaltung bezeichnet, da hier das Fondsmanagement keine Entscheidung tiber die Anschaffung der seiner Meinung nach attraktivsten Wertpapiere treffen kann, sondern lediglich die jeweilige Gewichtung des Index" nachvollziehen muss. Reine I. werden erst seit dem Jahr 2000 aufgelegt. Verbreitet waren jedoch vorher (und sind es noch immer) sog. indexnahe Fonds, bei denen keine Abbildung des SondervermOgens zum Index im Verh~ilmis eins zu eins, sondern in schw~icherer Form vorliegt. Inflation**, Geldentwertung durch Anstieg des Preisniveaus und damit verbundenem Sinken der Kaufl~aft. I. wird mithilfe von Preisindizes gemessen. Der prozentuale Anstieg des Preisindex" ist die I.-Rate. Die Ursachen fiir I. sind mannigfaltig. Entsprechend zahlreich sind die Theorien, die das Ph~inomen der I. zu erkl~iren versuchen. Grunds~itzlich kann man nachfrage- und angebotsorientierte Theorien unterscheiden. Die nachfrageorientierten Theorien fiihren I. darauf zurtick, dass die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage nach Konsum- oder Investitionsgtitem das gesamte Gtiterangebot tibersteigt (inflatorische Lticke). Die angebotsorientierten Theorien ftihren I. auf die Verteuerung der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden oder Kapital zurtick (z. B. Verteuerung der Arbeit durch zu hohe L6hne, Verteuerung des Kapitals durch zu hohe Zinsen). Hierdurch sehen sich die Unternehmen gezwungen, ihre Preise zu erh6hen, was zu Kaufkraftverlusten bei den Konsumenten fiihrt, deren Interessenvertreter (z. B. Gewerkschaften) darauf wieder eine h6here Entlohnung fordern (Lohn-Preis-Spirale oder Kosteninflation).- Unabh~ingig vom Erkl~imngsmodell steht bei der I. stets das Verh~iltnis von Gtitermenge zur Geldmenge im Mittelpunkt. Dieser Zusammenhang wird auch bei der Geldpolitik des Europ~iischen Systems der Zentralbanken berticksichtigt.
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Kaufkraftparitiit*, Wechselkurs als Verh~ilmis zweier W~ihrungen, bei dem die Kaufkraft (Geldwert) in beiden Liindem gleich ist. Die K. des Inlands gegentiber dem Ausland gibt also an, wie viel inliindische Geldeinheiten im Inland die gleiche Kaufkraft besitzen wie eine ausl~indische Geldeinheit im Ausland. Die K. wird i. d. R. auf der Grundlage eines in beiden Liindem identischen Warenkorbs ermittelt. Probleme bei der Zusammenstellung eines repriisentativen Warenkorbs sind u.a. unterschiedliche Verbrauchsgewohnheiten, ungleiche Qualit~iten sowie die Frage der mengenmiiBigen Gewichtung der Gtiter. Kupon**, Wertpapier, das bei einer Anleihe, Aktie oder bei einem Investmentzertifikat den Anspruch des Anlegers auf Zinsen, Dividende bzw. Ertragsausschtittung verbrieft. Bei effektiven Stricken (Urkunden im Besitz des Kunden) wird der K. dutch einen Abschnitt auf dem Bogen der Urkunde dokumentiert. Dieser Abschnitt ist zur Geltendmachung des Anspruchs vom Kunden an der Kasse eines Kreditinstitutes vorzulegen. Kuponansprtiche, die Kreditinstitute im Rahmen ihrer Depotverwaltungstiitigkeiten f'tir ihre Kunden geltend machen, werden heute im Zuge des sttickelosen Effektengiroverkehrs nicht mehr dutch Vorlage effektiver Kupons abgewickelt. Kurs-Gewinn-Verh~iltnis (KGV)**, Price-Earnings-Ratio, P/E, PER, wichtige Kennziffer im Zusammenhang mit der fundamentalen Aktienanalyse. Das KGV errechnet sich aus dem Verhiiltnis Aktienkurs zu geschiitztem Gewinn je Aktie. Als Gewinn k6nnen die voraussichtliche Dividende oder das voraussichtliche DVFA-Ergebnis hinzugezogen werden. Betr~igt z. B. der aktuelle Aktienkurs 100 Euro, so ergibt sich bei einer voraussichtlichen Dividende ffir das laufende Jahr yon 2 Euro ein KGV yon 50. Je h6her das KGV, desto ,,teurer" erscheint die Aktie. Im Beispiel mtisste der Gewinn des Unternehmens in 50 Folgejahren ,,verdient" werden, um den hohen Kurs zu rechtfertigen. Wtirde sich in den niichsten Jahren der Gewinn jedoch nachhaltig erh6hen, fiihrte dies zu einer erheblichen Senkung des KGV. KGV-Analysen sind nut bedingt zur Bewertung yon Aktien geeignet, da die Gewinnprognosen ftir die Zukunft iiul3erst schwierig sind. Das KGV ist allerdings ein interessanter Maf3stab ftir die Vergleichbarkeit yon Unternehmen einer Branche oder eines B0rsensegments.
