Julika Göb Marketing Intelligence
GABLER RESEARCH
Julika Göb
Marketing Intelligence Wissen als Entscheidungsgrundl...
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Julika Göb Marketing Intelligence
GABLER RESEARCH
Julika Göb
Marketing Intelligence Wissen als Entscheidungsgrundlage im Marketing
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2009
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Jutta Hinrichsen Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2184-0
Geleitwort Geleitwort
Im Marketing die „richtigen“, d.h. die im Markt und gegen die Wettbewerber erfolgreichen Entscheidungen zu treffen, stellt bekanntlich ein besonders unsicheres und riskantes Unterfangen dar. Entsprechend groß ist daher der Bedarf an Entscheidungsunterstützung.
Entscheidungsrelevant
sind
dabei
nicht
nur
Marktforschungsdaten in aggregierter Form, sondern zum Beispiel auch individuelle Kundendaten, Vertriebsdaten, Daten aus dem Marketingcontrolling, Daten über Technologieentwicklungen usw., usw.. Der Entscheider will aber nicht mit immer mehr
Einzeldaten
überschüttet
werden;
er
benötigt
die
Informationen
in
problembezogen zusammengeführter und verdichteter Weise, möglichst mit angesammeltem Erfahrungswissen angereichert und zudem ausgerichtet auf seinen spezifischen, subjektiv ausgeprägten kognitiven Entscheidungsstil. Über das traditionelle Fremdbild und Selbstverständnis der betrieblichen bzw. institutionellen Marktforschung reicht dieser Anspruch weit hinaus. Dafür hat sich in den letzten Jahren in Theorie und Praxis der Begriff der „Marketing Intelligence“ etabliert. Frau Göb beleuchtet nach einführenden und grundlegenden Ausführungen zuerst die Seite der Nachfrage nach marketingrelevanten Informationen, um dieser dann die Angebotsseite gegenüber zu stellen (Teile 3 und 4). Marketing Intelligence hat zum Ziel, die in der Praxis zu registrierende Kluft zwischen beiden Seiten durch eine gezielte (objektive) Entscheidungs- und (subjektive) Entscheiderunterstützung zu überbrücken. Dem Begriff und theoretischen Fundament von Marketing Intelligence ist daher der nächste Hauptteil gewidmet. Teil 5 befasst sich dann unter dem Stichwort des „Marketing Intelligence Cycle“ mit der konkreten Ausgestaltung dieses Konzepts. Frau Göb präsentiert es als eine Lernspirale, die von der Daten- über die Informationsebene zur Problemlösung auf der Grundlage von explizitem und implizitem Marketingwissen führt. Dieser Prozess ist für jede Einzelentscheidung zu durchlaufen, insbesondere aber institutionell in der lernenden Organisation „Unternehmen“ zu etablieren. Mit guter Begründung weist Frau Göb schließlich der Marktforschung die tragende Rolle für den fälligen Übergang von ihrem traditionellen Aufgabenfeld zum modernen Konzept der Marketing Intelligence im Sinne wissensbasierter Marketingberatung zu – eine große Herausforderung an die Marktforschung!
VI
Geleitwort
Frau Göb hat als Mitarbeiterin des Marketinglehrstuhls der Universität Bamberg eine für die Marketingpraxis höchst bedeutsame und aktuelle Thematik aufgegriffen, der bislang im deutschsprachigen Raum noch kaum die notwendige Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Ihrer innovativen und theoretisch gut fundierten Arbeit ist fachwissenschaftliche Beachtung ebenso zu wünschen wie breite Resonanz in der Marketing- bzw. Marktforschungspraxis. Prof. Dr. Frank Wimmer
Vorwort Vorwort
So interessant das Dissertationsthema auch sein mag, empfindet man doch nach Abschluss der Promotion zunächst eine große Erleichterung. Hinzu kommt natürlich auch ein wenig Stolz, dass man dieses Projekt erfolgreich zu Ende gebracht hat. Darüber hinaus stellt sich ein weiteres tiefes Empfinden ein: Dankbarkeit. Dankbarkeit den Personen gegenüber, die dieses Projekt nicht nur ermöglicht, sondern mich dabei unterstützt und begleitet haben. Diesen Personen möchte ich meinen persönlichen Dank aussprechen. An erster Stelle möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Frank Wimmer für die umfassende, mit großem persönlichem Interesse und Engagement verbundene Betreuung meiner Dissertation sowie die angenehme Zusammenarbeit und Arbeitsatmosphäre an seinem Lehrstuhl bedanken. Ihm sowie dem gesamtem Team des Lehrstuhls für Absatzwirtschaft an der Universität Bamberg verdanke ich eine fachlich sowie persönlich sehr prägende Zeit. Namentlich möchte ich meinen beiden ehemaligen Kolleginnen Frau Dr. Verena Rath und Frau Dr. Christina Stötzel für die stets motivierende und herzliche Unterstützung danken. Herrn Prof. Dr. Johann Engelhard danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Weiterhin möchte ich Herrn Holger Dietrich für die zahlreichen fruchtbaren inhaltlichen Diskussionen sowie für die kritische und sorgfältige Durchsicht des Manuskripts danken. Mein Dank gilt auch Herrn Dr. Raimund Wildner und Herrn Wolfgang Twardawa für den stets zielführenden gedanklichen Austausch. Schließlich danke ich allen Interviewpartnern, dass sie sich Zeit genommen und mich bei meiner empirischen Untersuchung unterstützt haben. Ganz besonderer Dank gebührt schließlich meiner Familie. Meinen Eltern und Großeltern danke ich für die vielfältige Unterstützung im Entstehungsprozess dieser Arbeit. Auch möchte ich mich bei meinem Bruder Sebastian und meiner (hoffentlich) zukünftigen Schwägerin Marisa für ihre Hilfe bedanken. Besonders Marisa danke ich dabei ganz herzlich für die intensive Lektüre des Manuskripts. Mein größter Dank gilt meinem Freund Hubertus für seine zahlreichen konstruktiven fachlichen Anregungen sowie sein nahezu unerschöpfliches Verständnis, seine stete Ermutigung und seinen kontinuierlichen Beistand auch in schwierigsten Zeiten. Julika Göb
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ XIII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................... XV
1
2
3
Einleitung ................................................................................................... 1 1.1
Problemhintergrund und Gegenstandsbereich der Arbeit ....................... 1
1.2
Zielsetzung und methodisches Vorgehen ................................................. 4
1.3
Empirische Untersuchung .......................................................................... 7
1.4
Aufbau der Arbeit ...................................................................................... 10
Entscheidungssituation im Marketing .................................................. 13 2.1
Marketing als markt- und kundenorientiertes Entscheidungsverhalten ........................................................................... 13
2.2
Marketinginformationen als Entscheidungsgrundlage .......................... 15
2.3
Verbesserung der Entscheidungsqualität im Marketing durch Marketing Intelligence ............................................................................... 17
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen ............ 21 3.1
Entscheidungstheoretische Analyse der Nachfrageseite von Marketinginformationen – Die Entscheidungsseite im Marketing ......... 21
3.1.1
Objektiv-sachliche Ebene ..................................................................... 21
3.1.1.1 3.1.1.2
Aufgaben des Marketingmanagements .......................................... 21 Idealtypische Ausprägungen von Marketingentscheidungen .......... 25
3.1.1.2.1 Strategisch geprägte Marketingentscheidungen ......................... 25 3.1.1.2.2 Operativ geprägte Routineentscheidungen im Marketing ............ 28 3.1.2
Subjektiv-persönliche Ebene ................................................................. 32
3.1.2.1 3.1.2.2
Theoretische Grundlagen zum Entscheidungsverhalten von Managern ....................................................................................... 32 Einfluss kognitiver Merkmale auf das Entscheiderverhalten ........... 38
3.1.2.3
Entscheidungsstile und Entscheidertypen ...................................... 42
3.1.2.3.1 Kognitive Stile von Persönlichkeitstypen ..................................... 42 3.1.2.3.2 Analytischer versus heuristischer Entscheidungsstil ................... 49 3.1.2.3.3 Idealtypische Problemlösestrategien von Marketingentscheidern ............................................................... 53
X
Inhaltsverzeichnis 3.2
Analyse der Leistungen auf der Angebotsseite von Marketinginformationen – Die Datenseite im Marketing......................... 57
3.2.1 3.2.2
3.2.2.1
Systematisierung potenziell entscheidungsrelevanter
3.2.2.2 3.2.2.3
Marketingdaten .............................................................................. 60 Intern anfallende Marketingdaten ................................................... 62 Extern zu erhebende Marketingdaten ............................................. 69
3.2.2.4
Aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten ............................. 73
3.2.3 3.3
Grundlegende Begrifflichkeiten ............................................................. 57 Informationsangebot für das Marketing ................................................. 60
Schaffung einer fundierten Informationsgrundlage für das Marketing ............................................................................................. 80
Kluft zwischen Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen............................................................................ 82
4
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence – Entwicklung eines Konzepts zur Überbrückung der Kluft zwischen Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen ......................................................................... 87 4.1
Begriffliche Präzisierung von Marketing Intelligence ............................. 87
4.1.1 4.1.2
„Intelligenz“ – Ambivalenz eines Begriffs............................................... 87 Terminologische Hintergründe von Marketing Intelligence .................... 90
4.1.3
Marketing Intelligence als Konzept zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing................ 94
4.2
Theoretisch-konzeptionelle Einordnung von Marketing Intelligence .... 97
4.2.1 4.2.2
Marketing Intelligence im Kontext von Marketing Controlling ................ 97 Beziehungsmanagement und internes Marketing als marketingtheoretische Fundierung ..................................................... 101
4.3
Ganzheitliches Management der Ressource Wissen als Grundlage von Marketing Intelligence ..................................................................... 109
4.3.1 4.3.2
Marketingwissen als Entscheidungshilfe für das Marketing ................. 110 Die Wissensbasis im Marketing .......................................................... 113
4.3.3
Wissensschaffung im Unternehmen als „organisatorisches Lernen“ – Das Modell der „Wissensspirale“ ..................................................... 116 Systematischer Umgang mit Wissen – Das Modell der „Bausteine des Wissensmanagements“ ............................................................... 121 Wissensmanagement als Fundament von Marketing Intelligence ....... 125
4.3.4 4.3.5 4.4
Konzeptioneller Bezugsrahmen von Marketing Intelligence ................ 128
Inhaltsverzeichnis
5
XI
Der Marketing Intelligence-Cycle – Entwicklungsschritte zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing....................................... 131 5.1
Der Marketing Intelligence-Cycle aus System- und Prozesssicht ....... 131
5.1.1 5.1.2 5.2
Der Marketing Intelligence-Cycle als System ...................................... 131 Der Prozess von Marketing Intelligence als Lernspirale ...................... 134
Datenebene des Marketing Intelligence-Cycles .................................... 137
5.2.1
Konkretisierung und Systematisierung von Marketingproblemen durch Analyseziele ............................................................................. 137
5.2.2
Gap-Modell der Informationsbedarfsanalyse zur Aufdeckung möglicher Diskrepanzen zwischen Informationsnachfrage und Informationsangebot ........................................................................... 140
5.2.3
Sicherstellung einer bedarfsgerechten Problemdefinition durch interaktive Zusammenarbeit von Daten- und Entscheidungsseite ....... 147
5.3
Informationsebene des Marketing Intelligence-Cycles......................... 151
5.3.1
Von Marketingdaten zu integrierten Marketinginformationen – Der Prozess der Datenintegration ............................................................. 152
5.3.1.1 5.3.1.2 5.3.1.3
Datenselektion als Voraussetzungen der Datenintegration........... 153 Datenaufbereitung zur Sicherstellung der Datenqualität ............... 154 Datenfusion zur Generierung integrierter Marketinginformationen ................................................................ 156
5.3.2 5.3.3
5.3.3.1 5.3.3.2
Grundlegende Ansätze und Verfahren der Datenanalyse ............. 164 OLAP als hypothesengetriebenes Analyseverfahren .................... 167
5.3.3.3
Data Mining als datengetriebenes Analyseverfahren .................... 170
5.3.4 5.4
Das Data Warehouse als zentraler Baustein des MarketingInformationsmanagements ................................................................. 159 Verfahren zur Analyse von (integrierten) Marketingdaten ................... 163
Generierung eines tiefgründigen Problemverständnisses durch Marketing Insights .............................................................................. 174
Wissensebene des Marketing Intelligence-Cycles ................................ 178
5.4.1
Schaffung und Verteilung von Marketingwissen .................................. 178
5.4.1.1 5.4.1.2 5.4.1.3
Die Sozialisation – Transfer von implizitem Marketingwissen ....... 179 Die Externalisierung – Artikulation und Überführung von implizitem Marketingwissen in explizites Marketingwissen ........... 181 Die Kombination – Verknüpfung und Multiplikation expliziter Wissensbestandteile im Marketing ............................................... 183
XII
Inhaltsverzeichnis 5.4.1.4
Die Internalisierung – Verankerung des expliziten Marketingwissens in die individuelle Wissensbasis eines Marketingentscheiders ................................................................. 185
5.4.2
Voraussetzung für eine effektive Wissensschaffung und -verteilung im Marketing ....................................................................................... 188
5.4.2.1
Integration der Datenseite in die Entscheidungsprozesse des Marketings ................................................................................... 189
5.4.2.2
Vertrauen und Commitment zwischen Daten- und
5.4.2.3
Schaffung struktureller Rahmenbedingungen ............................... 193
Entscheidungsseite ...................................................................... 191 5.4.3
6
Ganzheitliches Management von Marketingwissen ............................. 195
Rolle der Marktforschung im Sinne von Marketing Intelligence – Marktforschung als wissensbasierte Marketingberatung ................ 202 6.1
Steuerung und Koordination von Marketing Intelligence ..................... 202
6.2
Von der traditionellen Marktforschung zur Marketing IntelligenceEinheit ...................................................................................................... 207
6.2.1 6.2.2
6.2.2.1
Verstärkte strategische Ausrichtung der Marktforschung .............. 212
6.2.2.2
Neue Aufgaben der Marktforschung im Zeichen des Beziehungsmarketings ................................................................. 214
6.2.3 6.3
Leistungs- und Servicespektrum der traditionellen Marktforschung .... 207 Weiterentwicklungen der Marktforschung im Sinne von Marketing Intelligence ......................................................................................... 212
Erweiterter Aufgabenbereich der Marktforschung im Sinne von Marketing Intelligence ......................................................................... 220
Erweitertes Selbstverständnis des Marktforschers im Sinne von Marketing Intelligence ............................................................................. 223
6.3.1 6.3.2
7
Vom Informationslieferanten zum Marketing IntelligenceSpezialisten ........................................................................................ 223 Anforderungsprofil des Marketing Intelligence-Spezialisten ................ 225
Zusammenfassung und Ausblick ........................................................ 230
Anhang................................................................................................................... 233 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 245
Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Alternative strategische Stoßrichtungen (Produkt-Markt-Matrix) ....... 26
Abbildung 2:
Die Persönlichkeitsvariablen des Entscheidungsverhaltens .............. 39
Abbildung 3:
Die Dimensionen der Persönlichkeit ................................................. 43
Abbildung 4:
Abgrenzung zwischen Marketingforschung und Marktforschung ....... 58
Abbildung 5:
Entscheidungsrelevante Kundendaten entlang des Beziehungslebenszyklus ................................................................... 66
Abbildung 6:
Das Marketing-Informationssystem (MAIS) ....................................... 91
Abbildung 7:
Begriffliche Abgrenzung der Marketing Intelligence .......................... 96
Abbildung 8:
Informationsorientierte Aufgaben des Marketing Controlling ............. 99
Abbildung 9:
Mehrstufige Kundenorientierung von Marketing Intelligence ........... 102
Abbildung 10: Das Beziehungsebenenmodell zwischen Daten- und Entscheidungsseite im Marketing .................................................... 105 Abbildung 11: Marketingtheoretische Grundlagen der internen KundenLieferanten-Beziehung im Sinne von Marketing Intelligence ........... 109 Abbildung 12: Von Marketingdaten zu handlungsorientiertem Marketingwissen .... 112 Abbildung 13: Die Wissensbasis im Marketing ...................................................... 115 Abbildung 14: Die Formen der Wissensschaffung ................................................. 117 Abbildung 15: Die Spirale der Wissensschaffung im Unternehmen ....................... 119 Abbildung 16: Die Bausteine des Wissensmanagements ...................................... 122 Abbildung 17: Die Wissenstreppe im Marketing..................................................... 126 Abbildung 18: Der Bezugsrahmen von Marketing Intelligence ............................... 129 Abbildung 19: Der Marketing Intelligence-Cycle .................................................... 132 Abbildung 20: Der Prozess von Marketing Intelligence .......................................... 136 Abbildung 21: Vom CRM-Problem zum Analyseziel (Beispiel Kundenrückgewinnung) .................................................................. 139 Abbildung 22: Zusammenhang zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf, Informationsnachfrage und Informationsangebot ....................................................................... 142 Abbildung 23: Das „Gap-Modell“ der Informationsbedarfsanalyse im Marketing .... 143 Abbildung 24: Raster zur Analyse des Informationsbedarfs ................................... 148 Abbildung 25: Schritte der Datenintegration .......................................................... 152
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 26: Das Prinzip des Data Matching ....................................................... 158 Abbildung 27: Idealtypische Data Warehouse-Architektur ..................................... 162 Abbildung 28: Grundlegende Ansätze und Verfahren der Datenanalyse ............... 166 Abbildung 29: Dreidimensionale Datenansicht im Hypercube ................................ 168 Abbildung 30: Kriterien zur Auswahl von Data Mining-Methoden ........................... 172 Abbildung 31: Der Datenanalysezyklus ................................................................. 174 Abbildung 32: Die Generierung von Marketing Insights ......................................... 176 Abbildung 33: Die Formen der Wissensschaffung und -verteilung im Marketing .... 187 Abbildung 34: Typische Module eines Marketing Intelligence-Systems bei einem Konsumgüterhersteller ......................................................... 197 Abbildung 35: Die inhaltliche Ausgestaltung von Marketing Intelligence über den Marketing Intelligence-Cycle .................................................... 201 Abbildung 36: Typologie von Marktforschungskonstellationen ............................... 208 Abbildung 37: Kundenanalyse vs. Marktforschung ................................................ 216 Abbildung 38: Die Marktforschung als wissensbasierte Marketingberatung ........... 229
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
aCRM:
analytisches Customer Relationship Management
AMA:
American Marketing Association
CIA:
Central Intelligence Agency
CRM:
Customer Relationship Management
ESOMAR:
European Society for Opinion and Market Research
GfK SE:
Gesellschaft für Konsumforschung Societas Europaea
HTML:
Hypertext Markup Language
IT:
Informationstechnologie
KDD:
Knowledge Discovery in Databases
MAIS:
Marketing-Informationssystem
MDSS:
Management Decision Support System
MOLAP:
Multidimensionales On-Line Analytical Processing
ODS:
Operational Data Store
OLAP:
On-Line Analytical Processing
SGE:
Strategische Geschäftseinheit
S-O-R:
Stimulus – Organismus – Response
SR:
Stimulus Response
ROLAP:
Relationales On-Line Analytical Processing
URL:
Uniform Resource Locator
WWW:
World Wide Web
1
Einleitung
Einleitung
1.1
Problemhintergrund und Gegenstandsbereich der Arbeit
„Wir ertrinken in Informationen, aber uns dürstet nach Wissen.“ John Naisbitt Dieses John Naisbitt zugeschriebene Zitat verdeutlicht die gegenwärtige Situation in der Unternehmenspraxis. Eine Vielzahl an Daten und Informationen liegt in Unternehmen vor, eine fundierte Wissensbasis fehlt jedoch häufig. Für Unternehmen ist die Verfügbarkeit von relevantem Wissen von besonderer Bedeutung. Wissen stellt eine wesentliche Grundlage aller Unternehmensprozesse und -funktionen dar und bildet somit einen entscheidenden Erfolgsfaktor. 1 „In an economy where the only certainty is uncertainty, the one sure source of lasting competitive advantage is knowledge.”2 Entsprechend sind solche Unternehmen erfolgreich, die Wissen schneller
und
gezielter
als
andere
entwickeln,
bereitstellen
und
zur
Bereitstellung
von
Entscheidungsfindung heranziehen können. Aktuelle
Studien
belegen
erhebliche
Defizite
in
der
entscheidungsrelevantem Wissen in Unternehmen. Entsprechend einer Befragung von 675 Top-Managern aus Europa und den USA im Jahr 2004 verfügen 77% der Führungskräfte über keine ausreichende Datengrundlage zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen. Dies hat zur Folge, dass mehr als die Hälfte aller strategisch wichtigen Entscheidungen auf Basis von Erfahrung und Intuition, nicht aber auf Grundlage relevanter und valider empirischer Daten getroffen wird. Die Studie konstatiert bei Führungskräften eine zunehmende Frustration über die fehlende
Verfügbarkeit
und
die
aus
ihrer
Sicht
unzureichende
Qualität
entscheidungsrelevanter Informationen. Generell existiert zwischen der Daten- und der Entscheidungsseite in Unternehmen eine Informationskluft.3 Dies
trifft
auch
auf
den
Marketingbereich
von
Unternehmen
in
der
Konsumgüterbranche zu, welcher den Rahmen für die vorliegende Arbeit liefert. Hier
1
Vgl. Binner 2007, S. 15; Al-Laham 2005, S. 468; Amelingmeyer 2004, S. 16ff.; Al-Laham 2004, S. 412ff.
2
Nonaka 1991, S. 96.
3
Vgl. Hammond 2004.
2
Einleitung
ist es in besonderem Maße notwendig, die bestehende Kluft zwischen der Nachfrage nach und dem Angebot an entscheidungsrelevanten Marketinginformationen zu überbrücken. Entscheidungssituationen und -tatbestände im Marketing zeichnen sich durch hohe Dynamik und zunehmende Komplexität aus. Es bedarf folglich schon „im Normalgeschäft“ einer Vielzahl von Informationen unterschiedlichster Herkunft über Märkte, Zielgruppen und Käufer, die auf einzelne Objekte (zum Beispiel Marken) zu beziehen und abzustimmen sind; dies zu bewerkstelligen, ist als die „klassische“ Aufgabenstellung der Marktforschung anzusehen. Marketingmanager 4 sehen sich im Zuge des Beziehungsmarketings darüber hinaus mit neuen Fragestellungen konfrontiert.
Neue
Messgrößen
wie
zum
Beispiel
der
Kundenwert,
die
Kundenzufriedenheit und -loyalität, die Wiederkaufs- und Weiterempfehlungsbereitschaft
oder
auch
Informationen
über
die
Wirkungen
von
Kundenbindungsaktivitäten rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung. Hierzu stehen dem Marketingmanagement unternehmensintern individuelle Kundendaten und beispielsweise auch Daten aus dem Vertriebscontrolling zur Verfügung; diese müssen durch externe, oft speziell zu erhebende Marktforschungsdaten zum Verhalten und zu den Verhaltenshintergründen der Kunden ergänzt werden. Operativ ausgerichtete „Routinedaten“, wie sie für die Marketingplanung und -kontrolle seitens der Marktforschung oder aus der Kundendatenbank bereitgestellt werden, erweisen sich jedoch zunehmend als nicht ausreichend. Das Marketing ist verstärkt vor die Herausforderung gestellt, strategische Entscheidungen zu treffen, das heißt neue Produkte/Leistungen zu entwickeln und neue Märkte zu bearbeiten. Daher benötigt es für Entscheidungen über Innovationen und Zielgruppen neben vergangenheitsorientierten Daten, die in der Regel lediglich punktuell und einzelfallbezogen vorliegen, zukunftsorientierte Daten über Marktentwicklungen und -potenziale, Verhaltensweisen und Einstellungen von Ziel- und Kundengruppen sowie zu anderen Marktteilnehmern, Wettbewerbskonstellationen und Wettbewerberstrategien etc.5 Sie werden von der Marktforschung, der seit langem ein „strategisches Defizit“ zugeschrieben wird, nur bedingt zur Verfügung gestellt. 6 Stattdessen nimmt sich zumindest teilweise das strategische Marketingcontrolling
4
Der Terminus „Marketingmanager“ bzw. „Marketingentscheider“ wird in dieser Arbeit als Sammelbegriff für Entscheidungsträger im Marketingbereich generell, also zum Beispiel auch im Vertrieb, im Kundenservice, in der Kommunikation etc., verwendet.
5
Vgl. Frishammar 2003, S. 322ff.; Le Meunier-FitzHugh/Piercy 2006, S. 713.
6
Vgl. Wimmer 2002, S. 11ff.
Einleitung
3
und speziell die in jüngerer Zeit stärker thematisierte sog. „Competitive Intelligence“ 7 dieser Aufgabe an. Eine fundierte Entscheidungshilfe scheint diese Vielfalt an Daten und Information aber dennoch nicht zu bedeuten. Erst wenn die unternehmensinternen und -externen Marketingdaten in einen zweckbezogenen Kontext gebracht, das heißt, auf bestimmte Problemstellungen bezogen und zu einer einheitlichen Datenbasis verdichtet werden, kann das Marketingmanagement auf entscheidungsrelevante Marketinginformationen zugreifen. Die besondere Herausforderung liegt demnach in einer
entscheidungs-
und
darüber
hinaus
auch
entscheiderorientierten
Datenintegration, welche dem Marketingmanager bessere Einsichten in die Fragestellungen Erklärungen
des
und
Marketings Hintergründe
ermöglicht aufzeigt.
und Auf
ihm der
informationsbasierte Angebotsseite
von
Marketinginformationen geht es folglich nicht mehr nur darum, Daten zu verwalten und diese in entscheideradäquater Form an das Management weiterzuleiten, sondern es wird zunehmend darauf ankommen, aus der Vielfalt an Daten integrierte und übergreifende Informationen zu generieren, die wiederum zu Einsichten – so genannten „Insights“ – verdichtet werden.8 Speziell im Bereich der Marktforschung verbindet sich mit dem Terminus der „Consumer bzw. Market Insights“ die Vorstellung einer vertieften Einsicht in entsprechende Zusammenhänge und Hintergründe. Neben
dieser
eher
sachlich-objektiven
Ebene
der
für
entsprechende
Entscheidungssituationen benötigten Daten und Informationen ist auch die persönlich-subjektive Ebene von Bedeutung. Erst wenn der Marktforscher die vorliegenden
Marketinginformationen
in
den
Kontext
seines
subjektiven
Erfahrungswissens einbettet und diese mit seinem Verstand bewertet, um daraus Schlussfolgerungen für das Handeln des Marketingmanagements zu ziehen, entsteht entscheidungsorientiertes Marketingwissen. Subjektive Aspekte spielen ebenso auf der Seite der Entscheider eine Rolle. Marketingmanager zeigen individuelles Entscheiderverhalten, gehen Probleme auf eigene Weise an und treffen ihre Entscheidungen nach ihrem individuellen kognitiven Stil. 9 Somit beeinflussen neben den verfügbaren Marketinginformationen auch Faktoren wie Kompetenz, Intelligenz, Erfahrung, aber auch implizites Wissen und Intuition des Entscheidungsträgers den 7
Siehe hierzu Michaeli 2006; Rothberg/Erickson 2005; Kunze 2000.
8
Vgl. Davenport et al. 2001, S. 120.
9
Vgl. Brousseau et al. 2006, S. 112f.; Wierenga/van Bruggen 2000, S. 21ff.
4
Einleitung
Marketingentscheidungsprozess. Handlungsorientiertes Marketingwissen („knowhow“) entsteht daher erst durch die Verknüpfung der gewonnenen „Insights“ („knowthat“) mit dem praktischen Können bzw. den Fertigkeiten des Marktforschers sowie des
(„skills“).10
Entscheidungsträgers
Dieses
Wissen
ermöglicht
dem
Entscheidungsträger holistische Einblicke in entsprechende Sachverhalte; der Marketingmanager kann die facettenreiche Marketingrealität aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und erklären sowie darauf aufbauend empirisch begründete Entscheidungen treffen. 11 Derartige Aspekte werden heute in Theorie und Praxis unter dem Stichwort „Marketing Intelligence“ diskutiert. Diese zielt darauf ab, Fähigkeiten für das Management marketingrelevanten Wissens zu entwickeln. Es steht die Idee im Vordergrund, von partiellen Marketingdaten und -informationen zu integriertem entscheidungs- und handlungsorientiertem Marketingwissen zu gelangen, das Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen vermag und letztendlich
einen
Beitrag
Marketingentscheidungen verbesserte
Abstimmung
leisten von
zur kann.
Verbesserung Marketing
Marketingdaten
der
Intelligence
bzw.
Qualität verfolgt
-informationen
auf
von eine die
Entscheidungsprozesse des Marketings, besser jedenfalls, als dies insbesondere aus Sicht der Marketingentscheider bislang der Fall ist.12 Das Konzept einer Marketing Intelligence umfasst damit auch die Vision einer lernenden Unternehmung: Einerseits soll die existierende Informationskluft im Marketing so gut wie möglich geschlossen werden und andererseits das Marketing langfristig auf eine umfassende Wissensbasis zugreifen können.
1.2
Zielsetzung und methodisches Vorgehen
Die einschlägige theoretische und empirische Forschung beschäftigt sich bislang vor allem mit Einzelaspekten des geschilderten Problems zwischen dem Angebot und der
Nachfrage
von
Marketinginformationen.
Es
lässt
sich
eine
intensive
Auseinandersetzung mit der Frage beobachten, wie Wissen erworben, gemanagt und umgesetzt werden kann. Diskussionen und Beiträge rund um das Thema 10
Vgl. Burmann 2001, S. 17f.; Helm/Meckl/Sodeik 2007, S. 231.
11
Vgl. Tsai/Shih 2004, S. 528f.
12
Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 390f.
Einleitung
5
Lernende Organisation13, Wissensmanagement14 oder Organisatorische Intelligenz 15 sind inzwischen zahlreich vorhanden und auch bereits teilweise auf den Marketingbereich
angewendet.
Die
anzutreffenden
Handlungsempfehlungen
beziehen sich allerdings fast ausschließlich auf den organisationalen Umgang mit Wissen. Dessen Wirkung auf die Entscheidungsfindung und somit auf die Entscheider- und Entscheidungsunterstützung wird in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung jedoch vernachlässigt. Andere Forschungsarbeiten analysieren die
Wahrnehmung
Marktinformationen
und im
tatsächliche
Unternehmen.
Nutzung Im
von
Rahmen
Marktforschungsdieser
Arbeiten
bzw.
werden
insbesondere Einflussfaktoren diskutiert, welche die Zusammenarbeit zwischen Marktforscher und Marketingmanager determinieren. 16 Schließlich lässt sich eine Forschungsrichtung
identifizieren,
die
auf
Basis
entscheidungstheoretischer
Grundlagen die Ausgestaltung der Markforschungsaufgabe analysiert. So werden beispielsweise kognitive Stile der Marketingmanager berücksichtigt oder auch bestehende Informations- und Wissensbarrieren untersucht, um eine effektive Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Marketing und Marktforschung zu gewährleisten.17
Entsprechende
Forschungsbeiträge
implizieren
durchaus
bedeutsame Erkenntnisse und Einsichten; auf eine Darstellung der Gesamtsicht der Problematik, die sich an der Schnittstelle zwischen der Informations- und der Entscheidungsseite im Marketing ergibt, wird in der Regel jedoch verzichtet. Diese Lücke möchte die vorliegende Arbeit schließen: Ihr Ziel ist es, der Frage nachzugehen, wie Marketingdaten und -informationen in die Entscheidungsprozesse des
Marketings
zu
integrieren
sind,
damit
sie
Marketingentscheidern
als
Entscheidungshilfe dienen. Im Vordergrund steht dabei in prozessualer Hinsicht die Transformation von Marketingdaten in Marketinginformationen und schließlich in Marketingwissen; in diesem Zusammenhang wird vom Marketing Intelligence-Cycle gesprochen. Marketing Intelligence ist zum einen aus der Nachfrager- und zum anderen aus der Angebotsperspektive
zu
betrachten.
Seitens
der
Nachfrager
von
13
Vgl. z. B. die Arbeiten von Wengelowski 2000; Probst/Büchel 1994; Hennemann 1997.
14
Vgl. z. B. die Arbeiten von Troilo 2006; Amelingmeyer 2004; Wicki 2003; Güldenberg 2003; Neumann 2000; Willke 2001.
15
Vgl. z. B. die Arbeiten von Mähr 2003; Komus 2001; Momm 1997; Oberschulte 1994.
16
Vgl. z. B. die Arbeiten Deshpandé 1982; Deshpandé/Zaltman 1982; Wimmer 2002; Roleff 2001; Roleff/Wimmer 1999.
17
Vgl. z. B. die Arbeiten von Wierenga/van Bruggen 2000, Klose 1993.
6
Einleitung
Marketinginformationen
geht
es
darum,
welche
Entscheidungsunterstützung
hinsichtlich spezifischer Fragestellungen im Einzelfall (praktische Sicht) bzw. typischerweise (generalisierende wissenschaftliche Sicht) benötigt bzw. gewünscht wird und wie bereitgestellte Informationen tatsächlich genutzt werden; diese Perspektive wird in der vorliegenden Arbeit nicht betrachtet. Marketing Intelligence wird hier aus der Angebotsperspektive – insbesondere aus Sicht der traditionellen Marktforschung – untersucht. Daher geht es vor allem um die Frage, wie die Angebotsseite von Marketinginformationen den Prozess von Marketing Intelligence unterstützen kann und welche Funktion dabei der betrieblichen Marktforschung 18 zukommt. Hierzu möchte die vorliegende Arbeit Verbesserungsansätze und Gestaltungsempfehlungen liefern. Im Sinne des Wissensmanagements verkörpert Marketing Intelligence eine umfassende Integration und ein ganzheitliches Management von Marketingwissen. Daher
geht
es
nicht
Marketinginformationen
darum,
die
stattfindenden
innerhalb Prozesse
der
Angebotsseite
der
Wissensgenerierung
von
aufzuzeigen, sondern vielmehr um die grundsätzliche Fragestellung, wie aus Perspektive der Angebotsseite von Marketinginformationen – insbesondere der Marktforschung – das Zusammenspiel mit der Entscheidungsseite im Sinne einer Marketing Intelligence zu gestalten ist, damit sich eine verbesserte Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing ergeben. Es ist also zu thematisieren, wie Marketingdaten und -informationen in die Entscheidungsprozesse des Marketings zu integrieren
sind,
um
tatsächlich
entscheider-
und
entscheidungsrelevantes
Marketingwissen zu generieren. Hierzu wird ein Konzept für Marketing Intelligence entwickelt,
das
es
erlaubt,
vornehmlich die inhaltliche Ausgestaltung
des
zugrundeliegenden Prozesses darzulegen. Die geschilderte Thematik wird zum einen aus Sicht der Literatur erforscht und zum anderen werden die daraus gewonnenen theoretisch-argumentativen Ausführungen durch eine eigene qualitative Erhebung ergänzt.
18
In Unternehmen der Konsumgüterindustrie arbeitet die betriebliche Marktforschung in der Regel eng mit externen Marktforschungsinstituten zusammen. In der vorliegenden Arbeit wird beides, sowohl die betriebliche als auch die institutionelle Marktforschung, ins Auge gefasst und allgemein von der Marktforschungsaufgabe bzw. von Marktforschung gesprochen.
Einleitung 1.3
7
Empirische Untersuchung
Da bislang, wie bereits erwähnt, nur wenige Forschungsergebnisse zur Integration von Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesse des Marketings vorliegen, erschien es für die vorliegende Arbeit notwendig, eine eigene empirische Erhebung durchzuführen. Deren Ziel bestand darin, Einblicke in die Entscheidungsprozesse des Marketings zu erlangen, Verbesserungsbedarf bei der Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen zu identifizieren sowie Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing aufzuzeigen. Auf Basis dieser empirischen Erkenntnisse sollte ein Konzept für Marketing Intelligence entwickelt werden. Grundsätzlich besteht der Fokus wissenschaftlichen Arbeitens darin, Erkenntnisse zu erzielen. Dabei lassen sich drei Erkenntnisziele unterscheiden: Erklären, Verstehen und Gestalten. Während es beim Erklärungsziel darum geht, die Wirklichkeit kausal zu erklären, stehen beim Verstehensziel interpretative Ansätze im Mittelpunkt. Das Gestaltungsziel hingegen ist darauf ausgerichtet, praktisches Handeln mittels wissenschaftlicher Anleitungen beispielsweise in Form von Modellen, Entscheidungsund
Reflexionshilfen
zu
unterstützen;
im
Vordergrund
der
angewandten
Marketingforschung stehen die Überprüfung der Fragestellungen anhand der Praxis sowie die Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse. 19 In der vorliegenden Arbeit soll die Empirie dazu beitragen, ein Verständnis für die Zusammenhänge und Hintergründe des Verhaltens der befragten Personen zu erlangen sowie darauf aufbauend praktisch-normative Aussagen in Form von Handlungsempfehlungen abzuleiten. In einem ersten Schritt wurde eine umfassende Literatursichtung durchgeführt, um einen Überblick über bisherige Erkenntnisse zu bekommen und einen theoretischen Rahmen zu erarbeiten. Da die Literaturbetrachtung allerdings nur eine Reflexion bereits bekannter Aspekte ermöglicht, sollten mittels der empirischen Untersuchung neue Erkenntnisse gefunden und einige Fragestellungen anhand der Praxis überprüft werden.20 Die Auswahl der empirischen Forschungsmethode im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung, die letztendlich auch das Forschungsdesign determiniert,
muss
sich
stets
an
den
spezifischen
19
Vgl. Dyllick/Tomczak 2007, S. 67f.; Kleinig 2007, S. 211ff.
20
Vgl. Kleining 2007, S. 196.
Anforderungen
der
8
Einleitung
zugrundeliegenden Fragestellungen orientieren. 21 Da in der vorliegenden Arbeit Verstehens- und Gestaltungsziele im Vordergrund stehen, kamen für die empirische Erhebung vorwiegend qualitative Verfahren in Betracht. Während sich Methoden der quantitativen Sozialforschung eher mathematisch-statistischer Verfahren bedienen, zeichnen sich Methoden der qualitativen Sozialforschung durch interpretative, kommunikative, offene und theorieentwickelnde Charakterzüge aus. 22 Qualitative Forschung zielt also auf das Erkennen, Beschreiben und Verstehen von Zusammenhängen ab, nicht aber auf deren Messung; relevante Fragestellungen sollen möglichst ganzheitlich erfasst und interpretiert werden, um hierzu Einblicke aus Sicht der befragten Person zu erlangen. 23 Für die vorliegende Arbeit bot sich daher eine qualitativ angelegte Studie an; der Objektbereich der Studie wurde auf die Branche der Konsumgüterindustrie beschränkt. Marketingmanager sehen sich hier einer sehr dynamischen und komplexen Umwelt gegenüber und benötigen daher als Entscheidungshilfe eine Vielzahl an Informationen aus unterschiedlichen Quellen. Aus diesem Grund erscheint in dieser Branche eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen von großer Bedeutung zu sein. Die Studie orientiert sich an ausgewählten Unternehmen der Konsumgüterbranche; es besteht kein Anspruch auf Repräsentativität oder Vollständigkeit. Vielmehr sollten – wie bereits erwähnt – Möglichkeiten der Integration
von
Marketinginformationen
in
die
Entscheidungsprozesse
des
Marketings empirisch erfasst und anschließend diskutiert werden, um ein realitätsnahes Konzept von Marketing Intelligence erarbeiten zu können. Als Instrument der Datenerhebung bot sich hierfür vornehmlich das Experteninterview an, da für die Entwicklung von Lösungen und Handlungsempfehlungen insbesondere Wissensbestände der Experten aus Marketing und Marktforschung Gegenstand des Forschungsinteresses der vorliegenden Arbeit waren. 24 Eine Forschungsstrategie als Fundament für qualitative Forschung stellt die von Glaser/Strauss (1967) entwickelte Grounded Theory dar. Diese Theorie zielt darauf ab, ein tiefgründiges Verständnis menschlichen Verhaltens und sozialer Prozesse zu 21
Vgl. Atteslander 2003, S. 6; Kepper 1996, S. 131.
22
Vgl. Kleining 2007, S. 207; Naderer 2007a, S. 20ff.; Lamnek 2005, S. 117-123.
23
Vgl. Flick 2005, S. 12f.; Kepper 1996, S. 18.
24
Vgl. Bähring et al. 2008, S. 91ff.; Pfadenhauer 2007, S. 452; Mey/Mruck 2007, S. 254f.; Kurz et al. 2007, S. 465; Gläser/Laudel 2004, S. 10f.
Einleitung
9
erlangen und auf Basis empirischer Daten eine realitätsnahe Theorie zu entwickeln, um sie für die Praxis anwendbar zu machen. Wie schon der Begriff „Grounded Theory“ zum Ausdruck bringt, „gründet“ die Theorie sozusagen in den Aussagen von befragten Personen; es handelt sich um einen qualitativen Forschungsansatz zur Erarbeitung von „empirisch gegründeten“ Theorien. 25 Grundsätzlich kann die Grounded Theory auch auf Fragestellungen des Marketings übertragen werden. 26 Anwendungsfeld der Grounded Theory sind Sachverhalte mit weitgehend offener Fragestellung.27 Die zur Theoriebildung erhobenen Daten können dabei aus unterschiedlichen Quellen stammen, wie zum Beispiel Interviews, Beobachtungen, Gesprächen, Fokusgruppen, Tagebüchern oder auch Statistiken. Neben qualitativen Daten können demnach auch quantitative Daten Verwendung finden. 28 Die Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit entsprechen den Anforderungen der Grounded
Theory.
Einerseits
geht
es
darum,
auf
Basis
qualitativer
Experteninterviews systematisch einen theoretischen Bezugsrahmen für das Konzept von Marketing Intelligence zu entwickeln, welcher auf den Aussagen, Handlungsweisen und Erfahrungen der Zielgruppen – also der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen – basieren sollte. Andererseits sollten sich neue Perspektiven bezüglich der bearbeiteten Fragestellungen eröffnen, um Handlungsempfehlungen für eine Marketing Intelligence ableiten zu können. Die empirische Studie wurde in den Jahren 2006 und 2007 durchgeführt. Insgesamt wurden 16 Interviews geführt; dabei fanden acht Interviews mit Marktforschern und acht
Interviews
mit
Marketingentscheidern
statt.
Bei
der
Befragung
von
Marketingmanagern wurde bewusst eine breite Streuung über verschiedene Branchen
der
Konsumgütern,
Konsumgüterindustrie Finanzdienstleister,
(Automobilbranche,
Dienstleister
für
Hersteller
von
Unterhaltungselektronik,
Handelsunternehmen) gewählt. Damit sollte sichergestellt werden, dass eine möglichst große Bandbreite denkbarer Ausprägungen einer Zusammenarbeit zwischen Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen erfasst wird. 29 Die Interviews mit den Marktforschern wurden bis auf eine Ausnahme persönlich
25
Vgl. Charmaz 2006, S. 4ff.; Suddaby 2006, S. 633f.; Strübing 2004, S. 13f.; Strauss/Corbin 1996, S. 7ff.; Strauss 1994, S. 31.
26
Vgl. hierzu beispielsweise Goulding 2005; Goulding 2000 sowie Gummesson 2005.
27
Vgl. Lueger 2007, S. 202f.
28
Vgl. Lueger 2007, S. 196f.; Corbin 2006, S. 71; Strauss 1994, S. 25.
29
Vgl. hierzu ausführlich Schreier 2007.
10
Einleitung
durchgeführt, während die Befragung der Marketingentscheider telefonisch erfolgte. Die persönlichen Gespräche dauerten ca. eine Stunde; die Telefoninterviews im Durchschnitt etwa 45 Minuten. Als Grundlage für die Interviews wurde ein Gesprächsleitfaden erarbeitet. Die beiden Leitfäden für die Marktforscher und die Marketingenscheider unterscheiden sich nur geringfügig voneinander (siehe Anhang). Die Interviews wurden unter Verwendung eines Tonträgers mitgeschnitten, da die umfassende Dokumentation des erhobenen Datenmaterials eine grundlegende Voraussetzung für die Güte qualitativer Auswertungen ist. Anschließend wurden die Interviews
getrennt
nach
Marktforschern
und
Marketingentscheidern
inhaltsanalytisch ausgewertet. Dabei wurden systematisch aus den transkribierten Daten Informationen extrahiert. Der Vorteil dieser qualitativen Inhaltsanalyse besteht darin, dass eine problemadäquate Strukturierung bezüglich der Fragestellung geschaffen werden kann. 30 Die gewonnenen empirischen Ergebnisse wurden sukzessive im Laufe der Arbeit eingearbeitet und ergänzen somit die Überlegungen zu den jeweiligen theoretischen Zusammenhängen.
1.4
Aufbau der Arbeit
Um die Herangehensweise an die genannten Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit zu veranschaulichen, wird im Folgenden der Aufbau der Arbeit kurz vorgestellt. In Kapitel 1 werden – nach Darstellung des Problemhintergrunds sowie der Ziele – die methodischen und formalen Grundlagen der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten empirischen Erhebung erläutert. In Kapitel 2 wird die Entscheidungssituation im Marketing beschrieben, die den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit darstellt. Ausgehend von den Grundlagen eines markt- und kundenorientierten Marketings wird insbesondere auf die Verknüpfung
von
Aktions-
und
Informationsseite
im
Rahmen
des
Marketingentscheidungsprozesses abgestellt, um darauf aufbauend zu erläutern, dass
30
Marketinginformationen
eine
wichtige
Entscheidungsbasis
für
das
Vgl. ausführlich zur Dokumentation und Auswertung qualitativer Daten Bähring et al. 2008, S. 101ff.; Naderer 2007b, S. 369ff.; Gläser/Laudel 2004, S. 191ff.
Einleitung
11
Marketingmanagement darstellen. Abschließend wird die Notwendigkeit von Marketing Intelligence zur Verbesserung der Entscheidungsqualität im Marketing begründet. Kapitel
3
widmet
sich
Marketinginformationen.
der
Nachfrage-
Zunächst
erfolgt
und eine
der
Angebotsseite
detaillierte
von
Analyse
der
Entscheidungsseite im Marketing. Ausgehend von grundlegenden Aufgaben des Marketings sowie idealtypischen Ausprägungen von Marketingentscheidungen interessieren insbesondere die jeweils erforderlichen Informationsbedarfe des Marketingmanagements.
Neben
dieser
sachlich-objektiven
Ebene
der
Marketingentscheidung wird in einem weiteren Schritt insbesondere auf die persönlich-subjektive Ebene des Marketingentscheiders abgestellt. Auf Basis einer theoretischen Analyse des Entscheiderverhaltens werden unterschiedliche kognitive Stile und Entscheidertypen charakterisiert. In einem nächsten Abschnitt wird die Angebotsseite von Marketinginformationen – die Datenseite – betrachtet. Nach einer kurzen Abgrenzung relevanter Begrifflichkeiten erfolgt eine detaillierte Analyse des Leistungsspektrums auf der Angebotsseite von Marketinginformationen. Hierzu wird das
vielfältige
Daten-
Zusammenfassend
wird
und
Informationsangebot
dargelegt,
dass
zur
im
Marketing
Schaffung
einer
aufgezeigt. fundierten
Informationsgrundlage für das Marketing vielfältige Daten aus heterogenen Informationsquellen und zu verschiedenen Entscheidungstatbeständen erforderlich sind. Abschließend werden in diesem Kapitel bestehende Diskrepanzen zwischen der Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen dargelegt und aufgrund der sich daraus ergebenden Informations- bzw. Wissenskluft die Notwendigkeit von Marketing Intelligence begründet. Kapitel 4 spannt einen Bezugsrahmen für das Konzept einer Marketing Intelligence auf. Nach einer begrifflichen Präzisierung werden die theoretischen Grundlagen zur Entwicklung
des
Konzepts
von
Marketing
Intelligence
erläutert,
deren
Zusammenführung schließlich in einen Bezugsrahmen für Marketing Intelligence – den Marketing Intelligence-Cycle – mündet. Dieser Bezugsrahmen, der Marketing Intelligence
als
intermediäre
Funktion
zwischen
der
Angebots-
und
der
Nachfrageseite von Marketinginformationen charakterisiert, wird in den folgenden Kapiteln konzeptionell und inhaltlich ausgefüllt. Kapitel 5 beschreibt anhand des Marketing Intelligence-Cycles, der die Daten-, die Informations-
und
die
Wissensebene
umfasst,
Entwicklungsschritte
zur
12
Einleitung
Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing. Auf der Datenebene werden vornehmlich die Definition des Marketingproblems sowie die darauf
aufbauende
Informationsbedarfsanalyse
thematisiert.
Auf
der
Informationsebene finden die Datenintegration sowie die anschließende Analyse der relevanten Marketingdaten statt, wodurch letztendlich Marketing Insights entstehen. Die Wissensebene
greift
schließlich
die
Generierung
und
Verteilung
von
Marketingwissen auf. Insgesamt wird dabei aufgezeigt, dass der Marketing Intelligence-Cycle im Sinne einer Lernspirale zu einer stetigen Verbesserung der Marketingwissensbasis beiträgt. Kapitel 6 widmet sich der Marktforschung – einem der Hauptakteure auf der Angebotsseite von Marketinginformationen. Dabei wird argumentiert, dass der Marktforschung im Sinne von Marketing Intelligence ein erweiterter Aufgabenbereich zukommt. Es wird als grundsätzliche Aufgabe der Marktforschung gesehen, den Prozess von Marketing Intelligence zu koordinieren und zu steuern. Dies hat auch Auswirkungen auf den Marktforscher selbst, von dem neue Fähigkeiten und Kompetenzen verlangt werden. Zentraler Gedanke dieses Kapitels ist deshalb die Notwendigkeit eines Selbstverständnis- und Imagewechsels der Marktforschung bzw. des Marktforschers zur Sicherstellung einer bedeutsamen Rolle bei der Umsetzung von Marketing Intelligence. Kapitel 7 rundet die Arbeit mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick auf Ansatzpunkte für weitere Forschungsbemühungen ab.
2
Entscheidungssituation im Marketing
Entscheidungssituation im Marketing
Ausgangspunkt der Arbeit ist die Entscheidungssituation im Marketing. Einleitend werden grundlegende Aspekte eines markt- und kundenorientierten Marketings beschrieben, um im Anschluss auf die enge Verknüpfung von Aktions- und Informationsseite im Rahmen des Marketingentscheidungsprozesses einzugehen. Damit
wird
verdeutlicht,
dass
Marketinginformationen
eine
wesentliche
Entscheidungsgrundlage für das Marketingmanagement darstellen. Vor diesem Hintergrund wird abschließend die Notwendigkeit der Entscheidungsunterstützung durch
Marketing
Intelligence
begründet,
um
die
Qualität
von
Marketingentscheidungen verbessern zu können.
2.1
Marketing als markt- und kundenorientiertes Entscheidungsverhalten
Die Begriffsabgrenzungen von „Marketing“ sind äußerst vielschichtig und divergent – es ist jedoch auch illusorisch anzunehmen, dass sich in Literatur und Praxis jemals eine
einheitliche,
allgemeingültige
Definition
durchsetzen
wird. 31
Nach
vorherrschender Ansicht ist Marketing „die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der Unternehmung“32. Im Sinne dieser ganzheitlichen Interpretation ist Marketing als marktorientierte Unternehmensführung aufzufassen und kann dabei als ein duales Führungskonzept verstanden werden. Einerseits wird dem Marketing die Rolle einer gleichberechtigten
Unternehmensfunktion
im
Sinne
eines
institutionalisierten
Marketingbereichs zugestanden; andererseits ist Marketing auch als Leitkonzept des Managements zu verstehen, das eine marktorientierte Koordination sämtlicher Unternehmensaktivitäten sicherstellt und somit eine dauerhafte Befriedigung von Kundenbedürfnissen
unter
Schaffung
komparativer
Wettbewerbsvorteile
gewährleistet.33 Marketing ist somit als eine Form der Unternehmensführung zu
31
Vgl. hierzu beispielsweise Backhaus 1999, S. 7ff.
