John Montana
Leg die Hände in mein Blut Apache Cochise Band Nr. 22 Version 1.0
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Prolog Man nannte die Apachen Barb...
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John Montana
Leg die Hände in mein Blut Apache Cochise Band Nr. 22 Version 1.0
2
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder. Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen. Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen Apachen-Skalp. Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den Indianern fühlten. Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuerund beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von 3
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung abgetan wird. Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung trieb, nicht mit ansehen muß. Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft, ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen Arizonas. Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet? Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa, Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden. Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich das große graue Leichentuch über die Stämme und Sippenverbände. Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments gegen die rote Rasse gewesen wäre. 4
Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer rauhen Umwelt. Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch makabren Hintergrund. Ihr Martin Kelter Verlag.
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*** Cochise zügelte seinen Mustang. Während er warnend die Hand hob, trat ein angespannter Zug in sein Antlitz. Wyatt Earp, der den Jefe seit einiger Zeit begleitete, reagierte sofort. Ein harter Schenkeldruck brachte seinen Pinto zum Stehen. Instinktiv blickte er ins flache Hügelland, wo sein Begleiter irgend etwas Verdächtiges bemerkt haben mußte. Aber Earp sah nur Wildnis, überwuchert mit Beifußbüschen, Zepotesträuchern, Feigenkakteen und mächtigen Kerzenkakteen, die sich über die Hänge erstreckten. Ein Stück Arizona. Earp wandte den Kopf, um Cochise eine Frage zu stellen. Doch der Häuptling legte warnend eine Hand auf die Lippen und glitt vom Pferderücken. Seine kräftige Hand strich über das struppige Fell des Wüstenmustangs, ehe er behend, mit lautlosen Schritten, in den Buschgürtel eindrang. Für eine Weile sah Earp den roten Mann noch, dann hatten ihn die Schatten der Wildnis aufgenommen. Er stieg vom Pferd und warf die Zügel lose über einen Kaktuskandelaber. Taranteln und andere Kriechtiere bewegten sich im groben Sand. Als Earps Schritte eine Sandviper aufscheuchten, die sich steil und angriffslustig aufrichtete, zuckte die Hand des Mannes zur Hüfte. Aber er dachte an Cochises Warnung. Seine Hand glitt am Halfter entlang zum Gurt. Als er sich vorgebeugt hatte, blitzte für Sekunden der kalte Stahl seines vorschnellenden Bowies im grellen Sonnenlicht. Dann wand die Sandviper sich im Todeskampf. Noch während Wyatt Earp überlegte, wie kurz und übergangslos der Weg vom Leben zum Tode war, schlug sein 6
Pinto nervös mit den Hufen. Ein Schatten fiel über den einsamen Mann. Als er herumwirbelte, sah er einen halbnackten sehnigen Burschen, der ihn mit erhobenem Wurfbeil anging. Sicher hätte der Tomahawk ihn tödlich getroffen, wäre nicht wie aus dem Nichts kommend, die Kampflanze eines Chiricahuakrieger gefahren, die, einem Blitzschlag gleich, den Körper, des Angreifers durchschlug und ihn niederriß. Noch während der Indianer zu Fall kam, tauchte Häuptling Cochise aus dem dichten Gestrüpp auf. Stumm riß er die Lanze aus dem toten Körper und Earp spürte die Verachtung, die der Chief für den fremden Artgenossen empfand. »Ein Feind von dir?« fragte Earp mit belegter Stimme. Die Schrecksekunde saß ihm noch in den Knochen. »Ein Wichita. Komm.« Cochise hob die Hand. Ein Wichita, dachte Earp erstaunt, während er dem Häuptling folgte, denn er wußte, daß die Wichitas jenseits des Rio Grande zu Hause waren. Wie die Cheyennes, die Arapahoes und die Caddos, die als östliche Nachbarn an der Grenze des Apachenlandes lebten. Was suchte ein Wichita im Lande der Chiricahuas? Earp blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, denn Cochise kniete plötzlich nieder und blickte zornig über die Schulter. »Du schleichst wie ein alter täppischer Bär durch die Büsche. Ein Apachenohr würde dich auf tausend Yard wahrnehmen.« Earp kauerte lächelnd nieder. Cochise war ein erfahrener Wildnisgänger. Verwegen und von Apachenschlaue geprägt. Er erinnerte sich der Begegnung mit Wania-taka, dem Häuptling der Cheyenne, die die Sternträger aus Tombstone angegriffen hatten, die auf seiner, Earps, Spur ritten, um ihn wegen Mordes zu verhaften, dabei war es Notwehr gewesen. »Cheyenne, Arapahoes, Caddos und Wichitas. Fremde Stämme aus dem Osten«, Earp schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, was sie im Apachenland suchen.« 7
Cochise lächelte einen Augenblick. »Dein weißes Auge sieht nichts, dein Ohr ist taub. Deine Gedanken sind so kurz wie das Licht eines Blitzes, sonst hättest du Wania-takas Worte nicht vergessen. Nun komm, und halte die Augen offen, sonst wird dein Tag so kurz wie das Leben einer Eintagsfliege sein. Der Wichita war nicht allein.« Cochise kroch gewandt und lautlos wie eine Sandviper durch das Dickicht. Earp hatte Mühe, ihm zu folgen. Nach etwa dreihundert Yard fiel der Hügel in eine flache Talschlucht. Earp, der Cochise erreichte, blickte erstaunt auf die kleine Gruppe Rothäute, die sich bei den Zedrachbäumen versammelt hatte und ein Palaver abhielt. Wichitas, dachte er kopfschüttelnd. »Wie hast du sie entdeckt, Jefe?« flüsterte Earp. Cochise lächelte hart. Was wußte ein Weißauge vom Jagdinstinkt des roten Mannes. »Ich habe ihr Feuer gerochen.« »Obwohl es keinen Rauch zeigte?« Cochises Lächeln wurde stärker. »Das beweist mir, daß es das Feuer des roten Mannes ist.« »Und der Wichita, der mich angriff?« wollte Earp wissen. »Zeigt mir, daß sie Feinde sind. Sie haben nichts mit Waniatakas Orakel zu tun, denn sie verbreiten nicht den Frieden, sondern den Tod.« Während Cochise lautlos durch sandiges Geröll in die Tiefe glitt, dachte Earp an jene Bewegung im Lager Wania-takas, die sich Geistertanz-Kult nannte und, von Osten kommend, den Westen mit der Verkündung eines Messias überschwemmte, daß alle Roten bald vereint, ihre Toten auferstehen und die weißen Eindringlinge in ihrem Land bald verjagt sein würden. Earp dachte an Gefahr, denn er erlebte von Woche zu Woche stärker, wie weiße Einwanderer vom Apachenland Besitz ergriffen, ihre Familien um Grund und Boden betrogen und sich ausbreiteten wie Herrenmenschen, für die eine Rothaut nur eine armselige Kreatur war. 8
Cochise kauerte keine fünf Yard vom Lagerfeuer der Wichitas entfernt und schien ihr Gespräch zu belauschen. Earp nahm sein Glas zur Hand. Sie waren junge Burschen von kräftigem Körperbau. Ihre Gesichter waren mit kräftigen Farben bemalt, die zweifellos erkennen ließen, daß sie in wenig friedlicher Absicht Apachenland durchstreiften. Sie trugen weiche Mokassins, die bis zu den Schenkeln reichten, Wildleder- oder Musselinhemden, in denen eingefärbte Zeichen ihres Stammes sichtbar waren. Sie trugen Mausergewehre, Kriegslanzen und am Gurt den Tomahawk. Einer von ihnen, er schien ihr Anführer zu sein, hatte am Leibgurt einen langhaarigen blonden Skalp baumeln, der Wyatt Earp entfernt an Betty Longdales prächtiges Haar erinnerte, die mit ihrem Vater an der Basis der Chiricahua Mountains einen kleinen Handelsposten unterhielt und mit den Apachen in Frieden lebte. Vielleicht auch täuschte ihn die Farbe des Haares. Earp zählte ihre Pferde, in deren Richtung Cochise sich bewegte. Es waren acht zähe Mustangs, doch was ihn störte, war das rote Mal auf der Hinterhand der Gäule, das an einen Farbklecks oder eine rote Hand erinnerte. Noch ehe er sich weitere Gedanken machen konnte, begann drunten ein Höllenlärm. Cochise hatte die Seilkoppel durchschnitten, war blitzschnell auf einen Mustang gesprungen und trieb die Tiere mit gellendem Geschrei mitten durch die Wichitagruppe in die offene Mesa. Staub und Rauch wirbelte auf. Die Roten sprangen in die Höhe und griffen nach ihren Waffen. Die unhandlichen Mausergewehre donnerten nur einmal, dann war ihr Pulver verschossen. Lanzen und Pfeile durchschnitten die Luft und folgten dem Apachen, ohne daß sie ihr Ziel erreichten. Wieselflink, mit drohendem Geschrei, durchbrachen 9
Wichitakrieger das Gesträuch. Doch sie erkannten bald, daß der Pferdedieb ihnen voraus und die Gäule schneller als ihre Beine waren. Wyatt Earp löste sich grinsend von seinem Beobachtungsstand und kroch tiefer ins Gesträuch. Er hatte Cochises Verwegenheit erlebt, die ihm wieder einmal zeigte, mit welch vorzüglichem Zeitgenossen er ritt. Es würde sich wohl bald ändern, denn in den nächsten Tagen trennten sich ihre Wege. Während Cochise seine Apachenburg in den Chiricahua Mountains aufsuchen wollte, führte sein Weg nach San Manuel, wo er mit einem neuen Partner verabredet war. Als Earp die Pferde erreichte, sah er die mächtigen Kuttengeier, die flügelschlagend die Hügelkuppe umstreiften und sicher bald niederstürzen und den toten Indianer zerfleischen würden. Vielleicht auch würden seine Stammesbrüder versuchen, es zu verhindern. Earp löste die Zügel vom Kakteenkandelaber und führte seinen Pinto zu Cochises Gaul hinüber, der, abseits stehen gelassen, dürres Gras zupfte, nun aber den Kopf hob und bleckend die Zähne zeigte, so, als wolle er das Weißauge bedrohen. Earp hörte leise Geräusche im Rücken. Wie ein Blitz fuhr er herum, seine Rechte sprang zum offenen Halfter am Schenkel. Während er die Waffe herausriß, hetzte er blitzschnell in den Schlagschatten seines Pintos. Er hörte das Heranzucken eines Pfeiles und mußte erkennen, daß der Pinto steil in die Höhe stieg, ehe er mit schlagenden Vorderhufen um die Achse fuhr. Earp wich den Huftritten aus. Drüben spannten zwei der Wichitabanditen ihre kurzen Kriegspfeile auf die Sehnen ihrer Bogen. Earp schoß ohne Überlegung auf einen der bemalten Indianer, als sein weidwundgeschossener Pinto kraftlos umkippte und seinen Herrn unter der Last begrub. Earp kam so unglücklich zu Fall, daß der Sattel des Pintos 10
sein Bein einklemmte. Trotz aller Mühe gelang es ihm nicht, sich aus dieser Lage zu befreien. Zu allem Übel war ihm beim Fall der Colt entglitten, der nun außer Reichweite im Sand lag. Zwar hatte er einen der Angreifer erwischt, doch der Zweite schien Earps Lage erkannt zu haben. Böse grinsend trat er näher und hob den schweren Colt auf. Aus der Ferne erklangen Rufe. Strauchwerk brach, und Earp wußte, daß die Wichitakrieger, von seinem Schuß angelockt, bald erscheinen würden. Seine Arme fuhren kraftlos zum Scabbard, um die Henry zu erwischen. Aber der Weg dorthin war zu weit. Der Rote spannte den Hammer der Waffe. Er schien zufrieden mit seiner Beute, und Earp spürte, wie nahe der Tod war. Dieses kalte, scheußlich bemalte Gesicht, in dem zwei haßleuchtende dunkle Lichter funkelten, zeigte ihm die Zukunft. Wütend zerrte Earp am Sattelhorn, als der Krieger nähertrat. Aber sein Bein hing fest, als sei es in die Wangen eines Schraubstockes gespannt. Aus der Ferne war ihm, als dränge polternder Hufschlag den Hügel hoch. Earp sah, wie der Rote den Kopf hob, den Revolver schwenkte und einen Schuß abfeuerte. Im zuckenden Flammenblitz erkannte Earp die gefederte Lanze, die den Krieger durchbohrt hatte. Cochise, fuhr es ihm in den Sinn. Da spürte er auch schon zwei kräftige Fäuste unter den Armen. »Stemme deine Füße gegen die Sattelmulde«, hörte er Cochises klare Stimme, »oder möchtest du der Fraß der Geier werden?« Earp bemühte sich verzweifelt. Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen gelang es schließlich, freizukommen. Als Earp sein Bein unter dem Sattel hervorgezogen hatte, spürte er einen lähmenden Schmerz, der von der Stiefelspitze bis zur Hüfte zog. Schmerzhaft verzog er das Gesicht, als 11
Cochise ihn aufhob. »Nimm das Pferd«, rief Cochise, während er bereits seine Lanze holte und dann auf den Rücken seines Mustangs sprang. Er erkannte die Hilflosigkeit seines Begleiters, trieb den Mustang zum buntfarbigen Wichitaschecken, der ihn zum Hügel geführt hatte, und erfaßte die Hügel. Obwohl ihre Gegner im filzigen Gesträuch sichtbar nahe aufgerückt waren, verlor Cochise nicht die Beherrschung. Er führte den Schecken heran und reichte Earp die Hand. »Versuche es«, sagte er, »sonst wird es dein Tod sein.« Es war eine zwingende Forderung, die mit einer Mahnung endete, die Earp erkennen ließ, wie groß die Gefahr war. Seinen Schmerz verbeißend, ergriff er die dargebotene Hand. Kaum war er auf dem Rücken des Schecken, da zog Cochise schon seinen Mustang herum, ritt bis zum toten Indianer und beugte sich tief über die Flanke. Er erwischte Earps schweren Revolver, jagte mehrere Kugeln ins Dickicht und schaffte so einige Sekunden Luft vor den angreifenden Wichitas. Noch einmal beugte er sich vor, angelte die kostbare Henry vom Sattel des toten Pinto und winkte seinem Begleiter zu. »Vorwärts, Freund, reite, als säße ein böser Geist in deinem Nacken.« Cochise schoß noch zwei Kugeln in die Luft, die den Schecken zur schnelleren Gangart antrieben. Als Earp unterhalb des Hanges in die Mesa vorstieß, tauchte Cochise an seiner Seite auf. »Wichitas sind feige wie Crows«, sagte er verächtlich. »Sie schmücken sich mit Weiberskalps und prahlen mit ihren Heldentaten.« Earp schwieg eine Weile, ehe er den Kopf wandte. »Einer von ihnen trug einen hellen Skalp. Gehört er der weißäugigen Frau vom Handelsposten?« Cochise nickte finster. »Sie haben die Station überfallen und in Brand gesteckt. Der Einarm in Tucson wird es den Chiricahuas anlasten, wie viele Verbrechen, die in letzter Zeit 12
geschehen sind. Ich weiß mir keinen Rat.« Earp trieb den Schecken näher, der sich erstaunlich gut führen ließ. »Hol dir einen Rat bei John Haggerty.« Cochise hob den Kopf. »Der Falke?« »Er ist dein Freund und kann dir sicher helfen.« Cochise schwieg. Er blickte den Weg zurück, den sie geritten waren. Am Horizont stand eine schwache Staubwolke, die ihn erkennen ließ, daß die Wichitas ihre Pferde eingefangen hatten und nun voller Zorn auf ihrer Fährte saßen. »Wir wollen wachsam sein«, sagte Cochise, indem er in die Richtung der Indianer deutete. »Wichitas sind heimtückisch wie Kojoten. Sie reichen dir zum Frieden die Hand und treiben dir zugleich ihr Jagdmesser zwischen die Schulter.« »Hast du ihre Absichten erfahren können, Chief? Oder etwas über dieses Zeichen?« Earp deutete auf den blutigen Handabdruck im Fell des Schecken. »Sie reiten nach Süden, um sich mit irgendwelchen Weißaugen zu treffen. Wann und wo konnte ich nicht erfahren. Dieses Zeichen im Fell ihrer Pferde wird ein Symbol sein, ihr Taime vielleicht, ihr Glücksfetisch.« Der Häuptling zuckte die Achseln und schwenkte nach Norden, um dem mächtigen Organosfeld auszuweichen, das ihren Weg versperrte. * Am Abend rasteten sie an einem versteckten Wasserloch, und Cochise bestimmte, daß sie kein Feuer entzündeten. »Das Land ist flach wie eine ausgebreitete Santillodecke. Ein offenes Feuer würde unsere Gegner wie Motten ans Licht locken. Ich möchte einen weiteren Kampf vermeiden.« Cochise schien zu lächeln, als sein Begleiter überrascht den Kopf hob. »Nicht, daß Cochise feige wäre. Er denkt nur an seine Familien.« 13
»Und an den Messias aus dem glücklichen Reich der toten Apachen?« Cochise nickte. »Ich denke oft an Wania-takas Worte.« »Erzähle davon«, forderte Earp. Er war mit Cochise im Lager der Cheyenne gewesen. Er hatte dem offenen Gespräch der beiden großen Häuptlinge beigewohnt, aber ihre Athabaskensprache hatte in Earps Wissen große Lücken hinterlassen, er hatte nur Bruchstücke der Unterredung zwischen den Stammeshäuptlingen verstehen können. Cochise hatte seine Decke ausgebreitet. Er lag auf dem Rücken und blickte ins aufkommende Nachtlicht. Es dauerte lange, bis er zu reden begann. »Man spricht von der Offenbarung, die der Glaubenstanz Kult uns bringt. Ihr Orakel spricht, alle roten Brüder werden eins. Nie wieder wird es zwischen ihnen zu Kämpfen kommen und die Weißaugen werden unser Land verlassen. Die Jagdgründe werden den roten Jägern gehören. Der Büffel wird wiederkehren und das Grasland füllen. Es wird weder Not noch Elend in unseren Dörfern einkehren und unsere toten Brüder kehren aus dem Reiche Manitus zurück.« Cochise hatte die Augen geschlossen. Er schien noch immer tief beeindruckt von der Botschaft Wania-takas und fühlte sich den Göttern sehr nahe. »Ich werden Shoschuli wiedersehen, meine erste Frau. Naretana, meinen Bruder, und dessen Söhne Yadalanh und Giannahtah, die eines grausamen Todes sterben mußten. Den größten Führer unserer Stämme, Mangas Coloradas.« Cochises Augen standen nun weit offen. Es schien, als suche er im funkelnden Glanz der Sterne die Brücke ins Reich der Toten. Wyatt Earp spürte erschreckt die tiefe Verbindung seines Glaubens und zugleich die Unsinnigkeit des Orakels. »Wenn sie alle wiederkehren, Häuptling, gibt es da nicht ein mächtiges Gedränge auf der Erde?« fragte er lächelnd. Cochises Gedanken waren weit weg von der Gegenwart, als 14
er antwortete. »Unser Land ist unermeßlich in seiner Größe. Es beginnt im Osten, wo das strahlende Licht Holos den Tag ankündet, und endet im Westen, wo Holos ins Dunkel des Totenreiches untertaucht.« Earp schwieg. Er war ein nüchtern denkender Mensch, der alles Reale ins Auge faßte. Ihn verband nichts mit der Religion, und der Gedanke an die Auferstehung des Menschen lag so fern wie das Glück, das er suchte. Er lauschte in die Nacht, die von fremden Geräuschen gefüllt war. Der Ruf des Kojoten, dem Flug der Nachtschwalbe, die über ihr Lager strich. Dem gurrenden Ruf des Bus, der Eule, die im Glauben der Rothäute den nahen Tod verkündet. Unbewußt umspannte seine Faust das Gewehr, und er suchte in der Dunkelheit den Feind, der um ihr Lager schlich. »Nichts wird den roten Mann vereinen, Chief«, flüsterte er Cochise zu, »eure Sprache, euer Glauben, selbst eure Götter sind so verschieden, wie eure Lebensauffassung. Wache auf aus deinen Träumen, Häuptling. Der Tod schleicht um unser Lager. Wichitabanden. Sie halten nichts von der großen Offenbarung. Sie wollen unsere Skalps.« »Die Zeit ist noch nicht gereift. Aber sie wird kommen.« Cochise schien zu lächeln, als er sich umdrehte und die Nacht durchforschte. »Es sind sechs«, flüsterte er nach einer Weile. »Jene, die auf unserer Fährte reiten.« Cochise nickte. »Bleib bei den Pferden. Sie sind wichtig für uns.« Der Häuptling richtete sich lautlos auf und glitt zu den Tumbleweeds, die der Wind durch das offene Land trieb. »Nimm wenigstens meinen Colt«, rief Earp leise, als er sah, daß Cochise, nur mit dem Jagdmesser bewaffnet, in der Dunkelheit untertauchte. Aber Cochise schien seinen Ruf nicht zu hören. Earp kroch näher zu den Pferden. Er richtete sich auf, erfaßte die Zügel und starrte in die Nacht, hoffend, Cochise oder einen 15
der Gegner zu entdecken. Zäh verrann die Zeit. In der Ferne bellte ein Kojote und irgendwo in dem flachen, von Strauchwuchs durchzogenen Land, schrie ein Wüstenfuchs. Ein anderes Tier antwortete. An Earps Händen klebte der Schweiß. Seine Achtung vor dem Apachenhäuptling wuchs immer noch um eine Stufe, und es erschreckte ihn der Gedanke, allein gegen sechs wilde Wichitakrieger kämpfen zu müssen. Aus dem Bewuchs kam ein unterdrückter Schrei. Zwei Schüsse fielen. Ihr Echo verrollte, als ein weiterer Schrei die Nacht aufriß. Der Ruf der Füchse verstummte. Leiser Hufschlag klang auf, der bald in der Weite des Landes verebbte. Es dauerte noch einige Minuten, ehe Earp den aufrechtschreitenden Cochise erkannte. Der Häuptling trat ans Lager und stieß mehrere Male sein Jagdmesser in die Erde. Er sprach kein Wort, aber Earp wußte, er hatte zwei seiner Gegner erwischt und der Rest war aus Furcht geflohen. Cochise setzte sich nieder und legte eine bunte Decke um seine Schultern. Er folgte seinen unterbrochenen Gedankengängen. * Am nächsten Morgen weckte sie die Sonne. Sie füllten den Wasserbeutel, den Cochise mitführte, und bestiegen ihre Pferde. Gegen Mittag stießen sie auf die Karawanenstraße, die das Land von Ost nach West durchschnitt. Die mächtigen Bergrücken der Chiricahua Mountains waren so nahe, daß Earp die breite Talsenke erkannte, die zum Apachenpaß und Fort Bowie hinaufführte. Der Augenblick ihres Abschieds war gekommen. Earps Weg führte nach Süden zum San Pedro River, während 16
Cochise in seine Bergapacheria zurückkehren würde. »Haben deine Götter dich mit der Erkenntnis der Weisheit gefüllt?« fragte Earp zum Abschied. Cochise lächelte schwach. »Sie waren stumm und meine Gedanken blieben ohne Antwort. Ich werde die Häuptlinge zusammenrufen und mit ihnen die Dinge besprechen, die wie der Wind von Osten her in unser Land wehen. Wenn wir keine Einigkeit finden, werde ich einen Boten zum Falken senden. Er ist ein kluger Mann, der sicher einen Rat weiß.« Cochise zog seinen Mustang herum und trabte den Schatten der Berge entgegen. Wyatt Earp schwenkte nach Süden. Seine Gedanken waren bereits in San Manuel, einer Spielerstadt vom Rufe Tombstones. Glenn Morgan würde schon auf ihn warten. Nur einen Augenblick verschwendete Earp einen Gedanken an Tombstone. Dort durfte er sich wohl nie wieder blicken lassen, denn Marshal Marley hatte den Ruf eines zähen Jägers, der nichts unversucht lassen würde, ihn, Wyatt Earp, wegen Mordes an den Galgen zu bringen. Als Earp die Zügel lockerte, schwenkte sein Blick nach Osten. Weit voraus in den Ausläufern des Gebirges ritt Cochise einer Ungewissen Zukunft entgegen. »Go on!« rief Earp ungeduldig und kitzelte den Schecken mit den Sporen, »San Manuel ist unsere Zukunft, denn ich kenne keine Stadt, in der der Dollar so locker sitzt wie in diesem Settlement.« * Glenn Morgan legte bedächtig die Spielkarten auf den Tisch, als Marshal Marley und seine beiden Deputys auf müden Gäulen in Tombstone am Bird-Cage-Theatre vorbeizogen. Neugierig trat er ans Fenster, von wo aus er erkennen konnte, daß Marley und seine Leute zum Office ritten. McLynn, irischer Abstammung, gemein und verschlagen, trat 17