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LIBOR**, Abk. ftir London Interbank Offered Rate; bankarbeitst~iglich ermittelter Durchschnittszinssatz, zu dem bestimmte Londoner Banken zur Geldausleihung im Interbankenhandel bereit sind. Der L. dient als Referenzzinssatz ftir die Festlegung anderer Zinss~itze. Long Call**, Bezeichnung fiir den Erwerb einer Kaufoption. Der K~iufer geht von einem steigenden Kurs des zugrunde liegenden Basiswertes aus. Da er fiber die Ausiibung der Option entscheidet, ist sein Verlustrisiko auf den gezahlten Optionspreis begrenzt. Long Put**, Bezeichnung fiir den Erwerb einer Verkaufsoption. Der Kaufer geht von einem fallenden Kurs des zugrunde liegenden Basiswertes aus. Da er fiber die Austibung der Option entscheidet, ist sein Verlustrisiko auf den gezahlten Optionspreis begrenzt. Managed Floating**, engl. J~r kontrolliertes Floating Mean Reversion*, In Finanzzeitreihen beobachtbares Ph~inomen, dass sich eine Zeitreihe in Richtung eines langfristigen Mittelwertes bewegt. Zinss~itze z. B. streben langfristig ihrem Mittelwert (arithmetisches Mittel) zu (Mittelwertann~iherung). Die M. R. beeinflusst den Fair Value von langfristigen Zinsoptionen. Je l~inger die Laufzeit einer Zinsoption ist, desto geringer wird die implizite Volatilit~it. Momentum*, technische Studie, die die Schwungkraft einer Kursbewegung misst. Ein M. kann hinsichtlich seiner Berechnung und Interpretation mit Oszillatoren verglichen werden. Im Gegensatz zu einem Oszillator basiert ein M. allerdings nicht auf zwei gleitenden Durchschnitten, deren Abstand berechnet wird, sondern direkt auf den Kursen. Um ein M. zu berechnen, ben6tigt man somit nur die Kurse zu zwei verschiedenen Zeitpunkten und errechnet aus diesen eine absolute Kursdifferenz. Monetarismus**, volkswirtschaftliche Theorie, bei der ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation unterstellt wird. Monopol*, Marktform, bei der ein Alleinanbieter (Monopolist) den Nachfragem gegentibersteht. Aufgrund des Fehlens von unmittelbaren Konkurrenten (und damit von Wettbewerb) entsteht Marktmacht (Monopoly Power). Sie versetzt den Monopolisten in die Lage, unabh~ingig von Mitanbietern Preispolitik zu betreiben und einen Monopolgewinn zu erzielen.
