Mathematik fu r Ingenieure I (fu r Informatiker)
Claus Hillermeier
Wintersemester 2000/2001
Institut fu at Erlangen, r Angewandte Mathematik der Universit Martensstr. 3 e-mail:
[email protected] Vorbemerkung:
Wir setzen voraus, dass der Horer/Leser mit der reellen Zahlengeraden bereits eine gewisse Bekanntschaft geschlossen hat und werden sie daher schon vor ihrer formalen Einfuhrung dazu heranziehen, einige abstrakte De nitionen zu veranschaulichen.
Inhaltsverzeichnis 1 Zahlen 1.1 1.2 1.3 1.4
1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10
Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die naturlichen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Peano-Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Ordnungstruktur . . . . . . . . . . . . . . 1.4.3 Algebraische Struktur . . . . . . . . . . . 1.4.4 Vollstandige Induktion . . . . . . . . . . . 1.4.5 Permutationen und BinomialkoeÆzienten . 1.4.6 Machtigkeit von Mengen . . . . . . . . . . Die ganzen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . Gruppen und Homomorphismen . . . . . . . . . . Die rationalen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . Ringe und Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die reellen Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.1 De nition von Folgen . . . . . . . . . . . . 1.10.2 Metrische Struktur . . . . . . . . . . . . . 1.10.3 Konvergenz von Folgen . . . . . . . . . . . 1.10.4 Cauchy-Folgen und irrationale Zahlen . . . 1.10.5 Vollstandigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 1.10.6 Rechenregeln fur Grenzwerte . . . . . . . . 1.10.7 Konvergenzkriterien . . . . . . . . . . . . 1.10.8 Haufungspunkte . . . . . . . . . . . . . . .
1
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
2 5 8 13 13 14 14 15 17 20 20 22 25 29 32 37 37 38 39 41 44 45 46 49
1 Zahlen 1.1
Mengen
Im taglichen Leben fassen wir { meist ahnlich geartete { Objekte gedanklich oft zu einer Menge zusammen, z.B. einer Menge von Marmeladeglasern oder Briefmarken. In der Mathematik gehort die Bildung von Mengen ebenfalls zum elementaren Handwerkszeug. Von Georg Cantor, dem Begrunder der Mengenlehre, stammt folgende umgangssprachliche Beschreibung des Mengenbegris: Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung von bestimmten, wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Wir werden Mengen mit Grobuchstaben bezeichnen. Die Objekte einer Menge heien die Elemente von A.
a 2 A bedeutet: a ist ein Element von A: a 62 A bedeutet: a ist kein Element von A:
Eine Menge aus endlich vielen Elementen konnen wir dadurch beschreiben, dass wir all ihre Elemente aufzahlen, wobei die Reihenfolge keine Rolle spielt, also z.B. A sei de ni" tionsgema gleich fa; b; c; dg\. Mit dem Kurzel :=\ fur de nitionsgema gleich\ { der " " Doppelpunkt steht bei dem zu de nierenden Ausdruck { schreiben wir hierfur
A := fa; b; c; dg: Meist fassen wir nicht wahllose Objekte zu einer Menge zusammen, sondern Objekte mit einer gemeinsamen Eigenschaft. Eine solche Menge lasst sich alternativ durch die Angabe der Eigenschaft E bezeicnen, die genau allen Elementen dieser Menge zukommt. Man schreibt dann A := fa j a erfullt Eg, also z.B. A := fa j a ist griechischer Buchstabeg = f; ; ; : : : ; !g. In der Mathematik wird die Aussage "a erfullt die Eigenschaft E \ oft durch eine mathematische Formel ausgedruckt, z.B.