grinsend an Morgans Seite. »Ich wette, der Spieler hat ihnen Paroli geboten, Boß«, sagte er mit hämischem Lachen. »Dieser Earp ist aus hartem Holz geschnitzt.« Morgan dachte an die letzte Unterredung mit Earp im BirdCage, ehe Earp nach der Schießerei fliehen mußte, und nickte. »Er wäre ein brauchbares Mitglied unserer ehrenwerten Gesellschaft, McLynn. Earp hat einen klaren Kopf, die Nerven eines Zockers und eine schnelle und sichere Schußhand, um gefährliche Situationen zu bereinigen. Außerdem ist er ein vagabundierender Abenteurer wie wir. Sattelt die Pferde, wir brechen bald auf nach San Manuel.« Morgan ging am Tisch vorbei, strich sein Geld ein und betrat die Straße. Sein Weg führte ihn zum Sheriff-Office. Als er über die Schwelle trat, streifte Marley gerade die staubigen Stiefel von den Füßen und griff dann nach der Brandyflasche. Er verzog sauer das Gesicht, als er den Spieler wahrnahm, der unaufgefordert nähertrat und sich vor dem Schreibtisch aufbaute. »Sie wollen sich wohl nach dem Bastard erkundigen, Morgan?« knurrte der Marshal mißmutig. Morgan grinste offen in das Stoppelbärtige Gesicht Marleys. »Ich sehe es Ihnen an, Marshal, wie es Earp geht. Ich wette, er erfreut sich bester Gesundheit und ist irgendwo auf dem Weg nach Norden. Ganz im Gegensatz zu Ihren Sternträgern, die abgekämpft sind, weil ein Wolf seine Krallen zeigte.« Marley dachte an die lange Jagd auf Earp und an diese verdammte Arapahoehorde, die seinen Weg kreuzte und für den Revolverhelden Schicksal spielte. »Wollen Sie sich über mich lustig machen, Morgan?« grollte er zornig, »dann haben Sie einen schlechten Tag erwischt.« »Im Gegenteil, Marshal. Ich wollte mich von Ihnen und Ihrer schönen Stadt verabschieden. Vielleicht wird Earp mir irgendwo begegnen und ich kann ihm von Ihnen einen Gruß bestellen«, sagte Morgan grinsend. 18
Marley kniff die Augen zusammen. Er wußte, daß Morgan und Earp sich in seiner Stadt nahegekommen waren. Er deutete zur Tür. »Hauen Sie ab, Morgan, und lassen Sie sich nie wieder in Tombstone blicken.« »Verbieten Sie mir die Stadt, Marshal?« »Nein, dazu fehlt mir die Handhabe. Aber einen guten Rat gebe ich Ihnen. Es gehen Gerüchte in dieser Stadt um, daß Ihr Glück nicht gepachtet ist. Man sagt, Sie helfen den Karten ein wenig nach. Das wäre schon ein Grund, Sie eine Weile einzubuchten. Und noch ein Rat, Morgan«, Marshal Marley legte die Beine auf den Tisch und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche, »reiten Sie nicht nach Norden. Dort oben braut sich was zusammen. Cheyenne und Arapahoes laufen durch Apachenland, als hätten sie es gepachtet. Longdales Station haben streunende Bastarde niedergebrannt, die Besatzung skalpiert. Überall stehen Rauchzeichen auf den Berghöhen, die wenig Gutes verheißen. Es riecht nach einem Aufstand unter den Roten, oder einen Krieg gegen das Militär und die Siedler.« Morgan hatte die Tür fast erreicht. Er stützte sich mit der Linken am Türpfosten und blickte erstaunt zu dem Sprecher hinüber. »Ihre Warnung klingt recht freundlich, Marshal. Sie mögen mich wohl?« »Ja, Morgan, wie die Blattern«, antwortete Marley bitter. Der Spieler zog lachend davon. Vor dem Vogelkäfig-Theatre stand McLynn. »Wo sind die Pferde, McLynn?« fragte Morgan. Lynn deutete zum Mietstall auf der anderen Straße. »Dieses rothäutige Schlitzauge ist wieder da. Du weißt, wen ich meine.« »Tatsa-min?« Morgan kniff die Augen zusammen, während sein Blick McLynns ausgestrecktem Arm folgte. »Jage ihn zum Teufel, McLynn. Wir haben keine Gewehre zu verkaufen. Nicht mal einen Vorderlader. Und schon gar nicht an eine 19
Rothaut.« Der bärtige McLynn griff nun nachdenklich zum Kinn. Er schien noch was loswerden zu wollen. »Tatsa-min faselte was von Gold, mit dem sein Häuptling bezahlen wollte. Von einer Mine.« »Jede Rothaut hat eine Mine.« Morgan lachte trocken auf, »die er für eine Handvoll Karabiner verkaufen möchte. Wir reiten nach San Manuel und reißen unsere eigene Mine auf.« Morgan hielt ein Kartenpäckchen in der Faust. »Das ist unser Kapital.« Er trat auf die Straße, als McLynn ihm nachrief: »Sie soll in den Chiricahua Mountains liegen. An einem Seitenarm des Bavispe.« Ruckartig blieb Morgan stehen. Sein Kopf flog herum, und seine Augenlider verengten sich. Er dachte an die vielen Geschichten, die über den Bavispe im Umlauf waren. Es sollte ein Goldland sein, in dem die Nuggets im ausgetrockneten Flußbett lagen wie billige Kiesel. Legende und Wahrheit lagen sehr nahe zusammen, denn es sollte Männer gegeben haben, die dort Gold gefunden hatten. Aber sie hatten kein Glück, denn der Bavispe und seine trockenen Nebenflüsse lagen im Gebiet der Apachen an der Grenze von New Mexico und Chiricahua. »Das Anson City Gold?« fragte er lauernd. McLynn zuckte mit den Achseln. »Tatsa-min ist nicht sehr gesprächig.« »Komm«, sagte Morgan entschlossen, überquerte die Straße und betrat den Stall. McLynn aber blieb an der Tür stehen. Der Caddo stand im Schatten einer Box, nahe seines Mustangs. Ein kräftiger, junger Bursche, den Morgan noch aus dem texanischen Grenzland kannte. Trotz des Dämmerlichtes sah er den roten Fleck auf dem Widerrist des Gauls, und als er ihn näher in Augenschein nahm, erkannte er in ihm den blutigen Abdruck einer Hand. 20
»Was soll das Theater, Tatsa-min?« fragte er und deutete auf die Hinterhand des struppigen Mustangs. Tatsa-min warf stolz den Kopf in den Nacken. »Es ist das Zeichen der Wichita-Caddo-Allianz. Unsere Stämme haben sich verbrüdert, um die schleichende Pest des GeistertanzKultes zu bekämpfen.« »Und wer sind diese Geistertänzer?« fragte Morgan lauernd. »Sie reden vom Frieden des roten Mannes, dem Abzug der weißen Siedler und den Pferdesoldaten, und von der Wiedergeburt der Toten. Sie sind Schwächlinge, die wir bekämpfen werden, weil ihre Worte unsere Götter verhöhnen.« Der Spieler trat einen Schritt näher. Er sah Tapper, der beim Sattelholm stand und McLynn, der wachsam am Eingang lauerte. Er traute keinem Indianer. »Wenn ihr genügend Gold habt, könnt ihr auch Waffen kaufen.« Tatsa-min schüttelte traurig den Kopf. »Kein Händler wird uns Waffen verkaufen. Das Gesetz verbietet den Weißen, dem roten Mann ein Gewehr zu verkaufen.« »Und warum glaubt dein Jefe, ich würde ihm Waffen liefern?« Tatsa-min schob die Hand über den Pferderücken. Er sah Morgan mit offenen Augen an. »Häuptling Guadalupe weiß es. Dein Gewissen ist groß wie die Llanos Estacados. Deine Gedanken sind schwarz wie das Dunkel der Unterwelt. Du bist ein Mann, der Reichtum und Glück sucht, selbst wenn er durch ein Meer von Blut waten müßte.« Morgan riß verblüfft den Mund auf, ehe er zu grinsen begann. »Mit anderen Worten, Tatsa-min, dein Häuptling hält mich für ein verkommenes Subjekt.« »So ist es.« Tatsa-min nickte. »Du und deine Freunde haben den Jefe am großen Fluß schon einmal mit Waffen versorgt und ihn betrogen, weil die Gewehre alt und das Pulver unbrauchbar war. Häuptling Guadalupe hat dir verziehen, aber 21
du wirst unseren Stämmen neue Waffen besorgen, und er wird dich nicht betrügen. Das ist seine Botschaft.« »Du meinst, er führt uns zur Goldader am Bavispe?« »Er zahlt mit der Karte der Derroteros. Und dies ist der Beweis, daß der Jefe nicht mit gespaltener Zunge spricht.« Morgan fühlte einen groben faustgroßen Stein in der Faust, den die Rothaut ihm zugesteckt hatte. Er trat aus dem Schatten der Box in den Mittelgang und hielt ihn ins Licht. Flacher Lichteinfall berührte den Stein, und Morgan erkannte, daß es pures Gold war, das er in der Faust hielt. Derroteros, fuhr es durch seinen Sinn und ein Zug von Gier trat in sein Gesicht, die Karte der spanischen Abenteurer. Sie allein führte zum Eldorado des Glücks. »Wie kann ich dem Chief berichten, Weißauge?« fragte nun Tatsa-min. Morgan atmete schwer. Er grinste McLynn an, der neugierig nähergetreten war. »Er bekommt die Gewehre, Tatsa-min. Dreißig Hinterlader und zweihundert Schuß Munition.« »Fünfzig Schnellfeuergewehre und tausend Schuß«, erwiderte die Rothaut ruhig. »Das ist sein Preis.« »Fünfzig Henry-Rifles?« McLynn fuhr erschreckt zusammen. »Halt's Maul«, knurrte Morgan grob. »Er bekommt fünfzig Henrys. In einem Monat. Wo werde ich eurem Jefe begegnen?« »Er wird es dich wissen lassen. Sowie die Zeit gekommen ist«, wich der Rote aus. Tatsa-min führte seinen Mustang aus der Box, schwang sich auf den Rücken und ritt an den Männern vorbei durch das Tor. »Fünfzig Henry-Rifles gibt's in ganz Arizona nicht«, fluchte McLynn los. »Wo willst du sie hernehmen?« Morgan wog den Goldnugget in der Faust. Er lächelte 22
überlegen. »In Yuma gibt es einen Mann, einen alten Pferdedieb und Waffenschmuggler. Sam Allister kennt die dunklen Kanäle, die zu den Waffen führen.« Nun grinste auch McLynn. »Sam Allister hat noch dreißig Jahre zu brummen und wenn er rauskommt, ist er ein aufgebrauchter uralter Mann, den das Ungeziefer im Kerker und die harte Arbeit in den Steinbrüchen zermürbt haben.« »Dann werden wir der Zeit ein wenig nachhelfen, McLynn.« Morgan deutete zu den Boxen. »Sattle die Pferde, wir reiten nach Yuma.« * Victorio, Chato, Nana und Ulzana waren Cochises Ruf gefolgt und zur Bergapacheria des Häuptlings geeilt. Rauchzeichen hatten sie gerufen und Rauchzeichen, die über die steilen Berghänge wehten, kündigten auch Chiricahuas und Locos Kommen an. Cochise war in Sorge, denn auf dem Weg über den Apachenpaß war ihm ein gewaltiger Konvoi mit Planwagen von Siedlern begegnet, und aus einem Gespräch, das er belauschen konnte, erfuhr der Jefe, daß weitere Trecks unterwegs nach Arizona waren. Aber diese Tatsache allein war es nicht, die Cochises Gedanken verdunkelten. Im Apachenland ritten Cheyennen, wenn auch friedlich. Wichitas und Caddos. Von Naiche, seinem Sohn, der vor einer Woche nach Osten geritten war, um einen Vetter zu besuchen, erfuhr er von der Geistertanzbewegung und ihrem Ursprung, der bis zur Küste führte, und einer Gegenströmung, die sich Allianz nannte. Wichita-Caddo-Allianz. Zwischen ihnen und der friedlichen Bewegung der Geistertänzer sollte es bei den Sioux, den erbittertsten Feinden der Apachen, zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen 23
sein. Chihuahua und Loco kamen am Nachmittag. Trotz zunehmender Dunkelheit berief Cochise den Rat der Häuptlinge und den Rat der Alten des Dorfes ein. Mit ernsten Worten berichtete er von seiner Begegnung mit dem Cheyennehäuptling Wania-taka und dem ausführlichen Gespräch über das Orakel. Er sprach bald von den weißen Siedlertrecks, die immer stärker ins Apachenland einfielen und schließlich berichtete er, was Naiche in Erfahrung bringen konnte. Cochise sah die leuchtenden Augen der Alten, die noch die freie Jagdzeit in der Mesa und die gewaltigen Büffelherden kannten, deren zottige Felle die Erde bedeckten, daß kein Grashalm erkennbar war. Aber er sah auch die ablehnende Haltung der jüngeren Generation. Victorio, der Wolf unter den Mimbrenjos, war erregt aufgesprungen. Stolz blickte er über den Versammlungsplatz hinweg, ehe er sich an Cochise wandte, der schweigend und abwartend auf seiner Decke saß. »Cheyenne, Arapahoes, Wichitas und Caddos tummeln sich auf dem Apachenland, als wären es ihre Weidegründe. Ihre Feuer leuchten nachts von den Bergen und am Tage geben sie Rauchzeichen. Es wird nicht lange dauern, bis Caddos und Wichitas über die Cheyenne herfallen, und ich stelle die Frage, wann greifen sie Apachensiedlungen an?« Finsteres Gemurmel ging um die Runde. »Unsere Ahnen haben die Zunis einst von hier vertrieben, um uns eine Zukunft zu geben. How. Wir sollten die Krieger unserer Stämme vereinen und diese Steppenwölfe über den Rio Grande jagen«, fuhr der Mimbrenjohäuptling heftig fort. »Das eine wie das andere bedeutet nichts Gutes. Es wird uns Leid und Unglück bringen.« Jeder in der Runde wußte, daß Victorio von der gegensätzlichen Bewegung sprach. 24
Und Loco sagte: »Eine Wiederkehr aus dem Reich der Toten halte ich für ausgeschlossen, denn wie sagt unser Glaube?« Locos Augen blitzten fast jungenhaft. »Erst jenseits unserer Tage liegt das wahre Glück eines Apachen. Weshalb also sollte jemand dieses Glück verlassen wollen, um auf diese traurige Erde zurückzukehren?« Victorio bekundete durch heftiges Kopfnicken seine Zustimmung zu Locos Worten. »Das Ganze ist das Gaukelspiel eines Verrückten«, rief er lautstark in die Nacht. »Und die, die es beenden wollen, sind von der gleichen Bosheit befallen wie die anderen. Tod unseren Feinden!« Victorio streckte die geballte Hand hoch in den Himmel. »Tod den Wichitas und Caddos«, rief Ulzana. »Meine Krieger werden an der Spitze reiten, wenn wir diese Kojoten in ihr Land zurückjagen. Es ist schon genug Unheil, wenn Pferdesoldaten über unsere Zukunft bestimmen und helläugige Siedler unser Land stehlen.« Hochaufgerichtet und stolz wie ein edler Apache stand Ulzana am Feuer, und die lodernden Flammen warfen ihren Schatten über seine Gestalt. Cochise spürte die aufkeimende Unruhe unter den Stammesfürsten. »Wir wollen keine unüberlegten Schritte tun, Brüder«, warnte er. »Cheyenne und Arapahoes haben mich wie Freunde bewirtet. Mit ihnen läßt sich reden. Und über das Treiben der Wichitas und Caddos, wie auch über die zunehmend starke Besiedlung unseres Landes, will ich mit dem Falken reden.« »Der Falke ist Soldat«, rief Loco heftig. »Er tut, was der weiße Häuptling der Pferdesoldaten ihm befiehlt«, schloß Victorio sich dem Protest Locos an, »ja, er schützt diese Landräuber, die unsere Familien betrügen, indem sie mit Feuerwasser das Land unserer Brüder kaufen.« »Der Falke ist ein gerechter Mann.« Cochise stand auf. Stumm und herausfordernd musterte er Victorio, von dem er wußte, daß er ein Rebell war. Jähzornig und verschlagen. 25
Victorio sah die kalte Herausforderung in Cochises Augen. Er fürchtete den Jefe nicht, aber er würde niemals mit ihm um sein Leben kämpfen. »Wir wollen in den Stunden der Not nicht einander verfeinden, Chief«, sagte er nachgebend und setzte sich auf die Decke nieder. »Rufe John Haggerty, den Falken, aber ich sage dir, er kann weder dir noch unserem Volke helfen.« »Wir wollen nicht die Hoffnung verlieren.« Cochise ließ über seinen Vorschlag abstimmen, und als man ihm zustimmte, wandte er sich an seinen Sohn. »Naiche«, sagte er ruhig, »ich brauche einen zuverlässigen Boten, der den Weg zum Falken findet.« Naiche, das jüngere Ebenbild seines Vaters, verstand seine Worte. Er nickte lächelnd. »Ich werde in die Zeltstadt in der Wüste reiten und den Falken in unsere Bergfestung bitten.« Cochise sah das angespannte Gesicht Victorios, in dem eine gewisse Verschlagenheit stand, und es erinnerte ihn an Old Vics Auseinandersetzung mit John Haggerty am brennenden Mormonendorf in der Gila, wo der Mimbrenjo eine fürchterliche Abreibung bezog. Um seine Lippen zog ein kluges Lächeln. »Ort und Zeit der Begegnung werde ich später bestimmen, denn ich halte es nicht für ratsam, daß der Falke unsere Apacheria betritt.« »Du mißtraust dem Falken?« triumphierte der Mimbrenjo auf. »Nein«, erwiderte der Jefe klar, »der Falke hat schon einige Male bewiesen, daß er ein Freund der Apachen ist. Aber warum soll ich ihn mit fremdem Wissen belasten, wenn es nicht nötig ist?« Cochise hob die Hände zum Feuer, was für seinen Sohn ein Zeichen war, daß er die Versammlung verlassen durfte. Bis tief in die Nacht sprachen die Häuptlinge und die Alten des Dorfes über Zukunft und Vergangenheit der Apachen und 26
es kam zu hitzigen Gesprächen. * Nach einem langen und anstrengenden Ritt erreichte die kleine Gruppe Yuma. McLynn, der sich in der Gegend auskannte, führte seine Freunde auf einen Steilhang, von wo aus die Stadt und auch die Kerkeranlage erkennbar waren. McLynn deutete grinsend in die Tiefe. »Das ist das Zuchthaus von Yuma. Es ist so sicher wie ein Panzersafe. Nur wen sie rauslassen wollen, der kommt heraus. Sam Allister wird dort dreißig Jahre modern.« Glenn Morgan saß schweigend auf seinem Gaul und beobachtete durch das Fernrohr die flachen Bauten aus gebrannten Ziegeln und die dahinterliegenden Steinbrüche, deren Berüchtigkeit selbst in Texas bekannt war. Als er das Glas absetzte, wandte er sich grinsend an McLynn. »Wenn wir von außen nicht rankommen, dann von innen. Du hast schon einmal in Yuma gesessen und kennst die Anlage.« McLynn fuhr im Sattel hoch und betrachtete den Sprecher mit entsetzten Augen. »Hat die Sonne dein Gehirn ausgetrocknet, Boß? Oder willst du nicht begreifen? Niemand kommt mit Gewalt aus diesem Kerker, denn die Guards sind die übelsten Zeitgenossen der Geschichte. Radikal und brutal. Wenn nur einer ein Wort sagt, schlagen sie ihn zusammen. Sie haben ihr eigenes System, den Menschen kirre zu machen. Verdammt, ich habe nur ein Jahr in Yuma verbracht. Aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor.« Morgan hörte sich das Gejammer an, ehe er seinen Gaul über den Kahlschlag lenkte. Er dachte an Guadalupes verlockendes Angebot und an den einzigen Mann, der ihnen die Waffen besorgen konnte. »Wir brauchen Verbindung zu Allister«, bestimmte Glenn Morgan, als sie an den Palisaden des Forts vorbei in die 27
Ortschaft ritten. »Du übernimmst den Job, McLynn, und setzt dein Gottvertrauen auf Tapper und mich, die dich und Allister holen werden.« Damit war Morgans Entscheidung gefallen, und schon am Nachmittag begann er gewissenhaft seine Vorbereitungen zu treffen. Morgan wußte, daß viel auf dem Spiel stand, denn wenn seine Pläne, Allister zur Flucht zu verhelfen, gelangen, würde es die große Hetzjagd geben. Im Mietstall kaufte er einen Gaul für Allister. Er wählte einen breitbrüstigen Mustang, der für eine schnelle Flucht geeignet schien. Später führte sein Weg zum Drugstore. Er gab sich als Prospektor aus, kaufte eine Kiste Sprengpatronen und das nötige Zubehör, und traf sich kurz vor Sonnenaufgang mit seinen Kumpanen, um den weiteren Verlauf der Aktion durchzusprechen. Als McLynn kurze Zeit später mit gemischten Gefühlen die Straße hoch an den massiven Mauern des Zuchthauses entlangging, war ihm weiß Gott nicht wohl zumute, denn er kannte die brutalen Wächter aus Yuma und ihre Prinzipien. Sie werden nicht zimperlich sein, dachte er, trat auf den Posten zu, der das Tor bewachte, und begann ihn zu provozieren. Glenn Morgan und Tapper beobachteten das Spiel aus respektvoller Entfernung. Sie sahen, daß McLynn gewalttätig wurde und einige muskulöse Burschen durch das offene Seitentor stürmten und McLynn mit Schlagstöcken niederknüppelten. »Hoffentlich steht McLynn morgen wieder auf den Beinen«, sagte Tapper grinsend, als die Guards den bewußtlosen Mann in den Hof schleppten. »McLynn ist zäh wie ein altes Stück Büffelleder. Weit wichtiger ist es, daß er Allister trifft, und sie beide zur rechten Zeit an der rechten Stelle sind«, erwiderte der Spieler ruhig und kehrte in die Kneipe zurück. 28
Es stand viel auf dem Spiel. Glenn Morgan wußte es. * Wie ein Schatten, den die Nacht verdeckte, glitt Naiche durch die Bodenwelle den hellen Zelten entgegen, die, im weiten Karree geordnet, den großen Platz umstanden, auf dessen Mitte ein großes Feuer brannte. Ein langer Weg lag hinter ihm. Der beschwerliche Abstieg aus den Bergen, der Gluthauch, der aus dem Gila-Desert wehte. Die Einsamkeit der Mesa. Er war Reiterkolonnen begegnet. Eine Patrouille Langmesser, die das Land kontrollierten, und einem gewaltigen Wagenzug, der sich westwärts durchs Apachenland bewegte. Einmal sah er einen Reiter auf einer mächtigen Schimmelstute, die im undurchsichtigen Gelände des Big Heart untertauchte. Es war ein Kriegshäuptling der Caddos. Naiche hatte die Schmuckhaube erkannt, die er trug, und sicher wäre er dem Krieger gefolgt, hätte ihn der Vater nicht mit einer wichtigeren Mission betraut. Nun, nach vielen harten Tagesritten, stand er am Ziel. Der Zeltstadt des Häuptlings der Pferdesoldaten. Noch nie war er ihnen so nah, und noch nie hatte er sie in dieser Größenordnung gesehen, denn trotz der Dunkelheit erkannte Naiche die Vielzahl der Zelte und die Männer, die dort lebten, und Naiche dachte, daß sie in ihrer Größe zahlenmäßig den Chiricahuas und den Mimbrenjos ebenbürtig waren, wenn nicht sogar überlegen. Naiche brauchte nicht besonders vorsichtig zu sein, denn der Lärm, der am Feuer herrschte, schluckte jedes fremde Geräusch. Verächtlich verzog der junge Häuptling die Lippen, wenn er an die Sitten des weißen und des roten Volkes dachte. Naiche erreichte die äußere Begrenzung der Zeltstadt, schlüpfte durch den natürlich gewachsenen Wall wilder 29
Chapparells und verharrte eine Weile im Schatten eines Gesträuchs, als in der Nähe Stiefelschritte eines Postens aufhallten, der langsam näherkam. Naiches Hand fuhr zum Jagdmesser. Er war nicht sicher, wie sich ein Weißauge verhalten würde, wenn er unvermutet einem Apachen gegenüberstand. Die Schritte zogen an Naiche vorbei und verhallten in der Nacht. Er richtete sich nun vorsichtig auf und faßte das größere Zelt ins Auge. Der Falke war für ihn ein wichtiger Mann und sicher hatte er auch hier seine Bedeutung, daß man ihm, wie seinem Vater Cochise, den größten Jacale überließ. Licht flackerte auf dem straffen Leinen der Zelte, als Naiche aus dem Schatten des Strauchwerks trat, nur eine Sekunde zögerte, und dann mit federnden Schritten auf das Großzelt zuhetzte. Irgendwer mußte ihn entdeckt haben, denn ein heller Ruf forderte Naiche auf, stehenzubleiben. Als er dennoch weitereilte; schoß der Rufer seinen Karabiner ab. Naiche hörte das häßliche Heulen des Geschosses am Ohr. Gleich darauf brüllte eine befehlsgewohnte Stimme lautstark: »Überfall! Brämens, geben Sie Signal. Indianer sind ins Lager eingefallen.« Noch einmal fiel ein einzelner Schuß. Die Rundkugel durchschlug das Großzelt, dessen Ausgangsluke aufgestoßen wurde. Verschlafen, vom Lärm erschreckt, nur spärlich bekleidet, wollte General Howard ins Freie treten, als Naiche ihn ansprang und ins Zelt zurückdrängte. Das Licht der Lampe war zurückgeschraubt, so daß im Dämmerlicht nur schwache Konturen erkennbar waren. Dennoch sah Howard den blitzenden Dolch in der Faust des Roten, der ungestüm näherdrängte, als draußen Befehle aufhallten. »Wo Falke?« zischte Naiche im nächsten Augenblick. Sein 30
sehniger Arm schnellte vor, die Spitze des Dolches stieß zwischen Howards offenstehende Feldbluse. »Den Falken rufen«, forderte Naiche noch einmal. Der Lärm draußen war bedrohlich nahegekommen. Trotz der Dunkelheit glaubte General Howard diese Rothaut schon einmal gesehen zu haben. Seine stolze, aufrechte Haltung, seine Kühnheit erinnerten ihn an einen großen Apachen, den er kannte, und unbewußt antwortete er: »Schickt dich der Häuptling der Apachen, um den Falken in sein Dorf zu rufen?« Ehe Naiche antworten konnte, schallte von draußen die Stimme eines Soldaten herein: »Sir, ist Ihr Leben in Gefahr?« Howard lächelte schwach, als er spürte, daß der Druck der Dolchspitze sich vom Brustkorb löste. »Nein, Tanner«, rief der General laut, um den Major zu beruhigen, daß keine Gefahr für seine Person bestand. »Die Rothaut ist der Sohn Cochises. Er ist ins Lager eingedrungen, um John Haggerty zu sprechen. Holen Sie den Scout in mein Zelt, Mr. Tanner. Ihre Begleiter sollen sich zum Lagerplatz zurückziehen.« Naiche lauschte mißtrauisch den sich entfernenden Schritten. General Howard schraubte den Docht der Lampe höher. Die Schatten flohen aus dem letzten Winkel des Zeltes. General Howard erkannte den Apachen. Auch Naiche schien den Offizier erkannt zu haben, der schon einmal an der Seite seines Vaters gesessen und mit ihm einen Vertrag ausgehandelt hatte, der längst gebrochen war. »Du Häuptling Einarm«, sagte Naiche ruhig. Er schob seinen Dolch in den Gurt zurück und blickte erwartungsvoll zum Zeltausgang. Draußen hallten Schritte auf, die rasch näherkamen. »Du großer Häuptling der Langmesser…« Howard lächelte, denn er wußte, daß Langmesser der Name seiner berittenen Einheiten war, die nach ihren Kavalleriesäbeln benannt wurden. Er nickte. »Ich bin der Häuptling dieser Soldaten hier und ein 31