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Nominalzins*, 1. Der auf den Nennwert eines Investments bzw. auf den Nennbetrag einer Kreditaufnahme bezogene, d.h. der in Prozent des Nennwerts ausgedriickte Zins. Gegensatz: Effektivzins.- 2. Zins eines Investments oder eines Kredits ohne Berticksichtigung der Preissteigerungsrate. Gegensatz: Realzins. Nullkupon-Anleihe**, Zero-Bond, mittel- bis langfristige Anleihe ohne laufende Zinszahlung. N. werden meist als Abzinsungspapiere zu einem Preis unter dem Nennwert ausgegeben und bei F~illigkeit zum Nennwert zurtickgezahlt. FOr den Anleger ergibt sich als Differenz zwischen Ausgabepreis und Rtickzahlungswert ein Gewinn, der den gesamten Zinsertrag der Anlage beinhaltet. Die H6he des Abschlags vom Nennwert beim Erwerb der N.A. richtet sich nach dem Zinsniveau am Kapitalmarkt zum Zeitpunkt der Emission und der Laufzeit der Anleihe. Seltener kommen N.A. auch als Aufzinsungspapiere vor, die zum Nennwert ausgegeben und zu einem bestimmten Kurs tiber dem Nennwert zuriickgezahlt werden. Ver~inderungen des Kapitalmarktzinsniveaus w~ihrend der Laufzeit bewirken vor allem bei N.A. mit l~ingeren Restlaufzeiten und wegen des Zinseszinseffekts starke Kursschwankungen. Steigen die Marktzinsen, so sind deutliche Kursverluste in Kauf zu nehmen. Bei sinkenden Marktzinsen hat der Anleger dagegen die M6glichkeit, von Kursgewinnen zu profitieren. OTC-Instrumente**, OTC: Over the Counter; Bezeichnung fOr auBerb6rslich gehandelte Finanzinstrumente (z. B. Aktien, Anleihen, Optionen). OTC-I. werden von Kreditinstituten oder sonstigen Finanzdienstleistungsunternehmen (z. B. Anlageberatungsgesellschaften) den Investoren direkt angeboten und auBerb6rslich ge- und verkauft. Der Vorteil von OTC-I. liegt darin, dass sie individuell gestaltbar sind (z. B. hinsichtlich Betrag, Laufzeit). Auf der anderen Seite beinhalten sie gr6Bere Risiken, da sie keiner b6rslichen Kontrollinstanz unterliegen, h~iufig nicht schnell liquidiert werden k6nnen und zudem zu Preisen gehandelt werden, die nicht so objektiv nachvollziehbar sind wie B6rsenpreise.
physische Erfiillung*, Erftillung der Lieferverpflichtung eines derivativen (Finanz-)Instrumentes (z. B. Futures-Kontrakte, Swaptions, Optionen, Optionsschein) durch Lieferung des Basiswertes. Eine p. E. erfolgt beispielsweise bei mittelfristigen Zinsfutures und langfristigen Zinsfutures sowie Issue-Linked Warrants. Im Gegensatz zu diesen Instrumenten
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erfolgt bei kurzfristigen Zinsfutures (Geldmarkt-Future), AktienindexFutures, nackten Optionsscheinen und oftmals auch bei Swaptions ein Cash Settlement (Barausgleich). Plain Vanilla Floater*, normaler Floater (Floating Rate Note) ohne Besonderheiten (z. B. Call-Recht, Mindestzinssatz). Auf P. V. F. k6nnen auch komplexe Floater-Konstruktionen, z. B. Floor Floating Rate Note und Collared Floater, zurtickgeffihrt werden. Referenzzinssatz ftir Floater ist in Deutschland i. d. R. EURIBOR. Polypol*, Marktform, bei der viele (kleine) Anbieter vielen (ebenfalls kleinen) Nachfragem am Markt gegentiberstehen (vollstiindige Konkurrenz). Prim~irtrend*, in der Dow-Theorie entscheidende Trendkomponente. Es handelt sich hierbei um ausgedehnte Auf- und Abw~irtsbewegungen mit einer Dauer von einem bis zu mehreren Jahren. Realzins*, der unter Berticksichtigung der Inflationsrate errechnete Zins ftir ein Investment oder einen Kredit (preisbereinigter Zins). Rendite*, Gesamterfolg einer Geld- oder Kapitalanlage; Mal3stab zur Beurteilung der Rentabilit~it eines Objektes. Put**, Verkaufsoption. Rezession*, Konjunkturphase (Konjunkturzyklus), die durch eine leichte Abschwiichung der wirtschaftlichen Aktivit~iten in allen Bereichen der Volkswirtschaft gekennzeichnet ist (starke Abschwiichung = Depression). Shareholder Value**, ,,Aktiondirsnutzen", der S.V.-Ansatz beinhaltet alle Aspekte einer Untemehmensftihrung, die sich an der Vergr6Berung des Aktion~irsverm/~gens durch Steigerung des Btirsenwertes eines Unternehmens ausrichtet. Kritisiert wird an diesem Ansatz vor allem, dass die Anspriiche anderer Untemehmensbeteiligter durch diese einseitige Ausrichtung zu kurz kommen. Als Alternative wird h~iufig der Ansatz des Stakeholder Value diskutiert. Short Call**, Bezeichnung ftir den Verkauf einer Kaufoption. Der Verkiiufer geht von einem sinkenden oder gleich bleibenden Kurs des zugrunde liegenden Basiswertes aus. Er nimmt das Risiko auf sich, dass
