Cover Charles Higson
MEIN HÖLLENTAG MIT MR.KITCHEN Roman Aus dem Englischen Von Ulrich Hoffmann
Gescannt vom Orcslayer...
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Cover Charles Higson
MEIN HÖLLENTAG MIT MR.KITCHEN Roman Aus dem Englischen Von Ulrich Hoffmann
Gescannt vom Orcslayer (April 2002)
Wilhelm Heyne Verlag München Backcover »Ich mußte mich etwas zusammenreißen und nett zu dem Mann sein. Immerhin hatte ich schon den letzten Typ umgebracht, der meinen Wagen kaufen wollte...« Stellen Sie sich vor, Sie wollen ihren Wagen verkaufen. Einen alten Saab, nichts Besonderes. Doch der Mann, der ihn haben will, heißt Mr. Kitchen, und bevor Sie richtig wissen, wie Ihnen geschieht, haben Sie einen handfesten Streit. Und dann ist Mr. Kitchen plötzlich tot. Dumm gelaufen! Stellen Sie sich nun vor, Sie versuchen verzweifelt, die Leiche loszuwerden - gar nicht so einfach, wenn Ihre Familie mit Ihnen Geburtstag feiern will, ein Magazin eine Home-Story über Sie plant und eine Horde wütender Punks Ihnen auf den Fersen ist. So weit - so gut: Und wenn Sie sich jetzt auch noch eine hysterische Exfreundin und Drogen, ein wenig Sex und jede Menge Action vorstellen können, dann sind Sie bereit. Bereit für Ihren eigenen Höllentag mit Mr. Kitchen...
HEYNE ALLGEMEINE REIHE Nr. 01 / 10646 Die Originalausgabe GETTING RID OF MR. KITCHEN erschien 1996 bei Little, Brown and Company, England 2. Auflage Copyright © 1996 by Charles Higson Copyright © 1999 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Denmark 1999 Umschlagillustration: The Image Bank/Juan Silva Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling Druck und Bindung: Norhaven , Viborg ISBN 3-453-13719-1 http: / /www.heyne.de
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Das Buch Der Held des Romans, ein äußerst erfolgreicher und ziemlich eingebildeter Londoner Yuppie, möchte sein Auto verkaufen. Doch bereits mit dem ersten Interessenten, einem gewissen Mr. Kitchen, gerät er in Streit. Der Grund ist nichtig, Mr. Kitchen ist lediglich ein notorischer Besserwisser, und unser Held hat noch nicht ausgeschlafen. Und plötzlich ist Mr. Kitchen tot. Was tun mit der Leiche? In aller Eile packt der Erzähler die Überreste von Mr. Kitchen in den Kofferraum des Autos, das er verkaufen möchte. Das erweist sich als unpraktisch, denn nun muß er den anderen Interessenten erklären, weshalb der Kofferraum des Saab nicht zu öffnen ist. Zu allem Überfluß hat unser Yuppie-Held heute auch noch Geburtstag, seine Familie hat sich zur Feier angesagt, und eine Journalistin möchte ein Interview mit ihm führen. In seiner Bedrängnis kommt es ihm natürlich gar nicht gelegen, daß ihn die schwangere Ex-Freundin bittet, sie dringend ins Krankenhaus zu fahren, weil sie bereits Wehen hat. Aber was soll er machen? Witzig, schnell, ein bißchen schräg und ziemlich böse - ein Roman für alle, die Hitchcocks Film »Immer Arger mit Harry« lieben!
Der Autor Charles Higson war Sänger in einer Rockband, Tapezierer, Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler. Für das englische Fernsehen schreibt er Comedy-Serien. »Mein Höllentag mit Mr. Kitchen« ist sein vierter Roman.