Freund Cochises.« Naiche reckte stolz den Kopf in die Höhe. »Nur einem Weißauge vertraut Cochise. Dem Falken…« Die Zeltplane wurde zurückgeschlagen. Groß und kräftig, mit federnden Schritten trat Howards Chiefscout über die Schwelle. Naiches Augen blitzten im Widerspiel des Lichtes, als er den Mann erkannte, er dachte an ihre letzte Begegnung in der Apacheria in den Dragoon Mountains als ein Waffenschmuggler ihn als Geisel gefangenhielt, und der Falke ihn unter Einsatz seines Lebens befreite. Ihre Blicke berührten sich, und John Haggerty sah Naiches Lächeln, das ihm zeigte, daß der Häuptlingssohn in friedlicher Absicht die Zeltgarnison betreten hatte. John grüßte lässig. »Es muß etwas Wichtiges sein, wenn Cochise seinen Sohn mit der Mission betraut, Sir. Hat er Ihnen bereits etwas erzählt?« »Die Botschaft des Chiefs ist nur für das Ohr des Falken bestimmt«, sagte Naiche. Doch Haggerty deutete lächelnd auf den Offizier. »Er ist der Häuptling der Blauröcke. Ihm liegt das Wohl der Apachenstämme genauso wie mir am Herzen. Cochise weiß, daß General Howard seine Freundschaft sucht, um einen Weg zum Frieden zwischen Apachen und Weißaugen zu finden. Also berichte, was der Jefe für eine Botschaft sendet.« Naiche schwieg. John sah Trotz und Mißtrauen in seinen dunklen Augen, und Howard, dem dies ebenfalls nicht entgangen war, hob gelassen die Schultern. »Vielleicht ist es besser, ich lasse euch beide vorab allein«, sagte er und wollte zum Ausgang gehen. Da erzählte Naiche: »Cochise, mein Vater, hat Sorgen, Falke. Er braucht deinen Rat und deine Hilfe. Es sind fremde Stämme im Apachenland. Cheyenne, Arapahoes, die von Frieden sprechen. Wichitas und Caddos, deren Rauchsignale den Tod 32
bedeuten. Es kommen Bleichgesichter auf hohen Wagen in unser Land, die unsere Familien vertreiben und Besitz von unserem Land ergreifen. Mein Vater braucht deinen Rat, Falke, denn er weiß nicht, sind es die Cheyenne, die den Auferstehungstanz loben oder die Caddos, die diese Bewegung niederwerfen und Unfrieden unter den Apachenstämmen verbreiten, denen er trauen kann. Deshalb braucht er deine Hilfe.« John Haggerty wechselte einen kurzen Blick mit dem General. Sie beide wußten aus Berichten zurückkehrender Indianerscouts von dieser Geistertanzbewegung, die inzwischen Arizona erreicht hatte. Aber eine Gruppe, die sich dieser Glaubensbewegung entgegenstellte, war ihnen unbekannt. John Haggerty spürte, daß hier eine Gefahr heraufwuchs, die den Frieden im Lande gefährden konnte. »Wo will der große Häuptling, dein Vater, mit mir sprechen, Naiche?« wollte er wissen. Naiche trat näher. Er blickte über Haggertys Schulter, und John erkannte, daß der Häuptlingssohn dem General noch immer nicht traute. »Ich werde dich führen und sicher zu meinem Vater bringen.« »In eure Bergfestung?« »Zum zerstörten Kloster Santa Elfrida«, antwortete Naiche leise. John kannte das Kloster. Es lag tief im Süden, verborgen in den Swisshelm Mountains. Eine Ruine, die seit vielen Jahren verlassen war. John blickte zu General Howard hinüber, der die letzten Worte vernommen hatte. Er sah dessen zustimmendes Nicken. »Na gut, Naiche«, sagte er deshalb entschlossen, »ich werde zu den Klosterruinen reiten und mit deinem Vater sprechen. Aber ich reite allein.« In Naiches Augen trat Unmut. Er war jung und zu schnellem 33
Aufbegehren bereit. Aber seine Stimme klang ruhig, als er antwortete: »Es ist ein gefährlicher Weg, Falke. Caddos und Wichitas haben ihre Haut mit Blut gefärbt und schmücken mit dieser Farbe auch ihre Mustangs. Sie werden deine Weiße Haut nicht schonen, wenn du ihren Weg kreuzt.« »Eine Gefahr, die man kennt, bedeutet keine Gefahr mehr, Naiche. Es ist ein Wort deines Vaters.« John lächelte. »Das weise Wort eines klugen Mannes. Nun reite nach Hause, Naiche, und halte deine Krieger bereit. Vielleicht werden wir bald eure Hilfe brauchen.« John ging zum Ausgang und stieß die Plane zurück. Er sah ein halbes Dutzend Uniformierter in der Nähe, die ihre Waffen schußbereit im Anschlag hielten. Sie schienen dem nächtlichen Boten nicht zu trauen. »How, Naiche«, sagte Haggerty, »ich werde dich zu deinem Mustang begleiten.« * Eine Feuergarbe fuhr mit gewaltiger Explosion in den sinkenden Tag und verdunkelte den Himmel. Noch ehe das Echo verhallte, sprengten aus den nahen Manzanitas zwei verwegene Reiter, die Handpferde mitführten, der Explosionsstelle entgegen. Rücksichtslos trieben sie die Tiere durch das stachlige Gesträuch, und als am Eingang des Zuchthauses einige Wachen herausstürzten, eröffneten sie das Feuer. Morgan wußte, die nächsten Minuten würden das Unternehmen entscheiden, denn wenn der Überraschungseffekt abgeklungen war, hatten McLynn und Allister keine Chance, aus diesem Kerker zu entkommen. Einer der Uniformierten fiel steif in den Sand. »Haltet mir die Kerle vom Hals«, schrie Morgan, griff nach Tappers Handpferd und jagte auf die entstandene Lücke in der 34
Steinmauer zu. Der Wind hatte die Explosionswolke vertrieben. Aus dem klaffenden Loch krochen zwei Männer in zerrissenen Leinenanzügen, schwenkten winkend die Arme und eilten dann dem Reiter entgegen, der die Pferde führte. Tapper hatte seinen Karabiner verschossen und feuerte nun mit dem Revolver. Morgan war heran. Er grinste in McLynns verbeulte Visage, die die Visitenkarte der Guards trug, und warf ihm wortlos die Zügel zu. Sam Allister tauchte neben Morgan auf, und der Spieler sah das faltige Gesicht mit den tiefliegenden Augen, das nur entfernt an Sam Allister erinnerte, so wie er ihn gekannt hatte. Yuma hatte ihn bereits gezeichnet. »Schwing dich auf den Mustang«, rief Glenn und zog seinen Gaul herum. Er trieb ihn den Hügel hoch zu den ManzanitaSträuchern. Noch ehe er den schützenden Strauchgürtel erreichte, fielen von der Mauer her Schüsse. Die Geschosse flogen wie Hornissen um ihre Ohren. Fast gleichzeitig knirschten die mächtigen Torflügel des Zuchthauses, und, begleitet von belferndem Hundegeplärr, sprengte eine Reitergruppe aus dem Schatten des Mauerwerks. Die Guards von Yuma! »Sie sind flink wie die Windhunde«, fluchte Tapper, der seitlich den Hang hochtrabte und während des Rittes schon den leergeschossenen Colt auflud. »Bastarde, gemein und brutal«, lispelte McLynn mit blutunterlaufenem Gesicht. Er hielt sich an Morgans Pferdeschwanz und dachte zornig an die vergangenen vierundzwanzig Stunden in den Mauern des Zuchthauses. Der rauhe Busch nahm sie auf. Das Gewehrfeuer war verstummt. Nur das metallische Hämmern von Pferdehufen und das Gebell abgerichteter Schweißhunde erinnerte an die 35
tödliche Gefahr, die sie umgab. Morgan, der Tappers Flüchen und McLynns Wutausbruch erlebte, wandte sich an Allister, der schweigsam an seiner Flanke ritt. »Keinen Kommentar?« fragte er, und als Allister den Kopf hob und in seinen Augen eine stumme Frage auftauchte, fügte Morgan hinzu: »Über das Leben in Yuma.« Allister verzog das Gesicht, und seine Lippen wurden schmal wie zwei dünne Linien. »Die Hölle«, brach es dann aus ihm heraus. »Sie nehmen dir dort deine Seele, und ich habe erlebt, daß sie harte Burschen in einem Monat so weich machten, daß sie ihnen aus der Hand fraßen. Sie brechen jeden Widerstand. Mit Fäusten, Knüppeln und ihren scharfen Kötern.« Morgan lauschte dem Gekläff der Bluthunde, während er einen Weg aus dem Distelgesträuch suchte. »Und wie lange hast du ihrer Willkür widerstanden?« »Keinen Tag, Glenn.« Allister lachte hohl. »Ich war nicht so blöd, den Helden zu spielen. Aber sie gaben dennoch keine Ruhe. Du kannst dir den Grund denken.« »Die Repetiergewehre.« Morgan dachte an vergangene Zeiten, als er, Allister und ein paar Freunde mit Caddos und auch Mexikanern Geschäfte machten. Allister nickte, während er den Mustang zu einer schnelleren Gangart bewegte. »Einmal im Monat kamen Abgesandte der Regierung. Sie wollten die Waffen, und sie wollten vor allem wissen, wer sie uns geliefert hatte. Sie wußten von meinen Geschäften mit dem Rio-Grande-Indianer und mexikanischen Rebellen. Sie waren über alles aus meinem Leben informiert.« Er grinste plötzlich. »Nur wußten sie nicht, woher die Karabiner kamen und wo sie lagerten.« »Sie haben Angst, daß die Schnellfeuergewehre in falsche Hände fallen.« Morgan grinste. Sie ritten die Steilhänge hoch, die zur 36
Hochebene führten. »Hundert Henry-Rifles in den Händen der Wilden könnten zu einem Aufstand führen. Die Regierung weiß die Gefahr richtig einzuschätzen.« Allister schwieg. Ihr Weg führte in die Dunkelheit, und sie erkannten bald, daß die Verfolger wie Bluthunde auf ihrer Fährte saßen und sich nicht abschütteln ließen. Am Morgen waren die Pferde von der schnellen Gangart stark erschöpft, so daß Morgan eine kurze Rast bestimmte. Sie stießen auf eine Quelle, die, aus dem Fels kommend, nach wenigen Schritten im Fels auch wieder verschwand. Ein glücklicher Umstand, der Morgans Gedanken anregte. »Ihre Gäule werden fertig sein wie die unseren«, sagte er nach einem kühlen Schluck Quellwasser, der die Lebensgeister weckte. »Die Verfolger brauchen dieses Wasser hier und werden jede Möglichkeit suchen, hier herauszukommen. Einer von uns muß sie eine Weile aufhalten, damit unser Vorsprung größer wird. Es sind zwei Tage bis zur Grenze, und einige weitere Tage brauchen wir, um Sams Versteck zu erreichen. Sam Allister ist unser wichtigster Mann. McLynn hat seinen Anteil gegeben.« Der Sprecher grinste in McLynns zerschlagenes Gesicht, ehe er sich an Tapper wandte. »Die Wahl fällt auf einen von uns. Da ich der Boß bin und die Verhandlungen mit den Caddos führe, bleibst eigentlich nur du, den ich noch mit dieser wichtigen Aufgabe betrauen kann.« John Tapper dachte an die scharfen Guards aus Yuma mit ihren auf Menschen abgerichteten Hundebestien. Ein kalter Schauer zog über seinen Rücken. Mißtrauen schlich sich ein. »Willst du mich für die Sache opfern, Glenn?« fragte er lauernd. Doch Morgan winkte verächtlich ab. »Schieße ihre Köter zusammen, John, dann haben wir das Spiel gewonnen.« Er reichte Tapper seine Henry und lächelte. »Ich trenne mich von meinem besten Stück, John. Du siehst also, daß ich es ehrlich 37
meine. Wir treffen uns am Bougers Ground im Switch Aron Basin.« Tapper griff wortlos nach dem Karabiner. Allister und McLynn saßen bereits im Sattel, als Morgan zu seinem Pferd trat. Er winkte Tapper noch einmal zu, ehe er sich in den Sattel zog und den anderen ein Zeichen gab. »Er wird es nicht überleben«, meinte Sam Allister, als sie dem Talkessel folgten, der tiefer in die Bergwelt führte. »Tapper ist zäh«, erwiderte Morgan grinsend, »er hängt an seinem Leben.« Aus der Tiefe fielen in schneller Reihenfolge Schüsse, deren Echo durch den Arroyo zog. Morgan trieb sein Pferd zu einer schnelleren Gangart an. »Sie sind näher als ich dachte«, rief er über die Schulter, und nichts in seinem Pokerface verriet, was ihn bewegte. * Earp sah den drahtigen Burschen mit den krummen Reiterbeinen und wußte sofort, der Kerl wollte was von ihm. Am frühen Morgen, als er den San Pedro River durchquert hatte, und die einzige Straße hinaufritt, die San Manuel von Ost nach West durchschnitt, war ihm der Mann aufgefallen. Nicht wegen seiner Größe oder den Krummbeinen, die er in hochhackigen Röhrenstiefeln trug. Nein, es waren die beiden großkalibrigen Revolver, die tief auf den Schenkeln saßen. Ein Protzer, so hatte Earp gedacht, als er an dem Mann vorbeigeritten war, einer von jener Sorte, die großspurig zwei Revolver trugen und wohl damit nur dürftig umgehen konnten. Am Mittag, als er San Manuels Kneipen nach Glenn Morgan abklapperte, sah er ihn noch einmal aus der Ferne im Schatten des Drugstores stehen. Und nun stand er ihm acht Yards entfernt in einem Saloon gegenüber. Unbewußt revidierte Wyatt Earp seine 38
ursprüngliche Meinung von dem Burschen. Nur selten hatte er solch harte, kalte Augen gesehen, in denen ein spöttisches Feuer funkelte. Unwillkürlich glitt sein Blick an dem Mann abwärts. Er trug ein doppelt geknöpftes schwarzes Hemd, wie man es in Texas trug. Ein breiter Leibgurt mit silberdollarbeschlagenen Riemen hielt seine Halfter. Die Kolben seiner Waffen waren abgegriffen und deuteten klar darauf hin, daß der Fremde sie oft benutzte. Earp bemerkte die tiefen Kerben in den Coltschalen. Grabsteinen gleich, die an irgendwelche Toten erinnerten, die ihm über den Weg gelaufen waren. Earp wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen, auf denen ein bitterer Geschmack lag. Er grub in seinen Erinnerungen, denn irgendwann war er dem Fremden schon einmal begegnet. »Was willst du von mir?« fragte Earp schließlich unfreundlich. Der Fremde grinste und blieb auf Distanz. »Du bist doch dieser Earp«, antwortete der Tex schließlich im langgezogenen Texanerslang, »den der Marshal aus Tombstone gejagt hat.« Er wippte mit dem Kopf und fügte wie im Selbstgespräch hinzu: »Marley ist ein schlechter Jäger.« »Das beantwortet nicht meine Frage«, rief Wyatt ungeduldig. Er sah das Blitzen in den Augen des anderen Mannes, als seine Rechte den Gurt berührte. »Sage, was du von mir willst, oder verschwinde.« Es waren nur wenige Gäste im Saloon. Sie saßen am Farotisch oder beim Black Jack und hatten keinen Blick für die Umgebung. Zwei junge Burschen, wohl Cowboys irgendeiner Farm, stiegen Arm in Arm mit kichernden Mädchen die Hühnerleiter hoch, die ins Obergeschoß führte. Der Fremde trat nun einen Schritt vorwärts. Vielleicht war es seine Schußdistanz, vielleicht auch Zufall. »Ich habe nichts gegen dich persönlich, Earp. Aber 39
Tombstone hat eine Prämie auf deinen Kopf gesetzt. Zweihundert Dollar. Tot oder lebendig. Ich will sie mir verdienen.« Das klang so einfach, daß Earp erschrak. Und plötzlich wurde ihm klar, wo er dem Mann schon einmal begegnet war. Vor einigen Wochen war er in Tombstone eingezogen. Mit einem Handpferd, über dessen Rücken ein Toter lag. Ein Kopfgeldjäger. Einer jener üblen Sorte, die von der Not anderer Menschen lebten. Ein kalter, erbarmungsloser Killer, der das Leben nach dem Preis einschätzte. Es war das erste Mal, daß Wyatt Earp einem solchen Mann gegenüberstand. »Es ist kein Zufall, daß wir uns hier begegnen?« fragte Wyatt zögernd. Er registrierte jede Bewegung des Fremden und war bereit, den Revolvern die Entscheidung zu überlassen. Der dürre Kopf wackelte auf dem mageren Hals. »Ich warte seit zwei Wochen auf dich, denn ich wußte, ein Mann wie Drew Marley ist dir unterlegen. Du findest eine Gelegenheit, der Posse zu entwischen.« »Und wie kommst du auf San Manuel?« Der Fremde lachte eiskalt. »Glenn Morgan hat es erzählt.« Zum zweitenmal erschrak Wyatt Earp. Morgan war der Mann, mit dem er in diesem Drecksnest ein Geschäft aufbauen wollte. Wie oft hatte er vom Glück und klingender Münze geträumt. Von einem unschlagbaren Duett mit dem Kartenkünstler Morgan. Hier sah er keinen Sinn in der Begegnung mit diesem Killer. »Hat Morgan dich geschickt?« Wieder lachte der fremde Mann, während er etwas mit dem Kopf wackelte. »Er hat es nicht mir erzählt, sondern seinen Freunden. Ich habe es im Saloon aufgeschnappt. Also, Earp, du hast die Wahl. In Tombstone den Strick oder hier eine Kugel.« Das war die Herausforderung. »Keinen dritten Weg?« 40
»Jeder Mensch hat seine Prinzipien.« Die Hände des Kopfgeldjägers lagen nun zwei Zoll über den Revolverschalen, aber Earp wußte, daß der Mann nur mit einer Hand schießen würde, weil es einfacher und sicherer war. »Wie wäre es dir am liebsten?« »Wenn wir es hier austrügen, Earp. Weißt du«, sein Blick wurde verschlagen, »nach Tombstone sind es einige Tagesritte. Mit einem Toten im Sattel reitet es sich besser. Ich könnte in den Nächten schlafen und brauchte nicht darauf zu lauern, daß du mir fliehst.« »Du hältst nicht viel von einem Menschenleben«, Earp schürzte verächtlich die Lippen. Es war nicht das erste Mal, daß ihn jemand forderte. Er dachte an den verrückten Spieler in Tombstone, dessentwegen der dortige Marshal ihn jagte, und nichts von Notwehr hielt, aber zum erstenmal war es ein professioneller Killer, der vom Töten lebte. Earps Lippen wurden schmal, sein Blick hart. Wieder einmal stand er vor einem Meilenstein des Lebens. Unmerklich veränderte Wyatt seine Haltung. Er stand nun breitbeinig und leicht auf den Fußballen, bereit, sein Leben zu verteidigen. »Ist Morgan noch in Tombstone?« fragte er knapp. »Er hat vor mir die Stadt verlassen.« »Aber er ist nie in San Manuel angekommen.« »So sieht es aus. Hast du sonst noch Fragen?« Der Kopfgeldjäger bewegte die Finger wie ein Klavierspieler, um ihre Geschmeidigkeit zu prüfen. »Ja«, erwiderte Earp. »Sage deinen Namen. Es muß doch etwas auf deinem Kreuz stehen, wenn du auf dem Stiefelhügel liegst.« Der Fremde blähte seine dürren Backentaschen. »Was bedeutet ein Name. Soviel wie der Schall, der verweht.« Noch während er sprach fuhr die linke Hand geschmeidig über die Schalen seines Revolvers. Wie ein Blitz zuckte die Waffe 41
hoch. Aus der Mündung fächerte eine Flamme. Earp spürte das heiße Blei, als es seinen Stetson durchschlug und dicht über seine Schädeldecke fuhr. Noch ehe der Fremde zum zweiten Schuß kam, warf er sich blitzschnell nieder, rollte mit katzenhaften Bewegungen um die Achse und schoß. Dumpf und hohl lag der Schuß unter der niederen Decke des Saloons. Die Spieler am Faro- und Black Jack-Tisch sprangen erschreckt auf die Beine. Sie sahen einen Mann am Boden liegen und den Dürren mit dem rauchenden Colt in der Faust. Und nun, da sein Körper taumelnd in Bewegung kam, entdeckten sie auch die kreisrunde Öffnung in seiner Stirn. Earp sprang auf die Beine, als sein Gegner zu Boden fiel. Seine Faust hielt den rauchenden Colt umklammert. Mit wachem Lauern beobachtete er die Männer, die ihn feindlich ansahen. Hinter ihm klang die dunkle Stimme des Bartenders auf. »Der Dürre hat zuerst gezogen«, rief der Barmann und deutete auf den Toten. »Er wollte dem Fremden ans Leder. Das kann ich vor dem Sheriff beschwören.« Da beruhigten sich die Männer und setzten sich an den Tischen nieder. Tobby, der Barmann, rief zwei Gehilfen aus dem Nebenzimmer. »Bringt ihn zum Sargmacher«, bestimmte er, »die Kosten für sein Begräbnis hat er an den Gurt geschmiedet.« Und zu Earp gewandt fügte er hinzu: »Trinken Sie Ihr Bier aus, Fremder, und klemmen Sie sich Ihren Pinto zwischen die Beine. Wenn unser Sheriff in die Stadt kommt, wird er Ihnen einige peinliche Fragen stellen.« Earp nickte und warf einen Dollar auf den Tresen. In San Manuel hielt ihn nichts. Vielleicht würde er nach Tombstone reiten, um zu erkunden, weshalb Morgan ihre Verabredung nicht eingehalten hatte. Earp trat aus dem Saloon auf die Straße. Auf der anderen 42
Seite schleppten die Clerks den Toten, von dem er nicht einmal den Namen wußte, in einen Schuppen. Es gab viele Narren auf der Welt, der dort war einer von ihnen. Earp ritt die Straße hoch, die zur Furt des San Pedro Rivers führte. Irgendwo dort draußen in dem hitzeflimmernden Glast des Tages, begannen die Gila Deserts. Apachenland. Und für einen Augenblick streiften Earps Gedanken den großen Häuptling der Chiricahuas. * Naiche folgte der dunklen Rauchfahne, die fast senkrecht in den windstillen Tag stieg. Vor einer Stunde, als er den richtigen Weg durch die Mesa gesucht hatte, war ihm gewesen, als habe er kurzes, heftiges Gewehrfeuer vernommen, dann hatte er die Rauchfahne entdeckt. Sein Herz war von Unruhe gefüllt. Er wußte, daß fremde Stämme ihr Land durchstreiften und jedes Vergehen an Weißaugen den Apachenmännern zugeschoben wurde, und konsequente Folgen durch Soldaten hatte. Naiche trieb sein Pony in schneller Gangart durch das wellige Hügelland, und je näher er seinem Ziel kam, um so bewußter wurde ihm, daß dort, wo die Rauchwolke stand, die Overlandstraße lag, die, vom Apachenpaß führend, Tucson streifte. Die Sonne stand senkrecht über der Mesa, daß selbst die mächtigen Riesenkandelaber, die ihre Arme in den Himmel streckten, keinen Schatten warfen. Nach etwa zwei Meilen stieß er auf eine Fährte. Er glitt von seinem Pony. Der lose Sand verwischte die Abdrücke. Dennoch erkannte Naiche, daß es sich um unbeschlagene Pferde handelte, die hier vor einiger Zeit vorbeigezogen waren. Ihre Fährte führte direkt zwischen die Hügel. Naiche schwang sich erneut auf den Rücken seines Ponys 43
und trieb das Tier an. Nur noch ein dünner Rauchfaden stieg in den Himmel. Naiche schwenkte nach Osten und umritt ein mächtiges Distelfeld, das den direkten Weg zum Ziel versperrte. Und nun erreichte er die flache Kuppe eines Hügels, von wo aus der Blick ins Tal frei war. Ein brauner Streifen durchschnitt das weite Feld der Mesa. Die Überlandstraße. Keine zweihundert Yard entfernt erkannte er die niedergetrampelten Trümmer einer Überlandkutsche, und als er sich vorsichtig näherte, sah er drei Tote am Rande des Trümmerfeldes liegen. Vermutlich der Kutscher, sein Begleitmann und ein Passagier. Vergebens hielt Naiche nach den Zugpferden Ausschau. Aber er erkannte eine tiefe Spur, die zwischen zwei flachen Hügeln auslief. Naiche stieg vom Pferd und ließ dem Tier freien Lauf. Er war wachsam und voller Mißtrauen, als er sich den Toten näherte. Verstreut umher lagen Kisten und Kasten und aus einer erbrochenen Kiste schillerten im Sonnenlicht buntfarbene Geldscheine und blanke Goldstücke, die bei den Angreifern wenig Beachtung gefunden hatten. Die Männer lagen dicht beieinander mit verrenkten Gliedern, nahe dem ausgebrannten Gefährt. Ein halbes Dutzend kurzschaftige Kriegspfeile hatten ihre Körper durchbohrt. Naiche erkannte, daß er hier nicht mehr helfen konnte. Haß und tiefer Groll stiegen in Naiche auf, denn er wußte, diesen Überfall würde man den Apachen anhängen und erneut würden Pferdesoldaten ihre Familien jagen. Naiche dachte an den Vertrag, den sein Vater Cochise mit dem einarmigen Häuptling geschlossen hatte, in dem er sein Wort verpfändete, Postkutschen unbehelligt durch sein Land ziehen zu lassen. Bald würde es heißen, der Chief spräche mit der gespaltenen Zunge einer Viper. Der junge Häuptlingssohn richtete sich auf. Aus den flachen 44
