Sebastian Lührs Kostentransparenz in der Supply Chain
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GABLER RESEARCH
Sebastian Lührs
Kostentranspare...
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Sebastian Lührs Kostentransparenz in der Supply Chain
Tronx 4 LNU
GABLER RESEARCH
Sebastian Lührs
Kostentransparenz in der Supply Chain Der Einsatz von Open Book Accounting in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Andreas Hoffjan
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Dortmund, 2010
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2590-9
Geleitwort Der Austausch von Kosteninformationen zwischen Lieferanten und ihren Kunden stellt für die Wissenschaft ein noch sehr junges Untersuchungsgebiet dar. Gleichwohl ist es von hohem wissenschaftlichen und praktischem Interesse, da Lieferanten heute vielfach den größten Wertschöpfungsanteil übernehmen und eine isolierte Betrachtung und Optimierung der Kostensituation im eigenen Unternehmen oftmals nicht zielführend sein kann. Neben möglichen positiven Folgen von Kostentransparenz sind jedoch auch Gefahren denkbar, die aus einer Zusammenarbeit basierend auf „offenen Büchern“ resultieren können. Sebastian Lührs zeigt in seiner hier vorliegenden Arbeit zunächst auf, welche Funktionen und Folgen von Open Book Accounting bisher in der Literatur diskutiert wurden und greift auch die beobachteten Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten auf. Er stellt weiterhin heraus, welche Einflussfaktoren bisher identifiziert wurden, die einen Austausch von Kostentransparenz begünstigen können. Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme kann er zeigen, dass in der bisherigen wissenschaftlichen Diskussion vor allem die Möglichkeit thematisiert wurde, mittels Kostentransparenz unternehmensübergreifende Kostensenkungen durchzuführen, wohingegen andere Anwendungsbereiche bestenfalls am Rande erwähnt werden. Der in der Wissenschaft vielfach geäußerte Ruf nach einem vertrauensvollen Verhältnis zwischen Abnehmer und Lieferant als Grundlage einer jeden Offenheit hinsichtlich Kosteninformationen schränkt allerdings deutlich ein, ist ein solches Verhältnis doch vielfach nicht zu beobachten. Die Ergebnisse zeigen, dass es Abnehmern bei ihrem Wunsch nach Kostentransparenz vielfach nicht (nur) darum geht, gemeinsam mit ihren Lieferanten kostengünstigere Lösungen zu identifizieren, sondern Kostentransparenz vielfach lediglich zur Verbesserung der eigenen Verhandlungsposition herangezogen wird. Darüber hinaus zeigt Sebastian Lührs, dass neben praktischen Implementierungshürden auch die bewusste Manipulation von Kosteninformationen im Rahmen der Offenlegung eine ernste Schwierigkeit darstellt, was als Ausgangspunkt genommen wird, um die oben angesprochene vertrauensvolle Zusammenarbeit zu hinterfragen. Letztlich gelingt es Sebastian Lührs, vier verschiedene Formen des Open Book Accounting zu identifizieren, voneinander abzugrenzen sowie individuelle Implementierungshinweise für den praktischen Anwender zu entwickeln. Neben dem inhaltlichen Beitrag ist die Arbeit methodisch anspruchsvoll und innovativ. Empirische Grundlage sind eine Vielzahl von Expertengesprächen, anhand derer erstmals gleichzeitig sowohl die Abnehmer- als auch die Lieferantenperspektive umfassend untersucht wird. Anders als in bisherigen Studien gelingt es Sebastian Lührs so, die Fragestellung aus ver-
VI
Geleitwort
schiedenen Blickwinkeln zu beantworten und so ein umfassenderes Bild zu zeichnen. Seine Untersuchung überzeugt auch dadurch, dass sie branchenübergreifend angelegt ist und auf die Aussagen von Experten aus einer Vielzahl verschiedener Unternehmen zurückgreift. Die Ergebnisse der Arbeit von Sebastian Lührs werden voraussichtlich die nachfolgende Forschung in diesem Bereich stark beeinflussen: Im Gegensatz zu der im Schrifttum verklärenden Sichtweise des Open Book Accounting im Kontext des interorganisationalen Kostenmanagements kann er diesem Wunschbild die tatsächlichen Ausprägungen des Austausches von Kosteninformationen gegenüber stellen. Seine Identifizierung von vier Typologien des Open Book Accounting und die damit weitaus differenziertere Sichtweise des Phänomens Offenlegung von Kosteninformationen hilft die Forschung zum Thema neu zu justieren. Die Ergebnisse eignen sich damit hervorragend als Basis für weitere empirische Studien. Die Arbeit bietet jedoch nicht nur eine fundierte Diskussionsgrundlage für die Wissenschaft. Sie stellt aufgrund der grundlegenden und leicht verständlichen Darstellung des Sachverhaltes unter Einbeziehung der Sichtweisen und Erfahrungen von Einkaufs- und Vertriebsexperten auch für die Praxis einen erstklassigen Ratgeber dar. Ich bin daher sicher, dass die Arbeit von Herrn Lührs die breite und interessierte Leserschaft finden wird, die ihr zusteht.
Prof. Dr. Andreas Hoffjan
Dank Besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater Prof. Dr. Andreas Hoffjan. Er hat mich bereits im Rahmen meiner Diplomarbeit an der Universität Münster an das Thema Kostentransparenz herangeführt und schon damals immer hervorragend betreut. Seine Unterstützung als fordernder aber in gleichem Maße auch fördernder Betreuer hat entscheidend auch zum Gelingen der hier vorliegenden Dissertation beigetragen. Besonders danken möchte ich ihm für sein stets äußerst kurzfristiges aber gleichsam umfassendes Feedback, das in dieser Form alles andere als selbstverständlich ist. Meinen Dank aussprechen möchte ich auch den vielen Interviewpartnern, die sich zum Teil erhebliche Zeit genommen haben, um mich in meinem Vorhaben zu unterstützen. Ohne den mir gewährten Einblick in ihre Erfahrungen, Erwartungen und Meinungen wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Danken möchte ich auch meinen Kollegen und Freunden, die mich vor allem moralisch in meiner Arbeit unterstützt haben. Besonders danken möchte ich den Teilnehmern des Doktorandenseminars in Breskens, die diese Arbeit in ausführlichen Diskussionsrunden entscheidend geprägt haben. Meine Eltern Roswitha und Georg Lührs haben mir nicht nur eine erstklassige und unbeschwerte Ausbildung ermöglicht. Sie haben mir durch ihre Erziehung auch die Kraft gegeben, mich schwierigen Aufgaben wie dieser Dissertation erfolgreich zu stellen. Hierfür danke ich ihnen von ganzem Herzen. Die Erstellung dieser Arbeit geht einher mit einem Beruf, der mich viele Tage im Jahr nicht zu Hause sein lässt. Meiner Frau Anke Lührs möchte ich daher nicht nur für ihre einzigartige Unterstützung dieser Dissertation danken. Vielmehr noch möchte ich Danke sagen für Dein Verständnis, wenn ich wieder mal viel zu selten zu Hause bin oder erst viel zu spät und viel zu müde nach Hause komme. Ohne Dich wäre das alles nicht möglich.
Sebastian Lührs
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht......................................................................................................................... IX Inhaltsverzeichnis ..................................................................................................................... XI Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................... XV Tabellenverzeichnis ............................................................................................................XI Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... XXI A Einführung und Grundlagen .............................................................................................. 1 1 Einleitung .............................................................................................................................. 1 1.1 Ausgangslage .................................................................................................................. 1 1.2 Forschungsgegenstand und Ziele .................................................................................... 2 1.3 Einordnung und Abgrenzung .......................................................................................... 4 1.4 Aufbau der Arbeit ........................................................................................................... 7 2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen ............................ 9 2.1 Zentrale Bedeutung des Einkaufs für das Unternehmen ................................................. 9 2.2 Open Book Accounting – Offenlegung von Kosteninformationen an Geschäftspartner ............................................................................................................ 25 3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting .......................................... 39 3.1 Erklärungsansätze in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement ....................................................................................................... 39 3.2 Beurteilung der dargestellten Erklärungsansätze und Auswahl eines theoretischen Bezugsrahmens ....................................................................................... 56 3.3 Erweiterter transaktionskostentheoretischer Erklärungsansatz als Grundlage der Untersuchung ........................................................................................ 64 B Empirische Befunde ........................................................................................................... 73 4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting ............................. 73 4.1 Untersuchungsziele ....................................................................................................... 73 4.2 Forschungsdesign .......................................................................................................... 74 4.3 Ergebnisse ..................................................................................................................... 91
X
Inhaltsübersicht
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting ......................... 181 5.1 Untersuchungsziele ..................................................................................................... 181 5.2 Forschungsdesign ........................................................................................................ 182 5.3 Ergebnisse ................................................................................................................... 183 C Implikationen ................................................................................................................... 203 6 Open Book Accounting in der Praxis ............................................................................. 203 6.1 Implementierungshinweise zu den identifizierten Formen des Open Book Accounting .................................................................................................................. 203 6.2 Erhöhung von Effektivität und Effizienz in der Nutzung von Open Book Accounting .................................................................................................................. 216 6.3 Open Book Accounting im Dienstleistungseinkauf .................................................... 221 7 Wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs zum Open Book Accounting........................ 227 7.1 Entmystifizierung des Kooperationsaspektes von Open Book Accounting ............... 227 7.2 Bestätigung des transaktionskostentheoretischen Erklärungsansatzes zum Open Book Accounting ............................................................................................... 228 8 Schlussbetrachtung und Ausblick .................................................................................. 233 Anhang................................................................................................................................... 239 Datenschutzerklärung für die Experteninterviews ............................................................. 239 Kategoriensystem Experteninterviews Abnehmerperspektive .......................................... 240 Kategoriensystem Experteninterviews Lieferantenperspektive......................................... 245 Literatur- und Quellenverzeichnis ...................................................................................... 249
Inhaltsverzeichnis Inhaltsübersicht......................................................................................................................... IX Inhaltsverzeichnis ..................................................................................................................... XI Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................... XV Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... XXI A Einführung und Grundlagen .............................................................................................. 1 1 Einleitung .............................................................................................................................. 1 1.1 Ausgangslage .................................................................................................................. 1 1.2 Forschungsgegenstand und Ziele .................................................................................... 2 1.3 Einordnung und Abgrenzung .......................................................................................... 4 1.4 Aufbau der Arbeit ........................................................................................................... 7 2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen ............................ 9 2.1 Zentrale Bedeutung des Einkaufs für das Unternehmen ................................................. 9 2.1.1 Einkauf, Beschaffung und Supply Management .................................................. 9 2.1.2 Entwicklungsstufen des Einkaufs ....................................................................... 12 2.1.3 Strategische Bedeutung und Einkaufsstrategie ................................................... 16 2.1.4 Optimierung der Beschaffungskosten ................................................................. 19 2.2 Open Book Accounting – Offenlegung von Kosteninformationen an Geschäftspartner ............................................................................................................ 25 2.2.1 Begriff und Verbreitung...................................................................................... 26 2.2.2 Funktionen und Folgen ....................................................................................... 27 2.2.3 Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten ........................................................ 29 2.2.4 Einflussfaktoren zur Begünstigung von Open Book Accounting ....................... 32 2.2.5 Ausgangssituation: Erfordernis einer gesamtheitlichen Betrachtung zum Open Book Accounting............................................................................... 36 3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting .......................................... 39 3.1 Erklärungsansätze in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement ....................................................................................................... 39 3.1.1 Transaktionskostentheorie .................................................................................. 39 3.1.1.1 Grundlagen .......................................................................................... 39
XII
Inhaltsverzeichnis
3.1.1.2
Anwendung in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement.............................................................................. 41
3.1.2 Agency-Theorie .................................................................................................. 44 3.1.2.1 3.1.2.2
Grundlagen .......................................................................................... 44 Anwendung in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement.............................................................................. 46
3.1.3 Spieltheorie ......................................................................................................... 48 3.1.3.1 Grundlagen .......................................................................................... 48 3.1.3.2
Anwendung in der Literatur zum interorganisationalen
Kostenmanagement.............................................................................. 50 3.1.4 Austauschtheorie ................................................................................................. 52 3.1.4.1
Grundlagen .......................................................................................... 52
3.1.4.2
Anwendung in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement.............................................................................. 55
3.2 Beurteilung der dargestellten Erklärungsansätze und Auswahl eines theoretischen Bezugsrahmens ....................................................................................... 56 3.2.1 Ableitung der Beurteilungskriterien ................................................................... 57 3.2.2 Durchführung der Beurteilung und Auswahl eines theoretischen Bezugsrahmens ................................................................................................... 59 3.3 Erweiterter transaktionskostentheoretischer Erklärungsansatz als Grundlage der Untersuchung ........................................................................................ 64 3.3.1 Grundidee und Betrachtungsumfang .................................................................. 64 3.3.2 Untersuchung der Auswirkungen von Open Book Accounting auf die Erträge von Abnehmer und Lieferant ........................................................... 67 B Empirische Befunde ........................................................................................................... 73 4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting ............................. 73 4.1 Untersuchungsziele ....................................................................................................... 73 4.2 Forschungsdesign .......................................................................................................... 74 4.2.1 Auswahl des methodischen Forschungsansatzes ................................................ 74 4.2.2 Datenerhebung .................................................................................................... 76 4.2.3 Datenauswertung ................................................................................................ 87 4.2.4 Kritische Betrachtung des gewählten Forschungsdesigns .................................. 88 4.3 Ergebnisse ..................................................................................................................... 91 4.3.1 Hintergründe und Einkaufsumfeld...................................................................... 92
Inhaltsverzeichnis
4.3.1.1 4.3.1.2
XIII
Strategische Ausrichtung und Einkaufsfokus ...................................... 92 Zielvorgaben, Incentivierung und Wettbewerbsintensität ................... 96
4.3.1.3
Verfolgte Ansätze zur Optimierung der Materialkosten ................... 100
4.3.1.4 4.3.1.5
Professionalität und Qualifikation ..................................................... 101 Zusammenfassung ............................................................................. 103
4.3.2 Nutzung von Open Book Accounting ............................................................... 104 4.3.2.1
Wunsch nach Einblick in Lieferantenkalkulationen und Bereitschaft der Lieferanten .............................................................. 104
4.3.2.2
Gründe für Kostentransparenz ........................................................... 108
4.3.2.3 4.3.2.4
Aktueller Umsetzungsstand des Open Book Accounting.................. 111 Validität der Daten und Plausibilisierungsansätze ............................ 120
4.3.2.5
Auswirkungen auf Verhandlungssituationen..................................... 129
4.3.2.6 4.3.2.7
Kostensenkungen durch Kostentransparenz ...................................... 140 Einfluss auf den Beziehungskontext.................................................. 150
4.3.2.8
Praktische Implementierungshürden ................................................. 153
4.3.2.9 Zusammenfassung ............................................................................. 154 4.3.3 Einflussfaktoren und Entwicklungsperspektiven.............................................. 155 4.3.3.1
Machtverhältnis und Beziehungskontext........................................... 155
4.3.3.2
Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting ............................................................................... 160
4.3.3.3
Entwicklungsperspektiven zum Open Book Accounting .................. 163
4.3.3.4 Zusammenfassung ............................................................................. 166 4.3.4 Systematisierung des Open Book Accounting.................................................. 167 4.3.4.1
Differenzierung zwischen Preis- oder Kostenmanagement
4.3.4.2
als Kernmotiv für Kostentransparenz ................................................ 168 Konzeption der Lieferantenbeziehung zwischen
4.3.4.3
Konfrontation und Kooperation......................................................... 170 Identifizierung und Einordnung der verschiedenen Ansätze zum Open Book Accounting ............................................................. 173
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting ......................... 181 5.1 Untersuchungsziele ..................................................................................................... 181 5.2 Forschungsdesign ........................................................................................................ 182 5.3 Ergebnisse ................................................................................................................... 183 5.3.1 Einstellung zu Open Book Accounting und Bereitschaft zur Offenlegung ...................................................................................................... 183
XIV
Inhaltsverzeichnis
5.3.2 Gründe für Kostentransparenz .......................................................................... 186 5.3.3 Schwierigkeiten und Gefahren von Kostentransparenz aus Vertriebssicht .................................................................................................... 190 5.3.4 Manipulation von Kosteninformationen ........................................................... 195 5.3.5 Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting ........................................................................................................ 198 5.3.6 Zusammenfassung ............................................................................................ 201 C Implikationen ................................................................................................................... 203 6 Open Book Accounting in der Praxis ............................................................................. 203 6.1 Implementierungshinweise zu den identifizierten Formen des Open Book Accounting .................................................................................................................. 203 6.2 Erhöhung von Effektivität und Effizienz in der Nutzung von Open Book Accounting .................................................................................................................. 216 6.2.1 Bewusste Auswahl der zu untersuchenden Produkte ....................................... 216 6.2.2 Maßnahmen zur Mitarbeiterqualifizierung ....................................................... 217 6.2.3 Standardisierung von Kostenverständnis sowie Struktur und Inhalt von Cost-Breakdown-Formularen .................................................................... 219 6.3 Open Book Accounting im Dienstleistungseinkauf .................................................... 221 7 Wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs zum Open Book Accounting........................ 227 7.1 Entmystifizierung des Kooperationsaspektes von Open Book Accounting ............... 227 7.2 Bestätigung des transaktionskostentheoretischen Erklärungsansatzes zum Open Book Accounting ............................................................................................... 228 8 Schlussbetrachtung und Ausblick .................................................................................. 233 Anhang................................................................................................................................... 239 Datenschutzerklärung für die Experteninterviews ............................................................. 239 Kategoriensystem Experteninterviews Abnehmerperspektive .......................................... 240 Kategoriensystem Experteninterviews Lieferantenperspektive......................................... 245 Literatur- und Quellenverzeichnis ...................................................................................... 249
Abbildungsverzeichnis Abb. 1:
Anteil des Einkaufsvolumens am Bruttoproduktionswert verschiedener Branchen ..................................................................................................................... 2
Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4:
Aufbau der Arbeit ....................................................................................................... 8 Klassifikation von Begriffen des Einkaufs ............................................................... 10 Entwicklungsmodell des Einkaufs ........................................................................... 14
Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7:
Einkaufsportfoliomatrix (Kraljic-Matrix) ................................................................ 18 Strategischer Einfluss von Einkaufsverhandlungen ................................................. 21 Verhandlungspositionen von Käufer und Verkäufer ................................................ 22
Abb. 8:
Kostenfestlegung und Kostenentstehung in unterschiedlichen Unternehmensbereichen ........................................................................................... 23 Einflussfaktoren auf den Erfolg von Open Book Accounting.................................. 35
Abb. 9:
Abb. 10: Attraktivität und Abhängigkeit in Austauschbeziehungen ....................................... 53 Abb. 11: Transaktionskostentheoretischer Erklärungsansatz zum Open Book Accounting ............................................................................................................... 66 Abb. 12: Expertenbefragung im Einkaufsumfeld: Beschreibung der Stichprobe ................... 81 Abb. 13: Scheinbarer Widerspruch zwischen strategischer Ausrichtung und Einkaufsfokus (1) ..................................................................................................... 93 Abb. 14: Scheinbarer Widerspruch zwischen strategischer Ausrichtung und Einkaufsfokus (2) ..................................................................................................... 94 Abb. 15: Einkaufsziele ............................................................................................................ 96 Abb. 16: Preissenkungsziele und Einfluss auf die variable Vergütung................................... 97 Abb. 17: Wettbewerbsintensität und Preissenkungsziele ........................................................ 99 Abb. 18: Wahrgenommene Wettbewerbsintensität nach Branchen ...................................... 100 Abb. 19: Ansätze zur Optimierung der Materialkosten......................................................... 101 Abb. 20: Wunsch nach Kostentransparenz und Lieferantenreaktionen ................................ 105 Abb. 21: Produktkomplexität und Einkaufsvolumen als Einflussfaktoren auf den Wunsch nach Offenlegung ..................................................................................... 107 Abb. 22: Gründe für Kostentransparenz aus Abnehmersicht ................................................ 109 Abb. 23: Kostentransparenz in Prozent des Einkaufsvolumens nach Branchen ................... 111 Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27:
Detailgrad der Kosteninformationen der Lieferanten nach Branchen .................... 114 Technische Umsetzung des Datenaustausches ....................................................... 115 Kostenübertreibung des Lieferanten zur Erreichung seiner Zielmarge .................. 121 Kostenuntertreibung des Lieferanten zur Vortäuschung seiner Wettbewerbsfähigkeit ............................................................................................. 122
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 28: Verwendete Ansätze zur Plausibilisierung von Kosteninformationen der Lieferanten .............................................................................................................. 125 Abb. 29: Verhandlungsdruck und Ergebnisverbesserung durch Open Book Accounting ............................................................................................................. 132 Abb. 30: Produktrentabilitäten und kumulativer Ertrag im Ausgangsszenario ..................... 133 Abb. 31: Produktrentabilitäten und kumulativer Ertrag nach Margenreduktion für Top-10-Produkte..................................................................................................... 134 Abb. 32: Produktrentabilitäten und kumulativer Ertrag nach Neuverhandlung aller Produkte.......................................................................................................... 135 Abb. 33: Branchenbetrachtung zur Wirkung von Kostentransparenz auf den Verhandlungsdruck................................................................................................. 136 Abb. 34: Gründe für die Veränderung der Verhandlungssituation durch Open Book Accounting .................................................................................................... 137 Abb. 35: Benchmarking zur Identifikation von Kostensenkungspotenzialen ....................... 141 Abb. 36: Verteilung identifizierter Kostensenkungspotenziale in der Branchenbetrachtung .............................................................................................. 146 Abb. 37: Branchenbetrachtung zur Wirkung von Kostentransparenz auf den Beziehungskontext ................................................................................................. 152 Abb. 38: Schwierigkeiten bei der Implementierung von Open Book Accounting................ 153 Abb. 39: Beziehungskontext und die Notwendigkeit von Vertrauen für eine Offenlegung von Kosteninformationen des Lieferanten ........................................ 156 Abb. 40: Einfluss von Macht und Beziehungskontext auf die Bereitschaft des Lieferanten zur Offenlegung seiner Kosteninformationen ..................................... 159 Abb. 41: Einflussfaktoren auf die Offenlegung von Lieferantenkalkulationen .................... 160 Abb. 42: Maßnahmen zur Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting .................................................................................................... 161 Abb. 43: Aussichten zur zukünftigen Verbreitung von Open Book Accounting .................. 164 Abb. 44: Kernmotive für Kostentransparenz und verfolgte Konzeption der Lieferantenbeziehung ............................................................................................. 172 Abb. 45: Primäre und sekundäre Nutzung von Kostentransparenz im Rahmen der verschiedenen Ansätze zum Open Book Accounting ............................................ 176 Abb. 46: Verwendung der verschiedenen Ansätze zum Open Book Accounting in Abhängigkeit des Kernmotivs für Kostentransparenz und verfolgter Konzeption der Lieferantenbeziehung ................................................................... 177 Abb. 47: Systematisierung des Open Book Accounting ....................................................... 178 Abb. 48: Expertenbefragung der Lieferanten: Beschreibung der Stichprobe ....................... 183
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abb. 49: Gründe für Kostentransparenz aus Vertriebssicht .................................................. 188 Abb. 50: Gründe des Einkaufs für Kostentransparenz aus Vertriebssicht ............................ 189 Abb. 51: Schwierigkeiten und Gefahren von Open Book Accounting aus Vertriebssicht .......................................................................................................... 192
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Tab. 2:
Beispiel zum Ergebniseinfluss einer Materialaufwandsreduzierung ....................... 17 Themenfelder in der Literatur zum Open Book Accounting.................................... 37
Tab. 3: Tab. 4:
Auswahlkriterien für theoretische Erklärungsmuster im Überblick ......................... 58 Beispielrechnung zur Ertragslage von Abnehmer und Lieferant bei einer marktlichen Transaktion ohne Kostentransparenz ................................................... 68
Tab. 5:
Beispielrechnung zur Ertragslage von Abnehmer und Lieferant bei gleichverteilten Effizienzgewinnen nach Einführung von Open Book Accounting ............................................................................................................... 69
Tab. 6:
Beispielrechnung zur Ertragslage von Abnehmer und Lieferant nach Durchsetzung einer Preissenkung zur Erzielung eines Ertragsausgleiches .................................................................................................... 70
Tab. 7:
Beispielrechnung zur Ertragslage von Abnehmer und Lieferant nach vollständiger Weitergabe der Effizienzgewinne aus Open Book Accounting an den Abnehmer .................................................................................. 71
Tab. 8: Tab. 9:
Detailfragen zum Open Book Accounting ............................................................... 74 Zusammenfassung des Forschungsdesigns zur Analyse der Abnehmerperspektive ............................................................................................... 88
Tab. 10: Inhalte von Cost-Breakdown Formularen im Überblick ........................................ 116 Tab. 11: Inhalte von Breakdown Formularen für Werkzeugkosten im Überblick ............... 118 Tab. 12: Beispielhafte Aussagen als Klassifikationsgrundlage des Kernmotivs für Kostentransparenz zwischen Preismanagement und Kostenmanagement ............. 169 Tab. 13: Beispielhafte Aussagen zur Klassifikation des Verständnisses der Lieferantenbeziehung zwischen Konfrontation und Kooperation .......................... 171 Tab. 14: Voraussetzungen und Maßnahmen zur Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Kostentransparenz ............................................. 199 Tab. 15: Implementierungshinweise zum OBA Typ I: Preisdruck durch Transparenz ............................................................................................................ 206 Tab. 16: Implementierungshinweise zum OBA Typ II: Aufzeigen Kostennachteile bei mangelnder Umsetzungsorientierung .................................... 209 Tab. 17: Implementierungshinweise zum OBA Typ III: Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen ......................................................... 212 Tab. 18: Implementierungshinweise zum OBA Typ IV: Interorganisationales Kostenmanagement ................................................................................................ 215 Tab. 19: Beispiel Cost-Breakdown-Formular für Reisedienstleistungen ............................. 224
XX
Tabellenverzeichnis
Tab. 20: Kategoriensystem Experteninterviews Abnehmerperspektive ............................... 244 Tab. 21: Kategoriensystem Experteninterviews Lieferantenperspektive ............................. 247
Abkürzungsverzeichnis CBD CL
Cost-Breakdown Comparison level (Vergleichsmaßstab)
CLALT
Comparison level alternative (Vergleichsmaßstab der bestmöglichen Alternative
DJW EK-Preis ESI
Durchschnittliches jährliches Wachstum Einkaufspreis Early supplier involvement
OBA TCO VK-Preis
Open Book Accounting Total cost of ownership Verkaufspreis
V&V-GK
Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten
A Einführung und Grundlagen 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage Unternehmen sind heute einem wachsenden internationalen Wettbewerb, schnellen technologischen Entwicklungen und kurzen Produktlebenszyklen ausgesetzt, aus denen ein hoher Wettbewerbsdruck resultiert (Krause/Handfield/Scannell 1998, S. 39). Um profitabel in diesem Wettbewerb bestehen zu können, stellen Unternehmen ihre Leistungsprozesse und Kostenstrukturen auf den Prüfstand. Durch eine Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen versuchen sie sich dabei einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (Prahalad/Hamel 1990). Dafür greifen sie vermehrt auf die Fähigkeiten von Lieferanten zurück (Barney 1999) und beziehen solche Produkte und Dienstleistungen von externen Anbietern, die vorher im eigenen Unternehmen erstellt wurden. Ein bekanntes Beispiel stellt die Produktion des zur Daimler AG gehörenden Kleinwagens „smart“ im französischen Hambach dar: Die Fertigung des Fahrzeugs ist weitgehend an sogenannte Systempartner vergeben, die nicht nur einen Großteil der Entwicklungsarbeit übernehmen, sondern auch die vorgefertigten Großmodule direkt am Band bereitstellen und selbst im Fahrzeug verbauen. Die smart France S.A.S. übernimmt nur circa zehn Prozent der Wertschöpfung, während der an Lieferanten und Logistikpartner vergebene Wertschöpfungsanteil ungefähr 75 Prozent ausmacht. Konzerninterne Lieferungen der Aggregate und Achsen aus anderen Werken der Daimler AG machen den verbleibenden Wertschöpfungsanteil aus. Im Wesentlichen konzentriert sich die produzierende smart France S.A.S. damit auf Planungsund Steuerungsaufgaben der Produktion sowie das Beziehungsmanagement zu den Systempartnern (Sydow/Möllering 2004, S. 1ff.). Auch wenn dieses Beispiel weder exemplarisch für eine gesamte Industrie noch für das produzierende Gewerbe stehen kann, macht es dennoch deutlich, zu welch hohem Grad die Wertschöpfung an Lieferanten abgegeben werden kann. Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zur Kostenstruktur der Unternehmen belegen, dass der von Lieferanten erbrachte Wertschöpfungsanteil in der Automobilindustrie im Vergleich zu anderen Branchen sehr hoch ist. Sie zeigen aber weiterhin, dass auch in diesen Branchen mehr als die Hälfte des Umsatzes für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen aufgewendet wird und dieser Anteil in den vergangenen Jahren je nach Branche um durchschnittlich ein bis zwei Prozent pro Jahr gestiegen ist. Die Chemie- und Bauindustrie sowie der Maschinenbau weisen hier die höchsten Wachstumsraten auf (vgl. Abb. 1).
2
A Einführung und Grundlagen
Einkaufsvolumen* in % vom Bruttoproduktionswert** (2006) 80% 70 62 60
56
56
53
53
40
20
0
DJW*** 2003-2006 * ** ***
Automobil
Lebensmittel
Elektro
Bau
Chemie
Maschinenbau
0,9%
1,0%
0,9%
1,9%
2,4%
1,9%
Materialverbrauch, Verbrauch an Handelsware zu Anschaffungskosten und Kosten für Lohnarbeiten Nettoumsatz, Bestandsveränderungen an fertigen/unfertigen Erzeugnissen sowie selbst erstellte Anlagen Durchschnittliches jährliches Wachstum
Abb. 1: Anteil des Einkaufsvolumens am Bruttoproduktionswert verschiedener Branchen Quelle: Eigene Darstellung, Daten gemäß Statistisches Bundesamt 2005a; Statistisches Bundesamt 2005b; Statistisches Bundesamt 2008a; Statistisches Bundesamt 2008b.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens heute nicht mehr allein dadurch begründet sein kann, wie effizient es selbst wirtschaftet, sondern wie effizient seine gesamte Supply Chain aufgestellt ist (Arnold 2000, S. 27). Demzufolge ist es neben der Ausschöpfung interner Kostensenkungspotenziale von hoher strategischer Bedeutung, derartige Bemühungen auf die gesamte Wertschöpfungskette anzuwenden und Lieferanten miteinzubeziehen (Hoffjan/Linnenbrink/Piontkowski 2008, S. 304). Zur Unterstützung solcher unternehmensübergreifender Kostenoptimierungen wird in der Literatur vorgeschlagen, Kosteninformationen zwischen Abnehmer und Lieferant auszutauschen. Diese als Open Book Accounting bezeichnete Offenlegung von Kosteninformationen (Hoffjan/Kruse 2006), bringt jedoch auch Gefahren und Schwierigkeiten mit sich. Forschungsgegenstand und Ziele dieser Arbeit, in deren Mittelpunkt der Einsatz von Open Book Accounting in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen steht, werden im folgenden Kapitel dargestellt.
1.2 Forschungsgegenstand und Ziele Die wesentliche Schnittstelle zwischen Unternehmen liegt bei ihren Einkaufs- und Vertriebsfunktionen. Da ein vom Endkundenmarkt ausgehender Wettbewerbsdruck über alle Unter-
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nehmen einer Supply Chain weitergegeben werden muss, obliegt es typischerweise dem Einkauf eines Unternehmens, Preissenkungen von seinen Lieferanten zu fordern, die diese wiederum durch eigene Kostensenkungen zu kompensieren suchen. Da ein Lieferant nur dann nachhaltig seine Preise senken kann, wenn er es schafft, gleichzeitig auch seine Kosten zu optimieren, ergibt sich für den Einkäufer ein gerechtfertigtes Interesse, dass der Lieferant dieses Ziel erreicht. Der Einkäufer tritt daher regelmäßig als Initiator eines sogenannten interorganisationalen Kostenmanagements und eines damit einhergehenden Austauschs von Kosteninformationen auf (Lamming et al. 2001, S. 6). Durch eine Offenlegung von Kosteninformationen, die in der Regel gegenüber dem Abnehmer stattfindet, sollen solche Kostensenkungspotenziale identifiziert werden, die bei einer individuellen Betrachtung nicht möglich wären. Gleichzeitig ist es jedoch auch der Einkäufer, dem sich bei Kenntnis von Kosten und Preisen des Lieferanten weitreichende Möglichkeiten zur opportunistischen Ausnutzung desselben eröffnen. Im Ergebnis nimmt der Einkauf also eine Schlüsselrolle in der Diskussion zum Open Book Accounting ein und steht aus diesem Grunde auch im Mittelpunkt dieser Untersuchung. Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, einen umfassenden Überblick zum Einsatz und der Bedeutung von Open Book Accounting in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen der verarbeitenden Industrie zu geben. Hintergründe für die Nutzung von Open Book Accounting sollen dabei ebenso untersucht werden wie das Anwendungsgebiet selbst. Zudem soll gezeigt werden, welche Schwierigkeiten aus Sicht der Praxis mit Kostentransparenz einhergehen und wie diesen begegnet werden kann. Aufgezeigt werden sollen dabei diejenigen Faktoren, die einen Austausch von Kosteninformationen beeinflussen. Hierbei sollen auch Möglichkeiten aufgezeigt werden, Kostentransparenz einfacher realisierbar zu machen. Hieraus ergeben sich neben der Erweiterung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes auch Ansätze für die Realisierung in der Praxis. Vor dem oben erwähnten Hintergrund, dass regelmäßig der Abnehmer eine Offenlegung von Kosteninformationen durch den Lieferanten initiiert und außerdem diese Informationen opportunistisch nutzen kann, soll zunächst die Abnehmerperspektive zu Open Book Accounting im Detail untersucht werden. Ergänzend dazu sollen die Erfahrungen und Ansichten von Lieferanten dargestellt werden, um ein vollständiges und unverzerrtes Bild der Zusammenhänge zu ermöglichen. Die erste Forschungsfrage dieser Arbeit lautet: „Welche Bedeutung hat der Einsatz von Open Book Accounting in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen?“ Zur Beantwortung dieser Frage sollen die Hintergründe des Einsatzes ebenso geklärt werden wie die einem Austausch von Kosteninformationen zugrunde liegenden Motive und sich ergebende Schwierigkeiten. Basierend auf der vorliegenden Literatur sind die zur Beantwortung der Forschungsfrage hinfüh-
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A Einführung und Grundlagen
renden Fragestellungen noch weiter zu detaillieren, wozu im Kapitel 2.2 die Grundlage geschaffen wird. Die zweite Forschungsfrage sucht nach Antworten zu den Implikationen von Kostentransparenz auf den praktischen Anwender: „Zwischen welchen unterschiedlichen Ansätzen des Open Book Accounting muss unterschieden werden und wie sind diese Ansätze zu systematisieren?“ Die Beantwortung dieser Frage erlaubt Praktikern einen konkreteren Zugang zu dem Instrument der Kostentransparenz, indem aufgezeigt wird, welche Anwendungsmöglichkeiten sich bieten und welche Einflussfaktoren bestimmen, wann welcher Ansatz zu verfolgen ist. Die zu schaffende Systematisierung soll dabei nicht nur Einkäufern Handlungsparameter aufzeigen, sie soll gleichsam Lieferanten offenlegen, in welchen Situationen sie mit welchen Verhaltensweisen ihrer Abnehmer rechnen können. Im Ergebnis eignet sich die Systematisierung damit auch als Diskussionsgrundlage für die gemeinsame Definition einer Zusammenarbeit auf Basis „offener Bücher“. Die dritte Forschungsfrage beschäftigt sich mit dem Kooperationsaspekt von Open Book Accounting und kann nur basierend auf den Antworten der ersten beiden Forschungsfragen beantwortet werden: „Inwiefern geht Kooperation und Vertrauen einher mit einem Austausch von Kosteninformationen?“ In wissenschaftlichen Veröffentlichungen werden vielfach enge, vertrauensvolle Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen als vorteilhaft herausgestellt (vgl. z.B. Lamming 1993; Monczka/Trent/Callahan 1993; Maloni/Benton 1997; Carr/Pearson 2002), allerdings wird ein solcher Beziehungskontext in der Praxis oftmals nicht beobachtet (vgl. z.B. Cox 1996; Parker/Hartley 1997; Gibbs 1998). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Austausch von sensiblen Kosteninformationen einen kooperativen und vertrauensvollen Beziehungskontext voraussetzt bzw. die Bildung solcher Beziehungen beeinflusst.
1.3 Einordnung und Abgrenzung Die Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement und dem Austausch von Kosteninformationen folgt in weiten Teilen einem Aufruf von Hopwood (1996), der eine bis dato fehlende Ausrichtung der betriebswirtschaftlichen Forschung zum Kostenmanagement auf unternehmensübergreifende Zusammenhänge bemängelt. Seitdem wurde eine Reihe von Beiträgen veröffentlicht, um diese Lücke zu schließen. In den meisten Arbeiten wird weniger die spezifische Fragestellung nach einem Austausch von Kosteninformationen zwischen Vertragspartnern diskutiert, sondern grundsätzlicher auf ein interorganisationales Kostenmanagement eingegangen. Eine frühe deskriptive Fallstudie liefern Carr/Ng (1995), die unter anderem die Einbindung von Lieferanten in den Zielkosten-
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prozess bei Nissan beschreiben. Eine weitere, weitgehend deskriptive Fallstudie zum interorganisationalen Kostenmanagement findet sich bei Dekker (2003), der die Durchführung einer unternehmensübergreifenden Wertkettenanalyse bei Sainsbury beschreibt. Der wesentliche Fokus der bisherigen Veröffentlichungen zum unternehmensübergreifenden Kostenmanagement liegt im Beziehungskontext zwischen den beteiligten Unternehmen. Cooper/Slagmulder (2004) untersuchen in sieben japanischen Unternehmen der verarbeitenden Industrie, welche Methoden des interorganisationalen Kostenmanagements in Abhängigkeit der Beziehung zwischen Lieferant und Abnehmer im Designprozess Anwendung finden. Ähnlich analysiert Kulmala (2004) basierend auf drei Fallstudien den Einfluss von Macht, Vertrauen und gegenseitigem Geschäftsvolumen auf die Entwicklung eines interorganisationalen Kostenmanagements. Die Bedeutung von Vertrauen sowie die Anwendung von formalen Kontrollmechanismen zur Steuerung von interorganisationalen Beziehungen und die Vermeidung von Opportunismus untersucht Dekker (2004) in einer Fallstudie. Auf Grundlage einer Befragung unter deutschen Zulieferern der Automobilindustrie zeigen Möller/Isbruch (2008a), dass eine erfolgsteigernde Wirkung durch ein interorganisationales Kostenmanagement nur unter bestimmten Beziehungskontexten zu erwarten ist. Weniger den Einfluss der Beziehung zwischen den Unternehmen als vielmehr die Zeitpunkte der Zusammenarbeit untersuchen dagegen Agndal/Nilsson (2009) als Bestimmungsfaktoren für ein interorganisationales Kostenmanagement. Anders als in den hier genannten Veröffentlichungen hat die vorliegende Arbeit ihr Hauptaugenmerk nicht auf das interorganisationale Kostenmanagement gerichtet, sondern fokussiert sich spezifischer auf den Austausch von Kosteninformationen. Dieser wird zwar als Teil desselben gesehen, bringt allerdings auch weitere, darüber hinausgehende Aspekte mit sich (vgl. hierzu Abschnitt 2.2.2). Eine exklusive Betrachtung von Open Book Accounting findet bisher noch immer eine geringe Betrachtung in der betriebswirtschaftlichen Literatur bzw. der Austausch von Kosteninformationen wird nur am Rande erwähnt (Agndal/Nilsson 2008, S. 164). Lediglich Munday (1992) versucht in einer explorativen Untersuchung die Verbreitung von Open Book Accounting in einer ausgewählten Branche zu quantifizieren, während die meisten Untersuchungen ausschließlich Fallstudiencharakter haben. Die vorliegende Arbeit versucht diese Einschränkung aufzulösen, indem sie sowohl neue als auch bereits vorliegende Erkenntnisse auf einer breiteren empirischen Basis untersucht. Damit wird zum einen die bereits 2003 festgestellte Untersuchungsnotwendigkeit der Verbreitung von Open Book Accounting adressiert (Dekker 2003, S. 20) und zum anderen das bisher noch sehr rudimentäre Verständnis zu Anwendungsfeldern von Kostentransparenz (Agndal/Nilsson 2008, S. 165) bereichert.
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A Einführung und Grundlagen
Thematisch hat auch in der Literatur zum Open Book Accounting der Beziehungskontext der Unternehmen eine starke Bedeutung: So diskutieren beispielsweise Seal et al. (1999) die konstituierende Rolle von Open Book Accounting im Aufbau strategischer Partnerschaften. Die Rolle von Vertrauen für den Austausch von Informationen untersucht Tomkins (2001) konzeptionell ausgehend von interpersonellen Beziehungen für verschiedene Formen von Geschäftsbeziehungen. Basierend auf einer Fallstudie im Einzelhandel geht auch Free (2008) auf die Beziehung von Vertrauen und Kostentransparenz ein und warnt davor, Vertrauen als erklärende Variable für interorganisationale Interaktionen wie Open Book Accounting überzubewerten. Die in dieser Arbeit verfolgte Untersuchung der Motive für Kostentransparenz sowie der den Austausch beeinflussenden Kriterien wird die bereits geführte Diskussion zu Beziehungskontexten fortführen. Durch die Darstellung üblicher Verhaltensformen im Einkaufsprozess wird hier versucht, ein realistisches Bild über die Vertrauenssituation zwischen den Unternehmen zu zeichnen. Kriterien, die den Austausch von Kosteninformationen beeinflussen, haben Drake/Haka (2008) in Laborexperimenten untersucht. Sie zeigen, dass sowohl der Detaillierungsgrad der auszutauschenden Informationen als auch der bestehende Wettbewerbsdruck den Austausch von Kosteninformationen beeinflussen. In einem ähnlichen Experiment untersuchen Piontkowski/Hoffjan (2009), inwiefern der Umfang der offen gelegten Kostendaten und das Angebot spezifischer Investitionen die Bereitschaft zu einem gegenseitigen Open Book Accounting bestimmt. Die Art und den Umfang ausgetauschter Informationen vor dem Hintergrund möglichen opportunistischen Verhaltens untersuchen Baiman/Rajan (2002a) formalanalytisch und identifizieren Szenarien, in denen der Informationsaustausch zu einem insgesamt verbesserten Ergebnis für Lieferant und Abnehmer führt. Eine Untersuchung des Umfangs und der Detaillierung der ausgetauschten Informationen ist auch Gegenstand dieser Arbeit, so dass die experimentellen und formal abgeleiteten Ergebnisse um Beobachtungen aus der betrieblichen Praxis ergänzt werden können. Zudem wird explorativ nach weiteren Kriterien gesucht, die einen Austausch von Kosteninformationen begünstigen und bisher noch keine Beachtung in der Literatur gefunden haben. In der vorliegenden Literatur werden auch die im Zusammenhang mit Open Book Accounting auftretenden Schwierigkeiten thematisiert. Diese werden umfassend bei Kajüter/Kulmala (2005) dargestellt, weitere Ausführungen hierzu finden sich vor allem bei Lamming et al. (2001) und Lamming et al. (2005). Im Rahmen dieser Arbeit sollen auf der einen Seite weitere, bisher unzureichend untersuchte Problemfelder identifiziert werden, auf der anderen Seite soll aufgezeigt werden, wie diesen begegnet werden kann bzw. bereits heute begegnet wird. Da die pauschale Forderung nach einer partnerschaftlichen und vertrauensvollen Kooperation
1 Einleitung
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aus Sicht des Autors zu kurz greift, soll untersucht werden, wie den auftretenden Schwierigkeiten unter weniger kooperativen Bedingungen begegnet werden kann. Diese Arbeit untersucht Fragestellungen, die sowohl für die Einkaufsdisziplin als auch für das Kostenmanagement von großer Bedeutung sind. Da der Anteil der Materialkosten an den Gesamtkosten in produzierenden Unternehmen heute üblicherweise den größten Kostenbestandteil ausmacht (vgl. Abschnitt 1.1), muss das Kostenmanagement verstärkt auch die beim Lieferanten anfallenden Kosten einbeziehen, will es die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens nachhaltig stärken. Die Optimierung der Beschaffungskosten wurde bisher vor allem in der Einkaufsliteratur thematisiert, wobei insgesamt sowohl in der Theorie als auch in der Praxis dem Einkauf traditionell nur geringe Aufmerksamkeit zuteil wurde (vgl. Das/Handfield 1997, S. 101; Burt/Dobler/Starling 2003, S. 25; Cavinato 2006, S. 4). Diese Arbeit soll eine Brücke zwischen beiden Disziplinen schlagen. Dabei soll zum einen verdeutlicht werden, warum der Einkauf Kostenkompetenz entwickeln muss, wenn er nachhaltig zum Erfolg des Unternehmens beitragen will. Zum anderen wird aufgezeigt, dass ein Kostenmanagement, das über die eigenen Unternehmensgrenzen hinausgeht, besondere Herausforderungen zu lösen hat.
1.4 Aufbau der Arbeit Im Anschluss an diese Einleitung folgt im Kapitel 1 eine inhaltliche Einführung in die Thematik sowie die Darstellung der Forschungsgrundlagen. Dabei wird zunächst die zentrale Bedeutung des Einkaufs für das Unternehmen herausgearbeitet (Abschnitt 2.1). Im Abschnitt 2.2 folgt daraufhin die Darstellung der bisherigen Forschung zum Open Book Accounting als Grundlage dieser Untersuchung und zur weiteren Detaillierung des Untersuchungsfeldes. Der Einführungs- und Grundlagenteil A wird abgeschlossen durch die Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmen zur Untersuchung in Kapitel 1, wozu auf bisher in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement verwendete theoretische Ansätze Rückgriff genommen wird. Die empirischen Befunde (Teil B) werden in den Kapiteln 4 und 1 gezeigt, in denen die Forschungsdesigns und Untersuchungsergebnisse der Abnehmer- sowie Lieferantenperspektive dargestellt werden. Die Analyse der Lieferantenperspektive baut dabei auf den Ergebnissen der Abnehmerperspektive auf. Basierend auf den empirischen Ergebnissen werden im Teil C die Implikationen der Forschungsbefunde für die Praxis (Kapitel 6) sowie die Theorie (Kapitel 1) aufgezeigt. Der Abschluss der Arbeit bietet in Kapitel 1 eine zusammenfassende Schlussbetrachtung sowie einen Ausblick auf sich ergebende, weiterführende Forschungsfragen.
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A Einführung und Grundlagen
2. Inhaltliche Einführung und Forschungsgrundlagen 2.1 Einkauf
2.2 Open Book Accounting
A Einführung und Grundlagen
1. Einleitung
5. Lieferantenperspektive
6. Implikationen für die Praxis
7. Wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs
8. Schlussbetrachtung und Ausblick
Abb. 2:
Aufbau der Arbeit
C Implikationen
4. Abnehmerperspektive
B Empirische Befunde
3. Theoretischer Bezugsrahmen
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen 2.1 Zentrale Bedeutung des Einkaufs für das Unternehmen Da der Einkauf die wesentliche Schnittstelle zum Lieferanten bildet, kommt ihm auch in unternehmensübergreifenden Aktivitäten eine Schlüsselrolle zu. In den folgenden Abschnitten wird zunächst aufgezeigt, was unter dem Begriff „Einkauf“ zu verstehen ist und zwischen welchen Entwicklungsstufen des Einkaufs unterschieden werden kann. Dass der Einkauf keine reine Abwicklungsfunktion hat, sondern einen wesentlichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg besitzt, wird ebenso dargestellt wie verbreitete Ansätze zur Optimierung der Beschaffungskosten. 2.1.1
Einkauf, Beschaffung und Supply Management
Es existiert heute eine ganze Reihe inhaltlich verwandter, aber sowohl in der Praxis als auch in der Literatur unzureichend voneinander abgegrenzter oder nicht übereinstimmend definierter Begriffe und Konzepte, die dem Einkaufsbereich zuzuordnen sind und diesen beschreiben sollen (Leenders/Fearon 1997, S. 5f.; van Weele 2005, S. 12). Neben dem Begriff Einkauf (engl. purchasing) finden in diesem Zusammenhang insbesondere die Begriffe Beschaffung (engl. procurement) und Supply Management regelmäßige Verwendung. In den meisten Fällen erfolgt eine Abgrenzung der Begriffe über eine Auflistung der Tätigkeiten, die aus Sicht der Autoren den jeweiligen Bereichen zuzurechnen sind. Hierbei steht der Einkauf vornehmlich für eine „rein abwicklungsorientierte, operative Versorgungsfunktion“ des Unternehmens (Arnold/Eßig 2001, S. 65). Hierunter fallen unter anderem Tätigkeiten wie die Bedarfsmengenplanung, das Einholen und Vergleichen von Angeboten, Lieferantenauswahl, Vertragsverhandlungen mit den Lieferanten sowie die gesamte Verwaltung und Dokumentation der Einkaufsaktivitäten (Dobler/Burt 1996, S. 35). Einkauf definiert van Weele (2005, S. 12) als: „The management of the company’s external resources in such a way that the supply of all goods, services, capabilities and knowledge which are necessary for running, maintaining and managing the company’s primary and support activities is secured at the most favorable conditions.” Van Weele schreibt dem Einkauf damit ebenfalls die oben genannte (operative) Versorgungsfunktion zu, wobei das Wort „management“ signalisiert, dass der Einkauf nicht nur ausführende Tätigkeiten umfasst, sondern auch Gestaltungsaufgaben besitzt.
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A Einführung und Grundlagen
Gestaltungsaufgaben und ein damit entsprechend breiterer Betrachtungs- und Aufgabenhorizont werden abweichend von der Darstellung bei van Weele (2005) regelmäßig der Beschaffung zugesprochen, die auch strategische Fragestellungen umfasse (Dobler/Burt 1996, S. 35f.; Jahns 2005, S. 350). So sehen Dobler/Burt (1996, S. 35-37) ergänzend zu den reinen Einkaufsaktivitäten unter anderem auch die Steuerung der Lieferantenqualität und die Definition von Produktspezifikationen als Aufgaben der Beschaffung. Die Beschaffung soll als unternehmensweiter Prozess verstanden werden, „der vermehrt den Sicherheitsaspekt und den Kostenaspekt des Einkaufs“ in den Vordergrund stellt (Jahns 2005, S. 350). Ergänzend zu den der Beschaffung zuzurechnenden Tätigkeiten umfasst das Supply Management nach Dobler/Burt (1996, S. 36-37) unter anderem auch den Aufbau von strategischen Partnerschaften und Allianzen, die Qualifizierung von Lieferanten, die Überwachung von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen sowie die Mitentwicklung der Unternehmensstrategie. Die Betonung einer strategischen Ausrichtung des Supply Managements findet sich ebenso bei Jahns (2005), der die „ganzheitliche, integrative beschaffungsseitige Planung, Steuerung und Überwachung der internen und externen Wertschöpfungskette“ als Kern des Supply Managements herausstellt und darauf hinweist, dass das „Supply Management […] auf strategischer Ebene“ ansetzt (S. 350). Einkauf Schlagwörter
Aktivitäten
Fokus
Beschaffung
Supply Management
• Abwicklungsorientierte, operative Versorgung
• Betrachtung Sicherheitsund Kostenaspekt
• ganzheitlich, integriert
• • • • • • • • • •
• Einkaufsaktivitäten • Definition Produktspezifikationen • Durchführung von Wertanalysen • Management der Lieferantenqualität • Einkauf Wareneingangslogistik • Abverkauf von Ausschuss, Überschuss und Reststoffen
• Einkaufs- und Beschaffungsaktivitäten • Frühe Einkaufs- und Lieferanteneinbindung in Produktentwicklung • Einsatz funktionsübergreifender Teams für Lieferantenauswahl und -qualifizierung • Bildung von Partnerschaften und strategischen Allianzen • Beobachtung der Versorgungssituation • Erstellung strategischer Einkaufspläne • Überwachung kontinuierlicher Verbesserungsprogramme • Mitwirkung an Unternehmensstrategie
Bedarfsidentifikation Diskussionen mit Vertrieb Lieferantenidentifikation Marktbeobachtung Verhandlungen Angebotsanalyse Lieferantenauswahl Bestellungen tätigen Vertragsverwaltung Einkaufsdokumentation
Taktisch
Abb. 3: Klassifikation von Begriffen des Einkaufs Quelle: Nach Dobler/Burt (1996, S. 37) und Jahns (2005, S. 350).
Strategisch
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
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„Strategic Supply Management“ hat laut Trent (2007) in fortschrittlichen Unternehmen den Einkauf ersetzt (S. 3). Ein strategisches Supply Management verfolgt die drei Ziele, der bevorzugte Kunde von Lieferanten zu werden, eine Lieferantenbasis zu schaffen, die spezifische Investitionen in die Geschäftsbeziehung tätigt, sowie gegenseitige Abhängigkeiten zwischen Lieferanten und Abnehmern aufzubauen (S. 9f.). Hierdurch kann das strategische Supply Management einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen schaffen (S. 17). Das Ziel des nachhaltigen Wettbewerbsvorteils steht ebenfalls im Mittelpunkt der Definition des Supply Managements von Kaufmann (2002, S. 12). Pragmatisch beschreibt Corsten (1994) Supply Management als Beschaffung mit einer strategischen Ausrichtung, die zu einer „originären Quelle von Wettbewerbsvorteilen“ wird (S. 191). Noch pointierter drücken es Monczka/Trent/Handfield (2005, S. 8) aus: “Think of supply management as a progressive and supercharged version of basic purchasing.“ Arnold (1995, S. 8f.) dagegen beschreibt ein integriertes „Versorgungsmanagement“, das neben der Beschaffung auch die Materialwirtschaft und Logistik umfasst und weicht damit von den zuvor dargestellten Auffassungen ab. Nicht zu verwechseln ist Supply Management mit dem sprachlich nahe liegenden Supply Chain Management: Letzteres umfasst auf der strategischen Ebene die Aufgabe der Gestaltung der Lieferkette, worunter Corsten/Gössinger (2008) die Definition der logistischen Infrastruktur wie beispielsweise die Bestimmung der Anzahl der Lieferanten oder die Wahl der Standorte für Produktions- und Lagerorte verstehen (S. 111). Die taktische Ebene des Supply Chain Managements befasst sich mit der Nachfrage- und Lieferkettenplanung mit dem Ziel, eine wirtschaftliche Gestaltung der Warenflüsse zu gewährleisten (S. 114). Operativ muss das Supply Chain Management „die inhaltliche, mengenmäßige und zeitliche Abstimmung der Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsmengen bezogen auf den einzelnen Akteur in der Lieferkette“ (S. 114) sicherstellen. Letztlich geht es damit über ein reines Beschaffungsmanagement hinaus (S. 115) und versucht insbesondere auch die logistischen Herausforderungen von vernetzten Wertschöpfungsstrukturen zu bewältigen. Für eine umfassende Abgrenzung zwischen Supply Management, Supply Chain Management und der Logistik sei an dieser Stelle auf Entchelmeier (2008, S. 16ff.) verwiesen. Die Abgrenzung zwischen Einkauf, Beschaffung und Supply Management bleibt in der Literatur zum Teil fließend (Heß 2008, S. 21), widersprüchlich oder auch unvollzogen. So werden die Begriffe Einkauf und Beschaffung auch in aktueller Literatur regelmäßig synonym verwendet (vgl. z.B. Monczka/Trent/Handfield 2005; Trent 2007; Ramsay/Croom 2008; Tassabehji/Moorhouse 2008). Da diese Arbeit weder zum Ziel hat, einen kohärenten definitorischen Rahmen für den Einkaufsbereich zu entwickeln, noch die begriffliche Unterscheidung einen wesentlichen Einfluss auf die hier vorliegende Forschung hat, sei an dieser Stelle dem
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A Einführung und Grundlagen
Vorgehen und Vorschlag von Kaufmann (2002) gefolgt, der eine dringende „de-proliferation of definitions from an academic standpoint“ (S. 12) empfiehlt. Er verwendet daher die Begriffe Supply Management und Beschaffung synonym und beschreibt mit dem Begriff Einkauf sowohl die organisatorische Einheit im Unternehmen als auch sämtliche Aktivitäten der hier beschäftigten Personen. Da der Einkauf aber diejenige Instanz ist, die sich mit Beschaffung und Supply Management befasst (welches also ihre Aktivitäten im engeren Sinne sind), kann auch der Begriff Einkauf synonym hierzu verwendet werden. Entsprechend werden in dieser Arbeit sowohl die Begriffe Beschaffung, Supply Management und Einkauf synonym verwendet als auch die korrespondierenden organisatorischen Einheiten. Mit einem solchen Vorgehen soll auch erreicht werden, dass eine ungewollte Wertung der „Einkaufsabteilungen“ von Unternehmen ausschließlich basierend auf der (frei gewählten) Bezeichnung der Einheit unterbleibt. 2.1.2
Entwicklungsstufen des Einkaufs
Als selbständiges Forschungsgebiet hat der Einkauf traditionell bei weitem nicht die gleiche akademische Aufmerksamkeit erhalten wie viele andere Fächern – vielmehr wurde er regelmäßig als (unwesentliches) Teilgebiet anderer Disziplinen wie der Produktion betrachtet (Das/Handfield 1997, S. 101). Gleichsam wurde der Beschaffung auch in der Praxis lange Zeit nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt (Burt/Dobler/Starling 2003, S. 25; Cavinato 2006, S. 4). Die Entwicklung des Einkaufs wurde bereits von vielen Autoren konzeptionell dargestellt und dabei von den meisten als mehrstufiger Prozess beschrieben (van Weele 2005, S. 92). Im Folgenden soll das Modell von van Weele (2005) näher dargestellt werden, das den Anspruch hat, Erkenntnisse verschiedener Autoren zu integrieren. Van Weele unterscheidet zwischen sechs Evolutionsstufen, vermeidet jedoch eine Zuordnung dieser zu bestimmten Zeiträumen und stellt dagegen dar, auf welcher Entwicklungsstufe der Einkauf sich in verschiedenen Industrien derzeit befindet.1 Stufe 1: Transaktionsorientierung – Versorgung der Produktion Die Hauptaufgabe des Einkaufs in dieser Entwicklungsstufe ist die Suche nach geeigneten Lieferanten und die Sicherstellung des Produktionsbetriebes, indem immer ausreichend Material vorhanden ist. Cavinato (1984, S. 4) schreibt dazu: „A good buyer was one who was able
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Für eine chronologische Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Einkaufs vgl. z.B. Kaufmann (2002) oder die ausführliche Darstellung bei Leenders/Fearon (2008). Letztere beschreibt lediglich den Zeitraum von 1830 bis 1940, stellt aber weitere Beiträge in Aussicht, in denen die Entwicklung des Einkaufs bis zur Gegenwart nachgezeichnet werden sollen.
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
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to keep the production line going.“ Der Einkauf ist in dieser Phase im Wesentlichen eine Verwaltungsstelle (Leenders/Fearon 1997, S. 3–5; Cavinato 2006, S. 4f.), die die Versorgung der Produktion sicher zu stellen hat und dabei ausschließlich passiv (Lysons/Farrington 2005, S. 11) bzw. reaktiv agiert. Hierbei ist der Einkauf keine eigene Abteilung, sondern stellt lediglich eine Untereinheit der Produktion oder der Logistik dar. Die Einkäufer selbst sind stark aufgabenorientiert, in der Regel aber nur begrenzt auf ihre Aufgaben hin geschult. Stufe 2: Gewinnorientierung – Erzielung des besten Preises Der Einkauf muss sich weniger um die Versorgung seines Unternehmens kümmern sondern fokussiert sich vollständig auf die Erzielung des besten Preises. Günstige Preise bzw. Preissenkungen werden über intensive Verhandlungen mit (möglichst vielen) Lieferanten verfolgt und stellen den wesentlichen Indikator zur Leistungsmessung dar. Der Einkauf wird in dieser Phase bereits als eigenständige Abteilung auf Werksebene geführt und ist damit weniger abhängig von der Produktentwicklung oder Fertigung. Die Einkäufer selbst werden in Verhandlungen geschult und sind in der Lage, Preisvergleiche durchzuführen. Stufe 3: Koordinierter Einkauf – Einsparungen durch Synergien Der Fokus der dritten Entwicklungsstufe liegt nach van Weele auf der Erzielung von Preisvorteilen, indem der Einkauf unternehmensweit koordiniert wird. Über die Bündelung von Abnahmemengen werden sowohl eine Vergrößerung der Einkaufsmacht verfolgt als auch unmittelbare Mengenvorteile bei den Lieferanten realisiert. Erstmals wird aber auch der Einfluss des Einkaufs auf die Qualität der beschafften Waren anerkannt und damit nicht mehr ausschließlich der Preis in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Weiterhin erfolgt eine verstärkte Kommunikation mit anderen Geschäftsbereichen, um so weitere Synergien zu schaffen. Der Einkauf unternimmt in dieser Phase auch erstmals eine Strategieformulierung und entwickelt basierend auf Portfoliomodellen differenzierte strategische Optionen für unterschiedliche Einkaufssituationen. Erleichtert werden diese Entwicklungen durch eine Zentralisierung der Einkaufsabteilungen und eine zumindest teilweise standortübergreifende Vernetzung der IT-Systeme im Unternehmen. Um handlungsfähig zu sein müssen Einkäufer gute analytische Fähigkeiten vorweisen sowie in Kommunikation geschult sein. Stufe 4: Integration im Unternehmen – Total Cost of Ownership In der vierten Entwicklungsstufe steht die Reduzierung der Gesamtkosten der zugekauften Materialien und Dienstleistungen im Sinne einer Total-Cost-of-Ownership-Perspektive im Mittelpunkt der Einkaufsbemühungen. Hierzu werden nicht nur funktionsübergreifende Teams gebildet, die nach Kostensenkungsmöglichkeiten für die betroffenen Produkte suchen,
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A Einführung und Grundlagen
sondern auch die wichtigsten Lieferanten als Problemlöser in die Diskussion mit einbezogen. Ein bisher eher von Konfrontation mit den Lieferanten geprägter Einkaufsstil wird durch Partnerschaften ersetzt. Der Einkauf wird auch aktiv in die Strategieentwicklung des Unternehmens einbezogen und erhält bei Fragen zu Make-or-Buy-Entscheidungen Einfluss. Informationssysteme werden weiter ausgebaut und funktions- und divisionsübergreifend integriert, was erweiterte Auswertungsmöglichkeiten zulässt. Teamfähigkeit und weiter verbesserte Kommunikationsfähigkeiten sind wesentliche Qualifikationen der Einkäufer. Zentral organisiert
Effektivität/ Kumulierte Einsparungen
Funktionsübergreifender Fokus
Dezentral organisiert
Handel Funktionaler Fokus
Automobilindustrie Unterhaltungselektronik
Getränke & Lebensmittel
Finanzdienstleistungen Öffentl. Versorger
Leitgedanke
Computer/ PC Industrie
Pharmaindustrie
Transaktionsorientierung
Gewinnorientierung
Koordinierter Einkauf
Integration im Unternehmen
Externe Integration
Integration der Wertschöpfungskette
Versorgung der Produktion
Erzielung des besten Preises
Einsparungen durch Synergien
Total Cost of Ownership
Optimierung der Supply Chain
Volle Kundenzufriedenheit
• Verwaltungstätigkeit • Bestellabwicklung
• Gewinnstreben • Ausschreibungen • Verhandlungen • Zugelassene Lieferanten
• Gewinnstreben • Rahmenverträge mit Lieferanten • Global Sourcing
• Funktionsübergreifende Einkaufsteams • Systemintegration • Lieferantenbewertung • Verträge auf Leistungsbasis
• Outsourcing • EDI/Internet • Elektronischer Handel • Lieferanteneinbindung in Produktentw. (ESI) • Kostenmodelle
• Kundengetr. Aktivitäten • Lohnfertigung • Lieferantenentwicklung • Weltweites Lieferantennetzwerk
• Erstbeschaffung • Überwachung Einkaufsbudget
• Steuerung der Lieferantenbasis
• Vertragsmanagement • Ethik
• Informations& Kommunik.Infrastruktur
• Soziale Widerstände
• Internationalisierung • Personalentwicklung
Merkmale
Schwierigkeiten
Telekommunikation
Abb. 4: Entwicklungsmodell des Einkaufs Quelle: Nach van Weele (2005, S. 94).
Stufe 5: Externe Integration – Optimierung der Supply Chain Im Zuge einer verstärkten Fokussierung auf die Kernkompetenzen und einer damit einhergehenden Reduzierung der Wertschöpfungstiefe tritt die Kooperation mit Lieferanten in Fragen der Produktentwicklung und Anlaufvorbereitung in den Vordergrund. Der Ersteinkauf (bei neuen Produkten oder Lieferanten) wird nicht mehr von einer separaten Einkaufsabteilung
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
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vorgenommen, sondern liegt in der Verantwortung funktions- und organisationsübergreifender Teams. Die Bestellabwicklung im laufenden Betrieb ist dagegen weitgehend automatisiert bzw. wird von den Bedarfsträgern selbst übernommen. Die Integration der Informationssysteme umfasst auf dieser Stufe auch die Systeme der Lieferanten, wodurch ein hohes Maß an Transparenz erzielt wird. Strategisches Management, Führungsqualitäten und Berücksichtigung einer Total-Cost-of-Ownership-Perspektive stellen hier die Qualifikationen der Einkäufer dar. Stufe 6: Integration der Wertschöpfungskette – Volle Kundenzufriedenheit Der Leitgedanke der Einkaufsstrategie auf dieser Entwicklungsstufe beinhaltet, dass mit allen Tätigkeiten für den Endkunden ein konkreter Wert zu schaffen ist. Dafür unterstützen Lieferanten aktiv ihre Abnehmer bei der Definition von Produkt- und Marktstrategien und sind aktiv am Produktentwicklungsprozess beteiligt. Letztlich integriert sich die Einkaufsstrategie in eine gesamthafte Unternehmensstrategie. Das veränderte Zielsystem führt auch dazu, dass Einkauf und Vertrieb integriert sind und alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Personen von einer unternehmerischen Mentalität geprägt sind. Die hier dargestellte konzeptionelle Entwicklung des Einkaufs von einer reinen „Verwaltungsstelle“ zu einem integrierten strategischen Wettbewerbsfaktor findet sich in den Grundzügen auch bei anderen Autoren (vgl. z.B. Reck/Long 1988, S. 3; Leenders/Fearon 1997, S. 3–5; Burt/Dobler/Starling 2003, S. 23–33; Lysons/Farrington 2005; Cavinato 2006, S. 4–6). Van Weele (2005) weist allerdings selbst darauf hin, dass das Entwicklungsmodell lediglich einen konzeptionellen Ansatz darstellt, der bisher nicht empirisch belegt ist und wesentliche Fragen nicht beantwortet. So ist unter anderem unklar, ob die Einkaufsentwicklung wirklich gemäß einem kontinuierlichen Prozess verläuft oder ob nicht auch Entwicklungsstufen übersprungen werden können. Ungeklärt ist auch, wer die treibende Kraft hinter den Veränderungen ist – sei es der Einkauf selbst oder andere Funktionen (S. 94). Darüber hinaus ist insbesondere auch die Zuordnung der Industrien zu den einzelnen Entwicklungsstufen kritisch zu hinterfragen (vgl. Abb. 4). Wenn diese (vor allem für die Extremfälle der öffentlichen Versorgung, dem Handel und der Automobilindustrie) auch plausibel erscheint, bedarf sie doch einer empirischen Bestätigung oder wenigstens einer stichhaltigen Begründung. Weitere Kritik an dem Evolutionsmodell äußern Ramsay/Croom (2008). Sie beanstanden die grundsätzliche Unzulänglichkeit solcher Modelle, in denen höhere Stufen als wünschenswerter dargestellt werden und letztere - wenn überhaupt - nur für sehr große Unternehmen erreichbar sind. Ihr wesentlicher Kritikpunkt liegt darin, dass die Aktivitäten des Einkaufs üblicherweise in strategisch unwichtige Routineaufgaben und solche mit hoher strategischer
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A Einführung und Grundlagen
Relevanz und einem entsprechend hohen Beitrag für nachhaltige Wettbewerbsvorteile eingeteilt werden. Eine solche Aufteilung ist ihrer Ansicht nach nicht generell durchführbar (S. 203) und schädigt die Einkaufsfunktion, indem der Nutzen der vermeintlich strategisch unbedeutenden Aktivitäten nicht ausreichend gewürdigt wird (S. 199). Die Autoren verweisen beispielhaft auf den Einfluss von Verhandlungen auf den Unternehmenserfolg, der jedoch vielfach als so unwesentlich betrachtet wird, dass eine Berücksichtigung von Verhandlungsprozessen in der wissenschaftlichen Literatur fast völlig unterbleibt. Sie machen ebenfalls darauf aufmerksam, dass Verhandlungen auch in den häufig untersuchten Partnerschaften und Allianzen erforderlich sind und durchaus einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen generieren können. Letztlich beruht die strategische Relevanz einer Aktivität ausschließlich auf den übergeordneten strategischen Zielen der Organisation, der Art der Organisation sowie der Art des Einkaufs und darf nicht an der Aktivität selbst festgemacht werden (S. 197f.). Gleichwohl wird die zentrale strategische Bedeutung des Einkaufs als solchem betont, besonders für Unternehmen die eine Kostenführerschaft in den von ihnen bedienten Märkten anstreben (S. 192). 2.1.3
Strategische Bedeutung und Einkaufsstrategie
Auch wenn dem Einkauf sowohl in der Theorie als auch in der Praxis bisher nur begrenzte Aufmerksamkeit geschenkt wurde, finden sich bereits im 19. Jahrhundert (Praktiker-) Publikationen, die die Bedeutung der Einkaufsfunktion für das Unternehmen erkannt haben (Kaufmann 2002, S. 6; Leenders/Fearon 2008, S. 17f.). In diesem Zusammenhang zitieren Leenders/Fearon (2008, S. 18) aus dem ersten veröffentlichten Buch, das sich exklusiv dem Einkaufsbereich widmet (Kirkman 1887): „To be able to buy its supplies at the lowest possible figure is of enourmous value to a company, and a capable purchasing agent, it is probable, can save his employer a greater sum through the exercise of experience and intelligence, than any other officer of like grade.“ Die hier dargestellte Betonung des hohen Ergebniseinflusses des Einkaufs lässt sich anhand eines Beispiels basierend auf den Zahlen des Geschäftsjahres 2008 des Volkswagen Konzerns nachvollziehen (Volkswagen AG 2009): Der Materialaufwand stellt mit 67 Prozent vom Umsatz die mit Abstand größte Aufwandsposition dar. Eine Reduzierung des Materialaufwandes um nur ein Prozent (760 Mio. €) führt in diesem Beispiel zu einer Erhöhung des operativen Ergebnisses um zwölf Prozent (vgl. Tab. 1).
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
17
Reduzierung Materialaufwand um 1% Istwerte (2008, Mio. €) Umsatzerlöse Materialaufwand Operatives Ergebnis
Veränderung (Mio. €)
Veränderung (%)
Residualwerte im Beispiel (Mio. €)
113.808
-
-
113.808
75.954
-760
-1
75.194
6.333
+760
+12
7.093
Tab. 1: Beispiel zum Ergebniseinfluss einer Materialaufwandsreduzierung Quelle: Eigene Darstellung, Istwerte basierend auf Volkswagen AG 2009.
Da das operative Ergebnis als wesentlicher Parameter zur Bestimmung des Unternehmenswertes gilt, ergibt sich aus der Optimierung des Materialaufwandes ein signifikanter Einfluss auf den Unternehmenswert. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, den Einkauf strategisch zu betreiben und in die Unternehmensstrategie mit einzubeziehen. Als Strategien bezeichnen Corsten/Gössinger/Schneider (2006) „grundsätzliche Festlegungen des unternehmerischen Handlungsrahmens, die starke und dauerhafte Erfolgswirkungen anstreben und mit dem Ziel getroffen werden, Wettbewerbsvorteile aufzubauen und zu erhalten“ (S. 234f.). Wie im Beispiel dargestellt kann einkaufseitig offensichtlich ein großer Einfluss auf das Ergebnis ausgeübt werden, wodurch sich nachhaltig Wettbewerbsvorteile realisiert lassen. Ein solches Einkaufsverständnis rückte jedoch erst mit Porter (1980) in den Vordergrund (Ogden/Rossetti/Hendrick 2007, S. 2), der den Abnehmer als eine von fünf Triebkräften im Branchenwettbewerb ausmacht und den Einkauf als eines der wichtigsten Instrumente identifiziert, um die Unternehmensstrategie zu unterstützen. Porter (2008, S. 173 ff.) führt vier Kernprobleme an, auf die eine Einkaufsstrategie eingehen muss. Hierzu zählen x
die Bestimmung des optimalen Grades der vertikalen Integration des einkaufenden Unternehmens,
x
die Sicherstellung der Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Lieferanten,
x
die ideale Aufteilung der Käufe auf qualifizierte Lieferanten sowie
x
der Aufbau maximaler Verhandlungsstärke gegenüber den ausgewählten Lieferanten.