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er im Falle steigenden Kurses den Basiswert zum vereinbarten geringeren Preis an den K~iufer der Option liefern muss. Short Put**, Bezeichnung ftir den Verkauf einer Verkaufsoption. Der Verk~iufer geht von einem steigenden oder gleich bleibenden Kurs des zugrunde liegenden Basiswertes aus. Er nimmt das Risiko auf sich, dass er im Falle sinkenden Kurses den Basiswert zum vereinbarten hOheren Preis vom K~iufer der Option erwerben muss. Short Sales*, Leerverkauf Verkauf von Kassapapieren (z. B. Aktien, festverzinsliche Wertpapiere), die man zum Zeitpunkt des Gesch/fftsabschlusses nicht besitzt. S. S. k6nnen bewusst in aktiven Anlagestrategien eingesetzt werden, um an fallenden Kursen zu verdienen. Der Leerverk~iufer verkauft die Papiere heute, die er dann zu einem sp~iteren Zeitpunkt billiger am Markt einzukaufen versucht. Ein Leerverk~iufer hat seinem Vertragspartner innerhalb der Erftillungsfrist von zwei (Domestic Markt) bzw. sieben Tagen (Euromarkt) die Papiere zu liefern. Um der Lieferverpflichtung aus dem Leerverkauf nachkommen zu k6nnen, besorgt er sich die Papiere im Rahmen der Wertpapierleihe bzw. eines Wertpapierpensionsgesch~iftes. Um andererseits der Riickgabeverpflichtung gegeniiber dem Verleiher bzw. Pensionsgeber nachzukommen, muss er sich die entliehenen Papiere bis zum Ende der Leihfrist bzw. des Wertpapierpensionsgesch~iftes wieder beschaffen. Sind die Kurse erwartungsgem~if3 gefallen, kann er sich billiger eindecken und ohne eigenen Kapitaleinsatz aus der Differenz zwischen Leerverkauf und Eindeckungsgesch~ift profitieren. Spread**, 1. Differenz zwischen zwei Zinss~itzen. Hierbei wird meist in Basispunkten gerechnet (1 Basispunkt = 0 , 0 1 % ) . Weist z.B. eine Bundesanleihe eine Rendite von 5,32 % und eine Industrieobligation mit gleicher Laufzeit eine Rendite von 5,48 % auf, liegt ein S. von 16 Basispunkten v o r . - 2. Differenz zwischen An- und Verkaufspreis eines Wertpapiers oder zwischen zwei verschiedenen Wertpapieren.- 3. Kombinierte Optionsstrategie mit mindestens zwei Optionen. Straddle**, kombinierter Auftrag bei einer Option. Beim Long S. wird eine gleiche Anzahl von Calls und Puts gekauft, beim Short S. verkauft. Der S. zielt auf eine Gewinnchance durch Ausnutzung der Volatilit~it ab; das Verlustrisiko ist aufgrund der Vereinigung von Calls und Puts beim Anleger jedoch begrenzt
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Swap**, engl. f~r Tausch, Vereinbarung zwischen zwei Vertragspartnero zum Tausch von Zins- oder W~ihrungspositionen. 1. Devisenswap; Beispiel: Bank A kauft von Bank B US-Dollar gegen Euro am Kassamarkt und verkauft diese Dollar gleichzeitig wieder per drei Monate an Bank B gegen Euro. Das Verh~iltnis zwischen Kassa- und Terminkurs wird vor allem durch die Zinsdifferenz zwischen US-Dollar und Euro bei Drei-Monats-Geldem bestimmt. Ist das Zinsniveau in den USA h6her, so erh~ilt die Bank A aus dem Kassagesch~ift diejenige W~ihrung, die zinsgiinstiger angelegt werden kann (US-Dollar). Folglich muss die Bank A bei dem R0cktausch einen ungiinstigeren Kurs erhalten, damit dieser Vorteil wieder ausgeglichen wird. W~iren die Zinsen im Eurow~ihrungsraum h(Jher als in den USA, erg~ibe sich ein Riicktauschgewinn in drei Monaten, da die Bank A beim Kassagesch/ift die h6her verzinsliche W~ihrung (Euro) fiir drei Monate abgeben wiirde.- 2. Zinsswap: Hier werden feste und variable Zinsverpflichtungen getauscht 3. W~ihrungsswap: Tausch von Kapitalbetr~igen in andere W~ihrungen. Ein W~ihrungsswap liegt z. B. vor, wenn eine Anleihe in US-Dollar emittiert und anschliel3end in Euro ,,geswapt" wird.
