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Klaus Schmedding Leichtkollisionen
%UROPiISCHE 6EREINIGUNGF~R 5NFALLFORSCHUNGUND5NFALLANALYSE
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Klaus Schmedding
Leichtkollisionen Wahrnehmbarkeit und Nachweis von Pkw-Kollisionen Mit 122 Abbildungen und 47 Diagrammen PRAXIS | ATZ/MTZ-Fachbuch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Ewald Schmitt | Gabriele McLemore Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: FROMM MediaDesign, Selters/Ts. Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1269-8
V
Vorwort des Autors Stößt man bei einem Pkw-Rangiermanöver (z. B. auf einem Parkplatz) gegen ein nebenstehendes anderes Kfz und verlässt den Vorfallsort, ohne sich um den angerichteten Schaden zu kümmern, so macht man sich wegen des unerlaubten Entfernens von der Unfallstelle schuldig, sofern man dieses Schadensereignis auch wahrgenommen hat. Ein solches Verfahren, das keinesfalls als „Kavaliersdelikt“ einzustufen ist, wird im § 142 StGB geregelt und mit vergleichsweise harten Sanktionen gegen den Verursacher belegt. Da allerdings nicht jede Leichtkollision für den Verursacher sicher bemerkbar ist (bzw. von ihm wahrgenommen werden muss), verbleibt immer ein „Restrisiko“, dass Unfallverursacher vorschnell auch als „Unfallflüchtige“ behandelt werden. Hiervon konnte sich der Autor in sehr vielen Realfällen in den vergangenen (gut) zwei Jahrzehnten Berufstätigkeit überzeugen. Nicht selten wurden Unfallverursacher auf Basis fragwürdiger, zumindest aber unvollständiger (technischer) Expertisen in 1. Rechtsinstanz verurteilt und erst nach umfangreichsten Untersuchungen hier (z. B. Crashversuche) im Berufungsverfahren dann schlussendlich freigesprochen, weil hier der Nachweis des „Wahrnehmen- Müssens“ letztlich nicht mehr haltbar war. Um von vornherein diesen, nicht zuletzt sehr kostenträchtigen Verfahrensgang zu unterbinden, wurden von uns umfangreiche Versuchsreihen gefahren (Crashversuche, Versuchsfahrten durch Probanden …), um die bisher veröffentlichten Fühl-Spürgrenzen in realen Fahrsituationen enger fassen zu können. Damit nicht alles nur „graue Theorie“ bleibt, werden die gewonnenen Ergebnisse auf typische Vergleichsfälle angewandt, um dem Leser einen Beurteilungsmaßstab an die Hand zu geben, worauf im jeweiligen Einzelfall konkret zu achten ist und wann man vorab den Nachweis der Bemerkbarkeit des Verkehrsunfalls nicht (sicher) wird führen können. Die grundlegenden Beurteilungsparameter für den technischen Sachverständigen wurden in einer Fülle von Versuchsreihen gesammelt – auch der Einfluss kollisionsverdeckender Parameter (aktive Bremsung des Fahrers, kollisionsfremde Erschütterungen …) wurden versuchstechnisch erfasst und können nunmehr in Begutachtungen solcher Problemstellungen einfließen. Anhand übersichtlicher Grafiken, Diagramme, nicht zuletzt vielen Crash- und Fahrversuchsergebnissen vermag auch der technisch Laie nach Studium dieser Lektüre ein Gefühl dafür zu entwickeln, in welchen Fällen von einer sicheren Wahrnehmung des stattgefundenen Ereignisses überhaupt auszugehen ist. Man sollte sich grundsätzlich davor hüten, Aussagen außenstehender Beobachter (Zeugen) als wesentlichen Maßstab für die alles entscheidende Frage der Wahrnehmungsmöglichkeit heranzuziehen, bewegt sich der Unfallverursacher real in einer quasi anderen Welt, nämlich in seinem schall- und schwingungstechnisch gut abgeschirmten bzw. von der Umwelt weitestgehend entkoppelten Pkw-Insassenraum. Zielgruppe dieses Buches ist daher der mit solchen Verkehrsdelikten befasste Verkehrsjurist (Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt) wie aber auch ermittelnde Polizeibeamte, Versicherer und nicht zuletzt technische Sachverständige für Unfallrekonstruktion bzw. Klärung von Straßenverkehrsunfällen, die (wenn auch selten) mit derlei Problemfällen betraut werden. Die Ausführungen in dieser Arbeit helfen genau jenen Personengruppen, Leichtkollisionen auf wissenschaftlich gesicherter Basis bezüglich der Frage des Nachweises der Bemerkbarkeit beurteilen zu können. Oldenburg im Juli 2010
Dipl.-Phys. Klaus Schmedding
VII
Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Autors ................................................................................................................
V
1 Juristisches Vorwort .......................................................................................................
1
1.1 1.2
Die Vorschrift des § 142 StGB ................................................................................ Problembereiche des § 142 StGB ............................................................................ 1.2.1 Der objektive Tatbestand ............................................................................. 1.2.2 Der subjektive Tatbestand ............................................................................ Zeugenaussagen ....................................................................................................... Faktoren ...................................................................................................................
1 2 2 2 3 4
2 Einleitung .........................................................................................................................
6
1.3 1.4
2.1
Ausgangspunkt ........................................................................................................
6
3 Leichtkollision im unfallanalytischen Sinne .................................................................
9
3.1
Verformungsverhalten von Kfz ...............................................................................
9
4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit ....................................................................... 12 4.1 4.2 4.3 4.4
Visuelle Wahrnehmung ........................................................................................... Akustische Wahrnehmung ....................................................................................... Wahrnehmbarkeit kollisionsbedingter Verzögerungen (taktil) ............................... Fühl-/Spürbarkeit von Leichtkollisionen .................................................................
12 20 28 32
5 Bisherige, versuchsorientierte Veröffentlichungen ..................................................... 35 5.1
Wesentliche Parameter ............................................................................................ 35
6 Ergebnisse eigener Studien ............................................................................................ 39 6.1 6.2 6.3
Fühl-/Spürgrenze von verzögerten Fahrzeugbewegungen ...................................... 39 Einfluss von überlagerten Verzögerungen (Proband passiv) .................................. 53 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“ .................................... 58
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele ............................................... 74 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7
Streifkollision zweier Pkw auf einem Parkplatz ..................................................... Ausgedehnte Streifkollision .................................................................................... Ausparkkollision VW Golf/3er BMW .................................................................... Stumpfwinkelige Kollision zwischen einer Anhängerkupplung und einer Pkw-Frontpartie .............................................................................................. Anstoß mit voller Überdeckung .............................................................................. Schräge Kollision zweier Pkw ................................................................................. Rangierkollision Transporter/Pkw ...........................................................................
74 84 96 106 113 124 130
VIII 7.8 7.9 7.10 7.11
Inhalstverzeichnis Streifkollision Lkw/Pkw ....................................................................................... Rangierkollision schwerer Lkw/Pkw ................................................................... „Überschwelliges“ Kollisionsgeschehen zwischen zwei Pkw ............................. Örtlich bedingte Verdeckungsmöglichkeiten .......................................................
138 142 145 149
8 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................. 157 Literaturverzeichnis ............................................................................................................... 159 Sachwortverzeichnis .............................................................................................................. 160
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1
Juristisches Vorwort
1.1 Die Vorschrift des § 142 StGB Die Vorschrift des § 142 StGB, also des „unerlaubten Entfernens von der Unfallstelle“, ist ein Sonderfall innerhalb unseres gesamten Strafrechtssystems. Er bedarf deshalb besonders intensiver dogmatischer Beachtung. Es ist kein Delikt wie jedes andere; denn es bedingt einen ungeheueren Eingriff in das höchste Rechtsgut einer demokratischen Rechtsordnung, nämlich sich selbst niemals belasten oder anzeigen zu müssen. Es wird sogar als „die am meisten verunglückte Bestimmung“ bezeichnet. Sie greift daher erstaunlich weit in den Freiheitsraum des Bürgers ein. Das geschützte Rechtsgut ist ausschließlich „das Interesse des Geschädigten daran, seine Schadensersatzansprüche gegenüber dem Schädiger durchsetzen zu können“ sowie der Schutz vor unberechtigten Ansprüchen. Keinesfalls soll mit dieser Vorschrift ein staatlicher Strafverfolgungsanspruch sichergestellt werden, wonach der Täter also einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit wegen der Verursachung eines Unfalls straf- oder bußgeldrechtlich belangt werden muss. Denn es gilt selbstverständlich uneingeschränkt der Grundsatz, dass sich niemand selbst einer Straftat zu bezichtigen oder zu überführen braucht. Dieser Grundsatz findet aber seine Grenze dort, wo die Interessen anderer Bürger betroffen sind. Nun könnte eingewandt werden, dass sich ja z. B. auch der Mörder oder Räuber keines weiteren Strafdeliktes, etwa des unerlaubten Entfernens vom Tatort, schuldig macht, wenn er nach der Tat flieht, obwohl die Opfer in der Gestalt der Hinterbliebenen bzw. des Beraubten sicherlich ein zivilrechtliches Interesse daran haben, dass bei dem Täter Schadensersatzforderungen durchgesetzt werden können. Warum also dieser Unterschied, den es nur im Bereich des Verkehrsrechtes gibt? Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung ist § 142 StGB ein „abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt“, weshalb die Bestimmung trotz der offenkundigen Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen ebenso schwer zu ermittelnden Schadensverursachern mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Ob diese Auffassung heute wirklich noch Bestand haben kann, wird immer wieder und heftig diskutiert. Wie unsicher der Gesetzgeber inzwischen ist, zeigt die erst kürzlich vorgenommene Aufweichung in Absatz IV, wonach die Strafe abgemildert bzw. von Strafe abgesehen werden kann, wenn sich der Täter bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen innerhalb von 24 Stunden freiwillig meldet. Diese Vorschrift hat aber in der Praxis kaum zu positiven Ergebnissen oder gar zu einer Veränderung der Verhaltensweisen der Täter geführt, weil die ja immer noch verurteilt werden, wenngleich auch ggf. zu einer geringeren oder gar keinen Strafe. Der Täter erhält also auch Punkte in Flensburg und ist vorbestraft. Das alles zeigt: Die Vorschrift ist ein Fremdkörper in unserem Strafrechtssystem und gehört unbedingt und schnellstmöglich reformiert. Das fordern die Verkehrsjuristen auf dem Verkehrsgerichtstag seit – zig Jahren – bislang vollkommen ohne jeden greifbaren Erfolg. Umso mehr ist es erforderlich, dass die damit befassten Juristen und Sachverständigen gerade im Falle einer solchen problematischen Vorschrift besonders gründlich, objektiv und fair arbeiten, frei von jedem „Bauchgefühl“ sind und sich streng an die gesetzlichen Vorgaben halten, stets nach dem Grundsatz: K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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1 Juristisches Vorwort
Lieber einmal einen Schuldigen laufen lassen, als einen Unschuldigen zu verurteilen!
1.2 Problembereiche des § 142 StGB Der Tatbestand des § 142 StGB ist in zwei wesentliche Problembereiche untergliedert:
1.2.1 Der objektive Tatbestand Er setzt voraus, dass ein Unfall im Rechtssinne stattgefunden hat. „Unfall“ ist ein „plötzliches Ereignis im Straßenverkehr, in welchem sich ein verkehrstypisches Schadensrisiko realisiert und unmittelbar zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führt“. Der objektive Tatbestand lässt sich also in aller Regel unproblematisch feststellen: Kollision + Schaden = Unfall im Sinne des § 142 St GB. Ein Unfall in diesem Sinne liegt aber nicht vor, wenn alle Beteiligten vorsätzlich zusammengewirkt haben. Der Unfall muss sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignet haben. Darunter ist ein allgemein zugänglicher Verkehrsraum zu verstehen, also durchaus auch jeder Privatparkplatz, solange nicht mittels Zaun und Tor unbefugte Verkehrsteilnehmer ferngehalten werden. Auch gehören private Grundstücksein- und -zufahrten nicht zum öffentlichen Verkehrsraum, solange sie nur einem bestimmten Personenkreis zur Nutzung zur Verfügung stehen. Hier gibt es oft erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Täter den Unfall verschuldet hat. Im Gesetz ist nur davon die Rede, dass er an dem Unfall beteiligt war. Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen, also eine Mitursache gesetzt haben kann. Unfallbeteiligter kann also auch eine nicht unmittelbar verursachende Person sein. Das kann z. B. ein Autofahrer auf der Autobahn sein, der etwas unkonzentriert fährt, einen kleinen Schlenker macht, weswegen ein anderer Autofahrer eine Vollbremsung ausführt und ein Dritter auf den auffährt. Viele meinen oft, sie seien an dem später stattfindenden Unfall nur deshalb gar nicht beteiligt gewesen, weil sie selbst keinen Schaden erlitten hätten. Das ist ein erheblicher Irrtum.
1.2.2 Der subjektive Tatbestand Er setzt voraus, dass der Täter den Unfall tatsächlich bemerkt und sich dennoch von der Unfallstelle entfernt hat, bevor zugunsten des Geschädigten die Person des Schädigers, seines Fahrzeuges und die Art seiner Beteiligung an dem Schadensereignis festgestellt worden ist. Es reicht daher nicht aus, nur seine Personalien mittels Zettel an die Windschutzscheibe des Fahrzeuges des Geschädigten zu befestigen. Es geht auch um die Art seiner Beteiligung. Er soll später nämlich nicht behaupten können, das andere Fahrzeug habe aber verkehrswidrig gestanden, der andere Fahrer habe falsch reagiert, er habe die Schuld, zumindest aber eine Mitschuld an dem Unfall. Andererseits ist es ein weitverbreiteter Irrtum, dass immer die Polizei gerufen werden muss, um sich vor einer Strafbarkeit nach § 142 StGB zu schützen. Wenn sich der volltrunkene und ggf. führerscheinlose Autofahrer mit dem Geschädigten über die Personalien und seine Alleinschuld einig sind und der Geschädigte nicht aus anderen – erheblichen – Gründen ein Recht darauf hat, auf die Beiziehung der Polizei zu bestehen, er vielleicht sogar ausdrücklich darauf verzichtet, dann darf sich der Schädiger straflos von der Unfallstelle entfernen, ggf. sogar ge-
1.3 Zeugenaussagen
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gen den Willen des Geschädigten. Denn wenn die Alleinschuld und – wirklich – alle Fragen der Art des Unfalls feststehen, dann kommt es nicht darauf an, warum der Schädiger den Unfall verursacht hat. Das ist für die Schadenregulierung vollkommen gleichgültig. § 142 StGB schützt keinesfalls die wirtschaftlichen Interessen der Versicherungen im Hinblick auf einen möglichen Regress gegenüber dem eigenen Versicherungsnehmer. Hier, also bei der Frage der subjektiven Tatseite, passieren in der Justiz die allermeisten Subsumtionsfehler. Denn allzu oft wird vorgetragen, der Täter hätte ja – bei gehöriger Anspannung seiner Aufmerksamkeit – durch besonders sorgfältiges Fahrverhalten erkennen können und müssen, dass er einen Schaden verursacht hatte. Die Forderung: „hätte erkennen können und müssen“ ist aber die juristische Definition von Fahrlässigkeit. Vorsatz hingegen bedeutet: Der Täter hat den Schadenseintritt bemerkt („direkter Vorsatz“) oder er hat ihn zumindest für möglich gehalten („Eventualvorsatz“). Weil Fahrlässigkeit nicht ausreicht, entfällt in sehr vielen Fällen auch die Strafbarkeit des Autofahrers, der sich trotz objektiv eingetretenen Unfallereignisses von der Unfallstelle entfernt. Das widerspricht oft der diesbezüglichen Auffassung der Bevölkerung und findet daher auch immer wieder entsprechende Bewertung bei Gericht. Aber Richter und Staatsanwälte sind studierte Juristen und denen darf ein solcher, mehr einer „Bauchentscheidung“ entsprechender, der Rechtslage aber nun einmal widersprechender Fehler einfach nicht passieren.
1.3 Zeugenaussagen Wie kann aber objektiv festgestellt werden, dass der Täter den Unfall auch tatsächlich bemerkt hat? Denn kaum ein Täter wird ja so ungeschickt sein, dies später gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten einzuräumen. Die Justiz ist dabei oft ausschließlich auf Indizien angewiesen. Berichten z. B. Zeugen, der Täter habe nach dem „laut hörbaren Knall“ sofort gebremst, sei dann aber weitergefahren, dann liegt möglicherweise Eventualvorsatz vor. Vielleicht hat er sich sogar kurz umgedreht, bevor er weiterfuhr. Schlimmer noch: Er ist ausgestiegen, hat sich das Fahrzeug des Geschädigten angesehen und ist dann wieder eingestiegen und weitergefahren. Aber Vorsicht: x Musste er vielleicht aus anderweitigem Grund, z. B. verkehrsbedingt kurz abbremsen? x Oder sah er gar nicht zu dem Fahrzeug des Geschädigten, sondern bemerkte er zufällig an derselben Örtlichkeit eine bekannte Person? x Und hat er sich das geschädigte Fahrzeug denn überhaupt an der Stelle angesehen, wo die Berührung stattgefunden hatte? x Was haben die Zeugen eigentlich tatsächlich gesehen und was ist Produkt ihrer Phantasie? Überhaupt: Was heißt „lauter Knall“? Ein außerhalb eines Fahrzeuges stehender Mensch hört Geräusche vollkommen anders, als in einem Fahrzeug. x Um was für ein Fahrzeug handelte es sich überhaupt: Eine gut schallisolierte Luxuslimousine oder ein Kleinwagen? Benzinmotor oder Dieselfahrzeug? Pkw oder Lkw? x War das Radio eingeschaltet oder nicht?
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1 Juristisches Vorwort
x War der Motor kalt oder warm? x Befanden sich weitere Personen im Fahrzeug, die gelärmt haben, z. B. Kinder? Wer auf der Straße einen lauten Knall hört, ist daher offenkundig leicht geneigt, zu behaupten, das müsse der Fahrzeuginsasse ebenfalls gehört haben, also hat er es gehört. Und selbst wenn der Fahrer den Knall ebenfalls gehört haben sollte: Wieso musste er das Geräusch zwingend einem Unfallereignis zuordnen bzw. einem solchen, an dem ausgerechnet er beteiligt war?
1.4 Faktoren Der Erfolg einer Verteidigung wegen des Vorwurfes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hängt ganz entscheidend von drei Faktoren ab: 1. Der Verteidiger muss über die entscheidenden technischen Kenntnisse auf dem Gebiet audio-visueller und kinästetischer Wahrnehmbarkeit von Verkehrsunfällen verfügen. 2. Er muss mit einem Sachverständigen zusammenarbeiten, der auf diesem Gebiet in besonders hervorragender Weise geforscht und dazu veröffentlicht hat, der also über „überragende Forschungsmittel“ und Spezialkenntnisse verfügt. 3. Beide müssen in der Lage sein, ihre Kenntnisse in geeigneter Weise der Justiz, also der Staatsanwaltschaft und dem Gericht, zu vermitteln. In den allermeisten Fällen fehlt mindestens eine dieser Voraussetzungen und so kommt es dazu, dass es wohl kaum ein anderes Strafdelikt gibt, bei dem es so oft zu Fehlurteilen kommt, insbesondere in der Form unschuldig verurteilter Autofahrer. Ein Grund dafür ist, dass es sich bei Unfallfluchtfällen fast immer um einen Indizienprozess handelt, der bekanntlich in besonders hohem Maße die Gefahr einer Falschverurteilung in sich birgt. Richter und Staatsanwälte machen immer wieder den gleichen Fehler: Sie versetzen sich – ohne sich jemals ausreichend mit der Materie befasst zu haben – bei jedem zu beurteilenden Fall selbst in die Rolle des Beschuldigten, gehen den Unfallverlauf und das Fahrmanöver im Geiste durch und beurteilen den Fall somit in ihrer eigenen laienhaften Sphäre ausschließlich aufgrund eigenen Erfahrungsmusters. Sie werden dabei „sachverständig“ beraten durch Polizeibeamte, die den Fall nach dem gleichen Muster bewerten. Gerne werden dann auch noch „gutachterliche Erhebungen“ von Sachverständigenorganisationen zur Urteilsfindung herangezogen, die gerade eben diese eigenen Vorstellungen der Richter und Staatsanwälte stützen, wonach „jede Berührung mit einem anderen Fahrzeug bemerkt werden muss“, ohne jedoch die anerkannten Regeln unabhängiger wissenschaftlicher Forschung beachtet zu haben. Indizien werden demnach oft ausschließlich subjektiv aus der Sicht des Richters betrachtet. Nirgendwo sonst in unserem Rechtssystem scheint es den Grundsatz „Im Zweifel gegen den Angeklagten“ zu geben, wie in Fällen angeschuldigten unerlaubten Entfernens vom Unfallort. So kommt es dann zu der juristisch fatalen Fehleinschätzung: Weil eine Berührung bemerkt worden sein muss, hat der Täter sie auch bemerkt und ist deshalb des Deliktes des § 142 StGB schuldig. Der Betroffene jedoch beteuert so lange chancenlos, er habe den Unfall nicht bemerkt, wie es seiner Verteidigung nicht gelingt, jedenfalls das Gericht zum Umdenken zu bewegen. Wer regelmäßig Unfallfluchtdelikte verteidigt, weiß, dass dabei eine unüberwindlich scheinende Mauer von Vorurteilen und Ignoranz zu überwinden ist. Oft helfen kleine Beispiele aus dem täglichen Leben weiter.
1.4 Faktoren
5
(„Wenn Sie konzentriert einem Gespräch folgen, hören Sie nichts von dem, was Ihr Nachbar neben Ihnen sagt und spüren nicht, wenn er Sie berührt. Wenn Sie rückwärts ausparken, wie wollen Sie dann hören oder spüren, wenn es vorne zu einer leichten Streifberührung in einem spitzen Winkel, überdies mit Kunststoffteilen kommt, wenn alle Sinne doch nach hinten gerichtet sind?“) Manches Mal muss dem Richter aber auch der Fall regelrecht praktisch vorgeführt werden, muss er kostenintensiv nachgestellt werden, um ihn zu überzeugen, ihn wenigstens aber zweifeln zu lassen. Besser und überzeugender ist jedoch das Gutachten eines für dieses Fachgebiet qualifizierten Sachverständigen. Voraussetzung für diese Qualifikation ist aber eine umfassende Forschungsarbeit auf diesem Gebiet, die frei ist von subjektiven Elementen, vielmehr streng wissenschaftlich, unabhängig und objektiv einzig unter Zuhilfenahme von technischen Messinstrumenten durchgeführt wurde. Unabhängig heißt in diesem Zusammenhang vor allem: Den Fall ohne Rücksicht auf die Interessen des Auftraggebers und ohne Blick auf die wirtschaftlichen Aspekte zukünftiger Aufträge zu beurteilen. Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten kann daher nur auf das Dringlichste nahegelegt werden, sich mit dieser Materie ausreichend gründlich zu befassen, bevor ein anstehender Fall entschieden wird. Nur so kann verhindert werden, dass die ungeheuere Menge von offensichtlichen Fehlurteilen bei der Beurteilung von unerlaubtem Entfernen vom Unfallort so weit wie möglich vermindert wird. Und im Zweifel – das wird dabei gern übersehen – ist bekanntlich zugunsten des Angeklagten zu entscheiden, ein Grundsatz, der wohl kaum häufiger missachtet wird, als gerade bei dieser Deliktsart. Somit ist dem nun hier vorgelegten Werk nur zu wünschen, dass es mit der ihm gebührenden Gründlichkeit und Intensität von allen Verfahrensbeteiligten von Unfallfluchtfällen gelesen und anschließend auch im Gerichtsverfahren angewendet wird. Schließlich basiert das Werk auf jahrelanger mühevoller, aber hochgradig qualifizierter Forschungsarbeit, weshalb es für sich in Anspruch nehmen darf, höchste Anerkennung und Beachtung zu finden. Möge es dazu beitragen, die Rechtswelt auf diesem kleinen Teilgebiet gerechter zu machen. Frank-Roland Hillmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oldenburg
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Einleitung
2.1 Ausgangspunkt Nahezu täglich lässt sich in der Zeitung eine Mitteilung der Polizei lesen, dass Personen gesucht werden, die Zeugen eines Unfallgeschehens waren. Handelt es sich dabei um Vorgänge, die sich z. B. auf einem Parkplatz ereigneten, so ist eher davon auszugehen, dass ein nicht allzu hoher Sachschaden entstand – man spricht dann von einem Bagatellunfall. Nicht selten verlässt (beabsichtigt oder nicht) der Unfallverursacher nach dem Anstoßgeschehen den Vorfallort. Der Halter des beschädigten Kfz bleibt dann in der Regel auf seinem Schaden sitzen, weil der Unfallverursacher die Art seiner Beteiligung sowie seine Personalien nicht bekannt gegeben hat. Je nach Höhe des entstandenen Sachschadens wird seitens der zuständigen Ermittlungsbehörde ein Verfahren nach dem Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) eingeleitet, zumindest dann, wenn durch den oben genannten Zeugenaufruf der Unfallverursacher ermittelt werden konnte. Der dann „Beschuldigte“ wird sich in aller Regel eines Rechtsbeistandes bedienen. Nicht selten – und, was hiesige Erfahrungen zeigen, letztlich auch nicht unberechtigterweise – wird seitens der Verteidigung eingewendet, das Unfallgeschehen sei für den Unfallverursacher nicht wahrnehmbar gewesen. Im Verlaufe des Prozesses wird dann nicht minder selten ein Unfallanalytiker eingeschaltet, der der Frage nachzugehen hat, ob das stattgefundene Ereignis unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, d. h. sämtliche Imponderabilien sind gemäß dem Grundsatz in dubio pro reo, also zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, sicher (auch als Kollision) wahrnehmbar war. Es ist dann die Aufgabe des technischen Gutachters, zunächst die Frage der Schadenkompatibilität (Zuordnung der Beschädigungszone in Lage, Ausprägung und Form) zu beantworten und ob ggf. aufgrund der wesentlichen unfallanalytischen Parameter eine Wahrnehmbarkeit des Ereignisses zu bejahen ist oder nicht. Dies kann, hier schon vorweggenommen, nicht alleinig aus „sachverständigem Erfahrungsschatz“ heraus gelingen, abgesehen davon, dass dem „rein technischen“ Gutachter die physiologischen Wahrnehmbarkeitsgrenzen nicht im Detail bekannt sind. Nicht zuletzt deswegen kann die Hinzuziehung eines weiteren (medizinischen) Experten im Rahmen einer interdisziplinären Begutachtung angezeigt sein. Dem Verursacher eines Verkehrsunfalls stehen bekanntermaßen optische, akustische und mechanische Wahrnehmungsmerkmale für die eventuelle Registrierung eines stattgefundenen Unfallereignisses zur Verfügung. Einschränkend muss man sofort anführen, dass dann, wenn auf den Unfallverursacher nur diese kollisionsbedingten Einflüsse wirken würden, auch ein jedes Unfallgeschehen mit großer Wahrscheinlichkeit bemerkbar wäre. Eine solche Annahme ist freilich praxisfern. Es macht daher wenig Sinn, wenn man ausschließlich auf das mit der Kollision einhergehende „Erschütterungssignal“ abzielt, ohne die Randbedingungen, unter denen der tatsächliche Unfall zustande kam, zu berücksichtigen. Zu den kollisionsbedingten Fahrzeugerschütterungen können sich auch kollisionsfremde Ereignisse hinzugesellen, die bisweilen eine nicht unerhebliche Ablenkung oder gar Verdeckung des „wahrzunehmenden“ Vorganges bewirken. Dies macht K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2.1 Ausgangspunkt
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eine Ortsbesichtigung in den allermeisten Fällen notwendig, kommt gerade unfallfremden Erschütterungen, beispielsweise durch einen unebenen Fahrbahnbelag, große Bedeutung zu. Auch ist der eventuelle Einfluss von zusätzlichen Verdeckungssignalen (klappernde Ladung, „tobende“ Kinder …) einzubeziehen. Letztlich ist es auch nicht statthaft, die in einem „Eigenversuch“ (Crashtest) praktisch gewonnenen Eindrücke 1:1 auf den Unfallverursacher zu übertragen, ist nämlich die Leistungsfähigkeit des Menschen keine Konstante, was bedeutet, dass Wachheit und Aufmerksamkeit sich nicht immer und bei jedem Menschen zu jeder Zeit auf gleichem Niveau befinden. Neben einem z. B. geringen Aktivitätsspiegel (Übermüdung etc.) besteht das Problem der Ablenkung durch z. B. „Reizüberflutung“. Wie wir aus eigener Erfahrung wissen, können wir unsere bewusste Aufmerksamkeit voll jeweils nur einem Sinnesorgan zuwenden. Deshalb ist es nicht möglich, mehrere Informationsflüsse gleichzeitig aufzunehmen und umzusetzen. Die maximale Aufnahme von Informationen liegt viele Größenordnungen unter dem, was unsere Sinnesorgane (Rezeptoren) aufnehmen können. Unsere Wahrnehmung beschränkt sich damit auf einen winzigen Ausschnitt der vom Nervensystem aufgenommenen Informationsfülle aus der Umwelt. Ziel der nachfolgenden Ausführungen soll es daher sein, sämtliche, auf den vermeintlichen Unfallverursacher wirkenden wahrnehmungshemmenden „Störgrößen“ zu erforschen. Es ist, wie dem Autor aus einer Fülle gehaltener Vorträge und anschließender Diskussionen bekannt wurde, auch nicht so, dass beispielsweise bundeseinheitlich eine „gewisse Schadenhöhe“ Ausschlag für die Einleitung eines Verfahrens für die ermittelnde Behörde wäre – tendenziell kann man sagen, dass man in diesen Dingen in den nördlicheren Bundesgebieten „großzügiger“ ist als im Süden der Republik. So hat im Mai 2005 der 2. Strafsenat des OLG Dresden „angesichts der allgemeinen Preis- und Kostenentwicklung auch in den neuen Bundesländern“ einen „bedeutenden Schaden“ erst ab 1300,00 € angenommen. Diese Richtgröße findet sich auch im Tröndle/Fischer, STGB, 51. Auflage (2003) wieder. Gegen eine solche „wirtschaftliche Bagatellgrenze“ sprechen aus unfallanalytischer Sicht aber gleich mehrere Argumente. Verursacht man nämlich beispielsweise mit einem stabilen Geländewagen einen massiven Schaden an einem nebenstehenden Golf II mit einem Wiederbeschaffungswert von beispielsweise nur einigen 100 €, so kann dieses Auto quasi völlig ruiniert werden (der Geländewagen bleibt im Übrigen weitestgehend unversehrt) – tauscht man jetzt den total beschädigten VW Golf II gedanklich gegen ein hochwertiges Fahrzeug, beispielsweise eine Mercedes SKlasse, aus, so führen bereits oberflächlichste Verschrammungsspuren (deren Entstehung nun nicht unbedingt wahrnehmbar sein müssen) zu höchsten Reparaturkosten. Während man also im 1. Fall aufgrund der wirtschaftlichen Bagatellgrenze – trotz einer sicher wahrgenommenen Kollision – durch das oben genannte grob geflochtene Netz fallen kann, so wird bei der in unfallanalytischer Sicht intensitätsschwachen Berührung der S-Klasse mit „Vehemenz ermittelt“. Der Unfallverursacher, egal ob er das Kollisionsgeschehen wahrnimmt oder nicht, sucht sich bekanntermaßen seinen „Unfallgegner“ nicht aus. Er wird vielmehr im Nachhinein mit dem Ergebnis seines Handelns konfrontiert, wobei dann dieser eher unglückliche, für die Ermittlungsbehörde aber nicht unwesentliche Parameter des „bedeutenden Schadens“ einfließt.
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2 Einleitung
In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, dass gar nicht so selten Altschäden am beschädigten Kfz mit verrechnet werden, bisweilen auch ohne Kenntnis des Halters. Es hat nämlich auch die mit der Reparatur beauftragte Werkstatt Interesse an einem „lukrativen“ Instandsetzungsumfang. Man sollte sich daher als fallbewertender Gutachter auch mit der Frage beschäftigen, ob eine vollständige Schadenskompatibilität gegeben ist, und ob der beabsichtigte oder vollzogene Reparaturweg insgesamt gerechtfertigt war (bedurfte es also unbedingt des Ersatzes des kostspieligen Ersatzteiles oder wäre eine kostengünstigere Instandsetzung möglich gewesen …).
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3
Leichtkollision im unfallanalytischen Sinne
3.1 Verformungsverhalten von Kfz Unter einer Leichtkollision oder einem Bagatellunfall versteht man vorwiegend Ereignisse, bei denen nur oberflächliche, geringe Schäden an beiden Kfz entstehen. Damit bringt man direkt auch ein niedrigeres Geschwindigkeitsniveau in Verbindung, also einen Bereich zwischen über ca. 1 und unter etwa 5 km/h. Damit konzentriert sich die Vielzahl solcher Vorgänge auf Einoder Ausparkvorgängen, wie aber auch Wendemanövern, bei denen man gegen ein geparktes Kfz oder ein Hindernis am Straßenrand stößt. Oftmals sind die bei solchen Kollisionen entstandenen Schäden gerade am unfallverursachenden Kfz gering. Tangiert dieser den Gegner mit dem Stoßfänger, wird er aufgrund der reversiblen Bauweise für Kollisionen bis zu 4 km/h Wandaufprallgeschwindigkeit (nach US-Vorgaben bis 8 km/h) letztlich nicht in einen sichtbaren Deformationszustand versetzt. Dagegen können am gestoßenen Fahrzeug an Kollisionsstellen mit weicherer Struktursteifigkeit (z. B. Türmitte) erhebliche plastische Deformationen zurückbleiben. Häufig wird, wenn seitens der Polizei der Unfallverursacher ermittelt wurde, an dessen Fahrzeug ein sichtbarer Schaden nicht festgestellt. Der Grund ist dann nicht selten, dass sich der Kunststoffstoßfänger aufgrund seiner hohen Elastizität quasi wieder in den Ursprungszustand zurückbildete und nur unter diesem, beispielsweise an Prallelementen, bleibende plastische Verformungen entstanden. Diese Reversibilität ist dem Unfallverursacher aber mit Sicherheit nicht so bekannt, zumindest wenn es sich um einen „technischen Laien“ handelt.
Abb. 3-1 Heckpartie Golf IV K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1_3, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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3 Leichtkollision im unfallanalytischen Sinne
In der Abb. 3-1 ist z. B. die Heckpartie eines gängigen Pkw (Golf IV) zu sehen. Dieser verfügt erkennbar über eine sehr großvolumige Kunststoffabdeckung im Heckbereich und, in der direkten Heckzone davor befindlich, ein Prallelement (grüner Pfeil, Abb. 3-2). Dagegen ist die seitlich umlaufende Stoßfängerzone nicht konstruktiv verstärkt – die Formsteifigkeit der Karosseriezone ändert sich also in wenigen Zentimeterschritten ganz erheblich.