p
B := f+ 2;
p
2g = fx 2 R j x = 2g: 2
Der Begri der leeren Menge ;, die kein Element enthalt, wird eingefuhrt, um in allgemeinen Argumentationen Fallunterscheidungen zu vermeiden. Zwei Mengen A und B heien gleich, wenn sie dieselben Elemente enthalten. Die Aussage A = B\ ist also de nitionsgema gleichbedeutend mit folgender Aussage: " Fur beliebige Objekte a ist a 2 A gleichbedeutend mit a 2 B:\ " Unter Verwendung der Kurzel Aussage 1 " und
() :()\ "
Aussage 2\ fur Aussage 1 ist gleichbedeutend mit Aussage 2\ " fur ist de nitionsgema gleichbedeutend mit\ " konnen wir die De nition der Gleichheit zweier Mengen folgendermaen schreiben: (A = B ) :() (a 2 A () a 2 B ): 2
Von einer gegebenen Menge A lassen sich Teilmengen bilden. Eine Menge B heit Teilmenge von A, in Zeichen B A, wenn jedes Element von B auch Element von A ist, d.h. wenn gilt: Fur jedes a 2 B folgt a 2 A. Wir fuhren fur Aussage 2 folgt aus Aussage " 1\ das Kurzel Aussage 1 =) Aussage 2 \ ein. Damit lautet die De nition der Teilmenge: " (B A) :() (a 2 B =) a 2 A):
Veranschaulichung anhand von Mengen, die aus Punkten der Zeichenebene bestehen:
A B
Ein Vergleich der Gleichheits- und der Teilmengen-De nition zeigt: (A B und B A) () A = B:
Beweis:
() Def.
(A B und B A) (a 2 A =) a 2 B und a 2 A (= a 2 B )
Nun gilt allgemein: (Aussage 1 =) Aussage 2 und Aussage 1 (= Aussage 2) ist gleichbedeutend mit (Aussage 1 () Aussage 2). Also konnen wir obige Kette von Aquivalenzen fortsetzen:
:::
() (a 2 A () a 2 B ) () A = B Def.
q.e.d. Bemerkungen: (1) q.e.d.\ steht fur \quod erat demonstrandum\ und " zeigt das Ende des Beweises an. (2) Weil die durch () \ angezeigte Aquivalenz zweier " Aussagen gleichbedeutend ist mit =) und (= \, " kann der Beweis einer solchen Aquivalenz aufgespalten werden in den Beweis von =) \ und den Beweis von " ( = \. " Wenn wir eine Menge M gegeben haben (kurz: gegeben eine Menge M ), so lassen sich 3
alle Teilmengen von M wiederum zu einer Menge zusammenfassen, der sogenannten Potenzmenge P (M ). Beispiel: Fur M = f1; 2g ist P (M ) = f;; f1g; f2g; f1; 2gg. Liegen zwei Mengen A und B vor, so konnen wir die gemeinsamen Elemente heraussuchen (Durchschnitt A \ B ) bzw. streichen (Dierenz AnB ). Alle Element zusammen bilden die Vereinigung A [ B :
A \ B := fx j x 2 A und x 2 B g
A B
AnB := fx j x 2 A und x 62 B g
A B
A [ B := fx j x 2 A oder x 2 B g
A B
Besitzen zwei Mengen A und B kein gemeinsames Element, d.h. A \ B = ;, so heien sie disjunkt. 4
A
B Eine weitere Moglichkeit, aus gegebenen Mengen neue Mengen zu erhalten, ist die Produktbildung: Das direkte (oder kartesische) Produkt A B zweier Mengen A und B ist de niert als
A B := f(x; y )jx 2 A; y 2 B g: A B besteht also aus allen geordneten Paaren von Elementen aus A und B ; geordnet deshalb, weil das erste Element des Paares stets aus A, das zweite stets aus B ist. Beispiel: A = f2; 4g; B = f1; 3; 5g =) A B = f(2; 1); (2; 3); (2; 5); (4; 1); (4; 3); (4; 5)g Analog konnen wir auch das kartesische Produkt von n Mengen A ; A ; : : : ; An bilden: 1
A
1
A A 2
n
2
:= f(a ; a ; : : : ; an ) j ai 2 Ai fur alle i = 1; : : : ; ng 1
2
Die Elemente (a ; : : : ; an ) dieser Menge heien (geordnete) n-Tupel. Zwei n-Tupel (a ; : : : ; an) und (b ; : : : ; bn ) heien gleich, falls sie komponentenweise gleich sind, d.h. falls gilt: ai = bi fur alle i = 1; : : : ; n. 1
1
1
1.2
Relationen
Reelle Zahlen lassen sich als Punkte auf einer Geraden, der sog. reellen Zahlengeraden, veranschaulichen. 0
1
x
y . Das \-Zeichen setzt also gewisse Elemente aus R (R:= Menge der reellen Zahlen) in " eine Vergleichsrelation zu anderen Elementen aus R. Die so in Relation gesetzten Paare (x; y ) bilden eine Teilmenge des direkten Produkts R R:
V := f(x; y ) 2 R R j x y g R R : In Verallgemeinerung de nieren wir: Gegeben seien zwei nichtleere Mengen M und N . Dann heit eine nichtleere Teilmenge R M N eine Relation zwischen M und N . Statt (x; y ) 2 R schreiben wir x y (oder verwenden statt 5
\ ein anderes Zeichen, z.B.