32
Meffert 2000, S. 8 sowie ähnlich Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 10.
33
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 13f.; Kotler/Bliemel 2006, S. 37f.; Homburg/Krohmer 2006, S. 10; Bruhn 2004, S. 14ff. Dieses Marketingverständnis im Sinne eines dualen Führungskonzepts kommt auch in der Definition der American Marketing Association (AMA) zum Ausdruck: „Marketing is the activity, set of institutions, and processes for creating, communicating, delivering, and exchanging offerings that have value for customers, clients, partners, and society at large” (American Marketing Association 2007).
14
Entscheidungssituation im Marketing
charakterisieren, die sich am Markt, insbesondere an den Kunden und deren Bedürfnissen, sowie an der Konkurrenz orientiert. Grundsätzlich kann Marketing sowohl im institutionellen als auch im funktionalen Sinne verstanden werden: Marketing in institutioneller Hinsicht betrifft die Marketingorganisation34 und umfasst damit alle Stellen/Positionen im Unternehmen, die bei Marketingentscheidungen beteiligt sind; Marketing in funktionaler Hinsicht betrifft die Inhalte und damit die Tätigkeiten des Marketingmanagements. „Marketing managers typically play a lead role in this task through their responsibility to interpret the environment and make the crucial choices of which customers to serve, competitors to challenge, and products and services to offer.“ 35 Gerade die erforderliche
Orientierung
am
Markt
erhöht
die
Komplexität
der
Marketingentscheidung, denn neben der Beachtung von unternehmensbezogenen Gegebenheiten ist hier zudem eine Ausrichtung auf den Markt nötig. 36 Die Aufgabenbereiche des Marketingmanagements lassen sich daher differenzieren in unternehmensbezogene, marktbezogene sowie gesellschafts- und umweltbezogene Aufgaben; diese sind im Rahmen eines integrierten Marketingkonzeptes parallel zu berücksichtigen. Die konkrete Akzentuierung der jeweiligen Aufgaben ist allerdings abhängig vom individuellen Unternehmenstyp und von der Unternehmenssituation. 37 Grundsätzlich erfordert die Verwirklichung von Unternehmens- und Marketingzielen eine konsequente Ausrichtung sämtlicher Aktivitäten eines Unternehmens an den Bedürfnissen der Kunden und am Markt.38 Die Kunden- bzw. Marktorientierung steht daher bei vielen Unternehmen am Anfang eines jeden Wertschöpfungsprozesses und zieht sich systematisch durch die gesamte Wertkette. So beginnt beispielsweise der Innovationsprozess idealtypisch mit der Beobachtung von Kundenbedürfnissen sowie der Sammlung innovationsrelevanter Marktinformationen. Auch die weiteren Phasen der Ideengewinnung und -selektion über die Entwicklung einer Produkt- und Vermarktungskonzeption bis hin zur Einführung auf dem Markt erfordern eine
34
Siehe hierzu ausführlich Roleff 2001, S. 23ff.
35
White/Varadarajan/Dacin 2003, S. 63, zitiert nach Day 1984.
36
Vgl. Meffert 2000, S. 57.
37
Vgl. Meffert 2000, S. 11ff.
38
Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 14f.; Esch/Herrmann/Sattler 2006, S. 3f.
Entscheidungssituation im Marketing
15
konsequente Berücksichtigung der Erwartungen des Absatzmarktes, um eine größtmögliche Kunden- und Marktorientierung sicherzustellen. 39 An kundengerichteten Wertschöpfungsprozessen des Marketings sind in der Regel zahlreiche Individuen aus verschiedenen Abteilungen beteiligt. Ein reibungsloser Ablauf ist nur möglich, wenn die einzelnen Aktivitäten zwischen den verschiedenen Abteilungen aufeinander abgestimmt sind. 40 Viele Unternehmen bedienen sich daher eines konsequenten Prozessmanagements, das darauf abzielt, durchgängige kundenbezogene Prozesse zu institutionalisieren und zu managen. Auch im Marketing ist eine stärkere Prozessorientierung erforderlich, die eine Ausrichtung aller Marketingaktivitäten und -entscheidungen auf den Markt erforderlich macht. 41 Eine
zielgerichtete
Umsetzung
eines
markt-
und
kundenorientierten
Entscheidungsverhaltens im Marketing ist jedoch nur zu gewährleisten, wenn dem Marketingmanagement als Entscheidungsgrundlage
entsprechende Marketing-
informationen zur Verfügung stehen.
2.2
Marketinginformationen als Entscheidungsgrundlage
Um schließlich markt- und kundenorientiert handeln zu können, benötigen Entscheidungsträger im Marketing zur Erledigung ihrer Aufgaben in der Regel umfassende Informationen. Sie müssen ständig aktuelle Informationen über Entwicklungen im Unternehmensumfeld berücksichtigen, immer flexibler auf Umfeldänderungen reagieren und demzufolge Entscheidungen in immer kürzerer Zeit fällen. Für Marketingmanager ist es daher wichtig, immer schneller an Informationen zu kommen. Daneben ist jedoch auch die Qualität der Informationen von Bedeutung. Entscheider im Marketing fordern zudem immer aussagekräftigere Informationen, die speziell auf ihre Frage- bzw. Problemstellung zugeschnitten sind. Das Marketingmanagement benötigt solche fundierten, tatsächlich entscheidungsrelevanten Marketinginformationen einerseits zur Unterstützung der Entscheidungs-
39
Vgl. hierzu beispielsweise Rath 2008, S. 30; Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 413ff.; Homburg/Krohmer 2006, S. 570ff.; Betz 2003, S. 111.
40
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 15; Narver/Slater 1990, S. 22.
41
Vgl. Diller/Ivens 2006a, S. 5f.; Diller/Ivens 2006b; Diller/Haas/Ivens 2005, S. 52f.
16
Entscheidungssituation im Marketing
findung
und
andererseits
zur
Absicherung
von
bereits
getroffenen
Marketingentscheidungen. 42 Diese Ausführungen verdeutlichen die enge Verknüpfung zwischen der Informationsund der Aktionsseite im Rahmen des Entscheidungsprozesses im Marketing. Marketingentscheidungen sind somit als „systematischer Prozess der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen“ 43 zu verstehen. Damit kommt zum Ausdruck, dass
die
Informationsbedarfe
Entscheidungsprozessen
eines
beeinflusst
Marketingentscheiders
werden.
Zum
einen
von
den
variiert
der
Informationsbedarf des Marketingmanagements je nach Art der zu treffenden Marketingentscheidung.
So
sind
bei
strategischen
Entscheidungen
eher
Informationen erforderlich, die eine Auswahl attraktiver strategischer Geschäftsfelder sowie die Aufstellung von Marketingzielen (Absatz, Marktanteil, Image etc.) ermöglichen. Für operative Routineentscheidungen, die primär die Ausgestaltung und Kombination von Marketing-Mix-Instrumenten betreffen, sind vorwiegend detaillierte Marketinginformationen über Wirkungen und Interdependenzen der einzelnen
Marketingmaßnahmen
erforderlich.44
Zum
anderen
ist
der
Informationsbedarf von der Phase des Marketingentscheidungsprozesses abhängig, in
der
sich
ein
Marketingentscheider
jeweils
befindet.
Zu
Beginn
des
Entscheidungsprozesses werden umfassende Informationen sowohl über die Unternehmensumwelt als auch über unternehmensinterne Sachverhalte benötigt, um eine spezifische Problem- bzw. Fragestellung analysieren sowie darauf aufbauend beispielsweise für ein neu einzuführendes Produkt wahrscheinliche Absatz- und Marktentwicklungen prognostizieren zu können. Nach den Phasen der Detailplanung und
Umsetzung
bestimmte
der
gewählten
Informationen
aus
Marketingmaßnahmen, Konsumentensicht
wofür
insbesondere
(beispielsweise
über
Preisbereitschaft, Produktakzeptanz, Kommunikationswirkung etc.) erforderlich sind, gilt es, in der Kontrollphase fortlaufend im Rahmen von Abweichungs- und Ursachenanalysen die Zielerreichung anhand von Umsatz- und Absatzgrößen, mengen- und wertmäßigem Marktanteil etc. zu überwachen. 45 Obgleich sich der Bedarf an Marketinginformationen nur fallbezogen in Bezug auf eine spezifische Entscheidungssituation konkretisieren lässt, ist dennoch offen42
Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 387.
43
Vgl. Meffert 1992, S. 5.
44
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.1.1.2.
45
Vgl. Meffert 1992, S. 5f.
Entscheidungssituation im Marketing
17
kundig, dass das Marketingmanagement generell zur Entscheidungsfindung eine Vielzahl heterogener Informationen, die sowohl aus unternehmensinternen als auch aus unternehmensexternen Quellen stammen, benötigt. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass Marketinginformationen als wesentliche, wenn nicht sogar wichtigste Entscheidungsgrundlage für das Marketingmanagement zu bezeichnen ist.
2.3
Verbesserung der Entscheidungsqualität im Marketing durch Marketing Intelligence
In den vorhergehenden Ausführungen wurde bereits kurz angesprochen, dass die Tätigkeit des Marketingmanagements und damit letztendlich auch die Entscheidungsfindung als Prozess46 aufzufassen sind. Daher wird in der vorliegenden Arbeit in Abgrenzung zur entschlussorientierten Betrachtungsperspektive eine prozessorientierte Sichtweise der Marketingentscheidung eingenommen. Bei dieser Sichtweise rücken der gesamte Entscheidungsprozess und somit auch die vor dem finalen Entschluss liegenden Vorgänge in den Mittelpunkt der Betrachtung. 47 Mit „Marketingentscheidung“ – egal ob dies eine strategische Grundsatzentscheidung oder eine operativ geprägte Routineentscheidung betrifft – wird hierbei das Resultat des gesamten Marketingentscheidungsprozesses bezeichnet. Um Marketingentscheidungen schließlich bewerten und eine Differenzierung in „bessere“ und „schlechtere“ Entscheidungen vornehmen zu können, wird ein Vergleichsmaßstab zur Beurteilung ihrer Güte benötigt. In diesem Zusammenhang wird in der Regel das Gütekriterium der „Qualität“ herangezogen, womit im betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch ganz generell der Beitrag zur Zielerreichung bzw. Zweckerfüllung verstanden wird. 48 „Qualität“ ist demnach ein sehr allgemeines
46
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.1.1.1.
47
Vgl. Martin 1998, S. 60. In der einschlägigen Literatur dominiert die inhaltliche Gleichstellung der Begriffe Entscheidung und Entscheidungsprozess (vgl. hierzu beispielsweise Witte 1992, Sp. 552f.; Simon 1981, S. 16; Bronner 1980, S. 9ff.; Kirsch 1977, S. 70ff.). Im Gegensatz zu prozessorientierten Ansätzen werden entschlussorientierte Ansätze als geschlossene Modelle bezeichnet, da sie sich auf den Beschluss, das heißt auf den Akt der Auswahl zwischen Handlungsalternativen, beschränken. Vorgelagerte Prozesse, wie beispielsweise das Heranziehen oder auch die Verarbeitung von Daten und Informationen, hingegen bleiben ausgeblendet (siehe hierzu Laux/Liermann 2003, S. 2; Hammann 1994, S. 9; Witte 1992, Sp. 552 sowie Mag 1969, S. 31).
48
Vgl. ausführlich Cramme 2005, S. 42.
18
Entscheidungssituation im Marketing
Konstrukt; die Bewertung von Marketingentscheidungen erfordert hingegen gerade auch aufgrund ihrer Komplexität ein differenzierteres Vorgehen. Für die Beurteilung von Entscheidungen bzw. Entscheidungsprozessen im Marketing kann man auf konkreterer Ebene die betriebswirtschaftlichen Zielkategorien der Effektivität und Effizienz heranziehen. 49 Diese beiden Kriterien bieten sich hier als Teilaspekte der Entscheidungsqualität im Marketing an. Effektivität wird als Maßgröße für den Grad der Zielerreichung (Output) verwendet; sie gibt an, inwiefern das Ergebnis einer Handlung die festgelegten bzw. vorgegebenen Erwartungen erfüllt. Die Effektivität ist damit auch für die Beurteilung von Maßnahmen zur Erreichung gegebener Ziele geeignet. Effizienz hingegen wird als Maßgröße für Wirtschaftlichkeit angesehen und spiegelt das Verhältnis von Input und Output (Input-Output-Relation) wieder. Zur Berechnung der Effizienz einer Aktivität findet ein Vergleich zwischen Zielerreichung und den hierfür eingesetzten Mitteln statt.50 Mit Drucker plakativ formuliert: Effektivität heißt „doing the right things“, Effizienz heißt „doing the things right“.51 Effektivität verkörpert somit die Wirksamkeit von Handlungen und Aktivitäten vor dem Hintergrund der ex ante formulierten Ziele und Erwartungen; Effizienz hingegen ist auf den Faktoreinsatz fokussiert, der zur Erreichung der Ziele und Erwartungen benötigt wurde. Überträgt man die beiden Maßgrößen Effektivität und Effizienz als Teilaspekte der Entscheidungsqualität auf die Entscheidungssituation im Marketing, so kann eine Marketingentscheidung beispielsweise effektiv sein, wenn auf Basis der vorliegenden Daten und Informationen eine Produktmodifikation vorgenommen wurde, die schließlich zur angestrebten Absatzsteigerung des betreffenden Produkts führt. Effizient ist eine Marketingentscheidung, wenn der eingesetzte Mitteleinsatz in günstiger Relation zu dieser Absatzsteigerung steht. So können unnötig hohe Kosten (zum Beispiel mehrfache Durchführung identischer (Marktforschungs-)Studien) oder auch fehlerhafte Aktivitäten im Rahmen des Entscheidungsprozesses (zum Beispiel falsche Interpretation vorliegender Informationen) die Effizienz einer Entscheidung reduzieren. Des Weiteren ist der zeitliche Aspekt zu berücksichtigen: die Effizienz der Marketingentscheidung sinkt, wenn sie lediglich durch unzählige Meetings und langwierige Abstimmungsrunden beispielsweise zwischen Marketing und Vertrieb 49
Vgl. Diller/Ivens 2006a, S. 5; Diller/Ivens 2006b, S. 23f.; Bauer/Stockburger/Hammerschmidt 2006, S. 22ff.; Diller/Haas/Ivens 2005, S. 58ff.
50
Vgl. Cramme 2005, S. 43 und die dort angegebene Literatur.
51
Vgl. Drucker 1974, S. 45 sowie Drucker 2006, S. 96.
Entscheidungssituation im Marketing
19
oder auch mit der Marktforschungsabteilung realisiert wurde. Der Output der Marketingentscheidung,
in
diesem
Beispiel
eine
Erlössteigerung
durch
Mehrverkäufe, würde somit aufgrund zusätzlicher Kosten und eines erhöhten Zeitaufwands geschmälert werden. Bei sämtlichen Handlungen im Marketing, wie zum Beispiel bei der Modifikation eines Produkts, wird zuvor in der Regel eine Abfolge bestimmter Tätigkeiten durchlaufen. Häufig ist am Prozess der Entscheidungsfindung zudem eine Vielzahl von Akteuren beteiligt. Der Entscheidungsverantwortliche (gegebenenfalls der Marketingmanager) muss oftmals, um zu einer fundierten Entscheidung zu gelangen, sowohl mit internen als auch mit externen Akteuren zusammenarbeiten bzw. ist auf deren
Arbeit
und
Know-how
angewiesen.
Regelmäßig
wiederkehrende
Entscheidungen, wie es häufig auf operativer Ebene der Fall ist, erfordern meist keine enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren; der Entscheider greift lediglich auf problemrelevante Informationen aus anderen Bereichen bzw. Abteilungen zu und berücksichtigt diese bei seiner Entscheidungsfindung. Denkbar ist beispielsweise, dass der Marketingentscheider bestimmte Kundendaten vom Vertrieb (wie soziodemographische Merkmale, Kaufhäufigkeit, Beschwerdeverhalten eines Kunden etc.) oder auch unternehmensexterne Daten aus der Marktforschung (wie Marktpotenziale, Marktsegmentierungen etc.) benötigt. Trotz der enormen Datenflut, die in heutigen Unternehmen meist vorherrscht, sieht sich der Marketingentscheider in einer Vielzahl von Entscheidungssituationen jedoch auch unvollkommenen Informationen gegenüber. Zudem können in der Regel aufgrund seiner begrenzten Informationsverarbeitungskapazität nicht alle möglichen, potenziell entscheidungsrelevanten Daten Berücksichtigung finden. Kurz gesagt: „The inability to use information effectively is the Archilles’ heel of many decision-making processes.”52 Auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen sehen sich Marketingmanager mit immer komplexeren Entscheidungen konfrontiert, die sie häufig in immer kürzerer Zeit fällen müssen. Für Marketingmanager ist es daher wichtig, immer schneller aktuelle, entscheidungsrelevante Informationen heranziehen zu können. Im Gegenzug steigt auf der Angebotsseite von Marketinginformationen die Fülle von Marketingdaten permanent an. Neben Marktforschungsdaten
stehen
Kunden-,
Wettbewerbs-
und
Branchendaten,
Vertriebsdaten sowie Daten aus dem Controlling zur Verfügung. Diese Vielzahl an 52
Smith/Fletcher 2001, S. 220.
20
Entscheidungssituation im Marketing
Daten hat der Marketingentscheider alle auf sein Entscheidungsproblem zu beziehen. Eine verbesserte Entscheidungshilfe für die komplexer gewordenen Marketingentscheidungen scheint diese Datenflut jedoch nicht zu bringen. Vielmehr stellt es für Marketingentscheider eine immer größere Herausforderung dar, fundierte Entscheidungen zu treffen: er muss aus den verfügbaren (Einzel-)Daten die tatsächlich relevanten Informationen selektieren, diese problembezogen integrieren sowie
darauf
bestehende
basierend
Kluft
aussagekräftige
zwischen
der
Schlussfolgerungen
Nachfrage-
und
der
ziehen.
Angebotsseite
Diese von
Marketinginformationen kann sogar insgesamt zu einer Verschlechterung der Qualität von Marketingentscheidungen führen. Vor diesem Hintergrund hat sich im Marketing das Bedürfnis nach Selektion und Integration problemrelevanter Informationen sowie insbesondere nach einer besseren Entscheider- und Entscheidungsunterstützung verstärkt. Fraglich ist jedoch,
ob
der
Entscheidungsprozess
im
Marketing
ohne
ein
bewusstes
Management effektiv und effizient ablaufen kann. Genau an dieser Stelle setzt Marketing Intelligence an, die eine bessere Verknüpfung von Nachfrage- und Angebotsseite im Marketing postuliert. Sicherlich äußern die Marketingentscheider ihren Daten- bzw. Informationsbedarf und ebenso selbstverständlich werden diese von der Datenseite – sei es von unternehmensinternen Akteuren (wie etwa dem Vertrieb oder der betrieblichen Marktforschung) oder auch von externen Anbietern (wie etwa der institutionellen Marktforschung) – gedeckt; selten jedoch ist hierbei ein systematisches Vorgehen erkennbar. Genau dieses systematische Vorgehen ist Gegenstand von Marketing Intelligence. Der Fokus soll hierbei primär auf der inhaltlichen Ausgestaltung einer Marketing Intelligence liegen, damit eine Integration von Informationen in den Marketingentscheidungsprozess erfolgt. Erst wenn das „Zusammenspiel“ zwischen der Entscheidungs- und der Datenseite im Marketing, das sowohl den bloßen Austausch von Informationen als auch die Zusammenarbeit verschiedener
Akteure
betreffen
kann,
funktioniert,
ist
es
möglich,
Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung durch die Generierung von entscheidungsrelevantem Marketingwissen zu unterstützen; erst auf Grundlage von Marketingwissen
gelangen
erfolgsversprechenden
Entscheidungsträger
Marketingentscheidung.
Durch
zu die
einer
fundierten,
Entscheider-
und
Entscheidungsunterstützung mit Marketingwissen kann Marketing Intelligence schließlich auch dazu beitragen, die Entscheidungsqualität im Marketing zu verbessern.
3
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
3.1
Der
Entscheidungstheoretische Analyse der Nachfrageseite von Marketinginformationen – Die Entscheidungsseite im Marketing nachfolgende
Abschnitt
beleuchtet
die
Nachfrageseite
von
Marketinginformationen, die Entscheidungsseite im Marketing. Zunächst werden spezifische Tätigkeiten des Marketingmanagements betrachtet. Um diese näher konkretisieren sowie insbesondere die hierfür benötigten Marketinginformationen strukturieren zu können, erscheint ihre Untergliederung in einzelne Phasen sowie Einteilung in idealtypische Ausprägungen von Marketingentscheidungen sinnvoll. Insgesamt kann auf diese Weise ein Rahmen zur inhaltlichen Analyse der Informationsbedarfe im Marketing entsprechend des jeweiligen Entscheidungstatbestands geschaffen werden. Neben dieser eher sachlich-objektiven Ebene ist auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen auch die subjektiv-persönliche Ebene des im Marketing tätigen Entscheidungsträgers, des Marketingentscheiders, von Bedeutung. Einleitend wird zunächst auf entscheidungstheoretische Grundlagen eingegangen, um darauf aufbauend das Entscheidungsverhalten von Marketingmanagern
zu untersuchen und
deren charakteristisches Informations-
und
Problemlösungsverhalten aufzuzeigen. 3.1.1 Objektiv-sachliche Ebene 3.1.1.1 Aufgaben des Marketingmanagements Vor dem Hintergrund eines prozessorientierten Marketings 53 erfordern in inhaltlicher Hinsicht sämtliche Aktivitäten und Aufgaben des Marketings eine Planung und Festlegung der Ziele, konkrete Handlungsprogramme für deren Umsetzung sowie entsprechende Kontrollmaßnahmen zur Ziel- und Maßnahmenanpassung. Die Tätigkeit des Marketingmanagements ist als systematischer, marktorientierter Prozess der Entscheidungsfindung – als Managementprozess – anzusehen. Marketingmanagement
ist
folglich
ein
institutionalisierter
„Planungs-
und
Durchführungsprozess [sowie Kontrollprozess] der Konzipierung, Preisfindung, Förderung
53
und
Verbreitung
Siehe hierzu Abschnitt 2.1.
von
Ideen,
Waren
und
Dienstleistungen,
um
22
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Austauschprozesse zur Zufriedenstellung individueller und organisationeller Ziele herbeizuführen“54. Ausgangspunkt des Marketingmanagement-Prozesses ist die Analyse der internen und externen Umwelt. Nach Festlegung der Rahmenbedingungen geht es in der Planungsphase
darum,
Marketingziele
zu
definieren
und
Maßnahmen
zur
Zielerreichung auszuwählen. Hierbei lassen sich drei Ebenen der Planung differenzieren, die sich auf unterschiedliche Objekte beziehen und somit jeweils durch
spezifische
Entscheidungen
gekennzeichnet
sind:
die
strategische
Unternehmensplanung, die strategische Marketingplanung und die operative Marketingplanung. 55 Im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung gilt es, das Selbstverständnis des Unternehmens, das seinen Ausdruck in der Mission und den grundlegenden Zielen des Unternehmens findet, festzulegen. Auch die Definition der strategischen Geschäftsfelder sowie die damit verbundene Abgrenzung der für das Unternehmen relevanten Märkte erfolgt auf dieser Planungsebene. Derartige Entscheidungen determinieren
neben
der
Unternehmensidentität
insbesondere
allgemeine
Grundsätze und setzen somit einen Rahmen, innerhalb dessen die einzelnen Unternehmensbereiche agieren können. Sie beziehen sich folglich auf das Objekt Gesamtunternehmen und werden von der obersten Führungsebene, in der Regel von der Unternehmensleitung, getroffen. Bei der strategischen Marketingplanung geht es vorrangig um die Formulierung marktorientierter Strategien und Ziele (externe Ausrichtung) sowie um die Festsetzung
des
notwendigen
Marketingbudgets
(interne
Ausrichtung).
Die
strategischen Geschäftsfelder bzw. Geschäftseinheiten sollen so gestaltet bzw. umgestaltet werden, dass sie einen langfristig gültigen Handlungsrahmen schaffen, in dem sich einzelne, konkrete Handlungen im Marketing abspielen können. Die strategische Marketingplanung wird in größeren Unternehmen in der Regel durch die Sparten- und Geschäftsbereichsleitung vollzogen. Nachdem der strategische Marketingplan ausgearbeitet ist, werden im Rahmen des operativen Marketingmanagements Maßnahmenprogramme für die praktische 54
Kotler/Bliemel 2006, S. 25.
55
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 20ff.; Kotler/Bliemel 2006, S. 107ff. sowie Meffert 1994, S. 24ff.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
23
Umsetzung der Strategien und Marketingziele entwickelt. Hierbei wird hauptsächlich über konkrete Handlungen im Markt oder Unternehmen entschieden. Nachdem das Marketingbudget fixiert ist, muss festgesetzt werden, wie dieses auf die einzelnen Instrumente des Marketing-Mixes56 verteilt werden soll. Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung des Marketing-Mixes für einzelne Produkte bzw. Produktgruppen steht somit im Mittelpunkt der operativen Marketingplanung. Als Entscheidungsträger der operativen Marketingplanung kommen Marketingmitarbeiter der mittleren und unteren Managementebene, insbesondere das Produktmanagement, in Betracht. Bereits in der Planungsphase des Marketingentscheidungsprozesses – sei es auf strategischer oder auf operativer Ebene – ist eine Fülle an Informationen erforderlich, um das Problem zunächst zu erkennen und schließlich analysieren zu können. Grundsätzlich bedarf es hierzu neben Informationen zu unternehmensinternen Sachverhalten und Gegebenheiten (zum Beispiel interne Kostenkalkulationen, Bestandsplanungen etc.) auch einer Vielzahl an externen Informationen über die Unternehmensumwelt. Unternehmensexterne Informationen lassen sich in Datenund
Instrumentalinformationen
kategorisieren: 57
Dateninformationen
dienen
insbesondere der Analyse und Beschreibung der Unternehmensumwelt. Hierfür werden hauptsächlich wirtschaftliche Informationen über gesamtwirtschaftliche Größen sowie die Branchen- und Marktentwicklungen benötigt. Darüber hinaus beinhalten Dateninformationen auch rechtliche und gesellschaftliche Aspekte. Instrumentalinformationen
hingegen
erfassen
die
Wirkung
spezifischer
Entscheidungen bzw. Maßnahmen des Marketings; zum einen legen solche Informationen die Reaktionen des eigenen Unternehmens auf Aktivitäten der Umwelt dar (wie zum Beispiel Reaktionsinformationen in Bezug auf Maßnahmen der Konkurrenz oder des Handels) und zum anderen handelt es sich um Informationen, welche die Umweltreaktionen auf die vom Unternehmen selbst durchgeführten marketingpolitischen Maßnahmen aufzeigen (beispielsweise Informationen über Abnehmer- oder Konkurrenzreaktionen). Nachdem das bestehende Marketingproblem bzw. die vorliegende Fragestellung auf Basis unternehmensinterner und -externer Informationen analysiert wurde, gilt es im Anschluss an die Planungsphase, die Marketingpläne zu verwirklichen. Die Phase 56
Nach Kotler/Bliemel ist der Marketing-Mix „eine Kombination aus den Marketinginstrumentarien, die das Unternehmen zur Erreichung seiner Marketingziele auf dem Zielmarkt einsetzt“ (Kotler/Bliemel 2006, S. 149).
57
Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 22f.; Altobelli 2007, S. 3.
24
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
der Steuerung dient der Umsetzung bzw. Durchführung dieser Marketingpläne. Hierzu werden beispielsweise für die Koordination von Marketingmaßnahmen Informationen über deren Einsetzbarkeit und Wirkung benötigt. In der letzten Phase, der Kontrollphase, werden die Ergebnisse abschließend überprüft und bewertet. Es wird festgestellt, ob der geplante Erfolg eingetreten ist bzw. ob neue Maßnahmen notwendig sind, um erforderliche Korrekturen vornehmen zu können. Für die Kontrollphase sind Informationen über die geplanten (Soll-Werte) und erzielten Ergebnisse (Ist-Werte) erforderlich. Vielfach handelt es sich hierbei um Kennzahlen, wie beispielsweise Umsätze nach Kundensegmenten oder Produktgruppen. Um abschließend eine Ursachenforschung für mögliche Abweichungen durchführen zu können, bedarf es daher detaillierter Informationen über mögliche Ursachen von SollIst-Abweichungen. 58 „Der Marketingprozess besteht [folglich] aus der Analyse von Marketingchancen, der Ermittlung und Auswahl von Zielmärkten [(= strategische Unternehmensplanung)], der Erarbeitung von Marketingstrategien [(= strategische Marketingplanung)], der Planung des taktischen Vorgehens mit Marketingprogrammen [(= operative Marketingplanung)] sowie der Organisation, Durchführung und Steuerung [sowie Kontrolle] der Marketingaktivitäten.“59 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass Marketingmanagement als Prozess der Planung, Durchführung und Kontrolle zu verstehen ist. Diese Struktur beschreibt sicherlich einen idealtypischen Prozess, der nicht zwingend in dieser Form durchlaufen werden muss. Diese idealtypische Betrachtung
lässt
allerdings
deutlich
erkennen,
dass
es
sich
bei
dem
Managementprozess im Marketing um einen Entscheidungsprozess handelt. In dessen
Mittelpunkt
Marketingmanager Marktpositionierung,
stehen im
verschiedenartige
Rahmen
der
Produktentwicklung
Entscheidungen:
Marketingplanung und
-gestaltung,
über
So
hat
der
Zielmärkte,
Distributionskanäle,
Preisgestaltung oder auch Fragestellungen bezüglich der Kommunikationspolitik zu entscheiden.
58
Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 24.
59
Kotler/Bliemel 2006, S. 146.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
25
3.1.1.2 Idealtypische Ausprägungen von Marketingentscheidungen Neben einer Analyse der Tätigkeiten und Aufgaben im Marketingmanagementprozess ist eine Differenzierung typischer Entscheidungstatbestände sinnvoll. Hierzu erfolgt eine Unterteilung im Hinblick auf die Fragestellung, ob eine Entscheidung eher strategisch oder eher routiniert und fortlaufend ist. Allerdings gilt, dass „the nature of decision [...] multifaced and continually variable“ 60 ist. Eine eindeutige Klassifizierung ist daher aufgrund der Vielfältigkeit bzw. Vielschichtigkeit sowie der Dynamik von Entscheidungen nur begrenzt möglich. Dennoch werden in dieser Arbeit
anhand
exemplarischer
Veranschaulichungen
strategisch
geprägte
Entscheidungen und operativ geprägte Routineentscheidungen als idealtypische Ausprägungen von Marketingentscheidungen voneinander abgrenzt.
3.1.1.2.1 Strategisch geprägte Marketingentscheidungen Strategisch geprägte Entscheidungen betreffen die langfristige Ausrichtung einer Unternehmung und sind daher losgelöst vom operativen Tagesgeschäft zu betrachten. Es handelt sich hierbei um mittel- bis langfristig ausgerichtete Grundsatzentscheidungen, die einen Orientierungsrahmen für alle nachgeordneten Entscheidungen darstellen. 61 Der Fokus strategischer Entscheidungen liegt häufig auf der Entwicklung von neuen Produkten und der Erschließung von neuen Märkten. Die bekannte Produkt-MarktMatrix von Ansoff (Abbildung 1) liefert Hinweise für strategische Stoßrichtungen eines Unternehmens.
60
Ansoff 1988, S. 3.
61
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 21f.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 176.
26
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Märkte
Gegenwärtig
Neu
Gegenwärtig
Marktdurchdringungsstrategie
Marktentwicklungsstrategie
Neu
Produktentwicklungsstrategie
Diversifikationsstrategie
Produkte
Abbildung 1: Quelle:
Alternative strategische Stoßrichtungen (Produkt-Markt-Matrix) Ansoff 1966.
Die Wachstumsvektoren zeigen an, in welche Richtungen sich das Unternehmen von seinem derzeitigen strategischen Ausgangspunkt aus bewegen kann. Als solcher wird Wachstum mit bestehenden Produkten in bereits bearbeiteten Märkten angesehen. Ziel dieser Strategie der Marktdurchdringung ist es, im gegenwärtigen Markt
mit
bestehenden
Produkten
weitere
Abnehmer
zu
finden.
Die
Marktentwicklungsstrategie impliziert, die im Unternehmen existierenden Produkte neuen Zielgruppen und Kundensegmenten anzubieten. Das Gegenstück ist die Strategie der Produktentwicklung, bei der neue Produkte entwickelt und in den herkömmlichen Märkten abgesetzt werden sollen. Die Diversifikationsstrategie bildet die Synthese dieser beiden Dimensionen; hierbei sollen neue Produkte auf neuen Absatzmärkten vermarktet werden. 62 Für das Marketingmanagement verkörpern diese Richtungspfade verschiedene Entscheidungstatbestände. 63
Insbesondere
Entscheidungen
bezüglich
der
langfristigen Marktausrichtung sind für ein Unternehmen essenziell, um die Schaffung und Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen sicherzustellen. Mit der Wahl der strategischen Produkt-Markt-Kombination determiniert das Unternehmen seine richtungsweisenden Aktivitäten; hierin finden alle anderen Entscheidungen ihren Ursprung.64
62
Vgl. Ansoff 1985, S. 98f.
63
Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 188.
64
Vgl. Becker 2002, S. 174; Benkenstein 2001, S. 9ff.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
27
Strategische Entscheidungen bezüglich der Marktentwicklung unterliegen einem äußerst komplexen Entscheidungsprozess. Das Marketingmanagement muss hierbei relevante
Daten
und
Informationen
konsistent
auswerten
und
richtige
Schlussfolgerungen ziehen, um darauf aufbauend im nächsten Schritt eine sinnvolle Marktabgrenzung und die Wahl der zu bearbeitenden Markt- bzw. Kundensegmente vornehmen zu können. Darüber hinaus müssen grundsätzliche Entscheidungen bezüglich Zielsetzung und Vorgehensweise getroffen werden, die in strategischen, langfristig ausgerichteten Marketingzielen resultieren und letztendlich das Konzept für die eigenen unternehmerischen Stoßrichtungen im Markt determinieren. 65 Entscheidungen, welche die Absatzmärkte sowie die generelle Marktentwicklung betreffen, erfordern neben einer Vielzahl an Informationen aus heterogenen Quellen ein enormes Feingefühl für Trends und Veränderungen und sind in hohem Maße risikobehaftet. Häufig steht jedoch nicht die Erschließung von neuen Märkten, sondern eher die Weiterentwicklung des aktuellen Marktes im Vordergrund. Des Weiteren müssen sich Unternehmen stetig mit Entscheidungen bezüglich Entwicklung und Einführung innovativer Produkte beschäftigen. Gerade in der Konsumgüterbranche existiert eine deutliche Produktbezogenheit; das Produkt bildet den Vermarktungsgegenstand eines Markenartikelherstellers und bestimmt damit sämtliche produkt- bzw. produktgruppenbezogenen Aktivitäten. 66 Die strategischen Aufgaben im „Produktmarketing“ umfassen die marktorientierte Konzept- und Produktgestaltung und die damit einhergehende Planung und Festlegung des Vermarktungskonzepts, das insbesondere die strategische Ausgestaltung des Marketing-Mixes – der Preis-, Kommunikations-, Distributions- und Servicepolitik – betrifft.67 Darüber hinaus spielen auch die Innovationsplanung und damit verbundene Entscheidungen im Verlauf des Prozesses der Neuproduktentwicklung eine entscheidende Rolle.68 Für derartige strategische Entscheidungstatbestände ist es notwendig, dass der Marketingmanager über aktuelle Branchen- und Marktentwicklungen sowie generelle Gesellschafts- und Verbrauchertrends informiert ist. Neben Informationen über gesamtwirtschaftliche Kennziffern eines Landes (zum Beispiel die Entwicklung des 65
Vgl. Benkenstein 2001, S. 16ff.
66
Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 579.
67
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 397f.
68
Für eine detaillierte Beschreibung und Analyse der Aufgabenbereiche des Produktmarketings siehe Roleff 2001, S. 31ff.
28
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Bruttoinlandprodukts, das Konsumklima usw.) sind für Entscheidungsträger im Marketing daher detaillierte Brancheninformationen sowie Informationen über entsprechende Marktentwicklungen relevant. Dazu bedarf es zunächst Informationen über aktuelle und potenzielle Kunden, wie beispielsweise die Zahl der Bedarfsträger und
deren
Bedarfsintensität
sowie
Informationen
Zielgruppe(n). Des Weiteren sind für strategische Konkurrenzinformationen
wichtig;
in
diesem
über
die
Kaufkraft
der
Marketingentscheidungen
Zusammenhang
kommt
der
strategischen Wettbewerbsbeobachtung, häufig zusammengefasst unter dem Begriff „Competitve Intelligence“, eine entscheidende Bedeutung zu. 69 Grundsätzlich steht bei
strategischen
Marketingentscheidungen
die
Prognose
von
zukünftigen
Entwicklungen auf Basis solcher Dateninformationen im Vordergrund, um auf diese Weise möglichst frühzeitig potenzielle Chancen und Risiken für das Unternehmen erkennen und möglichst rechtzeitig auf Gesellschaftstrends bzw. Änderungen im Verhalten der relevanten Zielgruppe(n) reagieren zu können. 70 Strategische Marketingentscheidungen bestimmen maßgeblich die grundsätzliche Richtung der Entwicklung im Marketing. Sie determinieren die externe und interne Ausrichtung des Unternehmens, also dessen Position im Markt sowie die Ausgestaltung seiner Ressourcenbasis mit dem Ziel, Wettbewerbsvorteile zu erlangen und auf diese Weise den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu sichern.71 Derartig strategisch geprägte Marketingentscheidungen werden in der Konsumgüterindustrie, gerade bei größeren Unternehmen, vorwiegend von der Marketingleitung getroffen.
3.1.1.2.2 Operativ geprägte Routineentscheidungen im Marketing Operativ geprägte Routineentscheidungen sind von operativen Ebenen des Marketingmanagements eher kurzfristig und fortlaufend zu treffen. Hier geht es hauptsächlich um die konkrete Gestaltung und Umsetzung des „Marketing-Mixes“ für einzelne Produkte bzw. Produktgruppen vor dem Hintergrund der festgelegten Marketingstrategie; im Fokus stehen hierbei die auf McCarthy zurückgehenden so genannten „4 Ps“ – das Produkt (product), die Distribution (place), der Preis (price) 69
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2.3.
70
Vgl. für eine mögliche Kategorisierung der Informationsbereiche Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 23.
71
Vgl. Hungenberg 2001, S. 4ff.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
29
und die Kommunikation (promotion). 72 Ihre konkrete Umsetzung finden diese im Rahmen von Produkt-, Distributions-, Preis- sowie Kommunikationspolitik. Auch für eine effektive und effiziente Gestaltung des Marketing-Mixes benötigt der Marketingentscheider
je
nach
Entscheidungstatbestand
die
entsprechenden
Marketinginformationen. Für die Produktpolitik, welche sämtliche Entscheidungen im Hinblick auf das gegenwärtige und zukünftige Produktangebot eines Unternehmens umfasst, interessieren den Marketingentscheider in der Regel, wie Innovationen bzw. Produktmodifikationen bei den Verbrauchern ankommen und wie sie von ihnen beurteilt werden. Die Vertriebspolitik bezieht sich auf marktgerichtete akquisitorische sowie
vertriebslogistische
Aktivitäten;
so
werden
beispielsweise
bei
der
Implementierung eines neuen Vertriebskanals (zum Beispiel Online-Vertrieb) Informationen von Bedeutung sein, die unter anderem erfassen, wie dieser von den Konsumenten angenommen wird und welche Auswirkungen sich dadurch auf die übrigen, bereits bestehenden Distributionskanäle ergeben. Die Preispolitik betrifft alle Entscheidungen über das vom Kunden zu entrichtende Entgelt des Leitungsangebots; hierbei interessieren den Marketingentscheider beispielsweise die Preisbereitschaft und damit verbunden die Preis-Absatz-Funktionen verschiedener Kunden- bzw. Zielgruppen. Derartige Informationen ermöglichen ihm, die Wirkung von
Preisänderungen
zu
prognostizieren
und
letztendlich
einen
möglichst
gewinnoptimalen Preis festzulegen. Operative Entscheidungen bezüglich der Kommunikationspolitik umfassen sämtliche Maßnahmen des Unternehmens, die zur Steuerung von Meinungen, Einstellungen oder auch Verhaltensweisen bei den Verbrauchern eingesetzt werden. Der Marketingentscheider benötigt daher frühzeitig Informationen, inwieweit eine Kampagne die zu vermittelnde Werbebotschaft auch tatsächlich kommuniziert und somit die gewünschten psychologischen (zum Beispiel Steigerung der Bekanntheit oder Verbesserung des Images einer Marke bzw. eines Produkts) und ökonomischen Kommunikationsziele (zum Beispiel Erhöhung des Absatzes) möglichst gut erreicht werden. Bei
operativen
Marketingentscheider
Entscheidungstatbeständen insbesondere
die
ist
demnach
Wirkungsprognose
für
den
spezifischer
Marketingmaßnahmen von Bedeutung. Die entscheidende Frage lautet: Wie werden Änderungen bezüglich der Vermarktung eines Produktes bzw. einer Marke beim 72
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 22; Webster 1992, S. 10.
30
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Verbraucher wahrgenommen und welche Auswirkungen (beispielsweise auf Umsatz, Absatz, Markenbekanntheit etc.) haben diese? Zur Beantwortung dieser Frage benötigt der Marketingentscheider vorwiegend Instrumentalinformationen, die ihm detaillierte Kenntnisse über Reaktionen der Umwelt (insbesondere der Abnehmer, aber auch der Wettbewerber) auf die eigenen Marketingmaßnahmen liefern. 73 In der Konsumgüterbranche kommt in diesem Zusammenhang insbesondere dem Markenmanagement eine besondere Bedeutung zu. 74 Es gilt, auf Basis der Markenstrategie und des damit verbundenen Markenauftritts spezifische Ziele sowie konkrete Maßnahmenprogramme zu vereinbaren. Derartige Entscheidungen im Rahmen der Markenpolitik betreffen Aktivitäten aller Marketing-Mix-Bereiche, deren entsprechende Gestaltung die Umsetzung der angestrebten Markenstrategie unterstützen soll. 75 Darüber hinaus ist im Rahmen eines integrativen Einsatzes der operativen Marketinginstrumente das Kundenbeziehungsmanagement zu nennen. Hierbei steht die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden im Mittelpunkt der Betrachtung.76 Customer Relationship Management (CRM) als eine technologiegestützte,
kundenorientierte
Unternehmensstrategie
umfasst
nicht
nur
die
systematische Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle der auf den aktuellen Kundenstamm ausgerichteten Strategien und Maßnahmen. Es betrifft neben der Gestaltung der Beziehung zu aktuellen, bereits gewonnenen Kunden (Kundenbindungsmanagement) die Kundengewinnung, mit dem Ziel, diese langfristig an das Unternehmen
zu
binden,
abgewanderter Kunden. verschiedene
77
Produktgestaltung,
die
gegebenenfalls
auch
die
Rückgewinnung
Für die einzelnen Marketing-Mix-Instrumente existieren
Ansatzpunkte
beziehungsmanagements.
sowie zur
Förderung
Beispielsweise Implementierung
und lassen
von
Gestaltung sich
des
Kunden-
kundenindividuelle
Bonusprogrammen
oder
auch
regelmäßige Außendienstbesuche als Ansatzpunkte eines Kundenbeziehungsmanagements bezeichnen.78 Hierbei handelt es sich vorwiegend um operative Routineentscheidungen. Die Gestaltung und Umsetzung eines erfolgversprechenden 73
Vgl. für eine mögliche Kategorisierung der Informationsbereiche Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 23.
74
Konsumgüterhersteller werden daher häufig auch als „Markenartikler“ bezeichnet.
75
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 349ff.; Homburg/Krohmer 2006, S. 627ff.
76
Vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 945ff.
77
Vgl. Hippner 2006, S. 17f.; Hippner 2005, S. 118; Müller 2004, S. 81.
78
Siehe hierzu bei Homburg/Krohmer 2006 einen Überblick beispielhafter Ansatzpunkte eines Kundenbeziehungsmanagements für einzelne Marketing-Mix-Instrumente (vgl. Homburg/ Krohmer 2006, S. 946).
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
31
Kundenbeziehungsmanagements gelingt nur durch Kombination verschiedener Marketing-Mix-Aktivitäten, wofür der Marketingentscheider bestimmte Informationen (in der Regel) aus Konsumentensicht benötigt. Die Vorbereitung operativ geprägter Routineentscheidungen fällt meistens – wie bereits dargelegt – in den Aufgabenbereich von Marketingmitarbeitern der mittleren und unteren Managementebene. Der Beschluss und somit die Entscheidung selbst sind wiederum von der Marketingleitung zu genehmigen und letztendlich zu treffen; die Verantwortung für derartige Entscheidungen liegt daher bei der Marketingleitung. Wie bereits erörtert, sind die Begriffe der „strategisch geprägten Entscheidung“ und der „operativ geprägten Routineentscheidung“ nicht eindeutig gegeneinander abzugrenzen. Zum einen ist es erforderlich, dass die Unternehmens- bzw. Geschäftsfeldstrategie operativ – und damit kurzfristig – umgesetzt wird; zum anderen sind die operativen Maßnahmen auf strategische – und damit langfristige – Marketingziele und -programme ausgerichtet. Da die gewählte Klassifizierung von Marketingentscheidungen jedoch sowohl in der Wissenschaft als auch, wie die durchgeführten Experteninterviews zeigten, in der Praxis weit verbreitet ist, wurde sie trotz der Abgrenzungsprobleme für die vorliegende Arbeit herangezogen. Generell sieht sich das Marketingmanagement bei der Entscheidungsfindung einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber. Die Auseinandersetzung mit globalem Wettbewerb, rasantem technologischem Fortschritt und den damit verbundenen kürzeren Produktlebenszyklen geht einher mit wachsendem Kostendruck sowie dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Konsequenz dieser dynamischen Veränderungen
ist
eine
kontinuierlich
zunehmende
Marketingmanagern zu bewältigenden Aufgaben.
79
Komplexität
der
von
Des Weiteren nimmt aufgrund
der zunehmenden Bedeutung einer wertorientierten Unternehmensführung und der damit
verbundenen
Ausrichtung
finanzwirtschaftlichen Erfolgsgrößen
bzw.
Orientierung
des
Managements
an
auch im Marketing die Forderung, die
Performance des Marketings zu optimieren und dessen Erfolgsbeiträge messbar zu machen, einen immer größeren Stellenwert ein.
79
Vgl. Kotler/Bliemel 2006, S. 3f.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 9ff.; Meffert/Burmann/ Kirchgeorg 2008, S. 15ff.; Homburg/Krohmer 2006, S. 2ff.; Matsatsinis/Siskos 2003, S. 26f.
32
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
3.1.2 Subjektiv-persönliche Ebene Neben der sachlich-objektiven Ebene, welche die Marketingentscheidung betrifft, ist auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen auch die subjektiv-persönliche Ebene des im Marketing tätigen Entscheidungsträgers, des Marketingentscheiders, von Bedeutung. Einleitend werden zunächst entscheidungstheoretische Grundlagen aufgezeigt, im Anschluss wird darauf aufbauend die subjektiv-persönliche Ebene des Entscheidungsverhaltens Marketingentscheider
betrachtet. bzw.
Es
wird
daher
Marketingmanager
insbesondere
abgestellt
und
auf deren
charakteristisches Informations- und Problemlösungsverhalten aufgezeigt.
3.1.2.1 Theoretische Grundlagen zum Entscheidungsverhalten von Managern Marketingentscheider müssen regelmäßig Entscheidungen treffen – sei es in alleiniger Verantwortung oder als Mitglied einer Gruppe, sei es mit weit reichenden oder
verhältnismäßig
bedeutungslosen
Konsequenzen.
Das
Treffen
von
Entscheidungen, sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene, gehört auch im Marketing zu den wichtigsten Aufgaben eines jeden Managers. 80 Den theoretischen Hintergrund hierfür bildet die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre. „Die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre versucht, die Phänomene und Tatbestände der Praxis aus der Perspektive betrieblicher Entscheidungen zu systematisieren, zu erklären und zu gestalten.“81 In der vorliegenden Arbeit wird, wie bereits dargelegt wurde, eine prozessorientierte Sichtweise der Marketingentscheidung eingenommen; das heißt, es wird nicht nur der
finale
Beschluss
Marketingentscheidung
bzw.
die
bezeichnet,
Auswahl sondern
einer es
Handlungsalternative werden
der
als
gesamte
Problemlösungsprozess der Entscheidungsfindung einschließlich der Vorgänge der Informationsgewinnung und -verarbeitung betrachtet.82 Zur Beschreibung und Erklärung des Informations- und Entscheidungsverhaltens von Entscheidungsträgern können dabei die Erkenntnisse der Entscheidungstheorie herangezogen werden. Die Entscheidungstheorie beschäftigt sich mit der Auswahl
80
Vgl. Hammond/Keeny/Raiffa 2006, S. 118 sowie die Ausführungen in Abschnitt 3.1.1.
81
Heinen 1991, S. 12.
82
Siehe hierzu Abschnitt 2.3.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
33
von Handlungsalternativen und „umfasst sowohl die Analyse logischer Implikationen des Postulates zielentsprechender Wahlhandlungen als auch Systeme empirisch gehaltvoller Erklärungen darüber, wie Entscheidungen in der Realität gefällt werden“83. Aus dieser Definition geht bereits hervor, dass sich prinzipiell zwei Forschungsrichtungen differenzieren lassen: die deskriptive Entscheidungstheorie einerseits sowie die normative (präskriptive) andererseits. 84 Während die deskriptive Entscheidungstheorie beschreiben will, wie sich ein Individuum in realen Entscheidungssituationen tatsächlich verhält, versucht die normative bzw. präskriptive Richtung, Entscheidungsmodelle zu entwerfen, die als Grundlage für optimale Entscheidungen dienen können. Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass die deskriptive Entscheidungstheorie empirische Beschreibungen und Erklärungen liefert, warum sich (Marketing-)Entscheider so verhalten, wie sie sich verhalten; mittels der normativen Entscheidungstheorie hingegen wird aufgezeigt, wie sich rational handelnde Marketingentscheider bei Entscheidungsprozessen verhalten sollten. Die normative Entscheidungstheorie verwendet ein allgemeines Grundmodell, um zu zeigen, was ein Entscheider in unterschiedlichen Entscheidungssituationen tun soll. Als elementare axiomatische Annahmen werden vollständige bzw. weitgehende Rationalität des Entscheidungsträgers sowie dessen Streben nach Nutzen- bzw. Vorteilsmaximierung unterstellt.85 Ziel der normativen Entscheidungstheorie ist also die
Bereitstellung
oeconomicus“
86
von
Handlungsanweisungen,
um
im
rationale Entscheidungen treffen zu können.