Abb. 3-2 Heckpartie Golf IV/Stoßfängerabdeckung demontiert
Kommt es nun zu einem Eckkontakt hinten links, so kann sich der Stoßfängerüberzug in den konstruktiv nicht verstärkten Hohlraum, der mit roten Pfeilen markiert ist (Abb. 3-2), hineinschieben und nach erfolgtem maximalem Kraftaustausch mit dem Unfallgegner sich auch größtenteils wieder zurückverformen. Auch die Lackierung solcher Stoßfängerpartien leidet nicht in optisch auffälliger Weise, werden der Farbmischung viele „elastische Komponenten“ beigemengt, d. h. der Stoßfängerlack ist in der Lage, sich „mitzuverformen“. Dem Unterzeichner sind nicht wenige Vorfälle bekannt, bei denen der den Anstoß wahrnehmende Unfallverursacher nach dem Anstoß aussteigt, sein Fahrzeug „begutachtet“ und letztlich (kopfschüttelnd) den Vorfallort verlässt, erscheint es ihm aus laienhafter Sicht unmöglich, dass sein „völlig unversehrtes Auto“ den beachtlichen Eindellschaden in der Tür des anderen, geparkten Kfz verursacht haben soll. Wenngleich es selbstverständlich die Pflicht des Fahrzeugführers, also des Unfallverursachers wäre, hier Angaben über seine Person etc. am Unfallort zu hinterlassen, so wird diese „hochelastische“ Pkw-Konstruktion redliches Handeln eher nicht fördern. Der Fahrzeughersteller hat also das Stoßfängerprinzip wortwörtlich umgesetzt. Aus diesem einfachen Beispiel lässt sich schon ersehen, dass der mit einer solchen Problematik befasste Sachverständige auf jeden Fall auch auf die Zuordnung von Fahrzeugschäden einzu-
3.1 Verformungsverhalten von Kfz
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gehen hat, d. h. ob und inwieweit sie von der Lage (z. B. in puncto Bodenstandshöhe), von der Ausprägung oder aber auch von der Struktursteifigkeit her zum Unfallgegner passen. Insbesondere ist zu prüfen, ob an dem letztlich geschädigten Pkw nicht zuvor schon irgendwelche Schäden vorhanden waren, z. B. eine schon geschwächte Kotflügelpartie aufgrund eines Vorunfalls, die erst durch den Anstoß (des Beschuldigten) einen gewissen Deformationsumfang erhielt, der dann durch die vorausgegangene Materialschwächung entscheidend begünstigt wurde. Es sei nochmals mit Nachdruck unterstrichen, dass der Gutachter auf jeden Fall kritisch einen zur Akte eingereichten Kostenvoranschlag oder auch ein Schadensgutachten zum geschädigten Kfz prüfen muss, spielt, wie oben schon erwähnt, auch die Höhe des verursachten Schadens für das entscheidende Gericht scheinbar eine nicht unerhebliche Rolle. In solchen Kalkulationen sind nicht selten zweifelhafte Positionen enthalten, beispielsweise dann, wenn ein Fahrzeugrad mit in der Berührebene liegt und dort Lenkungs- oder Achsbauteile „aus Sicherheitsgründen“ zu erneuern sind. Man sollte dann kritisch hinterfragen, ob die bekanntermaßen kostspieligen Reparaturmaßnahmen überhaupt im Verhältnis zum eigentlichen Hergang stehen, nämlich einen nicht unbedeutenden (wirtschaftlichen) Schaden angerichtet zu haben. Verlässt man den „Hauptunfallort“ Parkplatz, so können Fragestellungen nach der Wahrnehmbarkeit von Unfallgeschehen auch dann entstehen, wenn Kfz erheblich unterschiedlicher Masse unfallbeteiligt waren. Zum Beispiel wird nicht selten behauptet, dass ein Lkw-Fahrer bei innerstädtischem Tempo den Kontakt mit einem rechts in einer Parkreihe abgestellten Pkw nicht wahrnahm. Es werden in der Regel bei solchen Vorgängen ganz erhebliche Reparaturschäden verursacht, die dem Unfallverursacher, nämlich dem im Lkw-Fahrerhaus sitzenden Beschuldigten, vollständig entgangen sein können. Derlei Vorgänge gehören mithin nicht in die Kategorie „Leichtkollision“ und noch weniger zum „Bagatellunfall“. Die Besonderheit solcher Fälle ist, dass der Unfallverursacher im Lkw-Fahrerhaus in der Regel schwingungstechnisch vom Gesamtfahrzeug entkoppelt ist, was die Wahrnehmungsmöglichkeiten (akustisch/vestibulär) nun nicht gerade fördert. Überhaupt ist zu beachten, dass die gesamte Kfz-Industrie in Richtung „Fahrkomfort“ entwickelt, mit den sich daraus unweigerlich ergebenden Wahrnehmungsdefiziten äußerer Kraft-/ Schwingungseinwirkungen. Spricht man also von Leichtkollisionen, so sind damit die, auf den Unfallverursacher einwirkenden, eher geringen Kräfte bzw. Einflüsse infolge des Anstoßes gemeint. Die Tätigkeit des technischen Sachverständigen im Hinblick auf den Vorwurf der Unfallflucht beschränkt sich daher nicht nur auf Parkplatzkarambolagen, sondern auch auf Vorgänge im fließenden Verkehrsgeschehen. Hierzu werden an späterer Stelle noch mehrere geeignete Fallbeispiele vorgestellt. Abschließend für dieses Kapitel soll noch auf ein „unfallrekonstruktives Phänomen“ im Zusammenhang mit „energiearmen“ Fahrzeugkollisionen eingegangen werden. Wenngleich unterschiedliche juristische Fallkonstellationen betreffend, stellt man als Gutachter hin und wieder fest, dass Kollisionserschütterungen im Fahrerfluchtprozess als nicht wahrnehmbar dargestellt wurden – im zivilen Rechtsstreit bei vergleichbar hoher Belastungsintensität im gestoßenen Pkw dort zu Verletzungsentstehungen bei Insassen geführt haben sollen (HWS-Problematik). Der Übergang zwischen diesen Unfallkategorien müsste demzufolge fließender Natur sein, was man allerdings auch ohne umfangreichen medizinischen Sachverstand sicher verneinen kann.
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Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
Spricht man vom Begriff der Wahrnehmung, so sind gleichzeitig auch die Aufmerksamkeit und das Bewusstwerden eines von einem Ereignis ausgehenden Reizes zu nennen. Es handelt sich dabei um „neuronale Meldungen“, die für den Menschen erst dann zu bewussten Wahrnehmungen führen, wenn man Selbigen ein ausreichendes Maß an Aufmerksamkeit schenkt. Es ist falsch, anzunehmen, man könne nur auf diejenigen Dinge reagieren, die auch bewusst wahrgenommen werden. Solchermaßen geschieht ein Großteil unserer eigenen Handlungen, die wir im täglichen Leben ausführen, ohne Beteiligung unseres Bewusstseins. Genannt werden können hier z. B. die Aufrechterhaltung unseres Gleichgewichtssinnes, wie aber auch bestimmte Tätigkeiten beim Führen eines Pkw. Im eigentlichen Sinne werden dem Menschen nur grobe Abweichungen von diesem Sollwertbereich bewusst. Dies ist nichts anderes als eine Schutzfunktion des Körpers. Wenn er auf alle Reize, die auf ihn einprasseln, bewusst reagieren würde, wäre der Organismus hoffnungslos überfordert. Der Aufmerksamkeit kommt also eine große Bedeutung zu; sie dient zur Auswahl der für den Menschen bedeutsamen Signaleinwirkungen und natürlich ebenso zu deren Filterungen, also solche herauszutrennen, die für ihn irrelevant sind. Man kann damit den Grad der Aufmerksamkeit als Schutz vor einer gewissen Reizüberlastung sehen, da das zentrale Nervensystem nur eine begrenzte Verarbeitungskapazität besitzt. Dies ist in Anbetracht der von außen auf den Betrachter einwirkenden, zunehmenden Informationsfülle (Werbung, auch im Radio) beachtlich. Das bewusste Wahrnehmen eines „vom Sollwert abweichenden Reizes“ bedingt die Überschreitung einer „Wahrnehmungsschwelle“. Es ist also eine gewisse Intensität eines Signals notwendig, nämlich in einer Größenordnung, die zumindest gerade noch wahrgenommen werden kann. Kann man so etwas nachweisen, steht längst noch nicht fest, dass dieses Ereignis auch richtig gedeutet oder interpretiert wird. So muss ein lautes, gehörtes Geräusch, bedingt durch einen Bagatellunfall, nicht zwingend eben diesem Vorgang zugeordnet werden, ist man auch im Fahrbetrieb oftmals akustisch „angeregt“, sei es durch Geräusche im Außenbereich (Baustellenlärm …) wie auch im Insassenraum (klappernde Ladung, Unterhaltung von Insassen …). Spricht man von der Wahrnehmung stattgefundener Unfallereignisse, so hat sich der technische Sachverständige mit den unterschiedlichen Formen deren Registrierung zu beschäftigen, nämlich: Die visuelle, die akustische, die taktile und kinästhetische Wahrnehmung.
4.1 Visuelle Wahrnehmung Diese Form der Wahrnehmung wird durch den Gesichtssinn eingegrenzt. Alle Punkte, die bei fester Kopfhaltung und gegebener Augenstellung überblickt werden, machen das Gesichtsfeld aus. Es hat eine Breitenausdehnung von etwa 180°, wie die Abb. 4-1 zeigt. Doppelt schraffiert ist das „beidäugige“ Gesichtsfeld markiert [H1].
K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1_4, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
4.1 Visuelle Wahrnehmung
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Abb. 4-1 Beidäugiges Gesichtsfeld
Alle Punkte, die bei fester Kopfhaltung anvisiert werden können, bestimmen das Blickfeld. Es ist kleiner als das Gesichtsfeld, weil Objekte, die in der Nähe der Gesichtsfeldgrenzen liegen, zu deren Anvisierung eine Kopfdrehung erfordern. Es wird eine so genannte Blickzuwendung erforderlich. Will man also irgendein Objekt möglichst scharf mit dem Gesichtssinn wahrnehmen, so muss man es fixieren. Die Stelle des schärfsten Sehens liegt in der Mitte der Netzhaut im Auge – dies muss also der Ort sein, an dem das Objekt abgebildet wird. Unter den Bedingungen des Tages- und Dämmerungssehens ist der „schärfste“ Abbildungsbereich lediglich ca. 1° groß, also ein ganz geringer Bruchteil des Blickfeldes. Dies erfordert schlussendlich diverse Blickrichtungswechsel im rückwärtigen Ausparkvorgang, nämlich in die Seiten- und Innenspiegel sowie den so genannten Schulterblick. Dass damit ein nicht unerhebliches Zeitfenster verbunden ist, liegt auf der Hand. Neben den Blickbewegungen gesellen sich ja auch noch Akkomodations-wie auch Adaptationsphasen hinzu, die ein stetes Erfassen des Umfeldes im dynamischen Ablauf stark erschweren. Bei realen Leichtkollisionen ist es in der Regel so, dass die eigentliche Unfallstelle direkt nicht eingesehen werden kann. In der Regel stehen dem Beobachter, z. B. bei einem rückwärtigen Ausparkvorgang hierfür nur die Rückspiegel seines Kfz zur Verfügung, die allerdings nicht die Aufgabe besitzen, den in Fahrzeugnähe liegenden Bereich punktgenau bzw. hochauflösend wiederzugeben, sondern dem Fahrzeugführer einen weiten Überblick über die hinter ihm liegende Szenerie vermitteln sollen.
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
Außen- wie Innenspiegel verzerren dementsprechend die Umgebung nicht unerheblich und sind mithin wenig geeignete Hilfsmittel, um beispielsweise die vom Fahrer am weitesten entfernt liegende Karosseriekontaktzone, nämlich die hintere rechte Pkw-Ecke, in ausreichender Weise abzubilden.
a)
b)
c) Abb. 4-2 Fahrersicht auf einen rechts abgeparkten Pkw
Noch problematischer ist die Beurteilung der Frage, wie nahe man mit der eigenen vorderen Karosserieecke dem Unfallgegner gekommen ist, Abb. 4-2.
4.1 Visuelle Wahrnehmung
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Bevor man die nachfolgenden Absätze liest, möge sich der Leser mit der Frage beschäftigen, in welcher der drei Positionen die vordere rechte Karosserieecke (Blickwinkel aus Fahrersicht) am gegnerischen Kfz anliegt und wie groß dann die Distanz in den beiden anderen Fällen ist (sofern die erste Frage beantwortet werden kann …). Unschwer festzustellen ist, dass eine solche Einschätzung eigentlich nicht gelingt, da sich die einzelnen Relativpositionen nicht nennenswert voneinander unterscheiden. Im Bild a beträgt im Übrigen die Distanz 30 cm, bei b 15 cm und im Bild c kommt es zum Kontakt. Häufig liest man als „Belastungsargument“ gegen den Beschuldigten, dass die zunehmende Annäherung an das nebenstehende Kfz einen drohenden Kontakt erwarten ließe und deswegen eine große „Sensibilisierung“ des Fahrers zu erwarten sei. Führt man sich aber vor Augen, dass durchschnittliche Parkboxbreiten auf großen Parkplätzen in der Regel ca. 230 bis 240 cm betragen und in der Pkw-Entwicklung eine stetige Zunahme der Fahrzeugdimensionen zu erkennen ist (Breite Mittelklasse-Pkw = ca. 180 cm ohne Spiegel), so herrschen schon beim Einsteigen in das eigene Auto beengte Verhältnisse vor – die sich während des gesamten Rangiervorganges auch nicht ändern können. Nicht zuletzt muss man sich auch auf weitere Verkehrsteilnehmer konzentrieren, wie z. B. querende Kfz in der Fahrgasse, Fußgänger etc. Der Fahrzeugführer ist aber nicht nur einem „potenziellen Unfallgegner“ ausgesetzt, steht in aller Regel auch auf der anderen Seite ein Kfz. Auch die zum Verlassen des Parkplatzes zu benutzende Fahrgasse will unfallfrei erreicht werden, was eine visuelle Absicherung des Rückraumes bedingt. Man beachtet also quasi nie eine einzelne, potenzielle Kontaktzone am eigenen Kfz, sondern im Rahmen von Rangiervorgängen, z. B. bei einer rückwärtigen Ausfahrt aus einer Parklücke, werden ständige Blickwechsel durchgeführt, Abb. 4-3. Wie man diesen, aus erhöhter Position entstandenen Momentanaufnahmen einer rückwärtigen Ausparkbewegung unschwer entnehmen kann, sieht die fahrzeugführende Person in der 1. Phase der rückwärts gerichteten Bewegung nach vorne links, wird dort der Kontakt mit der rechten Kfz-Seite des links parkenden Fahrzeugs vermutet (Ausparken nach hinten rechts). Sodann ist aber seitens der Fahrzeugführerin eventueller Querverkehr in der Parkplatzgasse zu beachten. Zudem muss natürlich auch geprüft werden, ob man mit der rechten Karosserieseite dem nebenstehenden Kfz zu nahe kommt. Folglich wird der Blick im 2. Momentanbild durch die Person nach rechts gerichtet. Gerät hier die linke Karosserieecke gegen das auf der gegenüberliegenden Seite abgestellte Kfz (roter Kreis), so kann dies die fahrzeugführende Person logischerweise nicht sehen. Erst am Ende der Ausparkbewegung, letztes Momentanbild, wird der Blick wieder nach links gelenkt. In diesem Versuch wusste die Versuchsperson im Übrigen, dass Querverkehr in der Fahrgasse nicht herrschte – kalkuliert man diesen (gedanklich) zusätzlich ein, so wird es noch weitere Blickwechsel (auch nach hinten) geben. Diese, für solche Ausparkvorgänge typische Blickbewegung verdeutlicht, dass man von der nicht selten anzutreffenden Auffassung abrücken muss, wonach man bei derartigen Fahrmanövern stur irgendeine Karosseriezone des nebenstehenden Kfz fixiert.
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
Abb. 4-3 Typischer Ausparkvorgang mit entsprechenden Fahrer-Blickwechseln
Man sollte sich auch davor hüten, anzunehmen, ein Lkw-Fahrer habe aufgrund seiner erhöhten Sitzposition grundsätzlich bessere Sichtmöglichkeiten in den ihn umgebenden Verkehrsraum. Die Abb. 4-4a und b zeigen exemplarisch die Anordnung einer Sattelzugmaschine (DAF XF) zu einem Pkw. Dieser befindet sich in sehr geringer Distanz hinter einem VW Golf III. Bei einer ungefähren Pkw-Länge von gut 4 m möchte man sofort meinen, dass der Fahrer des Sattelzuges den Pkw in großer Ausdehnung vor sich sehen müsste.
4.1 Visuelle Wahrnehmung
a)
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b)
Abb. 4-4 a und b Anordnung Sattelzugmaschine/Pkw („Fastkontakt“)
Dass dem nicht so ist zeigt die Abb. 4-5. Nur der Bereich ab der Pkw-A-Säule ist tatsächlich zu sehen. Ähnlich schwierig stellen sich auch die seitlichen und rückwärtigen Sichtmöglichkeiten aus einem solchen Fahrzeug dar. Nicht nur durch die deutlich wuchtigeren (größer dimensionierten) Karosseriesäulen, sondern auch durch die hohe „Fensterlinie“ sind andere Verkehrsteilnehmer teilweise nur durch Hilfseinrichtungen (Rampen-/Weitwinkelspiegel etc.) visuell wahrnehmbar, was auch die dramatische Anzahl von Lkw-Abbiegeunfällen mit Fußgängern und Radfahrern erklärt.
Abb. 4-5 Blick aus der Fahrerposition in der SZM
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
Bedenkt man jetzt noch, dass viele Lkw-Fahrer die großzügig dimensionierten Armaturentafeln mit allerlei Dingen „verzieren“ (Fernseher, Kaffeemaschine, Namensschilder etc.), so verwundert es nicht, dass oftmals auch „Leichtkollisionen“ im direkten Frontbereich nicht gesehen werden. Vorsichtig sollte man auch mit den Einschätzungen von Außenbeobachtern, also „neutralen Zeugen“ umgehen, werden von diesen Wank- oder Wackelbewegungen des getroffenen Fahrzeugs oftmals gut gesehen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, befinden sie sich meistens in einem völlig ruhenden System (z. B. parkendes Kfz gegenüber) und nehmen insofern auch leichte Veränderungen an einem zuvor stehenden Objekt problemlos wahr. Der Außenbeobachter nimmt nicht selten einen so genannten „Logenplatz“ ein. Er stellt die Annäherung der Karosseriekörper in kleinsten Schritten fest und wartet förmlich auf die Unfallkonsequenzen. Die erste Wahrnehmung ist in der Regel das „erkennbare Wackeln“ des seitlich getroffenen Pkw. Existiert demgegenüber vom Beobachtungspunkt des Unfallverursachers aus kein Bezug zum Stillstand, ist er also in Bewegung, so sind dynamische Veränderungen im direkten Umfeld, so eine mögliche Wankbewegung des getroffenen anderen Kfz, wesentlich schwieriger bzw. gar nicht wahrzunehmen. Nicht einmal ein Insasse eines anfahrenden Omnibusses vermag (ohne fahrbedingte Ablenkung) einzuschätzen, ob andere Personen an der Bushaltestelle stehen oder in Bewegung sind. Im Grunde genommen unterliegt damit die visuelle Wahrnehmbarkeit einer solchen Fülle von Einflussfaktoren, dass ihre (im strafrechtlichen Sinne) technisch sichere Beweisbarkeit nur in den seltensten Fällen gelingt. Diagramm 4-1 von HOLTKÖTTER zeigt die Parameter der visuellen Wahrnehmbarkeit [H2]. In der Mitte dieser Darstellung „thront“ die visuelle Wahrnehmbarkeit. In direkter Umgebung dazu sind die dem Unfallverursacher „nahe liegendsten“, beeinflussenden Parameter angeordnet. Die Blickrichtung, bereits in der 2. Ebene liegend, ist Grundvoraussetzung für die visuelle Wahrnehmung. Sie hängt direkt von den anderen, über Pfeile verbundenen Elementen ab, die nicht beweissicher einschätzbar sind. Eine Diskussion erübrigt sich schon deswegen, weil die Blickrichtung ohnehin nicht rekonstruierbar ist. Wäre z. B. über Zeugenaussagen objektivierbar, dass der Unfallverursacher zielgerichtet den nebenstehenden Pkw beobachtete, so kämen die weiteren umliegenden Parameter noch zum tragen. Als erstes sind Verdeckungsmöglichkeiten durch den Pkw selbst (Fahrzeugsäulen, Ladung, …) zu nennen. Auch äußere Witterungseinflüsse sind in die Beurteilung einzubeziehen. Blendungseinflüsse, ungünstige äußere Lichtverhältnisse sind ebenfalls von Bedeutung, wie aber auch schlussendlich die physiologischen Fähigkeiten des Unfallverursachers selbst, seien es nun dessen Sehschärfe oder aber andere Beeinträchtigungen wie z. B. Medikamenteneinfluss. Es genügt demnach definitiv nicht, Unfallversuche mit einem auf die Kollision vorbereiteten Probanden durchzuführen, um dann zu argumentieren, dieser habe das Unfallgeschehen auch visuell wahrgenommen (z. B. durch die Wankbewegung des Unfallgegners). Dieser Proband richtet natürlich gezielt seine Aufmerksamkeit auf die Kontaktzone.
4.1 Visuelle Wahrnehmung
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Tests hierzu haben gezeigt, dass das Zusammenspiel des visuellen Sinneseinflusses und des Gleichgewichtssinnes wichtig für das Gesamt-Wahrnehmungsempfinden ist. Schließt man z. B. die Aufnahme von Reizen durch das Auge aus, so muss das Gehirn mit den verbleibenden Sinnen des Körpers versuchen, ein Ereignis zu registrieren.
Diagramm 4-1 Einflussparameter auf die visuelle Wahrnehmung [H2]
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
4.2 Akustische Wahrnehmung Die allgemein als „nächst höhere Stufe der Wahrnehmung“ bezeichnete, akustische Registrierung von Kollisionen beruht nicht auf einer zielgerichteten, direkten Zuwendung der Aufmerksamkeit zur Anstoßstelle, weil nämlich die Ausrichtung des Hörorgans für die Aufnahme eines kollisionsbedingten Schallpegels eher von untergeordneter Bedeutung ist. Eine Schallquelle, die sich hinter einer Person befindet, wird nicht völlig anders wahrgenommen als eine solche, die sich direkt vor ihr befindet. Bei Kollisionsgeräuschen handelt es sich um aperiodische, unspezifische Frequenzgemische im eher niederfrequenten Bereich. Die für den Vorwurf der Unfallflucht zu beweisende, überschwellige Hörempfindung bedingt also grundsätzlich eine merkliche Überschreitung der menschlichen Hörschwelle, die durch den Schalldruck beeinflusst wird. Das menschliche Ohr ist in einem Frequenzband von 1.000 bis 4.000 Hz sehr empfindlich. Der kleinste Schalldruck, den das menschliche Gehör gerade noch wahrnehmen kann, beträgt 20 μPa bei einer Frequenz von 1.000 Hz. Dieser Wert ist als Bezugspunkt für den absoluten Schalldruckpegel festgelegt und mit 0 dB(A) bezeichnet worden. Töne, die in ihrer Frequenz weit auseinander liegen, aber als gleich laut empfunden werden, können dagegen völlig unterschiedliche Schalldruckpegel besitzen. Dies demonstriert, dass der Frequenz des Schalls eine sehr große Bedeutung zukommt. Im Diagramm 4-2 ist die Hörschwelle des menschlichen Ohres grafisch dargestellt. Auf der xAchse sind die Frequenzen (Tonhöhe) des Hörbereiches in Hertz (Hz) und auf der y-Achse der Schalldruckpegel in Dezibel (dB) abgetragen. Die unterste Linie ist die so genannte Hörschwelle, unterhalb derer keine Frequenzen bzw. Töne mehr wahrgenommen werden. Wie man dort sieht, nähert sich der Graph zwischen 1.000 und 4.000 Hz ihr am stärksten an, ist das Ohr, wie schon oben beschrieben, hier am „empfindlichsten“. Die Empfindungsstärke der Schallpegel wächst mit dem Logarithmus der Reizstärke, weswegen eine Zunahme der Lautstärke um ca. 6 dB(A) einer Verdopplung der menschlichen Schallempfindung entspricht. Soll ein Kollisionsgeräusch für den Unfallverursacher akustisch wahrnehmbar werden, so kann man grob sagen, dass der mit der Kollision verbundene akustische Reiz um allerwenigstens 1 bis 2 dB(A) lauter sein muss als die Lautstärke eines kollisionsfremden Geräuschpegels. Diese Intensitäts-/Unterschiedsschwelle ändert sich aber mit dem Lebensalter durchaus bis auf Werte von merklich über 3 dB(A). Dem Alter bzw. der Hörfähigkeit des Unfallverursachers kommt daher eine große Bedeutung zu, weswegen ein (im Übrigen wenig aufwendiger) Hörtest eine hohe Aussagekraft im Rahmen von Gutachtenerstattungen besitzen kann. Gerade hier ist auch noch zu beachten, dass der durchschnittliche Alters-Hörverlust über das noch wahrnehmbare Frequenzband drastisch variiert. Von über 60-jährigen werden höhere Frequenzen als ca. 4 kHz praktisch nicht mehr wahrgenommen – in der typischen Kollisionsfrequenz von ca. 500 Hz liegt die Gehörminderung gegenüber etwa 30-jährigen bei gerundet 6 bis 8 dB(A) (also i. e. „Lautstärkehalbierung“). Für die Beurteilung der akustischen Wahrnehmung ist weiterhin von Bedeutung, wo die Schallquelle am Fahrzeug liegt, wie der Weg des Schalls aussieht, d. h., ob z. B. über die Außenatmosphäre oder aber durch Körperschall, also durch das Fahrzeug hindurch (beispielsweise in rahmenfeste Bauteile des Pkw eingeleitet).
4.2 Akustische Wahrnehmung
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Diagramm 4-2 Hörschwelle des menschlichen Ohres [B3]
Beim Transport des Geräusches vom Außenbereich in das Fahrzeug hinein entstehen unweigerlich Frequenz- und Lautstärkeänderungen. Pkw-Karosserien schlucken in aller Regel etwa 20 bis 30 dB(A) (Werte darüber sind nicht ungewöhnlich); ein Lkw kann demgegenüber im Mittel etwa zumindest 15 dB(A) absorbieren. Um sich eine Vorstellung darüber zu machen, wie laut Geräusche eigentlich sind, können ein paar praktische Beispiele genannt werden. Eine normale Unterhaltung in ansonsten ruhiger Umgebung bewegt sich in einer Größenordnung von etwa 55 bis 60 dB(A), ein Radiogeräusch in einem Pkw, das in normaler Stadtfahrt unterwegs ist, liegt in einem Bereich von etwa 70 bis 75 dB(A). Im alltäglichen Gebrauch eines Fahrzeugs werden durch das Einschalten der Zündung viele fahrzeuginterne Aggregate in Betrieb genommen, die erhebliche Schallpegel erzeugen können, ohne dass der Verbrennungsmotor in Betrieb ist. Als Beispiele hierfür seien genannt: x x x x x x
die Klimatronik das Autoradio das Gebläse der Scheibenwischer Navigationsgeräte Bordcomputer.
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
In einer unlängst durchgeführten Untersuchung mit einer Mercedes-Benz-A-Klasse wurde z. B. ein Schallpegel von 66 dB(A) bei eingeschalteter Lüftung auf hoher Stufe ermittelt. Bei zusätzlich eingeschaltetem Radio in „gut verständlicher Lautstärke“ konnte in der Insassenzelle ein Wert von 70 dB(A) ermittelt werden. Im Hinblick auf die durchschnittliche Karosseriedämmung moderner Pkw von über 25 dB(A) müssten über den „Luftschallweg“ über 95 dB(A) an die Außenhaut des Fahrzeuges dringen, damit innen noch gerade genug (hörbarer) „Kollisionslärm“ ankommt. In einer von DEEKEN durchgeführten Versuchsreihe [D1] wurden die kollisionsbedingten Schalldruckpegel in der Nähe des Anstoßortes gemessen. Es ergaben sich im Rahmen von Streifkollisionen bei einem Anstoßwinkel von etwa 15 bis 20° und einer Geschwindigkeit um etwa 3 km/h Werte von im Mittel 75 dB(A). Dabei wurde außerhalb des Fahrzeugs in ca. 1 m Abstand zum Kollisionspunkt gemessen. Eine Leichtkollision in ähnlichem Geschwindigkeitsbereich, wobei das unfallverursachende Fahrzeug mit 30 % Überdeckung auf ein anderes Kfz auffuhr, ergab einen Schalldruckpegel in gleicher Distanz im Außenbereich von etwa 78 dB(A). Hier war dann vermehrt ein vergleichsweise deutliches „Knacken“ des Plastikstoßfängerüberzuges des unfallverursachenden Kfz zu hören. Die im Weiteren auch noch vorzustellenden Versuchswerte von DEEKEN wurden in einem VW-Transporter T4 gemessen. Dort herrschte im Insassenraum bei ausgeschalteter Lüftung und laufendem Motor ein Geräuschpegel von etwa 68 dB(A) vor. Bei einem in 1 m Distanz zum Anstoßgeschehen gemessenen Kollisionsgeräusch von 78 dB(A) liegt also eine kollisionsbedingte Überhöhung von 10 dB(A) vor. Man könnte jetzt vorschnell argumentieren, dass doch unter diesen Umständen das Kollisionsgeräusch im Inneren des VW-Transporters wahrnehmbar sein müsste. Würde man so vorgehen, so hätte man aber die schon benannte Schalldämmung des Kfz außer Acht gelassen, die, wie weiter oben schon erwähnt, bei zumindest ca. 20 dB(A) einzuordnen ist. Als grober Richtwert sei hier angefügt, dass eine Lautstärkeminderung um 20 dB(A) in etwa dann entsteht, wenn man sich mit den Fingern die Ohren (kräftig) zuhält. Um diesen Anteil schwächt also eine nicht einmal sonderlich gut isolierte Fahrzeugkarosserie den am Fahrzeug außen anliegenden Schalldruckpegel in Richtung Insassenzelle. Unnötig zu erwähnen ist, dass beim Übergang in die VW T4-Insassenzelle der zur Wahrnehmung erforderliche KollisionsSchalldruckpegelunterschied dort nicht mehr anlag und mithin die Kollisionen in den Versuchen auch tatsächlich nicht hörbar waren. Wie weiter oben erwähnt, spielt aber nicht nur der eigentliche Schalldruckpegel, sondern insbesondere auch die Frequenzlage des kollisionsbedingt eingetretenen Geräusches eine große Rolle. Auch dem technischen Laien ist das Phänomen der guten Schalldämmung von Kfz-Karosserien gegenüber hochfrequenten Geräuschen bekannt. Die (innen) laute Musik eines vorbeifahrenden Pkw (so genannte „rollende Disco“) wird nur in Form dumpfer Töne, also niederfrequenter Geräusche registriert; der hochfrequente Anteil dringt nicht nach außen. Dieses einfache Beispiel zeigt, dass gerade hochfrequente, außerhalb der Insassenzelle auftretende Geräusche sehr gut gedämmt werden, weswegen z. B. das Klirren eines beim Unfall zerstörten Scheinwerferglases für den Insassen im Fahrzeug wesentlich schlechter wahrnehmbar ist, als für den Außenstehenden. Ähnlich verhält es sich natürlich auch mit hochfrequenten Quietschgeräuschen, beispielsweise wenn ein (heute quasi nicht mehr verbauter) Metallstoßfänger über die Seitenpartie eines anderen Kfz hinwegkratzt.
4.2 Akustische Wahrnehmung
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Gezeigt werden kann dieser Effekt mithilfe des nachfolgenden Versuchsaufbaus: Im Abstand eines (knappen) Meters wurden (durch einen Verstärker angesteuert) Lautsprecherboxen seitlich neben einem Pkw Seat-Altea (Baujahr 2009) postiert, Abb. 4-6. Mittels Signalgenerator, Abb. 4-7 wurden Töne mit definierten Frequenzen vorgegeben.
Abb. 4-6 Versuchsaufbau: Verstärker mit Lautsprecherboxen
Abb. 4-7 Prüfton 1000 Hz am Signalgeber
Im Pkw-Innenraum, Abb. 4-8 waren in Kopfstützenhöhe ein Lautstärkepegelmesser, aber auch ein zusätzliches Mikrofon (Bestandteil eines weiteren Lautstärkemessers) installiert – mit letzterem sollte untersucht werden, ob sich beim Schalldurchgang durch die Karosserie eine Frequenzverschiebung ergibt (Prüfsignale auf Oszillator gegeben). Das konnte nach Versuchsauswertung in guter Näherung letztlich aber verneint werden (marginale Verschiebung).
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
Abb. 4-8 eingesetzte Lautstärkepegelmesser in Kopfstützenhöhe
Demgegenüber war aber die (gemittelte) Abnahme des Lautstärkepegels (aus mehreren Versuchsabläufen) frappierend, Diagramm 4-3. Unschwer ist dort zu erkennen, dass der Prüfton mit einer Frequenz von 500 Hz einer Lautstärkedämmung von ca. 20 dB(A) unterlag, wohingegen im höherfrequenten Bereich bereits (annähernd) 35 dB(A) ermittelt wurden. Dies ist letztlich der messtechnische Beweis für das oben genannte „Hörerlebnis“. In niederfrequenten Bereichen, also wenn das Kollisionsgeräusch im Wesentlichen aus einem dumpfen Eindellvorgang einer Blechpartie besteht, ist die Karosseriedämmung (des Luftschalls) erheblich geringer als bei einem (von Zeugen nicht selten vernommenen) höherfrequenten Schrammgeräusch.
Diagramm 4-3 Abnahme des Lautstärkepegels in Abhängigkeit der Frequenz
4.2 Akustische Wahrnehmung
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Erste Untersuchungen zu dieser Thematik gab es von WELTHER [W1]. Er führte umfangreichste Messungen durch, die für die 1980er Jahre auch sehr aufschlussreich waren. Das Gros der von ihm gefundenen Zusammenhänge basiert also auf praktischen Versuchen, die allerdings mit Fahrzeugmodellen durchgeführt wurden, die heute quasi gar nicht mehr anzutreffen sind. Stahlstoßstangen, die direkt über Metallhalter an den Fahrzeugrahmen angebunden sind, trifft man im modernen Karosseriebau nur noch sehr selten an. Fast alle Pkw- und mittlerweile auch Lkw-Karosserien verfügen über großvolumige Kunststoffstoßfänger, hinter denen sich nicht selten Schaumstoffkonstruktionen, Prallelemente etc. befinden, die eben eine direkte (schwingungstechnische) Anbindung an die Längsträger eines Fahrzeugs verhindern. Heute sind eine große Anzahl von Stoßfängerkonstruktionen, also deren Überzüge, lackiert und damit sehr glattflächig. Streifen diese Komponenten seitlich über eine nicht minder glatt lackierte Karosserieseitenstruktur eines anderen Kfz her, so entstehen fast nie höherfrequente (kollisionsbedingte) Geräusche. Einzig plastische Verformungen jener Stoßfängerstrukturen, also akustisch im eher niederfrequenten Bereich anzusiedeln, treten noch auf, die dann unter gewissen Bedingungen auch wahrnehmbar sein können (nämlich über den „Körperschallweg“). Genau dieser „Wahrnehmungschance“ arbeitet die Automobilindustrie aber gezielt entgegen, wird dem Schwingungs- und Akustikverhalten des gesamten Fahrzeugs eine immer größere Bedeutung beigemessen. Begründet wird dies natürlich auch mit den steigenden Anforderungen der potenziellen Kfz-Käufer an den Schwingungs- und Geräuschkomfort. Grob gesagt besteht ein durchschnittlicher Pkw aus mehr als 10.000 Bauteilen, von denen einige Hundert akustisch bzw. schwingungstechnisch relevant sind. Sie agieren in komplexen Wechselwirkungen miteinander, was sich natürlich auf das Innen-/Außengeräusch und dem Schwingungskomfort in durchaus konkurrierender Weise auswirkt. Das „Bauteil“ eines Autos ist dessen Antrieb, bestehend aus Motor und Getriebe. Der Betriebszustand des Motors ist neben seiner Konzeption (Otto-, Wankel-, Dieselaggregat) maßgeblich, d. h., mit welcher Drehzahl er betrieben wird. Hier wird in der Regel eine Unterteilung in Fahrzeuge mit Automatik- oder Schaltgetriebe vorgenommen. Das hat den Grund, dass beim Automatikgetriebe Rangiervorgänge gewöhnlich im Bereich der Leerlaufdrehzahl durchgeführt werden, während das Schaltfahrzeug nicht nur durch die Elastizität des Motors und die Beschaffenheit der Kupplung beeinflusst wird, sondern im hohen Maße auch von den „Rangierkünsten“ des Fahrenden. Grundsätzlich sind aber beim Schaltwagen höhere Motordrehzahlen nötig, die sich je nach Hubraum und Zylinderzahl des Aggregates im Bereich von ca. 2000±500 U/min bewegen. Je nach Geschick des Fahrzeuglenkers, also der Art und Dosierung des Kupplungspedals, sind auch bisweilen erheblich höhere Motordrehzahlen anzutreffen (die dann nicht nur die akustische Wahrnehmung beeinflussen …). Führt man sich weiterhin die unterschiedlichen Pkw-Konzeptionen vor Augen, also eine normale Limousine, ein dazu entworfenes Kombimodell oder gar ein Cabriolet, so kann man pauschal erst einmal anführen, dass in dem Kombifahrzeug eine Kollision eher wahrgenommen wird als in den beiden anderen Typen, da dessen größerer Innenraum nämlich als „Resonanzkörper“ fungieren kann. Dies gilt nur für Kollisionen im Heckbereich.