Hügeln sprengten zwei Reiter. Sie ritten auf ungesattelten Pferden und trugen aschfarbene Musselinhemden. Unbewußt fuhr seine Hand zum Gurt, wo sein Schlagbeil steckte. Er pfiff sein Pony heran und erfaßte die gefiederte Kriegslanze. Zwei Gegner fürchtete er nicht. Seine Augen blitzten, als er Caddokrieger erkannte. Doch nun sah er eine Bewegung seitlich im Collasfeld. Eine zweite Reitergruppe kam aus dem Dickicht, und eine dritte tauchte bei den Hügeln im Süden auf. Er zählte zwölf Reiter, die schnell näherritten, und dabei ausscherten, um einen Ring zu bilden. Es waren also noch mehr dieser räuberischen Caddos in dieser Gegend, als er an den Spuren hatte lesen können. Ihre Absichten waren unverkennbar und zwangen Naiche zum Handeln. Er schwang sich auf sein Pony, erfaßte die Zügel und schwenkte in die offene Ebene. Fern im Dunstschleier der Hitzeglocke standen die Chiricahua Mountains. Zu weit, um sie in einem Tage zu erreichen. Seine weichen Mokassinstiefel stießen in die Flanke des Ponys, und während er das Zügelband lockerte, umspannte seine Faust die Lanze. Tödliche Entschlossenheit zeichnete sein Antlitz, als er den Reitern entgegensprengte, deren helles Geheul die Stille der Landschaft aufriß. Kampfgewandt und mutig, an seinen Vater erinnernd, ging er die Reiter an. Er sprengte in vollem Galopp auf seine Gegner zu, und seine Lanze durchbohrte die Brust eines Caddo. Die Lanze entschlüpfte seiner Faust, als der Mann von der Wucht des Anpralls vom Pferd geschleudert wurde. Aber Naiches Hand fuhr bereits zum Gurt. Die Sonne funkelte auf der Breitseite der gefährlichen Waffe, als sein Tomahawk auf den nächsten 45
Gegner niederfuhr und eine fürchterliche Wunde schlug. Zorniges Geheul war die Antwort auf seine mutige Attacke. Der Kreis engte sich ein. Flach auf den Rücken ihrer struppigen Mustangs liegend, stürmten sie den Gegner an, der, sein Pony im Kreise drehend, seinerseits mit hellem Kriegsgeschrei antwortete. Zwei bellende Abschüsse übertönten das Getümmel. Naiche spürte die Rundkugel, die seinen Hüftgurt streifte und wußte nun, daß dieses räuberische Gesindel von Caddos sich der Waffen bedienten, die sie bei der Postkutsche erbeutet hatten. Er änderte seine Taktik, trieb die Hacken in die Flanken des Ponys und durchbrach mit wilden Galoppsprüngen seines Pferdes den Ring seiner Feinde. Auf dem Hügel tauchte eine weitere Reitergruppe auf, die seinen Fluchtweg abriegelten und ihn ins offene Gilaland drängten. Naiche zählte nun fast zwanzig Gegner, die wie eine gierige Meute Bluthunde auf seiner Fährte saßen, um ihn zu Tode zu hetzen. Zu viele, um sich ihrer zu erwehren. * Schuß um Schuß jagte John Tapper aus dem Lauf des Gewehres. Er sah die anrennenden Schatten der auf Menschen abgerichteten Hunde, hörte ihr heiseres Gebell und feuerte kaltblütig auf jede Bewegung zwischen Mesquites und Wacholderstauden. Drei der Bestien hatte er bald erwischt, eine vierte strich durch das filzige Gesträuch. Aus der Tiefe der Schlucht schallten wütende Befehle, die wohl den Männern galten, die in respektvoller Entfernung von Tappers Rifle von den Pferden abgestiegen waren und Deckung suchten. Tapper schoß auch in diese Richtung, obwohl er wenig 46
Hoffnung hatte, einen der Verfolger zu treffen. Er dachte an seine Kumpane, die inzwischen sicher den Paßweg erreicht hatten, und er fragte sich, ob sich das alles lohnte. Er kroch zwischen Büschen und Sträuchern den Hang hoch zum schmalen Arroyo, wo er sein Pferd zurückgelassen hatte, als er in der Nähe den hechelnden Atem der Bestie hörte, die das Tohuwabohu überstanden hatte. Im nächsten Augenblick flog ein langgestreckter grauer Schatten auf ihn zu. Tapper hechtete zur Seite, um dem Angriff zu entgehen. Doch im gleichen Augenblick prallte die Bestie mit ihm zusammen. Er spürte einen heftigen Schmerz, als sich die gewaltigen Fangzähne in seine Schulter gruben. Instinktiv ließ Tapper den Karabiner fahren. Seine freie Rechte schnellte zur Kehle der Bestie und die Linke fuhr zum Hüftgurt, wo sein Bowie steckte. Seine rechte Hand verkrallte sich verzweifelt in den feuchten Lefzen des Hundes, um weitere Angriffe zu verhindern. Mit einiger Mühe erwischte Tapper das schwere Messer, und unter Aufbietung aller Kraftreserven stieß er die Klinge mehrmals ins Fell der Bestie. Gemeinsam rollten sie ins dichte Gesträuch. Tapper spürte bald, daß die Kräfte des Hundes nachließen. Seine Hand lag nun tief im Kiefer des Hundes, so daß er nicht mehr zubeißen konnte. In dem Moment, als er sich lösen konnte, rammte er dem Hund die Breitklinge in die Kehle. Noch während er taumelnd, keuchend nach Atem ringend, auf die Beine kam, fielen in der Tiefe einige Schüsse. Die Bißwunde schmerzte, aber die Gefahr ließ ihn den Schmerz vergessen. Tapper hob den Karabiner auf und lief in geduckter Haltung weiter. Nun, da die Bestien tot waren, sah er einen Hoffnungsschimmer, den Häschern zu entkommen, denn ohne ihre Fährtensucher würde es den Guards schwerfallen, auf hartem Fels seine Spur zu entdecken. Tapper erreichte die Höhe, suchte nach einer passenden Auflage für sein Gewehr und jagte zielstrebig ein halbes 47
Dutzend Kugeln aus dem Lauf. Erst nun wandte er sich seinem Pferd zu und schwang in den Sattel. Von weither kam das enttäuschte Geschrei der Verfolger, die Tappers Flucht bemerkten. Schüsse fielen. Ihr Echo rollte durch den Arroyo. Kugeln prallten auf die harten Steilwände und fuhren schrill heulend als Querschläger davon, ohne daß sie Tapper ernstlich gefährden konnten. Tappers Herz frohlockte, und seine Gedanken beschäftigten sich mit der Gegenwart, die ihm nun ihre positive Seite zeigte. Aber sein Jubel kam zu früh. Er ritt zwar bis tief in die Nacht durch die Berge, doch als er am nächsten Tag einen breiten Talkessel durchquerte, sah er die Verfolger wieder, die kaum drei Meilen entfernt auf seiner Fährte klebten. »Bastarde, verdammte«, fluchte Tapper und beschleunigte die Gangart seines Gaules. Seine Lage hatte sich also um keinen Deut gebessert. Sein Blick ging nach Westen. Über einen flachen Bergrücken schob sich das buschige Grün eines Organosfeldes, aus dem drohend, wie aufgereckte Arme, die mächtigen Auswüchse von Riesenkandelabern ragten. Dahinter reckte sich, im flammenden Lichtspiel der Sonne rotfunkelnd, ein Bergrücken. Irgendwo dort mußte Arizona liegen. Aber Tapper bezweifelte, daß seine Verfolger eine Grenze aufhalten konnte, denn der Eifer, den sie bisher an den Tag gelegt hatten, ließ erkennen, daß sie ihre Aufgabe sehr ernst nahmen. Weiter. Tapper beruhigte seinen erschöpften Gaul, als unvermutet zwischen Stein und Geröll eine Klapperschlange hochschnellte und zornig ihre Rasseln betätigte. Nach einer Stunde erkannte Tapper, der immer wieder den Weg zurückblickte, daß seine Verfolger aufgeschlossen hatten. 48
Keine zwei Meilen mehr trennten sie voneinander. Tapper ahnte, daß sie ihn noch vor Sonnenaufgang erreichen würden. Aber er war bereit, seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen. Er war nun direkt vor dem Kakteenfeld und erkannte mit Schrecken, daß der Bewuchs so dicht war, daß kein Durchschlupf möglich war. Wie eine feindliche Welt stand ihm der wildwuchernde Urwuchs der Natur gegenüber. Tapper schwenkte nach Süden, hoffte, auf irgendeine Lücke zu stoßen, die ihn aufnehmen konnte. Die Verfolger, die dies erkannten, schwenkten ihre Pferde und verkürzten den Winkel. Sie waren nun keine Meile mehr von ihm entfernt. Schon wollte Tapper aufgeben und sich seinen vier Gegnern stellen, als er einen schmalen, dornenreichen Pfad entdeckte, der ins Gesträuch führte. Für einen Augenblick zügelte er den Gaul. Da klang aus dem Grün eine bekannte Stimme: »Gib mir meinen Karabiner, John, und reite weiter«, rief Glenn Morgan und gab sich durch ein Handzeichen zu erkennen. »Wir übernehmen diese Zuchthausgeier.« Als Tapper den Blick senkte, erkannte er seinen alten Freund Morgan, McLynn und Sam Allister, die halb in der Erde vergraben unter blühenden Yuccastauden lagen. Der Spieler reckte ihm den Arm entgegen. Tapper erinnerte sich daran, daß er Glenns Henry hatte. Er löste die Waffe vom Sattelhorn und ließ sie einfach fallen. Nur einen Augenblick zögerte Tapper, ehe er den erschöpften Pinto ins wuchernde Grün trieb. Als er nun, in sicherer Deckung harrend, aus dem Sattel glitt, hörte er die heftigen Detonationen der Abschüsse, und im Unterbewußtsein spürte John Tapper, daß eine lange Jagd zu Ende war. Die Auseinandersetzung dauerte nur wenige Minuten. Als Glenn Morgan am Lager auftauchte, das sie sich im 49
Kakteenhain eingerichtet hatten, sah Tapper an Morgans Grinsen, daß er zufrieden war. »Alles klar?« fragte John Tapper. »Sie sind im Himmel, hm, meinetwegen auch in der Hölle. Allister und McLynn sammeln ihre Gäule ein. Wir werden mit ihnen die Waffen transportieren.« »Und die Toten?« fragte Tapper. Er beugte sich über den klaren Wassertümpel einer Quelle, die hier im Verborgenen sprießte. Er sah Morgans Spiegelbild und seinen hochgereckten Arm. »Die Natur hat ihre eigenen Gesetze, John. Die Totengräber sind schon unterwegs.« Als Tapper den Kopf hob, sah er zwei große Greifvögel, die mit mächtigen Flügelschlägen das Organosfeld umkreisten. * Cochise wartete mit der angeborenen Geduld eines Apachen auf Naiches Nachricht, die ihm Gewißheit bringen sollte, daß der Falke sein Verhandlungsangebot angenommen hatte. Er zählte die Tage an den Nächten, und es waren bald zwei Wochen vergangen, daß Naiche die Apacheria verlassen hatte. Zugleich aber meldeten seine Späher fremde Bewegungen in der offenen Mesa. Wichitas und Caddos schienen im heftigen Streit mit Cheyenne und Arapahoes zu leben, denn seine ausgesandten Krieger berichteten von blutigen Auseinandersetzungen zwischen diesen Stämmen, deren Ausmaß das Department veranlaßt haben sollte, Militär aus Fort Buchanan, aus Fort Bowie und Fort Apache in Bewegung zu setzen, um diesem blutigen Glaubenskrieg ein Ende zu bereiten. So wie Wania-taka, der Häuptling der Cheyenne, vorausgesagt hatte, berichteten auch seine Krieger von Friedensbewegungen der Nordoststämme, ihrem 50
Glaubensbekenntnis, der zum Geisterkult und somit zur friedlichen Auseinandersetzung ihrer Völker führen sollte, und ihren schärfsten Gegnern, die sich »Leg die Hände in mein Blut« nannte, ihre Kleidung mit brandroter Farbe beschmierten und das Fell ihrer Pferde mit einem blutigen Handabdruck zeichneten. »Die Caddos fallen wie Heuschreckenschwärme über unsere befreundeten Stämme her«, erzählte Snawe-wich, ein Apachenkrieger, am Feuer den Dorfältesten, die Cochise schnell zusammengerufen hatte. »Sie töten mit grausamer Lust alle jene Brüder, die sich zum Frieden bekennen und von der Wiedergeburt sprechen.« Cochise erkannte an Snawe-wichs Aussage die Dringlichkeit einer Begegnung mit dem weißen Scout. Er fragte Snawe-wich nach seinem Sohn Naiche. Aber Snawe-wich und seine drei Krieger, die ihn während des Streifzuges durch die offene Mesa begleitet hatten, wußten über Naiches Verbleib nichts zu berichten. Cochise erhob sich schließlich. Die lodernde Glut der Flammen umschloß seinen Körper. Er hob nachdenklich den Kopf, und seine Gedanken flohen in die Nacht. »Es füllt mich mit Sorge«, sagte er nach langem Schweigen, und sein Blick streifte die greisen Alten des Rates, »daß Caddos und Wichitas Apachenland zu ihrem Schlachtfeld wählen. Ich will noch zwei Nächte auf die Rückkehr meines Sohnes warten, dann aber zum alten Kloster Santa Elfrida reiten, und die Lage der Dinge mit dem Falken besprechen. Ich hoffe, der Falke hat inzwischen meine Botschaft erhalten.« Kein Wort kam über Cochises Lippen, das seine Sorge über das Verschwinden seines Sohnes zum Ausdruck brachte. Aber Loco, der bei Cochises Familie als Gast weilte, sah die Trauer in den Augen des Jefe. »Cochise hat Sorgen um seinen Sohn. Naiche bleibt der Apacheria zu lange fern, obwohl er die Wichtigkeit seiner 51
Botschaft kennt. Er wird seine Gründe haben, Chief. Es ist nicht leicht, ins Lager der Pferdesoldaten einzudringen. Vielleicht reitet der Falke im Auftrag seines Häuptlings auch durch die Berge.« »Naiche kommt bestimmt zurück, Häuptling«, sagte Snawewich. Vielleicht wollen mir die Götter eine Prüfung auferlegen, dachte Cochise, während er sich erhob und schweigend in die Dunkelheit schritt. Sein Weg führte ihn zu Tla-ina, die als unverheiratete Schwester ihren Platz im Häuptlingszelt hatte. Vielerlei Gerüche berührten Cochise, als er die Zeltdecke zurückschlug. Tla-ina saß nahe des Feuers und kochte bunte Herbstkräuter, die an den Steilhängen der Berge wuchsen, zu einem Sud. Cochise wußte um ihre Kunst, aus diesen Kräutern Salben und Säfte zu fertigen, die für vielerart von Wunden nutzbar waren. Sie lächelte ihm schweigend entgegen, als er sich auf der Felldecke niederließ und zur Pfeife griff. Umständlich füllte er den fast faustgroßen Kopf aus hartem Wurzelholz mit Kinikik, schmauchte daran einige Züge und wandte sich dann an seine Schwester. »Ich werde bald den Falken treffen«, sagte er ruhig und schien zufrieden, als Tla-ina leicht errötete. Er wußte von ihren Gefühlen zu dem weißen Mann und dessen Zuneigung zu Tlaina, und mit der List und der Schläue, die dem Apachen angeboren, fügte er hinzu: »Es ist lange her, daß Tla-ina den Falken mit freundlichen Worten und klopfendem Herzen begrüßt hat.« Ein Schatten von Trauer drang in ihre großen ausdrucksvollen Augen. »Seit der letzte Schnee verging und die Chiricahuas ihre Apacheria tiefer in die Berge verlegten, hat der Falke den Weg verloren, der in unser Dorf führt«, erwiderte Tla-ina ruhig. »Denn sicher hätte in dieser Zeit seine Fährte das Lager der Chiricahuas gestreift. Doch warum 52
erwähnst du das, Cochise? Möchtest du, daß ich dich begleite?« Cochise lächelte. »Meine Gedanken bleiben dir nicht verborgen, Tla-ina.« »Deine Gedanken haben noch einen zweiten, Bruder, die der weiße Mann einen Hintergedanken nennt. Wohin führt er?« Tla-ina nahm eine Schale mit gemahlenen Kräutern, die sie in den dampfenden Kessel kippte. Tausendart Wohlgerüche verdrängten den scharfen Duft des Hartriegels, der Cochises Pfeife entströmte. »Ich bin in Sorge und brauche den Rat des Falken. Es geschehen Dinge im Apachenland, die zu einer Gefahr heranwachsen. Stämme aus dem Osten durchziehen Apachenland und hinterlassen eine blutige Spur. Wenn der Falke nicht auf meine Worte hört, vielleicht dann den Worten Tla-inas. Sein Volk und das unsere suchen seit vielen Monden einen Weg zum Frieden. Er könnte gefährdet sein durch das Treiben der Wichitas und der Caddos, und den einarmigen General im Lager der Pferdesoldaten veranlassen, weitere Soldaten bei seinem großen Häuptling in Washington anzufordern.« Tla-ina hatte sich erhoben. Sie war schlank und grazil in ihren Bewegungen und trug ein langes Musselinkleid mit bunten Stickereien. »Du meinst, die Worte Tla-inas könnten den Falken mehr überzeugen als die Worte des großen Häuptlings Cochise?« »Sein Herz ist mit deinem Herzen verbunden.« »Sein Herz schlägt für jeden unserer Stammesbrüder. Du weißt, wie der Falke für den Frieden unserer Völker kämpft. Es soll Leute in seinem Stamm geben, die ihn einen Verräter nennen, weil er sich oft auf die Seite der Apachen stellt.« »Es gibt immer Menschen, die dem anderen nicht wohlgesonnen sind«, widersprach Cochise. »So ist es auch in unseren Stämmen«, antwortete Tla-ina und 53
dachte wohl an Geronimo oder Victorio. Cochise schwieg eine Weile. Er spürte den Sinn ihrer Worte. »Du spricht von Victorio?« fragte er dann. »Von ihm, von Ulzana, von Goghlayeh.« Cochise nickte. »Geronimo ist jung und unbeherrscht, aber ein kluger Häuptling.« »Der die Weißaugen haßt wie die Gelbgesichter aus dem Süden. Er bringt Unfrieden über unsere Stämme, weil in ihm die Ungeduld der Jugend lebt.« »Geronimo wird bald erkennen, daß es einen weit stärkeren Feind gibt. Sie nennen sich Wichita-Caddo-Allianz oder ›Leg die Hände in mein Blut‹. Wie wird meine Schwester sich entscheiden?« Tla-ina blickte den Sprecher mit ihren großen Augen an. »Mein Bruder ist in tiefer Sorge um sein Volk. Tla-ina hat sich bereits entschieden.« »Dann treffe deine Vorbereitungen. Am Morgen, wenn Holos ihr Lächeln zeigt, brechen wir auf.« Cochise schlug den verbrannten Tabak ins Feuer und richtete sich auf. Er lächelte. »Cochise hat eine kluge Schwester.« Als Tla-ina schwieg, schlug er die Felldecke zurück und trat in die Nacht hinaus. Von Norden her wehte ein kalter Wind. Der Blue Northers, der die eisige Winterluft von Kanada durch die Rocky Mountains nach Süden führte. Es wurde Herbst. Cochise spürte, daß ihm ein harter Winter folgte. * Wyatt Earp hielt das Fernrohr ans Auge und beobachtete die Staubwolke, die hinter den Hügeln hochwehte, und er hatte sich die höchste Erhebung gesucht, um die Ursache näher ins Auge zu fassen. 54
Als er den Standort erreicht hatte, sah er einen einzelnen Reiter auf scheckigem Gaul, der zwischen den Hängen hervorpreschte, als säßen ihm tausend Teufel im Nacken. Eine Rothaut auf der Flucht. Ein Apache, wie Wyatt zu erkennen glaubte, sicher auf der Flucht vor weißen Siedlern, die er hatte bestehlen wollen. Der Reiter sprengte direkt auf den Hügel zu, der Earp als Standort diente. Und nun stoben Reiter aus der Talsenke, und Earp hörte ihr wildes Angriffsgeschrei, das ihm unverständlich erschien, weil die Verfolger des Roten zur gleichen Rasse gehörten. Für einen Augenblick zog spöttisches Grinsen über sein braungebranntes Gesicht. Nun bekämpfen die Bastarde sich schon untereinander, dachte er, und drängte seinen Pinto zwischen mächtige Collasstauden, um die Auseinandersetzung ungestört verfolgen zu können. Vorsichtshalber zog er seine Henry aus dem Futteral und spannte den Bügel. Sicher war sicher… Einzelne Schüsse fielen, die den stillen Beobachter erkennen ließen, daß die Verfolger Schußwaffen mitführten. Der einzelne Reiter hatte den halben Hang erreicht, und Earp dachte: Verdammt, Junge, suche dir eine andere Richtung, als der gescheckte Gaul mit den Vorderläufen einbrach und der Reiter im weiten Bogen aus dem Sattel stürzte. Wie eine Feder schnellte die Rothaut durch die Luft, landete mit katzenhafter Geschmeidigkeit auf den Beinen, sprang hoch und jagte mit Riesenschritten direkt dem Collasgesträuch entgegen, das Earp als Deckung diente. Earp hielt noch immer das Glas vor Augen. Seine Gedanken beschäftigten sich mit Rückzug, denn gegen diese Übermacht anzukämpfen hielt er für glatten Wahnsinn, als das Sonnenlicht das Antlitz des Flüchtenden streifte… Ein junges, gehetztes, schweißnasses Gesicht, das Earp an 55
einen großen Mann erinnerte, mit dem er vor einiger Zeit geritten war. Cochise, dachte er, und schüttelte im gleichen Augenblick den Kopf. Der Bursche dort war beweglicher. Seine Schritte dynamischer, von der federnden Ausdauer eines jungen Menschen, der trotz der Hetzjagd noch lange nicht am Ende war. Unbewußt, gegen seinen Willen, drängte Wyatt Earp seinen Pinto aus der sicheren Deckung, trieb ihm die Sporen in die Flanken und sprengte den Hang hinunter, dem jungen Indianer entgegen, den seine Verfolger fast erreicht hatten. Earp führte den Pinto mit den Schenkeln. An seiner Schulter war die Henry, und schnelle Feuerstöße schlugen eine Lücke in die Angreifer, die sofort seitlich ausschwenkten und am Fuße des Hügels entlang sprengten. Earp schob den Karabiner ins Futteral, beugte den Oberkörper seitlich über den Hals des Pintos und erfaßte die schleifenden Zügel. Drei Schritte vor der Rothaut brachte er den Gaul zum Stehen. Er hörte das zornige Geschrei der Angreifer, die sich aufs Neue formierten, und streckte dem Mann den Arm entgegen. »Komm«, rief er fordernd. Naiche verharrte auf der Stelle. Sein Atem ging schwer vom schnellen Lauf, in seine dunklen Augen sprang ein Funke von Mißtrauen. Seine Faust umspannte das Jagdmesser. Er zögerte… Sand und Staub wehte vor Naiches Füßen auf. Die Verfolger schwenkten ihre Pferde und griffen nun von zwei Seiten an. Wyatt Earp sah die Gefahr. »Dann nicht«, sagte er knapp und wandte sein Pferd. Naiche zögerte einen Augenblick. Er suchte eine Antwort auf die Frage, warum ein Weißauge einem roten Mann helfen wollte. So etwas kannte er nicht. Doch dann setzte er sich in Bewegung und schnellte wie eine Feder auf die Hinterhand des 56
Pintos. Earp spürte den schweißnassen Körper im Rücken, und ihm war, als presse der Chiricahua ihm die Klinge des Jagdmessers in die Flanke. Er trieb dem Pinto die Sporen in die Flanken und griff zum Scabbard. Er reichte die Henry über die Schulter. »Kannst du damit umgehen?« Er sah, daß Naiche nickte und fluchte: »Dann schieße schon und halte uns das Gesindel vom Hals, bis wir die Kuppe des Hügels erreicht haben.« Der Apache begriff sehr schnell. Earp hörte die berstenden Detonationen und sah, wie zwei der Angreifer von ihren struppigen Gäulen fielen. Sie waren auf dreißig Yards heran. Earp sah die reiterlosen Gäule, und mit einem Reflex nahm er wahr, daß ihre Hinterhand mit dem blutigen Abdruck einer Hand gezeichnet war. Er zog mit der freien Linken den Revolver und jagte einige Schüsse aus der Trommel. Wieder wichen die Angreifer aus, schwenkten nach Süden und verschwanden hinter dem Hügel. Die zweite, im Norden operierende Gruppe, zügelte ihre Pferde. Die heftige Gegenwehr schien sie zu ernüchtern. Nun hatten sie die Kuppe erreicht. Earp drängte den Gaul ins Collasfeld. Als er aus dem Sattel sprang, kauerte der Apache bereits zwischen den Stauden und beobachtete die Bewegung am Fuße des Hügels. Earp warf die Zügel über einen Kandelaberarm und glitt näher. »Wer sind sie? Und weshalb wollen sie dir ans Leder? Sie tragen die gleiche Hautfarbe wie du und haben wohl die gleichen Sorgen.« Der Angesprochene wandte den Kopf. Earp sah die großen dunklen Augen, die ihn an Cochise erinnerten. Die starken Wangenknochen und den mächtigen 57
Nasensattel. »Du bist ein Chiricahua?« fragte er, »ein Krieger aus Cochises Familie?« »Ich bin der Sohn des Chiefs«, erwiderte der andere ruhig. »Weshalb hilfst du einem roten Mann?« »Naiche?« Earp erinnerte sich, daß Cochise auf ihrem gemeinsamen Weg vom Lager der Cheyennen in die Wüste von seinem Sohn gesprochen hatte. »Ich denke, du bist in eurer Bergfestung?« »Wer gab dir diesen Gedanken?« fragte Naiche mißtrauisch. »Dein Vater.« »Und wer bist du?« »Wyatt Earp.« »How«, Naiche schien überrascht, »Cochise sprach lobende Worte über deine Tapferkeit. Auch darüber, daß weiße Männer dich jagen.« »Ein verrückter Marshal und ein paar noch verrücktere Deputys.« Earp lachte bissig, als er die Hand ausstreckte. »Gib mir meine Henry zurück. Wer weiß, wie lange sie noch mir gehört.« Dabei deutete er zum Fuße des Hanges, wo die Rothäute sich in breiter Angriffsfront formierten. Naiche folgte seinem Blick. »Sie werden die Nacht abwarten, denn sie haben die Feuerkraft deines Gewehres erkannt.« Naiche reichte nur zögernd Earp die Waffe. »Es ist ein schnelles Gewehr. Wir brauchen viele dieser Gewehre.« »Um die Siedler von ihrer Scholle zu vertreiben, oder Pferdesoldaten anzugreifen? Oder Goldsucher und Jäger zu erschießen?« Naiches dunkle Augen berührten ihn. »Ich denke, du bist ein Freund der Chiricahuas?« »Ich bin ein Freund Cochises«, revidierte Earp seine Worte. »Das ist das gleiche«, Naiche schüttelte den Kopf. »Warum sprichst du solch feindliche Worte?« »Weil ich die Toten kenne, die auf Apachenfährten liegen.« »Wir haben einen stärkeren Feind, der in unser Land 58