87
Sinne
des
„homo
Ihren idealtypischen
Vorstellungen gemäß muss der Entscheidungsträger zum einen festlegen, welche Ziele er verfolgt. Hierzu stehen ihm spezifische Entscheidungsregeln zur Verfügung, mit deren Hilfe unterschiedliche Entscheidungsalternativen verglichen werden. Die Präferenzen eines Entscheiders sind dabei, so die Annahme, gemäß seiner Entscheidungslogik klar geordnet und konsistent. Zum anderen ist ein so genanntes Entscheidungsfeld gegeben, das für die einzelnen Handlungsalternativen bei verschiedenen Umweltzuständen die mit der jeweiligen Aktion verbundenen 83
Sieben/Schildbach 1994, S. 1.
84
Die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie wird im Allgemeinen in diese beiden Richtungen unterteilt; der Begriff der präskriptiven Entscheidungstheorie wird dabei als Synonym für die normative Theorie verwendet (vgl. Rehkugler/Schindel 1990; Bamberg/Coenenberg 2006, S. 1ff.; Sieben/Schildbach 1994).
85
Vgl. Laux 2005, S. 15ff.
86
Vgl. hierzu beispielsweise Kirsch 1977, S. 27; Kirchgässner 1991; Dietz 2005.
87
Vgl. Laux 2005, S. 2; Bamberg/Coenenberg 2006, S. 3f.; Simon 1959, S. 254.
34
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Konsequenzen (Ergebnisse) abbildet. Entsprechend der jeweiligen Entscheidungssituation lassen sich dabei verschiedene Arten von Entscheidungen differenzieren: Entscheidungen bei Sicherheit, Unsicherheit oder Risiko. 88 Das geschlossene Entscheidungsmodell ermöglicht es, in einer Ergebnismatrix jeder Kombination aus der jeweiligen Handlungsalternative und dem jeweiligen Umweltzustand anhand einer
so
genannten
zuzuordnen.89
Ergebnisfunktion
Entsprechend
den
den
Annahmen
entsprechenden der
Rationalität
Ergebniswert und
Nutzen-
maximierung wählt der Entscheidungsträger die Alternative mit dem höchsten Ergebniswert aus und trifft somit für die jeweilige Situation die optimale Entscheidung; in diesem Sinne handelt er (zweck-)orientiert. Vor dem Hintergrund der normativen Entscheidungstheorie lässt sich folgern, dass Informationen eine notwendige Grundlage von Entscheidungen darstellen. Erst durch die Beschaffung von Informationen ist es für Entscheidungsträger möglich, potenzielle Umweltzustände detaillierter beschreiben sowie deren Eintrittswahrscheinlichkeit abschätzen zu können, um letztendlich für jede Handlungsalternative einen spezifischen Ergebniswert zu berechnen. Diesbezüglich besteht jedoch in der Praxis ein erhebliches Informationsproblem:
es ist
unmöglich,
vollständige
Informationen über sämtliche Umweltzustände, über alle möglichen Handlungsalternativen sowie über alle Ergebnisfunktionen bzw. Ergebniswerte zu beschaffen. Vielmehr sollte eine solche modellhafte Betrachtung des Entscheidungsproblems dazu dienen, das Entscheidungsfeld (Umweltzustände, Handlungsalternativen und Annahmen bezüglich potenzieller Ergebnisfunktionen bzw. -werte) möglichst umfassend abzustecken sowie ein spezifisches Zielsystem des Entscheidungsträgers festzulegen. (Marketing-)Entscheider werden durch diese Modellbetrachtung besser beurteilen können, welche Marketinginformationen sie tatsächlich für das bestehende Entscheidungsproblem
benötigen.
Hierbei
wird
es
sich
neben
generellen
Informationen über bestehende Rahmenbedingungen hauptsächlich um Wirkungsprognosen von Marketingmaßnahmen sowie die Aufstellung plausibler Reaktionsfunktionen handeln. Auf Basis der vorliegenden Informationen soll der Entschei88
Eine Entscheidung bei Sicherheit liegt vor, wenn dem Entscheidungsträger bekannt ist, welches Ergebnis sich bei Wahl einer Handlungsalternative einstellen wird. Bei Unsicherheit kennt der Entscheidungsträger nur die Menge der möglichen Umweltzustände, aber nicht deren spezifische Eintrittswahrscheinlichkeiten. Schließlich gibt es Entscheidungen bei Risiko, bei denen der Entscheidungsträger zumindest den Umweltzuständen (objektive und subjektive) Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen kann (vgl. March/Simon 1977, S. 41; March/Simon 1958, S. 137; Kirsch 1977, S. 27; Meyer 1999, S. 18).
89
Vgl. Sieben/Schildbach 1994, S. 15ff.; Laux 2005, S. 16ff.; Heinen 1991, S. 26-35; Mag 1977, S. 10ff.; Rehkugler/Schindel 1990, S. 15-42; Frese 1998, S. 48-50.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
35
dungsträger schließlich eine weitgehend im Sinne des Rationalitätsprinzips vernünftige Entscheidung treffen. Die deskriptive Entscheidungstheorie „sieht ihre Aufgabe anders als die praktisch normative Entscheidungstheorie nicht in der Aufdeckung von Implikationen rationalen Handelns, sondern darin, die Gesetzesmäßigkeiten zu erforschen, nach denen Entscheidungen
in der Realität
gefällt
werden.
Die empirisch realistische
Entscheidungstheorie strebt also nach einem möglichst umfassenden System empirisch gehaltvoller und daher durch die Realität widerlegbarer Hypothesen, die das Entscheidungs- und Problemlösungsverhalten der Menschen erklären.“ 90 Hier rückt also das Entscheidungsverhalten von Individuen in den Mittelpunkt der Betrachtung; Ziel ist es, eine Antwort auf die Frage zu finden: „Wie werden Entscheidungen in der Wirklichkeit getroffen und warum werden sie so und nicht anders getroffen?“91 Die deskriptive Entscheidungstheorie betrachtet dabei den individuellen Entscheidungsprozess, bei dem die dem finalen Entschlussakt vorausgehenden Informations- und Kommunikationsprozesse ebenso wie der Entschlussakt selbst zum Analysegegenstand werden; der Entscheidungsprozess wird als umfassender Problemlösungsprozess aufgefasst.92 Im Mittelpunkt stellt die deskriptive Theorie auf eine verhaltenswissenschaftliche Analyse von Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen ab, die sich als kognitive Prozesse des einzelnen Entscheidungsträgers darstellen. Kognitive Prozesse sind als gedankliche Vorgänge des Entscheiders zu verstehen, die durch Aufnahme und Verarbeitung von Informationen dessen Verhalten steuern. Hieraus wird deutlich, dass Marketinginformationen grundsätzlich einen enormen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten
von
Marketingentscheidern
und
damit
auf
die
Problemlösungs- und Entscheidungsprozesse im Marketing besitzen. Entscheidungsprozesse laufen jedoch in der Regel nicht nach einem festen Schema ab. Die psychologische Erkenntnis der deskriptiven Theorie des Entscheidungsverhaltens in diesem Zusammenhang besteht darin, dass ein Entscheidungsträger aufgrund seiner begrenzten Informationsgewinnungs- und Informationsverarbeitungskapazität eine
90
Sieben/Schildbach 1994, S. 177.
91
Bamberg/Coenenberg 2006, S. 4f.
92
Vgl. Witte 1992, Sp. 552ff. Idealtypisch kann der individuelle Entscheidungsprozess in folgende Phasen unterteilt werden: Anregungsphase, Suchphase, Konkretisierungsphase, Evaluationsphase und Auswahlphase (siehe hierzu Laux 2005, S. 8; Heinen 1991, S. 35; Bronner 1993, S. 734; Rehkugler/Schindel 1990, S. 221).
36
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
limitierte Rationalität („bounded rationality“) besitzt.93 Rationales Handeln meint die Fähigkeit eines Entscheidungsträgers, abschätzen zu können, welche Mittel und Wege zur Erreichung eines spezifischen Ziels nötig sind.94 Abgesehen von der vollkommenen Rationalität, die vollständige Informationen über alle Umweltzustände und über alle Handlungsalternativen einschließlich der jeweils damit verbundenen Konsequenzen bzw. Ergebnisse voraussetzt, erfordert schon die Abschätzung solcher
Ursache-Wirkungsketten
aufgrund
der
Komplexität
von
Marketing-
entscheidungen eine Vielzahl an Marketinginformationen, die häufig, sofern sie überhaupt vorliegen, vom Marketingentscheider aufgrund seiner beschränkten Informationsverarbeitungskapazität nicht aufgenommen und verarbeitet werden können. Darüber hinaus kann die Entscheidungsfindung von Personen nicht nur auf Regeln der Logik zurückgeführt werden. Die limitierte Rationalität von Entscheidungsträgern lässt sich auch dadurch belegen, dass die Informationsgewinnungsund Informationsverarbeitungsprozesse von Entscheidern nicht einer objektiven, sondern vielmehr einer so genannten subjektiven Psycho-Logik entsprechen. 95 Dies bedeutet, dass der Marketingentscheider individuellen Denkgewohnheiten und -präferenzen folgt und den Entscheidungsprozess durch Beurteilungsmuster vereinfacht.96 Insgesamt versucht die deskriptive Entscheidungstheorie durch Berücksichtigung des individuellen Entscheidungsprozesses, Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, nach denen das Entscheidungsverhalten in der Realität abläuft. 97 Hinsichtlich des Bedarfs an Marketinginformationen sowie deren Nutzung durch (Marketing-)Entscheider lässt sich festhalten, dass diese vor dem Hintergrund der normativen Entscheidungstheorie dazu dienen, die Eintrittswahrscheinlichkeit über Umweltzustände besser beurteilen und/oder die Ergebnisse einer Handlungsalternative präziser prognostizieren zu können. Informationen können folglich die Unsicherheit bzw. das Risiko von Entscheidungssituationen im Marketing minimieren oder sogar beseitigen. Es ist daher wichtig, zu erkennen, welche Marketinginformationen für die entsprechende Entscheidungssituation benötigt werden. Marketinginformationen stellen auf der objektiv-sachlichen Ebene die entscheidungs93
Vgl. Simon 1976, S. 68; March/Simon 1977, S. 42; Kirsch 1977, S. 64; Lindstädt 2006, S. 14; Cramme 2005, S. 82.
94
Vgl. Grünig/Kühn 2004, S. 45ff.
95
Vgl. March/Simon 1958, S. 107 und S. 120; Kirsch 1977, S. 64.
96
Vgl. hierzu ausführlich in Bezug auf das Verhalten von Konsumenten Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 343ff. sowie Foscht/Swoboda 2007, S. 94ff.
97
Vgl. Bamberg/Coenenberg 2006, S. 4ff.; Sieben/Schildbach 1994, S. 177ff.; Kirsch 1977; Cyert/March 1963.
Kroeber-
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen logische
Grundlage
von
Marketingentscheidungen
dar:
37 je
geeigneter
die
Informationsgrundlage ist, desto bessere Entscheidungen können (unter der Annahme rationalen Handelns des Marketingentscheiders) getroffen werden. Oftmals werden jedoch Marketinginformationen – obwohl sie für die jeweilige Marketingentscheidung von Bedeutung sind – vom Marketingentscheider nicht als solche
wahrgenommen
und
folglich
bei
der
Entscheidungsfindung
nicht
berücksichtigt. Das individuelle Informations- und Problemlösungsverhalten von Entscheidungsträgern entspricht häufig nicht den Implikationen rationalen Handelns; eben damit befasst sich die deskriptive Entscheidungstheorie. Auf dieser subjektivpersönlichen
Ebene
spielen
insbesondere
Persönlichkeitsmerkmale
von
Entscheidungsträgern sowie deren beschränkte Rationalität eine Rolle; dies kann zu Inkonsistenzen im Entscheidungsverhalten führen. Gerade die Annahme der limitierten Informationsverarbeitungskapazität wirft die Frage auf, welche Marketinginformationen tatsächlich entscheidungs- und entscheiderrelevant sind. Es wird deutlich, dass eine Analyse des Prozesses der Entscheidungsfindung im Marketing auf einer Synthese von objektiv-sachlicher und subjektiv-persönlicher Ebene beruhen muss. Die objektiv-sachliche Ebene liefert die Informationsgrundlage zur entscheidungslogischen Fundierung von Entscheidungsprozessen im Marketing, während die subjektiv-persönliche Ebene den Marketingentscheider selbst bzw. dessen Entscheidungsverhalten berücksichtigt. Einerseits können umso effektivere und effizientere Marketingentscheidungen getroffen werden, je geeigneter die bereitgestellten Informationen sind; andererseits erfolgt eine umso bessere Unterstützung des Marketingentscheiders, je mehr die Informationsgrundlage auf dessen kognitiven Entscheidungsstil zugeschnitten ist. Aus der empirischen und verhaltenstheoretisch fundierten Analyse der individuellen Problemlösungs- und Entscheidungsverhaltensweisen von Marketingentscheidern – also dem deskriptiven Ansatz –
38
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
können schließlich auch Gestaltungsempfehlungen für die bereitzustellenden Informationen – und damit präskriptive Aussagen – abgeleitet werden. 98 3.1.2.2 Einfluss kognitiver Merkmale auf das Entscheiderverhalten Das
individuelle
Entscheidungsverhalten
wird
vornehmlich
Entscheidungskontext sowie von den Persönlichkeitsmerkmalen
99
vom
des jeweiligen
Entscheiders determiniert. 100 Kontextfaktoren sind generell als Bedingungen zu bezeichnen, unter denen Entscheidungsverhalten stattfindet. Im Rahmen des organisationalen Entscheidungsverhaltens werden insbesondere Macht, Ziele sowie Anreiz- und Kontrollsysteme als Determinanten des Entscheidungskontextes verstanden.101
Die
geführten
Experteninterviews
verdeutlichten,
dass
Marketingentscheidern klar definierte Ziele gesetzt werden und sie sich daher einer enormen Zielverantwortung ausgesetzt fühlen. Dabei sollen auch im Marketing Anreize die Mitarbeiter motivieren, die festgesetzten Zielvereinbarungen zu erfüllen. Kontrollsysteme kommen letztendlich zur Überprüfung des Zielerreichungsgrades zum Einsatz. Der Entscheidungskontext, der größtenteils durch das Unternehmen und
dessen
Philosophie
Marketingentscheider
determiniert
häufig
vorab
wird,
festgelegt;
ist
daher
für
hat
sich
er
den
einzelnen
quasi
in
den
Entscheidungskontext einzufügen. Für die vorliegende Fragestellung ist es daher relevant, auf das Entscheiderverhalten in diesem Kontext und somit auf solche Persönlichkeitsmerkmale
von
Entscheidungsträgern
abzustellen,
die
einen
signifikanten Einfluss auf das Entscheiderverhalten (im Marketing) haben. Generell ist anzunehmen, dass aufgrund kognitiver Persönlichkeitsmerkmale individuelle
Unterschiede
im
Problemlösungsverhalten
gegeben
sind.
98
Bei Differenzierung der entscheidungstheoretischen Ansätze in eine präskriptive bzw. normative und eine deskriptive Richtung muss berücksichtigt werden, dass sich im Hinblick auf den betriebswirtschaftlichen Erkenntnisgewinn beide Ansätze ergänzen. Die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie muss daher auf einer Synthese der praktisch normativen und der empirisch realistischen Entscheidungsforschung basieren (vgl. Bamberg/Coenenberg 2006, S. 11f.; Sieben/Schildbach 1994, S. 199ff.; Rehkugler/Schindel 1990, S. 316; Pfohl/Braun 1981, S. 74ff.). „Die präskriptive Entscheidungstheorie liefert notwendige Grundlagen zur entscheidungslogischen Fundierung betrieblicher Entscheidungsprozesse, die deskriptive Entscheidungstheorie liefert Grundlagen für die Fundierung notwendiger Analysen und Prognosen“ (Bamberg/Coenenberg 2006, S. 12).
99
„Zum Kern der Persönlichkeitsmerkmale gehören Anlagen und Züge (traits) wie Intelligenz, Musikalität usw. Darüber hinaus sind die wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale die dauerhaften Komponenten bzw. Muster der […] Zustandskonstrukte Gefühle, Wissen, Motive, Einstellungen und Werte“ (vgl. Trommsdorff 2004, S. 214 (im Original Fettdruck)).
100
Vgl. Wiemann 1998, S. 76f.
101
Vgl. O’Reilly 1990, S. 97.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
39
Persönlichkeitseigenschaften sind relativ zeitstabile Variablen, die Merkmale des Verhaltens einer Person in bestimmten Situationen beschreiben und vorhersagen sollen.102 Als grundlegendes und einflussreichstes Paradigma zur Erklärung menschlichen Verhaltens kann
der S-O-R-Ansatz103 herangezogen
werden.
Überträgt man dieses Modell auf Entscheidungsprozesse, so wirkt ein bestimmter Stimulus in Form einer Problem- bzw. Fragestellung auf ein Individuum ein und hierfür wird eine Reaktion in Form einer Entscheidung gefunden bzw. getroffen. Persönlichkeitsmerkmale des Entscheidungsträgers – im so genannten Organismus als „black box“ – beleuchten den Zusammenhang zwischen dem Problem und der individuellen Reaktion auf diesen Stimulus. 104 Es lassen sich zwei grundlegende Kategorien von Persönlichkeitsmerkmalen bei Entscheidungsträgern unterscheiden: affektive und kognitive Eigenschaften. Abbildung 2 verdeutlicht den S-O-R-Ansatz und damit die maßgeblichen Persönlichkeitsmerkmale des Entscheiderverhaltens.
Stimulus (S)
Organismus (O) aktivierende Prozesse
Problem/ Fragestellung
Response (R) kognitive Prozesse
• Aktivierung • Emotionen • Motivationen
• Wahrnehmung • Lernen • Gedächtnis
Entscheidung
Persönlichkeit
Kognitiver Stil
Abbildung 2: Quelle:
Die Persönlichkeitsvariablen des Entscheidungsverhaltens in Anlehnung an Foscht/Swoboda 2007, S. 30.
Grundsätzlich lässt sich das Entscheidungsverhalten durch die intervenierenden Variablen – die aktivierenden und die kognitiven Prozesse – erklären. Als 102
Vgl. Brauchlin/Heene 1995, S. 51; Gallèn 1997, S. 541.
103
S-O-R steht für Stimulus, Organismus und Response bzw. Reaktion. Damit wird das in der Psychologie verwendete Modell des Behaviorismus um eine Innensicht erweitert. Im SR-Modell wird der Organismus als Black-Box gesehen; im Mittelpunkt der Betrachtung stehen nur Reiz und Reaktion (vgl. Foscht/Swoboda 2007, S. 29)
104
Vgl. Rehkugler/Schindel 1990, S. 220; Fink 1987, S. 5.
40
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
aktivierende Prozesse werden jene Vorgänge bezeichnet, die aufgrund innerer Erregungen und Spannungen das Verhalten antreiben. Dabei ist Aktivierung als Grunddimension des Entscheidungsverhaltens zu bezeichnen, da sie die generelle Bereitschaft eines Entscheidungsträgers betrifft, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.105 Sie stellt demnach die Voraussetzung dafür dar, dass ein Marketingentscheider überhaupt ein bestehendes Marketingproblem erkennt bzw. wahrnimmt. Des Weiteren haben auch Emotionen einen entscheidenden Einfluss auf das Entscheidungsverhalten, da Marketingentscheider häufig nicht im Sinne des Rationalitätsprinzip entscheiden, sondern vielmehr Entscheidungen „aus dem Bauch“ heraus
treffen.106
Problemlösungs-
Zudem und
beeinflussen
auch
Entscheiderverhalten
motivationale
von
Individuen.
Merkmale 107
Motive
das sind
„Energien“, die das Handeln auf gesetzte oder selbst gewählte Ziele hin ausrichten und steuern; sie sind als relativ stabile Prädispositionen aufzufassen und stellen die vom Entscheidungsträger angestrebten Zielzustände dar, die durch bestimmte situative Stimuli aktiviert werden.108 So können auch Motive, wie beispielsweise die Risikoeinstellung oder auch die Leistungsmotivation eines Marketingentscheiders 109, verantwortlich für dessen individuelles Entscheidungsverhalten sein. Neben den aktivierenden Prozessen haben auch kognitive Prozesse einen Einfluss auf das Entscheiderverhalten im Marketing. Kognitive Vorgänge betreffen die Aufnahme,
Verarbeitung
und
Speicherung
von
Informationen
und
damit
grundlegende Aufbauelemente des Denkens von Individuen. Dabei wird differenziert zwischen festen Komponenten und flexiblen, jedoch nur langfristig veränderbaren Bestandteilen. Während feste Strukturen die Informations- bzw. Wissensspeicherung in den verschiedenen Teilen des Gedächtnisses betreffen, beziehen sich flexible Strukturen auf Grundeinstellungen, Werthaltungen und Erfahrungen. 110 Bezogen auf das
Entscheiderverhalten
im
Marketing
lassen
sich
kognitive
Vorgänge
105
Vgl. ausführlich zum Konstrukt der „Aktivierung“ Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 60ff.; Foscht/Swoboda 2007, S. 37ff.; Trommsdorff 2004, S. 47ff.
106
Vgl. ausführlich zum Konstrukt der „Emotion“ Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 99ff.; Foscht/Swoboda 2007, S. 44ff.; Trommsdorff 2004, S. 67ff.
107
Vgl. ausführlich zum Konstrukt der „Motivation“ Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 167ff.; Foscht/Swoboda 2007, S. 52ff.; Trommsdorff 2004, S. 117ff.
108
Vgl. Dörner 1987a, 238ff.; Döner et al. 1988, S. 217ff.; Endres 1999, S. 75ff.
109
Vgl. hierzu ausführlich Wiemann 1998, S. 93ff.
110
Vgl. ausführlich zu kognitiven Prozessen Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 274ff.; Foscht/Swoboda 2007, S. 73ff.; Trommsdorff 2004, S. 87ff.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
41
zusammenfassend als gedankliche Prozesse zum geistigen Bewältigen von Marketingproblemen kennzeichnen. 111 Unterschiedlich ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale – sowohl hinsichtlich der aktivierenden als auch hinsichtlich der kognitiven Prozesse – können also Ursache für Divergenzen im Verhalten einzelner Entscheidungsträger sein; spezifische Persönlichkeitsmerkmale kognitiven
Stil.
112
eines
Der
Entscheidungsträgers
kognitive
Stil
formen
stellt
folglich
ein
dessen
psychologisches
Persönlichkeitskonstrukt dar und beschreibt über verschiedene Situationen und Zeitabläufe hinweg relativ konsistente Modi der Informationsaufnahme und -verarbeitung; er bringt zum Ausdruck, wie Informationen wahrgenommen und bewertet werden.113 „Jeder hat [also] eine bestimmte, bevorzugte Weise, in der er wahrnimmt
und
beurteilt.“114
Marketingentscheider
stets
Demzufolge
ein
ist
spezifisches
davon
auszugehen,
Informations-
und
damit
dass auch
Entscheidungsverhalten entsprechend ihres kognitiven Stils aufweisen. Der kognitive Stil wird daher häufig auch als Entscheidungsstil bezeichnet. 115 Auch in der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Entscheidungs- bzw. Entscheiderstil synonym zum Terminus des kognitiven Stils verwendet. Anhand der kognitiven Stile lassen sich spezifische Persönlichkeitstypen unterscheiden sowie spezifische Vorgehensweisen
beim
Problemlösestrategien
Treffen
von
charakterisieren,
Entscheidungen die
bzw.
verschiedene
naturgemäß
auch
die
Entscheidungsfindung und damit letztendlich Marketingentscheidungen von damit befassten Entscheidern prägen.116 Generell
werden
in
der
vorliegenden
Arbeit
diejenigen
Personen
als
Marketingentscheider werden bezeichnet, die an der Marketingentscheidung beteiligt sind und entsprechend Verantwortung tragen; dabei kann es sich beispielsweise um Entscheidungsträger aus dem Markenmanagement, dem Produktmanagement, dem Vertrieb,
dem
Kundenmanagement
etc.
handeln.
Häufig
sind
jedoch
bei
111
Vgl. Dörner/Schaub/Strohschneider 1999, S. 198; Endres 1999, S. 63ff.
112
Vgl. Dörner 1987b; Hough/Ogilvie 2005, S. 418; Landauer 1996, S. 52-54 sowie ausführlich Sternberg 1997. So definiert Messick kognitive Stile als „charateristic self-consistencies in information processing that develop in congenial ways around underlying personality trends" (Messick 1984, S. 6).
113
Vgl. Fink 1987, S. 6; Blackman/Goldstein 1978, S. 3; Gupta/Rout 2007, S. 81.
114
Bents/Blank 1995, S. 7.
115
Vgl. Henderson/Nutt 1980.
116
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.1.2.3.
42
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Marketingentscheidungen mehrere Personen beteiligt. In dieser Hinsicht ist daher zwischen
Individual-
und
Individual-Entscheidungen
Kollektiv-Entscheidungen sind
intraindividuelle
zu
differenzieren.
Entscheidungsprozesse
Unter zu
verstehen, bei denen eine Person den Prozess alleine steuert und auch die Entscheidung alleine trifft. Kollektiv-Entscheidungen hingegen setzen sich aus einer Menge von individuellen Entscheidungsprozessen zusammen und werden in der Gruppe getroffen. Neben dem individuellen Verhalten eines Entscheidungsträgers sind
unter
anderem
auch
Gruppengröße,
Risikoverhalten
Verhaltenseigenschaften innerhalb der Gruppe von Bedeutung.
117
und
Obgleich im
Marketing auch kollektive Entscheidungen zu treffen sind, wird in der vorliegenden Arbeit insbesondere auf das individuelle Informations- und Entscheiderverhalten von Marketingmanagern abgestellt; von daher werden Aspekte, wie zum Beispiel Gruppenstrukturen oder soziale Eigenschaften von Gruppen, bei den folgenden Ausführungen nicht berücksichtigt.
3.1.2.3 Entscheidungsstile und Entscheidertypen Eine Vielzahl von Studien – auch zu betriebswirtschaftlichen Fragestellungen – beschäftigt sich mit Entscheiderstilen bzw. unterschiedlichen Entscheidertypen, deren Ausprägungen den Entscheidungsprozess beeinflussen. Neben „rationalen“ Informationen sind auch irrationale Beweggründe bei der Entscheidungsfindung von Bedeutung. Da die vorliegende Arbeit Gestaltungsempfehlungen für die Entscheiderund Entscheidungsunterstützung im Marketing aus Perspektive der Angebotsseite von Marketinginformationen liefern möchte, werden exemplarische kognitive Stile aufgezeigt, welche die Informationswahrnehmung, -aufnahme und -verarbeitung betreffen.
Darauf
aufbauend
werden
anschließend
idealtypische
Problemlösestrategien im Marketing verdeutlicht.
3.1.2.3.1 Kognitive Stile von Persönlichkeitstypen Wie bereits erläutert, lässt sich die Verschiedenartigkeit menschlichen Handelns bzw.
Entscheidens
auf
unterschiedlich ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale
zurückführen. Zur Abgrenzung spezifischer Persönlichkeitstypen entwickelte Carl 117
Vgl. Bronner 1993, S. 725; Berg 1973, S. 25.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
43
Gustav Jung (1960) eine Persönlichkeitstypologie. Die psychologischen Typen von Jung beschreiben Muster für die Art und Weise, wie Informationen bevorzugt aufgenommen und auf ihrer Basis Entscheidungen getroffen werden. Die darauf aufbauende
Myers-Briggs-Typologie
nimmt
eine
Unterscheidung
von
Persönlichkeitstypen anhand von vier Dimensionen vor: Die beiden kognitiven Funktionen „Wahrnehmung“ (sinnliche/intuitive Wahrnehmung) und „Beurteilung“ (analytische/gefühlsmäßige Beurteilung) sowie die beiden Elemente der Einstellung „Lebenseinstellung“ (beurteilende/wahrnehmende Einstellung) und „Einstellung zur Umwelt“
(Extraversion/Introversion).118
Abbildung
3
veranschaulicht
diese
Persönlichkeitsdimensionen:
Einstellung E – Extroversion Extrovertiert oder
I – Introversion Introvertiert Einstellung zur Umwelt
Funktionen
P – Perceiving Wahrnehmend oder
S – Sensing
F – Feeling
oder
Gefühlsmäßig Lebenseinstellung
Abbildung 3: Quelle:
N – Intuition Intuition
Wahrnehmung
J – Judging Beurteilend
oder
Sinnesempfindung
T – Thinking Analytisch
Beurteilung
Die Dimensionen der Persönlichkeit in Anlehnung an Bents/Blank 1995, S. 50.
Die erste Form der Einstellung – die so genannte Einstellung zur Umwelt – bezieht sich auf die Einstellung zur äußeren bzw. inneren Welt, der Extraversion (E) und der Intraversion (I). Anhand dieser Dimensionen wird beschrieben, inwieweit eine Person bei der Entscheidungsfindung mit anderen interagiert. Da sich die vorliegende Arbeit
118
Vgl. Bents/Blank 1995, S. 12f.; Attems/Heimel 1991, S. 17.
44
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
weitgehend auf das individuelle Verhalten eines Marketingentscheiders beschränkt, wird dies nicht genauer ausgeführt. Die zweite Form der Einstellung betrifft die so genannte Lebenseinstellung, die zum einen wahrnehmend (P) und zum anderen beurteilend (J) erfolgen kann. Die einzelnen Ausprägungen dieser Dimension finden sich in den kognitiven Funktionen119 wieder, die genauer beschreiben, wie Entscheider Informationen wahrnehmen und beurteilen. Aus der Kombination des Wahrnehmungsmodus (sinnliche Wahrnehmung: S; intuitive Wahrnehmung: N) und des Beurteilungsmodus (analytisches Beurteilen: T; gefühlsmäßiges Beurteilen: F) lassen sich schließlich vier Typen des Informationsverhaltens voneinander unterscheiden:
der
SF-Entscheidertyp,
Entscheidertyp sowie der NT-Entscheidertyp.
der 120
ST-Entscheidertyp,
der
NF-
Diese Persönlichkeitstypen werden
im Folgenden näher charakterisiert und exemplarisch auf Entscheidungsträger im Marketing übertragen.
Der SF-Entscheidertyp (Sinneswahrnehmung und gefühlsmäßige Beurteilung) Entscheider, bei denen die Sinneswahrnehmung dominant ist, nehmen Informationen – vorzugsweise konkrete, objektiv überprüfbare Fakten – bewusst über die fünf Sinne wahr. Studien belegen, dass solche Personen eher detailorientiert sind und eine gewisse
Zeit
brauchen,
um
sich
mit
der
Problem-
bzw.
Fragestellung
auseinanderzusetzen. 121 Die Beurteilung der Informationen und damit das Fällen der Entscheidungen
erfolgen
beim
SF-Entscheider
eher
gefühlsmäßig.
Eine
Entscheidung wird vorwiegend aus persönlicher Überzeugung getroffen, weshalb persönliche und soziale Werte im Entscheidungsprozess von Bedeutung sind. Entscheider dieses Typus gelten als äußerst verständnisvoll und einfühlsam; sie möchten ein harmonisches Gleichgewicht erreichen und Probleme vermeiden. Permanente Rücksichtnahme auf involvierte Personen und die jeweiligen Umstände lassen die Entscheidung stark personalisiert werden. 122 Übertragen auf den Gegenstandbereich der vorliegenden Arbeit bedeutet dies, dass Marketingentscheider, die dem SF-Typ zugeordnet werden können, für ihre
119
Siehe hierzu Abschnitt 3.1.2.2.
120
Vgl. Fink 1987, S. 76; Henderson/Nutt 1980, S. 373; Gardner/Martinko 1996, S. 54f.
121
Vgl. Bents/Blank 1995, S. 19ff.; Attems/Heimel 1991, S. 18; Fink 1987, S. 85.
122
Vgl. Bents/Blank 1995, S. 25ff.; Attems/Heimel 1991, S. 20; Fink 1987, S. 93.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen Entscheidungen
vermutlich
insbesondere
quantitative
45 Marketinginformationen
benötigen. Sie treffen ihre Entscheidungen sehr subjektiv, weil sie stark auf ihr Gefühl vertrauen. Dabei ist ihnen die interpersonelle Ebene wichtig, weshalb sie bei der
Entscheidungsfindung
Meinungen
und
Wünsche
anderer
Personen
berücksichtigen. Als typische Einsatzbereiche im Marketing können für den SFEntscheidertyp der Vertrieb oder auch das Kundenmanagement in Betracht kommen. Aufgaben in diesen Bereichen erfordern einerseits eine Orientierung an objektiven Fakten und andererseits bestehen gerade im Key-Account-Management zum Teil intensive zwischenmenschliche Kontakte mit Kunden.
Der ST-Entscheidertyp (Sinneswahrnehmung und analytische Beurteilung) Der ST-Typ zeichnet sich analog zum bereits vorgestellten SF-Typ durch bewusste Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen aus. Die gefühlsmäßige Beurteilung einer
Situation
wird
allerdings
durch
einen
objektiven,
systematischen
Entscheidungsprozess ersetzt. Dabei werden alle Informationen sorgfältig analysiert und gegeneinander abgewogen. Der Problemlösungsprozess des ST-Entscheiders orientiert sich an einem festen Handlungsplan, der sich in der Regel bereits in der Vergangenheit bewährt hat. Dabei lässt er sich von Vorgaben und Regeln, weniger hingegen von Emotionen und persönlichen Affinitäten leiten. Grundsätzlich sind seine Entscheidungen klar nachvollziehbar, weil sie sich auf Daten und Fakten stützen und unabhängig von Personen, Situationen und Umständen getroffen werden. Da dieser Entscheidertyp laut Studien eher risikoavers ist, beschafft er relativ viele Informationen, um sich abzusichern und seine Unsicherheit zu reduzieren.123 Marketingmanager, die dem ST-Typ zugeordnet werden können, lassen sich als systematische Entscheider charakterisieren. Sie treffen Entscheidungen auf Basis von Faktenwissen; ihr Entscheidungsverhalten zeichnet sich durch analytisches Denken und systematische Beurteilung aus. Häufig vertrauen sie dabei auf Dinge, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben. Ein solches Vorgehen erweist sich jedoch gerade im Marketing teilweise als problematisch, da es wichtig ist, Trends frühzeitig zu erkennen, um beispielsweise rechtzeitig mit neuen bzw. 123
Vgl. Gallèn 1997, S. 543; Bents/Blank 1995, S. 25; Attems/Heimel 1991, S. 54f.; Fink 1987, S. 93ff.; Henderson/Nutt 1980, S. 379.
46
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
modifizierten Produkten auf sich ändernde Konsumentenbedürfnisse reagieren zu können. Dennoch werden auch im Marketing ST-Entscheider benötigt. So könnten solche Entscheider beispielsweise als Marketinganalysten im Bereich der Markt- und Wettbewerbsanalyse eingesetzt
werden,
wo insbesondere ein analytisches,
objektives Handeln erforderlich ist. Des Weiteren könnte auch das Preismanagement ein passendes Aufgabenfeld für den ST-Entscheidertyp darstellen.
Der NF-Entscheidertyp (intuitive Wahrnehmung und gefühlsmäßige Beurteilung) Der NF-Typ weist als dominante Funktionen eine intuitive Wahrnehmung sowie eine gefühlsmäßige Beurteilung auf. Intuitive Persönlichkeitstypen nehmen Informationen unbewusst wahr; die intuitive Wahrnehmung ist eine Informationsaufnahme, die quasi über den so genannten sechsten Sinn erfolgt. Derartige Entscheider besitzen die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte relativ gut in ihrer Gesamtheit zu erfassen sowie bestehende Zusammenhänge und Muster zu erkennen. Eine Entscheidung wird mehr einem Gespür folgend und damit „aus dem Bauch heraus“ getroffen; der Entscheidungsträger bezieht sich bei der Entscheidungsfindung vorwiegend auf seine Erfahrungen und persönlichen Eindrücke.124 Laut Studien gilt der NFEntscheidertyp als zukunftsorientiert und innovativ; seine Überzeugungskraft und persönliche Hingabe werden durch Inspiration und Kreativität ergänzt. 125 Marketingmanager, die das Entscheidungsverhalten des NF-Typs aufweisen, lassen sich prinzipiell eher als heuristische Entscheider 126 charakterisieren. Sie stützen Entscheidungen auf Erfahrungen, die jedoch durch klare Zukunftsvisionen ergänzt werden. Bei der Entscheidungsfindung vertrauen solche Entscheider hauptsächlich auf ihr Gefühl. Vermutlich ist daher auch die Nachfrage nach Marketinginformationen relativ begrenzt; Marketingentscheidungen treffen sie häufig auf Grundlage weniger Information. Stattdessen berücksichtigen sie bei der Entscheidungsfindung ihr soziales Umfeld, da sie eine umfassende Sensibilität für die Bedürfnisse anderer Personen besitzen. Vor allem aufgrund seiner kreativen Fähigkeiten und seiner zwischenmenschlichen Offenheit scheint der NF-Entscheidertyp für den Bereich der
124
Vgl. Bents/Blank 1995, S. 19f.; Attems/Heimel 1991, S. 18f.; Fink 1987, S. 85.
125
Vgl. Gallèn 2006, S. 120; Attems/Heimel 1991, S. 52f.; Henderson/Nutt 1980, S. 375.
126
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.1.2.3.2.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
47
Kommunikationspolitik geeignet zu sein. Des Weiteren stellt auch die Neuproduktentwicklung einen idealen Aufgabenbereich für diesen Entscheidertyp dar.
Der NT-Entscheidertyp (intuitive Wahrnehmung und analytische Beurteilung) Beim NT-Entscheider erfolgt die Aufnahme von Informationen intuitiv; er interessiert sich für das Neue und seine Handlungen sind zukunftsorientiert. Charakteristisch sind ausgeprägte analytische Fähigkeiten; daher wird er auch als so genannter „Thinking-First“-Entscheider bezeichnet.127 Grundsätzlich betrachtet er weniger Einzelaspekte, sondern vielmehr den Gesamtzusammenhang. Er generiert eine solide Entscheidungsgrundlage; intuitive Wahrnehmungen und Eingebungen werden durch ausführliche Analysen ergänzt. Aufgrund seines eher visionären Denkens legt er häufig den Grundstein für Pilotprojekte und Prototypen. Kritisch ist, dass er zwar viele neue Konzepte aufstellt und kreative Ideen generiert, deren Durchführung und Umsetzung aber oft vernachlässigt. 128 Bei der Entscheidungsfindung zeigen NTEntscheider
allerdings eine ausgeprägte Entschlossenheit
auf.
Strategische
Entscheidungen, die auf einer Symbiose aus intuitiver Wahrnehmung und analytischer
Begründung
beruhen,
sind
laut
einer
Untersuchung
Erfolg
versprechender als bei anderen Entscheidertypen. 129 Marketingentscheider, die das Verhalten eines NT-Typs aufweisen, werden ein bestehendes Marketingproblem erst definieren und sich bei der Generierung der Lösung auf einen konkreten Handlungsplan stützen. Hierfür benötigen sie eine umfassende
Informationsgrundlage,
auf
die
sie
sich
verlassen
können.
Entscheidungen werden zwar auf Marketinginformationen gestützt, aber gleichzeitig durch Intuition beeinflusst. Auf diese Weise werden vom Marketingentscheider in der Regel fundierte, kritisch reflektierte Marketingentscheidungen getroffen. Solche NTEntscheider lassen sich beispielsweise im Produktmarketing finden; in diesem Bereich könnten insbesondere Analyse und Management von Produktlebenszyklen ihrem Aufgabenbereich zugeordnet sein. Neben der Entwicklung von Neuprodukten
127
Vgl. Mintzberg/Westley 2001, S. 89f.
128
Vgl. Bents/Blank 1995, S. 69; Attems/Heimel 1991, S. 85f.; Gupta/Rout 2007, S. 82; Gallèn 2006, S. 120f.
129
Vgl. Hough/Ogilvie 2005, S. 440.
48
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
zählen auch die Verbesserung und Modifikation bestehender Produkte zu geeigneten Tätigkeitsbereichen für diesen Entscheidertyp. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es in der Praxis keinen reinen SF-, STNF- oder auch NT-Entscheidertyp gibt. Jede Person verfügt grundsätzlich über beide Wahrnehmungsfunktionen (sinnliche und intuitive Wahrnehmung) sowie über beide Beurteilungsfunktionen (analytische und gefühlsmäßige Beurteilung); jedoch wird sich jeweils eine der beiden Funktionen als dominant erweisen. 130 Obgleich es sich bei der Persönlichkeitstypologie von Carl Gustav Jung um eine allgemeine Typologie handelt, scheint eine Übertragung auf den betrieblichen Entscheider durchaus als plausibel. So weisen unterschiedliche (Marketing-)Entscheider zwar individuelles Informations- und Kommunikationsverhalten auf, wobei sie dennoch vermutlich jeweils eine dominante Funktion bei der Wahrnehmung sowie der Beurteilung von Informationen
besitzen.
Manche
Marketingentscheider
werden
daher
Marketinginformationen eher sinnlich wahrnehmen, andere hingegen eher intuitiv; ebenso wird es im Marketing Entscheider geben, die Marketinginformationen vorwiegend analytisch beurteilen, während andere Entscheider eher gefühlsmäßig vorgehen. Insofern lassen sich auch Entscheidungsträger im Marketing zumindest einem spezifischen Typ zuordnen, auch wenn sie dessen Charaktereigenschaften nicht vollständig aufweisen. Schlussfolgernd lässt sich daher vor diesem Hintergrund festhalten, dass nicht jede Information für einzelne Entscheidungsträger im Marketing gleich nützlich ist. Aus diesem Grund sollte idealerweise bereits bei der Informationsbedarfsanalyse der kognitive Stil von Marketingentscheidern berücksichtigt werden. 131 Bedeutsam für die Nachfrageseite von Marketinginformationen – die Datenseite – ist insbesondere, ob Marketingentscheider
eher
analytisch
vorgehen
und
eine
Vielzahl
an
Marketinginformationen als Entscheidungsgrundlage benötigen oder ob sie eher heuristisch handeln und daher bei der Entscheidungsfindung vorwiegend auf ihre Erfahrung,
ergänzt
um
Vereinfacht
kann
daher
ausgewählte zwischen
Marketinginformationen, einem
analytischen
und
zurückgreifen. heuristischen
Entscheidungsstil differenziert werden, wie sie im folgenden Abschnitt erläutert werden.
130
Vgl. Bents/Blank 1995, S. 42.
131
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.2.2.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
49
3.1.2.3.2 Analytischer versus heuristischer Entscheidungsstil Individuen
besitzen,
wie
bereits
erläutert,
eine
limitierte
Informationsverarbeitungskapazität. Gerade im Marketing stehen Entscheidungsträger schon allein aufgrund einer dynamischen Umwelt- und Unternehmenssituation vor
komplexen
Entscheidungssituationen,
die
eine
hohe
Nachfrage
nach
Marketinginformationen mit sich bringen. Selbst wenn die Angebotsseite von Marketinginformationen vollständige Informationen über sämtliche Umweltzustände und die antizipierten Ergebnisse einer jeden Handlungsalternative bereitstellen könnte, könnten vom Marketingentscheider nicht alle notwendigen und vorhandenen Informationen aufgenommen und verarbeitet werden. Es kommt daher je nach Entscheidungssituation und Entscheidertyp zu einer mehr oder minder ausgeprägten Selektion von Informationen und damit zu einer Komplexitätsreduktion. 132
Heuristische Entscheidungen Die limitierte Informationsverarbeitungskapazität von Entscheidungsträgern führt dazu, dass Entscheidungsprozesse im Marketing nicht vollkommen rational verlaufen; stattdessen ziehen Entscheider zur Problemlösung oftmals Heuristiken heran.133 „Eine Heuristik ist eine Methode, welche die Suche nach besseren Problemlösungen 134
beschränkt.“
nach
dem
Auffinden
einer
funktionsfähigen
Alternative
Es handelt sich also um Such- bzw. Lösungsverfahren, die sich in
bestimmten Situationen bereits bewährt und zu einer zufriedenstellenden Lösung geführt haben. Ein solches Auswahlprinzip, das vorrangig auf Erfahrungen basiert, schließt
also
von
vornherein
einige
potenzielle
Such-
und
damit
auch
Lösungsprozesse aus. 135 Heuristiken kommen auch im Marketing in vereinfachten Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen zum Ausdruck; Marketingentscheider entwickeln häufig solche Vereinfachungstechniken. Dem Heuristiker ist es wichtig, funktionsfähige Lösungen für Problemsituationen zu finden; er betrachtet hierzu die Gesamtsituation anstelle separater Teilbereiche.
132
Vgl. Sieben/Schildbach 1994, S. 179f.; Kirsch 1977, S. 88ff.
133
Vgl. Dörner et al. 1983, S. 399ff.; Endres 1999, S. 88f.; Schwenk 1988, S. 44f.; Fink 1987, S. 34.
134
Fink 1987, S. 34.
135
Vgl. Klix 1971, S. 723; Kirsch 1977, S. 94f.; Henderson/Nutt 1980, S. 372; Heinen 1991, S. 41f.; sowie Rehkugler/Schindel 1990, S. 81f.; Dörner 2002, S. 126ff.
50
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Gesunder Menschenverstand, Intuition, Gefühle und Erfahrungen spielen bei seiner Entscheidungsfindung eine große Rolle. Sein Lernen erfolgt durch Handeln; daher ist für ihn Feedback besonders wichtig. 136 Die Informationssuche des Heuristikers erfolgt eher spontan und ist weniger zielgerichtet. Er fragt zwar viele Informationen nach, selektiert diese allerdings relativ frühzeitig und verwendet nur noch Informationen bezüglich ausgewählter Sachverhalte (zum Beispiel lediglich über die wichtigsten Distributionskanäle oder Schlüsselkunden). Als Entscheidungsgrundlage präferieren
Heuristiker
aggregierte
Kurzberichte.
Sie
schätzen
Entscheidungsfindung die Unterstützung durch andere Personen.
137
bei
der
Daher werden
sie vermutlich Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen der Datenseite begrüßen und diese auch bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen. Insgesamt
sucht
der
Heuristiker
nicht
nach
einer
optimalen
Lösung
im
mathematischen Sinne, sondern nach einer befriedigenden Handlungsalternative, die seinem Anspruchsniveau entspricht. Sobald er eine akzeptable Lösung gefunden hat, bricht er den Problemlösungs- bzw. Entscheidungsprozess ab.138 Dabei bedient er sich – wie bereits erwähnt – in der Regel so genannter Heuristiken. Gerade im Marketing, wo sich Entscheidungsträger komplexen Situationen gegenübersehen und zudem oftmals unter Zeitdruck entscheiden müssen, kann sich daher eine heuristische Vorgehensweise als vorteilhaft erweisen. Exemplarisch sollen im Folgenden drei Heuristiken skizziert werden, die für das Marketing als typisch erachtet werden. 139 Eine erste Vereinfachungstechnik stellt die so genannte Verfügbarkeits-Heuristik dar, für die eine starke Orientierung an leicht verfügbaren Informationen bezeichnend ist. Dabei handelt es sich vorrangig um Informationen, die bereits im Gedächtnis des Entscheidungsträgers in Form von Erfahrungen vorhanden oder aber leicht zugänglich sind. 140 Für das Marketing ist es demnach wichtig, Marketingdaten beispielsweise in Datenbanken bzw. in einem Data Warehouse abzuspeichern, so dass Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung möglichst schnell und unkompliziert auf die benötigten Daten zugreifen können. 136
Vgl. Fink 1987, S. 35.
137
Vgl. Fink 1987, S. 164ff.
138
Vgl. Kirsch 1977, S. 88; Dörner 2002, S. 126ff.
139
Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 18. Weitere Vereinfachungstechniken von Managern siehe bei Einhorn 2005, S. 150ff.; Scholz/Mieg/Weber 2003, S. 21ff.; Bazerman 1990; Schwenk 1988, S. 43f. sowie Dörner et al. 1983, S. 399ff.
140
Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 18; Schwenk 1988, S. 51.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
51
Des Weiteren kann sich ein Entscheider der so genannten Heuristik des Symbolcharakters bzw. der Repräsentativitätsvermutung bedienen. Im Prinzip beruht sie darauf, dass bestimmte Aspekte auf Basis ähnlicher Ereignisse aus der Vergangenheit geschätzt bzw. abgeleitet werden. Ein Produktmanager kann zum Beispiel die Abverkaufszahlen eines neuen Produkts auf Basis eines ähnlichen, bereits etablierten Produktes schätzen. Er überträgt demnach den Erfolg eines älteren Produkts auf ein neues Produkt, was jedoch nicht zwangsläufig zutreffend sein
muss.141
Ein
derartiges
Vorgehen
kann
auch
im
Rahmen
der
Neuproduktentwicklung zum Einsatz kommen. So orientierte man sich beispielsweise bei der Konzeption einer digitalen Zeitung im Internet an der klassischen Zeitung. Anstatt ein neues Konzept zu entwerfen, waren die Internetseiten der Zeitung ähnlich aufgebaut wie die der gedruckten Zeitung. 142 Die Heuristik des Verankerns und Anpassens orientiert sich schließlich an einem Ankerwert. Im Marketing werden bei der Festlegung von quantitativen Größen häufig subjektive
Schätzverfahren
angewendet.
Ein
derartiges
Vorgehen
kann
beispielsweise bei der Aufstellung des Werbebudgets für ein Produkt bzw. eine Marke zum Einsatz kommen: Die Budgethöhe für das kommende Jahr würde auf Basis des aktuellen Jahres geschätzt werden, ohne eventuelle Änderungen im Markt näher zu betrachten und gegebenenfalls zu berücksichtigen. 143 Auch bei der Prognose zukünftiger Absatzmengen kommen früher erzielte Ergebnisse als Ankerwerte
zum
Einsatz.
So
werden
beispielsweise
bereits
realisierte
Verkaufsvolumina als Ausgangswert für solche Schätzungen verwendet. In dynamischen
Märkten
kann
diese
Methode
allerdings
Vorhersagen und damit zu falschen Entscheidungen führen.
zu
unzuverlässigen
144
Eine heuristische Vorgehensweise kann sich bei Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen im Marketing prinzipiell als effizient erweisen. Allerdings kann es auch zu Fehlentscheidungen bzw. zu Verzerrungen im Sinne eines ManagementBias
kommen,
wie
beispielsweise
zum
„Escalation-of-Commitment-Effect“145.
141
Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 19.
142
Vgl. Hammond/Keeny/Raiffa 2006, S. 121. Als weiteres Beispiel nennen die Autoren die Entwicklung der ersten Autos, die noch stark an eine Kutsche ohne Pferd erinnern.
143
Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 19; Roleff 2001, S. 54.
144
Vgl. Hammond/Keeny/Raiffa 2006, S. 120.
145
Der „Escalation-of-Commitment-Effect“ beschreibt das Festhalten an einer einmal eingeschlagenen Handlungsrichtung, die nicht abgebrochen wurde, obwohl sie unter rationalen Gesichtspunkten schon längst hätte abgebrochen werden müssen (vgl. Wiemann 1998, S. 2f.).
52
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Insbesondere die häufige Anwendung von Entscheidungsheuristiken führt oftmals zu verfestigten Denkstrukturen bzw. -mustern bei Marketingentscheidern. Dies hat zur Folge, dass Marketinginformationen nur noch eingeschränkt oder auch überhaupt nicht mehr verarbeitet werden.