Nachdem ein Unternehmen entschieden hat, welche Produkte selbst zu fertigen und welche extern zu beziehen sind, ist es aus strategischer Sicht „wünschenswert, bei Lieferanten zu kaufen, die ihre Wettbewerbsposition im Hinblick auf ihre Produkte und Leistungen beibehalten oder verbessern werden“ (Porter 2008, S. 174), um in der Folge auch die eigene Wettbewerbsfähigkeit langfristig sicherstellen zu können. Die beiden letztgenannten Probleme befassen sich mit der Beschränkung der Lieferantenmacht durch den Abnehmer, der Porter eine große Wichtigkeit beimisst und wozu er mehrere strategische Maßnahmen vorschlägt. Im
18
A Einführung und Grundlagen
Wesentlichen soll eine optimale Verhandlungsposition des Käufers gegenüber dem Lieferanten hergestellt werden. Alleiniges Ziel der hierfür dargestellten Maßnahmen und damit auch der Einkaufsstrategie ist es, die langfristigen Gesamtbeschaffungskosten zu senken, womit Porter die oben dargestellte Ergebniswirkung in den Fokus einer Einkaufsstrategie setzt. Während bei Porter vor allem die allgemeine Gestaltung des Machtverhältnisses zwischen Lieferant und Abnehmer betrachtet wird, bietet die auf Kraljic (1983) zurückgehende und seitdem von einer Vielzahl von Forschern weiterentwickelte sogenannte Einkaufsportfoliooder Kraljic-Matrix (Caniëls/Gelderman 2005, S. 141f.) detaillierte strategische Empfehlungen für unterschiedliche Beschaffungssituationen.
Hoch
Ergebniseinfluss
Hebelprodukte
Strategische Artikel
Ausnutzung der Einkaufsmacht
Abschöpfung, Abwägung oder Diversifikation
Nicht-kritische Artikel Sicherstellung effizienter Einkaufsund Bestellprozesse
Engpassmaterial Sicherstellung der Versorgung und Suche nach Beschaffungsalternativen
Niedrig Niedrig
Beschaffungsrisiko
Hoch
Abb. 5: Einkaufsportfoliomatrix (Kraljic-Matrix) Quelle: Nach Kraljic (1983, S. 111) und van Weele (2005, S. 150).
Nach Kraljic (1983) ist die Wahl der Einkaufsstrategie abhängig von der Bedeutung des Produktes (Ergebniseinfluss) sowie der Komplexität der Beschaffungsmärkte (Beschaffungsrisiko). In einem ersten Schritt erfolgt daher die Klassifizierung aller zu beschaffenden Produkte basierend auf diesen beiden Einflussfaktoren. Für sogenannte „strategische Artikel“ mit einem hohen Ergebniseinfluss und Beschaffungsrisiko definiert Kraljic dann in Abhängigkeit des Machtverhältnisses zwischen Abnehmer und Lieferant drei unterschiedliche Einkaufsstrategien, die eine optimale Ausnutzung des existierenden Machtgefüges unter Berücksichtigung der Wichtigkeit der Artikel für das Unternehmen sicher stellen sollen: Aggressive Abschöpfung durch Preisdruck und die Verhandlung sonstiger günstiger Vertragsbedingungen bei vorhandener Nachfragerdominanz, eine Diversifizierungsstrategie für den Fall einer Macht-
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
19
dominanz des Lieferanten sowie eine abwägende Einkaufsstrategie bei ausgeglichenen Machtverhältnissen. Die Normstrategien für die übrigen Produktsegmente wurden von anderen Wissenschaftlern entwickelt, werden heute aber dennoch als Bestandteil der Kraljic-Matrix angesehen (Caniëls/Gelderman 2005, S. 142). Die Einkaufsbemühungen sollen sich neben den oben beschriebenen strategischen Artikeln vor allem auf die sogenannten Hebelprodukte fokussieren. Da solche Produkte von einer Vielzahl von Lieferanten bezogen werden können (geringes Beschaffungsrisiko) wird hier ein aggressives Verhandeln seitens des Abnehmers gefordert, um attraktive Einkaufspreise zu realisieren. Weniger Beachtung aus Einkaufssicht ist den beiden übrigen Produktsegmenten beizumessen, da diese nur einen geringen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben (van Weele 2005, S. 151). Die hier vorgestellten Einkaufsstrategien oder Varianten davon sind im Einkauf weit verbreitet und werden aktiv verfolgt (Hawkins/Wittmann/Beyerlein 2008, S. 11). Sie zielen darauf ab, die Beschaffungssituation zum eigenen Vorteil zu gestalten (Porter) bzw. optimal auszunutzen (Kraljic). Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, dass opportunistisches Verhalten in Einkäufer-Lieferanten-Beziehungen eine gängige Beobachtung ist (Hawkins/Wittmann/ Beyerlein 2008, S. 11). Gleichwohl wird in der Theorie die Bedeutung von kooperativen, strategischen Partnerschaften zwischen Lieferanten und Abnehmern hervorgehoben (vgl. z.B. McConnell/Nantell 1985; Chan et al. 1997; Dyer/Singh 1998; Gulati 1998) und auch in der Praxis werden entsprechende Beziehungen zu Lieferanten als Wettbewerbsvorteile kommuniziert. Unabhängig vom gewählten Beziehungskontext aber steht die Optimierung der Beschaffungskosten bereits allein aufgrund des dargestellten Ergebniseinflusses jeweils im Fokus der Einkaufsbemühungen. Hierzu verfolgte Ansätze werden im nächsten Abschnitt dargestellt. 2.1.4
Optimierung der Beschaffungskosten
Nach der Definition der Einkaufsstrategie erfolgt die Bestimmung der zu verfolgenden Ziele des Einkaufs. Das übergeordnete Ziel ist die Unterstützung der Unternehmensstrategie wie in Kapitel 2.1.3 dargestellt. Dieses Ziel wird üblicherweise mit den klassischen Beschaffungszielen operationalisiert: Die Bereitstellung des richtigen Materials in der richtigen Qualität zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu den richtigen Kosten (vgl. z.B. Cavinato 1984, S. 6; Dobler/Burt 1996, S. 42; ähnlich Leenders/Fearon 1997). Arnold (1995, S. 8ff.) argumentiert, dass sich diese Ziele im Wesentlichen auf zwei allgemeine Zielkategorien reduzieren lassen, nämlich die Sicherstellung der Versorgung eines Unternehmens sowie die Sicherung strategischer Wettbewerbsvorteile. Dabei sind Wettbewerbsvorteile je nach strategischer Ausrichtung des
20
A Einführung und Grundlagen
Unternehmens durch Kosten- oder Differenzierungsvorteile zu suchen. Nicht betrachtet wird im Rahmen dieser Arbeit die Versorgungssicherungsfunktion der Beschaffung. Die Bedeutung niedriger Beschaffungskosten für den Unternehmenserfolg wurde bereits im vorangehenden Kapitel erörtert. Zu beachten ist dabei, dass für die Sicherstellung strategischer Wettbewerbsvorteile auch bei Verfolgung einer Differenzierungsstrategie die Beachtung der Kostenseite erforderlich ist (Porter 2008, S. 74). Grundsätzliche Ansatzpunkte für die Erzielung niedriger Beschaffungskosten sind zum einen wettbewerblich orientierte Verhandlungslösungen, die auf einen Preiswettbewerb zwischen den Anbietern abzielen (wobei erreichte Preissenkungen zunächst den Ertrag des Lieferanten schmälern). Zum anderen sind jedoch auch unternehmensübergreifende Kostensenkungen vorstellbar, bei denen eine Reduzierung der Kosten der Wertschöpfungskette verfolgt wird. Geringere Beschaffungskosten werden dabei unter Vermeidung einer Reduzierung der Gewinnmarge des Lieferanten ermöglicht. Verhandlungslösungen Verhandlungen sind ein formaler Prozess zwischen Einkaufs- und Verkaufsseite, bei dem durch Diskussionen und Kompromisse zwischen den Parteien das Ziel verfolgt wird, eine gegenseitige Übereinkunft zu den wichtigsten Aspekten der Auftragsbeziehung zu treffen (vgl. Dobler/Burt 1996, S. 358; Leenders/Fearon 1997, S. 325; Monczka/Trent/Handfield 2005, S. 413). Auch wenn Produktqualität und Lieferfristen übliche Inhalte von Verhandlungen darstellen, steht die Preisdiskussion im Fokus der meisten Verhandlungen (Dobler/Burt 1996, S. 358f.). Agndal/Nilsson (2008, S. 159) zitieren in diesem Zusammenhang den Controller eines Automobilzulieferers über die Rolle des Preises in Verhandlungen mit einem Autohersteller: „There are three things they [...] seem to care about. The first is price, the second is price, and the third is, of course, price." Für Vorbereitung und Durchführung von Verhandlungen wenden Einkäufer mindestens 20 Prozent ihrer verfügbaren Zeit auf (van Weele 2005, S. 285), was angesichts des hohen möglichen Ergebniseinflusses nicht überrascht. Eine Pilotstudie unter Einkaufsmanagern bestätigt zudem, dass Verhandlungen einen hohen strategischen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben (Ramsay/Croom 2008, S. 201).
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
21
Wie groß ist aus Ihrer Sicht der strategische Einfluss von Verhandlungen? Nennungen (in %) 60%
57
40 29
20 10 5 0
Anzahl Nennungen
Sehr groß
Klar vorhanden
Sehr gering
So gut wie kein Einfluss
12
6
2
1
Abb. 6: Strategischer Einfluss von Einkaufsverhandlungen Quelle: Eigene Darstellung nach Ramsay/Croom 2008, S. 201.
Ausführliche Hinweise zu Verhandlungstaktiken und Vorgehensweisen für Einkaufsverhandlungen finden sich in den meisten Standardwerken der Einkaufsliteratur (vgl. z.B. Dobler/Burt 1996; Leenders/Fearon 1997; Monczka/Trent/Handfield 2005; van Weele 2005). Im Kern einer Preisverhandlung geht es darum, die unterschiedlichen Positionen von Einkäufer und Verkäufer in Einklang zu bringen. Jede Partei hat üblicherweise ein Verhandlungsziel sowie minimale und maximale Preisforderungen bzw –erwartungen, wobei die Positionen des Verkäufers üblicherweise allesamt über denen des Einkäufers liegen (vgl. Abb. 7).
22
A Einführung und Grundlagen
Idealpreis
Zielpreis
Höchstpreis
Position des Käufers
Position des Verkäufers Mindestpreis niedrig
Zielpreis Preis
Idealpreis hoch
Herz der Verhandlung
Abb. 7: Verhandlungspositionen von Käufer und Verkäufer Quelle: Eigene Darstellung nach Dobler/Burt 1996, S. 368.
Während der Verkäufer sich im Laufe des Verhandlungsprozesses von seiner maximalen Preisforderung (Idealpreis) in Richtung Zielpreis bewegt, beginnt der Einkäufer mit seiner minimalen Preiserwartung (Idealpreis) und macht Zugeständnisse in Richtung seines Zieles. Als „Herz“ der Verhandlung wird der Bereich verstanden, der zwischen Einkaufs- und Verkaufsziel liegt und üblicherweise den schwierigsten Teil einer Verhandlung darstellt. Zugeständnisse jenseits des Zielpunktes bedeuten für beide Seiten eine Verfehlung ihres Zieles, so dass in diesem Bereich sowohl die Ausübung wirtschaftlicher Macht als auch die Überzeugung der Gegenseite durch faktenbasierte Argumentation einen wesentlichen Stellenwert haben (Dobler/Burt 1996, S. 367–369). Es wird deutlich, dass es sich bei Preisverhandlungen in der Terminologie der Spieltheorie um Nullsummenspiele handelt, bei denen der Zugewinn einer Seite einen Verlust der anderen Seite in gleicher Höhe mit sich bringt. Unternehmensübergreifende Kostensenkungen: Interorganisationales Kostenmanagement Im oben dargestellten Verhandlungsansatz ist eine Optimierung der Beschaffungskosten für den Käufer gleichbedeutend mit einer Preis- und damit Margenreduzierung auf der Lieferantenseite, wobei die Gesamtkosten der Supply Chain jedoch unverändert bleiben. Anders dagegen versucht ein interorganisationales Kostenmanagement durch unternehmensübergreifende Zusammenarbeit die Kosten der Wertschöpfungskette zu reduzieren (Cooper/Slagmulder 1999). Da hierbei größere Kostensenkungen erzielt werden können als es bei individueller Optimierung der beteiligten Unternehmen möglich wäre, stellt dies einen wichtigen Ansatz für den Einkauf dar, die Beschaffungskosten zu optimieren, wenn wettbewerblich orientierte Lösungen nicht zu den erwarteten bzw. nötigen Preisen führen. Cooper/Slagmulder (1999)
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
23
identifizieren und beschreiben drei maßgebliche Ansatzpunkte für ein interorganisationales Kostenmanagement: 1. Unternehmensübergreifende Koordination der Produktentwicklung 2. Interorganisationale Koordination der Fertigung 3. Verbesserung der Schnittstellen zwischen Abnehmern und Lieferanten Der unternehmensübergreifenden Koordination der Produktentwicklung kommt eine besondere Bedeutung zu, weil es einfacher ist, Produkte von vornherein kostengünstig zu planen als Kosten zu senken, wenn Produkte bereits produziert werden. Ehrlenspiel/Kiewert/Lindemann (2007, S. 8-14) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der Entwicklungs- und Fertigungsvorbereitungsphase bereits etwa 90 Prozent der späteren Produktkosten festgelegt werden und dann nur noch teilweise beeinflussbar sind (vgl. Abb. 8).
Produktkosten in % 100%
80
nste Ko gung e l t fes
~7%
60
40
~5%
~22%
~18%
~38% ~70% nste ng Ko tehu s t en
20
~28%
festgelegte Kosten, z.T. beeinflussbar realisierte Kosten
0
Abb. 8:
~9%
~3%
Entwicklung Konstruktion
Fertigungsvorbereitung
Fertigung
Materialwirtschaft Zulieferer
Vertrieb Verwaltung
Kostenfestlegung und Kostenentstehung in unterschiedlichen Unternehmensbereichen Quelle: Ehrlenspiel/Kiewert/Lindemann (2007, S. 13).
Da aber das Produktdesign eines Unternehmens in der Supply Chain auch Einfluss auf die Kosten der anderen beteiligten Unternehmen hat, müssen alle betroffenen Unternehmen in der Produktentwicklung kooperieren. Cooper/Slagmulder (1999) schlagen vor, mittels Target Costing zu identifizieren, an welchen Stellen der Supply Chain noch Kostensenkungen erforderlich und möglich sind. Hierzu werden ausgehend von der Senke der Supply Chain diejeni-
24
A Einführung und Grundlagen
gen Zielkosten für jede Stufe ermittelt, die ein (Zwischen-) Produkt festgelegter Funktionalität und Qualität nicht überschreiten darf. Der Kostendruck, dem das Unternehmen am Ende der Supply Chain durch den Markt ausgesetzt ist, wird somit auch an alle anderen an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen weitergegeben. Sofern die Zielkosten im bestehenden Produktdesign nicht erreicht werden können, sollen die Produktentwickler von zwei oder mehr betroffenen Unternehmen mittels Value Engineering Möglichkeiten aufzeigen, wie das Kostenziel erreicht werden kann. Denkbare Lösungen sind hierbei die Veränderung des Produktdesigns oder die Verschiebung von Aktivitäten auf andere Stufen der Supply Chain. Interorganisationales Management der Kosten während des Fertigungszeitraums stützt sich nach Cooper/Slagmulder (1999) auf die Anwendung von Kaizen Costing: Ausgehend von dem für die Zukunft am Absatzmarkt erwarteten Preisdruck werden Ziele für Kostensenkungen im Zeitverlauf identifiziert. Damit soll sichergestellt werden, dass jedes Produkt über seinen Produktlebenszyklus einen angemessenen Gewinn erwirtschaftet. Wie schon im Target Costing Prozess werden die Kostenziele ausgehend von der Senke über alle Stufen der Supply Chain weitergegeben. Während im Target Costing jedoch detaillierte und in der Regel komponentenspezifische Kostenziele verfolgt werden, werden im Kaizen Costing pauschale Kosten- bzw. Preisziele an die Lieferanten kommuniziert, deren Höhe sich am Preisdruck am Absatzmarkt orientiert. Zur Erreichung der Kostenziele werden unternehmensübergreifende Initiativen gestartet, in denen die Abnehmer regelmäßig eine zentrale Rolle einnehmen: Sie bringen ihre Kenntnisse und Erfahrungen ein und unterstützen die Lieferanten bei der Suche nach Möglichkeiten zur Kostensenkung. So werden beispielsweise optimierte Produktionsverfahren beim Lieferanten oder die unternehmensübergreifende Bündelung von Einkaufsvolumina umgesetzt. Die Verbesserung der Schnittstellen zwischen Abnehmern und Lieferanten bezieht sämtliche Aktivitäten und Prozesse ein, die zum Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen den Vertragspartnern erforderlich sind. Wesentliche Ansatzpunkte nach Cooper/Slagmulder (1999) sind hierbei die Erhöhung der Prozesseffizienz sowie die Verringerung von Unsicherheit: Durch gemeinsame Identifikation und Eliminierung von redundanten Aktivitäten, die Vereinfachung von Prozessen zwischen den Unternehmen sowie die verstärkte Standardisierung bzw. Automatisierung von Transaktionen können die interorganisationalen Prozesse effizienter gestaltet werden. Über eine Reduzierung von Unsicherheit sollen die Lagerbestände beider Unternehmen reduziert und somit die Kapitalbindung verbessert werden. Gemeinsame Bedarfsprognosen und ein umfassender und schneller Informationsaustausch zu Lagerbeständen sind die wesentlichen Ansatzpunkte, um dieses Ziel zu erreichen.
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
25
Als Schnittstellenfunktion zu den Lieferanten kommt dem Einkauf regelmäßig die Rolle zu, das geschilderte interorganisationale Kostenmanagement zu initiieren bzw. zu steuern, um so die Kosten der Supply Chain insgesamt zu verringern. Die Tatsache, dass die Ergebnisse auf einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen beruhen, darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass nicht jedes Unternehmen in gleichem Maße von den Vorteilen profitiert: „Mutual benefit does not imply equitable sharing of profits. The more powerful firms, be they buyers or suppliers, will extract most of the profits” (Cooper/Slagmulder 1999, S. 101). Ähnlich argumentieren auch Dobler/Burt (1996), die davon ausgehen, dass Kooperationsgewinne üblicherweise nicht hälftig, sondern in der Regel zu 60 bis 70 Prozent zugunsten des Unternehmens in der besseren Verhandlungssituation verteilt werden (S. 376). Gleichwohl weisen Cooper/Slagmulder (1999) darauf hin, dass es für ein Gelingen von interorganisationalem Kostenmanagement entscheidend sei, dass alle beteiligten Firmen einen gewissen Anteil an den Kooperationsgewinnen erhalten. Außerdem müsse die Beziehung zwischen den beteiligten Unternehmen von gegenseitiger Abhängigkeit, einem Vertrauensverhältnis sowie umfangreichem Informationsaustausch geprägt sein. Vor dem Hintergrund umfangreicher preisorientierter und damit oftmals aggressiver Verhandlungsmethoden, lässt sich bereits erahnen, dass diese Bedingungen eines interorganisationalen Kostenmanagements nicht immer gegeben sein dürften. Hinzu kommt, dass im Rahmen des oben angesprochenen Informationsaustausches auch Kosteninformationen zwischen den beteiligten Unternehmen übermittelt werden sollten, die üblicherweise von Unternehmen streng geheim gehalten werden (Kajüter/Kulmala 2005, S. 182). Dieser als Open Book Accounting bezeichnete Austausch von Kosteninformationen (Hoffjan/Kruse 2006) wird im folgenden Kapitel ausführlich dargestellt.
2.2 Open Book Accounting – Offenlegung von Kosteninformationen an Geschäftspartner Das einführende Kapitel zum Einkauf hat bereits deutlich gemacht, dass der Abnehmer durch optimale Beschaffungskosten einen erheblichen Erfolgsbeitrag für sein Unternehmen leisten kann. Der Kenntnis von Kosteninformationen des Geschäftspartners kommt dabei im Rahmen von unternehmensübergreifenden Kostensenkungen große Bedeutung zu, dürfte für den Einkäufer jedoch auch für die Vorbereitung von Preisverhandlungen vorteilhaft sein. Dieses Kapitel stellt den aktuellen Forschungsstand zum Austausch von Kosteninformationen dar, geht auf die Funktionen und Folgen des Austauschs ein und diskutiert die auftretenden Konflikte und Schwierigkeiten sowie begünstigende Rahmenbedingungen. Basierend darauf wird der Untersuchungsumfang dieser Arbeit weiter konkretisiert.
26
2.2.1
A Einführung und Grundlagen
Begriff und Verbreitung
Kosteninformationen gehören zu den sensibelsten und daher auch am meisten geschützten Informationen von Unternehmen (Kajüter/Kulmala 2005, S. 182). Die systematische Offenlegung dieser Daten gegenüber Supply Chain Partnern hat seinen Ursprung in der Verbreitung des Lean Manufacturing in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts gefunden (Lamming et al. 2001, S. 6; Kajüter/Kulmala 2005, S. 182) und geht auf die japanische Unternehmenspraxis zurück, nach der zwischen den Unternehmen eines Netzwerkes, eines sogenannten keiretsu, ein intensiver Informationsaustausch stattfindet (Hoffjan/Kruse 2006, S. 94f.). Die im Rahmen des Open Book Accounting ausgetauschten Informationen umfassen nicht nur reine Kostendaten, sondern können auch kalkulationsrelevante Zusatzinformationen beinhalten. Mouritsen/Hansen/Hansen (2001) beschreiben beispielsweise die Übermittlung von Maschinenrüstzeiten, Bestandsinformationen zu unfertigen Erzeugnissen und Informationen zur Lagerumschlagshäufigkeit vom Lieferanten an den Abnehmer (S. 233). An dieser Stelle wird deutlich, dass der Austausch nicht zwangsläufig bedeutet, dass alle beteiligten Unternehmen ihre Kosteninformationen offen legen: Während regelhaft ein Austausch nur vom Lieferanten an seine Abnehmer stattfindet (Carr/Ng 1995, S. 357; Ellram 1996, S. 17; Dekker 2003, S. 14; Kulmala 2004, S. 73), stellen beispielsweise Cooper/Slagmulder (2004) einen Fall dar, in dem beide Partner sensible strategische Informationen erhalten. Ein solcher gegenseitiger Austausch von Kosteninformationen wird von Lamming (1993) als cost transparency bezeichnet. Diese beiden Offenlegungsformen werden auch inhaltlich als einseitiges bzw. gegenseitiges Open Book Accounting voneinander abgegrenzt (Hoffjan/Kruse 2006). Im Rahmen dieser Arbeit werden beide Offenlegungsformen zusammenfassend als Open Book Accounting bezeichnet, eine Differenzierung zwischen einseitigem und gegenseitigem Open Book Accounting wird an relevanten Stellen explizit vorgenommen. Der Ausdruck Austausch von Kosteninformationen wird synonym zu Open Book Accounting verwendet. Bisher bietet die Literatur nur wenige Hinweise zur Verbreitung von Open Book Accounting. In einer explorativen Befragung unter 82 Zulieferern (verwertbarer Rücklauf 33 Prozent) in der britischen Kunststoffindustrie stellt Munday (1992) fest, dass annähernd 50 Prozent ihrer britischen und amerikanischen und sogar über 70 Prozent der japanischen Kunden Informationen zu den Kosten bestimmter Fertigungsprozesse bei den Lieferanten verlangen. Carr/Ng (1995) geben in einer Fallstudie über Lieferantenpartnerschaften von Nissan in Großbritannien an, dass 25 Prozent der Lieferanten eine vollständige und detaillierte Aufschlüsselung ihrer Kosten einschließlich Gewinnanteilen an Nissan weitergeben. Ziel Nissans war es, dass bis 1996 80 Prozent der Lieferanten einen solchen Einblick in ihre Kalkulation gewähren. In einer Befragung von 45 Lieferanten eines Herstellers für Elektronikzubehör (verwertbarer
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
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Rücklauf 89 Prozent) wird ebenfalls deutlich, dass Kosteninformationen regelmäßig ausgetauscht werden: 30 Prozent der Lieferanten geben an, dass ihre wichtigsten Kunden von Ihnen Einblick in ihre Kalkulation erwarten und weitere zehn Prozent erwarten eine solche Anforderung für die Zukunft. Leicht geringere Anteile ergeben sich in Bezug auf die (erwartete) Anwendung eines gegenseitigen Austausches von Kosteninformationen (McIvor 2001). Weiterhin finden sich indikative Aussagen zur Verbreitung von (einseitigem) Open Book Accounting bei Lamming et al. (2005), die von einer insgesamt weiten Verbreitung ausgehen, sowie bei Möller/Isbruch (2008b), die eine immer häufigere Forderung von Automobilherstellern nach einer Offenlegung von Kosteninformationen durch ihre Zulieferer feststellen. 2.2.2
Funktionen und Folgen
Die wesentliche Funktion von Open Book Accounting wird in der Literatur übereinstimmend in der Unterstützung von interorganisationalen Kostensenkungen gesehen (vgl. z.B. Munday 1992, S. 249; Axelsson/Laage-Hellman/Nilsson 2002, S. 55f.; Kulmala/Paranko/Uusi-Rauva 2002, S. 40; Dekker 2003, S. 15; Cooper/Slagmulder 2004, S. 13; Dekker 2004, S. 38; Kajüter/Kulmala 2005, S. 200; Agndal/Nilsson 2008, S. 165; Piontkowski/Hoffjan 2009, S. 74). Entsprechend finden sich in allen vorliegenden Studien mehr oder weniger ausführliche Hinweise darauf, inwiefern der Austausch von Kosteninformationen zu Kostensenkungen führen kann. So wird durch die zusätzlich verfügbaren Informationen die Identifikation von Problembereichen vereinfacht (Kajüter/Kulmala 2005, S. 187 u. 195) und ein interorganisationales Kostenmanagement erst ermöglicht. Dekker (2003, S. 15f.) stellt dar, wie die Kosten von Lieferanten für bestimmte Prozesse jeweils mit dem Netzwerkdurchschnitt verglichen und Abweichungen als Ansatzpunkte für nähere Analysen genommen wurden. Neben einem solchen Benchmarking erwähnen Mouritsen/Hansen/Hansen (2001) die Möglichkeit einer Neugestaltung der Produktions- und Distributionsprozesse des Lieferanten sowie einer verbesserten Produktionsplanung durch eine Offenlegung von Kosteninformationen (S. 233f.). In dem dort vorgestellten Beispiel führt Kostentransparenz auch dazu, dass bereits im Entwicklungsprozess auf eine geringe Produktkomplexität geachtet und die Anzahl der Komponenten im Fertigungsprozess um zwei Drittel reduziert wird, was wiederum reduzierte Fertigungskosten erlaubt. Wichtig ist die Beobachtung, dass die beteiligten Unternehmen vor Einführung von Kostentransparenz die positiven Kosteneffekte lediglich erwarten, jedoch nicht versuchen, den finanziellen Einfluss der Maßnahmen im Voraus zu quantifizieren (Carr/Ng 1995, S. 349; Kajüter/Kulmala 2005, S. 183). Die Offenlegung von Kosteninformationen kann auch dafür verwendet werden, Preise und Preisänderungen gegenüber dem Abnehmer zu begründen: Durch detaillierte Aufstellungen
28
A Einführung und Grundlagen
zur Kostenstruktur kann lieferantenseitig versucht werden nachzuweisen, in welcher Höhe Preissteigerungen nötig sind, um Kostensteigerungen aufzufangen. Ein entsprechendes Beispiel findet sich bei Carr/Ng (1995), wo der Lieferant Preissteigerungen mit höheren Rohstoffpreisen begründet und diese aufgrund der Kostentransparenz einfacher an seinen Abnehmer weitergeben kann. Ähnlich argumentieren auch Seal et al. (1999), dass die objektive Begründung der Preise mit transparenten Kalkulationsdaten die Preisverhandlungen bei sich ändernden Kosten vereinfachen (S. 310). Die Autoren weisen allerdings darauf hin, dass es sich um „legitimate changes“, also berechtigte Änderungen der Kosten, handeln muss, wenn der Lieferant diese an seinen Abnehmer weiterreichen will. Hierzu zählen neben den bereits erwähnten Preissteigerungen bei Rohstoffen auch reduzierte Abnahmemengen, die zu einer erhöhten Fixkostenallokation je Einheit führen (Agndal/Nilsson 2009, S. 97). Insbesondere bei einem starken Preisdruck durch den Abnehmer und resultierende niedrige Lieferantenmargen ist eine Offenlegung aus Verhandlungsgründen zu erwarten. So berichten Agndal/Nilsson (2008) von einem Automobilzulieferer, der seine Kosten nur deshalb offenlegt, um seinen Kunden von der Angemessenheit des Preises zu überzeugen (S. 160). Indem der Lieferant seine Kalkulation offen legt, kann er auch das Ziel verfolgen, den Abnehmer von der Ehrlichkeit und Seriosität seines Angebotes vor Vertragsabschluss zu überzeugen. Besonders vor einer langfristigen Bindung an einen Lieferanten muss der Einkäufer davon überzeugt sein, dass das Angebot dauerhaft haltbar ist und er sich nicht baldigen Preiserhöhungen ausgesetzt sieht (Hoffjan/Kruse 2006, S. 96). Letztlich kann auch der Abnehmer ein Open Book Accounting fordern, um die Plausibilität der Preise vor allem im Hinblick auf Gemeinkostenallokationen zu kontrollieren (Ellram 1996, S. 16). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass durch die objektive Transparenz eines Open Book Accounting Kommunikation, Entscheidungen sowie Verhandlungen vereinfacht werden (Dekker 2003; Agndal/Nilsson 2008). Da Open Book Accounting Mindestanforderungen an die Kostenrechnungssysteme der beteiligten Unternehmen stellt, kann eine Einführung von Open Book Accounting auch zum Anlass genommen werden, die Qualität des internen Rechnungswesens zu verbessern. Dekker (2003, S. 14f.) schildert einen Fall, in dem mehrere Lieferanten erst aufgrund der Einführung von Kostentransparenz in der Supply Chain eine Prozesskostenrechnung für ihr Unternehmen erstellen und sich bereits hieraus Ideen zur (internen) Verbesserung von Prozessen bei den Lieferanten ergeben. Die Verbesserung des internen Rechnungswesens als Nebenprodukt einer Einführung von Kostentransparenz führt damit indirekt zu weiteren Kostensenkungen. Als weiteres positives Ergebnis aus der Anwendung eines Open Book Accounting wird die grundsätzliche Stärkung der Beziehung (Carr/Ng 1995, S. 360) sowie der Aufbau von Ver-
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
29
trauen zwischen Abnehmer und Lieferant identifiziert (Seal et al. 1999, S. 320). Auch Dekker (2003) betont, dass Open Book Accounting die Vertrauensbildung zwischen den Vertragspartnern unterstützt, legt aber gleichzeitig dar, dass bereits vor dem Austausch von Kosteninformationen Vertrauen zwischen den beteiligten Unternehmen bestand (S. 19f.). An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob Vertrauen Folge oder Bedingung eines Austausches von Kosteninformationen ist. Hierauf wird ausführlicher in Abschnitt 2.2.4 eingegangen. Die in diesem Abschnitt beschriebenen Funktionen und Folgen von Kostentransparenz legen den Schluss nahe, dass Open Book Accounting eine für Abnehmer und Lieferanten erstrebenswerte Zusammenarbeit darstellt. Gründe, warum dies nicht grundsätzlich stattfindet, sind in den im Folgenden dargestellten Konflikten sowie Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu suchen. 2.2.3
Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten
Als wesentliche Funktion von Open Book Accounting wurde die Unterstützung von unternehmensübergreifenden Kostensenkungen identifiziert (vgl. S. 27). Die Tatsache, dass die Kosten des Abnehmers zu weiten Teilen den Umsätzen der Lieferanten entsprechen (vgl. z. B. Abb. 1), macht deutlich, dass durch den Einsatz von Kostentransparenz regelmäßig die Preise der Lieferanten und damit auch deren Marge unter Druck geraten können. Durch die Kenntnis der Kosten eines Lieferanten erhält der Abnehmer auch Einblick in dessen Marge und kann versuchen, dieses Wissen bei Preisverhandlungen zu seinen Gunsten einzusetzen, wodurch der Lieferant eine geschwächte Verhandlungsposition einnimmt (Dekker 2003, S. 8). Dieser sieht sich nach Offenlegung seiner Kosteninformationen insbesondere bei einer hohen Auftragsrentabilität in einer Position, in der er die Höhe der Marge gegenüber dem Lieferanten begründen bzw. verteidigen muss. Es ist naheliegend, dass Abnehmer und Lieferant unterschiedliche Auffassungen über eine angemessene Marge des Lieferanten haben dürften, vor allem wenn dem Zulieferer im Falle eines einseitigen Open Book Accounting der Einblick in die Ertragssituation des Herstellers verwehrt bleibt. Zwar finden sich in der Literatur Beispiele, in denen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Zusammenarbeit die Reduzierung der Supply Chain Kosten und nicht die Reduktion der Lieferantenmarge bezweckt („we don’t erode their profit margin – only their costs“ - Carr/Ng 1995, S. 358f.). Vielmehr sei es aufgrund der durch Open Book Accounting identifizierten Kostensenkungen gar nicht nötig, die Marge des Lieferanten anzugreifen (Seal et al. 1999, S. 310). Oftmals wird jedoch vermerkt, dass Abnehmer das durch Open Book Accounting gewonnene Wissen zuungunsten der Ertragssituation des Lieferanten verwenden. So weisen Agndal/Nilsson (2009) darauf hin, dass die durch interorganisationales Kostenmanagement erzielten Einsparungen nur zu Beginn der
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A Einführung und Grundlagen
Produktionszeit ausreichen, die Preissenkungen zu kompensieren. Zu späteren Zeitpunkten im Produktionszeitraum dagegen wird die Marge des Lieferanten reduziert (S. 97). An anderer Stelle wird argumentiert, dass zwar grundsätzlich eine Situation erzielt werden sollte, in der beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren, „but the temptation is always to go elsewhere“ (Seal/Berry/Cullen 2004, S. 79). Weitere Darstellungen eines (erwarteten) verstärkten Preisdrucks finden sich beispielsweise bei Munday (1992, S. 249), Lamming et al. (2001, S. 5), McIvor (2001, S. 239f.) und Lamming et al. (2005, S. 558). Lieferanten können einer Offenlegung ihrer Kosteninformationen auch deshalb kritisch gegenüberstehen, weil sie befürchten, dass der Abnehmer diese Daten zum Benchmarking der Lieferanten verwendet. Durch einen Vergleich der Kalkulationen verschiedener Lieferanten kann der Abnehmer sich die jeweils kostengünstigsten Teilpositionen eines Produktes heraussuchen und in Preisverhandlungen diese aus seiner Sicht idealtypische Gesamtkalkulation als Preisforderung vorlegen (Hoffjan/Kruse 2006, S. 96). Dekker (2003, S. 15f.) und Mouritsen/ Hansen/Hansen (2001, S. 233) erwähnen die Durchführung von Benchmarks basierend auf Lieferanten-Kosteninformationen, wobei in diesen beiden Darstellungen keine negative Auswirkung der Benchmarks auf die Lieferantenmarge festgestellt wird. Kajüter/Kulmala (2005, S. 196f.) dagegen stellen ein Benchmarking der Lieferanten explizit als potenziellen Grund für ein Scheitern von Open Book Accounting dar. Ein weiterer Grund, warum Unternehmen den Austausch von Kosteninformationen ablehnen, wird in der Gefahr der potenziellen Weitergabe ihrer Daten an Wettbewerber gesehen (Dekker 2003, S. 8). Ziel einer solchen Weitergabe sei es, die Konkurrenten zu günstigeren Angeboten zu bewegen (Lamming et al. 2005, S. 558; Free 2008, S. 651). Die Ausnutzung der Kenntnis der Lieferanten-Kosteninformationen durch den Abnehmer führt im Ergebnis wiederum zu einer reduzierten Marge des Lieferanten. Die Verteilung der Kooperationsgewinne aus interorganisationalen Kostensenkungen stellt einen weiteren Konfliktpunkt dar. Sofern ein Lieferant keinen (messbaren) Mehrwert durch die Offenlegung seiner Kosteninformationen erfährt, wird er angesichts der dargestellten Risiken einer Offenlegung kritisch gegenüberstehen (Kajüter/Kulmala 2005, S. 195). Die Verfolgung einer „win-win“-Lösung (Seal/Berry/Cullen 2004, S. 79), bei der beide Seiten profitieren, muss jedoch nicht eine Gleichverteilung der Gewinne bedeuten: So stellen Cooper/Slagmulder (2004) lediglich fest, dass es in dem von ihnen beschriebenen Fall wichtig war, dass der Abnehmer nicht alle Gewinne aus der Kooperation für sich vereinnahmt (S. 17). Eine ähnliche Argumentation findet sich auch bei Dekker (2003, S. 19) sowie Dekker (2004, S. 43), wo allen Beteiligten ein „annehmbarer“ bzw. „fairer“ Anteil an den Kooperationsge-
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winnen zugesprochen wird, ohne dass im Detail auf die Bestimmung dieser Größe eingegangen wird. Letztendlich erhalte das mächtigere Unternehmen den Großteil der Gewinne (Cooper/Slagmulder 1999, S. 101), wobei in der Regel der Abnehmer diese Rolle einnimmt (McIvor 2001, S. 241; McIvor/Humphreys 2004, S. 194; Kajüter/Kulmala 2005, S. 200; Lamming et al. 2005, S. 558). Lieferanten bleibt oft lediglich die Möglichkeit, die durch Open Book Accounting identifizierten Ideen zu Kostensenkungen in Geschäftsbeziehungen mit anderen Kunden zu ihrem Vorteil umzusetzen (Ellram 2002, S. 50). Neben diesen Anreizproblemen stehen einer Einführung von Open Book Accounting auch mehrere operative Implementierungshürden entgegen: Selbst wenn der Lieferant prinzipiell bereit wäre, seine Informationen offen zu legen, kann ein Open Book Accounting scheitern, wenn er die relevanten Informationen aufgrund eines inadäquaten Kostenrechnungssystems nicht bzw. nicht zuverlässig erheben kann (Seal et al. 1999, S. 319; McIvor 2001, S. 237; Kulmala/Paranko/Uusi-Rauva 2002, S. 42; Kajüter/Kulmala 2005, S. 196). Gleiches gilt, wenn die Daten aufgrund unterschiedlicher Kostenrechnungssysteme nicht sinnvoll unternehmensübergreifend ausgewertet werden können (McIvor 2001, S. 238; Kulmala/Paranko/ Uusi-Rauva 2002, S. 38; Kajüter/Kulmala 2005, S. 189f.) bzw. keine (geeigneten) personellen Kapazitäten vorhanden sind, um die Daten aufzubereiten und zu analysieren (McIvor/ Humphreys 2004, S. 194; Kajüter/Kulmala 2005, S. 197). Weiterhin können Erstellung und Analyse von interorganisationalen Kostenmodellen so komplex sein, dass sie nicht praktikabel durchführbar sind (Tomkins 2001, S. 183). Als eine in der Literatur bisher unbetrachtete Gefahr beim Einsatz von Open Book Accounting nennen Caglio/Ditillo (2008) die bewusste Übermittlung von verfälschten Kostendaten durch den offen legenden Lieferanten (S. 885f.). Tatsächlich wird ein solches Verhalten lediglich von wenigen Autoren thematisiert: Aus Sicht von Lamming et al. (2001) und Lamming et al. (2005) ist ein solches Verhalten für den Lieferanten bei einem einseitigen Austausch von Kosteninformationen rational und somit von ihm zu erwarten. Dies stellt für ihn die einzige Möglichkeit dar, sich gegen opportunistisches Verhalten seitens des Abnehmers zu schützen. Hierfür gehen Lieferanten regelmäßig sogar so weit, für den Abnehmer eine vollständig verfälschte Kostenrechnung zu erstellen. Analog stuft auch Ellram (2002) Informationen, die Lieferanten zur Verfügung stellen, als potenziell verzerrt ein (S. 41). Zu demselben Ergebnis kommen auch Free (2008), der bei der Anwendung von Open Book Accounting starke Anreize für eine Verfälschung der Kostendaten sieht (S. 653), sowie Piontkowski/Hoffjan (2009), die insbesondere bei einer wahrgenommenen ungerechten Verteilung der Kooperationsgewinne die Übermittlung falscher Kostendaten für möglich halten (S. 74).
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A Einführung und Grundlagen
An dieser Stelle wird deutlich, dass neben den dargestellten Nachteilen für das offen legende Unternehmen und den zu bewältigenden Implementierungshürden auch das Informationen empfangende Unternehmen mit einem opportunistischen Verhalten seines Gegenübers rechnen muss. Tatsächlich finden sich in der Literatur sowohl Beispiele für eine erfolgreiche interorganisationale Zusammenarbeit mit Open Book Accounting als auch solche Fälle, in denen ein Austausch von Kosteninformationen scheitert. Basierend auf diesen Fallbeobachtungen wurden in der Literatur Faktoren identifiziert, die eine erfolgreiche und kooperative Zusammenarbeit im Rahmen eines unternehmensübergreifenden Austausches von Kosteninformationen begünstigen. Eine Darstellung dieser Faktoren folgt im nächsten Abschnitt. 2.2.4
Einflussfaktoren zur Begünstigung von Open Book Accounting
Als wesentlicher Einflussfaktor auf die Einführung eines Open Book Accounting wird in der Literatur die Existenz von Vertrauen zwischen den beteiligten Unternehmen diskutiert. Unter Vertrauen wird die Überzeugung einer Seite in einer Beziehung verstanden, dass die andere Seite nicht gegen ihre Interessen handeln wird, wobei diese Überzeugung nicht von Argwohn begleitet ist oder auf detaillierten Informationen über das Verhalten der anderen Seite beruht (Tomkins 2001, S. 165). Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer wird von vielen Autoren als Voraussetzung für einen Austausch von Kosteninformationen gesehen (vgl. z.B. Carr/Ng 1995, S. 360; Ellram 1996, S. 17; Mouritsen/Hansen/Hansen 2001, S. 225). Eine wichtige Rolle bei der Vereinbarung von Kostentransparenz attestieren Cooper/Slagmulder (2004, S. 16) und Dekker (2004, S. 45) der Existenz von Vertrauen in den von ihnen vorgestellten Beispielen, in denen ein Austausch von sensiblen Daten stattfindet. Auch Tomkins (2001) sieht vor einem Austausch sensibler Informationen die Notwendigkeit einer langfristig angelegten Bindung zwischen den Unternehmen (S. 182). Ähnlich argumentieren Kulmala (2004, S. 73) sowie Seal/Berry/Cullen (2004, S. 89), dass gerade fehlendes Vertrauen ursächlich für ein Scheitern von Open Book Accounting ist. Rückblickend auf Abschnitt 2.2.2 gibt es damit divergierende Auffassungen in der Literatur, ob Vertrauen Folge oder Voraussetzung einer Offenlegung von Kosteninformationen ist (vgl. S. 28). Beide Ansichten sind mit Beispielen belegt und erscheinen grundsätzlich plausibel. Im Hinblick auf die im vorigen Abschnitt dargestellten Konflikte kann man am ehesten der Auffassung von Dekker (2003, S. 19f.) sowie Kajüter/Kulmala (2005, S. 200) folgen, die davon ausgehen, dass es zumindest eines Mindestmaßes an Vertrauen bedarf, bevor sensible Kostendaten ausgetauscht werden – was dann wiederum zu einer stärkeren Vertrauensbasis zwischen den beteiligten Unternehmen führen kann. Die Art der Beziehung zwischen
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
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Unternehmen erhält damit eine entscheidende Bedeutung in der Diskussion um begünstigende Faktoren von Open Book Accounting. Lamming et al. (2001, S. 8) und Lamming et al. (2005, S. 555) weisen allerdings darauf hin, dass die Betrachtung interorganisationaler Beziehungen nicht undifferenziert erfolgen darf: Zwischen Vertragspartnern existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Schnittstellen (Einkauf mit Vertrieb, Entwicklungsingenieure oder Produktionsmanager beider Unternehmen, die zusammen arbeiten, oder die jeweiligen Geschäftsleitungen, die sich untereinander austauschen), so dass es nicht einen einzigen Beziehungskontext zwischen Abnehmer und Lieferant geben kann und sich damit die Frage nach dem Verhältnis zwischen Unternehmen nicht einfach beantworten lässt. Eine klare und handhabbare Definition, wann in den vorliegenden Fallstudiendarstellungen von Vertrauen oder vertrauensvollem Verhalten gesprochen wird, unterbleibt letztlich auch (Free 2008, S. 634). Die Bereitschaft eines Unternehmens, seine Kostendaten gegenüber Vertragspartnern offen zu legen, kann auch durch Sicherungsmechanismen erhöht werden: Als wesentlicher Mechanismus wird in der Literatur die gegenseitige Offenlegung von sensiblen Informationen genannt. So erkennen Seal et al. (1999), dass durch ein gegenseitiges Open Book Accounting die Bildung strategischer Partnerschaften erleichtert wird (S. 321). Auch McIvor/Humphreys (2004) weisen darauf hin, dass sich die mit dem Austausch von Kosteninformationen verbundenen Schwierigkeiten durch eine gegenseitige Kostentransparenz reduzieren lassen (S. 182). Eine weitere Forderung nach gegenseitigem Open Book Accounting findet sich bei Lamming et al. (2001). Hierdurch ist es möglich, die beteiligten Unternehmen zu einem bestimmten und klar definierbaren Grad voneinander abhängig zu machen und somit Opportunismusprobleme zu vermeiden (S. 7). Mit dieser Forderung wird die Aussage von Lamming (1993) noch einmal bekräftigt: „Cost transparency is of no value […] unless it is two-way“ (S. 214). Eine bereits bestehende hohe Abhängigkeit zwischen den Vertragspartnern, beispielsweise durch fehlende Ausweichmöglichkeiten auf andere Unternehmen am Markt, wird ebenfalls als adäquater Sicherungsmechanismus angeführt (Cooper/Slagmulder 2004, S. 15). In dem dort beschriebenen Beispiel wird die Abhängigkeit durch die gegenseitige Offenlegung von sensiblen Informationen noch weiter verstärkt (S. 18). Ein drohender Reputationsverlust bei Missbrauch der erhaltenen Daten wird von Dekker (2003) als zuverlässiger Schutz und somit begünstigend für Open Book Accounting genannt (S. 19). In einer experimentellen Studie weisen zudem Piontkowski/Hoffjan (2009) nach, dass das Angebot einer beziehungsspezifischen Investition einen positiven Einfluss auf die Bereitschaft des Kooperationspartners haben kann, seine Kosteninformationen offen zu legen. Als Beispiel für ein solches spezifisches Investment
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A Einführung und Grundlagen
geben die Autoren den Bau einer Förderanlage zwischen den Fertigungsstätten des Lieferanten an, die von beiden beteiligten Unternehmen zu gleichen Teilen finanziert wird (S. 75). Die Bereitschaft Kostentransparenz umzusetzen kann weiterhin durch positive finanzielle Anreize erhöht werden. Bereits in Abschnitt 2.2.2 wurde dargelegt, dass fehlende Anreize zur Ablehnung von Open Book Accounting führen können. Neben einer gewissen Beteiligung an den erzielten Kooperationsgewinnen können aber auch eine vereinbarte längerfristige Bindung des Lieferanten an den Abnehmer oder erhöhte Absatzvolumina einen solchen Anreiz für den Lieferanten bieten (vgl. z.B. Carr/Ng (1995, S. 360); Cooper/Slagmulder (2004, S. 17). Neben positiven Anreizen wird auch die Machtposition eines Unternehmen als Faktor angeführt, durch den ein Vertragspartner zu einer Offenlegung seiner Kostenposition bewegt werden kann. So stellen Seal et al. (1999) fest, dass Open Book Accounting nicht zwangsläufig auf Partnerschaft und Vertrauen basiert, sondern auch erzwungen sein kann (S. 310). Carr/Ng (1995) beschreiben den Fall, dass die Lieferanten zwar oft an einer Teilnahme interessiert waren, in manchen Fällen aber auch nicht in einer Verhandlungsposition waren, in der sie sich dagegen hätten sperren können (S. 358). Ähnlich wird auch bei Seal/Berry/Cullen (2004) berichtet, dass ein Abnehmer bei fehlender Marktmacht eine Offenlegung der Kosteninformationen durch die Lieferanten nicht durchsetzen konnte (S. 85), während er dies in Beziehungen konnte, in denen er der dominante Partner war (S. 89). Auch Kajüter/Kulmala (2005) stellen fest, dass eine asymmetrische Machtverteilung die (zwangweise) Offenlegung von Kostendaten begünstigen kann. Allerdings ist damit noch nicht sicher gestellt, dass auch ein erfolgreiches Open Book Accounting erreicht wird, das zu einer Senkung der Supply Chain Kosten führt (S. 200). Letztendlich bleibt es jedoch schwierig zu unterscheiden, ob ein bestimmtes Verhalten durch Macht oder andere Einflüsse wie beispielsweise eine vertrauensvolle Beziehung ausgelöst wurde (Seal/Berry/Cullen 2004, S. 89). Während die bisher dargestellten Faktoren darauf abzielen, die Bereitschaft zu Kostentransparenz zu beeinflussen, existieren weitere Ansatzpunkte, durch welche die in Abschnitt 2.2.3 beschriebenen Implementierungshürden überwunden werden sollen. In diesem Zusammenhang wird eine aktive Unterstützung des jeweils schwächeren Vertragspartners bei der Umsetzung von Open Book Accounting durch das fokale Unternehmen als relevanter Hebel identifiziert, einen Austausch von Kosteninformationen zwischen Unternehmen zu ermöglichen (Kajüter/Kulmala 2005, S. 199). Da große Unternehmen bessere Möglichkeiten haben, diese Unterstützung zu geben und dort gleichzeitig auch regelmäßig weniger Implementierungsprobleme auftreten, wird auch die Firmengröße als weiterer Faktor genannt, der die Anwendung von Open Book Accounting beeinflusst (Kajüter/Kulmala 2005, S. 198).
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
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Kulmala (2004) bedient sich einer Teilmenge der hier dargestellten Einflussfaktoren zur Begünstigung von Open Book Accounting und stellt basierend auf einer explorativen Studie in drei Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen einen Analyserahmen vor, anhand dessen abge-
Gegenseitiges Geschäftsvolumen
leitet werden könne, ob in einer bestimmten Geschäftsbeziehung ein Gelingen von Open Book Accounting zu erwarten sei.
Hoch
Niedrig Nicht Ausreichend ausreichend
Abnehmerdominanz
ve Ma rh ch äl ttn is
Lieferantendominanz
Vertrauen Höchstes Potenzial für OBA
Abb. 9:
Einflussfaktoren auf den Erfolg von Open Book Accounting Quelle: Kulmala (2004, S. 75).
Demnach ist die Einführung von Open Book Accounting insbesondere bei einem hohen gegenseitigen Geschäftsvolumen (entspricht gegenseitiger Abhängigkeit und damit einem Sicherungsmechanismus) und einer ausreichenden Vertrauensbasis zwischen den Unternehmen erfolgversprechend. Eine Machtasymmetrie zugunsten des Abnehmers wird als zusätzlich fördernd angesehen. Kulmala (2004) weist allerdings selbst darauf hin, dass die Validität des Konstruktes weder empirisch getestet ist noch Rückschlüsse möglich sind, inwiefern das Fehlen einzelner Einflussfaktoren (z.B. eine unzureichende Vertrauensbasis) durch andere Faktoren kompensiert werden kann. Zum Abschluss dieses Kapitels werden im folgenden Abschnitt die bereits dargestellten Themenfelder in der bisherigen Forschung zum Open Book Accounting überblickartig dargestellt und als Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung herangezogen.
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2.2.5
A Einführung und Grundlagen
Ausgangssituation: Erfordernis einer gesamtheitlichen Betrachtung zum Open Book Accounting
Wie in den vorangegangenen Abschnitten dargestellt, finden sich in der Literatur bereits seit den 1990er Jahren Hinweise zu einem Austausch von Kosteninformationen zwischen Geschäftspartnern. Einen Überblick dazu, wo die beschriebenen Funktionen und Folgen, Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten sowie Einflussfaktoren zur Begünstigung von Open Book Accounting bereits Erwähnung in der Literatur gefunden haben, liefert Tab. 2. Es wird hierbei deutlich, dass nicht nur die Mehrzahl der Veröffentlichungen aus der jüngeren Vergangenheit stammt, sondern sich die Forschungsbemühungen auch auf eine überschaubare Gruppe von Autoren konzentriert.
Begünstigende Einflussfaktoren
Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten
Funktionen und Folgen
Piontkowski/Hoffjan 2009
Agndal/Nilsson 2009
Free 2008 Hoffjan/Linnenbrink/Piontkowski 2008 Möller/Isbruch 2008b
Agndal/Nilsson 2008
Hoffjan/Kruse 2006
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Lamming et al. 2005
Kajüter/Kulmala 2005
Seal/Berry/Cullen 2004
McIvor/Humphreys 2004
Kulmala 2004
Dekker 2004
Cooper/Slagmulder 2004
2002 Dekker 2003
Tomkins 2001 Axelsson/Laage-Hellman/Nilsson 2002 Kulmala/Paranko/Uusi-Rauva
Mouritsen/Hansen/Hansen 2001
McIvor 2001
Lamming et al. 2001
Seal et al. 1999
Ellram 1996
Carr/Ng 1995
Munday 1992
2 Inhaltliche Einführung und Darstellung der Forschungsgrundlagen
Verbesserung Rechnungswe sen Stärkung Beziehung Margendruck Benchmarking Datenweitergabe Gewinn verteilung Implementie rungshürden Daten manipulation Vertrauen Sicherungs mechanismen Finanzielle Anreize Machtverhältnis Umsetzungs unterstützung = Diskussion bzw. Erwähnung im Zusammenhang mit Open Book Accounting Kostensenkung Preisbegründung
Tab. 2:
Themenfelder in der Literatur zum Open Book Accounting
Bei der inhaltlichen Analyse wird deutlich, dass bisher vornehmlich die Themen Kostensenkung, der aus einer Offenlegung resultierende Margendruck sowie die Rolle von Vertrauen in der Literatur Beachtung gefunden haben. Die Preisbegründung mittels eines Open Book
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A Einführung und Grundlagen
Accounting wird dagegen ebenso selten untersucht wie die Gefahr der Datenweitergabe oder gar der opportunistischen Verfälschung der ausgetauschten Daten. Auch zeigt sich, dass die meisten Veröffentlichungen sich bisher auf die Behandlung weniger Themenfelder konzentrieren, lediglich wenige Ausnahmen (z.B. Carr/Ng 1995; Dekker 2003; Kajüter/Kulmala 2005; Hoffjan/Kruse 2006; Piontkowski/Hoffjan 2009) geben ein umfassenderes Bild zu Open Book Accounting ab. Darüber hinaus lässt sich die Feststellung von Agndal/Nilsson (2008) bestätigen, dass die meiste Literatur, die sich mit Open Book Accounting befasst, dieses nur beiläufig erwähnt (S. 164). Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, die Bedeutung des Einsatzes von Open Book Accounting in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen umfassend zu untersuchen und sich nicht auf einzelne Themen zu beschränken. Neben der Beantwortung der Frage nach der praktischen Relevanz von Kostentransparenz an sich und der jeweiligen Funktionen geht es auch darum aufzudecken, welche Möglichkeiten sich dem Anwender bieten, auftretenden Problemen zu begegnen. Die Gefahr der Datenmanipulation ist dabei eine noch weitgehend unbetrachtete Schwierigkeit. Allein die Möglichkeit einer solchen Datenmanipulation verdeutlicht, dass auch bei Offenlegung eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Validität der Angaben und der Absichten des Kooperationspartners bleibt. Der regelmäßige Verweis auf erforderliches Vertrauen zwischen den beteiligten Unternehmen führt zu einer engen Einschränkung des Anwendungsspektrums von Open Book Accounting, geht man davon aus, dass in vielen wettbewerblich geprägten Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen ein Vertrauen nicht immer vorhanden sein dürfte. Inwiefern die Praxis diesem Problem begegnet, ist daher auch Gegenstand dieser Untersuchung. Vor dem Hintergrund potenziell vielfältiger Anwendungsmöglichkeiten von Open Book Accounting soll auch geprüft werden, inwiefern eine Systematisierung verschiedener Ansätze zum Open Book Accounting möglich erscheint. Hierauf basierend könnten dann auch individuelle Anwendungshilfen zur Implementierung einer offenen Kalkulation erarbeitet werden.
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen dieser Arbeit dargestellt. Vor dem Hintergrund, dass Open Book Accounting in der vorliegenden Literatur oftmals nur am Rande Erwähnung findet (vgl. S. 38), wird hier auf die allgemeinere und umfassender betrachtete Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement zurückgegriffen, unter der die spezielleren Fragestellungen des Open Book Accounting untersucht werden. Zunächst erfolgt eine Vorstellung und kritische Würdigung der bisher in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement diskutierten theoretischen Erklärungsansätze. Hierauf aufbauend wird im Anschluss ein eigenes Erklärungsmuster als Grundlage der empirischen Untersuchung entwickelt.
3.1 Erklärungsansätze in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement 3.1.1
Transaktionskostentheorie
3.1.1.1 Grundlagen Die Transaktionskostentheorie geht auf die grundlegende Erkenntnis von Coase (1937) zurück, dass die Abwicklung von Transaktionen über den Markt nicht kostenlos erfolgt, sondern mit spezifischen Kosten verbunden ist (S. 390). Als Beispiel führt Coase in diesem Zusammenhang die bei einer marktlichen Transaktion anfallenden Verhandlungs- und Abschlusskosten an (S. 390f.). Die Entwicklung zur Transaktionskostentheorie erfolgte basierend auf dieser Erkenntnis maßgeblich durch Oliver Williamson, dessen zahlreiche Veröffentlichungen in Williamson (1985) bzw. in der deutschen Version Williamson (1990) systematisch zusammengefasst sind (Schumann/Meyer/Ströbele 2007, S. 488) und welche die wesentlichen Grundlagen der folgenden Darstellungen sind. Die Transaktionskostentheorie ist Bestandteil der Neuen Institutionenökonomie (Williamson 1990, S. 19) und basiert auf der Grundannahme, dass institutionelle Arrangements hauptsächlich getroffen werden, um die bei einer ökonomischen Aktivität entstehenden Transaktionskosten zu minimieren (Williamson 1990, S. 19; Sydow 1992, S. 130; Stölzle 1999, S. 34). Unter Transaktionskosten versteht Williamson (1990) die „Betriebskosten der Volkswirtschaft“ (S. 21) und unterscheidet zwischen ex-ante und ex-post Transaktionskosten. Als Beispiele für Transaktionskosten, die vor Vertragsabschluss entstehen, nennt Williamson die „Kosten für Entwurf, Verhandlungen und Absicherung einer Vereinbarung“ (S. 22). Als expost-Transaktionskosten versteht er diejenigen Anpassungskosten, die dadurch entstehen, dass
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A Einführung und Grundlagen
vor Vertragsabschluss aufgrund fehlender Informationen oftmals falsche Entscheidungen getroffen werden, die im Nachhinein korrigiert werden müssen. Auch die Kosten zur Überwachung und Absicherung von Vereinbarungen werden von Williamson als ex-postTransaktionskosten genannt (S. 24). Picot (1982) unterteilt die Transaktionskosten in Anbahnungskosten, Vereinbarungskosten, Anpassungskosten sowie Kontrollkosten (S. 270) und bestätigt damit die bei Williamson dargestellten Formen der Transaktionskosten. Williamson (1990) stützt die Transaktionskostentheorie auf zwei wesentliche Verhaltensannahmen der beteiligten Individuen, nämlich der Annahme begrenzter Rationalität sowie opportunistischen Verhaltens (S. 49-59). Unter begrenzter Rationalität versteht er Simon (1961) folgend, dass die Akteure zwar versuchen, rational zu handeln, dies aber aufgrund einer „Begrenztheit unserer Erkenntnisfähigkeit“ (S. 52) nur eingeschränkt erreichen können. Vollständige Verträge, die alle zukünftigen Eventualitäten abbilden, sind aufgrund der begrenzten Rationalität der Akteure ausgeschlossen, wodurch die oben beschriebenen „Kosten der Planung, Anpassung und Überwachung von Transaktionen“ (S. 52) entstehen. Die unvollständigen Informationen erlauben erst opportunistisches Verhalten (Scherm/Pietsch 2007, S. 50). Unter der Annahme opportunistischen Verhaltens der Akteure versteht Williamson (1990) die „Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List“ (S. 54) und betont explizit, dass dieses Verhalten „Lügen, Stehlen und Betrügen“ (S. 54) einschließt, sich aber nicht darauf beschränkt. Neben den Verhaltensannahmen führt Williamson (1990) auch die drei Transaktionsdimensionen Faktorspezifität, Unsicherheit und Häufigkeit an, die die Höhe der Transaktionskosten beeinflussen. Der Faktorspezifität wird dabei die höchste Bedeutung beigemessen (S. 59). Spezifische Faktoren bezeichnen diejenigen Investitionen, die an der Transaktion beteiligte Personen tätigen und die „nicht oder nur unrentabel für eine andere Transaktion verwendbar sind“ (Scherm/Pietsch 2007, S. 50). Darunter fallen beispielsweise solche Produktionsanlagen, die sehr nah am Standort des Transaktionspartners errichtet werden und dadurch niedrige Transportkosten ermöglichen, damit aber gleichzeitig auch eng an die Vertragsbeziehung mit dem Geschäftspartner gebunden sind (Standortspezifität, Williamson 1990, S. 108). Als weiteres Beispiel nennt Williamson (1990) Spezialpressen, sofern diese sich im Eigentum des Lieferanten befinden und diese lediglich für die spezifische Fertigung der kundenindividuellen Teile Verwendung finden können (S. 108). Dadurch, dass der investierende Vertragspartner damit an die Transaktion gebunden ist bzw. ein Wechsel des Transaktionspartners nur schwer oder mit hohen Kosten möglich ist, ergeben sich dem anderen Partner Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten.
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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In Bezug auf die Transaktionsunsicherheit unterscheidet Williamson (1990) zwischen Unsicherheit über die situativen Rahmenbedingungen der Transaktion und der Unsicherheit über das Verhalten des Vertragspartners (Verhaltensunsicherheit). Erstere entsteht dadurch, dass die angenommene beschränkte Rationalität es nicht erlaubt, a priori eine Strategie zu entwickeln, die alle möglichen zukünftigen Ereignisse berücksichtigt (S. 65). Letztere ist dadurch begründet, dass sich der anderen Partei Möglichkeiten zu opportunistischem Handeln ergeben (S. 66), wobei ein solches Verhalten aufgrund der „begrenzten Information für den Einzelnen nicht mit Gewissheit vorauszusehen ist“ (Stölzle 1999, S. 37). Als letzte die Höhe der Transaktionskosten beeinflussende Dimension führt Williamson (1990) die Transaktionshäufigkeit ein. Diese ist für die Transaktionskostenbetrachtung relevant, da in Abhängigkeit der Transaktionshäufigkeit mögliche Skalen- und Verbundvorteile hinsichtlich der Produktionskosten entstehen können, die in der Lage sind, potenzielle Transaktionskosteneinsparungen bestimmter institutioneller Arrangements zu übersteigen. Williamson verlangt vor diesem Hintergrund eine gleichzeitige Betrachtung und Optimierung der Produktions- und Transaktionskosten (S. 69). Die Wahl des optimalen institutionellen Arrangements erfolgt unter Berücksichtigung der sich ergebenden Transaktionskosten und muss auch sich möglicherweise unterscheidende Produktionskosten berücksichtigen (Stölzle 1999, S. 40). Betrachtete Organisationsformen umfassen Markt und Hierarchie als Extremfälle sowie hybride Formen oder Kooperationen als intermediäre Formen. Unter der Annahme gleich hoher Produktionskosten lassen sich Vorteilhaftigkeitskriterien in Bezug auf verschiedene institutionelle Arrangements unter Berücksichtigung unterschiedlicher Ausprägungen der Transaktionsdimensionen ableiten, wobei regelmäßig die Dimension der Transaktionshäufigkeit unbetrachtet bleibt (Stölzle 1999, S. 40). Tendenziell bietet sich der Markt bei niedriger Spezifität und Unsicherheit als effizienteste Organisationsform an, während Hierarchie bei hoher Spezifität und Unsicherheit Vorteile bietet. Hybridformen nehmen eine Mittelstellung ein und stellen damit bei mittleren Spezifitäts- und Unsicherheitsniveaus ein transaktionskostenoptimales institutionelles Arrangement dar. 3.1.1.2 Anwendung in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement In Veröffentlichungen zum interorganisationalen Kostenmanagement stellt die Transaktionskostentheorie die häufigste theoretische Grundlage dar (Håkansson/Lind 2007, S. 894). Bezug nehmend auf die Darstellung bei Håkansson/Lind (2007) sollen im Folgenden eine Auswahl der relevanten Veröffentlichungen und die dort vorgenommene transaktionskostentheoretische Fundierung vorgestellt werden.