eingebrochen ist. Wichitas und Caddos. Sie bekämpfen den Frieden, den Cheyenne, Arapahoes und Barawunenas verkünden. Sie wählen als Schlachtfeld Apachenland…« Earp erinnerte sich der Unterhaltung Cochises mit Waniataka, dem Cheyennehäuptling. »Aber du bist Apache.« Naiche hob seine kräftigen Schultern. »Apachen und Cheyenne sind brüderlich verbunden. Es gibt kein Band der Feindschaft zwischen ihnen und uns.« Earp schwieg. Aufmerksam beobachtete er den Hang. »Sie sind verschwunden«, sagte er schließlich. »Sie sind in unserer Nähe. Die Nacht wird es zeigen«, antwortete Naiche. Wachsamkeit lag in seinen dunklen Augen. Jeden Strauch, jede Regung im Vorfeld schien er aufzunehmen. »Sie sind feige wie die Crows und kämpfen nur in der Überzahl. Wenn du mir dein Gewehr gibst, zeige ich dir, daß die Caddos auch wie Kojoten laufen.« Obwohl in der Wildnis erfahren, entdeckte Earp nichts Verdächtiges. Er reichte dennoch dem jungen Häuptlingssohn seine Henry. Naiche schob wortlos die Waffe über eine Yuccastaude. Zweimal bellte sie auf. Zwischen stachligen Manzanitas und kugelrunden Collaskakteen entstand eine Bewegung. Humpelnd und schreiend flohen zwei Rothäute den Hang hinunter. »Du hast scharfe Augen wie ein Adler«, sagte Earp anerkennend. Naiche reichte lächelnd die Waffe zurück. »Aber ich brauchte die Augen eines Bus. Die Nacht wird entscheiden, ob meine Botschaft Cochise erreicht.« »Eine wichtige Botschaft?« fragte Wyatt Earp. Naiche nickte ernst. »Es geht um das Schicksal unserer Stämme. Denn so wie sich die Botschaft des Friedens ausbreitet, so überschwemmt der Haß der Caddos unser Land. Sie bringen den Apachen Tod und Verderben und sehen 59
Apachenland als ihre Jagdgründe an. Cochise hat es erkannt und will mit dem Falken verhandeln.« »John Haggerty?« Earp horchte auf. »So nennen ihn die Weißen.« »Wird Haggerty dem Ruf deines Vaters folgen?« Naiche zuckte mit den Achseln. »Er ist ein Freund der Apachen. Er wird zum Treffpunkt kommen. Vielleicht rechtzeitig, vielleicht zu spät. Still jetzt.« Er wandte den Kopf. Aus dem sinkenden Tag kam der heulende Ruf eines Präriefuchses, der sich fortpflanzte und den ganzen Hügel umstrich. »Sie haben uns eingeschlossen«, flüsterte Wyatt Earp und spürte, wie Angst seinen Rücken hochkroch. Fest umspannte er den Karabiner und dachte darüber nach, wie locker sein Skalp auf der Kopfhaut saß. * Während Cochise seine Vorbereitungen zum Aufbruch traf, und John Haggerty letzte Instruktionen von General Howard erhielt, lag Glenn Morgan und seine Bande verborgen in einem Talkessel der Swisshelm Mountains, keine dreißig Meilen von Allisters geheimem Waffenarsenal entfernt, und beobachtete die Geschehnisse, die sich drunten im Tal abspielten. Aus dem Schatten der Felsen krochen unbemerkt zwei Dutzend Rothäute, die sich dem großen Lagerfeuer inmitten der Schluchtsohle näherten, an dem sich wiederum eine größere Gruppe Rothäute zur Zusammenkunft eingefunden hatte. Tanzend, mit grotesken Körperbewegungen, bewegten sie sich um die lodernden Flammen. Der dumpfe Ton einiger Baumtrommeln begleitete die Monotonie ihres Gesangs. Angefeuert von den Rufen ihres Vorbeters, der auf dem erhöhten Podest eines Felsbrockens stand, formierten sie sich 60
in dichter Reihe und tanzten langsam und mit erhobenen Händen, an ihrem Anam vorüber. »Was bedeutet der Zirkus?« fragte McLynn mit heiserer Stimme. »Es sieht wie ein Ritual aus«, erwiderte Tapper leise. Glenn Morgan schwieg. Er dachte an die Begegnung mit Tatsa-min in San Manuel und den vielen Gerüchten, die durch das Frontierland liefen. »Geistertänzer«, flüsterte Sam Allister. »Selbst in der Abgeschiedenheit des Zuchthauses Yuma spricht man von dieser Bewegung, die den Frieden sucht und inständig hofft, daß die weißen Eindringlinge bald ihr Land verlassen.« »Blödsinn«, brummte Tapper, »kein Tanz und kein Gesang kann unsere Truppen oder die Siedler bewegen, Indianerland zu verlassen.« »Wo sind die anderen Indianer?« wollte Lynn wissen. Fasziniert blickte er in die Tiefe. Die Schatten waren bei den Zelten verschwunden. »Eine Gegenbewegung, die zum Kampf auffordert, und allen Friedensstiftern den Tod ankündigt. Sie nennt sich ›Leg die Hände in mein Blut‹ oder auch ›Rote Hand‹.« »Tatsa-min«, entschlüpfte es McLynn. Sam Allister kroch näher. »Wer ist das?« »Der Unterhändler von Locking Bear. Er will die Waffen für seinen Stamm.« »Mein Gott«, rief Allister erschreckt. Morgan fluchte. »Haltet eure Schnauzen!« Die nächsten Augenblicke hielten sie in Atem und verdrängten selbst Allisters erschreckte Gedanken. Aus der Tiefe der Schlucht drang trommelnder Wirbelschlag galoppierender Pferde. Zwischen den Zelten drängten Schatten hervor und stürzten mit wildem Geheul auf die Menschengruppe am Feuer zu. Keulen und Schlagmesser durchfuhren die Luft, erreichten 61
treffsicher ihr Ziel und streckten die Menschen nieder. Lanzen und Pfeile, von den Reitern geschleudert, durchschlugen ihre Körper. Jene, die sich zur Flucht wandten, wurden von den Pferden niedergetrampelt und von Keulen erschlagen. Nur Minuten dauerte das grausame Gemetzel, bis auch der letzte Mann getötet war. Die nun folgende geisterhafte Stille füllte der Siegesruf der Angreifer, die über die Toten herfielen und sie massakrierten. Zelte brannten wie Fackeln, loderten als Siegesfanal gegen den Himmel und begleiteten den Abzug der Mörder. McLynn lag wie betäubt auf dem Bauch. Er war ein abgefeimter, gewissenloser Schurke, den es nicht störte, wenn jemand ins Jenseits fuhr. Aber dies hier überstieg jegliche Phantasie. »Bestien«, murmelte er unablässig. »Bestien.« Morgan stieß ihm fast heftig die Faust in die Seite. »Nimm dich endlich zusammen. Es sind Rothäute, die sie massakriert haben, und keine weißen Siedler. Es ist nur ein Haufen Dreck, nicht wert, darüber zu jammern. Holt eure Decken und legt euch auf den Sack. Es ist zu spät für den Abstieg. Aber morgen müssen wir an ihnen vorbei.« Morgan betrat die Höhle, wo ihre Pferde untergebracht waren, und suchte seinen Mantelsack. Er hatte die Nerven eines Spielers. In der Nacht schloß keiner von ihnen ein Auge. McLynn und Tapper dachten an den Weg, der vor ihnen lag, und Sam Allister hatte einen Platz abseits der anderen Kumpane unter einem Felsband gefunden. Am Morgen zogen sie über die schmale Serpentine, die an der Steilwand des Felsens klebte, talwärts. Der Kampfplatz wirkte schrecklich. Überall lagen verstümmelte Menschenleiber herum. Sie zogen wortlos vorüber. Aber das Bild saß tief in ihrer Erinnerung. 62
Sam Allister hatte lange Zeit über das grausige Geschehen nachzudenken. Er war verkommen und vergammelt, und handelte seit Jahren mit Waffen. Aber noch nie hatte er sich Gedanken darüber gemacht, was mit diesen Waffen geschah. Am Abend fanden sie eine Höhle für die Nacht. Tapper suchte trockenes Distelzeug und entzündete ein Feuer. Allister setzte sich nachdenklich an Morgans Seite. »Es ist ein Fehler, diese Bestien mit Repetierwaffen auszurüsten«, sagte er düster. »Die Caddos sind mordgierig und schrecken vor nichts zurück. Wir haben es mit eigenen Augen erlebt.« Morgan hob den Blick. Er schien Allisters Gedanken zu erraten. »Denke an dich und nicht an andere. Du hast ein Jahr lang die Hölle erlebt und nun liegt dir ein Paradies zu Füßen. Die Anson-Mine birgt ein Vermögen. Ein alter Freund von mir hat sie einmal gesucht und nicht gefunden. Wir aber haben alle Möglichkeiten, den Reichtum der Mine auszuschöpfen.« »Die Caddos…« »Sie tragen ihre Stammesfehden aus«, unterbrach Morgan heftig. »Cheyenne und Arapahoes sind ihre Feinde.« »Und wenn sie sie getötet haben?« stieß Allister aus. »Wer wird ihr nächster Gegner sein?« Morgans Blick irrte zu McLynn, der verlegen auf einem trockenen Bisquit kaute, zu Tapper, der schweigend in die Flammen starrte, und wanderte zu Allister hinüber, der an seiner Seite saß. »Wirst du etwa weich, Sam? Regt sich dein Gewissen? Dann denke an das Übel, das dir in Yuma widerfahren ist.« Sam Allister schwieg. Aber seine Gedanken waren in hektischer Bewegung. * Die Nacht war gefüllt mit fremden Geräuschen. Das helle Zirpen klang wie das Lied der Nachtschwalbe. Das 63
Bellen des Rotfuchses war täuschend echt. Aber Naiche wußte, es waren Caddos, die sich miteinander verständigten. Seine Rechte hielt den schweren Revolver, den Earp ihm in der Stunde der Gefahr überlassen hatte, und die Linke umspannte das Taime, den Glücksbringer, den er am Hals trug. Er konnte Glück gebrauchen. Als irgendwo in der Nähe das zornige Rasseln einer Klapperschlange aufklang, hob Naiche den Kopf. Er schien die Richtung zu suchen, aus der die Laute kamen. Schließlich reichte er Earp den Revolver und führte die Hand an die Lippen. »Er ist in der Nähe. Bleibe wachsam«, sagte Naiche mit kaum vernehmbarer Stimme. Lautlos wie ein Luchs, der die Beute beschlich, tauchte Naiche in der Dunkelheit unter und folgte den verräterischen Zeichen, die in seiner Nachtruhe aufgescheuchtes Reptil erzeugte. Earp lauschte vergebens den enteilenden Schritten seines Kampfgefährten, den die Nacht aufgenommen hatte. Minuten vergingen in stummer Erwartung. Earps Sinne vereinten sich mit den fremden Geräuschen der Umgebung. Plötzlich stand Naiche an seiner Seite, ohne daß er sein Kommen bemerkt hatte. »Er wird uns nicht mehr schaden, komm«, flüsterte der junge Häuptling, »wir wollen tiefer in die Wildnis. Die Caddos greifen bald an.« Earp spürte Naiches starke Hand, die ihn führte, und war bemüht, sich mit der gleichen Lautlosigkeit wie sein Begleiter zu bewegen. Es gelang nur zum Teil. Irgendwann verharrte Naiche auf der Stelle. Seine Hand löste sich von Earps Arm, und der hörte ein fremdes Geräusch. Im gleichen Augenblick stürzte ein Körper schwer zu Boden. Earp sah nur einen Schatten und riß den Revolver hoch. Da hörte er Naiches warnendes Zischen und wußte, der Gegner 64
brauchte keine Kugel mehr. Er hat die Augen eines Bus oder einer Katze, dachte Earp bewundernd und die Gefährlichkeit eines Pumas. Earp hatte Cochise mit den Mördern seiner Familie kämpfen sehen. Nun aber kam er zu der Überzeugung, daß der Sohn dem Vater an List und Schläue ebenbürtig war. »Hier«, Naiche drückte den Begleiter nieder und Earp spürte weichen losen Sand zwischen den Fingern. »Graben wir uns unter den Collas ein. Vielleicht werden sie über uns hinweglaufen wie blinde Schneehühner.« Earp hörte schabende Geräusche, als Naiche die Erde aufgrub. Er begann selbst zu schaufeln und legte sich in die Mulde. Nur Kopf und Brust ragten aus dem losen Sand, als in der Nähe höllisches Geschrei aufhallte, dem das ängstliche Wiehern eines Pferdes folgte. »Mein Pinto«, flüsterte Earp. Naiche schien in der Dunkelheit zu nicken. »Dein Bronco hat unsere Stellung verraten. Nun verhalte dich still. Sie wollen nicht dein Pferd, sondern dein schnelles Gewehr.« »Und wenn sie uns entdecken?« »Werden wir kämpfen wie Männer und sterben wie Männer.« Earp faßte die Henry fester und lauschte in die Nacht. Sie war gefüllt mit Geräuschen. Erregte Stimmen klangen in der Nähe auf, weiche Mokassins streiften den Sandhaufen, der Earps Körper bedeckte. Sie waren so nahe, daß er nur zuzugreifen brauchte. Aber er verhielt sich still, weil auch Naiche sich nicht regte. Endlich entfernten sich die Schritte. Naiche bewegte sich. »Sie sind dumm wie Raben und können nicht begreifen, daß wir verschwunden sind. Sie werden den Tag abwarten und die Suche fortsetzen. Wir wollen die Zeit nutzen.« »Und wie?« 65
Naiche lachte verhalten. »Wir werden dort sein, wo sie uns nicht vermuten, bei ihren Mustangs.« Earp erschrak über die Verwegenheit des jungen Häuptlings, doch nach den Erfahrungen, die er mit Naiche in den letzten Stunden gesammelt hatte, schenkte er ihm blindes Vertrauen. Vorsichtig erhob er sich aus dem Sand und ließ sich von Naiche durch die Nacht führen. Sie strichen in westlicher Richtung am Rande des Collasdickichts entlang. Am Himmel standen nun Sterne, die ihr fahles Geisterlicht über dem Badsland ausbreiteten. Die Rufe des Präriefuchses waren verstummt, aber Earp wußte, die Bestien lauerten verborgen in der Nacht. Naiche ging nun zu Boden. Er lag flach zwischen dürftigen Grasnarben und gab seinem Begleiter ein stummes Zeichen. Earp kroch zu Naiche hinüber und dieser deutete den abfallenden Hang hinab, wo dichtes Buschwerk in eine Senke hineinwuchs. »Dort sind ihre Pferde«, flüsterte Naiche bestimmt. Wyatt Earp blickte in die angegebene Richtung, ohne das geringste zu erkennen. Er sah nur Mesquitesträucher und hochwachsenden Wacholder und spürte, wie der frische Nachtwind ihm den herbsüßlichen Geruch von Sagebrush herüberwehte. Ehe Earp eine Antwort geben konnte, ging der junge Häuptlingssohn verhalten wie ein jagender Puma zwischen Grasnarben hindurch, sein Ziel an. Earp blieb keine Wahl, als seinem Beispiel zu folgen. Er konnte Naiche weder sehen noch hören, aber er strebte dem angegebenen Ziel entgegen, hoffend, daß Naiche recht behielt und dort die Pferde der Caddos untergebracht waren. Zu irgendeinem Zeitpunkt, er hatte das wildwuchernde Gesträuch fast erreicht, tauchte Naiche an seiner Seite auf. Er kauerte im Schatten einer mächtigen Wacholderstaude. Mit den 66
Händen gab Naiche kund, daß sie von zwei Seiten in den Busch eindringen wollten. »Es muß schnell gehen«, flüsterte er dabei. »Die Wächter dürfen keine Zeit finden, Alarm zu schlagen.« Naiche schüttelte abweisend den Kopf, als Earp ihm den Colt reichte und streckte ihm sein Jagdmesser entgegen, als Zeichen, daß er die Art der Kampfwaffen gewählt hatte. Fast gleichzeitig drangen sie in den Busch ein. Earp konzentrierte sich auf die nähere Umgebung. Nach etwa zwanzig Yards stieß er auf eine kleine Lichtung, wo ein flaches rauchloses Feuer brannte. Zwei Caddo-Krieger saßen leise palavernd im Gras. Sie trugen lange Musselinhemden, weiche Wildlederhosen und kurze Mokassins. In den Fäusten hielten sie kurzschäftige Kriegslanzen, deren Federschmuck den Apachenlanzen ähnelte. Im Lichtfeld des Feuers erkannte Earp den Seilcorral, in dem die Pferde grasten, und auf den ersten Blick entdeckte er seinen Pinto. Er trug noch Sattel und Zaumzeug. Die Krieger unterbrachen ihr Gespräch und hoben mißtrauisch die Köpfe. Sie blickten in eine bestimmte Richtung. Einer sprang schließlich heftig auf und senkte angriffsbereit seine Lanze. Etwas hatte ihn argwöhnisch gemacht. Gleitend schritt er vorwärts. Doch nach zwei Schritten funkelte helles Metall im Widerspiel des Lichtes. Die Schneide eines Jagdmessers drang in die Brust des CaddoIndianers und brachte ihn zu Fall. Das war für den lauernden Earp das Zeichen zum Eingreifen, denn er wußte, daß Naiche nur sein Jagdmesser als Kampfwaffe mitführte. Er schnellte, das Gewehr am Lauf erfassend, aus dem schützenden Dickicht, jagte mit kräftigen Sprüngen zu dem zweiten Indianer, der nun wie ein Blitz hochfuhr. Earp schwang seine Waffe wie eine Keule und schlug erbarmungslos zu. 67
Noch während der Indianer stürzte, tauchte Naiche am Feuer auf. Er riß sein Messer aus der Brust des toten Caddo und eilte zum Seilcorral. Als die dünnen Lederriemen fielen, war auch Earp zur Stelle. Schweigend sprang er in den Sattel seines Pintos. Naiche saß bereits auf seinem Schecken und stieß wilde Schreie aus, die die Ponys der Caddos aufscheuchten und in alle Winde trieben. Ihre Gegner waren auf die Vorgänge aufmerksam geworden, denn irgendwo aus der Finsternis schallte ein heller Ruf, der von mehreren Stellen beantwortet wurde. »Reiten wir, Freund«, rief Naiche und drängte den Schecken an Earps Seite, »die Schakale werden Stunden brauchen, um ihre Mustangs zu finden.« Earp sah das triumphierende Lächeln in Naiches Gesicht, und er spürte, daß der junge Häuptling stolz war, die Caddobrut überlistet zu haben. Seite an Seite sprengten sie in die offene Ebene hinaus, verfolgt vom wütenden Geschrei ihrer Gegner. * Caddo-Häuptling Guadalupe blickte stolz, mit leuchtenden Augen, zu seinen Unterhäuptlingen jenseits des Feuers, die, vor einigen Stunden ins Berglager zurückgekehrt, nun von ihren ruhmreichen Taten berichteten. Er hörte Wash-pics wortschmückenden Bericht, wie sie auf dem Wege von Rio Grande kommend, in den Swisshelm Mountains auf eine Gruppe Geistertänzer des Cheyennestammes gestoßen waren, die sie angegriffen und vernichtet hatten. »Sie waren zahm wie Krähen, ohne Kraft und kämpferischen Willen, der den roten Kriegern von Natur angeboren ist. Sie verkriechen sich hinter dem falschen Orakel eines Schamanen 68
und suchen die Welt mit Worten zu verbessern. Wir aber, die Caddos, und unsere Brüder, die Wichitas, vertrauen unseren Waffen. Denn nur mit ihnen kann man seine Feinde besiegen. Die Cheyenne haben es am eigenen Leib erfahren. Leider ist keiner lebend zurückgeblieben, um unseren ruhmreichen Sieg in ihrem Lager zu verkünden.« Häuptling Guadalupe nickte zustimmend. Er hatte Wash-pic aus dem Tal am Rio Grande rufen lassen, um seine Streitmacht zu verstärken. Und Wash-pic wußte gleich von einer Ruhmestat zu berichten. Auch Ilione sprach von Kämpfen mit Weißen. Er hatte am Fuße der Chiricahua Mountains eine Station überfallen und die Menschen dort niedergemacht. Stolz zeigte er den blonden Skalp. »Wir stießen auf einen Chiricahua, der aus der Zeltsiedlung der Langmesser kam. Wir waren ihm nahe auf der Spur, als ein Bleichgesicht ihm zu Hilfe kam. Der Apache war listig und klug. Wir Caddos haben ihn unterschätzt. Er legte uns einen Hinterhalt und verschwand mit seinem weißen Freund in der Nacht.« »Apachen sind keine Crows«, Guadalupe nickte ernst. »Sie werden bald unser gefährlichster Gegner sein, den wir niederkämpfen müssen, ehe wir uns an den weißen Eindringlingen rächen. Die Langmesser in Fort Bowie werden bald unseren Mut und unsere Stärke erkennen.« Guadalupes Augen leuchteten wie brennendes Feuer. »Wir wollen auf Tatsa-mins Botschaft warten, die uns Waffen ankündigt, die goldgierige Weißaugen den Caddos beschaffen wollen.« »Tod den Cheyenne, Tod den Arapahoes und Barawunenas«, rief Wash-pic. »Tod den weißen Eindringlingen«, rief auch Ilione, und er dachte an seine letzte Begegnung mit den Pferdesoldaten, zu denen sich der Apache und sein Freund retten konnten. »Wir werden wie Heuschreckenschwärme über sie herfallen, 69
so heftig, daß nichts mehr an sie erinnern wird. Keine Soldaten und keine Geistertänzer. Man wird in vielen Jahren noch von den Caddos und ihrem Häuptling Guadalupe berichten.« Guadalupes Augen glühten in fanatischem Eifer. Sein Haß war deutlich zu spüren. Seine Gedanken verweilten bei dem fremden Spieler, den er noch vom großen Fluß her kannte. Er würde ihm die Macht in die Hände spielen, die fehlte, um seine Gegner vernichtend zu schlagen. Fünfzig Gewehre, die schneller sprachen als der Mund eines Caddos… An diesem Tage, der Häuptling Guadalupe viele angenehme Botschaften brachte, bestimmte er, einen Maulesel zu schlachten und mit Tänzen und Gesang die Ankunft Wash-pics gebührend zu feiern. * Um diese Zeit saßen Wyatt Earp und Naiche, geborgen im Schutze einer Armeepatrouille, am Biwakfeuer einer Dragonereinheit aus Fort Bowie. Captain Roberts, der den Apachen tiefstes Mißtrauen entgegenbrachte, weil er ihre tückische Kampfweise nicht schätzte und einige schlechte Erfahrungen mit ChiricahuaApachen gemacht hatte, zeigte dem jungen Häuptling offen seine Gefühle für den roten Krieger. »Eine Rothaut ist für mich eine Rothaut. Vergleichbar mit einem Tier, das erbarmungslos das Schwache jagt. Wir waren in Hank Longdales Station, nachdem Wilde sie überfallen hatten. Sie glauben nicht, wie es dort ausgesehen hat, Mr. Earp. Longdale und sein Gehilfe wurden bestialisch gemartert und massakriert. Betty Longdale wurde ebenfalls erschlagen und skalpiert. Sie müssen verstehen, daß ich meine Leute erst beruhigen mußte, als sie ihn sahen.« Roberts behandschuhte 70
Rechte deutete auf Naiche, der schweigend und wachsam lauschend am Feuer saß und den Haßtiraden des Blaurocks folgte. Earp erinnerte sich an die kleine Revolte, die es bei ihrer Ankunft gegeben hatte. Aber er erinnerte sich auch, daß Naiche ein guter Kampfgefährte war, dem er vielleicht sein Leben verdankte. »In jedem Volk gibt es Spreu und Weizen, Captain. Auch unter dem weißen Volk. Wir nehmen den Apachen, den Arapahoes nebst den vielen anderen Stämmen ihr Land, als wäre es selbstverständlich, und wundern uns, daß diese Menschen uns voller Haß gegenüberstehen.« »Sie reden wie Haggerty.« Captain Roberts winkte verächtlich ab. »Sehen Sie zu, daß Ihr Freund morgen vor Sonnenaufgang verschwunden ist. Ich garantiere nicht für sein Leben, denn was in Longdales Handelsstation geschehen ist, haben meine Leute nicht vergessen.« »Es waren keine Apachen«, schimpfte Earp, der sich an Betty Longdales Skalp erinnerte. »Es waren Wichitas und Caddos. Feinde der Apachen. Sie wissen auch, daß General Howard sich bemüht, einen Frieden zwischen Apachen und dem weißen Volk zu erreichen, damit dieses Gemetzel endlich ein Ende nimmt und die Lebensformen im Lande normal werden. Mit Ihrer dekadenten Auffassung werden wir dies nie erreichen, Captain. Naiche ist der Sohn des großen Häuptlings der Apachenstämme. Er hat jedes Ihrer Worte verstanden und wird Ihre Meinung sicher seinem Vater übermitteln. Glauben Sie, daß dies eine Brücke zum Frieden schlägt?« Captain Roberts verfärbte sich ob der scharfen Rüge des Zivilisten, die einer Beleidigung gleichkam. Zornig sprang er auf die Beine. »Sie sind Gast an unserem Feuer und reden wie ein Indianerfreund, oder wie eine langröckige Squaw.« Wyatt Earps Rechte zuckte zur Hüfte, als Naiches Hand ihn mahnend berührte. 71
