Anatole france
Luzifer eB
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Anatole france Luzifer
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Anatole france
Luzifer eB
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Anatole france Luzifer
© eBOOK-Bibliothek 2004 für diese Ausgabe © milalis 2004 für die Übertragung
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littera scripta manet
E si compiacque tanto Spinello di farlo orribile e contrafatto, che si dice – tanto può alcuna fiata Vimmaginazioni – che la detta figura da lui dipinta gli apparve in sogno, domandandolo dove egli l’avesse veduta si brutta … Vite de’ più eccellenti pittori... da M. Giorgio Vasari. – Vita di Spinello
Tafi, ein florentinischer Maler und Meister in Mosaiken, fürchtete sich sehr vor Teufeln; ganz besonders in den Stunden der Nacht, in denen die bösen Mächte die Finsternis ausnutzen. Tafis Angst war durchaus nicht unbegründet, denn damals hatten die Teufel allen Grund gegen Maler Groll zu hegen, da sie ihnen mit einem einzigen Bild mehr Seelen entrissen hatten, als ein frommer Betbruder es mit dreißig Predigten geschafft hätte, obwohl sich der Mönch sehr anstrengte, den Gläubigen einen gehörigen Schrecken mit seiner Schilderung vom Tag des Zorns einzujagen, an dem die Welt nach David und der Sybille wieder zu Staub werden würde. Seine Stimme erhob sich, er formte die Hände zu Posaunen, um die des Engels nachzuahmen, doch alles
umsonst – ein Bild an einer Kapellenwand oder in einem Kloster, das Jesus Christus darstellte, wie er über die Lebenden und die Toten zu Gericht sitzt, sprach beredt zu den Sünder, die zu ihm aufschauten, und denjenigen durch die Sinne läuterte, die durch die Augen oder auf andere Weise gesündigt hatten. Damals fertigten geschickte Meister in Santa Croce zu Florenz und auf dem Campo Santo zu Pisa die Mysterien des göttlichen Gerichts; diese Werke waren nach der Verserzählung Dante Alighieris, eines in der Theologie und dem kanonischen Recht hochgelehrten Mannes, gemalt, in der er über seine Reise in die Hölle, das Purgatorium und das Paradies berichtet hatte, wohin er wegen der bedeutenden Verdienste seiner Angebeteten bereits zu Lebzeiten gelangt war. So war alles auf diesen Bildern anschaulich und wahr. Und man kann wohl behaupten, daß man aus der Lektüre von ausführlichen Chroniken weniger Nutzen zieht als aus der Betrachtung derartiger Gemälde. Die florentinischen Meister verwendeten alle Mühe darauf, in schattigen Orangenhainen auf blumenübersäten Wiesen Edelfräulein und Ritter darzustellen, denen der Tod mit seiner Sense auflauert, während sie beim Klang der Laute und Violine von Liebe schwärmen. Nichts war wohl geeigneter, die Sünder des Fleisches zu bekehren, die von Frauenlippen das Vergessen Gottes tranken.
Um die Knauserer zu bessern, stellte der Maler Teufel überaus realistisch dar – sie gossen flüssiges Gold in den Mund des Bischofs oder der Äbtissin, weil sie ihm eine Arbeit aufgetragen und diese dann schlecht bezahlt hatten. Aus diesen Gründen haßten die Teufel damals die Maler und besonders die florentinischen, die alle andern an Erfindungsgeist übertrafen. Vor allem aber ärgerten sich die Teufel, daß sie von ihnen ausgesprochen häßlich, mit Vogel- oder Fischköpfen, Schlangenleibern und Fledermausflügeln dargestellt wurden. Ihr Unmut tritt in der Geschichte Spinellos offen zutage. Spinello Spinelli aus Arezzo war der Abkömmling einer in der Verbannung lebenden edlen Florentiner Familie. Der Adel seines Geistes glich dem seiner Geburt: er war der begabteste Maler seiner Zeit. Er schuf in Florenz bedeutende Werke. Die Pisaner baten ihn, die Mauern des heiligen Klosters, in dem die Toten unter Rosen in Erde aus Jerusalem ruhen, nach Giotto zu schmücken. Nachdem er nun lange Jahre in den Städten gearbeitet hatte und zu Reichtum gelangt war, wollte er die Stadt seiner Geburt Arezzo, seine Mutter, wiedersehen. Die Aretiner hatten nicht vergessen, daß Spinello, der in seiner Jugend bei der Bruderschaft von Santa Maria della Misericordia eingetragen war, im Pestjahr 383 zu den Kranken gegangen war und die Toten beerdigt hatte.