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
Bei frontgetriebenen Fahrzeugen wird eine Kollision im vorderen Bereich schlechter wahrgenommen, als eine vergleichbare Heckkollision, da der Motor, der selbst stark gedämpft ist, mit der Fahrgastzelle gekoppelt und zwischen Anstoßpunkt und Fahrersitz verbaut ist. Durch die geringeren Dämpfungseigenschaften der beim Cabriolet verwendeten Faltdachmaterialien wird der Luftschall hier weniger stark gedämpft als in vergleichbaren Limousinen oder einem Kombimodell. Ein wichtiger Faktor ist hier natürlich auch der Einfluss der Beladung. Er kann Geräusch verringernd wirken, weil der Resonanzraum reduziert wird und die tragenden Elemente eine weitere Schwingungsdämpfung erfahren. Zudem kann die Beladung selbst als Geräuschquelle dienen. Auch weitere äußere Einflüsse, wie z. B. Starkregen können eine Schallpegelerhöhung im Auto bewirken (bis zu 5 dB(A) gemäß eigener Messungen). Der dabei eingeschaltete Scheibenwischer unterstützt die hierdurch bedingte Senkung der Bemerkbarkeitsschwelle zusätzlich. Verkehrsgeräusche behindern ebenfalls die akustischen Wahrnehmungsmöglichkeiten, da sie, z. B. in der Nähe einer Baustelle (Kompressorlärm) schon im Außenbereich das Kollisionsgeräusch überdecken können. Beim Übergang ins Innere des Fahrzeugs kommt der heutzutage in sehr vielen Fahrzeugen verbauten Klimaanlage (Lüftergeräusche) und dem Autoradio eine große wahrnehmungsspezifische Wirkung zu. Gerade die Einstellung der Radiolautstärke und die Art der Radiosendung (Wortsendung, Hörspiele …) beeinflussen die Wahrnehmungsmöglichkeiten enorm, da gerade bei Wortsendungen der Anteil tiefer Frequenzen überdurchschnittlich groß ist. Die in den modernen Kfz verbauten Musikanlagen setzen vorwiegend auf optimale Beschallung des Fahrzeuginnenraumes (so genannte Surround-Systeme). Das dadurch entstehende, hohe räumliche Klangniveau erschwert die sichere Richtungszuordnung von akustischen Signalen eines erfolgten Bagatellunfalls enorm. In einer Reihe von Versuchen konnte hier im Übrigen festgestellt werden, dass eine Radiosendung etc. durchschnittlich um 3 bis 6 dB(A) lauter als das lauteste vorkommende Geräusch im Pkw-Inneren eingestellt wird. Hinein spielt auch eine etwaige Insassenunterhaltung eine Rolle, die natürlich die Reizschwelle der akustischen Wahrnehmungsschwelle erhöht. Wenngleich bei Frequenz- „Maskierungsmöglichkeiten“ zu beachten ist, dass hohe leise Töne durch tiefe laute Töne verdeckt werden können, umgekehrt aber tiefe leise Töne nicht durch hohe laute Töne, ist stets zu berücksichtigen, dass bei modernen Fahrzeugen nicht selten bei Einschalten der Zündung das Autoradio nebst Klimaanlage aktiviert wird, wodurch im Fahrzeuginneren ein sehr hoher Geräuschpegel auftritt. Unnötig zu erwähnen ist, dass sich viele Parkplatzkollisionen dann ereignen, wenn sich der Unfallverursacher (z. B. vom erledigten Einkauf zurückkehrend) in das auf dem Parkplatz stehende, entweder ausgekühlte oder aufgeheizte Kfz begibt und alsbald durch Einschalten der Klimaanlage eine behagliche Atmosphäre im Fahrzeug herzustellen versucht wird. Es ist also eher selten der Fall, dass der Innenraum wohl temperiert und leise ist und man sich nur noch auf das Kollisionsgeräusch zu konzentrieren hat, das natürlich umso besser wahrgenommen wird, wenn auch der „visuelle Eindruck stimmt“.
4.2 Akustische Wahrnehmung
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Auch an dieser Stelle sei auf die Vielzahl der Einflussfaktoren hinsichtlich der akustischen Wahrnehmbarkeit von HOLTKÖTTER [H2] hingewiesen, Diagramm 4-4. Dort steht wiederum in der Mitte die akustische Wahrnehmbarkeit und umliegend diverse Ebenen und Einflusselemente. Diese Übersicht führt noch einmal vor Augen, dass die vom Fahrzeug verursachten Geräusche, die nicht nur vom Typ bzw. von dessen Zustand, sondern auch vom Betriebszustand (Drehzahl, Kupplung, …) abhängig sind, in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind.
Diagramm 4-4 Einflussfaktoren auf die akustische Wahrnehmung [H2]
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
Auf der anderen Seite sind neben der maßgeblich beeinflussenden (subjektiv eingestellten) Musikanlage auch die Lüftereinstellung (eventuell Klimaautomatik), eine eventuelle Unterhaltung, Klappergeräusche … zu nennen, die allein für sich betrachtet nicht unbedingt geeignet sind, ein Kollisionsgeräusch zu überdecken; in ihrer Summe aber eine erhebliche Reduktion der Wahrnehmbarkeit zur Folge haben. Entscheidend ist dabei auch die Geräuschform, d. h. die Frequenz, Amplitude, Zeitstruktur und der Übertragungsweg, also Luft- oder Körperschall der Stör- wie auch der Kollisionsgeräusche. Die Einstufung der Lautstärke von Kollisionsgeräuschen gestaltet sich eher schwierig, da die aus den Fahrzeugschäden eventuell noch ablesbare Kollisionsgeschwindigkeit hierzu nicht direkt proportional ist. Bei quasistatischen Krafteinwirkungen z. B. entstehen insgesamt nur geringe Lautstärken – erst am Ende des Kontaktes kann dann ein tieffrequentes Geräusch durch eine elastische Rückverformung einer z. B. hochelastischen Kunststoff-Stoßstangenecke entstehen. Dann, wenn karosseriegebundene Bauteile des stoßenden Kfz mitbeaufschlagt werden (z. B. Fahrzeugrad, Außenspiegel …), kann es zur Körperschallübertragung kommen, mit dann deutlich geringeren Lautstärkepegelabnahmen als im Falle der Luftschallweiterleitung. Wie schon bei der visuellen Wahrnehmbarkeit nimmt (gemäß Diagramm 4-4) auch hier nach außen hin die Bedeutung der Parameter ab, wenngleich man sie deswegen aber nicht außer Acht lassen darf. Ähnlich wie bei der optischen Wahrnehmbarkeit hängt also die Frage des Hörens eines Kollisionsgeräusches maßgeblich von sehr vielen Parametern ab, die sie letztendlich zu einer eher „unsicheren“ Wahrnehmungsform werden lässt, was aber nicht bedeuten soll, dass sie unter gewissen Umständen nicht auch bejaht werden muss. Man hat sich aber schon umfänglichst mit den Randbedingungen der Unfallszene auseinanderzusetzen, um dem nicht unerheblichen Vorwurf der Unfallflucht gerecht zu werden.
4.3 Wahrnehmbarkeit kollisionsbedingter Verzögerungen (taktil) Als Schlagwort, die Fühl- oder Spürbarkeit einer Kollision bezeichnend, liest man oftmals den Fachbegriff der „taktilen“ Registrierung von Anstößen. Die taktile Wahrnehmung bedingt die Registrierung von entsprechenden Reizen durch (die in der Haut liegenden) „Mechanorezeptoren“. Sie umfassen alle Sensoren, die in der Haut des Menschen für eine Reizwahrnehmung verantwortlich sind. Dadurch ist sofort eine Abgrenzung zu anderen Sinnesorganen, die sich z. B. im Kopf befinden (Sehen, Hören, Gleichgewichtssinn), gegeben. Die menschliche Haut besitzt verschiedene Arten von Mechanorezeptoren, die hier nicht gesondert vorgestellt werden sollen. Es sei nur soviel erwähnt, dass sie sich durch ein unterschiedliches Empfindungsverhalten auszeichnen. Unter Laborbedingungen reichen selbst geringste Hauteindruck- oder Verformungstiefen, um eine Berührung fühlbar werden zu lassen. Die Dichte der vorgenannten Sensoren ist insbesondere an den Händen, den Fingern und auch der Fußsohle besonders hoch. Hier ist der Begriff der so genannten simultanen Raumschwelle einzuführen, der besagt, wie weit zwei Hautreizungen (Belastungen durch einen z. B. geöffneten Zirkel) auseinander liegen dürfen, damit sie noch als zwei Sinnesempfindungen registriert werden.
4.3 Wahrnehmbarkeit kollisionsbedingter Verzögerungen (taktil)
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Während die Öffnungsweite des Zirkels an den Tastorganen, also z. B. der Zeigefingerspitze, nur sehr klein zu sein braucht (hier ca. 3 mm), nimmt sie in Bereichen, die nicht zum Tasten benutzt werden, um ein Vielfaches höhere Werte an (z. B. am Rücken um den Faktor 30). Zu erwähnen ist noch, dass z. B. behaarte Körperregionen, wie Arme oder Beine mit zusätzlichen Sensoren ausgestattet sind, die ebenfalls durchaus geringe Ansprechschwellen besitzen. Auch werden taktile Reize von Personen individuell unterschiedlich empfunden. Dies konnte von Sinnesphysiologen in Versuchen, in denen die Abhängigkeit der Druckempfindung von der Reizstärke bestimmt wurde, belegt werden. Untersuchungen von Schmidt [S1] zeigten nämlich, dass bei experimentell erzeugten Drücken gleicher Stärke (auf die Probandenhaut) Abweichungen in der Intensitätszuordnung von bis zu 60 % vorkamen. Bei der Beurteilung der taktilen Registrierung ist also stets das individuelle Reizempfinden des Einzelnen zu betrachten. Der Unfallverursacher sitzt aber nicht in dem Labor eines Sinnesphysiologen sondern in einem „unruhigen“ System, also seinem Pkw, der im Fahrbetrieb z. B. durch Unebenheiten der Fahrbahn noch zusätzlich „schwingungstechnisch“ belastet wird. Auf der anderen Seite kann der Insasse (oder die Mitinsassen) natürlich auch durch z. B. eigene Bewegungen (um eine sichere Fahrzeugführung zu gewährleisten) Schwingungen auf das Kfz oder zumindest auf seinen Sitz ausüben, die dann wiederum Einfluss auf die Wahrnehmbarkeit einer Kollision in Form von Verwechslungs- oder Verdeckungsmöglichkeiten haben können. Die taktile Wahrnehmbarkeit erfordert also eine ähnliche Betrachtungsweise wie die akustische, da die durch eine Kollision ausgelösten Schwingungen aus einem riesigen Konglomerat von Betriebsschwingungen signifikant herausstehen müssen, um überhaupt registriert zu werden. Ein Kfz wird in der Fahrzeugdynamik als Schwingungssystem betrachtet, das aus Massen, Federn und auch Dämpfungselementen zusammengesetzt ist. Um eine aussagekräftige Beurteilung des Schwingungsverhaltens im Kollisionsablauf zu erhalten, wären alle miteinander in Verbindung stehenden Schwingungssysteme zzgl. äußerer Beeinflussungen (Fahrbahnunebenheiten z. B.) in einer aufwendigen Berechnung zu vereinen, um die Frage der auf den Insassen wirkenden Schwingungsanteile zuverlässig beurteilen zu können. Solche Rechenkapazitäten stehen dem Unfallanalytiker nicht zur Verfügung und würden den Sinn einer Begutachtung auch ad absurdum führen. Eine theoretische Betrachtung der durch Bagatellunfälle entstehenden Schwingungen gestaltet sich also viel zu schwierig und ist mithin für den forensisch tätigen Gutachter ein ungeeignetes Instrument. Analog zur Übertragung des Körperschalls werden Schwingungen, so auch solche, die durch ein Unfallgeschehen erzeugt wurden, bis in den Innenraum der Fahrgastzelle übertragen. Die Einwirkung auf den Fahrer erfolgt über die Kontaktstellen zwischen ihm und dem Fahrzeug. Sie liegen üblicherweise im Bereich folgender Fahrzeug-Mensch-Konstellationen: x x x x
Pedal-Fuß Sitz-Gesäß Lenkrad-Handinnenflächen Lehne-Rücken.
Diese unterschiedlichen Kombinationen führen beim Insassen zu einem mehraxialen Schwingungszustand. Es ist nicht nur die Intensität der Kfz-Schwingung bedeutsam, sondern auch die Frequenz, ist ja auch der Mensch ein schwingungsfähiger Körper. Autofahren ist mithin kein
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
eindimensionaler Vorgang; vielmehr werden die unterschiedlichsten Schwingungen, translatorischer wie rotatorischer Art, aufgenommen. Die an den oben genannten Kontaktstellen auftretenden Schwingungen werden nicht im gleichen Wahrnehmungsbereich registriert, da letztlich die Reizschwellen und die Anzahl der Rezeptoren „am Menschen“ viel zu unterschiedlich sind. Zurückgreifend auf die oben genannte letzte Kontaktstelle, ist anzumerken, dass natürlich dem Sitzkomfort eine nicht unerhebliche Rolle zukommt. Nimmt man hier z. B. einen Lkw-Fahrer, der in der Regel auf einem luftgefederten Sitz „thront“, so zeigt sich schon, wie stark Fahrersitze schwingungstechnisch von der Gesamtkarosserie entkoppelt sein können. Auch ist es in der Regel so, dass der Fahrzeugführer bekleidet fährt, d. h. auch den Dämpfungseigenschaften seiner Oberbekleidung ausgesetzt ist. Wird z. B. ein Fahrzeug vom Fahrer „in einem dicken Wintermantel“ gelenkt, so ist ein Kollisionsgeschehen taktil natürlich deutlich schlechter wahrnehmbar, als wenn man „leicht“ bekleidet wäre. Ähnlich gestaltet es sich bei den ersten beiden Kontaktstellen, nämlich zwischen Pedale und Fuß sowie zwischen Sitz und Gesäß, sind auch hier stets dämpfende Materialien beim Betrieb eines Kfz anzutreffen, sei es im Extremfall der hochgedämpfte Joggingschuh oder die wattierte Thermohose auf sitzerhöhendem Kissen. Eigentlich besitzt nur die Hand bzw. deren Innenflächen direkten Kontakt mit einem mehr oder minder fest mit der Karosserie verbundenen Bauteil, nämlich dem Lenkrad. War das Lenkrad in älteren Kfz so z. B. einem alten VW-Käfer, noch aus unnachgiebigen, harten Materialien gefertigt, so sind heutzutage die Lenksäulen selbst schon gedämpft und im Übrigen die Lenkräder merklich stärker gepolstert. Nicht selten befinden sich im Griffbereich der Hand, also am Lenkrad diverse Taster und Schalter (Multifunktionslenkrad), z. B. für die Einstellung des Radioprogramms etc., die dann auch bedient werden (stetige Anregung der „Handinnensensoren"). Im Zuge von Rangiermanövern wird das Lenkrad nicht konstant fest in den Händen gehalten, sondern ständige Umgreifbewegungen werden vollzogen, die zu einer steten Reizung der (insoweit für die taktile Wahrnehmbarkeit empfindlichen) Sensoren führen. All dies zusammengenommen demonstriert, dass auch die taktile Wahrnehmungsform einer erheblichen Fülle von Einflussfaktoren ausgesetzt ist, wie das Diagramm 4-5 (HOLTKÖTTER [H2]) zeigt. Die den Unfall betreffenden Elemente „münden“ nach außen in (4. Ebene) kollisionsmechanische Begriffe, wie Kollisionsdauer, Ruck, Anstoßwinkel etc. Da dem Gutachter aber „nur“ die Schadensbilder zur Verfügung stehen und man diesen z. B. nicht die sehr wesentliche Kollisionsdauer ansieht, ist selbst die Prüfung einer eventuell taktilen Wahrnehmbarkeit ohne geeignete, gut dokumentierte Crash-Versuche unmöglich. Die Quintessenz also ist, dass, ebenso wie bei der akustischen Wahrnehmbarkeit, die taktile Bemerkbarkeit (für sich alleine genommen) auf eher „wackeligen Füßen“ steht, da die Menge der Einflusselemente zu groß und letztlich nicht so eng fassbar ist, dass in grenzwertigen Fällen eine einigermaßen sichere Beweiskette gelingt.
4.3 Wahrnehmbarkeit kollisionsbedingter Verzögerungen (taktil)
Diagramm 4-5 Einflussparameter auf die taktile Wahrnehmbarkeit
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
4.4 Fühl-/Spürbarkeit von Leichtkollisionen Die beweissicherste Wahrnehmungsform wird über das so genannte Vestibularorgan erreicht, das im Innenohr des Menschen sitzt. Es registriert Beschleunigungen (respektive Verzögerungen), sofern sich diese schnell einstellen bzw. gleichermaßen wieder abbauen. Oftmals wird auch von der so genannten kinästhetischen Wahrnehmung gesprochen, die die Aufnahme von entsprechenden Reizen durch den Gleichgewichtssinn bzw. die Bewegungswahrnehmung beinhaltet. Hier gehen die Meinungen bzgl. der Begriffsbildungen in der „Sachverständigenwelt“ bisweilen recht weit auseinander, sodass im Weiteren diese Fachbegriffe nicht überstrapaziert werden sollen, sondern vereinfachend als Fühl-/Spürbarkeit der Kollision benannt werden. Es ist auch verzichtbar, den genauen Aufbau des Vestibularapparates im menschlichen Innenohr vorzustellen, es kommt im Wesentlichen darauf an, was damit letztlich registriert werden kann. Es sei schon hier erwähnt, dass jenes Gleichgewichtsorgan im Innenohr, also der Vestibularapparat, einer erwiesen geringeren Anzahl von beeinflussenden Faktoren ausgesetzt ist, wie alle drei vorangegangenen Wahrnehmungsquellen. Dem Diagramm 4-6 kann schon im Vergleich zu den weiter oben genannten Flussdiagrammen unmissverständlich der geringere (äußere) Parameterumfang entnommen werden. So nehmen hier erkennbar quasi nur die von einer Kollision verursachten Änderungen nennenswerten Einfluss. Effekte wie Insassenbewegungen oder die durch den Betriebszustand des Kfz hervorgerufenen Schwingungen sind vernachlässigbar. Allerdings kann auch diese Wahrnehmungsform durch Alkoholkonsum, Drogeneinnahme, usw. beeinflusst werden. Selbstverständlich kommt es bei der Beurteilung der kinästhetischen oder vestibulären Wahrnehmbarkeit auf die Kollisionseigenschaften, wie die Geschwindigkeitsänderung (positiv oder negativ) an. Die Insassenbewegung spielt eine Rolle, wie auch die kollisionsunabhängige Fahrzeugreaktion, sei es durch gewolltes Abbremsen oder Gasgeben. Auch das Fahrzeug selbst, also dessen Fahrwerk, Antrieb etc. ist bedeutsam, was im Einzelfall zu berücksichtigen ist. Es liegt auf der Hand, dass in einem (aufgrund erheblichen Fahrzeugalters) verschlissenen Fahrwerk die Fühlbarkeit eines Unfallgeschehens deutlich schwieriger ist, als in einem baugleichen, quasi neuwertigen Kfz, mit straffem Fahrwerk. Generell kann aber gesagt werden, dass man es hier mit der sichersten Form der Wahrnehmung von Leichtkollisionen zu tun hat, da es insgesamt nur wenige Verdeckungseigenschaften gibt. Die im Innenohr befindlichen Rezeptoren besitzen eine recht niedrige Ansprechschwelle. In Laborversuchen wurden Werte von 0,02 bis 0,2 m/s2 für die ebene Bewegungsrichtung (vorwärts/rückwärts/seitwärts) bestimmt – in vertikaler Richtung waren es gar nur 0,04 bis 0,12 m/s2. Diese Werte sind also nicht als Wahrnehmungsschwellen für den realen Unfall anzusehen (da Laborwerte), zeigen aber die Empfindlichkeit dieses Sinnesorgans. Zur Begriffsbestimmung ist abschließend noch zu sagen, dass sich die kinästhetische Wahrnehmbarkeit zusammensetzt aus dem Lage-, Kraft- und Bewegungssinn, also quasi eine Eigenwahrnehmung des Körpers darstellt. Sie ist eng verwandt mit der vestibulären Wahrnehmung, durch die Lageveränderungen und Lagewechsel des Körpers bzw. auch Rotationen registriert werden.
4.4 Fühl-/Spürbarkeit von Leichtkollisionen
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Diagramm 4-6 Einflussfaktoren auf die vestibular-kinästhetische Wahrnehmbarkeit [H2]
Diese Wahrnehmungsform bedingt also das Registrieren irgendeiner Veränderung der Körperlage.
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4 Grundsätzliches zur Wahrnehmbarkeit
Ist sie als gesichert anzusehen, so bedeutet das aber noch nicht, dass diesem Reiz nun auch zwingend eine Kollision zugeordnet wird. Man muss sich daher Gedanken darüber machen, welche technisch relevanten Parameter vorliegen müssen, um letztgenannte, entscheidende Überzeugung für einen akuten Parkplatzunfall zu gewinnen. Es ist nur logisch, dass man sich bei der Beantwortung der oftmals seitens der Ermittlungsbehörde gestellten Frage, ob das Unfallgeschehen für den Beschuldigten wahrnehmbar gewesen sein muss, vornehmlich mit dieser Form der Registrierung auseinanderzusetzen hat. Vom Vestibulärapparat werden letztlich die durch die Kollision verursachten Nick- und Wankbewegungen, die beim Kfz typischerweise mit 1 Hz erfolgen, wahrgenommen. Daher sind Verdeckungseffekte wie durch Bewegungen des Kopfes oder Umdrehen insgesamt unwahrscheinlich.
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5
Bisherige, versuchsorientierte Veröffentlichungen
5.1 Wesentliche Parameter Als Standardwerke, letztgenannte Problematik betreffend, haben sich die Arbeiten von WELTHER [W1] (Anfang der 1980er Jahre) und von WOLFF [W2] (Anfang der 1990er Jahre) herauskristallisiert. In letztgenannter Veröffentlichung beschäftigte sich der Verfasser mit den kollisionsbedingten und kollisionsunabhängigen Fahrzeugverzögerungen aus Fahrversuchen. Diese wurden messtechnisch erfasst und in ihrem zeitlichen Verlauf analysiert. Es wurde hieraus ein Kriterium für die so genannte sichere Wahrnehmbarkeit von Fahrzeugverzögerungen bzw. Geschwindigkeitsänderungen im unfallverursachenden Fahrzeug entwickelt. Im Grunde genommen wurde erstmals so etwas wie eine praxisnahe „Wahrnehmbarkeitsschwelle“ definiert. Das Maß der Dinge, also die Frage der Fühlbarkeit von mit Kollisionen einhergehenden Fahrzeugverlangsamungen oder Beschleunigungen hängt nämlich nicht nur von der Höhe des Maximalwertes der Verlangsamung, sondern insbesondere vom zeitlichen Anstieg des Signals ab. Es leuchtet ein, dass eine stark streifende Kollision, die in der Regel eine lange Berührstrecke zweier Kfz bedingt, auch zeitlich ausgedehnt ist. Selbst wenn es hier zu einer deutlichen Fahrzeugverlangsamung des unfallverursachenden Kfz kommt, so ist doch das Zeitfenster, bis dessen Maximalwert erreicht wird, recht groß. Anders verhält es sich bei teilelastischen Kollisionen, beispielsweise einem Auffahrunfall, bei dem in der Regel hohe Verzögerungswerte in relativ kurzen Anstiegszeiten auftreten. Erstgenannte Streifkollision bezeichnet man daher als weichen „Stoß“, letztgenanntes eher kurzes Kollisionsgeschehen erzeugt einen harten „Ruck“. WOLFF führte eine Vielzahl von praktischen Fahrversuchen durch, bei denen Probanden (in einem Kfz) Fahrzeugverzögerungen im Kfz-Fahrbetrieb zu registrieren hatten. Unterschieden wurde dabei zwischen Versuchen abgelenkter Probanden (Ablenkung z. B. durch ein Videospiel) und solchen, die es nicht waren. Es wurden also keine realen Kollisionen gefahren – auch wurde im Versuchsablauf nicht geprüft, ob es „Verdeckungserscheinungen“ gab, die neben einem gewissen Ablenkungsgrad das Wahrnehmungsvermögen zusätzlich beeinträchtigen können. Hiezu wurden eigens Versuchsfahrten durchgeführt, um diesen Einfluss empirisch einstufen zu können. Leicht nachvollziehbar kam er zu dem Ergebnis, dass geringere Verzögerungssignale dann wahrgenommen werden, wenn der Proband nicht abgelenkt war. So lag die Wahrnehmungswahrscheinlichkeit bei einem Verzögerungssignal von 0,4 m/s² schon bei etwa 40 %. Genau diesen Sachverhalt trifft man an, wenn man im „Selbstversuch“ die Intensität des Kollisionsrucks zu beurteilen versucht. Es liegt auf der Hand, dass man bei konzentrierter Aufmerksamkeit schon leichte Veränderungen im Bewegungsverhalten des Pkw registriert – ein im alltäglichen Verkehrsgeschehen allerdings eher selten anzutreffender Vorgang. Im umgekehrten Fall, nämlich bei abgelenkten Probanden und einem sehr langsamen Signalanstieg, wurden selbst Verzögerungen von bis zu 3,5 m/s² nicht (sicher) registriert.
K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1_5, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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5 Bisherige, versuchsorientierte Veröffentlichungen
Beschleunigung - Anstiegszeit 6
Verzögerung [m/s²]
5 4 Grenzlinie nach Wolff
3 2 1 0 0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,2
Anstiegszeit t [s]
Diagramm 5-1 „Wahrnehmbarkeitsgrenze“ nach WOLFF
Das Diagramm 5-1 zeigt eben jene Abhängigkeit zwischen der so genannten Anstiegszeit (also dem Zeitfenster zwischen dem Beginn der Verzögerung und dem Erreichen des Spitzenwertes) sowie dem Maximalwert der Verzögerung/Beschleunigung selbst. Die Einheit dort ist mg, wobei 100 mg etwa 1 m/s² entsprechen. Genau genommen stellt die Grenzlinie im Diagramm nicht die eigentliche Wahrnehmbarkeitsschwelle dar – vielmehr ist es das, für diesen Versuchsaufbau „worst-case“–Limit, ab dem keinem Probanden der Versuchsreihe ein induziertes Verzögerungssignal mehr entging. Man würde es sich aber zu einfach machen, allein diesen grafischen Zusammenhang als ultimatives „Maß der Dinge“ heranzuziehen, besagt er doch lediglich, dass etwas gespürt oder gefühlt wurde, wobei noch nicht geklärt ist, ob es sich auch tatsächlich um ein Kollisionsgeschehen handelt. Diese Registrierung wird maßgeblich vom Kollisionscharakter beeinflusst. Es leuchtet ein, dass ein kurzzeitiger, harter Fahrzeug/Fahrzeug- Kontakt viel weniger in das „Verwechselungsspektrum“ einer gewollten Pkw-Bremsung hineinpasst, werden harte, kurze Bremsungen in aller Regel in Gefahrensituationen induziert – also anlässlich eines Ereignisses, dem eine erkannte oder bemerkte Gefahr vorausging. In seiner weiteren Ausarbeitung entwickelte WOLFF auch eine Abhängigkeit zwischen der Wahrnehmbarkeit des Verzögerungs- oder Beschleunigungssignals und dem so genannten „Ruck“. Mit dem hierüber kreierten „Beschleunigungs-Ruckkriterium (BRK)“ war eine weitere Beurteilungsgröße gefunden, wenngleich man hier nochmals anführen muss, dass sich die Ergebnisse auf reine Fahrvorgänge beziehen.
5.1 Wesentliche Parameter
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Diagramm 5-2 BRK nach WOLFF
Hier ist anstelle der Anstiegszeit in [s] der Ruck in [mg/s] aufgetragen. Er definiert sich als Quotient aus der Beschleunigung (Verzögerung) a in [m/s2] und der Anstiegszeit t in [s]. Sämtliche Versuchswerte fanden auch in diesem Diagramm Einzug – die Grenzkurve verläuft hier nicht mehr linear und kann mathematisch wie folgt beschrieben werden: agrenz =
C Ruck Ruck B
mit B = 378 und
C = 97
Viel praktikabler ist nach Autorenansicht aber das weiter oben abgebildete Diagramm mit den Parametern Anstiegszeit und Beschleunigung, da die BRK-Kurve bzw. das BeschleunigungsRuckkriterium im Grunde genommen eher eine weniger übersichtliche Weiterentwicklung erstgenannter Korrelation ist. Zum insoweit „praktikableren“ Diagramm 5-1 ist auszuführen, dass dort ausschließlich alle nicht wahrgenommenen Versuche beachtet wurden, was bedeutet, dass natürlich unterhalb der (als Gerade eingezeichneten) so genannten „Grenzkurve“ auch Versuchswerte lagen, die vom Probanden sicher registriert wurden. Diese sind aber im Rahmen der Ermittlungstätigkeit (im Sinne: in dubio pro reo) wohl weniger interessant, da aufseiten der Verteidigung niemand behaupten wird, seine Mandantschaft gehöre zu dieser sensiblen Gruppe. Liest man beispielsweise für eine teilelastische, harte Kollision, die bei einem stumpfwinkeligen Auffahrunfall eine Anstiegszeit von etwa gut 0,1 Sekunde nach sich zieht, einen zur Registrierung der Beschleunigung bzw. Verzögerung notwendigen Spitzenwert von etwa 130 mg ab, so ist bei einer schrägwinkeligeren Fahrzeugkontaktierung (mit einer dann relevanten Anstiegszeit von 0,3 Sekunden) ein Wert von bereits ca. 200 mg (bzw. 2 m/s²) für die Registrierung der Verzögerung oder Beschleunigung notwendig.
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5 Bisherige, versuchsorientierte Veröffentlichungen
WOLFF leistete letztlich mit seiner im Jahre 1992 abgefassten Untersuchung quasi eine Pionierstudie in Sachen Beurteilung von Unfallfluchtdelikten. Nachdem mehr als eineinhalb Jahrzehnte nur relativ wenig neue Erkenntnisse auf diesem unfallanalytisch wesentlichen Sektor veröffentlicht wurden, haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, zunächst im Rahmen von realen Unfallversuchen mit (insoweit) abgelenkten Probanden die so genannte Wahrnehmungsschwelle bzw. die Grenzkurve nach WOLFF zu prüfen bzw. auch nach Durchführung von realen Unfallgeschehen ggf. zu korrigieren. Hierzu erschien aus unserem Hause vor nicht allzu langer Zeit eine Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik“ [S3]. Daraufhin gab es eine Korrespondenz mit H. Dr. Wolff, in der er sinngemäß mitteilte, dass die hier gewonnenen Erkenntnisse ggfs. dahingehend zu relativieren seien, dass die Wahrnehmung einer, durch eine Bremsung überlagerten Kollision von einer Person, die das Fahrzeug auch aktiv (selber) führt, deutlich sicherer wäre, als von einem „Mitinsassen“ im Kfz, der zudem durch anderweitige Aufgaben abgelenkt ist. Wenngleich man sich diesem Einwand nicht sofort anzuschließen vermag (der Proband sitzt ja nun einmal im Kfz), wurde er dennoch zum Anlass genommen, den Versuchsaufbau zu optimieren, indem nämlich der Proband fahrzeugführend einer, im Fahrbetrieb von „außen“ induzierten, zusätzlichen Verzögerung ausgesetzt wurde. Hierüber war es möglich, zu bestimmen, welche Bedeutung eine nahe des Kollisionsereignisses vom Fahrzeugführer willentlich eingeleitete Bremsung für die Wahrnehmbarkeit des Unfalles (oder Verzögerungssignals) hat bzw. ob diese dann auch als solche wahrgenommen wird. Letztgenannte Untersuchungen wurden von SCHÖNFELD [S2] sowie von THIEN [T1] (statistische Absicherung durch weitere Versuchswerte) angegangen. Gerade diese neuen Untersuchungen führen zu dem bereits zuvor prognostizierten, erheblichen Einfluss einer etwaigen überlagerten Bremsung zum Zeitpunkt des Kollisionsgeschehens. Dass ein solcher Verzögerungsvorgang seitens des Unfallverursachers nahe des eigentlichen Kollisionsereignisses oder quasi zeitgleich mit ihm eingeleitet wird, ist alles andere als realitätsfern, wenn man das oft nachzulesende Argument beachtet, aufgrund der beengten Parkplatzverhältnisse müsse man doch mit einem Fahrzeugkontakt rechnen. Dann ist es doch wohl so, dass man sein Fahrzeug bewusst verzögert und infolge jener Bewegungsveränderung ein objektiv stattgefundenes Kollisionssignal in der Wahrnehmung entweder abgeschwächt oder gar nicht mehr als solches erkannt wird.
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6
Ergebnisse eigener Studien
6.1 Fühl-/Spürgrenze von verzögerten Fahrzeugbewegungen Die in unserem Büro erstmals betreute Diplomarbeit zur oben genannten Problematik entstand im Jahr 2006. DEEKEN [D1] durchfuhr mit einer Probandengruppe, die optisch wie akustisch von der Außenwelt isoliert war, einen Parcours. Entlang der festgelegten Fahrstrecke fanden insgesamt vier Einzelversuche statt: 1. Bremsversuch – rückwärts gefahren 2. Kollisionsversuch – vorwärts gefahren 3. Bremsversuch – vorwärts gefahren 4. Kollisionsversuch – rückwärts gefahren. Die Versuchsteilnehmer hatten die Aufgabe, das jeweilige Kollisionsereignis möglichst zu registrieren, wobei in Analogie zum Versuchsaufbau von WOLFF der Proband im unfallverursachenden Kfz visuell und akustisch abgeschirmt war. Beim Versuchsfahrzeug handelte es sich um einen VW T4-Doppelkabine (Pritsche). Der Proband nahm hinten rechts im Fahrzeug Platz. Dieser Bereich war vollständig abgeklebt, sodass die Umgebung nicht eingesehen werden konnte. Außerdem hatte er/sie die Aufgabe, einen Videofilm aufmerksam zu verfolgen (aufgesetzte Kopfhörer), da im Anschluss der Versuchsdurchführung ein Fragebogen zur Filmthematik auszufüllen war. Das in den Versuchen eingesetzte Fahrzeug ist in der Abb. 6-1 zu sehen. Dort sieht man den VW T4-Doppelkabiner aus dem Baujahr 1994. Ausgerüstet war er mit einem 2,4 l Dieselmotor – das Leergewicht lag bei 1775 kg.
Abb. 6-1 Versuchsfahrzeug VW T4
K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1_6, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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6 Ergebnisse eigener Studien
Die genauen technischen Daten sind eher belanglos, da ja den Fahrzeugverzögerungen im Realversuch (und der jeweiligen Anstiegszeit) die Hauptbedeutung zukommt. Um die mit der Kollision bzw. den Verzögerungsversuchen auftretenden Signale registrieren zu können, wurde ein Datalogger DL1 der Firma Race Technology im Aufenthaltsbereich des Probanden (nahe der Rücksitzbank) montiert. Das Gerät ist in der Lage, Beschleunigungen (Verzögerungen) sowie Geschwindigkeiten zu messen. Basis für die Registrierung erstgenannter Parameter ist ein integrierter Beschleunigungssensor, der Spitzenwerte bis zu ca. 2g (20 m/s2) verarbeiten kann. Gemessen wird in zweiachsiger Richtung, nämlich im Versuchsablauf in Längs- wie in Querrichtung. Ferner ist das Gerät mit einem GPS-Empfänger gekoppelt, mit dessen Hilfe die KfzPositionsänderungen registriert werden (und in Abhängigkeit der Messzeit auch die Geschwindigkeit). Über eine Schaltbox können analoge Signale in die Messspektren integriert werden, womit es unter anderem möglich ist, das eventuelle „Registrierungssignal“ des Probanden zeitnah aufzuzeichnen. Der vom Datalogger realisierbare, maximale Pegel von 2 g reicht für die Messwertaufbereitung von Leichtkollisionen allemal aus, bewegt man sich hier allenfalls in 25%iger Größenordnung – im Übrigen liegt die Auflösung bei immerhin 0,005 g, was 0,05 m/s2 entspricht. Die Abtastrate beträgt bei diesem Gerät 100 Hz.
Abb. 6-2 Innenraum mit Messinstrumenten
Mit Hilfe dieses Messinstrumentes konnten die bei den Versuchsfahrten auftretenden Verzögerungssignale gespeichert werden. Zeitgleich wurde mittels GPS-Signal dann auch die Fahrtroute festgehalten. Der Proband konnte mit einem Taster das von ihm ggf. wahrgenommene Signal quittieren. Diese Einrichtung lieferte ein „Rechtecksignal“ in der Datalogger-Aufzeichnung, worüber festzustellen war, welches Verzögerungsereignis vom Versuchsfahrer (wann) wahrgenommen wurde.
6.1 Fühl-/Spürgrenze von verzögerten Fahrzeugbewegungen
41
Im Verlaufe der Versuchsdurchführung wurde die Intensität der Abbremsung respektive des stattgefundenen Unfallereignisses langsam gesteigert, um letztlich die Versuchsfahrt mit einer kurzen Verzögerungsanstiegszeit, also einem merklichen Ruck, zu beenden. In dem ersten, rückwärts durchgeführten Bremsversuch traten Verzögerungssignale von 1,1 bis hin zu 3 m/s² auf. Das Diagramm 6-1 zeigt exemplarisch den Verzögerungsverlauf im Rahmen einer solchen Rückwärtsbremsung. Der Einfluss der Querbeschleunigung, also einfach ausgedrückt seitlichen Wankbewegung des Kfz, war dabei vernachlässigbar gering.
Diagramm 6-1 Verzögerungsverlauf einer Rückwärtsbremsung
Wie man der blauen Längsbeschleunigungskurve entnehmen kann, trat in diesem Versuch bei einer (ausgedehnteren) Anstiegszeit von ca. 0,5 s eine Maximalverzögerung von 2,2 m/s² auf. Im Rahmen der Kollisionsversuche traf der oben genannte VW T4 einen Opel Astra F an dessen Seite. Dieser entstammte dem Baujahr 1993 und verfügte über ein Leergewicht von 1025 kg. Das Massenverhältnis der „Kontrahenten“ lag also bei etwa 2:1 (Insassen im T4 beachtend). Es wurden somit im Versuchsablauf auch zwei reale Kollisionen gefahren, die aus einem flüssigen Fahrvorgang resultierten (also zuvor kein Halt des Verursacher-Kfz). Beispielhaft zeigt die Abb. 6-3 die Vorwärtskollision in einer Grafik. Der VW T4 wurde in einer Bogenfahrt streifend an der Opel-Seite entlanggeführt. Es wurden im Rahmen dieses Kollisionsversuches Längsverzögerungen von bis zu 2 m/s² registriert. Der vom Versuchsfahrer eingehaltene Kollisionswinkel schwankte dabei zwischen ca. 15 und 20°. Der Grund dieses flach gewählten Winkels ist die gute Vergleichbarkeit zu realen Unfällen im Rahmen von Ein- und Ausparkvorgängen. Zudem wurde der VW T4 infolge dieses Unfallgeschehens nur vergleichsweise gering belastet, sodass eine Fülle von Kollisionsversuchen, ohne dass sich die Fahrzeugstruktur nennenswert änderte (bzw. beschädigt wurde), gefahren werden konnte.