In seinen dunklen Augen lag ein trauriges Lächeln. »Nicht jedes Weißauge spricht mit zorniger Zunge über die Taten der Apachen. Cochise weiß, daß er auch Freunde unter den Bleichgesichtern hat. Ich werde in der Nacht aufbrechen und meinem Vater die Botschaft des Falken überbringen. Ich habe schon viel Zeit verloren.« »Und ich werde dem Falken entgegenreiten und ihn zur Eile bewegen. Wir wissen, welche Gefahr uns umgibt. Suchen wir uns einen anderen Lagerplatz.« Earp hatte sich aufgerichtet und griff nach seiner Decke. Er grinste den wütenden Offizier an. »Wir lagern außerhalb Ihres Camps. Vielleicht beruhigt es Ihr Gewissen, Captain, daß Sie nicht mit einem Wilden das Feuer teilen mußten.« Roberts hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, aber der junge Abenteurer und sein indianischer Kampfgefährte traten bereits aus dem Lichtkreis des Lagerfeuers. Zwischen Wacholderbüschen fanden sie eine geeignete Mulde für die Nacht. Lange lag Earp mit wachen Augen auf seiner Decke. Er dachte verbittert, daß Offiziere wie Roberts Mühlsteine waren, die die Friedensbemühungen des einarmigen Generals zerstörten. Aber er dachte auch wehmütig an die Zukunft. Seine Allianz mit dem Spieler Glenn Morgan, von dem er sich einen Ausbruch aus dem finanziellen Fiasko erhofft hatte. Es würde noch eine Weile dauern, bis sich ihre Wege finden würden. Und für einen Augenblick dachte Earp an den Makel, der ihm seit Tombstone anhaftete. Marshal Marley würde die Jagd nach ihm nicht aufgeben. Mit diesem Gedanken schlief er ein. Als er im Morgengrauen erwachte, erkannte er, daß Naiche ohne Abschied gegangen war. Er rollte stumm seine Decke zusammen und sattelte sein Pferd. Schweigend ritt er am Lager der Soldaten vorbei nach Westen, hoffend, irgendwo dort 72
draußen in der Wildnis auf John Haggerty zu stoßen. * Cochises langer Weg zum vereinbarten Treffpunkt in den Swisshelm Mountains führte durch verborgene Schluchten und Täler der Chiricahua Mountains. Tla-ina, seine Schwester, die ihn auf dem beschwerlichen Weg begleitete, war von Ausdauer und ihm kein Hindernis, denn das Mädchen hatte eine erstaunliche Kondition. Vielleicht auch gaben die Gedanken an den Falken ihr die nötige Kraft. Die rauhen Nächte im Hochland verbrachten sie in schützenden Höhlen, oder bei verwandten Familien, deren Dorf auf ihrem Wege lag. Er traf Chato in seiner Bergfestung und Geronimo, der erkennen ließ, wie tief sein Haß auf die weißen Eindringlinge war. Er streifte Ulzanas Dorf und mußte erkennen, daß Ulzana vom gleichen Unfrieden wie Geronimo beseelt war. Zum erstenmal hörte Cochise von den Gerüchten, die schnell wie der Wind durch die Bergwelt liefen. Verstärkte Militäreinheiten bewegten sich zwischen den Tälern der Chiricahua und den Swisshelm Mountains. Sie waren auf der Jagd nach rothäutigen Rebellen. In den folgenden Tagen begegneten Cochise und seiner Schwester zweimal Kavallerie-Patrouillen, denen er vorsorglich aus dem Wege ging und sich im Verborgenen hielt, bis sie vorübergezogen waren. Erst Eskaminzin, der Häuptling der Aravaipa-Apachen, wußte Näheres über die umlaufenden Gerüchte. Es war der achte Tag ihres Aufbruchs aus der Bergapacheria, als sie auf Eskaminzins Dorf stießen, und Cochise wunderte sich, wie tief sich die Aravaipas in die unzugänglichen Schluchten der Berge zurückgezogen hatten. Eskaminzin berichtete von einer starken Caddoformation, die im Tal der vier Winde ein blutiges Massaker unter 73
Cheyennefamilien angerichtet hatte und nun vom Militär des nahen Forts verfolgt wurde. Cochise erinnerte sich an die indianische Reitergruppe, die seinen Weg gekreuzt hatte und auf dem Wege nach Norden war. Er hatte sie als Caddos erkannt. »Über fünfzig Menschen starben unter den Keulen und Schlagmessern der Caddos. Und dies nur, weil sie an den Frieden glaubten«, sagte Eskaminzin unmutig. »Auch wir glauben an einen Frieden. Aber wir müssen wachsam sein, um nicht das Schicksal der Cheyennefamilien zu teilen.« Cochise nickte. Er reichte Eskaminzin die Kalumet und sprach von seiner Begegnung mit Wania-taka. »Ausgelöst durch diese Friedenstanzbewegung sieht der Häuptling der Cheyenne eine blutige Auseinandersetzung zwischen unserer Rasse voraus. Er nennt die Caddos und Wichitas aufrührerische Rebellen, die unseren Völkern Unheil bringen.« Eskaminzin nahm drei tiefe Züge aus der langen Pfeife. »Sie nennen sich ›Leg die Hände in mein Blut‹ oder ›Rote Hand‹ und kommen in Scharen aus dem Osten. Wania-taka hat ein klares Auge, wenn er sagt, Caddos und Wichitas sind Rebellen, die zum Krieg rüsten. Meine Späher wissen von vielen ihrer Gruppen zu berichten, die durch die Berge ins Jagdland der Apachen ziehen. Auch wir sollten unsere Stämme vereinen, um gegen ihre Angriffe gerüstet zu sein.« Cochise sprach nun von seiner Mission, die ihn mit dem Falken zusammenführen sollte. Eskaminzin nahm es mit freudigem Herzen auf. Als Cochise und seine Schwester am folgenden Tage aufbrachen, geleitete Eskaminzin sie bis weit vor die Tore seiner Burg. »Wir sollten einen begrenzten Frieden mit den Pferdesoldaten abschließen, und unsere eigenen Interessen zurückstecken, bis Caddos und Wichitas aus dem Apachenland vertrieben sind«, riet Eskaminzin. 74
Häuptling Cochise spürte, daß auch Eskaminzins Worte tiefe Sorgen enthielten, aber auch der Gedanke, daß er niemals einen dauerhaften Frieden mit dem weißen Mann suchte. »Sende einen Boten zu Victorio und Loco. Wir treffen uns in einem Mond beim Ältestenrat in meiner Apacheria. Ich werde dann berichten, welche Pläne der Falke hat.« Cochise und seine Schwester zogen weiter. Nun wurden auch die Tage kühl. Rauhreif bedeckte morgens Husachesträucher und Wacholderbüsche. Die Früchte der Feigenkakteen verloren ihre leuchtende Farbe. Ein Zeichen, daß der Winter nahe war. An einem Abend, in dem sie Schutz vor der Kälte in einer Berghöhle suchten, entdeckte der Chief im Talkessel ein Feuer. Beunruhigt von seiner Entdeckung beschloß er, das Lager zu beschleichen, um zu erkunden, wer nahe des frostigen Winters in dieser Wildnis lebte. Er war eine ganze Nacht unterwegs und kehrte erst am späten Vormittag zurück. »Es sind vier weiße Männer«, berichtete er Tla-ina und schien sichtlich beruhigt. »Sie graben wohl nach dem gelben Sand, der für das Weißauge Glück und Erfüllung bedeutet. Wir haben sie nicht zu fürchten.« Tla-ina drängte zum Aufbruch. Sie spürte, daß der Falke in der Nähe war. Ihr Herz schlug heftig, wenn sie an diese Begegnung dachte. Cochise spürte ihre Ungeduld und lächelte weise. »Die Nähe des Falken bedeutet dir Glück. Aber irgendwann wird dieses Herz bluten, Tla-ina. Du vergißt, der Falke trägt eine andere Hautfarbe als wir.« Tla-ina stampfte zornig mit dem Fuß auf. »Der Falke ist unser Freund.« »Und mehr als Freundschaft wird uns nie mit ihm verbinden. Der weiße Mann steckt voller Vorurteile, und er sieht es als Schande, wenn sein Bruder sich mit einer Squaw belastet.« Cochise bestieg seinen Mustang und drängte ihn nahe an den Abgrund. Er sah die fremden Männer am Fuße eines 75
Steilhanges vor der dunklen Öffnung einer Höhle stehen. Er wandte sich ab, und seine Gedanken eilten voraus zu den Ruinen des alten spanischen Klosters, wo er den Falken zu treffen hoffte. Irgendwann fiel ein einzelner Schuß, dessen Echo durch die einsame Bergwelt floh und in der Unendlichkeit verhallte. Der Chief lächelte zufrieden. Er kannte die Macht des gelben Metalls, und er wußte, daß es in den Händen weißer Männer Unfrieden erzeugte. Während sie über den schmalen Bergweg ritten, der oberhalb der Schlucht entlangführte, ahnte Cochise nicht, daß er einem Geheimnis sehr nahe gekommen war, das zu ergründen vielleicht eine blutige Auseinandersetzung verhindert hätte. Aber der Jefe war nicht allwissend… * Glenn Morgan hielt den rauchenden Revolver in der Faust. Zornig blickte er auf den Mann herab, den er soeben niedergeschossen hatte. »Du bist ein Narr, Sam, wenn du glaubst, daß wir jetzt noch zurückstecken. Wir haben dich aus dem Zuchthaus herausgeholt. Wir sind viele Meilen durch die Wildnis geritten und es werden noch weitere hundert Meilen sein, ehe wir unser Ziel erreichen. Die Caddos wollen Waffen. Du kannst sie liefern. Wir bieten dir die Partnerschaft, die aus dir einen reichen Mann machen wird. Du siehst, es steht zuviel auf dem Spiel, um einfach aufzugeben. Verbinde ihn, John, Allister wird nicht daran krepieren.« Sam Allister, der am Boden lag, starrte finster auf den Schützen, der ihn mit einer Kugel niedergestreckt hatte. Während Tapper ihm das Hemd an der Schulter aufriß und grinsend feststellte, daß es nur eine Fleischwunde war, sagte Allister: »Ich bin ausgekocht und abgebrüht bis in die 76
Stiefelsohlen. Mich kann so schnell nichts erschüttern. Aber das Bild dieser massakrierten Menschen läuft mir nach. Was glaubst du, was geschieht, wenn Caddos und Wichitas moderne Repetiergewehre in den Fäusten halten? Sie tränken das Land mit dem Blut unschuldiger Menschen. Sie überrollen die starken Befestigungen der Armee in den Tälern. Ich habe mit Guadalupe schon einige Geschäfte getätigt und weiß, wie tief sein Haß sitzt.« »In diesem Land rekrutieren sich sehr viele kampferprobte Armeesoldaten. Was bedeuten schon fünfzig Winchestergewehre in den ungeübten Händen roter Narren.« Morgan lachte zynisch. »Die Langsäbel werden sie wegschwemmen, wie der Regen fruchtbare Erde von den Feldern schwemmt und Dürre hinterläßt.« »Mit Enfield, Springfield oder Vorderlader, mit der die Armee ausgerüstet ist.« Allister stieß Tapper, der ihm einen Verband angelegt hatte, wütend beiseite und rappelte sich hoch. »Nach dem ersten Schuß können sie ihre lächerlichen Gewehre als Keulen benutzen und das nur solange, bis sie eine Kugel erwischt. Eine Winchester in der Hand eines roten Teufels bedeutet in der Feuerkraft gleichwohl dreizehn Enfields, denn genauso viele Patronen stecken in ihrem Schaft. Weiß Gott, willst du diese Schuld auf dich nehmen?« Glenn Morgan schüttelte den Kopf. »Du sprichst wie ein Mormonenpriester, Sam, und vergißt all das Leid, das dir die Zivilisation angetan hat. Du kannst all das hinter dir lassen und im sonnigen Kalifornien oder auf dem Boulevard Philadelphias das Leben eines Grandseigneurs genießen, dem man Achtung und Ehrerbietung schenkt, weil er ein reicher Mann ist. Sam«, seine Stimme wurde beschwörend, »du hast nur zwei Wege. Der eine führt uns zu den Karabinern, der andere ist dein Tod.« Allister sah die Entschlossenheit im Gesicht des Spielers. »Wer sagt dir, daß es diese Mine überhaupt gibt? Wie, wenn Guadalupe dich betrügt und dir ein wertloses Papier andreht?« 77
Der Spieler schwieg einen Augenblick. »Ich weiß, daß es die Pläne der Derroteros gibt, und von Askin kenne ich die Merkmale, die ihre Echtheit beweisen«, trumpfte er dann auf. »Askin hat die Karte nie in der Hand gehabt. Er hat auch kein Gold gefunden. Aber er ist ein toter Mann. Glenn, fünfzig Winchestergewehre sind ein Vermögen. Es gibt keine zehn Waffen gleicher Güte im Territorium. Wir könnten sie für teures Geld den Farmern und Siedlern in den Tälern verkaufen. Das wäre ein gutes Geschäft, das wir mit unserem Gewissen vereinbaren könnten.« Glenn grinste den Sprecher an, als sähe er einen Verrückten. »Vielleicht denkst du daran, sie der Armee zu verkaufen?« fragte er dann lachend. »Warum nicht?« Glenn tippte sich an die Stirn. »Du bist nicht mehr echt hier oben, Sam. Wie wolltest du der Armee erklären, woher die Waffen stammen? Und die Siedler, by gosh, sie sind arme Schweine. Selbst wenn sie hundert Dollar für eine Winchester zahlen könnten, wäre es ein Trinkgeld für das, was Guadalupe geboten hat.« Allister schwieg. Ihm wurde bewußt, daß Morgan zehnmal verkommener war als er. McLynn, der die Berghänge im Auge behielt, rief beunruhigt: »Indianer.« Dabei deutete er auf den verschwiegenen Pfad, der am Abgrund der Schlucht vorbeiführte. Morgan fuhr hoch. Er hielt noch immer den rauchenden Colt in der Faust. Er blickte in die angegebene Richtung, eilte zum Pferd und kehrte mit dem Fernrohr zurück. Eine Weile beobachtete er die einsamen Reiter in der Höhe, ehe er grinsend das Fernglas absetzte. »Ein einzelner Rothautbastard mit seiner Squaw. Ich wette, sie suchen sich ein Liebesnest für den Winter.« Und zu Allister gewandt fuhr er fort: »Wirst du nun 78
vernünftig, Sam?« Sam Allister hob die verletzte Schulter. Er sah keinen Ausweg. »Wir sind in der falschen Höhle, Glenn. Die Karabiner liegen eine Meile weiter in einer Felsengrotte.« »Na also.« Morgan lachte zufrieden. »Dann wollen wir unsere Pferde satteln.« Er trat nahe an Allister heran und tippte auf dessen verletzte Schulter. »Nichts für ungut, Sam, aber daran warst du selbst schuld. Wir bleiben die alten Freunde, die wir schon immer waren. Wenn es dich dennoch beruhigen sollte, Sam: Guadalupe wird nur fünf Winchestergewehre sehen, wenn wir den Handel machen. Ich möchte nicht, daß er uns betrügt.« Glenn trat zurück, bestieg sein Pferd und gab das Zeichen zum Aufbruch. Sie zogen durch die schmale Felsenschlucht und ahnten nicht, daß ihnen ein Schatten folgte. Tatsa-min, Guadalupes Bote. Er hatte sie seit der letzten Begegnung in San Manuel nie aus den Augen gelassen. * John Haggerty, der mit besonderen Vollmachten seines Generals ausgerüstet war, um Cochise zu begegnen, beobachtete aus ganz sicherem Versteck die Bewegungen im welligen Wüstenland. Starke Reitergruppen näherten sich dem Talkessel, der, eingeengt von flachen Bergrücken, inmitten eines Dickichts wildwachsender Wüstenvegetation lag, und ein sicheres Versteck bot. Eine Ansammlung, die den erfahrenen Scout so stark beunruhigte, daß er vom Falben stieg und ihn tiefer ins Gesträuch führte. Es waren Caddos und Wichitas, die er an den typischen Merkmalen ihres Kopfschmucks erkannte. Stämme also, die weit östlich hinter den Chiricahuas und Dragoon Mountains lebten. 79
John erinnerte sich der Worte Naiches, als er ihm vor einer Woche die besorgte Botschaft Cochises gebracht und die fremden Stämme, die Apachenland durchstreiften, erwähnt hatte. Er dachte an die lange Unterredung mit General Howard, dem von der geheimnisvollen Friedensbewegung und der Gegenbewegung berichtet worden war, und den Gerüchten von Greueltaten der Caddos, die in der Zeltstadt bei Tucson nur schwachen Nährboden gefunden hatten, und dennoch ein Stück Wahrheit enthalten mußten, weil erfahrungsgemäß in jedem Gerücht ein Funke Wahrheit steckte. Nachdem er sein Pferd an eine Collasstaude gebunden hatte, kroch er den Weg zurück, um die Vorgänge weiter im Auge zu behalten. Der General hatte ihn gebeten, die offene Plains im Auge zu behalten. Aber dieses Befehls hätte es nicht bedurft, denn ein erfahrener Armeescout, der Haggerty nun einmal war, erkannte, daß hier etwas Schwerwiegendes entstand. Das Land war wellig und von flachen Hügeln durchzogen. Die Vegetation sproß besonders üppig und kam Haggertys Neugierde zustatten, der fest entschlossen war, zum Kern des Lagers vorzudringen. Beweglich wie eine Schlange kroch er, jeden Strauch als Deckung nutzend, durch den heißen Sand. Er erreichte bald die Außenbasis des Dickichts. Als er ins dichte Grün eindrang, sprengte über die Hügel eine neue Reitergruppe, geführt von einem Häuptling, dessen bunte Adlerfedern in der niedergehenden Sonne leuchteten. John Haggerty zog sich unwillkürlich einen Schritt tiefer ins Gesträuch zurück, als der kräftige Mann auf feurigem Mustang mit seinen Kriegern an ihm vorüberzog und in der Buschschneise untertauchte. Das breite Lederband, das seine Brust umspannte, hatte den Häuptling verraten, denn es gab nur wenige Kriegshäuptlinge, die die Würde der elitären »Gesellschaft der Tapfersten« tragen durften. 80
Locking Bear war einer dieser Auserlesenen. Sein Name war Legende, sein offener Widerstand und seine Rebellion gegen weiße Eindringlinge bis in höchste Regierungskreise gefürchtet. Keinem Militär war es je gelungen, den schlauen und verwegenen Fuchs in die Enge zu treiben oder gar zu arrestieren. Und dieser Wolf tauchte nun im Apachenland auf. Das war eine bedeutende Entdeckung, die General Howard sicher beunruhigen und veranlassen würde, seine Truppen in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen. Nun war Haggertys Neugierde endgültig geweckt. Vorsichtig drang er ins Dickicht ein, immer bereit, auf einen Wächter zu stoßen, den er umgehen oder beseitigen mußte. John hatte sein schweres Jagdmesser in der Faust. Er war gewarnt von den Vorgängen, die er entdeckt hatte. Er spürte nicht die scharfen Stacheln des Manzanitas, die am Leder seiner Kleidung zerrten, nahm nicht den herblich süßen Duft des Sagebrush auf. Seine Sinne waren hellwach und konzentrierten sich auf die nähere Umgebung. So entdeckten seine scharfen Augen eine plötzliche Bewegung im Strauch, keine fünf Yards von ihm entfernt. Es war nur das verräterische Wippen eines Trapplewhitestrauches, das ihm zeigte, daß dort ein Lebewesen umherstrich. Für den scheuen Rotfuchs war der Busch zu unruhig, denn John hörte fernes Stimmengewirr, mit dem die Ankunft Locking Bears begrüßt wurde. Für ein Stachelschwein war die Bewegung zu sanft und Buschhühner waren vor dem Trubel längst geflohen. Zoll für Zoll, fest an den Boden gepreßt, bewegte Haggerty sich vorwärts. Sein Bowie lag fest in der Hand. Wieder wippte der Strauch, ohne daß der Wind ihn strich. Nun wußte John, daß dort ein Mensch lauerte. Ein Krieger oder Wächter der Rothäute, die in der Tarnung unvergleichliche Meister waren. 81
Der Trubel und Lärm auf der nahen Lichtung begünstigte Johns Vorhaben. Sie schluckten jedes fremde Geräusch, das trotz aller Vorsicht von ihm ausging. Nun sah er die schwachen Konturen eines Menschen, verdeckt durch den Strauch. Vorsichtig richtete er sich auf. Nur eine Sekunde zögerte er, ehe er mit einem lautlosen Sprung den Gegner anging. Sein Kampfmesser blitzte in der sinkenden Sonne, fuhr wie ein Schatten nieder, als der Indianer sich seitwärts drehte. John hatte Mühe, die Flugkraft seines Armes zu bremsen, als er das Gesicht erkannte. Fast lautlos fiel er neben dem Mann nieder. »Du?« fragte Haggerty verblüfft. »Ja, ich bin es«, erwiderte Wyatt Earp, als auch er den Freund erkannte. Er grinste ein wenig verzerrt, denn der plötzliche Überfall saß ihm noch in den Knochen, »und wenn du weiter so herumschreist, werden die Freunde der Roten Hand uns an die Stacheln des nächsten Kandelabers kleben und unser Sterben genießen.« »Caddos«, flüsterte John nun, »ich dächte, es seien Wichitas.« »Caddos und Wichitas sind ein Verein«, Earp deutete ins undurchdringliche Dickicht, wo helle Rufe laut wurden, »du erlebst gerade ihre Verbrüderung.« John lauschte in den sinkenden Tag. »Was weißt du von der Roten Hand?« wollte er dann wissen. »Nicht mehr oder weniger als jeder Apache. Sie sind in Kriegslaune und wollen den Frieden zerstören. Cochise braucht dringend deinen Rat.« John nickte. »Ich habe seine Botschaft empfangen und bin auf dem Wege zum vereinbarten Treffpunkt. Diese Ansammlung habe ich rein zufällig entdeckt. Sie scheint für meine weitere Handlungsweise von größter Wichtigkeit. Versuchen wir näher an ihr Lager heranzukommen.« 82
Earp verzog das Gesicht. »Es sind wenigstens zweihundert Krieger. Genügt es nicht, dies zu wissen und einen Boten zum Hauptquartier zu senden?« John Haggerty dachte an seine wichtige Mission, die ihn zu dem Jefe führte. »Wirst du das denn übernehmen?« »Ich bin kein Armeescout«, erwiderte Earp wütend. »Aber ein freier Bürger unseres Landes, der Pflichten und Verantwortung trägt.« Earp grinste. »Ich dachte, du hältst mich für einen Abenteurer und Halunken.« »Diese Meinung werde ich wohl nie aufgeben. Vorwärts.« Dämmerlicht zog über den Talkessel und verwischte die Konturen der Umgebung. Hautnah, einander im Auge behaltend, durchstrichen Haggerty und Earp den Busch, bis sie die Basis des Dickichts erreichten, hinter der sich eine weite Lichtung auftat. Niedere rauchlose Feuer, von trockenem Distelwerk gespeist, brannten auf der Lichtung. Primitive Jacuales, aus dem Geäst von Zedrachbäumen und Agavenblättern geschlagen, umstanden die Feuer. Auf einer Santillodecke saßen Locking Bear und Guadalupe, an einem Holzspieß briet ein mächtiges Stück Fleisch. »Guadalupe hat zu Ehren Locking Bears einen Maulesel schlachten lassen.« John Haggerty grinste, denn er wußte, es gab für einen Indianer kein vergleichbares Stück Fleisch als das saftige Fleisch eines Murros, und keinen besseren Willkommensgruß als den, für den es geschlachtet wurde. Zugleich aber sah er am fortgeschrittenen Zustand des Festbratens, daß der Caddo-Häuptling Locking Bear erwartet hatte. Eine neue Reitergruppe trabte auf den Platz. Locking Bear sprach mit dem jungen Unterhäuptling und die Krieger verteilten sich an den Feuern. Locking Bear setzte sich erneut auf die bunte Decke, um das 83
unterbrochene Palaver fortzuführen. »Ich werde näher herankriechen«, bestimmte John nach kurzer Überlegung, »ich muß wissen, was die beiden Gauner aushecken.« Earp schüttelte verwundert den Kopf. »Kannst du ihre Sprache?« »Sie sprechen im Athabaskendialekt, wie die meisten Stämme im Mittelwesten. Ich werde so viel verstehen, wie es nützlich ist. Halte mir den Rücken frei.« »Mit einem Revolver«, Earp grinste. »Mehr als sechs werde ich nicht in die Hölle schicken können.« Auch John lächelte. »Es wäre doch schon eine ganz stattliche Anzahl Begleiter, die uns dann ins Jenseits folgen.« »Laß deine Scherze. Mir ist nicht danach zumute.« »Mir gewiß auch nicht.« Der Himmel hatte sich verdunkelt. Nur die Feuer beleuchteten die nahe Umgebung. Wyatt Earp wagte sich nicht zu bewegen. Er verfluchte den Augenblick, in dem er sich in solch riskante Unternehmen eingelassen hatte. Glenn Morgan trug daran die Schuld, denn hätte er den Spieler in San Manuel getroffen, säße er jetzt vielleicht mit ein paar Karten im bequemen Stuhl eines Saloons und nicht mit einem Revolver in der Faust inmitten der Wildnis. Vielleicht auch wäre er gerade dabei, die Einnahmen des Tages zu zählen. Blanke Silber- oder Gold-Bucks. Earp starrte zum Lagerplatz hinüber. Beim Teufel und seiner Großmutter, John Haggerty ließ sich verdammt lange Zeit mit der Rückkehr. So, als wollte er seine, Earps Nerven, strapazieren. Die Feuer brannten langsam nieder. Die Rothäute verschwanden in den primitiven Unterkünften oder hüllten sich in der Nähe des wärmenden Feuers in ihre Decken. Earps Blick wanderte verzweifelt zum Himmel, der von 84
matter Helligkeit gefüllt war. Er suchte den Polarstern und den großen Wagen, der ihn umkreiste, um die Zeit bestimmen zu können. Irgendwann tauchte dann auch Haggerty auf. »Komm«, sagte er leise und bewegte sich durch das Gesträuch. »Warum so schnell?« flüsterte Earp, der ihm folgte. »Ich erzähle es dir später. Wo steckt dein Pferd?« Wyatt deutete in die Finsternis. »Irgendwo draußen in der Nacht.« »Wir wollen es holen und dann verschwinden.« »Wohin?« »Es bleibt keine Zeit, Fragen zu stellen.« Unbemerkt verschwanden sie aus dem Dickicht. Earp führte den Freund zum Versteck seines Pferdes. Er zog es aus dem Strauch und zwischen den Hügeln hindurch, um Johns Falben aufzuspüren. Nun, wo sie ihren Beritt hatten, schwenkte John Haggerty nach Süden. Sein Begleiter platzte fast vor Neugierde und konnte nicht lange an sich halten. »Wohin geht es?« fragte er nach einigen Meilen. John schwieg. Er beschäftigte sich mit der erlauschten Unterhaltung der Häuptlinge Guadalupe und Locking Bear, die ihm so ungeheuerlich, ja, schreckhaft war, und wie ein Gespenst vor seinen Augen stand. Nach einer halben Stunde trabten sie einen Hügel hoch, von wo aus die Umgebung weithin sichtbar im fahlen Mondlicht zu sehen war. »Du brauchst nicht abzusatteln, Wyatt«, sagte John, als er vom Pferd stieg. »Du wirst zum Hauptquartier reiten und General Howard Bericht erstatten.« »Was geht vor?« Earp spürte Johns Erregung, die sicher ihre Bedeutung hatte. 85