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A Einführung und Grundlagen
Seal et al. (1999) beschreiben ein Forschungsprojekt bei zwei Industriebetrieben, die die Gründung einer strategischen Partnerschaft anstreben, um gemeinsam Kostensenkungen durchzuführen. Die beiden Unternehmen befinden sich zum Zeitpunkt der Studie in einer bereits seit 25 Jahren existierenden Zuliefer-Abnehmer-Beziehung, wobei aufgrund opportunistischen Verhaltens des Abnehmers in der Vergangenheit kein vertrauensvolles Verhältnis zwischen ihnen besteht (S. 313). Die Untersuchung des Falles in einem transaktionskostentheoretischen Kontext begründen die Autoren damit, dass die Geschäftsbeziehung trotz ihrer bisherigen Organisation als „arms-length-relationship“ (S. 313) wesentliche Merkmale einer hybriden, kooperativen Organisationsform aufweist und der beabsichtigte Aufbau der strategischen Partnerschaft als ein Übergang zu einem anderen institutionellen Arrangement zu verstehen ist. Transaktionskostentheoretisch zu erwartende Probleme einer solchen Allianzbildung wie unter anderem ein erhöhtes Risiko opportunistischen Verhaltens oder mit der Allianz einhergehende Kontrollverluste bestätigen die Autoren für den von ihnen beobachteten Fall (S. 305). Sie untersuchen dabei unter anderem, welche Rolle der Austausch von Kosteninformationen beim Aufbau der strategischen Partnerschaft spielt. Sie kommen zu dem Schluss, dass Kosteninformationen eine wesentliche unterstützende Rolle für den Aufbau von kollaborativen Geschäftsbeziehungen zukommt (S. 320). Die Autoren stellen weiterhin fest, dass im Idealfall beide beteiligten Unternehmen beim Aufbau einer strategischen Allianz gegenseitig Einblick in Kosten und Umsätze geben und so die Zusammenarbeit entscheidend vereinfachen (S. 321). Aus transaktionskostentheoretischer Sicht führen Open-BookVereinbarungen damit zu einer Reduktion der Transaktionskosten. Auf der anderen Seite ist jedoch gerade auch die Offenlegung selbst für die beteiligten Unternehmen mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden, sei es direkt durch vorher erforderliche Verbesserungen an den internen Kostenrechnungssystemen (S. 319) oder indirekt durch befürchtete Diskussionen über die korrekte Definition der Kosten (S. 314). Letztendlich kommt ein vollständiger und detaillierter Austausch von Kosteninformationen zwischen den Vertragspartnern im Beobachtungszeitraum nicht zustande (S. 321). Auch Dekker (2003) interpretiert seine Beobachtungen zum Austausch von Kosteninformationen zwischen Lieferanten und einem Einzelhandelskonzern anhand der Transaktionskostentheorie: Der Konzern hatte beschlossen, kooperative Beziehungen zu seinen Lieferanten aufzubauen, um mit ihnen gemeinsam die Leistung der Supply Chain zu verbessern. Zuvor war das Verhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer weitgehend von unkooperativem Verhalten geprägt (S. 10) und entsprach einer rein marktlichen Koordinationsform. Ein prozesskostenbasiertes Modell der Wertschöpfungskette, in das Kosteninformationen der Lieferanten und des Abnehmers eingingen (S. 14), soll daraufhin Analysen zur Verbesserung der Kosten-
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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situation erlauben (S. 15). Die Offenlegung dieser Kosteninformationen setzt die Lieferanten der Gefahr einer opportunistischen Ausnutzung durch den Abnehmer aus, der dieses Wissen bei zukünftigen Preisverhandlungen zu seinem Vorteil einsetzen kann (S. 18f.). Die Tatsache, dass es dennoch zu einem Austausch kommt, sieht Dekker darin begründet, dass es zum einen ausreichend Sicherungsmechanismen gab, die ein solches opportunistisches Verhalten vermeiden konnten, zum anderen auch eine faire Verteilung der Kooperationsgewinne vereinbart wurde. In Bezug auf die Sicherungsmechanismen verweist er auf die Reputation des Abnehmers im Netzwerk, das Vertrauen, das die Lieferanten dem Abnehmer entgegen brachten sowie auch die eigenen Bemühungen des Abnehmers, der die geplante Nutzung der Daten ausführlich darlegte (S. 19). Dekker beschreibt weiterhin einen sich selbst verstärkenden Prozess des Vertrauenzuwachses, nachdem das System implementiert war und die Lieferanten die Auswirkungen selbst beurteilen konnten (S. 20). Aus transaktionskostentheoretischer Sicht führt die engere Zusammenarbeit also zunächst zu höheren Transaktionskosten, da die Unsicherheit über das Verhalten des Vertragspartners mit einer größeren Möglichkeit zu opportunistischem Verhalten ansteigt. Erst die dargestellten Sicherungsmechanismen können eine Reduzierung der Unsicherheit und damit auch der Transaktionskosten erreichen. Zu beachten ist, dass über die Transaktionskostenbetrachtung hinaus die Gesamtkosten bestehend aus Produktions-, Distributions und Transaktionskosten in dem neu gewählten institutionellen Arrangement verbessert werden und die Wahl damit das in Abschnitt 3.1.1.1 dargelegte Effizienzkriterium erfüllt. Eine weitere an der Transaktionskostentheorie orientierte Darstellung mit Bezug zum interorganisationalen Kostenmanagement findet sich bei Dekker (2004). Die in der Transaktionskostentheorie zentralen Determinanten der Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit sind grundlegend für Opportunismusbefürchtungen in interorganisationalen Beziehungen (S. 28f.), wodurch ein Kontrollproblem entsteht. Ein weiteres Problem resultiert gemäß Dekker daraus, dass die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit mit dem Ziel, Wert zu schaffen, koordiniert werden muss (S. 30). Zur Behebung dieser Kontroll- und Steuerungsprobleme sieht Dekker in seinem theoretischen Rahmen formelle und informelle Mechanismen vor (S. 32ff.). Open Book Accounting kommt in diesem Zusammenhang eine mehrschichtige Rolle zu: Die formelle Kontrolle und Steuerung wird durch Open Book Accounting unterstützt, da erst dadurch die in der Allianz erzielten Kostensenkungen erfasst werden können und so die Grundlage für das finanzielle Anreizsystem geschaffen wird, das für sich genommen ebenfalls ein Steuerungsinstrument darstellt (S. 43). Ein wesentlicher informeller Kontrollmechanismus stellt das zwischen den Unternehmen bestehende Vertrauen dar. Dadurch, dass die Kosteninformationen auf der einen Seite offen gelegt, auf der anderen Seite aber nicht zum Nachteil
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A Einführung und Grundlagen
des Vertragspartners genutzt werden, wird das Vertrauen zwischen den beteiligten Unternehmen weiter gestärkt (S. 45). Die Offenlegung von Kosteninformationen führt damit also zu einer Verbesserung sowohl der informellen als auch der formellen Steuerungs- und Kontrollmechanismen und insgesamt zu einer besseren interorganisationalen Zusammenarbeit (S. 47). Cooper/Slagmulder (2004) setzen die in der Transaktionskostentheorie diskutierten relationalen Kontexte von Markt über hybride Formen zur Hierarchie in Bezug auf die jeweils verwendeten Kostenmanagementtechniken in der Produktentwicklung. In den drei von ihnen untersuchten japanischen Unternehmensnetzwerken stellen die Autoren fest, dass die Zusammenarbeit in der Produktentwicklung und damit auch der Austausch sensibler Informationen umso enger ist, je enger der relationale Kontext zwischen den Unternehmen ist. Auch sind die die über interorganisationales Kostenmanagement erzielten Einsparungen bei einem engen relationalen Kontext größer (S. 20-23). Im Rahmen der Untersuchung wird wie bei den oben dargestellten Arbeiten auch auf die Bedeutung der Vermeidung von opportunistischem Verhalten und entsprechende Schutzmechanismen hingewiesen. Neben gegenseitiger Abhängigkeit und Vertrauen wird auch die gegenseitige Kenntnis sensibler Informationen als Schutzmechanismus beschrieben. Besteht keine oder nur eine geringe Abhängigkeit zwischen den Unternehmen kann auch der Marktpreis als adäquater Schutzmechanismus gesehen werden (S. 18). 3.1.2
Agency-Theorie
3.1.2.1 Grundlagen Die Agency-Theorie ging aus der wissenschaftlichen Analyse der Risikoteilung zwischen zwei kooperierenden Parteien unterschiedlicher Risikoneigung hervor und ergänzte dieses Problem um die Betrachtung des sogenannten Agenturproblems, das entsteht, wenn kooperierende Parteien bei unterschiedlichen Zielsystemen Arbeitsteilung betreiben (Eisenhardt 1989a, S. 58). Wesentliche Beiträge aus der Entwicklungsphase der Agency-Theorie stammen von Ross (1973) und Jensen/Meckling (1976). Während die Transaktionskostentheorie Aussagen zur Vorteilhaftigkeit verschiedener institutioneller Arrangements vor dem Hintergrund unterschiedlicher Transaktionsumgebungen macht, steht im Kern der Agency-Theorie die Analyse und Gestaltung von Vertragsbeziehungen zwischen Auftraggeber (Prinzipal) und Auftragnehmer (Agent) (Eisenhardt 1989a, S. 64; Stölzle 1999, S. 50f.; Scherm/Pietsch 2007, S. 50). Hierbei kann Bezug nehmend auf Jensen/Meckling (1976) zwischen einer positiven und einer normativen Agency-Theorie unterschieden werden: Die normative Agency-Theorie (Prinzipal-Agent-Theorie im engeren Sinne,
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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Stölzle 1999, S. 52) sucht nach (anreizoptimalen) Vertragsarrangements, die dazu führen, dass der Agent sich so verhält, dass der Ertrag für den Prinzipal trotz gegebener Unsicherheit und mangelhafter Beobachtungsmöglichkeit maximiert wird (Jensen/Meckling 1976, S. 309f.). Dieser üblicherweise formalanalytische Ansatz findet sich bspw. bei Ross (1973). Die bei Jensen/Meckling (1976) dargestellte positive Agency-Theorie dagegen beschreibt und erklärt diejenigen Steuerungsmechanismen, die dazu geeignet sind, das Agenturproblem zu lösen und ist dabei weniger mathematisch geprägt als der normative Ansatz (Eisenhardt 1989a, S. 59). Annahmegemäß sind sowohl Prinzipal als auch Agent Nutzenmaximierer (Ross 1973, S. 134), handeln aber nur begrenzt rational und opportunistisch (Eisenhardt 1989a, S. 58f.). Da die Zielsysteme der beiden Akteure unterschiedlich sind (Eisenhardt 1989a, S. 61) bzw. durchaus auch entgegengesetzt sein können (Stölzle 1999, S. 51; Scherm/Pietsch 2007, S. 58) und Informationsasymmetrien zwischen ihnen bestehen (Eisenhardt 1989a, S. 61) entsteht das Agenturproblem. Diskutierte Formen der Informationsasymmetrien umfassen hidden characteristics, hidden intention sowie hidden action. Hidden characteristics oder Qualitätsunsicherheit bezeichnet die Annahme, dass der Prinzipal die Eigenschaften des Agenten vor Vertragsabschluss nicht mit Sicherheit erkennen kann. Der Agent hat auf der anderen Seite ein Interesse daran, die für den Prinzipal unvorteilhaften Eigenschaften zu verheimlichen. Der Prinzipal geht mit dem Vertragsabschluss daher das Risiko ein, einen ungeeigneten Vertragspartner auszuwählen, was als adverse selection bezeichnet wird (Eisenhardt 1989a, S. 61; Stölzle 1999, S. 56f.; Picot/Dietl/Franck 2005, S. 74f.; Scherm/Pietsch 2007, S. 56f.). Als hidden intention werden die für den Prinzipal vor und nach Vertragsabschluss verborgenen Absichten des Agenten bezeichnet: Der Prinzipal kann also nicht (zweifelsfrei) beurteilen, inwiefern der Agent opportunistisch handelt und sieht sich bei Vertragsabschluss der Gefahr eines hold-up ausgesetzt. Inhaltlich ist diese Gefahr vergleichbar mit der in der Transaktionskostentheorie diskutierten opportunistischen Ausnutzung des Vertragspartners, nachdem dieser eine spezifische Investition getätigt hat (Stölzle 1999, S. 56f.; Picot/Dietl/Franck 2005, S. 76; Scherm/Pietsch 2007, S. 56f.). Die Nichtbeobachtbarkeit der Aktivitäten des Agenten durch den Prinzipal wird als hidden action bezeichnet. Dieser kann zwar das Ergebnis der Tätigkeit des Agenten beurteilen, daraus aber keine Rückschlüsse auf dessen Anstrengungen ableiten, da neben der Leistung des Agenten auch externe Störgrößen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis haben. Dem Agenten ist es damit möglich, weniger als vereinbart zu leisten und die Folgen seiner Minderleistung
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A Einführung und Grundlagen
auf die Umwelteinflüsse zu schieben. Die in diesem Zusammenhang für den Prinzipal auftretende Gefahr wird als moral hazard oder shirking bezeichnet (Eisenhardt 1989a, S. 61; Stölzle 1999, S. 57; Picot/Dietl/Franck 2005, S. 75; Scherm/Pietsch 2007, S. 57f.). Die positive Agency-Theorie bedient sich zur Bewertung unterschiedlicher vertraglicher Arrangements zwischen Prinzipal und Agent dem Konstrukt der Agenturkosten, die sich nach Jensen/Meckling (1976) aus den Kontrollkosten des Prinzipals (monitoring expenditures), den Garantiekosten des Agenten (bonding expenditures) sowie dem darüber hinaus verbleibenden Wohlfahrtverlust (residual loss) zusammensetzen. Die Kontrollkosten umfassen nicht nur die Kosten für die Beobachtung der Aktivitäten des Agenten, sondern auch jegliche Kosten für Steuerungsmechanismen (Anreize). Die Garantie- bzw. Signalisierungskosten bezeichnen dagegen die dadurch beim Agenten anfallenden Kosten, dass er dem Prinzipal glaubhaft machen will, dass er keine den Prinzipal schädigenden Aktivitäten unternimmt bzw. hierfür eine Entschädigung in Aussicht stellt. Jensen/Meckling (1976) gehen davon aus, dass es zusätzlich noch einen Unterschied zwischen der tatsächlichen Entscheidung des Agenten und der aus der Sicht des Prinzipals nutzenmaximierenden Entscheidung gibt. Die in Geld bewertete (negative) Folge dieses Verhaltens bezeichnen sie als verbleibenden Wohlfahrtsverlust (S. 308). Die positive Agency-Theorie beurteilt die Vorteilhaftigkeit verschiedener vertraglicher Arrangements anhand eines Vergleiches der anfallenden Agenturkosten, der mit dem Kostenvergleich im Rahmen der Transaktionskostentheorie vergleichbar ist (Scherm/Pietsch 2007, S. 61). 3.1.2.2 Anwendung in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement Auch agencytheoretische Überlegungen stellen regelmäßig die theoretische Grundlage von Veröffentlichungen zum interorganisationalen Kostenmanagement dar. Ausgangssituation ist üblicherweise, dass zur Verbesserung der Effizienz einer Supply Chain Investitionen eines Unternehmens in neue Technologien erforderlich sind, die Kostensenkungen jedoch bei dessen Vertragspartner anfallen. Dadurch werden eigentlich vorteilhafte Investitionen nicht durchgeführt (Håkansson/Lind 2007, S. 894). Die Suche nach denjenigen anreizoptimalen Mechanismen, die dieses Agenturproblem lösen, steht im Kern der im Folgenden dargestellten Untersuchungen zum interorganisationalen Kostenmanagement. Gietzmann (1996) beschreibt in seiner Darstellung japanisch geprägter Lieferanten-Abnehmer Beziehungen in der Automobilindustrie genau dieses Agenturproblem, dass ein Lieferant grundsätzlich vorteilhafte beziehungsspezifische Investitionen vermeidet, weil er sich damit in eine potenzielle hold-up Situation durch den Abnehmer begeben würde (S. 615). Der Autor untersucht hiervon ausgehend diejenigen Anreizmechanismen, die geeignet sind, den Liefe-
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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ranten zur Investition zu motivieren, aber gleichzeitig eine umgekehrte hold-up Situation zu vermeiden. Ein möglicher Bindungsmechanismus, der dem Lieferanten nichtopportunistisches Verhalten seitens des Abnehmers signalisiert, wird im Aufbau von Vertrauen gesehen. Hierbei wird betont, dass damit nicht ein naives Vertrauen in Form von Hoffen gemeint ist (S. 616), sondern stattdessen die Reputation des Abnehmers als guter Geschäftspartner dazu führt, dass Lieferanten auf kooperatives Verhalten seitens des Abnehmers vertrauen (S. 620). Im Gegenzug (sowohl zur Vermeidung opportunistischen Verhaltens des Lieferanten als auch für potenzielle Beratungszwecke) erwartet der Abnehmer einen umfassenden Informationsaustausch und unter anderem Einblick in die Kosten der Lieferanten, was gleichsam auch eine Steigerung des Vertrauens zur Folge haben kann (S. 618). Als Motivation für den Lieferanten, kontinuierliche Verbesserungen zu erreichen und dazu auch die beziehungsspezifischen Investitionen durchzuführen, werden Lieferantenbewertungssysteme angeführt, nach denen gut bewertete Lieferanten bessere Chancen auf zukünftige profitable Aufträge bekommen. Dem Konzept der Agenturkosten kommt in der Darstellung bei Gietzmann wesentliche Bedeutung zu: Sowohl die nötigen Anreizmechanismen, die Lieferanten zum gewünschten Verhalten zu bewegen (Aussicht auf längere Vertragsbeziehungen, Belohnungen bei guter Leistung, Unterstützung bei Kostensenkungen) als auch die Kontrollmechanismen (Informationsaustausch, Aufbau Reputation) sind mit erheblichen Kosten verbunden (S. 623f.). Daraus folgt, dass engere kooperative Beziehungen nur mit bestimmten Lieferanten bzw. für bestimmte Vorhaben vorteilhaft sind, in denen die Vorteile der Kooperation die Agenturkosten übersteigen (S. 625). Während Gietzmann das Agenturproblem im Sinne der positiven Agency-Theorie qualitativ beschreibt und potenzielle Lösungsmechanismen für das Agenturproblem herleitet, modellieren Baiman/Rajan (2002b) eine ähnliche Ausgangssituation mathematisch: Da der Lieferant die gesamten Kosten einer Investition trägt aber nur (maximal) einen Anteil der daraus resultierenden Erträge für sich vereinnahmen kann, wird im dargestellten Grundmodell die Investition nicht bzw. nicht vollständig durchgeführt (S. 220). Als wirksamer Bindungsmechanismus zur Vermeidung der hold-up Situation wird von den Autoren „berechnendes“ Vertrauen identifiziert, bei dem das versprochene Verhalten schon alleine deshalb eingehalten wird, weil es dem Eigeninteresse des Akteurs entspricht (S. 220f.). Als wesentliche Einflussvariablen hierauf untersuchen die Autoren die Vertragsgestaltung (S. 221-224), die Eigentumsverhältnisse an Produktionsfaktoren und damit auch am Zwischenprodukt selbst (S. 228) sowie die vorhandene Marktkonstellation (S. 228-230). In Bezug auf einen Austausch von (Kosten-) Informationen stellen die Autoren fest, dass diese dabei helfen können, Anreizmechanismen zu generieren, die interorganisationale Beziehungen erleichtern (S. 230f.).
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A Einführung und Grundlagen
Ein weiteres Agencyproblem formulieren Baiman/Rajan (2002a): Ein Käufer kann begründet durch eigene Investitionen in Forschung und Entwicklung Innovationen entdecken, die – bei Überlassung an den Lieferanten – die Fertigung von qualitativ höherwertigen Produkten durch den Lieferanten zulassen. Dieser wiederum kann das Wissen zu seinem eigenen Vorteil auf Kosten des Abnehmers ausnutzen (S. 251f.). In der dargestellten Ausgangssituation sind unter bestimmten Voraussetzungen die daraus resultierenden Kosten für den Abnehmer so groß, dass er die Innovationsvorteile nicht nutzt, um sich nicht insgesamt schlechter zu stellen (S. 257). Die Autoren untersuchen hiervon ausgehend, inwiefern zwischen den beiden beteiligten Unternehmen ein besseres Ergebnis erzielt werden kann und entwickeln Lösungsvorschläge in Bezug auf den Umfang der durch den Abnehmer zur Verfügung gestellten Informationen. Die Autoren argumentieren, dass es über einen (begrenzten) Informationsaustausch vor Vertragsabschluss letztlich zu einer vollständigen Offenlegung auch nach Vertragsabschluss kommt, der Käufer allerdings weniger investiert als er ohne Offenlegung getan hätte und außerdem eine schlechtere Verhandlungsposition einnimmt (S. 260-262). Geht man davon aus, dass bereits eine begrenzte Offenlegung dem Lieferanten die Möglichkeit bietet, die Innovation (teilweise und mit zusätzlichen Kosten) umzusetzen, zeigt sich, dass der Umfang der Offenlegung durch den Abnehmer abhängig vom beobachteten Innovationsgrad ist und mit wachsendem Innovationsgrad steigt (S. 264-268). Das Problem ineffizienter Investitionsniveaus seitens des Käufers wird dagegen nicht gelöst (S. 268). 3.1.3
Spieltheorie
3.1.3.1 Grundlagen Als Ausgangspunkt spieltheoretischer Überlegungen gilt gemeinhin die Veröffentlichung zweier Artikel durch von Neumann (von Neumann 1928; von Neumann 1937). Größere Aufmerksamkeit auch außerhalb mathematischer Fachzeitschriften wurde dem Thema allerdings erst mit von Neumann/Morgenstern (1947) zuteil (Luce/Raiffa 1957, S. 2). Wesentlicher Untersuchungsgegenstand der Spieltheorie sind Interessenkonflikte zwischen Akteuren: Nur ein Teil der Einflussvariablen befindet sich im Entscheidungsbereich eines einzelnen Akteurs, die Zielerreichung hängt dabei auch von den Entscheidungen anderer Akteure ab, deren Ziele den eigenen durchaus widersprechen können (Luce/Raiffa 1957, S. 1f.). Die Spieltheorie liefert eine mathematische Analyse solcher Situationen und unterstützt bei der Suche nach Handlungsstrategien vor dem Hintergrund des vorliegenden Interessenkonfliktes. Bei der spieltheoretischen Modellierung der Konfliktsituation muss darauf geachtet werden, dass trotz einer möglichst hohen Ähnlichkeit zur Realität das Modell nicht zu komplex wird
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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und mathematisch durchdringbar bleibt (Morgenstern 1966, S. 77). Wesentliche Annahmen der Spieltheorie sind die Nutzenmaximierung der beteiligten Akteure (Spieler), und dass jeder Akteur die Nutzenfunktion der anderen beteiligten Akteure kennt und sich über die Interdependenz der Entscheidungen bewusst ist (Luce/Raiffa 1957, S. 4f.). Weiterhin relevant ist die Tatsache, dass jeder Spieler seine Aktion auswählen muss, ohne das tatsächliche Verhalten der anderen Spieler zu kennen (Luce/Raiffa 1957, S. 5f.), wodurch sich ein Raum für opportunistisches Verhalten bietet (Stölzle 1999, S. 103). Eine zentrale Rolle in der spieltheoretischen Diskussion nehmen Zweipersonenspiele (Luce/Raiffa 1957, S. 56) ein, wobei insbesondere die Darstellung des sogenannten „Gefangenendilemmas“ (Luce/Raiffa 1957, S. 94–97) als Ausgangspunkt für die spieltheoretische Erklärung von Kooperationen herangezogen wird (Sydow 1992, S. 169; Beck 1998, S. 50). Im Gefangenendilemma kann jeder der beiden Akteure entweder eine Kooperations- oder eine Wettbewerbsstrategie wählen. Die höchste Auszahlung ergibt sich für einen Spieler, wenn der Mitspieler kooperiert und er selbst die Wettbewerbsstrategie wählt. Wählen dagegen beide Spieler die Wettbewerbsstrategie droht ihnen eine sehr niedrige Auszahlung (Bestrafung), die zwar höher ist als wenn ein Spieler selbst kooperiert und der andere die Wettbewerbsstrategie wählt, allerdings deutlich niedriger als die übereinstimmende Wahl der Kooperationsstrategie. Es lässt sich zeigen, dass bei einmaliger Durchführung des Spiels die Wettbewerbsstrategie auszahlungsmaximal für beide Akteure ist, sie stellt das sogenannte Nash-Gleichgewicht dar, in dem sich keine Partei durch einseitiges Abweichen verbessern kann (Sieg 2005, S. 12f). Das Dilemma liegt darin begründet, dass das Gleichgewichtsergebnis nicht effizient ist: Könnten sich die beiden Spieler auf die Wahl der Kooperationsstrategie einigen und festlegen, wäre für beide eine höhere (pareto-optimale) Auszahlung als in der Gleichgewichtslösung möglich. Da dies bei der Untersuchung nichtkooperativer Spiele annahmegemäß nicht der Fall ist, müssen andere Ansätze in Betracht gezogen werden, um die erwünschte – höhere – Auszahlung im Kooperationsfall zu ermöglichen. Axelrod (1984) hat in diesem Zusammenhang gezeigt, dass bei einer wiederholten Durchführung des Spiels und bei hinreichender Wichtigkeit der Auszahlungen zukünftiger Perioden das Gefangenendilemma gelöst werden kann, indem die Spieler jeweils die sogenannte „Tit-forTat-Strategie“ verfolgen: Die Strategie schreibt vor, im ersten Zug zu kooperieren und in allen weiteren Perioden die Strategiewahl des anderen Spielers zu replizieren (S. 13-14). Im Rahmen der dynamisierten Spieltheorie lässt sich so trotz fehlenden Vertrauens die Entstehung von Kooperation erklären, ohne dass es dafür eines verbindlichen kooperativen Verhaltens bedarf (Jarillo/Ricart 1987, S. 87).
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A Einführung und Grundlagen
Mittels der Spieltheorie lassen sich auch agencytheoretische Probleme darstellen und analysieren (vgl. hierzu ausführlich Rasmusen 2007, S. 179–354). Ein einfaches Beispiel beschreibt den Fall, in dem der Prinzipal aufgrund vorliegender Informationsasymmetrien die Anstrengungen des Agenten nicht unmittelbar beobachten kann. Der Prinzipal muss in dem Fall entscheiden, ob er die Informationsasymmetrie reduziert, indem er Anstrengungen zur Kontrolle des Agenten unternimmt oder nicht. Der Agent dagegen kann sein persönliches Anstrengungsniveau wählen. Nach dieser spieltheoretischen Problemformulierung können Lösungskonzepte der Spieltheorie Anwendung finden, um das vorliegende Agenturproblem zu lösen. 3.1.3.2 Anwendung in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement Im vorigen Absatz wurde bereits dargelegt, dass auch die Formulierung und Analyse von Agenturproblemen mittels spieltheoretischer Mechanismen durchgeführt werden kann. Beispiele aus dem Bereich des interorganisationalen Kostenmanagement sind die bereits in Abschnitt
3.1.2.2
dargestellten
Veröffentlichungen
von
Baiman/Rajan
(2002a)
und
Baiman/Rajan (2002b), die die Agencyproblematik jeweils als Spiel zwischen den beteiligten Akteuren darstellen. Daneben lassen sich auch Darstellungen finden, welche die im Zusammenhang mit einem Austausch von Kosteninformationen einhergehenden Folgen bzw. Konflikte spieltheoretisch untersuchen, ohne dass ein Agenturproblem vorliegt. Jarimo/Kulmala (2008) beispielsweise entwickeln in einem spieltheoretischen Modell Gewinnverteilungsregeln, die für Netzwerkpartner als Anreiz dienen sollen, Kostensenkungen umzusetzen. Im konkreten Fall stiegen die Gemeinkosten der Lieferanten eines Netzwerkes von Jahr zu Jahr an, während der Abnehmer sinkende Preise erwartete (S. 509). Über eine gewisse Offenlegung von Kostendaten der Lieferanten wurde ein Kostenmodell entwickelt, das die Identifikation und Simulation von Kostensenkungen ermöglichte (S. 509f.). Die Suche nach klaren Gewinnverteilungsregeln wurde deshalb erforderlich, weil in der Ausgangssituation der Abnehmer alleine in die Modellentwicklung investiert hatte, die identifizierten Kostensenkungen jedoch nicht (zeitnah) von den Lieferanten umgesetzt bzw. die Vorteile nicht in Form von Preissenkungen an den Abnehmer weitergegeben wurden (S. 510). Die analytisch hergeleiteten und spieltheoretisch untersuchten Verteilungsregeln führen dazu, dass die Akteure je nach Verhältnis zwischen Konkurrenzpreis und aktuellem Endabnehmerpreis des Netzwerks unterschiedlich stark am Kooperationsgewinn beteiligt werden, wobei aber der Initiator und das Unternehmen, bei dem die Kostensenkung umgesetzt werden soll, immer einen Anteil am Gewinn haben. Die anderen Netzwerkpartner profitieren mindestens indirekt dadurch, dass ein Teil der Kostensenkungen dazu verwendet wird, den Endabneh-
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merpreis zu senken, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Netzwerkes gestärkt wird (S. 514f.). Der Abnehmer wird dann an den Kostensenkungen unmittelbar beteiligt, wenn der Endabnehmerpreis unter dem Konkurrenzpreis liegt. Jarimo/Kulmala (2008) verweisen in ihrer Ergebnisdiskussion darauf, dass bei der Gewinnverteilung gerade auch Macht und Vertrauen eine besondere Rolle spielen, ohne diese Einflüsse explizit zu modellieren. Diese Determinanten haben den Autoren zufolge Einfluss darauf, wie die Gewinnverteilungsregel in der Praxis im Detail definiert wird. Die Nichtausübung der Machtposition des Abnehmers kann als Versuch gewertet werden, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Lieferanten aufzubauen, deren Beendigung mit Transaktionskosten für den Abnehmer verbunden ist, wohingegen der Aufbau von Vertrauen Transaktionskosten verringert (S. 514). Die Modellierung der Anreizsituation als dynamisches Spiel ermöglicht es, die beschriebene reale Problemstellung klar zu definieren und analytisch Ansätze zur Lösung der Anreizprobleme zu entwickeln. Die Modellierung des Abhängigkeitsverhältnisses der Lieferanten vom Abnehmer wird dagegen mit dem Hinweis auf eine vertrauensbildende Zusammenarbeit ausgeblendet, wäre jedoch grundsätzlich mit der Spieltheorie möglich gewesen. Wie Jarimo/Kulmala (2008) gehen auch Yao/Yue/Liu (2008) in ihrer spieltheoretischen Untersuchung davon aus, dass sich durch eine Offenlegung von Kosteninformationen Ertragsverbesserungen in der Supply Chain ergeben. Sie untersuchen dabei in einem dreistufigen Spiel diejenigen Voraussetzungen, unter denen es überhaupt erst zu einem Austausch von Kosteninformationen zwischen zwei betrachteten Händlern und deren Lieferanten kommt. Annahmegemäß kennt jeder der beiden Händler seine eigene Kostenstruktur und kann entscheiden, ob er dieses Wissen an seinen Lieferanten weitergibt oder nicht. Bei Kenntnis der Kosten der Händler kann der Lieferant dieses Wissen bei seiner Entscheidung zur Höhe des Großhandelspreises berücksichtigen (S. 839f.). Über eine retrograde Ermittlung der optimalen Strategiewahl der beteiligten Akteure stellen die Autoren fest, dass es zwar für den Lieferanten immer vorteilhaft ist, detaillierte Kosteninformationen von seinen Kunden zu erhalten (S. 843f.), der Lieferant diese Informationen aber nur dann zwingend bei der Preisentscheidung berücksichtigt, sofern beide Händler offen legen (S. 845). Es wird weiterhin gezeigt, dass die Händler bei hoher eigener Kosteneffizienz immer besser gestellt sind, wenn sie den Kostenvorteil gegenüber dem Lieferanten nicht kommunizieren (S. 845f.). Da es für den Lieferanten niemals vorteilhaft sein kann, einen nicht offen legenden Händler durch Kompensationszahlungen zu einer Offenlegung zu bewegen (S. 846) folgt daraus, dass nur für den Fall von einer geringen Kosteneffizienz beider Händler eine gemeinsame Offenlegung und damit eine sichere Verwendung der Information durch den Lieferanten zu erwarten ist. Die basierend auf der Spieltheorie hergeleiteten Ergebnisse haben
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eine hohe praktische Relevanz, indem sie auf die vorliegenden Anreize eingehen, Kosteninformationen gegenüber einem Geschäftspartner nicht offen zu legen und gleichzeitig Situationen kennzeichnen, in denen alle Beteiligten von einer Offenlegung profitieren. Der Einfluss von Verhandlungsmacht wird zwar auch hier nicht explizit modelliert, es wird allerdings darauf hingewiesen, dass gerade die dargestellten Vorteile für den Lieferanten bei vorliegender Verhandlungsmacht dazu führen können, eine Offenlegung durch seine Vertragspartner zu verlangen (S. 843). 3.1.4
Austauschtheorie
3.1.4.1 Grundlagen Die Austauschtheorie (auch Soziale Austauschtheorie) geht im Wesentlichen auf die grundlegenden Arbeiten von Homans (1958), Thibaut/Kelley (1959), Homans (1961), Blau (1964) sowie Adams (1965) zurück. Im Kern dieser Untersuchungen steht die Analyse und Beurteilung von Austauschbeziehungen. Eine Interaktion wird dabei als ein Empfangen und Abgeben physischer aber auch psychischer Ressourcen verstanden. Thibaut/Kelley (1959) erwähnen in diesem Zusammenhang als „Belohnungen“ (Nutzen) einer Interaktion diejenigen „pleasures, satisfications and gratifications“, die Individuen in einer Austauschbeziehungen erhalten (S. 12). Die Kosten einer Interaktion dagegen beschreiben allgemein all diejenigen Faktoren, die den Akteur bei der Durchführung einer Interaktion behindern, z.B. seine persönliche Anstrengung für die Erledigung einer Aufgabe (S. 12f.). Als Grundannahme der Austauschtheorie gilt, dass die Akteure versuchen, den positiven Nutzen von Interaktionen zu maximieren, während sie Kosten vermeiden. Thibaut/Kelley definieren in diesem Zusammenhang den Nettonutzen („outcome“) als Kombination aus Nutzen und Kosten einer Interaktion, wobei eine Quantifizierung aber letztlich nur schwierig zu leisten sei (S. 13). Die Bewertung einer Austauschbeziehung findet aber nicht ausschließlich basierend auf diesem Nettonutzen statt, sondern wird vom Verhältnis des Nettonutzens zu zwei weiteren Faktoren bestimmt: Die bisherigen Erfahrungen eines Akteurs, die er in der betrachteten sowie in vorherigen Austauschbeziehungen gemacht hat finden ebenso Eingang in die Bestimmung eines Vergleichsmaßstabes („comparison level“, CL) wie die aktuellen Rahmenbedingungen der Beziehung (Thibaut/Kelley 1959, S. 21). Annahmegemäß erhöhen positive Erfahrungen das CL, negative reduzieren es. Das CL stellt damit so etwas wie den Durchschnittswert vergangener Erfahrungen dar und lässt im Vergleich mit dem Nettonutzen Rückschlüsse auf die Zufriedenheit des Akteurs mit der aktuell zu bewertenden Austauschbeziehung zu – es beschreibt was ein Akteur basierend auf seinen Erfahrungen als einen angemessenen Nettonutzen erwar-
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tet (S. 21). Für die Beurteilung, ob ein Akteur die betrachtete Austauschbeziehung beibehält, ist dieser Vergleich jedoch noch nicht ausreichend: Unter der Annahme, dass jedem Akteur auch alternative Beziehungen zur Verfügung stehen und er diese analog wie das CL bewerten kann, steht ihm ein weiterer Vergleichsmaßstab CLalt zur Verfügung, den er in seiner Beurteilung mit berücksichtigt. Das CLalt kann dabei als ein in anderen Austauschbeziehungen alternativ zu erzielender Nettonutzen bewertet werden und stellt somit den Standard dar, der beschreibt, ob man in einer Beziehung bleibt oder zu einer Alternative wechselt (S. 21). Die alternative Austauschbeziehung kann dabei durchaus auch das Nichteingehen eines Austausches insgesamt beschreiben. Der Vergleich zwischen erzielbarem Nettonutzen der betrachteten Beziehung mit dem CLalt erlaubt daher Rückschlüsse auf die Stabilität der Beziehung. In Abhängigkeit des erwarteten Nettonutzens, des eigenen Vergleichsmaßstabes CL sowie des Vergleichsmaßstabes CLalt ergeben sich für den Akteur vier Szenarien (vgl. Thibaut/Kelley (1959, S. 23f.):
Nutzen +
Outcome
Outcome CLalt
CL Outcome Outcome
-
Attraktiv/ Unabhängig
Attraktiv/ Abhängig
Unattraktiv/ Abhängig
Outcome:
Erwarteter Nettonutzen einer Interaktion
CL:
Vergleichsmaßstab zur bestehenden Austauschbeziehung
CLalt:
Vergleichsmaßstab der bestmöglichen Alternative
Unattraktiv/ Unabhängig
Abb. 10: Attraktivität und Abhängigkeit in Austauschbeziehungen Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Thibaut/Kelley (1959, S. 23f.).
Im ersten Fall liegt der erwartete Nettonutzen über dem Vergleichsmaßstab CL, der Akteur ist daher mit dem Ergebnis zufrieden, es ist für ihn attraktiv. Da es für ihn jedoch auch mindestens eine Alternative gibt, deren Nutzenniveau oberhalb von CL ist (CLalt), ist er in seiner Entscheidung unabhängig, da er auf die Alternative wechseln könnte, ohne sich schlechter zu
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A Einführung und Grundlagen
stellen. Das zweite Szenario ist für den Akteur weiterhin attraktiv (Outcome > CL), allerdings bietet sich ihm aufgrund CLalt < CL auch keine echte Alternative zur bestehenden Austauschbeziehung, er ist somit von ihr abhängig. Vorstellbar ist weiterhin, dass der Akteur die zu bewertende Interaktion im Vergleich zu seinen bisherigen Erfahrungen in der Beziehung als unattraktiv beurteilt (Outcome < CL), er aber ebenfalls abhängig ist, weil seine Alternative einen noch geringeren Nutzen verspricht (CLalt < Outcome). Thibaut/Kelley (1959) bezeichnen diese Beziehungen als „Nonvoluntary Relationships“ (S. 23). Bei Thibaut/Kelley (1959) nicht dargestellt ist das vierte, ebenfalls vorstellbare Szenario, in dem der Akteur zwar das erwartete Ergebnis auch als nicht attraktiv einstuft (Outcome < CL), aber zumindest unabhängig ist, da das Nutzenniveau der Alternative oberhalb von CL ist. In diesem Fall ist zu erwarten, dass der Akteur die Beziehung verlassen wird. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass vor allem bei gutem erwartetem Nettonutzen für beide Partner sowie bei fehlenden Kooperationsalternativen von einer fortdauernden Austauschbeziehung auszugehen ist. Überlegungen zu Gerechtigkeit in Austauschbeziehungen finden sich zuerst bei Homans (1958) und Homans (1961). Diese wurden später durch Adams (1965) um eine Analyse der Folgen als ungerecht wahrgenommener Austauschbeziehungen ergänzt. Homans (1961) stellt das Prinzip der relativen Gewinngleichheit auf, das besagt, dass Akteure diejenigen Austauschbeziehungen als gerecht empfinden, bei denen das Verhältnis aus Gewinnen und Investitionen für jeden beteiligten Akteur gleich groß ist (S. 242-247). Gewinne und Investitionen sind dabei inhaltlich mit den weiter oben beschriebenen Nutzen und Kosten einer Interaktion vergleichbar. Besteht nun eine wahrgenommene Ungerechtigkeit, geht Adams (1965) davon aus, dass der Akteur dies unangenehm empfindet und daher versuchen wird, sie zu beseitigen oder zumindest zu verringern (S. 283). Er weist an dieser Stelle explizit darauf hin, dass auch wahrgenommene Übervorteilung versucht wird zu vermeiden, wobei der Anreiz hierzu weniger stark sei als bei wahrgenommener Benachteiligung (S. 283f.). Diskutierte Möglichkeiten in diesem Zusammenhang sind unter anderem die Veränderung der eigenen Investitionen und Gewinne, aber auch potentiell destruktives Verhalten gegenüber den Gewinnen des Interaktionspartners (S. 283-295). Während die in den vorigen Kapiteln vorgestellten Studien das Verhalten von Akteuren in Interaktionen weitgehend vor dem Hintergrund eines intendiert rational Handelnden untersucht haben, nimmt die Austauschtheorie direkten Bezug nicht nur auf das wahrgenommene Nutzenniveau von Transaktionen, sondern auch auf Gerechtigkeitsaspekte in Beziehungen. Dabei widerspricht die Austauschtheorie der pauschalen Annahme möglichen opportunistischen Verhaltens, bietet aber über die Beziehungssicht eine Möglichkeit zu erklären, wie es überhaupt zustande kommen kann (Hawkins/Wittmann/Beyerlein 2008, S. 896f.). In Veröf-
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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fentlichungen zu Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen wird die Austauschtheorie regelmäßig als theoretische Grundlage herangezogen (vgl. z.B. Dwyer/Schurr/Oh 1987; Morgan/Hunt 1994; Wilson 1995; Luo 2002). Einen Überblick zu Veröffentlichungen mit Bezug zum Open Book Accounting und austauschtheoretischer Fundierung liefert der folgende Abschnitt. 3.1.4.2 Anwendung in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement Bisher stützen sich nur wenige Veröffentlichungen zum interorganisationalen Kostenmanagement auf die Austauschtheorie. Ausnahmen stellen die jüngeren Veröffentlichungen von Drake/Haka (2008), Piontkowski/Hoffjan (2009) sowie van den Abbeele/Roodhooft/Warlop (2009) dar. Drake/Haka (2008) stützen ihre Überlegungen auf die Inequity-Aversion Theorie von Fehr/Schmidt (1999), welche die bereits bei Adams (1965) aufgestellten Überlegungen zu den Folgen empfundener Ungerechtigkeit in Beziehungen ergänzt. In der experimentellen Untersuchung bei Drake/Haka stehen sich Käufer und Verkäufer in einer Verhandlungssituation gegenüber und können entscheiden, ob sie mit dem Ziel einer Verbesserung der gemeinsamen Kostensituation Kosteninformationen austauschen oder nicht. Die Autoren zeigen, dass individuelle Befürchtungen vor einem möglicherweise ungerechten Verhandlungsergebnis die Bereitschaft zur Offenlegung von Kosteninformationen reduzieren (S. 51f.). Des Weiteren stellen sie fest, dass eine höhere Detaillierung der zur Verfügung stehenden Informationen dazu führt, seltener offen zu legen, da die Befürchtung eines potenziell ungerechten Ergebnisses bei hoher Detaillierung größer ist (S. 46f.). Die Detaillierung der auszutauschenden Informationen hat damit also einen wesentlichen Einfluss auf die Bereitschaft zur Offenlegung. Letztlich konnte auch die Hypothese bestätigt werden, dass die Bereitschaft zur Offenlegung in Verlustsituationen (und damit auch die Risikobereitschaft) größer als in Gewinnsituationen ist (S. 47f.). Die Untersuchungen von Drake/Haka werden durch ein von Piontkowski/Hoffjan (2009) analog durchgeführtes Experiment ergänzt, in dem die Autoren den Einfluss des Umfangs der offen gelegten Informationen sowie des Angebots spezifischer Investitionen auf die Bereitschaft zu einem gegenseitigen Open Book Accounting untersuchen. Sie stützen ihre Überlegungen dabei ebenfalls auf die Austausch- und Inequity-Aversion Theorie. Die Autoren zeigen, dass sowohl die eigene Bereitschaft als auch die Bereitschaft des Kooperationspartners zu einem Austausch von Kosteninformationen signifikant größer sind, wenn zu Beginn umfangreiche Kosteninformationen offengelegt werden (S. 75). Sie stellen weiterhin dar, dass die Einführung einer spezifischen Investition das Angebot einer Offenlegung umfangreicher Kosteninformationen substituieren kann und die Bereitschaft sich an einem Open Book
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A Einführung und Grundlagen
Accounting zu beteiligen für beide beteiligten Unternehmen deutlich steigert, wenn zunächst nur wenige Kosteninformationen offengelegt werden. Die Beobachtung, dass die Bereitschaft zu Open Book Accounting nicht weiter erhöht wird, wenn bereits zu Beginn umfangreiche Kosteninformationen bereitgestellt werden, deutet auf eine substitutive und nicht additive Wirkung der spezifischen Investition hin (S. 75f.). Die Autoren zeigen weiterhin, dass die tatsächliche Menge an offengelegten Kosteninformationen positiv mit dem Umfang der zunächst vom Kooperationspartner bereitgestellten Kosteninformationen korreliert, wohingegen das Angebot einer gemeinsamen spezifischen Investition keinen Einfluss auf den Umfang der ausgetauschten Informationen hat (S. 76). Während die beiden vorgenannten Untersuchungen explizit Situationen bei Machtsymmetrie zwischen den beteiligten Unternehmen analysiert haben, untersuchen van den Abbeele/ Roodhooft/Warlop (2009) den Austausch von Kosteninformationen in unterschiedlichen Machtkonstellationen. Sie gehen dabei der Kernfrage nach, ob bestehende Verhandlungsmacht dazu führt, dass vorhandene Total-Cost-of-Ownership (TCO) Informationen nicht mit dem Lieferanten ausgetauscht werden und es im Ergebnis zu suboptimalen Verhandlungsergebnissen kommt (S. 246). Die Autoren entwickeln ihre Hypothesen ebenfalls basierend auf austauschtheoretischen Überlegungen und überprüfen sie im Rahmen eines Experimentes. Sie stellen fest, dass bei Offenlegung von detaillierteren TCO Informationen die Verhandlungen mit dem Lieferanten einen stärkeren integrativen, lösungsorientierten Charakter haben, als wenn diese Informationen nicht vorliegen (S. 254f.). Während grundsätzlich mächtigere Kunden in den Verhandlungen einen höheren Gewinn erzielen (S. 254) und dabei eher auf distributive (win-lose) Verhandlungsansätze zurückgreifen (S. 255f.), versuchen schwächere Unternehmen, diesen Ergebnisnachteil durch die Weitergabe und Nutzung von TCO Informationen im Rahmen der oben genannten integrativen Verhandlungen mit ihren Lieferanten zu verringern (S. 254-256). Ähnlich wie bei Piontkowski/Hoffjan (2009) stellen auch van den Abbeele/Roodhooft/Warlop (2009) fest, dass die Offenlegung von umfangreicheren (TCO-) Informationen dazu führt, dass auch der Informationsempfänger mehr Informationen offen legt (S. 261). Gerade mächtige Verhandlungspartner setzen allerdings auf distributive Verhandlungsansätze und vermeiden so, Potenziale einer kooperativen Zusammenarbeit zu heben indem selbst Kosteninformationen offengelegt werden (S. 262).
3.2 Beurteilung der dargestellten Erklärungsansätze und Auswahl eines theoretischen Bezugsrahmens Nachdem im vorigen Abschnitt relevante theoretische Erklärungsansätze zunächst allgemein vorgestellt wurden und dann deren Verwendung im Rahmen der Literatur zum interorganisa-
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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tionalen Kostenmanagement beschrieben wurde, soll hierauf basierend eine Grundlage für den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit geschaffen werden. Wie die dargestellten Veröffentlichungen belegen, eignen sich alle vier beschriebenen Erklärungsansätze grundsätzlich als Bezugsrahmen für Diskussionen zum interorganisationalen Kostenmanagement und Open Book Accounting. Die Auswahl des hier zu verwendenden theoretischen Rahmens soll im Folgenden systematisch auf Basis verschiedener Beurteilungskriterien erfolgen. 3.2.1
Ableitung der Beurteilungskriterien
Die Literatur bietet eine Vielzahl möglicher Vorschläge zur systematischen Bewertung und Selektion theoretischer Erklärungsansätze. Stölzle (1999, S. 112-119) entwickelt davon ausgehend eigene Auswahlkriterien, an denen sich die hier zu vollziehende Beurteilung der Erklärungsansätze orientieren soll. Stölzle (1999) unterscheidet vier Kriterienkategorien, die jeweils aus mehreren Einzelkriterien bestehen. Die theoretische Attraktivität des Erklärungsmusters stellt die erste Kriterienkategorie dar. Hierbei ist zu untersuchen, inwiefern ein Forschungsparadigma existiert, das heißt, ob der betrachtete Ansatz geeignet ist, Problemlösungen zu identifizieren, ob er allgemein Anwendung finden kann und inwiefern die Aussagen einen hinreichenden Präzisionsgehalt aufweisen. Die theoretische Durchführung ist am kritischen Rationalismus auszurichten. Hierbei ist sicherzustellen, dass relevante Erklärungsleistungen und hinreichende Möglichkeiten zur Hypothesengenerierung berücksichtigt werden. Die zweite von Stölzle entwickelte Kriterienkategorie beschreibt die Gestaltungsorientierung des theoretischen Ansatzes. Zu prüfende inhaltliche Einzelkriterien sind die Existenz von Effizienzkriterien (Gestaltungsziele), Gestaltungsvariablen (Aktionsparameter) sowie Determinanten (Rahmenbedingungen) innerhalb des Erklärungsansatzes. Weiterhin weist Stölzle auf die Notwendigkeit hin, dass die Wechselbeziehungen zwischen den inhaltlichen Kriterien offengelegt sein müssen (Informativität). Als weitere formale Gestaltungsanforderungen werden außerdem das Vorhandensein relevanter empirischer Beobachtungen sowie ein tatsächliches (praktisches) Anwendungspotenzial des untersuchten Erklärungsmusters. Die Integrationskraft des theoretischen Ansatzes stellt die dritte von Stölzle definierte Kriterienkategorie dar. Sie berücksichtigt, welche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Ansatzes existieren, aber auch an welchen Stellen sich Ansatzpunkte zu anderen Theoriefeldern bieten, um dadurch eine Integration der Ansätze zu erreichen. Da an dieser Stelle jedoch weder die Verschmelzung verschiedener Ansätze noch die vollständige Neukonstruktion eines solchen Erklärungsansatzes verfolgt wird, sondern vielmehr die Auswahl eines geeigneten
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A Einführung und Grundlagen
Erklärungsansatzes als Bezugsrahmen dieser Arbeit im Fokus steht, wird diese Kriterienkategorie bei der zu erfolgenden Bewertung nicht berücksichtigt. Als letzte Kriterienkategorie weist Stölzle auf die Anpassungsfähigkeit des jeweiligen Erklärungsmusters auf das Erkenntnisobjekt, in dem hier untersuchten Rahmen also den Austausch von Kosteninformationen in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen, hin. Neben der auch bei Stölzle genannten grundsätzlichen Eignung des Erklärungsansatzes soll im Folgenden aber explizit analysiert werden, inwiefern die in Kapitel 2.2 dargestellten und bisher in der Literatur identifizierten Funktionen und Folgen, Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten sowie Begünstigungsfaktoren eines Open Book Accounting durch den Erklärungsansatz abgebildet und untersucht werden können. Basierend auf den hier dargestellten Einzelkriterien folgt im Anschluss die Bewertung der vier zu analysierenden theoretischen Erklärungsansätze für die Eignung als theoretischer Bezugsrahmen dieser Arbeit. Tab. 3 stellt den Kriterienkatalog im Überblick dar. Kriterienkategorie Theoretische Attraktivität
Zugehörige Einzelkriterien x Existenz eines Forschungsparadigmas
Problemlösungskraft
Allgemeinheit
Präzisionsgehalt
x Ausrichtung am kritischen Rationalismus
Gestaltungsorientierung
Erklärungsleistung
Potenzial zur Hypothesengenerierung
x Inhaltlich: Existenz von
Effizienzkriterien
Gestaltungsvariablen
Determinanten
x Formal: Existenz von
Anpassungsfähigkeit an das Erkenntnisobjekt Austausch von Kosteninformationen in Zulieferer-AbnehmerBeziehungen
Tab. 3:
Informativität
empirischer Relevanz
Anwendungspotenzial
x Grundsätzliche Eignung x Spezielle Darstellungsfähigkeit im Zusammenhang mit Open Book Accounting
Funktionen und Folgen
Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten
Begünstigungsfaktoren
Auswahlkriterien für theoretische Erklärungsmuster im Überblick Quelle: Basierend auf Stölzle (1999, S. 119).
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
3.2.2
59
Durchführung der Beurteilung und Auswahl eines theoretischen Bezugsrahmens
Da sich die im letzten Abschnitt abgeleiteten Beurteilungskriterien weitgehend mit denen bei Stölzle (1999) hergeleiteten Kriterien decken, wird es als zweckmäßig erachtet, auch die dort vorgenommene Beurteilung der Erklärungsansätze hier soweit möglich einzubeziehen. Die Beurteilung der Transaktionskostentheorie, der Agency-Theorie sowie der Spieltheorie lehnt sich daher in Bezug auf die beiden ersten Kriterienkategorien der theoretischen Attraktivität und der Gestaltungsempfehlung eng an die dort dargestellten Gedankengänge an (S. 120-129). Transaktionskostentheorie Vor dem Hintergrund, dass die Transaktionskostentheorie nicht nur in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement sondern auch in einer Vielzahl anderer wissenschaftlicher Veröffentlichungen und in der praktischen Diskussion weite Verbreitung findet (Stölzle 1999, S. 120) scheint dieser Ansatz offensichtlich eine hohe theoretische Attraktivität zu besitzen. In der Tat lässt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Problemstellungen mit transaktionskostentheoretischen Überlegungen analysieren (Allgemeinheit) und lösen (Problemlösungskraft). Vor dem Hintergrund, dass die Transaktionskosten nur unzureichend in Bezug auf eine Messung derselben operationalisiert sind (Ebers/Gotsch 2001, S. 243) kann man allerdings nur von einem begrenzten Präzisionsgehalt sprechen. Der Erklärungsleistung wird dergestalt entsprochen, dass zwar für unterschiedliche Transaktionen verschiedene institutionelle Arrangements vorgesehen sind, jedoch gerade in Bezug auf Lieferanten-AbnehmerBeziehungen oftmals eine nicht näher konkretisierte Form eines hybriden Arrangements als vorteilhaft identifiziert wird. Die Möglichkeit zur Generierung von Hypothesen basierend auf transaktionskostentheoretischen Überlegungen ist zweifelsohne gegeben, wie die Vielzahl an Veröffentlichungen beweist. Allerdings erschwert die bereits erwähnte fehlende eindeutige Messbarkeit der Transaktionskosten eine Operationalisierung der Hypothesen. Die Transaktionskostentheorie erfüllt weiterhin das Kriterium der Gestaltungsorientierung, da sie ein klar beschriebenes Effizienzkriterium besitzt (Minimierung Transaktionskosten bzw. Summe aus Transaktions- und Produktions-/Distributionskosten), wobei die theoretische Diskussion allerdings meist auf die Transaktionskostensicht beschränkt bleibt und Produktionskostenunterschiede in Abhängigkeit des gewählten institutionellen Arrangements ignoriert werden (Baur 1990, S. 113-117; Sydow 1992, S. 130; Stölzle 1999, S. 35.) Auch finden sich weitgehend klar beschriebene Gestaltungsvariablen (institutionelle Arrangements) sowie umfassend berücksichtigte, wenn auch recht restriktive verhaltens- und umweltbezogene Rahmenbedingungen. In Bezug auf die empirische Relevanz lässt sich mit Verweis auf die vielfältigen Veröffentlichungen konstatieren, dass sich die Beschreibung und Analyse von
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A Einführung und Grundlagen
Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen mittels der Transaktionskostentheorie etabliert hat und die Aussagen vielfach empirisch untersucht wurden. In diesem Zusammenhang kann der Transaktionskostentheorie auch ein Anwendungspotenzial zugesprochen werden, da im Rahmen der empirischen Studien regelmäßig Gestaltungsempfehlungen ausgesprochen werden. Letztlich ist zu prüfen, inwiefern die Transaktionskostentheorie geeignet ist, als umfassender Erklärungsansatz für den Austausch von Kosteninformationen in Zulieferer-AbnehmerBeziehungen zu dienen. Eine grundsätzliche Eignung zur Darstellung von ZuliefererAbnehmer-Beziehungen auch im Kontext Open Book Accounting ist nach Auffassung des Autors gegeben (vgl. beispielsweise die in Abschnitt 3.1.1.2 dargestellten Veröffentlichungen). Die spezielle Darstellungsfähigkeit der zu diskutierenden Themenfeldern ist bei der Transaktionskostentheorie ebenfalls grundsätzlich gegeben: Funktionen wie eine vereinfachte Preisbegründung, Beziehungsverbesserung zwischen den Kooperationspartnern oder die Optimierung eigener Rechnungswesensysteme können zum Beispiel als Senkung von Transaktionskosten durch Open Book Accounting verstanden werden. Die in Abschnitt 2.2.3 diskutierten Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten gehen dagegen in die andere Richtung und stellen Erhöhungen der Transaktionskosten dar. Als Transaktionskosten reduzierende Umweltdeterminanten können die in Abschnitt 2.2.4 dargestellten begünstigenden Einflussfaktoren verstanden werden. Die Funktion der Kostensenkung ist dagegen nicht mit dem Transaktionskostenbegriff zu fassen, sondern erfordert die explizite Einbeziehung von Produktionskosten in das Effizienzkriterium. Eine Erweiterung des transaktionskostentheoretischen Erklärungsansatzes für eine umfassende Open Book Abbildung ist weiterhin erforderlich für die Diskussion des Margenkonfliktes: Da der Umsatz des Lieferanten eine Kostenposition für den Abnehmer darstellt, aber neben den Kosten des Lieferanten auch dessen Gewinnbestandteile umfasst, muss auch der auf jeder Wertschöpfungsstufe erzielte Gewinn Eingang in die Betrachtung finden. Diese Anpassungen sind jedoch zu bewältigen, so dass angesichts der hohen theoretischen Attraktivität in Verbindung mit der guten Gestaltungsorientierung die Transaktionskostentheorie als vielversprechender theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting im Rahmen dieser Arbeit betrachtet werden kann. Agency-Theorie Bei der Bewertung der theoretischen Attraktivität lässt sich festhalten, dass die weitgehende Modellhaftigkeit der Agency-Theorie eine hohe (analytische) Problemlösungskraft bietet, da aufgrund eindeutig definierter Einflussparameter und formal begründeter Argumentationen ein klares Analyseergebnis erzielt wird. Genau diese starke Abstraktion und Detailmodellierung führt jedoch im Umkehrschluss zu einer nur begrenzten Möglichkeit der Verallgemeine-
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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rung der Ergebnisse, in Bezug auf den praktisch verwertbaren Präzisionsgehalt sind oftmals nur Tendenzaussagen möglich. Die Erklärungsleistung bezüglich der von der Agency-Theorie unterbreiteten Vorschläge zur Verhaltenssteuerung ist nur in jenen Fällen relevant, in denen die beschränkte untersuchte Situation real zu beobachten ist. Nichtsdestotrotz bietet die Agency-Theorie umfassende Möglichkeiten zur Hypothesengenerierung, wobei sie wie auch die Transaktionskostentheorie darunter leidet, dass ihr Effizienzkriterium (Agency Kosten) nur begrenzt operationalisierbar ist und auch die Messung des Anstrengungsniveaus und der Leistung des Agenten nicht eindeutig möglich ist. In Bezug auf die Gestaltungsorientierung der Agency-Theorie weist sie zwar mit der Minimierung der Agency-Kosten ein klar definiertes Effizienzkriterium auf, ist jedoch insgesamt in Bezug auf die Gestaltungsvariablen begrenzt. Diese beschränken sich im Wesentlichen auf die Entlohnung des Agenten sowie Möglichkeiten zur Kontrolle und Signalling seitens des Agenten. Während die Agency-Theorie die in Über-/Unterordnungsverhältnissen entstehenden Agenturprobleme darstellt und Lösungsansätze entwickelt, bleibt jedoch die empirische Relevanz begrenzt, da sich die angenommenen effizienten Vertragsarrangements in der Realität nicht unbedingt wiederfinden lassen. Ein grundsätzliches Anwendungspotenzial zur Beschreibung und Formalisierung von Auftragsbeziehungen ist zwar gegeben, allerdings ist das relevante Spektrum deutlich begrenzter als in der Transaktionskostentheorie. Da es sich bei den zu untersuchenden Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen um Auftragsbeziehungen handelt, ist die Anpassungsfähigkeit der Agency-Theorie an das Erkenntnisobjekt grundsätzlich gegeben. In Bezug auf die spezielle Anpassungsfähigkeit an die Fragestellungen im Zusammenhang mit Open Book Accounting ist insbesondere die Diskussion eines möglichen Unterbleibens des Austausches von Kosteninformationen (als eine Art spezifische Investition in die Vertragsbeziehung) aufgrund der Gefahr einer opportunistischen Ausnutzung (hold-up) durch den Informationsempfänger angemessen mit der Agency-Theorie abzubilden. Auch die Abbildung der ein Open Book Accounting begünstigenden Einflussfaktoren kann im Rahmen der Agency-Theorie erfolgen, entsprechen sie doch weitgehend den dort diskutierten Sicherungs- und Kontrollmechanismen. Auch wenn damit eine recht umfassende Darstellungsfähigkeit der zu untersuchenden Themenfelder zum Open Book Accounting möglich erscheint, ist es dennoch zu bezweifeln, die vielfältigen Einflüsse und Wirkungen im Zusammenhang mit dem Austausch von Kosteninformationen umfassend und gemeinsam in einem agenturtheoretischen Modell abzubilden. Entsprechend fokussieren sich auch die in Abschnitt 3.1.2.2 dargestellten Veröffentlichungen jeweils auf einzelne klar begrenzte Aspekte. Gerade auch die weitgehend formale Ausgestaltung der Agency-Theorie erscheint im Zusammenhang mit dieser Arbeit weniger hilfreich, da hierdurch die verfolgte Entwicklung praktischer Impli-
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A Einführung und Grundlagen
kationen erheblich erschwert werden dürfte. Vor dem Hintergrund, dass in dieser Arbeit ein umfassendes Bild zum Austausch und der Nutzung von Kosteninformationen in LieferantenAbnehmer-Beziehungen gezeichnet werden soll, und die Agency-Theorie in Bezug auf ihre theoretische Attraktivität, Gestaltungsorientierung und auch Anpassungsfähigkeit an das Erkenntnisobjekt Einschränkungen gegenüber der Transaktionskostentheorie aufweist, wird die Agency-Theorie als theoretischer Bezugsrahmen als weniger geeignet bewertet. Spieltheorie Wie bereits die Agency-Theorie zeichnet sich auch die Spieltheorie dadurch in ihrer theoretischen Attraktivität aus, dass sie durch die starke Modellierung und Formalisierung der untersuchten Konfliktsituationen über eine hohe Problemlösungskraft verfügt. Dabei sind die identifizierten Ergebnisse formal begründet von einer sehr hohen Präzision, leiden aufgrund des engen Prämissen- und Analyserahmens allerdings auch an einer eingeschränkten Allgemeingültigkeit. Gleichwohl bietet die Spieltheorie ein starkes Potenzial zur Hypothesenbildung, was ebenfalls auf der modellhaften Analyseweise beruht. In Bezug auf die Gestaltungsorientierung hat die Spieltheorie gegenüber Transaktionskostenund Agency-Theorie den Vorteil, dass ihr Effizienzkriterium Auszahlungsmaximierung klar definiert und eindeutig messbar ist. Die optimale Spielstrategie ist damit auch formal eindeutig bestimmbar. Aufgrund des durch die Modellierung erforderlichen hohen Abstraktionsniveaus muss jedoch die empirische Relevanz leiden, denn in der Spieltheorie entwickelte Aussagen und Hypothesen sind dadurch nur schwierig empirisch zu untersuchen. Damit jedoch sinkt auch das praktische Anwendungspotenzial, so dass die Spieltheorie wie bereits die Agency-Theorie das Kriterium der Gestaltungsorientierung nur eingeschränkt erfüllen kann. Die Anpassungsfähigkeit an das Erkenntnisobjekt Austausch von Kosteninformationen in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen ist grundsätzlich gegeben: Zwei- und auch Mehrspielerspiele lassen sich in der Spieltheorie abbilden und können als modellhafte Austauschbeziehungen verstanden werden. Über eine Modellierung mehrperiodiger, wiederholter Spiele lässt sich auch die Geschäftsbeziehung im Zeitablauf darstellen. Die grundsätzliche Wahl zwischen den beiden Strategien Kooperieren und Defektieren entspricht dabei den in der Realität beobachtbaren Verhaltensweisen zweier Vertragspartner, wie sie auch im Zusammenhang mit Open Book Accounting festgestellt wurden (gemeinsames Umsetzen von Kostensenkungen im Konflikt mit einem potenziell stärkeren Margendruck). Eher qualitative beschreibbare Folgen wie die Verbesserung der Geschäftsbeziehung oder Vorteile aufgrund einer einfacheren Preisbegründung lassen sich dagegen in dem engen formalen Rahmen der Spieltheorie nur
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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schwierig abbilden. In diesem Zusammenhang ist auch die Wirkung von Vertrauen und Macht zwar grundsätzlich spieltheoretisch abzubilden (über unterschiedliche Auszahlungsniveaus je nach periodenindividueller Vertrauens- und Machtkonstellation), was die Handhabbarkeit des Modells aber entscheidend verringern dürfte. Letztlich eignet sich damit die Spieltheorie wie bereits die Agency-Theorie weniger für den hier verfolgten Zweck, einen umfassenden theoretischen Bezugsrahmen zu liefern, insbesondere auch weil weniger die exakte Analyse und Lösung spezieller Open Book Arrangements verfolgt wird, als vielmehr eine grundsätzliche Diskussion des Themas beabsichtigt ist. Austauschtheorie Vor dem Hintergrund, dass die Austauschtheorie wie bereits die Transaktionskostentheorie regelmäßig als theoretischer Bezugsrahmen für die Darstellung von Lieferanten-AbnehmerBeziehungen herangezogen wird (vgl. Abschnitt 3.1.4.1) kann die theoretische Attraktivität des Erklärungsansatzes als gegeben betrachtet werden. Auch wenn sie nur begrenzt präzise Aussagen, sondern eher qualitative Tendenzaussagen zu den Nutzenniveaus unterschiedlicher Austauschbeziehungen macht, kann die Austauschtheorie aufgrund ihrer sehr allgemeinen Formulierung zur Analyse einer Vielzahl unterschiedlicher Situationen herangezogen werden. Gleichwohl ist die Problemlösungskraft des Ansatzes eingeschränkt, da er weniger als Optimierungsansatz zu verstehen ist, sondern eher ein Instrument zur Erklärung von Austauschbeziehungen und den innerhalb dieser Beziehungen auftretenden Phänomene ist. In diesem Hinblick bietet die Austauschbeziehung dafür aber eine hohe Erklärungsleistung und umfangreiche Möglichkeiten der Hypothesengenerierung. Wie im vorigen Abschnitt angedeutet, kann nur von einer beschränkten Gestaltungsorientierung der Austauschtheorie gesprochen werden: Die Nutzenmaximierung als Effizienzkriteriums ist zwar grundsätzlich vorteilhaft, wird aber durch die mangelnde Operationalisierbarkeit des Nutzenbegriffes, der nicht ausschließlich Zahlungsgrößen umfasst, eingeschränkt. In dieser Hinsicht leidet die Austauschtheorie wie auch die Transaktionskosten- und AgencyTheorie von der mangelhaften Messbarkeit ihres Effizienzkriteriums. Gleichwohl bietet die Austauschtheorie klar definierte Gestaltungsvariablen (Veränderung von Input- und Outputgrößen soweit beeinflussbar). Da die Darstellung und Untersuchung von Austauschbeziehungen auch empirisch nachvollzogen werden kann, bietet sich zwar ein hohes Anwendungspotenzial, das jedoch aufgrund der fehlenden Ausrichtung auf Optimierungsansätze nur von begrenztem Nutzwert ist. Die grundsätzliche Anpassungsfähigkeit der Austauschtheorie an den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist wie bereits bei den anderen vorgestellten Erklärungsansätzen gegeben,
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A Einführung und Grundlagen
was sowohl die Vielzahl der Veröffentlichungen zu Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen im Allgemeinen als auch die austauschtheoretisch begründeten Ansätze in der Literatur zum interorganisationalen Kostenmanagement zeigen. Die spezielle Darstellungsfähigkeit im Zusammenhang mit Open Book Accounting ist auch weitgehend gegeben: Die zu diskutierenden Funktionen und Folgen aber auch Konflikte können im Rahmen der Austauschtheorie als Änderungen des Nutzenniveaus in der Austauchbeziehung abgebildet werden. Gleichzeitig bietet die Austauschtheorie aufgrund ihrer soziologischen Fundierung gute Möglichkeiten den Einfluss von Macht und Vertrauen abzubilden. In Bezug auf die Anpassungsfähigkeit ist die Austauschtheorie damit ähnlich für diese Arbeit geeignet wie die Transaktionskostentheorie. Vor dem Hintergrund, dass das Kriterium der Gestaltungsorientierung bei der Transaktionskostentheorie besser erfüllt ist als in der Austauschtheorie und die beiden weiteren untersuchten Erklärungsansätze für die hier verfolgten Zwecke deutliche Nachteile aufweisen, soll im Folgenden die Transaktionskostentheorie als theoretischer Bezugsrahmen dieser Arbeit dienen. Dafür sind jedoch die in diesem Abschnitt identifizierten Ergänzungen und Detaillierungen erforderlich. Die Darstellung dieses transaktionstheoretischen Erklärungsansatzes ist Gegenstand des folgenden Kapitels.
3.3 Erweiterter transaktionskostentheoretischer Erklärungsansatz als Grundlage der Untersuchung 3.3.1
Grundidee und Betrachtungsumfang
Im Rahmen der Transaktionskostentheorie werden diejenigen institutionellen Arrangements gesucht, die für eine bestimmte Transaktion die niedrigsten Transaktionskosten verursachen, was jedoch nur unter der Annahme identischer Produktions- und Distributionskosten ein rationales Effizienzkriterium darstellt. Vor dem Hintergrund, dass die in Austauschbeziehungen verfolgte Arbeitsteilung und Spezialisierung regelmäßig mit erheblichen Produktionskostenunterschieden verbunden sind, sollen diese Kostenbestandteile hier explizit berücksichtigt werden (im Folgenden wird verkürzend nur der Begriff „Produktionskosten“ verwendet, der annahmegemäß jedoch auch die anfallenden Distributionskosten umfasst). Die Grundüberlegung ist also, dass in der Ausgangssituation für die Produktion eines Gutes im eigenen Unternehmen (institutionelles Arrangement: Hierarchie) bestimmte Kosten A anfallen (vgl. Abb. 11). Die Entscheidung zur externen, marktlichen Koordination erfolgt nun vor dem Hintergrund, dass sich aufgrund ergebender Skalen- und Spezialisierungsvorteile zunächst erhebliche Effizienzgewinne beim Lieferanten ergeben, die die Gesamtkosten reduzieren (Säule B in der Abbildung). Diese Effizienzgewinne werden allerdings dadurch verrin-
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
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gert, dass die arbeitsteilige Produktion zu einem Informationsdefizit führt, begründet dadurch dass die jeweils individuelle Optimierung der am Austausch beteiligten Unternehmen bestimmte Einsparpotenziale nicht zulässt. Ein mögliches Beispiel für eine solche Situation ist, dass der Abnehmer bessere Einkaufskonditionen für Rohstoffe als sein Zulieferer hat, dieser Vorteil aber nicht zur Geltung kommt, da der Zulieferer die in das Produkt eingehenden Rohstoffe selbst beschafft und seine Einkaufspreise dem Abnehmer gegenüber nicht kommuniziert. Diese durch die Informationsschranken begründeten Effizienzverluste C werden weiterhin ergänzt um „klassische“ Transaktionskosten marktlicher Koordination D, die die Kosten für die Lieferantensuche (Suchkosten), Kontrollkosten (Sicherstellung der vertragsgerechten Auftragserfüllung) sowie Kosten für die Verhandlung der Vertragsinhalte, nicht zuletzt auch der Preisverhandlung, umfassen. Im hier dargestellten Beispiel sind die angenommenen Effizienzgewinne B aber so hoch, dass die gegenläufigen Effekte C und D bei Weitem überkompensiert werden und die Kosten des Marktbezuges E damit deutlich geringer als die Hierarchiekosten ausfallen. In der Ausgangssituation ist es also auf jeden Fall vorteilhaft, das Produkt am Markt zu beziehen (E < A). Da im Fokus dieser Arbeit der Austausch von Kosteninformationen zwischen rechtlich unabhängigen Unternehmen steht, wird der Hierarchiefall im Folgenden nicht weiter betrachtet und stattdessen die Annahme vertreten, dass die Kosten am Markt wie hier dargestellt die Kosten der integrierten Fertigung unterschreiten.
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A Einführung und Grundlagen
Kosten
B G F C
A
Kosten Hierarchie
D
Ausgangssituation: Aufgrund erheblicher Skaleneffekte und trotz klassischer Transaktionskosten sowie Effizienzverluste durch Informationsdefizite niedrigere Gesamtkosten am Markt EffizienzEffizienzgewinn Markt: verlust Markt: Skaleneffekte Informationsin der Produktion defizit
"Klassische" Transaktionskosten marktlicher Koordination
E
Kosten Markt
Zielsituation: OBA erlaubt anteilige Rückgewinnung der Effizienzverluste durch Informationsdefizite bei zusätzlichen Transaktionskosten - Gesamtkosten am niedrigsten Transaktionskostensaldo OBA
Effizienzgewinn OBA: Reduktion Informationsdefizit Markt
H
Kosten Markt mit OBA
Abb. 11: Transaktionskostentheoretischer Erklärungsansatz zum Open Book Accounting
Bei der Frage, ob die Einführung von Open Book Accounting (OBA) vorteilhaft ist, sind zunächst die damit einhergehenden Transaktionskosten zu berücksichtigen: Die Kosten der Verarbeitung der zusätzlich verfügbaren Kosteninformationen sind ebenso relevant wie weitere zusätzliche Anbahnungs- und Verhandlungskosten, mit denen gerechnet werden muss, um den Geschäftspartner zu einer Offenlegung zu bewegen. Wie bereits erwähnt, kann eine Offenlegung jedoch auch dazu führen, Transaktionskosten zu reduzieren, indem sie die Preisverhandlung vereinfacht, nachdem einmalig Regeln zur Preisentstehung vereinbart worden sind (vgl. Abschnitt 2.2.2). Der Nettoeffekt aus zusätzlichen Transaktionskosten und erwarteten Transaktionskostensenkungen sei annahmegemäß positiv und ist unter F in der Abbildung dargestellt. Ziel der Offenlegung ist es, die in C beschriebenen Effizienzverluste aus Informationsdefiziten zumindest teilweise zu reduzieren, so dass es zu einem Effizienzgewinn G kommt, der den Transaktionskostensaldo einer Einführung von Open Book Accounting überkompensiert. Dies führt dazu, dass die Kosten der marktlichen Koordination unter Anwendung von Open Book Accounting die Kosten ohne Open Book Accounting unterschreiten (H < E), womit nach Transaktionskostenüberlegungen die Einführung vorteilhaft erscheint. Eine solche transaktionskostentheoretisch fundierte Interpretation ermöglicht es, die in Abschnitt 2.2.2 dargestellten Funktionen und Folgen von Open Book Accounting darzustellen: Explizit erwähnt wurden bereits die Möglichkeiten der Kostensenkung sowie die transaktionskostenreduzierende Wirkung von Open Book Accounting durch eine Vereinfachung der
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
67
Preisdiskussion. Die Stärkung der Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant hat eine ähnliche Wirkung, zumal damit die Anbahnungs- und Verhandlungskosten reduziert werden dürften. Weiterhin lassen sich die begünstigenden Einflussfaktoren einer Einführung von Open Book Accounting (vgl. Abschnitt 2.2.4) weitgehend als Determinanten interpretieren, die die Höhe des Transaktionskostensaldos F bestimmen. Bestehendes Vertrauen oder eine Machtasymmetrie zugunsten des Unternehmens, das Einblick in die Bücher des Vertragspartners fordert, können die Verhandlungskosten vor einer Offenlegung reduzieren. Auch Sicherungsmechanismen oder Umsetzungsunterstützung können so interpretiert werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese auch selbst wieder mit Transaktionskosten verbunden sind. Problematisch wird in der bisherigen einfachen Darstellungsform allerdings die Abbildung der in Abschnitt 2.2.3 beschriebenen Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten: Da die Nachteile für ein Unternehmen regelmäßig einen Vorteil für das andere Unternehmen darstellen, kann die bisher erfolgte unternehmensübergreifende Transaktionskostenbetrachtung nicht ausreichen. Letztlich muss bei rechtlich unabhängigen Unternehmen, die einer Zusammenarbeit auf Basis offener Bücher individuell zustimmen müssen, sichergestellt sein, dass sich keines der Unternehmen durch die Offenlegung schlechter stellt. Die Detaillierung dieser Situation für den exemplarischen Fall einer isolierten Lieferanten-Abnehmerbeziehung erfolgt im folgenden Abschnitt. 3.3.2
Untersuchung der Auswirkungen von Open Book Accounting auf die Erträge von Abnehmer und Lieferant
Wie im letzten Abschnitt argumentiert, sei die Wahl einer integrierten Fertigung in keinem Fall kostenoptimal und daher außerhalb des Betrachtungsumfangs. Da die Kosten des Abnehmers die Umsätze des Lieferanten umfassen, genügt an dieser Stelle aber keine ausschließliche Kostenbetrachtung mehr. Stattdessen erfüllt dasjenige institutionelle Arrangement, das den höchsten Ertrag mit sich bringt, das neue Effizienzkriterium. Ausgehend von einer Ausgangssituation ohne Open Book Accounting werden im Folgenden mehrere Szenarien dargestellt, anhand derer die unternehmensindividuellen Auswirkungen eines Open Book Accounting auf die Ertragslage beschrieben werden können. Ausgangssituation: Marktliche Transaktion ohne Kostentransparenz Die Ausgangssituation beschreibt die im vorigen Abschnitt dargestellte marktliche Transaktion ohne einen Austausch von Kosteninformationen (Säule E in Abb. 11). Tab. 4 stellt für die beiden Unternehmen (Abnehmer und Lieferant) sowie die aus diesen beiden Unternehmen
68
A Einführung und Grundlagen
bestehende Supply Chain insgesamt dar, welcher Ertrag erwirtschaftet wird und welche Umsatz- und Kostengrößen Berücksichtigung finden. Abnehmer
Lieferant
Supply Chain
150,0
100,0
250,0
Reduktion VK-Preis
-
-
-
3
Umsatz II (=1+2)
150,0
100,0
250,0
4
Kosten I
140,0
90,0
230,0
5
Reduktion EK-Preis (=2)
-
-
-
6
Transaktionskostensaldo OBA
-
-
-
7
Effizienzgewinn OBA
-
-
-
8
Kosten II (=4+5+6+7)
140,0
90,0
230,0
9
Ertrag (=3-8)
10,0
10,0
20,0
Umsatzrentabilität (=9/3)
6,7%
10,0%
8,0%
1
Umsatz I
2
11
Tab. 4:
Beispielrechnung zur Ertragslage von Abnehmer und Lieferant bei einer marktlichen Transaktion ohne Kostentransparenz
Es sei angenommen, dass der Abnehmer ein Produkt zum Preis 100 vom Lieferanten kauft (=Umsatz I des Lieferanten) und dieses nach Weiterverarbeitung zum Preis 150 an den Endkunden weiterveräußert. Zu diesem Zeitpunkt sei keine Reduktion des Verkaufspreises (VKPreis) des Lieferanten vorgesehen, die einer Reduktion des Einkaufspreises (EK-Preis) des Abnehmers entsprechen würde. Die Kosten I umfassen sämtliche im Zusammenhang mit dem Produkt anfallenden bzw. dem Produkt zurechenbare Kosten, beim Abnehmer also auch den Preis für das beim Lieferanten bezogene Produkt sowie alle bei der Transaktion anfallenden Transaktionskosten (mit Ausnahme der im Zusammenhang mit Open Book Accounting entstehenden Transaktionskosten, die gesondert aufgeführt sind). Da in diesem Ausgangsszenario kein Austausch von Kosteninformationen stattfindet, bestehen auch keine Wirkungen auf Transaktionskosten bzw. auf einen potenziellen Effizienzgewinn durch Open Book Accounting. Weiterhin sei angenommen, dass beide Unternehmen einen Ertrag in gleicher absoluter Höhe an dem Geschäft haben, wobei die Umsatzrentabilität des Abnehmers aufgrund der höheren Umsatzbasis deutlich hinter derjenigen des Lieferanten zurückbleibt. Szenario 1: Gleichverteilte Kostensenkungen durch OBA-Effizienzgewinne Vor dem Hintergrund erwarteter Effizienzgewinne beschließen die Unternehmen nun, Kosteninformationen auszutauschen. Wie im vorigen Abschnitt erläutert, führt dies zu zusätzlichen Transaktionskosten, kann jedoch auch transaktionskostensenkend wirken. Hier sei
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
69
angenommen, dass der Saldo für beide Unternehmen positiv ist (Zeile 6). Mit dem Austausch ergeben sich aber auch Möglichkeiten, gemeinsam Effizienzgewinne zu realisieren (Zeile 7), die aufgrund vorher bestehender Informationsdefizite nicht möglich waren. Lieferant
Supply Chain
150,0
100,0
250,0
Umsatz I
2
Reduktion VK-Preis
-
-
-
3
Umsatz II (=1+2)
150,0
100,0
250,0
4
Kosten I
140,0
90,0
230,0
5
Reduktion EK-Preis (=2)
-
-
-
6
Transaktionskostensaldo OBA
3,0
3,0
6,0
7
Effizienzgewinn OBA
-10,0
-10,0
-20,0
8
Kosten II (=4+5+6+7)
133,0
83,0
216,0
9 11
Tab. 5:
Abnehmer 1
Ertrag (=3-8) Umsatzrentabilität (=9/3)
17,0
17,0
34,0
11,3%
17,0%
13,6%
Beispielrechnung zur Ertragslage von Abnehmer und Lieferant bei gleichverteilten Effizienzgewinnen nach Einführung von Open Book Accounting
Bezüglich der Effizienzgewinne sei angenommen, dass diese gleichmäßig auf beide Unternehmen entfallen, das heißt, dass sich für beide Unternehmen nach der Offenlegung Möglichkeiten ergeben, ihre Kostenbasis zu verbessern. Da die Effizienzgewinne die zusätzlichen Transaktionskosten übersteigen, ist es für beide Unternehmen sinnvoll, sich an dem Austausch von Kosteninformationen zu beteiligen, da sich ihr jeweiliger Ertrag gegenüber der Ausgangssituation vergrößert hat. Szenario 2: Preissenkung zur Erzielung eines Ertragsausgleiches Aufgrund der höheren Ausgangsrentabilität des Lieferanten kann dieser zunächst auch unter Open Book Accounting eine höhere Umsatzrentabilität erzielen als der Abnehmer. Eine mögliche Befürchtung des Lieferanten kann nun sein, dass der Abnehmer diese Margendiskrepanz nach der Offenlegung der Kosteninformationen identifiziert und daraus eine Forderung nach einer Preissenkung formuliert, so dass beide Unternehmen die gleiche Umsatzrentabilität in dem betrachteten Geschäft erzielen. Im hier dargestellten Beispiel entspräche dies einer Reduktion des Verkaufspreises um 3,7.