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1. Kapitel Diese ganzen Wettervorhersagefrösche sind Lügner. Was soll der Mist? Ich mein, wieviel Sinn hat eine Vorhersage, die im besten Fall fünfzig Prozent Trefferchance hergibt? Das ist keine Vorhersage, das ist ein Ratespiel. Eine Lüge! Diese Typen stehen da und plappern von Hochdruckfronten, von Isobar und Kältegefühl, und ob es in Spanien regnet; als wenn mich interessiert, ob es im gottverdammten Spanien regnet, und sie zeigen uns kleine Bilder von Wolken - aus denen es wirklich regnet - und Satellitenbilder und Radarbilder, und es sind alles bloß Lügen, Lügen, Lügen. Ist Ihnen aufgefallen, daß die jetzt schon dazu übergegangen sind, uns zu erzählen, wie das Wetter heute war? »Und heute war wieder ein sonniger Tag.« Ich weiß, gottverdammt noch mal, wie das Wetter heute war. Und, Herr im Himmel, selbst da liegen sie manchmal falsch. Wetterfrösche sind falsche Propheten. Ihre Aufgabe gleicht der von Kassandra - mit umgekehrten Vorzeichen. Kassandra, Sie erinnern sich vielleicht, war die alt griechische Seherin, die verflucht war, immer die Wahrheit vorherzusagen, aber niemals ernstgenommen zu werden. Der Fluch unserer Wetterfrösche besteht darin, niemals die Wahrheit vorherzusagen, aber immer ernstgenommen zu werden. Verflucht sind allerdings eher wir als sie. Sie sollten verbannt werden, sie sollten erschossen werden, sie sollten vom Blitz erschlagen und vom Regen ersäuft werden. Ich sage all das, weil sie letzte Nacht behauptet haben, heute würde es regnen. »Gewitterwolken, Stürme, schwerer Regen, hüten Sie Ihren Regenmantel, bleiben Sie im Haus ... « Natürlich erwartete ich heute morgen einen düsteren Himmel, sprang aus dem Bett und zog lassig die große Dachfensterjalousie beiseite, nur um von einer intensiven Lichtexplosion niedergestreckt zu werden, die mein Hirn verbrannte. Es war wunderschön, ein gottverflucht wunderschöner Tag. Der Himmel zeigte ein klares, kräftiges Blau, hier und da verziert mit hochfliegend blassen weißen Wolken. Mittelmeerhimmel. Ich muß gestehen, ich quietschte leise, als ich von dieser fremden Sonne für einen Augenblick geblendet wurde; sie brannte herunter, schien auf mich herab, spiegelte sich in Glas und Metall, dick und schwer und flüssig. Also hatten mich diese Arschlöcher wieder angelogen, diese hinterhältigen Schweine von der Wetterstation, und nun stand ich da, ohne etwas zu sehen, ich fluchte, war verbrannt, Nadeln stachen in meinen Kopf, ich war ausgetrocknet und schlecht gelaunt. Ich wartete, bis der Schmerz nachließ und meine Augäpfel sich beruhigt hatten, dann schaute ich auf die Uhr; es war Viertel vor elf, was mir komplett auf den Sack ging, weil ich vorgehabt hatte, richtig auszuschlafen. Aber die Scheißsonne hatte mich geweckt. Wäre ich gewarnt worden, hätte ich meine Blackout-Maske tragen können, meine Augenbinde. Verstehen Sie, schuld an der ganzen Sache hat bloß der Wetterbericht. Ich fing den Tag auf dem falschen Fuß an, angepißt und abgenervt. Wenn die nicht wieder mal alles vermasselt hätten, wäre nichts von all dem passiert. Also, ich erzähle Ihnen das jetzt - das, was mir passiert ist. Ich weiß nicht, ob die Geschichte eine Moral hat, nicht mal, was sie soll, aber sie ist nun mal passiert, ich kann es auch nicht ändern. Ich reckte und streckte mich, meine Wirbelsäule knatterte heftig, dann zog ich mir eine beutelige Shorts und eine grüne Weste an. Jetzt war ich bereit, der Welt ins Ge sicht zu spucken. Ach, wenigstens war es nicht ganz so