Analytische Entscheidungen Im Gegensatz zum Heuristiker entwickelt der Analytiker bei seiner Problemlösung eine Art Modell für die jeweilige Entscheidungssituation. Auf diese Weise sollen die hinter dem Problem stehenden Kausalzusammenhänge analysiert werden, um möglichst rationale Entscheidungen zu treffen. Entscheider, die analytisch vorgehen, beschäftigen sich daher vornehmlich mit dem einzelnen Problem und betrachten weniger die Gesamtsituation. Das Lernen findet eher durch die Analyse der Situation als durch das eigentliche Handeln statt, weshalb der Analytiker weniger Wert auf Feedback legt. 146 Die Informationssuche erfolgt über formale und rationale Analysen, wobei der Analytiker, der umfassende Detailinformationen nachfragt, eher auf quantitative Daten zurückgreift. Bei regelmäßigen Routineentscheidungen fragen analytisch orientierte
Entscheider
weniger
Informationen
nach
als
bei
neuartigen
Entscheidungen, da sie bereits eine gewisse Vertrautheit mit der Materie besitzen und daher Informationen gezielter nachfragen. Diese gezielte Informationsnachfrage führt schließlich dazu, dass sie größtenteils Informationen bereitgestellt bekommen, die auch tatsächlich für die jeweilige Entscheidungssituation relevant sind. Analytiker arbeiten weitgehend selbstständig und verlassen sich weniger auf die Unterstützung von anderen Personen. 147 Insgesamt lässt sich festhalten, dass im Marketing beide Vorgehensweisen – sowohl der analytische als auch der heuristische Stil – in bestimmten Situationen eine effektive und effiziente Problemlösung ermöglichen und sich demnach ergänzen. Einerseits ist es aufgrund der Dynamik und Komplexität der Marketingumwelt sowie der limitierten Informationsverarbeitungskapazität der Marketingentscheider nötig, den Entscheidungs- und Problemlösungsprozess zu vereinfachen und die Realität 146
Vgl. Fink 1987, S. 34f.; Henderson/Nutt 1980, S. 372.
147
Vgl. Estrin/Mock/Vasarhelyi 1972, S. 134.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
53
nur in einer vereinfachten Modellperspektive wahrzunehmen. Andererseits fordert die dynamische und komplexe Marketingumwelt auch eine analytische Vorgehensweise; so kann es wichtig sein, wesentliche (Problem-)Bereiche zu identifizieren und losgelöst
vom
Gesamtzusammenhang
zu
betrachten
(beispielsweise
eine
spezifische Produktgruppe, die im letzten Jahr enorme Absatzeinbußen hinnehmen musste), gezielt die entsprechenden Informationen nachzufragen und die hinter dem Problem stehenden Kausalzusammenhänge zu analysieren, um zu einer möglichst rationalen Entscheidung zu gelangen. Auch die durchgeführten Experteninterviews belegen,
dass
im
Marketing häufig eine analytische,
informationsgestützte
Vorgehensweise notwendig ist und daher für die Entscheidungsfindung vielfältige Marketinginformationen heranzuziehen sind.
3.1.2.3.3 Idealtypische Problemlösestrategien von Marketingentscheidern Der Problemlösungs- bzw. Entscheidungsprozess im Marketing bewegt sich also – je nach Entscheidungssituation und Entscheidertyp – auf einem Kontinuum zwischen analytischer und heuristischer Vorgehensweise. Vor diesem Hintergrund haben Wierenga
und
van
Problemlösestrategien
Bruggen
für
abgeleitet:
den
Marketingbereich
„Optimizing“
vier
idealtypische
(Optimierung),
„Reasoning“
(Modelldenken), „Analogizing“ (Analogieschluss) und „Creating“ (Kreierung). 148
„Optimizing“ Bei der Problemlösestrategie des „Optimizing“ agiert der Marketingentscheider sehr analytisch und systematisch; das Marketingproblem ist dabei mittels eines objektiven Modells klar strukturiert. Schließlich wird jene Handlungsalternative ausgewählt, die gemäß einer mathematischen Optimierung am besten geeignet ist, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Es ist anzunehmen, dass Marketingentscheider, die nach der Strategie des „Optimizing“ handeln, vermehrt quantitative Marketinginformationen nachfragen, da sie häufig für spezifische Entscheidungsprobleme objektive bzw. mathematische Modelle heranziehen, um zu einer optimalen Problemlösung zu gelangen.149 Beispielsweise kommen derartige Modelle in der Mediaplanung zum 148
Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 21-33.
149
Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 22f.
54
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Einsatz, wenn der Zusammenhang zwischen Ausgaben einer Werbekampagne und der Platzierung in verschiedenen Medien optimiert werden soll. Das vorhandene Werbebudget kann dann je nach Wunsch auf entsprechende Medien verteilt werden, die sich in Hinblick auf Zielgruppe, Reichweite und Kosten voneinander unterscheiden. Als weiteres Beispiel ist die optimale Zuordnung der Anzahl des Verkaufspersonals auf einzelne Marken und/oder Regionen zu nennen. 150
„Reasoning“ Eine weitere Problemlösestrategie im Marketing wird von Wierenga und van Bruggen als
„Reasoning“
bezeichnet.
Da
Marketingentscheider
in
der
Regel
mit
unstrukturierten und häufig auch komplexen Entscheidungsproblemen konfrontiert werden, neigen sie dazu, die Realität in einer vereinfachten Weise – in Form eines „mentalen Modells“ – abzubilden. „A mental model is a symbolic structure, a representation of a body of knowledge in the human mind.“ 151 Ein mentales Modell beinhaltet alle für den Entscheider relevanten Variablen sowie erwarteten UrsacheWirkungs-Zusammenhänge zwischen diesen Variablen. Mit Hilfe eines derartigen „Modelldenkens“, also der Abbildung seiner subjektiven Realität, versucht das Individuum, das Problem zu lösen. „In the reasoning mode, decision makers construct a representation of the marketing phenomenon in their minds. These mental models are the basis for the manager’s reasoning about the problem.” 152 Eine solche Vorgehensweise im Sinne des “Reasoning” wäre beispielsweise für einen Produktmanager denkbar, der den Markterfolg eines neuen Produkts abschätzen möchte. Hierfür existieren keine eindeutigen mathematischen Modelle; der Manager wird daher zusätzlich eigene Erwartungen und Hoffnungen an „sein Produkt“ mit einfließen lassen. Insgesamt kreiert er sich auf diese Weise eine plausible Einschätzung, die er als Entscheidungsgrundlage heranzieht. 153 Die Problemlösestrategie
des
„Reasoning“
ist
daher
mit
einer
heuristischen
Vorgehensweise vergleichbar. Mentale Modelle sind eher qualitativer Art und durch Subjektivität und Unvollständigkeit gekennzeichnet; „although mental models may 150
Siehe Vorgehensweise sowie konkrete Einsatzbereiche der Problemlösestrategie des „Optimizing“ ausführlich bei Albers et al. 2007; Albers/Götz 2006; Albers/Skiera 2002; Albers 2000.
151
Wierenga/van Bruggen 2000, S. 24.
152
Wierenga/van Bruggen 2000, S. 24.
153
Vgl. Roleff 2001, S. 58.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
55
not always be correct, they are useful because they offer the marketer a framework for interpreting and reasoning about marketing problems and their solutions.” 154 Ein mentales Modell ist daher als subjektiver Bezugsrahmen eines Entscheidungsträgers für das jeweilige Marketingproblem zu verstehen.
„Analogizing“ Neben der Strategie des „Reasoning“ ist auch die Problemlösestrategie des „Analogizing“ im Marketing von Bedeutung. Hierbei greifen Marketingentscheider, sofern sie schon länger im Marketing tätig sind, auf ihre Erfahrungen zurück und leiten daraus ihre Entscheidungen ab. „When confronted with a problem, a person has a natural inclination to bring to bear the experience gained from solving similar problems in the past.”155 Marketingmanager können auf ihren Erfahrungsschatz, der in
der
Regel
unterschiedliche
Neuprodukteinführungen,
Marketingerfahrungen,
Preisänderungen,
beispielsweise
Werbekampagnen
etc.,
über
umfasst,
zurückgreifen und ihre Entscheidung vor dem Hintergrund dieses Erfahrungswissens treffen, indem sie entsprechende Parallelen bzw. Analogieschlüsse ziehen. Der entscheidende
Vorteil
dieser
Problemlösestrategie
besteht
darin,
dass
Entscheidungen, die auf Erfahrung und Analogien basieren, schneller gefunden bzw. getroffen werden; es muss nicht erst ein Modell entworfen werden, wie es beim „Reasoning“ der Fall ist.156 Aufgrund des häufig enormen Zeitdrucks im Marketing ist diese Problemlösestrategie in der Praxis vermutlich von besonderer Bedeutung. Schwierigkeiten können allerdings dadurch entstehen, dass Marketingentscheider unpassende Analogien ziehen und damit fehlerhafte Entscheidungen treffen.
„Creating“ Die vierte Problemlösestrategie wird schließlich als „Creating“ bezeichnet. „The marketing decision maker is searching for novel and effective ideas and solutions by means of mapping, exploring and transforming of the problem’s conceptual space,
154
Wierenga/van Bruggen 2000, S. 25.
155
Wierenga/van Bruggen 2000, S. 26.
156
Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 27.
56
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
expanding the number of possible solutions through divergent thinking.” 157 Gerade im Marketing ist viel Kreativität erforderlich, um
dauerhaft den Erfolg eines
Unternehmens zu sichern. Oftmals sind Marketingprobleme nur grob in Bezug auf Ziele, Inhalte und mögliche Vorgehensweisen definiert. Dies eröffnet dem Marketingentscheider einen enormen Handlungsspielraum, innerhalb dessen er seiner Kreativität freien Lauf lassen kann. So wird von Marketingentscheidern beispielsweise gefordert, innovative Produkte für den Markt zu entwickeln. Diese Herausforderung verlangt einen eher unkonventionellen Lösungsweg, um zu neuen Konzepten und Ideen zu gelangen. Durch eine offene Denkhaltung und das Reflektieren verschiedener Handlungsalternativen können neuartige Lösungen entstehen. Oftmals werden diese auch durch Kombination bekannter Elemente erreicht, über deren Zusammenspiel vorher nicht nachgedacht wurde. Eine derartige Problemlösestrategie
ist
notwendig,
wenn
völlig
oder
teilweise
unklare
Entscheidungssituationen vorliegen. 158 Als Hilfsmittel kommen daher beispielsweise bei der Neuproduktentwicklung insbesondere in der Phase der Ideengenerierung Kreativitätstechniken, wie Brainstorming, Brainwriting etc., zum Einsatz. Zusammenfassend
ist
festzuhalten,
dass
(Marketing-)Entscheider
bei
der
Entscheidungsfindung verschiedene Problemlösestrategien heranziehen. Diese sind zum einen vom zugrunde liegenden Marketingproblem (hinsichtlich dessen Komplexität, Strukturierungsgrad etc.) und zum anderen von der Persönlichkeit des Entscheidungsträgers abhängig. Auch im Marketing ist zu differenzieren zwischen unterschiedlichen kognitiven Stilen von Marketingentscheidern und demnach zwischen verschiedenen Entscheidertypen, die sich bezüglich ihres Informationsund Problemlösungsverhaltens voneinander unterscheiden. Darüber hinaus wirft auch die Annahme der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität eines Marketingentscheiders die Frage auf, welche Marketinginformationen tatsächlich entscheidungs- und entscheiderrelevant sind. Eine für die vorliegende Arbeit wichtige Erkenntnis besteht folglich darin, dass die Datenseite, die im nächsten Abschnitt näher beschrieben wird, bei der Bereitstellung von Marketinginformationen neben der objektiv-sachlichen Ebene der Nachfrageseite von Marketinginformationen – der Marketingentscheidung
–
auch
deren
subjektiv-persönliche
Entscheiderverhalten – zu berücksichtigen hat.
157
Wierenga/van Bruggen 2000, S. 31.
158
Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 29f.
Ebene
–
das
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen 3.2
57
Analyse der Leistungen auf der Angebotsseite von Marketinginformationen – Die Datenseite im Marketing
Nachdem
im
vorausgegangenen
Abschnitt
wesentliche
Aspekte
der
Entscheidungsseite im Marketing aufgezeigt wurden, wird in diesem Abschnitt die Angebotsseite von Marketinginformationen – die Datenseite – näher beleuchtet. Nach Klärung der für diese Arbeit grundlegenden Begrifflichkeiten der Datenseite wird im Folgenden das Informationsangebot im Marketing aufgezeigt, indem zunächst relevante Quellen von Marketinginformationen sowie deren Inhalte beschrieben werden. Abschließend wird zusammenfassend dargelegt, dass zur Schaffung einer umfassenden Informationsgrundlage für das Marketingmanagement sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Marketinginformationen erforderlich sind.
3.2.1 Grundlegende Begrifflichkeiten Ziel
von
Marketing
Intelligence
sind
effektive
und
effiziente
Marketingentscheidungen. Hierzu ist es erforderlich, wie bereits erwähnt, sämtliche entscheidungs- bzw. problemrelevanten Informationen heranzuziehen. Dabei handelt es sich in der Regel eben nicht nur um Marktforschungsinformationen, sondern beispielsweise auch um unternehmensinterne Informationen aus dem Vertrieb oder aus dem Controlling/Rechnungswesen. Grundsätzlich sind für Marketing Intelligence daher „Marketinginformationen“ und nicht nur „Marktforschungsinformationen“ notwendig. Zur Abgrenzung dieser grundlegenden Begrifflichkeiten wird auf entsprechende
Definitionen
aus
der
Literatur
zurückgegriffen,
wo
eine
Differenzierung zwischen „Marketingforschung“ und „Marktforschung“ vorgenommen wird.159 Marketingforschung
beinhaltet
die
Beschaffung,
Analyse
und
Interpretation
zweckorientierter Informationen, die zur Identifikation und Lösung von Problemen des Marketings bedeutsam sind. Gegenstand der Marketingforschung sind dabei zum einen Informationen über die Wirkung der eigenen Marketingaktivitäten hinsichtlich Produkt-, Kommunikations-, Distributions- und Preisforschung sowie
159
Vgl. hierzu Meffert 1992, S. 15f.; Hammann/Erichson 2000, S. 33f.; Weis/Steinmetz 2002, S. 16; Altobelli 2007, S. 5.
58
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Informationen über innerbetriebliche Sachverhalte, wie zum Beispiel Vertriebskosten, Lagerplanung etc., sofern sie für Marketingentscheidungen relevant sind. Zum anderen umfasst die Marketingforschung auch Informationen über den Absatzmarkt; dies
betrifft
sowohl
aggregierte
Absatzmarktinformationen
(zum
Beispiel
Marktpotenzial, Marktvolumen, Marktwachstum, Wettbewerbssituation etc.) als auch Informationen über einzelne Absatzmarktteilnehmer (Konsumenten, Wettbewerber, Handel etc.) sowie deren Verhaltensweisen, Einstellungen, Handlungen und Reaktionen. Solche (absatz-)marktbezogenen Informationen gehören auch zum Aufgabenspektrum der Marktforschung, die sich ausschließlich mit den Märkten eines Unternehmens beschäftigt; sie bezieht sich nicht nur auf Absatzmärkte, sondern auch auf Beschaffungsmärkte (zum Beispiel Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt etc.).160 Abbildung 4 verdeutlicht die Abgrenzung zwischen „Marketingforschung“ und „Marktforschung“.
Marketingforschung (Absatzforschung) Innerbetriebliche Sachverhalte • Produktpolitik • Distributionspolitik • Kommunikationspolitik • Preispolitik • Vertriebskosten • Lagerkosten • EDV-Planung …
Absatzmarkt
Beschaffungsmarkt
• Marktpotenzial • Marktvolumen • Marktwachstum • Wettbewerbssituation • Kaufverhalten • Markentreue …
• Arbeitsmarkt • Kapitalmarkt • Rohstoffmarkt …
Marktforschung
Abbildung 4: Quelle:
Abgrenzung zwischen Marketingforschung und Marktforschung in Anlehnung an Meffert 1992, S. 16.
In der vorliegenden Arbeit wird das Augenmerk auf den Absatzmarkt gerichtet und somit werden der Beschaffungsmarkt sowie die Beschaffungsmarktforschung 160
Marktforschung ist definiert als „eine systematische, empirische Untersuchungstätigkeit mit dem Zweck der Informationsgewinnung oder -verbesserung über objektiv bzw. subjektiv bedingte Markttatbestände und -phänomene als Grundlage beschaffungs- und absatzpolitischer Entscheidungen“ (Hammann/Erichson 2000, S. 30 (im Original Fettdruck)).
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen ausgeklammert.
Daher
findet
der
Terminus
der
59
Marketingforschung
bzw.
Absatzforschung Verwendung, da es stets um absatzseitige Marketingforschung geht. Die absatzmarktgerichtete Marktforschung stellt, wie auch in Abbildung 4 ersichtlich ist, einen Teilbereich der Marketingforschung dar. Demzufolge sind in materieller Hinsicht unter „Marketinginformationen“, wie sie bei Marketing Intelligence benötigt werden, sämtliche Informationen zu verstehen, die für die Identifikation und Lösung
von
Marketingproblemen
bzw.
-fragestellungen
relevant
sind
und
Marketingentscheidern als Entscheidungshilfe dienen; die zugrunde liegenden Marketingdaten
können
unternehmensexternen
sowohl
aus
unternehmensinternen
stammen. 161
Quellen
„Marktforschungsinformationen“
hingegen
„Marketinginformationen“
zu
verstehen;
Absatzmarktinformationen
sowie
als
auch
„Marktinformationen“
sind
als
sie
anonymisierte
Teilmenge
umfassen Daten
aus bzw. von
aggregierte
über
spezifische
Absatzmarktteilnehmer, wie Konsumenten, Wettbewerber oder den Handel. Solche Markt-
bzw.
Marktforschungsinformationen
werden
von
der
betrieblichen
Marktforschung oder von Marktforschungsinstituten durch Primärforschung oder Sekundäranalyse gewonnen. 162 Demnach stellen „Marketinginformationen“ das gesamte Informationsangebot an das Marketing dar, das sich sowohl aus innerbetrieblichen als auch aus außerbetrieblichen Daten zusammensetzt. 163 In der Praxis arbeitet die betriebliche Marktforschungsabteilung in der Regel eng mit externen Marktforschungsinstituten zusammen. In der vorliegenden Arbeit wird beides, sowohl die betriebliche als auch die institutionelle Marktforschung, ins Auge gefasst und allgemein von der Marktforschungsaufgabe bzw. von der Marktforschung gesprochen.164
Die
Verzahnung
zwischen
betrieblicher
Marktforschung
und
Institutsmarktforschung erlaubt es, von einem Marktforschungssystem zu sprechen. Aus systemtheoretischer Perspektive unterteilt sich das System „Marktforschung“ demnach
161
in
die
Elemente
der
betrieblichen
Marktforschung
und
der
Zur Abgrenzung der Begriffe „Marketingdaten“ und „Marketinginformationen“ siehe Abschnitt 4.3.1.
162
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2.4.
163
In Analogie zu diesen Ausführungen werden auch die Begriffe „Marktdaten“ und „Marktforschungsdaten“ synonym verwendet; unter „Marketingdaten“ ist das gesamte Datenangebot zu fassen, das potenziell für das Marketing verfügbar ist.
164
Für das Marketing stellen die betriebliche Marktforschung und die Institutsmarktforschung die wichtigsten Akteure bzw. Träger von Marktforschungsleistungen dar. Roleff spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Marktforschungsdreieck“ und bezeichnet die betriebliche Marktforschung, die Institutsmarktforschung sowie das Marketing als die drei Parteien, die maßgeblich an der Marktforschungsaufgabe im Unternehmen beteiligt sind (vgl. Roleff 2001, S. 81).
60
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Institutsmarktforschung, die miteinander vernetzt sind und sich durch eine wechselseitige Zusammenarbeit auszeichnen. Bei einer derartigen Betrachtungsweise kann prinzipiell offen bleiben, wie die Marktforschungsaufgabe zwischen den einzelnen Systemelementen im Detail strukturiert und organisiert ist. 165 Die Marktforschung ist grundsätzlich als bedeutsamer Akteur der Datenseite von Marketing Intelligence aufzufassen. Zudem werden jedoch auch Aufgaben der Datenseite von anderen Stellen innerhalb des Unternehmens wahrgenommen, beispielsweise vom Vertrieb, vom Kundenservice oder auch vom Controlling. Darüber hinaus verfügt ein Unternehmen in der Regel auch über operative Informationssysteme, die wertvolle Informationen für das Marketing beinhalten. In der vorliegenden Arbeit werden Akteure der Angebotsseite von Marketinginformationen, das heißt, diejenigen, die Tätigkeiten der Datenseite im Sinne von Marketing Intelligence in Bezug auf Informationssammlung, gegebenenfalls -aufbereitung und -bereitstellung
ausüben,
als
innerbetriebliche
Informationslieferanten
bzw.
Informationsmanager bezeichnet. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine dritte Person; vielmehr sind damit Marktforscher und/oder Entscheider gemeint, die mit Aufgaben der Angebotsseite von Marketinginformationen betraut sind. 166
3.2.2 Informationsangebot für das Marketing 3.2.2.1 Systematisierung potenziell entscheidungsrelevanter Marketingdaten Nachdem
grundlegende
Begrifflichkeiten
der
Angebotsseite
von
Marketinginformationen erläutert wurden, wird im Folgenden aufgezeigt, dass dem Marketingmanagement
in
der
Praxis
ein
umfassendes
Angebot
potenziell
entscheidungsrelevanter Informationen aus heterogenen Quellen zur Verfügung steht. Ein Unternehmen besitzt in der Regel einen umfassenden Basisbestand an Daten, der neben unternehmensstrategischen Vorgaben sämtliche Daten über interne Unternehmensmerkmale (z.B. Unternehmensgröße, Finanzkraft, die vom Unternehmen ausgewählten Märkte und Vertriebskanäle) und Leistungsmerkmale 165
Vgl. hierzu ausführlich Roleff 2001, S. 81f.; Wimmer 2002, S. 9f. sowie Weber 1996, S. 24ff.
166
Dies soll jedoch keineswegs heißen, dass der Marktforscher in der vorliegenden Arbeit lediglich als Informationslieferant betrachtet wird, der für die Informationssammlung und gegebenenfalls -aufbereitung zuständig ist; vielmehr wird eine grundlegende Veränderung und Weiterentwicklung der Marktforschung gefordert, so dass ihr auch weiterhin eine entscheidende Rolle im Sinne von Marketing Intelligence beigemessen wird (siehe hierzu ausführlich Kapitel 6).
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
61
(beispielsweise produktbezogene Daten über technische Aspekte, Features oder auch
bezüglich
der
beinhaltet. 167
Produktgestaltung)
Solche
Daten
über
unternehmensinterne Vorgaben und Rahmenbedingungen beinhalten durchaus auch relevante Aspekte für Entscheidungsprozesse des Marketings. Da sie vom Unternehmen
selbst
gesetzt
werden,
sollte
diesbezüglich
eigentlich
kein
Informationsproblem bestehen und das Marketing sollte problemlos auf sie zugreifen können. Daher wird auf diese Kategorie von potenziell entscheidungsrelevanten Marketingdaten in den folgenden Ausführungen nicht näher eingegangen. Weitere potenziell relevante Marketingdaten, die dem Unternehmen intern vorliegen, werden „automatisch“ im Rahmen der operativen Geschäftsprozesse eines Unternehmens
generiert
und
zeigen
Geschäftsvorgänge
innerhalb
des
Unternehmens auf. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette lässt sich eine Vielzahl relevanter Datenquellen identifizieren; hierbei kann es sich neben den klassischen Kundenkontaktstellen auch um Fachabteilungen wie Forschung und Entwicklung, Logistik, technischer Kundendienst oder auch Rechnungswesen bzw. Controlling handeln, um nur einige zu nennen. Ein Großteil der benötigten Marketingdaten muss aber erst extra (extern) erhoben werden. Darüber hinaus können aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten über Kunden(gruppen) und Märkte zur Entscheidungsunterstützung des Marketings beitragen. 168 Zusammenfassend lassen sich drei Kategorien potenziell entscheidungsrelevanter Marketingdaten
unterscheiden:
Intern
anfallende
Marketingdaten,
extern
zu
erhebende Marketingdaten und aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten. Zur Analyse der Inhalte dieser einzelnen Datenkategorien in den folgenden Abschnitten werden neben Literatur insbesondere die Erkenntnisse der Praxis aus den eigenen Experteninterviews – sowohl von den befragten Marketingentscheidern als auch den interviewten Marktforschern – herangezogen.
167
Vgl. Forsyth/Hölscher 2006, S. 33.
168
Dies soll jedoch keinesfalls heißen, dass sämtliche verfügbaren Marketingdaten bei der Entscheidungsfindung auch zu berücksichtigen sind; welche bzw. wie viele Informationen Marketingentscheider benötigen, um eine „gute“ Entscheidung treffen zu können, ist vielmehr vom Informationsbedarf der einzelnen Entscheidungsträger abhängig (siehe hierzu ausführlich Abschnitt 5.2.2).
62
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
3.2.2.2 Intern anfallende Marketingdaten Im Rahmen der Marktbearbeitung werden unternehmensintern eine Vielzahl an Daten generiert, die automatisch über Informationssysteme erfasst werden. Neben Abrechnungssystemen aus der Finanzbuchhaltung kommen Administrations- und Dispositionssysteme,
die
Daten
bezüglich
der
Auftragsabwicklung
und
Vertriebslogistik beinhalten, zum Einsatz. Diese Daten stellen gewissermaßen zusammen
mit
den
Basisdaten
über
unternehmensinterne
Vorgaben
und
Rahmenbedingung den Datengrundstock eines Unternehmens dar. Automatisch anfallende interne Daten beinhalten einerseits solche des Rechnungswesens bzw. Controllings und andererseits auch Daten aus innerbetrieblichen Statistiken und Datenbanken. Sie bilden Mengen-, Erlös-, Kosten- und Erfolgsgrößen ab und beziehen sich typischerweise auf Produkte, in Zeiten des Beziehungsmarketings und Key-Account-Managements aber vor allem auch auf Kunden bzw. Kundengruppen. Besondere Bedeutung für das Marketing erlangen in diesem Zusammenhang „Vertriebsdaten“. Diese entstammen dem internen Vertriebscontrolling, umfassen aber
auch
Außendienstinformationen;
Vertriebsinformations-
und
hier
liegt
-steuerungssysteme.
das
Einsatzfeld
Insbesondere
moderner
Außendienst-
mitarbeiter erlangen durch ihre Arbeit frühzeitig Kenntnisse und Einsichten bezüglich aktueller und zukünftiger Entwicklungen am Markt, über Kundenbedürfnisse und damit einhergehende neue Marktsegmente, aber auch über Aktivitäten der Wettbewerber. 169 Vertriebsdaten werden beispielsweise benötigt, um zu ermitteln, wie viel Umsatz mit einzelnen Produkten bzw. Produktgruppen erwirtschaftet wird, wie viel Umsatz die einzelnen Außendienstmitarbeiter generieren oder auch wie rentabel einzelne Kunden(gruppen) für das Unternehmen sind. Grundsätzlich besteht das primäre Ziel des operativen Vertriebscontrolling also darin, sämtliche Vertriebsaktivitäten zu analysieren und deren finanzielle Auswirkungen abzuschätzen sowie letztendlich die Vertriebseffizienz sicherzustellen. Hierzu greift das operative Vertriebscontrolling auf messbare Steuerungsgrößen aus dem Rechnungswesen bzw. Controlling zurück, wie etwa Umsatz, Gewinn und Kosten, die auf spezifische Objekte
bezogen
werden. 170
Für
das
Marketing
sind
als
Analyseobjekte
insbesondere strategische Geschäftsfelder, Produkte bzw. Produktgruppen, Kunden bzw. Kundengruppen sowie Vertriebswege von Bedeutung. Darüber hinaus benötigt 169
Siehe hierzu Ken Le 2006, S. 713f.; Le Bon/Merunka 2006, S. 396f.; Homburg/Schäfer/ Schneider 2008, S. 258ff.; Cross et al. 2001; Festervand/Grove/Reidenbach 1988.
170
Vgl. Pufahl 2006, S. 175f.; Becker 2001, S. 35f.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen das
Marketingmanagement
Vertriebsdaten
zur
63
Planung
und
Kontrolle
absatzpolitischer Maßnahmen. Im Rahmen des operativen Vertriebscontrolling werden zur Anwendung solcher Kostenrechnungsinformationen durch das Marketingmanagement verschiedene Methoden herangezogen. Weite Verbreitung im Marketing besitzen neben Voll- und Plankostenrechnungen
sowie
Prozesskostenrechnungen
insbesondere
Deckungsbeitragsrechnungen (nach Produkten, Märkten, Schlüsselkunden etc.). Darüber hinaus sind für Marketingentscheider Kundenerfolgsrechnungen als Variante der Absatzsegmentrechnung von Bedeutung, um durch Gegenüberstellung kunden(gruppen)spezifischer Kosten und Erlöse die Erfolgsbeiträge einzelner Kunden(gruppen)
zu
Geschäftsbeziehungen optimieren,
so können
ermitteln.
Will
betrachten auf
man
und
hingegen
beispielsweise
den die
Verlauf
Kundenstruktur
Basis von Kostenrechnungsinformationen
Kundenlebenszyklusrechnungen durchgeführt werden.
von auch
171
Neben Vertriebsdaten stellen heute aufgrund des Bedeutungszuwachses des Beziehungsmarketings individuelle Kundendaten eine zentrale Grundlage für Marketingentscheidungen dar. Interne Kundendaten fallen „an den einzelnen Customer Touch Points entlang der gesamten Wertschöpfungskette“172 an. Sie werden
durch
Kundenkommunikation
und
-interaktion
sowie
durch
Kundentransaktionen im Rahmen von Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozessen generiert und in einer Kundendatenbank aufgenommen und gespeichert. 173 Das Konzept des Customer Relationship Management (CRM), das eine Ausrichtung sämtlicher Geschäftsprozesse auf den Kunden hin postuliert, umfasst neben Strategien und Maßnahmen, die sich auf aktuelle, bereits bestehende Kunden beziehen
(Kundenbindungsmanagement)
(Interessentenmanagement)
sowie
die
Gewinnung
gegebenenfalls
die
neuer
Kunden
Rückgewinnung
abgewanderter Kunden (Rückgewinnungsmanagement). 174 Der Fokus über alle Phasen
hinweg
Kundenansprache
liegt und
dabei
insbesondere
-interaktion
sowie
einer
bei
einer
Ausrichtung
individualisierten auf
profitable
171
Siehe ausführlich zu einzelnen Methoden des operativen Vertriebscontrolling beispielsweise Winkelmann 2008, S. 647ff.; Duderstadt 2006, S. 133ff.; Karlshaus 2000, S. 99ff.
172
Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 158.
173
Vgl. Reichhold 2006, S. 32f.; Alt/Puschmann/Österle 2005, 186; Einhorn 2005, S. 78f.; Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 163ff.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 20ff.; Glazer 2000, S. 33ff.; Homburg/Sieben 2000, S. 477.
174
Vgl. Hippner 2006, S. 18; Hippner 2005, S. 118; Müller 2004, S. 81.
64
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Kundenbeziehungen,
die
letztendlich
die
Kenntnis
bzw.
Abschätzung
des
(potenziellen) Customer Lifetime Values voraussetzt. 175 Hierfür bedarf es so genannter Customer Relationship Analytics, welche „die Gesamtheit aller Aufgaben zur Auswertung und Analyse der Kundenbeziehungen
mit
dem
Ziel der
kontinuierlichen Verbesserung der CRM-Prozesse“176 beinhalten. Für solche Analysen sind vielfältige Informationen über die Struktur, das Verhalten und die Bedürfnisse der Kunden erforderlich. Das Interessentenmanagement betrifft die Anbahnung neuer Kundenbeziehungen. In dieser Phase ist insbesondere die Optimierung von Akquisitionskampagnen von Bedeutung. Obgleich über potenzielle Kunden unternehmensintern bislang nur wenige Daten vorliegen, kann das Unternehmen beispielsweise auf Basis vorhandener Daten über aktuelle Kunden analysieren, welche Kundensegmente für das Unternehmen wertvoll sind (Zielgruppenselektion) bzw. welche Kundengruppen besonders häufig auf frühere Aktionen des Unternehmens reagiert haben (Response-Analyse) und auf
dieser Grundlage
nur potenzielle Neukunden
ansprechen, die ein ähnliches Profil aufweisen. 177 Grundsätzlich geht es demnach um die Bestimmung und Selektion einer geeigneten Zielgruppe für eine Marketingaktion, die spezifische, bereits bekannte Eigenschaften aufweisen soll. Hierzu sind neben Reaktions- und Transaktionsdaten aktueller Kunden insbesondere auch deren sozio-demographische und geographische Kundenmerkmale von Interesse, um auf Basis solcher Eigenschaften aus dem bestehenden Kundenstamm beispielsweise
potenzielle
Neukunden
genauer
beschreiben
oder
auch
Nachbarschaftsaffinitäten berechnen zu können. Gerade in dieser ersten Phase des Customer Relationship Managements ist häufig jedoch der Zukauf externer Adressdaten178 oder auch mikrogeographischer Daten notwendig. Das Kundenbindungsmanagement als zweite Phase des Customer Relationship Managements zielt auf die Festigung und Intensivierung von bestehenden Kundenbeziehungen ab, wobei profitable Kunden im Fokus stehen. Zur gezielten Ansprache benötigen Marketingentscheider daher eine Bewertung der Kunden hinsichtlich ihres aktuellen und zukünftigen Werts für das Unternehmen. Die Berechnung bzw. Prognose des Kundenwerts erfolgt unter anderem auf Basis von 175
Vgl. Wimmer/Göb 2006, S. 403f.; Homburg/Schäfer/Schneider 2008, S. 202ff.; Day 2000, S. 4.
176
Neckel/Knobloch 2005, S. 47.
177
Vgl. Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 28.
178
Siehe Abschnitt 3.2.2.3.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
65
Umsatz, aktuellem und erwartetem Bedarfsvolumen, Kundendeckungsbeitrag, Dauer der Kundenbeziehung sowie der Kosten der Kundenbetreuung.179 Darüber hinaus stellt im Rahmen des Kundenbindungsmanagements die Warenkorbanalyse für Marketingentscheider ein aussagekräftiges Instrument zur Beschreibung des Kaufverhaltens von Kunden dar. Neben der Untersuchung des Warenkorbinhalts (wie beispielsweise Anzahl der gekauften Produkte und Warengruppen, Anzahl von Aktionsartikeln etc.) kann hierbei eine Analyse beschreibender Merkmale eines Einkaufs, wie Warenkorbgesamtwert, Einkaufszeit etc. erfolgen. Auch kann mittels einer Warenkorbanalyse untersucht werden, welche Produkte überdurchschnittlich häufig zusammen gekauft werden. Des Weiteren können Cross- und Up-SellingAnalysen
durchgeführt
werden,
um
dem
Kunden
zur
Erhöhung
seines
Ertragspotenzials weitere und höherwertige Produkte anzubieten. 180 Da ein Unternehmen in der Regel vielfältige Daten über aktive Kunden 181 besitzt, können entsprechend
der
jeweiligen
Problem-
bzw.
Fragestellung
des
Marketings
unterschiedliche Customer Relationship Analytics durchgeführt werden, deren Ergebnisse dem Marketingmanagement umfassende Anhaltspunkte für die Planung und Gestaltung von Marketingaktionen bieten. Schließlich beinhaltet die Phase des Rückgewinnungsmanagements die Vermeidung von Kündigungen sowie die Rückgewinnung abgewanderter Kunden. Für das Marketingmanagement ist es daher wichtig, möglichst frühzeitig „gefährdete“ Kunden zu erkennen, um durch gezielte Maßnahmen (beispielsweise spezielle Angebote) mögliche Kündigungen und damit die Beendigung der Beziehung von Kunden mit hohem
Ertragspotenzial
Kundensegmentierung
zu
verhindern.
durchgeführt
Hierzu
werden,
kann
um
zunächst
eine
Gruppe
der
die
abwanderungsgefährdeten sowie der verlorenen Kunden zu identifizieren und von den aktiven Kunden abzugrenzen. In einem weiteren Schritt können dann mögliche Abwanderungsgründe ermittelt und analysiert werden. Diese Erkenntnisse kann der Marketingentscheider
im
Sinne
eines
Frühwarnsystems
zur
Identifizierung
179
Siehe hierzu ausführlich Günter/Helm 2006, S. 360ff.; Neckel/Knobloch 2005, S. 199; Cornelsen 2000.
180
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 337ff.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 28f.
181
Eine unternehmensinterne Quelle zur Gewinnung von Kundeninformationen insbesondere im Rahmen des Kundenbindungsmanagements stellen Maßnahmen des Direktmarketings dar. Neben Preisausschreiben, Bonusprogrammen und Kundenclubs bieten sich auch Kundenkarten an, um wertvolle Informationen über den Kunden zu erlangen. Mittels Kundenkarten, die Kunden durch Anreize in Form von Prämien oder Rabatten dazu bewegen sollen, die Karten zu beantragen und ihre Einkäufe registrieren zu lassen, erhalten Unternehmen sozio-demographische Daten der Kunden verknüpft mit Daten über deren Kaufhistorie (vgl. Einhorn 2005, S. 112ff.; Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 160; Tomczak/Dittrich 2000).
66
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
abwanderungsgefährdeter Kunden heranziehen. 182 Dies erfolgt häufig durch so genannte Churn-Analysen, welche die Abwanderungsneigung und –wahrscheinlichkeit einzelner Kunden prognostizieren. Analysegrundlage stellen dabei neben persönlichen Daten insbesondere Transaktions- und Nutzungsdaten der Kunden sowie Informationen aus dem Beschwerdemanagement und dem Vertrieb dar. 183 Im
Hinblick
auf
das
Management
von
Kundenbeziehungen
benötigen
Marketingentscheider in den einzelnen Phasen des Beziehungslebenszyklus vielfältige Kundendaten, um auf Basis der Erkenntnisse aus den entsprechenden Analysen fundierte Entscheidungen fällen zu können. Abbildung 5 verdeutlicht die für das Marketingmanagement potenziell entscheidungsrelevanten Kundendaten über die einzelnen Phasen des Customer Relationship Managements hinweg:
Potenzielle Kunden
Aktive Kunden Kunden mit hohem Wert
Zielmarkt
Reagierer
Neukunden
Kunden mit geringem Wert
Erfolgsbeitrag eines Kunden
Aufgaben
Kunden mit hohem Potenzial
Anbahnung von neuen Geschäftsbeziehungen Interessentenmanagement
Festigung der Beziehungen
Reaktivierte Kunden
Freiwillige Kündiger
Zurückgewonnene Altkunden
Gezwungene Kündiger Zeit
Intensivierung der Beziehungen
Kundenbindungsmanagement
Verlorene Kunden
Vermeidung von Rücknahme von ungewollten Kündigungen Kündigungen Rückgewinnungsmanagement
Vom Marketing • Zielgruppenselektion • Responseanalyse benötigte Informationen • etc.
• Warenkorbanalysen • Cross- und Up-Selling-Analyse • Kundenbewertungen • etc.
• Churn-Analysen • etc.
Verfügbare Daten
• Transaktions- und Kaufhistorie • Zahlungshistorie • Kosten der Kundenbetreuung • Kundendeckungsbeitrag • etc.
• Abwanderungs- bzw. Kündigungsgründe • Beschwerden • etc.
Abbildung 5: Quelle:
• zugekaufte Adressen • soziodemographische und geographische Kundenmerkmale • Kontakthistorie • etc.
Entscheidungsrelevante Kundendaten entlang des Beziehungslebenszyklus in Anlehnung an Berry/Linoff 2000, S. 72ff. und Stauss 2000, S. 452ff.
182
Vgl. Michalski 2006, S. 586ff.; Neckel/Knobloch 2005, S. 356ff.
183
Vgl. Tecklenburg 2008, S. 25ff.; Schöler 2006, S. Diller/Haas/Ivens 2005, S. 269ff.; Homburg/Fürst/Sieben 2003.
620ff.;
Bruhn/Michalski
2003;
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
67
Die Interaktion mit dem Kunden im Rahmen eines Customer Relationship Managements erfolgt in der Regel über unterschiedliche Kommunikations- und Vertriebskanäle. Ein solches Multi-Channel-Management erfordert jedoch vom Unternehmen eine kundenorientierte Ausgestaltung und Koordination der Kanäle. 184 Dies
ist
nur
möglich,
Kundendaten in einer
wenn
sämtliche
potenziell
entscheidungsrelevanten
zentralen Datenbank (vorzugsweise in einem Data
Warehouse185) zusammengeführt und gespeichert werden. Für die Speicherung und insbesondere spätere Nutzung der Kundendaten ist jedoch eine sinnvolle Strukturierung
notwendig.
So
empfiehlt
sich
beispielsweise
folgende
Systematisierung von Kundendaten: 186 Profildaten, Kontaktdaten, Transaktionsdaten und Servicedaten. Profildaten beinhalten grundlegende Identifikationsdaten von Kunden, wie Name, Titel, Anschrift und Bankverbindung, sowie sozio-demographische Merkmale einer Person, wie Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss, Beruf, Einkommen, Familienstand etc. Darüber hinaus werden auch Daten zur Psychographie eines Kunden, wie beispielsweise Interessen, Einstellungen, Hobbys, Freizeitaktivitäten etc., erfasst. Diese Art von Kundendaten zeichnet sich dadurch aus, dass diese auf längere Sicht relativ stabil und zudem produktunabhängig sind. Grundsätzlich ermöglichen solche Kundendaten neben der eindeutigen Identifizierung und Beschreibung eines Kunden Einblicke in und gegebenenfalls Erklärungen für dessen Konsumverhalten. 187 Meist können die Profildaten einer Person nicht in ihrer Gesamtheit abgebildet werden, dennoch sollten sie möglichst vollständig erfasst werden, um eine individualisierte Kundenansprache und -interaktion zu ermöglichen. Kontaktdaten
beziehen
sich
auf
alle
kundenspezifischen
Aktionen
eines
Unternehmens. Hierbei werden Art und Häufigkeit von Kommunikationsaktivitäten (wie zum Beispiel Katalogzustellung, Mailings, Außendienstbesuche etc.), Zeitpunkt einer Aktion sowie anteilige Kosten erfasst. Darüber hinaus werden für einzelne Aktionen die Reaktionen der Kunden festgehalten. Die Erfassung und Analyse der gesamten Kommunikationshistorie zwischen Kunde und Unternehmen ermöglicht 184
Vgl. Hippner 2006, S. 36; Hippner 2005, S. 118f.
185
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.3.2.
186
Vgl. Wimmer/Göb 2006, S. 405. Siehe hierzu ähnliche Kategorisierungen von Kundendaten beispielsweise bei Winkelmann 2008, S. 368; Homburg/Schäfer/Schneider 2008, S. 181; Krumb 2002, S. 113; Homburg/Sieben 2000, S. 477.
187
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 66; Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 164ff.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 20ff.
68
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
eine individuelle, auf den Kunden abgestimmte Kommunikation. Kontaktdaten bilden für das Marketing die Grundlage für einen langfristigen, interaktiven Dialog mit dem Kunden.188 Transaktionsdaten fallen im operativen Tagesgeschäft an und zeigen die Kaufhistorie eines
Kunden
auf.
Solche
Daten
umfassen
Kaufmengen,
Kaufhäufigkeit,
Kaufzeitpunkte, Wieder- und Zusatzkäufe, Zahlungsverhalten etc. Hieraus lassen sich wiederum weitere Informationen über das Kaufverhalten des Kunden ableiten; so erlangt das Marketingmanagement beispielsweise Kenntnisse über Produkt- und Markenaffinitäten eines Kunden, die Akzeptanz bestimmter Vertriebskanäle oder über dessen Preissensibilität und Zahlungsgewohnheiten. 189 Eine letzte Kategorie von Kundendaten stellen Servicedaten dar. Diese Daten umfassen neben allgemeinen Anfragen eines Kunden die Inanspruchnahme von Serviceleistungen
sowie
die
Erfassung
von
Reklamationen,
Retouren
und
Beschwerden.190 In diesem Zusammenhang kommt dem Beschwerdemanagement eine besondere Bedeutung zu. Dieses umfasst die Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Maßnahmen, die ein Unternehmen bezüglich Beschwerden ergreift, und generiert hierbei relevante Daten über eher unzufriedene Kunden. Beschwerdeinformationen betreffen zum einen das jeweilige Beschwerdeobjekt, in der Regel vom Unternehmen angebotene Produkte und/oder Dienstleistungen, und zum anderen Daten über das Beschwerdeproblem, wie die Art des Problems oder auch konkrete Umstände des jeweiligen Vorfalls. 191 Kundendaten
besitzen
insbesondere
für
eine
fundierte,
aussagekräftige
Kundenanalyse eine besondere Bedeutung. „Bei der Kundenanalyse handelt es sich […] um einen analytischen Prozess der Durchleuchtung und Bewertung [aktueller und] potenzieller Kunden […] mit dem Ziel einer Priorisierung und Klassifikation.“ 192 Ergebnis
solcher
Kundenbewertungen,
188
Analysen
können
Kundensegmentierungen
etwa und
Kundenpotenzialanalysen, Kundenpräferenzanalysen
Vgl. Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 173f.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 25f.; Hippner/Wilde 2001, S. 28; Schulze 2000, S. 41.
189
Vgl. Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 172f.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 24f.
190
Vgl. Wimmer/Göb 2006, S. 405.
191
Vgl. ausführlich Stauss/Seidel 2007, S. 145ff.; Wimmer 1985, S. 231f.
192
Diller/Haas/Ivens 2005, S. 157. Siehe hierzu auch Wimmer/Göb 2006, S. 404ff.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
69
sein.193 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass Marketingentscheider zur
Optimierung
von
CRM-Aktivitäten
und
damit
zur
Unterstützung
ihrer
Entscheidungen auf umfassende und aussagekräftige Daten sowohl über aktuelle als auch über potenzielle Kunden angewiesen sind. Wiedmann, Buxel und Siemon plädieren daher für die Implementierung einer „Customer Management Scorecard“ als
Variante
der
bekannten
Balanced
Scorecard 194,
die
als
kundenmanagementbezogenes Kennzahlensystem die Bereitstellung potenziell entscheidungsrelevanter Kundeninformationen zum Ziel hat. 195
3.2.2.3 Extern zu erhebende Marketingdaten Die internen Marketingdaten, die im Rahmen der Geschäftsprozesse in der Regel automatisch anfallen und durch entsprechende Systeme erfasst werden, sind um externe Marketingdaten zu ergänzen. Unternehmensexterne Marketingdaten werden häufig speziell für den jeweiligen Entscheidungstatbestand des Marketings extra erhoben. Insbesondere für strategische Marketingentscheidungen benötigt das Marketingmanagement umfassende Informationen über Entwicklungen und Trends am Markt, über aktuelle und potenzielle Wettbewerber sowie über Kundensegmente und deren Bedürfnisse. Im Rahmen einer Umfeldanalyse, die einerseits die Analyse der externen unternehmerischen Umwelt (Makroumwelt) und andererseits die Analyse der internen unternehmerischen Funktionsumwelt (Mikroumwelt) beinhaltet, ist daher die Bereitstellung solcher Informationen erforderlich. In diesem Zusammenhang kommt dem strategischen Vertriebscontrolling eine besondere Bedeutung zu. Dessen Informationsfunktion bezieht sich konkret auf die Entwicklung
des
Gesamtmarktes
in
Form
von
Konjunktur-,
Markt-
und
Branchendaten sowie langfristiger Umsatz- bzw. Absatzpotenziale spezifischer Kunden(segmente) und die Identifizierung potenzieller Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen des Unternehmens. 196 Als Analyseinstrumente und -methoden im Rahmen der strategischen Marketingplanung und -kontrolle werden beispielweise 193
Portfolioanalysen,
SWOT-Analysen,
GAP-Analysen
Vgl. Diller/Haas/Ivens 2005, S. 157ff.; Neckel/Knobloch 2005, S. 195.
194
Vgl. ausführlich Kaplan/Norton 1997; Kaplan/Norton 2006.
195
Vgl. hierzu ausführlich Wiedmann/Buxel/Siemon 2005; Wiedmann/Buxel 2003.
196
Vgl. Becker 2001, S. 41; Homburg/Schäfer/Schneider 2008, S. 89ff.
und
70
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Szenarioanalysen herangezogen.197 Hierzu bedarf es neben unternehmensinternen Daten aus dem operativen Vertriebscontrolling 198 der Einbindung externer Markt- und Umfelddaten. Unter Marktdaten sind, wie bereits erläutert, klassische Marktforschungsdaten zu verstehen. Es handelt sich um aggregierte, anonymisierte Daten, zum Beispiel über Gesamtmärkte, Segmente bzw. Zielgruppen oder auch Marktanteile, sowie um Daten zum Informations-, Kauf- und Verwendungsverhalten tatsächlicher und potenzieller Kunden.199 Des Weiteren gehört das Feld der Adressendaten, die von spezialisierten Anbietern bzw. kommerziellen Adressverlagen bezogen werden können, zur Kategorie
unternehmensexterner
Marketingdaten.
Adressdaten
liegen
in
individualisierter Form vor und sind häufig in hohem Maße „qualifiziert“; das heißt, sie ermöglichen Aussagen über Wohnverhältnisse, Mediennutzung oder Kaufverhalten von Personen.200 Gleichsam zwischen aggregierten Marktdaten und personalisierten Kundendaten stehen mikrogeographische Daten. Derartige Daten ermöglichen mikrogeographische Marktsegmentierungen, indem der geographische Faktor, das Wohnumfeld
des
Kunden,
sowie
demographische
Informationen miteinander in Beziehung gesetzt werden.
und
verhaltensbezogene
201
Umfelddaten erfassen sämtliche unternehmensexternen Faktoren, die einen Einfluss auf
Marketingentscheidungen
haben
können.
Diese
Einflüsse
können
technologischer, gesellschaftlicher, politisch-rechtlicher und wirtschaftlicher Art sein.202 In technologischer Hinsicht ist für das Marketing insbesondere die Weiterentwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien von Bedeutung, da sich dies beispielsweise auf die Kommunikation zwischen Konsument und Unternehmen (über neue Medien wie SMS, Kundenforen etc.) oder auch auf den Vertrieb von Gütern (beispielsweise über das Internet oder auch Handy) auswirken kann.
In
Bezug
auf
die
gesellschaftliche
Dimension
interessieren
Marketingentscheider insbesondere Informationen über den gesellschaftlichen Wertewandel sowie generelle Verhaltenstendenzen der Konsumenten, wie etwa steigendes
Umweltbewusstsein
oder
erhöhte
Qualitätsorientierung,
197
Siehe hierzu ausführlich Pufahl 2006, S. 62ff.; Becker 2001, S. 61ff.
198
Siehe hierzu Abschnitt 3.2.2.2.
die
199
Siehe ausführlich zu Markt- bzw. Marktforschungsdaten Abschnitt 3.2.2.4.
200
Vgl. Wimmer/Göb 2006, S. 406; Hippner/Wilde 2001, S. 31; Kraus 2002, S. 39f.
201
Vgl. Böhler/Scigliano 2005, S. 44f.; Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 162; Baecker-Neuchl 2002, S. 33; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 18; Arnold 2002, S. 37; Meinert 1997, S. 452.