70
A Einführung und Grundlagen
Abnehmer
Lieferant
Supply Chain
150,0
100,0
250,0
Reduktion VK-Preis
-
-3,7
-3,7
Umsatz II (=1+2)
150,0
96,3
246,3
4
Kosten I
140,0
90,0
230,0
5
Reduktion EK-Preis (=2)
-3,7
-
-3,7
6
Transaktionskostensaldo OBA
3,0
3,0
6,0
7
Effizienzgewinn OBA
-10,0
-10,0
-20,0
8
Kosten II (=4+5+6+7)
129,3
83,0
212,3
1
Umsatz I
2 3
9 11
Tab. 6:
Ertrag (=3-8) Umsatzrentabilität (=9/3)
20,7
13,3
34,0
13,8%
13,8%
13,8%
Beispielrechnung zur Ertragslage von Abnehmer und Lieferant nach Durchsetzung einer Preissenkung zur Erzielung eines Ertragsausgleiches
Inwiefern der Abnehmer in der Lage ist, eine entsprechend begründete Preissenkung tatsächlich durchzusetzen, soll hier nicht näher diskutiert werden. Vor dem Hintergrund des in der Literatur erwähnten möglichen verstärkten Margendrucks als Folge einer Offenlegung von Kosteninformationen erscheint diese Möglichkeit jedoch realistisch, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Rentabilität des Lieferanten in dem hier gezeigten Beispiel im Vergleich zur Ausgangssituation immer noch besser ist (Ertragsverbesserung von 13,3 zu 10,0). Die Offenlegung ist damit immer noch für beide Unternehmen vorteilhaft, wenn auch der (in diesem Beispiel mächtigere) Abnehmer den Großteil der Gewinne für sich vereinnahmt. Aufgrund der reduzierten Umsatzbasis bei einem gleichbleibend hohen Supply Chain-weiten Ertrag (lediglich Ertragsverschiebung vom Lieferanten an den Abnehmer) erhöht sich die durchschnittliche Rentabilität der Wertschöpfungskette. Szenario 3: Vollständige Weitergabe der Kostensenkung an Abnehmer Gelingt es dem Abnehmer im Szenario 2 bereits einen größeren Teil der Effizienzgewinne für sich zu vereinnahmen, ist auch vorstellbar, dass die beim Lieferanten erzielten Einsparungen durch eine Preissenkung in gleicher Höhe komplett an den Abnehmer fließen.
3 Theoretischer Bezugsrahmen zum Open Book Accounting
Lieferant
Supply Chain
150,0
100,0
250,0
Reduktion VK-Preis
-
-10,0
-10,0
Umsatz II (=1+2)
150,0
90,0
240,0
Kosten I
140,0
90,0
230,0
Reduktion EK-Preis (=2)
-10,0
-
-10,0
3,0
3,0
6,0
Effizienzgewinn OBA
-10,0
-10,0
-20,0
Kosten II (=4+5+6+7)
123,0
83,0
206,0
Umsatz I
2 3 4 5 6
Transaktionskostensaldo OBA
7 8 9
Tab. 7:
Abnehmer 1
11
71
Ertrag (=3-8) Umsatzrentabilität (=9/3)
27,0
7,0
34,0
18,0%
7,8%
14,2%
Beispielrechnung zur Ertragslage von Abnehmer und Lieferant nach vollständiger Weitergabe der Effizienzgewinne aus Open Book Accounting an den Abnehmer
Im hier gezeigten Beispiel führt die vollständige Übertragung der Effizienzgewinne an den Abnehmer in Verbindung mit den durch Open Book Accounting beim Lieferanten anfallenden Transaktionskosten dazu, dass dieser sich mit einem Austausch schlechter stellt als in der Ausgangssituation. Während es für die gesamte Supply Chain insgesamt betrachtet positiv ist, Kostentransparenz zu verfolgen, zeigt die hier vorgenommene individuelle Analyse, dass es Situationen gibt, in denen die Teilnehmer unterschiedlich bis gar nicht von einem Austausch profitieren. In den vorigen Überlegungen wurde der mögliche zusätzliche Preisdruck sowie eine ungleiche Gewinnverteilung nach Einführung von Open Book Accounting explizit modelliert und beschrieben, allerdings blieben die Konflikte der Datenweitergabe sowie Datenmanipulation noch unberücksichtigt. Eine unberechtigte Datenweitergabe führt zu einer Reduzierung des Effizienzgewinns für das ausgenutzte Unternehmen bzw. kann auch zusätzliche Kosten hervorrufen. Eine Manipulation der Kostenbasis dürfte zum einen dazu führen, dass die erzielbaren Effizienzgewinne schrumpfen, da Analysen sich nicht mehr auf die korrekten Daten stützen können. Zum anderen sind auch erhöhte Transaktionskosten insgesamt auf Seiten des Lieferanten und des Abnehmers zu erwarten: Beim Lieferanten (der im dargestellten Beispiel vor allem im Szenario 3 einen wesentlichen Anreiz hat, seine Kosteninformationen zu manipulieren) sind dies die bei der Manipulation anfallenden Kosten, beim Abnehmer die einem Manipulationsverdacht aufzubringenden Kapazitäten um die Manipulation aufzudecken.
72
A Einführung und Grundlagen
Diese beispielhafte Darstellung der Umsatz-, Kosten und Ertragswirkungen im Zusammenhang mit dem Austausch von Kosteninformationen suggerieren eine klare Messbarkeit der einzelnen Größen, die in der Praxis allerdings so nicht gegeben sein dürfte. Die mit Open Book Accounting anfallenden Transaktionskosten dürften nur schwierig messbar sein, auch die zu erzielenden Einsparungen sind normalerweise im Voraus nicht eindeutig zu bestimmen. Faktisch beruht die Bereitschaft zur Offenlegung also entweder lediglich auf der Erwartung einer möglichen Verbesserung oder ist von anderen Faktoren wie dem Machtverhältnis zwischen den Akteuren abhängig.
B Empirische Befunde In Abschnitt 2.2 wurde bereits dargelegt, dass sich die ohnehin junge Forschung zum Open Book Accounting weitestgehend auf einzelne Aspekte desselben konzentriert, während ein umfassendes Bild zum Anwendungsspektrum bislang nicht erstellt wurde. Der hier verfolgte Forschungsansatz wurde daher bewusst ergebnisoffen gestaltet, wobei die bisher in der wissenschaftlichen Literatur diskutierten Inhalte zum Open Book Accounting und dadurch aufgeworfene Fragestellungen als Leitrahmen der Untersuchung dienten. Des Weiteren wird auf eine Darstellung der Lieferantenperspektive nicht verzichtet, obgleich der Schwerpunkt dieser Untersuchung auf der Analyse der Nutzung von Kosteninformationen durch die Abnehmerseite (also dem Einkauf) liegt.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting 4.1 Untersuchungsziele Die Befragung von Experten mit Einkaufshintergrund stellt die empirische Basis für diesen Teil der Untersuchung dar. Er soll damit bereits weitreichende Antworten auf die in Abschnitt 1.2 aufgestellten Forschungsfragen aus Sicht des Einkaufs liefern. Die Untersuchung soll bereits an dieser Stelle möglichst umfassend die praktische Relevanz der bisher in der wissenschaftlichen Diskussion erörterten Themenfelder zum Open Book Accounting untersuchen (vgl. Tab. 2) sowie darüber hinausgehende Ansatzpunkte identifizieren. Basierend auf Expertengesprächen sowie einer ergänzenden schriftlichen Befragung soll zunächst eine Identifikation des Einkaufs- und Wettbewerbsumfeldes stattfinden, in dem die Befragten agieren und auf deren Grundlage ihre Erfahrungen und Ansichten beruhen. Weiterhin sollen die aus Praktikersicht relevanten Funktionen und Folgen eines Austausches von Kosteninformationen diskutiert sowie die aus ihrer Sicht damit einhergehenden Konflikte und Umsetzungsschwierigkeiten erörtert werden. Hierzu soll auf die persönlichen Erfahrungen und Ansichten der Interviewpartner zur Nutzung von Open Book Accounting im Einkauf zurückgegriffen werden. In diesem Zusammenhang gilt es auch die Frage zu beantworten, inwiefern dem Abnehmer Alternativen zu Lieferantendaten zur Verfügung stehen und unter welchen Voraussetzungen diese verwendet werden. Letztlich sind die einen Austausch von Kosteninformationen begünstigenden Einflussfaktoren zu identifizieren und zu bewerten. Hierbei ist außerdem die zu erwartende Entwicklung von Open Book Accounting zu skizzieren. Tab. 8 stellt die in den Gesprächen zu behandelnden Fragestellungen im Überblick dar.
74
B Empirische Befunde Diskussion Hintergründe und Einkaufsumfeld
x Strategische Ausrichtung und Einkaufsfokus x Wettbewerbssituation, Zielvorgaben und Incentivierung im Einkauf x Ansatzpunkte und Vorgehensweisen zur Kostensenkung x Verhältnis zu Lieferanten x Professionalität und Qualifikation im Einkauf
Nutzung von Open Book Accounting x Wunsch nach Kostentransparenz und Gründe hierfür x Aktueller Umsetzungsstand x Bewertung der Datenvalidität und Plausibilisierungsansätze als potenzielle Alternativen zur Offenlegung x Nutzung der Kosteninformationen in Preisverhandlungen und gemeinsamen Kostensenkungsprojekten
Einflussfaktoren und Entwicklungsperspektiven x Rolle von Machtverhältnis und Beziehungskontext für die Offenlegung von Kosteninformationen durch Lieferanten x Möglichkeiten zur Akzeptanzsteigerung bei Lieferanten x Perspektiven zur zukünftigen Entwicklung von Kostentransparenz
x Einfluss von Kostentransparenz auf den Beziehungskontext x Praktische Implementierungshürden
Tab. 8:
Detailfragen zum Open Book Accounting
Antworten auf die oben dargestellten Fragestellungen sollen helfen, ein vollständiges Bild zur Bedeutung von Open Book Accounting zu zeichnen. Sie sollen dabei sowohl Implikationen für die Wissenschaft aufzeigen als auch Hinweise liefern, welche Rolle die Offenlegung von Kosteninformationen in der unternehmerischen Praxis einnimmt. Die hier gemachten Beobachtungen sollen dabei helfen, eine Systematisierung der verschiedenen Anwendungsfelder des Open Book Accounting zu erstellen, die wiederum als Grundlage für praktische und wissenschaftliche Implikationen dienen kann.
4.2 Forschungsdesign 4.2.1
Auswahl des methodischen Forschungsansatzes
Die Auswahl des methodischen Ansatzes muss unter Berücksichtigung der verfolgten Forschungsziele und der zu untersuchenden Forschungsfrage erfolgen (Kelle 2008, S. 16f.). Während die quantitative Forschung durch weitgehend vorgegebene Antwortalternativen und in hohem Maße standardisierte Erhebungsformen die Untersuchung einer großen Stichprobe zulässt und damit auch regelmäßig den Anspruch der Repräsentativität erfüllt, bieten qualitative Forschungsdesigns die Möglichkeit, Fragestellungen inhaltlich erschöpfend zu beantworten und dabei auch neue, bisher nicht untersuchte Sachverhalte aufzudecken. Gerade bei noch wenig erforschten und aufgrund der Vielzahl möglicher Einflüsse schwierig zu überschaubaren Forschungsgegenständen sind daher qualitative Datenerhebungen gegenüber rein quantitativ orientierten Vorgehensweisen im Vorteil (vgl. eine ausführliche Darstellung der Methodendiskussion zwischen qualitativer und quantitativer Forschung in Kelle 2008, S. 25-
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
75
55). Die für diesen Teil des Forschungsprojektes definierten Zielsetzungen (vgl. Abschnitt 4.1) verlangen ein Forschungsdesign, das es erlaubt, eine große Breite an Erfahrungen und Meinungen von Personen aus der unternehmerischen Praxis unvoreingenommen und ergebnisoffen aufzunehmen. Bei der Darstellung der aus der bisher vorliegenden Literatur abgeleiteten Ausgangssituation zum Open Book Accounting (vgl. Abschnitt 2.2.5) wurde bereits deutlich gemacht, dass das Betrachtungsfeld als noch jung und in weiten Teilen unerforscht angesehen werden kann. Vor diesen Hintergründen wurde an dieser Stelle ein überwiegend qualitatives Forschungsdesign gewählt. In der methodologischen Diskussion zur Verwendung qualitativer oder quantitativer Verfahren findet sich von qualitativ orientierten Autoren der Hinweis, dass eine Verbindung der beiden Ansätze geeignet ist, den gleichen Untersuchungsgegenstand aus unterschiedlichen Richtungen zu analysieren. Sie sprechen dabei von dem Begriff der Triangulation (Kelle/Erzberger 2008, S. 300). Die Autoren weisen darauf hin, dass bei dem parallelen Einsatz von quantitativen und qualitativen Methoden die Forschungsergebnisse entweder konvergieren (tendenziell übereinstimmen), sich ergänzen oder aber auch einander widersprechen können (S. 304). Seit wenigen Jahren ist die Kombination qualitativer und quantitativer Verfahren in der Forschungspraxis weit verbreitet (Bryman 2006, S. 97), wobei insbesondere die Kombination qualitativer Interviews mit einer standardisierten Befragungsmethode verfolgt wird (S. 103). Soweit möglich sollen auch in dieser Studie die qualitativen Ergebnisse ergänzende sowie kontrastierende Einsichten ermöglichende quantitative Analysen erfolgen. Da bereits Fragestellungen und zu untersuchende Themenbereiche aufgestellt worden sind, stellt das Experteninterview eine geeignete Methodenwahl für den ersten Untersuchungsabschnitt dar: Anders als im narrativen Interview, das völlig offen geführt wird, erlaubt das problemzentrierte Interview bzw. Experteninterview bei weitgehender Offenheit in Bezug auf die Antworten des Befragten eine engere Fokussierung auf die zu untersuchenden Inhalte (Scholl 2003, S. 66). Die Strukturierung des Gespräches wird dabei über einen Interviewleitfaden unterstützt, der außerdem eine einfachere Vergleichbarkeit der Interviews und spätere Verdichtung der Interviewergebnisse ermöglichen soll. Die oben angesprochene quantitative Analyse soll sowohl die im Rahmen der Experteninterviews gewonnenen qualitativen Daten als auch im Anschluss daran zu erhebende und die Interviews ergänzende bzw. validierende Aussagen umfassen. Auf die Einzelheiten der Datenerhebung und –auswertung wird in den folgenden Abschnitten eingegangen.
76
4.2.2
B Empirische Befunde
Datenerhebung
Selektionskriterien Um sicher zu stellen, dass in den zu führenden Interviews eine große Bandbreite an Erfahrungen, Meinungen und Ideen zu Open Book Accounting aus Sicht des Einkaufs aufgenommen werden kann, wurde nur eine geringe Beschränkung potenziell geeigneter Interviewpartner vorgenommen. Es wurde dahingehend eine bewusste Auswahl getroffen, dass die zu befragenden Personen eigene berufliche Erfahrungen im industriellen Einkaufsumfeld vorweisen müssen, die über die reine Abwicklung des „Beschaffens“ hinausgeht. Hierzu zählen üblicherweise Beschäftigte des sogenannten „strategischen Einkaufs“, die in Abgrenzung zum „operativen Einkauf“ in die Auswahl von Lieferanten, Vertragsgestaltungen und verhandlungen sowie regelmäßig auch Produktentwicklungs- und Kostensenkungsprojekte eingebunden sind. Da Open Book Accounting vielfach nur einen einseitigen Austausch von Kosteninformationen in Richtung des Abnehmers beschreibt (vgl. Abschnitt 2.2.1), standen auch diejenigen Mitarbeiter im Betrachtungsumfang dieser Untersuchung, die primär mit der Analyse von Lieferantenkosten betraut sind. Weitere Ansprechpartner wurden in Vertretern von Unternehmensberatungen gesehen, die aufgrund ihrer Tätigkeit über ein breites einkaufsspezifisches Wissen verfügen. Keine Einschränkung wurde bezüglich des Hierarchielevels der Interviewpartner im Unternehmen gemacht, um auch in dieser Hinsicht eine möglichst große Breite an Erkenntnissen zu gewinnen. Der Expertenstatus ergibt sich nicht zwangsläufig aus der Stellung der Person in der Unternehmenshierarchie, sondern inwiefern eine Person einen privilegierten Zugang zu relevanten Informationen hat und diese auch mitteilen will (vgl. zu Anforderungen an einen „Experten“ z.B. Scholl 2003, S. 66–68; Bähring et al. 2008, S. 93). Im Hinblick auf die verfolgten Ziele der Befragung wurden daher bewusst auch Mitarbeiter auf unteren Hierarchieebenen in die Untersuchung einbezogen. Um einen ausreichenden Expertenstatus sicher zu stellen, wurde für eine Teilnahme an der Untersuchung eine mindestens einjährige relevante Tätigkeit im Einkaufsumfeld vorausgesetzt. Ausdrücklich nicht vorausgesetzt wurde eine schon vorhandene Erfahrung im Umgang mit Open Book Accounting, da im Rahmen dieser Untersuchung auch Anhaltspunkte identifiziert werden sollen, in welchen Fällen eine Anwendung von Open Book Accounting nicht stattfindet. Diese bewusste Stichprobenwahl sollte sicherstellen, dass „die ausgewählten Experten auch tatsächlich zur Beantwortung der forschungsrelevanten Fragestellungen beitragen können“ (Bähring et al. 2008, S. 97). Im Gegensatz zu anderen Studien, die sich mit dem Austausch von Kosteninformationen bzw. einem interorganisationalen Kostenmanagement befassen (vgl. z.B. Carr/Ng 1995; Free 2008;
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
77
Möller/Isbruch 2008b), wurde an dieser Stelle keine enge Branchenbegrenzung vorgenommen. Bei der Selektion der Interviewpartner wurde lediglich darauf geachtet, dass sie über einkaufsspezifische Erfahrungen bei der Beschaffung von Produkten (d.h. nicht ausschließlich Dienstleistungseinkauf) verfügen. Die Art der zu beschaffenden Produkte spielte bei der Selektion insofern eine Rolle, als dass davon ausgegangen wurde, dass für Produkte mit einer hohen Lieferantenwertschöpfung die Kenntnis von Kostendaten des Lieferanten besonders hilfreich ist. Nicht betrachtet wurden daher Produkte, die lediglich von einem Händler bezogen wurden, auch die Einkäufer zu Rohstofflieferanten standen nicht im unmittelbaren Fokus der Untersuchung. Abnehmerseitig wurde dahingehend weiter selektiert, dass die bezogenen Güter als Vorprodukte in die eigene Fertigung eingehen und nicht lediglich Handelsware darstellen. Im Kern dieses Untersuchungsteils standen damit verarbeitende Betriebe unterschiedlicher Branchen. Als Größenkriterium wurde ein Jahresumsatz von mindestens € 50 Mio. gesetzt. Hiermit sollte erreicht werden, dass das Unternehmen zum einen überhaupt über eine eigenständige Einkaufsorganisation verfügt (und nicht der Geschäftsführer selbst sämtliche Einkaufstätigkeiten übernimmt), zum anderen aber auch über ein nennenswertes Einkaufsvolumen verfügt, das an dieser Stelle als Voraussetzung für eine nähere Beschäftigung mit einem Austausch von Kosteninformationen gesehen wird. Eine Obergrenze in Bezug auf die Unternehmensgröße wurde nicht festgelegt. Datenquellen Drei Quellen wurden für die Rekrutierung der Interviewpartner herangezogen: Persönliche Kontakte, Empfehlungen von Interviewpartnern im Anschluss an das Gespräch sowie die Rekrutierung über ein Business-Netzwerk, wobei 90 Prozent der Gespräche auf durch das Netzwerk rekrutierte Interviewpartner zurückzuführen sind. Die Entscheidung zur Rekrutierung von zu befragenden Personen über das Business-Netzwerk beruht auf folgenden Gründen: Umfangreiche Datenbasis – Nach Angaben des Betreibers nutzen über acht Millionen Geschäftsleute und Berufstätige das Netzwerk (XING AG 2009). Die für die Zwecke der Untersuchung nötige breite Datenbasis kann damit als vorhanden bewertet werden. Anders als bei anderen Datenprovidern wie z.B. Hoppenstedt (Hoppenstedt Firmeninformationen GmbH 2009) sind in dem verwendeten Business-Netzwerk auch Nicht-Führungskräfte aufgeführt. Eine Einbeziehung dieser Personengruppe war wie oben dargestellt ausdrücklich erwünscht. Da die Angaben in dem Netzwerk nicht redaktionell erhoben werden sondern Eigenauskünfte der jeweiligen Personen darstellen, besteht grundsätzlich die Gefahr der Falschdarstellung durch die Nutzer. Diese Tatsache wurde allerdings nicht als Schwierigkeit für die Studie
78
B Empirische Befunde
angesehen, da erwartet wurde, einen fehlenden Expertenstatus spätestens im Laufe eines Gespräches identifizieren zu können. Screening – Vor Kontaktaufnahme mit einem potenziell geeigneten Kandidaten ist es durch den Überblick über seine Angaben im Netzwerk zur Person, Tätigkeitsbereich und Unternehmen möglich, Personen, die nicht dem oben dargestellten Selektionsmuster entsprechen, von vornherein von der Untersuchung auszuschließen und so eine effiziente Ressourcenverwendung auf Seite des Forschers und des Interviewpartners zu erreichen. Zugang und Informationsvermittlung – Das Business-Netzwerk bietet die Möglichkeit, die selektierten Kandidaten über ein Kontaktformular direkt über das Forschungsvorhaben zu informieren und darzustellen, inwiefern sie das Vorhaben unterstützen können. Auch wenn Detailinformationen zur Studie erst zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt wurden, konnte der Interviewkandidat bereits zu diesem Zeitpunkt unverbindlich über das Business-Netzwerk nähere Informationen zum Interviewer und dessen beruflichen und wissenschaftlichen Hintergrund erfahren und sich ein Bild von dem Forschungsvorhaben machen. Hierdurch konnte erreicht werden, dass eine umfangreichere Kommunikation nur mit denjenigen Kandidaten stattfand, die auch tatsächlich für ein Gespräch zur Verfügung standen bzw. zumindest grundsätzlich Interesse zeigten. Weiterhin bot das Business-Netzwerk einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu den Interviewkandidaten. Eine Rückmeldung fand üblicherweise innerhalb weniger Tage nach Versand der Anfrage statt. Kosten – Die Kontaktdaten und weitere für das Screening relevante Informationen der Kandidaten konnten kostenlos eingesehen werden, lediglich für die Nutzung der Kontaktaufnahmefunktion sowie bestimmte Filterfunktionen war ein geringes Entgelt an den Betreiber des Netzwerks zu entrichten. Betrachtungsumfang Der Umfang der durchzuführenden Interviews wurde nicht a priori festgelegt. Anders als bei quantitativen Untersuchungen, in denen oftmals statistische Repräsentativität angestrebt wird (Merkens 2008, S. 291), war im Rahmen dieser Untersuchung wichtig, das zu erforschende Feld inhaltlich erschöpfend zu erfassen. Hierfür wurde bei der Selektion der Interviewpartner Patton (2002, S. 109f.) folgend versucht, eine hohe Bandbreite potenzieller Perspektiven zum Thema zu erhalten. Die Anzahl der durchgeführten Interviews wurde gemäß Kvale (1996, S. 102) dadurch bestimmt, dass keine weiteren Gespräche mehr durchgeführt wurden, sobald erwartet wurde, dass diese keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn mehr bringen würden (theoretische Sättigung). Während Helfferich (2005, S. 153) zwischen sechs und 30 Interviews als
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
79
normalerweise ausreichende Datengrundlage für eine qualitative Untersuchung mit einem mittleren Stichprobenumfang ausgeht, weisen Bähring et al. (2008, S. 97) darauf hin, dass der „Umfang der nötigen Stichprobe […] auch in Abhängigkeit des Ziels der Befragung [differiert].“ Da diese Untersuchung nicht nur eine reine Exploration des Themenfeldes zum Ziel hatte, sondern auch bestimmte besonders interessante oder ungewöhnliche Anwendungsfälle in Unternehmen identifizieren und darüber hinaus auch relevante quantitative Analysen ermöglichen sollte, wurde bewusst die von Helfferich (2005) vorgeschlagene Anzahl erheblich überschritten. Hierdurch sollte weiterhin sichergestellt werden, dass die Stichprobe „maximal unterschiedliche und ebenso als typische geltende Fälle“ umfasst und damit das Kriterium der inneren Repräsentation ausreichend erfüllt (Helfferich 2005, S. 153f.). Rekrutierung der Interviewpartner Wie oben dargestellt fand die Rekrutierung der Interviewpartner bis auf wenige Ausnahmen über ein Business-Netzwerk statt. Den Hinweisen bei Bähring et al. (2008, S. 97f.) folgend wurde der mögliche Interviewpartner zunächst über die wesentlichen Inhalte, Form und Ziele der Befragung informiert. Ziel dieser initialen Kontaktaufnahme war es, den Kandidaten von der Seriosität der Untersuchung und der beteiligten Forschergruppe zu überzeugen und somit eine grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme zu erzeugen. Ebenfalls wurde dem Kandidaten zur Erhöhung der Motivation zur Teilnahme ein kostenloser und frühzeitiger Zugriff auf die Forschungsergebnisse zugesichert. Sofern die Angaben im Kandidatenprofil dies zuließen, wurde der Anfragetext personalisiert, um die besondere Bedeutung des Kandidaten für die Untersuchung zu verdeutlichen. Diese teilweise vorgenommene Personalisierung sollte ebenfalls dazu dienen, die Motivation des Kandidaten zu erhöhen, an der Studie teilzunehmen. Kandidaten wurden auf diesem Wege nur einmal kontaktiert und in dem Anschreiben aufgefordert, sich bei Interesse für die Studie unter Angabe einer E-Mail-Adresse an den Ansprechpartner in der Forschergruppe zu wenden. Allen Kandidaten, die in diesem Schritt grundsätzlich Ihr Interesse an einer Teilnahme an dem Forschungsprojekt bekundet haben, wurde umfangreicheres Informationsmaterial per EMail zur Verfügung gestellt. Dieses Material umfasste eine ausführlichere Vorstellung des Forschungsvorhabens, die vollständigen Kontaktdaten der Forschergruppe und die Nennung der voraussichtlichen Dauer des Interviews. Des Weiteren wurden auch umfassende Hinweise zum Datenschutz gemacht. Diese Angaben orientieren sich an der Vorlage von Helfferich (2005, S. 182f.). Sie sollen nicht nur den Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes Rechnung tragen, sondern auch die Seriosität des Forschungsprojektes unterstreichen sowie den Kandidaten davon überzeugen, dass ihm durch eine Teilnahme an der Untersuchung
80
B Empirische Befunde
keinerlei Nachteile entstehen können. Im Einzelnen wurde den Kandidaten zugesichert, dass die Arbeit allein wissenschaftlichen Zwecken dient und auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes durchgeführt wird. In Bezug auf die Vertraulichkeit der Angaben wurde u.a. Anonymität in Bezug auf den Namen des Unternehmens und des Befragten sowie eine Löschung der Kontaktinformationen nach Abschluss des Forschungsprojektes zugesichert. Vor dem Hintergrund, dass der Umgang mit und die Verwendung von Kosteninformationen von Lieferanten ein sensibles Thema darstellt und Erfahrungen aus früheren Projekten gezeigt haben, dass insgesamt nur eine geringe Auskunftsbereitschaft hierzu besteht, wurde weiterhin der Verzicht auf eine Tonaufzeichnung zugesichert. Eine solche Aufzeichnung wird zwar „in der Regel“ (Scholl 2003, S. 69) vorgenommen und wird auch von manchen Autoren als „unumgänglich“ (Bähring et al. 2008, S. 98) angesehen, sollte aber dann unterbleiben, wenn der Interviewpartner unter Umständen Vorbehalte gegen eine solche Aufnahme haben könnte oder ggf. gar nicht für ein Interview zur Verfügung steht (Yin 2003, S. 92). Auch erschien es aus Sicht der Forschergruppe nicht zwingend erforderlich, die Aussagen der Interviewpartner wortwörtlich aufzunehmen. Auf die somit aber nötig gewordene schriftliche Protokollierung wird an späterer Stelle gesondert eingegangen. Die vollständige Datenschutzerklärung kann dem Anhang auf S. 239 entnommen werden. Nach Versand des ausführlichen Informationsmaterials wurden telefonisch oder per E-Mail Interviewtermine vereinbart. Da der Interviewte damit unmittelbar einem Interview zustimmt, kann die aus ethischen Gründen erforderliche informierte Einwilligung des Befragten als gegeben angesehen werden (Gläser/Laudel 2009, S. 54). Basierend auf insgesamt 272 durchgeführten Anfragen wurden im Zeitraum von Dezember 2008 bis März 2009 59 Interviews mit einer Länge zwischen 30 und 90 Minuten (Durchschnitt = 53 Minuten) geführt. Die Befragten hatten durchschnittlich über 7,5 Jahre Berufserfahrung im Einkaufsumfeld und bestanden vor allem aus strategischen Einkäufern großer und mittelgroßer Unternehmen. Weitere Informationen zur Branchenverteilung, Größenkategorien der betrachteten Unternehmen, Position der Befragten sowie Interviewdauer sind in Abb. 12 dargestellt.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
81
Anzahl Interviews 100%
59 Andere*
80
60
40
20
0
Technologie, Elektrotechnik, Elektronik Chemie, Pharma und Healthcare
Maschinen- und Anlagenbau, Industriegüter
59 >= 5.000
59 Berater
59
Spezialist Kostenanalyse/senkung
Leiter (strategischer ) Einkauf
>=60
Strategischer Einkäufer
45-59
1.000-4.999
500-999
Automobilindustrie, Fahrzeugbau
100-499
Branche
Umsatzkategorie (€M)
30-44
< 100 Stellenbezeichnung
Interviewdauer (min)
* Unternehmensberatung, Konsumgüterindustrie, Telekommunikation, Energieversorgung, Verkehr, Rüstung
Abb. 12: Expertenbefragung im Einkaufsumfeld: Beschreibung der Stichprobe
Experteninterviews als Telefoninterview Die Durchführung von qualitativen Experteninterviews am Telefon ist in der wissenschaftlichen Praxis kaum verbreitet, stattdessen werden üblicherweise persönliche Gespräche geführt (Sturges/Hanrahan 2004, S. 108). Schnell/Hill/Esser (2008) weisen darauf hin, dass das Telefoninterview im Rahmen der standardisierten (quantitativen) Markt- und Meinungsforschung bereits seit den 80er Jahren die am weitesten verbreitete Interviewtechnik in den USA und Deutschland darstellt (363f.). Im Folgenden werden die bisher in der Literatur diskutierten Vor- und Nachteile von Telefoninterviews gegenüber persönlichen Gesprächen dargestellt, wobei im Hinblick auf den vorliegenden Forschungsgegenstand insbesondere auf die Anforderungen qualitativer Interviews Rücksicht genommen wird. Kosten und Dauer der Datenerhebung - Ein regelmäßig vorgebrachter Vorteil von Telefoninterviews im Vergleich zu persönlichen Gesprächen wird in der besseren Kosteneffizienz gesehen (vgl. z.B. Frey 1989, S. 26; de Leeuw/Mellenbergh/Hox 1996, S. 444; Walton 1997, S. 225f.; Scholl 2003, S. 44; Sturges/Hanrahan 2004, S. 109f.; Kolb 2008, S. 155) und kann als eine Erklärung für die weite Verbreitung bei Befragungen mit großen Stichproben gesehen werden. Dadurch dass die Interviewer die Zielpersonen nicht persönlich aufsuchen müssen, ist die Datenerhebungsphase zudem vergleichsweise kurz (Scholl 2003, S. 44). Sturges/Hanrahan (2004, S. 109f.) weisen zu Recht darauf hin, dass diese offensichtlichen Vorteile nur dann Nutzen stiften können, wenn dies nicht zu Lasten der Datenqualität geht.
82
B Empirische Befunde
Qualität – Die Qualität der erhobenen Daten stellt in der Literatur den wichtigsten Diskussionspunkt beim Vergleich zwischen persönlicher und telefonischer Befragung dar (Sturges/Hanrahan 2004, S. 110). Sturges/Hanrahan (2004) geben einen Überblick über in diesem Zusammenhang bisher erfolgte Untersuchungen, die sich jedoch fast ausschließlich mit der Datenqualität aus quantitativen Befragungen befassen. Während einzelne Autoren erhebliche Unterschiede in den Ergebnissen zwischen beiden Befragungsarten feststellten, können andere keine Unterschiede feststellen und kommen zu dem Ergebnis, dass telefonische Befragungen weder qualitative Vor- noch Nachteile im Vergleich zu persönlichen Befragungen aufweisen (S. 110). In ihrer eigenen Untersuchung der Qualität qualitativer Daten stellen die Autoren fest, dass die Wahl des Befragungsmediums keinen signifikanten Einfluss auf die Art, den Umfang oder die Tiefe der Antworten hat (S. 112f.) und dass Telefoninterviews daher erfolgreich im Rahmen qualitativer Befragungen eingesetzt werden können (S. 115). Sensible Fragen – Wie weiter oben bereits dargestellt wurde, werden die von den Interviewpartnern zu tätigenden Aussagen über Open Book Accounting als potenziell sensible Informationen angesehen. Schnell/Hill/Esser (2008) berichten in diesem Zusammenhang von drei Untersuchungen, in denen in Telefoninterviews bei sensiblen Fragen „mehr ausweichende und nicht-substantielle Antworten“ festgestellt wurden (S. 374). Scholl (2003) stellt dagegen fest, dass aufgrund der anonymeren Gesprächsbeziehung die Aussagen in einem Telefonat mit größerer Wahrscheinlichkeit aufrichtig sind als in einem persönlichen Gespräch (S. 44). Auch Sturges/Hanrahan (2004) sehen in Bezug auf sensible Fragen qualitative Vorteile beim Telefoninterview, so lange nicht schmerzlich-emotionale Themen oder illegale Handlungen Gegenstand des Gesprächs sind (S. 108f.). Dauer – Da die zu führenden Expertengespräche einen hinreichenden zeitlichen Umfang benötigen, muss sichergestellt sein, dass die Wahl der Befragungsform auch bei längeren Befragungen keinen negativen Einfluss auf die Qualität der Antworten hat. Schnell/Hill/Esser (2008, S. 374) verweisen in diesem Zusammenhang unter anderem auf eine Studie von Brückner (1985), der nachweist, dass selbst bei Telefoninterviews von 75 Minuten Dauer keine Ermüdungserscheinungen auftreten. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die erwartete Dauer des Gespräches bei der Wahl zwischen persönlichem und telefonischem Gespräch nicht berücksichtigt werden muss. Visuelle Unterstützungen – Während das persönliche Gespräch die Möglichkeit bietet, visuelle Hilfsmittel zu nutzen, muss hierauf im Telefoninterview verzichtet werden. Scholl (2003) gibt in diesem Zusammenhang an, dass beispielsweise die Bildung von Rangreihen nur be-
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grenzt eingesetzt werden könne, da hierfür eine optische Unterstützung erforderlich sei (S. 45). Auch eignet sich das Telefoninterview aus Sicht von Schnell/Hill/Esser (2008) weniger, sofern dem Befragten eine Reihe von Antwortalternativen präsentiert werden soll (S. 371). Im Hinblick auf die hier verfolgten Leitfrageninterviews, die ausschließlich offene Fragestellungen beinhalten, stellt dieser grundsätzliche Nachteil von Telefoninterviews jedoch kein Problem dar. Zugang – Bei der Wahl der Interviewform ist weiterhin zu beachten, dass sie einen ausreichenden Zugang zu den zu befragenden Personen gewährleistet. Kolb (2008) weist darauf hin, dass Experteninterviews so zu organisieren sind, dass die Teilnahme für den Befragten bequem zu bewerkstelligen ist, wobei diese Voraussetzung grundsätzlich in persönlichen, telefonischen und auch Onlinebefragungen erfüllt werden können (S. 154). In der hier durchgeführten Untersuchung spielt die zeitliche Verfügbarkeit der Interviewkandidaten eine entscheidende Rolle, da diese sich die Zeit für das Interview üblicherweise während ihrer Arbeitszeit schaffen müssen. Hier sehen sowohl Fenig et al. (1993, S. 898) als auch Sturges/Hanrahan (2004, S. 113) einen Vorteil für Telefoninterviews. Die Wahl des Interviewmediums kann weiterhin die Bereitschaft zur Teilnahme insgesamt beeinflussen: Die als größer wahrgenommene Anonymität eines Telefoninterviews hat im Vergleich zum persönlichen Interview eine erhöhte Teilnahmebereitschaft zur Folge (Sturges/Hanrahan 2004, S. 114). Die Autoren geben an, dass Teilnehmer in ihrer Studie teilweise deswegen ein Telefoninterview bevorzugt hätten, weil sie nicht wollten, dass andere Personen von ihrer Teilnahme an der Studie erfahren (S. 113f.). In Anbetracht der sensiblen Thematik in dieser Untersuchung kann auch hier ein solches Verhalten nicht ausgeschlossen werden: Es ist zu erwarten, dass Teilnehmer insbesondere auf unteren Hierarchieebenen ein Gespräch in den Firmenräumen ablehnen, da dies ihre Teilnahme an der Untersuchung Kollegen gegenüber offensichtlich macht, und sie möglicherweise zunächst die Genehmigung ihres Vorgesetzten einholen müssten. Ein Telefoninterview dagegen dürfte weniger innerbetriebliche Aufmerksamkeit erzeugen. Protokollierung – Da wie weiter oben geschildert in den Interviews auf eine Tonaufzeichnung verzichtet wird, kommt der Protokollierung des Gespräches eine wichtige Rolle zu. Hierzu stellen Sturges/Hanrahan (2004) fest, dass Telefoninterviews eine einfachere und weniger störende Protokollierung zulassen und damit eine bessere Fokussierung auf die Antworten des Befragten ermöglichen (S. 114f.). Technische Voraussetzungen – Während ein persönliches Interview keinerlei technische Anforderungen an den Befragten setzt, muss er für ein Telefoninterview offensichtlich Zugang zu einem Telefon haben (Sturges/Hanrahan 2004, S. 109). Mag diese Einschränkung für
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B Empirische Befunde
repräsentative Telefonstichproben in der Bevölkerung Relevanz haben (vgl. z.B. Scholl 2003, S. 44; Schnell/Hill/Esser 2008, S. 364–367) trifft dies bei der Befragung von berufstätigen Branchenexperten offensichtlich nicht zu. Vor dem Hintergrund der hier dargestellten Eigenschaften von Telefoninterviews im Vergleich zum persönlichen Gespräch im Rahmen qualitativer Untersuchungen fiel die Entscheidung auf eine telefonische Durchführung der Experteninterviews. Es wurde gezeigt, dass trotz erheblicher Kosten- und Zeitvorteile keine schlechtere Datenqualität und außerdem eine höhere Teilnahmebereitschaft seitens der Interviewkandidaten zu erwarten ist. Letztlich bringt der Autor aus seinem beruflichen Hintergrund umfangreiche Erfahrungen in der Durchführung von Telefoninterviews im geschäftlichen Umfeld mit, was als vorteilhaft für eine erfolgreiche telefonische Befragung der Experten gewertet wird. Interviewleitfaden und Gesprächsverlauf Die in Abschnitt 4.1 dargestellten Ziele und Detailfragen bilden die Grundlage für den Interviewleitfaden. Er stellt damit den inhaltlichen Rahmen der Interviews und enthält auch Vorschläge für Fragen (Kvale 1996, S. 129). Auch wenn der Leitfaden eine Abfolge der Fragen und Themenkomplexe vorschlägt, konnte davon in der jeweiligen Interviewsituation abgewichen werden, um den Gesprächsverlauf nicht zu stark einzuengen. So ist vorstellbar, dass ein Interviewpartner in der Beantwortung einer Frage bereits relevante Angaben zu einer späteren Frage macht, so dass diese dann vorgezogen wird bzw. im Zweifel auch gar nicht mehr direkt gestellt werden muss (Scholl 2003, S. 66). Es lag weiterhin im Ermessen des Interviewers, alle oder nur eine Auswahl an Fragestellungen in der jeweiligen Interviewsituation zu behandeln. Dies erschwert zwar auf der einen Seite die Vergleichbarkeit der einzelnen Gespräche untereinander, erlaubt auf der anderen Seite aber, je nach Gesprächverlauf und Kenntnisstand des Interviewpartners unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen, um so einen möglichst großen Erkenntnisgewinn zu realisieren. Die Interviews waren grob in drei Teile strukturiert: Zunächst wurden den Befragten in Ergänzung zur bereits im Vorfeld erfolgten schriftlichen Zusicherung noch einmal Hinweise zum Datenschutz und der Vertraulichkeit des Gespräches gemacht. Hiermit sollte erreicht werden, dass die Befragten über die Seriosität der Studie überzeugt sind und infolge dessen auch fortlaufend wahrheitsgemäß antworten. Weiterhin wurden zu Beginn der Gespräche eventuell bestehende Verständnisschwierigkeiten der Befragten geklärt oder auf Wunsch nähere Hintergründe zur Studie gewährt. Um die Aussagen der Befragten dadurch nicht zu beeinflussen, wurde hierbei allerdings nicht im Detail auf bisher in der Literatur diskutierte Aspekte des Open Book Accounting eingegangen. Stattdessen wurde bei diesbezüglichen
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Fragen der Interviewpartner auf die Möglichkeit hingewiesen, diese am Ende des Gespräches zu erörtern. Der Hauptteil des Interviews bestand aus der Diskussion der im Voraus definierten Fragen. Diese waren im Leitfaden vorformuliert, im Hinblick auf einen möglichst natürlichen Gesprächsfluss stand es dem Interviewer allerdings frei, die Fragen anders zu formulieren, solange der Inhalt der Frage unverändert blieb. Die Fragen wurden in einen logischen „Idealablauf“ gebracht, wovon jedoch ebenfalls abgewichen werden konnte. Die praktische Umsetzbarkeit des Leitfadens wurde im Rahmen der ersten Interviews getestet und erforderliche Anpassungen im Anschluss durchgeführt. Diese Änderungen beschränkten sich im Wesentlichen auf das Ausschließen einzelner Fragen, die sich als nicht zwingend erforderlich herausstellten und die Interviews damit unnötig in die Länge gezogen hätten. Es ergab sich so keine Notwendigkeit, die in der Testphase durchgeführten Interviews von der Auswertung auszuschließen, da diese inhaltlich stark vergleichbar mit den später durchgeführten Gesprächen waren. Zum Abschluss der Gespräche wurden persönliche Daten des Interviewpartners aufgenommen, das weitere Vorgehen des Forschungsprojektes dargestellt sowie im Laufe des Gespräches aufgenommene aber zurückgestellte Fragen beantwortet. Des Weiteren wurde geklärt, inwiefern der Gesprächspartner für spätere Rückfragen zur Verfügung steht und für das Forschungsprojekt relevante Unterlagen zur Verfügung stellen kann. Protokollierung Dadurch, dass die Gespräche nicht elektronisch aufgezeichnet wurden, wurde eine schriftliche Protokollierung erforderlich. Wie weiter oben festgestellt, erlaubt die telefonische Interviewdurchführung eine besonders gute Protokollierung des Gespräches. Organisatorisch wurde dies umgesetzt, indem der Interviewer über ein Headset frei sprechen konnte und die Antworten des Gesprächspartners zunächst handschriftlich festhielt. Da sich die Gespräche an einem Leitfaden orientierten, war es möglich, durch schriftliche Kurzverweise auf die jeweiligen Leitfadeninhalte den Gesprächsverlauf zu skizzieren und dabei die Antworten des Interviewpartners möglichst wortgetreu zu protokollieren. Gerade bei langen und umfassenden Antworten musste allerdings regelmäßig ein stichwortartiges Antwortprotokoll genügen, das jedoch sämtliche Gesprächsinhalte umfassend abbilden sollte. Um die Interviews zu einem späteren Zeitpunkt auswerten zu können, erfolgte jeweils direkt im Anschluss des Gespräches basierend auf den schriftlichen Aufzeichnungen eine Transkription des Interviews durch den Interviewer selbst. Durch die zeitliche Nähe zum Interview sollte ein Protokoll entstehen, das möglichst nah an den wortwörtlichen Aussagen der Interviewpartner lag um so später eine unverfälschte und umfassende inhaltliche Auswertung sicherstellen zu können. Im Rahmen
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B Empirische Befunde
der Transkription wurde auch die den Interviewpartnern zugesicherte Anonymität sichergestellt, indem sämtliche unmittelbaren Hinweise zu ihrer Person und ihrem Unternehmen durch Pseudonyme ersetzt wurden. Um eine spätere Zuordnung für eventuelle Nachfragen und weitergehende Diskussionen dennoch zu ermöglichen, wurde ein sicher abgelegter Zuordnungsschlüssel erstellt, der aus Datenschutzgründen nach Abschluss der Untersuchung vernichtet wurde. Onlinebefragung zur Ergänzung und Validierung der Interviewergebnisse Im Rahmen der Gespräche wurde den Interviewpartnern zugesichert, über den weiteren Verlauf des Forschungsprojektes informiert zu werden. In diesem Zusammenhang wurde ihnen auch eine Zusendung der Zwischenergebnisse nach der Interviewphase im Einkaufsumfeld in Aussicht gestellt. Die Rückspiegelung der Zwischenergebnisse an die Interviewpartner wurde als Möglichkeit gesehen, jene unmittelbar von den Befragten validieren zu lassen sowie die Interviewphase ergänzende Ergebnisse zu generieren. Hierzu wurde eine quantitativ ausgerichtete anonyme Onlinebefragung aufgesetzt, deren Beantwortung etwa 10 Minuten in Anspruch nahm. Die Inhalte des Fragebogens ergaben sich erst nach Abschluss der Auswertung der Experteninterviews und umfassten die Bewertung des Verhältnisses zu Lieferanten und deren Bereitschaft zur Offenlegung, Ziele und Fokus einer Offenlegung aus Einkaufssicht sowie Rahmenbedingungen und Folgen einer Offenlegung von Kosteninformationen durch den Lieferanten. Antwortmöglichkeiten bestanden neben demographischen Angaben in der Gewichtung einzelner Abfrageitems (sehr wichtig bis sehr unwichtig) sowie der Zustimmung oder Ablehnung der Befragten zu einzelnen Aussagen (stimme voll zu bis stimme überhaupt nicht zu). Abgesehen von einer Frage, bei denen die Befragten die Wichtigkeit einzelner Items im Rahmen einer erzwungenen Rangfolge (forced ranking) beurteilen sollten, wurde dabei auf fünfstufige Likert-Skalen zurückgegriffen. Die Verwendung einer größeren Skala erschien nicht zielführend, da zum einen Dawes (2008) zeigt, dass eine Verwendung von mehr als fünfstufigen Skalen zu vergleichbaren Ergebnissen führt, zum anderen die Befragten durch eine möglichst kleine Skala am ehesten entlastet werden dürften. Basierend auf insgesamt 57 versandten Einladungen zu der Befragung wurde der Fragebogen nach einer Erinnerungsnachricht von 46 Befragten vollständig ausgefüllt, was einer Rücklaufquote von 80,7 Prozent entspricht. Angesichts der Tatsache, dass die Befragten bereits im Voraus an der Studie teilgenommen hatten und bereits zu dem Zeitpunkt eine Motivation zur Teilnahme an der Befragung gezeigt haben, sollte dieses Ergebnis jedoch nicht überwertet werden. Vor dem Hintergrund der weiteren oben beschriebenen bewussten Selektion der
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Interviewpartner, der diese Onlinebefragung ebenfalls unterliegt, darf nicht ohne weiteres ein Repräsentativitätsschluss in Bezug auf die Grundgesamtheit gezogen werden. Die bewusste Stichprobe der Experteninterviews dagegen ist in der schriftlichen Befragung gut repräsentiert. 4.2.3
Datenauswertung
Die aufeinander folgende Durchführung von (qualitativen) Experteninterviews sowie der quantitativen Onlinebefragung verlangt jeweils unterschiedliche Ansätze zur Datenauswertung, die zusammen genommen sicherstellen sollen, dass die untersuchten Fragestellungen umfassend und zuverlässig beantwortet werden. Auswertung der Inhalte der Experteninterviews Die schriftlichen Aufzeichnungen der Experteninterviews stellen die Grundlage der hier vorgenommenen inhaltsanalytischen Datenauswertung dar. Das zugrunde liegende Verständnis der qualitativen Inhaltsanalyse folgt dabei den Ausführungen bei Mayring (2008), nach dem diese den Ansatz verfolgt, „die Stärken der quantitativen Inhaltsanalyse beizubehalten und auf ihrem Hintergrund Verfahren systematischer qualitativ orientierter Textanalyse zu entwickeln“ (S. 42). Qualitative Analyseschritte gehen demnach einher mit quantitativen Untersuchungen, indem beispielsweise die Häufigkeiten einzelner Antwortinhalte als Indikator für die Wichtigkeit bestimmter Aussagen herangezogen werden (S. 45). Basierend auf den zu untersuchenden Fragestellungen wurde zunächst eine initiale Definition eines Kategorienschemas vorgenommen, anhand dessen eine strukturierte und systematische aber gleichzeitig auf die relevanten Inhalte beschränkte Untersuchung der schriftlichen Aufzeichnungen erfolgen sollte (vgl. hierzu Mayring 2008, S. 43f.; Gläser/Laudel 2009, S. 199203). Dabei wurde Gläser/Laudel (2009, S. 201) folgend das Kategoriensystem laufend ergänzt, wenn die Textanalyse neue und bisher nicht in den Kategorien erfasste Inhalte ergab. Neben den erfassten demografischen Angaben wurden so insgesamt 20 verschiedene Oberkategorien gebildet, innerhalb derer über 100 verschiedene Unterkategorien im Laufe der Gespräche aufgenommen wurden. Die Merkmalsausprägungen der Kategorien waren dabei weitgehend dichotom (Erwähnung/keine Erwähnung), teilweise aber auch freie verbale Antworten. Gläser/Laudel (2009) weisen darauf hin, dass eine so vorgenommene laufende Anpassung des Kategoriensystems an das Untersuchungsmaterial dazu führt, dass die Eignung des Kategoriensystems nicht mehr im Rahmen eines Probelaufes durch einen größeren Teils des Materials überprüft werden müsse (S. 201). Eine Übersicht des finalen Kategoriensystems findet sich im Anhang auf S. 240.
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B Empirische Befunde
Die Auswertung des so strukturierten Datenmaterials erfolgte im Wesentlichen über eine Analyse einzelner Antworthäufigkeiten und eine interpretative Verknüpfung der einzelnen Ergebnisse. Die aus der Inhaltsanalyse gefundenen Ergebnisse werden zudem ergänzt um relevante wörtliche Aussagen der Befragten, um komplexe Informationen anschaulich darzustellen bzw. um die in den Antwortkategorien verdichteten Informationen zu erklären und Beispiele zu geben. Auswertung der Onlinebefragung Wie im Abschnitt 4.2.2 dargestellt, erfolgte die Onlinebefragung im Wesentlichen zur Validierung und punktuellen Ergänzung der Ergebnisse der Interviewphase. Die standardisierten Antwortvorgaben erlaubten eine statistische Auswertung hinsichtlich Häufigkeiten, Korrelationen zwischen einzelnen Variablen sowie Mittelwertdifferenzen der Ausprägungen einzelner Variablen in Abhängigkeit der Ausprägung einer unabhängigen Variablen (einfaktorielle Varianzanalyse). Die statistischen Auswertungen wurden mittels SPSS 16 vorgenommen. Ziele, Datengrundlagen und Angaben zur Datenauswertung der Experteninterviews sowie der Onlinebefragung werden in Tab. 9 im Überblick dargestellt. Experteninterviews Ziel
Datengrundlage/ Datenerhebung
x Quantitative Validierung bzw. Kontrastierung der Ergebnisse aus den Experteninterviews
x Identifikation darüber hinausgehender Ansatzpunkte
x Ergänzende Identifikation bestehender Zusammenhänge
x Bewusste Stichprobenwahl, Interviewanfragen an 272 Personen
x Anfragen an 57 der 59 Gesprächspartner aus den Experteninterviews
x 59 qualitative, offen geführte Interviews
Datenauswertung
Onlinebefragung
x Umfassende Diskussion der entwickelten Fragestellungen zum Open Book Accounting
x Durchschnittliche Dauer der Interviews = 53 Minuten
x Rücklauf von 46 vollständig ausgefüllten standardisierten Fragebögen
x Schriftliche Protokollierung der Interviews
x Benötigte Zeit zur Beantwortung der Fragen etwa 10 Minuten
x Kategorisierung der Aussagen und inhaltliche Analyse von Antwortmustern
x Statistische Auswertung mittels SPSS
x Soweit möglich, quantitative Verdichtung und Auswertung der Antworthäufigkeiten
Tab. 9:
4.2.4
Zusammenfassung des Forschungsdesigns zur Analyse der Abnehmerperspektive
Kritische Betrachtung des gewählten Forschungsdesigns
In den vorigen Abschnitten wurden bereits einzelne mögliche Kritikpunkte (z.B. telefonische Durchführung der Expertengespräche, Nicht-Aufzeichnung der Gespräche) am gewählten Forschungsdesign dargestellt und bewertet und sollen an dieser Stelle daher nicht mehr ge-
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sondert erörtert werden. Stattdessen wird hier die grundsätzliche empirische Qualität der Untersuchung diskutiert. Zur Beurteilung der Güte einer empirischen Studie werden in der sozialwissenschaftlichen Methodenlehre klassischerweise die Kriterien der Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) der Aussagen herangezogen (vgl. z.B. Yin 2003, S. 33f.; Lamnek 2005, S. 142; Gibbert/Ruigrok/Wicki 2008, S. 1466; Mayring 2008, S. 109; Schnell/Hill/Esser 2008, S. 151). Die aus der positivistischen Sozialwissenschaft hervorgehenden Kriterien wurden dabei für die Nutzung in qualitativen Studien angepasst (vgl. z.B. Yin (2003, S. 33-39) sowie Eisenhardt (1989) für Fallstudienuntersuchungen). Gibbert/ Ruigrok/Wicki (2008) fassen die Prüfkriterien zur Gütebestimmung zusammen, anhand derer im Folgenden auch die Qualität des hier zugrunde liegenden weitgehend qualitativen Forschungsdesigns überprüft werden soll. Mit dem Kriterium der internen Validität soll sichergestellt werden, dass beobachtete Unterschiede bei abhängigen Variablen eindeutig auf Unterschiede bei den untersuchten unabhängigen Variablen zurückzuführen sind und unterstellte Kausalzusammenhänge auch tatsächlich existieren. Um dies zu erreichen fordern Gibbert/Ruigrok/Wicki (2008) die exakte Formulierung eines Forschungsrahmens, der mögliche Zusammenhänge zwischen den Variablen a priori theoretisch begründet und ausschließt, dass das Ergebnis noch durch andere Variablen beeinflusst wird, die außerhalb des Untersuchungsumfanges liegen. Die Sicherstellung interner Validität erfordert nach Ansicht der Autoren weiterhin, dass die beobachteten empirischen Ergebnisse mit den erwarteten oder in anderen Studien beobachteten Mustern verglichen werden und das Untersuchungsobjekt von verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird (S. 1466). Da die hier vorliegende Untersuchung weitgehend explorativen Charakter besitzt und nur begrenzt auf mögliche Kausalzusammenhänge hinweist, ist das Problem der internen Validität Yin (2003, S. 36) folgend nur von sekundärer Bedeutung. Sofern dennoch Kausalzusammenhänge aufgezeigt werden, werden diese argumentativ begründet. Gleichwohl muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass bestimmte Zusammenhänge durch nicht kontrollierte Störfaktoren (wie z.B. dem Zeitpunkt der Erhebung während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009) beeinflusst sind. Das Kriterium der Konstruktvalidität beschreibt, inwiefern in der Untersuchung tatsächlich das analysiert und gemessen wird, was im Untersuchungsfokus steht, also inwiefern die Realität durch die Untersuchungskonzeption korrekt abgebildet wird. Als Maßnahmen, die zu ergreifen sind, um Konstruktvalidität sicherzustellen, führen Gibbert/Ruigrok/Wicki (2008) zum einen an, eine klare Beweisführung vorzunehmen, anhand der der Leser unmittelbar erkennen kann, wie der Autor zu seinen Ergebnissen gelangt. Zum anderen verlangen sie die Ergebnisherleitung über eine Triangulation unterschiedlicher Daten und Beobachtungsper-
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B Empirische Befunde
spektiven durch die Verwendung verschiedener Erhebungsmethoden und Datenquellen (S. 1466-1468). Die Beweisführung in dieser Arbeit stützt sich auf den qualitativen Aussagen der Interviewteilnehmer, wird unterstützt durch quantitative Auswertungen zum jeweiligen Untersuchungsgegenstand und ist damit unmittelbar nachvollziehbar. Da zudem die Ergebnisse der Interviews noch durch eine standardisierte Befragung abgesichert und ergänzt werden und außerdem mit der im Kapitel 1 noch darzustellenden Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting ein völliger Perspektivenwechsel vollzogen wird, kann das Gütekriterium der Konstruktvalidität als erfüllt angesehen werden. Mit externer Validität wird beschrieben, inwiefern die Ergebnisse generalisierbar sind, also auch für andere als die untersuchten Situationen Geltung besitzen. Aufgrund des hier angewandten Untersuchungsdesigns kann nicht von einer statistischen Generalisierbarkeit gesprochen werden, die unmittelbare Rückschlüsse auf die Gesamtpopulation zulässt (vgl. Gibbert/Ruigrok/Wicki 2008, S. 1468). Vor dem Hintergrund der hier vorgenommenen und für qualitative Studien sehr umfangreichen Stichprobe erlauben die Ergebnisse aber Tendenzaussagen zu möglichen Mustern in der Gesamtpopulation. Die auch in dieser Studie vorrangig vorgenommene Untersuchung von Antworthäufigkeitsverteilungen zu untersuchten Fragestellungen wird dabei von Dubois/Araujo (2007) als eine gute Möglichkeit gesehen, die qualitativ gewonnenen Eindrücke zu untermauern (S. 175). In jedem Fall erlaubt die hier durchgeführte empirische Untersuchung eine analytische Generalisierung, bei der empirische Beobachtungen genutzt werden, um theoretische Überlegungen weiterzuführen oder überhaupt erst aufzustellen (vgl. Eisenhardt 1989b), da die Erfahrungen und Meinungen einer Vielzahl verschiedener Experten zusammengeführt, kontrastiert und auf Gemeinsamkeiten hin untersucht werden. Als letztes Gütekriterium ist die Verlässlichkeit oder Reliabilität der Ergebnisse zu hinterfragen. Die Verlässlichkeit der Ergebnisse beschreibt, dass ein anderer Forscher bei derselben Forschungsfrage und demselben Forschungsansatz auch zu denselben Ergebnissen gelangt, und verfolgt das Ziel, Fehler und Verzerrungen in der Untersuchung zu vermeiden (Yin 2003, S. 37). Als wesentliche Einflussfaktoren, die zu einer hohen Reliabilität der Ergebnisse führen, erwähnen Gibbert/Ruigrok/Wicki (2008) eine transparente Dokumentation der Untersuchungsschritte sowie das Anlegen einer Datenbank, die alle relevanten Informationen über das oder die betrachteten Unternehmen (einschließlich der tatsächlichen Namen der Unternehmen und Ansprechpartner) enthält (S. 1468). Die Dokumentation der Datenerhebung und –auswertung fand hier bereits in den beiden letzten Abschnitten statt und wird als ausreichend erachtet. Bezüglich der Informationen zu den durchgeführten Gesprächen liegen zum einen sämtliche (anonymisierten) Gesprächsprotokolle und die Rohdaten der Onlinebefragung vor.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Bis zum Abschluss des Forschungsprojektes liegen zudem die Kontaktinformationen der Ansprechpartner vor, so dass zumindest für einen gewissen Zeitraum nach Veröffentlichung der Ergebnisse (in dem das Projekt noch als nicht abgeschlossen angesehen werden kann) für beteiligte Forscher ein Einblick in die einbezogenen Unternehmen bzw. Personen möglich ist. Wie in Abschnitt 4.2.2 erläutert, erfordern Datenschutzgründe allerdings die Löschung der Informationen nach Abschluss des Forschungsprojektes, so dass danach eine Zuordnung zwischen Pseudonym und Klarname der Unternehmen nicht mehr möglich ist. Ahrens/Chapman (2006) weisen darauf hin, dass insbesondere die Anforderung der Replizierbarkeit der Ergebnisse in qualitativen Studien normalerweise nicht gegeben ist. Stattdessen müssen sich lediglich die Beschreibungen zweier gleichgerichteter Studien entsprechen, und die Ergebnisse zwischen den Studien dürfen sich nicht widersprechen (S. 833). Die Autoren fordern anders als Gibbert/Ruigrok/Wicki (2008) auch nicht die strenge Erfüllung von Validitäts- und Reliabilitätskriterien, sondern stattdessen, dass die Studie insgesamt plausible Zusammenhänge zwischen Problem, Theorie und Daten herstellt, wobei die Plausibilität letztlich vom Leser zu bestätigen sei. Die in dieser Untersuchung vorgenommene Betrachtung des Untersuchungsgegenstandes Open Book Accounting aus mehreren Perspektiven und die Herleitung der Ergebnisse basierend auf qualitativen Aussagen in Verbindung mit quantitativen Belegen sollen dieser Plausibilitätsanforderung entsprechen. Dem Argument der selektiven Plausibilisierung (Flick 1995, S. 169), nach der gezielt einzelne Aussagen verwendet werden um eine subjektive Bewertung der Aussagen durch den Forscher zu unterstützen, wird an dieser Stelle ebenfalls durch die mehrperspektivische Betrachtungsweise und den quantitative und qualitative Instrumente vereinenden methodischen Ansatz versucht entgegenzutreten. Die aufgezeigten Maßnahmen und Vorgehensweisen im Rahmen dieser Studie erfüllen aus Sicht des Autors die Anforderungen an die Validität und Reliabilität bzw. Plausibilität der Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Im folgenden Kapitel werden diese Ergebnisse zur Bedeutung von Open Book Accounting aus der Abnehmerperspektive im Detail präsentiert.
4.3 Ergebnisse Die hier dargestellten Ergebnisse beruhen auf den Aussagen der Interviewpartner, der quantitativen Auswertung dieser Aussagen, der Analyse weiterer im Laufe des Forschungsvorhabens durch Praktiker zur Verfügung gestellter Informationen sowie der Auswertung der im Anschluss an die Gespräche durchgeführten Onlinebefragung. Die Reihenfolge der nachfolgend dargestellten Themen folgt dabei einer inhaltlichen Logik, ausgehend von den das Einkaufsumfeld betreffenden Hintergründen über die Nutzung von Open Book Accounting hin zu
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B Empirische Befunde
den Einflussfaktoren und Entwicklungsperspektiven für eine Offenlegung von Kosteninformationen zwischen Lieferanten und Abnehmern. Eine Systematisierung des Open Book Accounting erfolgt basierend auf den hier dargestellten Ergebnissen im letzten Abschnitt dieses Kapitels. 4.3.1
Hintergründe und Einkaufsumfeld
4.3.1.1 Strategische Ausrichtung und Einkaufsfokus Im Ausgangspunkt der Untersuchung galt es festzustellen, welchen Blick die Interviewpartner auf die strategische Ausrichtung ihres Unternehmens haben. Porter (2008) stellt dar, dass Unternehmen strategische Vorteile entweder durch eine Kosten- oder Qualitätsführerschaft („Singularität aus Sicht des Käufers“, S. 77) erzielen können (S. 71-78). Unterstellt man eine grundsätzliche Ausrichtung des Einkaufsverhaltens an die Erreichung eines strategischen Wettbewerbsvorteils, so sollten die im Einkauf verfolgten Ziele je nach strategischer Ausrichtung eher kosten- oder qualitätsorientiert sein (vgl. hierzu auch die in Abschnitt 2.1.4 dargestellte Argumentation von Arnold (1995, S. 8ff.)). Ein starker Technologie- oder Innovationsfokus wurde in diesem Zusammenhang ebenso als Qualitätsaspekt gewertet wie eine enge Fokussierung auf die Erfüllung der Kundenanforderungen. Die Differenzierung ihres Unternehmens durch eine Qualitätsführerschaft beschreiben die Befragten unter anderem wie folgt: „Wir verstehen uns als Technologieanbieter, da kann man dann auch ein höheres Preisniveau am Markt durchsetzen.“ Leiter Lieferantenintegration, Landmaschinenbau „Wir definieren uns über Innovation und Qualität, da kann man durchaus auch in unserer Branche gewinnen, wenn man mal nicht der billigste ist.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller Motorkomponenten Automobilindustrie „Wir differenzieren uns vor allem dadurch, dass unsere Produkte stark individualisiert werden können [...]. Dadurch können wir auch teurer sein, der Preis ist damit weniger entscheidend.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Baukränen
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„Qualität ist bei uns wichtiger als der Preis – wir bieten unsere Produkte im Hochpreissegment an. Aber auch in der Branche für medizinische Geräte besteht ein Kostendruck.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller für medizinische Geräte Alle genannten Aussagen zur Ausrichtung auf eine Qualitätsführerschaft weisen darauf hin, dass damit der Preis als Wettbewerbsfaktor weniger entscheidend wird. In der letztgenannten Aussage wird allerdings deutlich, dass die strategische Fokussierung auf eine Qualitätsführerschaft nicht gleichbedeutend mit einer Vernachlässigung der Kostensituation ist. Im Rahmen der quantitativen Auswertung der Interviews zeigt sich, dass zwar 83 Prozent der Befragten die Qualitätsführerschaft für das Differenzierungsmerkmal ihres Unternehmens halten. Gleichzeitig weisen aber 74 Prozent der Befragten darauf hin, dass das Primärziel des Einkaufs in der Senkung bzw. dem aktiven Management der Materialkosten besteht. Andere Ziele wie die Sicherstellung der Materialverfügbarkeit oder einer hohen Produktqualität haben aus Sicht der Befragten eine deutlich niedrigere Bedeutung.
Anzahl Antworten 100%
30
43
Kostenführerschaft 80 Kostensenkung/ -management
60
40
Qualitätsführerschaft
Materialverfügbarkeit
20
Qualität 0
Differenzierungsmerkmal
Primärziel Einkauf (Fokus auf)
Abb. 13: Scheinbarer Widerspruch zwischen strategischer Ausrichtung und Einkaufsfokus (1)
In Abb. 13 fällt auf, dass es eine deutliche Abweichung in Bezug auf die Antworthäufigkeiten zu dem Differenzierungsmerkmal des Unternehmens und dem Primärziel des Einkaufs gibt. Begründet ist diese Abweichung dadurch, dass im Rahmen der Experteninterviews nicht alle Themen und Fragen in jedem Gespräch behandelt werden konnten. Im konkreten Beispiel wurde das Thema der strategischen Differenzierung weitaus weniger angesprochen als die Zieldefinition des Einkaufs. Gleichzeitig gilt aber auch, dass nicht alle 30 Personen, die Stel-
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B Empirische Befunde
lung im Differenzierungsmerkmal ihres Unternehmens bezogen haben, auch ein Primärziel des Einkaufs definieren. Diese Problematik lässt sich nur dadurch beheben, indem die Analysesicht auf eine Schnittmenge der gesamten Antworten reduziert wird. Abb. 14 nimmt diese Reduzierung vor und zeigt lediglich die verdichteten Antworten zum Primärziel des Einkaufs von denjenigen 25 Interviewpartnern, die als Differenzierungsmerkmal die Qualitätsführerschaft angegeben haben.
Anzahl Antworten 100%
30
25
Kostenführerschaft
keine Angabe
80
Kostensenkung/ -management
60
40
Qualitätsführerschaft Materialverfügbarkeit
20
Qualität 0
Differenzierungsmerkmal
Primärziel Einkauf (Fokus auf)
Abb. 14: Scheinbarer Widerspruch zwischen strategischer Ausrichtung und Einkaufsfokus (2)
Im Ergebnis wird zwar die Dominanz des Kostensenkungsfokus nicht mehr ganz so deutlich, angesichts der Tatsache, dass ausschließlich diejenigen Befragten im Betrachtungsumfang stehen, die eine Qualitätsführerschaft als Differenzierungskriterium angeben, ändert sich die Aussage jedoch nicht: Der Einkauf sieht das eigene Ziel vor allem in der Sicherstellung niedriger Kosten, wobei selbst die Differenzierung vom Wettbewerb über eine Qualitätsführerschaft nicht in hohem Maße dazu beiträgt, andere Ziele in den Einkaufsfokus zu rücken. Offensichtlich sehen Einkaufsexperten keinen zwingenden Kompromiss zwischen hohen Qualitätsanforderungen auf der einen Seite sowie hohen Ansprüchen an die Kosteneffizienz der Lieferanten auf der anderen Seite. Zur Wichtigkeit des Kosten- bzw. Preissenkungsziels aus Einkaufsperspektive im Zusammenspiel mit anderen Zielgrößen stellen die Befragten fest:
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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„Der Preis ist das letzte worüber man in Verhandlungen spricht. Zunächst wird über die Qualität und Logistikfragen Einigkeit erzielt, die als Schwellenkriterien zu betrachten sind. Danach entscheidet der Preis.“ Manager, Unternehmensberatung für Produktkostenanalyse „Am wichtigsten sind Kostensenkungen. Dabei muss man den Spagat zwischen Qualität und Versorgungssicherheit schaffen.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Landmaschinen Beide Aussagen deuten darauf hin, dass Ziele neben dem Kostensenkungsziel eher als Nebenbedingungen betrachtet werden, die bei der Suche nach einem kostenoptimalen Angebot lediglich erfüllt sein müssen. An anderer Stelle wird allerdings darauf hingewiesen, dass die Überordnung des Kostensenkungszieles auch abhängig von der Marktsituation ist: „Die Ziele variieren – derzeit besteht aufgrund der Marktsituation ganz klar ein Kostenfokus.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Dentalausstattung „Dieses Jahr ist der Fokus ganz klar auf den Kosten, die letzten fünf Jahre hat man da oft ein Auge zugedrückt – da war es wichtiger, überhaupt in der gewünschten Zeit liefern zu können.“ Strategischer Einkäufer, Anlagenbau „Aufgrund der aktuellen Wettbewerbssituation haben wir derzeit [...] einen sehr starken Fokus auf die Kosten.“ Leiter Strategischer Einkauf, Hersteller von Baumaschinen Vor dem Hintergrund dieser Aussagen muss daher bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass der Zeitraum der Datenerhebung (Dezember 2008 bis März 2009, vgl. Kapitel 4.2.2) innerhalb der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 lag, die branchenübergreifend zu erheblichen Umsatz- und Ertragsausfällen geführt hat (vgl. z.B. zur Umsatzentwicklung im deutschen Verarbeitenden Gewerbe die monatlich erscheinende Publikation „Beschäftigung und Umsatz der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes - Fachserie 4 Reihe 4.1.1“ des Statistischen Bundesamtes). Berücksichtigt man alle Ziele, die die Einkaufsexperten ihrer eigenen Tätigkeit zuschreiben, so zeigt sich auch dort, dass das Kostenmanagement die anderen Ziele erheblich überlagert, während die Sicherung der Qualität und Materialverfügbarkeit in den Hintergrund rückt (vgl. Abb. 15):
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Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich) 50 45 40
30 23
22
20
10 5 0
Kostensenkung/ Sicherstellung Sicherstellung Verfolgung Lieferanten-management QualitätsMaterialverfügbarkeit partnerschaft niveau
Einkaufsziele
Abb. 15: Einkaufsziele
Nachdem auf den letzten Seiten die hohe Bedeutung der Erzielung von Kostensenkungen für den Einkauf herausgearbeitet wurde, wird im folgenden Abschnitt zur weiteren Definition der Hintergründe dargestellt, inwiefern definierte Kosten-/Preissenkungsziele vorliegen und die Zielerreichung einen Einfluss auf die Vergütung der Mitarbeiter hat. Dabei soll auch die wahrgenommene Wettbewerbsintensität berücksichtigt werden. 4.3.1.2 Zielvorgaben, Incentivierung und Wettbewerbsintensität Der nach Behn (2003, S. 599) wohl meistverbreitete Ausspruch zum Performance Management „what gets measured gets done“ unterstreicht die Bedeutung von operationalisierten Zielen für die Leistungssteuerung. Erst (und nur) wenn etwas klar gemessen und verfolgt wird, richten die Akteure ihr Verhalten danach aus. Die Befragung der Einkaufsexperten belegt, dass sich der oben dargestellte Einkaufsfokus auf das Kosten- bzw. Preismanagement auch in definierten Preissenkungszielen niederschlägt (vgl. Abb. 16): 71 Prozent der Befragten geben an, dass es entsprechende Zieldefinitionen gibt, wobei die Erreichung dieser Ziele in 63 Prozent der Fälle Einfluss auf variable Gehaltsbestandteile der Befragten hat. Die Befragten haben damit auch persönlich in den meisten Fällen ein großes Interesse, die Preissenkungsziele zu erreichen.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Anzahl Antworten 100%
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Definierte Preissenkungsziele vorhanden
Einfluss Zielerreichung auf variable Vergütung*
* Keine Aussage zum Einfluss der Zielerreichung auf die variable Vergütung von acht Befragten, die die Existenz von definierten Preissenkungszielen bestätigt hatten
Abb. 16: Preissenkungsziele und Einfluss auf die variable Vergütung
Bezüglich der Wirksamkeit der Einkäuferincentivierung wird allerdings deutliche Kritik geäußert. Während teilweise darauf hingewiesen wird, dass finanzielle Anreize eher ignoriert werden („Den Bonus hat keinen interessiert, da hat sich niemand besonders viel Mühe gegeben! Das war schon sehr erstaunlich.“) weisen Kritiker vor allem auf eine schwierige Zieldefinition und fehlende Anreizkompatibilität hin. In Bezug auf die Zieldefinition führe insbesondere die fehlende Beeinflussbarkeit der Rohstoffpreise dazu, dass pauschale Preissenkungsziele nicht sinnvoll im Voraus bestimmt werden könnten bzw. Zielanpassungen basierend auf Rohstoffpreisschwankungen erforderlich würden. Weitaus schwerwiegender fällt dagegen die Kritik an den falschen Anreizwirkungen einer variablen Vergütung der Einkäufer aus: „Ein kluger Einkäufer geht mit diesen Zielen so um: Wenn er vier Prozent holen muss, aber acht Prozent erkennt, verteilt er diese Einsparungen einfach auf zwei Jahre. [...] In ganz vielen Unternehmen wird die falsche Anreizwirkung ausgenutzt: Das fängt ja schon in der Produktentwicklung an: Da werden Produkte so konstruiert, dass man im Produktlebenszyklus noch möglichst viel Verbesserungspotenzial herausholen kann! [...] Auch die Definition der Zielkosten erfolgt unter der Prämisse, dass diese selbst bei schlecht konstruierter
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B Empirische Befunde
Startlösung erreicht werden können. Da wird gelogen, damit am Ende das Gehalt stimmt.“ Spezialist Kostenanalyse, Hersteller von Nutzfahrzeugen Ähnlich äußert sich auch ein Manager einer Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt der Produktkostenanalyse: „Damit der Einkäufer regelmäßige Preissenkungen vorweisen kann, werden Vereinbarungen zwischen Einkäufer und Lieferant getroffen, dass dieser zu Beginn der Lieferzeit etwas mehr verlangt, damit er später auch stärker den Preis reduzieren kann.“ Auch wenn in vielen Fällen bereits eine finanzielle Incentivierung der Einkäufer stattfindet, ist die Definition eines solchen zielkonformen Anreizsystems offensichtlich nicht unproblematisch und eröffnet Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens seitens der eigenen Mitarbeiter. Ohne diesen Sachverhalt näher untersuchen zu wollen, lässt sich in Bezug auf diese Arbeit zumindest vermuten, dass die Incentivierung auch dazu führen kann, dass der Einkauf sich (verstärkt) opportunistisch gegenüber seinen Lieferanten verhält, zumal eine mögliche Ausnutzung des Anreizsystems zuungunsten des eigenen Arbeitgebers oben bereits bestätigt wurde. Zur Höhe der verfolgten jährlichen Preissenkungen machen die Befragten insgesamt nur wenige Angaben, mindestens werden jedoch drei Prozent avisiert, wobei Werte um fünf Prozent jährliche Preisreduktion am häufigsten genannt werden. Betrachtet man den Zusammenhang zwischen Existenz von definierten Preissenkungszielen und der wahrgenommenen Wettbewerbsintensität lässt sich feststellen, dass mit steigender Wettbewerbsintensität Preissenkungsziele tendenziell regelmäßiger definiert werden (vgl. Abb. 17).