42
6 Ergebnisse eigener Studien
Über „Peilhilfen“ (Pylone) in Kollisionsortnähe wurden die Versuche mit einer recht großen Präzision in puncto Anstoßwinkel, Erstkontaktpunkt und Kollisionsdauer wiederholt.
Abb. 6-3 Vorwärtskollision (Prinzipskizze)
In der nachfolgenden Bildreihe sind einige Momentaufnahmen des Unfallablaufes (in der Draufsicht) zu sehen. Unschwer erkennt man, dass im 5. Momentanfoto (Foto E) der Transporter mit der Karosseriefläche, oberhalb des Stoßfängers gelegen, fast an der Fondinsassentür des gegnerischen Opel Astra anliegt – hier ist (für diesen Versuch) die maximale Eindringtiefe erzielt worden. In den dann nachfolgenden Abbildungen lösen sich die Kfz wieder voneinander. Hier ist der VW T4 im Übrigen der wenig nachgiebigen B-Säule des Opel Astra nahe – ein Kontaktpunkt, mit dem per se viele Fachleute eine „harte Kollision“ und dann vorschnell auch eine sichere „taktile Wahrnehmbarkeit“ verknüpfen. Selbige wurde dann auch in den Versuchsfahrten regelmäßig überquert – mit dem Ergebnis eines längst nicht immer wahrgenommenen „Kollisionsereignisses“. Die oben genannte Reihenfolge der vier Einzelereignisse wurde strikt eingehalten – nach dem 1. Vorwärtskollisionsversuch gab es nachfolgend eine reine Abbremsung, bevor dann abschließend ein weiterer, jetzt aber rückwärts gefahrener Crash durchgeführt wurde. Wie man erkennt, wurde nach Stillstand dieses Kfz aus der Vorwärtsbremsung die Rückwärtsfahrt eingeleitet und dann im Rahmen einer S-Bogenlinie der wiederum seitlich abgestellte Opel Astra getroffen. Bei dieser 2. Kollision wurden vom Versuchsfahrer Winkel von ca. 10 bis 15° eingehalten. Auch hier wurde stets die B-Säule überfahren, mit bereits oben genanntem Resultat. Zu erwähnen ist noch, dass nach jeweils ca. 10 durchgeführten Versuchen die vordere Halterung des VW-Stoßfängers gebrochen war, worauf die nachfolgende Versuchsreihe seitenverkehrt (also dann mit der vorderen linken VW-Ecke) gefahren wurde.
6.1 Fühl-/Spürgrenze von verzögerten Fahrzeugbewegungen
A
B
C
D
E
F
G
H
Abb. 6-4 Videostandbilder der „Vorwärtskollision“
43
44
6 Ergebnisse eigener Studien
Abb. 6-5 Rückwärtskollision (Prinzipskizze)
Im Anschluss an die Versuchsreihe hatte der Proband einen Fragebogen auszufüllen, in dem es um das persönliche Befinden, die wahrgenommenen Eindrücke und insbesondere auch um den Inhalt der gezeigten Videosequenz ging. Interessanterweise wurde längst nicht von allen Probanden der Inhalt der gezeigten Videosequenz auch nur einigermaßen korrekt wiedergegeben, was beweist, dass die Ablenkung nicht in der „gewünschten Intensität“ erreicht wurde. Es wäre angesichts dieses Umstandes zu erwarten gewesen, dass gerade diese offensichtlich „konzentrierten“ Probanden sämtliche Versuche wahrgenommen hätten, was allerdings nicht der Fall war. Wenngleich man jetzt argumentieren kann, dass diese optische und akustische Abgeschirmtheit (wie schon bei WOLFF) praxisfern ist, so sei daran erinnert, dass man sich – sofern gewollt – aller Ablenkungen im Versuchsablauf entledigen kann, also dem Videoprogramm weder zusehend noch zuhörend. Dann kann man sich als Versuchsperson vollends auf den Fühl-/Spürsinn konzentrieren und wäre nunmehr in einer wahrnehmungsspezifisch besseren Lage als ein Pkw-Lenker, der allen möglichen äußeren Einflüssen ausgesetzt ist. So schien es in Anbetracht der oben genannten Fragebogenresultate bzgl. der Videosequenz bei diversen Versuchspersonen auch gewesen zu sein. Bevor auf die eigentlichen Versuchsergebnisse dieser 1. Untersuchung eingegangen wird, seien vorab noch die in den Kollisionsgeschehen entstandenen Beschädigungen kurz vorgestellt, exemplarisch nachfolgende Abbildungen. Wie man sieht, ist an der vorderen rechten VW T4-Ecke nicht nur der seitlich umlaufende Stoßstangenschenkel fehlgestellt, sondern auch das Blinkerglas gebrochen und die Karosseriestruktur darunter oberflächlich verschürft/verkratzt. Demzufolge kam es auch zum „Impulsaustausch“ mit dem „Blechkleid“ des Versuchsfahrzeuges, was eigentlich bedeuten müsste, dass die kollisionsbedingte Geräuschentwicklung merkbar höher liegen müsste als bei einem alleinigen Stoßfängerkontakt. Im vorliegenden Fall kam es mithin also zu teilweisen Körperschallweiterleitungen – eben über die umliegenden Karosseriepunkte. Die Lautstärkepegelmessungen ließen hier aber keinen signifikanten Unterschied zu Versuchen mit alleiniger Stoßfängerbeteiligung erkennen.
6.1 Fühl-/Spürgrenze von verzögerten Fahrzeugbewegungen
45
Abb. 6-6 Beschädigungen am Versuchsfahrzeug VW T4
Abb. 6-7 Beschädigungen am Versuchsfahrzeug Opel
Der seitlich belastete Opel Astra erlitt diverse Streif-, Schürf- und auch Deformationsspuren. Diese führten alle über die insoweit formsteifen Fahrzeugsäulen hinweg. Dort waren bei nachträglicher Türöffnung geringe Belastungsspuren in Form von Lackschäden festzustellen, wurde der Türkörper über den elastischen Anteil in den Gummidichtungen hinaus nach innen gedrückt. Der nach einem solchen Vorfall tätig werdende Schadensgutachter würde also auch Instandsetzungsarbeiten an der struktursteifen Karosseriesäule kalkulieren, die für den technisch weniger „Versierten“ den Eindruck eines kräftigen Kollisionsereignisses vermitteln. Es ist also mitnichten so, dass das Überwinden von Fahrzeugsäulen unbedingt hohe Erschütterungen im unfallverursachenden Kfz bewirkt.
46
6 Ergebnisse eigener Studien
Abb. 6-8 Eindringtiefe im Türbereich rund um die B-Säule
Dass es bei diesen Unfallversuchen nicht nur zu leichten Wechselwirkungen kam, lässt sich anhand der nachstehenden Filmsequenz unmissverständlich nachvollziehen. Sie entstammt einer der vielen Vorwärtskollisionen unter oben genanntem flachen Berührungswinkel.
a)
b)
c)
d)
Abb. 6-9 Videosequenz einer Vowärtskollision
6.1 Fühl-/Spürgrenze von verzögerten Fahrzeugbewegungen
Diagramm 6-2 Dataloggersignal einer realen Kollision
47
48
6 Ergebnisse eigener Studien
Deutlich zu erkennen sind die nicht unerheblichen Wankbewegungen, die insbesondere der deutlich leichtere Opel im Zuge der Streifberührung ausführte. In der Abb. 6-9 (Bild b und c dieser Filmsequenz) ist die starke Neigung des Opel in Richtung Fahrerseite deutlichst zu sehen. Stellt man sich hier einmal vor, man säße als Zeuge in einem geparkten Pkw in der gegenüberliegenden Parkbox, so muss man zur Erkenntnis gelangen, dass der angestoßene Pkw „ganz ordentlich gewackelt“ hat. Vorschnell wird hieraus nicht selten der Schluss gezogen, das hätte der Unfallverursacher auch sehen müssen. Das vom Datalogger registrierte Signal eines kompletten Versuchsablaufes ist dem Diagramm 6-2 zu entnehmen. Die schwarze „Zickzackkurve“ beschreibt das Längsverzögerungssignal im Aufenthaltsbereich des Probanden. Die in den Signalverlauf induzierten Analogsignale geben die eigentlichen Versuche wieder, nämlich rot die Bremsungen und grün die Kollisionen. Vom Probanden wurde, sofern das Ereignis wahrgenommen wurde, der Taster betätigt, der dann das blaue Rechtecksignal erzeugte, gestrecktes Diagramm 6-3.
Diagramm 6-3 Dataloggeraufzeichnung (gestreckt)
Wie hier zu sehen ist, nahm der Proband das vom Fahrer des VW T4 eingesteuerte Längsverzögerungssignal (Bremsung, da rot unterlegt) zeitlich versetzt (innerhalb der normalen Reaktionszeit) wahr (blaues Rechtecksignal). Die in diesem Versuch gemessene Spitzenverzögerung lag, wie man durch Herüberloten auf die Y-Achse feststellt, bei gut 2 m/s².
6.1 Fühl-/Spürgrenze von verzögerten Fahrzeugbewegungen
49
Die vier relevanten Verzögerungssignale, die im Unfallverlauf entstanden, wurden im Hinblick auf die wichtigen Parameter Anstiegszeit und Maximalausschlag analysiert und in eine ExcelTabelle exportiert. Beispielhaft für einen Versuchsteilnehmer (Proband 20) sei das Diagramm 6-4 vorgestellt. Dort ist in Analogie zur Dissertation nach WOLFF auf der X-Achse die Anstiegszeit des Verzögerungssignals und auf der Y-Achse der Maximalbeschleunigungswert aufgetragen. Die dort dargestellte Gerade ist die „Grenzlinie“ nach WOLFF.
Beschleunigung a [m/s²]
Beschleunigung - Anstiegszeit 6
Grenzlinie
5 4
Kollisionsversuch 1 PR20 Kollisionsversuch 2 PR20 Bremsversuch 1 PR20
3 2 1 0 0
0,5
1
1,5
Bremsversuch 2 PR20
Anstiegszeit t [s]
Diagramm 6-4 Versuchswerte Proband 20
Wie man erkennt, liegt der 2. Bremsversuch deutlich oberhalb dieser Grenzlinie, während sich die beiden Kollisionsversuche und die Rückwärtsbremsung in direkter Nähe dieser Geraden befinden. Dieser Proband nahm übrigens alle durchgeführten Versuche wahr (obschon zum Teil unter bzw. nahe der Grenzlinie liegend). Es sei an dieser Stelle aber sogleich angeführt, dass eben diese Versuchsperson, ausweislich seines ausgefüllten Fragebogens, nicht gerade aufmerksam die Videosequenz (zum Zwecke des Ablenkens) verfolgte, womit man ihn – für sich allein genommen – nicht als Beweis für eine sichere Wahrnehmung auch kleinerer Beschleunigungen/Verzögerungen anführen kann. Genau anders herum verhält es sich mit dem Probanden 18, der im Gegensatz zur oben genannten Versuchsperson keinen einzigen der vier Versuche wahrnahm, Diagramm 6-5. Obwohl die Kollisionsversuche bei der Anstiegszeit von ca. 0,5s ähnlich hohe Verzögerungswerte ergaben (jeweils gut 2 m/s2), liefen die Wahrnehmungsprozesse völlig unterschiedlich ab. Bedenkt man, welch erhebliche Wechselwirkung zwischen den Kfz vorlag (Videomitschnitt Abb. 6-9), so wird spätestens hier deutlich, dass das kollisionsbedingte „Überwinden“ von harten Fahrzeugsäulen nicht sofort einer sicheren Wahrnehmung gleichzusetzen ist.
50
6 Ergebnisse eigener Studien
Beschleunigung a [m/s²]
Beschleunigung - Anstiegszeit Grenzlinie
6 5 4 3
Kollisionsversuch 1 PR18
2
Kollisionsversuch 2 PR18
1 0 0
0,5
1
1,5
Bremsversuch 1 PR18 Bremsversuch 2 PR18
Anstiegszeit t [s]
Diagramm 6-5 Versuchswerte Proband 18
Auch wird klar, dass es die individuelle (menschliche Sinnes-) Komponente ist, die entscheidet, was wahrgenommen wird und was nicht. So lieferte unter anderem Proband 25 (männlich, Lebensalter 40 Jahre) Ergebnisse, die die „Schwelle“ nach WOLFF zumindest leicht erschüttern lassen, Diagramm 6-6.
Beschleunigung a [m/s²]
Beschleunigung - Anstiegszeit 6
Grenzlinie
5 4
Kollisionsversuch 1 PR25 Kollisionsversuch 2 PR25
3 2 1 0 0
0,5
1
Anstiegszeit t [s]
1,5
Bremsversuch 1 PR25 Bremsversuch 2 PR25
Diagramm 6-6 Versuchswerte Proband 25
Von ihm werden gleich zwei Versuche, oberhalb der „Grenzlinie“ liegend, nicht registriert. Es handelte sich um eine Kollision und eine Bremsung.
6.1 Fühl-/Spürgrenze von verzögerten Fahrzeugbewegungen
51
Die Kollision zeigt angesichts der Beschleunigungs-/Anstiegszeitkennung „härtere“ Züge und belegt wiederum die nicht „normierbare“ Wahrnehmungsempfindung von Menschen. Man sollte sich daher stets vor Augen führen, dass der subjektiven Empfindungsfähigkeit eine sehr große Bedeutung zukommt. Stellt man die Versuchsergebnisse aller Probanden zusammen, nämlich getrennt für die Brems- und Kollisionsversuche, so gelangt man zu den Diagrammen 6-7 und 6-8.
Beschleunigung a in [m/s²]
Bremsversuche 6 Grenzlinie
5 4
wahrgenommen BV1
3 2
nicht wahrgenommen BV1
1
wahrgenommen BV2
0 0
0,5
1
1,5
nicht wahrgenommen BV2
Anstiegszeit t in [s]
Diagramm 6-7 Alle Versuchswerte der Bremsungen
Wie man erkennt, ist eine Überschreitung der Grenzlinie im Hinblick auf die nicht wahrgenommenen Versuche bei der 1., nämlich rückwärtsgefahrenen Bremsung zu erkennen. Die roten Rechtecke geben die jeweils nicht registrierten Versuche wieder. In mehreren Fällen wurden hier also rückwärtige Bremsungen nicht registriert, die noch oberhalb der bisherigen „Bewertungskurve“ lagen. Das Extrembeispiel findet man bei einer Anstiegszeit von ca. 0,3s mit dort gut 2,3 m/s2. Noch viel gravierender fallen die Zusammenhänge bei der Versuchsreihe BV2, also Abbremsung in Vorwärtsfahrt aus. Die roten Rauten liegen in merklich größerer Anzahl oberhalb der „Grenzlinie“ – im Extremfall wurden Wertekombinationen von 3,8 m/s2 bei einer Anstiegszeit von 0,4s nicht bemerkt. Die bisherigen WOLFF’schen Grenzwerte wurden also in punkto Beschleunigungsintensität hier um ca. 50 % „überboten“. Offensichtlich scheint der Mensch gegenüber Verzögerungen in üblicher Fahrtrichtung „wahrnehmungsresistenter“ zu sein als in Rückwärtsfahrt. Dies mag damit zusammenhängen, dass in letztem Fall neben der vestibular-kinästetischen Registrierung noch eine rein taktile Komponente über z. B. die Sensoren in der Rückenhaut hinzukommt. Nun könnte man die Grenzlinie kurzer Hand einfach parallel nach oben in jenen oben genannten Extrempunkt hineinverschieben; dies wäre nach Ansicht des Autors aber eine zu einfache Vorgehensweise, denn es fällt schwer zu glauben, dass sich das höchst individuelle Sinnesempfinden (in vestibulär-kinästetischer Ansicht) einer solch strengen Linearität unterwirft.
52
6 Ergebnisse eigener Studien
Bekanntermaßen gehorchen ja weder der Visus noch die akustische Wahrnehmung einer derart (mathematisch) einfachen Beziehung.
Beschleunigung a in [m/s²]
Kollisionsversuche 6 5
Grenzlinie
4
wahrgenommen KV1
3
nicht wahrgenommen KV1
2
nicht wahrgenommen KV2
1
wahrgenommen KV2
0 0
0,5
1
Anstiegszeit t in [s]
Diagramm 6-8 Versuchswerte aller Kollisionen
Die Kollisionsversuche – vorwärts- wie rückwärtsgefahren – bewegten sich hinsichtlich ihrer Intensität in direkter Nähe der Grenzlinie oder aber zum Teil deutlich darunter. Im Falle der Rückwärtskollision wurde insgesamt zweimal der Grenzbereich nach WOLFF überschritten. In einem Fall wurde der Versuch nicht wahrgenommen, was bedeutet, dass man auch hier eine leichte Anhebung der Grenzlinie befürworten könnte. Erstaunlicherweise war es hier allerdings die Rückwärtskollision, die „Wahrnehmungsprobleme“ bereitete. Dies könnte man als Hinweis dafür sehen, dass einfache Fahrzeugverzögerungen doch noch anders beurteilt/verarbeitet werden als tatsächliche Kollisionen. Als Quintessenz dieser Versuchsreihe bleibt letztlich festzustellen, dass man sich durchaus in „grenznahen“ Fällen, also Wertekombinationen aus Anstiegszeit und Beschleunigungsmaximum noch oberhalb der bisherigen Grenzlinie, Gedanken darüber machen sollte, ob das stattgefundene Ereignis denn tatsächlich „nachweisbar“ zu spüren/fühlen war. Die oben genannten Werte sollten dem (objektiven) Sachverständigen Anlass geben, hierüber genau nachzudenken, insbesondere dann, wenn man (z. B. versuchstechnisch) ermittelt hat, dass Anstiegszeiten im „kritischen“ Bereich von 0,2 bis 0,5s zu diskutieren sind. Hier gab es ja nicht wenige „Versuchsausreißer“ nach oben. Hierzu kommt, wie stets anzuführen, die noch wesentlichere Frage, ob der gefühlte „Ruck“ nun auch als das Ereignis zu spüren war, das letztlich vorgeworfen wird. Verlagert man nun die WOLFF’sche Grenzlinie parallel nach oben, so gelangt man zu Diagramm 6-9. Insgesamt ist aber nach Auswertung der einzelnen Versuchsfahrten festzustellen, dass die schon von WOLFF prognostizierten Wahrnehmbarkeitsgrenzen im Wesentlichen zutreffend sind.
6.2 Einfluss von überlagerten Verzögerungen (Proband passiv)
53
Im Falle starker Ablenkung könnte man durchaus eine Anhebung der Grenzlinie, wie im Diagramm 6-9 gezeigt, befürworten.
Beschleunigung a in [m/s²]
Versuchsreihe
7 6 5 4 3 2 1 0
Gr enzl i ni e wahr genommen KV1 ni cht wahr genommen KV1 wahr genommen KV2 ni cht wahr genommen KV2 wahr genommen BV1 ni cht wahr genommen BV1 wahr genommen BV2 ncht wahr genommen BV2 ver schobene Gr enzl i ni e
0
0,5
1
1,5
Anstiegszeit t in [s]
Diagramm 6-9 WOLLF’sche Grenzlinie parallel verschoben
Es wäre über diese einfache Betrachtung eine so genannte „modifizierte Grenzlinie“ darstellbar. Insgesamt umfasste diese Untersuchung übrigens 96 Experimente, in dessen Verlauf 56 Versuche nicht wahrgenommen und folglich 40 registriert wurden. Von den nicht wahrgenommenen Versuchen lagen 58 % unterhalb und 24 % oberhalb der WOLFF’schen Grenzlinie. Alle bis hierher vorgestellten Versuchsergebnisse beziehen sich auf einen optisch wie akustisch (eher) abgelenkten, also in seiner Wahrnehmung eingeschränkten Probanden. Der schon weiter oben prognostizierte, nicht unbeachtliche Einfluss einer, dem Kollisions- oder Verzögerungsgeschehen gleichzeitig überlagerten (oder zeitlich nahe dazu stattgefundenen), zusätzlichen Abbremsung blieb bislang versuchstechnisch völlig unbeachtet, was Anlass für eine weitere Versuchsreihe war, bei der der Proband zunächst nicht als aktiver Fahrer, sondern, ähnlich wie in den gerade vorgestellten Versuchsergebnissen, vergleichbar akustisch und optisch abgeschirmt im hinteren rechten Bereich des Verursacherfahrzeugs saß.
6.2 Einfluss von überlagerten Verzögerungen (Proband passiv) Im zweiten Teil der Arbeit von DEEKEN [D1] wurden wiederum vier Einzelversuche, die insgesamt aber alle deutlich wahrnehmbar waren, gefahren. Ziel dieser Reihe war es, herauszufinden, inwieweit die Probanden in der Lage waren, zwischen einer stattgefundenen Leichtkollision und z. B. einer solchen mit überlagerter Bremsung zu unterscheiden. Hier kommt also erstmals die Problematik der „Zuordnungsfähigkeit“ einer gespürten Verzögerung ins Spiel. Sie bestimmt ja maßgeblich, ob der „Unfallflüchtige“ auch als solcher wissentlich den Ort des Geschehens verlässt.
54
6 Ergebnisse eigener Studien
Der Proband wurde im Vorfeld über die im Weiteren durchzuführenden Versuche unterrichtet, wobei er deren zeitliche Reihenfolge nicht kannte. Er bekam wiederum einen Fragebogen, in dem er dann angeben sollte, wie er den gerade stattgefundenen Einzelversuch wahrgenommen bzw. interpretiert hat. Zur Auswahl standen dem Probanden die Alternativen: 1.
reine Bremsung ohne Kollision
2.
Bremsung und Kollision überlagert
3.
reine Kollision ohne Bremsung.
Tatsächlich wurden die Einzelversuche wie folgt gefahren: 1.
Bremsung und Kollision überlagert (BKÜ)
2.
reine Bremsung (RBoK)
3.
reine Kollision (RKoB)
4.
reine Kollision unter einem schrägen Winkel (RKoBschräg).
Die Begriffsbildung „reine Kollision“ beinhaltet, dass das Fahrzeug vor dem Crash nicht zusätzlich abgebremst, sondern aus der Rollbewegung heraus gegen das andere Kfz prallte. Die durch eine Bremsung überlagerte Kollision fand teilüberdeckt und längsachsenparallel, ähnlich Abb. 6-10 statt.
Abb. 6-10 Bremsung und Kollision überlagert (Prinzipskizze)
Der Überdeckungsgrad lag hier bei jeweils ca. 20 %. Bei einem solchen Anstoß treten natürlich kurze Anstiegszeiten und mithin „knackige“ Verzögerungssignale auf. Der Versuchsfahrer führte unmittelbar vor dem Unfallgeschehen eine Bremsung durch, wodurch das Versuchs-Kfz zunächst infolge der Abbremsung und anschließend durch den nicht unerheblichen Crash verlangsamt wurde. Die Zeitspanne zwischen den Einzelverzögerungssignalen war stets so kurz, dass sie von allen Probanden nicht auflösbar war und als ein einziges, zusammenhängendes Ereignis wahrgenommen wurde. In der nachfolgenden, dann reinen Bremsung wurden hohe Verzögerungswerte erzielt. Sowohl die Anstiegszeiten wie auch die Maximalwerte waren mit jenen einer teilüberdeckten Kollision vergleichbar. Im Mittel lagen die Verzögerungsspitzen bei 4 bis max. 5 m/s2, wobei die Anstiegszeiten zwischen etwa 0,4 und 0,8s schwankten. Im Verlaufe des reinen Kollisionsversuches wurde eine vergleichbare Anstoßkonfiguration wie im 1. Crash gewählt, während beim letzten Unfallversuch der Relativwinkel zwischen dem stoßenden Kfz und dem seitlich Getroffenen zwischen 15 und max. 20° schwankte. Im erst-
6.2 Einfluss von überlagerten Verzögerungen (Proband passiv)
55
genannten Fall lagen die Wertekombinationen eng um 2 m/s2 bis knapp 3 m/s2, wobei logischerweise durchweg kurze Zeitintervalle auftraten (um 0,2…0,25 s). Letztgenannte stiegen bei der schrägen Kollision auf um 0,4 bis 0,7s bei ähnlichen Beschleunigungsmaxima. Wie sich ein durch eine Bremsung überlagerter Kollisionsversuch in der Filmsequenz darstellte, lässt sich exemplarisch den nachfolgenden Abbildungen entnehmen. Unschwer zu erkennen ist die Einnickbewegung des Unfallfahrzeugs bereits vor der unmittelbaren Kontaktnahme mit dem weißen Opel Astra. So fällt in der ersten Abbildung auf, dass der Abstand der rechten Vorderradoberseite zum Radhauszenit kleiner ist als in dem Videobild danach.
a)
b)
c)
d)
Abb. 6-11 Videosequenz einer gebremsten Kollision (BKÜ)
Der vom Datalogger registrierte Signalverlauf kann exemplarisch dem folgenden Diagramm 6-10 entnommen werden. Durch die beiden Hinweispfeile sind die direkt aufeinanderfolgenden Maximalausschläge der im VW T4 auftretenden Verzögerungen markiert worden. Wie unschwer zu erkennen ist, liegt zwischen den beiden Verzögerungsspitzen ein nur schmales Zeitfenster. Die vorkollisionär eingeleitete Verzögerung war etwas intensiver als die mit der Kollision verbundene Fahrzeugverlangsamung. Es befanden sich sämtliche, in dieser Versuchsreihe durchgeführten Verzögerungssignale im Wahrnehmbarkeitsbereich, und es wurden Amplituden von bis zu 4,8 m/s² bei Anstiegszeiten von 0,2 bis 0,3 Sekunden erzielt. Nur bei der schrägen Kollision kam es zu „Wahrnehmungsdefiziten“ – sie wurden längst nicht alle „quittiert“. Von den insgesamt 36 durchgeführten Versuchen wurden ca. 50 % nicht eindeutig dem richtigen Brems- bzw. Kollisionsereignis zugeordnet.
56
6 Ergebnisse eigener Studien
Diagramm 6-10 Signalverlauf (BKÜ)
Die sicherste Beurteilung war bei den reinen Abbremsungen ohne jegliche Kollision festzustellen, vgl. Tabelle 6.1. Dort ist mit dem Kürzel, wie oben schon skizziert, RBoK die „reine Bremsung ohne Kollision“, mit BKÜ die „Bremsung und Kollision überlagert“, mit RKoB die „reine Kollision ohne Bremsung“ gemeint – der Zusatz „schräg“ deutet auf die abschließende, schiefwinkelige Kollision hin. Auffällig ist, dass am schlechtesten die der Kollision überlagerte (bzw. zeitlich vorgeordnete) Bremsung als solche erkannt wurde (BKÜ). Lediglich ein Drittel aller Versuche wurden richtig zugeordnet. Alle falschen Eindrücke wurden durch die Probanden als reine Bremsung bewertet. Dass gerade diese Variante so „unerkannt“ blieb, gibt zu denken. Es ist damit wohl so, dass man selbst als vorbereiteter Proband letztlich nicht (sicher) in der Lage ist, das in dieser Versuchsreihe aufgetretene Doppelsignal (zwei Amplituden kurz hintereinander) aufzulösen. Wird also vom Unfallverursacher, der nun nicht mit einer Kollision rechnet (anders als der Proband), in zeitlich dichter Nähe zur Kollision eine Bremsung eingeleitet, so wird diese Situation offenbar öfter falsch denn richtig eingestuft, d. h. nicht einer Kollision, sondern eher einer Bremsung zugeordnet. Wohlgemerkt gelten diese Prognosen für den jeweiligen Probanden, im Fond des Versuchsfahrzeuges sitzend (von der Außenwelt mehr oder weniger abgeschirmt), also nicht selbst agierend.
6.2 Einfluss von überlagerten Verzögerungen (Proband passiv)
57
Tabelle 6.1 Versuchszuordnung durch die Probanden
Proband Nr. 26 27 28 29 30 31 32 33 34
BKÜ nein nein ja ja nein nein nein nein ja
zugeordnet RBoK RBoK BKÜ BKÜ RBoK RBoK RBoK RBoK BKÜ
RBoK ja nein ja ja nein ja ja nein ja
zugeordnet RBoK RKoB RBoK RBoK BKÜ RBoK RBoK BKÜ RBoK
Proband Nr. 26 27 28 29 30 31 32 33 34
RKoB ja nein jaj ja nein ja nein nein ja
zugeordnet RKoB RBoK RKoB RKoB RBoK RKoB BKÜ BKÜ RKoB
RKoB schräg nein nein nein nein ja nein ja ja ja
zugeordnet BKÜ BKÜ RBoK BKÜ RKoB BKÜ RKoB RKoB RKoB
Ob allerdings der aktive Fahrer nun „wahrnehmungsfähiger“ ist, bleibt schon hier fraglich, kann er sich nicht derart auf die bevorstehenden Ereignisse konzentrieren, wie die passive Versuchsperson (die ja wusste, dass etwas passiert). Dieses Ergebnis darf letztlich im Rahmen der Beurteilung solcher Ereignisse nicht unbeachtet bleiben. Es genügt dementsprechend nicht, nur eine Bewertung des Verzögerungssignals, resultierend aus den Schäden, vorzunehmen – es sind stets die Begleitumstände des Realunfalls zu prüfen, die die Frage der Wahrnehmbarkeit oftmals merklich beeinflussen. Sehr bemerkenswert im Rahmen dieser Versuchsreihe sind die Ergebnisse der Probanden 27 und 34, deren Trefferquote unterschiedlicher nicht sein könnte. Ordnete der Proband 27 alle Versuche falsch zu, so wurden von der Probandin 34 alle Ereignisse richtig eingestuft. Interessant ist, dass der Proband 27 ein „Vielfahrer“ ist und die Probandin 34 sich selbst eher als Wochenendfahrerin bezeichnete. Das zeigt, dass man dem vorschnellen Argument, wonach der routiniertere Fahrzeugführer, eher (einwirkende) Verzögerungen richtig einstuft, als der unerfahrene Kfz-Lenker, nicht zustimmen kann. Wahrscheinlich ist es eher die „offensivere“ Fahrweise des routinierten Pkw-Lenkers, die hier „wahrnehmungshemmend“ ist, fällt in dessen tägliche Fahrpraxis auch viel öfter das Registrieren abrupterer Fahrzeugverlangsamungen. Auch ist dieser Fahrertyp den zum Teil regelungstechnisch nicht immer einfachen Rangiermanövern gegenüber unkritischer, d. h. er neigt eher dazu, etwas zu riskieren und wird nicht bei der „kleinsten“ wahrgenommenen Erschütterung gleich das „Schlimmste“ vermuten.
58
6 Ergebnisse eigener Studien
Demgegenüber wird ein vorsichtigerer, passiverer Fahrer ein schneller auftretendes Verzögerungsereignis viel deutlicher als Gefahrensignal wahrnehmen, da es schlechter in seinen täglichen Erfahrungsschatz passt und die Möglichkeit eines „Remplers“ in sich birgt. Im Rahmen einer weiteren Arbeit (Verfasser: Thorsten Schönfeld, Sommersemester 2008) wurden die bislang vorgestellten Versuchsergebnisse statistisch untermauert, d. h., es wurden insgesamt weitere 51 Einzelversuche gefahren (mit über 150 Ereignissen)[S2]. Er benutzte quasi die gleiche Versuchsanordnung wie in der vorangegangenen Untersuchung von DEEKEN. Lediglich die letzte, schräge Kollision wurde hier ausgelassen. Im Ergebnis gab es hier keine wesentliche statistische Abweichung zu der Vorgängeruntersuchung, auch hier war die weitaus schlechteste Zuordenbarkeit für die „gebremste Kollision“ festzustellen. Auch hier gelang es einer sehr großen Anzahl von Probanden nicht, obwohl sie auf die Versuche vorbereitet waren, diesen „Unfalltypus“ auch als solchen wahrzunehmen. Wieder waren es die „Vielfahrer“, also die routinierten Autofahrer, die die meisten Ausreißer bzw. Fehlzuordnungen lieferten, während die vorsichtigen „Gelegenheitsfahrer“ durchweg sehr gute Ergebnisse erzielten. Die schon von DEEKEN ermittelten Zusammenhänge wurden durch diese Versuchsreihe also erhärtet. Die Routine im Umgang mit dem Kfz scheint ein nicht zu vernachlässigender Einflussfaktor zu sein. Im Ergebnis dieser beiden Untersuchungen kann man also formulieren, dass es für einen Unfallverursacher gerade dann schwierig wird, das Kollisionssignal wahrzunehmen, wenn er zuvor einer Verzögerung ausgesetzt ist. Wird also quasi zeitgleich mit dem Kollisionsereignis die Bremse betätigt bzw. gelöst oder aber unterscheidet sich der Verzögerungsverlauf, der durch die Kollision hinzukommt, nicht wesentlich vom eingesteuerten Bremssignal, so wird die wahrgenommene Verzögerung eben nicht sicher einem Unfallgeschehen zugeordnet. Dabei spielt natürlich die mit der Kollision einhergehende Verzögerungsverstärkung eine maßgebliche Rolle, was bedeutet, dass man als „abbremsender Unfallverursacher“ nun nicht einen „Freibrief“ dahingehend besitzt, man könne quasi keinen Verzögerungssprung, der durch eine zusätzliche Kollision bewirkt wird, wahrnehmen.
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“ Das Hauptproblem, das sich dem Versuchsleiter stellt, wenn er einen aktiv fahrenden bzw. bremsenden Probanden einer überlagerten Kollision aussetzt, besteht darin, dessen wesentliche Wahrnehmungssinne, wie Sehen und Hören, zu beeinflussen bzw. einzuschränken. So etwas wird nicht gelingen, wenn man ihn im Rahmen einer Versuchsfahrt bremsen und sodann (kalkulierbare Sekundenbruchteile später) mit irgendetwas kollidieren lässt. Schon in der Phase, in der sich der Proband in das Fahrzeug begibt, ist ihm der weitere Unfallablauf klar, weswegen er niemals (in puncto Ablenkung) mit dem Verursacher einer Parkplatzkarambolage im Wahrnehmungssinne gleichzusetzen wäre. Die Lösung des Problems dieser „Antizipiation“ musste also auf andere Art und Weise erreicht werden. Wichtig ist ja, dass im Zuge eines, von einem Versuchsfahrer z. B. zu durchfahrenden Parcours, dieser einer plötzlichen (zusätzlichen) Fahrzeugverzögerungen ausgesetzt wird, mit denen er nicht unmittelbar rechnet. Dies gelang versuchstechnisch vergleichsweise einfach dadurch, dass die beiden Bremskreise des Versuchs-Kfz voneinander getrennt wurden, d. h. der Versuchsfahrer durch Betätigen des
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“
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Bremspedals aktiv nur die Vorderräder (die das Hauptbremsmoment liefern) verzögerte, während ein im Fond des Pkw sitzender Versuchsleiter über ein an die Handbremsvorrichtung befestigtes Seil zog, mit dem die Hinterräder zusätzlich abgebremst wurden, was natürlich im gesamten Kfz zu einem (eventuell wahrnehmbaren) Verzögerungssprung führen musste. Das von uns modifizierte Versuchsauto, ein Opel Astra, ist in der Abb. 6-12 zu sehen.
Abb. 6-12 Versuchsfahrzeug Opel Astra
In dieser Versuchsreihe wurde also die visuelle wie auch akustische Wahrnehmung des Probanden nicht beeinflusst, da er das Fahrzeug selbst fuhr. Er hatte den Anweisungen seines Beifahrers (weiterer Versuchsbetreuer) zu folgen, der ihm vorgab, wann er wo (vorwärts oder rückwärts) rangieren bzw. eine Wendebewegung etc. durchführen sollte. Der Fahrzeugfond war vom Probanden nicht einsehbar; die Sicht in den hinteren Bereich des Kfz war durch einen blickdichten Verdunkelungsstoff gehindert. Eine Bremskreistrennung zwischen vorderem und hinterem Bremssystem war notwendig, weil Vorversuche ergaben, dass (bei geschlossenem Bremskreis) der Proband einen erhöhten Leerweg immer dann registrierte, wenn zeitnah das Handbremsseil vom Versuchsleiter im Fond gezogen wurde. Auch wurde im Frühstadium dieser Versuchsreihe ein Fahrschulwagen getestet (2. Bremsanlage im Beifahrerfußraum). Auch hier stellte sich der oben genannte Effekt gleichermaßen ein – zudem hätte hier eine Sichtbarriere zum Beifahrer hin geschaffen werden müssen, die den Visus des Probanden im Rahmen von durchzuführenden Rangiermanövern zu sehr eingeengt hätte. In das (im Übrigen voll fahrbereite und normal bedienbare) Versuchsfahrzeug wurde die schon aus den früheren Versuchsreihen bekannte Messtechnik installiert, Abb. 6-13.
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6 Ergebnisse eigener Studien
Abb. 6-13 Messtechnik im Fond des Opel Astra
Der rote Pfeil markiert hier den Datalogger, der gelbe die Schaltbox. Über das mit dem blauen Pfeil markierte Relais wurde ein Signal vom Handbremsschalter über die Signalbox dem Datalogger zugeleitet. Die Stromversorgung wurde über die Standlichtleitung im Kofferraum (grüner Pfeil) realisiert.