202
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 63f.; Homburg/Krohmer 2006, S. 471f.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen Auswirkungen
auf
das
Kaufverhalten
haben
71
können.
Politisch-rechtliche
Informationen betreffen Normen und Verordnungen des Gesetzgebers und der Rechtssprechung,
wie
zum
Gewährleistungsgarantien
Beispiel
usw.
Vorgaben
bezüglich
Marketingentscheider
Preisbindungen,
benötigen
häufig
zur
Festlegung von Marketingstrategien sowie zur konkreten Gestaltung operativer Marketingmaßnahmen detaillierte Kenntnisse über entsprechende politisch-rechtliche Regelungen. In Bezug auf die wirtschaftliche Dimension sind für das Marketing zum einen Informationen über konjunkturelle Einflüsse von Interesse. So können sich makroökonomische Kennziffern, wie eine gestiegene Arbeitslosenquote oder auch ein gesunkenes Durchschnittseinkommen der Bevölkerung, sowohl auf das Informationsverhalten (beispielsweise über die Mediennutzung) als auch auf das Kaufverhalten (beispielsweise durch einen erhöhten Kauf von Sonderangeboten oder durch eine Verschiebung geplanter Anschaffungen) von Konsumenten auswirken. Zum anderen erfassen wirtschaftliche Informationen auch die Dynamik und Intensität des
Wettbewerbs
Frühaufklärung
203
auf
den
Märkten.
Die
Aufgabe
einer
strategischen
muss darin bestehen, Umfeldentwicklungen rechtzeitig zu
erkennen und potenzielle Einflussfaktoren auf die Unternehmenstätigkeit sowie die Entscheidungsprozesse des Marketings zu identifizieren. Grundsätzlich sind daher im Rahmen der Entscheidungsunterstützung des Marketingmanagements auch Wettbewerbsanalysen bezüglich direkter Konkurrenten bzw. Konkurrenten der gleichen Branche von Bedeutung. Wettbewerbsanalysen konzentrieren sich dabei auf folgende grundlegende Fragestellungen: Wer sind meine Konkurrenten (bei welchen Produkt(gruppen), auf welchen Märkten)? Welche Strategien
und
Ziele
verfolgt
die
Konkurrenz?
Demnach
sind
für
das
Marketingmanagement Wettbewerbsdaten vor allem in strategischer Hinsicht entscheidungsrelevant. Zur Beantwortung solcher Fragen sind zum Beispiel Daten über
Branchen-
und
Technologieentwicklungen,
neue
Patente,
Wettbewerbsprodukte, Wettbewerbsstrukturen, die Markt- und Produktstrategie der Wettbewerber sowie deren Vertriebskanäle und -wege relevant.204 Wettbewerbsanalysen liefern also dem Marketingentscheider aussagekräftige Informationen über Aktivitäten der Konkurrenz.205 Solche wettbewerbsorientierten Aktivitäten
werden
heute
unter
dem
Stichwort
„Competitive
Intelligence“
203
Vgl. Ansoff 1975; Nick 2008, S. 15ff.
204
Vgl. Winkelmann 2008, S. 695ff.; Homburg/Schäfer/Schneider 2008, S. 219ff.; Aaker 1998, S. 65.
205
Vgl. ausführlich zu Wettbewerbsinformationssystemen Gilad/Gilad 1988.
72
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
zusammengefasst. Competitive Intelligence ist zu verstehen als „analytical process that transforms disaggregated competitor, industry, and market data into actionable strategic knowledge about competitor’s capabilities, intentions, performance, and position”206. Im Fokus steht demnach die handlungsorientierte Analyse des Wettbewerbsumfeldes zur Generierung von Wissen über Wettbewerber bezüglich deren Positionierung, Leistungsfähigkeiten und beispielsweise
Daten
über
Finanz-
und
Absichten.207 Hierzu werden
Ertragslage,
betriebswirtschaftliche
Kennzahlen der Konkurrenten gesammelt und zusammengetragen. In Abgrenzung dazu bezieht sich „Competitor Intelligence“ als Subsystem der Competitve Intelligence darauf, „zusätzliches Wissen über die Aktivitäten, Eigenheiten und Strategien eines bekannten Wettbewerbers zu sammeln“208. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse von für das Unternehmen bedeutsamen Wettbewerbern, um deren Verhalten detaillierter untersuchen und sie besser verstehen zu können. Insgesamt wird somit deutlich, dass neben unternehmensinternen im Rahmen von Geschäftsprozessen anfallenden Daten dem Marketingmanagement eine Vielzahl potenziell entscheidungsrelevanter Marketingdaten zur Verfügung steht, die extra (außerhalb) des Unternehmens erhoben werden muss. Darüber hinaus bilden auch aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten, die im folgenden Abschnitt erläutert werden, eine bedeutsame Informationsgrundlage für das Marketing.
206
Choo 2002, S. 86.
207
Vgl. hierzu auch Michaeli 2006, S. 21ff.; Mody 2005, S. 17; Lux/Peske 2002; Wright/Pickton/ Callow 2002; Kunze 2000, S. 64ff.
208
Kunze 2000, S. 65. Vgl. hierzu auch Sammon 1984, S. 62.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
73
3.2.2.4 Aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten Bei der Beschaffung von Marktforschungsdaten wird generell zwischen Primär- und Sekundärforschung differenziert.209 Diese Differenzierung ist für die vorliegende Arbeit nicht entscheidend, da die Frage, ob die benötigten Marktforschungsdaten aus sekundären Datenbeständen erhoben werden (können) oder ob es dazu der Primärforschung bedarf, nachrangig zur Fragestellung des erforderlichen „Inhalts“ der Daten ist. Es soll vielmehr aufgezeigt werden, welche Aussagen sich aus den jeweiligen Marktforschungsinformationen bzw. -studien ableiten lassen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich zwischen quantitativen und qualitativen Marktforschungsdaten
differenziert
werden
kann.
Während
quantitative
Informationen häufig in Form von Kennzahlen zum Ausdruck kommen und demnach eher so genannte (messbare) „hard facts“ repräsentieren, steht bei qualitativen Marktforschungsinformationen die Frage nach dem „Warum“ bzw. „Wie“ und damit die erklärende, inhaltliche Komponente (so genannte „soft facts“) im Vordergrund. Die Informationsbedarfe des Marketingmanagements sind, wie bereits ausführlich erläutert, zum einen von der einzelnen Problem- bzw. Fragestellung und damit vom jeweiligen Entscheidungstatbestand und zum anderen von der Phase eines Entscheidungsprozesses, in der sich ein Marketingentscheider jeweils befindet, abhängig.210 Im Marketing bestehen daher einerseits generelle, marktbezogene und andererseits spezifische, prozessbegleitende Informationsbedarfe. 211 Die für diese Arbeit geführten Experteninterviews mit den Marktforschern sowie frühere empirische Untersuchungen212 belegen jedoch, dass die Denkweise eines Marktforschers in der Regel eher methoden- bzw. verfahrensorientiert ist. Für einen Marktforscher stellt sich die Frage, welche Methoden bzw. Verfahren geeignet sind und damit welche Art von Studie notwendig ist, um zu bestimmten Marketinginformationen zu gelangen. Im Folgenden werden daher die Informationsbedarfe des Marketings – unterteilt in 209
Werden speziell zur Beantwortung einer Fragestellung oder zur Lösung eines Problems Daten erhoben, so handelt es sich um Primärforschung; es geht also um die Gewinnung originärer Daten. Sekundärforschung hingegen bezeichnet das Zugreifen auf vorhandene Daten, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt und gegebenenfalls für einen anderen Zweck erhoben wurden. Vorteile der Sekundärforschung liegen hauptsächlich in der Schnelligkeit und Kostengünstigkeit der Datenerhebung. Häufig liegen jedoch Sekundärdaten für spezifische Entscheidungstatbestände nur in unzureichender Quantität und Qualität vor, so dass in bestimmten Fällen eine Primärerhebung unumgänglich ist (vgl. hierzu beispielsweise Altobelli 2007, S. 28ff.; Neckel/Knobloch 2005, S. 91; Böhler/Scigliano 2005, S. 30ff.; Böhler 2004, S. 63ff.; Wilson 2003, S. 34ff.).
210
Siehe Abschnitt 3.1.1.
211
Vgl. Roleff 2001, S. 68.
212
Vgl. Roleff 2001, S. 91.
74
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
generelle, marktbezogene und spezifische, prozessbezogene Informationsbedarfe – inhaltlich erläutert und vor diesem Hintergrund mögliche Marktforschungsstudien sowie die zugrunde liegenden Marktforschungsverfahren bzw. -methoden aufgezeigt. Generelle, marktbezogene Informationsbedarfe des Marketingmanagements sind nicht nur auf den Absatzmarkt des eigenen Unternehmens bezogen, sondern betreffen neben makroökonomischen Kennziffern grundsätzliche Branchen- und Marktcharakteristika sowie zukünftige Marktentwicklungen. Hierfür werden von der Marktforschung
mittels
Methoden
der
Ad-hoc-Forschung
umfassende
Marktstrukturanalysen bereitgestellt, die den Gesamtmarkt bzw. ausgewählte Teilmärkte untersuchen. Marktstrukturanalysen liefern dem Marketingentscheider Informationen über Wettbewerber, alternative Marken und Produkte sowie auch EinkaufsstättenMarktinformationen,
und wie
Bedarfsdeckungsraten,
Konsumenteninformationen. 213 beispielsweise Distributionsquoten
Neben
Marktpotenzialen, etc.,
werden
quantitativen
Käuferreichweiten, auch
qualitative
Informationen, wie etwa Stärken-Schwächen-Profile und Kommunikationsauftritte, ausgewiesen. Des Weiteren sind für den Marketingentscheider im Rahmen der generellen, marktbezogenen
Informationsbedarfe
allgemeine
Gesellschafts-
und
Verbrauchertrends von Interessen, um frühzeitig die Marketingstrategie des eigenen Unternehmens anpassen zu können. Marktforschungsinstitute führen daher im Bereich der Ad-hoc-Forschung so genannte Grundlagenstudien durch, die in der Regel einen qualitativen Forschungsansatz aufweisen. Derartige Studien, die oft auf qualitativ-psychologischen Verfahren (zum Beispiel Einzelexploration, Gruppendiskussion, projektive und assoziative Verfahren) basieren, analysieren vorwiegend Bedürfnisse, Motive, Einstellungen und Präferenzen von Konsumenten und identifizieren somit das Konsumentenverhalten am Markt bzw. in bestimmten Absatzmärkten.214 So werden im Rahmen der Marktsegmentierung detaillierte Zielgruppen- und Verbraucheranalysen durchgeführt, die zum Teil auch länderübergreifend Gültigkeit besitzen. Neben sozioökonomischen Segmentierungskriterien 213
Vgl. exemplarisch Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 332ff.
214
Vgl. Buber/Klein 2007, S. 54 sowie Holzmüller/Buber 2007, S. 7ff. Für eine detaillierte Beschreibung spezifischer Anwendungsbereiche qualitativer Verfahren siehe Salcher 1995, S. 129ff. sowie für eine zusammenfassende Darstellung der wichtigsten Methoden siehe Salcher 1995, S. 124f. Für eine ausführliche Beschreibung einzelner Methoden siehe beispielsweise den Herausgeberband „Qualitative Marktforschung“ von Buber und Holzmüller (2007) sowie den Herausgeberband „Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis“ von Naderer und Balzer (2007).
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
75
sind bei Marktsegmentierungen zunehmend psychographische Merkmale von Relevanz. Die Marktforschung bietet im Bereich der Marktsegmentierung aufwendige Life-Style-Typologien an, wodurch die Gesamtheit der Konsumenten in Segmente eingeteilt wird, die hinsichtlich Wertvorstellungen, Lebensmaximen, Konsumgewohnheiten oder auch Einstellungsmustern in sich homogen sind.215 Neben Lebensstilstudien werden, um das Marketing über generelle Verbraucher- und Gesellschaftstrends zu informieren, auch qualitative Trendstudien konzipiert, die versuchen, möglichst frühzeitig Entwicklungstendenzen im Konsum- und Freizeitverhalten der Gesellschaft aufzudecken. Darüber hinaus ist das Marketingmanagement auch an der Positionierung von (eigenen) Produkten interessiert. Hierfür sind unter anderem auch Verfahren der Adhoc-Forschung von Bedeutung. Bei qualitativen Verfahren wird das Produkt mittels Ansätzen der Motiv-, Image- und Einstellungsforschung positioniert; als Grundlage dienen
dabei
detaillierte
Zielgruppenbeschreibungen.
Daneben
ermöglichen
multivariate Analyseverfahren, wie die Faktorenanalyse,
Clusteranalyse und
Multidimensionale
Positionierung
Produkten.
216
Skalierung,
eine
Marketingentscheider
eher
quantitative
erhalten
aus
solchen
von
Grundlagen-
untersuchungen erkennbare Trendentwicklungen im Freizeit- und Konsumverhalten der Gesellschaft und damit relevante Informationen über ihre Zielgruppe. Auf Basis solcher aggregierter Marktinformationen können frühzeitig Anpassungen für einzelne Waren- bzw. Produktgruppen abgeleitet werden. Ferner
sind
für
Marketingentscheider
neben
allgemeinen
marktbezogenen
Informationen auch spezifische prozessbegleitende Marketinginformationen relevant. Solche Informationen lassen sich in der Regel einer bestimmten Prozessstufe zuordnen und beziehen sich auf Produkte bzw. deren Erfolg. Entsprechend der Aufgabenbereiche des Produktmarketings lassen sich vier Phasen unterscheiden, in denen
Marketingentscheider
Marktanalyse
und
spezifische
Positionierung,
Informationsbedarfe
Produktgestaltung,
entwickeln:
Produktvermarktungs-
konzeption sowie Produktmonitoring und -anpassung. 217 Vor der Markteinführung eines neuen Produktes sind zunächst dessen Marktchancen innerhalb bestimmter Zielsegmente zu analysieren. Dabei gilt es zu überprüfen, ob 215
Vgl. hierzu auch Baumann/Hofmann/Schubert 2006; Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 247ff.
216
Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 352f.
217
Siehe hierzu ausführlich Roleff 2001, S. 34ff.
76
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
das Produkt(konzept) von der Zielgruppe akzeptiert wird und mit welchem Absatzpotenzial bei der Zielgruppe zu rechnen ist. Hierfür liefert neben Hintergrundinformationen aus qualitativen Zielgruppenanalysen insbesondere die Testmarktforschung218 relevante Marktforschungsinformationen für das Marketing. So soll ein Konzepttest, bei dem die spezifische Idee bzw. Konzeption für ein neues Produkt von Konsumenten beurteilt wird, prüfen, ob jenes aus Konsumentensicht einen deutlichen Vorteil gegenüber bereits bestehenden Produkten liefern kann und ob ein ausreichend großes Nachfragepotenzial vorhanden ist. Ein Konzepttest kann zum einen zur Beurteilung der Positionierung eines Produkts herangezogen werden, zum anderen treten durch einen Konzepttest bereits erste Hinweise bezüglich Ausgestaltung oder auch Verbesserung des Produkts bzw. des Konzepts zum Vorschein. Für den Marketingentscheider sind solche Informationen wichtig, um die Akzeptanz und zukünftige Nachfrage des neuen Produkts aus Verbrauchersicht besser einschätzen zu können. Im Anschluss an die Produktgestaltung
Marktanalyse und Positionierung
darum,
erfolgversprechende
Konzepte
geht in
es bei der
reale
Produkte
(Prototypen) zu überführen. Der Marketingmanager hat hierbei insbesondere über die Kombination und letztendlich die Auswahl einzelner Gestaltungsparameter zu entscheiden. In einem weiteren Schritt wird für das konkrete Produkt eine Vermarktungsstrategie im Rahmen der Kommunikations-, Preis- und Distributionspolitik festgelegt. Für experimentelle Untersuchungen der Produktgestaltung und -vermarktung bietet sich insbesondere ein Produkttest an, bei dem die subjektive Qualität eines Produkts überprüft wird. Hierbei soll insbesondere ermittelt werden, wie ausgewählte Testpersonen (in der Regel aus der Zielgruppe) ein physisches Produkt als Ganzes (Volltest) bzw. einzelne Produktbestandteile (Partialtest) beurteilen. Bei einem Partialtest wird die Wirkung einzelner Produkteigenschaften oder -merkmale, beispielsweise von Preis (Preistest), Name (Namenstest), Verpackung (Packungstest) oder Geschmack (Geschmackstest), untersucht. Aus derartigen
durch
einen
Produkttest
generierten
Informationen
lassen
sich
Verbesserungsmöglichkeiten von Produktgestaltung und Marketingkonzeption sowie Aussagen bezüglich der Marktchancen eines Produktes ableiten. Ein weiteres gängiges Testverfahren, das vorrangig die Verkaufsfähigkeit von Produkten ermittelt, ist der Storetest. Der Storetest bezeichnet einen probeweisen Verkauf von Produkten
218
Siehe hierzu ausführlich Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 160ff.; Hammann/Erichson 2000, S. 205ff.; Altobelli 2007, S. 413ff.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
77
unter kontrollierten Bedingungen in ausgewählten Einzelhandelsgeschäften. Dabei wird insbesondere die Wirksamkeit von Marketingmaßnahmen, wie alternative Packungsgrößen, unterschiedliche Preisstellungen, alternative Produktplatzierungen etc., überprüft. Nachteilig hierbei ist allerdings, dass keine Werbung berücksichtigt wird. Des Weiteren liefern vor der Markteinführung eines Produktes Testmarktverfahren bzw.
Testmarkt-Ersatzverfahren219,
welche
die
gesamte
Marketingkonzeption
inklusive der realen Distributionssituation im Handel erfassen und den Markterfolg eines Produkts auf dem Gesamtmarkt prognostizieren, für das Marketing nützliche Informationen zur Produktgestaltung und -vermarktung. Der regionale Markttest bezeichnet
die
probeweise Einführung
eines Produktes in einen
regional
abgegrenzten Teilmarkt. Mittels spezieller Hochrechungsverfahren können für den nationalen Gesamtmarkt Absatz-, Umsatz- und Marktanteilsprognosen aufgestellt werden. Dennoch besitzt der regionale Markttest in der Marktforschungspraxis vor allem
aus
Kosten-
und
Zeitgründen
sowie
aufgrund
seiner
mangelnden
Geheimhaltung gegenüber Wettbewerbern kaum noch Bedeutung. Daher werden von der Marktforschung so genannte Testmarkt-Ersatzverfahren eingesetzt, die den aufgezeigten Schwächen des regionalen Markttests entgegen wirken können. Zu den gängigen Testmarkt-Ersatzverfahren der Marktforschung zählen der Minimarkttest und
die
Testmarktsimulation.
Bei
einem
Minimarkttest
werden
mehrere
Testgeschäfte in einzelnen Gebieten angeworben und an ein Handelspanel angeschlossen. Zusätzlich wird in jedem dieser Gebiete ein lokales Haushaltspanel rekrutiert. Somit können Marketinginformationen auf Geschäftsebene, beispielsweise Abverkäufe, Verkaufsanteile, Umschlagsgeschwindigkeit etc., und auf Haushaltsebene, zum Beispiel Informationen über Käufer, Wiederkäufer, Einkaufsintensitäten und Ähnliches, gewonnen werden. Als Weiterentwicklung des Minimarkttests bezieht der elektronische Minimarkttest (wie zum Beispiel der GfK Behavior Scan) auch Fernsehwerbung mit ein. Damit erfasst dieser die vollständige Marketingkonzeption und eignet sich insbesondere auch für Werbetests. Der elektronische Minimarkttest liefert
dem
Marketingmanagement
detaillierte
Informationen
über
reales
Einkaufsverhalten sowie Informationen über Marktanteile und Austauschbeziehungen nach Einführung des Testprodukts. Bei der Testmarktsimulation (zum Beispiel TESI der GfK) hingegen handelt es sich im Prinzip um einen Produkttest,
219
Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder Pepels 2007, S. 232ff.
2004, S.
168ff.;
Hammann/Erichson 2000,
S. 210ff.;
78
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
der durch eine Werbe- und Kaufsimulation erweitert ist. Ziel dieses Verfahrens ist die Prognose der Marktchancen von neuen Produkten vor deren Markteinführung; für das Testprodukt werden Erstkauf, Wiederkauf und Marktanteil geschätzt. Darüber hinaus werden umfangreiche diagnostische Informationen zur Verbesserung des Testprodukts und/oder dessen Marketingkonzeption generiert. Obgleich die externe Validität aufgrund der nicht voll-biotischen Situation eingeschränkt ist, stellt die Testmarktsimulation aus Kosten- und Zeitgründen sowie der Möglichkeit einer Geheimhaltung gegenüber Konkurrenzunternehmen ein beliebtes Verfahren zum Test von neuen Produkten in der Marktforschungspraxis dar. Insgesamt liefern Testmarktverfahren bzw. Testmarkt-Ersatzverfahren für das Marketingmanagement nützliche
Informationen
zur
Produktgestaltung
sowie
bezüglich
potenzieller
Vermarktungskonzeptionen von Produkten. Nach der Einführung eines neuen bzw. modifizierten Produkts möchte der Marketingentscheider insbesondere dessen Erfolg überprüfen. Hierzu benötigt er neben qualitativen Informationen (beispielsweise über die von Konsumenten geäußerte
Zufriedenheit
oder
auch
wahrgenommene
Qualität)
umfassende
quantitative Informationen (wie Produktumsatz und -absatz, Marktanteil des Produkts etc.). In der Phase des Produktmonitorings und der Produktanpassung stellen daher Panelstudien eine der wichtigsten Informationsquellen für das Marketing dar.220 Unter einem Panel versteht man eine Erhebung bei einem bestimmten, im Wesentlichen gleichbleibenden Kreis von Personen (zum Beispiel Haushalte, Verbraucher, Individuen) oder Organisationen (zum Beispiel Einzelhandelsgeschäfte), bei der über einen längeren Zeitraum hinweg in regelmäßigen zeitlichen Abständen Daten zum gleichen
Untersuchungsgegenstand
zusammengetragen
werden.
Ziel
(zum ist
Beispiel
daher
nicht
Einkäufe nur
die
bzw.
Verkäufe)
Erfassung
des
Marktgeschehens, sondern insbesondere die Ermittlung von Marktveränderungen und langfristigen Entwicklungen am Markt. Von besonderer Relevanz für das Marketing sind das Verbraucher- und das Handelspanel, die Daten über täglich notwendige Konsumgüter (FMCGs) sowie gängige Gebrauchsgüter beinhalten. Für diese Warengruppen werden dem Marketing
zum
einen
kontinuierlich
Informationen
im
Wesentlichen
über
Käuferzahlen und Käuferstrukturen sowie über Umsatz- und Absatzmengen der eigenen und der Produkte von Wettbewerbern sowie die daraus resultierenden 220
Oftmals werden mehr als 50% des Marktforschungsbudgets für Paneldaten ausgegeben (vgl. Roleff 2001, S. 97).
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
79
eigenen und Konkurrenz-Marktanteile bereitgestellt. Neben solchen Standardberichten können zum anderen auch umfassende Sonderanalysen, wie zum Beispiel Bedarfsdeckungsanalysen,
Gain-and-Loss-Analysen,
oder Preiselastizitäten, durchgeführt werden.
Distributionsentwicklungen
221
Darüber hinaus werden zur Erfolgsmessung im Rahmen der Tracking-Forschung Wellenerhebungen insbesondere
im Bereich
der Werbeforschung
und
der
Kundenzufriedenheitsforschung durchgeführt. Beim Tracking erfolgt – analog zum Panel – in Form von „Wellen“ eine laufende Überprüfung des jeweiligen Untersuchungsgegenstands; die Stichprobe ist allerdings bei den einzelnen Wellenerhebungen nicht identisch. So wird beispielsweise beim Werbetracking die Wirkung der Werbung für das neue bzw. modifizierte Produkt überprüft. Auf diese Weise lassen sich etwa Reichweite, Bekanntheit, Aufmerksamkeits- und Erinnerungswirkung messen. Das Marketing erhält somit nützliche, quantitative Informationen über die Wirkung und letztendlich den Erfolg einer Kommunikationskampagne. 222 Durch unterschiedliche Erhebungs- bzw. Untersuchungsmethoden – in Form von Adhoc-Forschung, Testmarktforschung, Panelforschung und Tracking-Forschung – wird gewährleistet, dass das Marketing auf ein umfassendes, für die entsprechende Entscheidungssituation adäquates Informationsangebot aus der Marktforschung zurückgreifen kann. In der Praxis arbeiten dabei, wie bereits erwähnt, betriebliche und institutionelle Marktforschung oftmals sehr eng zusammen. Der Tätigkeitsbereich der betrieblichen Marktforschung liegt neben der Sekundärforschung vorrangig in der Konzeption und Kontrolle von Primärstudien. Darüber hinaus stellt die Fachberatung des Marketings eine wichtige Aufgabe der betrieblichen Marktforschung dar. Die institutionelle Marktforschung hingegen ist primär für die so genannte „Feldarbeit“ zuständig; die Gestaltung des Erhebungsdesigns sowie die Durchführung und Auswertung von Primärstudien erfolgen daher, in der Regel in Absprache mit der betrieblichen
Marktforschung,
von
Institutsseite. 223
Abschließend
sei
noch
anzumerken, dass dem Marketing die gewünschten Marktforschungsinformationen in der Regel über die betriebliche Marktforschung zur Verfügung gestellt werden. Die betriebliche Marktforschung agiert daher häufig als „strategischer Brückenkopf des
221
Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 127ff.; Hammann/Erichson 2000, S. 160ff. sowie ausführlich Günther/Vossebein/Wildner 2006.
222
Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 190ff.; Altobelli 2007, S. 434.
223
Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 36ff.; Hüttner 1997, S. 443ff.
80
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Anbietersystems Marktforschung im Unternehmen“ 224. In eher seltenen Fällen wird die betriebliche Marktforschung außen vor gelassen, und es besteht ein direkter Kontakt zwischen Institut und Marketing. Dies ist auch der Fall, wenn ein Unternehmen keine betriebliche Marktforschungsabteilung besitzt. 225
3.2.3 Schaffung einer fundierten Informationsgrundlage für das Marketing Die vorangegangenen Ausführungen machten deutlich, dass eine grundlegende Aufgabe der Angebotsseite von Marketinginformationen darin besteht, für das Marketing eine aussagekräftige Informationsgrundlage bereitzustellen. Dies ist nur gegeben, wenn für die zentralen Entscheidungstatbestände des Marketings ausreichend
Informationen
vorliegen
und
Marketingentscheider
bei
ihrer
Entscheidungsfindung auf die erforderlichen problemrelevanten Marketinginformationen zugreifen können. Vor diesem Hintergrund ist für die Angebotsseite von Marketinginformationen – die Datenseite – eine aktive und permanente Auseinandersetzung mit den benötigten Informationsbedarfen des Marketings von besonderer Bedeutung. Die grundlegenden Informationsbedarfe des Marketings lassen sich auf Basis des strategischen Leitkonzepts des Beziehungsmarketings – als Gegensatz zum herkömmlichen Transaktionsmarketing – ableiten.226 Im Zuge des Beziehungsmarketings bildet der Kunde den zentralen Bezugspunkt aller unternehmerischen Tätigkeiten. Insbesondere die im Sinne des Beziehungsmarketings geforderte Orientierung am langfristigen Beziehungserfolg macht eine Priorisierung auf wertvolle Kunden sowie eine interaktive und individualisierte Kundenansprache erforderlich. Verdeutlicht man sich diesbezüglich den Tätigkeitsbereich von Konsumgüterherstellern, so zeichnen sich diese durch eine klare Produkt- bzw. Markenbezogenheit
aus.
Vermarktungskonzepte Distributions-Mix
sind
Produkte
mit
bzw.
Festlegung
demnach
im
Marken von
sowie
Preis-,
zugrunde
liegende
Kommunikations-
Beziehungsmarketing
kunden-
und bzw.
marktorientiert zu gestalten. Um im Sinne einer marktorientierten Unternehmens224
Roleff 2001, S. 101 (im Original mit Fettdruck).
225
Siehe ausführliche Erläuterungen bezüglich der Distributionskanäle für Marktforschungsinformationen bei Roleff 2001, S. 100ff.
226
Vgl. für eine Gegenüberstellung von Transaktions- und Beziehungsmarketing Diller 2001b, S. 165; Diller/Haas/Ivens 2005, S. 27.
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
81
führung agieren zu können, muss darüber hinaus gewährleistet sein, dass sich sämtliche Entscheidungen des Marketings an den Marktgegebenheiten bzw. Marktchancen und -risiken sowie an den Branchen- und Wettbewerbsstrukturen orientieren. Prinzipiell ist ein derartiges Vorgehen im Sinne des Beziehungsmarketings nur möglich, wenn Entscheidungsträgern im Marketing umfassende Informationen über die jeweiligen Objektbereiche zur Verfügung stehen. Die Informationsbedarfe von Marketingentscheidern werden daher vorwiegend durch ein beziehungsorientiertes Marketingmanagement determiniert; sie ergeben sich aus den Rahmenbedingungen eines beziehungsorientierten Marktgeschehens und lassen sich in „Kunde“, „Produkt/Marke“, „Markt“ und „Wettbewerb“ aufgliedern. Auch die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten Expertengespräche machten deutlich, dass diese Objektbereiche die wesentlichen Informationsbedarfe von Marketingentscheidern eines Konsumgüterherstellers umfassen. Für die einzelnen Objektbereiche benötigt das Marketingmanagement bei der Entscheidungsfindung – sowohl bei strategischen als auch bei operativen Marketingentscheidungen – je nach Entscheidungstatbestand spezifische Informationen. Diese Marketinginformationen stammen aus heterogenen Quellen und umfassen neben internen „automatisch“ anfallenden Marketingdaten auch (extra) extern zu erhebende Daten sowie aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten. Für die Entscheidungsund Entscheiderunterstützung im Marketing werden also sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Marketingdaten benötigt. Die Notwendigkeit einer Ergänzung bzw. Anreicherung der internen „automatisch“ anfallenden Daten kann ein Unternehmen grundsätzlich dazu veranlassen, externe Marketingdaten zu ordern; diese reichern die intern vorliegenden Daten häufig durch eine erklärende Komponente an und sind im Marketing insbesondere für die Analyse hypothetischer Konstrukte, wie beispielsweise Image, Einstellung und Zufriedenheit, von Bedeutung. Aussagekräftige Informationen erhält das Marketing also erst, wenn die unternehmensinternen Marketingdaten durch unternehmensexterne Daten angereichert
werden;
interne
und
externe
Marketingdaten
ergänzen
sich
wechselseitig. Diese beiden Kategorien sind insofern komplementär, als – abhängig von Quantität und Qualität der Daten, die dem Marketing bereits intern vorliegen, – mehr oder weniger auf externe Daten zugegriffen werden muss, um eine adäquate
82
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Marketingdatenbasis für den Prozess der Entscheidungsfindung zu schaffen. 227 Obwohl die heutige Informations- und Kommunikationstechnologie die Speicherung und
Verarbeitung
enormer
Datenvolumina
ermöglicht,
sollten
bei
der
Informationsbeschaffung und -bereitstellung dennoch ökonomische Restriktionen im Sinne eines ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses beachtet werden. Das Marketingmanagement hat sich stets die Frage zu stellen, ob die Informationen „nice to know“ oder „need to know“ sind. Im Sinne des „need to know“-Prinzips sind nur diejenigen
Marketingdaten
zu
erheben,
welche
auch
tatsächlich
für
die
Entscheidungsfindung im Marketing benötigt werden.
3.3
Kluft zwischen Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
In den vorangegangenen Abschnitten wurden zum einen die Nachfrageseite von Marketinginformationen – die Entscheidungsseite des Marketings – und zum anderen die Angebotsseite von Marketinginformationen – die Datenseite des Marketings – detailliert analysiert. Auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen wurden die Aufgaben und prozessorientierten Tätigkeiten im Marketing aufgezeigt
sowie
idealtypische
Ausprägungen
von
Marketingentscheidungen
charakterisiert. Dabei wurde festgestellt, dass Marketingentscheider für einzelne Tätigkeitsbereiche sowie für unterschiedliche Arten von Entscheidungen jeweils spezifische Informationen benötigen. Des Weiteren wurde neben dieser eher objektiv-sachlichen Ebene der Marketingentscheidung das Informations- und Entscheidungsverhalten von im Marketing tätigen Entscheidern untersucht. Die grundlegende Erkenntnis diesbezüglich besteht darin, dass Marketingentscheider offenbar schon allein aufgrund ihrer limitierten Informationsverarbeitungskapazität nur begrenzt rational handeln. Entscheidungsträger besitzen in der Regel einen eigenen kognitiven Stil – determiniert durch spezifische aktivierende und kognitive
227
Im Hinblick auf Kosten-Nutzen-Aspekte ist stets abzuwägen, ob es vorteilhafter ist, möglichst viele Daten intern zu beschaffen oder angesichts des Aufwands und der damit verbundenen Kosten die Datenbeschaffung zu externalisieren bzw. vermehrt auf externe Daten zuzugreifen. Welche bzw. wie viele Daten letztendlich intern erhoben werden und bei welchen Daten auf unternehmensexterne Quellen zugegriffen wird, gestaltet sich bei einzelnen Unternehmen unterschiedlich und ist von einer Vielzahl von Faktoren, wie zum Beispiel der Unternehmensgröße, dem vorhandenen Fachwissen einzelner Abteilungen oder auch von unternehmenspolitischen Grundsätze abhängig (siehe ausführlich zur Diskussion über Vor- und Nachteile der Externalisierung von Informationsdiensten Roleff 2001, S. 271ff.; Hammann/Erichson 2000, S. 52f.).
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
83
Dimensionen –, der sich vor allem im Verhalten der Informationsgewinnung und -verarbeitung niederschlägt. Dahingehend lassen sich im Marketing spezifische Entscheidungsstile und Entscheidertypen sowie spezifische Problemlösestrategien von Marketingmanagern unterscheiden. Im Gegenzug stand auf der Datenseite die Analyse des Informationsangebots im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei wurde verdeutlicht, dass die Angebotsseite von Marketinginformationen neben intern in der Regel automatisch anfallenden Marketingdaten auch extern (extra) zu erhebende Daten sowie aggregierte Marktbzw.
Marktforschungsdaten
bereitstellen
muss,
um
die
komplexen
Entscheidungstatbestände des Marketings ausreichend erforschen zu können. Zusammenfassend
besteht
die wichtigste Erkenntnis für den vorliegenden
Untersuchungsgegenstand der Arbeit demnach darin, dass es die Aufgabe der Angebotsseite von Marketinginformationen sein muss, eine aussagekräftige, fundierte Informationsgrundlage für das Marketing zu schaffen, um die vielfältigen Informationsbedarfe des Marketings möglichst gut zu befriedigen. Sicherlich
ist
in
Abhängigkeit
vom
jeweiligen
Entscheidungsproblem
eine
unterschiedliche Art der Zusammenarbeit zwischen Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen erforderlich. So erscheint es in manchen Fällen als ausreichend, wenn ein Marketingentscheider zur richtigen Zeit auf die für ihn relevanten
Informationen
zugreifen
kann.
Bei
komplexeren
Frage-
bzw.
Problemstellung hingegen ist eine engere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren beider Seiten erforderlich. Grundsätzlich sind ein erfolgreiches Agieren und damit eine Verbesserung der Entscheidungsqualität im Marketing nur möglich, wenn das „Zusammenspiel“
zwischen
der
Nachfrage-
und
der
Angebotsseite
von
Marketinginformation funktioniert. Dies ist jedoch nicht immer gegeben; vielmehr besteht im Marketing oftmals eine Kluft zwischen diesen beiden Seiten. Eine grundlegende Ursache für die existierende Kluft zwischen der Nachfrage- und der Angebotsseite von Marketinginformationen liegt häufig in der bestehenden Diskrepanz zwischen Informationsnachfrage und Informationsangebot. Aufgrund der zunehmenden Komplexität und Dynamik von Marketingentscheidungen benötigen Marketingmanager immer schneller aktuelle Informationen aus heterogenen Quellen. Auf
der
Datenseite
steigt
aufgrund
der
verbesserten
Informations-
und
Kommunikationstechnologie das Angebot von Marketingdaten permanent an; neben Daten des Controllings stehen Kunden-, Vertriebs- und Wettbewerbsdaten sowie
84
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
Markt- und Marktforschungsdaten zur Verfügung. Eine solche Datenflut aus heterogenen Informationsquellen bedeutet jedoch keineswegs eine verbesserte Entscheidungshilfe für den Marketingentscheider, sondern oftmals wird es für den Marketingentscheider immer schwerer, aus der Vielzahl der verfügbaren Daten die tatsächlich für sein Entscheidungsproblem relevanten Informationen zu selektieren und darauf basierend eine fundierte Entscheidung zu treffen. Zudem fehlen häufig Verknüpfungen zwischen den heterogenen Marketingdaten, so dass keine einheitliche Datenbasis gegeben ist, auf die Marketingentscheider zugreifen können. Darüber hinaus bestehen für spezifische Informationsbedarfe des Marketings dennoch Daten- bzw. Informationslücken. Neben diesem objektiv-sachlichen Informationsbedarf, der sich vorwiegend an der Art der zu treffenden Marketingentscheidung sowie an der jeweiligen Phase des Entscheidungsprozesses Marketinginformationen einzelner
orientiert, auch
den
Marketingentscheider
Informationsbedarf
resultiert
muss
die
Angebotsseite
subjektiv-persönlichen befriedigen.
einerseits
aus
der
Der
von
Informationsbedarf subjektiv-persönliche
beschränkten
Informations-
verarbeitungskapazität von Menschen und andererseits aus den kognitiven Stilen von Entscheidungsträgern. So treffen manche Marketingmanager – unter anderem geprägt von bestimmten Persönlichkeitseigenschaften – Entscheidungen eher heuristisch, andere hingegen eher analytisch; vielfach kommen daher gerade in komplexen Entscheidungssituation, wie es im Marketing der Fall ist, spezifische Problemlösestrategien
zum
Einsatz.
Marketingentscheider
zeigen
individuell
differierendes Entscheiderverhalten entsprechend ihrer subjektiven Persönlichkeitsmerkmale und treffen Marketingentscheidungen entsprechend ihres eigenen kognitiven Stils. In Abhängigkeit vom jeweiligen kognitiven Entscheiderstil fragen demnach manche Marketingentscheider tendenziell mehr Informationen nach, andere hingegen verlassen sich eher auf ihr Bauchgefühl und benötigen daher für die Entscheidungsfindung im Allgemeinen weniger Informationen. Zudem ist nicht jede Information für einzelne Entscheidungsträger im Marketing gleich nützlich. Neben dieser faktisch vorliegenden Diskrepanz zwischen Informationsbedarf und Informationsangebot scheint eine weitere Ursache für die bestehende Kluft zwischen der Entscheidungs- und der Datenseite im Marketing in einer häufig sehr eingeschränkten Zusammenarbeit der beiden Parteien begründet zu sein. In diesem Zusammenhang
verdeutlichen
die
im
Rahmen
dieser
Arbeit
geführten
Experteninterviews, dass aus Sicht der Nachfrageseite von Marketinginformationen
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
85
die Datenseite vielfach ein unzureichendes Leistungs- und Serviceprofil aufweist. Einerseits wird moniert, dass die Angebotsseite von Marketinginformationen sich nicht ausreichend bemüht, dem Marketing entscheidungs- und entscheiderrelevante Informationen zeitnah zur Verfügung zu stellen. Andererseits werden häufig auch fehlende Kompetenzen der Informationslieferanten bezüglich der Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Daten kritisiert. Des Weiteren beklagen sich einige Marketingmanager
über
die
Passivität
der
Angebotsseite
von
Marketing-
informationen. So interessieren sich Akteure der Datenseite oftmals gar nicht für die Problem- und Fragestellungen des Marketings und bringen sich daher auch nicht proaktiv in die Entscheidungsprozesse (beispielsweise durch Erfahrungswissen aus früheren (ähnlichen) Fragestellungen) ein. Da sie zudem oftmals nur unzureichende Markt- und Branchenkenntnisse besitzen, können sie dem Marketing auch keine wirklich relevanten sachbezogenen Marketinginformationen liefern sowie zusätzliche Serviceleistungen (beispielsweise in Form von beratenden Tätigkeiten) bieten. Aufgrund dieser oder ähnlicher Punkte beurteilen Marketingentscheider die Angebotsseite von Marketinginformationen häufig als unzureichend oder gar schlecht.228 Diese Tatsache führt zu einem weiteren Aspekt, der die bestehende Kluft zwischen der Nachfrage- und der Angebotsseite noch vergrößern kann: Aufgrund eines solchen nur geringen Ansehens der Datenseite erachten Marketingentscheider es häufig nicht als notwendig, diese frühzeitig in die Entscheidungsprozesse des Marketings zu integrieren. Schon allein aus diesem Grund ist es der Angebotsseite von
Marketinginformationen
oft
nur
möglich,
die
Aufgabe
eines
„reinen
Datenlieferanten“ für das Marketing zu übernehmen. Manche Entscheidungsträger wollen ferner nicht, dass sich die Datenseite in die Entscheidungsprozesse des Marketings „einmischt“; sie sehen diese eben nur als Datenlieferanten und wünschen auch
keine
zusätzlichen
Serviceleistungen
von
der
Angebotsseite
von
Marketinginformationen. Darüber hinaus zeigen Marketingentscheider oftmals lediglich ein geringes Interesse an der eigentlichen Arbeit der Datenseite. Ihnen ist es nur wichtig, dass sie die gewünschten Marketinginformationen in ausreichender Qualität möglichst schnell erhalten. Aufgrund derartiger Aspekte beklagen Akteure
228
Vgl. auch Mahmoud 2004, S. 576ff.
86
Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen
der Angebotsseite von Marketinginformationen oftmals eine mangelnde Einbindung in die Marketingprozesse. 229 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, diese bestehende
Kluft
zwischen
der
Angebots-
und
der
Nachfrageseite
von
Marketinginformationen zu überbrücken und so die Entscheidungsqualität im Marketing nachhaltig zu verbessern. Genau an dieser Stelle setzt der Gedanke von Marketing Intelligence an, welche das Ziel einer Verknüpfung von Entscheidungsund Datenseite im Marketing verfolgt. Erst wenn das „Zusammenspiel“ zwischen diesen beiden Seiten funktioniert, ist eine effektive und effiziente Entscheidungs- und Entscheiderunterstützung
durch
die
Generierung
von
entscheidungs-
und
entscheiderrelevantem Marketingwissen möglich. Auf diese Weise kann Marketing Intelligence schließlich dazu beitragen, die Entscheidungsqualität im Marketing zu verbessern. Nachdem nun die Notwendigkeit von Marketing Intelligence zur Überbrückung
der
bestehenden
Kluft
zwischen
der
Nachfrage-
und
der
Angebotsseite von Marketinginformationen begründet wurde, folgt im nächsten Abschnitt zunächst eine theoretisch-konzeptionelle Fundierung. Darauf aufbauend werden anschließend Handlungsempfehlungen für eine inhaltliche Ausgestaltung von Marketing Intelligence abgeleitet.
229
Vgl. auch Mahmoud 2004, S. 569ff.
4
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence – Entwicklung eines Konzepts zur Überbrückung der Kluft zwischen Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
In diesem Kapitel werden nun nach einer kurzen begrifflichen Präzisierung von Marketing Intelligence theoretisch-konzeptionelle Grundlagen aufgezeigt, um darauf aufbauend ein Rahmenkonzept abzuleiten, welches Marketing Intelligence als intermediäre Funktion zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen charakterisiert.
4.1
Begriffliche Präzisierung von Marketing Intelligence
4.1.1 „Intelligenz“ – Ambivalenz eines Begriffs Der Begriff „Intelligenz“ leitet sich vom lateinischen Verb „intellegere“ ab, das sich aus „inter“ und „legere“ zusammensetzt, und eigentlich „zwischen etwas auswählen“ bedeutet. Übersetzt wird „intellegere“ in der Regel jedoch mit „erkennen, verstehen“.230 „Erkennen, verstehen“ hat demnach offenbar etwas mit „auswählen, orientieren“ zu tun. Unter Intelligenz wird die Fähigkeit eines Individuums verstanden, durch selektive Aufnahme, Speicherung und Anwendung von Informationen eine gewisse Kenntnis seiner Umgebung zu erlangen, sich durch problemlösendes und vorausschauendes Verhalten in neuen Situationen zurechtzufinden sowie die Reaktionen der Umwelt zumindest zum Teil vorherzusehen. 231 Intelligenz im umfassenden Sinne beinhaltet demnach zwei zentrale Aspekte: Zum einen die Fähigkeit, Sachverhalte zu begreifen, das heißt nicht nur von ihnen Kenntnis zu erlangen, sondern sie mittels Intellekts zu verstehen und zu deuten (Prozess der Intelligenz); zum anderen als Resultat die Lösung von Problemen, die Bewältigung neuer Anforderungen und Situationen (Produkt der Intelligenz). Der englische Begriff „Intelligence“ steht neben „Intelligenz“ auch für „Informationen“ sowie für „Geheim- und Nachrichtendienst“. Bei Intelligenz im Sinne von Geheimund Nachrichtendienst handelt es sich um „Nachrichten“ und „Meldungen“, wie etwa
230
Vgl. Brockhaus 1996, S. 590.
231
Vgl. Winterheller 2000, S. 18.
88
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
bei der „Central Intelligence Agency“ (CIA), dem amerikanischen Geheimdienst.232 In diesem Zusammenhang wird „Intelligence“ insbesondere aus dem Blickwinkel der Suche beschrieben, da die zentralisierte und konzentrierte Suche als eine der wesentlichen Aufgaben der CIA anzusehen ist. Diese Begriffsannäherung hebt zwei Aspekte hervor: Die Suche nach relevanten Informationen sowie die Integration der bestehenden Informationen in einen umfassenderen Prozess. 233 Im betriebswirtschaftlichen Kontext ist der Terminus „Intelligence“ am treffendsten mit „tiefgehende Kenntnisse und Einsichten in einen Sachverhalt“ zu übersetzen. 234 Hierfür ist zunächst die Beschaffung und Analyse von Informationen über das Unternehmen und sein Umfeld erforderlich. In einem weiteren Schritt werden die relevanten Informationen interpretiert, um Einsichten zu erlangen sowie schließlich mögliche Alternativen bewerten und gegebenenfalls auswählen zu können. 235 Zu differenzieren ist hierbei zwischen „Strategic Intelligence“ und „Tactical Intelligence“: Während
„Strategic
Intelligence“
für
die
Implementierung
zukünftiger
Unternehmensstrategien herangezogen wird, werden auf Basis der „Tactical Intelligence“ vor allem Entscheidungen im Rahmen der operativen Geschäftstätigkeit getroffen.236 In diesem Zusammenhang wird häufig auch der Begriff „Business Intelligence“
verwendet,
worunter
–
sofern
man
diesen
in
informations-
technologischer Verkürzung nicht einfach gleich setzt mit Data Warehouse und Data Mining237 – „die entscheidungsorientierte Sammlung, Aufbereitung und Darstellung geschäftsrelevanter Informationen zur Planung, Steuerung und Kontrolle des Unternehmens“238 verstanden wird. Grundlegender Ausgangspunkt der Intelligenzforschung sind Theorien239, die versuchen, die menschliche Intelligenz zu erklären. Erst in den 70er Jahren begann man, diese psychologischen Erkenntnisse auf Systeme und Unternehmen zu 232
Vgl. Matsuda 1993, S. 13; Wilensky 1967, S. 8f.
233
Vgl. Grothe/Gentsch 2004, S. 20f.
234
Vgl. Boch/Echter/Haidvogl 1997, S. 46.
235
Vgl. Boch/Echter/Haidvogl 1997, S. 46ff.
236
Vgl. Rothberg/Erickson 2005, S. 5; Boch/Echter/Haidvogl 1997, S. 46.
237
Vgl. beispielsweise Amberg 2004, S. 52.
238
Schimmel-Schloo 2003, S. 54. Vgl. hierzu auch Gentsch/Grothe 2000, S. 17; Schildhauer et al. 2004, S. 20ff.
239
Zu den bedeutendsten Ansätzen der Intelligenzforschung zählen psychometrische Theorien (vgl. u. a. Spearman 1904 und 1927; Thurstone 1938), der Ansatz der Informationsverarbeitung (vgl. u. a. Sternberg 1977; Vernon 1987) sowie die Theorie der Multiplen Intelligenz von Howard Gardner (vgl. Gardner 1993 und 2002) und die Triarchische Theorie von Robert Sternberg als neuere Forschungsansätze (vgl. Sternberg 1996).
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
89
projizieren. In Analogie zur menschlichen Intelligenz umfasst der Begriff der Intelligenz in der Forschungsrichtung der Künstlichen Intelligenz die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, Sprache zu verstehen und zu produzieren, über Wissen zu verfügen, zu lernen sowie logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Den Zusammenhang zwischen Wissen und intelligentem Verhalten von Regierung und Industrie erörtert Wilensky bereits 1967 und prägt damit den Begriff der organisationalen
Intelligenz.
Zentraler
Bestandteil
der
Intelligenz
einer
Unternehmung sind nach Wilensky analysierte und bewertete Informationen 240 im Sinne von Wissen, die gefiltert und bereinigt sind. Wissen fasst er dabei als Kern einer „intelligenten” Entscheidungsfindung auf. „Intelligence turns intellectual capital into actionable knowledge for strategic decision-makers in the organization.”241 Dies bedeutet, dass Intelligenz erst durch die Nutzung oder Aktivierung von Wissen entstehen kann. Zusammenfassend lässt sich für die Übertragung der Intelligenzansätze auf Organisationen
somit
sagen,
dass
jene
über
Intelligenz
verfügen,
die
Zusammenhänge erkennen und verstehen sowie darauf aufbauend ein kompetentes Verhalten
ableiten
können.
Dabei
entscheiden
Aspekte
wie
die
Problemlösungsfähigkeit, die Veränderungs- und Lernfähigkeit einer Organisation, aber auch das Vorhandensein einer organisationalen Wissensbasis sowie das Wissen der Mitarbeiter über die „Intelligenz“ eines Unternehmens. Intelligenz eines Unternehmens erfordert insgesamt eine erfolgreiche Anwendung organisationaler Wissens- und Lernpotenziale.242
240
„High-quality intelligence designates information that is clear because it is understandable to those who must use it; timely because it gets to them when they need it; reliable because diverse observers using the same procedures see it in the same way; valid because it is cast in the form of concepts and measures that capture reality (the tests include logical consistency, successful prediction, congruence with established knowledge or independent sources); adequate because the account is full (the context of the act, event, or life of the person or group is described); and wide-ranging because the major policy alternatives promising a high probability of attaining organizational goals are posed or new goals suggested” (Wilensky 1967, S. VIIIf.).
241
Rothberg/Erickson 2005, S. 4.
242
Vgl. Neumann 2000, S. 3f.; North 2005, S. 32ff.