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Anzahl Antworten 100%
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49
3
Sehr hoch
Nein
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17
15
Moderat
Hoch
Sehr hoch
60 Hoch
40 Ja
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0
Moderat
Gering
Wahrgenommene Wettbewerbsintensität
Gering*
Definierte Preissenkungsziele in Abhängigkeit der wahrgenommenen Wettbewerbsintensität
* Nicht berücksichtigt bei Entwicklung der Tendenzaussage, dass mit steigender Wettbewerbsintensität Preissenkungsziele tendenziell regelmäßiger definiert werden, da nur drei Aussagen vorliegen.
Abb. 17: Wettbewerbsintensität und Preissenkungsziele
Insgesamt fällt auf, dass die meisten Befragten die Wettbewerbsintensität als sehr hoch oder hoch beurteilen, so dass der in Abschnitt 4.3.1.1. dargestellte Kosten- bzw. Preisfokus des Einkaufs auch vor dem Hintergrund der verfolgten Differenzierung durch Qualitätsführerschaft nachvollziehbar wird. Untersucht man die wahrgenommene Wettbewerbsintensität in Abhängigkeit der jeweiligen Branche, so ergeben sich deutliche Unterschiede: Einkaufsexperten aus der Automobilindustrie bzw. dem Fahrzeugbau bescheinigen weitgehend eine sehr hohe Wettbewerbsintensität in ihrer Branche, während für Technologieunternehmen sowie Unternehmen des Anlagenbaus eine leicht geringere, aber immer noch hohe Intensität angegeben wird. Weniger kompetitiv nehmen dagegen Vertreter der Chemie, Pharma- und Healthcarebranche ihr Wettbewerbsumfeld dar. Ob und inwiefern diese Branchenunterschiede Einfluss auf die Nutzung von Open Book Accounting haben, bleibt im weiteren Verlauf dieser Arbeit zu klären. Einen Überblick zu den branchenspezifisch wahrgenommenen Wettbewerbsintensitäten liefert Abb. 18, wobei hohe wahrgenommene Wettbewerbsintensitäten hell, geringe dunkel dargestellt sind.
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B Empirische Befunde
Anzahl Antworten (gesamt und in % von gesamt*)
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14%
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6% 6% Technologie, Maschinen- und AutomobilElektrotechnik, Anlagenbau, industrie, Industriegüter Elektronik Fahrzeugbau
29%
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Chemie, Pharma und Healthcare
Andere
Sehr hoch Hoch Moderat Gering
Wahrgenommene Wettbewerbsintensität * Abweichungen von 100% durch Rundung
Abb. 18: Wahrgenommene Wettbewerbsintensität nach Branchen
4.3.1.3 Verfolgte Ansätze zur Optimierung der Materialkosten Bevor in den Gesprächen die explizite Diskussion zu Open Book Accounting gesucht wurde, wurden die Befragten zunächst allgemein nach den von ihnen verfolgten Ansätzen zur Optimierung der Materialkosten gefragt. Die Auswertung der Antworthäufigkeiten zeigt, dass der Einkauf insbesondere durch Wettbewerb zwischen Lieferanten und mittels einer eigenen Transparenz zu den Marktgegebenheiten versucht, seine Materialkosten zu optimieren (vgl. Abb. 19). Während auch der (mit einigem Abstand) erwähnte Ansatz, über Preisverhandlungen bessere Einkaufskonditionen zu erzielen, auf Wettbewerb zwischen den Lieferanten setzt, erlauben Volumenkonsolidierungen, Wert- und Prozessanalysen sowie Produktredesigns auch Verbesserungen der Kostensituation beim Lieferanten, so dass beide Vertragspartner von einer Maßnahme profitieren können. Gleiches gilt für die in der Literatur umfassend betrachtete frühe Einbindung der Lieferanten in Entwicklungsprojekte (early supplier involvement, ESI) sowie die Optimierung der Konditionen des Vormaterials in Zusammenarbeit mit dem Lieferanten. Wie die grundsätzliche Diskussion zu Beginn dieser Arbeit gezeigt hat (vgl. Abschnitt 2.2.2), sind die letztgenannten Ansätze mögliche Anwendungsbereiche für den Austausch von Kosteninformationen.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich) 30 26
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13
13
13
13
10 7
6
6 4 2
M ar W kt e t r tt b Li an e ef V er o sp we an lu ar rb te m en / nk en z on bü so nd lid el u ie n Pr ru g ei n / sv g er ha nd lu ng Pr oz es W sa ert na St ly un d a se Pr nd n od a r uk di s M an tr i er ed u ag es ng e ig / pr m n ei en sä t Li nd Ro ef er hs e in ra un t o En n t ge fft w en n ic ein kl b un in Li g du ef (E n er SI g an ) te Tr O n an pt ka s im p lk a ie r u ru la en t io z ng n Ko Vo nd rm it i a t on Li er en ef er ia l an La t e ng nv fr er ist tr ig äg e e EA uc ti on s
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Abb. 19: Ansätze zur Optimierung der Materialkosten
Das „Management von Rohstoffpreisänderungen“ bezeichnet die Beobachtung der Rohstoffpreismärkte und das Durchsetzen von Preissenkungen bei einer Reduzierung der Rohstoffpreise. Es umschreibt jedoch auch die Vermeidung von Preiserhöhungen, die der Lieferant mit Rohstoffpreissteigerungen begründet, zumindest innerhalb festgelegter Grenzen. Die Transparenz über die Lieferantenkalkulation wird nur sehr selten als ein eigenständiger Ansatz zur Materialkostenreduzierung gesehen, vielmehr erscheint dieser den Befragten lediglich als Mittel zum Zweck. Berücksichtigt man die umfangreichen Veröffentlichungen zur Vorteilhaftigkeit langfristiger, partnerschaftlicher Beziehungen verwundert es, dass der Abschluss langfristiger Verträge mit den Lieferanten nur von sehr wenigen Befragten als Ansatz gesehen wird, Materialkosten zu optimieren. Weiterhin überrascht, dass der Einsatz von elektronischen Auktionen so gut wie keine Relevanz aus Sicht der befragten Einkaufsexperten hat. Die hier vorgenommene Darstellung soll lediglich das Instrumentespektrum aufzeigen, dessen sich Einkäufer bei Optimierung der Materialkosten bedienen, ohne alle Hintergründe hierzu im Detail nachzuvollziehen. Gleichwohl lässt sich festhalten, dass insbesonders Ansätze Anwendung finden, die einen stark wettbewerblichen Fokus haben und oftmals einem vertrauensvollen Verhältnis zu den Lieferanten im Wege stehen dürften. 4.3.1.4 Professionalität und Qualifikation Geht man davon aus, dass die Nutzung von Lieferanten-Kosteninformationen angesichts möglicher auftretender Schwierigkeiten und Konflikte mit den Lieferanten aber auch in Anbetracht möglicher positiver Ertragswirkungen hohe Anforderungen an die Professionalität und
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B Empirische Befunde
Qualifikation der Einkäufer setzt, erscheint es hilfreich einen Einblick hierzu in die unternehmerische Praxis zu erlangen. Wie bereits in Abschnitt 2.1.2 dargelegt, wurde dem Einkauf sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch in den Unternehmen bisher nur relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dies deutet bereits auf eine mögliche fehlende Professionalisierung und Qualifikation des Einkaufs hin, die in einigen Studien bestätigt wird: Zheng et al. (2007) identifizieren deutliche Lücken in den Fähigkeiten der Einkaufsmitarbeiter vor allem auf Ebene des gehobenen Managements in Bezug auf die sich verändernden Anforderungen. Gerade Fähigkeiten, die für einen erfolgreichen Umgang mit anderen Unternehmen erforderlich sind, müssten durch Einkaufsexperten ausgebaut werden (S. 76f.). In einer anderen Studie stellen Fawcett/Magnan/Ogden (2007) fest, dass 38 Prozent der von ihnen befragten Unternehmen den Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal als einen wesentlichen Grund für das Scheitern unternehmensübergreifender Zusammenarbeit ansehen (S. 52-54). Eine andere Studie stellt eine unzureichende Personalausstattung sowie fehlende analytische Kompetenzen im Einkauf fest (Schuh et al. 2008, S. 17). Das Qualifikationsdefizit wird zudem noch von einer weiteren Untersuchung bestätigt, nach der nur neun Prozent der befragten Unternehmen ihre Mitarbeiter im Beschaffungsbereich als hinreichend qualifiziert ansehen (o.V. 09.09.2002). Diese ernüchternden Aussagen werden auch durch drei befragte Experten belegt, die aufgrund ihrer Tätigkeit als Unternehmensberater im Einkaufsumfeld einen umfassenden Einblick hierzu besitzen, aber in ihrem Urteil nicht befangen sind, da sie nicht über sich selbst urteilen. Zunächst wird zur Bedeutung des Einkaufs festgehalten: „Der Einkauf wird noch immer stiefmütterlich behandelt: Da weiß man zwar schon seit 200 Jahren, dass der Einkauf der Hebel schlechthin ist, aber keiner hat signifikant etwas verändert. Der Einkauf ist auch niemals eine gute Einstiegsposition für neue Mitarbeiter.“ Zur Professionalität und Qualifikation der Mitarbeiter führt der Befragte weiterhin aus: „Der Einkauf ist oftmals erschreckend unprofessionell: Nur geschätzte zehn Prozent der Unternehmen haben wirklich einen Spitzen-Einkauf, der Rest ist deutlich darunter. Das ist übrigens auch bei sehr großen Unternehmen noch der Fall. […] Die Mitarbeiter dort haben oftmals noch nicht einmal eine richtige einkaufsspezifische Ausbildung.“ Diese Sicht wird auch von einem anderen Befragten unterstützt:
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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„Man ist oft erschrocken, wie schlecht der Einkauf selbst bei sehr großen Unternehmen aufgestellt ist. Sogar große Handelskonzerne in Deutschland haben teilweise unglaublich archaische Einkaufsabteilungen. […] Es gibt natürlich sehr, sehr gute Unternehmen […], die haben auch sehr gute Einkäufer - aber das ist nicht die Regel.“ Im konkreten Bezug auf die Qualifikation zum Umgang mit Kostendaten stellt der dritte Befragte Defizite fest: „Einkäufer tun sich noch sehr schwer darin, Kosteninformationen auszuwerten und zu verwenden – das erfordert schließlich auch deutlich mehr Kompetenz vom Einkauf als bei der Argumentation über Preise.“ Die hier angeführten Aussagen unterstützen die eingangs dargestellten Studien, dass es oftmals noch Defizite bezüglich der Professionalität des Einkaufs insgesamt und der individuellen Qualifikation einzelner Mitarbeiter gibt, die hinsichtlich der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des Einkaufs zu beheben sind. Im Hinblick auf die in dieser Arbeit untersuchte Bedeutung und Anwendung von Open Book Accounting muss berücksichtigt werden, dass ein ideales Qualifikationsniveau seitens der Abnehmer offensichtlich nicht überall besteht. 4.3.1.5 Zusammenfassung In den vorigen Abschnitten wurden die Hintergründe skizziert, unter denen der Einkauf heute operiert und die als eine Ausgangsbasis für die weiteren Betrachtungen dienen sollen. Als wesentliche Erkenntnis ist der andere Ziele bei weitem überragende Kostenfokus hervorzuheben, den Einkaufsexperten als Grundlage ihrer Arbeit sehen. Weitere Ziele wie Materialverfügbarkeit oder Produktqualität sind eher als „Schwellenkriterien“ zu verstehen, die als Nebenbedingungen bei der Suche nach niedrigen Materialkosten bewertet werden. Weiterhin wurde festgestellt, dass in einem Großteil der Unternehmen definierte Kostensenkungsziele für den Einkauf vorliegen, wobei mit steigender wahrgenommener Wettbewerbsintensität solche Ziele häufiger definiert werden. Die Erreichung der Ziele hat über finanzielle Anreizsysteme regelmäßig Auswirkungen auf die Vergütung der Einkäufer. In Bezug auf die Anreizwirkungen wird allerdings umfangreiche Kritik geäußert, da sie Möglichkeiten opportunistischen Verhaltens seitens der Mitarbeiter mit sich bringen. Bezüglich der von Einkäufern verfolgten Ansätze zur Optimierung der Materialkosten wurde festgestellt, dass vor allem Ansätze mit wettbewerblichem Fokus Anwendung finden. Unternehmensübergreifende Kostensenkungen werden zwar auch in Betracht gezogen, treten aber
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B Empirische Befunde
nicht in den Vordergrund. Dieses einleitende Kapitel abschließend erfolgte eine Bestandsaufnahme zur Professionalität und Qualifikation des Einkaufs. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass Einkäufern oftmals erforderliche Qualifikationen fehlen, wobei auch explizit begrenzte Fähigkeiten bezüglich der Auswertung und Analyse von Kosteninformationen erwähnt werden. 4.3.2
Nutzung von Open Book Accounting
Basierend auf den dargestellten Hintergründen zum Einkaufskontext erfolgt in diesem Kapitel die Darstellung der Ergebnisse in Bezug auf die Nutzung von Open Book Accounting aus Sicht der Abnehmer. Der grundsätzliche Wunsch nach einer Offenlegung wird hierbei ebenso untersucht wie die diesem Wunsch zugrunde liegenden Motive und der aktuelle Umsetzungsstand zum Open Book Accounting. Weiterhin wird auch auf die aus Sicht des Einkaufs erforderliche Validität der Angaben der Lieferanten eingegangen und wie diese sichergestellt werden soll. Schließlich werden die Auswirkungen einer Offenlegung auf Verhandlungssituationen und die Nutzung der Daten zur Identifikation und Umsetzung von gemeinsamen Kostensenkungen untersucht. Weiterhin betrachtet wird der Einfluss einer Offenlegung auf den Beziehungskontext. Potenziell auftretende Implementierungshürden werden im letzten Abschnitt dieses Kapitels dargestellt. 4.3.2.1 Wunsch nach Einblick in Lieferantenkalkulationen und Bereitschaft der Lieferanten Ausgangspunkt der Untersuchung zur Nutzung von Open Book Accounting war die Klärung der Frage, inwiefern Einkäufer sich einen Einblick in die Lieferantenkalkulationen überhaupt wünschen und wie sich die Bereitschaft der Lieferanten dazu basierend auf den Erfahrungen der Befragten verhält. Die Tatsache, dass sich 91 Prozent der Befragten Transparenz bezüglich der Kosten der eigenen Lieferanten wünschen, unterstreicht die praktische Relevanz des Themas und deutet bereits darauf hin, dass sich der Abnehmer erhebliche positive Folgen aus der Anwendung verspricht. Interessant sind auch die Begründungen der wenigen Einkäufer, die anführen, keine Kostentransparenz haben zu wollen. Ein Befragter weist in diesem Zusammenhang auf den aus seiner Sicht mangelnden Nutzen des Open Book Accounting hin: „Im Grunde reicht mir der Preis absolut! Ich brauche das nicht! […] Wenn man ein guter Einkäufer ist, kann man auch so beurteilen, ob man gute Preise hat.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller für Fahrzeugkomponenten
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Die Anwendung im Rahmen von gemeinsamen Kostensenkungsprojekten sieht dieser Einkäufer offensichtlich nicht. Die Begründung eines anderen Interviewpartners, weshalb er auf Kostentransparenz verzichtet, geht weit über einen potenziell mangelnden Nutzen hinaus und identifiziert stattdessen sogar eine Gefahr für seine Verhandlungsstrategie: „Die größte Gefahr besteht darin, dass der Lieferant eine Offenlegung nutzt um zu zeigen, dass er nicht weiter reduzieren kann oder damit Preiserhöhungen nach Rohstoffpreissteigerungen begründet. […] Wenn man über Preissenkungen als reine Prozentzahlen spricht ohne konkret zu diskutieren, wo diese herkommen sollen, gibt der Lieferant viel leichter eine Preissenkung: Er macht sich dann nicht so viele Gedanken.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Messtechnik Dieser Gesprächspartner setzt in seiner Verhandlungsstrategie bewusst darauf, unabhängig von der Ertragssituation des Lieferanten Preissenkungen durchzusetzen. Diese Auffassung stellt allerdings eine Ausnahme dar, wie Abb. 20 zeigt. Anzahl Antworten 100%
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Keine Meinung
40
Nein
50 Nein
80 Ablehnung 60
Situationsabhängig Ja
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Situationsabhängig
0
Zustimmung
Kostentransparenz gewünscht
Erste Reaktion Lieferanten auf OBA-Anfrage
Ja
Offenlegung wäre man selbst Lieferant
Abb. 20: Wunsch nach Kostentransparenz und Lieferantenreaktionen
Während die meisten Einkäufer Kostentransparenz in Bezug auf die eigenen Lieferanten favorisieren, lehnen Lieferanten in den meisten Fällen den Abnehmerwunsch nach Open Book Accounting zunächst ab bzw. machen ihre Zustimmung von der jeweiligen Situation abhängig. Diese erhebliche Diskrepanz zwischen dem Wunsch, Daten zu erhalten und der
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B Empirische Befunde
Bereitschaft, diese zur Verfügung zu stellen, kann bereits als Indiz gewertet werden, dass beide Vertragspartner regelmäßig nicht in gleichem Maße von der Offenlegung profitieren. Dies wird auch dadurch deutlich, dass lediglich 30 Prozent der befragten Einkaufsexperten angeben, dass sie – wären sie in der Lieferantenrolle – einer Offenlegung in jedem Fall zustimmen würden, wohingegen eine klare Ablehnung von 20 Prozent bzw. eine situationsabhängige Reaktion von den übrigen 50 Prozent der Befragten geäußert wird. In Bezug auf die Auswahl der Produkte, für die eine Kostentransparenz gewünscht wird, geben nur einige Interviewpartner an, sich einen grundsätzlichen Einblick in die Lieferantenkosten zu wünschen, während die meisten Befragten eine Kosten-/Nutzenabwägung vornehmen. Die wesentlichen Dimensionen, die den Wunsch nach einer Offenlegung beeinflussen, sind demnach die Produktkomplexität bzw. der Umfang der Lieferantenwertschöpfung auf der einen Seite sowie das Einkaufsvolumen auf der anderen Seite. Die Befragten äußern sich hierzu wie folgt: „Bei einfachen Teilen kommt man auch sehr gut über Schätzungen weiter: Stahlpreise kennen wir, bei Schmiede- und Gussteilen kann man die Fertigungskosten auch ganz gut abschätzen. Interessant ist Kostentransparenz vor allem bei komplexeren Bauteilen wie zum Beispiel Motoren.“ Leiter Strategischer Einkauf, Mehrprodukthersteller (u.a. Fahrzeugkomponenten) „Bei einfachen Produkten ist Kostentransparenz weniger nötig, da haben wir die Transparenz schon selbst. Bei anderen Teilen wie Drehteilen oder Endstücken, wo viel Wertschöpfung und Maschinenarbeit dabei ist und wir hohe Stückzahlen einkaufen, da ist es wichtiger.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Nockenwellen In der letzten Aussage wird mit der Relevanz einer hohen Stückzahl bereits implizit auf das Erfordernis eines hohen Einkaufsvolumens hingewiesen. „So eine Analyse kostet natürlich Geld und Zeit – daher ist Open Book Accounting nur für unsere wichtigsten Lieferanten hinsichtlich des Einkaufsvolumens relevant.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Kunststoffprofilen
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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„Das ist nur bei A-Lieferanten relevant, weil neben der reinen Kenntnis der Kostendaten auch die Auswertung noch wichtig ist! Das braucht Zeit!“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Geräten für den Gesundheitsbereich Die Aussagen in den Interviews, dass eine Offenlegung von Kosteninformationen vor allem für komplexe Produkte bzw. solche mit einer großen Lieferantenwertschöpfung wünschenswert ist, werden genauso im Rahmen der Onlinebefragung bestätigt wie der Einfluss des Einkaufsvolumens auf den Offenlegungswunsch (Mittelwerte von 1,3 bzw. 1,7 auf einer Skala von 1 (stimme voll zu) bis 5 (stimme überhaupt nicht zu)). Bei einem hohen Einkaufsvolumen ist auch vor dem Hintergrund einer geringen Produktkomplexität eine Offenlegung wünschenswert, wenn auch hier nur ein geringerer Einfluss der Kostentransparenz erwartet wird und Einkäufer sich die Herleitung der Produktkosten auch selbst zutrauen. Bei einem niedrigen Einkaufsvolumen dagegen ist der Einsatz von Open Book Accounting insgesamt oftmals mit einem zu hohen Aufwand verbunden. Die dargestellten Zusammenhänge sind in
Hoher Kosteneinfluss erwartet
Geringe Möglichkeiten zur Herleitung der Lieferantenkosten Umsetzungsaufwand von OBA übersteigt erwarteten Nutzen regelmäßig Hoher Kosteneinfluss erwartet Gute Möglichkeiten zur Herleitung der Lieferantenkosten ersetzen Notwendigkeit zu OBA teilweise
niedrig
Lieferantenwertschöpfung/ Produktkomplexität
hoch
Abb. 21 zusammenfassend dargestellt.
niedrig
hoch Einkaufsvolumen
Wunsch nach Offenlegung der Kosteninformationen
gering
hoch
Abb. 21: Produktkomplexität und Einkaufsvolumen als Einflussfaktoren auf den Wunsch nach Offenlegung
Im Anschluss an diese Darstellung zum grundsätzlichen Wunsch bzw. zur Ablehnung von Kostentransparenz erfolgt im nächsten Abschnitt die Diskussion der Motive, die dem Einkäuferwunsch zugrunde liegen.
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B Empirische Befunde
4.3.2.2 Gründe für Kostentransparenz Die bisherigen Veröffentlichungen zu Open Book Accounting lassen darauf schließen, dass der wesentliche Grund für Kostentransparenz in der Durchführung interorganisationaler Kostensenkungen liegt (vgl. Kapitel 2.2.5). Tatsächlich liefern die Interviews allerdings ein anderes Bild: Als wesentlicher Grund mit weitem Abstand vor anderen möglichen Gründen wird die Sicherstellung eines „optimalen“ Preises durch die Stärkung der eigenen Verhandlungsposition angesehen. „Der Grund für Kostentransparenz ist, einen optimalen Preis zu bekommen. Wir sind halt sehr cost-driven und bieten dem Kunden value for money. Ohne optimale Zukaufpreise könnten wir einfach nicht überleben. Wir nutzen daher die Kosten als Argumentationsbasis. Strategischer Einkäufer, Hersteller PKW „Mit Kostentransparenz hat man eine bessere Vergleichbarkeit der Angebote: Man kann sich dann ein best-of Angebot zusammenstellen, sieht […] wer an welcher Position der günstigste Anbieter ist und hat so eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Lieferanten.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller PKW-Fahrwerksysteme Im Zusammenhang mit der Sicherstellung optimaler Preise wird auch das Management von Preiserhöhungen seitens des Lieferanten erwähnt, deren Plausibilität erst mit Kostentransparenz überhaupt zu überprüfen sei: „Kostentransparenz ist wichtig um nachvollziehen zu können, ob Preissteigerungen des Lieferanten gerechtfertigt sind: Man will ihm nicht zu viel zahlen, ihn aber auch nicht kaputt gehen lassen.“ Strategischer Einkäufer, Anlagenbau „Wenn ich eine Kalkulation hätte, der ich vertrauen könnte, wäre eine einfachere Bewertung der Preisanpassungen über die Jahre möglich, ohne das Gefühl zu bekommen, dass man abgeschöpft wird.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Materialien für den Dentalbereich Die letzte Aussage weist auf die Befürchtung des Abnehmers hin, in einer mehrjährigen Vertragsbeziehung durch Preiserhöhungen von seinem Lieferanten ausgenutzt zu werden, wogegen der Abnehmer sich mittels der Kostentransparenz wehren will. Gleichzeitig wird aber sein
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mangelndes Vertrauen in die Validität der Daten betont. Dieser Sachverhalt wird in Abschnitt 4.3.2.4 noch ausführlicher betrachtet. Erst am zweithäufigsten wird als Grund für Open Book Accounting erwähnt, basierend auf den Angaben des Lieferanten Kostensenkungspotenziale zu identifizieren und so Kostensenkungen zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang muss auch die an fünfter Stelle separat erwähnte kostenoptimale Produktentwicklung gesehen werden: Über Open Book Accounting versucht der Einkäufer hier einen Einblick zu erhalten, warum ein Produkt unter den vorgegebenen Spezifikationen bestimmte Kosten verursacht und welche Kostensenkungen durch Änderungen am Produktdesign zu erwarten sind. Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich) 50 41 40
30 25 20 12 9
10 5
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0
Abb. 22: Gründe für Kostentransparenz aus Abnehmersicht
Ein bisher in der Literatur noch nicht identifizierter Grund für Kostentransparenz ist die Nutzung im Rahmen eines Risikomanagements. Durch den Einblick in die Lieferantenkalkulation beurteilt der Abnehmer die Produktprofitabilität für den Lieferanten, um zu vermeiden, dass dieser zu einem späteren Zeitpunkt die Preise anheben muss bzw. aufgrund mangelnder Profitabilität nicht mehr lieferfähig ist. Beides würde ein Risiko für den Abnehmer bedeuten.
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B Empirische Befunde
„Wir sehen dann auch, mit wie viel Spanne der Lieferant arbeitet: Er muss zwingend seinen Gewinn haben, damit er auch in schlechten Zeiten überleben kann.“ Strategischer Einkäufer, Maschinenbau Bestandteil des Risikomanagements ist auch die Aufdeckung von Fehlkalkulationen des Lieferanten, die dazu führen können, dass ein Lieferant unter Kosten anbietet und bei großen Aufträgen seine gesamte Profitabilität gefährdet. Gerade kleinere Lieferanten verfügen nach Aussage der Interviewpartner oftmals nur über eine mangelhafte Kostenrechnung und setzen sich dadurch der Gefahr der Fehlkalkulation aus: „Bei einer schwachen oder falschen Kalkulation weisen wir auch auf die Fehler hin, wenn sie zu unseren Gunsten sind. Wir wollen ja nicht, dass der Lieferant an dem Auftrag kaputt geht bzw. in Zukunft die Preise erhöhen muss, um das zu vermeiden.“ Leiter Supply Chain Management, Rüstungsindustrie „Die Qualität der Kostenrechnung der Lieferanten an sich ist oft ein Problem: Die Geschäftsführer sind oft sehr technisch und schätzen den Preis mit dem dicken Daumen. Da ist zum Teil gar keine Kalkulation dahinter. Dann ist das geradezu gefährlich, wenn er nicht offenlegt und wir das nicht nochmal analysieren können.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von medizinischen Geräten „Eine Evaluation nur anhand von Preisen ist nicht möglich – der Lieferant kann Fehler in der Zykluszeitberechnung oder sonstige Fehler in der Kalkulation haben oder schlichtweg nicht im Detail über das Angebot nachgedacht haben.“ Manager Supply Chain Management, Hersteller von Geräten für die Halbleiterindustrie Neben diesen wesentlichen Gründen für die Einführung von Open Book Accounting finden sich aus Sicht des Einkaufs noch einige wenige am Rande erwähnte Motive, darunter die Möglichkeit zur Bewertung der Vorteilhaftigkeit von anstehenden Investitionen beim Lieferanten, die Vereinfachung und Beschleunigung der eigenen Preiskalkulation sowie die Beurteilung der technologischen Leistungsfähigkeit des Lieferanten.
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4.3.2.3 Aktueller Umsetzungsstand des Open Book Accounting Wie in Abschnitt 2.2.1 dargestellt, finden sich in aktuellen Veröffentlichungen nur begrenzt Hinweise auf die Verbreitung von Open Book Accounting. Entsprechend wurde auch dieser Frage in den Interviews nachgegangen, zum einen um weitere Belege für die praktische Relevanz zu identifizieren, zum anderen aber auch um daraus Entwicklungsperspektiven zu entwickeln. Umfang Kostentransparenz in Bezug auf das Einkaufsvolumen Abb. 23 stellt basierend auf den Aussagen der Einkaufsexperten dar, für welchen Anteil ihres Einkaufsvolumens sie einen Einblick in die Kalkulation ihrer Lieferanten haben. Hierbei wurden im Rahmen der Befragung bewusst niedrige Anforderungen hinsichtlich der Detaillierung der Kostendaten gesetzt, ab welcher überhaupt von einer Kostentransparenz gesprochen werden kann. Die Befragten sollten in diesem Zusammenhang abschätzen, für welchen Anteil ihres Einkaufsvolumens sie eine größere Transparenz als den reinen Produktpreis besitzen. Bereits eine Untergliederung des Preises in Fertigungsanteile und Materialanteile ohne expliziten Gewinnausweis wird hier somit als Kostentransparenz gewertet. Anzahl Antworten (gesamt und in % von gesamt*) 100%
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Technologie, Maschinen- und AutomobilElektrotechnik, Anlagenbau, industrie, Industriegüter Elektronik Fahrzeugbau
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Chemie, Pharma und Healthcare
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Andere
Umfang Kostentransparenz in Prozent des Einkaufsvolumens * Abweichungen von 100% durch Rundung
Abb. 23: Kostentransparenz in Prozent des Einkaufsvolumens nach Branchen
Im Gesamtüberblick wird deutlich, dass ein Drittel der Befragten keinerlei Einblick in die Kosten ihrer Lieferanten haben und weitere 27 Prozent der Befragten eine Transparenz zu weniger als einem Viertel ihres Einkaufsvolumens aufweisen können. Umfangreiche Transpa-
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B Empirische Befunde
renz in Bezug auf das Einkaufsvolumen geben nur 26 Prozent der Befragten an, die für mehr als die Hälfte des Einkaufsvolumens Zugang zu Kosteninformationen der von ihnen bezogenen Produkte haben. Die Branchenbetrachtung macht jedoch erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Branchen deutlich: Den höchsten Transparenzgrad weist die Automobil- bzw. Fahrzeugindustrie auf gefolgt von der Technologiebranche. Beide Branchen sind gekennzeichnet durch hohe bis sehr hohe wahrgenommene Wettbewerbsintensitäten (vgl. Abschnitt 4.3.1.2), einer hohen Produktkomplexität bezüglich der fremdbezogenen Bauteile und Komponenten sowie einer sehr geringen bzw. geringen Fertigungstiefe (vgl. Abschnitt 1.1), gleichbedeutend mit hohen Einkaufsvolumina. Die im letzten Kapitel hergeleiteten Faktoren Produktkomplexität und Einkaufsvolumen beeinflussen also nicht nur den Wunsch nach Offenlegung, sie führen auch zu einer Steigerung der beobachteten Kostentransparenz. Zudem beeinflusst die wahrgenommene Wettbewerbsintensität den Umfang von Kostentransparenz. Detaillierung der offengelegten Kosteninformationen Um die Bedeutung von Open Book Accounting besser beurteilen zu können, ist weiterhin zu erheben, welche Daten offengelegt werden bzw. in welchem Detaillierungsgrad die Abnehmer Einblick in die Lieferantenkalkulationen haben. Eine eindeutige Abgrenzung zwischen „geringer“, „mittlerer“ und „hoher“ Detaillierung ist ohne eigenen Zugriff auf die beim Einkauf vorliegenden Lieferantendaten nicht möglich, so dass die nachfolgenden Klassifikationen aus den Beschreibungen der Einkaufsexperten zu den bei ihnen vorliegenden Kosteninformationen ihrer Lieferanten abgeleitet wurden. Einbezogen in diese Betrachtung wurden aus naheliegenden Gründen weiterhin nur diejenigen Unternehmen, bei denen überhaupt ein gewisser Einblick in Kosteninformationen der Lieferanten gegeben ist. Eine „hohe“ Detaillierung liegt vor, wenn dem Abnehmer Einblick in die einzelnen Materialbestandteile auf Stücklistenebene (einschließlich Einkaufspreisen) gegeben wird, weiterhin die einzelnen Fertigungsprozesse explizit dargestellt werden und mit Fertigungszeiten sowie Kostensätzen je Zeiteinheit hinterlegt werden. Gegebenenfalls anfallende Entwicklungs- oder Werkzeugkosten sind hier ebenfalls transparent und Gemeinkosten sowie Gewinn werden explizit ausgewiesen (zum Teil in einer Position). Demgegenüber wurde eine „niedrige“ Detaillierung festgehalten, sofern nur die wesentlichen Kostenpositionen Material und Fertigung getrennt werden, ohne auf Prozess- oder Stücklistenebene herunterzugehen. In diesen Darstellungen findet auch kein Gewinnausweis statt, sondern ist in den „Kostenpositionen“ eingerechnet, die sich damit zum Verkaufspreis aufaddieren. Sofern die Ausführungen der Einkaufsexperten zur bei ihnen vorhandenen Kosten-
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transparenz weder auf eine hohe noch auf eine niedrige Detaillierung der offengelegten Kosteninformationen schließen ließen, wurde eine „mittlere Detaillierung“ festgehalten. Vorstellbar ist beispielsweise, dass zusätzlich zur groben Detaillierung in die wichtigsten Kostenblöcke noch ein expliziter Ausweis des Gewinns stattfindet. Ebenfalls denkbar wäre, dass zwar Einblick in einzelne Prozessschritte gewährt wird, in jede „Kostenposition“ aber bereits der Gewinn eingerechnet wurde, so dass ein Rückschluss auf die tatsächlich anfallenden Kosten nicht unmittelbar möglich ist. Es zeigt sich, dass fast die Hälfte derjenigen Unternehmen, die einen Einblick in die Kalkulation ihrer Lieferanten bekommen, auch einen detaillierten Einblick erhalten, der ihnen die Fertigungssicht offenlegt und sowohl Rückschlüsse auf die Materialkosten beim Lieferanten als auch auf die verrechneten Gewinn- und Gemeinkostenanteile erlaubt. Lediglich ein gutes Viertel (24 Prozent) der befragten Einkaufsexperten mit Einblick in Lieferanten-Kostendaten bescheinigt sich selbst nur eine sehr eingeschränkte Transparenz. Im Hinblick auf eine Branchenunterscheidung setzt sich das bereits bei der Untersuchung des Umfangs der Kostentransparenz ermittelte Bild fort: Den detailliertesten Einblick erhalten Einkäufer in der Automobilindustrie und der Technologiebranche, wobei letztere aufgrund der geringen Anzahl an einbezogenen Aussagen nur begrenzt aussagekräftig ist. Die hohe Wettbewerbsintensität in diesen Branchen beeinflusst die Detaillierung ebenso wie den Umfang der Kostentransparenz in Bezug auf das Einkaufsvolumen. Abb. 24 stellt die Aussagen zum vorhandenen Detailgrad der Kosteninformationen der Lieferanten im Überblick dar.
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B Empirische Befunde
Anzahl Antworten (gesamt und in % von gesamt) 100%
37
14
5
10
5
3
20% 30% 80
49%
57% 67%
60
40
80%
20%
27% 50%
36% 20
0
40%
40% 24%
20%
Gesamt
AutomobilTechnologie, Maschinen- und industrie, Elektrotechnik, Anlagenbau, Fahrzeugbau Elektronik Industriegüter
33%
7% Chemie, Pharma und Healthcare
Hoch Mittel Gering
Andere
Detailgrad der Kosteninformationen der Lieferanten
Abb. 24: Detailgrad der Kosteninformationen der Lieferanten nach Branchen
Der Umsetzungsstand von Open Book Accounting ist in wettbewerbsintensiven Branchen am weitesten fortgeschritten. Die Untersuchung der technischen Umsetzung zeigt dabei, dass der Datenaustausch in keinem Fall über eine wie auch immer dargestellte direkte Anbindung an das Kostenrechnungssystem des Lieferanten erfolgt: Die Informationen werden entweder verbal, in Papierform oder aber über Excel-Dateien ausgetauscht, wobei letztere Form am weitesten verbreitet ist. Über 40 Prozent der Befragten erhalten dabei die Informationen anhand eigener dem Lieferanten zur Verfügung gestellter Vorlagen, in denen sie die erwartete Detaillierung bereits festlegen. Die Excel-Vorlagen der Abnehmer orientieren sich an einer typischen Vollkostenrechnung, wobei sich der Detaillierungsgrad unterscheidet. Auf diese „Cost-Breakdown (CBD) -Formulare“ der Abnehmer wird im Folgenden noch genauer eingegangen. Die dem Abnehmer zur Verfügung gestellten Daten werden regelmäßig in Datenbanken eingebunden. Dies erlaubt nicht nur einen einfachen Vergleich der Kostendaten zwischen einzelnen Lieferanten und Produkten, sondern bei vergleichbaren Produkten auch die Analyse der Kostenentwicklung bei einzelnen Lieferanten im Zeitverlauf sowie den Vergleich mit externen Quellen wie Branchenbenchmarks (vgl. Abb. 25).
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich) 100%
80
47
16
Verbal oder Papierform Nein
60
Excel ohne Vorlage
40
20
0
Excel-Vorlage Abnehmer
Ja
Umsetzung Datenaustausch
Einbindung Daten in Datenbank
Abb. 25: Technische Umsetzung des Datenaustausches
Struktur und Inhalte von Cost-Breakdown Formularen Die vorgenannten Cost-Breakdown Formulare werden auch als Quotation Analysis Forms, Supplier Quotation Cost Breakdowns, Part Quotation Forms und ähnlich bezeichnet. Inhaltlich sollen sie dem Abnehmer einen Einblick in die beim Lieferanten zur Durchführung eines Auftrages anfallenden Kosten geben, wobei die Detaillierungsgrade bzw. die geforderten Informationen von Abnehmer zu Abnehmer unterschiedlich sind. In Tab. 10 ist dargestellt, welche Detaillierung in Bezug auf die Kostenbestandteile einzelne Abnehmer von ihren Lieferanten fordern. Die Darstellung beruht auf Formularen, die von Interviewpartnern zur Verfügung gestellt wurden und nur anonymisiert dargestellt werden können, sowie solchen, die frei im Internet verfügbar sind (Johnson Controls, MANN+HUMMEL, Hendrickson International).
Hersteller von Messgeräten
Hersteller von Baumaschinen
Zulieferer der Halbleiterind.
Hendrickson International
MANN+ HUMMEL
Johnson Controls
Logistik
Zuschläge
Fertigung
Zukaufteile
Rohmaterial
Grund -lagen Auszug
Lieferant (Name/Nummer/Land) Teilenummer Teilebezeichnung Jahresmenge (Stück) Bezeichnung (Name und Güteklasse) Lieferant (Name bzw. Ort/Land) Einheit Materialpreis/Einheit Einsatzgewicht/Stück Fertiggewicht/Stück Ausschuss in % bzw. pro Stück Materialrückvergütung Materialgemeinkosten Rohmaterialkosten/Stück Bezeichnung Lieferant (Name bzw. Ort/Land) Teilenummer Lieferbedingungen Zoll Einkaufspreis/Einheit Einsatzmenge/Stück Ausschuss in % bzw. pro Stück Materialgemeinkosten Kosten Zukaufteile/Stück Bezeichnung Arbeitsgang Arbeitszeit in Stunden/Woche Anzahl Personen/Arbeitsgang Zykluszeit (Stück/h bzw. Sek./Zyklus) Lohnkosten/Stunde Lohnkosten/Stück Maschinenkosten/Stunde Maschinenkosten/Stück Ausschuss in % bzw. pro Stück Fertigungskosten/Stück Herstellkosten (Zwischensumme) pro Stück Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten (V&V-GK) in % bzw. pro Stück Entwicklungskosten in % bzw. pro Stück Sonstige Kosten in % bzw. pro Stück Gewinn in % bzw. pro Stück V&V-GK, Ausschuss und Gewinn als Sammelposition in % und pro Stück Anlaufkosten gesamt und pro Stück Summe der Zuschläge/Stück Gesamtkosten (Zwischensumme) pro Stück Transportkosten/Stück Verpackungskosten/Stück Palettenumlage/-instandhaltung pro Stück Logistikkosten/Stück Angebotspreis (inklusive/exklusive Werkzeugumlage*)
Hersteller PKW B
B Empirische Befunde
Hersteller PKW A
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* Kosten für auftragsindividuelle Werkzeuge/Investitionen werden regelmäßig separat ausgewiesen
Tab. 10: Inhalte von Cost-Breakdown Formularen im Überblick Quelle: Eigene Analyse basierend auf zur Verfügung gestellten sowie frei verfügbaren Unterlagen (Johnson Controls 2005; MANN+HUMMEL o.J.; Hendrickson International o.J.).
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
117
Wie bereits weiter oben erwähnt, orientieren sich die CBD-Formulare an einem klassischen Zuschlagskalkulationsschema. Grundlegenden Angaben zum Lieferanten, dem dargestellten Produkt sowie der der Kalkulation zugrunde liegenden Jahresmenge folgt der Überblick zu den verwendeten Rohmaterialien: Neben Angaben zur Herkunft und Qualität der Rohmaterialen erwarten bis auf PKW-Hersteller A alle Abnehmer eine explizite Nennung der Einkaufskonditionen des Lieferanten. Weiterhin wird stets die Offenlegung der Einsatzmengen der Rohstoffe erwartet sowie regelmäßig auch das Fertiggewicht, womit Informationen zur Materialausnutzung bzw. dem Verschnitt vorliegen. Da der Verschnitt oftmals zum Schrottwert weiterveräußert werden kann und dies die Rohstoffkosten reduziert, wird teilweise auch die damit verbundene Materialrückvergütung offen gelegt. Die Abnehmer fordern außerdem fast immer Einblick in die der Kalkulation zugrunde liegenden Ausschussquoten. Teilweise wird außerdem die Offenlegung der Materialgemeinkosten gefordert (u.a. für interne Logistik, Wareneingangskontrolle und Einkauf). In Summe erfolgt so für jeden in das Produkt eingehenden Rohstoff die Offenlegung der einzelnen Rohmaterialkostenbestandteile. Die Transparenz zu den Zukaufteilen ist weitgehend mit den Rohmaterialangaben identisch (wesentliche Abweichung sind fehlende Angaben zur Materialausnutzung, da diese inhaltlich nicht sinnvoll sind). Bei der Darstellung der anfallenden Fertigungskosten dagegen sind detaillierte Angaben zu allen Arbeitsgängen erforderlich: Neben der geplanten Wochenarbeitszeit werden von den Lieferanten zur Bestimmung der Lohnkostenanteile Angaben zur Anzahl der am Arbeitsgang eingesetzten Personen, den Zykluszeiten sowie den Lohnkosten pro Stunde bzw. (in Verbindung mit den Zykluszeiten) pro Stück verlangt. Entsprechende Angaben sind auch für die eingesetzten Maschinen erforderlich und werden noch um die Ausschussquoten bzw. -kosten ergänzt. Als Summe aus Rohmaterial-, Zukauf- und Fertigungskosten ergeben sich die Herstellkosten, auf die unterschiedliche Zuschläge erhoben werden. In den meisten Fällen wird ein Zuschlag für Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten (V&VGK) in Prozent der Herstellkosten verlangt, lediglich PKW Hersteller A gibt sich mit einer Sammelposition zufrieden, die neben den V&V-GK auch die Kosten für Ausschuss sowie den Gewinn enthält. Im Beispiel des Herstellers von Baumaschinen fehlt die Position V&V-GK. Der Lieferant wird sich in diesem Fall gezwungen sehen, entsprechende Kostenbestandteile an anderer Stelle (z.B. im Gewinn) mit einzurechnen. Die Regel ist der explizite Gewinnausweis in Prozent der Herstellkosten, wovon bei den untersuchten Unternehmen nur der bereits erwähnte PKW Hersteller A abweicht. Weitere Positionen wie anfallende Entwicklungskosten, Anlaufkosten oder auch eine unbestimmte Position „Sonstige Kosten“ werden nur von einem Teil der untersuchten Unternehmen abgefragt. Logistikkosten stellen auf den CBD-
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B Empirische Befunde
Formularen normalerweise den letzten Kostenbestandteil dar und umfassen die Transportkosten zum Kunden sowie anfallende Verpackungs- und Palettenkosten. Die so bereits vor Auftragsvergabe vorliegende Transparenz ist offensichtlich bereits sehr detailliert, wird teilweise jedoch noch durch Detailangaben zu den veranschlagten Kosten für auftragsindividuelle Werkzeuge und andere Investitionen ergänzt. Tab. 11 stellt die bei den untersuchten Abnehmern jeweils erwarteten Angaben für auftragsindividuelle Werkzeugkos-
Hersteller von Baumaschinen
Hersteller von Messgeräten
Zulieferer der Halbleiterind.
Hendrickson International
MANN+ HUMMEL
Johnson Controls
Hersteller PKW B
Bezeichnung (Name) Lieferant (Name bzw. Ort/Land) Lieferzeit in Wochen Kapazität (Stück pro Zyklus) Standzeit in Jahren bzw. Stück Anzahl Werkzeuge Entwicklungskosten Kosten Rohmaterial Kosten Fertigung Einkaufspreis pro Werkzeug Kosten Werkzeugbetreuung Werkzeugkosten gesamt bzw. pro Stück
Hersteller PKW A Werkzeugkosten
ten dar.
Tab. 11: Inhalte von Breakdown Formularen für Werkzeugkosten im Überblick Quelle: Eigene Analyse basierend auf zur Verfügung gestellten sowie frei verfügbaren Unterlagen (Johnson Controls o.J.; MANN+HUMMEL o.J.; Hendrickson International o.J.).
Neben technischen und organisatorischen Details zum zu beschaffenden Werkzeug (Bezeichnung, Lieferant, Lieferdauer, Kapazität sowie Standzeit) wird teilweise auch die Aufteilung des Werkzeugpreises auf die einzelnen Kostenbestandteile Entwicklung, Rohmaterialkosten sowie Kosten der Werkzeugfertigung verlangt. Eine derartige Detaillierung setzt offensichtlich voraus, dass auch der Werkzeuglieferant Einblick in seine Kostenstrukturen gibt, wenn auch nur in einem weniger hohen Detailgrad, als dies vom unmittelbaren Kunden des Abnehmers erwartet wird (die einzelnen Kostenpositionen sind für die Werkzeuge nicht weiter ausdetailliert, z.B. in einzelne Fertigungsprozesse). Neben dem Preis für die Werkzeuge werden teilweise noch sogenannte Werkzeugbetreuungskosten angesetzt, mit denen die Kosten für die Beschaffung und Spezifizierung des Werkzeuges abgedeckt werden sollen. Die gesamten Werkzeugkosten werden abschließend in Summe und/oder pro Stück ausgewiesen. Zusammenfassend lässt sich zu den verschiedenen Breakdown-Formularen sagen, dass diese zwar weitgehend ähnliche Positionen umfassen, sich in ihrer Detaillierung und ihrem Aufbau
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
119
aber zum Teil erheblich unterscheiden. Ein Lieferant, der mit einer Vielzahl von Abnehmern zusammenarbeitet, muss damit seine Kosteninformationen an die jeweiligen Erfordernisse seiner Kunden anpassen, worauf in der Darstellung der Lieferantenperspektive noch genauer eingegangen wird. Die auf den letzten Seiten dargestellten Informationen zum Umsetzungsstand von Open Book Accounting belegen aber bereits, dass Abnehmer in vielen Fällen einen umfassenden und detaillierten Einblick in die Kostenstrukturen ihrer Lieferanten erhalten, diese Daten oftmals systematisch erfassen und sie damit bereits vor Vertragsabschluss umfangreiche Möglichkeiten zur Auswertung besitzen. Offenlegung von Kosteninformationen durch den Abnehmer Die Offenlegung von Kosteninformationen durch den Abnehmer in Richtung Lieferant findet dagegen weitaus seltener statt. Wenn Kosteninformationen an den Lieferanten fließen, sind dies entweder Fertigungsbenchmarks oder Hinweise zu den Materialkosten des Abnehmers. Die Einkäufer geben diese Informationen preis, um den Lieferanten auf zu hohe Fertigungskosten oder aber einen zu teuren Materialbezug hinzuweisen. In gewisser Weise kann diese Offenlegung damit auch dazu beitragen, Kostensenkungen auf Seiten des Lieferanten zu erreichen. Inwiefern solche Benchmarkingansätze konkret zur Identifikation und Umsetzung von Kostensenkungen Anwendung finden, wird in Abschnitt 4.3.2.6 noch genauer dargestellt. Eine darüber hinausgehende Offenlegung, die beispielsweise auch die gesamten Produktionskosten umfasst, die im Zusammenhang mit dem vom Lieferanten beschafften Teil stehen, wurde jedoch so gut wie nie bestätigt. Lediglich in einem Fall gibt ein strategischer Einkäufer ein Beispiel, in welcher Situation eine umfangreichere Offenlegung aus seiner Sicht sinnvoll erscheint: „Das ist vor allem dann interessant, wenn ich […] die Fremdvergabe von ganzen Modulen prüfe. Das kommt vor allem dann vor, wenn wir aufgrund von Kapazitätsengpässen nicht selbst produzieren können. Dann gebe ich unsere geplanten Modulkosten an den Lieferanten weiter, der dann sehen kann, ob und zu welchem Preis er das machen kann.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Baukränen Eine derartige Offenheit ist jedoch die Ausnahme. Der Abnehmer gibt damit in der Regel keine sensiblen Kostenbestandteile preis, auch Materialkosten und Fertigungsbenchmarks werden normalerweise nur weitergegeben, wenn dies unkritisch erscheint, oftmals auch um die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Vom Lieferanten dagegen wird regelmäßig auch die Offenlegung des Gewinns erwartet. Da das Risikoprofil damit zuungunsten des Lieferanten verteilt ist, hat dieser unter Umständen Anreize, seine Kosteninformationen zu manipulie-
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B Empirische Befunde
ren. Im Folgenden werden die Gründe für eine potenzielle Verschleierung der Kosteninformationen noch detaillierter untersucht. Darauf aufbauend wird dargestellt, wie der Einkauf versucht, die Validität der Lieferantendaten sicherzustellen. 4.3.2.4 Validität der Daten und Plausibilisierungsansätze Bereits in der transaktionskostentheoretischen Erklärung der Zusammenhänge bei einem Austausch von Kosteninformationen (vgl. Kapitel 3.3.2) wurde erwähnt, dass der Lieferant unter bestimmten Voraussetzungen ein Interesse daran hat, seine Kosteninformationen zu manipulieren. Anreize zur Manipulation der Kosteninformationen Zwei Szenarien, die im Zusammenhang mit der Offenlegung von Kosteninformationen bereits vor Auftragsvergabe vorstellbar sind, sollen im Folgenden genauer dargestellt werden: Zum einen die Möglichkeit, dass der Lieferant seine Kosten übertreibt, um nicht einen zu hohen Gewinn auszuweisen, zum anderen die gegenteilige Situation, in der der Lieferant seine Kosten nach unten manipuliert, um einen Gewinn vorzutäuschen. Im ersten Szenario sei angenommen, dass der Lieferant bei gegebener Kostensituation und einer für ihn erforderlichen Zielmarge einen Preis unterhalb des Wettbewerbs anbieten kann. Muss der Lieferant nun jedoch seine Kalkulation offenlegen und setzt der Abnehmer eine „zugestande Marge“ in Prozent der Herstellkosten voraus, die geringer als die Zielmarge des Lieferanten ist, ergibt sich für den Lieferanten trotz guter Kostenposition eine Ertragslücke (vgl. Abb. 26, Säule „Abnehmersicht“). Die Gespräche mit den Einkaufsexperten haben gezeigt, dass die Annahme einer „zugestandenen Marge“ trotz ihrer theoretischen Fragwürdigkeit keine Ausnahme ist, sondern regelmäßig in der Praxis vorkommt (vgl. hierzu die Aussagen der Einkaufsexperten in Abschnitt 4.3.2.5). Gerade die in Abschnitt 4.3.2.2 dargestellte Diskussion zur Nutzung von Open Book Accounting mit dem Ziel, „optimale“ Preise sicherzustellen, unterstellt regelmäßig „angemessene“ oder „zugestandene“ Margen für den Lieferanten.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Preis Wettbewerb
Kosten/Preis
„Gestaltungsspielraum“
Ertragslücke
Zugestandene Marge
Zielmarge Zugestandene Marge
Kosten Kosten
Kosten
Zielpreis Lieferantensicht
Abnehmersicht
Reaktion Lieferant: Kostenübertreibung
Abb. 26: Kostenübertreibung des Lieferanten zur Erreichung seiner Zielmarge
Eine mögliche Reaktion des Lieferanten ist nun, die eigenen Kosten zu übertreiben, wodurch beim gleichen Zielpreis (und der gewünschten Zielmarge) dem Abnehmer gegenüber nur eine Marge in der zugestandenen Höhe offenlegt wird. Da im vorgestellten Szenario der Preis des Wettbewerbs höher als der Zielpreis ist, bieten sich dem Lieferanten hier noch Möglichkeiten, die Kosten weiter zu übertreiben, um so einen noch höheren Preis durchzusetzen. Offensichtlich setzt dies eine Kenntnis des Wettbewerbspreises voraus, die jedoch regelmäßig nicht gegeben sein dürfte. Auch das gegenteilige Szenario ist realistisch und vorstellbar, nämlich dass ein Lieferant bei gegebenem Wettbewerbspreis aufgrund einer ungünstigen eigenen Kostenposition eine erwartete Mindestmarge nicht erreichen kann. Vor dem Hintergrund, dass seine kurzfristige Preisuntergrenze den variablen Kosten entspricht, ist es möglich und in bestimmten Situationen sinnvoll, dass der Lieferant den Auftrag für sich gewinnen will, obwohl er keinen oder nur einen geringen Gewinn unter Vollkostenbetrachtung erzielt. Für den Einkäufer bedeutet ein Lieferant, der mit einer negativen oder wie im hier beschriebenen Szenario nur leicht positiven Marge anbietet jedoch ein zu vermeidendes Risiko, der Lieferant ist aufgrund seines Kostennachteils nicht wettbewerbsfähig (vgl. Abb. 27). Bei vorhandener Kostentransparenz wird der Einkäufer daher den Auftrag nicht an den dargestellten Lieferanten vergeben, sondern auf andere Anbieter zurückgreifen (vgl. zur Nutzung von Open Book Accounting für das Risikomanagement Abschnitt 4.3.2.2).
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B Empirische Befunde
Kosten/Preis Mindestmarge gemäß Abnehmer Preis Wettbewerb
Mindestmarge gemäß Abnehmer
Kosten Kosten
Ausgangssituation: Lieferant nicht wettbewerbsfähig
Reaktion Lieferant: Untertreibung Kosten
Abb. 27: Kostenuntertreibung des Lieferanten zur Vortäuschung seiner Wettbewerbsfähigkeit
Ist dem Lieferanten der eigene Kostennachteil bewusst, kann er eine Wettbewerbsfähigkeit vortäuschen, indem die wahren Kosten untertrieben werden und daraufhin bei Erreichung bzw. Unterschreitung des Wettbewerbspreises immer noch eine für den Abnehmer ausreichende Mindestrentabilität ausgewiesen wird. Die Anstrengungen des Einkaufs, der umfassende Kostendetails von seinen Lieferanten verlangt und auswertet, um diese für sich zu nutzen, werden damit jedoch stark behindert: Einerseits verläuft das Preis- und Risikomanagement nicht mehr wie gewünscht, andererseits kann auch die Identifikation möglicher Kostensenkungen basierend auf manipulierten Kosteninformationen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt funktionieren. Für den Einkauf ist die Validität der Kosteninformationen daher von entscheidender Bedeutung. Validität der Kosteninformationen Vor dem Hintergrund einer potenziellen Manipulation der Lieferantendaten wurden die Einkaufsexperten in den Interviews befragt, ob sie den ihnen zur Verfügung gestellten Informationen Glauben schenken. Lediglich neun Prozent der Befragten geben an, dass sie den Angaben der Lieferanten unmittelbar glauben, während 89 Prozent der Befragten angeben, die Kosteninformationen grundsätzlich kritisch zu hinterfragen:
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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„Was heißt schon glauben? Man möchte natürlich Gewissheit haben, ein gewisses Misstrauen ist selbstverständlich da.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Materialien für den Dentalbereich „Den Gewinn würde ich natürlich nicht glauben, da wird natürlich gemauschelt! Vielleicht gibt es irgendwo noch so ehrliche Lieferanten – aber dann sind die ja selber schuld!“ Leiter Einkauf, Hersteller von Elektronikkomponenten „Ich glaube nicht, dass die Daten wirklich so aus einer Kostenrechnung kommen - vielmehr wird da oft rückwärts gerechnet: Der Lieferant hat den Preis, den er will, die Marge die er darf […] und dann muss er sehen, wie die anderen Positionen passen.“ Kostenanalytiker, Hersteller von Lichtsystemen für die Automobilindustrie Da offensichtlich grundsätzlich ein großes Misstrauen gegenüber den Lieferantenangaben besteht, müssen die Einkaufsexperten versuchen, durch eigene Untersuchungen die Validität der Informationen sicher zu stellen. Ansätze zur Plausibilisierung von Kosteninformationen der Lieferanten Im Rahmen der Interviews wurde deutlich, dass eine Überprüfung der Lieferantendaten auf Plausibilität nicht die Ausnahme, sondern die Regel darstellt: „Ich rechne das immer nach. Die Daten sind ja oft nicht so kompliziert. Bei einem Bremssattel ist es allerdings schon schwieriger, da können sie das oft nicht genau nachprüfen. Wir rechnen das aber dennoch und fokussieren uns vor allem auf die Zukaufumfänge des Lieferanten. Auch die Prozesse vor Ort werden von uns im Detail analysiert.“ Spezialist Kostenanalyse, Hersteller von Nutzfahrzeugen „Generell sollte man das immer hinterfragen. Man muss sich immer die Fertigung ansehen und aufnehmen, welche Maschine er benutzt, die Zykluszeiten aufnehmen, auch die Einkaufspreise geben lassen. […] Unterm Strich kitzelt man dem Lieferanten so die wahren Zahlen heraus, kommt der Wirklichkeit immer näher.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Kunststoffprofilen
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B Empirische Befunde
„Man überprüft immer basierend auf älteren Angaben des Lieferanten, ob die Daten plausibel sind: Wenn da auf einmal der Overhead deutlich steigt, dann spielt das natürlich schon eine Rolle. Teilweise werden auch die Angaben unter den Lieferanten verglichen, sofern da bezüglich Größe usw. Vergleichbarkeit gegeben ist“. Strategischer Einkäufer, Hersteller von medizinischen Geräten In den vorgestellten Zitaten wird nicht nur deutlich, dass eine Überprüfung der Lieferantendaten einkaufseitig als zwingend erforderlich angesehen wird, es werden auch bereits Hinweise auf verschiedene Möglichkeiten gegeben, diese Überprüfung durchzuführen. Auf die Frage, wie die Einkaufsexperten die Validität der Lieferantenangaben sicherstellen, wird in den meisten Fällen angegeben, dass eigene Analysen, sogenannte Schattenkalkulationen, durchgeführt werden. Hierbei wird versucht, unabhängig von den Kostendaten der Lieferanten eine Kalkulation für das untersuchte Teil aufzubauen und mit Informationen aus verlässlicher Quelle zu füllen. Die einzelnen Einkäufer gehen hierbei jedoch mit sich deutlich voneinander unterscheidenden Sophistikationsniveaus vor: Im einfachsten Fall entspricht die „Analyse“ lediglich einer groben Abschätzung einzelner Positionen in der Kalkulation basierend auf „eigenem Fachwissen“, im am weitesten entwickelten Ansatz nutzt der Einkaufsexperte eine Softwarelösung, in der Produktionsprozesse nachgebildet werden und die auf umfangreiches, regelmäßig aktualisiertes Datenmaterial zurückgreifen kann. Tendenziell sind größere Unternehmen und Unternehmen im Fahrzeugbau hier am besten aufgestellt bzw. am weitesten entwickelt. Die Durchführung der genannten Analysen erfolgt jedoch nicht immer durch den Einkäufer des betreffenden Artikels selbst, stattdessen wird dieser oftmals entweder durch Kollegen mit einem höheren spezifischen Fachwissen unterstützt oder aber (in selteneren Fällen) durch einen Kalkulationsexperten, dessen Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, Lieferantenkalkulationen zu analysieren. Letztlich sind die verwendeten Ansätze nicht überschneidungsfrei. Im Gegenteil werden vielfach verschiedene Datenquellen und Ansätze herangezogen, um die Kosteninformationen zu plausibilisieren. Abb. 28 gibt hierzu basierend auf den Angaben der Einkaufsexperten einen Überblick.
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Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich) 40 33 30
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7
7
5
Ve An Ei rg al g e ys n e le ic en h vo K n os Li te Ve ef n r er da be gle an te nc ich te n hm m n ar it ks Br /F an ac ch hi en nf os du rc A h n Ko al Ve lle yse r Be gle ge n nc ich n hm m ar it ks eig /K e Ve os ne rg te n l fü eic n h r al m te it Pr Ko od st u k en te So ft w N ar u el tz ös un un g Li D g ef u er r c an h te fü h na ru Ka ud ng lk its ul Pr at ü i o fu ns ng ex d pe ur rt ch en
0
Abb. 28: Verwendete Ansätze zur Plausibilisierung von Kosteninformationen der Lieferanten
Ein wesentliches Instrument zur Sicherstellung der Validität der Daten ist der Vergleich unterschiedlicher Kosteninformationen der Lieferanten. Wenn Cost-Breakdowns zu einem bestimmten Produkt von mehreren Lieferanten vorliegen und vergleichbare Produktionsverfahren unterstellt werden, erwarten die Einkäufer auch vergleichbare Kosten bzw. gehen bei Abweichungen den Gründen hierfür nach. Ergänzend oder wenn der Vergleich mit anderen Lieferanten aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit oder fehlender Daten nicht möglich ist, werden auch Branchenbenchmarks herangezogen. Diese dürften zwar in der Regel nicht den tatsächlichen Kosten des Lieferanten entsprechen, stellen nach dem Anspruchsniveau der Einkäufer jedoch eine valide Zielgröße dar, so dass Abweichungen zumindest als Ausgangspunkt für eine Diskussion herangezogen werden. Verglichen werden die Angaben der Lieferanten auch mit Kosteninformationen des Abnehmers, was insbesondere bei Materialkosten eine einfache Möglichkeit darstellt, falsche Angaben bzw. Kostennachteile des Lieferanten aufzudecken und daraufhin detailliertere Analysen anzustoßen. Sofern der Abnehmer bestimmte Fertigungsschritte auch selbst durchführt, stehen hierfür die hinterlegten eigenen Kosteninformationen zur Verfügung. Weiterhin wird auch ein Vergleich der Lieferantendaten mit den früheren Angaben desselben Lieferanten vorgenommen, wie in einem weiter oben dargestellten Zitat bereits erwähnt wurde. Softwarelösungen Oben wurde bereits erwähnt, dass die Einkaufsexperten bei der Plausibilisierung der Lieferantendaten auch durch Softwarelösungen unterstützt werden. Grundsätzlich lassen sich dabei
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B Empirische Befunde
selbsterstellte, eng an das jeweilige Unternehmen ausgerichtete Lösungen sowie kommerzielle Programme unterscheiden. Die Vor- und Nachteile zwischen selbsterstellten und gekauften Lösungen wurden in den Interviews mit jenen Teilnehmern diskutiert, die eine entsprechende Software nutzen. Die Ergebnisse sollen im Folgenden dargestellt werden. Als wesentlicher Vorteil einer selbsterstellten Kalkulationssoftware wird genannt, dass die technische Umsetzung vollständig an die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens angepasst werden kann. Nicht nur die Bedienerfreundlichkeit spielt hierbei eine Rolle, sondern auch die Beschränkung des Anwendungsspektrums auf relevante Bereiche, z.B. nur wenige Fertigungsprozesse bzw. -verfahren. Diese Beschränkung führt auch zu einer höheren Bedienerfreundlichkeit und Akzeptanz des Instrumentes durch die Nutzer. Die Akzeptanz des Instrumentes durch den Lieferanten kann positiv beeinflusst werden, indem die der Software zugrunde liegenden Annahmen und Berechnungen transparent und leicht nachvollziehbar dargestellt werden, beispielsweise über unmittelbar einsehbare Verknüpfungen in einer ExcelArbeitsmappe. Ein weiteres Argument für selbsterstellte Softwarelösungen ist die Sicherstellung der Datenhoheit über selbst erhobene Daten: Sensible Informationen wie verhandelte Preise oder von Lieferanten erhaltene Kosteninformationen sind in dem Fall lediglich in vollständig kontrollierten, eigenen Systemen festgehalten. An dieser Stelle soll ausdrücklich nicht unterstellt werden, dass die Vertraulichkeit solcher Daten in kommerziellen Kostenanalyseprogrammen nicht sichergestellt ist. Allerdings wird in einem Gespräch angeführt, dass aufgrund der hohen Sensibilität der Daten bereits die theoretische Möglichkeit einer solchen Datenweitergabe ein Grund sein kann, nur selbsterstellte Lösungen zu nutzen. Den Vorteilen stehen jedoch auch eine Reihe an Nachteilen gegenüber: Nicht nur ist die Erstellung der Software ressourcenintensiv und stellt hohe Anforderungen an den Programmierer, auch der Datengewinnungsprozess sowie die Datenpflege erfordert viel Zeit sowie ggf. auch Ausgaben für nicht frei verfügbare Informationen (z.B. Branchenbenchmarks). Die (bewusste) Beschränkung der Software auf einzelne relevante Prozesse führt außerdem dazu, dass eine Ausweitung des Untersuchungsbereiches nicht unmittelbar möglich ist, sondern erst Änderungen an der Software sowie die Beschaffung zusätzlicher Daten erforderlich macht. Kommerzielle Kalkulationssoftware gibt es von mehreren verschiedenen Anbietern. Die Programme stützen ihre Berechnungen dabei auf umfangreiche Datensammlungen sowie Algorithmen zur Berechnung der Produktkosten. Im Gegenteil zu den selbsterstellten Lösungen sind damit bereits Berechnungsvorlagen für eine Vielzahl verschiedener Fertigungsprozesse vordefiniert. Ein wesentlicher weiterer Vorteil ist auch, dass umfangreiche für die Berechnung von Produktkosten erforderliche Daten bereits in die Programme eingebunden
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sind und nach Angaben der Softwareanbieter laufend aktualisiert werden. Die enthaltenen Benchmarkdaten sind in der Regel länder- und branchenübergreifend und erlauben neben der reinen Plausibilisierung der Lieferantendaten auch unmittelbar das Aufzeigen von Kostennachteilen des Lieferanten. Die Softwarehersteller bieten außerdem Schulungen zum Einsatz der Programme an und unterstützen bei der Implementierung im Unternehmen. Als Nachteile der kommerziellen Programme wird erwähnt, dass die Ergebnisse weniger einfach nachvollziehbar sind als bei selbsterstellten Lösungen. Zudem ist der Funktionsumfang einzelnen Anwendern zu umfangreich. Ziel dieser Gegenüberstellung von selbsterstellten und kommerziellen Softwarelösungen zur Unterstützung der Plausibilisierung von Lieferantenkostendaten kann und soll keine Bewertung der beiden verschiedenen Ansätze sein, zumal die tatsächliche Arbeit mit unterschiedlichen Programmen im Rahmen dieses Forschungsprojektes nicht untersucht wurde. Die dargestellten Vor- und Nachteile basieren daher auch lediglich auf den Aussagen der Interviewteilnehmer sowie zusätzlichen Recherchen insbesondere zu den Funktionsumfängen kommerzieller Lösungen. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass Abnehmer oftmals erhebliche Anstrengungen auf sich nehmen, um die Validität der Daten der Lieferanten zu überprüfen. Es ist festzuhalten, dass dem Abnehmer bereits aufgrund dieser Möglichkeiten, die Kostenrechnung der Lieferanten nachzubilden, ein erheblicher Einblick in die tatsächlichen bzw. zumindest in zu erwartende Lieferantenkosten gelingt. Den Plausibilisierungsrechnungen oder Schattenkalkulationen wird unabhängig davon, wie sie erstellt wurden, ein hoher Nutzen beigemessen: 71 Prozent der hierzu Befragten (n=14) geben an, dass die Plausibilisierung einen hohen oder sehr hohen Nutzen haben: „Die Ergebnisse der Software haben einen sehr hohen Genauigkeitsgrad und man kommt sehr, sehr schnell zu Ergebnissen. Die Wahl und Einstellung der Parameter ist Übung, dabei wird man aber vom Hersteller unterstützt.“ Leiter Supply Chain Management, Rüstungsindustrie „Die Ergebnisse sind sehr interessant und in der Regel auch hinreichend genau. Oftmals akzeptieren die Lieferanten unsere Rechnungen.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Dentalausstattung „Eine genaue Nachbildung ist möglich bei Bauteilen, die wir selbst genau kennen, zum Teil auch noch selbst fertigen. Bei anderen Bauteilen (z.B. Elekt-
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B Empirische Befunde
ronikbauteilen) ist das nicht möglich. Das Know-How liegt da in der Programmierung, das können Sie nicht in Kostenschätzungen greifen.“ Strategischer Einkäufer, Automobilzulieferer Bei denjenigen Einkaufsexperten, die den Ansätzen zur Plausibilisierung der Lieferantenkosten nur einen geringen Nutzen beimessen, werden vor allem hierzu fehlende Kompetenzen als Grund angeführt: „Sofern Sie die Infos nur von einem Lieferanten haben, ist das schwer – da muss man dann abschätzen können, ob das plausibel ist. […] Da wir keine eigene Fertigung mehr haben, fehlen uns an dieser Stelle leider die Spezialisten. Spezielle Tools, die uns dabei unterstützen, haben wir auch nicht. Wir haben zwar Zielkosten für jedes Produkt, aber die sind in der Regel auch nicht vernünftig abgeleitet.“ Leiter Strategischer Einkauf, Hersteller von Baumaschinen „Wir sind hier keine technischen Fachleute, daher ist das ganze eher so ein Pimal-Daumen Spiel. So richtig gut ist das nicht.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Nockenwellen Tendenziell lassen sich die Kostenstrukturen für einfachere Produkte leichter nachbilden, erfahrene Kostenanalytiker betonen aber, dass sie selbst die Kosten von hochkomplexen Produkten mit einer hinreichenden Genauigkeit herleiten können, selbst wenn Lieferanten ihnen keinerlei Einblick in die Kalkulation gewähren. In einem im Anschluss an das telefonische Interview geführten persönlichen Gespräch stellt ein Kostenanalytiker das Vorgehen am Beispiel einer ca. 25 x 15 cm großen Leiterplatte vor, die mit einer Vielzahl daraufgelöteter Bauteile versehen ist: „Recht leicht“ sei herauszufinden, was die Platine an sich koste. Die Bezeichnungen der Kondensatoren und anderer Bauteile seien dagegen regelmäßig nur sehr klein und in Spezialfarbe aufgedruckt – hier würde seine Abteilung diese mit hochauflösenden Kameras unter unterschiedlichem Licht fotografieren und anschließend am Markt Preise für die einzelnen Bauteile ermitteln. Bei anderen Produkten werde gelegentlich sogar mittels Spektroskopie deren chemische Zusammensetzung ermittelt. An diesem Beispiel wird deutlich, wie umfangreich die Bemühungen der Abnehmer ausfallen können, wenn es darum geht, einen für sie „vertrauenswürdigen“ Einblick in die Kostenstrukturen der Lieferanten zu erhalten. Gleichwohl stellt es im Hinblick auf die Aussagen der großen Mehrzahl der Interviewpartner einen Extremfall dar.