"
\ im obigen Beispiel).
"
Beispiele: a) M = N = N (Menge der naturlichen Zahlen), R := f(n; m) 2 N N j n ist Teiler von mg; (2; 4) 2 R; (2; 5) 62 R. b) M = N beliebig, R := f(x; x) j x 2 M g M M de niert die Gleichheitsrelation. Die oben eingefuhrte Relation V auf R und auch die Gleichheitsrelation sind Relationen zwischen einer Menge M und sich selber und haben spezielle Eigenschaften: (O1) x x fur alle x 2 R (Re exivitat) (O2) (x y und y z ) =) x z (Transitivitat)
x
0 gibt es eine naturliche Zahl n 2 N mit 1 1 < . [ kann also "beliebig klein\ werden] . n n (c) Zu jeder reellen Zahl x 2 R gibt es genau eine ganze Zahl n 2 Z mit n x < n + 1.
[ n
) x
n+1
R
Die nach (c) eindeutig existierende ganze Zahl n wird mit [x] bezeichnet. [] heit GauKlammer. Fur jede reelle Zahl x gilt also [x] x < [x] + 1 . Eine wichtige Funktion auf R ist die Betragsfunktion j:j : R durch ur x 0 jxj := xx f fur x < 0: 36
! R.
Sie ist de niert
Graph der Betragsfunktion: |x|
x
Die nichtnegative Zahl jxj heit Absolutbetrag oder kurz Betrag von x. Aus obiger De nition lassen sich folgende Rechenregeln fur Betrage herleiten: 8 x; y; 2 R gilt (B 1) (B 2) (B 3) (B 4)
jxj 0 und (jxj = 0 () x = 0) jxj = jj jxj [=) j xj = j jx + yj jxj + jyj jx yj jxj jyj
1j jxj = jxj]
der BetragsSollen Betragszeichen (wieder) aufgelost werden, muss man die beiden Aste funktion meist getrennt betrachten (Fallunterscheidung!). 1.10
Folgen
1.10.1 De nition von Folgen Ein wichtiges Werkzeug zur Untersuchung der Zahlengeraden sind Folgen. [Wir werden sehen, dass gewisse Folgen die Rolle von Sonden\ oder Lupen\ spielen!] " " De nition: Eine Folge reeller (bzw. rationaler) Zahlen ist eine Abbildung f : N ! R (bzw. f : N ! Q), also eine Vorschrift, die jeder naturlichen Zahl n eine Zahl f (n) =: xn 2 R (bzw. 2 Q ) zuordnet. Man schreibt kurz fxngn2N oder einfach fxng und nennt xn das n-te Folgenglied. Es gibt zwei Moglichkeiten, eine Folge zu de nieren: (i) Explizite Angabe des allgemeinen n-ten Folgengliedes. Beispiele: 1
1 1 1 =) fxn g = 1; ; ; ; : : : n 2 3 4 n gerade ) xn = +11;; falls falls n ungerade =) fxn g = 1; +1; 1; : : :
) xn =
(ii) Rekursive De nition, d.h. man gibt an, wie das n-te Glied aus einem oder mehreren vorhergehenden Gliedern berechnet wird. 37
Beispiel:
2 1
) x = 1; xn = xn + 2 xn 3 17 =) fxn g = 1; ; ; : : : 2 12
1
1
1
1.10.2 Metrische Struktur Gewisse Folgen sollen uns als Sonden\ (oder Lupen\) dienen, um einen kleinen Aus" " schnitt der Zahlengeraden eingehender zu untersuchen. Dies setzt voraus, dass eine derartige Folge es erlaubt, an eine bestimmte Stelle auf der Zahlengeraden beliebig nahe\ " heranzukommen. Wir mussen also zunachst prazisieren, was wir mit nahe\ meinen, d.h. wir mussen einen Abstandsbegri auf der Zahlengeraden de nieren." |z|
z
|x-y|
0
x
y
Eine geometrische Betrachtung der Zahlengeraden lehrt, dass jz j den Abstand der reellen Zahl z vom Ursprung und jx y j die Entfernung der Zahlen x und y voneinander anzeigt. Wir de nieren daher den Abstand zwischen den reellen Zahlen x und y als die nichtnegative Zahl jx y j. Wichtige Eigenschaften dieses Abstandes sind:
8 x; y; z 2 R gilt: (A1) jx y j 0 und (jx y j = 0 () x = y ) (A2) jx y j = jy xj (A3) jx y j jx z j + jz y j ( Dreiecksungleichung\) " Diese Eigenschaften entsprechen genau den Forderungen, die wir auch an einen allgemeinen Abstands- (bzw. Entfernungs-)begri stellen wurden: (A 1): Der Abstand soll durch eine nichtnegative reelle Zahl reprasentiert werden. Der Abstand einer Zahl (allgemeiner: eines Elements einer Menge) zu sich selber soll Null betragen. Umgekehrt sollen zwei voneinander verschiedene Elemente stets einen Abstand ungleich Null voneinander haben, um sie mit Hilfe des Abstandsbegris auseinander halten zu konnen. (A 2): Abstand von x zu y = Abstand von y zu x. (A 3): Der anschauliche Entfernungsbegri in der Zeichenebene (Abstand zweier Punkte := Lange der Verbindungsstrecke) gehorcht folgendem Gesetz: Abstand (x; y ) Abstand (x; z )+ Abstand (z; y ), denn in jedem Dreieck ist die Summe der Langen zweier Seiten groer als die Lange der dritten Seite (! Name Dreiecksungleichung\). "
38
.
z
.
.
y
x
Wir denken uns daher den Abstand jx yj auf der Menge der reellen Zahlen erzeugt durch R R ! [0; 1) eine Abstandsfunktion d(:; :) : und erheben die Eigenschaften (x; y ) 7! jx y j (A 1) bis (A 3) in den Rang von Forderungen, denen jede Abstandsfunktion auf einer allgemeinen Menge M genugen muss. Dies fuhrt zu folgender De nition fur eine beliebige Menge M : Eine Funktion d(:; :) : M M
! [0; +1) R mit den Eigenschaften: 8 x; y; z 2 M gilt d(x; y ) = 0 () x = y
(M 1) (M 2) d(x; y ) = d(y; x) (M 3) d(x; y ) d(x; z ) + d(z; y ) (Dreiecksungleichung) heit Abstandsfunktion oder Metrik auf M . [Der Name Metrik\ kommt von Abstands messung\.] " " Ist auf einer Menge M eine Metrik erklart, so heit M ein metrischer Raum.
1.10.3 Konvergenz von Folgen Auf der Basis der Metrik d(x; y ) = jx y j auf R konnen wir nun Folgen charakterisieren,
die einem festen Punkt (d.h. einer Zahl) beliebig nahe kommen, wobei dieser Punkt in der Regel nicht selbst zur Folge gehort.
De nition: Eine Folge reeller (bzw. rationaler) Zahlen heit ! a oder konvergent gegen a, geschrieben xn !1 lim xn = a, wenn ein a 2 R (bzw. a 2 Q) existiert n!1 n
mit der Eigenschaft: Fur jedes (beliebig kleine) > 0 gibt es ein N = N 2 N, so dass jxn aj < 8 n > N . a heit Grenzwert oder Limes der Folge fxn g.
39
(a− ε , a+ ε) xN+3 ... a−ε x a N+1
fAb x
x N+2
a+ε
liegen also alle Folgenglieder im Intervall (a ; a + ), haben also hochstens N einen Abstand kleiner zum Grenzwert.g Hat eine Folge keinen Grenzwert, so heit sie divergent. +1
Eine konvergente Folge kann nicht mehrere Grenzwerte haben, d.h. es gilt der Satz: Hat eine Folge einen Grenzwert a, so ist dieser eindeutig. Beweis durch Widerspruch: Angenommen, a und b waren zwei verschiedene Grenzwerte der konvergenten Folge fxn g. Aufgrund der Metrikeigenschaft (A 1) gilt dann:
ja bj =: d > 0:
Wir wahlen nun so, dass 2 < d.