Der Scout blickte nach Norden, wo, nur einige Meilen entfernt, zwei Kriegshäuptlinge von jenseits des Rio Grande über Krieg und Frieden im Apachenland bestimmten. »Es ist der Anfang einer Ansammlung. Es werden noch viele Krieger der Caddos und Wichitas über die Berge ziehen, um sich hier in der Wüste zu vereinen. Die Wichita-Caddo-Allianz, die vorgibt, den Geistertanz-Kult zu bekämpfen, ist nur ein Deckmantel ihrer wahren Absichten. Sie stellen sich gegen das Militär und ihre Bastionen im Frontierland. Sie zünden die Brandfackel der Rebellionen, als allgemeiner Aufstand aller roten Stämme im Mittelwesten. Wenn ihnen dies gelingt, stehen Chiricahuas, Mimbrenjos, die Nedis, Yaquis und die White-Mountains-Apachen vor der Alternative, sich ihnen anzuschließen, oder aber von der Armee wie Hasen gehetzt zu werden. Selbst die Cheyenne und Arapahoes haben keine andere Wahl.« Wyatt Earp schüttelte heftig den Kopf. »Es wäre reiner Selbstmord, mit Steinschleudern, Bogen und Lanzen befestigte Forts anzureiten. Sie würden im Bleihagel der Kartätschen verbluten.« John lächelte bitter. »Guadalupe erwartet eine Ladung von fünfzig Repetiergewehren.« Als Earp betroffen schwieg, fuhr John fort: »Winchester Carabins…« »Verdammt!« entfuhr es Earp. Er dachte an die stillen Wünsche einsamer Tage. Zu ihnen gehörte der Vierundvierziger Schnellfeuerkarabiner, der aus einem Schützen eine kleine Armee machen konnte. »Der Sechziger ist nirgends im Handel.« »Doch«, erwiderte John ernst. »Im Osten. Du siehst, wie ernst die Lage ist. Wo fünfzig Winchestergewehre herkommen, sind noch weitere hundert zu beschaffen. Wir müssen nur die Quelle finden und sie zum Versiegen bringen.« »Das wird wohl deine Aufgabe sein.« John hob die Schultern. »Guadalupe wird bald mit diesen 86
Verbrechern in Verbindung treten, während Locking Bear in aller Ruhe seine Streitmacht aufbaut.« »Die zu zerschlagen wohl Aufgabe der Armee sein wird…« Wieder nickte John. »Der General wird sich schnell entscheiden müssen, denn ist diese Brut erst einmal in Bewegung, wird sie so schnell nicht wieder aufzuspüren sein. General Howard wird es sicher erkennen und seine Abteilungen auf kürzestem Wege heranführen. Du wirst ihm ein guter Scout sein.« Earp grinste säuerlich. Er hielt nichts von der Armee. »Und wo werde ich dich finden?« »Im Süden, irgendwo in der Nähe von San Manuel.« San Manuel, Earp schwenkte seinen Gaul. In San Manuel liegen noch ein paar Träume von mir auf Eis, dachte er bissig und sprengte in die Nacht hinaus. John Haggerty bereitete sich auf eine längere Wartezeit vor, denn er wußte, wieviel von seiner Aufgabe abhing. Was ihm Sorgen machte, waren seine Wasservorräte. Die kleine Quelle, die John von früheren Erkundungsritten her kannte, lag im Nahbereich des Caddolagers und würde sicherlich scharf bewacht werden. * Sam Allisters geheimes Waffenversteck lag in einer schier unzugänglichen Felseinbuchtung eines Canyons, der den Berg in vielen Windungen von Ost nach West durchschnitt. Sie hatten Mühe, ihre Pferde über die ausgewaschenen, terrassenförmig ansteigenden Felsen zu führen. Schließlich erreichten sie ein flaches Plateau, an dessen Westseite, unscheinbar auf den ersten Blick, der Eingang einer Höhle lag. Wortlos ließ Sam Allister sein Pferd zurück und betrat die Höhle. Eine Weile mußte er tief geduckt gehen, dann erweiterte sich die Decke zu einer gewaltigen Kuppel. 87
Als Glenn Morgan und seine Kumpane folgten, hatte Allister zwei Fackeln entzündet, welche die Höhle unzureichend erhellten. »Da ist das Zeug«, mit dem ausgestreckten Arm deutete der Sprecher auf eine Handvoll Kisten. Morgan, der die flachen Holzkisten bereits erspäht hatte, spürte die Bitterkeit in Allisters Worten. »Du sprichst von unserem Glück, als hafte die Pest daran«, sagte er und ging in die angegebene Richtung. Mit dem schweren Bowie löste er einen der Deckel, schob das ölgetränkte Papier beiseite und nahm eine der Waffen heraus, die wohlgeordnet in Fünferreihen übereinander in der Kiste verpackt waren. Der Spieler wog die Waffe in der Hand und betätigte den Mechanismus mit einer Fertigkeit, als wäre er mit ihr längst vertraut. Seine Augen strahlten, und aus dem herben Mund brach ein Lächeln. »Sie ist perfekt in ihrer Ausführung und leicht zu führen wie ein Kartenpaket. Eine Schande, das Rothautbastarde damit ihr Kriegsspiel führen.« »Sie ist perfekt im Töten, Glenn«, sagte Allister im Hintergrund, »und für die Hand des weißen Mannes geschaffen, der um seine Scholle kämpft. Du könntest deine Pläne immer noch ändern.« »Ein Siedler, der um seine Scholle kämpft, hat mitunter nicht das Geld für die Saat. Guadalupe bietet für jedes einzelne Gewehr ein Vermögen. Wir werden uns mit diesen Karabinern bewaffnen und mit ihrem Gebrauch vertraut machen. Wir werden dem Häuptling die Stärke der Winchester demonstrieren und ihnen unsere Gewehre überlassen. Er soll selbst entscheiden, ob sich ein Betrug lohnt.« *
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»Morgen ziehen wir weiter«, sagte Morgan am Abend, als Tapper ein kleines Feuer in der Höhle entzündet hatte. Seltsame Unruhe hatte ihn befallen, so als fürchte er, den Caddohäuptling zu verpassen. Dabei wußte er noch nicht einmal den genauen Ort und Zeitpunkt der Zusammenkunft. Aber er rechnete mit Tatsa-min, Guadalupes Boten. Tapper und McLynn beschäftigten sich mit den Karabinern, und Tapper sagte einmal halblaut: »Sie werden mehr Blut vergießen als Cochise in seiner wildesten Zeit.« McLynn nickte. Er träumte von goldenen Bergen. Was kümmerte ihn, was geschah. Nur die Kasse mußte stimmen. Allister blieb ruhig. Sein Gewissen plagte ihn. Doch am nächsten Morgen schien er sich entschieden zu haben. Als sie ihre Pferde bestiegen und der beschwerliche Abstieg begann, sagte er zu Morgan: »Du hast recht, Glenn, nur unser Glück zählt. Alles andere interessiert nicht.« Worauf der Spieler zufrieden nickte. »Na endlich, Sam, bist du aufgewacht. Die Welt, die wir bald betreten, läßt die Vergangenheit vergessen.« Allister übernahm die Führung. Am zweiten Abend, sie lagerten in den Ausläufern der Swisshelm Mountains, am Fuße der endlosen Ebene, die sich bis zum Gila hinüber zu erstrecken schien, sagte Allister zu Morgan: »Den ganzen Tag schleicht etwas um uns herum, wie ein Schakal, der die Beute wittert.« Doch Morgan beschwichtigte Allisters Verdacht. »Es sind deine Nerven, Sam. Die Gegend hier ist öde und leer. Selbst ein Kojote würde keine Beute finden.« Schon bald stießen sie auf eine flache, buschbewachsene Mulde, die einer Oase gleich von schützendem Strauchwerk umgeben war. Morgan beschloß, hier das Lager aufzuschlagen. Sie sattelten die Pferde ab und banden die Tiere mit den Zügeln zusammen. Unter den Büschen suchten sie einen Platz für die Nacht. 89
McLynn hatte die erste Wache. Morgan war gerade eingeschlafen, als McLynn ihn weckte. »Jemand schleicht um unser Lager. Da du behauptest, selbst der Kojote finde hier keine Beute, ist es vielleicht ein Mensch.« Morgan erinnerte sich Allisters Vermutung. Er griff zur Winchester und deutete zu den Büschen. »Weck die anderen beiden Männer. Vielleicht können wir die Treffsicherheit der neuen Gewehre erkunden.« Er sah, daß McLynn die Männer wachrüttelte und rief halblaut: »Verteilt euch in der Senke nach den vier Himmelsrichtungen. Gleichwohl wer draußen herumschleicht, er findet bestimmt keinen Weg, uns zu überraschen.« Von nun an wurde es still am Lagerplatz. Angespannt lagen sie zwischen Sträuchern, blickten ins mondhelle Badsland und suchten nach einer verdächtigen Bewegung. Eine Stunde verging. Eine zweite. Die Zeit rann träge dahin. Irgendwo bellte ein Präriehund, und Morgan dachte, es ist der Ruf des Rotfuchses, mit dem die Caddos sich verständigen. Wachsam, den Finger am Abzug der Winchester, blickte er in die Nacht. Es war wieder still. Nur der feine Wind raschelte in den Sträuchern, und die Nachtkälte drang durch die Kleidung. Glenn Morgan hob fröstelnd die Schultern, als eine Hand ihn berührte. »McLynn?« fragte er leise, obwohl er spürte, daß ein Fremder in ihrem Lager war. »Nein, Morgan. Tatsa-min ist gekommen, um dich zu führen.« Glenn Morgan fuhr herum. Er sah den Schatten, der sich kaum von den Sträuchern abhob, obwohl er aufrecht stand. Die Karabinermündung fuhr in diese Richtung. »Tatsa-min?« fragte er zweifelnd, »wie hast du uns gefunden?« »Das Auge des Caddo ist scharf wie das Auge eines Adlers«, 90
erwiderte der Rote ruhig. »Er findet selbst dort eine Fährte, wo der Wind sie bereits verwischt hat«, erwiderte Tatsa-min ruhig und trat einen Schritt zur Seite, so daß das fahle Licht des Mondes seine Gestalt streifte. Glenn Morgan betrachtete die Rothaut eine Weile schweigend. Tatsa-min trug einen verwaschenen Chaparajos. Sein Antlitz durchliefen dunkle Zeichen, die für ihn sicher eine Bedeutung hatten. Zögernd senkte Morgan die Waffe. »Schickt dich dein Häuptling, Tatsa-min?« Die Rothaut nickte gleichgültig. »Häuptling Guadalupe drängt auf die Erfüllung des Vertrages. Aber ich sehe keine fünfzig schnellen Gewehre. Nur jene, die ihr im Leder am Sattel tragt.« Glenn Morgan spürte, daß die Rothaut schon eine Weile auf ihrer Spur geritten war. Deshalb fragte er: »Wie lange bist du schon in unserer Nähe, Tatsa-min?« Tatsa-min hob die Schultern. Sollte er sagen, seit Anbeginn der Begegnung in San Manuel? Oder, ich bin eurer Spur bis New Mexico gefolgt? Nein, das würde in den Herzen der Bleichgesichter nur Mißtrauen erwecken. »Gestern fand ich eure Spur und in einigen Tagen werden wir auf Häuptling Guadalupe stoßen.« Einen Augenblick schwieg Tatsa-min, ehe er fortfuhr: »Häuptling Guadalupe erwartet nicht, daß die weißen Männer ihn betrügen.« Morgan spürte die versteckte Drohung. Er grinste verächtlich. »Wir haben Muster der schnellen Gewehre und werden Häuptling Guadalupe ihre Feuerkraft demonstrieren. Aber erst wenn ich die Pläne der Anson-Mine in den Händen halte und aus ihren Zeichen die Echtheit der Derrotero-Pläne erkenne, werde ich den großen Häuptling zum Versteck der Waffen führen.« »Sag es dem Häuptling, wenn du ihm gegenübertrittst«, erwiderte der Rote mit unbeweglicher Miene. Nichts verriet 91
seine Gedanken, die vieles erzählen konnten über die Zeit, die zurücklag. »Er wird dir glauben oder nicht. Wenn es dir recht ist, brechen wir bei Sonnenaufgang auf.« Morgan nickte. Er hatte noch eine Frage auf der Zunge, aber Tatsa-min war ebenso lautlos in der Nacht verschwunden, wie er vor einigen Minuten aufgetaucht war. Kein fremder Laut verriet Tatsa-mins Schritte, und Sam Allister sagte, was sie alle wohl dachten: »Die Caddos sind verschlagene Schakale, denen man nur vertrauen kann, solange man das Weiße ihrer Augen sieht. Als Tatsa-mins Feinde wären wir sicher morgen früh mit durchschnittener Kehle aufgefunden worden. Er weiß mehr, als wir ahnen.« * Earps abgetriebener Pinto stand mit schäumenden Nüstern und zitternden Flanken vor General Oliver O. Howards Stabszelt. Der höllische Ritt quer durch die Mesa hatte ihn völlig erschöpft. Im Zelt selbst stand Earp, abgeschlafft wie sein Gaul, vom Staub der Wüste gezeichnet, und übermittelte dem General John Haggertys Botschaft, deren Tragweite von solch großer Bedeutung war, daß ein beherrschter, disziplinierter Offizier wie Howard die Kontrolle verlor und mächtig zu fluchen begann. Als Earp seinen Bericht beendet hatte, stampfte der General, seinen gesunden Arm hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf zu Boden gesenkt, durch das enge Quadrat seines Zeltes. Brunsh, die Ordonnanz, die Earp angemeldet hatte, flüsterte: »Das haut den alten Recken um, Mr. Earp. Seine gesamten Theorien über die Friedensbemühungen im Territorium sind ein Schlag ins Wasser. Er wird es nur schwer verkraften.« General Howards Schritte verstummten. Er stand am offenen Zelteingang und blickte abwesend über 92
den weiten Platz, den Dutzende von Flachzelten säumten, und Earp erschien es, als stünden in Howards Augen Tränen. »Wo steckt mein Scout jetzt?« hörte Wyatt Howards müde Stimme. »Er hält sich in der Nähe des Rebellenverstecks auf, General, um Häuptling Guadalupe zu beschatten und, wenn es nötig ist, ihm zum Treffpunkt der Waffenschmuggler zu folgen.« »Wie viele Krieger haben Locking Bear und Guadalupe um sich versammelt?« Howard wandte sich um und blickte Earp in die Augen. Und Earp sah, daß er sich getäuscht hatte. Howard weinte nicht. »Etwa dreihundert. Doch der Falke – verzeihen Sie – John Haggerty rechnet stark, daß die gleiche Anzahl Krieger dem Ruf ihrer Häuptlinge folgen wird«, berichtete der Abenteurer, »vielleicht auch mehr.« Der General trat zum Plantisch und studierte die Karte des Südwest-Territoriums. Er winkte den Boten näher und deutete auf einen Punkt auf der Karte. »Sie sprachen von einer Wasserstelle. Das kann nur das Tonar Desert sein. Ein sehr einsamer, trockener Landstrich, drei Tage von Tucson entfernt.« »Die Entfernung stimmt«, bestätigte Wyatt Earp. »Ich kann Sie führen, General.« »Sergeant«, wandte sich Howard an seine Ordonnanz, »holen Sie meine Offiziere und versetzen Sie die Truppe in höchste Alarmbereitschaft!« Brunsh grüßte und verschwand. Als Howards Stab das Zelt betrat, schallten auf dem Vorplatz die Signale des Hornisten, und durch den offenen Zelteingang erkannte Earp das hektische Leben, das draußen erwachte. Howard bat seine Offiziere an den Tisch und informierte mit kurzen Worten seinen Stab. Zugleich entwickelte er den strategischen Aufmarschplan, um die Rebellenansammlung im Tonar Desert zu zerschlagen. Die Aufgabe schien ihm so 93
wichtig, daß er neben Kavallerie und Dragonereinheiten zwei Batterien Berghaubitzen in den Aufmarsch mit einbezog. »Wir stehen vor einer wichtigen Entscheidung, die über Krieg und Frieden bestimmen wird, meine Herren!« beendete General Howard seine Ausführungen. »Sollte unser Unternehmen aus irgendeinem Grunde ein Schlag ins Wasser sein, dürfte es bald zu einer Revolte in Arizona kommen, deren blutiges Drama wir uns nicht im entferntesten vorstellen können. Wir stünden dann nicht vor einem neuen Anfang, sondern vor dem Ende amerikanischer Herrschaft im Territorium Arizonas. Gentlemen, Sie kennen Ihre Aufgaben.« General Howard legte die Hand an die Stirn zum Zeichen, daß die Besprechung beendet war. Seine Offiziere verließen das Stabszelt, und bald darauf schallten ihre Befehle über den weiten Platz. General Howard wandte sich dem jungen Mann zu. Er lächelte hart. »In zwei Stunden werden meine Abteilungen abmarschbereit sein. Besorgen Sie sich vom Schirrmeister ein frisches Pferd, und nehmen Sie eine Mütze Schlaf, Mr. Earp. Uns stehen harte Tage bevor.« Noch immer lächelnd nahm er eine halbvolle Brandyflasche vom Regal und reichte sie Earp. »Nehmen Sie einen Schluck, Mr. Earp. Sie haben ihn sich verdient.« Kurz vor Sonnenuntergang standen die Abteilungen. An der Spitze General Howard, der es sich nicht nehmen ließ, das Expeditionscorps selbst zu führen, umgeben von seinen Offizieren. Dahinter eine Abteilung Dragoner, an ihren roten Hosenstreifen erkennbar. Dann die Kavallerie mit ihren typisch gelben Halstüchern. Ihnen folgte die Artillerie, aufgeprotzt auf die Munitionswagen, bespannt mit schweren Zuggäulen. Den Abschluß bildeten zwei weitere Munitions-, der Furagewagen und ein Sanitätsfahrzeug. Ein gewaltiger Zug, den General Howard nun in Bewegung setzte, und den aufrührerischen Rebellen entgegenführte. 94
Wyatt Earp, der dies alles erkannte, ritt zur Spitze auf und setzte sich an Major Tanners Seite. »Eine waffenstarrende Armee, Major«, sagte er zuversichtlich, »mit ihr könnte man noch einmal die Südstaaten in die Knie zwingen.« Les Tanner, der Profos der »Siebten«, lächelte kühl und schwieg. Er war ein erfahrener Offizier, der schon lange im Frontierland diente. Er kannte die tückische Kampfart indianischer Rebellen. * Der Scout lag, gedeckt von Husachesträuchern, auf der höchsten Erhebung des Hügels und hielt das Lager der Rebellen im Auge. Vier Tage waren inzwischen vergangen, ohne daß sich irgend etwas ereignet hätte. Trotz der unmittelbaren Gefahr entdeckt zu werden, war John in der letzten Nacht noch einmal zum Rebellenlager geschlichen und von dort aus zur Quelle, wo er unter Einsatz seines Lebens Wasservorräte besorgte. Niemand hatte ihn bemerkt. Inzwischen waren weitere Gruppen Caddos und Wichitas ins Lager gestoßen, und Haggerty schätzte, daß der Haufen nun vierhundert Mann stark war. Ständig waren Späher unterwegs. Mitunter ritten sie keine hundert Yards an seinem Versteck vorbei. John saß auf einem Pulverfaß und wohl zum hundertsten Male sehnte er die Truppen aus Tucson herbei, oder aber daß Häuptling Guadalupe sich regen möge, um den vereinbarten Treffpunkt aufzusuchen. An diesem Nachmittag, Späher kamen von Westen ins Lager geritten, tat sich etwas. Der Späher mußte eine wichtige Botschaft übermittelt haben, denn die Rebellenarmee kam in Bewegung. Gruppen zwischen zehn und dreißig Kriegern verließen das Versteck, ritten in die 95
offenen Plains und sprengten in die verschiedensten Richtungen auseinander. Nach einer Stunde schien das Nest leer zu sein. Nur Locking Bear mit einigen Kriegern und Guadalupe kamen aus dem Busch geritten. Sie sprachen eine Weile miteinander, ehe die Wichitas nach Osten sprengten und Guadalupe südwärts ins Hügelland zog. Irgend etwas mußte diese Teufel aufgescheucht haben, und nach reiflicher Überlegung kam John zu der Überzeugung, daß Howards Truppen im Anmarsch waren. Zeitlich konnte es stimmen. Der Scout lächelte hart, als er seinen Falben sattelte. Der alte Wichitafuchs Locking Bear witterte die Gefahr und hatte seine Streitmacht in alle Winde verstreut. Howard würde enttäuscht, nein, mehr verzweifelt sein. John bestieg den Sattel. Weit voraus, etwa zwei Meilen entfernt, sah der für kurze Zeit den weißen Apfelschimmel, der Guadalupe südwärts trug. Er setzte seinen Falben in Bewegung, ritt nach Westen, bis er eine einsame Fahrte berührte und schwenkte ebenfalls nach Süden. Irgendwo dort unten im Green Valley Desert lag sein Ziel. John ließ sich Zeit, denn er wollte seine Mission nicht in Gefahr bringen, indem er dem Halunken zu nahe auf die Pelle rückte. Caddos waren listig und verschlagen wie Apachen. Und diese kannte John schon eine ganze Weile. Nur einen Augenblick lang galten Johns Gedanken Cochise, der sicher um diese Zeit in den alten Klosterruinen von Santa Elfrida sehnsüchtig seiner Ankunft harrte. Doch das hatte nun Zeit, denn es gab wichtigere Dinge zu tun, die, wie John glaubte, sicher mit den Nöten und Sorgen des Apachenhäuptlings zusammenhingen. Bei Anbruch der Dunkelheit verkroch sich John in dichtes Gesträuch, um den neuen Tag abzuwarten. Er wagte kein Feuer zu entzünden und begnügte sich mit einigen trocknen Bisquits und dem lauwarmen Wasser aus seiner Canteen. 96
Seine Gedanken beschäftigten sich mit Guadalupe und den weißen Banditen, die ohne Hemmungen bereit waren, den roten Teufeln moderne Waffen zu liefern. Aber dieses Gesindel war überall und tauchte dort auf, wo für klingende Münze Waffen gebraucht wurden. Mit der aufgehenden Sonne, die verschwenderisch über die Peaks der Chiricahua-Mountains in das weite Tal floß, war John Haggerty auf den Beinen. Er prüfte die Fährte, die schnurgerade nach Süden führte und wußte bald, daß Guadalupe ihm zwei Stunden voraus war. Weit genug für eine plötzliche Begegnung, die mit tödlichem Ausgang enden konnte. Als John in den neuen Tag hineinritt, spürte er ein Kribbeln unter der Haut, das ihm zeigte, wie nahe die entscheidende Auseinandersetzung lag. Unbewußt fiel seine Hand auf das Halfter. * General Howards Aufmarsch im Tonar Desert endete mit einem Fiasko, denn nachdem er den von Wyatt Earp bezeichneten Buschgürtel umstellt hatte und seine berittene Einheit das Nest der Guerillas anstürmte, mußte er erkennen, daß seine Gegner rechtzeitig die Flucht ergriffen hatten. Howards Hunkpapascouts, die er nach Kenntnis der Dinge aussandte, stießen zwar im Wüstenland auf in verschiedene Richtungen verlaufende Fährten, die sich jedoch, vom Winde verweht, in den offenen Plains verloren. »Es hat keinen Sinn, mit einer solch großen Einheit blind in die Wüste vorzustoßen«, sagte er am Abend bei einer Besprechung zu seinen Offizieren, »das Land ist unendlich groß und hat tausend verborgene Schlupfwinkel. Es könnte Wochen dauern, bis wir auf eine versprengte Gruppe Wichitas oder Caddos stoßen. Dafür fehlen uns die Zeit und die nötigen 97
Vorräte, um die Einheiten zu versorgen.« Seine Stimme klang verbittert und ließ die Enttäuschung erkennen, die dieser Tag Howard brachte, denn als kommandierender General des Südwest-Territoriums hatte Howard mit der Vernichtung der Gegner und einem Sieg seiner Truppe gerechnet. Das war nun verpaßt. »Wir werden eine Kavallerie-Abteilung im Desert zurücklassen, die in ständiger Verbindung mit dem Hauptquartier steht, und alle fremden Bewegungen in den Plains registriert. Irgendwann werden die flüchtigen Horden sich wieder vereinigen. Ich kenne Locking Bear und seine Allergie auf weiße Haut. Er wird sein Ziel niemals aufgeben.« General Howard ließ Earp rufen und sprach mit ihm über Haggerty und dessen Pläne. Earp seinerseits war bereit, dem Scout nach Süden zu folgen, um sich irgendwo nahe San Manuel zu treffen. Als der General ihm eine Gruppe Dragoner als Geleit zubilligen wollte, winkte er ab. »Ein einzelner Mann hat die größere Chance, ungesehen durch das Badsland zu reiten, Sir. Außerdem haben Ihre Dragoner zu blanke Knöpfe«, fügte er grinsend hinzu. »Man kann sie auf Meilen ausmachen.« General Howard verzog sein Gesicht, um ein Lächeln zu verbergen. »Sie wissen, was Sie in der Wildnis erwartet, Mr. Earp. Die Wichita-Caddo-Allianz hat sich in Luft aufgelöst, aber das heißt nicht, sie sind aus dem Apachenland verschwunden. Locking Bear wird unverändert sein Ziel verfolgen, Arizona in ein Chaos zu stürzen. Ich wünsche ihnen viel Glück und grüßen Sie mir meinen Scout.« Während General Howard eine Abteilung bestimmte, die als Art Feuerwehr in den Plains zurückblieb, ließ er die Jacuales im Busch niederbrennen und traf die nötigen Vorbereitungen zum Abzug der Truppen. Am späten Nachmittag zog Earp los. Als er einmal 98