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Letztlich ist es also vor allem eine Frage der Kapazität und Qualifizierung der Mitarbeiter sowie die Notwendigkeit zur Herleitung der Lieferantenkosten, die entscheidet, ob und wie umfassend die hierfür erforderlichen Analysen durchgeführt werden. Die durchgeführten Analysen entsprechen dabei inhaltlich den in der Einkaufsliteratur diskutierten Preisstrukturanalysen, die ursprünglich entwickelt wurden, um einkaufseitig eine gute Verhandlungsposition zu besetzen. Arnold (1995, S. 175) definiert Preisstrukturanalysen als „Untersuchung der einzelnen Kostenbestandteile und des Gewinnanteils sowie die Auswirkungen von Änderungen auf den Angebotspreis.“ Die Durchführung ist nach Ansicht von Leenders/Fearon (1997) üblicherweise mit erheblichen Schwierigkeiten und einem hohen Zeitaufwand verbunden (S. 338) und werde daher auch nur von wenigen fortschrittlichen Unternehmen durchgeführt (Dobler/Burt 1996, S. 318; van Weele 2005, S. 280). Vor dem Hintergrund, dass Preisstrukturanalysen mit den Plausibilisierungsrechnungen des Einkaufs vergleichbar sind und insbesondere zur Verbesserung der Verhandlungssituation genutzt werden, wird deutlich, dass auch Open Book Accounting die Verhandlungssituation beeinflussen dürfte. Welche Auswirkungen Open Book Accounting auf Verhandlungssituationen hat, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts. 4.3.2.5 Auswirkungen auf Verhandlungssituationen In diesem Abschnitt wird dargestellt, welche Folgen Einkäufer aus einer Offenlegung der Lieferantenkosten für sich aber auch für den Lieferanten in Bezug auf die Preisfindung bzw. Preisverhandlung erwarten. In den Gesprächen wurden hierzu verschiedene, durchaus konträre Meinungen geäußert, die im Folgenden dargestellt werden. Kernthema in den Diskussionen hierzu war, ob und wenn ja welchen Einfluss die Kostentransparenz auf den in Verhandlungen auf Lieferanten ausgeübten bzw. ausübbaren Verhandlungsdruck hat. Die in der Literatur bereits identifizierte Folge eines verstärkten Drucks auf die Marge des Lieferanten (vgl. Kapitel 2.2.3) konnte hier klar bestätigt werden und geht im Einklang mit dem in Kapitel 4.3.2.2 dargestellten Motiv, mittels Open Book Accounting „optimale Preise“ sicherstellen zu können: 56 Prozent der befragten Einkaufsexperten sehen in den Interviews einen deutlichen Anstieg des Verhandlungsdruckes auf den Lieferanten, weitere 22 Prozent geben an, dass sich die Kostentransparenz je nach Situation negativ aber auch positiv für den Lieferanten in Bezug auf den ausgeübten Verhandlungsdruck auswirken kann. Lediglich 20 Prozent erkennen einen sinkenden Verhandlungsdruck durch Open Book Accounting. Im Rahmen der Onlinebefragung wird der steigende Verhandlungsdruck auf den Lieferanten noch weitaus deutlicher bestätigt: Hier stimmen sogar 80 Prozent der befragten
130
B Empirische Befunde
Einkaufsexperten zu, dass sich der Druck auf den Lieferanten durch Kostentransparenz eher verstärkt, lediglich sieben Prozent sehen eine Reduzierung des Verhandlungsdruckes. Eindeutig lässt sich nicht erklären, woher die Diskrepanz in der Einschätzung der Wirkung auf den Verhandlungsdruck zwischen beiden Erhebungsmethoden liegt. Eine Erklärung, die den Unterschied relativiert, ist, dass die Befragten in der schriftlichen Erhebung auf einer fünfstufigen Skala ihre tendenzielle Zustimmung bzw. Ablehnung zu der Aussage abgegeben haben, dass der Verhandlungsdruck auf Lieferanten durch Open Book Accounting zunehme. Die quantitative Auswertung der qualitativen Interviews konnte dagegen nicht auf eindeutige Skaleneinschätzungen zurückgreifen: Da viele Befragte auch mögliche Vorteile für den Lieferanten sehen, kommen sie oftmals zu dem Schluss, dass sich die Kostentransparenz je nach Ausgangssituation unterschiedlich auf den Verhandlungsdruck auswirkt. Eine Tendenzaussage, in welche Richtung sich der Druck ihrer Erfahrung nach am ehesten entwickeln wird, wurde dabei von den Interviewpartnern nicht explizit abverlangt. Auch wenn einzelne Einkaufsexperten darauf bestehen, in Verhandlungen nicht über die Ertragssituation des Lieferanten zu sprechen, scheint die Kenntnis dergleichen in vielen Fällen doch einen erheblichen Einfluss auf den Verhandlungsdruck zu haben, der gegenüber dem Lieferanten aufgebaut wird. Folgende Anmerkungen seitens der Interviewpartner bestätigen diese Einschätzung: „Man möchte natürlich die Höhe der Marge kennen, damit man in Verhandlungen besser argumentieren kann, warum der Preis noch sinken muss.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Logistikanlagen „Natürlich prüft man auch, ob die Gewinnmarge adäquat ist, selbst wenn der Lieferant der billigste Anbieter ist. Das darf natürlich nicht passieren, dass er eine zu hohe Marge hat: Wenn er aus irgendeinem Grund 20 Prozent Marge hat, dann setzt man da auch an.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Materialien für den Dentalbereich „Der Lieferant kann sich dann halt keine großen Margen mehr erlauben, wir wollen ja keine Milchkuh sein! Prinzipiell würde ich es als Nachteil sehen: Man kann dann kein großes Geschäft mehr machen, hat nur noch eine fixe Marge um die Fertigung auszulasten.“ Strategischer Einkäufer, Anlagenbau
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
131
„Heute weiß man nicht, wie viel Gewinn die Lieferanten machen – die sehen die Gefahr, dass man ihnen bei Offenlegung nur noch X-Prozent Overhead und Gewinn gestattet. Das ist auch eine berechtigte Befürchtung. Er soll einen fixen Gewinn haben, alles andere brauchen wir.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Nockenwellen Im Rahmen der Onlinebefragung wurde darüber hinaus deutlich, dass tendenziell diejenigen Einkaufsexperten eine Ergebnisverbesserung durch Open Book Accounting erwarten, die bestätigen, dass die Kostentransparenz zu einem stärkeren Verhandlungsdruck auf den Lieferanten führt (vgl. Abb. 29). Zwar ist angesichts der im Abschnitt 4.3.2.2 dargestellten Gründe für Kostentransparenz zu berücksichtigen, dass ein steigender Verhandlungsdruck voraussichtlich nicht die einzige Ergebniswirkung von Open Book Accounting ist. Dennoch erlaubt die Beobachtung die Hypothese, dass der durch Kostentransparenz herbeigeführte zusätzliche Verhandlungsdruck einen positiven Einfluss auf das Ergebnis des Abnehmers hat. Eine mittels Open Book Accounting verhandelte Preisreduzierung oder vermiedene Preiserhöhung bedeutet im Umkehrschluss aber unmittelbar auch eine relative Verschlechterung der Ergebnisposition des Lieferanten. Entsprechend lässt sich für das Ergebnis des Lieferanten feststellen, dass Open Book Accounting umso weniger eine Ergebnisverschlechterung hervorruft, je weniger es sich eignet, einen zusätzlichen Verhandlungsdruck aufzubauen.
B Empirische Befunde
Unentschieden
y = 0,465x+1,139 R2=0,1622
Zustimmung
OBA führt zu einer Ergebnisverbesserung
Ablehnung
132
5 Nennungen
Zustimmung
Unentschieden
Ablehnung
OBA führt zu stärkerem Verhandlungsdruck auf Lieferanten
Abb. 29: Verhandlungsdruck und Ergebnisverbesserung durch Open Book Accounting
Nach der Aussage eines Interviewpartners richten sich die Detailuntersuchungen zu den Kosten der Lieferanten einkaufseitig besonders auf diejenigen Produkte, von denen man glaube, dass sie für den Lieferanten besonders profitabel seien. Die Folge einer darauf basierenden Neuverhandlung der profitabelsten Produkte sei am nachstehenden Beispiel dargestellt, das basierend auf der Darstellung bei Kaplan/Cooper (1998, S. 161-165) entwickelt wurde. Ergebniswirkung der Neuverhandlung von Preisen für ertragsstarke Produkte Vereinfacht sei angenommen, ein Unternehmen erziele sämtliche Umsätze mit nur einem Kunden. Dieser Kunde kaufe zwar grundsätzlich alle Produkte des Unternehmens, allerdings seien die Umsatzanteile der einzelnen Produkte deutlich verschieden. Nach Kaplan/Cooper sei weiter angenommen, dass die umsatzstarken Produkte für den Hersteller am profitabelsten seien, während viele Produkte, mit denen nur geringe Umsätze erzielt werden, keinen oder gar einen negativen Beitrag zum Gesamtertrag leisten (begründet durch die in Relation zum Umsatz höheren produktindividuellen Entwicklungs-, Produktions- und Verwaltungskosten der umsatzschwachen Produkte, vgl. zur Begründung außerdem die Ausführungen bei Kaplan/Cooper, S. 163-165). In Abb. 30 ist auf der horizontalen Achse die kumulative Anzahl der vom Lieferanten angebotenen Produkte abgetragen, wobei die Produkte von links nach rechts mit abnehmender Profitabilität sortiert sind. Unter der getroffenen Annahme, dass die umsatzstarken Produkte profitabler sind, finden sich diese damit auf der linken Seite der Abbildung. Auf der Vertikalen ist der mit den Produkten erwirtschaftete kumulative Ertrag abgetragen. In
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
133
der Abbildung wird deutlich, dass bereits die profitabelsten (und umsatzstärksten) 20 Prozent der Produkte gut 300 Prozent des erzielten Gesamtertrages erwirtschaften. Sie weisen dabei bei hohen Umsätzen eine Produktumsatzrentabilität von zehn bis 15 Prozent auf. Weitere etwa 20 Prozent der Produkte sind weder profitabel noch unprofitabel und führen zu dem flachen Verlauf der Kurve im mittleren Bereich. Die letzten 60 Prozent der Produkte dagegen haben eine stark negative individuelle Rentabilität und führen im hier dargestellten Ausgangsszenario dazu, dass sich der Gesamtertrag mit jedem zusätzlichen Produkt weiter reduziert. Angesichts der Ähnlichkeit des hier dargestellten Kurvenverlaufes mit der Körperform eines Wales wird die Kurve auch „Walkurve“ genannt (Kaplan/Cooper 1998, S. 162). Produktumsatzrentabilität im Ausgangsszenario 15% bis 10%
~ 0%
-20 bis -90%
Kumulativer Ertrag (in Prozent vom Gesamtertrag des Ausgangsszenarios)
350 300 250
Ausgangsszenario
200 150 100 50 0 0
20
Profitabelste Produkte
40
60
Kumulative Anzahl Produkte (in Prozent der Gesamtanzahl Produkte)
80
100
Unprofitabelste Produkte
Abb. 30: Produktrentabilitäten und kumulativer Ertrag im Ausgangsszenario Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Kaplan/Cooper (1998, S. 162).
Wenn nun lediglich die profitabelsten Produkte des Lieferanten untersucht werden und deren Rentabilität auf das „adäquate“ Maß reduziert wird, reduziert sich gleichsam die Gesamtrentabilität des Lieferanten. Im hier dargestellten Beispiel sei angenommen, der Abnehmer analysiere lediglich die Kosten der zehn umsatzstärksten Produkte und erhalte dabei auch Einblick in die gute Ertragsposition dieser Produkte. In der sich ergebenden Diskussion mit dem Lieferanten setzt der Abnehmer eine Margenreduktion auf acht Prozent Umsatzrendite für die betreffenden zehn Produkte durch. Vor dem Hintergrund, dass die aktuelle Gesamtumsatzrentabilität des Lieferanten bei unter vier Prozent liegt (vgl. die grafische Darstellung
134
B Empirische Befunde
hierzu bei Kaplan/Cooper, S. 163) ist diese Rentabilität zwar immer noch überdurchschnittlich, da jedoch keine kompensierenden Preiserhöhungen für die übrigen Produkte vorgenommen werden, fällt zwangsläufig die Gesamtrentabilität. Abb. 31 verdeutlicht die Preis- bzw. Margenreduktion an der geringeren Steigung der Kurve im ersten Teil, in dem die Spitzenprofitabilitäten entfallen sind und jetzt nur noch acht bis zehn Prozent vom Umsatz ausmachen. Da keine weiteren Preisanpassungen erfolgen, wird der Rest der Kurve lediglich parallel nach unten verschoben. Im Ergebnis stellt sich ein Gesamtertrag ein, der nur noch 17 Prozent des Ertrages im Ausgangsszenario umfasst. Produktumsatzrentabilität nach Margenreduktion für Top-10-Produkte 10% bis 8%
~ 0%
-20 bis -90%
Kumulativer Ertrag (in Prozent vom Gesamtertrag des Ausgangsszenarios)
350 300 250
Ausgangsszenario
200 150
Margenreduktion für Top-10-Produkte
100 50 0 0
20
Profitabelste Produkte
40
60
Kumulative Anzahl Produkte (in Prozent der Gesamtanzahl Produkte)
80
100
Unprofitabelste Produkte
Abb. 31: Produktrentabilitäten und kumulativer Ertrag nach Margenreduktion für Top-10-Produkte Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Kaplan/Cooper (1998, S. 162).
Eine Kenntnis der Kosten- und Ertragsposition aller Produkte vorausgesetzt, dürfte der Lieferant der Forderung des Abnehmers daher nicht zustimmen. Würde der Abnehmer dagegen Einblick in die Kalkulation aller Produkte erhalten, könnte eine völlige Neuverhandlung aller Produkte stattfinden, unter der die bisherige Quersubventionierung umsatzschwacher Produkte durch umsatz- und ertragsstarke Produkte vermieden wird, ohne dass der Gesamtertrag aus dem Ausgangsszenario reduziert wird. Im Ergebnis würde dies eine weitere Reduzierung der Preise für die wenigen umsatzstarken Produkte erlauben, gleichzeitig aber auch massive Preiserhöhungen für die vielen umsatzschwachen (und kostenintensiven) Produkte mit sich bringen. Anstelle der bisherigen „Walkurve“ tritt eine neue Kurve mit stetigem Wachstum,
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
135
bei der alle Produkte eine durchschnittliche Umsatzrentabilität von ca. vier Prozent aufweisen und nur noch anhand ihrer unterschiedlichen Umsatzgrößen in „profitable“ und „unprofitable“ Produkte getrennt werden können (vgl. Abb. 32). Produktumsatzrentabilität nach Neuverhandlung aller Produkte 4%
Kumulativer Ertrag (in Prozent vom Gesamtertrag des Ausgangsszenarios)
350 300 250
Margenreduktion für Top-10-Produkte
200 150 100
Neuverhandlung aller Produkte (Gesamtertrag = 100% vom Ausgangsszenario)
50 0 0
20
Profitabelste Produkte
40
60
Kumulative Anzahl Produkte (in Prozent der Gesamtanzahl Produkte)
80
100
Unprofitabelste Produkte
Abb. 32: Produktrentabilitäten und kumulativer Ertrag nach Neuverhandlung aller Produkte Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Kaplan/Cooper (1998, S. 162).
Solange die Neuverhandlung von Preisen nach einer Offenlegung von Kosteninformationen zu einer wie im letzten Schritt des Beispiels dargestellten vollständigen Neudefinition aller Preise unter Beibehaltung des ursprünglichen Gesamtertragsniveaus führt, entsteht kein Konflikt. Geht man allerdings davon aus, dass der Abnehmer noch andere Bezugsmöglichkeiten für die nach der Neuverhandlung für ihn teurer gewordenen Produkte besitzt, ist aus Lieferantensicht zu befürchten, dass hier Umsätze und Erträge an Wettbewerber verloren gehen. Im Endeffekt würde der Lieferant sich also vermutlich auch in dieser Situation schlechter stellen als im Ausgangszenario. Zusätzlicher Verhandlungsdruck in der Branchenbetrachtung Bisher wurde festgestellt, dass sich der Verhandlungsdruck durch Open Book Accounting tendenziell erhöht. Weiterhin wurden die Folgen einer Preis- bzw. Margenreduktion auf die Gesamtprofitabilität des Lieferanten exemplarisch dargestellt. Im Rahmen der Onlinebefragung wurde zudem festgestellt, dass es hinsichtlich der Auswirkungen von Open Book
136
B Empirische Befunde
Accounting auf die Verhandlungssituation Branchenunterschiede gibt: In der Automobilindustrie, für die in Kapitel 4.3.2.3 der umfassendste Umsetzungsstand von Kostentransparenz in Bezug auf Umfang und Detaillierung der ausgetauschten Daten festgestellt wurde, findet die Aussage, dass Open Book Accounting einen erhöhten Verhandlungsdruck auf den Lieferanten zur Folge hat, deutlich höhere Zustimmung als in anderen Branchen (vgl. Abb. 33, Mittelwertdifferenz signifikant auf dem fünf Prozent Niveau gegenüber anderen Branchen außer Maschinen- und Anlagenbau und Industriegüter, dort leicht oberhalb des fünf Prozent Niveaus). Diese Feststellung erlaubt die Hypothese, dass gerade bei einem abnehmerseitig hochqualifiziert durchgeführten Open Book Accounting ein stärkerer Verhandlungsdruck aufgebaut werden kann und auch wird. Für die Lieferanten bedeutet dies unter isolierter Betrachtung der Auswirkungen auf die Verhandlungssituation, dass im Fahrzeugbau besondere Vorbehalte gegenüber einer Offenlegung der Kosteninformationen bestehen dürften. Ablehnung
5 Verstärkter Verhandlungsdruck als Folge von Open Book Accounting 0,6*
Unent3 schieden
0,5
2,1
2,2
1,6 Zu1 stimmung
Automobil- Maschinenindustrie, und Fahrzeug- Anlagenbau, bau Industriegüter
Andere
* Mittelwertdifferenz signifikant auf dem 5%-Niveau
Abb. 33: Branchenbetrachtung zur Wirkung von Kostentransparenz auf den Verhandlungsdruck
Gründe für die identifizierten Wirkungen auf die Verhandlungssituation Als Gründe für eine Verstärkung oder Reduzierung des Verhandlungsdruckes sehen die Befragten das Vorhandensein besserer Argumentationsbasen in Preisverhandlungen für Abnehmer aber auch Lieferanten, eine insgesamt versachlichte Preisdiskussion sowie die auch bereits bei den Gründen für Kostentransparenz identifizierte vereinfachte Weitergabe von Rohstoffpreisänderungen. Der wesentliche Einfluss auf die sich ändernde Verhandlungssitua-
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
137
tion durch Open Book Accounting liegt dabei aus Sicht der Befragten in der besseren Argumentationsbasis des Abnehmers (vgl. Abb. 34) und bezieht sich vor allem auf die bereits ausführlich dargestellten Argumentationen zur Sicherstellung eines „optimalen“ Preises unter einer „angemessenen“ Lieferantenrentabilität. Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich) 40
Gründe für die Veränderung der Verhandlungssituation 32
Verhandlungsdruck sinkt
30 SituationsSituationsabhängig abhängig
19
20
14 10
0
13
VerhandlungsVerhandlungsdruck steigt steigt
Bessere Argumentationsbasis Abnehmer
Versachlichung Diskussion
Bessere Argumentationsbasis Lieferant
Vereinfachung Weitergabe Rohstoffpreisänderungen
Abb. 34: Gründe für die Veränderung der Verhandlungssituation durch Open Book Accounting
Eine mögliche Erklärung dafür, dass gerade in der Automobilindustrie eine besondere Verstärkung des Verhandlungsdruckes durch Open Book Accounting wahrgenommen wird, liefert ein Interviewpartner, der auf eine höhere durchschnittliche Rentabilität der Zulieferer hinweist. Vor diesem Hintergrund ist eine „angemessene“ Rentabilität, die sich an der Ertragssituation des Herstellers orientiert, für den Lieferanten offensichtlich nicht vorteilhaft und bedeutet einen zusätzlichen Druck auf seinen Ertrag: „Gerade in den vergangenen Jahren haben die Zulieferer aber deutlich mehr Geld verdient als die Autohersteller. Der Ansatz der Autoindustrie, dass man den Lieferanten die gleiche Marge zugesteht wie sich selbst, ist daher natürlich nicht attraktiv.“ Leiter Kostenmanagement, Hersteller von Nutzfahrzeugen Es finden sich jedoch auch Aussagen in den Gesprächen, die darauf hinweisen, dass vor allem der Lieferant eine bessere Argumentationsbasis erhält, woraus eine Reduzierung des Verhandlungsdruckes auf den Lieferanten resultieren kann. Das wesentliche Anwendungsgebiet für
138
B Empirische Befunde
eine Nutzung von Kosteninformationen zugunsten des Lieferanten sehen die Einkaufsexperten in der Weitergabe von Rohstoffpreissteigerungen. Aussagen der Einkäufer belegen, dass der sich durch Kostentransparenz ergebende Argumentationsvorteil für den Lieferanten zwar wahrgenommen wird, der Lieferant die mit Open Book Accounting begründeten Preisforderungen jedoch nicht immer auch durchsetzen kann: Lieferanten können bei Rohstoffpreissteigerungen natürlich den Spieß auch umdrehen und die Argumentation [über Kosteninformationen] für eigene Zwecke nutzen – das kommt dann aber längst nicht immer durch.“ Leiter Einkauf, Hersteller von Elektronikkomponenten „Man wird Preisschwankungen versuchen zu vermeiden, insbesondere Preiserhöhungen werden nicht ohne weiteres akzeptiert. Wenn aber wie jetzt die Rohstoffpreise fallen, wird natürlich sofort nachgefordert. Wenn man aber immer diese Preissenkungen fordert, hat der Lieferant gute Chancen, auch mal eine Preiserhöhung mit der gleichen Begründung durchzubekommen.“ Kostenanalytiker, Hersteller von Lichtsystemen für die Automobilindustrie „Wenn ich als Einkäufer immer den optimalen Preis will, dann muss ich es auch zulassen, dass der Lieferant es einfach hat, Preissteigerungen mit der Kalkulation klar zu begründen. Das will man in der Regel aber ja auch nicht wirklich.“ Leiter Kostenmanagement, Hersteller von Nutzfahrzeugen Weiterhin wird erwähnt, dass der Lieferant Open Book Accounting nutzen kann, um Preiserhöhungen durchzusetzen, die sich aufgrund von Stückkostenerhöhungen durch eine Unterschreitung der Planabnahmemenge ergeben. In der folgenden Aussage wird besonders deutlich, dass der Abnehmer eine vom Lieferanten vorgetragene kostenbasierte Begründung einer Preissteigerung jedoch oftmals nicht akzeptiert: „Preise werden üblicherweise basierend auf Planmengen kalkuliert. Sofern diese unterschritten werden - was oft vorkommt - stehen die Anlagen beim Lieferanten still, der Abnehmer erwartet aber weiterhin, dass die Kapazitäten bereitgehalten werden. Der Lieferant versucht dann über eine Offenlegung seiner Kalkulation den Nachweis des Kostendeltas zu führen, aber der Nachweis der Kostendifferenz führt nicht zwangsläufig zu einer Preiskorrektur: Das ist halt
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
139
kein faires Business! Kooperationsromantik hat ja mit der Realität nichts zu tun!“ Manager, Unternehmensberatung für Produktkostenanalyse Unabhängig davon, ob durch Kostentransparenz ein höherer oder niedrigerer Verhandlungsdruck auf dem Lieferanten lastet, wird regelmäßig insgesamt eine Versachlichung der Diskussion festgestellt, was letztlich zu einer besseren Verhandlungsatmosphäre führt. Bereits die dargestellten kostenbasierten Begründungen von Preisänderungen stellen einen sachlicheren Diskussionsansatz dar als pauschale, nicht quantitativ begründete Preisforderungen. Die positive Wirkung von Open Book Accounting auf die Verhandlungsatmosphäre unterstreichen die folgenden Aussagen: „Die Art der Verhandlung ändert sich [beim Einsatz von Open Book Accounting]: Vom Schachern auf dem Basar kommt man zu einem objektiveren Ansatz, einer sachlichen Diskussion.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Schienenfahrzeugen „Kosteninformationen machen die Verhandlungen um ein vielfaches einfacher und sachlicher. Sie sparen sich die Märchenstunden.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Druckmaschinen „Das ist der einzige sinnvolle Hebel in einer Preisverhandlung, sonst ist das ja wie auf dem Teppichbasar! Mit Kosteninformationen kann man faktenbasiert argumentieren.“ Partner, Unternehmensberatung Zusammenfassend führt der Einsatz von Open Book Accounting regelmäßig zu einem stärkeren Verhandlungsdruck auf den Lieferanten, indem zusätzlich verfügbare Informationen als Argumentationsbasis für Verhandlungen dienen. Vorteile für Abnehmer und Lieferant können bei der Durchsetzung von Preisanpassungen nach Rohstoffpreisschwankungen entstehen, wobei jedoch der Lieferant regelmäßig Schwierigkeiten hat, seine kostenseitig begründeten Forderungen durchzusetzen. Im Ergebnis führt die mit Open Book Accounting ermöglichte sachliche Diskussionsgrundlage vor allem für den Abnehmer zu einer besseren Verhandlungsgrundlage.
140
B Empirische Befunde
4.3.2.6 Kostensenkungen durch Kostentransparenz Die Nutzung von Open Book Accounting zur Identifikation und Umsetzung von Kostensenkungen wird von den Interviewpartnern zwar nicht so in den Vordergrund gestellt, wie es die bisherigen Veröffentlichungen zum Thema glauben lassen (vgl. Abschnitt 4.3.2.2), ist aber dennoch ein wesentliches Anwendungsfeld aus Sicht der Einkaufsexperten. Zwei relevante Themenbereiche wurden dabei in den Gesprächen identifiziert und sollen im Folgenden dargestellt werden. Zunächst wird der Einfluss von Kostentransparenz auf die Identifikation und Umsetzung potenzieller Kostensenkungen herausgearbeitet. Anschließend wird erörtert, wie die identifizierten Potenziale zwischen Lieferant und Abnehmer verteilt werden bzw. welcher Geschäftspartner in welchem Umfang von den Kostensenkungen profitiert. Identifikation und Umsetzung potenzieller Kostensenkungen Nach Aussage der Einkaufsexperten erlaubt erst die Offenlegung von Kosteninformationen der Lieferanten eine Suche nach möglichen Kostensenkungen. In diesem Zusammenhang werden vor allem die Materialkosten der Lieferanten untersucht, aber auch die Optimierung der Fertigung und Lieferantenlogistik sowie eine kostenoptimale Produktentwicklung mittels Open Book Accounting angestrebt. Die Identifikation von Kostennachteilen des Lieferanten findet vielfach durch einen Vergleich der Lieferantendaten mit denen anderer Lieferanten statt oder umfasst die Analyse der Kostendaten analog der im Abschnitt 4.3.2.4 vorgestellten Plausibilisierungsansätze. Im Rahmen des Benchmarking werden die einzelnen Kostenbestandteile des von einem Lieferanten angebotenen Produktes mit den entsprechenden Kosten vergleichbarer Produkte von anderen Lieferanten oder mit sonstigen Benchmarks (z. B. Branchenbenchmarks) verglichen. Das folgende Beispiel stellt eine Benchmarkanalyse auf einem hohen Aggregationsniveau für ein bei Lieferant A angefragtes Produkt vor: Die Kosten des Produktes setzen sich in diesem Beispiel aus 55 Prozent Materialkosten, zehn Prozent Lohnkosten sowie 21 Prozent Maschinenkosten in der Fertigung, vier Prozent Transport- und Verpackungskosten sowie Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten in Höhe von neun Prozent der Gesamtkosten zusammen (vgl. Abb. 35). Als weitere Information ist ersichtlich, dass der Preis 105 Prozent der Gesamtkosten ausmacht, die Umsatzrendite des Lieferanten A beträgt damit etwa fünf Prozent (5% /105% = 4,8%). Für jeden Kostenbestandteil wird nun dargestellt, welche Höhe dieser im Vergleich zum Durchschnitt bzw. zum Benchmark, also zur besten verfügbaren Alternative einnimmt.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
141
Kosten/Preis Lieferant A (% vom Durchschnitt bzw. Benchmark) 200% 172%
150
142% 115% 106%
136%
100%
100
100%
99%
114% 106%
88% 79%
50
0 Anteil an Gesamtkosten
Material 55% % v. Benchmark
Fertigung Personal
Fertigung Maschine
10%
21%
Transport/ Verwaltung & Verpackung Vertrieb 4%
9%
Preis 105%
% v. Durchschnitt
Abb. 35: Benchmarking zur Identifikation von Kostensenkungspotenzialen
Für das untersuchte Produkt folgt, dass Lieferant A Kostennachteile gegenüber dem Benchmark in Bezug auf die Materialkosten, die Maschinenkosten sowie die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten aufweist, während er hinsichtlich der Fertigungslohn- und Verpackungskosten selbst den Benchmark darstellt. Auch der angebotene Preis liegt deutlich über dem besten Wettbewerbsangebot und über dem Durchschnitt. Vorausgesetzt die Wettbewerber erfüllen weitere bei der Auftragsvergabe relevante Kriterien wie Qualität und Lieferzuverlässigkeit, kann Lieferant A unter der gegebenen Kostenstruktur nicht mit einer Auftragsvergabe rechnen. Die durch dieses Benchmarking aufgezeigten Hochkostenbereiche können allerdings dazu genutzt werden, nach den Gründen für die Kostennachteile zu suchen, um so unter Umständen noch ein wettbewerbsfähiges Angebot vorlegen zu können. Mögliche Gründe für die zu hohen Materialkosten können zum einen die Verwendung zu hochwertiger und damit auch teurer Materialien sein, zum anderen aber auch ein zu hoher Materialeinsatz, der aus einem überhöhten Ausschuss oder Verschnitt herrührt. Vorstellbar sind weiterhin ungünstige Beschaffungskonditionen des Lieferanten, möglicherweise durch zu geringe Beschaffungsvolumina begründet. Die Analyse der Fertigungskosten darf jedoch nicht isoliert nach Lohn- und Maschinenkosten erfolgen, da beide Kostenbestandteile miteinander in Verbindung stehen: In diesem Beispiel sind die sehr niedrigen Lohnkosten in der Fertigung möglicherweise durch den Einsatz einer innovativen Maschine „erkauft“ worden, was gleichsam eine Erklärung für die hohen Maschinenkosten darstellen kann. Für belastbare Rückschlüsse auf die Ursache der Kostennachteile sind auf jeden Fall tiefer gehende Analy-
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B Empirische Befunde
sen erforderlich, die das hier dargestellte hohe Aggregationsniveau reduzieren. Auch die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten erscheinen im Vergleich zum Benchmark sehr hoch. Da es sich hierbei jedoch üblicherweise um eine Umlage handelt, die vielfach nicht verursachungsgerecht zugerechnet werden kann bzw. wird, sind die Möglichkeiten zur Identifikation von Kostensenkungspotenzialen in Zusammenhang mit dem konkret untersuchten Auftrag begrenzt. Letztlich können es durchaus strukturelle, kurzfristig nicht behebbare Gründe sein, weshalb ein anderer Lieferant erheblich niedrigere Verwaltungs- und Vertriebskosten aufweist wie zum Beispiel eine größenbedingt schlankere Organisation. Die Nutzung von Open Book Accounting zur Reduzierung der Materialkosten ist die am häufigsten erwähnte Anwendung im Zusammenhang mit Kostensenkungen. Ein Einkäufer eines Herstellers von Baukränen beschreibt diesbezüglich einen Fall, in dem ein Lieferant, der bereits seit langem ein spezielles und teures Bauteil an den Hersteller lieferte, an den Einkauf herantrat, weil er nicht mehr kostendeckend liefern konnte. Da der Einkauf aus Wettbewerbsgründen weder eine Preiserhöhung zulassen konnte, noch eine kurzfristige Umstellung auf einen anderen Lieferanten mit vertretbarem Aufwand möglich erschien, wurde beschlossen, gemeinsam nach Verbesserungsmöglichkeiten in der Kostenbasis des Lieferanten zu suchen und diese umzusetzen. Insbesondere im Einkauf des Lieferanten wurden daraufhin Kostensenkungen umgesetzt, indem der Hersteller seine Einkaufskonditionen an seinen Lieferanten weitergab. Die Weitergabe der eigenen Einkaufskonditionen ist ein beliebtes Instrument des Einkaufs, positiv auf die Kosten des Lieferanten einzuwirken, allerdings wird die Nutzung nicht immer unkritisch gesehen bzw. teilweise eingeschränkt. Befürchtet wird abnehmerseitig zum einen, dass der Lieferant die verbesserten Einkaufskonditionen auch nutzt, um günstiger an die Wettbewerber des Abnehmers liefern zu können, zum anderen kann durch eine uneingeschränkte Weitergabe der Konditionen auch das eigene Verhältnis zum Rohstofflieferanten gestört werden. Dem wird über eine Begrenzung der zu den verbesserten Konditionen bezogenen Volumina entgegengewirkt. Teilweise liefern die Hersteller auch die für die Produktion der von ihnen bezogenen Produkte nötigen Materialien direkt an ihren Lieferanten (sogenannte Beistellungen). Dieser stellt den Materialkostenanteil daraufhin nicht mehr in Rechnung. Zur Begrenzung der verbesserten Einkaufskonditionen auf bestimmte Volumina berichtet ein Interviewpartner: „In vielen Fällen geben wir auch unsere Einkaufskonditionen weiter, wenn wir sehen, dass der Lieferant zu schlecht einkauft. Dann aber nur für die Volumina,
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143
die er für uns braucht, er darf das nicht für andere nutzen – das wird vom Lieferanten der Materialien auch überwacht.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Druckmaschinen Ein anderer Interviewpartner sieht die Nutzung der verbesserten Einkaufskonditionen durch den Lieferanten weniger kritisch, er identifiziert stattdessen sogar Vorteile für das eigene Unternehmen: „Gerade kleinere Unternehmen zahlen oftmals absurde Preise, weil sie auf Händler angewiesen sind, um überhaupt eine Verfügbarkeit des Materials sicher zu stellen. Sofern wir die entsprechenden Materialien selbst beziehen, geben wir die Konditionen auch an unsere Lieferanten weiter, bzw. lassen sie aus unserem Pool beziehen - auch für ihre anderen Kunden. Das hilft letztlich auch uns, da wir dadurch eine größere Abnahmemenge und bessere Preise bekommen.“ Manager Supply Chain Management, Hersteller von Geräten für die Halbleiterindustrie An anderer Stelle wird vom Leiter Kostenmanagement eines Nutzfahrzeugherstellers angemerkt, dass auch die sich aufgrund verbesserter Einkaufskonditionen ergebenden Kostensenkungen für die Produkte anderer Kunden oder Konkurrenten grundsätzlich bei der Bestimmung der untereinander aufzuteilenden Gesamteinsparungen in Betracht gezogen werden können: „Da denkt man natürlich dran. Je nach Situation kann man dann auch diesen Benefit durchaus noch untereinander aufteilen.“ Sowohl eine Beschränkung der Nutzung der verbesserten Einkaufskonditionen als auch die administrative Abwicklung von Beistellungen ist mit Kosten beim Abnehmer verbunden, so dass der jeweilige Einkäufer im Einzelfall entscheiden wird, ob die Beschränkung erforderlich ist oder ob - wie in den letzten beiden Beispielen dargestellt - darauf verzichtet werden kann bzw. sogar sollte. Die Kosteninformationen der Lieferanten werden im Rahmen von Fertigungsoptimierungen dafür eingesetzt, gezielt Hochkostenbereiche zu untersuchen und beispielsweise die Gründe für hohe Ausschussquoten zu identifizieren sowie die Ursachen zu beheben. Weiterhin wurden mehrere Beispiele seitens der Interviewpartner vorgestellt, die die Nutzung von Open Book Accounting für Neuproduktentwicklungen bzw. Änderungen am Produktdesign belegen.
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B Empirische Befunde
Die Kostentransparenz erlaubt in diesem Zusammenhang zu erkennen, inwiefern Produktspezifikationen des Abnehmers zu Mehrkosten beim Lieferanten führen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse können dann Entscheidungen zu möglichen Änderungen am Produktdesign getroffen werden, sie hilft dabei vor allem auch dadurch, dass man sich auf wesentliche Kostentreiber konzentrieren kann: „Wenn wir Einblick in die Kalkulation des Lieferanten haben, können wir z.B. erkennen, dass – teure – Sonderteile verwendet werden. Daraufhin versuchen wir das Produkt an den entsprechenden Stellen so zu ändern, dass der Lieferant auf Standardkomponenten zurückgreifen kann.“ Strategischer Einkäufer, Rüstungsindustrie „Wenn eine Produktspezifikation einen Riesenaufwand in der Produktion des Lieferanten macht, muss ich das wissen, damit ich prüfen kann, inwiefern ich sie verändern kann oder ob andere Maschinen für die Produktion in Frage kommen. […] Wir haben zum Beispiel schon mal festgestellt, dass der Verzicht auf eine bestimmte Art der Oberflächenbehandlung enorme Kosteneinsparungen mit sich bringt.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Messtechnik „Je genauer wir die Kosten kennen, desto eher können wir abschätzen, was für Einflüsse Serienteiländerungen auf die Kosten haben: Was sind die großen Hebel? Man nutzt das dann auch als Wissensmanagement, kann Erfahrungen bei einem Lieferanten auch bei anderen einbringen.“ Strategischer Einkäufer, Automobilzulieferer Berücksichtigt man, dass laut Ehrlenspiel/Kiewert/Lindemann (2007) bereits in der Entwicklungs- und Vorbereitungsphase eines Produktes etwa 90 Prozent der Produktkosten festgelegt werden (vgl. Abschnitt 2.1.4), wird deutlich, dass dem Einsatz von Open Book Accounting in der Produktentwicklung ein sehr hoher Einfluss auf die späteren Produktkosten zugerechnet werden kann. Bewertung und Verteilung der identifizierten Potenziale Sobald mögliche Kostensenkungen identifiziert wurden und spätestens nach der Umsetzung der Maßnahmen stellt sich die Frage, welcher Geschäftspartner in welchem Maße durch die Kostensenkung profitiert. Bevor Kostensenkungen verteilt werden können, sind diese allerdings zu quantifizieren. Selbst solche Kostensenkungsprojekte, in denen Kostensenkungen
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145
ohne Open Book Accounting umgesetzt werden können, verlangen daher im Grunde nach einer Kostentransparenz, um die Verteilungsfrage überhaupt beantworten zu können. Vor der Klärung der Frage, wie die Einsparungen verteilt werden, müssen damit zunächst alle beteiligten Unternehmen darin übereinkommen, wie groß der zu verteilende Betrag ist. Dass Open Book Accounting eine Voraussetzung zur Verteilung ist, wurde an mehreren Stellen in den Experteninterviews deutlich, wie die folgenden Zitate zeigen: „Durch Kostentransparenz ist eine kostenseitige Bewertung von Prozessvereinfachungen beim Lieferanten möglich: Erst danach kann man sich auch darüber unterhalten, wer wie viel von den Savings abbekommt.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Materialien für den Dentalbereich „Über die Open Book Accounting-Kalkulation kann man […] sehr genau die Savings berechnen und braucht darüber nicht wieder zu diskutieren.“ Kostenanalytiker, Hersteller von Lichtsystemen für die Automobilindustrie „Die Kostentransparenz hilft, den Änderungen ein „Preisschild“ zu geben – man muss schließlich wissen, was eine Änderung wert ist, bevor man die umsetzen kann.“ Leiter Kostenmanagement, Hersteller von Nutzfahrzeugen Sobald bezüglich der Höhe der erzielten Einsparungen Einverständnis erzielt ist, ist die Verteilung der Einsparungen untereinander zu klären. Da jedes beteiligte Unternehmen ein Interesse daran hat, in möglichst hohem Maße von der Kostensenkung zu profitieren, dürfte es regelmäßig unterschiedliche Auffassungen zur „gerechten“ Verteilung der Einsparungen zwischen den Unternehmen geben. Entsprechend wurde in den Gesprächen auch keine grundsätzliche „Verteilungsregel“ identifiziert. Allerdings lassen sich die Aussagen der Gesprächspartner hierzu in drei Kategorien aufteilen: Eine vollständige oder weitgehende Vereinnahmung der Einsparungen durch den Abnehmer (37 Prozent der Antworten), eine situationsabhängig jeweils individuelle Verhandlung der Aufteilung der Einsparungen mit dem Lieferanten (51 Prozent) sowie eine Verteilung zu gleichen Teilen zwischen den Beteiligten (zwölf Prozent). Nicht erwähnt und von daher auch in dem untersuchten Wettbewerbskontext als unrealistisch zu betrachten ist die andere Extremposition, nämlich dass der Lieferant die Einsparungen in der Regel vollständig für sich nutzen kann (vgl. Abb. 36).
146
B Empirische Befunde
Anzahl Antworten (gesamt und in % von gesamt) 43
100%
12%
15
11
6
9%
7
4
14%
20%
80 36% 51%
60
67% 40%
57% 100%
40
Zu gleichen Teilen
55% 20
37%
0
Gesamt
40%
33%
AutomobilTechnologie, Maschinen- und industrie, Elektrotechnik, Anlagenbau, Fahrzeugbau Elektronik Industriegüter
Situationsabhängig
29%
Chemie, Pharma und Healthcare
Zugunsten Abnehmer
Andere
Verteilung der identifizierten Potenziale zwischen Abnehmer und Lieferant
Abb. 36: Verteilung identifizierter Kostensenkungspotenziale in der Branchenbetrachtung
Die Branchenbetrachtung zur Verteilung der identifizierten Kostensenkungspotenziale zwischen Abnehmer und Lieferant deutet zwar darauf hin, dass in den Branchen mit einer besonders hohen wahrgenommenen Wettbewerbsintensität (Automobilindustrie und Fahrzeugbau sowie Technologie, Elektrotechnik und Elektronik) die Verteilung eher zugunsten des Abnehmers ausgeprägt ist, allerdings finden sich gerade auch in diesen Branchen mehrere Aussagen zu einer Aufteilung zu gleichen Teilen zwischen Abnehmer und Lieferant. Anhand der vorliegenden Daten erscheint es daher schwierig, einen kausalen Zusammenhang zwischen Brancheneigenschaften und der vorgenommenen Verteilung identifizierter Einsparungen zu belegen. Grundsätzlich profitiert aber eher der Abnehmer unmittelbar von den Kostensenkungen, wie auch die folgenden Aussagen der Einkaufsexperten belegen. Diese geben regelmäßig keine Begründungen für ihren Anspruch, den Großteil der Einsparungen für sich zu vereinnahmen: „Der Lieferant zieht da den Kürzeren […] – den Gewinn würden wir komplett bekommen.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Automatisierungssystemen „Theoretisch sollte es zu 100 Prozent an uns gehen, aber praktisch wird es schon irgendwie verteilt. Wir bekommen aber sicherlich den Löwenanteil!“ Strategischer Einkäufer, Hersteller PKW
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
147
Sofern jedoch Begründungen genannt werden, wird der auf den Abnehmer lastende Marktdruck genannt, ständig günstiger anbieten zu müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Die Verteilung erfolgt nur in eine Richtung! […] Auch wenn wir uns langfristig binden, muss man sich am Markt orientieren und da müssen die Preise sinken. […] Wir geben letztlich das Geld auch nur weiter an den Markt.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Geräten für den Gesundheitsbereich Als weitere Begründung findet sich der Hinweis, dass Einsparungen, die erst auf die Initiative des Abnehmers möglich wurden, auch vollständig zu dessen Gunsten fließen müssten: „Da habe ich eine ganz klare Vorstellung von: Wenn wir Einsparungen gemeinsam erarbeiten, dann 70/30 zu unseren Gunsten, wenn wir die Idee alleine haben gehen sie zu 100 Prozent an uns.“ Leiter Strategischer Einkauf, Mehrprodukthersteller (u.a. Fahrzeugkomponenten) Letztlich wird erwähnt, dass der Lieferant selbst bei einer scheinbaren Verteilung der Einsparungen zugunsten des Abnehmers finanziell profitiert, weil die Berechnung der Einsparungen auch unter Open Book Accounting nicht vollständig transparent ist und der Lieferant die sich ihm ergebenden Spielräume zu seinen Gunsten nutzen kann. Um diese Möglichkeit einzuschränken erwartet der Einkäufer den Großteil der berechneten Einsparungen für sich: „Das meiste bekommen logischerweise wir, da ich ja auch davon ausgehe, dass der Lieferant sowieso trickst. Die Kalkulation der Savings ist ja ohnehin nicht ganz transparent. Ich bin mir also selbst dann, wenn wir alles bekommen, sicher, dass sich auch der Lieferant was eingesteckt hat." Leiter Einkauf, Hersteller von Elektronikkomponenten Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, dass über die Verteilung situationsabhängig entschieden werden muss. Relevante Einflussfaktoren auf das Verteilungsergebnis sind aus Sicht der Befragten die Beteiligung der einzelnen Unternehmen bei der Identifikation und Umsetzung sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte bzw. Unternehmen vor der Kostensenkung:
148
B Empirische Befunde
„Das kommt immer auf die jeweilige Situation an: je nachdem von wem aus die Initiative ausging bekommt der Lieferant mehr oder weniger – ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass er mal mehr als 50 Prozent bekommen hat.“ Strategischer Einkäufer, Rüstungsindustrie „Die Verteilung ist ganz unterschiedlich, da kann ich keine Tendenz abgeben: Das hängt immer davon ab, welche Seite die Hauptarbeit hatte oder ob jetzt irgendwo neue Qualifizierungen anfallen. Da spielt auch der Marktdruck eine Rolle: Wenn das Produkt nur wettbewerbsfähig ist, wenn wir den Großteil der Einsparung nehmen, dann muss das so geschehen.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Sitzheizungen für die Autoindustrie „Das kommt auf die Situation an: Wenn der Lieferant eine negative Marge hat erhält er alles, damit er überhaupt eine Zukunft hat.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Baukränen Weiterhin wird in den Gesprächen angemerkt, dass jede Verteilung immer auch den Lieferanten berücksichtigen sollte, damit er motiviert ist, sich auch weiterhin konstruktiv an gemeinsamen Kostensenkungsprojekten zu beteiligen: „Man teilt das auf, er muss auch seinen Teil bekommen, sonst kommen von ihm keine Ideen, keine Unterstützung mehr. Wie genau die Verteilung aussieht kommt auf die Situation an und ist letztlich Verhandlungssache.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Messtechnik „Bei wirklich gemeinsamen Projekten wird der Nettogewinn nach Abzug aller Projektkosten hälftig geteilt. Aber auch wenn die Idee von einer Seite kommt, bekommen beide etwas von dem Gewinn, um einen Anreiz für gute Mitarbeit zu schaffen.“ Manager Supply Chain Management, Hersteller von Geräten für die Halbleiterindustrie Bei den wenigen Aussagen, nach denen die Einkaufsexperten eine grundsätzliche Aufteilung der Einsparungen zu gleichen Teilen zwischen den beteiligten Unternehmen anstreben, wird auf der einen Seite darauf verwiesen, dass keine wirtschaftliche Notwendigkeit besteht, eine Seite stärker von den Einsparungen profitieren zu lassen, auf der anderen Seite das Ziel ge-
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
149
nannt, ein gutes Verhältnis zum Lieferanten aufzubauen, was eine Gleichverteilung voraussetze: „Wir hätten kein Problem damit, das 50/50 zu teilen, da das ein sehr regulierter Markt ist und man ohnehin gut verdient. Der Preis ist da nicht alles.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Materialien für den Dentalbereich „Die Einsparungen wurden gleichmäßig geteilt. Wir wollten ein gutes Verhältnis und kein Lügen und Betrügen mit unseren Lieferanten.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Schienenfahrzeugen zu seinen Erfahrungen aus der Automobilindustrie Neben den hier vorgestellten Beispielen, in denen tatsächlich Einsparungen identifiziert und umgesetzt wurden, gibt es in den Gesprächen mit den Einkaufsexperten auch Belege dafür, dass der Abnehmer an Kostensenkungen beim Lieferanten beteiligt wird, die gar nicht umgesetzt wurden und es sich damit nur um vermeintliche Kostensenkungen handelte: „In Wertanalyse-Workshops erarbeitete Potenziale werden üblicherweise 50/50 zwischen Einkäufer und Lieferant verteilt. Aber: Regelmäßig werden solche Potenziale gar nicht umgesetzt, weil vorher zu viele innerbetriebliche Hürden überwunden werden müssen.“ Manager, Unternehmensberatung für Produktkostenanalyse „Ob dann allerdings auch tatsächliche eine Kostensenkung beim Lieferanten erfolgte, war uns ehrlich gesagt egal.“ Leiter Einkauf, Hersteller von Elektronikkomponenten In einem Fall wurde darüber hinaus beobachtet, dass der Einkäufer zwar von identifizierten Kostensenkungen beim Lieferanten spricht und diese auch vollständig für sich beansprucht, faktisch aber überhaupt keine Kostensenkungen vorliegen: „Wir haben zum Beispiel ein Zink-Druckgussteil vor fünf Jahren eingerichtet und vergeben […]. Jetzt haben wir die Fertigungszeiten neu aufgenommen und dabei festgestellt, dass der Lieferant deutlich weniger lange brauchte. […] Wenn wir das aufzeigen, bekommen wir das auch zu 100 Prozent.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von mechatronischen Bauelementen
150
B Empirische Befunde
Im dargestellten Beispiel handelte es sich faktisch nur um eine Verschiebung des Gewinns vom Lieferanten an den Abnehmer. Die hier unter dem Vorwand der gemeinsamen Kostensenkung genutzten Kosteninformationen des Lieferanten wurden dabei dafür verwendet, ihm einen „zu hohen“ Gewinn nachzuweisen. Wie auf den letzten Seiten dargestellt, hat der Lieferant bei der Durchführung von unternehmensübergreifenden Kostensenkungsprojekten regelmäßig keine oder nur zu einem geringeren Teil unmittelbare finanzielle Vorteile, muss aber nach der Offenlegung seiner Kosteninformationen mit einem deutlich verschärften Verhandlungsdruck rechnen (vgl. Abschnitt 4.3.2.5). Vor diesem Hintergrund wurden die Einkaufsexperten gefragt, welche (indirekten) finanziellen Vorteile sich für den Lieferant aus der Zusammenarbeit mit dem Abnehmer ergeben. Die häufigste Antwort in diesem Zusammenhang war, dass der Lieferant durch die Kostensenkungen seine Wettbewerbsfähigkeit sichern kann (indem er Produkte zu einem marktfähigen Preis liefert) und damit auch seine Umsatzvolumina mit dem Abnehmer aufrechterhalten oder ausbauen kann. Insbesondere im Zusammenhang mit Kostensenkungen aus der Optimierung von Einkaufskonditionen wird weiterhin auf die mögliche bessere Profitabilität des Lieferanten in anderen Kundenbeziehungen hingewiesen. Dieser Vorteil besteht jedoch nur so lange, wie nicht auch andere Kunden Einsicht in die Bücher des Lieferanten erhalten und die verbesserte Kostensituation als Argumentation für eigene Preissenkungsforderungen nutzen. In diesem Abschnitt wurde aufgezeigt, wie Kostentransparenz die Identifikation und Umsetzung von Kostensenkungen ermöglicht und welche Ertragswirkungen für Abnehmer und Lieferant jeweils zu erwarten sind. Im kommenden Abschnitt wird der Betrachtungsfokus nun von der finanziellen Ebene auf die Einflüsse der Nutzung von Open Book Accounting auf den Beziehungskontext gelegt. 4.3.2.7 Einfluss auf den Beziehungskontext Bei der Darstellung der Funktionen und Folgen von Open Book Accounting im einleitenden Abschnitt 2.2.2 der Arbeit wurde bereits erwähnt, dass einige Autoren eine Verbesserung der Beziehung zwischen Abnehmer und Lieferant durch den Austausch von Kosteninformationen festgestellt haben. Angesichts der in den letzten beiden Abschnitten dargestellten und eher einseitig zu Gunsten des Abnehmers verteilten finanziellen Vorteile von Open Book Accounting erscheint diese Folge nicht unmittelbar evident. Sowohl im Rahmen der Interviews als auch in der die Interviews ergänzenden Onlinebefragung wurde daher dieser Zusammenhang näher untersucht.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
151
Tatsächlich wird von den Einkaufsexperten regelmäßig eine verbesserte Beziehung durch Open Book Accounting zwischen Lieferant und Abnehmer festgestellt. Es wird darauf hingewiesen, dass der Lieferant durch die Offenlegung eine engere Bindung an den Abnehmer erreichen kann: „Neben den Kostensenkungen schafft der Lieferant auf jeden Fall Vertrauen bei uns: […] Man arbeitet dann einfach enger zusammen und gibt gegebenenfalls auch einem teureren Lieferanten den Vorzug. Unterm Strich ist das ein klares Selling Argument für den Lieferanten […].“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Materialien für den Dentalbereich „Die Lieferanten, die offenlegen, können zu bevorzugten Lieferanten werden – bei neuen Produkten fragen wir dann zunächst bei denen an. Auch sucht man in solchen Fällen bei Problemen erstmal nach einer partnerschaftlichen Lösung, das ist anders bei Lieferanten, die keine strategischen Partner sind.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von PKW „Er ist dann für mich ein transparenter Partner, der ehrlich ist und nichts verbergen will. Wer nicht aufdecken will, hat etwas zu verheimlichen.“ Strategischer Einkäufer, Maschinenbau In den Aussagen der Einkaufsexperten finden sich dagegen keine Hinweise darauf, ob auch der Lieferant eine Verbesserung der Beziehung durch Open Book Accounting ausmacht. Zwar bevorzugen Einkäufer einen „transparenten Partner“, da diesem ein erhöhtes Maß an Vertrauenswürdigkeit beigemessen wird, inwiefern dieses Vertrauen vom Lieferanten erwidert wird, bleibt jedoch unklar. Die Auswirkungen von Open Book Accounting auf den Beziehungskontext wurden ergänzend im Rahmen der Onlinebefragung untersucht: Hier geben 72 Prozent der Befragten an, dass sich das Verhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer durch die Offenlegung von Kosteninformationen verbessert. Während 24 Prozent der Befragten keine klare Position zu der Aussage einnehmen, dass sich das Verhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer durch Open Book Accounting verbessert, lehnen weitere vier Prozent der Befragten die Aussage ab. Mehr als ein Viertel der Befragten sehen damit offensichtlich keine unmittelbare Verbesserung des Beziehungskontextes durch Kostentransparenz. In der Branchenbetrachtung wird deutlich, dass insbesondere Einkaufsexperten aus der Automobilindustrie der Verbesserung des Ver-
152
B Empirische Befunde
hältnisses zwischen Lieferant und Abnehmer im Vergleich zu anderen Branchenvertretern kritisch gegenüber stehen (vgl. Abb. 37). Ablehnung
5 Verbesserung Verhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer als OBA-Folge 0,6
Unent3 schieden
0,7*
2,5 1,8
1,9
Zu1 stimmung
Automobil- Maschinenindustrie, und Fahrzeug- Anlagenbau, bau Industriegüter
Andere
* Mittelwertdifferenz signifikant auf dem 5%-Niveau
Abb. 37: Branchenbetrachtung zur Wirkung von Kostentransparenz auf den Beziehungskontext
Diese Erkenntnis ist insofern von Bedeutung, als dass bereits in Abschnitt 4.3.2.5 ein steigender Verhandlungsdruck durch Kostentransparenz (insbesondere für die Automobilindustrie) festgestellt wurde. Die Verknüpfung beider Ergebnisse lässt die These zu, dass Open Book Accounting zwar grundsätzlich zu einer Verbesserung des Beziehungskontextes beitragen kann, je nach individueller Nutzung der Kosteninformationen des Lieferanten das Ausmaß der Verbesserung allerdings unterschiedlich ist: Unternehmen, die Kostentransparenz vornehmlich zur Ausübung eines zusätzlichen Verhandlungsdrucks nutzen, erwarten einen deutlich geringeren positiven Einfluss auf den Beziehungskontext. Berücksichtigt man weiterhin, dass Unternehmen aus der Automobilindustrie tendenziell mehr Erfahrung mit der Nutzung von Open Book Accounting aufweisen und einen umfangreicheren Einblick in die Kostendaten ihrer Lieferanten realisieren, lässt sich zudem die These aufstellen, dass der in der Theorie und wie gezeigt in der Praxis - vermutete positive Einfluss von Kostentransparenz auf den Beziehungskontext lediglich eine theoretische Wunschvorstellung ist, die sich mit zunehmender Erfahrung mit den praktischen Folgen relativiert. Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Gesprächspartner in den Interviews ausschließlich auf eine einseitige Beziehungsverbesserung hingewiesen haben, nämlich dass sie den Umgang mit „open book“-Lieferanten gegen-
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
153
über anderen vorziehen. Inwiefern auch Lieferanten diese vermeintliche Beziehungsverbesserung wahrnehmen, bleibt dagegen offen. 4.3.2.8 Praktische Implementierungshürden Die bisher dargestellte Nutzung von Open Book Accounting verlangt nicht nur, dass die Kosteninformationen des Lieferanten überhaupt vorliegen, sie setzt auch voraus, dass die Informationen für die gewünschte Anwendung geeignet sind und potenzielle Umsetzungsschwierigkeiten behoben werden können. In den Interviews wurde deutlich, dass aus Sicht der Einkaufsexperten die in der Literatur angesprochenen Implementierungshürden (vgl. Abschnitt 2.2.3) kein wesentliches Problem im Rahmen der Nutzung von Open Book Accounting darstellen. Sofern überhaupt Schwierigkeiten identifiziert wurden, betreffen diese vor allem die Qualität der Kostenrechnung der Lieferanten. Weiterhin werden die für die Auswertung zur Verfügung stehende Zeit sowie eine mangelnde Qualifikation der Einkaufsmitarbeiter als Probleme identifiziert. Letztlich weisen auch drei Befragte darauf hin, dass die Uneinheitlichkeit der in der Industrie verwendeten Cost-Breakdown Formulare zu Schwierigkeiten bzw. erheblichem Zeitaufwand für das korrekte Ausfüllen der Formulare auf Seiten der Lieferanten führt (vgl. Abb. 38). Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich) 20 16 15
10
9
5
4 3
0
Qualität Verfügbare KostenZeit im rechnung Einkauf der Lieferanten
Keine Schwierigkeiten
3
Uneinheitliche Qualifikation Formulare/ im Einkauf Aufwand für Lieferant
Abb. 38: Schwierigkeiten bei der Implementierung von Open Book Accounting
Während die drei letztgenannten Schwierigkeiten einerseits nur sehr sporadisch genannt wurden und andererseits auch – zumindest theoretisch – abnehmerseitig behoben werden können, kann eine mangelhafte Qualität der Kostenrechnung der Lieferanten die Nutzung von
154
B Empirische Befunde
Open Book Accounting erheblich behindern. Sie erfordert außerdem die eingehende Plausibilisierung der Kosteninformationen durch die Abnehmerseite (vgl. Abschnitt 4.3.2.4) sowie sich eventuell ergebenden Abstimmungen zwischen Abnehmer und Lieferant bezüglich notwendiger Anpassungen der Kostenrechnung. Sofern das Problem der mangelnden Qualität der Kostenrechnung des Lieferanten jedoch erkannt wird, bietet sich als „Nebeneffekt“ einer Einführung von Open Book Accounting die Möglichkeit, die Kostenrechnung zu verbessern. 4.3.2.9 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde die heutige Nutzung von Open Book Accounting aus Sicht der Abnehmerperspektive dargestellt. Hierbei konnte zunächst gezeigt werden, dass sich Einkaufsexperten zwar grundsätzlich einen Einblick in die Kosten ihrer Lieferanten wünschen, ihre Lieferanten diese Informationen allerdings ungern preisgeben. Insbesondere für Produkte mit einem hohen Einkaufsvolumen sowie einer hohen Produktkomplexität bzw. Lieferantenwertschöpfung wünschen sich Einkäufer einen detaillierten Einblick. Als wesentliches Motiv für die Kostentransparenz wurden neben den in der Literatur umfassend dargestellten unternehmensübergreifenden Kostensenkungen vor allem das Preismanagement und die Sicherstellung optimaler Einkaufspreise identifiziert. Der tatsächliche Einblick in die Kalkulationen der Lieferanten ist vielfach bereits sehr weitreichend, wobei gerade wettbewerbsintensive Branchen wie die Automobilindustrie für einen großen Teil ihres Einkaufsvolumens einen detaillierten Einblick erhalten. Dabei werden regelmäßig abnehmerspezifische Cost-Breakdown Formulare zum Einsatz gebracht, die jedoch zwischen verschiedenen Abnehmern zum Teil erheblich voneinander abweichen. Die Nutzung dieser standardisierten Vorlagen erleichtert eine der Offenlegung folgende Plausibilisierung der Kosteninformationen der Lieferanten. Es wurde gezeigt, dass die Validität der Lieferantendaten regelmäßig angezweifelt wird, so dass seitens der Abnehmer zum Teil umfangreiche eigene Untersuchungen durchgeführt werden, um die Angaben der Lieferanten zu validieren bzw. zu widerlegen. Der Einblick in die Lieferantenkalkulation führt aus Sicht der befragten Einkaufsexperten in Bezug auf die Verhandlungssituation zu einem verstärkten Druck auf den Lieferanten, da sich vor allem die Argumentationsbasis des Abnehmers verbessert. Gleichwohl kann auch der Lieferant versuchen, mittels Open Book Accounting durch Kostensteigerungen begründete Preiserhöhungen beim Abnehmer durchzusetzen. Im Rahmen von unternehmensübergreifenden Kostensenkungsprojekten wird Kostentransparenz vor allem bei der Identifikation von Materialkostennachteilen des Lieferanten als hilfreich eingeschätzt, die zum Beispiel über eine Weitergabe der Einkaufskonditionen des Abnehmers verringert werden können. Die
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
155
Verteilung der Einsparungen erfolgt dabei allerdings weitgehend zugunsten des Abnehmers, der Lieferant profitiert in vielen Fällen vor allem von den indirekten Folgen wie der Möglichkeit, auch weiterhin wettbewerbsfähig anbieten zu können. Abgesehen von den finanziellen Folgen einer Nutzung von Open Book Accounting wird seitens der Einkaufsexperten eine Verbesserung des Beziehungskontext dahingehend bestätigt, dass der Lieferant durch seine Offenheit eine engere Bindung an den Abnehmer realisieren kann, wobei aus Sicht der Open Book-erfahreneren Einkaufsexperten aus der Automobilindustrie dieser Vorteil weniger stark ausgeprägt ist. Abschließend wurde gezeigt, dass es in den meisten Fällen keine nennenswerten Schwierigkeiten bei der Implementierung von Open Book Accounting gibt, vorausgesetzt der Lieferant ist bereit, einen Einblick in seine Kalkulation zu gewähren. Sofern Probleme auftreten, liegen diese oftmals an einer mangelhaften Qualität der Lieferantenkalkulation, die eine eingehende Analyse der Kostendaten erschwert oder sogar unmöglich macht. 4.3.3
Einflussfaktoren und Entwicklungsperspektiven
4.3.3.1 Machtverhältnis und Beziehungskontext In der inhaltlichen Einführung in Abschnitt 2.2.4 wurde dargestellt, dass nach Ansicht verschiedener Autoren normalerweise ein Vertrauensverhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer bestehen muss, bevor Kosteninformationen ausgetauscht werden. Im Folgenden wird gezeigt, inwiefern die befragten Einkaufsexperten den Beziehungskontext als entscheidenden Einflussfaktor betrachten und welche Rolle eine zugunsten des Abnehmers verteilte Machtasymmetrie einnimmt. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass der positive Einfluss von Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern auf die Bereitschaft einer Offenlegung weitgehend bestätigt wird. Allerdings ist der Grundtenor der Aussagen nicht, dass Vertrauen zwingend erforderlich ist, sondern lediglich einen Austausch erleichtert bzw. die Validität der Angaben positiv beeinflusst: „Vertrauen erleichtert die Offenlegung sicherlich, ist aber nicht notwendig. Es ist vor allem dann wichtig, wenn ich keinen Vergleich zwischen den Lieferanten habe, denn wenn er mir vertraut, wird er weniger lügen.“ Leiter Strategischer Einkauf, Hersteller von Baumaschinen Letztlich sehen die Befragten in Vertrauen die Möglichkeit, eine erzwungene Offenlegung zu vermeiden:
156
B Empirische Befunde
„Vertrauen ist wichtig – und bevor ich die Offenheit erzwinge, versuche ich es erstmal über die Schiene. Sofern Vertrauen da ist, brauche ich keine Macht.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Sitzheizungen für die Autoindustrie Eine nähere Untersuchung zur Notwendigkeit von Vertrauen seitens des Lieferanten, um diesen zu einer Offenlegung zu bewegen, fand im Rahmen der Onlinebefragung statt. Hier zeigt sich, dass die Befragten die Notwendigkeit von Vertrauen je nach erwünschtem und tatsächlichem Beziehungskontext mit ihren Lieferanten unterschiedlich einschätzen (vgl. Abb. 39):
Vertrauen nicht erforderlich um Kostendaten zu erhalten
Mittelwert Ableh- 5 nung
3,6
3,7 1,0* 1,3*
Unent3 schieden
1,2*
2,6
2,5
2,3
Zu1 stimmung
Volle Zustimmung
Eher Zustimmung
Unentschieden
Aktive Suche nach partnerschaftlichem Verhältnis zu Lieferanten
Eher Eher nicht wettbewerbs- wettbewerbsorientiert** orientiert**
Tatsächliches Verhältnis zu Lieferanten
* Mittelwertdifferenz signifikant auf dem 5%-Niveau ** Zustimmung/Ablehnung zum Wettbewerbscharakter der Lieferantenbeziehungen; keine Betrachtung unentschiedener Aussagen
Abb. 39: Beziehungskontext und die Notwendigkeit von Vertrauen für eine Offenlegung von Kosteninformationen des Lieferanten
Die Abbildung zeigt, dass insbesondere diejenigen Abnehmer der Aussage widersprechen, dass Vertrauen nicht erforderlich sei für eine Offenlegung von Kosteninformationen durch den Lieferanten, die eindeutig ein partnerschaftliches Verhältnis mit ihren Lieferanten anstreben (volle Zustimmung). Geringeren Widerspruch legen diejenigen Abnehmer ein, die weniger stark partnerschaftliche Lieferantenbeziehungen anstreben (eher Zustimmung bzw. unentschieden). Ein vergleichbarer Befund stellt sich auch in Bezug auf das tatsächliche Verhältnis zu ihren Lieferanten ein: Diejenigen Abnehmer, die ein stärker wettbewerbsorien-
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
157
tiertes Verhältnis zu ihren Lieferanten vorweisen, erachten die Notwendigkeit von Vertrauen weniger wichtig als diejenigen Abnehmer, die ein weniger wettbewerbsorientiertes Lieferantenverhältnis haben. Offensichtlich beeinflusst also der Beziehungskontext zwischen Abnehmer und Lieferant die Einstellung der Befragten dazu, inwiefern Vertrauen (oder eine gute Beziehung) notwendig ist für eine Offenlegung und inwiefern sie durch Macht substituiert werden kann. Geht man davon aus, dass Vertrauen sich erst im Laufe einer längeren Geschäftsbeziehung entwickeln kann, ist anzunehmen, dass die Bereitschaft der Lieferanten zur Offenlegung ihrer Kosteninformationen in langfristigen Beziehungen stärker ausgeprägt ist als in neuen. Die Interviewaussagen zeigen an dieser Stelle jedoch, dass Einkäufer oftmals gerade auch in neuen Beziehungen eine Offenlegung als leichter durchzusetzen einschätzen. 48 Prozent der hierzu Befragten äußern sich entsprechend, während nur 37 Prozent angeben, Open Book Accounting eher in längeren Beziehungen umsetzen zu können. Aus Sicht derjenigen, die eine längere Beziehung als hinderlich für die Einführung von Open Book Accounting identifiziert haben, könne gerade eine längere Beziehung eine Hemmschwelle für den Lieferanten bedeuten, weil dieser auf der einen Seite nicht einsieht, etwas anders machen zu sollen, auf der anderen Seite möglicherweise aber auch befürchtet, dass der Abnehmer erkennt, dass der Lieferant bisher eine „zu gute“ Ertragsposition durchgesetzt hat: „Eine langfristige Beziehung ist grundsätzlich förderlich, aber da kann natürlich auch die Hemmung bestehen, etwas plötzlich anders machen zu sollen, was lange Zeit auch so ging.“ Leiter Lieferantenintegration, Landmaschinenbau „Gerade bei längeren Beziehungen sind die Lieferanten oft zu gut gefahren und haben zu gut von uns gelebt. Die würden durch eine Offenlegung die gute Beziehung riskieren! […] Wir haben letztens ein Produkt neu ausgeschrieben, nachdem ein Lieferant das schon sehr lange geliefert hatte: Selbst das teuerste Angebot lag 50 Prozent unter unserem alten Preis! Da können Sie sich vorstellen, welche Befürchtungen unsere Lieferanten haben, wenn wir tiefer in deren Kosten reinschauen!“ Strategischer Einkäufer, Hersteller von Materialien für den Dentalbereich Ein anderer Einkäufer begründet seine Beobachtung, dass neue Lieferanten eher bereit seien, ihre Kosteninformationen aufzudecken, sogar damit, dass diese „noch keine schlechten Erfahrungen mit dem Unternehmen“ haben machen können – was nicht gerade auf einen partner-
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B Empirische Befunde
schaftlichen Umgang mit den Lieferanten hinweist. Das Hauptargument, weshalb Kosteninformationen von neuen Lieferanten leichter zu bekommen sind, besteht allerdings darin, dass man diesen Lieferanten einen positiven Anreiz für die Offenlegung bieten könne, nämlich die bevorzugte Berücksichtigung bei der Auftragsvergabe. Außerdem hätten die Lieferanten zum Zeitpunkt der Offenlegung auch nicht viel zu verlieren, schließlich gehe es in der Situation um einen potenziellen zusätzlichen Umsatz, der häufig zur Fixkostendegression zwingend erforderlich ist. Die Offenlegung wird teilweise auch als Ausschreibungsvoraussetzung angesetzt, so dass lediglich Angebote derjenigen Lieferanten überhaupt berücksichtigt werden, die die gewünschte Transparenz über ihre Kostenstruktur preisgeben. Die Gefahr eines entsprechenden Vorgehens liegt nach Aussage eines Gesprächspartners allerdings darin, dass so möglicherweise preislich attraktivere Angebote nicht berücksichtigt werden und der Abnehmer letztlich schlechtere Konditionen als ohne Kostentransparenz erzielt: „Neue Beziehungen sind definitiv von Vorteil. Man muss aber bedenken, dass man gegebenenfalls Wettbewerb vernichtet, wenn man Kostentransparenz als Ausschreibungsvoraussetzung mit hereinnimmt und sich das durch schlechtere Preise bemerkbar macht.“ Strategischer Einkäufer, Hersteller für medizinische Geräte Eine solche Knüpfung der Vergabeentscheidung an die Offenlegung der Kostendaten wird regelmäßig vorgenommen und ist Beleg dafür, dass die Abhängigkeit eines Lieferanten vom Auftrag bzw. vom Auftraggeber (und damit das Machtverhältnis zwischen den beiden) entscheidenden Einfluss auf den Austausch von Kosteninformationen hat. Im Rahmen der Interviews bestätigen so auch die meisten Befragten, dass der Machteinfluss, den ein Abnehmer auf den Lieferanten ausüben kann, für die Bereitschaft zur Offenlegung relevant ist (vgl. Abb. 40).
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
159
Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich)
50 45
40 34
30
20
10
0
Machteinfluss relevant
Beziehungskontext relevant
für Offenlegung
Abb. 40: Einfluss von Macht und Beziehungskontext auf die Bereitschaft des Lieferanten zur Offenlegung seiner Kosteninformationen
Im Rahmen der Onlinebefragung wurde das sich hier ergebende Bild weiter bestärkt, nämlich dass die Abhängigkeit des Lieferanten vom Auftraggeber bzw. vom Auftrag entscheidend die Offenlegung der Lieferantenkalkulation beeinflusst. Zwar ist bestehendes Vertrauen förderlich, kann aber wie oben gezeigt bei gegebener Machtasymmetrie kompensiert werden. In Bezug auf den Einfluss der Dauer der Geschäftsbeziehung zeigt sich auch in der Onlinebefragung, dass die Befragten tendenziell kürzere Geschäftsbeziehungen als vorteilhaft für eine Einführung von Open Book Accounting ansehen, allerdings hier zu einem bei weitem weniger deutlichen Ergebnis kommen wie in der Macht- und Vertrauensfrage. Letztlich finden sich wie dargestellt sowohl für lange aber auch neue Geschäftsbeziehungen Gründe, weshalb eine Offenlegung von Kosteninformationen einfacher erfolgen kann. Die Einschätzungen der Befragten, inwiefern Abhängigkeiten, Vertrauen und die Dauer der Geschäftsbeziehung die Offenlegung seitens der Lieferanten vereinfachen, ist in Abb. 41 dargestellt.