Auch dankten sie ihm, daß er durch seine Meisterwerke Arezzo in der ganzen Toskana berühmt gemacht hatte. So empfingen sie ihn sehr ehrenvoll. Trotz seines Alters war er noch voller Lebenskraft und übernahm wichtige Aufgaben in seiner Heimatstadt. Doch seine Frau sagte zu ihm: »Du bist reich. Setz dich zur Ruhe und überlaß es den jungen Menschen, an deiner Stelle zu malen. Es ist weise, den Lebensabend in Muße ausklingen zu lassen, und es ziemt sich, das Leben besinnlich und fromm zu beschließen. Die weltlichen Werke aber immer und immer wieder wie den Turmbau zu Babylon zu vermehren, heißt Gott versuchen. Du wirst den Frieden deiner Seele verlieren, Spinello, wenn du unaufhörlich bei deinem Mörtel und deinen Farben verharrst.« So sprach die gute Frau. Doch er hörte nicht auf sie. Er war nur darauf bedacht, seinen Reichtum und Ruhm zu vermehren und statt sich zur Ruhe zu setzen, handelte er mit den Erbauern von Sant’ Angelo einen Preis für eine Geschichte Sankt Michaels aus, die den ganzen Chor der Kirche mit zahllosen Figuren bedecken sollte. Mit fiebrigem Eifer stürzte er sich in diese Arbeit. Immer wieder las er Stellen in der Bibel nach – sie sollten ihn inspirieren –; er saß lange über jeder Zeile und über jedem Wort. Er gab sich nicht damit zufrieden, den ganzen Tag in seinem Atelier zu zeichnen, sondern arbeitete sogar noch im Bett und während den Mahlzeiten; er dachte sogar abends über sein Werk nach, während er
am Fuße des Hügels spazierenging, auf dem Arezzo mit seinen Mauern und Türmen stolz thront. So ist sicher anzunehmen, daß er die Geschichte des Erzengels im Kopf bereits fertig entworfen hatte, bevor er den Rotstift auf dem Mauerputz zum Skizzieren ansetzte. Er hatte bereits die Umrisse gezeichnet und machte sich nun daran, über dem Hauptaltar die Szene zu malen, die prächtiger als alle übrigen gelingen sollte; denn hier sollte der vor Beginn der Zeiten errungenen Sieg des Anführers der himmlischen Heerscharen verherrlicht werden. Spinello stellte den heiligen Michael dar, der in den Lüften mit der siebenköpfigen, zehnschwänzigen Schlange kämpft, und mit besonderem Vergnügen malte er im unteren Teil des Bildes den Dämonenfürsten selbst, Luzifer, in Gestalt eines abscheulichen Ungeheuers. Die Figuren entstanden unter seiner Hand wie von selbst. Das Ergebnis übertraf selbst seine Erwartungen. Luzifers Antlitz war so abstoßend, daß man sich der Macht seiner Häßlichkeit nicht entziehen konnte. Dieses Gesicht verfolgte sogar den Maler selbst auf die Straße und begleitete ihn nach Hause. Als es Nacht wurde, legte sich Spinello neben seine Frau und schlief ein. Im Schlaf erschien ihm ein Engel, so schön wie Sankt Michael; er war jedoch schwarz. Dieser Engel sprach zu ihm: »Spinello, ich bin Luzifer. Wo hast du mich denn schon einmal gesehen, daß du mich in so schrecklicher Gestalt malst?«
Zitternd erwiderte der alte Maler, daß er ihn niemals von Angesicht zu Angesicht gesehen habe, da er nie wie Dante Alighieri lebend zur Hölle gefahren sei; doch habe er ihn so dargestellt, weil er die Verderblichkeit der Sünde eindringlich veranschaulichen wollte. Luzifer zuckte die Achseln, und man hätte meinen können, der Hügel von San Geminiano habe sich plötzlich in die Höhe gehoben. »Spinello«, sagte er, »willst du mir die Freude machen und mit mir vernünftig über die Sache reden? Ich bin ein ziemlich guter Logiker. Der, den du anbetest, weiß es.