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beschissen, im Morgengrauen aufzustehen, wenn sich das Wetter draußen Mühe gab. Ich stiefelte von meiner Schlafgalerie runter und machte mich an den Kaffee. Während die Kaffeemaschine ihre Arbeit verrichtete, blinzelte ich in meinen Spion, um zu klären, was der Tag mir bieten konnte. Mein Kurzzeitgedächtnis ist nicht, wie es sein könnte (mein Langzeitgedächtnis ist nicht besser), und ich muß dauernd meine zahlreichen Organizer, Charts, Tagebücher, Filofaxes und rumfliegenden Zettel updaten; die einzig vernünftigen Speicheralternativen zu der ausgebrannten Festplatte in meinem Kopf. Es war Wochenende, und ich hätte es nicht schlecht gefunden, rauszufahren und irgendwo mit einem kalten Huhn und einer Flasche Tequila am Strand zu sitzen, aber vor mir lag ein vollgeplanter Tag. Ein paar Leute hatten sich angesagt, um den Wagen anzugucken, und irgendeine Tussi vom Observer wollte am Nachmittag reinstratzen, um mich für »A Room of my Own« abzufeiern. Was hieß, daß ich auch noch saubermachen durfte. Aber das war ja erst am Nachmittag, also konnte es warten. Außerdem stand da: »GEBURTSTAGSESSEN«. Ich bin sicher, das Mistding beherbergte auch Informationen darüber, um wessen Geburtstag es sich handelte und wo das Essen stattfinden sollte, aber ich konnte mich ums Verrecken nicht daran erinnern, wie an diese Details heranzukommen war. Also entschied ich mich dafür, die Sache zu vergessen. Wenn es wichtig war, würde mich irgend jemand anrufen. Ich kippte ein kleines bißchen Jamesons in meinen Kaffee und schaltete die Glotze ein, um den Rest der samstäglichen Kindercartoons zu sehen; worüber ich die Hoffnung hegte, daß vielleicht Taz Mania laufen würde. Für ungefähr eine halbe Sekunde grübelte ich darüber nach, ob ich losgehen und vom Bäcker Croissants holen sollte, entschied mich aber, den Scheiß zu lassen. Statt dessen durchwühlte ich die Kleiderschränke nach irgendwas Passendem. Ich fand eine Tüte Mikrowellen-Popcorn, schüttelte es in die Maschine und ließ es vor sich hinexplodieren, dieweil ich die Zeitungen reinholte. Davon lag ein ganzer Stapel im Flur, Sun, Mirror, Guardian und Telegraph. Die seriösen Zeitungen las ich wegen des Klatsches, des Feuilletons, der Künste und was weiß ich sonst noch, und die Boulevardzeitungen wegen der News. Es stehen viel zuviele Nachrichten in den großen Zeitungen, die primitiveren Ausgaben fassen das alles in knackigen Headlines zusammen wie: »Deutsche raus« oder so. Ich meine, seien wir doch mal ehrlich, es passiert einfach zuviel in der Welt. Das kann man nicht alles aufnehmen, darauf kann man auch nicht reagieren. Eine vernünftige Nachrichtensendung die Woche auf BBC, das war' in Ordnung. Die könnten vorher auch mal klären, welches die wirklichen Nachrichten sind und wer bloß rumlärmt. Wer liest denn schon die Zeitung von letzter Woche? Oder letztem Jahr? Selbst Zeitungen von gestern haben dieses traurige, unwichtige Feeling an sich. Nein, eigentlich ist nichts davon wirklich wichtig. Ich schaute mir die Titelseite des Telegraph an; noch mehr Afrikaner starben. Sie hatten damit angefangen, sich gegenseitig umzubringen, und dann hatte sich auch noch die Natur eingemischt, und jetzt war die Kacke natürlich wieder mal am Dampfen. Diesmal war's Cholera. Herrje, wenn man den Namen des Staates änderte, konnte das aus jeder gottverfluchten Zeitung der letzten 25 Jahre stammen. Jedes Jahr krepieren Millionen Menschen an irgendeiner neuen Apokalypse, und irgendwie ändert sie nie was. Nächstes Jahr sind neue Millionen da, die an diesem oder jenem verrecken Hunger, Aids, Krieg oder was weiß ich. Und sie vermehren sich, sie vermehren sich und vermehren