160
B Empirische Befunde
Kriterien, die eine Offenlegung von Kosteninformationen seitens der Lieferanten vereinfachen Anzahl Antworten in Prozent* 100%
2% 4%
9%
7%
7%
15%
30%
80
60
26% 93%
40
85%
78%
43%
20
Ablehnung Unentschieden
0
Zustimmung Abhängigkeit vom Auftraggeber
Abhängigkeit vom Auftrag
Vertrauen zum Auftraggeber
1,6
1,7
1,7
Mittelwert Zustimmung**
Dauer der Geschäftsbeziehung (je kürzer, desto eher Offenlegung) 2,9
* Abweichungen von 100% durch Rundung, n = 46 ** 1= „Stimme voll zu“; 5 = „Stimme überhaupt nicht zu“
Abb. 41: Einflussfaktoren auf die Offenlegung von Lieferantenkalkulationen
Nachdem in diesem Abschnitt hervorgehoben wurde, dass die Ausübung einer Machtposition fehlendes Vertrauen seitens des Lieferanten durchaus ersetzen kann, um ihn zu einer Offenlegung seiner Kosteninformationen zu bewegen, soll im folgenden Abschnitt aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten aus Sicht der Einkaufsexperten bestehen, den Lieferanten nicht zu einer Offenlegung zu zwingen, sondern dessen Akzeptanz gegenüber Kostentransparenz tatsächlich zu steigern. 4.3.3.2 Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting Nicht alle befragten Einkaufsexperten sehen Möglichkeiten, Lieferanten von einer Offenlegung ihrer Kosteninformationen zu überzeugen, sondern erwarten, dass die einzige Möglichkeit einer Umsetzung von Open Book Accounting darin besteht, die Offenlegung zu fordern. Diese Ansicht wird allerdings von den meisten Befragten nicht geteilt, die im Rahmen der hierzu geführten Diskussionen eine Fülle möglicher Maßnahmen nennen, die geeignet sind die Akzeptanz der Lieferanten gegenüber Open Book Accounting zu erhöhen (vgl. Abb. 42). Die am häufigsten erwähnte Möglichkeit zur Steigerung der Lieferantenakzeptanz ist, eine offene und ehrliche Kommunikation mit dem Lieferanten zu führen, in der die Motive und
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
161
Ziele des Open Book Accounting dargestellt werden. Hierbei sollte aus Sicht mehrerer Interviewpartner eine persönliche Erläuterung des Vorhabens erfolgen, um nicht den Anschein entstehen zu lassen, dass die Offenlegung notfalls auch erzwungen werden könnte. Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich) 30
27
26 23
20
11 10 4
3
3
2
3
2
e nd er A
O
ffe n K eu om n D fin ar m de un hr . st Vo e l ik lic at h rt lun ei g io e le u n n fü d r D L e ie f pa i f er n i rt n Au an tio er f te n sc ba n ha u V ftl Ve er . rt ei V r er au M nb in . hä en de M ltn / st ar is Si g m ch U a en er m rg st s e a st el atz un bil l u ga d it ä ng r /o t / a G nt de eh ie r O ei n ff m m enl ha at e g ltu io u ne ng ng n du sen rc sib h Ab ler ne In D hm for ur ch er fü Pi hr lo un tp g Ak ro e ze je in e kt s pt es an z O be ff gr en e le nz Ve gu t e r ng r S ei n t a fa n ch da u rd ng is i e un ru d ng
0
Abb. 42: Maßnahmen zur Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting
Eng mit der Kommunikation verbunden ist auch die Forderung, ein partnerschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis mit dem Lieferanten aufzubauen. Hierbei wird allerdings das Problem gesehen, dass Lieferanten gerade in der Automobilindustrie schlechte Erfahrungen mit Kostentransparenz gemacht haben bzw. von den Erfahrungen anderer Lieferanten wissen. Der Versuch, ein partnerschaftliches Verhältnis aufzubauen, wird von ihnen daher skeptisch betrachtet: „Das Problem ist, dass „López“ und die Autoindustrie immer wieder als Beispiel angeführt werden, warum man besser nicht offenlegen sollte. Da gab und gibt es immer wieder schwarze Schafe.“ Leiter Supply Chain Management, Rüstungsindustrie Dass die Skepsis von Lieferanten gegenüber einer langfristigen partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit ihren Kunden gerechtfertigt scheint, unterstreicht die Aussage eines strategischen Einkäufers bei einem großen Zulieferer in der Automobilindustrie. Er weist darauf hin, dass sie selbst von ihren Kunden zu Handlungen gezwungen werden könnten, die der Partnerschaft mit ihren Lieferanten schaden würden:
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B Empirische Befunde
„Letztlich steht und fällt alles mit den OEMs – wenn die einen zu Hardball zwingen, war wieder alles zum Thema Partnerschaft für die Katz.“ Hierzu gehört aus Sicht des Interviewpartners beispielsweise auch die Nichteinhaltung von Vereinbarungen zur Gewinnverteilung, die mit den Lieferanten im Rahmen von gemeinsamen Kostensenkungsprojekten abgeschlossen wurden. Trotz dieses möglichen Glaubwürdigkeitsproblems wird das Aufzeigen finanzieller Vorteile für den Lieferanten sehr häufig von den Einkaufsexperten erwähnt und nimmt aus ihrer Sicht eine wesentliche Rolle ein, um den Lieferanten von einer Offenlegung seiner Kosteninformationen zu überzeugen. Erheblich seltener wird dagegen erwähnt, dass man dem Lieferanten Garantien zu Umsatzvolumen, Margenstabilität oder Mindestmargen geben könnte, um seine Vorbehalte gegenüber Kostentransparenz zu reduzieren. Auch hier dürfte sich allerdings zum einen die Frage nach der Glaubwürdigkeit einer solchen Garantie stellen, zum anderen würde eine Margengarantie bedeuten, dass der Lieferant zumindest für einen bestimmten Zeitraum das wirtschaftliche Risiko an seinen Abnehmer übertragen kann, was aus Einkäufersicht wiederum in der Regel nicht annehmbar sein dürfte. Aus Sicht des Abnehmers weniger kritisch dürfte der Abschluss von Geheimhaltungserklärungen mit den Lieferanten sein, der zwar nicht das Problem des zu erwartenden verstärkten Verhandlungsdruckes reduziert, allerdings zumindest eine Weitergabe der Informationen an Wettbewerber vermeidet. Je nach konkreter Ausgestaltung dieser Erklärungen wird jedoch auch die Identifikation von Kostensenkungspotenzialen erschwert, sofern Vergleiche der Kosteninformationen zwischen den Wettbewerbern nicht erlaubt werden (vgl. im Detail die Ausführungen zum Benchmarking in Abschnitt 4.3.2.6). Eine weitere Möglichkeit, die Akzeptanz der Lieferanten gegenüber Kostentransparenz zu erhöhen, besteht aus Sicht der Interviewteilnehmer in der eigenen Offenlegung sensibler Informationen. Dieses gegenseitige Open Book Accounting stellt einen Sicherungsmechanismus dar, der opportunistisches Verhalten vermeiden kann. Bemerkenswert ist allerdings, dass lediglich drei Befragte diesen gegenseitigen Austausch sensibler Informationen als geeignete Maßnahme zur Steigerung der Akzeptanz des Lieferanten erwähnen, obwohl gerade dieser Sachverhalt auch in der Literatur bereits mehrfach dargestellt wurde (vgl. Abschnitt 2.2.4). Für den Lieferanten weiterhin interessant dürfte die gemeinsame Durchführung eines Pilotprojektes sein, in dem der Abnehmer den vertrauenswürdigen Umgang mit den Daten beweist und der Lieferant beurteilen kann, inwiefern sich die ihm kommunizierten Vorteile auch tatsächlich einstellen. Im Rahmen eines solchen Pilotprojektes kann auch eine begrenzte Offenlegung der Kosteninformationen stattfinden, so dass der Lieferant die Risiken begrenzen
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
163
kann, aber sich dennoch Möglichkeiten zur Kostensenkung bieten. Eine mögliche praktische Ausgestaltungsform der begrenzten Offenlegung kann die Beschränkung der Transparenz auf die Einkaufskonditionen des Lieferanten sein, wodurch zwar Materialkostennachteile identifiziert und behoben werden können, der Einblick in die Fertigungs- und Ertragssicht des Lieferanten aber verwehrt bleibt und Diskussionen zum „angemessenen Ertrag“ vermieden werden. Sofern die gewünschte oder nötige Transparenz hierüber hinausgeht, kann möglicherweise auch der Ausweis einer einzelnen Summe für Gewinn und Vertriebsgemeinkosten (oder andere relevante Positionen) zu einer Verringerung der Opportunismusbefürchtung des Lieferanten führen. Eine solche Aggregation wird beispielsweise bei dem in Abschnitt 4.3.2.3 vorgestellten Cost-Breakdown Formular des PKW-Herstellers A vorgenommen (vgl. S. 116). Einzelne Einkaufsexperten sehen auch in der hohen Detaillierung sowie der Unterschiedlichkeit der in der Industrie verwendeten Cost-Breakdown Formulare einen Grund für die fehlende Akzeptanz der Lieferanten gegenüber Open Book Accounting. Diesem könnte durch eine Standardisierung und Vereinfachung der Anforderungen entgegengewirkt werden. Wie konkret eine solche Standardisierung aussehen könnte, bleibt an dieser Stelle unbeantwortet, allerdings kann eine Angleichung der geforderten Positionen nur der erste Schritt sein, der zwingend auch von einheitlichen Kalkulationsvorschriften für die einzelnen Positionen ergänzt werden muss. Idealerweise decken sich die für den Abnehmer bestimmten Kalkulationen irgendwann mit dem (Vor-) Kalkulationsschema des Lieferanten, so dass fehleranfällige und personalintensive manuelle Umrechnungen obsolet werden. Die in diesem Abschnitt aufgezeigten Maßnahmen zur Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting stellen lediglich die aus Sicht der Einkaufsexperten denkbaren Ansätze dar, die im weiteren Verlauf der Untersuchung noch mit den diesbezüglichen Auffassungen der Lieferanten zu vergleichen sind. Zunächst werden im folgenden Kapitel aber noch Entwicklungsperspektiven zum Open Book Accounting aufgezeigt. 4.3.3.3 Entwicklungsperspektiven zum Open Book Accounting In den Gesprächen wurde deutlich, dass 77 Prozent der Einkaufsexperten davon ausgehen, dass der Erhalt und die Nutzung von Kosteninformationen der Lieferanten zukünftig umfassender erfolgen wird als zurzeit. Lediglich 15 Prozent der Befragten erwarten eine gleichbleibende Verbreitung, wohingegen acht Prozent sogar von einer zukünftig reduzierten Kostentransparenz zwischen Lieferant und Abnehmer ausgehen (vgl. Abb. 43).
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B Empirische Befunde
Anzahl Antworten 100%
80
48 Rückgang
20
17
Gleichbleibend 15
Gründe für die Erwartung einer weiteren Verbreitung von Open Book Accounting
60 10
40
Zunahme 5
20
4
4
4 2
2
an Tre sp nd ar z en u z O ffe ne u n s, b b Po er ish t e ü ck er nz s ia . lie l gt Tr a oh n s n e pa h re in n vo z r Be d eu S tu te m n ig an g e a g R i ru em sik ng en o t
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Erwartung zur zukünftigen Verbreitung von Open Book Accounting
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0
0
Abb. 43: Aussichten zur zukünftigen Verbreitung von Open Book Accounting
Genannte Gründe für eine gleichbleibende Nutzung von Open Book Accounting sind die fehlende Notwendigkeit, mehr Transparenz zu schaffen, weil aus Sicht der Befragten entweder schon ein hoher Transparenzgrad besteht, oder aber sich keine Änderungen am Marktund Machtgefüge abzeichnen, die eine derzeit nicht mögliche Umsetzbarkeit von Open Book Accounting zukünftig ermöglichen könnten. Auf das Machtgefüge kommen insbesondere auch diejenigen Einkaufsexperten zu sprechen, die einen Rückgang erwarten. Die Aussagen betreffen dabei weitgehend die Automobilindustrie, wo heute bereits eine sehr umfassende Kostentransparenz seitens der Lieferanten geleistet wird. Eine erwartete Verschiebung des Machtverhältnisses zugunsten der Zulieferer wird hier als möglicher Grund dafür gesehen, dass Abnehmer in Zukunft weniger Kosteninformationen erhalten könnten. Wie dargestellt erwarten jedoch die meisten Interviewpartner eine Zunahme der Verbreitung von Open Book Accounting in der Zukunft. Der in diesem Zusammenhang am häufigsten genannte Grund ist ein zukünftig weiter verstärkter Wettbewerb, der einen starken bzw. stärkeren Margendruck zur Folge hat und damit auch eine umfassendere Nutzung von Open Book Accounting erfordert und ermöglicht. Wie aus den bisherigen Ergebnissen zur Nutzung von Open Book Accounting zu erwarten war, werden in den Gesprächen auch an dieser Stelle neben der Möglichkeit Kostensenkungen zu unterstützen auch die Vorteile von Kostentransparenz im Verhandlungskontext betont.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
165
Einzelne Befragte sehen vor allem in der Versachlichung der Verhandlungen den Hauptgrund für eine weitere Verbreitung von Open Book Accounting, andere sehen den grundsätzlichen Trend zu mehr Transparenz zwischen Geschäftspartnern als Grund für die Zunahme. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass das sich durch Open Book Accounting bietende Kostensenkungspotenzial noch nicht überall berücksichtigt wird und von den Einkaufsorganisationen zukünftig nicht mehr vernachlässigt werden kann. Dieses Argument ist offensichtlich eng verwoben mit dem zunehmenden Wettbewerb, der eine zukünftig verstärkte Anwendung von Kostentransparenz vermuten lässt. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs sehen auch einzelne Einkaufsexperten die zunehmende Bedeutung des Risikomanagements, die eine Nutzung von Open Book Accounting erforderlich mache: Aus ihrer Sicht werden die Umsatz- und Gewinnsituationen ihrer Lieferanten durch den Marktdruck zunehmend schlechter, und ein Einblick in die Kalkulation der Lieferanten sei nötig um ihre eigene Versorgungssicherheit sicher zu stellen. Weitere Aussagen begründen eine zunehmende Offenlegung von Kosteninformationen der Lieferanten damit, dass es weniger Gründe für die Lieferanten gibt, die Informationen zurückzuhalten, weil Abnehmer durch eigene Analysen bereits einen hohen Transparenzgrad zumindest zu den zu erwartenden Kosten beim Lieferanten vorweisen können. Bei der Untersuchung der genannten Gründe fällt auf, dass vor allem zunehmender Marktdruck und die sich damit ergebende Möglichkeit aber auch Notwendigkeit für Open Book Accounting als treibende Kräfte einer zunehmenden Verbreitung herausgestellt werden. Auffallend ist, dass kein Interviewpartner angibt, eine Verbesserung des Beziehungskontextes zu erwarten, der anstelle einer erzwungenen Offenlegung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit basierend auf transparenten Kosten ermöglichen und damit auch einen Beitrag zur weiteren Verbreitung von Open Book Accounting leisten kann. Dies ist umso mehr erstaunlich, als dass schon seit vielen Jahren in der Literatur dargestellt wird, dass Unternehmen über engere, kooperative Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen („strategische Allianzen“) Wert schaffen und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können (vgl. hierzu z.B. McConnell/Nantell 1985; Chan et al. 1997; Dyer/Singh 1998; Gulati 1998) und auch in den Interviews selbst der Aufbau von Vertrauen und die Bildung von Partnerschaften als wesentliche Möglichkeiten identifiziert werden, die Akzeptanz der Lieferanten gegenüber Kostentransparenz zu erhöhen. Die Appelle im Jahrbuch 2008 des Verbandes der Automobilindustrie zu mehr Kooperation und einer Verhaltensänderung der Akteure belegen allerdings, dass selbst in einer stark vernetzten Industrie wie der Automobilindustrie, in der der Großteil der Wertschöpfung nicht von den Automobilherstellern sondern auf vorgelagerten Wertschöpfungsstufen erbracht wird, ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Abnehmer und Lieferant heute oftmals nicht besteht:
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B Empirische Befunde
„Interessengegensätze in einer Wertschöpfungskette liegen, wenn in ihr unterschiedliche Parteien agieren und jede von ihnen eine renditeorientierte Zielsetzung verfolgt, in der Natur der Sache. Gleichwohl müssen alle Unternehmen, die in ein und demselben Boot sitzen, wenn sie langfristig erfolgreich sein wollen, gemeinsam bemüht sein, die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren und dürfen sich nicht damit begnügen, so weit wie möglich den Erfordernissen der Einzeloptimierung der Glieder innerhalb der Kette Rechnung getragen zu haben. Im Zuge dieses Prozesses werden zwischen Kunden und Lieferanten zunehmend Partnerschaften und Allianzen entstehen, ja entstehen müssen. Dies bedingt Verhaltensänderungen der handelnden Personen, Neuaufteilungen der Aufgaben und Verantwortungen, der Chancen und Risiken und Anpassungen der Systeme und Prozesse. […] Es müssen also neue Formen der Zusammenarbeit gefunden werden, schon alleine, um der Komplexität von Premium-Produkten gerecht zu werden.“ Verband der Automobilindustrie (2008, S. 77f.) Auch wenn in der bisherigen Darstellung der Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting viele Möglichkeiten identifiziert wurden, Kostentransparenz partnerschaftlich einzusetzen und Vorteile für beide beteiligten Unternehmen zu realisieren, deuten alle Anzeichen darauf hin, dass der Lieferant auch zukünftig weniger von Open Book Accounting profitiert bzw. auch Nachteile aus der Nutzung zu erleiden hat. Weniger Partnerschaft und Vertrauen als vielmehr das sich aus dem Marktumfeld ergebende Machtverhältnis zwischen den beteiligten Unternehmen ist bisher und scheint auch zukünftig der wesentliche Einflussfaktor zu sein, warum Unternehmen ihre Kosteninformationen offen legen. Erst mit einer Verschiebung der hier vielfach beobachteten Machtasymmetrie zugunsten des Abnehmers in Richtung Lieferant ist zu erwarten, dass die kooperative Nutzung von Open Book Accounting stärker in den Vordergrund tritt. 4.3.3.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die Faktoren dargestellt, die den Austausch von Kosteninformationen zwischen Lieferanten und Abnehmern beeinflussen und Perspektiven zur weiteren Entwicklung von Open Book Accounting aus Sicht der Abnehmer aufgezeigt. Hierbei konnte gezeigt werden, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen den betreffenden Unternehmen zwar förderlich ist, wenn es um eine Offenlegung von Kosteninformationen geht, oftmals jedoch auch fehlendes Vertrauen durch Machtausübung und Zwang zur Offenlegung substituiert wird. Die Dauer der Geschäftsbeziehung hat einen ambivalenten Einfluss auf die Bereitschaft zur
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
167
Offenlegung, sowohl kurze als auch lange Beziehungen weisen jeweils Vor- und Nachteile diesbezüglich auf. Weiterhin wurden Möglichkeiten zur Steigerung der Akzeptanz von Kostentransparenz seitens der Lieferanten identifiziert. Besondere Bedeutung kommt hierbei nach Ansicht der befragten Einkaufsexperten einer offenen und ehrlichen Kommunikation, dem Aufbau von Vertrauen sowie der expliziten Darstellung der finanziellen Vorteile für den Lieferanten zu. In Bezug auf die Entwicklungsperspektiven zum Open Book Accounting wurde gezeigt, dass abnehmerseitig weitgehend mit einer weiteren zukünftigen Verbreitung von Kostentransparenz gerechnet wird, wobei ein verschärfter Wettbewerb und der resultierende Kostensenkungsdruck als wesentliche Gründe hierfür angesehen werden. Eine engere und vertrauensvollere Zusammenarbeit zwischen Lieferanten wird dagegen nicht als möglicher Grund für mehr Kostentransparenz gesehen, so dass davon auszugehen ist, dass auch zukünftig Markt- und Machtkontext den entscheidenden Einfluss auf die Offenlegung von Kosteninformationen haben. 4.3.4
Systematisierung des Open Book Accounting
In den letzten Kapiteln wurde deutlich, dass Open Book Accounting einkaufseitig vielfach nicht nur verwendet wird, um Kostensenkungen und Ansatzpunkte für die Umsetzung zu identifizieren, sondern auch der Nutzung im Rahmen des Preismanagements eine wichtige Rolle zukommt. Gleichsam wurde gezeigt, dass ein abnehmerseitig ausgeübter Zwang vielfach geeignet ist, trotz fehlenden Vertrauens eine Offenlegung von Kosteninformationen durch den Lieferanten zu erreichen. Die divergierenden Nutzungsmotive und Anwendungsvoraussetzungen lassen vermuten, dass es nicht einen einzigen Typ des Open Book Accounting sondern mehrere voneinander differenzierbare Formen der Kostentransparenz gibt. In diesem Kapitel wird daher eine Systematisierung des Open Book Accounting erarbeitet, die sich zum einen an der Motivation für Open Book Accounting (Preismanagement oder Kostenmanagement) orientiert, zum anderen den verfolgten Beziehungskontext zum Lieferanten berücksichtigt. Die Berücksichtigung der verfolgten Lieferantenbeziehung (konfrontativ oder kooperativ) ist aus dem Grunde erforderlich, weil die Wahl des verfolgten Beziehungskontextes offensichtlich Einfluss auf die konkrete Nutzung der Kostentransparenz und den hiermit verbundenen Folgen hat.
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B Empirische Befunde
4.3.4.1 Differenzierung zwischen Preis- oder Kostenmanagement als Kernmotiv für Kostentransparenz Wie in Abschnitt 4.3.2.2 gezeigt wurde, wird Open Book Accounting abnehmerseitig insbesondere als Mittel des Preismanagements (Sicherstellung optimaler Preise/ Management von Preisänderungen) als auch zur Unterstützung des Kostenmanagements (Identifikation von Kostensenkungspotenzialen) gesehen. Weitere Motive (z.B. die Unterstützung des Risikomanagements) wurden eher am Rande erwähnt und sollen in der folgenden Betrachtung vernachlässigt werden. Während in der bisherigen Betrachtung nur dargestellt wurde, welche Gründe die Befragten grundsätzlich für eine Nutzung von Open Book Accounting sehen, soll im Folgenden das Kernmotiv für Kostentransparenz untersucht werden. Dabei ist anhand der Aussagen in den Interviews zu identifizieren, ob die Befragten einen Preis- oder Kostenmanagementfokus hinsichtlich ihrer Motivation für Kostentransparenz aufweisen. Die Nutzung von Kosteninformationen zur Unterstützung des Preismanagements umfasst nach der hier vertretenen Auffassung dabei auf der einen Seite die Ausübung eines erhöhten Verhandlungsdruckes auf den Lieferanten, wobei abnehmerseitig nicht nur eine Beschränkung der Gewinnmargen angestrebt wird, sondern auch vielfach über Kostenvergleiche (Benchmarks) dem Lieferanten theoretische Idealkosten als Verhandlungsgrundlage entgegengesetzt werden. Auf der anderen Seite wird jedoch auch die Möglichkeit der Objektivierung und Vereinfachung solcher Preisverhandlungen in Bezug auf die absolute Höhe sowie Änderungen der Preise infolge von Verschiebungen der Kostenbasis als Bestandteil des Preismanagements verstanden. Als Gründe für veränderte Kostenbasen kommen dabei sowohl externe, nicht beeinflussbare Faktoren wie eine Änderung der Rohstoffpreise als auch interne, steuerbare Faktoren wie die Kostenentwicklung von Fertigungsprozessen infolge von Effizienzsteigerungen nach Kostensenkungsprojekten in Frage. Während beim Preismanagement abnehmerseitig versucht wird, die Preissetzung als solche zum eigenen Vorteil zu beeinflussen oder aber zumindest das Zustandekommen des Preises nachvollziehen zu können und dabei auch der Gewinn des Lieferanten in den Betrachtungsumfang einbezogen wird, werden im Rahmen des Kostenmanagements Möglichkeiten zur Kostensenkung gesucht. Der Umfang und die Intensität der Zusammenarbeit können sich dabei jedoch in Abhängigkeit der Ausgestaltung des jeweiligen Projektes deutlich voneinander unterscheiden. Wie gezeigt wurde können bereits die oben erwähnten Benchmarkingansätze auf Kostennachteile des Lieferanten hinweisen und bei der Identifikation von Möglichkeiten zur Kostensenkung unterstützen. Erst konkrete Umsetzungsmöglichkeiten führen dazu, dass von einem Kostenmanagement gesprochen werden kann, während das
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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bloße Aufzeigen von vermeintlichen Nachteilen als Argument für eine Preissenkung wie oben gezeigt als Bestandteil des Preismanagements gesehen wird. Nicht zu vergleichen sind diese Benchmarkanalysen mit solchen unternehmensübergreifenden Kostensenkungsprojekten, bei denen Abnehmer und Lieferant gemeinsam an verbesserten Lösungen z.B. im Rahmen der Produktentwicklung arbeiten. Durch eine gegenseitige Offenlegung wird so gegebenenfalls nicht nur eine Optimierung der Lieferantenleistung erreicht, sondern auch eine unternehmensübergreifende Ideallösung identifiziert und umgesetzt, die auch die bestehenden Schnittstellenbereiche zwischen Lieferant und Abnehmer hinreichend berücksichtigt. Die Aussagen in den Interviews wurden hieraufhin analysiert, inwiefern sie auf eine vornehmliche Motivation zu Open Book Accounting im Rahmen des Preismanagements oder Kostenmanagements schließen lassen. Sofern keine eindeutige Ausrichtung der Motivation erkennbar ist, allerdings sowohl Bestandteile des Preis- als auch Kostenmanagements in den Gesprächen mit den Einkaufsexperten als Motivation für Open Book Accounting erkennbar waren, wurden diese keiner der beiden Kategorien zugeordnet, sondern als dritte Kategorie zwischen Preis- und Kostenmanagement behandelt. Tab. 12 stellt zur Veranschaulichung beispielhafte Aussagen dar, die unter Berücksichtigung weiterer Aussagen im Interviewverlauf herangezogen wurden, um die Kernmotivation des Interviewpartners zu klassifizieren. Kernmotiv Preismanagement
Kernmotiv Kostenmanagement
„Grund ist, einen optimalen Preis zu bekommen.“
„Einsparpotenziale sind nur zu heben, wenn man sie auch erkennen kann.“
„Wir wollen die Rechnung nachvollziehen können.“
„Ziel muss es sein, dass die Kosten im frühen Produktenstehungsprozess sauber optimiert werden, dazu bedarf es Kostentransparenz.“
„Um dem Lieferanten einen besseren Preis abzujagen.“
"Potenziale sehen und realisieren: […] Da werden auch schon mal konstruktive Änderungen gemacht."
„Um Plausibilität von Preiserhöhungen durch Lieferanten zu prüfen.“
„ [Für das] Verständnis und [die] Identifikation der Kostentreiber, um Produktänderungen durchführen zu können.“
„Letztlich ist Open Book Accounting eine Verhandlungsstrategie.“
Außerdem: Beschreibung der Nutzung im Rahmen von gemeinsamen Kostensenkungsprojekten
Tab. 12: Beispielhafte Aussagen als Klassifikationsgrundlage des Kernmotivs für Kostentransparenz zwischen Preismanagement und Kostenmanagement
Während bereits in Kapitel 4.3.2.2 deutlich wurde, dass dem Preismanagement abnehmerseitig eine wesentliche Rolle beigemessen wird, deutet die hier durchgeführte Analyse zur Kernmotivation für Kostentransparenz darauf hin, dass die Nutzung im Rahmen eines Preismanagements sogar der mit Abstand wichtigste Grund aus Sicht der Abnehmer für Kostentransparenz darstellt: 36 Befragte signalisieren, dass sie sich Kosteninformationen der
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B Empirische Befunde
Lieferanten vor allem deshalb wünschen, weil sie sich damit eine bessere Verhandlungsposition verschaffen, sie die Preisbildung des Lieferanten damit leichter nachvollziehen können bzw. Preisänderungen objektiver zu begründen sind. Dem gegenüber stehen nur fünf Aussagen, die auf eine bevorzugte Nutzung von Open Book Accounting im Rahmen eines Kostenmanagements schließen lassen. Bei sieben Befragten stehen sowohl Kosten- als auch Preismanagementaspekte im Fokus, ohne dass eine klare Ausrichtung auf eines der beiden Motive festgestellt werden konnte. 4.3.4.2 Konzeption der Lieferantenbeziehung zwischen Konfrontation und Kooperation Entscheidend für die Nutzung der Kosteninformationen ist neben der Zieldefinition auch die Konzeption der Lieferantenbeziehung im betreffenden Kontext. Hiermit wird im Wesentlichen auf die Wahl des für eine bestimmte Austauschbeziehung zu geltenden institutionellen Rahmens abgezielt, der basierend auf den grundlegenden Aussagen der Transaktionskostentheorie (vgl. Abschnitt 3.1.1.1) auf einem Kontinuum zwischen Markt und Hierarchie zu wählen ist. Der Hierarchiefall kann dabei wie in Abschnitt 3.3.1 dargestellt im Rahmen dieser Arbeit unberücksichtigt bleiben. Stark wettbewerblich oder konfrontativ ausgerichtete Lieferantenbeziehungen stehen hier am (Markt-) Ende des Kontinuums, während strategische Allianzen den Kooperationsfall darstellen (vgl. Cox 1996, S. 63–65). Die Frage bezüglich des optimalen Beziehungskontextes mit Lieferanten wurde bereits umfassend in der betriebswirtschaftlichen Literatur diskutiert, wobei vielfach kooperative, partnerschaftliche Ansätze als grundsätzlich vorteilhafter dargestellt werden (vgl. z.B. Lamming 1993; Monczka/Trent/ Callahan 1993; Maloni/Benton 1997; Carr/Pearson 2002). Sowohl Cox (1996, S. 65) als auch Parker/Hartley (1997, S. 115f.) bestätigen diese Tendenz der positiven Beurteilung partnerschaftlicher Lieferantenbeziehungen in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur, verweisen jedoch gleichsam darauf, dass kooperative Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen in der Praxis oftmals nicht realisiert werden. Diese Beobachtung wird auch von Gibbs (1998, S. 44) bestätigt. Nach Cox (1996) und Parker/Hartley (1997) kann aber ohnehin nicht eine Beziehungsform grundsätzlich allen anderen überlegen sein. Stattdessen gilt nach Cox (1996), dass „[…] sensible firms will use whichever external relationship – from leverage to partnerships and networks – provide them with the greatest competitive and profit-making advantage“ (S. 65). Sowohl konfrontative als auch kooperative Formen der Lieferantenbeziehung haben also ihre Daseinsberechtigung und individuellen Vor- und Nachteile. Die Diskussion der Vorteilhaftigkeit von konfrontativen oder kooperativen Lieferantenbeziehungen steht nicht im Fokus dieser Arbeit und soll daher auch nicht weiter im Detail unter-
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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sucht werden. Da die Wahl der Lieferantenbeziehung aber einen erheblichen Einfluss auf die möglichen Nutzungsformen von Open Book Accounting hat, soll im Folgenden dargestellt werden, inwiefern die hier befragten Einkaufsexperten ihren Lieferanten gegenüber ein eher konfrontatives oder eher kooperatives Verhalten wählen. Analog zum Vorgehen im letzten Abschnitt wurden auch hierbei die Aussagen der Interviewpartner hinsichtlich eines eher kooperativen oder konfrontativen Verständnisses der Lieferantenbeziehung untersucht. Sofern eine eindeutige Zuordnung zu einer der beiden Kategorien nicht erfolgen konnte, sich aber Merkmale für beide Ausprägungen finden, wird die verfolgte Lieferantenbeziehung einer dritten Kategorie zwischen Konfrontation und Kooperation zugeordnet. Tab. 13 stellt zur Veranschaulichung beispielhafte Aussagen dar, die als Hinweise auf ein eher konfrontativ bzw. eher kooperativ geprägtes Verständnis der Beziehung zum Lieferanten im Zusammenhang mit der Nutzung von Open Book Accounting gewertet wurden. Konfrontatives Verständnis der Lieferantenbeziehung
Kooperatives Verständnis der Lieferantenbeziehung
„Mit Fairness hat so ein Vorgehen aber nichts zu tun.“
„Wir sind an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit interessiert.“
„Man nimmt Wettbewerberangebote mit und spielt die aus.“
„[Uns] ist es wichtig, langfristige Lieferantenbeziehungen zu haben.“
„Letztlich läuft Kostentransparenz bestimmt auf Margendruck hinaus.“
„Er bekommt natürlich mehr Umsatz mit uns wenn er so offen ist, erhält mehr Planungssicherheit und eine bessere Auslastung.“
„Wer sich stark weigert [offenzulegen], muss damit rechnen, dass er rausfliegt.“
„Wichtig ist, dass der Lieferant Spaß an der Zusammenarbeit hat.“
„Der Hebel ist natürlich ein anderer! Man hat einfach mehr Ansatzpunkte für die Verhandlung.“
„Wir versuchen, nicht über die Marge zu reden - bisher hat das auch immer funktioniert.“
„Das wird massiv zu Abnehmergunsten eingesetzt. […] Ich bin da auch kein Freund von Win/Win-Reden. Wie soll das klappen?“
„Wir würden niemals alles nehmen, sondern immer Win/Win anstreben.“
Tab. 13: Beispielhafte Aussagen zur Klassifikation des Verständnisses der Lieferantenbeziehung zwischen Konfrontation und Kooperation
Anders als bei der Identifikation des Kernmotivs von Open Book Accounting konnte in 17 Fällen der hauptsächlich verfolgte Beziehungskontext zum Lieferanten aufgrund fehlender verwertbarer Aussagen nicht beurteilt werden. Hinsichtlich der verbleibenden Interviewpartner weisen 16 Befragte Merkmale von eher kooperativen verfolgten Lieferantenbeziehungen auf, während nur zehn Befragte eher konfrontativ geprägte Lieferantenbeziehungen verfolgen. Weitere zwölf Interviewpartner nehmen eine mittlere Position ein, die sowohl kooperative als auch konfrontative Elemente umfasst. Zur Vorbereitung der Systematisierung verschiedener Formen des Open Book Accounting werden die bei den Einkaufsexperten jeweils beobachteten verfolgten Beziehungskontexte zu
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B Empirische Befunde
ihren Lieferanten dem jeweils identifizierten Kernmotiv für Kostentransparenz gegenübergestellt. Nicht berücksichtigt werden können hierbei diejenigen Gespräche, bei denen eine Einordnung hinsichtlich eine der beiden Dimensionen nicht erfolgte. Im Ergebnis kann für 37 Gespräche dargestellt werden, in welchem Zusammenhang die verfolgte Lieferantenbeziehung und das Kernmotiv für Kostentransparenz stehen (vgl. Abb. 44). Konzeption der Lieferantenbeziehung Kooperation
Preismanagement Kostenmanagement
Kernmotiv für Kostentransparenz
Konfrontation
2 Fälle
Abb. 44: Kernmotive für Kostentransparenz und verfolgte Konzeption der Lieferantenbeziehung
Zwei wesentliche Aussagen können basierend auf Abb. 44 getroffen werden: Zum einen wird der Nutzung von Open Book Accounting im Rahmen eines Preismanagements unabhängig von der beobachteten Konzeption der Lieferantenbeziehung eine sehr hohe Bedeutung zugemessen. Das heißt, sowohl Abnehmer, die ein kooperatives Verhältnis mit ihren Lieferanten anstreben als auch diejenigen, die im Zusammenhang mit der Nutzung von Open Book Accounting dem Lieferanten eher konfrontativ begegnen, sehen im Preismanagement mehrheitlich das Kernmotiv für Kostentransparenz. Zum anderen geht aber eine primäre Nutzung von Open Book Accounting im Rahmen eines Kostenmanagements in keinem Fall mit einem klar konfrontativ geprägten Verständnis des Lieferantenverhältnisses einher. Unternehmen, die Kostentransparenz daher vor allem zur Identifikation und Umsetzung von Kostensenkungen einsetzen, verfolgen dabei offenbar ein kooperatives Verhältnis zu ihren Lieferanten, während bei der Nutzung im Rahmen des Preismanagements auch konfrontative Lieferantenverhältnisse beobachtet werden können. Im nächsten Abschnitt soll noch näher untersucht werden, inwiefern sich die beobachtete Nutzung von Open Book Accounting weiter differen-
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
173
zieren lässt, um daraufhin eine vollständige Systematisierung des Open Book Accounting innerhalb des hier bereits dargestellten Rahmens ableiten zu können. 4.3.4.3 Identifizierung und Einordnung der verschiedenen Ansätze zum Open Book Accounting Basierend auf den bereits im Abschnitt 4.3.2.2 dargestellten Gründen für Kostentransparenz lassen sich vier unterschiedliche Typen von Open Book Accounting identifizieren, die im Folgenden kurz beschrieben werden, um die Grundlage für eine Einordnung in den im letzten Abschnitt erstellten Rahmen zu ermöglichen. Die hier vorgenommene Definition verschiedener Ansätze zum Open Book Accounting resultiert aus der eingehenden Analyse der Gespräche mit den Einkaufsexperten, muss aber gleichwohl vor dem Hintergrund des explorativen Charakters der vorliegenden Untersuchung gesehen werden. Entsprechend sollten die im Folgenden dargestellten Typen von Open Book Accounting als möglicher Erklärungsansatz zu praktisch beobachtbaren Nutzungsformen von Kostentransparenz gesehen werden, den es gilt, im Rahmen von späteren hypothesentestenden Untersuchungen zu hinterfragen (siehe Kapitel 8 für eine Darstellung möglicher Ansätze zur weiteren Forschung). OBA Typ I: Preisdruck durch Transparenz Die hier als OBA Typ I bezeichnete Nutzung von Open Book Accounting zur Ausübung eines zusätzlichen Preisdrucks wurde in der Literatur bereits kritisiert (vgl. Abschnitt 2.2.3), ist allerdings vielfach in der Praxis zu beobachten. Der Abnehmer versucht in diesem Fall mittels einer Preisargumentation über theoretische Idealangebote den Lieferanten zu einer Preissenkung zu bewegen, ohne die Validität des Idealangebotes im Detail zu prüfen. Weiterhin werden dem Lieferanten regelmäßig pauschale Gemeinkosten- und Gewinnmargenhöchstsätze zugestanden, wodurch nach Abgabe eines Angebotes durch den Lieferanten unmittelbar ein zusätzlicher Verhandlungsdruck entsteht, sofern die Höchstsätze nicht im Voraus berücksichtigt werden. Dargestellt wurden weiterhin Fälle, in denen bei Kostenänderungen zugunsten des Abnehmers unmittelbar Preissenkungen gefordert werden, gleichsam begründete Preissteigerungen in der Regel aber nicht (ohne weiteres) akzeptiert werden. Im Zusammenhang mit einer Nutzung von Open Book Accounting im Rahmen des Typs I fallen entsprechend Ausdrücke wie „Marge drücken“, „best-of-Angebot“, „Cherrypickung“ oder „runterhandeln“. OBA Typ II: Aufzeigen Kostennachteile bei mangelnder Umsetzungsorientierung Einen anderen Ansatz stellt das hier als OBA Typ II bezeichnete Aufzeigen von (vermeintlichen) Kostennachteilen des Lieferanten dar, dem zwar abnehmerseitig eine Forderung nach einer Preisreduktion folgt, die (mögliche) Umsetzung beim Lieferanten jedoch nicht weiter
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berücksichtigt wird. Faktisch wird also auch in dieser Nutzungsvariante zunächst ein zusätzlicher Preisdruck aufgebaut. Im Unterschied zum OBA Typ I findet hier jedoch nicht nur eine einfache Argumentation anhand von theoretischen Idealvorstellungen statt, sondern dem Lieferanten werden oftmals konkrete Hinweise zu potenziellen Verbesserungen dargelegt, so dass der Lieferant im Idealfall auch tatsächlich Kostensenkungen realisiert. Das im Abschnitt 4.3.2.6 vorgestellte Benchmarking unterschiedlicher Lieferanten kann als eine konkrete Anwendungsform bewertet werden, sofern dem Lieferanten tatsächlich Hinweise zu Kostennachteilen im Vergleich zum Wettbewerb aufgezeigt werden. Gleichwohl steht im Abnehmerinteresse nicht die tatsächliche Kostensenkung, sondern lediglich eine Preisreduzierung. Sofern identifizierte Kostensenkungspotenziale demnach nicht umgesetzt werden, führt die entsprechende Nutzung von Kostentransparenz nur zu einer Margenverschiebung zwischen Lieferant und Abnehmer. OBA Typ III: Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen Besteht das mit Kostentransparenz verfolgte Ziel insbesondere in der Suche nach einer objektiveren und effizienteren Möglichkeit, Preisverhandlungen zu führen und wird das Instrument gleichzeitig nicht hauptsächlich dazu verwendet, zusätzlichen Preisdruck auf den Lieferanten auszuüben, handelt es sich um den hier dargestellten OBA Typ III. Bei diesem Ansatz geht es weniger darum, Kosten des Produktes oder den Produktpreis zu senken als vielmehr darum, den Transaktionsprozess so objektiv und effizient wie möglich zu gestalten. Die befragten Einkäufer sehen in diesem Zusammenhang Vereinfachungen vor allem hinsichtlich der Abbildung von Rohmaterialkostenschwankungen auf den Teilepreis. Im Rahmen der Interviews wurde hinsichtlich der primären Nutzung von Open Book Accounting nach dem Typ III von einer „Versachlichung“ und steigender „Objektivität“ und damit auch einer „Vereinfachung“ von Verhandlungen gesprochen. Wie ein Interviewpartner es ausdrückt: „Man kommt halt vom Feilschen weg.“ OBA Typ IV: Interorganisationales Kostenmanagement Von einem interorganisationalen Kostenmanagement kann man nach der hier vertretenen Auffassung erst sprechen, wenn das mit Open Book Accounting verfolgte Ziel tatsächlich die gemeinsame Verbesserung der Kostensituation darstellt und dabei eine weitgehend kooperative Zusammenarbeit mit dem Lieferanten verfolgt wird. Es geht dabei auch nicht nur um die bloße Identifikation potenziell möglicher Kostensenkungen beim Lieferanten (wie beim OBA Typ II), sondern umfasst auch Verbesserungen in Schnittstellenbereichen oder Kostensenkungen, die erst durch eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer, z.B. in der Produktentwicklung, ermöglicht werden. Anders als beim Typ II steht auch die tatsäch-
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liche Implementierung der identifizierten Lösung im Fokus der gemeinsamen Anstrengungen. Im Ergebnis steht eine Zusammenarbeit mit messbaren finanziellen Vorteilen für beide Geschäftspartner (Win/Win). Die Aussagen der Interviewpartner wurden dahingehend untersucht, inwiefern sie primär eine bestimmte Nutzungsart von Open Book Accounting verfolgen, um im ersten Schritt identifizieren zu können, welches die bevorzugte Nutzung von Kostentransparenz insgesamt darstellt und um im zweiten Schritt die verschiedenen Ansätze von Open Book Accounting in den im letzten Abschnitt entwickelten Rahmen einordnen zu können. Hierzu wurde basierend auf den oben dargestellten Beschreibungen der verschiedenen Ansätze zum Open Book Accounting untersucht, inwiefern sich die Beschreibungen der Interviewpartner hinsichtlich ihrer Nutzung von Kostentransparenz damit decken. Außerdem musste anhand der Aussagen beurteilt werden, welchen Stellenwert die Befragten den einzelnen Arten des Open Book Accounting zuordnen, um einen primären Anwendungsfokus zu ermitteln. In der Regel verfolgen die Befragten mit Kostentransparenz nicht nur einen Ansatz, so dass neben der primären Nutzung auch ein sekundärer Anwendungsfokus festgehalten werden konnte. In einigen Ausnahmen wurde weiterhin ein primärer oder sekundärer Anwendungsfokus für mehr als einen Open Book Accounting Ansatz identifiziert, sofern die Aussagen der Befragten nicht auf eine stärkere Fokussierung hinsichtlich eines bestimmten Ansatzes schließen ließen.
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B Empirische Befunde
Primäre und sekundäre Nutzung von Kostentransparenz (Anzahl Zuordnungen*) 40 32 30 25 22 20
10
0
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Sekundär
Primär
OBA Typ I
OBA Typ II
OBA Typ III
OBA Typ IV
* Zuordnung zu primärer oder sekundärerer Nutzung von Kostentransparenz für mehr als einen Open Book Accounting Ansatz sofern Aussagen keine eindeutige Priorisierung zulassen, sich aber mehrere Open Book Accounting Ansätze in den Aussagen eines Gesprächspartners widerspiegeln
Abb. 45: Primäre und sekundäre Nutzung von Kostentransparenz im Rahmen der verschiedenen Ansätze zum Open Book Accounting
In Abb. 45 wird deutlich, dass alle identifizierten Ansätze zum Open Book Accounting bei den befragten Einkaufsexperten Verwendung finden. Berücksichtigt man sowohl die primäre als auch die sekundäre Nutzung in Summe, werden auch keine großen Unterschiede in der Nutzung der einzelnen Ansätze sichtbar. Bei einer Fokussierung auf die primäre Nutzung von Kostentransparenz fällt dagegen auf, dass der Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen (OBA Typ III) sowie dem Ausüben eines zusätzlichen Verhandlungsdruckes auf den Lieferanten (OBA Typ I) große Bedeutung beigemessen wird. Dies unterstreicht die bereits im Abschnitt 4.3.2.2 dargestellte Beobachtung, dass die Nutzung von Kostentransparenz für die Identifikation von möglichen Kostensenkungen (insbesondere Typ IV, mit Einschränkungen auch Typ II) aus Abnehmersicht nicht als das wesentliche Anwendungsspektrum gesehen wird. Zur Systematisierung der verschiedenen Ansätze des Open Book Accounting wird basierend auf den bereits in Abb. 44 dargestellten beobachteten Kernmotiven für Kostentransparenz und die dabei verfolgte Konzeption der Lieferantenbeziehung in Abb. 46 aufgezeigt, welche primäre Nutzung von Open Book Accounting jeweils vorherrschend ist.
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Konzeption der Lieferantenbeziehung
Preismanagement
Kooperation
Kostenmanagement
Kernmotiv für Kostentransparenz
Konfrontation
2 Fälle
OBA I
OBA II
OBA III
OBA IV
Abb. 46: Verwendung der verschiedenen Ansätze zum Open Book Accounting in Abhängigkeit des Kernmotivs für Kostentransparenz und verfolgter Konzeption der Lieferantenbeziehung
Wie bereits oben festgestellt wurde, wird der Nutzung von Kostentransparenz im Rahmen eines Open Book Accounting nach Typ I sowie Typ III die größte Bedeutung beigemessen, was in Abb. 46 anhand der Größe der diese beiden Typen darstellenden Kreise deutlich wird. Hinsichtlich dieser beiden Open Book Accounting Ansätze ist deutlich zu erkennen, dass als Kernmotiv die Preismanagementfunktion vorliegt. Allerdings lassen sich die beiden Ansätze hinsichtlich der verfolgten Lieferantenbeziehung klar differenzieren: Während eine Nutzung von Open Book Accounting nach Typ I vor allem von denjenigen Interviewpartnern dargestellt wird, die eine konfrontative Konzeption der Lieferantenbeziehung aufweisen, verfolgen diejenigen, die Kostentransparenz primär zur Objektivierung und Vereinfachung von Preisverhandlungen nutzen (Typ III) kooperative Beziehungen zu ihren Lieferanten. Hinsichtlich Typ IV Open Book Accounting ist nicht nur eine deutliche Ausrichtung auf das Kostenmanagement als Ziel von Kostentransparenz zu konstatieren, sondern gleichsam auch ein kooperativ geprägtes Lieferantenverhältnis. Ein mit einem Austausch von Kosteninformationen betriebenes interorganisationales Kostenmanagement erscheint demnach tatsächlich gerade in solchen Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen Anwendung zu finden, in denen ein kooperatives Verhältnis zwischen den Vertragspartnern gepflegt wird. Deutlich abzugrenzen hiervon ist das als Open Book Accounting Typ II bezeichnete Aufzeigen von Kostennachteilen des Lieferanten bei mangelnder Umsetzungsorientierung seitens des Abnehmers. Hier liegt der Fokus eher im Preismanagement, indem beispielweise basierend auf durchgeführten
178
B Empirische Befunde
Benchmarks zunächst ein zusätzlicher Verhandlungsdruck aufgebaut wird. Entsprechend ist auch der Kooperationsaspekt weniger stark ausgeprägt als bei Typ IV Open Book Accounting, wenngleich stärker als bei Typ I. Gleichwohl lassen sich zumindest begrenzt Hinweise auf ein verfolgtes Kostenmanagement identifizieren. Konzeption der Lieferantenbeziehung
Preismanagement Kostenmanagement
Kernmotiv für Kostentransparenz
Konfrontation
Kooperation
OBA Typ I „Preisdruck durch Transparenz“
OBA Typ III OBA Typ II „Aufzeigen Kostennachteile bei mangelnder Umsetzungsorientierung“
„Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen“
OBA Typ IV „Interorganisationales Kostenmanagement“
Abb. 47: Systematisierung des Open Book Accounting
Im Ergebnis lassen sich basierend auf Abb. 46 die verschiedenen identifizierten Ansätze zum Open Book Accounting anhand der dargestellten Dimensionen Kernmotivation für Kostentransparenz sowie verfolgter Konzeption der Lieferantenbeziehung klar voneinander trennen (vgl. Abb. 47). Nach Analyse der Abnehmerperspektive wird deutlich, dass Open Book Accounting nicht undifferenziert als Austausch und Nutzung von Kosteninformationen zwischen Vertragspartnern verstanden werden darf, sondern explizit untersucht werden muss, um was für eine Anwendungsform von Open Book Accounting es sich handelt. Zusätzlicher Verhandlungsdruck auf den Lieferanten als eine Folge von Kostentransparenz ist vor allem in konfrontativ ausgerichteten Lieferantenbeziehungen zu erwarten und in den Fällen auch so vom Abnehmer beabsichtigt. Wird stattdessen in einer kooperativen Beziehung ein Austausch von Kosteninformationen zur Identifizierung und Umsetzung von Kostensenkungen betrieben, sollte dieser Konflikt keine Bedeutung erlangen. Die hier dargestellte Systematisierung hilft dem Anwender bei einer bewussten und strukturierten Nutzung von Open Book Accounting. Dabei profitiert auch der Lieferant im Rahmen der Beurteilung konkret vorliegender Situationen, in denen Kostentransparenz von ihm gefor-
4 Abnehmerperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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dert wird oder in denen er selbst die Offenlegung von Kosteninformationen an den Abnehmer in Betracht zieht. Im Idealfall nutzen Abnehmer und Lieferanten bei einer geplanten kooperativen Zusammenarbeit das Schema gemeinsam, um Ziele und Spielregeln der Zusammenarbeit zu definieren.
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting 5.1 Untersuchungsziele Nachdem im Kapitel 4 bereits eine umfassende Darstellung der Abnehmerperspektive zu Hintergründen, Nutzung und Entwicklungsperspektiven von Open Book Accounting erfolgt ist, soll die im Folgenden dargestellte Lieferantenperspektive dazu dienen, die gewonnenen Erkenntnisse zu validieren, zu kontrastieren und zu ergänzen. Wie gezeigt wurde, stellen sich die Vorteile aus Open Book Accounting im Wesentlichen bei dem Abnehmer ein, der folgerichtig eine weitgehende Ablehnung des Instrumentes durch seine Lieferanten erwartet bzw. beobachtet (vgl. Kapitel 4.3.2.1). Im Rahmen dieses Untersuchungsteils wird untersucht, inwiefern diese Ablehnungshaltung bei den Lieferanten tatsächlich besteht und welche Gründe aus ihrer Sicht für eine Offenlegung von Kosteninformationen sprechen. Bei der Untersuchung der Gründe soll dabei unterschieden werden zwischen möglichen Vorteilen aus Vertriebssicht (von denen in Kapitel 4.3.2.2 bereits einige identifiziert wurden) und der vertrieblichen Wahrnehmung, aus welchen Motiven Einkäufer die Kosteninformationen im Wesentlichen einfordern. Aus der beobachteten Nutzung der Kosteninformationen durch die Abnehmerseite ergeben sich potenzielle Probleme aus Vertriebssicht, die ebenfalls zu diskutieren sind. Die Hauptfragen in diesem Zusammenhang sind, ob es neben dem zu erwartenden Preisdruck (vgl. Abschnitt 4.3.2.5) noch weitere wesentliche zu lösende Schwierigkeiten gibt und welche Maßnahmen der Vertrieb ergriffen hat, sich diesen zu stellen. In diesem Zusammenhang soll besonderes Augenmerk auf die vom Einkauf unterstellte Manipulation der Kosteninformationen durch die Lieferanten gelegt werden (vgl. Abschnitt 4.3.2.4). Nachdem bei der Untersuchung der Abnehmerperspektive bereits Maßnahmen aufgezeigt wurden, die aus Sicht des Einkaufs geeignet erscheinen, die Akzeptanz von Open Book Accounting bei den Lieferanten zu erhöhen (vgl. Abschnitt 4.3.3.2), sind diese Maßnahmen an dieser Stelle abzugleichen mit den Forderungen der Lieferanten an eine aus ihrer Sicht erfolgversprechende Nutzung von Open Book Accounting in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen. Antworten auf diese Fragen sollen in Verbindung mit den Erkenntnissen aus dem Kapitel 4 dazu beitragen, Handlungsempfehlungen für die Nutzung von Open Book Accounting zu entwickeln, anhand derer Unternehmen ihre Zusammenarbeit mit „offenen Büchern“ ausrichten sollten, um den größten Mehrwert hieraus zu erzielen. Gleichzeitig sollen die Antworten helfen, relevante Ansatzpunkte für weitere wissenschaftliche Untersuchungen auf dem Gebiet der Kostentransparenz zu identifizieren.
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B Empirische Befunde
5.2 Forschungsdesign Das gewählte Forschungsdesign entspricht im Wesentlichen dem für die Untersuchung der Abnehmerperspektive verwendeten Ansatz (vgl. Abschnitt 4.2), sodass sich die Darstellung an dieser Stelle auf die wesentlichen Angaben beschränken kann. Nachdem sich die Beantwortung der empirischen Fragestellungen durch telefonische Experteninterviews im ersten Teil der Studie bewährt hatte, wurde auch für diesen Untersuchungsteil diese Form der Datenerhebung gewählt. Die Selektion der Interviewpartner zielte anders als bei der Analyse der Abnehmerseite darauf ab, Experten zu identifizieren und zu befragen, die bereits über umfangreiche Erfahrung im Umgang mit Open Book Accounting verfügen. Nachdem der Austausch von Kosteninformationen in der Automobilindustrie am weitesten verbreitet ist (vgl. Abschnitt 4.3.2.3) erschien es zweckmäßig, insbesondere Vertriebsleiter von Zulieferunternehmen der Automobilindustrie in die Untersuchung einzubeziehen. Vertretern anderer Branchen wurde dabei insofern eine Teilnahme an der Untersuchung angeboten, als dass die verfügbaren Informationen zu ihrer Person bzw. ihres Unternehmens darauf schließen ließen, dass sie über qualifizierte Informationen zum Untersuchungsgegenstand verfügen. Wie bereits bei der Untersuchung der Abnehmerseite wurde auch für diesen Teil der Untersuchung zur Rekrutierung der Interviewteilnehmer maßgeblich auf ein Business-Netzwerk zurückgegriffen (vgl. zur Begründung hierfür Abschnitt 4.2.2). Weitere Gespräche kamen durch Verweise von Gesprächspartnern auf andere potenzielle Interviewkandidaten zustande. In einem Fall wurde auch ein Experte in die Untersuchung einbezogen, der im Anschluss an einen zu dem Thema gehaltenen Fachvortrag von sich aus signalisierte, relevante Erfahrungen bezüglich Open Book Accounting zu besitzen und diese in die Untersuchung einfließen lassen zu wollen. Das Anschreiben für die erste Kontaktaufnahme enthielt Hinweise auf die bisher bereits erfolgte Untersuchung der Abnehmerperspektive und orientierte sich ansonsten inhaltlich an dem bereits für den ersten Untersuchungsteil verwendeten Anschreiben. Wie im ersten Untersuchungsteil wurden nähere Informationen per E-Mail nach Rückmeldung auf eine Anfrage versandt, worin unter anderem auch Hinweise zum Datenschutz enthalten waren. Analog zum Vorgehen im ersten Untersuchungsteil wurde auch hier eingangs keine Festlegung in Bezug auf die Anzahl der durchzuführenden Interviews vorgenommen, sondern stattdessen so lange weitere Gespräche gesucht, bis keine zusätzlichen Erkenntnisse durch weitere Gespräche mehr erwartet wurden. Vor dem Hintergrund, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung (März bis Juni 2009) die Durchführung und Auswertung der Einkaufsgespräche weitgehend abgeschlossen war, waren erheblich weniger Gespräche erforderlich, um die aufgeworfenen Fragestellungen hinreichend zu beantworten.
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
183
Basierend auf insgesamt 156 durchgeführten Anfragen wurden 18 Interviews mit einer Länge zwischen 30 und 60 Minuten (Durchschnitt = 42 Minuten) geführt. Die Befragten waren vor allem als Vertriebsleiter in großen und mittelgroßen Unternehmen der Automobilzulieferindustrie beschäftigt. Weitere Informationen zur Branchenverteilung, Größenkategorien der betrachteten Unternehmen, Position der Befragten sowie Interviewdauer sind in Abb. 48 dargestellt. Anzahl Interviews 100%
18 Konsumgüter Elektrotechnik Maschinenbau
18
18
>= 5.000
Vertriebsmitarbeiter
Leiter Konstruktion
18 60
80 45-59 60 1.000-4.999 40
Automobilindustrie, Fahrzeugbau
Vertriebsleiter 30-44 100-499
20
< 100 0
Branche
Umsatzkategorie (€M)
Stellenbezeichnung
Interviewdauer (min)
Abb. 48: Expertenbefragung der Lieferanten: Beschreibung der Stichprobe
Die Gespräche selbst waren wiederum als Leitfadeninterviews konzipiert, deren Themen sich an den in Abschnitt 5.1 aufgeworfenen Fragestellungen orientierten. Wie bereits bei den Interviews der Einkaufsexperten wurde auf eine Tonaufnahme der Gespräche verzichtet und stattdessen ein umfassendes, möglichst wortgetreues Gesprächsprotokoll angefertigt (vgl. hierzu die ausführlichen Angaben in Abschnitt 4.2.2). Die Auswertung der Gespräche erfolgte analog zu dem im Abschnitt 4.2.3 dargestellten Vorgehen. Das entstandene Kategoriensystem zu den Aussagen der Befragten findet sich im Anhang auf S. 245.
5.3 Ergebnisse 5.3.1
Einstellung zu Open Book Accounting und Bereitschaft zur Offenlegung
Vor dem Hintergrund der in Abb. 20 dargestellten Reaktionen von Lieferanten auf die Einkaufsforderung nach einem Austausch von Kosteninformationen (siehe S. 105) und den oftmals zuungunsten der Lieferanten verteilten Folgen einer Offenlegung wurde erwartet, dass
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B Empirische Befunde
die Vertriebsexperten eine weitgehend ablehnende Haltung gegenüber Open Book Accounting bestätigen. Die Aussagen in den Experteninterviews deuten allerdings darauf hin, dass die Einstellung der Vertriebler gegenüber Open Book Accounting weitaus weniger kritisch ist als erwartet: Letztlich geben nur 39 Prozent der Befragten eine eher ablehnende Haltung gegenüber Kostentransparenz zu erkennen, elf Prozent haben keine klare Präferenz und die restlichen 50 Prozent können sogar als Befürworter einer offenen Kalkulation angesehen werden. Eine mögliche Erklärung für die überraschend hohe Anzahl der Befürworter von Kostentransparenz liegt in der starken Branchenfokussierung dieses Untersuchungsteils auf die Automobilindustrie. Die Befragten bestätigen mehrfach, dass sie bereits seit langer Zeit Kosteninformationen an ihre Abnehmer kommunizieren und in dieser Zeit hieraus auch Vorteile erfahren haben: „Ich habe gelernt, mich damit anzufreunden. Als man das noch nicht kannte, da war man sicherlich skeptisch […] gegenüber dieser Forderung. Aber ich arbeite damit jetzt schon seit 1996 in der Automobilzulieferbranche und sehe es heute positiv.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Hydrauliksystemen Ein anderer Interviewpartner führt seine positive Einstellung gegenüber Open Book Accounting darauf zurück, dass die Befürchtung, Einkäufer würden mittels Kostentransparenz einen verschärften Druck auf die Verkaufspreise ausüben, bei dem in der Automobilindustrie vorhandenen sehr hohen Wettbewerbsdruck nicht gilt: „Ich kenne das jetzt seit 13 Jahren. […] Sie müssen bedenken, dass der Marktpreis heute sowieso keine vernünftige Marge mehr zulässt. […] In einem Umfeld, in dem ein starker Preisdruck herrscht, da ist Kostentransparenz eher hilfreich.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Filtersystemen Langjährige Erfahrung im Umgang mit Kostentransparenz scheint demnach die Einstellung gegenüber Open Book Accounting ebenso zu beeinflussen wie die Risikobewertung der Vertriebsexperten in Bezug auf mögliche Nachteile in Preisverhandlungen. Wie das obenstehende Beispiel zeigt, ist die Gefahr eines erhöhten Preisdrucks für die Lieferanten vor allem bei hohen erwirtschafteten Erträgen gegeben. Auf die Schwierigkeiten und Gefahren im Umgang
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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mit Kostentransparenz aus Sicht der Lieferanten wird im Abschnitt 5.3.3 noch genauer eingegangen. Wie bereits im Methodenteil erwähnt, weisen alle befragten Vertriebsexperten Erfahrungen im Umgang mit Kostentransparenz auf. Die Tatsache, dass nur die Hälfte der Befragten eher positiv gegenüber Open Book Accounting eingestellt ist, deutet daher bereits darauf hin, dass die Offenlegung von Kosteninformationen in vielen Fällen erzwungen bzw. an die Vergabeentscheidung gekoppelt wird. Die wichtige Rolle der Abnehmermacht unterstreichen die folgenden Aussagen der Befragten: „Ohne Kostentransparenz können Sie im Automotive-Bereich keine Geschäfte machen. Die Forderung gibt es überall.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Achssystemen „Die QAF [Quotation Analysis Form, Anmerkung des Verfassers] ist bei Kunde A [Name geändert] Pflicht, ohne die bekommt man keinen Auftrag.“ Vertriebsleiter Kunde A, Hersteller von Fahrzeuginterieur- und -exterieurteilen Eine dem Autor vorliegende Nachricht, die im Mai 2009 von Volkswagen an seine Zulieferer geschickt wurde, unterstreicht die Notwendigkeit von Kostentransparenz im Anfrageprozess von Volkswagen. Hierin heißt es: „[Ab April 2009 werden] in ausgewählten Anfragen zusätzliche Preiskomponenten für CBDs (Cost Breakdowns) bei Teilepreisen und Werkzeuginvestitionen angefordert. […] Eine Angebotsabgabe ohne korrekt ausgefüllte CBDDokumente ist nicht möglich.“ Die „Preiskomponenten“ bestehen in diesem Fall aus einer detaillierten Aufschlüsselung der Kosteninformationen, wie sie auch bereits im Abschnitt 4.3.2.3 ab S. 115 dargestellt und diskutiert wurden. Auch über die Untersuchung der Lieferantenperspektive lässt sich also festhalten, dass das Machtverhältnis zwischen Abnehmer und Lieferant einen wesentlichen Einfluss darauf hat, ob ein Lieferant sich zur Offenlegung bereit erklärt. Nachdem jedoch über die Hälfte der Vertriebsexperten auch grundsätzliche Vorteile für sich identifiziert hat, sollen im Folgenden die Gründe für Kostentransparenz aus Sicht der Lieferanten im Detail untersucht werden.
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5.3.2
B Empirische Befunde
Gründe für Kostentransparenz
Bei der Untersuchung der Gründe für eine Offenlegung von Kosteninformationen soll im Folgenden zwischen zwei Betrachtungswinkeln unterschieden werden: Zunächst wird dargestellt, welche Vorteile Vertriebsexperten für sich selbst aus der Nutzung von Open Book Accounting erwarten. Daran schließt sich eine Einschätzung der Befragten an, aus welchen Gründen aus ihrer Sicht der Einkauf eine Offenlegung ihrer Kosteninformationen verlangt. Diese beiden Blickwinkel sollen eine Validierung und Ergänzung der in der Darstellung der Abnehmerperspektive identifizierten Gründe für Kostentransparenz ermöglichen. Wie bereits die Einkaufsexperten sehen auch die befragten Vertriebsmanager wesentliche Gründe für einen Austausch von Kosteninformationen sowohl in der Identifikation und Umsetzung von Kostensenkungspotenzialen als auch in der Nutzung im Preismanagement. In Bezug auf mögliche Kostensenkungen bestätigen die Interviewpartner mehrfach, dass erst die Offenlegung eine Unterstützung des Einkaufs bei der Suche nach Kostensenkungspotenzialen ermöglicht. Das bereits im Rahmen der Abnehmerperspektive diskutierte Benchmarking wird dabei als grundsätzlich hilfreich angesehen, wobei jedoch auch auf noch zu diskutierende Schwierigkeiten hingewiesen wird. Während aus Sicht der Lieferanten abnehmerseitig das Preismanagement vielfach im Sinne eines Typ I Open Book Accounting zur Vermeidung von zu hohen Erträgen beim Lieferanten betrieben wird, nutzen die Lieferanten die offengelegten Kosteninformationen vornehmlich, um aus ihrer Sicht erforderliche Preiserhöhungen infolge von Kostensteigerungen zu begründen (Typ III Open Book Accounting). Dabei bestätigen die befragten Vertriebsexperten die bereits in 4.3.2.5 dargestellte Einschränkung, dass die durch Kostensteigerungen begründeten Preiserhöhungen von ihren Abnehmern oftmals nicht akzeptiert werden: „Wenn beispielsweise aufgrund eingebrochener Volumina die Fixkosten je Produkt deutlich höher werden, würde ich eine Anpassung des Preises erwarten. […] Mit wenigen Ausnahmen hat man aber auch bei Kostentransparenz nicht die Möglichkeit, Kostensteigerungen wieder hereinzubekommen – die werden einfach weggehandelt.“ Vertriebsleiter, Komponenten- und Systemhersteller für den Fahrzeugbau „Änderungen der Rohstoffpreise werden auch nicht einfach so vom Einkauf übernommen […]. Das Durchsetzen von Materialpreisänderungen erfolgt daher in der Regel nur in eine Richtung.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Hydrauliksystemen
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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Neben der Begründung von Preiserhöhungen infolge von Kostensteigerungen stellt aus Vertriebssicht auch die Begründung der absoluten Höhe eines Preises ein Grund für die Offenlegung von Kosteninformationen dar. Lieferantenseitig wird damit bestätigt, dass Open Book Accounting Verhandlungssituationen vereinfachen kann und einem Typ III Open Book Accounting auch aus Lieferantensicht eine große Bedeutung beigemessen werden kann: „Wenn man nur den Preis offenlegt, muss man diesen ganz sicher mehr verteidigen. Wenn man aber die Kalkulation dahinter offen legt, dann ist es sehr eindeutig, wie man auf den Preis kommt.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Fahrwerksystemen „Und positiv ist, dass der Breakdown mir schon oft geholfen hat zu argumentieren, woher der Preis kommt.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Filtersystemen Neben diesen Gründen, die bereits vergleichbar im Rahmen der Einkaufsinterviews identifiziert wurden, weisen die Vertriebsexperten noch auf vier weitere Vorteile von Kostentransparenz hin, die bisher noch keine Erwähnung gefunden haben (vgl. Abb. 49). Ein wesentlicher Aspekt von Kostentransparenz ist aus Sicht der Befragten demnach die Möglichkeit, Produktänderungen kosten- und preismäßig zu bewerten, die im Laufe des Entwicklungszeitraumes umgesetzt werden. Demnach wird die der Auftragsvergabe zugrunde liegende Preis- und Kostensituation als gemeinsame Nulllinie vereinbart, von der ausgehend technische Änderungen am Produkt kosten- und preisseitig berücksichtigt werden können. Gerade bei den mehrjährigen Entwicklungszeiten mit vielen und umfangreichen Produktänderungen, wie sie in der Automobilindustrie üblich sind, stellt Open Book Accounting eine gute Möglichkeit dar, das Änderungsmanagement und damit verbundene Preisdiskussionen erheblich zu vereinfachen. Beispielsweise können technische Optimierungen, die eine Reduktion des Materialeinsatzes mit sich bringen, durch einfache Veränderungen der Faktoreinsatzmengen in den Berechnungsgrundlagen berücksichtigt und eine resultierende Preissenkung unmittelbar bestimmt werden.