90
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
4.1.2 Terminologische Hintergründe von Marketing Intelligence Die Auslegung des Begriffs „Marketing Intelligence“ ist maßgeblich von den Fragestellungen des jeweiligen Autors und seinem wissenschaftlichen Umfeld geprägt. Einige Autoren verwenden ein ziemlich reduziertes, eingeschränktes Begriffsverständnis: Marketing Intelligence ist für sie lediglich die Versorgung des Marketingmanagements mit verfügbaren, entscheidungsrelevanten Informationen. 243 So sieht beispielsweise Kelley (1965 und 1968), einer der Pioniere von Marketing Intelligence, dieses Konzept als kontinuierliche Beobachtung sich ändernder Gegebenheiten. 244 Die Aufgabe einer Marketing Intelligence besteht also in der fortlaufenden Versorgung des Managements mit aktuellen Informationen, die sowohl internen als auch externen Quellen entstammen. 245 Die zielgerichtete Aufbereitung interner und externer Informationen sowie deren systematische Weiterleitung an entsprechende
Stellen
im
Unternehmen
sollten
durch
eine
zentrale
Unternehmensabteilung erfolgen, die direkt der Unternehmensführung unterstellt ist. Resultat ist die Versorgung des Managements mit aktuellen und verlässlichen Informationen, die schnellere Reaktionen auf Umweltveränderungen und eine Verbesserung
strategischer
Entscheidungen
ermöglicht.246
Zusammenfassend
charakterisiert folgendes Zitat das Begriffsverständnis von Marketing Intelligence in diesem Sinne: „The right information must get to the right people at the right time.” 247 Andere Autoren hingegen verwenden ein vergleichbar enges, aber anderes Begriffsverständnis; sie gebrauchen den Terminus „Marketing Intelligence“ im Kontext
von
Marketing-Informationssystemen
bzw.
Marketing-Entscheidungs-
unterstützungssystemen. 248 In diesem Sinne ist Marketing Intelligence etwa für Kotler das „Marketing-Nachrichtensystem“249, innerhalb dessen nur öffentlich verfügbare Informationen über Wettbewerber und Entwicklungen der Unternehmensumwelt 243
Vgl. beispielsweise Kelley 1965; Kelley 1968; Drake/Millar 1969.
244
Vgl. Kelley 1965; Kelley 1968.
245
Vgl. Kelley 1968, S. 1ff.; Kelley 1965, S. 19ff. Hierbei differenziert Kelley in Abhängigkeit von der zu treffenden Entscheidung des Managements zwischen „Strategic Marketing Intelligence“ und „Tactical Marketing Intelligence“: „Strategic Marketing Intelligence“ bezieht sich auf strategische Entscheidungen, welche die grundlegenden, langfristig festgesetzten Ziele eines Unternehmens betreffen; „Tactical Marketing Intelligence“ hingegen findet ihre Anwendung bei taktischen bzw. operativen Marketingentscheidungen, welche sich auf einen kürzeren Zeithorizont beziehen und nicht fundamental für das Überleben des Unternehmens sind (vgl. Kelley 1968, S. 8ff.).
246
Vgl. Kelley 1968, S. 21ff.
247
Kelley 1968, S. 167.
248
Vgl. Kotler 2002; Le Bon/Merunka 2006; Lackman/Saban/Lanasa 2000.
249
Vgl. Kotler/Bliemel 2006, S. 192.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
91
erfasst werden. 250 Er sieht Marketing Intelligence lediglich als Subsystem eines Marketing-Informationssystems (siehe Abbildung 6).
Marketing Managers and Other Users Analysis
Planning
Implementation
Organization
Control
Marketing Information System Developing needed information Assessing information needs
Internal databases
Information analysis
Marketing Intelligence
Marketing research
Distributing and using information
Marketing Environment Target markets
Abbildung 6: Quelle:
Marketing channels
Competitors
Publics
Macroenvironment forces
Das Marketing-Informationssystem (MAIS) Kotler/Armstrong 2006, S. 102.
Aus Abbildung 6 wird ersichtlich, dass Marketingmanager oder auch andere SystemUser zur Analyse, Planung, Durchführung, Organisation und Kontrolle ihrer Maßnahmen Informationen über das Marketingumfeld benötigen, beispielsweise über
Zielmärkte,
Marketingkanäle,
Wettbewerber,
externe
und
interne
Interessengruppen sowie Faktoren aus der Makroumwelt. Dazu ist zunächst der Informationsbedarf eines Marketingentscheiders zu ermitteln. Die Bereitstellung der benötigten Informationen erfolgt sodann durch die vier Subsysteme des MarketingInformationssystems: die Subsysteme „Internal Databases“, „Marketing Intelligence“ und „Marketing Research“ sammeln die Informationen und das Subsystem 250
Marketing Intelligence ist für Kotler „systematic collection and analysis of publicly available information about competitors and developments in the marketplace […] to improve strategic decision making, assess and track competitors’ actions, and provide early warning of opportunities and threats” (Kotler/Armstrong 2006, S. 104).
92
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
„Information Analysis“ bereitet diese auf. Die entscheidungsrelevanten Informationen werden schließlich dem Entscheidungsträger zur Verfügung gestellt bzw. von diesem abgerufen, um ihn bei seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen. Grundsätzliches Ziel des Marketing Intelligence-Subsystems ist die Verbesserung der strategischen Entscheidungsfindung durch kontinuierliche Bereitstellung von Informationen über entscheidungsrelevante Entwicklungen im Marketingumfeld. Im Vordergrund steht die frühzeitige Aufdeckung von Chancen und Risiken des Unternehmens und insbesondere die Beobachtung und Analyse des Verhaltens der Wettbewerber. Interne Datenbanken, beispielsweise aus Controlling oder Vertrieb, sowie Daten aus der Marktforschung werden allerdings nicht unter den Begriff Marketing Intelligence subsumiert, sondern als separate Subsysteme des Marketing-Informations-Systems gesehen. Während Kotler Marketing Intelligence lediglich als Subsystem eines Marketing-Informationssystems betrachtet, verstehen andere Autoren unter einem Marketing Intelligence-System ein System, das für die Sammlung, Analyse, Interpretation und Weiterleitung von Informationen zuständig ist. Allerdings handelt es
sich
auch
hierbei
lediglich
um
aufbereitete
Informationen,
die
den
Entscheidungsträger im Marketing bei seiner Entscheidungsfindung unterstützen sollen.251 Wieder
andere
Autoren
legen
Marketing
Intelligence
ein
umfassenderes
Begriffsverständnis zugrunde und verstehen darunter analysierte und interpretierte Informationen, welche gegenwärtige und zukünftige Situationen im Marketing erklären.252
„Intelligence“
information“253,
das
bedeutet
heißt
in
diesem
glaubwürdige,
Zusammenhang
aussagekräftige
und
„evaluated relevante
Informationen, die für die Erstellung von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, wie etwa
Marktanteil,
Absatz-
und
Umsatzschätzungen,
sowie
für
Prognosen
herangezogen werden. Die Bereitstellung, Analyse und Interpretation entsprechend unternehmensinterner und -externer Informationen, die an Marketingmanager in entscheidungsadäquater Form weitergeleitet werden, erfolgen in der Regel durch ein Marketing-Intelligenz-System. Bei Marketing Intelligence handelt es sich folglich um aufgewertete Informationen – dem Marketingmanager werden analysierte und interpretierte
Informationen
zur
Verfügung
gestellt,
Entscheidungsfindung im Marketing zu verbessern.
251
Vgl. beispielsweise Lackman/Saban/Lanasa 2000, S. 6.
252
Vgl. Jaffe 1979, Grooms 2001.
253
Jaffe 1979, S. 54.
um
die
Qualität
der
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
93
Daneben existieren zahlreiche, zum Teil eher praxisorientierte Beiträge, welche sich mit Marketing Intelligence beschäftigen. 254 Auch die Autoren dieser Beiträge verwenden den Begriff „Marketing Intelligence“ sehr divergent; gemeinsamer Ausgangspunkt der Betrachtung ist hier die Marktforschung. Häufig wird auf die Notwendigkeit der Integration von Marktforschungsdaten mit unternehmensinternen Daten verwiesen. Hierzu ist es erforderlich, die heterogenen Daten bzw. Datenbestände zu systematisieren, zu komprimieren sowie sachlich, zeitlich und formal zu harmonisieren, um deren Verknüpfbarkeit und Aussagefähigkeit zu steigern. Weiterhin appellieren einige Autoren an den Einsatz innovativer Methoden der Datenerhebung sowie an die Implementierung spezieller Systeme, welche eine an den Informationsbedürfnissen der Anwender orientierte Analyse und Interpretation der integrierten Datenbestände ermöglichen. Auf diese Weise können „Insights“ – tiefgründige Einblicke insbesondere in das Verhalten der Konsumenten – generiert werden. Darüber hinaus wird häufig die Notwendigkeit einer Marketingberatung durch die Marktforschung – im Sinne von „Fact Based Marketing Consultancy“ – in den Kontext von Marketing Intelligence gestellt. Prinzipiell werden in diesen Beiträgen
vornehmlich
Aspekte
angesprochen,
wie
sich
die
traditionelle
Marktforschung verändern muss, damit ihr auch weiterhin eine entscheidende Rolle bei Entscheidungsprozessen im Marketing zukommt. Es wird deutlich, dass sowohl in der Theorie als auch in der Praxis keine einheitliche Verwendung des Begriffs „Marketing Intelligence“ vorliegt. Vielfach wird unter Marketing
Intelligence
primär
die
Informationsversorgung
des
Marketing-
managements verstanden. In Erweiterung bzw. Ergänzung der traditionellen Marktforschungsaufgabe sollen alle relevanten unternehmensinternen und -externen Informationen aus dem Unternehmen und dessen Umfeld bereitgestellt (und gegebenenfalls aufbereitet) werden, die dem Marketingmanagement sodann „gute“ Entscheidungen ermöglichen. Marketing Intelligence dient dazu, Marketingmanager rechtzeitig auf Chancen und Risiken, die aus dem Marketingumfeld des Unternehmens resultieren, aufmerksam zu machen. Neuere Beiträge gehen in dieser Hinsicht bereits einen Schritt weiter: Es geht nicht mehr um die bloße Versorgung des Managements mit (aufbereiteten) Informationen, sondern vor allem um die Gewinnung und Bereitstellung von Marketing Insights. Ausgangspunkt dieser Ansätze ist – wie bereits erwähnt – die Marktforschung. Durch Analyse und
254
Vgl. Smith 2007a; Rosinski 2007; Oktar/Erdo÷an 2007; Diller 2007, S. 333ff.; Wimmer/Göb 2006; Wimmer/Göb 2005; Zerr 2004; Weßner 2003; Smith/Fletcher 2001, S. 169.
94
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Interpretation
integrierter,
problemrelevanter
Marketinginformationen
ist
die
Generierung von Marketing Insights möglich, die tiefgehende Einblicke in die jeweiligen Entscheidungstatbestände des Marketings gewährleisten. Weitgehend unbeachtet bleibt allerdings auch hier, dass handlungsorientiertes Marketingwissen und
damit
ein
Mehrwert
für
das
Marketing
erst
entstehen,
wenn
Marketinginformationen bzw. Marketing Insights auch in die Entscheidungsprozesse des Marketings integriert werden. Der Entscheider muss also die tatsächlich problemrelevanten,
integrierten
Informationen
in
den
Kontext
seines
Erfahrungswissens einbetten und sie mit seinem Verstand bewerten, um zu entscheidungs- und entscheiderorientiertem Marketingwissen zu gelangen; erst daraus lassen sich schließlich konkrete Schlussfolgerungen für sein Handeln ziehen.
4.1.3 Marketing Intelligence als Konzept zur Verbesserung der Entscheiderund Entscheidungsunterstützung im Marketing Das Kernproblem des in der vorliegenden Arbeit betrachteten Praxisausschnitts besteht darin, relevante Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesse so zu integrieren, dass sie für Entscheidungsträger im Marketing auch tatsächlich nützlich sind. Nur dann kann entscheider- und entscheidungsrelevantes Marketingwissen generiert
und
verfügbar
gemacht
werden,
das
der
Unterstützung
von
Marketingentscheidern dient. Von daher ist für Marketing Intelligence eine Definition zu entwickeln, die beide Seiten, die Angebotsseite von Marketinginformationen (Datenseite)
und
die
Nachfrageseite
von
Marketinginformationen
(Entscheidungsseite), zusammenbringt. Die zentrale Aufgabe auf der Datenseite stellt die Datenintegration dar. Die vielfältigen, heterogenen Daten und Informationen (wie Marktforschungsdaten, Kunden-, Wettbewerbs- und Branchendaten, Vertriebsdaten sowie Daten aus dem Controlling)255 sind zu einer einheitlichen Datenbasis zu verdichten. Hierdurch entstehen integrierte Marketingdaten, die mittels ausgewählter Methoden analysiert und aufbereitet werden können. Im Rahmen von Marketing Intelligence soll also die Datenseite
255
für
die
Bereitstellung
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2.
einer
integrierten,
holistischen
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
95
Marketinginformationsbasis sowie für die Generierung von Marketing Insights zuständig sein.256 Auf der Entscheidungsseite besteht die zentrale Aufgabe in der Datenanreicherung, die über die Analyse der Marketinginformationen hinaus eine problembezogene Interpretation sowie eine entscheidungsorientierte Aufbereitung der Ergebnisse in Richtung umsetzbarer Handlungsempfehlungen erforderlich macht. Ausgehend von einer konkreten Problem- bzw. Fragestellung sollte ein Marketingentscheider auf problemrelevante (und nur auf solche!) sowie integrierte Marketinginformationen bzw. Marketing Insights zugreifen können, die ihm von der Datenseite zur Verfügung gestellt werden. Wenn er diese dann noch in seinen Erfahrungsschatz einbettet und mit
seinem
Verstand
bewertet,
so
entsteht
Marketingwissen
bzw.
wird
Marketingwissen genutzt. Auf Basis dieses Wissens kann er – häufig ergänzt durch eine profunde Marketingberatung der Datenseite – Entscheidungen treffen, die ein „intelligentes“ Handeln im Marketing ermöglichen können. 257 Für die Generierung von Marketingwissen ist demnach eine enge Zusammenarbeit von Daten- und Entscheidungsseite unabdingbar. Sowohl von den Marketingentscheidern als auch von den Informationsanbietern 258 sind bestimmte Aufgaben zu erfüllen, damit eine effektive und effiziente Integration der Informationen in den Marketingentscheidungsprozess erfolgen kann. Erst auf diese Weise ist es möglich, zu entscheidungs- sowie auch entscheiderrelevantem Marketingwissen zu gelangen, das Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Mit „Marketing Intelligence“ wird in diesem Sinne eine Verknüpfung der Datenseite mit der Entscheidungs- bzw. Managementseite postuliert. Kurz gesagt: Die Kernaufgabe von Marketing Intelligence ist „applying information to decision-making“259. Vor diesem Hintergrund wird den weiteren Ausführungen folgende Definition von Marketing Intelligence zugrunde gelegt: „Marketing Intelligence ist ein kontinuierlicher Prozess der Bildung von Marketingwissen aus marketingrelevanten Daten bzw.
256
Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 391ff.
257
Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 395ff.
258
Wenn in der vorliegenden Arbeit von Informationsanbietern bzw. Informationsmanagern gesprochen wird, so sind damit Marktforscher oder Mitarbeiter anderer Bereiche (Marketing, Vertrieb etc.) gemeint, die Tätigkeiten der Angebotsseite von Marketinginformationen, das heißt des Informationsmanagements im Marketing, ausführen.
259
Smith/Fletcher 2001, S. 3.
96
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Informationen sowie subjektiven Erfahrungen mit dem Ziel, Marketingentscheidungen zu verbessern und Marketingentscheider zu unterstützen.“260 Marketing Intelligence überführt in prozessualer Hinsicht vorliegende Daten in Informationen und diese in Wissen. Im Vordergrund steht demnach die Idee, von bloßen Daten über tatsächlich problemrelevante Informationen hin zu entscheiderund handlungsorientiertem, umsetzbarem Marketingwissen zu gelangen. Im Sinne von Marketing Intelligence erscheint
demnach die bloße Versorgung des
Marketingmanagements mit Informationen nicht als ausreichend. Vielmehr ist die Generierung von entscheider- und entscheidungsorientiertem Wissen notwenig, das Marketingentscheider in Form von aussagekräftigen Schlussfolgerungen und fundierten Handlungsempfehlungen bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Grundsätzlich geht es bei Marketing Intelligence auch darum, Fähigkeiten – sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen – zum Management von marketingrelevantem Wissen zu erlangen, um auf diese Weise die bestmögliche Marketingentscheidung treffen zu können.
Angebotsseite von Marketinginformationen (Datenseite)
Abbildung 7:
Marketing Intelligence
Nachfrageseite von Marketinginformationen
Entscheidung
(Entscheidungsseite)
Verbesserung der Entscheidungsqualität
Begriffliche Abgrenzung der Marketing Intelligence
Abbildung 7 verdeutlicht noch einmal den zentralen Ansatzpunkt: Marketing Intelligence
steht
zwischen
Marketinginformationen.
Die
der
Angebots-
Datenseite
und
analysiert
der den
Nachfrageseite Markt
sowie
von das
marktrelevante Umfeld des Unternehmens und generiert somit Informationen; die Entscheidungsseite bearbeitet den Markt und ist letztendlich für den Marketingerfolg verantwortlich. In ihrer intermediären Position trägt Marketing Intelligence dazu bei, beide Seiten besser zu integrieren und hierdurch die Entscheidungs- und 260
Wimmer/Göb 2005, S. 390.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence Entscheiderunterstützung
im
Marketing
sowie
97 letztendlich die
Qualität
von
Marketingentscheidungen zu verbessern.
4.2
Theoretisch-konzeptionelle Einordnung von Marketing Intelligence
Im Folgenden wird eine theoretische Fundierung der Aufgaben von Marketing Intelligence
vorgenommen,
indem
einschlägige
Konzepte
aus
der
Marketingwissenschaft diskutiert werden. Dabei wird Marketing Intelligence zunächst im Kontext von Marketing Controlling betrachtet, um bestehende Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden Konzepte zu erarbeiten sowie darauf basierend erforderliche unternehmensinterne Prozesse und Strukturen einer Marketing Intelligence aufzuzeigen. Diese Ausführungen stellen insbesondere auf die sachlichobjektive Ebene von Marketing Intelligence – die Marketingentscheidung – ab. Des Weiteren
wird
Marketing
Intelligence
vor
dem
Hintergrund
des
Beziehungsmanagements sowie des Konzepts eines internen Marketings betrachtet. Diese marketingtheoretischen Überlegungen aufgreifend erfolgt zunächst die Begründung einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen der Angebotsund der Nachfrageseite von Marketinginformationen; darauf aufbauend werden generelle Gestaltungsempfehlungen einer Marketing Intelligence abgeleitet. Diese Überlegungen beleuchten insbesondere die persönliche Interaktion zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen und betreffen daher vorwiegend die subjektiv-persönliche Ebene von Marketing Intelligence – den Marketingentscheider.
4.2.1 Marketing Intelligence im Kontext von Marketing Controlling Grundsätzlich
wird
unter
Marketing
Controlling
Informationsversorgung für das Marketing-Management“
261
die
„koordinierte
verstanden. Im Hinblick
auf den Marketingentscheidungsprozess bedeutet dies, dass das Marketing Controlling die Teilprozesse – insbesondere die Planung, Organisation und Kontrolle – einer marktorientierten Unternehmensführung durch eine koordinierende
261
Köhler 2005, S. 435.
98
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Informationsversorgung zu unterstützen hat.262 Aufgabe des Marketing Controlling ist daher die „Sicherstellung der Führungsfähigkeit des Marketing-Managements, die sich insbesondere in der ständigen Reaktions- und Anpassungsfähigkeit der Marketing-Führung an veränderte Umwelt- und Unternehmensentwicklungen durch rechtzeitiges Erkennen und Berücksichtigen von Parameteränderungen sowie die frühzeitige Adaption zukünftiger Entwicklungen zeigt“263. Hierzu bedarf es neben der Versorgung des Marketingmanagements mit internen Daten, beispielsweise aus dem Rechnungswesen, auch der Bereitstellung von unternehmensexternen Daten, wie zum Beispiel Marktforschungsdaten. 264 Grundsätzlich soll Marketing Controlling in den einzelnen Phasen des Marketing-Führungsprozesses durch eine umfassende Informationserfassung, -aufbereitung und -darstellung zur Unterstützung des Marketingmanagements beitragen.265 Neben
der
koordinationsorientierten
informationsorientierte
Sichtweise
Betrachtungsperspektive
ist
des
hiermit Marketing
bereits
die
Controlling
angesprochen. 266 Im Mittelpunkt steht eine ziel- bzw. aufgabenorientiert gestaltete Informationsversorgung für alle Funktionen des Marketingmanagements mit dem Ziel, die Effizienz im Marketing zu verbessern. Die inhaltliche Festsetzung der Marketingziele und -pläne sowie die Ausgestaltung mittels spezifischer MarketingMix-Instrumente fallen jedoch in den Aufgabenbereich des Marketingmanagements; das Marketing Controlling soll lediglich geeignete unternehmensinterne Strukturen und Prozesse schaffen, um die Informationsversorgung für den Marketingentscheidungsprozess sicherzustellen.267 Abbildung 8 veranschaulicht die Aufgaben des Marketing Controlling nach Köhler:
262
Vgl. Weber/Schäffer 2006, S. 65f.; Köhler 2006, S. 42f.; Köhler 2001, S. 967; Köhler 2005, S. 435; Weber/Schäffer 2001, S. 8f.; Link/Gerth/Vossberg 2000, S. 14; Horváth 1998, S. 144; Kiesel 1995, S. 50f.
263
Palloks 1991, S. 349. Siehe hierzu auch Weber/Schäffer 2006, S. 68ff.
264
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 796; Möhlen/Zerres 2006, S. 4; Reinecke 2004, S. 55; Reinecke 2000, S. 16.
265
Vgl. Palloks 1991, S. 349; Reichmann 2001, S. 441.
266
Nach Deutschendorf zeichnet sich die deutschsprachige Marketing Controlling-Forschung insbesondere durch die koordinations- und informationsorientierte Betrachtungsperspektive aus (vgl. Deutschendorf 2006, S. 47).
267
Vgl. Köhler 2006, S. 42f.; Köhler 2001, S. 967; Köhler 2005, S. 435 sowie ter Haseborg 1995, Sp. 1543.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
99
Problemspezifische Informationsbereitstellung für verschiedene Marketing-Organisationseinheiten
Koordination der Informationsversorgung durch Marketing-Controlling
Informationen für die Marketingplanung (strategisch/operativ)
Informationen zur Mitarbeiterführung im Marketingbereich
Informationen zur Marketingkontrolle sowie Überwachung im Rahmen von Marketingaudits
Abbildung 8: Quelle:
Informationsorientierte Aufgaben des Marketing Controlling in Anlehnung an Köhler 2006, S. 43.
Die Einordnung von Marketing Intelligence in den Kontext des Marketing Controlling ermöglicht
es,
grundlegende
Rahmenbedingungen
in
organisatorischer
und
struktureller Hinsicht für eine Marketing Intelligence-Konzeption abzuleiten. Dies lässt sich
insbesondere
daran
festmachen,
dass
Marketing
Controlling
systemkoppelnde als auch systembildende Abstimmungsaufgaben erfüllt.
sowohl 268
Als
systemkoppelnde Funktion zählt die Koordination zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite Integration
von
von
Marketinginformationen
Marketinginformationen
in
sowie die
damit
einhergehend
die
Entscheidungsprozesse
des
Marketings zu den wesentlichen Aufgaben des Marketing Controlling; damit ist genau eine der zentralen Aufgaben von Marketing Intelligence angesprochen. Für solche systemkoppelnden Abstimmungsaufgaben umfassen beide Konzepte unter anderem auch systembildende Koordinationsaufgaben: „Die systembildende Funktion besteht in
der
Entwicklung
und
Implementierung
eines
Marketing-Planungs-
und
-Kontrollsystems sowie eines Marketing-Informationsversorgungssystems [bzw. eines Data Warehouses]. Diese Aufgabe der Metaplanung beinhaltet inhaltliche,
268
Vgl. Köhler 2001, S. 967f.
100
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
strukturelle und prozessuale Formalisierungsvorgänge.“ 269 Insgesamt wird damit deutlich, dass Marketing Intelligence – wie auch Marketing Controlling – zur Unterstützung des Marketingentscheidungsprozesses sowohl systemkoppelnde als auch systembildende Abstimmungsaufgaben auszuüben hat. Diese Ausführungen illustrieren, dass zwischen Marketing Intelligence und Marketing Controlling durchaus einige Parallelen bezüglich interner Strukturen und Prozesse erkennbar sind. Neben der Informationsversorgung des Marketingmanagements fällt es in den Aufgabenbereich beider Konzepte, die Planungs- und Kontrollsysteme mit den jeweils verantwortlichen zentralen Serviceabteilungen, wie zum Beispiel der EDV, zu koordinieren. Hierfür sind in der Regel organisationale Richtlinien sowie die Implementierung eines Marketing-Informationssystems bzw. Data Warehouse notwendig.270 In dieser Hinsicht wird beiden Konzepten eher ein instrumenteller Charakter zugeschrieben; es sollen auf der objektiv-sachlichen Ebene geeignete unternehmensinterne
Strukturen
und
Prozesse
zur
Koordination
der
Informationsversorgung und damit für die Integration von Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesses des Marketings etabliert werden. Darüber hinaus zeichnet sich Marketing Intelligence – im Gegensatz zum Marketing Controlling – auch durch einen inhaltlichen Charakter aus. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welche Tätigkeiten aus Perspektive der Angebotsseite von Marketinginformationen erforderlich sind, um Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Marketing Intelligence betrifft zudem nicht nur die bloße Versorgung des Marketingmanagements mit Daten und Informationen, sondern vielmehr die entscheidungsadäquate Integration interner und externer Daten, deren problembezogene Interpretation und Aufbereitung sowie letztendlich die Bereitstellung von Wissen zur Entscheider- und Entscheidungsunterstützung des Marketings. Des Weiteren hat Marketing Intelligence neben der Effizienz, deren Steigerung als das grundlegende Ziel des Marketing Controlling anzusehen ist, auch die Effektivität von Marketingentscheidungen sicherzustellen. Demnach steht hier zusätzlich das „Verstehen“ typischer Fragestellungen des Marketings im Vordergrund, um durch den Einsatz von „richtigen“ Maßnahmen die gesetzten Ziele erreichen zu können. Die Entscheidungen sollen auf Marketing Insights bzw. Marketingwissen basieren, 269
Horváth/Stark 1982, S. 185.
270
Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 832ff.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
101
wodurch ein tiefgründiges Verständnis ausgewählter Problem- und Fragestellungen des Marketings gewährleistet wird. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Konzept des Marketing Controlling grundsätzlich als theoretische Fundierung von Marketing Intelligence herangezogen werden kann. Derartige Ausführungen beziehen sich insbesondere auf die objektiv-sachliche Ebene von Marketing Intelligence; es lassen sich unternehmensinterne
organisatorische
und
strukturelle
Rahmenbedingungen
ableiten, die für eine problemadäquate Informationsversorgung des Marketingmanagements und damit für eine Integration von Marketinginformationen in die Marketingentscheidungsprozesse notwendig sind. Bei Marketing Intelligence ist jedoch – im Gegensatz zum Marketing Controlling, wo die Effizienzsteigerung im Vordergrund steht – auch die Effektivität von Marketingentscheidungen von Bedeutung.
Marketing
Intelligence
besitzt
insgesamt
einen
umfassenderen
Geltungsbereich als das Marketing Controlling; neben instrumentellen Aufgaben zeichnet sich Marketing Intelligence zudem durch einen inhaltlichen Charakter aus.
4.2.2 Beziehungsmanagement und internes Marketing als marketingtheoretische Fundierung Wie
bereits
erläutert,
wird
eine
bloße
Bereitstellung
von
Marketingdaten
(beispielsweise über eine Datenbank) für das Marketingmanagement häufig nicht als befriedigend angesehen. Vielmehr verlangt das Marketingmanagement – auch bedingt durch die zunehmende Komplexität von Marketingentscheidungen – nach handlungsorientiertem Marketingwissen, auf dessen Grundlage gute Entscheidungen getroffen werden können. Um solches Wissen generieren zu können, ist eine interaktive Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen notwendig. Eine problembezogene, fallweise Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren erscheint häufig nicht als ausreichend. Es ist vielmehr eine dauerhafte, enge Beziehung erforderlich. Damit ist die subjektivpersönliche Ebene von Marketing Intelligence angesprochen. Deren inhaltliche Gestaltung basiert in theoretischer Hinsicht insbesondere auf Erkenntnissen des internen Marketings. Zunächst ist jedoch auf die interne Kunden-LieferantenBeziehung zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen einzugehen, welche als Kernelement des internen Marketings zu verstehen
102
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
ist. Hierfür kann das umfassendere Konzept des Beziehungsmanagements als theoretisches Dachkonzept von Marketing Intelligence herangezogen werden. „Im kundenorientierten Prozessmanagement werden wesentliche innerbetriebliche Leistungsprozesse, ausgehend von den [End-]Kundenanforderungen an das Leistungsergebnis, abteilungsübergreifend konzipiert. Auf diese Weise werden Ketten von innerbetrieblichen Kunden-Lieferanten-Beziehungen geschaffen.“271 Eine solche Prozesskette kennzeichnet auch den Prozess von Marketing Intelligence. Die Zusammenarbeit zwischen der Daten- und der Entscheidungsseite im Marketing lässt sich als interne Kunden-Lieferanten-Beziehung interpretieren. In dieser Hinsicht ist die Nachfrageseite von Marketinginformationen, die Entscheidungsseite, als interner Kunde und die Angebotsseite von Marketinginformationen, die Datenseite, als interner Lieferant zu verstehen (siehe Abbildung 9).
Top-Management
Angebotsseite von Marketinginformationen
Interne Kundenorientierung von Marketing Intelligence
Nachfrageseite von Marketinginformationen
Vertrieb
Mittelbare Kundenorientierung von Marketing Intelligence
Kundenservice
Handel Kundenorientierung des Unternehmens
Endverbrauchermarkt
Beitrag von Marketing Intelligence zur externen
Entscheidungsseite
Externe Datenlieferanten (MarktforschungsInstitute) Datenseite
Abbildung 9: Quelle:
Mehrstufige Kundenorientierung von Marketing Intelligence272 in Anlehnung an Roleff 2001, S. 7.
271
Stauss 1995a, Sp. 1052. Vgl. auch Neuhaus 1996, S. 10ff. und Töpfer 1995, S. 548ff.
272
Roleff hat sich in seiner Arbeit ausführlich mit der mehrstufigen Kundenorientierung der Marktforschung beschäftigt (vgl. Roleff 2001, S. 199ff.). Da die Marktforschung zweifelsohne einen der Hauptakteure auf der Angebotsseite von Marketinginformationen – der Datenseite – darstellt, erscheint es zweckmäßig, dieses Modell für die Analyse der internen Kunden-LieferantenBeziehung im Sinne von Marketing Intelligence heranzuziehen.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
103
Die erfolgreiche Etablierung einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen im Sinne von Marketing Intelligence ist nur möglich, wenn es der Datenseite gelingt, „ein echtes internes Marketing- bzw. Kundenverständnis gegenüber den Managern im […] Marketing
entwickeln“ 273
zu
Intelligence).
Eine
solche
(= interne
interne
Kundenorientierung
Kundenorientierung
stellt
von
Marketing
wiederum
die
Voraussetzung dafür dar, dass Marketing Intelligence die externe Kunden- bzw. Marktorientierung hinsichtlich der Kunden im Endverbrauchermarkt fördern kann (= externe Kundenorientierung von Marketing Intelligence). Ob im Rahmen der externen Kundenorientierung die privaten Endverbraucher direkt oder indirekt über den Handel erreicht werden, soll in dieser Arbeit nicht weiter thematisiert werden. Neben unternehmensinternen Daten bezieht das Marketing, wie bereits erwähnt, in der Regel auch externe Daten (beispielsweise von Marktforschungsinstituten). Solche externen Datenlieferanten müssen sich zunächst an der Angebotsseite von Marketinginformationen – ihrem Auftraggeber – orientieren bzw. sich mit ihr abstimmen;
zum
Marketingmanagement
–
der
Nachfrageseite
von
Marketinginformationen – besteht daher häufig nur eine mittelbare Form der Kundenorientierung (= mittelbare Kundenorientierung von Marketing Intelligence). Das Konzept von Marketing Intelligence zeichnet sich demnach durch eine mehrstufige Kundenorientierung aus (vgl. Abbildung 9). Eine derartige Interpretation der Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen impliziert, dass diese in der Regel durch ein langfristiges Beziehungsverhältnis geprägt ist. Darüber hinaus führt der Austausch
von
Leistung
und
Gegenleistung
zu
einem
gegenseitigen
Abhängigkeitsverhältnis der beiden Subsysteme; so ist die Entscheidungsseite gewissermaßen abhängig von der Güte der bereitgestellten Marketingdaten und -informationen, während die Datenseite zum Beispiel auf Anfragen und „eindeutige“ Briefings des Marketings angewiesen ist. 274 Zur Etablierung und insbesondere Gestaltung einer internen Kunden-LieferantenBeziehung zwischen Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen können entsprechende marketingtheoretische Konzepte – insbesondere das Beziehungsmanagement und das Konzept des internen Marketings – herangezogen
273
Roleff 2001, S. 198.
274
Vgl. hierzu Roleff 2001, S. 184f.
104
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
werden. Beziehungsmanagement, das auch im Rahmen von internen KundenLieferanten-Beziehungen eine tragende Rolle einnimmt, ist allgemein definiert als die „Gesamtheit der Grundsätze, Leitbilder und Einzelmaßnahmen zur langfristig zielgerichteten Ausrichtung, Steuerung und Kontrolle von Geschäftsbeziehungen“275. Einen systematischen Zugang zu derartigen langfristigen, interaktiven Beziehungen kann das Beziehungsebenenmodell nach Diller verschaffen. 276 Die Analyse der Beziehungen erfolgt dort anhand einer Unterteilung in vier Interaktionsebenen: Sachebene, menschlich-emotionale Ebene, Organisationsebene und Machtebene. 277 Auf der Sachebene, welche die Effektivität einer Beziehung determiniert, findet der gegenseitige Ressourcenaustausch der beiden Subsysteme statt. „Auf der menschlich-emotionalen
Ebene
geht
es
[…]
um
ein
Konglomerat
von
Werttransaktionen, die von persönlicher Anerkennung und menschlicher Zuneigung über Offenheit, Dankbarkeit und Vertrauenswürdigkeit sowie sachlicher Kompetenz bis hin zur Selbstfindung und Bewusstseinserweiterung durch die Kommunikation mit dem Partner reichen.“278 Die Organisationsebene regelt die Arbeitsabläufe für die Zusammenarbeit, wodurch die Grundlage für eine effiziente und stabile Beziehung geschaffen
wird.
Auf
der
Machtebene
findet
ein
Interessenabgleich
der
„Beziehungspartner“ statt; hierbei werden Konflikte, die auf der Sachebene nicht verhindert werden können, in Form von Kompromissen gelöst. Diese vier Beziehungsebenen
lassen
sich
mit
den
drei
Komponenten
der
Dienstleistungsqualität – Potenziale, Prozesse und Ergebnisse – kombinieren. Hierdurch werden die Interaktionen in Potenzial-, Prozess- und Ergebnisgrößen unterteilt, wodurch eine Zwölf-Felder-Matrix entsteht (siehe Abbildung 10).279 Das so strukturierte Modell der verschiedenen Beziehungsebenen kann auch für eine detaillierte Analyse der Beziehungsqualität der internen Kunden-LieferantenBeziehung
zwischen
der
Angebots-
und
der
Nachfrageseite
von
275
Vgl. Diller/Kusterer 1988, S. 212.
276
Analog zu den Ausführungen von Zaharia (vgl. Zaharia 1996, S. 60ff.) werden mittels des Beziehungsebenenmodells von Diller/Kusterer 1988 Möglichkeiten eines internen Beziehungsmanagements zwischen den beiden Subsystemen im Marketing verdeutlicht.
277
Vgl. Diller/Kusterer 1988, S. 214-216.
278
Diller 2001a, S. 161.
279
Vgl. Diller 1995, S. 15f.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence Marketinginformationen
im
Sinne
von
Marketing
105 Intelligence
herangezogen
werden.280 Abbildung 10 stellt bezogen auf Marketing Intelligence mögliche Gestaltungsaspekte einer
interaktiven
internen
Kunden-Lieferanten-Beziehung
zwischen
der
Angebotsseite und der Nachfrageseite von Marketinginformationen auf den verschiedenen Ebenen dar.
Sachebene • Daten und Informationen • Fachliche Kompetenz • Ausstattung • Leistungsfähige Markforschung • etc.
D A T E N S E I T E
• Leistungserstellung • Konzept- und Methodenentwicklung • Produktentwicklung • Serviceleistungen • etc.
• Bedürfnisgerechte Problemlösungen • Effektivität der Zusammenarbeit • Einhalten von Terminen • etc.
Menschlich-emotionale Ebene • Soziale Kompetenz • Kooperationsförderndes Verhalten • Kompatibilität (Ziele, Wissenskultur,…) • etc.
• Private Kontakte • Beziehungspflege • Anpassung an den Gegenüber • Verhandlungsführung • etc.
• Beziehungsstil der Zusammenarbeit • Angenehme Atmosphäre • Personifizierung der Zusammenarbeit • etc.
Organisationsebene • Organisatorische Strukturen • Informationsstruktur • Entscheidungskompetenz • IuK-Technologie • Vertragliche Abmachungen • etc.
• Schnittstellenmanagement • Operatives Management der Zusammenarbeit • Informationsfluss • Auftragsabwicklung • etc.
• Kooperationsförderndes Verhalten • Kompromissbereitschaft • Macht • etc.
• Vertrauensbildung • Machtgebrauch • Konfliktmanagement • etc.
• Effizienz der Zusammenarbeit • Vereinbarungen / Regeln • Organisationsstil • etc.
Machtebene
Potenziale
Prozesse
• Vertrauen / Commitment • Machtverteilung • Beziehungsklima • Stabilität der Zusammenarbeit • etc.
E N T S C H E I D U N G S S E I T E
Ergebnisse
Abbildung 10: Das Beziehungsebenenmodell zwischen Daten- und Entscheidungsseite im Marketing Quelle: in Anlehnung an Diller 1996, S. 179.
280
Die subjektiv empfundene Beziehungsqualität dieser internen Kunden-Lieferanten-Beziehung wird durch die Wahrnehmung der jeweiligen Austauschprozesse auf den einzelnen Beziehungsebenen determiniert (vgl. Diller 2001a, S. 161).
106
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Während die Sachebene die inhaltliche Ausgestaltung von Marketing Intelligence betrifft, beleuchtet die Organisationsebene in instrumenteller Hinsicht – wie es bei Marketing Controlling281 der Fall ist – die erforderlichen unternehmensinternen organisationalen Strukturen und Prozesse. Die menschlich-emotionale Ebene analysiert
die
persönliche
Interaktion
zwischen
der
Angebots-
Nachfrageseite von Marketinginformationen. Daraus resultierende
und
der
potenzielle
Konflikte und Abhängigkeiten zwischen diesen beiden Parteien werden schließlich auf der Machtebene ausgetragen; hier entsteht im Verlauf einer „guten“ Beziehung die Bildung von Vertrauen und Commitment282. Neben inhaltlichen und strukturellen Determinanten
spielen
daher
bei
internen
Kunden-Lieferanten-Beziehungen
insbesondere auch persönliche Aspekte eine entscheidende Rolle; eine „gute“ Beziehung zwischen der Daten- und der Entscheidungsseite im Marketing wird als eine grundlegende Voraussetzung für Marketing Intelligence gesehen. Darüber hinaus kann die Ausgestaltung der internen Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen der
Daten-
Erkenntnissen
des
Marketingansatz, berücksichtigt
der
und der
Konzepts
Entscheidungsseite im
eines
ursprünglich
insbesondere
die
internen
aus
dem
Marketing
Marketings
Dienstleistungsbereich
innerorganisationalen,
auf
basieren.
sozialen
den
Dieser stammt,
Interaktions-
beziehungen zwischen den Unternehmensmitgliedern und damit die Gestaltung von unternehmensinternen Austauschbeziehungen. 283 Dabei zielt internes Marketing als Methode auf die interne Steuerung aller im Hinblick auf die externen Märkte ausgerichteten Austauschprozesse ab.284 Internes Marketing betrifft daher „die systematische Optimierung unternehmensinterner Prozesse mit Instrumenten des Marketing- und Personalmanagements, um durch eine konsequente und gleichzeitige Kunden- und Mitarbeiterorientierung das Marketing als interne Denkhaltung durchzusetzen, damit die marktgerichteten
281
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 4.2.1.
282
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 5.4.2.2.
283
Vgl. Stauss 1995a, S. 1046 sowie Stauss/Schulze 1990, S. 3.
284
Hinsichtlich einer internen Marketingkonzeption lassen sich daneben noch zwei weitere Ansätze differenzieren: Internes Marketing wird auch als Maxime im Sinne einer unternehmerischen Grundhaltung ausgelegt, welche postuliert, dass sämtliche Entscheidungen in Einklang mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter stehen sollen. Des Weiteren bezeichnet internes Marketing als Mittel die internen Marketinginstrumente, die zur Verhaltenssteuerung und personalorientierten Informationsbeschaffung eingesetzt werden (vgl. Stauss/Schulze 1990. S. 3ff.; Schulze 1992, S. 105ff.; Neuhaus 1996, S. 17ff.).
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence Unternehmensziele
effizient
erreicht
107
werden.“ 285
Übertragen
auf
den
Gegenstandsbereich der vorliegenden Arbeit bedeutet dies, dass Marketing Intelligence, wie hier als Konzept gedacht, ein „Stück internes Marketing“ darstellt; internes Marketing soll dazu beitragen, den innerbetrieblichen Prozess von Marketing Intelligence systematisch zu gestalten, so dass dieser im Sinne einer verbesserten Kunden- und Marktorientierung effektiv und effizient verläuft. Zur Ausgestaltung einer internen Marketingstrategie sind entsprechende Instrumente heranzuziehen. Bruhn differenziert hierbei zwischen zwei Klassen von Instrumenten: Instrumente des personalorientierten Marketingmanagements und Instrumente des marketingorientierten
Personalmanagements. 286
„Dem
personalorientierten
Marketingmanagement [– dem sog. Outside-in-Ansatz –] sind jene klassischerweise externen
Marketinginstrumente
zuzuordnen,
durch
deren
systematischen,
unternehmensinternen Einsatz hohe Mitarbeiterzufriedenheit und hohes Commitment gewährleistet werden sollen.“287 Hierbei sind insbesondere Maßnahmen der Kommunikationspolitik von Bedeutung, die eine regelmäßige interne Kommunikation zwischen dem internen Lieferanten und dessen internen Kunden gewährleisten. Für Marketing Intelligence bieten sich hierbei interne Trainings an, um die Mitarbeiter der beiden
Subsysteme
beispielsweise
hinsichtlich
etwaiger
Zielvorgaben
der
Zusammenarbeit, des Leistungsprogramms oder auch im Umgang miteinander zu schulen.288 Zudem können auch Workshops eingesetzt werden, an denen sowohl Mitarbeiter der Datenseite als auch der Entscheidungsseite teilnehmen, um interaktiv Probleme der Zusammenarbeit zu diskutieren und gemeinsam Ansätze für deren Lösung zu erarbeiten.289 „Demgegenüber sollen dem marketingorientierten Personalmanagement [– dem sog. Inside-out-Ansatz –] jene Instrumente subsumiert werden, die die absatzmarktorientierten Marketingaktivitäten durch die Optimierung unternehmensinterner
285
Bruhn 1999, S. 20.
286
In Abgrenzung zu Bruhn unterscheidet Stauss, der eine personalorientierte Auffassung des internen Marketings vertritt, drei Instrumente des internen Marketings: (1) Absatzmarktorientierter Einsatz personalpolitischer Instrumente (zum Beispiel Personalbeschaffung, Personaleinsatz, Personalführung), (2) Absatzmarktorientierter Einsatz interner Kommunikationsinstrumente (zum Beispiel interne Individualkommunikation, interne Massenkommunikation) sowie (3) Personalorientierter Einsatz externer Marketinginstrumente (zum Beispiel Werbung, Public Relations) (vgl. hierzu Stauss/Schulze 1990, S. 10ff.; Stauss 1995b, S. 265).
287
Bruhn 1999, S. 27. (Im Original mit Fettdruck)
288
Vgl. beispielsweise Stauss/Schulze 1990, S. 7f.; George/Grönroos 1999, S. 59.
289
Vgl. Roleff 2001, S 165.
108
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Strukturen und Prozesse unterstützen.“ 290 Diese Instrumente zielen darauf ab, durch ein
marketingorientiertes
Personalmanagement
eine
möglichst
reibungslose
Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen – und damit auch zwischen jenen in einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung, wie es bei Marketing Intelligence zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen
der
Fall
ist
–
sicherzustellen.
Eine
systematische
Personalpolitik291, die bereits bei der Akquisition und Einstellung neuen Personals ansetzt, ist daher auch für Marketing Intelligence ausschlaggebend. Zur Implementierung dieser Instrumente und letztendlich der Strategie des internen Marketings bedarf es eines längerfristigen Prozesses, der insbesondere durch eine Veränderung im Bewusstsein der Mitarbeiter zum Ausdruck kommt. Daher wird für die Implementierung von Marketing Intelligence im Rahmen einer internen Marketingkonzeption ein Phasenkonzept vorgeschlagen: 292 x
Verpflichtung des Managements
x
Kommunikation mit den Mitarbeitern
x
Vermittlung des erforderlichen Know-hows
x
Verpflichtung der Mitarbeiter
Eine
grundlegende Voraussetzung
für
die
Implementierung
von
Marketing
Intelligence stellt die Unterstützung des Top-Managements dar; in einem weiteren Schritt sollte es dann gelingen, durch entsprechende Kommunikation das Verständnis und die Akzeptanz der Mitarbeiter zu gewinnen. Darüber hinaus müssen die Mitarbeiter über bestimmtes Know-how verfügen, so dass die geforderte interne Kunden-Lieferanten-Beziehung im Sinne einer Marketing Intelligence überhaupt funktionieren kann. Schließlich ist sicherzustellen, dass eine solche Denkhaltung auch von den Mitarbeitern gelebt wird. Eine erfolgreiche Implementierung von Marketing Intelligence gestaltet sich daher eher als mittel- bzw. langfristiger Prozess. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auf der subjektiv-persönlichen Ebene von Marketing Intelligence sowohl das umfassendere Konzept des Beziehungsmanagements, das quasi als theoretisches Dachkonzept dienen kann, 290
Bruhn 1999, S. 27 (im Original mit Fettdruck).
291
Vgl. beispielsweise Stauss/Schulze 1990, S. 8; Bruhn 1999, S. 31f.
292
Vgl. Bruhn 1999, S. 34ff.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
109
als auch die Strategie des internen Marketings bedeutsame Erkenntnisse für die inhaltliche Ausgestaltung einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen liefern. Abbildung 11 veranschaulicht die aufgezeigte marketingtheoretische Fundierung von Marketing Intelligence.
Beziehungsmanagement Interne Kunden-Lieferanten-Beziehung
Angebotsseite von Marketinginformationen (Datenseite)
Internes Marketing
Nachfrageseite von Marketinginformationen (Entscheidungsseite) (Interner Kunde)
(Interner Lieferant)
Ziel: Interne Kundenorientierung
Abbildung 11: Marketingtheoretische Grundlagen der internen Kunden-Lieferanten-Beziehung im Sinne von Marketing Intelligence
4.3
Ganzheitliches Management der Ressource Wissen als Grundlage von Marketing Intelligence
Nachdem im vorangegangenen Abschnitt eine marketingtheoretische Fundierung für eine effektive und effiziente Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen vorgenommen wurde, werden im Folgenden wissensbasierte Ansätze aufgezeigt, die im Sinne einer Marketing Intelligence zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing beitragen können. Ausgangspunkt hierfür ist die Ressource Wissen. Nach einer begrifflichen Abgrenzung zu Daten und Informationen, die für das Verständnis des
Wissensmanagements
bedeutsam
ist,
werden
der
Prozess
der
Wissensschaffung sowie daran anknüpfend der systematische Umgang mit Wissen im Marketing aufgezeigt. Die Synthese dieser konzeptionellen Erläuterungen mündet
110
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
schließlich in eine der zentralen Annahmen der vorliegenden Arbeit, dass nämlich das Management von Marketingwissen als Fundament von Marketing Intelligence zu verstehen ist.
4.3.1 Marketingwissen als Entscheidungshilfe für das Marketing Marketingwissen baut auf Marketingdaten und -informationen auf. 293 Daten bestehen aus Zeichen294 oder Zeichenfolgen, die in einem sinnvollen Zusammenhang zueinander stehen und bestimmten Syntaxregeln folgen; generell beziehen sich Daten auf objektive Fakten zu Ereignissen oder Vorgängen, die zusammenhanglos vorliegen – ohne Interpretation und Wertung. 295 Für den Entscheidungsträger werden Daten erst dann zu Informationen, wenn sie in einen Problemzusammenhang gestellt und
zum
Erreichen
eines
bestimmten
Ziels
verwendet
werden. 296
Marketinginformationen sind also solche Marketingdaten, mit denen der Entscheider etwas anfangen kann, weil sie sein (Fakten-)Wissen im Hinblick auf einen bestimmten
Entscheidungstatbestand
erhöhen.
Demnach
setzen
sich
Marketinginformationen aus Marketingdaten zusammen, jedoch nur aus solchen, die für
den
Marketingentscheider
inhaltlich
tatsächlich
bedeutsam
und
damit
problemrelevant sind; Marketinginformationen sind folglich im Gegensatz zu Marketingdaten empfängerorientiert. Die neu erlangten Marketinginformationen muss der Entscheidungsträger schließlich mit dem ihm vorliegenden Wissen abgleichen bzw. verknüpfen, um zweckorientiertes Marketingwissen zu erlangen. Zweckorientiertes Marketingwissen entsteht durch die Verarbeitung, Filterung und Bewertung von Informationen; erst wenn der Entscheidungsträger diese in den Kontext seines Erfahrungswissens einbettet und mit seinem Verstand bewertet, erlangen sie einen Nutzen. 297 Gerade in der Praxis ist es aufgrund der Vielzahl an verfügbaren Marketinginformationen essenziell, dass die vom Entscheidungsträger herangezogenen Informationen für die entsprechende Frage- bzw. Problemstellung auch tatsächlich relevant und nützlich sind; es sollte sich also um „zweckorientiertes 293
Vgl. Probst/Raub/Romhardt 2006, S. 16; Amelingmeyer 2004, S. 43.
294
Als Zeichen gelten Ziffern, Buchstaben und Sonderzeichen.
295
Vgl. Davenport/Prusak 1998, S. 27f.
296
Vgl. Burmann 2001, S. 21.