ε (
a
|
ε )
(
|
b
)
| a−b | = d
Aufgrund der Annahme xn ! a ^ xn ! b\ " gibt es ein N mit jxn und ein M mit jxn
aj < bj <
Fur N := maxfN; M g folgt aus der Dreiecksungleichung:
ja bj ja x j + jx n
n
8n>N 8n>M:
bj < 2 < d = ja bj
Widerspruch! Also gilt a = b.
8n>N q.e.d
40
1.10.4 Cauchy-Folgen und irrationale Zahlen Die Konvergenz einer Folge fxn g bedingt, dass die Folgenglieder xn mit wachsendem Index n eine immer kleinere Entfernung voneinander bekommen mussen. Wir prazisieren dieses Verhalten durch folgende De nition:
De nition: Eine Cauchy-Folge ist eine Folge, fur die gilt: Zu jedem (beliebig kleinen) > 0 gibt es einen Index N = N 2 N, so dass jxn xm j < 8 n; m > N. Wie oben bereits angedeutet, gilt:
Satz: Jede konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge.
! a. Dann 9 N = N Beweis: Gelte xn n!1 =) jxn =) jxn
2N
mit jxn
aj <
xm j jxn aj + ja xm j < 2 xm j < 8 n; m > N : (Dreiecksungl.)
8n>N.
8 n; m > N
2
q.e.d. Ein Beispiel einer Cauchy-Folge ist die (Beispiel-)Folge ( ):
1 x = 1; xn = xn 2 1
1
+
2
xn
:
1
Der Nachweis der Cauchyfolgen-Eigenschaft besteht aus folgenden Schritten: 1) Bildungsgesetz der Folge (stets Addition positiver Terme) =) xn > 0 8 n 2 N 2)
xn
+1
2 1 xn + 2 xn
2
x x2 = 2 " p a+b a b (Hausubung 33) 2 + p p a+b a + bp ab ab ab = ab 2 2 =
(rekursive Def.)
2
n
n
2
also: xn 2
+1
2
(=) xn
+1
> 1)
8n2N
2
1 3) Behauptung: xn 2 8n2N 2n Beweis per vollstandiger Induktion: 1 3 1 = =12 Ind.anfang, n = 1 : x 2 2 2 Schritt von n ! n + 1: +1
2
2
2
1
41
X
1 2n
xn
+1
2
2
1 2 1 xn + 2 xn 2n 1 1 1 x + = 2 n 2n xn 1 1 1 1 + xn = + xn n n 4 2 2 xn {z } | {z } | n xn 1 1 1 + +1 n 0 muss nun mindestens ein Folgenglied xN existieren mit xN 2 (a ; a] (denn sonst ware a eine obere Schranke von M , was im Widerspruch zur Supremums-Eigenschaft von a stunde). Da die Folge monoton wachst, muss dann xn 2 (a ; a] 8 n > N gelten. Also konvergiert die Folge gegen a 2 R. q.e.d. 1
Als Beispiel betrachten wir die reelle Folge xn := 1 +
47
1
n
n
:
2
3
Nach dem Binomischen Satz gilt
1+
1
n
=
n
n P k =0
n k
n1 1
n k
k
| {z }
n ::: (n k+1) n! k!(n k)! = k!
1
= 1+n
n
+
n (n 1) 1 n (n 1) : : : (n n + 1) 1 +:::+ 2!{z n } n{z ! n} | | 2
1 2!
1 = 1 + 1 + (1 2!
n n n } | n{z n (
1 (1
1
n
1)
1
1
n!
)
)+:::+
1 (1 n!
1
n
n (n
::: (n (n n n ::: n
1)
1))
n 1 ) n
) : : : (1
Beim Ubergang von xn nach xn werden alle Klammern in den ersten (n+1) Summanden, die beiden Folgengliedern gemeinsam sind, groer, so dass xn < xn folgt. fxn g ist also streng monoton wachsend. Auerdem lat sich die im n-ten Folgenglied auftretende Summe nach oben abschatzen: +1
+1
0 < xn
<
1
1
1+1+
"
n
< 1 usw.
| {z: : : } = 2n (n
=)
3
2
1)Faktoren
=)
1
n!