Abb. 6-14 Fahrzeugfond mit Verdunkelung
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“
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In der Abb. 6-14 sieht man den Aufenthaltsbereich des Fondinsassen bzw. des Versuchsleiters mit der Seilzugvorrichtung für die Handbremse. Zusätzlich war eine rote Bremsleuchte installiert, die ihm signalisierte, wann vom Probanden das Bremspedal betätigt wurde (Kopplung mit dem Bremslicht). Dieser Bereich war, wie schon erwähnt, vom Versuchsfahrer wegen des blickdichten Stoffvorhanges nicht einsehbar. Er konnte sich also bei rückwärtigen Rangiermanövern nicht (zusätzlich) über den Innenspiegel „versichern“, hatte aber zwei Außenspiegel als „optische Hilfsmittel“ zur Verfügung. Erwähnt sei hier noch, dass sonderlich schwierige Rangiermanöver, also im verengten Verkehrsbereich, nicht zu absolvieren waren, sodass der Innenspiegel den meisten Probanden auch nicht „fehlte“.
Abb. 6-15 Beifahrersitz mit Quittierungstaster
Der Beifahrer im Versuchsfahrzeug gab die jeweiligen Anweisungen im Hinblick auf den zu durchfahrenden Parcours und quittierte mittels Taster (Abb. 6-15) die vom Probanden ggfs. wahrgenommenen, überlagerten Fahrzeugverzögerungen (die er lautstark mitteilen sollte). Am oberen Bildrand sieht man die voluminöse, nachträglich angebracht Mittelkonsolenverkleidung mit dem darunter befindlichen Handbremsgestänge. Hier war eine starke Polsterung bzw. Dämmung notwendig, damit der Proband weder Zuggeräusche noch Erschütterungen bei der Handbremsseilbetätigung durch den Fondinsassen vernehmen konnte. Im Versuchsablauf, also der „Parcoursfahrt“, hatte sich der Fahrer (als Proband) nach den Anweisungen seines Beifahrers zu richten, der ihm genau vorgab, mit welchem Tempo zu fahren sei und wo und mit welcher Intensität in etwa verzögert werden sollte. Es fanden auch Einparkund Rangiermanöver statt, in deren Verlauf auch durch den im Fond sitzenden Versuchsleiter der eingebaute Handbremsmechanismus betätigt wurde. Hatte der Versuchsfahrer das Gefühl, eine zusätzliche Verzögerung sei eingeleitet worden, so teilte er dies dem Beifahrer mit, der über den Handtaster dann ein Analogsignal an den Datalogger übermittelte.
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6 Ergebnisse eigener Studien
Der Parcours enthielt insgesamt etwa 20 Bremsungen, wobei in fünf Fällen durch den Versuchsleiter zusätzlich eingegriffen wurde. Die Probanden wussten also, dass zusätzliche Verzögerungseinleitungen im Verlaufe der Versuchsfahrt stattfanden, nicht jedoch, wann und wo sie erfolgten. Eine gewisse Grundsensibilisierung war damit natürlich gegeben, die im Übrigen auch beabsichtigt war, rechnet man als Unfallverursacher in engen Verkehrsbereichen schon auch mit „Kollisionsvorgängen“. Die zu durchfahrende Fahrstrecke war insgesamt knapp 1 km lang, für die insgesamt jeweils ca. 5 Minuten benötigt wurden. Es wurden zum Teil recht kräftige Bremsungen aus Geschwindigkeiten von 30 bis 40 km/h vorgenommen. Zu Realkollisionen kam es in diesem Versuchsablauf letztlich nicht, was nicht weiter gravierend war, ging es ja im Wesentlichen um den Einfluss einer (zu einem Bremsvorgang) zusätzlich induzierten Verzögerung. In Analogie zu WOLFF ist ja die Intensität des fremden Rucks in Relation zur eigenen Bremsleistung bedeutungsvoll. Im Rahmen der ersten Untersuchung von SCHÖNFELD wurden insgesamt 75 Einzelversuche (15 Probanden) ausgewertet. Die Tabelle 6.2 gibt farbig die wahrgenommenen (grün) sowie die nicht wahrgenommenen Versuche (rot) wieder. Tabelle 6.2 Wahrgenommene (grün) und nicht wahrgenommene (rot) Eingriffe Proband
Rückwärts 1
50 km/h
Rückwärts 2
Vorwärts
30 km/h
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Wie man der Tabelle entnehmen kann, sind von insgesamt 75 Einzelversuchen 31 als wahrgenommen bestätigt worden, was einer 41-%-Trefferquote entspricht. Erwähnenswert ist, dass die mit dem Versuchsaufbau vertrauten Probanden bisweilen so „hypersensibilisiert“ waren, dass sie insgesamt 15-mal ein Ereignis wahrnahmen, obschon ein Eingriff durch den Versuchsleiter gar nicht stattfand. Dies macht bei 75 Versuchsergebnissen immerhin 20 % aus. Außerdem spiegelt dies die „hohe Anspannung“ der Versuchsfahrer wieder.
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“
Diagramm 6-11 Aufzeichnung einer kompletten Versuchsfahrt
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6 Ergebnisse eigener Studien
Von den insgesamt 15 Teilnehmern registrierten z. B. Proband 7 und 8 alle Eingriffe, während jene mit den Nummern 3, 12 und 13 nichts auffiel. An dieser Stelle sei bemerkt, dass es sich bei Proband 13 um einen erfahrenen Sachverständigen handelt. Die mit nur einer richtigen Registrierung versehene Probandin 10 übt den Richterberuf aus, woran man sehen kann, dass die Problematik der Wahrnehmung in keiner Relation zum „Tätigkeitsfeld“ der Person steht, sondern individuell stark schwankt. Das Diagramm 6-11 zeigt einmal schematisch, wie eine komplette Aufzeichnung einer Versuchsfahrt aussah. Die roten, analog induzierten Signale geben die zusätzliche Verzögerungseinleitung durch den Fondinsassen wieder – gelblich sind die Signale des Beifahrers über den Handtaster markiert, also wenn der Proband den Eingriff wahrnahm. Der schwarze Signalverlauf zeigt die vom Datalogger gemessene Längsverzögerung. Durch diese analogen Fixpunkte war es sehr leicht möglich, aus der Datenfülle die relevanten Versuchspunkte zu finden. Unschwer nachvollziehbar ist, dass der Proband im Verlauf der Versuchsfahrt 3 alle der insgesamt fünf Eingriffe des Versuchsleiters bemerkte. Durch die schon in den vorangegangenen Versuchsfahrten eingesetzte Analyse-Software war es möglich, die vom Datalogger empfangenen Daten bequem auszuwerten. Es gelang vergleichsweise einfach, Anstiegszeiten und Verzögerungs-(Beschleunigungs-)werte im Diagramm direkt zu bestimmen. Das nachfolgende Diagramm 6-12 zeigt exemplarisch einen gezoomten Signalverlauf.
B
A
Diagramm 6-12 Signalverlauf
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“
65
Deutlich zu erkennen ist ein Knick in der Längsbeschleunigung (grüner Pfeil) an jenem Punkt, an dem eine zusätzliche Verzögerung durch die Handbremsbetätigung induziert wurde. Ergo waren die Signale in zwei Abschnitte zu unterteilen, nämlich einmal in jenen zur Fahrerbremsung und im anderen Fall jenen zur Handbremsbetätigung gehörig. Der zusätzliche Verzögerungssprung, Pfeil B, läuft, wie auch die Fahrerbremsung in positive Richtung, weil es sich um ein rückwärtiges Rangiermanöver handelte. Das analoge (rote) Handbremssignal liegt geringfügig zeitverschoben, da es über ein (vergleichsweise trägeres) Relais geschaltet wurde. Im Rahmen dieser 1. Versuchsdurchführung nahmen im Übrigen auch viele Juristen (als Versuchspersonen) teil, die auf einer Fortbildungsveranstaltung im Frühjahr 2008 in unserem Büro zugegen waren. Eine zusätzliche statistische Absicherung erfolgte durch die Arbeit von THIEN [T1], die im Frühjahr 2009 fertig gestellt wurde. An dieser Versuchsreihe nahmen weitere 35 Probanden teil, sodass zusätzlich 175 Versuchswerte analysiert werden konnten. Insgesamt liegen also 250 Einzelversuchswerte vor, die damit zumindest Grundstein einer „Trendstudie“ sind. Zu erwähnen ist noch, dass in den gesamten Versuchsdurchführungen Probanden beiderlei Geschlechts und auch unterschiedlichste Altersstrukturen vertreten waren. Die Palette der Fahrer/-innen reichte (vom Alter) von 22 bis 70 Jahren. In der 2. Untersuchung nach THIEN wurden insgesamt 66 von 175 Einzelversuchen wahrgenommen (also im Sinne der überlagerten Verzögerung). Dies entspricht 38 % richtige Antworten. Auch hier war es so, dass aufgrund von nicht vermeidbarem „Übereifer“ insgesamt 35-mal ein Verzögerungssignal (als vermutlich externer Eingriff) quittiert wurde, obwohl ein solches Ereignis gar nicht stattgefunden hatte. Dies entspricht wiederum der Fehlerquote nach SCHÖNFELD von ca. 20 %. Im Rahmen der 2. Versuchsreihe mit insgesamt 35 Probanden registrierten nur drei Personen alle erfolgten Eingriffe, während insgesamt 5 nicht einen einzigen wahrnahmen. Vom Auswerteprinzip her unterscheiden sich diese beiden Untersuchungen im Übrigen nicht. In der Arbeit von THIEN wurde der experimentale Versuchsaufbau dahingehend optimiert, dass er an beiden Bremseinrichtungen jeweils einen Winkelaufnehmer/Potentiometer (vgl. Abb. 6-16 und 6-17) anbrachte, der die Bremspedal-(Handhebel-)veränderung in Spannungssignale umwandelte (durch den zusätzlichen Hebel). Dieses Signal wurde analog auf den Datalogger gesetzt, wodurch es möglich war, festzustellen, ob und wie stark die Bremsung über das Bremspedal bzw. die Handbremse eingeleitet wurde.
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Abb. 6-16 Winkelaufnehmer am Handbremshebel
Abb. 6-17 Winkelaufnehmer am Fußpedal
6 Ergebnisse eigener Studien
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“
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Es besteht theoretisch die Möglichkeit, dass die Verzögerungssteigerung (im Signal des Dataloggers) auch durch eine zusätzliche Bremsverstärkung des Probanden erzielt wurde und nicht allein durch die Handbremsseilbetätigung. Über diese Potentiometer war messtechnisch erfassbar, wie intensiv die jeweilige Druckeinsteuerung war. Exemplarisch für einen solchen Versuchsablauf sei das nachfolgende Diagramm 6-13 vorgestellt. Man sieht, hier durch einen grünen Pfeil angedeutet, den Bereich, in welchem die zusätzliche Längsbeschleunigung durch den Versuchsleiter mittels Handbremsseil induziert wurde.
Diagramm 6-13 Spektrum mit Winkelaufnehmersignal
Schräg darüber befindet sich das Signal der beiden im Fahrzeug integrierten Potentiometer (Winkelaufnehmer) die klar signalisieren, dass die starke Verzögerungsanhebung allein durch das Handbremssignal (gelbe Linie) und nicht durch den Probanden bewirkt wurde (roter Verlauf). Durch diesen zusätzlichen Versuchsaufbau gelang es, sichere Aussagen dazu zu treffen, ob der steilere Anstieg der Längsbeschleunigung wirklich nur durch den Versuchsleiter mittels Handbremse aufgebracht wurde oder aber ob der Proband zusätzlich das Bremspedal noch stärker betätigte. Alle Daten wurden in ein Excel-Programm exportiert, mit dessen Hilfe dann die für die technische Aufbereitung solcher Fälle notwendigen Diagramme entworfen werden konnten.
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6 Ergebnisse eigener Studien
Im Diagramm 6-14 ist auf der X-Achse das von den Probanden, also dem Fahrer aktiv eingeleitete Verzögerungssignal hinsichtlich seiner Intensität dargestellt, auf der Y-Achse (das vermeintliche Kollisionssignal) jenes, das vom Fondinsassen durch das Handbremsseil zusätzlich eingesteuert wurde.
Diagramm 6-14
Versuchs-„Punktwolke“ in Abhängigkeit der Anstiegszeit und der Handbremsverzögerung
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“
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Neben dem Diagramm befinden sich die Erklärungen zu den einzelnen farbigen Versuchspunkten, wobei hier die jeweilige Anstiegscharakteristik (Anstiegszeit) des zusätzlich vom Fondinsassen aufgebrachten Signals berücksichtigt wird. Die Anstiegszeiten variieren hier zwischen 0,1 und knapp 1,0 Sekunden, wobei, wie weiter oben nachzulesen, mit dem kurzzeitigen Signalanstieg auch eine sehr abrupte Verzögerungsveränderung durch den Fondinsassen stattfand, während bei der längsten, noch relevanten Anstiegszeit von 1,0 Sekunden das Signal durch einen allmählichen Zug am Handbremsseil erzielt wurde. Wie man erkennt, liegt eine Fülle von nicht wahrgenommenen Versuchsereignissen zum Teil deutlich über der WOLFF’schen Grenzgeraden, so z. B. beim vorwärtigen, langsamen Rangiervorgang bei gut 0,45 s Anstiegszeit (grüne Raute). Hier ist eine nicht sicher registrierte Zunahme der Verzögerung von ca. 1 m/s2 (3,5 zu ca. 2,5 m/s2) festzustellen, was erheblich ist. Der zeitnahen aktiven Bremsung eines Autofahrers zu einer Leichtkollision kommt daher eine durchaus maßgebliche Bedeutung zu. Für vorgenanntes (Einzel-) Beispiel zeigt sich mithin eine „Schwellenanhebung“ um ca 40 %. Berücksichtigt man weiterhin, dass die Versuchspersonen allesamt nicht unsensibilisiert waren, so ist im Realgeschehen eher eine noch größere Verschiebung zu höheren Werten zu erwarten. Die Versuchswerte kann man nun im Hinblick auf die jeweilige Anstiegszeit auflösen. Sie ergeben sich aus der Analyse der Versuchsspektren. Neben der „Störverzögerung“ durch die Handbremse ist auch die tatsächliche Bremsleistung des Versuchsfahrers bekannt (Anstiegszeit und Amplitude). Dies lässt eine Darstellung zu, bei der die Handbremsverzögerung (entspräche dem Kollisionsvorgang) der Fahrerabbremsung gegenübergestellt ist. Dabei läuft als Parameter im Diagramm die Anstiegszeit des Handbrems-/Kollisionssignals. Die „ruckartigste“ zusätzliche Verzögerungseinsteuerung liegt natürlich bei der kürzesten Anstiegszeit (sprich 0,1 Sekunde) in diesem Diagramm ganz unten und die längste, also eher seichte (zusätzliche) Verzögerungszunahme, sprich 0,7 Sekunden Anstiegszeit, ganz links oben in diesem Diagramm. Sämtliche Versuche, die von den Probanden im Rahmen ihrer eigenen Abbremsung nicht mehr wahrgenommen wurden (also die zusätzlich induzierten Verzögerungssignale) befinden sich für die jeweilige Anstiegszeit unterhalb der dazugehörigen, farbig markierten Geraden. Anzumerken ist noch, dass die meisten Versuchswerte im Anstiegsbereich von 0,2 bis 0,6 Sekunden erzielt wurden, weswegen die Lage der Grenzkurve hierfür am gesichertsten ist. Greift man sich hier beispielsweise einmal die bei schrägwinkeligen Kollisionen unter 20° bis ca. 30° typische Anstiegszeit von max. ca. 0,4 Sekunden (grüne Linie) heraus, so stellt man fest, dass eine zusätzliche Verzögerungseinsteuerung (in diesem Fall durch den Fondinsassen, also quasi Kollisionsereignis) von 3,5 m/s² (Wert auf der Y-Achse) dann gerade nicht mehr wahrgenommen wird, wenn der Fahrer selbst aktiv mit 4 m/s², also einer (leicht erhöhten) Angleichsbremsung, verzögert (Punkt A). Bei einer schwachen Angleichsbremsung des Probanden bzw. des Versuchsfahrers von nur 2 m/s² bliebe eine zusätzliche Verzögerungserhöhung infolge eines äußeren Ereignisses (Kollision oder zusätzlicher Bremseingriff) von etwa 2,6 bis 2,7 m/s² denkbar unentdeckt. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die hier vorgestellten Werte an der Obergrenze nicht mehr wahrgenommen wurden – es gab ergo auch Versuchsergebnisse, bei den Probanden ein vergleichbares Ergebnis sicher wahrnahmen. Inwieweit diese Personengruppe allerdings der Maßstab in einem Strafverfahren wegen Unfallflucht sein kann, ist wohl eher von Juristen zu beurteilen.
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6 Ergebnisse eigener Studien
Grenzkurven 4,5
0,1s
a (Kollision) [m /s²]
4,0
A
0,2s
3,5
0,3s
3,0
0,4s 0,5s
2,5
0,6s 2,0
0,7s 1,5
0,8s
1,0
0,9s 1,0s
0,5 0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
5,5
6,0
6,5
7,0
7,5
a (Fahrer) [m/s²]
Diagramm 6-15 Schwellenwertdiagramm in Abhängigkeit der Anstiegszeit
In das Diagramm 6-15 können zusätzlich noch die von WOLFF seinerzeit definierten Grenzwerte integriert werden, da er für unterschiedliche Signalanstiegszeiten auch entsprechende max. Verzögerungsamplituden des Kollisionssignals (bzw. des Fremdsignals) angab. Diese Linie verläuft leicht bogenförmig, quasi diagonal in diesem Diagramm (Diagramm 6-16). Wie oben erwähnt, ist nicht das gesamte Spektrum des Diagramms, wie es hier zu sehen ist, versuchstechnisch gut abgesichert. Auch wird ein Fahrzeugführer im Rahmen eines Rangierprozesses auf einem Parkplatz wohl nicht (grundlos) eine Vollbremsung einleiten, wenngleich nicht selten zu beobachten ist, dass Fahrzeugführer, die im Umgang mit Automatikfahrzeugen unerfahren sind, diese bisweilen voll abbremsen (vermeintliche Betätigung des Kupplungspedals). Interessant ist deswegen schon eher der Ausschnitt auf der X-Achse zwischen etwa 1,0 und max. 5,0 m/s² liegend. Da man bei Parkplatzkollisionen in aller Regel auch keine Kollisionsanstiegszeiten von ca. 0,1 Sekunden betrachten muss, ist im Hinblick auf die Ordinate (also Y-Achse) eigentlich der Bereich ab etwa 1,5 m/s² aufwärts von Interesse. Ebenso stellt man nach Integration der WOLFF-Grenzkurve fest, dass der unterhalb dieser Linie liegende Bereich uninteressant ist, denn schon in seinen damaligen Versuchen war nachweisbar, dass beispielsweise bei einer Anstiegszeit von 0,3 Sekunden mindestens eine Verzögerung von ca. 2 m/s² vorliegen muss, damit sie überhaupt sicher wahrgenommen wird (bis hierhin waren von ihm nicht wahrgenommene Versuche festzustellen).
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“
71
Grenzkurven 6,0
0,1s 0,2s
5,5
0,3s 0,4s
5,0 0,5s 0,6s
4,5
0,7s 0,8s
4,0
a (Kollision) [m/s²]
0,9s 3,5
1,0s eigene
3,0
Grenzkurve nach Wolff Grenzkurve nach Wolff (verschoben)
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
5,5
6,0
6,5
7,0
7,5
a (Fahrer) [m/s²]
Diagramm 6-16 Weitere Grenzkurven integriert
Würde nun der Fahrzeugführer bei gleicher Anstiegszeit des Kollisions- bzw. externen Verzögerungssignals (also 0,3 s) zusätzlich abbremsen, nämlich mit beispielsweise 3 m/s² (normale Betriebsbremsung), so würde sich die Wahrnehmbarkeitsschwelle erhöhen, nämlich in Richtung 2,3 m/s² (gegenüber dem WOLLF’schen Wert von 2 m/s²). Gravierender wirken sich oben genannte Zusammenhänge also erst mit zunehmender Kollisionsanstiegszeit aus, beispielsweise für eine mehr streifende Kollision mit dann relevanten 0,5 Sekunden. Hier wäre nach WOLFF eine Kollision bei einem Wert von etwa gut 2,7 m/s² als gerade wahrnehmbar einzustufen, während dann, wenn der Fahrzeugführer zeitgleich abbremst, der Verzögerungswert des Kollisionssignals auf bis zu nicht wahrnehmbaren fast 4 m/s² ansteigen kann (Abbremsung durch den Fahrer mit ca. 3 m/s2). Dies führt direkt vor Augen, wie erheblich der Einfluss einer von einem Fahrzeugführer zusätzlich eingeleiteten Abbremsung sein kann. Das soeben vorgestellte Diagramm mit den darin farbig dargestellten Parametern bzgl. der Anstiegszeit lässt sich auch – für den technischen Laien – wesentlich einfacher gestalten. Sämtliche darin enthaltenen Geraden gehorchen folgendem Gleichungstyp: aF = 12,5/b* (aK – c*0,55)
72
6 Ergebnisse eigener Studien
Darin ist aF die vom Fahrer eingeleitete Verzögerung, aK die Verzögerung infolge des Kollisionssignales. Die Variablen b und c ergeben sich über die jeweilige Anstiegszeit. Für eine kurze Kollision, mit einer Anstiegszeit von nur 0,1 Sekunden betragen die Werte b und c jeweils 1 (bei 0,2 Sekunden entsprechend 2, bei 0,3 Sekunden 3 usw). Nun unterscheidet man in unfallanalytischer Sicht allenthalben zwischen einer eher verhaltenen Verzögerungseinsteuerung durch den Fahrer, auch als Angleichsbremsung definiert (ca. 2,5 m/s²) und einer starken Betriebsbremsung, die mit max. 5 m/s² zu Buche schlägt. Wie durch das Einsetzen dieser Werte in vorgenannte Gleichungen leicht nachzuvollziehen ist, ergeben sich für diese typischen Verzögerungseinsteuerungen von Fahrzeugführern ganz einfache mathematische Zusammenhänge: aK > 9,5*'t – starke Bremsung aK > 7,5*ǻt – Angleichsbremsung. Diese beiden Gleichungen kann man wiederum in einem Diagramm darstellen.
Diagramm 6-17 Anstiegszeit/Verzögerungsspitze für unterschiedliche Fahrerbremsstärken
Da nach WOLFF schon folgte, dass bei gewissen Anstiegszeiten auch ebensolche Mindestkollisionssignale vorliegen müssen, kann der Gültigkeitsbereich des Diagramms nach unten durch die dort gelblich hervorgehobene Linie abgegrenzt werden. Das bedeutet, dass dann, wenn seitens des Pkw-Fahrers zeitgleich mit der Kollision eine Angleichsbremsung eingeleitet wird, ein Kollisionssignal infolge dieser Bremsung erst dann „beeinflusst“ wird, wenn es mindestens eine Anstiegszeit von 0,26 Sekunden besitzt. Im Falle der starken Abbremsung mit 5 m/s² beginnt der Einfluss bereits bei 0,16 Sekunden Anstiegszeit.
6.3 Wahrnehmbarkeitsgrenzen des „aktiven Versuchsfahrers“
73
Diese beiden Gleichungen bzw. das soeben vorgestellte Diagramm ist nun auch für den Nichttechniker vergleichsweise leicht handhabbar. Hat man es mit einer mehr streifenden Kollision zu tun, die dann Anstiegszeiten von zumindest etwa 0,4 Sekunden nach sich zieht, so wäre dann, wenn eine Angleichsbremsung zeitgleich mit dem Unfallereignis eingeleitet wurde, eine mit der Kollision einhergehende Fahrzeugverzögerung von bis zu 3 m/s² eventuell nicht mehr wahrnehmbar, also alle Wertekombinationen die unterhalb der blauen Geraden im Diagramm liegen. Wäre stattdessen eine starke Abbremsung mit 5 m/s² seitens des Unfallverursachers induziert worden, so müsste man zur roten Geraden hochloten, mit einer dann eventuell nicht mehr wahrnehmbaren Maximalverzögerung (durch die Kollision) von 3,8 m/s². Dies entspricht einer prozentualen Anhebung von ca. 27 %, wobei auch hier wieder in Erinnerung gerufen wird, dass alle Probanden der Versuchsreihe schon sensibilisiert waren. Die Wahrnehmungsgrenze nach WOLFF, die auf Versuchsergebnissen fußt, bei denen der Proband nur eine Verzögerung als solche wahrzunehmen hatte (nicht selbst aktiv fahrend und bremsend), liegt deutlich flacher in diesem Diagramm (mit zunehmender Anstiegszeit des Kollisionssignals). Dieses Ergebnis verblüfft im Grunde genommen wenig, da ohnehin mit einem solchen „Überlagerungseinfluss“ zu rechnen war– bislang war aber unbekannt, wie gravierend er ausfällt. Der Einfluss der vom Fahrer eingeleiteten, zusätzlichen Bremsung, sei es nun eine Angleichsverzögerung oder aber eine starke Betriebsbremsung, ist hier offensichtlich. Je streifender die Kollision abläuft bzw. je weicher die beteiligten Konturbereiche sind (dies verlängert auch die Anstiegszeit des Signals), um so mehr spielt der Einfluss einer vom Unfallverursacher eingeleiteten Verzögerung eine Rolle. Wurde also in der 1. und 2. Versuchsreihe, Kapitel 6.2 schon eine nicht unbeachtliche Einflussnahme eines zur Kollision hinzukommenden Bremssignals vermutet bzw. (indirekt) versuchstechnisch herausgearbeitet, so ist durch diese Versuchsanordnung (und die bisherige statistische Ergebnisabsicherung) der Nachweis hierfür gelungen. Sicherlich wäre eine Ergebnisfestigung durch weitere umfangreiche Versuche wünschenswert. Die Frage z. B. der Fahrwerksteifigkeit und nicht zuletzt der Einfluss zusätzlicher äußerer Parameter (z. B. unebene Fahrbahn) müsste nach Ansicht des Autors näher geprüft werden – angesichts der für solche Versuchsreihen höchst beschränkten Mittel (auch Zeit ist Geld) ist so etwas zeitnah von einem kleinen Ingenieurbüro nicht zu bewältigen. Evtentuell wird in (vielleicht) künftigen neuen Buchauflagen dieser Thematik weiter nachgegangen. Die bisher dargestellten Ergebnisse sind für den technisch weniger versierten Leser wohl eher etwas schwerer verständlich, weswegen nun in diversen praktischen Fallbeispielen die vorgestellten Erkenntnisse angewendet werden sollen. Dabei werden Realfälle gezeigt, in denen unfallanalytische Begutachtungen schon existierten, die mit Kenntnis der vorgenannten Zusammenhänge ganz gewiss zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. Es lässt sich nämlich den Schadensbildern zweier Kfz pauschal nie ansehen, wie „hart“ das eigentliche Kollisionsgeschehen war. Werden z. B. Karosseriesäulen überstrichen, also vom Gegner beaufschlagt oder aber mit einer Anhängerzugvorrichtung ein anderes Kfz touchiert, so muss kein hoher „Ruck“ im Verursacherfahrzeug auftreten.
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7
Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
7.1 Streifkollision zweier Pkw auf einem Parkplatz Im Rahmen eines Gerichtsauftrages war zu untersuchen, ob ein Unfallereignis auf einem Parkplatzgelände für den Unfallverursacher bemerkbar war bzw. ob er dieses hätte bemerken müssen, was ja im Rahmen von „Fahrerfluchtdelikten“ die wesentliche Frage ist. Es reicht nämlich nicht aus, die Wahrnehmbarkeit für „wahrscheinlich gegeben“ zu erachten: es gilt ja der Grundsatz in dubio pro reo. Beteiligt an diesem Unfallgeschehen war ein älterer Toyota Corolla, der mit der vorderen linken Karosserieecke die hintere rechte Tür und das angrenzende Kniestück bzw. den Beginn des rechten Radlaufes eines Seat Leon verschrammte/verschürfte. Fotos der unfallbeteiligten Fahrzeuge sind in Abb. 7-1 und 7-2 zu sehen. Die Kontaktfläche am Toyota Corolla liegt im Bereich des Stoßstangenumgriffs, also direkt oberhalb der dort integrierten Blinkleuchte, was demonstriert, dass, sofern alle Spuren unfallrelevant sind, ein nicht ganz flacher Anstoßwinkel in Betracht kommt. Bei derlei „vorschnellen“ Einschätzungen ist aber Vorsicht geboten, besitzen Kfz mit zunehmender Betriebsdauer oftmals solche „Kampfspuren“, da die Stoßstange die Funktion hat, das Kfz vor bleibenden Schäden zu schützen.
Abb. 7-1 Toyota Corolla, stoßender Pkw
K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1_7, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
7.1 Streifkollision zweier Pkw auf einem Parkplatz
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Auch bei streifenden Kontakten kommt es nicht selten zu lokalen Einformungen beim Unfallgegner, z. B. im Bereich eines formschwächeren Türblechs. Auch wenn entsprechende plastische Deformationsstrukturen nachkollisionär nicht festgehalten wurden (etwa im „zeitversetzten“ Schadensgutachten), so bedeutet das noch lange nicht, dass so etwas nicht direkt nach dem Unfall vorgelegen haben könnte. Lokale Eindellungen können sich auch wieder zurückbilden (etwa beim beherzten Türzuschlagen). Auch dies demonstriert, dass bisweilen etwas „Fantasie“ bei der Durchführung einer Kompatibilitätsanalyse nicht schadhaft ist.
Abb. 7-2 Toyota Corolla, Stoßstange mit umlaufenden Schürfspuren
Am Seat setzten die Berührspuren im vorderen Drittel der hinteren rechten Tür ein und zogen sich kontinuierlich bis über die hintere Türkante hinweg, wo anschließend der hintere rechte Radlauf bzw. das dortige Kniestück eingedrückt und verschürft wurde, Abb. 7-3 und 7-4. Durchgehende Schleifspuren waren auch noch – intensitätsschwach – auf der rechten Fondinsassentür nachvollziehbar.
Abb. 7-3 Seat Leon, gestoßenes, geparktes Fahrzeug
76
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-4 Schrammschäden auf der Tür in Höhe der Hinweispfeile
Für die Frage der Schadenkompatibilität ist auch ein Höhenvergleich der Schadensbereiche unerlässlich.
Abb. 7-5 Höhenvergleich der Schäden z. B. anhand von maßstabgerechten Skizzen
Wie man erkennen kann, liegt der verschürfte Stoßfängerbereich des Toyota genau in Höhe der Anstoßspur auf der rechten Seat-Fondinsassentür – insofern ist eine Schadenskomptibilität nicht ernsthaft in Frage zu stellen. Hier bildet im Übrigen die seitlich ansteigende Karosserieflanke (hintere Tür / C-Säule bzw. Kniestück) ein schräges Kontaktprofil, an dem sich auch die etwas weiter eingezogenen, gegnerischen Bauteile „anlehnen“ und mithin Schaden nehmen können. Aufgrund der Kontaktspurlage am Toyota Corolla und dem von vorne nach hinten zunehmenden Verformungsgrad am Seat war von einem Erstkontakt der Kfz unter einem Relativwinkel von etwa max. 25°, (Abb. 7-6) auszugehen.
7.1 Streifkollision zweier Pkw auf einem Parkplatz
77
Abb. 7-6 Anstoßkonfiguration Toyota (rot)/ Seat (schwarz)
Überträgt man die so gefundene Anstoßkonfiguration in eine maßstabsgerechte Skizze zur Unfallörtlichkeit, so gelangt man zur Abb. 7-7, wobei blau skizziert der ursprüngliche Standort des Toyota und rot der Erstkontaktbeginn sowie grünlich der Lösevorgang der Kfz wiedergegeben ist.
Abb. 7-7 Unfall-Ablaufskizze
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Wie in fast allen vergleichbaren Fällen erfolgte eine Besichtigung der Unfallstelle, wobei insbesondere auch dem Zustand des Untergrundes, auf dem das verursachende Fahrzeug zurückgesetzt wurde, Bedeutung geschenkt wird, Detailfotos Abb. 7-8 bis 7-10.
Abb. 7-8 Pflaster im Bereich der Parkfläche
Abb. 7-9 flacher Bordstein am Übergang zur Straße
Abb. 7-10 Hochfoto der Unfallörtlichkeit
7.1 Streifkollision zweier Pkw auf einem Parkplatz
79
Der Fahrbahnbelag dort war mit Grobbasaltpflaster, das leicht uneben verlief, befestigt. Bei Erreichen der, ebenfalls mittels Kopfsteinpflaster versehenen Fahrbahn, war mithin vom Toyota ein leichter Höhenunterschied zu überwinden (etwa knapp 2 cm hoch). Inwieweit für die Fahrerin der relevante Anstoßbereich am Toyota vorne links einsehbar war, wurde bei der Besichtigung dieses Kfz geprüft, Abb. 7-11. Unschwer zu erkennen ist, dass der vordere linke Pkw-Eckbereich erst ab einer Bodenstandshöhe von ca. 70 cm, also Kotflügelspitze und Motorhaube, einsehbar ist. Die eigentliche Anstoßstelle liegt – wie nicht anders zu erwarten – im „Sichtschatten“. Da die Unfallverursacherin schon in diesem Ortstermin angab, stets das Radio gut hörbar eingeschaltet zu haben, erübrigt sich an dieser Stelle eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Frage der akustischen Wahrnehmbarkeit, ist diese ja (bei stark streifenden Kontakten) maßgeblich von den Störgeräuschquellen abhängig, so auch dem Radioempfang und dessen Lautstärke.
Abb. 7-11 Sicht vom Fahrersitz
Quasi unerlässlich für die Einstufung der kollisionsbedingten Verzögerung ist zumindest die Beiziehung geeigneten Crashversuchmaterials, das man beispielsweise aus dem Internetportal CTS (crashtest-service.com) herunterladen kann. Im konkreten Fall konnten wir aber auf einen eigenen Unfallversuch zurückgreifen, der in den Videosequenzen/Momentanaufnahmen, in Abb. 7-12 a bis f zu sehen ist.
80
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
a)
b)
c)
d)
e)
f)
Abb. 7-12 Videosequenz – Crahversuch
In diesem Versuch wurde ein Opel Astra im Rahmen einer Rückwärtsfahrt mit der linken vorderen Karosserieecke gegen den Seitenbereich eines Opel Omega gesetzt. Der Anstoßwinkel erweiterte sich von zunächst gut 10 auf anschließend gut 15°. Die in diesem Versuch an den Kfz entstandenen Schäden waren im Hinblick auf die Formsteifigkeit der Kontaktzonen vergleichbar intensiv wie im vorliegenden Fall. Es wurde am Opel Omega zunächst die Fahrertür, dann die A-Säule und abschließend auch noch der vordere Radkastenbereich verschürft, verkratzt und oberflächlich eingedellt, Abb. 7-13. Die vergleichsweise tiefe Eindellung, die im Fahrertürbereich erzeugt wurde, entnimmt man unmissverständlich der Video-Bildabfolge. Sowohl die sich in Richtung Türende „abhebende“ Zierleiste, wie aber auch die bleibende Verformungstiefe im mittleren, weichen Türhautbereich sind überdeutlich.
7.1 Streifkollision zweier Pkw auf einem Parkplatz
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Dass darüber hinaus auch die vordere Fahrertür und das Kotflügelabschlussblech deutlich belastet wurden, zeigt Abb. 7-13. Man nimmt ein (sich in der Anstreifzone) veränderndes Spaltmaß wahr, das belegt, dass es nicht nur zu einem leichten „Schleifkontakt“ kam. Nach „Überstreichen“ der Kotflügelpartie wurde auch noch die Seitenfläche des Vorderreifens getroffen, also ein vergleichsweise wenig nachgiebiges Bauteil. Abb. 7-13 Schäden am Opel nahe der A-Säule
Auch der Opel Astra zeigte nachkollisionär deutliche Spuren des stattgefundenen Crashs, Abb. 7-14 und 7-15. Der seitlich umlaufende Stoßstangenschenkel bis etwa unter die Blinklichtposition im Stirnflächenbereich, wie aber auch das vordere Kotflügelblech waren verschürft und eingedellt (Kotflügelspitze).
Abb. 7-14 Detailschäden am Kotflügel
Abb. 7-15 Gesamtansicht des Astra-Schadensbereiches
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Das Schadensausmaß war insgesamt nicht „niederenergetischer“ als jenes, resultierend aus der Realkollision, weshalb es auch statthaft ist, das im Versuchs-Astra vom Datalogger registrierte Beschleunigungs-Zeit-Signal für die Beurteilung der Fühl-/Spürbarkeit des Bagatellunfalls heranzuziehen, Diagramm 7-1.
Diagramm 7-1 Verzögerungsdiagramm des Dataloggers im Opel Astra
Die Messwerterfassung zeigt, dass zwei unterschiedliche Längs-Beschleunigungsmaxima (schwarze Kurve) auftraten, die daraus resultieren, dass der Stoßfänger des Astra über die Radlaufkante des Opel Omega hinwegrutschte und es anschließend zu einer hohen Verzögerungseinsteuerung infolge des Kontaktes mit dem Vorderrad kam.