297
Vgl. Al-Laham 2003, S. 27ff.; Güldenberg 2003, S. 158; Neumann 2000, S. 61f.; Albrecht 1993, S. 45; Kunze 2000, S. 31f.; Komus 2001, S. 24.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
111
Wissen“298 handeln. Solches Marketingwissen kann zusammenfassend bezeichnet werden
als
„eine
Wertvorstellungen,
fließende
Mischung
Kontextinformationen
und
aus
strukturierten
Fachkenntnissen,
Erfahrungen, die
in
ihrer
Gesamtheit einen Strukturrahmen zur Beurteilung und Eingliederung neuer Erfahrungen und Informationen bietet“ 299. Die wichtigsten Differenzierungsmerkmale von Wissen zu Daten und Informationen bestehen darin, dass Wissen an Personen gebunden ist (Personenbezogenheit) und sich auf spezifische Handlungen bezieht (Handlungsbezogenheit). 300 Nach Ryle lassen sich hinsichtlich des Merkmals der Handlungsorientierung zwei Arten von Wissen differenzieren: „Knowing that is knowledge of facts and relationships, the primary subject of formal education and news; it may be subdivided into knowingwhat and knowing-why […]. Knowing how, by contrast, is the ability to perform actions to achieve a desired result. It includes skill both in performance and in recognizing when and where this skill should be applied.” 301 Tatsächlich handlungsorientiertes Marketingwissen („Marketing Know-how“) entsteht demnach erst durch die Verknüpfung zweckorientierten Marketingwissens („Marketing Knowthat“) mit praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Entscheidungsträgers („Marketing Skills“). Wichtig ist dabei, dass im Sinne von Marketing Intelligence, die eine Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing postuliert, zweckorientiertes Marketingwissen eben nicht als ausreichend erscheint; vielmehr ist das Vorhandensein spezifischer Marketing Skills – auch bei den Entscheidern auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen – erforderlich, so dass tatsächlich handlungsorientiertes Marketingwissen entstehen kann. Erst solches
Marketingwissen,
das
vom
Marketingentscheider
in
Form
von
entscheidungsorientierten Schlussfolgerungen sowie klaren Handlungsempfehlungen direkt umsetzbar ist, kann die Qualität von Marketingentscheidungen verbessern. Abbildung 12 verdeutlicht die aufgezeigten Zusammenhänge:
298
Vgl. Wittmann 1959, S. 14; Bode 1997, S. 474ff.
299
Davenport/Prusak 1998, S. 32.
300
Vgl. Zboralski 2007, S. 15; Burmann 2001, S. 16f.
301
Ryle 1960, S. 26.
112
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Unternehmensinterne und -externe Quellen
Integration von neuem u. bestehendem Marketingwissen
Auswahl entscheidungsrelevanten Marketingwissens
Entscheidung/ Problemlösung
Marketing Skills Verfügbares MarketingFaktenwissen („Marketing Know-what“)
Marketingdaten
Marketinginformationen
Integrierte Marketinginformationen
Vorhandenes
HandlungsZweckorientiertes
orientiertes
Marketingwissen
Marketingwissen
(„Marketing Know-that“)
(„Marketing Know-how“)
MarketingErfahrungswissen („Marketing Know-why“)
Marketing Skills
Abbildung 12: Von Marketingdaten zu handlungsorientiertem Marketingwissen Quelle: in Anlehnung an Burmann 2001, S. 18.
Zusammenfassend wird Marketingwissen für die vorliegende Arbeit wie folgt definiert: Handlungsorientiertes Marketingwissen („Marketing Know-how“) benötigt die Verknüpfung theoretischen Faktenwissens („Marketing Know-what“) sowie bestehenden Erfahrungswissens („Marketing Know-why“) mit subjektiven Fähigkeiten und Fertigkeiten des Entscheidungsträgers („Marketing Skills“). Es umfasst die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Marketingentscheider zur Problemlösung heranziehen. Die Entstehung und Anwendung von Wissen vollzieht sich demnach vor allem in den Köpfen der Mitarbeiter. Seine Nutzbarkeit hängt folglich davon ab, dass es nicht nur implizit dort verbleibt, sondern in eine explizite Form transformiert und auch für Dritte verfügbar gemacht wird.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
113
4.3.2 Die Wissensbasis im Marketing Grundsätzlich lassen sich unterschiedliche Arten von Wissen charakterisieren. Dabei ist die Klassifikation von implizitem und explizitem Wissen von besonderer Bedeutung.302
Implizites
Wissen
umfasst
sowohl
kognitive
Elemente,
wie
beispielsweise Intuition, subjektive Einsichten, Erfahrungen sowie Ideale, Werte und Gefühle einer Person, als auch spezifische individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Problemlösung. Aufgrund des subjektiven und intuitiven Charakters von implizitem Wissen ist dieses oft nicht direkt artikulierbar; vielmehr ist es unmittelbar in das Handeln von Individuen eingebettet. Zudem ist sich der Wissensträger solchen Wissens oftmals nicht bewusst; es wird daher auch als unbewusstes („tacites“) Wissen bezeichnet. 303 Deshalb ist es schwierig und häufig auch nicht möglich, implizites Wissen zu transferieren, zu archivieren und zu reproduzieren. Dem impliziten Wissen kommt jedoch eine enorme Bedeutung zu, da es dem expliziten Wissen notwendigerweise zugrunde liegen muss. Explizites Wissen, das im Gegensatz zu implizitem Wissen nicht an eine Person gebunden ist, wird als bewusstes, artikulierbares Wissen bezeichnet, das strukturiert und sprachlich umgesetzt
in
kodierter
Form,
beispielsweise
in
Datenbanken
oder
auch
Dokumentationen, angelegt werden kann. Hierbei handelt es sich um Sach- und Faktenwissen, aber auch um dokumentierte Erfahrungen. Eine Bearbeitung, Weiterleitung bzw. Speicherung von explizitem Wissen ist somit problemlos möglich.304 Beide Wissensarten – explizites und implizites Wissen – sind grundsätzlich als komplementäre, zusammenwirkende Komponenten zu betrachten. Das heißt, die beiden Kategorien sind aufeinander bezogen: jede implizite Handlung weist in der Regeln auch bestimmte explizite Wissensanteile auf. 305 Des Weiteren kann auch eine Differenzierung von Wissen hinsichtlich des Wissensträgers306 in individuelles und kollektives Wissen erfolgen. Individuelles Wissen ist an einzelne Personen gebunden; es ist im Bewusstsein dieser Person 302
Diese epistemologische Kategorisierung in implizites und explizites Wissen wurde von Polanyi vorgeschlagen und von Nonaka und Takeuchi popularisiert (vgl. Polanyi 1966; Nonaka 1991, 1992 und 1994; Nonaka/Takeuchi 1997, S. 72).
303
Vgl. Schreyögg/Geiger 2005, S. 438f. Polanyi betont daher zusammenfassend: „We know more than we can tell“ (Polanyi 1966, S. 4).
304
Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 18ff. Siehe zur Unterscheidung von explizitem und implizitem Wissen beispielsweise Ahlert/Blut 2006, S. 21f.; Schreyögg/Geiger 2005, S. 438ff.; Al-Laham 2004, S. 410; Amelingmeyer 2004, S. 47; Meynhardt 2004, S. 120ff.; Schwaninger 2000, S. 4ff.
305
Vgl. Reber 1993, S. 23.
306
Dabei kann zwischen personellen, materiellen und kollektiven Wissensträgern unterschieden werden (vgl. Amelingmeyer 2004, S. 55ff.).
114
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
verankert und somit auch nur dem Individuum selbst zugänglich. Analog zu solchem impliziten Wissen gibt es jedoch auch explizites Wissen, das durch Verschluss bzw. Geheimhaltung nur für ein Individuum zugänglich ist. Kollektives Wissen hingegen wird von mehreren Mitgliedern einer Organisation geteilt bzw. ist ihnen prinzipiell zugänglich. In impliziter Form ist dieses beispielswiese in aufgestellten Regeln, unternehmensinternen Prozessen und Strukturen oder auch in gemeinsamen Wertvorstellungen eingebettet,
die von einer Abteilung
oder
dem ganzen
Unternehmen geteilt bzw. gelebt werden; in expliziter Form liegt solches kollektive Wissen
beispielsweise
in
Informationssystemen,
Präsentationen
oder
auch
Handbüchern und kann auf diese Weise mehreren bzw. allen Personen im Unternehmen zugänglich gemacht werden. Zusammen bilden individuelle und kollektive Wissensbestände die Wissensbasis. Beide Komponenten können – wie bereits erläutert – sowohl implizit als auch explizit vorliegen. 307 Im
Marketing
setzt
sich
das
vorhandene
Wissen
prinzipiell
sowohl
aus
„speicherbaren“ Daten und Informationen, welche den Entscheidungsträgern beispielsweise mittels einer Datenbank zugänglich gemacht werden, als auch in hohem Maße aus persönlichen Erfahrungen zusammen. Während das theoretische Faktenwissen („know-what“) in der Regel in eine explizite Form transformierbar ist, sind das Erfahrungswissen („know-why“) sowie die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Entscheidungsträgers überwiegend implizit. Bestimmtes Wissen ist auch an einzelne Marketingentscheider gebunden (wie beispielsweise detailliertes Wissen eines KeyAccount-Managers über seinen Kunden), während andere Bestandteile des Wissens prinzipiell allen Mitarbeitern im Marketing zugänglich sind (wie beispielsweise Wissen aus Marketing-Informationssystemen oder auch gemeinsame Werte und Richtlinien für das Marketing bzw. Unternehmen). Abbildung 13 veranschaulicht exemplarisch die Wissensbasis im Marketing, die sich aus individuellen und kollektiven Komponenten zusammensetzt, welche wiederum sowohl in impliziter als auch in expliziter Form vorliegen können.
307
Vgl. Al-Laham 2003, S. 31; Güldenberg 2003, S. 198f.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
115
Wissensbasis im Marketing Individuelles Wissen Explizites Wissen
Implizites Wissen
• Datenbanken • Fachzeitschriften • Patente •…
Kollektives Wissen Implizites Wissen
Explizites Wissen
• Branchen-, Marktund Kundenwissen
• Ergebnisse von Meetings, Workshops
• Expertenwissen
• Regeln, Strukturen
• Erfahrung, Intuition
• Gemeinsame Wertvorstellungen der Mitarbeiter
•…
• Formalisiertes, strukturiertes Wissen • Wissenssysteme • Wissenshandbuch •…
•…
Umwandlung
Umwandlung Überführung
Abbildung 13: Die Wissensbasis im Marketing Quelle: in Anlehnung an Gentsch 2001, S. 52.
Häufig besonders wertvoll für Marketingentscheidungen ist implizites Wissen in den Köpfen einzelner Mitarbeiter. Soll solches Wissen auch anderen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden, so bedarf es einer Umwandlung in explizites Marketingwissen sowie einer Überführung von individuellem in kollektives Wissen, um auch solches Wissen über einzelne Personen hinweg nutzbar zu machen. Die Schaffung einer expliziten, organisationalen Wissensbasis, die für alle Mitarbeiter des Marketings verfügbar und transparent ist, stellt daher eine grundlegende Aufgabe für Marketing Intelligence dar. Da die Entscheidungsqualität durch einen höheren Wissensbestand verbessert werden kann, ist eine detaillierte, möglichst vollständige
Wissensbasis
für
ausschlaggebender Bedeutung.
308
Entscheidungsprozesse
308
Siehe hierzu auch Amelingmeyer 2004, S. 18.
im
Marketing
von
116
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
4.3.3 Wissensschaffung im Unternehmen als „organisatorisches Lernen“ – Das Modell der „Wissensspirale“ Ausgehend von der Frage nach möglichen Gründen für die (damals so empfundene) Überlegenheit japanischer Unternehmen in der Produktentwicklung gegenüber ihren amerikanischen
und
europäischen
Konkurrenten
und
darauf
basierenden
empirischen Untersuchungen in japanischen Unternehmen haben Nonaka und Takeuchi ein Modell der Wissensschaffung in Unternehmen entwickelt. Die Autoren gehen davon aus, dass verbal mitteilbares Wissen, das in Worten und Zahlen fassbar ist, nur die Spitze des Eisbergs menschlichen Wissens darstellt. Wissen ist ihrer Meinung nach überwiegend etwas Implizites und daher schwer vom subjektiven Erfahrungskontext des Einzelnen zu lösen und unabhängig davon zu vermitteln. Nach ihrer Ansicht ist jedoch gerade die Nutzung von implizitem Wissen im Rahmen der Ideenfindung und Produktentwicklung ausschlaggebend für den ökonomischen Erfolg japanischer Unternehmen. 309 Diesen Ansatz japanischer Unternehmen beschreiben Nonaka und Takeuchi in ihrem Modell der „Wissensspirale“. Dabei differenzieren sie in Anlehnung an Polanyi zwischen explizitem und implizitem Wissen 310 und formulieren vier Formen der Wissensumwandlung, die den Kern ihres Ansatzes darstellen (vgl. Abbildung 14). Idealtypisch beginnt die organisationale Wissensschaffung mit dem Austausch von „Sympathized Knowledge“ – der Sozialisation. Die Sozialisation beschreibt die Entstehung von implizitem Wissen aus bereits vorhandenem implizitem Wissen. Der Sozialisationsprozess führt zu einem Erfahrungsaustausch, in welchem durch Nachahmung und Beobachtung – und eben nicht durch Sprache – das Wissen vermittelt wird und auf diese Weise neues implizites Wissen geschaffen wird, zum Beispiel
ein
gemeinsames
mentales
Modell. 311
Zum
Transfer
impliziten
Marketingwissens kommt es beispielsweise auf der Datenseite, wenn ein neuer Mitarbeiter in Zusammenarbeit und durch praktisches Mittun von seinen Kollegen erlernt, wie das Briefing eines Marktforschungsinstituts abläuft. Es findet somit eine Weitergabe impliziten Marketingwissens zwischen verschiedenen Personen statt.
309
Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 18ff.
310
Siehe hierzu Abschnitt 4.3.2.
311
Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 75-77.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
117
nach …implizit
…explizit
Sozialisation
Externalisation
„Sympathized Knowledge“
„Conceptual Knowledge“
„Operational Knowledge“
„Systemic Knowledge“
Internalisation
Kombination
implizit…
Von
explizit…
Abbildung 14: Die Formen der Wissensschaffung Quelle: in Anlehnung an Nonaka/Takeuchi 1997, S. 85.
Der Externalisierungsprozess wird durch konstruktiven Dialog oder durch kollektive Reflexion ausgelöst. Hierbei erfolgt eine Umwandlung von implizitem Wissen in explizites und damit kommunizierbares Wissen. Implizites Wissen wird zunächst mit Metaphern oder auch Analogien beschrieben, um dieses quasi in explizites Wissen zu „übersetzen“; das ursprünglich implizit vorliegende Wissen ist also in explizites Wissen konvertiert worden. Dieser Prozess dient der Herausbildung von „Conceptual Knowledge“.312 Ein Beispiel für die Externalisierung von Marketingwissen wäre, wenn sich ein Marketingmanager durch Gespräche mit Kollegen seine Erfahrungen aus einer Entscheidungssituation ins Bewusstsein ruft und diese anschließend schriftlich dokumentiert, um sie weiteren Personen zugänglich zu machen. Der Prozess der Kombination, der die häufigste Form der Wissensumwandlung in Unternehmen darstellt, verknüpft verschiedene Bereiche von explizitem Wissen miteinander. kommuniziert
Hier wird Wissen über und
in
einem
Medien
gemeinsamen
(zum Beispiel
Datenbanken)
Wissenszusammenhang
neu
zusammengestellt. Durch die Kombination von neu geschaffenem und bereits existierendem Wissen auch in anderen Abteilungen eines Unternehmens entsteht so 312
Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 77-80.
118
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
genanntes „Systemic Knowledge“. 313 In Bezug auf Marketingwissen kommt es zu einer Kombination, wenn beispielsweise spezifische Kundenbeschwerden in einer Datenbank dokumentiert werden und solches Kundenwissen anschließend dem Produktmarketing übermittelt wird. Der Produktmanager greift dieses Wissen auf, kombiniert es mit vorhandenem (technischen) Produktwissen und führt auf Basis des integrierten Wissens gegebenenfalls entsprechende Produktmodifikationen durch. Internalisierung beschreibt schließlich eine Eingliederung expliziten Wissens in das implizite Wissen. Die Erfahrungen bei der Anwendung des expliziten Wissens („learning by doing“) führen zu einer Vertiefung der impliziten Wissensbasis. Dieser Prozess beinhaltet die Transformation von explizitem Wissen durch subjektive Erfahrung
in
spezifisches
Know-how.
So
haben
beispielsweise
Marketinginformationen erst einen Nutzen, wenn sie vom Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung aktiv verwendet werden, um so ein individuelles, subjektives Gefühl für die jeweilige Problem- bzw. Fragestellung zu erlangen. Auf diese Weise entsteht durch die Anwendung von expliziten Wissen so genanntes „Operational Knowledge“.314 Das praktische implizite Erfahrungswissen eines Individuums aus dem Prozess der Internalisierung stößt die nächste Spiralbewegung an und löst somit einen neuen Kreislauf der Wissensentwicklung aus. Die Generierung von neuem Wissen erfolgt – auch im Marketing – in dem dargestellten 4-stufigen Zyklus, so dass der Wissensentstehungsprozess als Spiralmodell zu verstehen ist; auf diese Weise wird eine Wissensspirale zwischen implizitem und explizitem Wissen geschaffen.315 „Das dynamische Wechselspiel zwischen diesen beiden Wissensformen bildet den Schlüssel zur Wissensschaffung im Unternehmen [bzw. im Marketing] und vollzieht sich
in
einem
spiralförmigen
Prozess
immer
wieder
aufs
neue.“316
Der
organisatorische Wissensgenerierungsprozess weist demnach eine dynamische und kontinuierliche Entwicklung auf, die durch den Wechsel zwischen unterschiedlichen Wissenstransformationsprozessen zustande kommt. Schließlich
fügen
Nonaka
und
Takeuchi
diesem
organisatorischen
Wissensgenerierungsprozess neben der epistemologischen Dimension, die sich auf 313
Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 81f.
314
Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 82-84.
315
Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 74ff.
316
Nonaka/Takeuchi 1997, S. 9.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
119
die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen bezieht, die ontologische Dimension hinzu. Die ontologische Dimension als zweite grundlegende Achse der Wissenserzeugung differenziert zwischen individuellem und kollektivem Wissen317. Auf einem Kontinuum zunehmender Kollektivierung wird zwischen verschiedenen
Ebenen oder
Einheiten
im Prozess
der Wissenserzeugung
unterschieden: Individuum, Gruppe, Organisation und interorganisationale Ebene. Das
Wissen
eines
Individuums
Wissenstransformation Personenkreis.
erweitert
Diesen
wird
und
Prozess
durch
erreicht
die
vier
dabei einen
beschreiben
Nonaka
Formen
immer
und
der
größeren
Takeuchi
als
Wissensspirale, „in der die Interaktion von implizitem und explizitem Wissen auf dem Weg durch die ontologischen Schichten immer reicher wird“ 318.
Epistemologische Dimension Externalisierung Explizites Wissen
Kombination
Sozialisierung
Implizites Wissen
Internalisierung Individuum
Gruppe
Unternehmen
Unternehmensinteraktion
Wissensebene
Abbildung 15: Die Spirale der Wissensschaffung im Unternehmen Quelle: Nonaka/Takeuchi 1997, S. 87.
317
Siehe hierzu Abschnitt 4.3.2.
318
Nonaka/Takeuchi 1997, S. 86.
Ontologische Dimension
120
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Durch die effektive Gestaltung der Übergänge zwischen implizitem und explizitem Wissen sowie zwischen individuellem und kollektivem Wissen, aus der eine spiralförmige Bewegung des Wissens von implizitem zu explizitem Wissen (und zurück) über die unterschiedlichen Ebenen im Unternehmen entsteht, kommt es zur organisationalen Wissensschaffung. Idealerweise sollen die vier Formen der Wissensschaffung in einem iterativen Prozess immer wieder auf einem höheren Wissensstand und unter Einbezug von immer mehr Organisationsmitgliedern, das heißt auf einer höheren ontologischen Dimension, wiederholt werden. 319 Dadurch wird jedes Mal eine neue, verbesserte Basis impliziten Wissens geschaffen, von der aus eine neue Wissensspirale in Gang gesetzt werden kann. Auf diese Weise werden letztendlich organisatorische Lernprozesse geschaffen, die neues Wissen hervorbringen und dadurch die organisationale Wissensbasis kontinuierlich verändern. 320 „Unter organisationalem Lernen ist der Prozess der Erhöhung und Veränderung der organisationalen Wert- und Wissensbasis, die Verbesserung
der
Problemlösungs-
und
Handlungskompetenz
sowie
die
Veränderung des gemeinsamen Bezugsrahmens von und für Mitarbeiter innerhalb der Organisation zu verstehen.“ 321 Organisatorisches Lernen trägt letztendlich durch Wissenstransfer Intelligenz bei.
und
Wissensanwendung
zur
Entwicklung
organisationaler
322
In Anlehnung an das Modell der Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi werden in Abschnitt 5.4.1 ausführlich Möglichkeiten der Wissensschaffung im Marketing diskutiert. Organisationale Lernprozesse unterstützen demnach auch im Marketing die Generierung und den Transfer von Wissen. Auf diese Weise trägt Marketing Intelligence schließlich zur Vision einer lernenden Organisation bei.
319
Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 84ff.; Nonaka 1991, S. 99.
320
Vgl. Pawlowsky 1994, S. 158.
321
Probst/Büchel 1994, S. 17.
322
Vgl. Willke 2001, S. 280; Wengelowski 2000, S. 29f.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
121
4.3.4 Systematischer Umgang mit Wissen – Das Modell der „Bausteine des Wissensmanagements“ Nach einer (modellhaften) Erläuterung, wie im Unternehmen Marketingwissen generiert werden kann, stellt sich die Frage, wie im Marketing solches Wissen gespeichert und genutzt werden kann. Die Ausführung zur Wissensschaffung sollen daher um Überlegungen zu einem umfassenden Management von Wissen im Unternehmen bzw. im Marketing ergänzt werden. Nicht selten ist es der Fall, dass prinzipiell vorhandenes Marketingwissen nicht (systematisch) genutzt wird, da es nicht transparent und verfügbar ist, wenn es benötigt wird. Zudem wird häufig ein und dasselbe Wissen (zum Beispiel
annähernd gleiche
Marktforschungsstudien)
mehrfach in Auftrag gegeben, weil nicht bekannt ist, über welches Wissen andere Mitarbeiter bzw. Abteilungen verfügen. Derartige Überlegungen verdeutlichen die Notwendigkeit eines Wissensmanagements, denn die systematische Gestaltung von Prozessen und Systemen im Sinne eines ganzheitlichen Wissensmanagements ist auch für das Marketing von entscheidender Bedeutung. In diesem Zusammenhang erscheint es zweckmäßig, auf das Modell der „Bausteine des Wissensmanagements“ von Probst, Raub und Romhardt zurückzugreifen. Dieses Modell unterteilt Wissensmanagement in verschiedene Aktivitäten bzw. Prozesse, die untereinander in Verbindung stehen. Ein äußerer Kreislauf, der die strategischen Aspekte des Wissensmanagements wiedergibt, lehnt sich an den klassischen Managementprozess an und besteht aus den Bausteinen Zielsetzung, Umsetzung und Messung. Dieser Regelkreis hebt die Wichtigkeit strategischer Aspekte eines Wissensmanagements im Unternehmen hervor. Auch im Marketing müssen konkrete Wissensziele festgelegt werden, deren Realisation schließlich kontrolliert werden muss, um gegebenenfalls zielgerichtet eingreifen zu können. Aus den
operativen
Aufgaben
des
inneren
Kreislaufs
lassen
sich
konkrete
Gestaltungsmöglichkeiten für ein Wissensmanagement im Marketing ableiten. Dieser innere
Kreislauf
umfasst
die
inhaltlichen
Bausteine
Wissensidentifikation,
Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens(ver)teilung, Wissensnutzung und Wissensbewahrung.323
Abbildung
16
verdeutlicht
Wissensmanagements nach Probst, Raub und Romhardt:
323
Vgl. Probst/Raub/Romhardt 2006, S. 33.
die
Bausteine
des
122
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Wissensziele
Feedback
Wissensidentifikation
Wissensbewertung
Wissensbewahrung
Wissenserwerb
Wissensnutzung
Wissensentwicklung
Wissens(ver)teilung
Abbildung 16: Die Bausteine des Wissensmanagements Quelle: Probst/Raub/Romhardt 2006, S. 32.
Der Baustein der Wissensidentifikation betrifft die Schaffung einer internen und externen Transparenz über bereits vorhandenes Wissen. Gerade im Marketing, wo eine Vielzahl heterogener Informationen aus unternehmensinternen und -externen Quellen vorliegt, ist es notwendig, bereits vorhandenes Wissen zu identifizieren. Von daher muss eine gewisse Transparenz bezüglich des verfügbaren Marketingwissens geschaffen werden, so dass Marketingentscheider bei ihrer Entscheidungsfindung problemlos darauf zugreifen können. Darüber hinaus ist im Marketing häufig die Beschaffung bzw. der Zukauf externer Marketinginformationen (beispielsweise aggregierter Markt- bzw. Marktforschungsinformationen) erforderlich. Der Baustein Wissenserwerb bezieht sich daher auf die Akquisition von Marketingwissen und zeigt unterschiedliche Beschaffungsformen von unternehmensexternem Wissen auf. Eine weitere Möglichkeit, neues Wissen für das Marketing zu generieren, liegt in der Wissensentwicklung innerhalb des Unternehmens. Diese kann beispielsweise die Entwicklung
neuer
Fähigkeiten
und
Fertigkeiten,
besserer
Ideen
sowie
leistungsfähigerer Prozesse betreffen. Um jedoch das im Marketing verfügbare Wissen tatsächlich nutzbar zu machen bzw. zur Entscheidungsfindung heranzuziehen, bedarf es der Wissens(ver)teilung. Die Wissens(ver)teilung beinhaltet die Aufgabe, vorhandenes Wissen zielgerichtet und effizient
den
jeweiligen
Marketingentscheidern
zugänglich
zu
machen.
Die
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
123
Generierung und Verteilung von Marketingwissen allein ist allerdings nicht ausreichend, erst durch dessen tatsächliche Anwendung kann für das Marketing ein Mehrwert
(beispielsweise
in
Form
von
effektiveren
und
effizienteren
Marketingentscheidungen) erzielt werden. Der Baustein Wissensnutzung betrifft daher den effektiven und effizienten Einsatz von Marketingwissen entsprechend der jeweiligen Frage- bzw. Problemstellung. Um sich vor Wissensverlusten zu schützen, gilt es, die Wissensbewahrung sicherzustellen. Diese umfasst neben der Selektion von bewahrungswürdigem Wissen die Speicherung und die Aktualisierung bzw. Pflege der Wissensbasis im Marketing.324 Die Unterteilung in einzelne Wissensbausteine ermöglicht es, spezifische Aufgaben abzuleiten und damit auch Verantwortungsbereiche zuzuordnen. Generell sieht das praxisorientierte Modell von Probst, Raub und Romhardt das Management von Wissen als Führungsaufgabe an; Erfolg und Misserfolg im Umgang mit Wissen sind hauptsächlich
auf
zurückzuführen.325
Entscheidungen Die
Unterstützung
und der
Handlungen
des
Managements
Unternehmensleitung
bzw.
des
Marketingmanagements stellt also eine grundlegende Voraussetzung für ein Wissensmanagement im Marketing und damit für Marketing Intelligence dar. Für die konkrete Ausgestaltung eines jeden Bausteins stehen unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung. 326 Wissensziele lassen sich im Marketing beispielsweise mittels eines so genannten Wissensleitbildes determinieren; dadurch kann für das Marketing festgelegt werden, welche Fähigkeiten und Kompetenzen an welchen Stellen bzw. hinsichtlich welcher Prozesse in Zukunft ausgebaut werden sollen. Für die Identifikation von Marketingwissen können unter anderem so genannte Wissenskarten, welche die jeweiligen Wissensträger und Wissensbestände im Marketing festhalten, zum Einsatz kommen. Für den Wissenserwerb bietet sich die Akquisition von bzw. die Zusammenarbeit mit besonders wissensintensiven Unternehmen im eigenen Kompetenzfeld an. Hierfür kommt für das Marketing beispielsweise die Kooperation mit einem externen Marktforschungsinstitut in Betracht, das kontinuierlich Wissen über Markt und Konsumenten liefert. Die Wissensentwicklung, die sich unter anderem mit der Kreierung bislang nicht bestehender Fertigkeiten beschäftigt, kann beispielsweise durch die Errichtung von 324
Vgl. Probst/Raub/Romhardt 2006, S. 28ff.
325
Vgl. Soukup 2001, S. 100f.
326
Siehe für eine ausführliche Romhardt 1998, S. 69ff.
Darstellung
von
Maßnahmen
einzelner
Wissensbausteine
124
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
Kompetenzzentren (so genannter „think tanks“) gefördert werden. So könnte im Marketing ein Kompetenzzentrum „Web 2.0“ gegründet werden, dessen Mitglieder sich intensiv mit Chancen und Risiken des Web 2.0 als Kommunikationsmedium auseinandersetzen. Die Ausgestaltung der Infrastruktur, etwa die Implementierung eines Wissensnetzwerkes, kann den Baustein der Wissens(ver)teilung unterstützen. Auf diese Weise können Marketingentscheider genau auf das Wissen zugreifen, das sie zur Entscheidungsfindung benötigen. Darüber hinaus sollte die Nutzung von Marketingwissen beispielsweise durch eine nutzungsgerechte Gestaltung von Dokumenten (durch grafische Aufbereitung bzw. Visualisierung) oder auch durch eine einfache, benutzerfreundliche Handhabung von Datenbanken verbessert werden. Ein Instrument der Wissensbewahrung stellt die Bindung von wichtigen Wissensträgern
an
das
Unternehmen
mit
Hilfe
von
Anreizsystemen
und
Austrittsbarrieren dar. So verfügt beispielsweise ein Key Account Manager über wertvolles Kundenwissen; es wird daher in der Regel versucht, solche Wissensträger durch monetäre Anreize in Form von Prämien etc. zu halten. Im Rahmen der Wissensbewertung wird schließlich das Erreichen der definierten Wissensziele untersucht. In diesem Zusammenhang kann zum einen versucht werden, die Veränderung bzw. Erweiterung der Marketingwissensbasis sichtbar zu machen. Zum anderen können für das Marketing als Grundlage eines Wissenscontrollings unterschiedliche Indikatoren oder auch Messsysteme, wie etwa die Balanced-ScoreCard, herangezogen werden. Insgesamt stellen die geschilderten Bausteine des Wissensmanagements einen umfassenden Wissensmanagementansatz dar. Diese Ausführungen verdeutlichen, dass es einer systematischen Handhabung von Marketingwissen bedarf, um Wissen bei Entscheidungsprozessen im Marketing effektiv und effizient einsetzen zu können. In Abschnitt 5.4.3 werden ausführlich konkrete Maßnahmen für ein ganzheitliches und systematisches Wissensmanagement im Marketing diskutiert.
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
125
4.3.5 Wissensmanagement als Fundament von Marketing Intelligence Aus Sicht des Wissensmanagements geht es vor allem darum, „Wissen in der erforderlichen Menge und Qualität zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort in effektiver und effizienter Weise verfügbar zu machen und […] die zukünftige Entwicklungsfähigkeit der Unternehmen durch eine entsprechende Dynamik der Wissensbasis sicherzustellen“ 327. Die Fähigkeit der Veränderung und Anreicherung der Wissensbasis sowie letztendlich die intelligente Nutzung von Marketingwissen werden für Unternehmen zu maßgeblichen Wettbewerbsfaktoren. Erst das Management von Marketingwissen und letztendlich dessen erfolgreiche Anwendung ermöglichen die Umsetzung innovativer Produktstrategien, wettbewerbsfähiger Marktstrategien sowie individueller Kundenstrategien. 328 Für das Marketing gewinnt, wie bereits erläutert, bereitgestelltes Wissen (im Sinne von zweckorientiertem Wissen („Marketing Know-that“)), das sich aus theoretischem Faktenwissen („Marketing Know-what“) und subjektivem Erfahrungswissen des Entscheidungsträgers („Marketing Know-why“) zusammensetzt, erst an Wert, wenn es in handlungsorientiertes Wissen, so genanntes Können („Marketing Know-how“), umgesetzt und als Grundlage für bestimmte Entscheidungen bzw. Handlungen herangezogen wird.329 Die bloße Bereitstellung von Faktenwissen genügt nicht, wenn nicht die Umsetzung von Wissen in Können erfolgt; hierzu sind über analytische Fähigkeiten hinaus spezifische Fertigkeiten – so genannte Marketing Skills – notwendig,
damit
problembezogene Lösungsvorschläge
Marketingentscheider
akzeptiert
und
genutzt
entstehen,
werden.
Damit
die vom
ist
bereits
angesprochen, dass auch das Können noch nicht ausreicht, wenn beim Marketingentscheider die entsprechende Motivation zum Handeln nicht vorhanden ist.
Darüber
hinaus
handlungsorientiertes
ist
auch
die
Marketingwissen
Fähigkeit zielorientiert
des in
Marketingentscheiders, Entscheidungen
bzw.
Handlungen umzusetzen, notwendig für ein „intelligentes Marketing“, welches schließlich
zu
messbaren
Resultaten
führt.
Abbildung
17
veranschaulicht
zusammenfassend die erforderlichen Schritte einer Marketing Intelligence anhand der Wissenstreppe im Marketing:
327
Vgl. Amelingmeyer 2004, S. 20.
328
Vgl. North 2005, S. 31; Ackerschott 2001, S. 26ff.
329
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 4.3.1.
126
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
ches tegis Stra
nt eme anag m s n e Wiss
Intelligentes Marketing Anwendung
Marketinginformationen Marketingdaten Zeichen
+ zielorientiert Wollen handeln Marketing- Können („know-how“) + Motivation zum Wissen Handeln („know-that“, „know-why“) + Fähigkeiten
+ Integration (Kontext, + Bedeutung Erfahrungen)
+ Syntax
s ative oper
t men nage sma n e s Wis
Abbildung 17: Die Wissenstreppe im Marketing Quelle:
in Anlehnung an North 2005, S. 32.
Von einer wissensorientierten Unternehmensführung im Marketing kann nur gesprochen werden, wenn alle Stufen der Wissenstreppe gestaltet werden. Ist eine Stufe nicht ausgebildet, so kann diese einen Stolperstein auf dem Weg zu „intelligentem Marketing“ darstellen. Strategisches Wissensmanagement durchläuft die
Wissenstreppe
von
oben
nach
unten;
hierbei
geht
es
darum,
das
Wissensmanagement im Marketing so zu gestalten, dass es im Sinne einer Marketing Intelligence die Entscheider- und Entscheidungsunterstützung von Marketingmanagern und damit letztendlich die Effektivität und Effizienz von Marketingentscheidungen verbessert. Ausgangspunkt in strategischer Hinsicht stellt daher die Zielsetzung eines umfassenden Wissensmanagements für das Marketing und daraus resultierend von Marketing Intelligence als System dar. Für Marketing Intelligence stellt sich auf dieser strategischen (System-)Ebene insbesondere die Frage, welche Kompetenzen ein Marketingentscheider besitzen sollte und welches
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
127
handlungsorientierte Marketingwissen („Marketing Know-how“) erforderlich ist, um „intelligente“ Entscheidungen treffen zu können. Operatives Wissensmanagement hingegen verläuft die Wissenstreppe von unten nach oben und impliziert die Überführung
von
Marketingdaten
über
Marketinginformationen
hin
zu
Marketingwissen – also den Pfad, die (strategische) Zielsetzung einer Marketing Intelligence zu verwirklichen. Damit sind – jeweils für den konkreten Problem- bzw. Entscheidungsfall – die einzelnen Marketing Intelligence-Prozesse angesprochen, um auf dem Weg von bloßen Marketingdaten und -informationen möglichst weit in Richtung
handlungsorientierten,
umsetzbaren
Marketingwissens
voran
zu
kommen.330 Grundsätzlich sind daher für Marketing Intelligence im Sinne eines ganzheitlichen Wissensmanagements sowohl strategische als auch operative Aspekte von Bedeutung. Bei der Generierung von entscheider- und entscheidungsrelevantem Marketingwissen handelt es sich um einen operativen Prozess, in dessen Rahmen der Wissensbestand im Marketing kontinuierlich zu aktualisieren, zu integrieren und auf diese Weise zu erweitern ist. Zum einen ist darauf zu achten, dass das vorhandene Marketingwissen tatsächlich genutzt wird und in Entscheidungen einfließt, um den Wissensbestand im Marketing durch Lernprozesse verändern bzw. anpassen zu können; zum anderen ist es nötig, den Wissensbestand im Marketing fortlaufend zu erweitern bzw. zu aktualisieren, indem neu erworbenes Wissen mit vorhandenem Wissen integriert wird. In strategischer Hinsicht ist Marketing Intelligence als System zu verstehen, dessen grundlegende Zielsetzung in der Unterstützung
des
Marketingentscheiders
und
damit
in
einer
generellen
Verbesserung der Marketingentscheidung durch die Bereitstellung von entscheiderund entscheidungsrelevantem Marketingwissen besteht. Das Konzept des Wissensmanagements kann daher als das Fundament von Marketing Intelligence verstanden werden. Durch dessen zyklischen Verlauf in Form einer Wissensspirale wird kontinuierlich neues Marketingwissen geschaffen und die Wissensbasis im Marketing erweitert bzw. aktualisiert. Dies führt wiederum zu einer Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing. Marketing Intelligence ebnet somit durch kontinuierliche Lernprozesse den Weg für ein „intelligentes Marketing“. 330
Zur Differenzierung zwischen strategischem und operativem Wissensmanagement siehe auch das Modell der „Bausteine des Wissensmanagements“ von Probst, Raub und Romhardt (vgl. hierzu Abschnitt 4.3.4).
128 4.4
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence Konzeptioneller Bezugsrahmen von Marketing Intelligence
Auf Grundlage der theoretischen Überlegungen lässt sich nun zusammenfassend ein konzeptioneller
Bezugsrahmen
erarbeiten,
der
in
einer
ganzheitlichen
Betrachtungsperspektive möglichst viele Aspekte eines Marketing IntelligenceKonzepts abbildet. Marketing Intelligence ist als eine intermediäre Funktion zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen zu betrachten. Dies heißt jedoch keinesfalls, dass es sich hierbei um eine weitere Stelle zwischen den beiden Subsystemen handelt, sondern vielmehr ist Marketing Intelligence eine Funktion, die nur durch die Zusammenarbeit bzw. Verknüpfung der Daten- und der Entscheidungsseite im Marketing zu erbringen ist. Für die Generierung von entscheider- und entscheidungsorientiertem Marketingwissen – wie es im Sinne einer Marketing Intelligence gefordert wird – ist daher eine Integration der Marketingdaten bzw. -informationen in die Entscheidungsprozesse des Marketings notwendig. Marketing Intelligence im umfassenden Sinne beinhaltet zwei zentrale Aspekte: Zum einen die Fähigkeit, disaggregierte Daten über Kunden, Wettbewerber etc. in Informationen und diese in verwertbares, handlungsorientiertes Marketingwissen zu transformieren; zum anderen die Fähigkeit, auf diese Weise zur Lösung von Problemen, zur Bewältigung neuer Anforderungen und Situationen zu gelangen. Marketing Intelligence betrifft also das Management von marketingrelevantem Wissen, um auf diese Weise bestmögliche Marketingentscheidungen treffen zu können.331 Aus der in der vorliegenden Arbeit besonders beachteten Perspektive der Angebotsseite
von
problemrelevanten
Marketinginformationen Marketingdaten
stellt
neben
sich
die
aggregierten
Frage,
welche
Markt-
bzw.
Marktforschungsdaten noch benötigt werden, damit tatsächlich entscheider- und entscheidungsrelevantes Marketingwissen entstehen kann. Die Nutzung des Marketingwissens und damit die eigentliche Entscheidung hingegen sind dem Aufgabenbereich
des
Marketinginformationen
Marketingmanagements –
zuzuordnen.
Bezugsrahmen von Marketing Intelligence.
331
Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 389.
–
der
Nachfrageseite
von
Abbildung
18
veranschaulicht
den
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
129
(Angebotsseite von Marketinginformationen)
Informationsebene
Wissensebene
Datenebene
Entscheidung
ENTSCHEIDUNGSSEITE
Marketing Intelligence-Cycle
(Nachfrageseite von Marketinginformationen)
DATENSEITE
UNTERNEHMENSEINFLÜSSE
UMWELTEINFLÜSSE
Abbildung 18: Der Bezugsrahmen von Marketing Intelligence
Grundsätzlich wird deutlich, dass Marketing Intelligence als eine intermediäre Funktion
zwischen
der
Angebots-
und
der
Nachfrageseite
von
Marketinginformationen zu charakterisieren ist. Im Sinne des Wissensmanagements umfasst
Marketing
Intelligence
dabei
drei
Ebenen:
die
Datenebene,
die
Informationsebene sowie die Wissensebene. Marketing Intelligence überführt in prozessualer Hinsicht Marketingdaten in Marketinginformationen und diese wiederum in
Marketingwissen.
Dieses
Wissen
stellt
schließlich
die
Grundlage
von
Marketingentscheidungen dar. Insgesamt entsteht auf diese Weise ein Kreislauf, der so genannte Marketing Intelligence-Cycle. Der Marketing Intelligence-Cycle in prozessualer (operativer) Hinsicht überführt vorhandene Daten in Informationen und diese über „Insights“ in Wissen, auf dessen Grundlage
„intelligentes
Marketing“,
das
heißt
eine
Verbesserung
der
Entscheidungsqualität, möglich ist. Hierfür ist im Marketing eine kontinuierliche,
130
Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence
interaktive Zusammenarbeit zwischen Daten- und Entscheidungsseite auf den einzelnen Prozessebenen notwendig. Die vom Marketingmanagement umgesetzte Entscheidung bzw. Handlung manifestiert sich in der Regel in konkreten Maßnahmen, deren Wirkungen auf der Datenebene in Form von Reaktionen (beispielsweise von Seiten der Kunden oder auch Wettbewerber) erfasst werden. Durch Analyse und Bewertung der neuen Daten gelangt man wiederum zu Informationen und letztendlich zu Wissen; auf diese Weise können zum einen Rückschlüsse auf die Qualität der realisierten Marketingentscheidung gezogen werden und zum anderen ergeben sich Möglichkeiten und Restriktionen für neue Lernprozesse
bzw.
Erkenntnisse
bezüglich
zukünftiger
Frage-
und
Problemstellungen des Marketings. In strategischer Hinsicht kann der Marketing Intelligence-Cycle als System somit im Sinne des organisatorischen Lernens zu einer kontinuierlichen Erweiterung bzw. Aktualisierung der Marketingwissensbasis und damit
zu
einer
stetigen
Verbesserung
Marketingentscheidungsprozesses beitragen.
der
Leistungsfähigkeit
des
5
Der Marketing Intelligence-Cycle – Entwicklungsschritte zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing
Der Marketing Intelligence-Cycle
5.1
Der Marketing Intelligence-Cycle aus System- und Prozesssicht
Marketing Intelligence ist, wie bereits erläutert, im Sinne eines umfassenden Wissensmanagements sowohl aus strategischer als auch aus operativer Perspektive zu betrachten. In strategischer Hinsicht geht es darum, im Unternehmen einen Marketing Intelligence-Cycle zu implementieren, der quasi als System im Sinne des organisatorischen
Lernens
zu
einer
kontinuierlichen
Generierung
von
Marketingwissen und damit zu einer stetigen Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung des Marketings beiträgt. Grundsätzlich soll ein solches System sicherstellen, dass auch der operative Prozess von Marketing Intelligence (bezogen auf einen konkreten Entscheidungsfall) im Sinne einer Lernspirale funktioniert. Hierbei überführt Marketing Intelligence in prozessualer Hinsicht vorhandene Daten in Informationen und diese wiederum in Wissen, das den Marketingentscheider in Bezug auf die jeweilige Frage- bzw. Problemstellung bei seiner
Entscheidungsfindung
unterstützt
und
damit
letztendlich
zu
einer
Verbesserung der Marketingentscheidung für einen konkreten Entscheidungstatbestand führt.
5.1.1 Der Marketing Intelligence-Cycle als System Marketing Intelligence zeichnet sich vor dem Hintergrund des Wissensmanagements durch einen holistischen Umgang mit der Ressource Wissen aus. Dennoch wird es aufgrund der komplexen Marketingumwelt bei gleichzeitig beschränkter Rationalität der handelnden Personen nicht möglich sein, eine zentrale Stelle zu schaffen, die für die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Marketinginformationen sowie deren Allokation in die Entscheidungsprozesse des Marketings zuständig ist. Ganz im Gegenteil müssen alle Akteure der Daten- und Entscheidungsseite mitwirken, damit Marketingwissen geschaffen wird, das schließlich zu einer Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing führt. In dieser Hinsicht muss Marketing Intelligence als System quasi eine „Infrastruktur“ implementieren, die
132
Der Marketing Intelligence-Cycle
im Sinne des organisatorischen Lernens zu einer stetigen Erweiterung der Marketingwissensbasis und damit zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Entscheidungsprozesse im Marketing führt. Um diese Zielsetzung zu erreichen, hat Marketing Intelligence geeignete Strukturen zu entwickeln. Zum einen ist hierfür eine funktionale Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen erforderlich und zum anderen sind auch informationstechnologische Systeme zu implementieren, welche die Aufgaben einer Marketing Intelligence unterstützen bzw. überhaupt erst ermöglichen. Generell entsteht Marketing Intelligence, wie bereits erörtert, erst durch das Zusammenwirken von Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen. Als sinnvoll erscheint daher ein Kreislauf, der bestehende Marketingdaten und -informationen so in die Entscheidungsprozesse des Marketings integriert, dass durch Schaffung einer fundierten Marketingwissensbasis der Entscheidungsträger bei seiner Entscheidungsfindung unterstützt wird und somit die Qualität von Marketingentscheidungen verbessert wird. Der Marketing Intelligence-Cycle umfasst als Prozessstufen die Daten-, Informations- und Wissensebene (siehe Abbildung 19).
Datenebene
Informationsebene
• Definition des Analyseziels
• Prozess der Datenintegration
• Informationsbedarfsanalyse
• Verfahren zur Analyse von Marketingdaten
Analyse, Anreicherung
• Generierung von Marketing Insights
Problemverständnis
• Ganzheitliches Management von Wissen
Problemlösung
Abbildung 19: Der Marketing Intelligence-Cycle
ati o pre t
Wissensebene • Wissensschaffung und -verteilung (Sozialisation, Externalisierung, Kombination, Internalisierung)
Int er
on k ti ele -S Re
n, Re fle xio n
Se lek tio n
Problemdefinition
Datenseite (Angebotsseite von Marketinginformationen)
Entscheidungsseite (Nachfrageseite von Marketinginformationen)
Der Marketing Intelligence-Cycle
133
Ein grundlegendes Element des Marketing Intelligence-Cycles ist die Datenebene. Hier erfolgt die Selektion von Marketingdaten, die insbesondere durch die Systematisierung und Konkretisierung von Marketingproblemen sowie durch die darauf aufbauende Analyse des Informationsbedarfs determiniert wird. Auf diese Weise
wird
in
Zusammenarbeit
von
Angebots-
und
Nachfrageseite
von
Marketinginformationen ein Rahmen gesteckt, der den Entscheidungstatbestand eingrenzt; sicherlich handelt es sich hierbei nicht um eine detaillierte Planung. Vielmehr soll das Handlungsfeld in Form einer Problemdefinition abgesteckt werden. Das stetige Wachstum der Datenbestände im Marketing macht allerdings den Zugriff auf die benötigten Marketinginformationen immer schwieriger. Daher ist es notwendig, die erforderlichen Daten aus der Vielzahl an verfügbaren Marketingdaten zu filtern, sie gegebenenfalls mit zusätzlichen (extra zu erhebenden) Marketingdaten zu ergänzen und anschließend zu aussagekräftigen Marketinginformationen zu integrieren. Durch Analyse der integrierten, entscheidungsrelevanten Marketingdaten wird schließlich ein umfassendes Problemverständnis erlangt. Der Übergang zur Informationsebene
impliziert
demnach
die
Anreicherung
und
Analyse
entscheidungsrelevanter Marketingdaten, so dass für den Entscheidungsträger ein Informationswert entsteht. Diese Tätigkeiten fallen, wie auch in Abbildung 19 ersichtlich,
insbesondere
in
den
Tätigkeitsbereich
der
Angebotsseite
von
Marketinginformationen. Um die Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing zu verbessern, ist jedoch die Generierung von Marketingwissen erforderlich.
Hierfür
bedarf
es
einer
Interpretation
und
Reflexion
der
Marketinginformationen, welche den Übergang zur Wissensebene ausmachen. Erst auf dieser Ebene erfolgt die eigentliche Integration der Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesse des Marketings, weil erst hier Marketingentscheider das gewonnene Sach- bzw. Faktenwissen in den Kontext ihres Erfahrungswissens einbetten und mit ihrem Verstand bewerten, um daraus Schlussfolgerungen für ihr Handeln zu ziehen. Solches handlungsorientiertes Wissen umfasst die Gesamtheit der Fähigkeiten und Kenntnisse, die Marketingentscheider zur Problemlösung heranziehen; es kann damit unmittelbar in Handlungen umgesetzt werden. Die Kernelemente
der
Wissensebene
bilden
die
Wissensschaffung
sowie
das
systematische Management der Ressource Marketingwissen. Auf dieser Ebene des Marketing Intelligence-Cycles ist die Überbrückung der häufig bestehenden Kluft zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen besonders wichtig, da diese sich andernfalls in Form von Wissensbarrieren unmittelbar auf die Schaffung und das Management von Marketingwissen auswirkt;
134
Der Marketing Intelligence-Cycle
dies würde schließlich die Entscheidungsunterstützung des Marketingmanagers bebzw. unter Umständen sogar verhindern.
5.1.2 Der Prozess von Marketing Intelligence als Lernspirale Marketing Intelligence entsteht durch einen Kreislauf über die Daten-, Informationsund Wissensebene hinweg. Der Marketing Intelligence-Cycle, der in systemischer Hinsicht
insgesamt
zu
einer
Verbesserung
der
Entscheider-
und
Entscheidungsunterstützung des Marketings führt, stellt sicher, dass der (operative) Prozess von Marketing Intelligence für einen konkreten Entscheidungsfall im Sinne einer Lernspirale funktioniert. Der Prozess von Marketing Intelligence überführt – bezogen auf einen konkreten Einzelfall – die benötigten Marketingdaten in Informationen und diese wiederum in Wissen. Für einen einzelnen, spezifischen Entscheidungsfall stellt sich der Prozess folgendermaßen dar: Ausgangspunkt ist eine spezifische Problem- bzw. Fragestellung des Marketings. Nachdem diese ausreichend systematisiert und konkretisiert wurde und damit der Rahmen des jeweiligen Entscheidungsfalls in Form einer Problemdefinition abgesteckt wurde, wird der erforderliche Informationsbedarf festgelegt. In einem weiteren Schritt werden schließlich aus der Vielzahl der verfügbaren Marketingdaten die tatsächlich entscheidungs- und entscheiderrelevanten Daten selektiert und gegebenenfalls noch zusätzliche Daten, die für die Entscheidungsfindung benötigt werden, beschafft. Die relevanten Marketingdaten (und nur diese) werden zu einer einheitlichen Datenbasis verknüpft und anschließend mittels geeigneter Verfahren analysiert. Sie erlangen einen Informationswert und liefern somit ein tiefergehendes Verständnis für den jeweiligen
Entscheidungsfall.