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sich. Nicht nur in Afrika, ich hab' nichts gegen die, ich finde bloß, daß all das völlig unwichtig ist. In Berlin ist die Mauer gefallen, die Apartheid hat abgedankt, die Araber und die Israelis gehen einander immer noch an die Gurgeln, die Iren haben irgendwelche Leute weggebombt, rechtsextrem-gottes fürchtige-verrückt-wie-Schoko-mit-Nuß-Militärs haben auch irgend jemand plattgemacht. Rußland und Jugoslawien haben sich in allerlei Kleinstaaten aufgespalten, die sich eh keiner merken kann und für die sich auch niemand interessiert, die Russen versuchen, ihre Nachbarn wegzubomben, die Irakfis stellen dasselbe mit den Kurden an ... BoomBoomBoom-Bäng, die Japse sind bereit, die Weltherrschaft an sich zu reißen, die Japse fallen auf die Fresse, die Krauts sind bereit, die Weltherrschaft an sich zu reißen, die Chinesen sind bereit, die Weltherrschaft an sich zu reißen, die Koreaner sind bereit, die Welt in die Luft zu jagen, Amerika hat ein Crack-Problem, England hat, solange sich irgend jemand zurückerinnern kann, bei keinem wichtigen Sportwettbewerb auf der ganzen Welt irgend etwas gewonnen, und bla bla bla. Das ist einfach alles egal. Es gibt zuviel Nachrichten, zuviel Gelaber, und je mehr man sieht, je mehr man liest, je mehr man zuhört, desto weniger weiß man, und am Ende kommt man zu dem Schluß, daß keiner irgendwas weiß und sich nichts ändert. Wie auch immer, ich las gerade irgendeinen Quatsch in der Sun darüber, wie ein Popstar mit der falschen Frau erwischt worden war, als es summte. Also drückte ich auf den Knopf der Gegensprechanlage und fragte, wer da sei. »Hi, hier ist Mister Kitchen«, sagte eine Männerstimme, vom Lautsprecher auf dünn und schrill gestimmt. »Wegen des Wagens.« »Sie sind zu früh dran.« »Von der Bahn hat's nicht so lang gedauert, wie ich dachte.« Ich überlegte, ob es besser wäre, ihm zu sagen, daß er sich verpissen solle, aber andererseits konnte ich die Sache auch hinter mich bringen. Dann mußte ich mich wenigstens später nicht drum kümmern. Deswegen ging ich runter und machte die Haustür auf. Er war dünn, vielleicht meine Größe, mein Alter, mit kleinen, runden, blauen Sonnenbrillengläsern, irgendwo einem Sechziger-Jahre-ModeHaarschnitt und überhaupt einem ganz ungesunden Aussehen. An seinen Füßen lächerlich große schwarze Boots, viel zu schwer für London, und über dem Arm trug er einen sorgsam gefalteten grauen Regenmantel. »Hi«, sagte er. »Ich hab' mir die Kiste schon angeschaut. Ich denke doch, es ist der da.« Er zeigte auf meinen Saab, der vor der Tür stand. >>Ja.Schreiben Sie mir einen Scheck oder verpissen Sie sich und hören Sie auf, meine Zeit zu stehlen?Nein! Nein, mein Freund, so geht das nicht, nein.Fremde mit GeschenkenThe Black RidersIst das gut, mein Freund?< >Es ist bitter, bitteraber ich mag es,
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weil es bitter ist, und weil es mein Herz ist.hoffnungsvoll< vollkommen falsch benutzt.« »Ich fand den Satz ziemlich eindeutig.« »>Hoffnungsvoll< hieße, daß er voller Hoffnung ist. Wenn du meinst, daß du hoffst, daß mit ihm alles in Ordnung ist, dann hättest du das auch sagen sollen.« »Das hab' ich doch gesagt.« »Nein. Du hast gesagt: >Dem geht's hoffnungsvoll gutEngland ...? Ja, ich kann mich daran erinnern ... Haben die nicht Beatrix-PotterGeschirrtücher gemacht und diese hübschen Naturdokumentationen? Ich habe mich schon oft gefragt, was mit dem Land passiert ist.< Wir werden nie wieder ein Empire haben«, sagte ich und schaute Gaia an. »Und?« »Wir sind weich und selbstmitleidig geworden.« »Das ist doch besser, als um die Welt zu ziehen, Menschen zu versklaven und ihre natürlichen Ressourcen auszubeuten«, erklärte Gaia ernsthaft. »Vielleicht«, sagte ich. »Aber früher oder später wird ein Haufen brutaler Fremder zu uns rüberkommen und uns Übernehmen.