7.1 Streifkollision zweier Pkw auf einem Parkplatz
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Relevant für den Verschürfungsvorgang auf der Tür respektive den anschließenden Kotflügelkontakt ist der Verzögerungsmaximalwert von 1,5 m/s² bei einer Anstiegszeit von 0,8 Sekunden. Der anschließende Anstieg auf 1,9 m/s2 hängt mit dem abschließenden Reifenkontakt zusammen, der im aktuellen Fall aber zweifelsfrei nicht vorlag. Er ist also aus dem Signalverlauf gedanklich herauszustreichen. Im Spektrum erkennt man zudem die vom Datalogger aufgezeichnete Querbeschleunigung des Opel Astra, die ihr Höchstmaß bei „Überstreichen“ der A-Säule erreichte, wenngleich der Maximalwert mit etwa 0,4 m/s2 eher intensitätsarm ist. Folglich trat keine solche Wankbewegung im Inneren des Opel Astra auf, die nun von einem „normal“ konzentrierten Pkw-Fahrer hätte registriert werden müssen. Überträgt man diese Wertekombination in das Schwellenwertdiagramm nach WOLFF mit der durchaus auch nach oben verschiebbaren, modifizierten Grenzlinie, so stellt man fest, dass man sich in einem Bereich befindet, der umgeben ist von „nicht wahrgenommenen Versuchen“, Diagramm 7-2.
Diagramm 7-2 Schwellendiagramm
Es ließ sich also im Hinblick auf den, mit dieser real stattgefundenen Kollision nur sehr schwachen, Verzögerungsanstieg im Toyota Corolla klar nachweisen, dass dieses Unfallereignis von der Verursacherin nicht hätte wahrgenommen werden müssen und auch wahrscheinlich nicht wahrgenommen wurde. Dies belegt zumindest indirekt die Aussage eines außenstehenden Zeugen, der angab, dass die Fahrzeugführerin in einem Zug aus der Parklücke heraussetzte und ganz normal davonfuhr.
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Letztlich beeinflusst hier auch noch der unebene Untergrund die Wahrnehmbarkeit in negativer Hinsicht, da beim Befahren dieses gepflasterten Bereiches stets eine gewisse Unruhe im Fahrzeug vorhanden ist. Fahrversuche des Autors ergaben, dass das Überfahren von unebenen Fahrbahndecken (hier Basaltpflaster) kontinuierliche Längs- und Querbeschleunigungsausschläge von 0,2 bis 0,4 m/s2 (je nach Unebenheit) mit sich bringen können. Diesen Anteil müsste man, da er sich ja quasi als „Adaptationszustand“ darstellt, von oben genannten Spitzenwerten abziehen. So könnte ja ein Zustand auftreten, bei dem das Kfz infolge eines Abrollvorgangs (Herunterfahrens) von einer Bodenerhebung zeitgleich mit den Gegner kontaktiert; die Kollisionsverzögerung also um den oben genannten Anteil der Beschleunigung gemindert wird. Da sich am Toyota Corolla (sichere) Anzeichen für eine verzögerte Bewegung während der Kontaktphase nicht ergaben, bedarf es auch der Untersuchung der im letzten Kapitel erarbeiteten Zusammenhänge für diesen Fall nicht. Die Spurantragungen am Seat verliefen annähernd horizontal, sodass zumindest merkliche Bremsmomente des Toyota nicht anzunehmen sind. Letztlich wäre dies angesichts der auch so nicht (sicher) wahrnehmbaren Kollision im Ergebnis unbedeutend.
7.2 Ausgedehnte Streifkollision In einem Strafbefehl gegen einen zum Unfallzeitpunkt 43 Jahre alten Pkw-Fahrer wird vorgeworfen, infolge Unachtsamkeit beim Einparken einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem ein Fremdschaden in Höhe von gut 2.200,00 € entstand. Es heißt weiter dort, dass, obwohl vom Verursacher der Unfall bemerkt worden sei, er sich zu Fuß von der Unfallstelle entfernte, ohne zuvor die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Schon an dieser Stelle müssen, insbesondere dann, wenn man die Aussage eines Zeugen liest, Zweifel an der Wahrnehmbarkeit des Unfallgeschehens aufkommen. Vom außen stehenden Beobachter wurde nämlich vorgetragen, dass der Pkw-Fahrer in eine längs zur Fahrbahn angeordnete Parklücke in Vorwärtsfahrt einbog und mit der rechten Seite das hinter ihm stehende Fahrzeug vorne links touchierte. Dabei sei der Unfallverursacher zügig gefahren und habe diesen Streifschaden verursacht. Er selbst sei auf das Unfallgeschehen durch den Knall (Kollisionsgeräusch) aufmerksam geworden, den er von seinem Standpunkt in dem dort ansässigen Geschäft wahrgenommen habe (Distanz zum Unfallort wenige Meter). Der Unfallverursacher hatte das Fahrzeug verlassen und sei, ohne die Schäden zu betrachten, schnellen Schrittes davongegangen. In seiner eigenen Einlassung gab der Unfallverursacher an, in Eile wegen eines Arztbesuches gewesen zu sein. Zum Unfallzeitpunkt habe er (wie immer) im Fahrzeug laut Radio gehört. Nach dem Arztbesuch sei er dann auf direktem Wege nach Hause gefahren. Am Fahrzeug des Schädigers, einem VW Polo 1,2 l, entstand ein lang ausgedehnter Streifschaden an der rechten Karosserieseite. Die Abb. 7-16 bis 7-19 zeigen, dass der Schaden etwa im hinteren Drittel der Beifahrertür zunächst leicht streifend einsetzte und dann kurz vor der BSäule zu einer Eindellung in der Türbeblechung führte. Nach Überschreiten der B-Säule fanden sich dann Kontaktspuren am hinteren rechten Seitenteil, das ebenfalls leicht eingedrückt wurde. Der Radlauf sowie die sich daran anschließende hintere, seitlich umlaufende Stoßfängerpartie wurden ebenfalls oberflächlich verschürft und verschrammt.
7.2 Ausgedehnte Streifkollision
Abb. 7-16 Schadensbilder Pkw VW Polo, grüner Pfeil = Kontaktbeginn
Abb. 7-17 Schadenszone nahe Kniestück mit bleibender Delle
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-18 Schadensbild Pkw VW Polo / Detailansicht
Abb. 7-19 Schadensbild Pkw VW Polo/ Pfeil: Kontaktende am hinteren Radlauf
7.2 Ausgedehnte Streifkollision
87
Beim Unfallgegner, einem Suzuki Wagon R entstand ein Schaden an der vorderen linken Karosserieecke, Abb. 7-20 und 7-21. Erkennbar ist eine Verlagerung bzw. Verdrückung der vorderen linken Stoßfängerpartie. Auch am Kotflügel oberhalb sind Schadensspuren zu erkennen. Zudem wurden vom Schadensgutachter Bruchspuren an den vorderen linken Beleuchtungseinrichtungen festgestellt. Auch das Lampentrageblech sei seitlich gestaucht gewesen. Am Laufrad vorne links wären Anpressspuren feststellbar gewesen. Seine Kalkulation führte auf einen Gesamtschadenbetrag am Suzuki von netto knapp 1.800 €, womit die „juristische Bagatellgrenze“ überschritten wurde.
Abb. 7-20 Schadensbild abgeparkter Pkw Suzuki Wagon R
Abb. 7-21 Detailansicht Pkw Suzuki Wagon R
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Nicht nur wegen der zeugenschaftlichen Unfallschilderung, sondern unzweifelhaft wegen der Fahrzeugschäden muss der VW Polo zunächst unter einem Relativwinkel von annähernd 20° mit dem hinteren Drittel der Beifahrertür gegen die vordere linke Suzuki-Seite gestoßen sein, ähnlich Abb. 7-22.
Abb. 7-22 Anstoßkonfiguration (oben Suzuki / unten VW Polo)
Von hier an nahm dann allerdings (nach Kontaktnahme mit dem Suzuki) die Einlenkbewegung des VW Polo nicht weiter zu, er konnte dann in quasi Geradeausfahrt in die davor befindliche Parklücke am Fahrbahnrand gelangen. Dies zeichnet sich auch am Schadensbild des VW Polo ab, dort ist eine merkliche Zunahme der Deformationstiefe entlang der rechten Fahrzeugseite insgesamt nicht festzustellen. Hätte der Unfallverursacher kontinuierlich stark nach rechts eingelenkt, so wäre aufgrund der Seitenteilverlagerung in Richtung abgeparktem Suzuki eine deutlich größere Intrusionstiefe entstanden, die man aber so nicht feststellen kann. Auf den ersten Blick wirkt das Schadensausmaß an beiden Kfz durchaus beachtlich, nicht zuletzt deswegen, weil die Anstreiflänge am unfallverursachenden VW Polo immerhin etwa 1,5 m betrug. Der Zeuge will durch das Unfallgeräusch auf den Schadenhergang aufmerksam geworden sein. Dies bedingt natürlich ein, über die nicht gerade sehr hohe Lautstärke einer solchen Streifkollision hinausgehendes „Schalldruckpegelereignis“. Was sehr wahrscheinlich seitens des Zeugen wahrgenommen worden sein wird, war das Reißen bzw. Platzen der vorderen Beleuchtungseinrichtungen am Suzuki (laute Knackgeräusche). Befand er sich zudem unweit des eigentlichen Anstoßortes (seinen Angaben nach wenige Meter), so wird je nach genauer Schallabschirmung in seinem Geschäft (eventuell Fenster oder Tür geöffnet) eine merkliche akustische Dämmung möglicherweise nicht vorgelegen haben, womit für ihn das Unfallgeschehen auch akustisch gut wahrnehmbar war. Dies muss, wie bereits zuvor erläutert, für den Unfallverursacher so nicht gelten. Er sitzt im Fahrzeug von der Außenwelt akustisch gut abgeschirmt. Schenkt man dem Unfallverursacher Glauben, dass er laut Musik hörte, so wäre damit ein Lautstärkepegel im Wageninneren von zumindest 80–85 dB(A) verbunden. Es hätte eines Anstoßgeräusches außerhalb des Fahrzeugs von zumindest 100 dB(A) erfordert, damit die Weiterleitung ins Fahrzeuginnere, nämlich um zumindest 20 dB(A) geschwächt, an den Lautstärkepegel des Radios herangekommen wäre.
7.2 Ausgedehnte Streifkollision
89
Wie umfangreiche Untersuchungen unseres Hauses gezeigt haben, treten aber bei derlei Kollisionskonstellationen so hohe Geräuschpegel in der Außenatmosphäre (selbst beim Platzen oder Knacken von Beleuchtungseinrichtung) nicht auf, so dass der Nachweis der akustischen Wahrnehmbarkeit, wie in vielen anderen Fällen, so nicht zu führen ist. Für die Frage der Fühl- oder Spürbarkeit des Unfallgeschehens wurde ein Vergleichsversuch gefahren. Die Versuchsanordnung ist den Abb. 7-23 und 7-24 zu entnehmen.
Erstkontaktwinkel ca. 20°
Blick in Gegenrichtung Abb. 7-23 Versuchsanordnung, geparktes Kfz steht unter 20°
90
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Mit zunächst leichtem Lenkeinschlag wurde der schadenverursachende Rover an den schräg dazu positionierten Opel Astra gestellt. Sodann wurde mittels leichtem Lenkeinschlag um die vordere linke Karosserieecke des Opel Astra herumgefahren, Videoeinzelbilder 7-24 und 7-25 (Bilder 1 bis 10).
Abb. 7-24 Videosequenz – Momentanbilder
7.2 Ausgedehnte Streifkollision
Abb. 7-25 Videosequenz – Momentanbilder
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Nachkollisionär war am schadenverursachenden Pkw Rover ein insgesamt stärkeres Schadensbild als am unfallverursachenden VW Polo festzustellen, Abb. 7-26 und 7-27.
Abb. 7-26 Schadensbild Versuchsfahrzeug Rover / Kontaktbeginn im Fahrertürbereich
Abb. 7-27 Schadensbilder Versuchsfahrzeug Rover / Eindringtiefe statisch ca. 2 cm
Auch am Rover setzte der erste Streifkontakt im hinteren Drittel der Beifahrertür ein, überstrich dann die B-Säule und führte zu einer deutlichen Verformung im Bereich des hinteren rechten Seitenteils. Ein Radkontakt war durch eine entsprechende Berührspur feststellbar. Mittels angelegter Wasserwaage, Abb. 7-27, war feststellbar, dass eine wesentlich größere Eindringtiefe im Seitenteil erzielt wurde als am schadenverursachenden VW Polo. Schon die statische Deformationstiefe lag bei gut 2 cm. Im dynamischen Kollisionsprozess liegt sie bekanntermaßen noch darüber, weil zumindest geringe Rückverformungseigenschaften solcher Karosseriebleche nachkollisionär zu beobachten sind. Am getroffenen Opel Astra kam es zum Kontakt mit dem seitlich umlaufenden Stoßfänger und dem darüberliegenden Kotflügelblech. Auch die vordere Reifenflanke wurde leicht beaufschlagt. Es war hier eine etwas geringere Verformungsintensität festzustellen als am Suzuki, da dieser deutlich eckiger konzipiert ist, womit die quasi senkrecht stehenden, allerdings nicht sehr formstabilen Beleuchtungsbauteile vorne links schneller kontaktiert werden konnten. Interessant für die Frage der Fühl- bzw. Spürbarkeit dieses Anstoßgeschehens war natürlich wieder der vom Datalogger registrierte Verzögerungsaufschrieb und auch die Wahrnehmung des Versuchsfahrers. Von Bedeutung ist hier natürlich auch die mit einem solchen Kollisionsvorgang einhergehende Wankbewegung des unfallverursachenden Kfz, also dessen Querbeschleunigung. Das Diagramm 7-3 gibt zu erkennen, dass ein Verzögerungsmaximum von etwa 2,0 m/s² bei einer Anstiegsdauer von etwa 0,9 s auftrat. Der Versuch wurde mit einem Tempo von gut 6 km/h, also ebenfalls nicht sehr langsam, gefahren.
7.2 Ausgedehnte Streifkollision
93
Diagramm 7-3 Verzögerungsaufschrieb Datalogger im stoßenden Rover
Dass ein kleiner Verzögerungssprung in der Datenaufzeichnung festzustellen war, hing mit der Eindringbewegung der vorderen linken Karosserieecke des Opel Astra in den sich in Richtung Hinterrad öffnenden Freiraum (Radkastenöffnung und tiefer liegendes Hinterrad) zusammen. Infolge der schlussendlichen Kontaktierung im Bereich des Hinterrades und der hinteren Karosseriestruktur kam es dann zu einer weiteren Verzögerungsabnahme auf den Mindestwert in diesem Diagramm.
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Vom Fahrer des hier schadenverursachenden Rover war die mit der Kollision zusammenhängende Verzögerung selbst nicht zu spüren, auch nicht dieser kleine Verzögerungssprung. Obwohl im Rover kein Radio eingeschaltet war, konnte das Kollisionsgeräusch, das im Außenbereich relativ laut war (laut Lautstärkepegelmessermaximum 83,3 dB(A)), im Fahrzeuginneren nur sehr leise vernommen werden. Auch die im Fahrzeug aufgetretene Querbeschleunigung, Diagramm 7-4, lieferte keine großen Wertekombinationen. Das Maximum der Querbeschleunigung lag bei etwa 1,3 m/s² (Anstiegszeit 0,59 s).
Diagramm 7-4 Querbeschleunigungsspektrum
7.2 Ausgedehnte Streifkollision
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Bedenkt man, dass der Durchschnittsfahrer im Rahmen von zügigen Kurvenfahrten Querbeschleunigungen von gut und gerne 2,5-3 m/s² noch „duldet“ bzw. „hinnimmt“, so ist die mit dieser Kollision einhergehende Wankbewegung bzw. Querbeschleunigung unauffällig klein. Der Fahrer des hier unfallverursachenden Kfz rechnet ohnehin mit einer Wankbewegung aufgrund seiner Einlenkbewegung, so dass auch die oben genannten Querbeschleunigungskomponente letztlich nicht aus dem üblichen Erfahrungsschatz „heraussticht“. Überträgt man nun die Wertepaarung ins so genannte Schwellenwertdiagramm, so erkennt man, dass eine 100%-ige Überschreitung der Schwelle bei einer derart zeitlich ausgedehnten Streifberührung erst in Bereichen sicher oberhalb von 4 m/s² festzustellen sind, womit folgt, dass auch hier der Nachweis der Fühl- bzw. Spürbarkeit des Anstoßgeschehens nicht führbar war.
Diagramm 7-5 Schwellenwerte
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass man in der Fahrerposition auch über den rechten Außenspiegel die Nähe des letztlich getroffenen Unfallgegners nicht feststellen konnte. Es war also dem Fahrer mithin nicht möglich, die Anstoßzone direkt einzusehen. Man kam also für diese Unfallangelegenheit zu dem letztendlich nicht verblüffenden Ergebnis, dass der Fahrer das Anstoßgeschehen wohl selbst nicht wahrgenommen haben wird. Nicht zuletzt seine Verhaltensweise vor Ort, nämlich das Stehenlassen des Verursacherfahrzeugs direkt vor dem geschädigten Fahrzeug deutet nun nicht gerade darauf hin, dass das mit dem Anstoß verbundene Kollisionssignal (akustischer oder kinästhetisch-taktiler Art) nun sonderlich auffällig gewesen wäre. Angesichts einer solchen Situation, nämlich einer Direktbeobachtung durch Personen in einem nahe gelegenen Geschäft, den Unfallort zu verlassen, obschon die Schäden für die Zeugen offensichtlich erkennbar waren, setzt schon eine gehörige „Portion Kaltschnäuzigkeit“ beim Unfallverursacher voraus. Wenngleich dies natürlich kein technischer Beweis ist, so lässt diese Ausgangssituation bei erster Sicht der Dinge schon eine Beurteilungstendenz zu.
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
7.3 Ausparkkollision VW Golf/3er BMW Anlass der Beauftragung war eine Kollision zweier Pkw im Rangiervorgang. Ein VW Golf Typ-V stieß im Rahmen einer Rückwärtsfahrt mit der hinteren rechten Konturecke gegen den vorderen linken Radlaufbereich eines dahinter befindlichen 3er BMW. Im Rahmen eines gegen den VW Golf-Fahrer eingeleiteten Strafverfahrens sollte der Frage nachgegangen werden, ob das Unfallgeschehen, sofern die Schäden kompatibel sind, hätte wahrgenommen werden müssen. Auch hier wurde vorab eine Besichtigung der Vorfallstelle durchgeführt, Abb. 7-28 und 7-29. Der Golf wurde über die dort zu sehende, gepflasterte Ausfahrt rückwärts in Richtung Straße gesetzt und stieß gegen den BMW, der auf dem gegenüberliegenden Parkstreifen stand, also dort, wo man in Abb. 7-29 die sitzende Person sieht.
Abb. 7-28 Ausfahrt
Abb. 7-29 Seinerzeitiger Standort des BMW in Höhe der Person
7.3 Ausparkkollision VW Golf/3er BMW
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Am VW Golf waren Schäden hinten rechts an der Stoßfängerecke sowie der darunter befindlichen Schürze deutlich zu erkennen. Letztgenannte wurde in Fahrtrichtung fehlgestellt und war zuunterst eingerissen, Abb. 7-30 und 7-31. Sofort ins Auge fiel natürlich der Reifenprofilabdruck (Abb. 7-30) an der unlackierten Schürze, der einen entsprechenden Kontakt am „Gegner“ erwarten ließ.
Abb. 7-30 Schadenspuren am stoßenden VW Golf, Reifenkontaktspur
Die Schäden auf dem lackierten Stoßfängerüberzug reichten bis an die Heckzone heran – man erkennt im Bild 7-31 noch links oben den unteren Heckklappenbereich. Die Kratzer und Schürfspuren durchdrangen die komplette Lackschicht; das Kunststoffmaterial trat deutlich zutage.
Abb. 7-31 Detailspuren am VW Golf
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Am geparkten BMW zeigten sich auffällige Schäden am linken Kotflügel. Die vordere Hälfte des Radlaufes war auf einer Höhe von ca. 50 bis 65 cm Höhe beschädigt. Auch der seitlich umlaufende Stoßfänger inkl. der darauf befindlichen Leiste zeigte Berührspuren.
Abb. 7-32 Angestoßener, geparkter 3er-BMW
Abb. 7-33 BMW Seitenansicht
7.3 Ausparkkollision VW Golf/3er BMW
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Ergo muss der potenzielle Unfallgegner mit einer Konturecke zunächst den Stoßstangenschenkel des BMW getroffen und diesen seitlich verlagert haben. Hierdurch war dann die merkliche Eindellung des rechten strukturharten Radlaufes möglich – ein Kontakt mit dem nahestehenden Vorderrad war hierdurch quasi „vorprogrammiert“. Zum Zwecke der Kompatibilitätsprüfung wurden Vergleichsfahrzeuge mit einem Gliedermaßstab abfotografiert und dann in einer Fotoüberlagerung einander gegenübergestellt, Abb. 7-34. An der Schadenszuordnung bestand aus technischer Sicht kein Zweifel, zumal der VW Golf im unteren Schürzenbereich klare Spuren eines Reifenkontaktes erkennen ließ, die natürlich zu der Belastungszone am BMW in der Nähe des linken Vorderrades sehr gut passten. Das Reifenprofil des BMW war im Flankenbereich sogar noch bis in Details nachvollziehbar.
Abb. 7-34 Höhenvergleich mittels Fotoüberlagerung
Aufgrund der bis ins VW-Heck hineinreichenden Schadensspuren könnte man ohne genaue Kenntnis des BMW-Schadensbildes voreilig schließen, es hätte hier eine „stumpfwinkelige“ Kollisionsanordnung vorgelegen. Tatsächlich fanden sich aber auch am seitlichen VW-Stoßfängerschenkel Verschürfungen, deren Herkunft ebenfalls zu klären waren. Bedenkt man, dass der Stoßstangenumgriff des BMW vergleichsweise weich ist, so konnte bei einer schrägen Kfz-Anordnung zunächst die VW-Seite dort anstoßen und sodann die Heckpartie „stumpfwinkeliger“ gegen den BMW-Radlauf und das Vorderrad geraten, ähnlich Abb. 7-35 (rote Kfz-Modelle).
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Die rückwärtige Bogenfahrt aus der Grundstückszufahrt ist hier durch die andersfarbigen Modelle angedeutet worden. Man erkennt, dass der aus den Schäden hergeleitete Anstoßwinkel, beginnend unter ca. 25°, auch plausibel zu einer normalen Fahrweise in der Örtlichkeit passt.
Abb. 7-35 Skizze Ausparksituation
Da es sich bei den beobachtbaren VW-Beschädigungen nicht um nur eher oberflächliche, leichte Kratzspuren handelt, sondern durchaus auch schon um Schäden, die eine größere Wechselwirkung der Kfz voraussetzen, wurde zum Zwecke der Beurteilung des im VW Golf aufgetretenen Verzögerungssignals eigens ein Crashversuch gefahren. Aus Kostengründen wurde natürlich nicht auf so hochwertige Fahrzeuge zurückgegriffen, da es hier nur prinzipiell darum ging, wie stark die Erschütterungen im unfallverursachenden Fahrzeug im Rahmen einer ähnlich gelagerten Kollision waren. Im Versuch eingesetzt wurde ein, ebenfalls mit einem großvolumigen Stoßfänger im Heckbereich ausgestatteter Mazda 121, der rückwärts gegen einen VW Golf II gefahren wurde. Diese Crash-Konstellation wurde nicht zuletzt aufgrund des Massenverhältnisses der im Realfall kollidierenden Kfz gewählt – zusätzlich war der Crash-Mazda im Heck-Eckbereich von ähnlicher „Konzeption“ wie der VW Golf im vorliegenden Fall. Einige Momentanstandbilder des Videofilms zum durchgeführten Unfallversuch sind zu sehen in den Abb. 7-36 a bis f. Die im Versuch eingehaltene Geschwindigkeit lag bei gut 3 km/h (Videoauswertung). Bei dem auch hier unter 25° durchgeführten Anstoß (Beginn Bild a) kam es zunächst zum Kontakt mit der vorderen VW-Kotflügelfläche. Danach schob sich die Heckzone des MazdaStoßfängers in die Berührebene Radlauf und Vorderrad des VW Golf hinein, wo die Bewegungsenergie des Mazda letztlich aufgezehrt wurde – er kam dort zum Stillstand, konnte also aufgrund der hier stumpfwinkeligen Kfz-Orientierung nicht am Gegner vorbeifahren.
7.3 Ausparkkollision VW Golf/3er BMW
101
a)
b)
c)
d)
e)
f)
Abb. 7-36 Videosequenz / Momentaufnahmen
Auch hier war im unfallverursachenden Crashfahrzeug (Mazda) ein Datalogger installiert, der das nachfolgende Spektrum (Diagramm 7-6) lieferte. Daraus ist ersichtlich, dass bei einer mittleren Anstiegszeit von 0,31 Sekunden ein Spitzenwert von insgesamt 3,1 m/s² (Summe der Relativwerte unterhalb und oberhalb der Nulllinie) auftrat. In diesem Zusammenhang ist daraufhin zu weisen, dass der Maximalausschlag auch Anteile unterhalb der x-Achse beinhalten kann, kommt es auf den „Startpunkt“ des Verzögerungssignals im Diagramm an.
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Diagramm 7-6 Verzögerungsdiagramm der nachgestellten Kollision
Die am Crash-Golf eingetretenen Beschädigungen sind im Hinblick auf ihre Intensität jenen am BMW nicht nennenswert „unterlegen“. Beginnend im vorderen, seitlichen Kotflügelblech entstanden deutliche Schramm- und Schürfspuren, die sich auch bis in die Radlauferhebung, Abb. 7-37, erstrecken. Letztgenannter wurden dann bis zum anschließenden Radkontakt durchgehend verformt. Auch die vertikale Schadensausdehnung lässt sich quasi 1:1 auf das Erscheinungsbild des BMW im Realfall übertragen. Von der unteren Radlaufkante bis zu ihrem Zenit stellten sich durchgehende Antragspuren und auch leichte Eindellungen ein. Eine deutliche Verfärbung an der seitlichen Reifenflanke verriet einen abschließenden PkwKontakt dort; dies ließ sich schon anhand des Videomitschnitts zu diesem Versuch nachvollziehen.
7.3 Ausparkkollision VW Golf/3er BMW
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Der im Versuch stoßende Mazda erlitt starke Schramm- und Schürfspuren am hinteren, seitlich umlaufenden Stoßstangenschenkel, Abb. 7-39. Die kräftige Fehlstellung dort ist leicht anhand des sich in Fahrtrichtung vergrößernden Spaltmaßes zur Seitenunterkante nachzuvollziehen. Schlussendlich waren auch dort Belastungsspuren in Form von Lackabschabungen und leichten Eindellungen festzustellen. Im Ergebnis ist damit das in diesem Versuch erzielte Schadensausmaß insgesamt nicht merklich intensitätsschwächer als im Realfall.
Abb. 7-37 Schadenausmaß am getroffenen Golf
Abb. 7-38 Detailfoto Radlauf Golf
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-39 Versuchsfahrzeug Mazda – starke Schrammspuren /Spaltmaßänderung
Integriert man zunächst das aus dem Versuch resultierende Messwertgefüge in das Beurteilungsdiagramm nach WOLFF, Diagramm 7-7, so stellt man fest, dass er sich oberhalb der Wahrnehmbarkeitsgrenze befindet (grünes Kreuz). Rot in diesem Diagramm ist die nach DEEKEN als „oberste Wahrnehmungsschwelle“ definierte Linie zu sehen, die für den Fall eines stark abgelenkten Fahrzeugführers gelten kann. Für einen „solchen Unfallverursacher“ wäre hier der Nachweis der Wahrnehmbarkeit des Unfallgeschehens technisch mithin nicht sicher führbar.
Diagramm 7-7 Beurteilung der Spür-/Fühlbarkeit
7.3 Ausparkkollision VW Golf/3er BMW
105
Nach Autorenansicht wäre daher im Sinne „in dubio pro reo“ die Fühl-/Spürbarkeit der stattgefundenen Kollision zumindest in Zweifel zu ziehen. Nun fand der Anstoß – in der Örtlichkeit – in einem Bereich statt, wo man erwarten kann, dass der Betroffene die Rückwärtsfahrt beendete, um sodann nach vorn wegzufahren. Die Möglichkeit einer – zum Anstoßgeschehen – zeitnahen (willentlichen) Fahrzeugabbremsung durch den Verursacher ist dikutabel. Mit den im letzten Kapitel gewonnenen Erkenntnissen, die auf eine mögliche gleichzeitige (zeitnahe) Fahrzeugverzögerung im Zuge der Kontaktnahme abzielte, wäre unter Rückgriff auf das nachfolgende Diagramm 7-8 festzustellen, dass bei der hier relevanten Anstiegszeit von gut 0,3 Sekunden eine vom Unfallverursacher zeitgleich eingeleitete Fahrzeugverzögerung von erheblichen 5,5 m/s² notwendig gewesen wäre, um das Unfallgeschehen noch in den Wahrnehmungsgrenzbereich zu verschieben. Eine solche Abbremsung ist im Rahmen eines Rangierprozesses schon als außergewöhnlich hoch zu bezeichnen – man könnte dann auch argumentieren, es handele sich um eine, zur Unfallvermeidung eingeleitete, starke Abwehrverzögerung.
Diagramm 7-8 Einfluss einer überlagerten Fahrzeugabbremsung
106
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Andersherum demonstriert gerade dieser Fall, welcher Schadensausmaße es im Realfall bedarf, bevor man sich überhaupt in die „Grauzone“ der „Wahrnehmbarkeitsschwelle“ begibt. Es müssen schon recht ausgeprägte Schadensspuren am getroffenen Fahrzeug vorliegen, bevor man die Fühl-/ Spürbarkeit sicher bejaht – allein die Existenz von Schleifspuren (ohne Deformationen) wird den Wahrnehmbarkeitsnachweis generell nicht ermöglichen.
7.4 Stumpfwinkelige Kollision zwischen einer Anhängerkupplung und einer Pkw-Frontpartie Bisher wurden mehr oder minder streifende Fahrzeugkontakte vorgestellt. Wie aber verhält es sich bei vermeintlich (weil auf den ersten Blick) stumpfwinkeligen Realunfällen? Viele Gutachter neigen hier nicht selten zu vorschnellen Einschätzungen; mit dieser Art Crashs wird je ein harter „Ruck“ wegen der zu erwartenden kurzen Kollisionsdauer vermutet. Dass dem nicht so sein muss, zeigt das folgende Beispiel. In einem seinerzeit zu beurteilenden Unfallgeschehen wurde die Front eines Pkw Ford KA durch den Anhängerzughaken eines (zunächst davor parkenden) VW Passat Kombi beschädigt. An dem abgeparkten Ford KA entstand eine deutliche Eindellung im Bereich des Kennzeichens und eine Durchdrückung des vorderen, voluminösen Stoßfängerüberzuges bis in Richtung des Querträgers, an dem sich leichte Abdruckspuren fanden. Mit solchen Anstoßgeschehen verbindet man sofort eine kräftige Fahrzeugerschütterung, da es sich bei dem Zughaken des unfallverursachenden Fahrzeugs um ein sehr steifes Bauteil handelt, das in starrer Verbindung zum Fahrzeugrahmen steht, mithin einen Kollisionsruck also gut in die Insassenzelle transportieren kann. Mit der Stirnfläche des getroffenen Pkw verbindet man ebenfalls eine hohe Formstabilität; die dort montierte Stoßstange besitzt die Aufgabe, leichte Anstöße möglichst schadenfrei zu absorbieren. Da derlei Kollisionskonstellationen nicht selten sind, wurden mehrere Crashversuche mit zunehmender Intensität durchgeführt, nämlich bis der Kugelkopf der Anhängerkupplung des verursachenden Pkw sowohl das Kennzeichen des Ford KA, wie aber auch den Stoßfängerüberzug so stark verformte, dass es zum Kontakt mit dem dahinter liegenden Querträger kam.
Abb. 7-40 Kennzeichen des Ford KA mit deutlichen Verformungsspuren
7.4 Kollision zwischen einer Anhängerkupplung und einer Pkw-Frontpartie
Abb. 7-41 9erbauter Metallquerträger hinter der Stoßfängerverblendung
Abb. 7-42 Stoßender Versuchs-Pkw VW Passat mit starr angebrachter AHK
Abb. 7-43 Höhenlage der AHK
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108
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-44 Anstoßkonfiguration zu Beginn der Versuchsreihe
Abb. 7-45 Draufsicht: AHK stark exponiert
Es wurden insgesamt drei Versuche gefahren, bei denen nur der dritte, weil mit einem Tempo von knapp 3 km/h gefahren, zu merklichen Schäden am Ford KA führte. In den ersten beiden Crashs kam es lediglich zur Eindellung des aus dünnem Blech gefertigten Kennzeichens. Nach dessen Demontage waren (nachhaltige) Belastungsspuren an der Kunststoffverkleidung (und auch dahinter) nicht ersichtlich. Der dritte Versuch führte dann zu einer deutlichen Verformung des Kunststoffteils – die Stossweiterleitung in den dahinter befindlichen Querträger war offensichtlich, dort tat sich eine schwache Delle auf. Auch an der strukturierten Rückseite des Stossfängerüberzugs, Abb. 7-47, waren Ausbrüche der Kunststoffstege und Lamellen festzustellen. Sie demonstrierten eindrucksvoll, dass der Kugelkopf der AHK tief in die (punktuell belastete) Stossfängerpartie des Ford KA eingedrungen war.
7.4 Kollision zwischen einer Anhängerkupplung und einer Pkw-Frontpartie
Abb. 7-46 Verformungsstellen an der Stoßfängerverkleidung hinter dem Kennzeichen
Abb. 7-47 Verformte Kunststoffstege bzw Lamellen an der Stossfängerrückseite
Abb. 7-48 Stoßfängerrückseite, gebrochener Kunststoffsteg
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110
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-49 Kontaktspuren am Metallquerträger
Die Untersuchung des Passat- Anhägerzughakens ließ erwartungsgemäß keine Beschädigungen erkennen. Für eine ordnungsgemäße Instandsetzung des Ford KA wären neben dem voluminösen (kompletten) Stossfängerüberzug auch der Ersatz des vorderen Querträgers (und auch des Kennzeichens) angezeigt gewesen, also ein in Hinsicht „Bagatellgrenze“ nicht vernachlässigbares Schadensausmaß. In der Nähe des VW Passat-Fahrersitzes (dortige Bodengruppe) war wiederum ein Datalogger installiert, der die mit dem Unfallgeschehen einhergehenden Verzögerungen registrierte. Bei der Auswertung wurde allerdings die Querbeschleunigungskomponente ausgeblendet, da schon auf Grund der Anstoßgeometrie mit einer kollisionsbedingten Pkw-Wankkomponente nicht zu rechnen war. Der VW Passat wurde ja ausschließlich in längsaxialer Richtung verzögert. Dieser Komponente kommt also die Hauptbedeutung hinsichtlich der Frage der Fühl-/Spürbarkeit zu. Im Diagramm 7-9 ist wieder in vertikaler Richtung die VW-Verzögerung, in horizontaler Richtung der Zeitverlauf dargestellt. Der mit Rollverzögerung (ca. 0,17 m/s2 – Kupplung im VW Passat getreten) kollidierende Verursacher-Pkw wurde auf einen Absolutwert von 2,65 m/s2 kollisionsbedingt abgebremst. Aufgrund der oben genannten „Nullpunktlage“ resultiert ein Verzögerungsniveau im Crashverlauf von 2,48 m/s2, das sich in einem Zeitfenster von ca. 0,35 s aufbaute. Diese Wertekombination beschreibt ja die „Kollisionshärte“ oder auch den von WOLFF definierten „Ruck“. Der oben genannte Versuchswert liegt (Diagramm 7-10) erkennbar oberhalb der „Wahrnehmbarkeitsschwelle“ nach WOLLF und wäre mithin als „spür/fühlbar“ einzustufen.
7.4 Kollision zwischen einer Anhängerkupplung und einer Pkw-Frontpartie
Diagramm 7-9 Messspektrum im VW Passat
Diagramm 7-10 Versuchspunktlage im Bewertungsdiagramm
111
112
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Die in den Versuchen von DEEKEN nach oben verschobene „modifizierte Grenzlinie“ wird dabei aber nicht überschritten, was man zu Gunsten des Betroffenen bei „gehöriger“ Abgelenktheit auch als Argument für ein „Nichtregistrieren- müssen“ anführen könnte. Damit hätte man aber das gesamte „Parameterspektrum“ zugunsten des Unfallverursachers noch nicht ausgeschöpft, ist ja nicht auszuschließen, dass in zeitlicher Nähe zum Anstoßgeschehen vom Fahrzeugführer willentlich verzögert wurde. Im Diagramm 7-11 wurde ja der Einfluss einer (quasi) überlagerten Pkw-Abbremsung aufgezeigt.