Dieses
generierte
Faktenwissen
verknüpft
der
Marketingentscheider schließlich mit seinem persönlichen Erfahrungswissen aus früheren
(ähnlichen)
Entscheidungssituationen,
interpretiert
sodann
das
zweckorientierte Marketingwissen mittels seiner praktischen Fertigkeiten und gelangt schließlich zu handlungsorientiertem Marketingwissen, das er direkt in Form einer konkreten Entscheidung bzw. Handlung umsetzen kann. Nachdem für eine spezifische Problem- bzw. Fragestellung eine Entscheidung getroffen wurde und diese durch spezifische Maßnahmen umgesetzt wurde, entstehen oft weitere, mit dem ursprünglichen Entscheidungsfall verbundene Fragebzw. Problemstellungen. Diese durchlaufen wieder die drei Prozessstufen des
Der Marketing Intelligence-Cycle
135
Marketing Intelligence-Cycles, allerdings bereits auf einer höheren Wissensebene (vgl. Abbildung 20). Auf Grundlage dieser „besseren“ Marketingwissensbasis wird wieder
eine
Entscheidung
getroffen,
welche
die
ursprüngliche
Marketingentscheidung in der Regel optimiert (beispielsweise in Form einer Modifikation). Auch diese angepasste Entscheidung bzw. Handlung kann wiederum weitere neue bzw. ergänzende Frage- bzw. Problemstellungen mit sich bringen und stößt somit einen neuen Durchlauf des Marketing Intelligence-Cycles an, jedoch auf einem noch höheren Wissensstand. Insgesamt entsteht somit ein spiralförmiger Prozess; das heißt, idealtypisch wird der Marketing Intelligence-Cycle immer wieder auf einem stetig steigenden Wissensstand durchlaufen. Dadurch wird für einen spezifischen
Entscheidungstatbestand
jedes
Mal
eine
neue,
verbesserte
Marketingwissensbasis geschaffen, von der aus wieder eine neue Windung der Wissensspirale durchlaufen werden kann. Sicherlich ist es dem Marketing aufgrund begrenzter Zeit- und Budgetvorgaben nicht möglich, diesen Prozess für ein spezifisches Entscheidungsproblem beliebig häufig zu wiederholen. Offensichtlich ist jedoch, dass jeder weitere Durchlauf des spiralförmigen Prozesses von Marketing Intelligence grundsätzlich zu einer stetigen Erweiterung bzw. Aktualisierung des Marketingwissens für einen konkreten Entscheidungsfall beiträgt. Abbildung 20 veranschaulicht den beschriebenen Prozess von Marketing Intelligence für ein spezifisches Marketingproblem. Idealtypisch ergibt sich für jedes Entscheidungsproblem ein solcher spiralförmiger Verlauf des Marketing Intelligence-Cycles. Das bedeutet, dass im Marketing insgesamt eine Vielzahl solcher spiralförmiger Marketing Intelligence-Prozesse abläuft, nämlich für sämtliche Entscheidungsfälle. Der Marketing Intelligence-Cycle als
System
bringt
somit
einerseits
eine
permanente
Verbesserung
der
Marketingwissensbasis und andererseits eine Erhöhung der Kompetenz der Marketingentscheider mit sich; er stellt sicher, dass der Prozess von Marketing Intelligence als Lernspirale durchlaufen wird. Auf diese Weise wird nicht nur der Wissensstand im Marketing erhöht, sondern auch der Marketing Intelligence-Cycle selbst optimiert, so dass der Prozess von Marketing Intelligence immer effektiver und effizienter ablaufen kann.
136
Der Marketing Intelligence-Cycle
n
Datenebene Informationsebene Wissensebene
Kontinuierliche Verbesserung der Marketingwissensbasis für gleiche bzw. ähnliche Problemstellungen
Datenebene Informationsebene Wissensebene
Datenebene Informationsebene Wissensebene
Datenebene Informationsebene Wissensebene
Problem
Abbildung 20: Der Prozess von Marketing Intelligence
Der Marketing Intelligence-Cycle ist stets in seiner Gesamtheit zu betrachten. Nur so ist sicherzustellen, dass eine Lernspirale entsteht, welche den lernenden Charakter des Prozesses einer Marketing Intelligence widerspiegelt. Im Folgenden werden nun die einzelnen Elemente des Marketing Intelligence-Cycles genauer betrachtet und Handlungsempfehlungen für eine Integration von Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesse
des
Marketings
abgeleitet.
Obwohl
die
einzelnen
Prozessstufen des Marketing Intelligence-Cycles getrennt voneinander betrachtet werden, darf dabei der holistische, interdependente Charakter der Elemente nicht außer Acht gelassen werden.
Der Marketing Intelligence-Cycle 5.2
137
Datenebene des Marketing Intelligence-Cycles
Das Angebot von Marketingdaten steigt aufgrund der verbesserten Informations- und Kommunikationstechnologie permanent an. Neben unternehmensinternen Daten, die „automatisch“ im Rahmen der operativen Geschäftsprozesse anfallen, sehen sich Marketingentscheider zusätzlich mit (extra zu erhebenden) unternehmensexternen sowie aggregierten Markt- bzw. Marktforschungsdaten konfrontiert. 332 Es wird daher immer schwieriger, aus dieser Datenflut die tatsächlich relevanten, vom Entscheider benötigten Marketingdaten zu selektieren. Grundsätzlich geht es daher auf der Datenebene des Marketing Intelligence-Cycles darum, bestehende Frage- bzw. Problemstellungen
zu
konkretisieren
und
zu
systematisieren
sowie
den
erforderlichen Informationsbedarf zu analysieren.
5.2.1 Konkretisierung und Systematisierung von Marketingproblemen durch Analyseziele Ausgangspunkt des Marketing Intelligence-Prozesses bildet ein spezifisches Marketingproblem. Dieses kann entweder auf der strategischen Ebene angesiedelt sein und in einer strategischen Entscheidung resultieren oder die operative Ebene betreffen und dort gegebenenfalls zu einer Routineentscheidung führen. 333 Die Zielsetzung sowohl bei strategischen als auch bei operativen Entscheidungen besteht stets darin, das vorliegende Marketingproblem zu lösen; die zu gewinnenden Erkenntnisse sollten beispielsweise zur Beantwortung spezifischer Problem- bzw. Fragestellungen
oder
auch
Handlungsmaßnahmen dienen.
zur
Gestaltung
von
Marktbearbeitungs-
bzw.
334
Um überhaupt ein Marketingproblem zu erkennen, werden in der Regel schon Marketingdaten benötigt. So können Kontrolldaten dem Marketing Hinweise liefern, inwieweit
beispielsweise
bereits
implementierte
Marketingmaßnahmen
den
Kundenwünschen gerecht werden oder ob sie gegebenenfalls zu modifizieren bzw. anzupassen sind. Aus vorhandenen Situations- bzw. Prognosedaten hingegen kann häufig abgeleitet werden, ob und gegebenenfalls welche Aktionen geplant werden 332
Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2.
333
Siehe zur Differenzierung Abschnitt 3.1.1.2.
334
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 161ff.
idealtypischer
Ausprägungen
von
Marketingentscheidungen
138
Der Marketing Intelligence-Cycle
sollten. Die Identifikation eines bestehenden Marketingproblems reicht jedoch noch nicht aus, um den erforderlichen Informationsbedarf abzuleiten und sich für ein geeignetes
analytisches
Vorgehen
(zum
Beispiel
für
ein
bestimmtes
Analyseverfahren) zu entscheiden. Darüber hinaus ist es notwendig, die bestehende Problem- bzw. Fragestellung zu konkretisieren. Hierfür liegen insbesondere zwei Gründe vor: Zum einen zeichnen sich auftretende Marketingprobleme anfangs durch einen eher allgemeinen Charakter aus, so dass die Ableitung spezifischer Handlungskonsequenzen oder auch analytischer Fragestellungen nur schwer möglich ist. Zum anderen können bei der Problemdefinition weitere bedeutsame Sachverhalte aufgedeckt werden, die durch die Konkretisierung erst zum Vorschein kommen.335 Obgleich eine Konkretisierung des Marketingproblems häufig eher vernachlässigt wird, ist sie durchaus von Bedeutung, da bei der anschließenden Datenanalyse nur diejenigen Problemaspekte berücksichtigt werden können, die bereits hier als relevant erachtet wurden. In
einem
weiteren
Schritt
ist
es
notwendig,
das
nunmehr
konkretisierte
Marketingproblem zu systematisieren und zu operationalisieren; das heißt, das Marketingproblem ist in beobachtbare und damit auf Basis von Daten messbare Sachverhalte zu zerlegen. Resultat ist hierbei die Formulierung eines Analyseziels – idealtypisch in Form einer analytischen Fragestellung. 336 Abbildung 21 verdeutlicht exemplarisch anhand eines CRM-Problems, wie aus anfangs noch generellen Marketingproblemen
spezifische
analytische
Zieldefinitionen abgeleitet werden können.
335
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 163f.
336
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 165.
Fragestellungen
in
Form
von
Der Marketing Intelligence-Cycle
CRMProblem bzw. -Ziel Konkretisiertes CRM-Problem bzw. -Ziel
139
Basisstrategie Kundenrückgewinnung: Verringerung der Abwanderungsrate Untersuchung des Abwanderungsverhaltens
Vermeidung der Abwanderung
Entwicklung einer Kundenbindungskampagne
Fachliche Ebene
Analyseziel
Welche Kunden sind bereits abgewandert?
Was sind die typischen Abwanderungsgründe?
Welche Kunden sind abwanderungsgefährdet?
Welche Kunden sollen wir direkt ansprechen?
Analyseebene
Abbildung 21: Vom CRM-Problem zum Analyseziel (Beispiel Kundenrückgewinnung) Quelle: in Anlehnung an Neckel/Knobloch 2005, S. 167.
Selbst für die Konkretisierung und Systematisierung von Marketingproblemen und -fragestellungen ist bereits eine Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen erforderlich: Während auf der fachlichen Ebene insbesondere das Konkretisieren eines CRM-Problems bzw. –Ziels eher in den Aufgabenbereich der Entscheidungsseite fällt, obliegt es auf der Analyseebene vorwiegend der Datenseite, hieraus spezifische Analyseziele abzuleiten. Ein Analyseziel bzw. eine analytische Fragestellung liefert zum einen erste Hinweise für Informationsmanager (bzw. Marketingentscheider), welche Marketingdaten hierfür benötigt werden, und zum anderen ergeben sich bereits Anhaltspunkte bezüglich geeigneter Verfahren und Methoden der Datenanalyse.
140
Der Marketing Intelligence-Cycle
5.2.2 Gap-Modell der Informationsbedarfsanalyse zur Aufdeckung möglicher Diskrepanzen zwischen Informationsnachfrage und Informationsangebot „Umfang, Genauigkeit und Häufigkeit bereitzustellender Informationen werden vom Informationsbedarf der einzelnen […] Entscheidungsträger […] bestimmt. Dieser Informationsbedarf hängt ab von den konkreten Aufgabenstellungen, den verfolgten Zielen
und
von
sozial-
und
individualpsychologischen
Eigenschaften
der
Entscheidungsträger.“ 337 Die Festlegung des jeweils im Einzelfall bestehenden bzw. subjektiv wahrgenommenen Informationsbedarfs wird also von diversen Faktoren determiniert. Grundsätzlich benötigen Marketingentscheider aufgrund unterschiedlicher kognitiver Stile338 divergierende Informationen für die Entscheidungsfindung; das heißt, nicht alle Marketinginformationen sind für den einzelnen Entscheidungsträger gleich nützlich.
Darüber
hinaus
ordern
Marketingentscheider
nicht
selten
auch
Informationen, die sie für bestimmte Fragestellungen bzw. Entscheidungen gar nicht benötigen; der subjektiv geäußerte Bedarf an Marketinginformationen differiert somit von den objektiven Erfordernissen des Entscheidungstatbestandes. Neben diesem eher durch den Entscheider selbst hervorgerufenen Auseinanderklaffen zwischen Informationsangebot und -bedarf kann es auch vorkommen, dass für spezifische Situationen gar keine oder nur wenige Informationen vorliegen bzw. beschafft werden können. Für andere Entscheidungen hingegen liegt eine Vielzahl heterogener Daten vor, die häufig kaum überschaubar sind. Hiermit sind die Probleme des Informationsmangels und des Informationsüberflusses angesprochen, welche auch bei der Informationsplanung339 im Marketing zu berücksichtigen sind. Vor diesem Hintergrund wird in den folgenden Ausführungen die Festlegung des Informationsbedarfs im Marketing erläutert, indem zum einen das mögliche Auseinanderklaffen von Informationsbedarf und Informationsangebot und zum anderen die eventuell daraus resultierenden Folgen des Informationsmangels und des Informationsüberflusses erörtert werden. Der Informationsbedarf ist als Auslöser der Informationsbeschaffung zu verstehen. Dem vom Marketingentscheider geäußerten Informationsbedarf wird zunächst ein 337
Picot/Reichwald 1991, S. 256.
338
Siehe ausführlich Abschnitt 3.1.2.3.
339
Die Informationsplanung als Subprozess des Informationsmanagements umfasst die Analyse der Informationsbedarfe sowie der potenziellen Informationsquellen (vgl. Christian 2002, S. 55).
Der Marketing Intelligence-Cycle
141
Informationsangebot gegenübergestellt, wobei dieses nicht notwendigerweise mit den nachgefragten Informationen übereinstimmen muss. 340 Zudem kann auch, wie bereits angedeutet, die subjektive Nachfrage von den objektiven Erfordernissen abweichen. Folglich erweist es sich auch im Marketing als schwierige Aufgabe, den „[s]ubjektiven und objektiven Informationsbedarf, die Informationsnachfrage und das Informationsangebot möglichst weitgehend in Übereinstimmung zu bringen“ 341. Bevor detailliert auf die vielfältigen potenziellen Lücken zwischen der Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen eingegangen wird und insbesondere die daraus resultierenden Schwierigkeiten der Informationsplanung im Marketing aufgezeigt werden, erscheinen zunächst einige terminologische Klärungen dieser Konstrukte als sinnvoll. Beginnend mit dem Informationsbedarf ist zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf
zu
unterscheiden.
Der
objektive
Informationsbedarf
wird
unabhängig von der Person des Entscheidungsträgers definiert und leitet sich allein aus der jeweiligen Aufgabenstellung ab. 342 Es ist demnach exakt der Bedarf angesprochen, der für eine spezifische Entscheidungssituation notwendig wäre. Da dieser Bedarf kaum (und wenn überhaupt lediglich im Nachhinein) zu erfüllen ist, ist der objektive Informationsbedarf als hypothetisches Konstrukt aufzufassen. Im Gegensatz zum objektiven Informationsbedarf wird der subjektive Informationsbedarf aus Perspektive des Entscheidungsträgers definiert. Es handelt sich hierbei um den Bedarf an Informationen, welcher dem einzelnen Individuum für die jeweilige Entscheidungssituation als relevant erscheint. 343 In vielen Arbeiten werden die Begriffe „subjektiver Informationsbedarf“ und „Informationsbedürfnis“ synonym verwendet344; der Bedeutungsgleichheit dieser beiden Begriffe wird auch in der vorliegenden Arbeit gefolgt. Davon
lässt
sich
der
Begriff
der
Informationsnachfrage
abgrenzen.
Die
Informationsnachfrage bezeichnet den „von einem Entscheidungsträger faktisch geäußerten (ausgesprochenen) Wunsch nach bestimmten Informationen“ 345 und 340
Vgl. Brockhoff 1983, S. 57.
341
Picot/Reichwald 1991, S. 276.
342
Vgl. Picot/Reichwald 1991, S. 275f.; Berthel 1992, Sp. 873; Gemünden 1993, Sp. 1728; Standop 1995, Sp. 964f.; Vornkahl 1997, S. 37; Garbe 1984, Sp. 1874.
343
Vgl. Picot/Reichwald 1991, S. 275; Vornkahl 1997, S. 36f.; Berthel 1992, Sp. 873; Gemünden 1993, Sp. 1726ff.
344
Vgl. u.a. Roleff 2001, S. 64; Vornkahl 1997, S. 36.
345
Roleff 2001, S. 66.
142
Der Marketing Intelligence-Cycle
stellt daher für gewöhnlich nur eine Teilmenge des subjektiven Informationsbedarfs dar. Dies kann schon allein durch vorgegebene Budgetrestriktionen bedingt sein. Abbildung 22 veranschaulicht die dargestellten Zusammenhänge zwischen dem objektiven und subjektiven Informationsbedarf sowie der Informationsnachfrage:
Subjektiver Informationsbedarf
Objektiver Informationsbedarf
Informationsstand Informationsangebot
Tatsächliche Informationsnachfrage
Abbildung 22: Zusammenhang zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf, Informationsnachfrage und Informationsangebot Quelle: in Anlehnung an Picot/Reichwald 1991, S. 276.
Aus Abbildung 22 geht hervor, dass bei der Informationsplanung zudem das Informationsangebot zu berücksichtigen ist. Deutlich wird hierbei, dass das Informationsangebot in der Regel nicht der Informationsnachfrage des Entscheidungsträgers entspricht. Konsequenzen hiervon können einerseits Informationsmangel (entspricht in Abbildung 22 dem Teil des Informationsnachfragekreises, der nicht durch den Kreis des Informationsangebots gedeckt wird) und andererseits Informationsüberfluss (entspricht in Abbildung 22 dem Teil des Informationsangebotskreises, der nicht durch den Kreis der Informationsnachfrage gedeckt wird) sein. Im Anschluss an diese theoretische Erläuterung der Begrifflichkeiten soll nun detailliert betrachtet werden, wie derartige Lücken zwischen der Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen entstehen können. Das „Gap-Modell der
Der Marketing Intelligence-Cycle Informationsbedarfsanalyse“
143
(siehe
Abbildung
23)
veranschaulicht
graphisch
potenzielle Lücken bei der Informationsplanung im Marketing: 346
Objektiver Informationsbedarf Entscheidungsseite (Nachfrageseite von Marketinginformationen)
Subjektiver Informationsbedarf Kommunizierter Informationsbedarf Erfasster Informationsbedarf Informationsstand Realisierbares Informationsangebot
Datenseite (Angebotsseite von Marketinginformationen)
Subjektives Informationsangebot Objektives Informationsangebot Menge an Marketinginformationen
Abbildung 23: Das „Gap-Modell“ der Informationsbedarfsanalyse im Marketing Quelle: in Anlehnung an Christian 2002, S. 60.
Ausgangspunkt ist die Nachfrageseite von Marketinginformationen. Ausgehend von einer spezifischen Frage- bzw. Problemstellung im Marketing beschreibt der objektive Informationsbedarf diejenige Menge an Informationen, die exakt für die jeweilige Entscheidungssituation notwendig wäre. Dazu muss die Fragestellung komplett beschreibbar und vollständig operationalisierbar sein; dies ist (wenn überhaupt) für Entscheidungstatbestände im Marketing bestenfalls im Nachhinein möglich.347 Folglich wird im Marketing immer eine Lücke zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf bestehen. Der subjektive Informationsbedarf – in der vorliegenden
Arbeit
Marketingentscheiders
auch
als
bezeichnet
Informationsbedürfnis –
beschreibt
den
eines Bedarf,
einzelnen den
der
Marketingentscheider für die jeweilige Situation als nötig erachtet. Hierbei handelt es sich um Marketinginformationen, die aus Sicht des Marketingentscheiders zur
346
Vgl. hierzu auch Christian 2002, S. 60ff.
347
Vgl. Vornkahl 1997, S. 37; Christian 2002, S. 60; Roleff 2001, S. 64.
144
Der Marketing Intelligence-Cycle
Vorbereitung, Unterstützung und Bestätigung einer Entscheidung als essenziell eingestuft werden. 348 Der subjektive Informationsbedarf ist demnach von zwei Faktoren abhängig: von der Entscheidungssituation und vom kognitiven Stil des Entscheidungsträgers. Diese beiden Faktoren determinieren maßgeblich die Lücke zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf. 349 Die
Abhängigkeit
des
subjektiven
Informationsbedarfs
von
der
Entscheidungssituation bedingt, dass bei Frage- und Problemstellungen, die in gleicher Art und Weise immer wieder auftreten, sich auch der Informationsbedarf in gleicher Form wiederholen wird. Auf Dauer wird es somit möglich sein, eine immer bessere Kongruenz zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf zu erzielen. In einem dynamischen, sich permanent ändernden Umfeld – wie auch dem Marketing – hingegen wird dies nicht möglich sein, da auch der objektive Informationsbedarf sich stets ändert; der Marketingentscheider wird ständig mit neuen bzw. angepassten Frage- und Problemstellungen konfrontiert. Aus diesem Grund wird im Marketing die Entscheidungssituation weniger zu einer Anpassung von objektivem und subjektivem Informationsbedarf beitragen. Durchaus denkbar ist allerdings,
dass
jene
Marketingentscheider,
die
aufgrund
langjähriger
Berufserfahrung einen umfassenden Erfahrungsschatz besitzen, in einzelnen Situationen besser abschätzen können, welche Marketinginformationen für die Entscheidungsfindung relevant und welche eher zu vernachlässigen sind. Die Erfahrung
und
der
Marketingentscheiders
damit
häufig
können
somit
einhergehende die
Lücke
kognitive
zwischen
Stil
objektivem
eines und
subjektivem Informationsbedarf verringern. Dennoch wird der objektive Informationsbedarf in der Regel niemals mit dem subjektiven Informationsbedarf übereinstimmen; wie aus Abbildung 23 hervorgeht, sind einerseits nicht alle Marketinginformationen des objektiven Bedarfs im subjektiven
Informationsbedarf
enthalten,
andererseits
wünscht
der
Marketingentscheider Informationen, die objektiv nicht relevant sind. Um die Lücke zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf jedoch möglichst gering zu halten, sind für die jeweilige Problem- bzw. Fragestellung vorab konkrete Analyseziele festzulegen; 350 je detaillierter und zielgerichteter diese sind, desto
348
Vgl. Berthel 1992, Sp. 873; Vornkahl 1997, S. 36f.; Roleff 2001, S. 64.
349
Vgl. Christian 2002, S. 60; Vornkahl 1997, S. 46ff.; Breyer 1992, S. 87ff.; Diller 1975, S. 13f.
350
Siehe hierzu Abschnitt 5.2.1.
Der Marketing Intelligence-Cycle besser
ist
auch
eine
145
Angleichung
zwischen
objektivem
und
subjektivem
Informationsbedarf möglich. Darüber hinaus treten auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen noch weitere Lücken auf; diese entstehen allerdings in erster Linie durch Kommunikationsund Verständnisprobleme. Sobald ein Entscheidungsträger im Marketing seinen subjektiven Informationsbedarf definiert (und gegebenenfalls auch mit Kollegen abgesprochen bzw. abgestimmt) hat, muss er sein Informationsbedürfnis der Datenseite mitteilen. Hierbei handelt es sich entsprechend Abbildung 23 um den kommunizierten Informationsbedarf (in Abbildung 22 als Informationsnachfrage bezeichnet). Vorwiegend aufgrund von Mitteilungs- und Verständigungsproblemen kommt
es
zu
einer
Lücke
zwischen
subjektivem
und
kommuniziertem
Informationsbedarf. So passiert es nicht selten, dass Marketingentscheider nur einen Teil des subjektiven Informationsbedarfs in Worte fassen (können) und somit gegenüber der Datenseite nicht ihr komplettes Informationsbedürfnis äußern. Von den
Informationsmanagern
der
Datenseite
wird
dieser
kommunizierte
Informationsbedarf wiederum häufig nicht vollständig verstanden, was zu einer nochmaligen Abweichung – dem erfassten Informationsbedarf – führt. Die Datenseite kann folglich nur den erfassten Informationsbedarf befriedigen, der allerdings nicht den
gesamten
subjektiven
Informationsbedarf
eines
Marketingentscheiders
abgedeckt. Die entstehenden Lücken zwischen subjektivem, kommuniziertem und erfasstem Informationsbedarf sind also hauptsächlich auf die verschiedenen „Sprachwelten“ der Entscheidungs- und Datenseite im Marketing zurückzuführen, woraus
nicht
selten
Kommunikations-
Missverständnisse resultieren.
351
und
Verständnisprobleme
sowie
Der Informationsmanager geht daher von einem
Informationsbedarf des Marketingentscheiders aus, der nur partiell mit dem subjektiven
und
noch
weniger
mit
dem
eigentlich
relevanten
objektiven
Informationsbedarf übereinstimmt. Analog hierzu ergeben sich auch auf der Angebotsseite von Marketinginformationen Lücken bei der Informationsplanung bzw. -beschaffung. Ausgangspunkt ist das objektive Informationsangebot; hierbei handelt es sich um unternehmensinterne und
351
In diesem Zusammenhang spricht Christian 2002 von einem hermeneutischen Fehlschluss: Obwohl beide Seiten glauben, sich zu verstehen, entstehen Missverständnisse, da häufig unterschiedliche Bedeutungen derselben Worte zugrunde gelegt werden (vgl. Christian 2002, S. 61).
146
Der Marketing Intelligence-Cycle
-externe Marketingdaten, die dem Unternehmen potenziell zugänglich sind. 352 Für Informationsmanager ist es so gut wie unmöglich, alle entscheidungs- und entscheiderrelevanten Daten zu kennen und diese auch noch zu berücksichtigen. Deshalb entsteht zwischen objektivem und subjektivem Informationsangebot eine erste Lücke auf der Angebotsseite von Marketinginformationen. Das subjektive Informationsangebot umfasst diejenigen Marketingdaten, Informationsmanagern
bekannt
sind
und
von
ihnen
für
den
die
jeweiligen
Entscheidungsfall als relevant erachtet werden. Jedoch können auch diese in der Regel nicht vollständig abgerufen werden, weshalb eine weitere Kluft zwischen subjektivem und realisierbarem Informationsangebot entsteht. Nicht selten werden Informationsmanagern strenge zeitliche Vorgaben vom Marketing gesteckt, so dass es nicht möglich ist, bestimmte, vorwiegend auch primär zu erhebende Daten zu beschaffen. Außerdem determiniert auch die Zugänglichkeit das Informationsangebot; manche Informationen, beispielsweise Konkurrenzdaten, können durch die Datenseite, obgleich sie interessant sein mögen, nicht abgefragt werden. Schließlich beschränkt
oftmals
das
Informationsbeschaffung.
353
Informationsbudget
als
ökonomische
Barriere
die
Darüber hinaus beeinflusst der Informationsmanager
selbst die Informationsbeschaffung im Marketing; seine Fähigkeiten beispielsweise bezüglich Informationssuche und -verwaltung sowie sein Bemühen, möglichst alle relevanten Daten zu bekommen, determinieren zudem die Lücke zwischen subjektivem und realisierbarem Informationsangebot. 354 Der Informationsstand stellt schließlich die Schnittstelle zwischen dem erfassten Informationsbedarf
auf
der
Entscheidungsseite
und
dem
realisierbaren
Informationsangebot auf der Datenseite dar. Lediglich in diesem Bereich wird das Informationsbedürfnis des Marketingentscheiders befriedigt, sofern der Austausch der Marketinginformationen zwischen Daten- und Entscheidungsseite reibungslos abläuft. Diese aufgezeigten Lücken bei der Informationsplanung im Marketing können folglich zu einer Diskrepanz zwischen Informationsbedarf und Informationsangebot führen, woraus schließlich Informationsmangel bzw. Informationsüberlastung entstehen. Die dargestellte Problematik macht deutlich, dass der Informationsbedarfsanalyse sowie 352
Siehe dazu die Ausführungen bezüglich des Informationsangebots im Marketing in Abschnitt 3.2.2.
353
Vgl. Vornkahl 1997, S. 96ff.; Christian 2002, S. 62.
354
Vgl. hierzu auch Ballin 2005, S. 187ff.
Der Marketing Intelligence-Cycle
147
damit verbunden der Analyse des Informationsangebots im Marketing eine große Bedeutung zugemessen werden sollte. Sicherlich ist es dabei notwendig, dass die Datenseite das Angebot an Marketinginformationen sowie deren Inhalte besser kennt, dennoch sollte auch die Entscheidungsseite zumindest eine groben Überblick darüber haben. Zusammenfassend veranschaulicht das Gap-Modell etwaige Inkongruenzen, die bei der Bedarfsanalyse
zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von
Marketinginformationen entstehen können. Es bietet somit die Möglichkeit, den Ablauf der Informationsbedarfsanalyse detailliert darzustellen. Die Bedarfsanalyse ist im Sinne einer Marketing Intelligence von entscheidender Bedeutung; nur wenn es gelingt, bereits auf der Datenebene eine qualitativ hochwertige Datenbasis für die anstehende Marketingentscheidung zu schaffen, können auch die nachfolgenden Prozessschritte des Marketing Intelligence-Cycles erfolgreich verlaufen. Ziel soll es daher sein, die aufgezeigten Lücken möglichst klein zu halten. Im Folgenden werden insbesondere vor dem Hintergrund dieses Modells Gestaltungshinweise gegeben, um den ersten Prozessschritt des Marketing Intelligence-Cycles, die Beschaffung und Bereitstellung bedarfsgerechter Marketingdaten, zu optimieren.
5.2.3 Sicherstellung einer bedarfsgerechten Problemdefinition durch interaktive Zusammenarbeit von Daten- und Entscheidungsseite Grundsätzlich hat die Informationsbedarfsanalyse enorme Auswirkungen auf den Marketing Intelligence-Cycle. In erster Linie beeinflusst sie die Beschaffung und Bereitstellung tatsächlich entscheidungs- und entscheiderrelevanter Marketingdaten; je präziser der Informationsbedarf analysiert und übermittelt wird, desto effektiver und effizienter kann die Informationsbeschaffung und -bereitstellung im Marketing ablaufen. Zudem wirkt sich die Informationsbedarfsanalyse auf die anschließende Anreicherung und Auswertung der Marketingdaten aus; so ist zu berücksichtigen, dass eventuell Daten aufgrund fehlender Brücken-Variablen nicht mit bereits vorliegenden Daten verknüpft werden können oder spezielle Analyseverfahren nicht durchführbar sind, da methodische Voraussetzungen (Skalenniveaus etc.) nicht gegeben
sind.
Deshalb
ist
eine
detaillierte
Abstimmung
zwischen
Marketingentscheidern und Informationsmanagern bereits auf der Datenebene maßgeblich für die weiteren Prozessstufen des Marketing Intelligence-Cycles.
148
Der Marketing Intelligence-Cycle
Zur Durchführung einer zielgerichteten Informationsbedarfsanalyse im Marketing ist es empfehlenswert, ein Analyseraster heranzuziehen. Abbildung 24 verdeutlicht exemplarisch ein derartiges Raster zur Analyse von Informationsbedarfen:
Hintergrund: Zu welchem Analyseziel wird die Information erhoben? Wozu?
Inhalt: Welche Informationen werden benötigt? Was?
Form: In welcher Art und Weise sollen Informationen erhoben werden? Wie?
Bedarfsanalyse
Nutzer: Welche Managementposition benötigt Informationen? Wer?
Zeit: Zu welchem Zeitpunkt werden die Informationen benötigt? Wann?
Abbildung 24: Raster zur Analyse des Informationsbedarfs Quelle: In Anlehnung an Dannenberg/Barthel 2004, S. 113.
Eine erste Dimension für die Analyse des Informationsbedarfs betrifft die Konkretisierung und Systematisierung des Marketingproblems in Form von klar definierten
Analysezielen. 355
Darauf
aufbauend
sind
für
die
analytischen
Fragestellungen jene Marketinginformationen zu bestimmen, die dem einzelnen Marketingentscheider als relevant erscheinen (subjektiver Informationsbedarf) und möglichst tatsächlich auch benötigt werden (objektiver Informationsbedarf). Daneben sind erforderliche Form sowie gewünschter Zeitpunkt der bereitzustellenden Marketinginformationen
festzulegen.
Solche
Aspekte
können
wiederum
das
Informationsangebot einschränken (realisierbares Informationsangebot). Mittels eines solchen Rasters zur Informationsbedarfsanalyse kann es gelingen, dass einerseits möglichst wenige Marketinginformationen vernachlässigt werden, die für die Entscheidungsfindung relevant sind, und andererseits möglichst wenige
355
Siehe ausführlich Abschnitt 5.2.1.
Der Marketing Intelligence-Cycle
149
Marketinginformationen geordert werden, die für die jeweilige Frage- bzw. Problemstellung nicht bedeutsam sind. Die W-Fragen des Analyserasters können somit dazu beitragen, eine möglichst große Überschneidung zwischen subjektivem Informationsbedarf und realisierbarem Informationsangebot zu erzielen. Damit sind allerdings noch nicht die „Gaps“ der Informationsplanung, die aufgrund von Kommunikations- und Verständnisproblemen entstehen, angesprochen. Um die Lücken zwischen subjektivem, kommuniziertem und erfasstem Informationsbedarf möglichst gering zu halten, ist im Marketing insbesondere auf eine adäquate Übermittlung des Informationsbedarfs zwischen Entscheidungs- und Datenseite zu achten. Aus den im Rahmen dieser Arbeit geführten Experteninterviews ging hervor, dass die Bedarfsübermittlung im Marketing häufig schriftlich, meistens per E-Mail, oder auch telefonisch erfolgt. Abteilungsübergreifende Treffen zwischen Angebotsund Nachfrageseite von Marketinginformationen hingegen stellen nur selten die Regel dar; derartige Treffen finden lediglich bei größeren Projekten bzw. Studien statt. Häufig erfolgt sogar die Bedarfsplanung ausschließlich durch das Marketing; das heißt, die Datenseite ist gar nicht involviert, sondern eigentlich im Sinne eines bloßen Datenlieferanten lediglich für die Beschaffung und Bereitstellung der gewünschten Marketingdaten zuständig. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei der Artikulation des Informationsbedarfs etliche Lücken auftreten. Entscheidungsträgern im Marketing wird es sicherlich nicht immer gelingen, ihren subjektiven Informationsbedarf zum einen vollständig und zum anderen so präzise zu äußern, dass Informationsmanager diesen komplett verstehen. Um derartige Lücken zwischen Informationsbedarf und -angebot möglichst gering zu halten, ist schon bei der Informationsbedarfsanalyse eine enge und interaktive Zusammenarbeit zwischen der Entscheidungs- und Datenseite im Marketing sicherzustellen. Die Datenseite ist daher von Anfang an in den Marketing Intelligence-Cycle einzubinden. Beide Seiten müssen sich im Sinne einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung auf den Standpunkt der jeweils anderen Partei auch wirklich einlassen. Häufig ist sogar ein längeres Gespräch hierfür nicht ausreichend. Vielmehr bietet sich die Implementierung von Projektteams an, die sich sowohl aus Marketing- als auch aus Informationsexperten zusammensetzen – so genannte Marketing Intelligence-Teams. So kann gemeinsam beispielsweise in einem Workshop der erforderliche Informationsbedarf für Problem- bzw. Fragestellungen eruiert werden. Aus den durchgeführten Experteninterviews ging auch hervor, dass in manchen Fällen sogar ein derartiger Workshop als nicht ausreichend erscheint;
150
Der Marketing Intelligence-Cycle
manchmal ist daher die Mitarbeit eines Informationsmanagers im Marketing über einen längeren Zeitraum notwendig. 356 Grundlegend für eine interaktive Zusammenarbeit ist, dass beide Seiten versuchen, ein gemeinsames (sprachliches) Arbeitsumfeld aufzubauen. Aufgrund unterschiedlicher Aufgabenbereiche bestehen häufig differierende Sichtweisen: Während Marketingentscheider
eher
marktorientiert
denken,
ist
die
Informationsmanagern eher methoden- und verfahrensorientiert.
357
Denkweise
von
Zudem entstehen
über die Zeit hinweg häufig auch abteilungsspezifische sprachliche Welten, die sich durch charakteristische Redestile und daraus resultierend durch die Verwendung spezifischer Fachtermini voneinander unterscheiden. 358 Darüber hinaus werden bei der Analyse von Informationsbedarfen jeweils spezifische Sachkenntnisse von Marketingentscheidern und Informationsmanagern verlangt. Marketingentscheider sollten neben umfassenden Kenntnissen über das Entscheidungsproblem auf der Fachebene
auch
detaillierte
Markt-
und
Branchenkenntnisse
besitzen;
Informationsmanager hingegen müssen ihr Expertenwissen bezüglich geeigneter Methoden und Verfahren sowie generell bezüglich der Ressource Information einbringen. Weiterhin kann eine Verbesserungsmöglichkeit der Informationsbedarfsanalyse im Marketing darin bestehen, dass der von Daten- und Entscheidungsseite gemeinsam eruierte Informationsbedarf abschließend schriftlich dokumentiert wird. Hierfür bietet sich ein Marketing Intelligence-Handbuch an, das eine Art Pflichtenheft darstellt. Die Ergebnisse der Informationsbedarfsanalyse sind im Marketing Intelligence-Handbuch schriftlich zu fixieren und sowohl vom Marketingentscheider als auch vom Informationsmanager abzuzeichnen. Das Marketing Intelligence-Handbuch dient darüber hinaus quasi als „Auftragsbestätigung“; auch bei einer internen KundenLieferanten-Beziehung muss sich einerseits der Kunde – die Entscheidungsseite – darauf verlassen können, dass die gewünschten Informationen bedürfnisgerecht aufbereitet und zur richtigen Zeit verfügbar sind; andererseits möchte der Lieferant –
356
Diesbezüglich ist anzumerken, dass sicherlich nicht bei allen Marketingentscheidern eine frühzeitige Einbindung der Datenseite in den Marketingentscheidungsprozess gewünscht ist. Dennoch ist eine bedarfsgerechte Problemdefinition, wie sie im Sinne von Marketing Intelligence gefordert wird, nur durch die frühzeitige Integration der Datenseite sicherzustellen.
357
Auch die durchgeführten Experteninterviews verdeutlichten die unterschiedlichen Denkweisen von Marketingentscheidern und Marktforschern.
358
Vgl. Christian 2002, S. 65.
Der Marketing Intelligence-Cycle
151
die Datenseite – sicherstellen, dass die georderten Informationen vom Kunden abgenommen und entsprechend honoriert werden. Zusammenfassend ist es im Sinne von Marketing Intelligence entscheidend, dass zu Beginn eines jeden Projekts in interaktiver Zusammenarbeit zwischen Daten- und Entscheidungsseite Untersuchung
eine
ohne
Operationalisierung,
bedarfsgerechte
konkrete sondern
Problemdefinition
Zielformulierung
liefert
auch
keine
erschwert klaren
erfolgt. nicht
Vorgaben
„Eine
nur
die
für
das
nachfolgende Urteilen und Entscheiden. Die Qualität der Denkprozesse vor der Datenerhebung
ist
die
Hauptdeterminante
der
Qualität
des
gesamten
Forschungsvorhabens und des nachfolgenden Entscheidungsprozesses“359. Auf der Datenebene stellt demnach der „gemeinsame Denkprozess“ zwischen der Angebotsund
der
Nachfrageseite
von
Marketinginformationen
einen
maßgeblichen
Erfolgsfaktor für den Marketing Intelligence-Cycle dar; erst wenn eine zielgerichtete und
bedarfsgerechte
Problemdefinition
vorliegt,
ist
es
sinnvoll,
auf
der
Informationsebene die nächste Phase des Marketing Intelligence-Cycles zu starten.
5.3
Informationsebene des Marketing Intelligence-Cycles
Im Rahmen der Entscheidungsfindung sind nicht alle Daten von Bedeutung. Vielmehr kann ein Marketingentscheider nur mit denjenigen Marketingdaten etwas anfangen, die sein (Fakten-)Wissen erhöhen. Auf der Informationsebene des Marketing Intelligence-Cycles geht es also nur um solche Marketingdaten, die für den Marketingentscheider inhaltlich tatsächlich bedeutsam und damit problemrelevant sind; bei Marketinginformationen handelt es sich folglich um entscheidungs- und entscheiderrelevante Marketingdaten. Lediglich solche Daten sind schließlich zu integrieren und zu analysieren, um daraus für das Marketingmanagement fundierte, aussagekräftige Informationen im Sinne von zweckorientiertem Wissen ableiten zu können.
359
Schroiff 1994, S. 19.
152
Der Marketing Intelligence-Cycle
5.3.1 Von Marketingdaten zu integrierten Marketinginformationen – Der Prozess der Datenintegration Grundsätzlich liegen im Marketing vielfältige Daten aus heterogenen Quellen vor, oft jedoch bestehen lediglich Insellösungen. So fallen beispielsweise im Vertrieb umfassende
Transaktionsdaten
-steuerungssystemen
an,
gespeichert
die
werden,
in
Vertriebsinformations-
während
der
Bereich
und des
Direktmarketings zum Beispiel über Profil- und Kontaktdaten der Kunden verfügt. Der Produktmanager besitzt Daten über Produktgestaltung und -vermarktung, dem Brand Manager hingegen liegen Daten bezüglich Markenführung und -entwicklung vor. Derartig fragmentierte Marketingdaten sind oftmals selbst innerhalb einzelner Marketingbereiche für die Entscheidungsfindung nicht ausreichend. Vielmehr benötigten Marketingentscheider – ob Key Account Manager, Produkt- oder auch Brand-Manager – neben Daten aus ihrem eigenen Bereich in der Regel Daten zu verschiedenen Sachverhalten (Produkt, Kunde etc.). Deshalb ist es – wie auch die im Rahmen dieser Arbeit geführten Experteninterviews belegen – notwendig, Daten aus heterogenen Informationsquellen zu aussagekräftigen Marketinginformationen zu verdichten. Die besondere Herausforderung liegt in einer entscheidungs- und entscheiderorientierten Datenintegration. Abbildung 25 verdeutlicht die einzelnen Schritte der Datenintegration, die im Folgenden ausführlich erläutert werden.
Heterogene Datenquellen Vertriebsdaten Problem- bzw. Fragestellung
Marktdaten Kundendaten
Selektieren / Anreichern
Bereinigen
Transformieren
Wettbewerbsdaten ….
Entscheidung
Marketingwissen
Harmonisieren
Interpretieren
Abbildung 25: Schritte der Datenintegration Quelle: in Anlehnung an Schöll 2004, S. 8.
Analysieren
Fusionieren
Der Marketing Intelligence-Cycle
153
5.3.1.1 Datenselektion als Voraussetzungen der Datenintegration Auf Grundlage der Problemdefinition (und damit der Analyse und Feststellung des Informationsbedarfs) als erste Prozessstufe des Marketing Intelligence-Cycles werden nun auf der Informationsebene entscheidungs- und entscheiderrelevante Marketingdaten
ausgewählt.
Die
Datenselektion
als
originäre
Aufgabe
der
Angebotsseite von Marketinginformationen umfasst dabei die Identifikation und Bereitstellung des benötigten Datenmaterials. 360 Hierzu sind die relevanten Marketingdaten zunächst zu katalogisieren, indem Datenquelle bzw. Datenstandort, Datenformate, -struktur und -volumen sowie Definition und Kodierung der Merkmale dokumentiert werden. 361 Bei der Datenselektion geht es in erster Linie darum, alle vorliegenden (möglicherweise) für das Marketing relevanten Daten zu identifizieren und für die weitere Nutzung bereitzustellen. Darüber hinaus ist kritisch zu hinterfragen, ob für die Problem- bzw. Fragestellung tatsächlich alle notwendigen Marketingdaten verfügbar sind. Zum einen ist zu überdenken, ob noch weitere unternehmensinterne bzw. -externe Datenquellen für spätere Analysen erforderlich sind. In diesem Zusammenhang ist insbesondere festzulegen, welche Marktforschungsdaten zur Ergänzung und Anreicherung der Marketingdaten berücksichtigt werden sollten, um beispielsweise Verhaltensmuster oder Hintergründe für spezifisches Kundenverhalten zu erkennen. Denn lediglich durch die Ergänzung um solche „soft facts“ ist es möglich, tiefgreifende Einblicke und hintergründige Erklärungen im Marketing zu erlangen. Zum anderen bezieht sich die Datenverfügbarkeit auf fehlende Datensätze und -felder.362 Damit ist bereits die Datenanreicherung angesprochen, die unmittelbar im Anschluss an die Selektion der Daten erfolgt. Die Anreicherung der Daten betrifft die Vervollständigung bzw. Ergänzung verfügbarer Datenbestände, mit dem Ziel, eine möglichst holistische Datengrundlage zu schaffen. Dabei können – je nach Erfordernis – ganze Datensätze hinzugefügt oder fehlende Einzelwerte ergänzt werden.
Häufig
können
fehlende
Informationen
durch
das
Hinzufügen
unternehmensexterner Daten oder durch die Ergänzung von Daten, die in anderen unternehmensinternen Quellen bereits vorliegen, generiert werden. Zudem ist es oft
360
Vgl. Knobloch 2000, S. 29; Knobloch/Weidner 2000, S. 349; Wang/Fu 2005, S. 1.
361
Vgl. Hippner/Wilde 2001, S. 24ff.
362
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 103; Hippner/Wilde 2001, S. 25.
154
Der Marketing Intelligence-Cycle
möglich, die erforderlichen Daten auf Basis vorhandener Attributwerte zu berechnen bzw. zu schätzen. 363
5.3.1.2 Datenaufbereitung zur Sicherstellung der Datenqualität Im Mittelpunkt der Datenaufbereitung, welche die Schritte der Bereinigung, Transformation und Harmonisierung enthält 364, steht insbesondere die Sicherung der Qualität der selektierten Marketingdaten. Im Zuge der Datenbereinigung 365 gilt es, durch geeignete Maßnahmen Datenfehler zu beseitigen, die sich negativ auf die Qualität der Analyseergebnisse auswirken können. 366 Datenfehler – das heißt Attributsausprägungen, welche die Realität nicht korrekt abbilden – können zum einen durch die Eingabe falscher Werte entstehen. Fehlerhafte Werte können beispielsweise durch Falschangaben der Untersuchungsteilnehmer, Tippfehler oder auch Missverständnisse zustande kommen. Zum anderen kann es zu Datenfehlern in den operativen Datensystemen durch so genannte Platzhalter (zum Beispiel 9.9.9999 als Geburtsdatum) kommen, die aufgrund der Unkenntnis bzw. NichtVerfügbarkeit der realen Werte beliebig eingefügt werden. 367 Solche fehlerhaften Daten oder Datensätze sollten durch geeignete Maßnahmen der Datenbereinigung erkannt und je nach deren Bedeutung für den weiteren Prozess eliminiert oder korrigiert werden. 368 Des Weiteren sind die selektierten Daten zu transformieren und zu harmonisieren, das heißt, sie sind hinsichtlich Format und Struktur zu vereinheitlichen. 369 Da sich die
363
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 103f.; Knobloch 2000, S. 33.
364
Vgl. Wilde 2001, S. 15f.
365
Der Vorgang der Datenbereinigung wird auch als Data Scrubbing bzw. Data Cleansing bezeichnet (vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 104).
366
Vgl. Knobloch 2000, S. 34; Mayr 1999, S. 20; Krahl/Windheuser/Zick 1998, S. 42.
367
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 104; Berry/Linoff 2004, S. 73; Knobloch 2000, S. 34; Adriaans/ Zantinge 1997, S. 42; Grimmer/Mucha 1998, S. 113.
368
Vgl. Bauer/Günzel 2004, S. 41; Hippner/Wilde 2001, S. 54f. Der Umgang mit fehlenden Werten ist jedoch – sei es Eliminierung oder auch Korrektur – stets kritisch zu prüfen. So kann es durchaus der Fall sein, dass eine Kausalität zwischen fehlenden Werten und bestimmten Sachverhalten besteht, die beispielsweise zur Aufklärung von Betrugsdelikten bedeutsam sein kann. Auch Ausreißer, die in der Regel eliminiert bzw. korrigiert werden, können hilfreiche Hinweise beispielsweise auf Missbrauch, fehlerhafte Geschäftsprozesse oder auch profitable Nischenmärkte liefern (vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 104f.).
369
Die Schritte der Datentransformation und der -harmonisierung werden häufig unter den Begriff der Datenkonsolidierung subsumiert (vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 106; Knobloch 2000, S. 35).
Der Marketing Intelligence-Cycle
155
vielfältigen, heterogenen Marketingdaten in den seltensten Fällen auf identische Abgrenzungen und Kodierungen beziehen und zudem teils personenbezogen und teils anonymisiert vorliegen, ist zunächst eine Datentransformation vorzunehmen. Hierzu werden alle Daten aus den verschiedenen unternehmensinternen und -externen Informationsquellen in ein einheitliches, für die Datenanalyse geeignetes Format überführt. Aufgrund unterschiedlicher Bezugsquellen entstehen häufig mehrfache oder uneinheitliche Repräsentationen einzelner Objekte und Attribute. Derartige Inkonsistenzen in den Daten sind durch Beseitigung von Redundanzen sowie durch Angleichung der Datenformate zu beheben. 370 So können die Identifikationsschlüssel
für
Untersuchungseinheiten
aus
verschiedenen
Informationsquellen inkompatibel sein; verschiedene Datensätzen weisen häufig unterschiedliche Kundennummern zur Identifikation des einzelnen Kunden auf. Es ist dann
erforderlich,
„zusammengehörige“ gemeinsamer Merkmale
durch
Abgleich
Kundennummern
Strukturmerkmale,
der Kunden (Name,
zum
von zu
Identifikationsdaten bestimmen.
Beispiel
Adresse etc.),
durch
Dies
der
Kunden
kann
anhand
soziodemographische
erfolgen. 371 Neben
derartig
syntaktischen Komplikationen können auch semantische Probleme auftreten. So können Inkonsistenzen in den Marketingdaten durch eine unterschiedliche Kodierung bzw. Bezeichnung inhaltlich gleicher Merkmale hervorgerufen werden. Zuweilen werden inhaltlich gleiche Attribute in verschiedenen Datensätzen unterschiedlich kategorisiert, wie zum Beispiel die Werte {0,1}, {m,w} oder {m,f} für das Geschlecht. Auch nicht kodierte Merkmale, die in sprachlicher Form ausgedrückt werden und aufgrund uneinheitlicher betriebswirtschaftlicher Begriffsauffassungen oder der Verwendung von Synonymen und Homonymen nicht einheitlich vorliegen, müssen normiert werden.372 Nachdem die problemrelevanten Marketingdaten durch die Datentransformation in ein einheitliches, für die Datenanalyse geeignetes Format überführt wurden, gilt es in einem weiteren Schritt, die Daten zu harmonisieren; das heißt, diese in eine einheitliche Struktur zu bringen. Eine Vereinheitlichung der Datenstruktur ist beispielsweise notwendig, wenn in verschiedenen Datenquellen unterschiedliche Maßeinheiten (wie Euro, Dollar, Pfund etc.) verwendet werden. Insbesondere in 370
Vgl. Wilmes/Dietl/van der Velden 2004, S. 40ff.; Becker/Knackstedt 2004, S. 198f.; Knobloch 2000, S. 35; Wilde 2001, S. 8.
371
Vgl. Hippner/Wilde 2001, S. 33; Adriaans/Zantinge 1997, S. 85.
372
Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 106f.; Becker/Knackstedt 2004, S. 198f.; Hannig 2002, S. 8; Knobloch 2000, S. 35.
156
Der Marketing Intelligence-Cycle
internationalen Unternehmen, die ihre Informationen aus unterschiedlichen Ländern und Regionen beziehen, wird es zudem erforderlich sein, die Daten hinsichtlich ihrer zunächst oft unterschiedlichen Erhebungszeitpunkte anzugleichen und damit vergleichbar zu machen. Eine Harmonisierung der Marketingdaten erfolgt somit zum einen hinsichtlich der Struktur der Daten über Länder und Regionen hinweg und zum anderen hinsichtlich der Periodizität der Datenerhebung. 373 Wie
bereits
erwähnt,
dienen
die
Schritte
der
Datenaufbereitung
Datenbereinigung, -transformation und -harmonisierung
–
die
– hauptsächlich der
Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Datenbasis. „Without the right data there is little gold to be mined; here again, we must apply the rule >garbage in, garbage out