« »Ach, wirklich? Das ist doch fremdenfeindlich. Wir sollten an der Welteinheit arbeiten, jeder hilft jedem.« Ich grunzte. Es war das Grunzen meines Vaters. Wofür ich mich schämte, aber ich war aufgeregt, und konnte nicht aufhören. »Das ist nicht lustig«, sagte Gaia. »O doch, das ist es«, sagte ich. »Du klingst wie eines dieser Flugblätter, die man vor der U-Bahn in die Hand gedrückt bekommt und in den nächsten Mülleimer wirft. Gegen Fuchsjagden; McDonald's ist das Ende der Welt; Frieden in Bosnien; öffne dein Herz unseren Freunden, den Eskimos.« »Aber das sind doch alles gute Ziele«, sagte Gaia. »Du solltest dich nicht über mich erheben, bloß weil ich jünger bin als du. Hattest du nie Ideale?« »Hunderte«, sagte ich. »Aber ein bißchen Bargeld heilt einen schnell davon.« »Du mußt wieder in Kontakt mit deiner spirituellen Seite gelangen. « »Was?« »Du hast den Kontakt zu dir verloren, zu unserem Planeten. Wir sind alle Teil der Natur, alle Teile desselben ...«
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»Möge die Macht mit dir sein«, sagte ich, auf den Film >Krieg der Sterne< anspielend. »Wie auch immer du es nennen willst.« »Ehrlich gesagt, nenne ich es blödsinnig, Gaia. « »Tja, da irrst du dich«, schnappte sie. »Du bist so pseudozynisch, du tust so, als wußtest du alles, obwohl du bloß Angst hast.« »Weißt du, was dein Problem ist?« sagte ich. »Du kannst dir nicht vorstellen, daß jemand der anders denkt als du es auch wirklich so meint. Du glaubst, die einzigen Ideale, die man haben kann, sind hübsche linksliberale Laß-uns-alle-Freunde-sein-Geldist-der-Teufel-Ideale. Was du nicht begreifst, ist, daß jemand mit genau derselben Passion genauso inbrünstig und genauso überzeugt und ehrlich das genaue Gegenteil vertritt.« Mittlerweile übernahm das Speed mein Gerede. Das Zeug war stark, und ich war angeschlagen, ich laberte nur noch, der Mund war trocken und wund von der Kotze. Gaia andererseits schmollte kindisch. »Na ja, Hitler hatte auch solche Ansichten, oder?« fragte sie. »Ja«, sagte ich. »Allerdings glaubte der an alles mögliche. Er war Vegetarier und ein Unmensch und liebte die Natur. Ich schätze, er stand auch auf Kristalle und Astrolo gie. Verstehst du? Ideale können auch für den Arsch sein. Sie sind nicht notwendigerweise eine gute Sache, nicht per se. Wenn du anfängt, an etwas zu glauben, fängst du auch an, den Glauben an dich zu verlieren. Dann kann alles passieren. Die besten Grundsätze können danebengehen; lebensbejahende, tierliebe und garantiert handgestrickte Typen schicken dann Nagelbomben an die Töchter von Wissenschaftlern, die Ratten einsetzen, um ein Heilmittel gegen Krebs zu finden. Christen verbrennen Juden, Juden verbrennen Moslems, Moslems verbrennen Christen . . . « »Das ist doch genau das, was ich sage«, entgegnete Gaia. »Man sollte auf diese Etiketten verzichten, diese Trennungen, diese falschen Mauern zwischen den Men schen. Wir sind alle gleich. Wir sind alle Teil derselben Energie. Wir sind alle Kinder einer Mutter, der Erdmutter. Gaia.« »Und wir sind auch alle Kinder eines Vaters«, sagte ich. »Darwin. Die Schwachen wird man immer zertrampeln, die Dummen werden immer am Arsch sein, die Reichen werden immer gewinnen.« »Wovon redest du?« fragte Gaia. »Von Darwin. Ich rede von Darwin. Ich rede von der riesigen kosmischen Dampfwalze, die Darwin & Co. gebaut haben.« » Überleben der Stärksten?« fragte sie. »So ungefähr.« »Aber das ist doch ein altmodisches Konzept«, sagte sie. »Niemand glaubt mehr an dieses Faschistenzeug.« »Sagt man das noch - >Faschist