Grenzkurven 0,7s
4,5
0,6s 0,5s
4,0
a (Kollision) [m/s²]
3,5
0,4s
0,35s
3,0
0,3s
B
2,5 A
2,0 0,2s
1,5
1,0 0,1s
0,5 0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
a (Fahrer) [m/s²]
Diagramm 7-11 Einfluss einer überlagerten Verzögerung
Zeichnet man die Wahrnehmungsschwelle für die hier relevante Anstiegszeit von 0,35 s ein und verbindet selbige mit dem Crash-Verzögerungswert von (knapp) 2,5 m/s2, so stellt man
7.5 Anstoß mit voller Überdeckung
113
nach Loten in Richtung X-Achse (vom Punkt B aus) fest, dass bei einer, vom Fahrer zeitgleich induzierten, schwachen Angleichsbremsung mit mindestens 2 m/s2 eine Wahrnehmbarkeit nicht mehr sicher nachweisbar ist. Für höhere Abbremswerte bewegt man sich im Diagramm unterhalb der Grenzlinie (für 0,35 s), womit dann die „Verdeckungsqualitäten“ der Fahrerabbremsungen noch zunehmen. Der Punkt A im Diagramm 7-11 beschreibt im Übrigen die Lage des Maximalwertes nach WOLFF, der merklich unter der in unseren Fahrversuchen festgehaltenen Grenze bei aktiver, zeitnaher Pkw-Abbremsung liegt. Man kann auch ohne Einbindung des oben abgebildeten Diagramms argumentieren, da schon im vorangegangenen Kapitel die Mindest-Kollisionsverzögerung in Abhängigkeit der Angleichsbremsung zu: aK 7,5*'t entwickelt worden war. Setzt man hier für den Parameter ǻt oben genannte 0,35 s ein, so erhält man für die, in dieser Abhängigkeit zugrunde gelegte, aktive Abbremsung des Pkw von 2,5 m/s2, einen „Mindestkollisionspegel“ von 2,63 m/s2, der den Crash-Versuchswert um bereits ca. 6 % überschreitet. Im Falle einer induzierten, erhöhten Betriebsbremsung (ca. 4 m/s2) klettert die Wahrnehmungsschwelle auf bereits 3 m/s2, was einer Anhebung gegenüber der „WOLFF-Schwelle“ von über 30 % entspricht. Der Einfluss einer zeitnahen, überlagerten Pkw-Abbremsung ist also unübersehbar. In diesem Zusammenhang ist noch zu bemerken, dass es für eine/n Fahrer/in sehr schwer ist, einzuschätzen, wie stark der Pkw bei Bremspedalbetätigung (also dessen Dosierung) tatsächlich verzögert wird.
7.5 Anstoß mit voller Überdeckung Anlass einer anwaltlichen Beauftragung war ein Unfallgeschehen, bei dem ein VW Golf V Plus rückwärtssetzend gegen die Frontstruktur eines dahinter stehenden VW Golf III geriet. Der Unfall ereignete sich im dichteren Verkehrsgeschehen (Fahrzeugschlange). Nach erfolgter Rückwärtsfahrt des Unfallverursachers bog dieser nach rechts in eine Seitenstraße ein, verließ also die Unfallstelle. Der Fahrer des geschädigten Pkw notierte sich das Kennzeichen des Schädiger-Kfz, woraufhin Ermittlungen gegen dessen Fahrer eingeleitet wurden. Der Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeugführers schaltete eine Sachverständigenorganisation ein, die überprüfen sollte, ob die Schäden an den Kfz kompatibel sind und ob das Unfallgeschehen auch hätte bemerkt werden können. Im Ergebnis der Gegenüberstellung der beiden unfallbeteiligten Kfz kam der damalige Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Gesamtschadensumfang am geschädigten Pkw durch das Schädiger-Kfz ohne weiteres erzeugt worden sein kann. Er konstatierte, dass der Stoßfänger vorne bleibend verformt wurde – rechts wie links am Kotflügelanschluss waren deutlich veränderte Spaltmaße festzustellen. Des Weiteren soll die Blende kollisionsbedingt unterhalb des Scheinwerfers eingedrückt, also gegen die Fahrtrichtung verlagert worden sein. Auch am vorderen (innenseitigen) Querträger hätten sich Deformationsspuren befunden, Abb. 7-50 und 7-51.
114
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-50 Schadensbild VW Golf, Geschädigter
Abb. 7-51 Schadensbild VW Golf, Geschädigter
Im Rahmen der Gegenüberstellung durch diesen Sachverständigen konnte festgestellt werden, dass von der Höhenlage her die Schäden durchaus kompatibel seien, was letztendlich nicht weiter verwundert, da die Anbauhöhen von Stoßfängern quasi klassengleicher Pkw annähernd identisch sind, Abb. 7-52 und Abb. 7-53.
7.5 Anstoß mit voller Überdeckung
Abb. 7-52 Höhenvergleich der Schäden
Abb. 7-53 Gegenüberstellung Draufsicht
115
116
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Im Rahmen der Beauftragung wurde der Pkw des Schadenverursachers dann noch nachbesichtigt, Abb. 7-54 und 7-55.
Abb. 7-54 Schadensbilder Pkw VW Golf, Schädiger
Mit Ausnahme einer ganz schwachen Andruck- bzw. Verschürfungsspur in Höhe des Fingerzeigs fanden sich an diesem Fahrzeug keinerlei weitere Beschädigungen.
Abb. 7-55 Andruck- und Verschürfungsspur
Auch die Untersuchung des in einiger Distanz zum Stoßfängerüberzug befindlichen hinteren Querträgers (Blick unter das Kfz) lieferte keine Anhaltspunkte dafür, dass es dort zu einer (nennenswerten) Druckbeaufschlagung gekommen war. Die Abb. 7-56 zeigt insofern die hohe Flexibilität des heckseitigen Stoßfängerüberzuges dieses VW Golf V Plus – bereits mittels
7.5 Anstoß mit voller Überdeckung
117
„Daumendruck“ ist eine elastische Verformung dieses hochreversiblen Materials technisch problemlos möglich.
Abb. 7-56 Stoßfängerüberzug
Nach der vorliegenden Schadenbeschreibung des Vorgutachters und den insoweit auch zur Akte gereichten Lichtbildern waren sofort Zweifel anzumelden, ob die dort festgestellte, erhebliche Fronteindrückung (am VW Golf III) überhaupt durch den quasi schadenfreien Golf Plus erzeugt worden sein könnte. Hier kann nämlich auf das Ergebnis eines Crashversuches (Internetportal crashtestservice.com) hingewiesen werden, aus der sich bei einer Wandanprallgeschwindigkeit bzw. energie-äquivalenten Testgeschwindigkeit von 8,5 km/h erstmals eine bleibende Verformung des vorderen Stoßfängers und des dahinter befindlichen Querträgers an einem Golf III einstellte, Abb. 7-57 und 7-58.
Abb. 7-57 Crashversuchsergebnis
118
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-58 Crashversuchsergebnis
Im Hinblick auf die nicht völlig (von der Golf-Front-Strukturhärte) abweichende Formstabilität des VW Golf V Plus wären also bei einer vollständigen Schadenszuordnung deutlich intensivere Beschädigungen am Heck des Unfallverursachers zu erwarten – eine diesbezüglich hier durchgeführte Energiebilanz hätte ein nötiges Anstoßtempo des Unfallverursachers in einer Größenordnung von ca. 13 bis gut 15 km/h erfordert, was man mit einem kurzzeitigen rückwärtigen Fahrprozess ohnehin nicht in Verbindung bringen kann (Zeugenangabe). Um dieses zunächst theoretische Ergebnis zu untermauern, wurde dann ein Unfallversuch zwischen einem in puncto Strukturhärte vergleichbaren VW Passat-Heck und einer baugleichen VW Golf-Front gefahren (Videostandbilder Abb. 7-59 Bilder a – e).
a)
7.5 Anstoß mit voller Überdeckung
119
b)
c)
d)
120
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
e) Abb. 7-59 Momentanbilder eines vergleichbaren Crashversuchs
Diese Einzelbilder verdeutlichen, dass der VW Passat den Golf kollisionsbedingt merklich zurückschob – man kann sich hier an den jeweiligen Reifenpositionen im Bild orientieren (der Kamerastandort wurde nicht verändert). Als Ergebnis des Versuches war eine deutliche, bleibende Rückverlagerung des vorderen Stoßfängerüberzuges inkl. des dahinter befindlichen Querträgers auszumachen. Es sei an dieser Stelle lediglich auf die Abb. 7-60 und 7-61 hingewiesen. Die erste Abbildung gibt den Zustand des zuvor unbeschädigten Frontstoßfängers des VW Golf III mit einem Abstandsmaß zur Frontstoßfängeraußenkante von 45 mm wieder – nach dem Versuch war eine Reduzierung um ca. 6 mm, also eine deutliche plastische Verformung feststellbar.
Abb. 7-60 Zustand vor der Kollision
7.5 Anstoß mit voller Überdeckung
121
Abb. 7-61 Rückverlagerung des Stoßfängers/ Querträgers nach dem Crash
Am unfallverursachenden VW Passat traten, vergleichbar wie am VW Golf Plus im Realfall, nur oberflächliche Verschrammungs- und Verschürfungsspuren am lackierten hinteren Stoßfängerüberzug ein, Abb. 7-62.
Abb. 7-62 Verschrammungen am hinteren Stoßfängerüberzug des stoßenden VW Passat
Zwischen den dortigen Hinweispfeilen bildete sich eine durchgehende, horizontale Abdruckspur aus – insgesamt war die Intensität der Schäden am VW Passat mit Sicherheit nicht geringer als das von der Polizei beschriebene Schadenbild am VW Golf V Plus bzw. jenes, das von
122
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
uns festgestellt werden konnte. Durch diesen Versuch war letztendlich in puncto Schadenkompatibilität der obere Grenzbereich erreicht worden – ein größerer Schaden kann am VW Golf III im realen Unfallgeschehen nicht erzeugt worden sein, es hätte dann unweigerlich zu intensiveren Schäden am VW Golf Plus des Unfallverursachers kommen müssen. Die nachträgliche Untersuchung dieses Kfz hat im Übrigen ergaben, dass irgendwelche Reparaturarbeiten zwischen dem Unfallgeschehen und unserer Besichtigung nicht durchgeführt wurden. Der Einschätzung des Vorgutachters, dass das gesamte Schadensausmaß an der Golf III-Front durch einen solchen Anstoß erklärbar sei, war mithin nicht zuzustimmen. Natürlich wurde wieder im unfallverursachenden Kfz (im Crashversuch) die kollisionsbedingte Fahrzeugverzögerung mittels Datalogger gemessen. Wiederum in x-Achsenrichtung ist im Diagramm 7-12 der Zeitverlauf, in y-Achsenrichtung die Längsverzögerung des VW Passat aufgetragen. Der Spitzenwert der Längsverzögerung lag in einem Bereich von ca. 2,4 m/s2 (Relativwert zum Startpunkt). Die Anstiegszeit lässt sich im Diagramm zu ca. 0,4 s nachvollziehen.
Diagramm 7-12 Dataloggeraufschrieb
7.5 Anstoß mit voller Überdeckung
123
Dieser Wert verblüfft angesichts der stumpfwinkeligen Kollision zunächst etwas – es ist aber darauf hinzuweisen, dass der VW Golf III im Frontbereich zwar durch einen Querträger versteift ist – dieser aber im vorliegenden Fall frontmittig, also in größter Distanz zu den Befestigungspunkten an den Längsträgerenden eingedrückt bzw. durchgebogen wurde. Zudem ist der Stoßfängerüberzug an der Heckstruktur des unfallverursachenden Kfz recht nachgiebig – auch das davor befindliche Prallelement wird im zentralen Bereich zwischen den Anknüpfungspunkten an den Kfz-Längsträgern belastet. Da aufgrund der Schadensschilderung auch durch den Fahrer des Schädiger-Kfz feststand, dass der Unfallverursacher kurz zurücksetzte, sein Kfz dann verzögerte (und kollidierte) und sodann nach rechts wegfuhr, muss also vom Unfallverursacher zeitnah zum Unfallgeschehen (Aufleuchten der Bremslichter, gesehen vom Zeugen) willentlich gebremst worden sein. Integriert man das Ergebnis dieses Versuches (also die Wertekombination 2,4 m/s² bei einer Anstiegszeit von 0,4 s in ähnlicher Weise, wie im letzten Kapitel) in das hierfür relevante Diagramm 7-13, so sieht man, dass bereits bei einer sehr schwachen Verzögerungseinsteuerung in das Verursacher-Kfz die relevante Grenzkurve (für 0,4 s Anstiegszeit geltend) nicht überschritten wird.
Diagramm 7-13 Versuchspunktlage im Bewertungsdiagramm
Entsprechend der schon im letzten Kapitel angegebenen Faustformel: aK = 7,5 * ¨t wäre hier eine, für die sichere Fühl- oder Spürbarkeit notwendige Kollisionsverzögerung von 3 m/s² notwendig, die den tatsächlichen, anhand der Fahrzeugbeschädigungen nachvollziehbaren, oberen Maximalwert (der kollisionsbedingten Verzögerung) um beachtliche 25 % übersteigt.
124
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Im Ergebnis war also der Einschätzung des Vorgutachters in allen wesentlichen Punkten zu widersprechen, so zunächst hinsichtlich der Schadenkompatibilität und – für den Unfallverursacher von größerer Relevanz – in puncto Wahrnehmungsmöglichkeiten. Der Versuchsfahrer im VW Passats gab im Übrigen an, das Anstoßgeschehen (ungebremst gefahren) schwach wahrgenommen zu haben – irgendwelche akustischen Auffälligkeiten waren von ihm nicht wahrnehmbar, obwohl im Inneren des VW Passat weder ein Gebläse noch ein Radio eingeschaltet war. Dies verwundert auch nicht weiter, da es im Rahmen einer solchen Kollision nur zur Durchbiegung von insoweit recht elastischen Stoßfängerüberzügen und einer quasi geräuschlosen Durchformung von Metallstrukturen kommt. Quietsch-, Schab- oder kräftige Einbeulgeräusche waren ohnehin nicht zu erwarten. Im Hinblick darauf, dass auch eine optische Wahrnehmbarkeit (zum Unfallzeitpunkt herrschte Starkregen – zusätzlich war es dunkel) ausschied, wurde das Verfahren gegen den Unfallverursacher auch seitens des zuständigen Amtsgerichts sofort eingestellt.
7.6 Schräge Kollision zweier Pkw Rangierkollisionen werden nicht selten „sachverständig“ als intensivere Anstoßgeschehen eingestuft, wenn „struktursteife“ Karosseriezonen am geschädigten Kfz (mit) betroffen waren. In einem konkret zu beurteilenden Fall geriet ein Ford Focus im rückwärtigen Rangiermanöver gegen eine abgeparkten Mercedes-C-Klasse, Abb. 7-63.
Abb. 7-63 Mercedes-Schadensbild / BG = Beulengrund
An diesem war der Kontaktbeginn im vorderen Fahrertürbereich auszumachen – die Schadensspuren verliefen dann über die „Nahtstelle“ zum vorderen linken Kotflügel, also der struktursteifen A-Säule nahegelegen. Die Deformationstiefe nahm vom Erstkontaktpunkt vergleichsweise schnell zu, was schon einen nicht sehr flachen Anstoßwinkel signalisierte. Das Pendant zu diesem Schadensausmaß zeigt Abb. 7-64.
7.6 Schräge Kollision zweier Pkw
125
Abb. 7-64 Ford Focus mit Schürfspuren
Am Ford Focus kam es zu Schramm- und Schürfspuren auf dem seitlich umlaufenden, hinteren linken Stoßstangenschenkel. Die Frage der Schadenskompatibilität war angesichts der recht guten Fotodokumentation nicht weiter schwierig zu beurteilen. Dank der mit abgebildeten Fotometer und der bekannten Strukturhärte der seitlich umlaufenden Stoßfängerkonstruktion waren in puncto Höhenzuordnung und Formsteifigkeit hier kein Zuordnungsschwierigkeiten gegeben. Der erste Gutachter fertigte unter Zuhilfenahme eines angewinkelten Gliedermaßstabes ein Lichtbild, Abb. 7-65, das den Eindruck: „Berührspur um das Stoßfängerheck herum“ stützen sollte. Er schloss hieraus dann auf einen Kollisionswinkel von ca. 45°, da ja unter diesem Winkel zur Focus-Seite noch Kontaktspuren an dessen Stoßfängerüberzug zu sehen gewesen sein sollen.
Abb. 7-65 Laut Erstgutachter: „Berührspur um das Stoßfängereck herum“
126
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Eine solche Annahme vermittelt sofort den Eindruck einer stumpfwinkeligen Kollision und einer letztlich harten Ruckeinleitung in das Verursacherfahrzeug. Schon bei der Einstufung des Kollisionswinkels waren diesseits Zweifel anzumelden, da bei einer derart „statischen“ Schadenszuordnung übersehen wird, dass die eingeformte Blechstruktur am gegnerischen Mercedes (Kotflügelabschluss) eine Schräge im Berührverlauf darstellt – es kommt also in Folge der sich verändernden Karosseriebauteile (auch der FocusStoßfängerüberzug verformt sich) zu einer kontinuierlichen Verlagerung der Kontaktflächen zueinander. Auch ohne Beiziehung geeigneten Crahversuchsmaterials war der vom Vorgutachter favorisierte Kollisionswinkel von ca. 45° zu hoch angesetzt. Für ihn war aber die Sachlage angesichts einer solchen Kfz-Orientierung glasklar; er formulierte (ohne Beiziehung von weiteren Quellen, wie z. B. Unfallversuchen) als Fazit: Der Anstoß des Ford Fusion gegen den passiv geparkten Mercedes Benz … war derart massiv, dass eine ganz sichere taktil/vestibuläre Wahrnehmbarkeit vorlag. Unterstützt wird diese Anstoßinformation durch das Akustikereignis. Auch dieses war überschwellig im Fahrzeuginneren des Pkw ... wahrnehmbar. Damit gab sich der Verteidiger des Angeklagten nicht zufrieden, worauf er durch den Strafrichter die Einholung eines weiteren Gutachtens bewirkte. Im Rahmen dieser Beauftragung wurden in einem ersten Schritt vergleichbare Kfz besichtigt und vermessen. Schon hier war feststellbar, dass sich die Schäden an der Focus-Ecke nicht über 45° erstreckten, sondern allenfalls bis in einen Bereich von ca. 30° („rund um das Stoßfängerheck“). Im Hinblick auf die im dynamischen Kollisionsverlauf auftretenden Karosserieverlagerungen wurde in einem Vergleichsversuch ein Kollisionswinkel von 25° „eingestellt“, Abb. 7-66.
Abb. 7-66 Anstoßkonfiguration/Pfeil = Erstkontaktpunkt
7.6 Schräge Kollision zweier Pkw
127
Das stoßende Kfz im Unfallversuch war ein VW Passat. Dieser traf unter oben genanntem Winkel einen stehenden 5er-BMW mit einem Tempo von 2,7 km/h, Abb. 7-67. Im Rahmen der Versuchsdurchführung wurde im Wesentlichen das relative Massenverhältnis im Auge behalten, da selbiges für die Verzögerungseinsteuerung im unfallverursachenden Kfz eine zentrale Rolle spielt.
Abb. 7-67 Fahrzeuganordnung vor dem Crashversuch
Nach dem Versuch waren an beiden Fahrzeugen insgesamt stärkere Karosserieschäden festzustellen. Der Stoßstangenschenkel des VW Passat zeigte kräftige Schrammspuren bis gut 30° (von der Seite her betrachtet) herumlaufend. Zudem wölbte sich der Kunststoffüberzug auf, wodurch deutliche Spaltmaßveränderungen im Anschluss an das hintere, linke Seitenteil auszumachen waren. Am BMW setzten die ersten Belastungsspuren an der Fahrertür ein und liefen von dort aus in den Kotflügelbereich. Dessen Blech wurde durchgehend verformt. Auch an der hinteren Radlaufkante war die Kollision noch nicht beendet – das linke Vorderrad des BMW wurde noch (energiearm) touchiert (über Videoauswertung nachweisbar), Abb. 7-68.
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-68 Schadensbilder der Crash-Kfz links VW, rechts BMW
Das Schadensausmaß, aus diesem Unfallversuch resultierend, war damit zweifelsfrei nicht energieärmer als jenes im Realfall, weswegen das im VW Passat gemessene Verzögerungsspektrum als Maximalwertekombination vorliegend angewendet werden durfte. Dies zeigt das Diagramm 7-14. Dort ist bei einer mittleren Kollisionsanstiegszeit von 0,24 s ein Maximalausschlag der BMWVerzögerung von 2,3 m/s2 feststellbar, wobei hierin auch noch der versuchsabschließende Radlaufkontakt beinhaltet ist. Im Realfall wäre also das Verzögerungsmaximum im Verursacher-Ford noch nach unten zu korrigieren. Betrachtet man dennoch in 1. Nährung nur die oben genannten Versuchswerte, so wäre gemäß bisheriger Untersuchungen nach WOLFF die nicht mehr fühlbare Maximalverzögerung bei b knapp 1,9 m/s² anzusetzen, sodass ohne weitere Prüfung dem Ergebnis des Erstgutachters zugestimmt werden könnte. Schon die modifizierte Schwellen-Grenzlinie nach DEEKEN erlaubt allerdings eine „Ergebniseinschränkung“, wenn sie bei dieser Wertekombination gerade eben nicht überschritten würde. Zu berücksichtigen ist aber, wie gesagt, dass die Beschädigungen, die in diesem Versuch erzeugt wurden, insgesamt intensiver waren als jene, die im Realunfall auftraten. Von daher muss man sich ohnehin bzgl. der realen Verzögerungsspitze schon nach unten orientieren.
7.6 Schräge Kollision zweier Pkw
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Diagramm 7-14 Verzögerungsdiagramm im VW Passat
Auch hier könnte das „Argument“ der überlagerten Bremsung greifen. Zurückblickend auf die in Kapitel 6.3 dargestellten, Zusammenhänge ergäbe sich für eine höhere Betriebsbremsung der folgende Zusammenhang: aK 9,5 * ǻt Setzt man in oben genannte Gleichung die gemessenen Anstiegszeit von 0,24 s ein, so ergäbe sich ein Schwellenwert von 2,28 m/s2, also in etwa die tatsächliche Verzögerungsspitze im Versuchsverlauf. Da vom Vorgutachter auch die akustische Wahrnehmbarkeit eindeutig bejaht wurde, war natürlich eine Schalldruckpegelmessung im Verlauf des Crash-Versuchs unerlässlich. Ein Lautstärkepegelmesser wurde in Ohrhöhe des Versuchsfahrers installiert. Dieser zeigte im Versuchsverlauf einen Maximalwert von 69,4 dB(A) an. Wie schon im Kapitel 4.2 dargelegt wurde, sind solche Lautstärkepegel im normalen Fahrbetrieb im Fahrzeuginneren (Radio eingeschaltet und gut verständlich) nichts Ungewöhnliches, weswegen man auch in diesem Punkt dem Vorgutachter eine unkorrekte „Einschätzung“ attestieren kann. Hinzu kam hier noch, dass der Unfallverursacher Hördefizite besaß, wie durch ein, von seinem Rechtsbeistand beigebrachtes, medizinisches Untersuchungsergebnis demonstriert, Diagramm 7-15.
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Diagramm 7-15 Hörminderungsdiagramm des Betroffenen
Dort ist im „Hörminderungsdiagramm“ für die relevante Kollisions-Frequenzlage eine Abweichung vom „Normalhörenden“ von über 20 dB(A) ausgewiesen. Erinnert sei daran, dass eine derartige Schwellenreduzierung einem „Hörerlebnis“ entspricht, bei dem man sich mit den Fingern die Ohren zuhält … Für den Realfall war also festzustellen, dass die kollisionsbedingt eingetretene Verzögerungsspitze ohnehin schon im Randbereich der Verzögerungsgrenze lag, was letzlich im Rahmen der Gutachtenerstattung in einem Ermittlungsverfahren dazu führen musste, dass das Unfallgeschehen für den Unfallverursacher nun nicht wahrgenommen werden musste. Deswegen wurde das Verfahren wegen Unfallflucht gegen den Betroffenen auch eingestellt. Dieser Fall führt unmissverständlich vor Augen, wie unerlässlich eigentlich die Beiziehung geeigneten Crashversuchsmaterials für die Beurteilung solcher Fallkonstellationen ist. Man sollte sich auch dann, wenn man über einen „vergleichsweise großen Erfahrungsschatz“ verfügt, nicht auf so voreilige Einschätzungen, wie im Erstgutachten geschehen, beschränken.
7.7 Rangierkollision Transporter/Pkw In einem weiteren Verfahren war seinerzeit von Gerichtsseite der Auftrag erteilt worden, zu untersuchen, ob ein an einem Ford Escort verursachtes, beträchtliches Schadensausmaß vom (unstreitigen) Unfallverursacher hätte wahrgenommen werden müssen. Aus dem Akteninhalt ergaben sich nur wenig Details. Es wurde lediglich ein Kostenvoranschlag zum Schadensumfang am Pkw beigefügt, der vorgab, dass der vordere Stoßfängerüber-
7.7 Rangierkollision Transporter/Pkw
131
zug, der Kühlergrill sowie der rechte Scheinwerfer (ohne Blinkleuchte) zu erneuern waren. Zudem war eine Instandsetzung des rechten Kotflügels und der Motorhaube aufgeführt. Angesichts des Fahrzeugalters und der Laufleistung bewegte man sich „kostentechnisch“ am Rande des Totalschadens. Eine Nachbesichtigung dieses Pkws scheiterte an einem „schnellen Verkauf“ ins Ausland, sodass nur die oben genannten Angaben verwertbar waren. Das Unfallverursacherfahrzeug, ein VW T3-Doppelkabiner, trug laut Polizeiangaben eher leichte Schäden an der hinteren rechten Heckpartie davon. Auch zu diesem Fahrzeug gab es keine Fotos, da die Kamera der Beamten „defekte Bilder“ (nicht verwertbar) geliefert habe. Die nachträgliche Besichtigung dieses Kfz scheiterte ebenfalls wegen eines zügigen Verkaufs an einen „fliegenden Händler“ (Beauftragung durch das Gericht gut zwei Monate nach dem Schadenstag). Konkretisiert werden konnte das Schadensbild nur durch die Beschreibung der aufnehmenden Beamten: x Stoßfängerecke deutlich verbogen x Auspuffende getroffen Nur dem Umstand, dass die an dieser Kollision beteiligten Fahrzeuge als baugleiche Versuchsfahrzeuge zum Beauftragungszeitpunkt günstig zu besorgen waren, ist es zu verdanken, dass mit wenig Aufwand ein Versuchs-Crash gefahren werden konnte. Für das Gelingen dieses Vorhabens war zunächst eine Gegenüberstellung jener Crash-Kfz notwendig. Die vor Versuchsdurchführung unbeschädigten Fahrzeuge (VW-T3 mit leichten Gebrauchsspuren) sind in den Abb. 7-69 und 7-70 zu sehen.
Abb. 7-69 Versuchs-Ford vor dem Crash
132
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-70 „Unfallverursachender“ VW T3
In der Gegenüberstellung der Crash-Fahrzeuge war dann auch sofort der Grund für die „weit nach oben reichenden“ Schäden am Ford Escort gefunden. Wie der Abb. 7-71 zu entnehmen ist, trifft im statischen Zustand die Heckstoßfängerpartie des Transporters auf den Bereich oberhalb des Kunststoffstoßfängerüberzugs des Ford Escort. Da sich Heckpartien im Rahmen von rückwärtigen Beschleunigungen ohnehin zusätzlich anheben, war ein Eindringprozess in die weiche „Lichtleiste“ des Ford Escort zwingend zu erwarten.
Abb. 7-71 Höhenvergleich statisch
7.7 Rangierkollision Transporter/Pkw
133
Da sich laut Kostenvoranschlag das Schadensausmaß auf die rechte Stirnfläche des Ford beschränkte, zudem der Transporter im Wesentlichen hinten rechts verbeult wurde, folgte ein schrägwinkeliger Anstoß dieser Karosseriezonen, ähnlich Abb. 7-72, Draufsicht.
Abb. 7-72 Gewählte Anstoßkonfiguration
Der Anstoßwinkel im Versuch lag damit bei ca. 30°. Der Überdeckungsgrad der Karosseriezonen ergab sich aus dem Umstand, dass die vordere rechte Blinkleuchte im Kostenvoranschlag nicht als Ersatzteil ausgewiesen war. Deswegen war die Heckecke des Transporter-Stoßfängers in den Scheinwerferbereich zu orientieren, um die Belastung des darüber liegenden Kotflügels (dessen Spitze) durch eine Kontaktnahme mit der sich verformenden Motorhaubenvorderkante zu erzielen. Die vom Versuchsfahrer eingehaltene rückwärtige Geschwindigkeit lag bei ca. 2,5 km/h, wie durch eine nachträgliche Videoauswertung bestimmt werden konnte. Im Ergebnis des Versuchs waren ganz beträchtliche Beschädigungen am Ford Escort festzustellen, Abb. 7-73 und 7-74.
134
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-73 Seitenansicht mit zerstörtem Scheinwerfer
Abb. 7-74 Schäden an der Motorhaube und der Kotflügelspitze
Wie bei der Karosserieanordnung vor der Versuchsdurchführung vermutet wurde, waren an der Kotflügelspitze Verformungen auch durch die Verbiegung der Motorhaubenvorderkante entstanden. Die Blinkleuchte war leicht beschädigt und hätte ebenfalls erneuert werden müssen.
7.7 Rangierkollision Transporter/Pkw
135
Zudem war die Oberseite des Stoßfängerüberzuges stark verschrammt – an der Stirnfläche war ein markanter Abdruck des Abgasendrohres des Transporters zu sehen, Abb. 7-75.
Abb. 7-75 Abdruck des T3-Abgasendrohres am Escort-Stoßfänger
Durch die schräge Rückverlagerung des Ford-Scheinwerfers wurde auch der Kühlergrill verschrammt und in den Aufnahmepunkten beschädigt. Das Schadensausmaß am Verursacher-Kfz war ebenfalls nicht vernachlässigbar gering, wie die Abb. 7-76 und 7-77 zeigen.
Abb. 7-76 Zustand des Transporters nach dem Crash – Heckecke deutlich verbogen
136
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-77 VW T3-Stoßfänger gewölbt – Ecke gebrochen
Deutlich zu erkennen ist die (rechts des Hecklängsträgers) nach vorne hin verbogene Metallstoßstange. Diese ist bis nahe an das Heckblech verformt worden. Zudem ist die seitliche Abdeckkappe im Kontaktbereich gerissen und gequetscht. Bedenkt man, wie massiv der Stoßfänger des T3-Transporters konstruiert ist, so erkennt man schon anhand des Schadensbildes eine erhebliche „Wechselwirkung“ der Kontrahenten im Crashverlauf. Das Ergebnis dieses Unfallversuchs ließ eine sehr gute Vergleichbarkeit zum Realfall (anhand der Schadensübermittlung) zu, womit das vom Datalogger im Transporter gemessene Verzögerungssignal in die Analyse der Bemerkbarkeit des Anstoßes einfließen konnte. Das Diagramm 7-16 gibt das Verzögerungsspektrum wieder. Ausgehend vom Bezugspunkt auf der Y-Achse (bei etwa -0,08 m/s2 liegend) ist ein Anstieg bis auf einen Absolutwert von 1,92 m/s2 festzustellen, was zu einem Maximalverzögerungspeak von ca 2 m/s2 führt. Auf der X-Achse ist die Anstiegszeit abgreifbar – sie ergibt sich zu 0,34 s. Dieses Zeitfenster ist angesichts der nicht unbeachtlichen Eindringtiefe der Transporterecke in den oberen (eher weichen) Stirnflächenbereich des Ford Escort auch zu erwarten gewesen. Kalkuliert man auch hier wieder (zugunsten des Unfallverursachers) eine zum Kollisionsgeschehen eingesteuerte, zeitnahe Angleichsbremsung ein, so ergäbe sich gemäß Gleichung: ak = 7,5 * ǻt ein zur sicheren Registrierung nötiges, kollisionsbedingtes Verzögerungsmaximum von 2,5 m/s2 – ein Wert, der fast 30 % über der real gemessenen kollisionsbedingten Transporterverzögerung liegt. Selbst bei Anwendung der „WOLFF’schen“ Zusammenhänge wäre eine Fühl-Spürbarkeit nicht sicher zu attestieren, da hier der Grenzwert bei über 2 m/s2 liegt.
7.7 Rangierkollision Transporter/Pkw
137
Diagramm 7-16 Gemessene Längsverzögerung im VW T3
Da auftragsgemäß auch die akustische Wahrnehmbarkeit zu prüfen war, wurde in Kollisionsortnähe der Lautstärkepegel (durch den Anstoß bedingt) gemessen. Es ergab sich ein Wert (in ca. 1m Distanz) von 89,7 dB(A). Im Inneren des Transporters kamen hingegen nur (gemessene) 67,2 dB(A) an, die bei ruhiger Fahrt (kein Radio, kein Gebläse, ohne erhöhte Motordrehzahl bei z. B. schleifender Kupplung) auch gerade noch hörbar waren. Das Einschalten nur einer einzigen „Störgeräuschquelle“ hätte eine vollständige akustische Verdeckung bewirkt, sodass trotz „weithin“ hörbaren Unfallknalls (Angabe eines außenstehenden Zeugen), der Nachweis der akustischen Wahrnehmbarkeit vorliegend nicht (beweissicher) gelingt. Dass die kollisionsbedingte Verzögerung im Transporter so vergleichsweise gering ausfällt, mag auf den 1. Blick verblüffen – ursächlich hierfür ist das unausgewogene Massenverhältnis der „Kontrahenten“.
138
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Da auch im Unfallverlauf actio = reactio gilt, die Kraft aber als Parameter die Masse des Körpers beinhaltet, muss notwendigerweise die Beschleunigung (als 2. Parameter und Multiplikator) im Transporter merklich niedriger ausfallen als im leichteren Ford Escort. Es stellt sich damit sofort die Frage, wie intensiv eigentlich unfallrelevante Schäden an von schweren Fahrzeugen ramponierten Pkw sein müssen, damit die relevanten Verzögerungsschwellenwerte (in Abhängigkeit der Kontaktdauer) überschritten werden.
7.8 Streifkollision Lkw/Pkw Wiederum im Rahmen eines Gerichtsauftrages war ein Vorgang zu prüfen, bei dem ein am Fahrbahnrand abgeparkter Ford Mondeo durch einen vorbeifahrenden 7,5 t-Lkw stark beschädigt wurde. Hier lag, in Analogie zum vorangegangenen Kapitel, ebenfalls ein beachtlicher Massenunterschied der Unfallfahrzeuge vor. Die nachfolgende Abb. 7-78 gibt einen ersten Eindruck vom ganz erheblichen Schadensumfang am seitlich abgeparkten Ford Mondeo wieder. Das am Straßenrand abgestellte Fahrzeug wurde erstmals an der seitlich umgreifenden, linken Rückleuchte erfasst. Auch darunter und davor ist das Seitenteil in Fahrtrichtung kräftig gestaucht und gefaltet. Am C-Säulenübergang wurde der Abschluss der linken Fondinsassentür erheblich in Fahrtrichtung umgebördelt. Damit war das Kollisionsereignis aber noch nicht beendet, da sich letzte (allerdings eher filigrane) Schleifspuren bis in Höhe der Fahrertürhinterkante hinzogen, Abb. 7-78.
Abb. 7-78 Starke Beschädigungen am Ford Mondeo
7.8 Streifkollision Lkw/Pkw
139
Am schadenverursachenden Lkw war die vordere rechte Ladebordwandecke verkratzt und mit blauem Farbauftrag des Mondeo „verziert“. Eine Fehlstellung der Konturecke war indes nicht feststellbar, Abb. 7-79.
Abb. 7-79 Beschädigungen am Lkw
Die Schadenkompatibilität war in diesem Fall kein Streitpunkt, da zum einen die Lackanhaftungen am Lkw dem Mondeo zuordenbar waren, zum anderen ein hinterherfahrender Zeuge (Beifahrer im nachfolgenden Kfz) den Anstoßvorgang genau beobachten konnte. Dieser zeigt sich dann auch vergleichsweise „schockiert“ ob der Tatsache, dass sich der LkwFahrer mit seinem Fahrzeug „unbeeindruckt“ vom Unfallort entfernte (keine Bremslichter am Lkw nach dem Anstoß). Wenngleich es „in diesen Dingen“ auch „abgebrühte“ Verkehrsteilnehmer gibt, so hätte der Lkw-Fahrer dann, wenn er die Kollision registrierte, durch den Blick in den Außenspiegel die nachfolgenden Verkehrsteilnehmer sehen müssen – seine Beteiligung am Verkehrsunfall konnte also unmöglich unentdeckt bleiben. Ergo wird man – in Kenntnis des Einflusses der Kfz-Masse – und dem Umstand, dass LkwFahrerkabinen schwingungstechnisch vom Fahrzeug abgekoppelt sind, der Frage der Wahrnehmung versuchstechnisch nachzugehen haben, da man trotz des hohen Schadensausmaßes nicht sofort die Spür-/ Fühlbarkeit wird bejahen können. Zum Zwecke der Versuchsdurchführung wurde ein Klein-Lkw (mit entsprechender Zusatzmasse) mit einer in puncto Anbauhöhe und Formstabilität vergleichbaren Konturecke nachgerüstet Abb. 7-80. Ein, dem Mondeo nicht unähnliches Pkw-Stufenheckmodell (Opel Omega mit passender Unfallmasse) wurde in vergleichbarer Weise seitlich getroffen. Das Massenverhältnis im Versuch entsprach damit in etwa jenem des Realfalls.
140
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Abb. 7-80 Lkw-Versuchsaufbau mit Opel Omega
Die Anstoßschäden durch den Versuch am Lkw waren, wie im Realfall, fast belanglos, wie Abb. 7-81 zeigt. Außer tieferen Kratz- und Schürfspuren waren keine weiteren (nennenswerten) Belastungsspuren auszumachen.