« Als er keine Antwort erhielt, fuhr Luzifer fort: »Spinello, du hast die Bücher gelesen, die von mir berichten. Du kennst meine Geschichte und weißt, wie ich den Himmel verließ, um Fürst der Welt zu werden. Ein würdevolles Unternehmen, das einzigartig wäre, wenn die Riesen nicht ebenso den Gott Jupiter angegriffen hätten, wie du auf einem antiken Grabmal gesehen hast, Spinello, auf dem dieser Krieg in Marmor dargestellt ist.« »Es stimmt, ich habe das tonnenförmige Grabmal in Santa Reparata zu Florenz gesehen«, antwortete Spinello. »Es ist eine wunderschöne römische Arbeit.« »Jedenfalls sind die Riesen darauf weder in Gestalt von Fröschen noch von Chamäleons dargestellt.« »Sie haben ja auch nicht den wahren Gott angegriffen«, wandte der Maler ein, »sondern nur das Idol der Heiden. Das ist ein sehr wichtiger Unterschied. Dagegen ist es wohl unbestritten, daß du, Luzifer den Aufruhr gegen
den wahren König des Himmels und der Erde geführt hast.« »Ich streite das nicht ab«, erwiderte Luzifer. »Wie viele Sünden legst du mir deswegen zur Last?« »Sieben kann man dir vorwerfen«, gab der Maler zurück, »und zwar alle Todsünden.« »Sieben!« wiederholte der Engel der Finsternis. »Das ist eine theologische Zahl. Alles in meiner Geschichte, die eng mit der des Anderen verknüpft ist, kann man durch sieben teilen. Spinello, du hältst mich für eitel, zornig und mißgünstig. Ich gebe zu, es zu sein. vorausgesetzt, du erkennst an, daß allein der Ruhm mich mißgünstig machte. Hältst du mich für geizig? Auch das gebe ich zu. Geiz ist eine Tugend der Fürsten. Was Völlerei und Unzucht anbelangt, so bin ich dir nicht böse, wenn du sie mir vorwirfst. Bleibt noch die Trägheit.« Während dieser Worte kreuzte Luzifer die Arme über seiner Rüstung und schüttelte sein finsteres Haupt, so daß eine feurige Mähne um ihn wehte. »Spinello, hältst du mich wirklich für träge? Hältst du mich für feige, Spinello? Glaubst du, ich hätte es bei meinem Aufruhr an Mut fehlen lassen? Nein.
Es wäre also nur recht und billig, mich mit edlen, würdigen Gesichtszügen zu malen. Man darf niemandem Unrecht tun, auch nicht dem Teufel. Siehst du denn nicht ein, daß du den beleidigst, den du anbetest, wenn du ihm eine widerwärtige Kröte zum Gegner gibst? Spinello, du weißt wenig für dein Alter. Ich hätte große Lust, dich wie einen schlechten Schüler an den Ohren zu ziehen.« Als er sah, wie Luzifer bereits den Arm nach ihm ausstreckte, um seine Drohung wahr zu machen, griff Spinello sich an den Kopf und fing vor Schreck laut zu klagen an. Seine gute Frau fuhr aus dem Schlaf hoch und fragte, was ihm fehle. Zähneklappernd antwortete er, daß er soeben Luzifer gesehen und um seine Ohren gezittert habe. »Habe ich es dir nicht gesagt, all die Gestalten, die du ja unbedingt an die Wände malen willst, werden dich früher oder später verrückt machen«, bekräftigte seine gute Frau. »Ich bin nicht verrückt«, wehrte der Maler ab. »Ich habe ihn gesehen, er ist schön, aber traurig und stolz. Gleich morgen will ich die schreckliche Gestalt aus der Welt schaffen, die ich gemalt habe, und stattderen jene setzen, die ich im Traum gesehen habe; denn man darf selbst dem Teufel kein Unrecht tun.«
»Du solltest lieber schlafen gehen«, entgegnete seine Frau, »du redest unvernünftiges und unchristliches Zeug.« Spinello wollte sich gerade erheben, als ihn die Kraft verließ und er bewußtlos auf das Kissen zurücksank. Einige Tage lebte er im Fieber dahin, dann starb er.