0) ab einem gewissen Index N alle Folgenglieder im Intervall (a ; a + ) liegen. Eine Abschwachung dieser Forderung fuhrt zum Begri des Haufungspunktes: Von einem Haufungspunkt a wird nur verlangt, dass im Intervall (a ; a + ) unendlich viele Folgenglieder xn liegen. Ein Punkt a 2 R heit also Haufungspunkt der (reellen) Folge fxn g, wenn es zu jedem (beliebig kleinen) > 0 und zu jedem (beliebig hohen) Index n 2 N ein n > n gibt mit xn 2 (a ; a + ). 0
0
Beispiel: Die alternierende Folge xn := ( 1)n ist divergent, hat aber zwei Haufungspunkte, namlich 1 und ( 1). Klarerweise ist jeder Grenzwert einer Folge fxn g auch ein Haufungspunkt dieser Folge. Daruber hinaus lat sich { analog zur Eindeutigkeit des Grenzwertes { zeigen: Satz: Gilt lim xn = a, so ist a der einzige Haufungspunkt der Folge fxn g. n!1
Betrachten wir nun einen Haufungspunkt a einer divergenten Folge fxn g. Unendlich viele Folgenglieder xn liegen also in der Nahe von a. Indem man alle schlechten\ xn (die nicht " in der Nahe von a liegen) verwirft und nur die guten ins Topfchen\ legt, mute man eine " Folge erhalten, die wirklich gegen a konvergiert. Dieses Vorhaben bedarf der Prazisierung. Die guten xn ins Topfchen zu legen \ bedeutet, gewisse Folgenindices auszuwahlen, und " zwar insgesamt unendlich viele. Dies lat sich mittels einer Auswahlfolge bewerkstelligen. Darunter verstehen wir eine streng monoton wachsende Folge von naturlichen Zahlen, also eine Abbildung k : N ! N, i 7! ni 2 N mit ni > ni 8 i 2 N. Beispielsweise wahlt die Auswahlfolge fni gi2N , die durch ni = 2i de niert wird, aus der alternierenden Folge xn = ( 1)n die Glieder mit dem Wert (+1) aus. +1
49
R
.
+1
. 1
−1
.
n1
2
.
3
4
.
n2
.
5
n3
6
Indem wir also die Auswahlfolge ni = 2i und die alternierende Folge xn = ( 1)n hintereinanderschalten, erhalten wir die konstante Folge fxni gi2N mit xni = 1 8 i 2 N. Wenn wir dieses Vorgehen verallgemeinern, gelangen wir zum Begri der Teilfolge: Durch Hintereinanderschaltung einer Auswahlfolge k (bzw. in Folgenschreibweise: fni gi2N ) und einer (reellen) Folge f (in Folgenschreibweise: fxn gn2N ) erhalten wir eine Teilfolge der Folge fxn g:
f Æ k : i 7! xni 2 R
(in Folgenschreibweise: fxni gi2N )
Im obigen Beispiel ist das ursprungliche Vorhaben in der Tat gelungen: Aus der divergenten Folge fxn g mit dem Haufungspunkt 1 haben wir eine Teilfolge fxni g konstruiert, die gegen 1 konvergiert. Dass dies allgemein moglich ist, besagt der folgende Satz: Ist a ein Haufungspunkt der Folge fxn g, so gibt es eine Teilfolge fxni g mit lim xni = a. Die Umkehrung gilt ebenfalls. i!1 Wir wollen nun aus dem Satz von der monotonen Konvergenz auch fur nicht-monotone Folgen Kapital schlagen. Das Werkzeug hierzu liefert uns der folgende Satz: Jede reelle Folge fxn g enthalt eine monotone Teilfolge. Folglich enthalt jede beschrankte reelle Folge eine beschrankte monotone Teilfolge. Diese Teilfolge besitzt aufgrund des Satzes von der monotonen Konvergenz einen Grenzwert in R. Zusammenfassend ergibt sich der sogenannte
Satz von Bolzano-Weierstra: Jede beschrankte reelle Folge besitzt eine
konvergente Teilfolge bzw. einen Haufungspunkt.
50