Abb. 7-81 Crashversuch: leichte Schäden an der Lkw-Aufbauecke
Am Opel Omega setzten die ersten schwerwiegenden Karosserieschäden im hinteren linken Seitenbereich ein. Im Bereich der stabilen C-Säule kam es, wie schon am Ford Mondeo im Realfall, zu sehr starken (insgesamt noch intensiveren) Deformations- und Umbördelschäden, Abb. 7-82.
7.8 Streifkollision Lkw/Pkw
141
Abb. 7-82 Schäden am gecrashten Omega
Genau dieser Karosseriezone kommt „wahrnehmungstechnisch“ die größte Bedeutung zu, wird für den Mondeo (im Realfall) auch hier eine merkliche Fahrzeugverhakung transparent. In der Abb. 7-83 ist ersichtlich, dass eine ganz erhebliche Stauchung der Opel-Fondtür entstanden ist – sie ließ sich nach (gewaltsamem) Öffnen nicht wieder ins Schloss (an der verbogenen C-Säule) zurückdrücken.
Abb. 7-83 Crashversuch: Türstauchschäden am Opel Omega
142
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Dieser Versuch wurde übrigens auf der Crashanlage der Firma crashtest-service.com in Münster/Westf. gefahren, da eine, zur Schadenserzeugung erhebliche Kollisionsgeschwindigkeit des Lkw zu fahren war, die eine entsprechende Beschleunigungsstrecke erforderlich machte. Im Versuchs-Lkw war ein UDS (Unfalldatenschreiber) installiert, der auch hier wiederum das Verzögerungsspektrum im Kollisionsverlauf registrierte. Angesichts der mittels Lichtschranke gemessenen Lkw-Geschwindigkeit von gut 30 km/h und der „Kontaktstrecke“ an der Omega-Seite war eine Kollisionsdauer in einer Größenordnung von knapp 0,3 s zu erwarten. So lieferte das UDS entlang einer Kollisionsphase von über 0,27 s eine (gemittelte) LkwVerzögerung bis auf einen „Endwert“ von nur 1,39 m/s2. Schon diese Wertekombination liegt unterhalb der Wahrnehmbarkeitsgrenze nach WOLFF (ohne zusätzliche Verzögerungseinsteuerung durch den Lkw-Fahrer), weswegen man einen solchen Anstoß als nicht (technisch beweisbar) sicher wahrnehmbar im taktil/ vestibulären Sinne einzustufen hat. Zugleich wurden auch akustische Messungen vorgenommen. In der Außenatmosphäre lag das Kollisionsgeräusch bei knapp 80 dB(A) – ins Innere der Insassenzelle gelangte ein um gut 10 dB(A) geringerer Schallpegelanteil, weswegen dann, wenn der Lkw-Fahrer mit „gut verständlich eingeschaltetem Radio“ fuhr, das Unfallgeschehen auch akustisch nicht wahrnehmbar war. Sehen konnte der Lkw-Fahrer die Kollision ohnehin nicht, lag sie nicht in seinem direkten Blickbereich und auch nicht in der „Rückspiegelzone“. Insgesamt folgte auch hier, dass hohe Massenunterschiede bisweilen große Schäden, die nicht sicher wahrnehmbar sind, nach sich ziehen können, sofern man im deutlich schwereren Kfz sitzt.
7.9 Rangierkollision schwerer Lkw/Pkw Ein schon in der Arbeit von HOLTKÖTTER veröffentlichter Versuch soll abschließend für die Unfallkonstellation mit Kfz stark unterschiedlicher Masse vorgestellt werden. Ein 12 t Lkw setzt mit typischer Rangiergeschwindigkeit, also langsam, rückwärts gegen einen rechtwinkelig dazu abgeparkten, am Fahrbahnrand stehenden Klein-Pkw, Opel Corsa. Dieser Pkw war direkt am Bordstein abgeparkt und wurde infolge des Unfallgeschehens ganz erheblich beschädigt (Ausgangspunkt: Gutachtenauftrag zur Problematik Unfallflucht). Im Rahmen einer Versuchsnachstellung wurde der dabei benutzte Crash-Pkw Opel Corsa mit der linken Bereifung an einem Stahlprofil, ähnlich einer Bordsteinkante positioniert. In der nachfolgenden Videosequenz, Abb. 7-84 sieht man den Unfallablauf, nämlich wie sich der Lkw mit langsamer, rückwärtiger Geschwindigkeit in die rechte Flanke des Kleinwagens hineinbewegt. In der Abb. 7-84a sieht man die Situation unmittelbar vor dem Erstkontakt. Das nächste Bild gibt zu erkennen, dass der Corsa bereits seitlich aus den Federn gehoben worden ist – der LkwUnterfahrschutz bohrt sich in den vorderen Beifahrertürbereich des Corsa hinein. Die maximale Wagenkastenanhebung stellt man in der Abb. 7-84c fest. Erst danach wurde der Lkw aus dem rückwärtigen Rangiervorgang wieder in Fahrtrichtung nach vorne wegbewegt, ab Abb. 7-84e endet der Kontakt der Kfz.
7.9 Rangierkollision schwerer Lkw/Pkw
143
Abb. 7-84 Videosequenz des Lkw/Pkw-Chrahs
Nach Trennung der beiden Kfz wir das erhebliche Schadensausmaß am Opel Corsa offensichtlich, Abb. 7-85. Der Bereich nahe der A-Säule und die vordere Beifahrertürpartie sind seitlich stark gestaucht. Durch die Kontaktnahme der Lkw-Ladebordunterkante mit der oberen, seitlichen Pkw-Dach-
144
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
partie kam es zu einer deutlichen, queraxialen Dachverschiebung. Die Windschutzscheibe wurde wegen ihrer Rahmenstauchung aus dem Fahrzeugverbund herausgedrückt und riss an mehreren Stellen ein. Die Opel-Erscheinung nach dem Anstoß liefert unmissverständlich den Eindruck eines Totalschadens.
Abb. 7-85 Nachkollisionärer Zustand des Opel Corsa
Da auch hier seitens des damaligen Auftraggebers eine Wahrnehmbarkeit des Anstoßes wegen des beträchtlichen Schadensumfanges (im Realfall vergleichbar) geäußert wurde, war im Lkw wiederum ein UDS installiert, das untrügliche Wertepaarungen (Verzögerungsmaximum in Abhängigkeit der Kontaktdauer) lieferte, Diagramm 7-17. Man stellt dort bei einer Anstiegszeit von etwa 0,6 Sekunden eine Spitzenverzögerung von gut 0,1 g bzw. etwa 1,1 m/s² fest, die unterhalb der (abgesicherten) Wahrnehmungsgrenze liegt, egal ob man unsere Versuche oder jene von WOLFF nimmt. Entsprechend war auch im Führerhaus des Lkw diese Kollision für den Versuchsfahrer in keinster Weise fühl- oder spürbar. Gleichzeitig in das UDS-Spektrum sind auch die gemessenen Schallpegelwerte im Kollisionsverlauf ablesbar. Im Außenbereich erkennt man als Maximalschallpegelwert etwa gut 80 dB(A) – im Inneren des Lkw stellt man für den Kollisionsverlauf einen Maximalwert von etwa 63 dB(A) fest. Im Inneren des Lkw war das Anstoßgeräusch schon alleine aufgrund des (mit dem Betrieb des Lkw zusammenhängenden) Motorlärms nicht zu hören. Auch hier kommt wiederum der erhebliche Masseüberschuss des Lkw zum Tragen. Herrschen also deutliche Massenunterschiede zugunsten des Fahrzeugs, in dem der Unfallverursacher sitzt, vor, so wird die Fühlbarkeit des mit dem Unfallgeschehen einhergehenden Kollisionssignals immer schlechter. Es bedarf dann schon ganz erheblicher Schadensausmaße am Geschädigten-Fahrzeug, bevor man sich dazu hinreißen lassen sollte, eine Wahrnehmbarkeit des stattgefundenen Unfallgeschehens zu behaupten.
7.10 „Überschwelliges“ Kollisionsgeschehen zwischen zwei Pkw
145
Diagramm 7-17 UDS-Aufzeichnung
7.10 „Überschwelliges“ Kollisionsgeschehen zwischen zwei Pkw Nach bisherigem Studium dieses Buches könnte man als Leser den Eindruck gewinnen, der Autor halte die überwiegende Anzahl aller Leichtkollisionen für nicht sicher wahrnehmbar. Dass dies nicht so ist, soll ein letztes Fallbeispiel zeigen. Ein massenmäßig seinem Kontrahenten überlegener 3-er BMW stieß in einem Crash-Versuch (Quelle: Internetportal crashtest-service.com) schrägwinkelig mit der rechten Frontecke in das hintere linke Seitenteil eines Renault Clio (Massenverhältnis 1,3:1 zugunsten des BMW), Abb. 7-86.
Abb. 7-86 Anstoßkonfiguration 3er BMW/ Renault Clio
146
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Der Anstoß erfolgte unter knapp 40°; der BMW war laut Angabe 4,2 km/h schnell. Das Schadensausmaß am BMW war nicht weiter schwerwiegend – außer Lackabrieb und einer leichten Fehlstellung der Stoßfängerecke fielen keine weiteren Belastungsspuren auf, Abb. 7-87 und 7-88.
Abb. 7-87 Geringe Schäden am 3er BMW vorne rechts
Abb. 7-88 Geringe Schäden am 3er BMW/ Frontansicht
Auch das Beschädigungsausmaß am Renault Clio wirkt auf den ersten Blick nicht sehr gravierend. Im Bereich der relativ weichen Seitenteilmitte, also vor dem verstärkten Radkasten liegend, nimmt man eine tiefere Eindellung wahr, die relativ abrupt an der Fahrertürhinterkante endet.
7.10 „Überschwelliges“ Kollisionsgeschehen zwischen zwei Pkw
147
Im direkten Vergleich zur Ausparkkollision VW Golf/ 3er BMW (Kapitel 7.3) wirken die Schäden, weil in der strukturschwachen Seitenteilmitte beginnend, auch nicht wesentlich intensiver, Abb. 7-89 und 7-90.
Abb. 7-89 Schadensausmaß am Renault Clio
Abb. 7-90 Seitenteileindellung bis Fahrertürhinterkante
Bedenkt man weiter, dass in oben genanntem Fall (Kapitel 7.3) vom Datalogger eine Kollisionsdauer von über 0,3 s gemessen wurde und hier wegen der länglich wirkenden (horizontalen) Eindellung auch ein längeres Zeitfenster zumindest möglich erscheint, so käme man bei überschlägiger Verzögerungsberechnung (Geschwindigkeit/Zeit) auf einen Maximalwert von um ca. 2,5 m/s2 (Kontaktdauer > 0,4s).
148
7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Tatsächlich lieferte aber das im 3er BMW installierte Verzögerungsmessgerät (UDS) ein völlig anderes Spektrum als bislang erörtert. Die Anstiegsdauer des Verzögerungssignals war mit 0,124 s vergleichsweise kurz – der Maximalwert der Verzögerung lag bei 2,7 m/s2 (interne Daten von CTS). Hier ist es weniger der Maximalwert der Verzögerung, der sich „wahrnehmungsfördernd“ auswirkt als die kurze Anstiegszeit. Diese Wertekombination steht nämlich für einen insoweit harten „Ruck“ (3. Ableitung der Verzögerung). Da hilft auch eine, vom Fahrer vermeintlich eingeleitete Pkw-Abbremsung zeitnah zum Kollisionsgeschehen nicht weiter, wie das Diagramm 7-18 zeigt.
Diagramm 7-18 Versuchspunktlage im Bewertungsdiagramm
Lotet man nämlich auf der X-Achse am Maximalwert der Abbremsung (7,5 m/s2 = Vollbremsung) hoch, so liegt der Schnittpunkt mit der Anstiegszeitgeraden, auf einer Höhe mit einer maximalen Kollisionsverzögerung von noch 1,5 m/s2 (Punkt A). Die im Versuch gemessene Maximalverzögerung liegt aber um ca. 80 % über diesem Extremwert (bei angenommener Vollbremsung des Unfallverursachers), sodass man diese Kollision als sicher fühl-/spürbar einzustufen hat. Der Grund für dieses kurze Kollisions-Verzögerungszeitfenster liegt in dem Umstand begründet, dass sich der BMW an der Fahrertürhinterkante des Renault verhakte/verkeilte und dort abrupt seine kinetische Energie verlor. Da die Metallstoßstange dieses 3er BMW zudem be-
7.11 Örtlich bedingte Verdeckungsmöglichkeiten
149
sonders unnachgiebig ist (quasi keine Verformungszone = kurze Kontaktzeit), ergab sich im Vergleich zu den Versuchsauswertungen in den vorausgegangenen Kapiteln eben jene „ungünstige“ Wertekombination. Man sieht hieran, welche Fülle von Faktoren die Wahrnehmbarkeit von (vermeintlich) intensitätsschwachen Kollisionen beeinflussen. Es sollte generell seitens damit beauftragter Sachverständiger vermieden werden, ohne Durchführung oder zumindest Beiziehung ausreichend vergleichbarer Crashversuche, eine Bewertung abzugeben. Eine „Fahrerflucht-Begutachtung“ ohne Berücksichtigung vorgenannter Beweismittel ist damit ganz sicher unvollständig und insgesamt unbrauchbar.
7.11 Örtlich bedingte Verdeckungsmöglichkeiten Unebene Fahrbahnoberflächen (auch auf Parkplätzen) sind angesichts des letzten strengen Winters und der leeren öffentlichen Kassen quasi allgegenwärtig. Das Überfahren solcher „Fahrbahndefekte“ führt aber unweigerlich zu Fahrzeugerschütterungen, die, sofern intensiv genug, ebenfalls nennenswerte Verdeckungsqualitäten bei Leichtkollisionen erzielen können. Auch findet man auf größeren Parkplätzen Bodenvertiefungen zur Entwässerung (Kanaldeckel, Regengossen, …). Wie intensiv solche Erschütterungen sein können, wird nunmehr abschließend erläutert. Zunächst wird das Ergebnis einer Leichtkollision und das dazugehörige Beschleunigungsspektrum vorgestellt. Das unfallverursachende Fahrzeug, ein Nissan Maxima, wurde mit langsamen Tempo (1,9 km/h) ungebremst in die Türzone des Opel Kadett hineingefahren. Am Nissan Maxima entstanden keine optisch auffälligen Beschädigungen: er drang mit der formstabilen, vorderen Konturecke in die deutlich weichere, vordere Beifahrertür des Opel Kadett ein. An diesem verblieben dann kräftige plastische Schäden, Abb. 7-91.
Abb. 7-91 Schadensbild am stehenden Opel Kadett
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Das Türblech verformte sich nachhaltig um den Hauptangriffspunkt in Zierleistenhöhe – die maximale statische Deformationstiefe konnte zu ca. 42 mm nachgemessen werden. Im stoßenden Nissan war ein Unfalldatenschreiber installiert, der das mit der Kollision einhergehende Verzögerungssignal aufzeichnete, Diagramm 7-19.
Diagramm 7-19 Verzögerungssignal im stoßenden Nissan
Liest man den Datenaufschrieb in chronologischer Reihenfolge, so sieht man die Beschleunigung des Nissan aus dem Stand auf ein Tempo von knapp 2 km/h. Sodann fiel der Signalverlauf innerhalb von gut 0,4 s auf ein Verzögerungsmaximum von 1,7 m/s2 ab. Wie schon durch den Abgleich mit den Versuchen nach WOLFF leicht feststellbar ist, ist ein solches Kollisionssignal nicht „zwingend“ wahrnehmbar. Dort reichen nämlich die nicht wahrgenommenen Verzögerungen bei einer Anstiegszeit von 0,4 s bis auf Werte oberhalb von 2 m/s2. Der Anstoß wurde vom Versuchsfahrer als „sehr weich“ und selbst mit Kenntnis des bevorstehenden Ereignisses als nur sehr schwach spürbar beschrieben. Im direkten Anschluss an diesen Crash wurde die auf dem Testgelände befindliche Regenentwässerungsrinne, Abb. 7-82, durchfahren. Diese lag am tiefsten Punkt ca. 20 mm unter dem ebenerdigen Fahrbahnniveau, und war insgesamt ca. 40 cm breit. Im Einrollvorgang wurde das zuvor eingesetzte Testfahrzeug entlang der schiefen Ebene leicht beschleunigt, um sodann auf der anderen Seite bei der Wiederausfahrt langsamer zu werden (Verzögerung).
7.11 Örtlich bedingte Verdeckungsmöglichkeiten
151
Abb. 7-92 Nachträglich durchfahrene Regengosse
Auch die in diesem Durchrollversuch letztlich aufgetretene Fahrzeugverzögerung wurde mit einem Beschleunigungsaufnehmer (UDS-Gerät) gemessen. Das nachfolgende Diagramm 7-20 zeigt den Verlauf der Pkw-Verzögerung infolge der Regenrinnenquerung.
Diagramm 7-20 Verzögerungssignal beim Durchqueren der Regengosse
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Der erste Anstieg ist auf das Hinabfahren der „Rampe“, der negative Anteil auf die Fahrzeugverlangsamung bei dessen Verlassen zurückzuführen. Interessant ist nun ein Vergleich dieser beiden Verzögerungsaufschriebe, die wohlgemerkt von einem vergleichsweise hochsensiblen Messsystem stammen, Diagramm 7-21.
Diagramm 7-21 Vergleich der Verzögerungssignale
Rötlich skizziert ist hier das Kollisionsereignis, grünlich die Regengossendurchfahrt zu sehen. Die Ähnlichkeit dieser beiden Spektren ist verblüffend, was bedeutet, dass man nicht einmal anhand der hochsensiblen Datenaufzeichnung durch das UDS-Gerät nun sicher sagen könnte, welches Signal zu welchem Ereignis gehört. Insofern führt die Durchfahrt durch eine solche, auf Parkplätzen oftmals anzutreffende Bodenvertiefung auch beim Fahrzeugführer zur gleichen Verzögerungswahrnehmung wie bei einer schrägwinkeligen Kollision gegen die Türbeblechung eines parkenden Kfz. Das mit der Kollision einhergehende Verzögerungsspektrum ist also von einer solchen Regengossendurchfahrt nicht hinreichend unterscheidbar, sodass natürlich auch der Beschaffenheit des Bereiches, der vom Unfallverursacher befahren wird, eine sehr große Bedeutung zukommt. Man sollte demzufolge bei vermeintlich klarer Sachlage (Wahrnehmbarkeit wird „sachverständig“ bejaht) unbedingt prüfen, ob sich am Unfallort nicht etwaige, zu querende „Störgrößen“, wie solche Bodenvertiefungen (z. B. auch Schlaglöcher) befinden, die zum einen eine stattgefundene Kollision im Wahrnehmungsvermögen beeinflussen, zum anderen auch den Verursacher dahingehend fehlleiten können, er habe gerade eben (statt der tatsächlichen Kollision) so eine Unebenheit gequert. Kommt es z. B. in Straßenrandnähe zu einer Leichtkollision, so ist nicht selten ein möglicher Bordsteinkontakt zu diskutieren. Hierüber berichteten bereits die Arbeiten von WOLFF und WELTHER.
7.11 Örtlich bedingte Verdeckungsmöglichkeiten
153
Auch von uns wurden diverse Bordsteinüberfahrten messtechnisch erfasst, um beurteilen zu können, inwieweit solchen Vorgängen eventuell „Verdeckungsqualitäten“ zukommen. Exemplarisch seien sechs Versuchsergebnisse an einem 90 mm hohen Hindernis vorgestellt, Diagramm 7-22.
Diagramm 7-22 Versuchsergebnisse zum Bordsteinkontakt (Höhe 90 mm)
Es wurden unterschiedliche Anfahr-/Querungswinkel in Relation zur Fahrbahnlängsachse eingehalten. Die gemessenen Versuchsgeschwindigkeiten schwankten zwischen 3,5 und 4 km/h. Es verwundert wenig, dass bei zunehmender Stumpfwinkeligkeit der Borsteinquerung die insgesamt größten Verzögerungsspitzen bei gleichzeitig kleinster Anstiegszeit registriert wurden (und umgekehrt). Bei 60° Anfahrwinkel stellten wir Werte zwischen etwa 2,6 bis 3,2 m/s2 fest (Anstiegszeiten 0,45 s...0,49 s) – bei 3-fach flacherem Winkel halbierte sich in etwa die Verzögerungsspitze (die Anstiegszeiten verlängerten sich auf max. 0,62 s). Mit abnehmender Hindernishöhe traten erheblich geringere Wertekombinationen auf; so z. B: für 40 mm im Schnitt um etwa 60 bis 70 % niedrigere Verzögerungen bei dann abnehmenden Anstiegszeiten. Wurde eine 90 mm Borsteinkante langsam überfahren (z. B. mit schleifender Kupplung) so verlängerten sich die Anstiegszeiten entsprechend – die Verzögerungsspitzen bewegten sich aber, ungeachtet des Anfahrwinkels, (recht einheitlich) zwischen gut 1,5 m/s2 und unter 2 m/s2. Die seinerzeitige Einschätzung in der Arbeit von WOLFF, wonach Reifen/Bordstein-Kontakte Fahrzeugverzögerungen in einer Höhe erzeugen, wie sie auch bei leichten Kollisionen auftreten, ist insgesamt zu bestätigen. Der simple Vergleich mit den Versuchswerten in seinem „Schwellenwert-Diagramm“ zeigt vergleichbare Wertekombinationen (Anstiegszeit, Verzögerungsmaximum).
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Wenn allerdings weiter argumentiert wird, dass auf Grund des (auch hier gemessenen) eher halbkreisförmigen Signalverlaufes eine Unterscheidung zur mehr spitzen Charakteristik bei Realkollisionen möglich sei, so kann dies nur bei „direktem Vergleich“ oben genannter Ereignisse gelingen. Ohne das genaue Zeitverhalten des Verzögerungsanstiegs zu kennen bzw. als solches sicher gespürt zu haben, wird man einen nur in Nuancen abweichenden Signalverlauf nicht sicher davon unterscheiden können. Insofern ist das mit dem Reifen/Bordstein-Kontakt einhergehende Erschütterungssignal eben nicht sicher vom „unerfahrenen“ Fahrzeugführer als solches einstufbar, insbesondere wenn es zeitnah zu einem Kontakt zweier Kfz kommt, in dessen Verlauf sich die Verzögerungsverläufe – vom Verursacher schwerlich differenzierbar – vermengen. Darüber hinaus sei noch angemerkt, dass neben der Bordsteinhöhe, dem Anfahrtempo und -winkel der Reifenfülldruck einen nennenswerten Einfluss auf die Signalcharakteristik nimmt. Je höher der Reifendruck, umso „härter“ wurden die Verzögerungssignale (höheres Verzögerungsmaximum/kürzere Anstiegszeit) – war der Luftdruck merklich abgesenkt (halber, empfohlener Wert), so nahm die Verzögerung deutlich ab (im Mittel ca. 30 %), Abb. 7-93 bis Abb. 7-95. Wie man den Momentanbildern dieser Videosequenz entnimmt, kommt es bei zu geringem Reifenfülldruck zu einer zunächst zeitlich ausgedehnten Karkassenverformung, in dessen Verlauf das Rad langsam am Kantstein hochsteigt (Fülldruck ca. 1,3 bar). In der weiteren Radanhebung formt sich der Reifen elastisch zurück, was im Zusammenspiel mit der Fahrwerksfederung zu einem „harmonischen“ (und im zeitlichen Verlauf runden) Verzögerungsverlauf mit geringer Amplitude führt. Es leuchtet sofort ein, dass dann, wenn der Fülldruck übergroß ist, die Karkasse sehr hart wird, und folglich eine steilere Anstiegsbewegung, ähnlich einem „Vollgummirad“, resultiert.
Abb. 7-93 Bordsteinquerung mit minderbefülltem Vorderrad
7.11 Örtlich bedingte Verdeckungsmöglichkeiten
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Abb. 7-94 Komplette Karkassenquetschung am Bordstein
Abb. 7-95 Auffahrt auf Bordstein
War ein Reifen der Vorderachse Bordsteingegner, so nahmen die Verzögerungswerte wegen der höheren Radlast (Frontmotor) etwas zu, während sie an der Hinterachse bei gleichen Ausgangsbedingungen demgegenüber abnahmen. Natürlich spielt auch die Reifengröße/-art eine gewisse Rolle, gelingt es logischerweise bei größerem Raddurchmesser leichter, ein Hindernis zu überfahren als mit einem geringer dimensionierten Reifen eines z. B. Kleinwagens.
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7 Anwendung der Versuchsergebnisse auf Fallbeispiele
Letztlich soll für etwaige Bordsteinkontakte nicht unerwähnt bleiben, dass man bei einem Überfahren eine Wagenkastenanhebung registrieren wird, die man schon von der mit Leichtkollisionen einhergehenden geringen Vertikalbewegung (bei gehöriger Aufmerksamkeit) wird unterscheiden können. Kommt es allerdings nicht dazu, also wurde nur der Bordstein (statt des nahe stehenden Kfz) tangiert, so sind Fehlzuordnungen eines gespürten Anstoßes ohne Weiteres diskutabel. Dies ist also in jedem Einzelfall (bei Vorhandensein derlei Hindernisse) zu prüfen. Auch WOLFF widmete sich seinerseits der Frage, ob eine mit der Kollision einhergehende Fahrzeugabbremsung zu einer „Verwechselung“ führen kann. Es heißt bei ihm, dass man ohne äußeren Zwang vom Fahrer des Fahrzeugs in der Mehrzahl wohl Verzögerungswerte zwischen 2 und 4 m/s² annehmen könne, was auch nach diesseitiger Ansicht zutreffend ist. Wie die gegen Ende des Kapitels 6 dargestellten Zusammenhänge jedoch klar offenbaren, sind bereits solche, noch als leichte oder erhöhte Angleichsbremsungen zu bezeichnende, aktive Fahrzeugverzögerungen „im Sinne der Wahrnehmung“ eben nicht vernachlässigbar gering, weswegen die Schlussfolgerungen in der Dissertation von WOLFF, wonach eine Notbremsung zwar Verdeckungseigenschaften besäße, jedoch selbige wohl nicht grundlos ausgeführt würde, schon zutreffend ist, die Problematik aber insgesamt nicht trifft. Notbremsungen bedarf es nämlich nicht, da schon normale Betriebsbremsungen (von Fahrzeugführern) für oben genannte Verwechselungen bzw. für eine Anhebung der „Schwelle“ ausreichen. Der von uns in den zuletzt vorgestellten Wahrnehmungsversuchen gewählte experimentelle Aufbau besaß (ungewollt) den Vorteil, dass man nämlich über die zusätzlich verzögerte Hinterachse ohnehin kein sehr hohes Verzögerungspotential in das Gesamtfahrzeug induzieren konnte, die nun in den von WOLFF nicht „fehlinterpretierbaren Bereich“ gereicht hätte (also quasi Vollbremsung). Insofern sind nach Durchführung der oben genannten „aktiven Wahrnehmungsversuche“ die bisherigen Beurteilungen in puncto Wahrnehmungsdefizite bei zusätzlichen aktiven Abbremsungen der Unfallverursacher merklich zu relativieren.
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Zusammenfassung und Ausblick
Ziel der bisherigen Ausführungen war es, der mit der Beurteilung von Unfallfluchtdelikten befassten Personengruppe ein „Regelwerk“ an die Hand zu geben, um dem auch juristisch erheblichen Vorwurf der Fahrerflucht gerecht zu werden. Gelang es bereits in den frühen 1990er Jahren durch WOLFF, verlässliche Beurteilungskriterien zu entwickeln, so lässt sich nunmehr auf Basis der von uns durchgeführten Versuche ein Trend im Sinne Abhängigkeit zwischen Kollisionshärte und Verzögerungseinfluss durch den Unfallverursacher im Hinblick auf die Wahrnehmungsmöglichkeiten erkennen. Auch in Zukunft wird hier an der statistischen Absicherung des Zusammenspiels der eben gerade genannten drei Parameter weitergearbeitet, d. h., es werden kontinuierlich entsprechende Versuche gefahren, um eine größere statistische Absicherung zu erhalten. Es war nicht beabsichtigt, das Unfallfluchtdelikt etwa zu bagatellisieren, indem exemplarisch im Zusammenhang mit den Fallbeispielen stets die Wahrnehmungsgrenzwerte angewandt wurden, die konsequent zugunsten des Unfallverursachers ausfielen. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob eben jene Parameter für die betreffende Person gelten oder nicht. Es ist stets zu beachten, dass es auch eine sehr große Anzahl von Probanden gab, die unterhalb der Grenzlinie, sei es nun jene nach WOLFF oder eben die, die in den aktiven Versuchen durch uns ermittelt wurde, Verzögerungsereignisse sicher und problemlos wahrnahmen. Im Rahmen eines Strafverfahrens ist dies allerdings wohl weniger bedeutsam, wenngleich sich der Autor nicht anmaßen möchte, juristische Belange zu prüfen. Wenn also im vorgenannten Text von erschwerter oder Nicht-Wahrnehmbarkeit die Rede ist, so handelt es sich hierbei eindeutig um eine Kann-Bestimmung, d. h., das jeweilige Verzögerungsereignis kann vom Verursacher (eventuell) nicht wahrgenommen worden sein. Den Juristen interessiert ja in aller Regel auch nur die Beantwortung der Frage, ob der Vorfall vom Betroffenen wahrgenommen worden sein muss. Genau diese Formulierungen bedeuten ja nichts anderes, als dass aus technischer Sicht der Nachweis der Spür- bzw. Fühlbarkeit (wie auch der akustischen oder optischen Registrierung) ganz sicher geführt werden muss, weswegen es letztlich statthaft ist, eben auch jene Grenzwerte anzusetzen. Ein technischer Sachverständiger wird daher nicht in der Lage sein, den Unfallverursacher bzgl. seiner Wahrnehmungsmöglichkeiten zu kategorisieren – dies wird vermutlich nicht einmal einem in diesen Dingen versierten Spezialisten (Sinnesphysiologe …) gelingen, da bekanntermaßen das Registrierungsvermögen solcher Ereignisse nicht nur von der Tagesform, sondern auch von einer Fülle individueller Parameter zum Zeitpunkt des Geschehens abhängt. Der Autor vertritt daher die Ansicht, dass zum sicheren Nachweis einer Überschwelligkeit eines Kollisionsereignisses eben sämtliche Einflussparameter in die Analyse einfließen müssen, was man leider nur allzu oft in entsprechenden „Expertisen“ von technischen Sachverständigen vermisst. In Erinnerung sei gerufen, welche Fülle von Einflussfaktoren sich pro Wahrnehmungsform aufzeigen ließen. Diese kann man sicherlich nicht alle „abklopfen“, sollten aber den Beurteiler solcher Problemstellungen dazu veranlassen, vorsichtig zu argumentieren, fällt das Strafmaß bei einer „Überführung zum Unfallflüchtigen“ bekanntermaßen vergleichsweise hart aus.
K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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8 Zusammenfassung und Ausblick
Wenngleich einem so kleinen Ingenieurbüro (wie dem unseren) nur beschränkte finanzielle Mittel für weiterreichende Versuchsreihen zur Verfügung stehen, soll dieses Ziel im Sinne der „technischen Gerechtigkeitsförderung“ nicht aus den Augen verloren werden. Vielleicht ergibt sich hieraus in nicht allzu ferner Zukunft eine Neuauflage oder Überarbeitung dieses Werks. Der Autor würde sich daher freuen, Anregungen (gerne auch konstruktive Kritik) sowie etwaige Unterstützung von dem diesem Buch gewidmeten Personenkreis zu erhalten.
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Literaturverzeichnis [B3]
Bierbaum, J. W.: Geräuschverhalten von Kraftfahrzeugen, Institut für Kraftfahrzeugwesen, RWTH Aachen, 1991
[D1] Deeken, B.:
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FH Wilhelmshaven, 2009
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K. Schmedding, Leichtkollisionen, DOI 10.1007/978-3-8348-9866-1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Sachwortverzeichnis A Abbremsung – zusätzliche 53 Ablenkung – starke 53 Abwehrverzögerung 105 Adaptationszustand 84 Alters-Hörverlust 20 Altschäden 8 Angleichsbremsung 72 Anhängerkupplung 106 Anstieg – zeitlicher 35 Anstiegszeitkennung 51 Anstoßkonfiguration 54 Anstoßwinkel 30 Anstreiflänge 88 Aufmerksamkeit – zielgerichtete 20 Ausparkkollision 96 Außenspiegel 14 Autoradio 26 B Bagatellgrenze – juristische 87 Bagatellunfall 6, 12 Begutachtung – interdisziplinäre 6 Beladung 26 Berührungswinkel – flacher 46 Beschleunigungskennung 51 Beschleunigungssensor 40 Betriebsbremsung – starke 72 Bewertungskurve 51 Blickbewegung 15 Blickfeld 13 Blickwechsel 15 Blickzuwendung 13 Bordsteinhöhe 154 Bordsteinkontakt 152
Bremskreistrennung 59 Bremsung 56 – starke 72 D Dämpfungseigenschaften 30 Datalogger 40 DEEKEN 39 Deformationstiefe 150 E Einflussfaktoren 18, 27, 30 – auf die vestibular-kinästhetische Wahrnehmbarkeit 33 Einflussparameter 19 – auf die taktile Wahrnehmbarkeit 31 Einzelverzögerungssignale 54 Erfahrungsschatz – sachverständiger 6 Erschütterungssignal 6 F Fahrbahnbelag 79 Fahrbahndecken – unebene 84 Fahrbahndefekte 149 Fahrerbremsung 65 Fahrkomfort 11 Fahrzeug-Mensch-Konstellationen 29 Fahrzeugverhakung 141 Formsteifigkeit 125 Fotoüberlagerung 99 Fremdsignal 70 Frequenz 20 Frequenzlage 22 Fühlbarkeit 32 G Geräuschkomfort 25 Geschwindigkeitsänderung 32 Gesichtssinn 12 Gleichgewichtssinn 32 Grenzkurven 71
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Sachwortverzeichnis
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Grenzlinie 36, 52 – modifizierte 53 Grundsensibilisierung 62
N Nervensystem – zentrales 12
H Handbremsbetätigung 65 Handbremssignal 67 Höhenzuordnung 125 Hördefizite 129 Hörminderungsdiagramm 130 Hörschwelle 20 f. hypersensibilisiert 62
O Oberbekleidung 30
I Innenspiegel 14 K Karosseriedämmung 22 Klimaanlage 26 Kollision – schräge 124 – schrägwinkelige 69 – stumpfwinkelige 106 – teilelastische 37 – überlagerte 56 Kollisionsdauer 30 Kollisionsgeräusche 20 Kollisionsgeschehen – überschwelliges 145 Kollisionshärte 110 Kompatibilitätsprüfung 99 Kontaktstrecke 142 Körperschall 20 Körperschallweg 25 Krafteinwirkung – quasistatische 28 Kunststoffabdeckung 10 L Lautstärkepegel 24 Leichtkollisionen 9, 18 Lkw-Fahrer 11, 16 M Maximalbeschleunigungswert 49 Mechanorezeptoren 28
P Parkplatzkarambolagen 11 Probanden – abgelenkte 35 – passive 53 R Randbedingungen 6 Rangierkollision 130 Rangiermanöver 30 Raumschwelle – simultane 28 Registrierungssignal 40 Reifenart 155 Reifenfülldruck 154 Reifengröße 155 Reizempfinden – individuelles 29 Resonanzkörper 25 Ruck 30, 36 – harter 35, 148 Rückverformungseigenschaften 92 Rückwärtsbremsung 49 Rückwärtskollision 44, 52 S Schaden – bedeutender 7 Schadenkompatibilität 6, 8, 139 Schalldämmung 22 Schalldruckpegel 20, 22 – kollisionsbedingter 22 Schleifkontakt 81 Schönfeld 38 Schwellenanhebung 69 Sichtschatten 79 Signal 35 Signalverlauf 64 Sollwertbereich 12 Spaltmaßveränderungen 127 Spürbarkeit 32
162 Störgeräuschquelle 137 Störgrößen 7 Störverzögerung 69 Stoß – weicher 35 Streifkollision 74 – Lkw/Pkw 138 Struktursteifigkeit 9, 11 T taktil 28 THIEN 38 U Überdeckung – volle 113 V Verdeckungserscheinungen 35 Verdeckungsmöglichkeiten 149 Verdeckungsqualitäten 113 Verdeckungssignalen 7 Verkehrsgeschehen – fließendes 11 Versuchsfahrer – aktiver 58 Verwechselungsspektrum 36 Verzögerungen – überlagerte 53 Verzögerungsdiagramm 82 Verzögerungssprung 65
Sachwortverzeichnis Vestibularorgan 32 Vielfahrer 57 Vorwärtskollisionen 41, 46 W Wackelbewegungen 18 Wagenkastenanhebung 142, 156 Wahrnehmbarkeit 28 – akustische 27 Wahrnehmbarkeitsgrenze 36, 58 – physiologische 6 Wahrnehmbarkeitsschwelle 35 Wahrnehmung 12 – akustische 12, 20 – kinästhetische 12, 32 – taktile 12, 30 – visuelle 12 Wahrnehmungsmerkmale – akustische 6 – mechanische 6 – optische 6 Wahrnehmungsschwelle 12 Wankbewegung 18, 83 WELTHER 25, 35 Winkelaufnehmer 67 Wochenendfahrerin 57 WOLFF 35 Z Zeugen – neutrale 18 Zuordnungsfähigkeit 53