synthetisches Papier**, Anleihe, die als kiinstliches Produkt aus realen Anleihen zusammengesetzt wird. Beispiel fiir eine s. P. ist der BUNDFuture. Technische Analyse*, Methode zur Erfassung und Interpretation von Kurs-, Index- und Umsatzverl/iufen auf Warenm~irkten und Finanzm~irkten, insbesondere auf Aktienm~irkten (technische Aktienanalyse), Futuresm~irkten, Rentenm~irkten und Devisenm~irkten mit Hilfe graphischer Darstellungen (Charts). Die t. A. beruht auf der Annahme, dass in den Kursen sich fundamentale Faktoren und psychologische Faktoren widerspiegeln, und ist somit eine besonders geeignete Grundlage ~ r die Analyse von Kursentwicklungen. Die Interpretation von Linien und Zonen, Formationen, Trendkan~ilen, gleitender Durchschnitt u. A. wird als Chart Reading bezeichnet. Die t. A. ist wie die Fundamentalanalyse Bestandteil der Aktienanalyse. Sie wird auch im Rahmen der allgemeinen Wertpapieranalyse bzw. der Finanzanalyse (Investmentanalyse) eingesetzt. technische Reaktion**, B6rsenkursbewegung, mit der ein vorangegan-
gener deutlicher Kursanstieg oder Kursrtickgang teilweise in Gegenrichtung korrigiert wird.
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Value-at-Risk (VAR) **, Methode zur Erfassung und Quantifizierung der Marktrisiken (z. B. Kursrisiken, Zinsrisiken u. W~ihrungsrisiken) yon Wertpapieren und anderen Finanzinstrumenten. Dabei ermittelt der VAR unter m6glichst vollst~indiger Erfassung der Risikoindikatoren den Maximalverlust, der sich mit einer vorgegebenen, in Prozent ausgedrtickten Wahrscheinlichkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ergeben kann. Verkaufsoption**, Put, Recht (abet nicht Verpflichtung), einen bestimmten Basiswert am letzten Tag der Optionsfrist (europ~iische Version) oder jederzeit innerhalb der festgelegten Optionsfrist (amerikanische Version) zu einem festgelegten Preis (Basispreis) zu verkaufen. Der Verk~iufer der V. (Stillhalter) verpflichtet sich zur Abnahme des Basiswertes bei Ausiibung der Option durch den Erwerber des Rechts und erh~lt als Vergtitung tilt die 15bemahme dieser Verpflichtung den vereinbarten Optionspreis (Optionspr~imie). Ftir den Erwerber der V. lohnt die Austibung seines Rechts, wenn der Marktpreis bzw. B6rsenkurs des zugrunde liegenden Basiswertes unter den festgelegten Basispreis f~illt. Volatilit~it**, Schwankungsbreite des B6rsenkurses (Kursvolatilit~t) oder der Rendite (Renditevolatilit~t) eines Finanzinstrumentes (z. B. Aktie, Option) innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Die V. kann zum einen vergangenheitsbezogen als prozentuale Abweichung von einem Ausgangswert im Betrachtungszeitraum ermittelt werden (historische Volatilit~it). Dagegen ist fiir den Handel in Optionen insbesondere die implizite Volatilit~it, d.h. die marktaktuelle Einsch~itzung der zuktinftigen Schwankungsbreite eines Wertes bedeutsam. Mit dem VDAX (DAXVolatilit~itsindex) wird die von den Marktteilnehmern innerhalb der n~ichsten 45 Tage erwartete Schwankungsbreite (implizite Volatilit~it) des DAX ausgedriickt. Widerstandslinie**, wichtiger Begriff bei der technischen Aktienanalyse (Aktienanalyse 2). Von einer W. sprechen Analysten, wenn eine Aktie bei einer Aufw~irtsbewegung trotz l~ngeren Versuchs ein bestimmtes Niveau nicht tiberschreiten kann. Findet irgendwann dann doch eine l~lberschreitung statt, so kann bei einem sp~iteren Kursrtickgang die alte W. zur Unterstiitzungslinie werden, die zun~ichst verhindert, dass der Kurs wieder unter die Linie sinkt. Zero-Bond* *, Nullkupon-Anleihe.
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Zertifikat*, 1. Urkunde, die fiir hinterlegte Wertpapiere ausgegeben wird (Aktienzertifikat, American Depositary Receipt).- 2. Anteilschein von Investmentgesellschaften (Kapitalanlagegesellschaft); Investmentzertifikat.- 3. Ergebnis einer Zertifizierung.