zurückblickte, erkannte er, daß die »Siebte« sich in Marschformation aufbaute. Während Wyatt Earp einsam durch die Wüste zog, wußte er nicht, wo und wann er auf Haggerty stoßen würde. Er kannte nur die etwaige Marschrichtung, die südwärts nach San Manuel führte. * Drei Tage war er nun schon unterwegs, zweimal begegneten ihm Indianergruppen, die er aus der Ferne beobachtete. Ein drittes Mal wäre er einem berittenen Trupp fast vor die Lanzen gelaufen. Nur ein Zufall verhinderte dies Mißgeschick. Aufgrund der vielen Begegnungen mit dem Feind wurde Earp wachsam und blieb selbst nachts in Kampfbereitschaft. Am Nachmittag des vierten Tages, er war nun tief nach Süden vorgestoßen, entdeckte er auf einem fernen Hügel einen einsamen Reiter, der stumm wie ein Monument verharrte. Earp entschloß sich, sein Pferd zurückzulassen, um den Mann näher ins Auge fassen zu können. Er führte den Armeegaul hinter dem Hügel tief ins Gebüsch, sattelte und schirrte ihn ab, stopfte die Taschen voll Patronen und schulterte seine Henry. Lautlos bewegte er sich durch den Busch. Nach einer Stunde etwa war er dem Reiter so nahe, daß er die helle Farbe des Schimmels erkennen konnte. Der Größe und der Figur nach war der Mann auf dem Rücken des Schimmels Häuptling Guadalupe. Wyatt Earp nickte zufrieden. Er spürte, wo Guadalupe steckte, konnte sein Freund Haggerty nicht mehr weit sein. Bis zum Anbruch der Dämmerung saß Guadalupe reglos auf dem Pferd. Weder Hitze noch Ungeduld beherrschten den Mann, der unentwegt in südöstlicher Richtung blickte, als erwarte er von dort die entscheidende Begegnung. Wyatt Earp, der zwichen Speerdorn und kugelrunden 99
Collaskakteen Stellung bezogen hatte, zog bedächtig sein Okkular aus der Tasche, schraubte die Prismen auf Sehschärfe und folgte der Blickrichtung des Häuptlings. Fern, im braunen hitzeflimmernden Sand der Wüste, bewegte sich eine Staubwolke, die sanft zum Zenit hochwehte und dort zerfiel. Eine Reitergruppe, deren Stärke Wyatt nicht ausmachen konnte, bewegte sich schnurgerade in nordwestlicher Richtung. Unbewußt schwenkte der stille Beobachter sein Fernrohr zum Hügel, wo Guadalupe auf seinem Pferd saß. Der Häuptling war verschwunden. Ein Schatten, aus dem Speerdorn kommend, fiel über ihn. Instinktiv schlüpfte Earps Hand zur Hüfte, und im Niederfallen fuhr er um die Achse. Der langläufige Vierundvierziger lag leicht in seiner Faust. Doch nun, da er den Fremden erkannte, senkte er verblüfft die Waffe. »Du?« knurrte er wütend. »Du schleichst wie ein Indianer durch den Wüstensand, John. Um ein Haar hätte ich dich umgelegt.« John Haggerty lächelte spöttisch. »Wäre ich eine Rothaut, wärst du längst ein toter Mann, Wyatt. Du wirst noch viel lernen müssen.« Wyatt Earp schob den Colt ins Halfter zurück und richtete sich auf. Während er den Staub aus der Kleidung klopfte, deutete er zum nahen Hügel. »Ich denke, du weißt bereits, daß Häuptling Guadalupe dort oben weilt.« John nickte. »Er saß auf seinem Gaul wie ein Reitermonument in Philadelphia.« »Er ist verschwunden.« Wieder nickte Haggerty. »Wir finden ihn jenseits des Hügels an der Quelle bei den roten Felsen. Er hat alles für den Empfang seiner Geschäftspartner vorbereitet.« »Sie kommen aus der Wüste.« Wyatt Earp deutete über die Schulter. 100
»Vier Weiße und ein Roter, der sie führt. Hast du General Howard informiert?« »Howard hat eine ganze Armee auf die Beine gestellt«, Earp grinste, »aber als wir Tonar Desert erreichten, waren die Vögel ausgeflogen. Locking Bear hatte Lunte gerochen.« »Locking Bear ist ein Fuchs, der sich nicht überraschen läßt. Gehen wir, Wyatt. Ich bin neugierig auf die Visagen der Halunken, die mit Guadalupe in Verbindung stehen.« Wyatt hob sein Fernglas auf, das ihm bei der plötzlichen Aktion entglitten war, und schob es in die Tasche. Die fremden Reiter waren nun so nahe, daß der Hufschlag ihrer Pferde zu hören war, und für einen Augenblick sahen sie den Trupp zwischen den Hügeln auftauchen, ehe sie verschwanden. Der Scout übernahm die Führung. Seine sichere Art, die Beweglichkeit seines Körpers und die Lautlosigkeit seiner Schritte erinnerten Wyatt an Cochise, als sie zum erstenmal Wichitas begegnet waren, oder auch an Naiche, als er allein gegen eine Horde Caddos kämpfte. »In dir steckt ein halber Apache«, sagte Earp, als sie den von Disteln bewachsenen Hügel angingen. »Es würde mich nicht wundern, wenn in deinen Adern Indianerblut fließt.« John verzögerte seine Schritte und wandte lächelnd den Kopf. »Ich habe einiges von den Apachen gelernt. Zumindest, wie sie ihre Feinde belauern und angreifen. Das kommt uns nun zugute, denn wir sind zwei Kämpfer, die anderen Banditen sechs.« »Drei für jeden.« Earp hielt nun den Colt in der Faust. Doch Haggerty winkte ab. »So einfach wird es nicht gehen. Wer Indianern Waffen verkauft, ist ein Bastard. Und Bastarde sind gemeingefährlich. Es wird kein Spaziergang sein, denn vier Banditen tragen Revolver wie wir und dazu noch Schnellfeuergewehre, von denen wir nur träumen.« Sie erreichten die Kuppe des Hügels. Jenseits des Hügels, der sanft in eine Senke abfiel, begann eine Felsbarriere, deren 101
rotleuchtende Kämme im sinkenden Abendlicht funkelten. Umgeben von Sagebrush, stachligen Manzanitas und sonstigem Wüstengewächs, entdeckten sie ein Wasserloch, an dem Pferde tranken. Unweit davon, auf einer ausgebreiteten Decke, saß Häuptling Guadalupe. An seiner Seite ein junger Krieger, und ihnen gegenüber hockten vier Männer in abgetragener Kleidung, auf der der Wüstensand haftete. Vor ihnen auf der Decke lagen fünf kurzschäftige Karabiner. Winchester Carabins 44… Wyatt schob sein Glas ans Auge und richtete es auf den Häuptling, der zornig wirkte und heftig gestikulierend auf die Fremden einsprach. »Sie sind sich nicht einig.« Wyatt lachte verhalten und schwenkte das Okkular zu den Fremden. Die Burschen saßen halb verdeckt mit den Rücken zum Busch. Doch als einer von ihnen sich aufrichtete und einen der Karabiner hob, verwischte ein harter Zug sein Lächeln. Ein unterdrückter Fluch sprang von seinen Lippen. John, der die Szene ebenfalls durch sein Glas beobachtete, wandte den Kopf. »Kennst du ihn?« »Und ob ich den Bastard kenne. Ich habe mich in Tombstone mit Glenn Morgan angefreundet und war mit dem Falschspieler und seinen Kumpanen in San Manuel verabredet. Nun weiß ich, was ihn abgehalten hat.« Der Scout schüttelte verwundert den Kopf. »Mit solchen Leuten wolltest du Geschäfte machen, Wyatt? Du solltest dich schämen.« »Es wird so viel betrogen in den Saloons der Frontierstädte, wie in keiner anderen Gegend. Warum sollte ich mich nicht an dem Geschäft beteiligen? Geld stinkt nicht.« Earp fluchte leise. Er sah, daß der Häuptling ein Pergament aufrollte und Morgan an seine Seite trat. Der junge Krieger an Guadalupes Flanke drängte ihm die Lanzenspitze entgegen und bremste so Morgans Schritte. Doch Cuadalupe winkte ab und reichte 102
Morgan das vergilbte Papier. Morgan kniete nun nieder und glättete das Papier im Sand. Er nickte mehrmals, wobei er heftig auf den Häuptling einsprach. Aber dann veränderte sich das friedliche Bild. Tatsa-min, dessen Wachsamkeit außer Frage stand, fuhr wie ein Pfeil in die Höhe. Seine Lanze deutete zum Hügel, auf dem John und sein Freund in Deckung lagen. Er stieß einen schrillen Ruf aus und fuchtelte mit der geschmückten Lanze. Morgans Kumpane reagierten blitzschnell. Mit einem Satz waren sie heran, faßten die Schnellfeuergewehre, und ehe John die veränderte Situation erfaßte, durchschlug ein Kugelhagel das Gesträuch und zwang die Freunde in Deckung. Das harte Stakkato schlagender Hufe vermischte sich mit berstenden Detonationen. Als John vorsichtig den Kopf hob, verschwanden die Pferde zwischen den Felsen. Auch Guadalupe und sein Krieger hatten sich in ein Nichts aufgelöst. Morgan und seine Kumpane zogen sich schießend zu den Felsen zurück und ließen dabei erkennen, welche Feuerkraft in ihren Karabinern steckte. »Sie dürfen uns nicht entwischen«, fluchte John. Trotz der umherschwirrenden Kugeln ergriff er seine Henry und schob sie kaltblütig an die Schulter. Eine Kugel traf John Tapper am Schenkel und ließ ihn schreiend ins Gesträuch humpeln. Zu einem zweiten Schuß fehlte Haggerty das Ziel. »Los, Wyatt«, rief Haggerty, »wir nehmen das Gesindel von zwei Seiten in die Zange. Wenn sie sich erst zwischen den Felsen festsetzen, haben wir keine Chance, an sie heranzukommen. Guadalupe ist ein verschlagener Kämpfer, und sicher ist sein Begleiter ein auserwählter Krieger. Nimm dich also in acht vor den Caddos. Ich nehme die rechte Flanke.« Wyatt Earp nickte. Er war von kalter Gelassenheit, als er 103
antwortete: »Ich halte Glenn Morgan für den gefährlichsten Gegner. Morgan ist der Mann, der die Schweinerei ausgeheckt und durchgeführt hat. Wir brauchen ihn lebend, damit er uns zu seinem Waffenarsenal führt. Außerdem habe ich persönliches Interesse an dem Mann. Morgan hat meine Auseinandersetzung mit dem Spieler in Tombstone aus nächster Nähe gesehen. Er wird mich vor Marshal Marley rehabilitieren!« John warf dem Freund einen spöttischen Blick zu. »Keine Zusammenarbeit mehr mit diesem Morgan?« »Davon bin ich geheilt.« Earp faßte die Henry fester und gab Haggerty ein Zeichen. »Viel Glück, John.« »Viel Glück, Wyatt.« Lautlos tauchten sie im Busch unter. John schlug einen Bogen nach Norden, wo üppiger Buschwuchs bis zu den roten Felsen führte. Einmal klangen heftige Detonationen auf, die ihm zeigten, daß Wyatt bereits Feindberührung hatte. Er kroch vorsichtig weiter. Die Sonne stand nun schräg über der Felsbarriere. Ihr gleißendes Licht blendete den Scout und hatte den Nachteil, daß er die in den Schatten der Felsen lauernden Gegner nicht erkennen konnte. Nur so war es dann möglich, daß er den Caddokrieger erst entdeckte, als dessen Lanze zwischen seinen Beinen einschlug. John warf sich zu Boden. Noch in der Bewegung riß er seine Henry an die Schulter und jagte einige Kugeln ins Gesträuch, wo er seinen Gegner vermutete. Aber Tatsa-min hatte sich nach dem heimtückischen Angriff blitzschnell zwischen die Felsen zurückgezogen. Aber John war nun gewarnt. Er schwenkte weiter nach Norden, um das vorstehende Kap zu erreichen, in dessem düsteren Grau er bessere Chancen zum Angriff sah. Während John seinem Ziel entgegenstrebte, folgte ihm heftiger Schußwechsel, dessen Echo zu ihm herüberwehte. Er spürte an der schnellen Reihenfolge, in der die Schüsse 104
abgefeuert wurden, daß die Feuerkraft der Karabiner ihrer Henry weit überlegen war. Nur einen Augenblick lang dachte Haggerty an seinen Begleiter, dem das Gesindel mächtig einzuheizen schien. Dann tauchte er in den Schatten der Felsen unter, kroch im Schutze einer überhängenden Platte den Steinhang hinauf, hoffend, so in die Flanke der Gegner zu gelangen, um Earp zu entlasten. Nach etwa hundert Yards erreichte er die Kuppe eines hochaufragenden Felsens, von wo aus das Felsterrain gut einzusehen war. Dennoch sah er keine günstige Schußposition, denn dort, von wo aus der Pulverrauch hochstieg, stand wie eine natürliche Mauer eine Felsbarriere. John huschte weiter. Er suchte einen Weg zu den Felsen, in dem ihre Feinde in sicherer Deckung lagen und Wyatt unter Beschuß hielten. Sprödes Gestein und Geröll löste sich unter seinen Schritten, kollerten polternd in die Tiefe. Doch diese Geräusche gingen im höllischen Spektakel unter. John drängte vorwärts, denn irgendwann, das war ihm klar, würde der vernichtende Hagel ihrer Repetiergewehre Wyatt Earp aus den Stiefeln holen. In seine Überlegungen hinein sah er, keine dreißig Yards entfernt, das erschreckte Gesicht eines Mannes über die Felsbrüstung starren. Der gleiche Mann, dem seine Kugel ins Gesäß gefahren war. Kalt und scheinbar ohne zu zielen, riß Haggerty die Waffe an die Schulter und drückte ab. John sah noch, wie der Mann hochruckte, hilflos mit den Armen ruderte und dann den Steilhang hinunterstürzte. John blieb keine Zeit zum Überlegen. Ein Pfeil surrte dicht an seinem Kopf vorbei, klatschte gegen den Fels. John, der die Waffe noch an der Schulter hielt, schwenkte den Lauf. Er sah den Schatten eines Mannes auf der schräg oberhalb liegenden Felsplatte und jagte zwei Schüsse aus dem Lauf. Ob er den Caddo erwischt hatte, war ihm nicht klar, denn nun schienen 105
die anderen Halunken auf ihn aufmerksam geworden zu sein. Ein Hagel Blei fuhr über ihn hinweg, zerplatzte auf hartem Gestein und fuhr heulend in die Tiefe. John hatte sich niedergeworfen und lag nun in der ausgewaschenen Mulde hinter einem flachen Felsbrocken. Steinsplitter fielen auf ihn nieder, drangen schmerzhaft in die Haut. Er wagte nicht, sich zu rühren. Aber er wußte, wenn einer der Schützen seinen Standort wechselte, konnte er ihn abschießen wie ein Kaninchen. Dem Gedanken folgend, wandte John vorsichtig den Kopf. Die Felswand fiel im steilen Winkel ab bis zum Gesträuch in seinen Ausläufern. Loses, lockeres Gestein, das in Bewegung geraten würde, wenn er dort hinunter wollte. Das war zu gefährlich, denn das nachrutschende Geröll konnte ihn unter sich begraben. In seine Überlegung hinein schlug ein Pfeil in seine Hüfte, der zwar nur das Leder seiner Revolvertasche durchdrang, ihn dennoch zu einer schnellen Entscheidung zwang, denn irgendwo über ihm lagen Guadalupe oder sein Kampfgefährte und hatten seine hilflose Lage erkannt. Wieder streifte ihn der Schaft eines Pfeils, riß eine tiefe Furche in den Oberarm. John drehte sich vorsichtig auf den Rücken. Er sah nun die beiden Rothäute hoch auf der Kuppe, angestrahlt vom gleißenden Licht der untergehenden Sonne. Tatsa-min spannte seinen Bogen. Trotz der Gefahr, die von Süden kam, hob John das Gewehr und schoß. Tatsa-min ließ den Bogen fahren, und Guadalupe sprang hinzu, um den fallenden Körper aufzufangen. John rollte nach links auf den Abgrund zu, sprang unvermutet hoch und eilte mit Riesenschritten die Moräne hinunter. Ein vernichtender Kugelhagel folgte ihm und zugleich bemerkte er, wie lose Felsbrocken in Bewegung kamen und 106
nachdrängten. John beflügelte seine Schritte. Er sprang wie ein Hase mit wilden Sätzen im schrägen Winkel über die Halde. Nun erreichte er das erste Strauchwerk. Noch immer schoß das Gewehr aus vollen Rohren. Bevor er im rettenden Busch untertauchte, streifte glühender Schmerz seine Stirn, eine zweite Rundkugel durchschlug seine Schulter. Er stürzte und spürte, wie Felsstücke über ihn hinwegrollten. Aus weiter Ferne hörte er das wilde Triumphgeschrei der Schützen, dann wurde es Nacht um ihn. * Wyatt Earp sah den Freund stürzen. Auch Glenn Morgan erlebte es mit einer gewissen Genugtuung. Aber trotz des Erfolges sagte er zu Allister: »Wir müssen verschwinden, Sam. Ich habe den zweiten Burschen erkannt. Es ist dieser verdammte Scharfschütze, Earp. Er hat auch McLynn erwischt.« Allister blickte zu den beiden Toten hinüber, die stumm, mit ausgestreckten Armen, auf nacktem Fels lagen. Er preßte die Lippen zusammen, als plötzlicher Hufschlag aufhallte, der über den Felskamm wehte und sich entfernte. »Guadalupe«, flüsterte er mit blassem Gesicht. »Der Bastard ist auf der Flucht.« »Ohne Waffen?« Morgan schüttelte bedächtig den Kopf. »Für ihn steht zuviel auf dem Spiel. Ohne die Winchestergewehre kann er keinen Krieg führen. Er braucht sie, um sein Ziel zu erreichen.« Allister schwieg eine Weile. Er dachte an die vergangenen Tage und Wochen. »Tatsa-min kennt den Weg zur Höhle«, sagte er dann zögernd. »Haggerty hat den Roten erwischt!« 107
»Weißt du, ob Tatsa-min tatsächlich tot ist?« Glenn Morgan schwieg betroffen. Aus den gegenüberliegenden Felsen peitschten Schüsse auf. Die Geschosse fuhren harmlos über ihre Deckung hinweg, aber sie zeigten, daß mit Earp zu rechnen war. Der Hufschlag verklang polternd. Morgan richtete sich vorsichtig auf. Es war nun fast dunkel. Er überlegte nur kurz. »Was wollen wir hier noch?« fragte er dann und klopfte auf die Brust. »Wir haben die Pläne der Derroteros und somit den Schlüssel zum Reichtum. Wir reiten nach Tombstone, Sam. Ich habe dort Freunde, die sich einen Anteil am Gold verdienen wollen. Soll Guadalupe die Gewehre holen. Solange er hier oben seinen Krieg führt, haben wir im Südterritorium Ruhe. Heizen wir Earp noch einmal tüchtig ein, dann verschwinden wir!« Erneut fuhr ein vernichtender Hagel Blei aus ihren Läufen, und als die letzte Kugel verschossen war, krochen sie zu dem verborgen liegenden Felspfad, der in die Tiefe führte. Sie brauchten fast eine Stunde, ehe sie ihre Pferde fanden. Dann flohen sie durch die Nacht. * Die kalte Feuchtigkeit, die sein Gesicht benetzte, brachte John Haggerty in die Gegenwart zurück. Er sah das Feuer nahe der Wasserstelle und seinen Freund Earp, der ihn gerade verband. »Hast du sie erwischt?« fragte John. Wyatt Earp spürte den tiefen Sinn der Frage und antwortete: »Zwei von ihnen sind in der Hölle. Zwei von ihnen auf der Flucht. Morgan ist mir entwischt, aber er wird eine breite Spur im Wüstensand hinterlassen.« »Und der Caddo-Häuptling?« Earp zuckte die Achseln. »Guadalupe hat sich vorher 108
abgesetzt. Ihm war wohl die Luft zu bleihaltig.« »Er weiß, wo die Winchester zu finden sind.« John richtete sich mühsam auf. Jeder Knochen im Leib schmerzte und erinnerte ihn an den Steinschlag, der über ihn hinweggefahren war, als er getroffen niederstürzte. »Ich muß mit Cochise sprechen. Nur mit seiner Hilfe werden wir Guadalupe wiedertreffen.« »Du hast einen Streifschuß im Gesicht und in der Schulter ein Loch, John«, grollte Wyatt Earp. »Du bist ein halber Invalide und warst nahe daran, abzukratzen. By gosh, wann denkst du einmal an dich? Du brauchst einen Doc, und ich weiß nicht einmal, wo einer zu finden ist.« John kam trotz Wyatts Protest auf die Beine. Er taumelte leicht und mußte sich stützen. Doch dann hatte er das Schwindelgefühl überwunden. »Von solchen Kratzern wird kein Mann Invalide. Ich fühle mich stark und kräftig genug, eine Woche durch die Wildnis zu reiten. Begreifst du nicht? Der Frieden Arizonas steht auf dem Spiel. Versuche du, Morgan zu erwischen. Er muß reden, bevor die Caddos an die Waffen herankommen.« Earp schüttelte heftig den Kopf. »Du bist ein unverbesserlicher Narr. Was bedeuten fünfzig Karabiner?« »In den falschen Händen Tod und Vernichtung«, stieß Haggerty hervor. »Du hast erlebt, wie kampfstark eine Winchester ist. Morgen früh nimmst du Morgans Fährte auf, okay?« »Und du?« John deutete zur Wasserstelle, wo die Schatten ihrer Pferde erkennbar waren. »Als Freund könntest du meinen Gaul satteln, Wyatt, es wäre mir eine Erleichterung.« John schob den verletzten Arm in die Gürtelschlaufe, die Earp ihm reichte. »Du willst wirklich reiten?« Earps Blick streifte Johns verletzte Schulter und er dachte, er ist ein verdammt harter Bursche. Aber verrückt. Er kippt aus dem Sattel, noch ehe zwei 109
Tage vergangen sind. »Ja«, erwiderte John Haggerty, und Wyatt Earp spürte an der harten Stimme des Freundes, daß sein Entschluß unwiderruflich war. »Dich werden die Geier in der Wüste holen«, fluchte er los und stakste zur Wasserstelle hinüber, denn er wußte, John Haggerty war nicht mehr aufzuhalten. * Guadalupes Augen blitzten, als er Locking Bear erkannte, der, mit einigen Kriegern aus dem welligen Hügelland kommend, ihm entgegenritt. Er faßte die Zügel des Handpferdes fester, auf dessen Rücken er den verletzten Tatsa-min mit Lederriemen gebunden hatte und setzte seinen Schimmel mit leichtem Schenkeldruck in Bewegung. Nach wenigen Minuten stießen sie aufeinander. Wichitakrieger bildeten einen Kordon um Guadalupe. Locking Bear ritt schweigend in den Kreis. Er sah den verletzten Caddokrieger, dessen Chaparajos blutdurchtränkt war, und seine Augen berührten den Häuptling. »Wo sind deine tapferen Krieger, Locking Bear?« fragte Guadalupe nach kurzer Begrüßung befremdet. »Ich sehe nur eine kleine Schar, die dich begleitet.« Locking Bears nackter Arm schwenkte in die offene Plains. »Sie sind verstreut wie der Sand in der Wüste und auf der Suche nach den Lagern der Cheyenne, Arapahoes und den Chiricahuas. Sie hoffen, wie wir alle, auf die schnellen Gewehre der Weißaugen, die uns zum Siege führen werden. Wo sind diese Gewehre, die du uns versprochen hast? Hat das Weißauge dich betrogen?« Guadalupe schüttelte den Kopf. »Wir liefen in einen Hinterhalt der Bleichgesichter und mußten fliehen, ehe unser 110
Handel zustande kam.« Nichts in Locking Bears stolzem Antlitz verriet die Gedanken, die ihn bewegten. Aber Guadalupe erkannte es. Er deutete auf seinen verletzten Begleiter, der reglos im Sattel hing. »Tatsa-min ritt seit Wochen auf ihrer Fährte. Er kennt das Versteck der schnellen Gewehre. Wir wollen die Götter anrufen und sie bitten, daß sie Tatsa-min ins Leben zurückrufen.« Locking Bears Blick streifte den verletzten Krieger, dessen Chaparajos vom Blut getränkt war. Er schwenkte sein Pferd. »Folge mir ins Lager, Guadalupe. Cha-wee, der Schamane unseres Stammes, wird den Zauber finden, der deinen tapferen Bruder zu neuer Kraft führt.« Guadalupe lockerte die Zügel. Noch einmal streifte sein Blick die Wildnis. Sie waren von weit her über die Berge ins Apachenland gekommen, um die Friedensbewegung der Cheyenne zu bekämpfen. Nun aber glaubte er sich stark genug, alle Apachenstämme zu unterwerfen, oder sie als Freunde zu gewinnen im Kampf gegen die fremden Eindringlinge in ihrem Land. »Zastee«, murmelte Guadalupe, und wildes Feuer trat in seine Augen. »Tod allen Weißaugen.« Bedächtig setzte er den Schimmel in Bewegung. * Während Wyatt Earp die Spur der flüchtigen Banditen aufnahm und John Haggerty Fort Fitzborn entgegenritt, um sich vom Militärarzt ärztlich versorgen zu lassen, ehe er in die Swisshelm Mountains ziehen würde, stand Cochise, eingehüllt in einen weiten Fellmantel, schweigend zwischen den Ruinen des Klosters Elfrida. Tage waren vergangen, ohne daß der Falke ihn erreichte. Der 111
Himmel war dunkel und wolkenverhangen, so, als wäre er der Vorbote einer schlechten Nachricht. Zu seinen Füßen, tief unten im Tal, tobte ein Sandsturm. Cochise spürte die Kälte durch die Kleidung, und er wandte lächelnd den Kopf, als Tla-ina an seiner Seite auftauchte. »Der Winter wird früh in die Berge einziehen und Not und Elend über unsere Dörfer bringen. Aber meine Gedanken sind dunkel und spüren die Gefahr, die mit Wichitas und Caddos ins Apachenland gekommen ist. Fast glaube ich, daß der Falke einen Freund verlassen hat«, sagte der Häuptling. Tla-inas Körper umhüllte eine wärmende Felldecke. Der Wind strich durch ihr dunkles Haar. Ihr Blick verlor sich in der kahlen Wildnis der Bergwelt. »Der Falke wird kommen«, sagte sie zuversichtlich, »sehr bald…« Cochise spürte Sehnsucht und Hoffnung in Tla-inas Worten. Fast zärtlich umschloß sein starker Arm ihre Schultern. Er hoffte, daß ihre Worte Erfüllung finden würden.
ENDE
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