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B Empirische Befunde
Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich)
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8 7 6
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1
1
E U rm du nte ög rc rst lic h ü hu Ei tzu ng nk n au g f zu m A W bgr et e tb nz ew u n er g b Be Er sc ge hä bn fti is gun si g tu at mi io t S n tä ge rk u ge n g nü E be in r kä Ko de uf ll e sse er ge n n
Id en K B tif os ew ik t e e at n s rt io en un n u ku g v nd ng on (K en os te Pr n ei B sc se eg h r r w hö ün an h d Be ku un u n w ng ge g er en n t ) w un äh g r e Än nd de en P ru t w ro ng ic du en kl k un t Pr g e (H isb ö h eg e rün ab d so u n lu g t)
0
Bei der Untersuchung der Abnehmerperspektive bisher unbetrachtete Gründe für Open Book Accounting
Abb. 49: Gründe für Kostentransparenz aus Vertriebssicht
Weiterhin geben zwei Befragte an, ihre Bereitschaft zur Offenlegung von Kosteninformationen als Verkaufsargument für sich und zur Abgrenzung vom Wettbewerb zu nehmen. Gerade in Situationen, in denen weniger ausgeprägte Machtungleichgewichte zugunsten des Abnehmers existieren, erscheint diese Vorgehensweise erfolgversprechend. Ähnlich kann das Argument gewertet werden, dass der Vertrieb mittels Open Book Accounting den Einkäufer innerhalb seiner eigenen Organisation stärkt, für den betreffenden Lieferanten einzutreten. Der Einkäufer kann seine Vergabeentscheidung unter Kostentransparenz stärker objektivieren und damit fundierter begründen als dies ohne Kostentransparenz möglich wäre. Als weiterer Grund für Open Book Accounting wird zusätzlich noch erwähnt, dass der resultierende Zwang, sich mit den Kosten eines Produktes auseinanderzusetzen, zu einer intensiveren Beschäftigung mit der Ergebnissituation führt als dies bei einer reinen Preisbetrachtung der Fall wäre. Damit führt Open Book Accounting zwar nicht dazu, dass Produkte grundsätzlich nur mit Gewinn angeboten werden, es schafft allerdings ein Bewusstsein darüber, wenn bestimmte Mindesterträge nicht erzielt werden. Neben diesen Gründen, weshalb eine Offenlegung von Kosteninformationen aus Sicht der Lieferanten vorteilhaft sein kann, wurde weiterhin untersucht, aus welchen Gründen aus Sicht der Vertriebsexperten der Einkauf eine Offenlegung der Kosteninformationen von ihnen verlangt. Auch hier finden sich wieder Argumente für Open Book Accounting, die bereits bei der Analyse der Abnehmerperspektive aufgenommen wurden und hiermit auch seitens der
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
189
Lieferanten bestätigt werden (vgl. Abb. 50). Als wesentlichen Grund für Forderungen nach Kostentransparenz seitens des Einkaufs sehen die Vertriebsexperten die Erhöhung des Preisdruckes, was mit den Ergebnissen zu den Auswirkungen von Open Book Accounting auf Verhandlungssituationen übereinstimmt (vgl. Abschnitt 4.3.2.5). Weitere Gründe wie die Sicherstellung eines plausiblen Preises, die Absicherung von bestimmten Produktinhalten sowie die für den Einkauf wünschenswerte Entwicklung eines „Gespürs“ für das jeweilige Unternehmen haben vor allem Bedeutung vor dem Hintergrund der Risikomanagementfunktion von Kostentransparenz, die ebenfalls bereits einkaufseitig Erwähnung gefunden hatte. Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich)
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5
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2 1
P A (R rod bsi is uk ch ik ti er om nh u n g m alt g En t. e tw ) ic fü kl u r U ng nt " e r Ge ne sp hm ü In r en " te rn e sc Ar hl gu ec ht m e W en V id ta e r er t ha le io nd gu n : B ew lu ng ng er tu w ng äh re Ä n n d en d P eru t w ro ng ic du en kl k un tg
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Au E sü Pr rh bu ei öh n sd u g/ ru ng ck
0
Bei der Untersuchung der Abnehmerperspektive bisher unbetrachtete Gründe für Open Book Accounting
Abb. 50: Gründe des Einkaufs für Kostentransparenz aus Vertriebssicht
Im Rahmen der Einkaufsgespräche nicht erwähnt wurde dagegen die Erklärung, dass Einkäufer Kosteninformationen deshalb anfordern, weil interne Vorgaben dies von ihnen verlangen. Diese Einschätzung schließt die Möglichkeit mit ein, dass einzelne Akteure abnehmerseitig von der Sinnhaftigkeit von Open Book Accounting nicht überzeugt sind, sie die Informationen jedoch trotzdem verlangen, weil es von ihnen gefordert wird. Vor dem Hintergrund der bisherigen Erkenntnisse bezüglich der abnehmerseitigen Nutzung von Kosteninformationen erscheint diese Einschätzung jedoch übermäßig pessimistisch. Überzeugender wird die Argumentation, wenn sie in Verbindung gebracht wird mit der Notwendigkeit des Einkaufs, seine eigenen Verhandlungserfolge faktenbasiert zu untermauern und die Kosteninformationen der Lieferanten zur internen Argumentation heranzuziehen. Sofern eine solche Argumentationspflicht explizit oder implizit besteht, folgt indirekt auch die Anforderung an den
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B Empirische Befunde
Einkäufer, die relevanten Kosteninformationen vorlegen zu können. Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass die vereinfachte Bewertung von Produktänderungen im Entwicklungsprozess auch abnehmerseitig einen Vorteil darstellt, da nicht-wertschaffende Preisdiskussionen entfallen können. Bei der Untersuchung der aus Vertriebssicht für den Einkauf existierenden Gründe für Kostentransparenz fällt auf, dass eine Suche nach Kostensenkungen nicht explizit erwähnt wird. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Untersuchung der Abnehmerperspektive und auch der Hinweise der Vertriebsexperten auf mögliche Unterstützungen von Kostensenkungen durch den Einkauf ist es jedoch unplausibel, dass Kostensenkungen aus Lieferantensicht grundsätzlich kein Abnehmermotiv für Open Book Accounting darstellen. Vorstellbar dagegen ist, dass die Suche nach Kostensenkungen aus Sicht der Lieferanten weniger vom Abnehmer als mehr von ihnen selbst vorangetrieben wird, und der Abnehmer letztlich nur über die Sicherstellung möglichst niedriger Preise ein indirektes Interesse an Kostensenkungen bei seinen Lieferanten hat. Diese Interpretation wird im Ansatz auch von den Einschätzungen der Einkaufsexperten selbst unterstützt, nach denen die Preismanagementfunktion von Open Book Accounting im Sinne eines Typ I und III Open Book Accounting vielfach die primär verfolgte Nutzung von Kostentransparenz ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die im Rahmen der Einkaufsinterviews identifizierten Vorteile von Kostentransparenz im Wesentlichen auch seitens der Lieferanten bestätigt werden und zudem weitere Argumente identifiziert werden konnten, die aus Lieferanten- oder Abnehmersicht eine Offenlegung von Kosteninformationen vorteilhaft erscheinen lassen. 5.3.3
Schwierigkeiten und Gefahren von Kostentransparenz aus Vertriebssicht
Die Diskussion der im Zusammenhang mit Open Book Accounting auftretenden Schwierigkeiten und Gefahren mit den Vertriebsexperten bestätigt auch lieferantenseitig, dass vielfach ein zunehmender Preisdruck nach Offenlegung der Kosteninformationen zu erwarten ist: Aus Sicht von acht Befragten ist es problematisch, dass der Einkauf vor allem die Ausübung eines verstärkten Preisdrucks mit Open Book Accounting verfolgt (Typ I Open Book Accounting). Ein weiteres Argument, das aus Sicht der Lieferanten gegen Kostentransparenz spricht und sich auf eine Verschlechterung des erzielbaren Preisniveaus bezieht, ist, dass die vom Einkauf akzeptierten Margen unzureichend sind, um die eigenen Unternehmensziele zu erreichen bzw. erfolgreich am Markt zu bestehen. Dies stellt faktisch eine Konkretisierung der Nutzung von Kostentransparenz im Sinne eines Typ I Open Book Accounting dar. Insbesondere die Höhe der Gewinnzuschläge auf Zukaufteile wird von den Befragten kritisiert:
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
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„Ein Kunde kam letztens auf die Idee, auf Zukaufteile keinen Gewinn mehr zu akzeptieren. […] Bei dem betreffenden Auftrag hatten wir aber einen Zukaufanteil von 80 Prozent – wie soll das denn dann funktionieren?“ Leiter Konstruktion, Hersteller verschiedener Fahrzeugsysteme „Uns lässt man auf Kaufteile zum Beispiel ein Prozent Gewinn. Zum Teil haben wir aber einen Materialanteil von 50 bis 80 Prozent - wie soll man denn da überleben, wenn auf die Fertigung noch mal vielleicht fünf Prozent Gewinn erlaubt werden? Die Sätze sind einfach viel zu eng.“ Vertriebsleiter, Komponenten- und Systemhersteller für Fahrzeugbau Dass dieses Problem nicht grundsätzlich auftritt, bestätigt die Aussage eines Vertriebsleiters, der erst nach Auftragsvergabe detaillierte Kosteninformationen zur Verfügung stellen muss und bisher noch keine schlechten Erfahrungen in Bezug auf einen Preisdruck gemacht hat, der aus der Offenlegung resultiert: „Nein, es gibt da keine Diskussion zur Marge. Auch heute [vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise, Anmerkung des Verfassers] gibt es das nie. Der Preisdruck ist bei der Ausschreibung sicherlich da und auch hoch, aber nach Auftragsvergabe habe ich davon noch nie gehört. Das ist wirklich kein Argument, dass jemand sagt, wir verdienen zu viel.“ Vertriebsleiter Kunde B, Hersteller von Fahrzeuginterieur- und exterieurteilen Kritik ruft auch das bereits im Rahmen der Einkäuferinterviews identifizierte Problem hervor, dass Preissenkungen erfolgen, ohne dass die zugrundeliegenden Kostensenkungen umgesetzt wurden bzw. realisierbar sind (Typ II Open Book Accounting). Auch der Verlust von Sicherheitspuffern wird kritisiert, die aus Sicht des Vertriebs jedoch erforderlich sind, um Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Kostenentwicklung abbilden zu können. In Bezug auf die Preissetzung findet sich weiterhin der Hinweis, dass Open Book Accounting eine kostenbasierte Preisfindung impliziert, was unter Marktpreisaspekten jedoch nicht haltbar und damit grundsätzlich abzulehnen sei.
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B Empirische Befunde
10
Hoher Aufwand
Ziel im Wesentlichen Preisdruck
8
Akzeptierte Margen unzureichend Datenweitergabe/ Ideendiebstahl Vor- und Nachteile zuungunsten des Lieferanten verteilt
Fehlende Standardisierung von Kostenverständnis und Kostenrechnungssystemen
3
Unvereinbarkeit OBA mit Marktpreiskonzept
3
7
Preissenkung ohne realisierte Kostensenkung
2
7
Identifikation Kalkulationsschwächen durch Abnehmer
2
Manipulation Benchmarkinginformationen durch Einkauf
2 2
6
Eigene Kostentransparenz erst später vorhanden
4
Verlust Sicherheitspuffer
Fehlerhafte Annahmen im Benchmarkingprozess
4
Mühsame Diskussionen bzgl. Datenvalidität
1
Zuschlagssätze sind vereinbarte und nicht tatsächliche Kosten
4
Zu häufige Änderungen an OBA-Formularen
1
0
2
4
6
8
10
0
2
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6
8
10
Anzahl Antworten (Mehrfachnennungen möglich)
Abb. 51: Schwierigkeiten und Gefahren von Open Book Accounting aus Vertriebssicht
Neben den Schwierigkeiten und Gefahren bezüglich der Auswirkungen von Open Book Accounting auf die Preissetzung wird in hohem Maße auch der mit der Offenlegung verbundene administrative Aufwand kritisiert. Zwar wurde dieses Problem vereinzelt auch von den befragten Einkaufsexperten identifiziert (vgl. S. 153), vor dem Hintergrund der sehr häufigen Nennung dieses Problems im Rahmen der Vertriebsinterviews sollte ihm jedoch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wesentliche Treiber des Bearbeitungsaufwandes sind die zwischen den einzelnen Abnehmern fehlende Standardisierung bezüglich der erwarteten Offenlegungsdetails sowie unterschiedliche Kostenverständnisse und Kostenrechnungssysteme. Dabei wird auch darauf verwiesen, dass sich die Anforderungen der Abnehmer an die Inhalte der OBA-Formulare zu häufig ändern. Diese Probleme führen dazu, dass sämtliche Kalkulationsdaten ausgehend vom (Vor-) Kalkulationsprogramm des Lieferanten auf die vom Abnehmer erwartete Form angepasst werden müssen. Da dieser Vorgang weitgehend manuell mittels Tabellenkalkulation erfolgt, stellt dieses Vorgehen auch eine potenzielle Fehlerquelle dar und ist zudem personalintensiv. Ein Interviewpartner mit einer klaren Abneigung gegenüber Open Book Accounting macht deutlich, in welchem Umfang er bereits für eine einzelne Anfrage Kosteninformationen aufbereiten und während des Produktentwicklungszeitraumes nachpflegen muss: „Jetzt stellen Sie sich das aber mal in der Praxis vor: Bei einer Anfrage zu einem Teil mit allen Untervarianten müssen Sie mindestens 50 Cost-Breakdowns
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ausfüllen und die dann alle bei allen Änderungsschritten nachziehen! Das können Sie doch in die Tonne treten!“ Vertriebsleiter Kunde A, Hersteller von Fahrzeuginterieur- und exterieurteilen Selbst wenn die Angaben bezüglich der Kosten je Untervariante weitgehend identisch sind und daher von einem Tabellenblatt auf ein anderes kopiert werden können, müssen mindestens die Teilenummer und -bezeichnung individuell angepasst werden und die einzelnen Dokumente fehlerfrei verwaltet werden. Dass gerade auch der grundsätzlich als vorteilhaft eingeschätzte Einfluss von Open Book Accounting auf das Änderungsmanagement bei einer hohen Variantenzahl zu einem erheblichen Bearbeitungsaufwand führt, wird offensichtlich. Letztlich werden auch die Diskussionen mit dem Einkauf bezüglich der Datenvalidität als mühsam und nicht zielführend gewertet. Neben den bisher genannten Problemen von Open Book Accounting bezüglich der Auswirkungen auf die Verhandlungssituation und des mit Kostentransparenz einhergehenden Bearbeitungsaufwandes finden sich noch weitere Kritikpunkte aus Sicht des Vertriebs. Sieben Befragte sehen die Gefahr der Datenweitergabe, aus der sowohl die Konkurrenz als auch der Kunde selbst profitieren kann, indem beispielsweise innovative Produktionsverfahren kopiert werden. Die mehrfache Nennung dieser Gefahr im Rahmen der Interviews unterstreicht, wie wichtig aus Sicht der Lieferanten eine ausschließlich absprachekonforme Verwendung der Kosteninformationen ist. Eher grundsätzliche Kritik äußern Befragte, die angeben, die Nutzung von Open Book Accounting sei deshalb problematisch, weil sich ergebende Vor- und Nachteile einseitig zuungunsten des Lieferanten verteilt seien. Bemängelt wird weiterhin, dass das vom Einkauf durchgeführte Benchmarking über einzelne Kostenbestandteile regelmäßig fehlerbehaftet ist. Auf der einen Seite führt die weiter oben erwähnte mangelnde Standardisierung der Kostenverständnisse zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der Kostendaten der Lieferanten und damit auch zu einem unzulässigen Benchmarkingergebnis (vgl. hierzu auch die Darstellung zum Benchmarkingprozess in Abschnitt 4.3.2.6). Zwar wollen die Abnehmer durch die Verwendung ihrer eigenen Kostenformulare diesem Problem begegnen, in der Praxis bleiben aber Interpretationsspielräume vorhanden. Zudem muss berücksichtigt werden, dass ein Benchmarkingergebnis gegebenenfalls technisch nicht umsetzbar sein kann (weil z.B. für die Bearbeitung eines Werkstücks im theoretischen Idealfall je Arbeitsgang unterschiedliche Maschinen eingesetzt werden, das Werkstück aus Qualitätsgründen (z.B. Farbabstimmung) jedoch zwingend nur auf einer einzigen Maschine bearbeitet werden kann). Ein realistischer Fall ist weiterhin, dass sich die Nutzung unterschiedlicher Maschinengrößen für verschiedene Arbeitsschritte zwar aus
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B Empirische Befunde
Kostengesichtspunkten ideal darstellt, der existierende Maschinenpark des Lieferanten aber faktisch gar keine Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf die Maschinenverwendung bietet. Neben diesen Problemen, die auf fehlerhafte Annahmen im Benchmarkingprozess hinweisen, geben zwei Befragte zudem zu bedenken, dass Einkäufer möglicherweise auch bewusst Benchmarkinginformationen manipulieren, um den Lieferanten zu einer Überarbeitung des Angebotes zu bewegen. Weitere Schwierigkeiten sehen die befragten Vertriebsexperten in der Validität der Kosteninformationen selbst: Auf der einen Seite müssen Kostendaten ausgetauscht werden, bevor überhaupt selbst Transparenz bezüglich der zu erwartenden Kosten besteht: „Gerade vor Auftragsvergabe ist eine detaillierte Offenlegung sehr gefährlich, denn da schätzen Sie ja nur die Kosten und haben auch sicherlich noch 20 bis 30 Prozent Unsicherheit drin.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Antriebssystemen „Sie haben noch ein anderes Problem: Bei den Daten, mit denen man in ein Angebot reingeht, handelt es sich ja immer um Vorkalkulationsdaten. […] Ob die Daten nachher wirklich der Realität entsprechen, weiß niemand – nicht einmal wir selbst!“ Vertriebsmitarbeiter Kunde C, Hersteller von Fahrzeuginterieur- und -exterieurteilen Auf der anderen Seite geben Einkäufer die zu verwendenden Zuschlagssätze auf einzelne Kostenpositionen vor, die jedoch regelmäßig nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Inhaltlich ist dies vergleichbar mit der weiter oben dargestellten Begrenzung der akzeptierten Gewinnmargen, wobei hier vor allem Zuschläge für Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten, Materialgemeinkosten sowie Kosten für Forschung und Entwicklung im Fokus der Betrachtung stehen. Faktisch kann damit die übermittelte Kostenstruktur und –höhe erheblich von den intern beim Lieferanten kalkulierten Kosten abweichen. Als letztes identifiziertes Problem geben zwei Befragte an, dass der Einkauf Kalkulationsmängel und Inkonsistenzen in der Berechnung aufdecken kann und Preisanpassungen zu seinen Gunsten einfordert. Gerade auch die manuelle Erstellung der Cost-Breakdowns kann dabei ein Grund sein, weshalb überhaupt falsch kalkuliert wird oder sich widersprechende Kalkulationsgrundlagen verwendet werden.
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
195
Die Fülle der dargestellten Schwierigkeiten und Gefahren, die aus Sicht der Lieferanten bei der Offenlegung ihrer Kosteninformationen bestehen, macht deutlich, dass sich die Lieferanten in einem erheblichen Spannungsfeld in Bezug auf ihre Bereitschaft zur Offenlegung befinden: Auf der einen Seite beeinflussen die potenziellen Gefahren und Vorteile aus Open Book Accounting ihre Akzeptanz gegenüber dem Instrument, auf der anderen Seite hat aber auch das Machtverhältnis zwischen Abnehmer und Lieferant einen erheblichen Einfluss auf die Bereitschaft zur Offenlegung. Inwiefern Lieferanten die Möglichkeit nutzen, sich durch eine Manipulation ihrer Kosteninformationen weniger Gefahren auszusetzen und gleichzeitig mehr Vorteile für sich zu erwirtschaften, ist Gegenstand des folgenden Kapitels. 5.3.4
Manipulation von Kosteninformationen
Vor dem Hintergrund, dass die Vor- und Nachteile aus Open Book Accounting regelmäßig zuungunsten des Lieferanten verteilt sind, wurde bereits theoretisch gezeigt, dass Lieferanten oftmals ein Interesse haben dürften, ihre Kosteninformationen bewusst zu ihren Gunsten zu gestalten. Auch die umfangreichen Anstrengungen seitens der Abnehmer, die Plausibilität der Kosteninformationen sicher zu stellen, und das geringe Vertrauen der Einkaufsexperten in die Validität der Lieferanteninformationen deuten darauf hin, dass Lieferanten ihnen gegebene Möglichkeiten zur Manipulation der Daten nutzen könnten (vgl. Abschnitt 4.3.2.4). In der hier durchgeführten Untersuchung kann eindeutig bestätigt werden, dass übermittelte Kosteninformationen regelmäßig von Lieferanten manipuliert werden. 13 von 14 hierzu befragte Vertriebsexperten (93 Prozent) geben an, dass die dem Abnehmer offengelegten Informationen regelmäßig zugunsten des Lieferanten verfälscht sind. Im Rahmen der Interviews lassen sich hierzu eine ganze Reihe aussagekräftiger Angaben finden: „Ich glaube nicht, dass man da jemals die ganze Wahrheit reinschreibt, weil Firmen solche Daten niemals ganz offenlegen wollen. […] In gewisser Weise ist das natürlich ein Lügenblatt.“ Vetriebsmitarbeiter, Hersteller von Fahrwerk- und Getriebekomponenten „Man muss sich immer vor Augen halten, dass das, was auf dem Blatt steht, nicht unbedingt das ist, was man tatsächlich daran verdient: Es gibt da sicherlich einige Zuschläge, die man – ich nenne es mal – gestalten kann. Man muss schauen, wo der Kunde den Fokus drauf hat und sich dann überlegen: Wie gestalte ich das jetzt? Ich lege denen ja nicht unsere Kalkulation auf den Tisch!“ Vertriebsleiter, Hersteller von Fahrwerksystemen
196
B Empirische Befunde
„Ich vermute, dass keine einzige Kalkulation die Situation so darstellt, wie sie tatsächlich im Unternehmen existiert. Sie haben zwei Bedingungen, die Sie bei der Aufstellung der Kalkulation berücksichtigen müssen: 1. Sie muss plausibel sein aber möglichst viel Gewinn verstecken können. 2. Sie müssen dennoch einen guten Preis anbieten.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Hydrauliksystemen Die im letzten Zitat dargestellten „Rahmenbedingungen einer Kostenmanipulation“ belegen, dass die in Abschnitt 4.3.2.4 theoretisch hergeleitete Kostenübertreibung von Lieferanten (vgl. Abb. 26) in der Praxis genau wie dort dargestellt vorgenommen wird. Die durchgeführten Manipulationen erfolgen dabei zum einen als Reaktion auf den beobachteten verstärkten Verhandlungsdruck infolge von Kostentransparenz und die als unzureichend bewertete „akzeptierte“ Gewinnmarge (vgl. Abschnitt 5.3.3). Zum anderen ermöglichen erst die Kostenmanipulationen dem Vertrieb einen Verhandlungs- und Sicherheitspuffer in Bezug auf die bereits angesprochene Unsicherheit im Hinblick auf die sich tatsächlich einstellende Kostensituation. Einen wesentlichen Grund für die Manipulation der Kosteninformationen stellt auch die Forderung der Abnehmer nach a priori festgelegten jährlichen Einsparungen, sogenannten „Ratio-Potenzialen“, dar: Da diese aus Sicht der Lieferanten regelmäßig nicht erreicht werden, sehen sie sich gezwungen, die in der Zukunft erwarteten Preissenkungen bereits im Angebotspreis zu berücksichtigen: „Die zu erwartenden Preissenkungen werden bei uns im Business Case natürlich berücksichtigt. Wenn Sie mal an Spritzguss denken – da haben Sie eine Lernkurve nur im Anlauf: Die Investition bleibt konstant, einen Bediener müssen sie auch haben und die Anlage läuft halt! Wenn Sie da jetzt drei bis sechs Prozent jedes Jahr reduzieren wollen, müssen sie das halt vorher draufschlagen.“ Vertriebsleiter, Komponenten- und Systemhersteller für Fahrzeugbau Da die Höhe der akzeptierten Gewinnmarge begrenzt ist, müssen aus Sicht der Lieferanten einzelne Kostenbestandteile übertrieben dargestellt werden, um die tatsächliche Ertragssituation zum Produktionsstart zu verschleiern. Ebenso kann es jedoch vorkommen, dass ein Lieferant aus strategischen Gründen ein Angebot unterbreitet, bei dem er keinen oder nur einen sehr geringen Gewinn erzielt. Da der Abnehmer eine solche Situation aus Risikogründen nicht zulassen wird (vgl. Abschnitt 4.3.2.2), sieht sich der Lieferant auch hier gezwungen, seine tatsächliche Kalkulation zu manipulieren.
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
197
Als Positionen, die sich gut für eine solche „Gestaltung“ der Kosteninformationen eignen, identifizieren die Vertriebsexperten Maschinenstundensätze, deren Höhe vom verwendeten Abschreibungsmodell abhängt und damit letztlich Argumentationssache ist, sowie NichtStandardmaterialien, für die der Abnehmer keine Preistransparenz herstellen kann. Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass bei Kenntnis der „akzeptierten“ Zuschlagssätze für Vertriebsund Verwaltungsgemeinkosten oder der akzeptierten Ausschussquoten auch darunter Gewinn versteckt werden kann, sofern die tatsächlichen Sätze darunter liegen. Wie im Abschnitt 4.3.2.4 dargestellt, versuchen die Abnehmer Kostenmanipulationen der Lieferanten durch teils umfangreiche Plausibilisierungsansätze zu identifizieren. Entsprechend sehen auch einige Befragte erhebliche Schwierigkeiten bei der Manipulation. Ein Interviewpartner beschreibt beispielsweise einen Fall, in dem ein Kunde ein vergleichbares Produkt von einer französischen und brasilianischen Niederlassung des Lieferanten bezog, wobei die dem Abnehmer mitgeteilten Kosten für Zukaufteile in einem Fall übertrieben waren. Nachdem die Inkonsistenz seitens des Kundeneinkaufs aufgedeckt worden war, forderte dieser die Lieferantenrechnungen für das betreffende Zukaufteil an und konnte damit nachweisen, dass die kommunizierten Kosteninformationen zu hoch waren. Dieses Ereignis führte im Ergebnis zu einer empfindlichen Störung des Verhältnisses zwischen Lieferant und Abnehmer. Weitere Gefahren bestehen darin, dass sich die Kosten für einzelne Kostenbestandteile erhöhen, der Lieferant die Erhöhung aber nicht nachweisen kann, weil er ursprünglich eine falsche Kostenbasis, z.B. für ein bestimmtes Zukaufteil, angegeben hatte. Vorstellbar ist weiterhin, dass ein Abnehmer vermeintlich überhöhte Kosten für Zukaufteile dadurch umgeht, dass er die entsprechenden Teile als Beistellung selbst liefert und sie damit vollständig aus der Kalkulation herausfallen. Wurden vorher signifikante Gewinnbestandteile im Materialpreis dieses Teils versteckt, leidet die Produktprofitabilität erheblich, ohne dass der Lieferant eine Möglichkeit hat, dies seinem Abnehmer zu kommunizieren. So lange nicht zu viele Personen bei der Erstellung und Anpassung der Kosteninformationen beteiligt sind, hierbei zudem klare Regeln befolgt werden und die Angaben systematisch dokumentiert werden, kann zwar möglicherweise vermieden werden, dass der Einkauf Inkonsistenzen zwischen unterschiedlichen Angaben zur Kostenstruktur identifiziert. Die beiden letztgenannten Gefahren der Kostensteigerung einzelner Kostenbestandteile und eine veränderte Wertschöpfungsstruktur bleiben jedoch bestehen. Zusätzlich ist spätestens dann mit einer Aufdeckung der Manipulationen zu rechnen, wenn Informationsschranken zwischen einzelnen Kunden nach Akquisitionen oder Fusionen beseitigt werden. Eine weitere Gefahr
198
B Empirische Befunde
stellt auch der Wechsel von einzelnen Personen von einem Kunden zum anderen dar, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese ihr Wissen bezüglich bestimmter Kostenpositionen zum Vorteil ihres neuen Arbeitgebers einsetzen. Dieses Kapitel unterstreicht, dass eine Offenlegung von Kosteninformationen vielfach noch längst nicht bedeutet, Kunden vertrauensvoll Einblick in die eigenen Kosten zu gewähren. Stattdessen handelt es sich vielfach eher um ein „Ausdetaillieren“ von Zuschlagskalkulationen, die so nah wie nötig an der Realität sind, aber so viel Gewinn wie möglich verbergen. 5.3.5
Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting
Nachdem bereits im Abschnitt 4.3.3.2 mehrere Voraussetzungen und Maßnahmen dargestellt worden sind, die aus Sicht der Abnehmer geeignet sind, die Akzeptanz gegenüber Open Book Accounting seitens der Lieferanten zu erhöhen, liegt der Fokus dieses Abschnittes darin, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem diesbezüglichen Verständnis zwischen Abnehmer und Lieferant aufzuzeigen. In Tab. 14 sind alle im Rahmen der Einkäufer- und Vertriebsinterviews genannten Voraussetzungen bzw. Maßnahmen für eine Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Kostentransparenz aufgeführt. Weiterhin ist dargestellt, welche Bedeutung einer Maßnahme jeweils aus Abnehmer- und Lieferantensicht zuzusprechen ist. Dabei bemisst sich die Ausfüllung des Kreises an der relativen Nennungshäufigkeit einer Maßnahme im Vergleich zu den anderen genannten Maßnahmen. Hiermit wird unterstellt, dass eine Maßnahme, die häufiger seitens der Interviewpartner genannt wird, auch eine wichtigere Bedeutung besitzt.
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
Voraussetzungen und Maßnahmen
Bedeutung aus Abnehmersicht*
199
Bedeutung aus Lieferantensicht*
Offene und ehrliche Kommunikation
i
i
Darstellung und Definition finanzieller Vorteile für Lieferanten
i
i
Aufbau Vertrauen/ partnerschaftliches Verhältnis
i
i
Vereinbarung Margenstabilität/ Mindestmarge und/oder Umsatzgarantien
i
i
Akzeptanz kostenseitig begründeter Preisänderungen
i
i
Sicherstellung Geheimhaltung
i
i
Akzeptanz begrenzter Offenlegung
i
i
Vereinfachung und Standardisierung
i
i
Steigerung Qualifikation im Einkauf
i
i
Echte Bereitschaft zu techn. Änderungen/ frühzeitiger Start Zusammenarbeit
i
i
Offenlegung sensibler Informationen durch Abnehmer
i
i
Durchführung eines Pilotprojektes
i
i
Durchführung spezifischer Investitionen beim Lieferanten
i
i
Realisierte Kostensenkung als Voraussetzung für Preissenkung
i
i
Einräumung Zeit für Umsetzung von Kostensenkungen
i
i
* Relative Nennungshäufigkeit (Anzahl Nennung einer Maßnahme oder Voraussetzung / Summe aller Nennungen über alle Maßnahmen oder Voraussetzungen): 0%
1-3%
4-7%
8-14%
mindestens 15%
Tab. 14: Voraussetzungen und Maßnahmen zur Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Kostentransparenz
Es zeigt sich, dass im Verständnis bezüglich der Wichtigkeit einzelner Voraussetzungen vielfach Übereinstimmung zwischen Lieferanten und Abnehmern besteht. Übereinstimmend geben demnach beide Seiten an, dass der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses die Akzeptanz positiv beeinflusst. Ebenso besteht Einigkeit darüber, dass der Lieferant dann seine Skepsis gegenüber Open Book Accounting verlieren wird, wenn ihm finanzielle Vorteile einer Offenlegung aufgezeigt und zugesichert werden. Eine Konkretisierung dieser Maßnahme stellt beispielsweise eine Vereinbarung von Mindestmargen oder Umsatzgarantien infolge einer
200
B Empirische Befunde
Offenlegung dar, die ebenfalls von Lieferanten und Abnehmern relativ häufig erwähnt wird. Der Einfluss einer offenen und ehrlichen Kommunikation wird dagegen scheinbar abnehmerseitig überschätzt: Die Kommunikation alleine verringert die Zweifel der Lieferanten nicht, erst faktische Vorteile aus der Kostentransparenz stärken das Vertrauen in die Beziehung und das Instrument. Wie im Abschnitt 5.3.2 dargestellt, sehen Lieferanten einen wesentlichen Vorteil von Kostentransparenz darin, unbeeinflussbare Kostensteigerungen zur Begründung von Preiserhöhungen heranzuziehen. Eine Akzeptanz solcher Argumentationen seitens der Abnehmer würde voraussichtlich eine deutliche Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting mit sich bringen. Auch der Sicherstellung der Geheimhaltung ihrer Daten wird seitens der Lieferanten eine hohe Bedeutung beigemessen – abnehmerseitig wird diese Voraussetzung zwar auch identifiziert, allerdings in den Gesprächen verhältnismäßig weniger stark adressiert. Letztlich fordern die Lieferanten, bei Vorliegen offener Kalkulationen diese Informationen auch tatsächlich und frühzeitig zu nutzen, um technische Änderungen am Produkt umzusetzen. Zu Recht weisen Vertriebsexperten darauf hin, dass gerade zu Beginn der Produktentwicklungsphase noch große Kosteneinsparungen möglich sind, die jedoch auch die Bereitschaft des Abnehmers zu Produktänderungen voraussetzen (vgl. zur Kostenfestlegung im Produktentwicklungszeitraum Abb. 8 auf S. 23). Die Vertriebsexperten weisen weiterhin darauf hin, dass es aus ihrer Sicht akzeptanzfördernd ist, erst bei tatsächlich realisierten Kostensenkungen auch Preissenkungen umzusetzen. In diesem Zusammenhang wird weiterhin ausreichend Zeit für die Umsetzung der Kostensenkungen gefordert. Weitere Maßnahmen und Voraussetzungen zur Steigerung der Akzeptanz von Lieferanten gegenüber Kostentransparenz wurden bereits in Abschnitt 4.3.3.2 erwähnt. Da diesen im Rahmen der Vertriebsgespräche eine vergleichbare Wichtigkeit beigemessen wurde wie von Abnehmerseite, soll hierauf nicht näher eingegangen werden. Das Aufzeigen (theoretischer) Möglichkeiten zur Akzeptanzsteigerung erlaubt allerdings noch keine Aussage zur Umsetzbarkeit der Einzelmaßnahmen bzw. inwiefern die Voraussetzungen im praktischen Umfeld tatsächlich geschaffen werden können. Wie bereits einige Einkaufsexperten äußern auch einzelne Vertriebsexperten Zweifel, ob eine Situation, in der die dargestellten Voraussetzungen erfüllt und Maßnahmen eingeleitet worden sind, überhaupt realisierbar ist. Nach Ansicht der Interviewpartner führt der sehr hohe Wettbewerbsdruck immer dazu, dass Druck an die Lieferanten weitergegeben wird. Damit verschwindet jedoch der Spielraum, durch Kostensteigerungen begründete Preiserhöhungen zu akzeptieren und steigt in gleichem Maße die Versuchung, die Möglichkeiten von Kostentransparenz zu nutzen, um einen zusätzlichen Druck auf die Lieferanten aufzubauen.
5 Lieferantenperspektive zur Bedeutung von Open Book Accounting
201
„Der Einkäufer muss Vertrauen aufbauen, was allerdings sehr schwierig ist, weil der so sehr unter Druck steht. […] Der Druck ist so immens groß, die haben nur noch ganz wenig Spielraum und müssen den Druck an uns weitergeben. In einigen Beziehungen ist damit auch die Eiszeit ausgebrochen.“ Vertriebsleiter, Hersteller von Sicherheitssystemen „Diesen theoretischen Raum gibt es einfach nicht! Da gibt es einen wahnsinnigen Wettbewerbsdruck, der auf den Autoherstellern lastet, und die geben das durch die Supply Chain weiter. Daher kann es einfach nicht besser werden.“ Vertriebsleiter, Komponenten- und Systemhersteller für Fahrzeugbau Abschließend lässt sich festhalten, dass es nicht an Ideen mangelt, wie Abnehmer dazu beitragen können, ihre Lieferanten von der Sinnhaftigkeit eines Open Book Accounting zu überzeugen. Auch besteht vielfach Übereinstimmung zwischen Abnehmern und Lieferanten darüber, was geeignete Maßnahmen und Voraussetzungen darstellen, diese Akzeptanz der Lieferanten positiv zu beeinflussen. Bisher scheitert eine weniger opportunistisch geprägte Nutzung von Open Book Accounting allerdings am faktischen Verhalten der beteiligten Akteure, das ein Misstrauensverhältnis zwischen Abnehmer und Lieferant vielfach begünstigt. 5.3.6
Zusammenfassung
In den vorigen Abschnitten wurde die Lieferantenperspektive zur Nutzung von Open Book Accounting in Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen untersucht. Hierbei konnte festgestellt werden, dass eine generelle Ablehnung des Instrumentes durch den Vertrieb anders als erwartet nicht vorliegt. Zwar wird auch bestätigt, dass die Offenlegung in vielen Fällen durch Ausnutzung einer Machtposition des Abnehmers erfolgt, es werden jedoch auch Vorteile aus der Kostentransparenz wahrgenommen. Hierbei werden nicht nur bereits einkaufseitig identifizierte Gründe wie die Möglichkeit zur Identifikation von Kostensenkungen sowie die vereinfachte Weitergabe von Kostensteigerungen durch Preiserhöhungen genannt, sondern auch erwähnt, dass Open Book Accounting die kostenmäßige Bewertung von Produktänderungen im Entwicklungszeitraum und die Bestimmung der Auswirkungen auf den Verkaufspreis erlaubt. Gleichwohl besteht aus Sicht der Vertriebsexperten für die Einkäufer der wesentliche Grund für Kostentransparenz darin, einen zusätzlichen Preisdruck ausüben zu wollen, während ein vermeintlicher Fokus auf Kostensenkungen nicht bestätigt wird. Der resultierende zusätzliche Verhandlungsdruck wird folgerichtig auch als eine wesentliche Schwierigkeit eingestuft, was basierend auf den Ergebnissen der Abnehmerperspektive zu erwarten war. Besonders wurde jedoch auch der mit der Erstellung und Aufbereitung der Kosteninformatio-
202
B Empirische Befunde
nen verbundene Aufwand kritisiert, der auch aus einem wenig standardisierten Kostenverständnis sowie unterschiedlichen Formaten der Cost Breakdown Formulare resultiert. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Lieferanten die den Abnehmern zur Verfügung gestellten Kosteninformationen regelmäßig manipulieren, so dass die abnehmerseitig geäußerten Befürchtungen von potenziell verfälschten Daten begründet sind. Dabei sind der verstärkte Verhandlungsdruck der Abnehmer sowie die als unzureichend empfundenen akzeptierten Gewinnmargen, die keinerlei Sicherheitspuffer für den Lieferanten mehr erlauben, wesentliche Gründe für die Manipulation. Auch wenn die Verfälschung der Kosteninformationen weitere Probleme auf Seiten des Lieferanten hervorruft, ist sie weit verbreitet. Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass Einkaufs- und Vertriebsexperten in vielen Fällen ähnliche Vorstellungen haben, wie die Akzeptanz gegenüber Open Book Accounting im Vertrieb gestärkt werden kann. Die Gewährung finanzieller Vorteile für den Lieferanten sowie der Aufbau eines partnerschaftlichen Verhältnisses werden demnach von beiden Seiten als besonders förderlich wahrgenommen. Während Einkaufsexperten jedoch auch eine gegenüber dem Lieferanten offene und ehrliche Kommunikation zur Motivation und dem Vorgehen hinsichtlich Kostentransparenz als stark akzeptanzfördernd erachten, sehen die Lieferanten vielmehr in der Akzeptanz von kostenseitig begründeten Preisänderungen durch den Abnehmer einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung ihrer Akzeptanz gegenüber Open Book Accounting. Es werden jedoch Zweifel geäußert, ob die vorhandenen Ideen zur Steigerung der Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting angesichts des faktischen Verhaltens der Akteure und der bestehenden Beziehungskontexte tatsächlich realisierbar sind.
C Implikationen Die dargestellten empirischen Befunde erlauben einen umfassenden Blick auf das Anwendungsspektrum und die damit einhergehenden Anreizkonflikte sowie Schwierigkeiten in der Anwendung von Open Book Accounting. Sie ermöglichen weiterhin die Aufstellung von Leitlinien für den praktischen Anwender, der von den hier gewonnenen Einsichten profitieren soll. Gleichsam wird die wissenschaftliche Debatte zu Open Book Accounting um neue Erkenntnisse bereichert, die wiederum Ausgangspunkt für neue Untersuchungen sein können.
6 Open Book Accounting in der Praxis 6.1 Implementierungshinweise zu den identifizierten Formen des Open Book Accounting Im Abschnitt 4.3.4 wurde bereits gezeigt, dass es nicht eine einzige Ausprägungsform des Open Book Accounting gibt, sondern stattdessen zwischen vier Typen unterschieden werden kann. Da die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Ansätze eine verallgemeinernde Darstellung zur Umsetzung nicht zulässt, sollen im Folgenden individuelle Implementierungshinweise für jeden Typen individuell erarbeitet werden. Wie bereits die Definition der Formen des Open Book Accounting sollten auch die hier erarbeiteten Implementierungshinweise zunächst als Vorschlag gesehen werden, dessen Eignung in weiteren Untersuchungen noch zu belegen ist. Die hier vorgenommene Entwicklung von Implementierungshinweisen beruht auf den mit den jeweiligen Formen des Open Book Accounting verfolgten Ziele sowie die beobachtbaren Lieferantenkontexte. Darauf basierend werden Hinweise zum Anwendungsbereich hinsichtlich Wettbewerbsumfeld und strategischer Relevanz des betreffenden Produktes gemacht. Weiterhin wird der zugrunde liegende Macht- und Beziehungskontext dargestellt und der Kerntreiber für eine Offenlegung seitens des Lieferanten herausgearbeitet. Die mit der Anwendung des jeweiligen Ansatzes von Open Book Accounting einhergehenden Komplikationen und zu erwartende Lieferantenreaktionen werden ebenso dargestellt wie konkrete Hinweise auf nötige Maßnahmen auf Abnehmerseite. OBA Typ I: Preisdruck durch Transparenz Bei der Ausübung eines zusätzlichen Preisdrucks durch Kostentransparenz ist das Lieferantenverhältnis in der Regel stark wettbewerblich ausgerichtet und basiert auf einem Win-LoseAnsatz: Über die Kostentransparenz versucht der Abnehmer einen möglichst großen Anteil der Lieferantenerträge für sich zu vereinnahmen. Faktisch ist eine solche Drucksituation nur bei erheblicher Abnehmermacht umsetzbar, die sich bei einem starken Wettbewerb auf Lieferantenseite aufgrund fehlender Alleinstellungsmerkmale und damit einer hohen Austausch-
204
C Implikationen
barkeit der Lieferanten ergibt. Vertrauen in den Geschäftspartner spielt bei dieser Art der Zusammenarbeit keine Rolle. Die Geschäftsbeziehung ist latent instabil, wobei der Lieferant aufgrund seiner Abhängigkeit vom Auftraggeber eine Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung auch unter den aggressiven Wettbewerbsbedingungen anstrebt. Letztlich eignet sich eine derart konfrontativ ausgerichtete Lieferantenbeziehung aber nur für Produkte mit einer aus Abnehmersicht stark begrenzten strategischen Wichtigkeit, bei einer höheren strategischen Bedeutung des Produktes würde sich das Machtverhältnis zugunsten des Lieferanten verschieben. In einer solchen Konstellation, in der der Lieferant aus seiner Offenlegung keine Vorteile erfährt und stattdessen lediglich einem erhöhten Preisdruck ausgesetzt ist, ist Zwang die wesentliche Motivation zur Offenlegung. Der Abnehmer kann diesen Zwang aufgrund seiner Machtposition ausüben und wird dies auch tun, sofern er eine Anwendung von Open Book Accounting nach dem hier dargestellten Typ I beabsichtigt. Gleichwohl sind hierbei bestimmte Lieferantenreaktionen und sich daraus ergebende Komplikationen zu erwarten: Der Lieferant erfährt durch die einseitig zu seinen Ungunsten ausgelegte Nutzung der Kostentransparenz hohe Anreize, seine Kosteninformationen zu manipulieren. Bereits die Vorgabe von Gemeinkosten- und Gewinnhöchstsätzen stellt bei faktischem Überschreiten der Sätze eine Aufforderung an den Lieferanten dar, diese Abweichungen in anderen Kostenpositionen abzubilden. Auch wird der Lieferant versuchen, Kostenänderungen zu seinen Gunsten im Laufe der Geschäftsbeziehung zu verheimlichen, da er die resultierenden Erträge voraussichtlich in großem Maße an den Abnehmer weiterreichen müsste. Außerdem kann er sich dadurch für den Fall potenzieller Kostensteigerungen, die er in der Regel nicht weitergeben kann, einen Sicherheitspuffer schaffen. Gerade auch bei einer Offenlegung von Kosteninformationen in frühen Entwicklungsphasen, in denen die Kosten noch eine hohe Planungsungenauigkeit aufweisen, wird der Lieferant versuchen, sich durch Manipulation einzelner Kostenbestandteile einen solchen Sicherheitspuffer zu erhalten. Für den Abnehmer bedeutet diese fehlende Datenvalidität eine starke Behinderung bei der Beurteilung der Lieferantenprofitabilität. Auch wenn aufgrund der fehlenden strategischen Relevanz eines Produktes die Versorgungssicherheit weniger kritisch zu bewerten ist, sind wie weiter oben dargestellt bei zu schlechter Ertragslage des Lieferanten Einbußen hinsichtlich Produkt- und Servicequalität zu erwarten. Als wesentliche Maßnahmen muss der Abnehmer daher nach Einforderung und Erhalt der Kosteninformationen diese genau hinterfragen. Hierbei kommen sowohl Kostenvergleiche mit anderen Lieferanten (Bechmarkanalysen) als auch eigene Bottom-up-Analysen in Betracht. Gerade bei Diskussionen bezüglich Preisänderungen im Zeitverlauf ist auch die Einforderung von Eingangsrech-
6 Open Book Accounting in der Praxis
205
nungen des Lieferanten in dieser Form der Zusammenarbeit ein geeignetes Mittel, Verhandlungen zur Preisentwicklung zu steuern. Zu berücksichtigen ist, dass die genannten Maßnahmen zur Plausibilisierung der Lieferantendaten und Stärkung der eigenen Verhandlungsbasis mit teilweise erheblichem Ressourceneinsatz auf Abnehmerseite verbunden sind (insbesondere detaillierte Bottom-up-Analysen) und auch die kostenbasierte Durchsetzung von Preissenkungen mitunter personalintensiv ist. Vor der Anwendung von Open Book Accounting als reines Preisdruckinstrument muss daher kritisch hinterfragt werden, inwiefern Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen. So gibt es auch Situationen, in denen alleine der Wettbewerb zwischen den Lieferanten bereits ausreicht, ein optimales Preisniveau aus Sicht des Abnehmers zu realisieren. Gerade bei starken Kostenschwankungen und einem langen Lieferzeitraum treten jedoch auch in diesen wettbewerbsintensiven Situationen die Abnehmervorteile von Open Book Accounting in den Vordergrund. Einen Überblick zu den praktischen Implikationen einer Nutzung von Open Book Accounting als Preisdruckinstrument liefert Tab. 15.
206
C Implikationen
OBA Typ I Primärziel Open Book Accounting
x Erhöhung Preisdruck auf Lieferanten
Preisargumentation über theoretische Idealangebote
Festlegung von Gemeinkosten- und Gewinnmargenhöchstsätzen
Preisänderungen basierend auf Kostenschwankungen nur zugunsten des Abnehmers
Konzeption der Lieferantenbeziehung
x Konfrontativ, stark wettbewerblich ausgerichtet (Win/Lose)
Anwendungsbereich
x Keine oder nur stark begrenzte strategische Wichtigkeit des untersuchten Produktes x Starker Wettbewerb auf Lieferantenseite: Fehlende Alleinstellungsmerkmale und hohe Austauschbarkeit der Lieferanten
Machtverhältnis und Beziehungskontext
x Abnehmermacht x Geschäftsbeziehung latent instabil, Aufrechterhaltung vom Lieferanten angestrebt x Kein Vertrauensverhältnis
Kerntreiber Offenlegung
x Zwang
Komplikationen und Lieferantenreaktionen
x Starke Anreize zur Manipulation der Kosteninformationen durch den Lieferanten
Bei Vorgabe von Höchstsätzen: Abbildung potenzieller Kostendifferenzen in anderen Positionen
Asymmetrisches Risikoprofil zuungunsten des Lieferanten bzgl. Kostenänderungen im Zeitverlauf
x Fehlende Datenvalidität erschwert oder verhindert Beurteilung Lieferantenprofitabilität Wesentliche Maßnahmen auf Abnehmerseite
x Aggressives Hinterfragen der Kosteninformationen des Lieferanten
Erstellung von Kostenbenchmarks
Durchführung von eigenen Bottom-upKostenanalysen
Einforderung von Eingangsrechnungen
x Berücksichtigung Kosten-Nutzen-Verhältnis: Zusätzlicher Personalaufwand im Vergleich zu Preissenkungen
Tab. 15: Implementierungshinweise zum OBA Typ I: Preisdruck durch Transparenz
OBA Typ II: Aufzeigen Kostennachteile bei mangelnder Umsetzungsorientierung Auch beim Typ II Open Book Accounting erzeugt der Abnehmer durch Kostentransparenz einen zusätzlichen Preisdruck. Dadurch, dass der Lieferant durch das Aufzeigen potenzieller Kostennachteile aber unter Umständen auch profitieren kann, ist die Kooperationstendenz in diesem Szenario höher als bei OBA Typ I. Gleichwohl bedeutet die Ausübung des zusätzlichen Preisdrucks immer noch eine starke Konfrontationsausrichtung und eignet sich daher auch nur bei vorliegender Abnehmermacht sowie einem starken Wettbewerb auf Lieferantenseite. Die strategische Wichtigkeit des betrachteten Produktes ist auch hier noch begrenzt,
6 Open Book Accounting in der Praxis
207
allerdings tendenziell höher als bei OBA Typ I. Auch die Austauschbarkeit des Lieferanten ist weniger stark ausgeprägt, so dass insgesamt eine geringere Machasymmetrie zu beobachten ist. Ein Vertrauensverhältnis besteht zwischen Lieferant und Abnehmer nicht zwangsläufig, je nachdem wie kooperativ der Abnehmer die Nutzung der Kostentransparenz gestaltet und auch der Lieferant Vorteile aus der Transparenz wahrnimmt, kann Vertrauen jedoch entstehen. Der Kerntreiber einer Offenlegung ist zu Beginn einer Geschäftsbeziehung auch hier zunächst ausgeübter Zwang durch den Abnehmer, während bei positiven Erfahrungen im Umgang mit dem Instrument eine steigende Bereitschaft seitens des Lieferanten zu erwarten ist. Vor dem Hintergrund einer tendenziell konfrontativen Zusammenarbeit hat der Lieferant auch in diesem Kontext noch umfassende Anreize einer Manipulation seiner Kosteninformationen. Allerdings werden diese dadurch verringert, dass der Lieferant insbesondere bei einer wahrheitsgemäßen Darstellung seiner Kosteninformationen von der Unterstützung durch den Einkauf profitieren kann. Je stärker die Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer dabei kooperative Züge annimmt, umso eher muss der Lieferant bei einer Aufdeckung seiner Fehlinformationen durch den Abnehmer mit einer erheblichen Verschlechterung des Beziehungskontextes rechnen. Neben der Manipulationsgefahr stellt aus Lieferantensicht eine potenzielle Datenweitergabe an Wettbewerber eine Gefahr dar: Je nachdem wie detailliert Kostenbenchmarks ausgearbeitet werden und wie überschaubar der Lieferantenmarkt insgesamt ist, können unter Umständen selbst nach einer Anonymisierung oder Aggregation der Daten durch den Abnehmer noch Rückschlüsse der Wettbewerber z.B. auf den Materialeinsatz oder innovative Produktionsprozesse beim betrachteten Lieferanten gezogen werden. Dies wiederum kann zu einem Verlust eines Wettbewerbsvorteils führen, den der Lieferant offensichtlich vermeiden will. Problematisch in diesem Zusammenhang ist auch der oftmals sehr aufwändige Prozess seitens des Lieferanten, um die Kosteninformationen in die vom Abnehmer geforderten Art und Weise bereitzustellen. Zur Umsetzung von OBA Typ II wird der Abnehmer zunächst auf eine obligatorische Offenlegung durch den Lieferanten drängen müssen. Um die Manipulationsgefahr zu verringern sind dabei umfangreiche Hinweise hinsichtlich potenzieller Vorteile für den Lieferanten zu erbringen. Hierbei kann z.B. darauf hingewiesen werden, dass selbst wenn Kostensenkungen in der betrachteten Austauschbeziehung vollständig über Preissenkungen an den Abnehmer fallen, der Lieferant nicht nur seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem betrachteten Abnehmer steigert, sondern auch in Geschäftsbeziehungen mit anderen Kunden profitieren kann: Sei es, dass er dort ebenfalls günstiger anbieten und so ggf. zusätzliche Auftragsvolumina für sich sichern kann, oder dass er bei gleichem Preisniveau und Auftragsvolumen durch die Kostensenkung einen höheren Gewinn erwirtschaftet. Umfassende Diskussionen zur Verwen-
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C Implikationen
dung der Kosteninformationen gerade auch im Hinblick auf die nötige Geheimhaltung sind mit dem Lieferanten zu führen, um Akzeptanz gegenüber Open Book Accounting und damit auch eine Motivation zur wahrheitsgemäßen Offenlegung zu schaffen bzw. zu steigern. Je mehr abnehmerseitig auch ein Kostenmanagementziel vorliegt, sind zudem die Umsetzbarkeit der Maßnahmen zu hinterfragen sowie eine faire Gewinnverteilung mit dem Lieferanten zu diskutieren. Weiterhin muss der zur Bereitstellung der Kosteninformationen erforderliche Bearbeitungsaufwand auf Lieferantenseite so gering wie möglich gehalten werden, um auch beim Lieferanten ein zufriedenstellendes Verhältnis von Aufwand zu Ertrag zu erreichen. Standardisierungsbemühungen kommt hier eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. dazu ausführlich Abschnitt 6.2.3). Letztlich muss der Abnehmer wie auch bereits in der Darstellung zum OBA Typ I auch hier die Validität der Kosteninformationen kritisch hinterfragen, auch um Manipulationsanreize seitens des Lieferanten zu verringern. Tab. 16 stellt die Ausführungen zur Nutzung von Open Book Accounting als Instrument zur Identifikation von Kostennachteilen vor dem Hintergrund einer mangelnden Umsetzungsorientierung im Überblick dar.
6 Open Book Accounting in der Praxis
209
OBA Typ II Primärziel Open Book Accounting
x Erhöhung Preisdruck bei gleichzeitiger Identifikation von Kostenineffizienzen
Aufzeigen von Kostennachteilen gegenüber Wettbewerb (Benchmarking)
Konkrete Hinweise bezüglich möglicher Maßnahmen
x Preissenkungsforderung unabhängig von Umsetzung der Kostensenkung
Konzeption der Lieferantenbeziehung
Umsetzung vollständig im Verantwortungsbereich des Lieferanten
Bei ausbleibender Umsetzung lediglich Margenverschiebung zugunsten des Abnehmers
x Weitgehend konfrontativ mit starkem Wettbewerbsfokus x Kooperationstendenz bei konkreten (brauchbaren) Hinweisen auf Kostenineffizienzen
Anwendungsbereich
x Begrenzte strategische Wichtigkeit des untersuchten Produktes x Starker Wettbewerb auf Lieferantenseite, aber weniger starke Austauschbarkeit der Lieferanten oder Vorliegen eines bevorzugten Lieferanten
Machtverhältnis und Beziehungskontext
x Abnehmermacht, aber weniger deutlich ausgeprägt als bei OBA Typ I x Entstehung Vertrauensverhältnis in Abhängigkeit der vom Lieferanten wahrgenommenen Vor- und Nachteile seiner Offenlegung möglich, aber nicht erforderlich
Kerntreiber Offenlegung
Komplikationen und Lieferantenreaktionen
x Zunächst Zwang x Bei positiven Erfahrungen im Zeitablauf steigende Bereitschaft seitens des Lieferanten zu erwarten x Grundsätzlich starke Anreize zur Manipulation der Kosteninformationen durch den Lieferanten, aber
Möglichkeit Identifikation Kostenineffizienzen insbesondere bei wahrheitsgemäßer Offenlegung
Gefahr Verschlechterung Beziehungskontext bei Aufdeckung Manipulation
x Befürchtung Datenweitergabe an Wettbewerb im Zuge des Benchmarkingprozesses x Aufwändiger Prozess der Datenbereitstellung aufgrund mangelnder Standardisierung Wesentliche Maßnahmen auf Abnehmerseite
x Versuch Manipulationsgefahr zu verringern
Umfangreiche Hinweise an Lieferanten zu möglichen Vorteilen der Offenlegung
Umfassende Diskussionen zur beabsichtigten Verwendung der Kosteninformationen und Sicherstellung Geheimhaltung
Verweis auf kritische Untersuchung der Kosteninformationen der Lieferanten
x Abhängig von beabsichtigtem Kostenmanagementfokus Hinterfragen der Umsetzbarkeit von Maßnahmen x Reduzierung Bearbeitungsaufwand für Lieferanten
Tab. 16: Implementierungshinweise zum OBA Typ II: Aufzeigen Kostennachteile bei mangelnder Umsetzungsorientierung
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C Implikationen
OBA Typ III: Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen Eine Nutzung von Kostentransparenz zur Vereinfachung bzw. Objektivierung von Preisverhandlungen bzw. Preisänderungsdiskussionen findet sich insbesondere bei kooperativ geprägten Lieferantenbeziehungen und eignet sich bei langfristig orientierten Geschäftsbeziehungen, da nur in diesem Fall Preisänderungen überhaupt sinnvoll zu verhandeln sind. Vertrauen zwischen den Geschäftspartnern ist auch hier nicht zwingend erforderlich, wenngleich aber hilfreich. Die Motivation zur Offenlegung stellt dagegen in diesem Fall nicht der Abnehmerzwang dar, sondern beruht auf der beiderseitigen Überzeugung von den Vorteilen in Bezug auf die Abwicklung der Austauschbeziehung. Wesentlicher Anwendungsbereich dieses Ansatzes von Kostentransparenz sind auf der einen Seite diejenigen Produkte, die aufgrund ihres langen Lebenszyklus eine nur eingeschränkte Planbarkeit hinsichtlich der Kostenentwicklung aufweisen. Auf der anderen Seite eignet sich die Anwendung für diejenigen Produkte, bei denen über lange Entwicklungszeiträume hinweg noch umfangreiche Produktänderungen vorgenommen werden, die anschließend im Preis zu berücksichtigen sind. Entsprechende Produktänderungen können auch Ergebnis von Kostensenkungsinitiativen sein, deren Ergebniswirkung mittels Kostentransparenz bewertet werden kann. In diesem Fall ist auch eine Verbindung zum Kostenmanagement gegeben. Im Vergleich zu den beiden erstgenannten Ansätzen des Open Book Accounting finden sich hier nur geringe Anreize für den Lieferanten, seine Kosteninformationen zu manipulieren. Zum einen hat die Offenlegung annahmegemäß keinen unmittelbaren Einfluss auf die initiale Preissetzung (sie kann daher auch durchaus erst nach Auftragsvergabe stattfinden), sondern dient lediglich als Referenzpunkt für Veränderungen hinsichtlich der Kostensituation. Zum anderen würde sich der Lieferant bei einer Manipulation der Kosteninformationen insofern in Gefahr begeben, als dass sich tatsächliche Kostenänderungen ggf. nicht nachweisen lassen oder aufgrund einer falschen Kostenbasis nicht vollständig in der vereinbarten Preisänderung auswirken können. Weiterhin wird eine kooperativ geprägte Geschäftsbeziehung bei Aufdeckung von Manipulationen gestört. Probleme können dagegen aus einem nicht übereinstimmenden Kostenverständnis sowie nicht eindeutig formulierten Regeln entstehen. Als Maßnahme für eine Nutzung von Kostentransparenz zur Vereinfachung von Preisverhandlungen ist daher zunächst die Vereinbarung eindeutiger Regeln der Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Lieferanten erforderlich. Wichtige Elemente dieser Vereinbarung sind der Verzicht auf eine Diskussion zur Höhe der Gewinnmarge sowie die Akzeptanz der bestehenden Kostenstruktur als gemeinsame Nulllinie, von welcher aus Kostenänderungen eine klar definierte preisliche Berücksichtigung finden. Da nicht alle Eventualitäten in einem
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solchen Regelwerk abzubilden sind, sollten zumindest grobe Handlungsrahmen für nicht vorhersehbare Entwicklungen wie beispielsweise ein stark zunehmender Wettbewerbsdruck auf den Abnehmer diskutiert und vereinbart werden. Hierbei ist zu klären, in welchen Fällen von dem vereinbarten Preismechanismus abgewichen werden kann, so dass auch in einem verschlechterten Marktumfeld die grundsätzliche Nutzung der Kostentransparenz zur Unterstützung der Preisverhandlungen beibehalten werden kann, eine konfrontative Nutzung im Sinne des OBA Typs I jedoch vermieden wird. Da der Lieferant wie dargestellt nur eine geringe Motivation zur Manipulation seiner Kosteninformationen besitzt, ist lediglich die Angemessenheit der betreffenden Kostenänderungen seitens des Abnehmers zu validieren. Eine Übersicht zu den hier dargestellten Hinweisen für eine Nutzung von Kostentransparenz zur Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen findet sich in Tab. 17.
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C Implikationen
OBA Typ III Primärziel Open Book Accounting
Konzeption der Lieferantenbeziehung
Anwendungsbereich
x Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen
Vereinbarung einer gemeinsamen „Nulllinie“ zu Beginn einer Auftragsbeziehung
Preisänderungen als Ergebnis a priori festgelegter Regeln (z.B. Preisgleitklauseln, Veränderung Produkt(ions)parameter
x Kooperative Prägung der Lieferantenbeziehung x Vereinfachung und Versachlichung der Diskussion mit Vorteilen für beide Vertragspartner (Win/Win) x Produkte mit langen Lebenszyklen und entsprechend eingeschränkter Planbarkeit der Kostenentwicklung x Produkte mit langen Entwicklungsdauern und umfangreichen Produktänderungen nach Auftragsvergabe, auch im Rahmen von Kostensenkungsmaßnahmen
Machtverhältnis und Beziehungskontext
x Abnehmermacht und Machtsymmetrie x Langfristig orientierte Geschäftsbeziehungen (vgl. Anwendungsbereich) x Vertrauen nicht erforderlich aber förderlich
Kerntreiber Offenlegung
x Beiderseitige Überzeugung von den Vorteilen in Bezug auf die Abwicklung der Geschäftsbeziehung
Komplikationen und Lieferantenreaktionen
x Nur geringe Anreize zur Manipulation der Kosteninformationen
Offenlegung ohne Auswirkung auf initiale Preissetzung
Nichtnachweisbarkeit von Kostenänderungen bei Manipulation
Gefährdung kooperative Beziehung bei Aufdeckung einer Manipulation
x Missverständnisse aufgrund abweichender Kostenverständnisse und unklar definierter Regeln Wesentliche Maßnahmen auf Abnehmerseite
x Vereinbarung eindeutiger Regeln der Zusammenarbeit
Verzicht Diskussion Gewinnmarge und Akzeptanz bestehende Kostenstruktur als Nulllinie
Verabschiedung eines groben Handlungsrahmens für nicht vorhergesehene Entwicklungen: Voraussetzungen für Abweichung von Regeln
x Validierung der Angemessenheit der vom Lieferanten veranschlagten Kostenänderungen
Tab. 17: Implementierungshinweise zum OBA Typ III: Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen
OBA Typ IV: Interorganisationales Kostenmanagement Da die Durchführung eines interorganisationalen Kostenmanagements mit finanziellen Vorteilen für beide Geschäftspartner einhergeht, lässt es sich grundsätzlich sowohl bei Abnehmermacht als auch bei einer Machtsymmetrie realisieren. Die empirischen Befunde deuten darauf hin, dass eine Offenlegung bei Lieferantenmacht normalerweise an der Ablehnung des Lieferanten scheitert, allerdings kann unter bestimmten Voraussetzungen auch in einer sol-
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chen Machtkonstellation ein interorganisationales Kostenmanagement gelingen. In dem Fall sind eine stabile und langfristig orientierte Geschäftsbeziehung sowie eine in der Vergangenheit vertrauensvolle Zusammenarbeit umso wichtiger für das Gelingen. Der Kerntreiber einer Offenlegung ist bei diesem Ansatz zum Open Book Accounting kein ausgeübter Zwang, sondern die beiderseitige Überzeugung, mittels Kostentransparenz die Wettbewerbsfähigkeit steigern zu können. Externer Marktdruck, Lösungen finden zu müssen, die isoliert und ohne Kostentransparenz nicht umsetzbar sind, stellt dagegen einen wesentlichen Anreiz zur Offenlegung dar. Eine Zusammenarbeit im Rahmen eines OBA Typ IV eignet sich für vor allem für strategisch wichtige Produkte. Sie bietet sich zudem besonders dann an, wenn durch das interorganisationale Kostenmanagement ein besonders hoher Kosteneinfluss zu erwarten ist und im Idealfall bereits in der Entwicklungsphase mit der Kooperation begonnen werden kann. Die im Rahmen des interorganisationalen Kostenmanagements umfassende Transparenz, die idealerweise als beiderseitige Offenlegung gestaltet wird, setzt beide Vertragspartner einer hohen Verwundbarkeit durch eine absprachewidrige Nutzung oder Weitergabe der Daten an andere Marktteilnehmer aus. Diese Gefahr stellt sich umso mehr, als dass wie oben dargestellt eine Offenlegung möglichst früh im Produktentwicklungsprozess stattfinden sollte, wo innovative Ideen besonders vor dem Zugriff des Wettbewerbs zu schützen sind. Ein weiteres mögliches und die Zusammenarbeit schädigendes Problem stellt die Verteilung der Kooperationsgewinne auf die beteiligten Unternehmen dar: Je mehr ein Partner bei der Verteilung eine vorliegende Machtposition zu seinen Gunsten einsetzt, desto eher verliert die Zusammenarbeit den kooperativen Charakter und ruft auch konfrontative Gegenreaktionen hervor. So kann bei fehlender finanzieller Attraktivität für den Lieferanten eine mangelnde Motivation zur Zusammenarbeit erwartet werden. Der Lieferant wird daraufhin nicht nur wenig eigenen Einsatz in der Kooperation leisten, sondern zudem auch Anreize finden, sich durch Manipulation der Kosteninformationen zusätzliche finanzielle Vorteile zu schaffen. Im Rahmen einer kooperativen Zusammenarbeit mit a priori definierten und fair verteilten Kooperationsgewinnen finden sich dagegen nur wenige Anreize für eine Manipulation der Kosteninformationen. Eine wesentliche Maßnahme zum Gelingen eines interorganisationalen Kostenmanagements ist daher auch die einvernehmliche Verständigung auf eine Gewinnverteilung vor Beginn der Kooperation sowie die Einhaltung der vereinbarten Regeln im Zeitverlauf, um sowohl gegenseitige Motivation zur Mitarbeit sicherzustellen als auch Manipulationsanreize zu verhindern. Anders als bei den bisher genannten Ansätzen zum Open Book Accounting eignet sich eine weitgehend auf Cost-Breakdowns gestützte Analyse nicht dafür, im Rahmen eines interorga-
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C Implikationen
nisationale Kostenmanagement eingesetzt zu werden. Idealerweise wird die Kostenstruktur und –höhe der Ausgangssituation stattdessen in gemeinsamen Workshops erarbeitet. Sofern es zielführend erscheint, sollte dabei grundsätzlich auch eine gegenseitige Offenlegung der relevanten Kosteninformationen in Erwägung gezogen werden. Durch ein solches Vorgehen wird nicht nur das beiderseitige Vertrauen in die Validität der Kosteninformationen gestärkt, die Diskussion wird damit auch bereits bei der Erhebung der Ausgangskosten auf die wesentlichen Kosteneinflussgrößen gelenkt. Sofern Prozess- und/oder Produktanpassungen vereinbart werden, sind die Kosteneffekte wiederum gemeinsam zu bewerten und gemäß der im Voraus vereinbarten Verteilungsregeln auf die beteiligten Unternehmen zu verteilen. Letztlich muss in den Regeln auch festgehalten werden, dass die Geheimhaltung von Kosten- und Prozessinformationen sichergestellt werden muss. Da der Nachweis einer missbräuchlichen Datenverwendung vielfach nur schwierig zu erbringen sein dürfte und damit vertragliche Sanktionsmechanismen wenig Bindungskraft haben, bietet sich auch aus diesem Grund eine gegenseitige Offenlegung sensibler Informationen an. Dieser „Geiseltausch“ signalisiert den Kooperationswillen und liefert zudem eine Sanktionsmöglichkeit für den potenziell geschädigten Vertragspartner.
6 Open Book Accounting in der Praxis
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OBA Typ IV Primärziel Open Book Accounting
x Verbesserung der gemeinsamen Kostensituation
Konzeption der Lieferantenbeziehung
x Kooperation mit akzeptierten Vorteilen für beide Vertragspartner (Win/Win)
Anwendungsbereich
x Strategisch wichtige Produkte
Identifikation von Kostensenkungen, insbesondere auch durch Optimierungen in Schnittstellenbereichen oder durch Zusammenarbeit in der Produktentwicklung
Implementierung der identifizierten Lösung
x Kooperative Prägung der Lieferantenbeziehung x Hoher erwarteter Kosteneinfluss, Start der Kooperation in Entwicklungsphase Machtverhältnis und Beziehungskontext
x Machtsymmetrie und Abnehmermacht, unter Umständen auch bei Lieferantenmacht x Stabile und langfristige Beziehung, vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Vergangenheit
Kerntreiber Offenlegung
x Beiderseitige Überzeugung, mittels Kostentransparenz Wettbewerbsfähigkeit steigern zu können x Zwang zur Verbesserung der Kostensituation durch externen Marktdruck
Komplikationen und Lieferantenreaktionen
x Umfassende Transparenz mit Gefahr der absprachewidrigen Nutzung der Kosteninformationen x Grundsätzlich nur geringe Anreize zur Manipulation der Kosteninformationen x Mangelnde Motivation zur Zusammenarbeit sowie Schaffung von Anreizen zur Manipulation der Kosteninformationen bei fehlender wahrgenommener finanzieller Attraktivität
Wesentliche Maßnahmen auf Abnehmerseite
x Einvernehmliche Verständigung auf Gewinnverteilung vor Beginn der Kooperation x Gemeinsame Erarbeitung der Kosteninformationen, nicht lediglich Austausch von Cost-Breakdowns. Sofern zielführend auch gegenseitiger Austausch
Steigerung Vertrauen in Datenvalidität
Frühzeitige Identifikation der wesentlichen Kosteneinflussgrößen
Gegenseitiger Austausch zur Signalisierung des Kooperationswillens („Geiseltausch“)
x Verteilung der realisierten Kostensenkungen gemäß Gewinnverteilungsregel auf beteiligte Unternehmen
Tab. 18: Implementierungshinweise zum OBA Typ IV: Interorganisationales Kostenmanagement
Die in diesem Abschnitt dargestellte Nutzung von Open Book Accounting im Rahmen eines interorganisationalen Kostenmanagements stellt die bisher in der theoretischen Diskussion vornehmlich diskutierte Anwendung dar. Auch wenn der zu erwartende Ergebniseinfluss für Lieferant und Abnehmer bei einer derartigen Zusammenarbeit in der Regel hoch ist, bietet sich eine derart enge und kooperative Zusammenarbeit wie gezeigt wurde nicht für alle Situationen an. Die Marktsituation, das Machtverhältnis der beteiligten Unternehmen, die strategi-
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C Implikationen
sche Wichtigkeit des betreffenden Produktes und auch die zu erwartenden individuellen Ergebniseinflüsse unter Berücksichtigung des entstehenden Koordinationsaufwandes sind wesentliche Einflussfaktoren, die bei der Wahl der „richtigen“ Nutzung von Open Book Accounting eine Rolle spielen.
6.2 Erhöhung von Effektivität und Effizienz in der Nutzung von Open Book Accounting Bereits die im letzten Kapitel hergeleiteten Hinweise zur Umsetzungsgestaltung unterstützen eine effektive und effiziente Nutzung von Kosteninformationen. In diesem Abschnitt werden ergänzend hierzu weitere Einzelmaßnahmen dargestellt, mittels derer die Effektivität und Effizienz eines Austausches von Kosteninformationen erhöht werden kann. Neben der Durchführung einer bewussten Auswahl der zu untersuchenden Produkte kommt hierbei auch der Mitarbeiterqualifizierung eine wichtige Rolle zu. Letztlich wird auch die bereits mehrfach angesprochene (fehlende) Standardisierung von Kosteninformationen weiter thematisiert. 6.2.1
Bewusste Auswahl der zu untersuchenden Produkte
Unabhängig von dem verfolgten Open Book-Ansatz bindet der Austausch von Kosteninformationen zum Teil erhebliche personelle Kapazitäten seitens des Lieferanten aber auch des Abnehmers. Da der Lieferant versuchen wird, die im Rahmen des Open Book Accounting entstehenden zusätzlichen Verwaltungskosten über den Preis an den Abnehmer weiterzugeben, und auch jede einkaufseitig erfolgende Auswertung der Lieferanten-Kosteninformationen Kosten erzeugt, liegt es im Interesse des Abnehmers, eine bewusste und enge Auswahl der mittels Open Book Accounting zu untersuchenden Produkte vorzunehmen. Wie bereits bei der Untersuchung der gegenwärtigen Nutzung von Open Book Accounting aus Sicht des Einkaufs festgestellt wurde, wird Kostentransparenz insbesondere bei einem hohen Einkaufsvolumen sowie einer hohen Produktkomplexität bzw. einer umfangreichen Wertschöpfung seitens des Lieferanten gewünscht (vgl. Abschnitt 4.3.2.1). Ein hohes Einkaufsvolumen wird daher auch an dieser Stelle als wesentliches Anforderungskriterium für alle Formen von Open Book Accounting gesehen, da sich die entstehenden Transaktionskosten bei geringen Einkaufsvolumina nicht durch erwartete Einsparungen überkompensieren lassen. Tendenziell bietet sich Open Book Accounting vor allem für Produkte an, die im Rahmen einer Serienfertigung über einen längeren Zeitraum in hoher Stückzahl gefertigt werden: Kostensenkungen, die im Rahmen eines OBA Typ II oder IV identifiziert und umgesetzt werden, können daraufhin laufend wieder realisiert werden. Auch die Nutzung von OBA Typ III ist vor allem bei einer langfristigen Auftragsbeziehung sinnvoll, weil erst dann der Abbildung von Kostenschwankungen größere Wichtigkeit zuteil wird. Im Vergleich zu Einzelfertigungen mit einem
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hohen Einkaufsvolumen (z.B. eine individuell konstruierte Fertigungsanlage) ist zudem die Kostenstruktur eines in Serie gefertigten Produktes, das aufgrund der Fertigungsstückzahl ein vergleichbares Einkaufsvolumen aufweist, überschaubarer und damit auch erheblich einfacher zu analysieren. Neben der absoluten Höhe des Einkaufsvolumens eines Produktes ist weiterhin entscheidend für die Umsetzung eines Open Book Accounting, inwiefern sich die Produktkosten durch Kostentransparenz überhaupt positiv beeinflussen lassen (außer bei OBA Typ III, da in dem Fall lediglich die Senkung von Transaktionskosten im Fokus steht). In dieser Hinsicht sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen muss die Wertschöpfung des Lieferanten ausreichend hoch sein, so dass nennenswerte Reduzierungen beim betrachteten Lieferanten überhaupt möglich sind, ohne unmittelbar weitere Wertschöpfungsstufen in die Analyse einzubeziehen (bei OBA Typ I kann ein hoher erwarteter Gewinn des Lieferanten eine hohe Wertschöpfung desselben ersetzen, da in diesem Fall auch durch eine Margenverschiebung das verfolgte Ziel erreicht wird). Zum anderen sollte vor Beginn der Untersuchung realistisch abgeschätzt werden, wie schwierig sich die Umsetzung von Kosten- oder Preissenkungen gestalten wird. Eine wie hier vorgeschlagene Begrenzung von Open Book Accounting auf die „richtigen“ Produkte führt damit dazu, dass das verfolgte Ziel, sei es die Realisierung von Preis- oder Kostensenkungen, zu einem hohen Maße auch erreicht wird. Die Fokussierung auf die „richtigen“ Produkte unterstützt zudem einen effizienten Ressourceneinsatz auf Seiten des Abnehmers und des Lieferanten, da nur diejenigen Untersuchungen überhaupt vorgenommen werden, aus denen auch ein relevanter positiver Ergebnisbeitrag zu erwarten ist. 6.2.2
Maßnahmen zur Mitarbeiterqualifizierung
Im Abschnitt 4.3.1.4 wurde festgestellt, dass ein ideales Qualifikationsniveau im Einkauf oftmals nicht besteht. Im Hinblick auf die Nutzung von Kosteninformationen der Lieferanten stellen sich jedoch hohe Anforderungen an den Einkäufer, die durch adäquate Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen sind. So muss sichergestellt sein, dass der Mitarbeiter eine bewusste und systematische Anwendung von Open Book Accounting im Einkaufsprozess beherrscht. Die Auswahl der mittels Kostentransparenz näher zu untersuchenden Produkte gehört ebenso hierzu wie die individuelle Auswahl des in der jeweiligen Situation geeigneten Open Book-Ansatzes sowie die Beachtung der jeweils zugrunde liegenden Implikationen der Anwendung. Weiterhin muss dem Einkäufer bewusst sein, welche Schwierigkeiten aus Sicht der Lieferanten mit der Offenlegung ihrer Kosteninformationen verbunden sind (vgl. Abschnitt 5.3.3), inwiefern die Lieferanten zu einer Manipulation der Kosteninformationen neigen (vgl. Abschnitt 5.3.4) sowie durch welche Maßnahmen sich eine höhere Akzeptanz der
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C Implikationen
Lieferanten gegenüber der Kostentransparenz erzielen lässt (vgl. Abschnitt 5.3.5). Auch Möglichkeiten zur Plausibilisierung der Kosteninformationen der Lieferanten muss der Einkäufer selbst beherrschen bzw. auf hierauf spezialisierte Fachkräfte zurückgreifen können (vgl. Abschnitt 4.3.2.4). Sofern durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen eine systematische Anwendung von Open Book Accounting erreicht wird und zudem dem Einkaufsmitarbeiter die zugrundeliegenden Rahmenbedingungen verdeutlicht werden, ist bereits von einer besseren Effektivität der Nutzung von Kostentransparenz auszugehen, da das Instrument zielgerichtet umgesetzt wird und auftretende Probleme - da sie dem Einkäufer bewusst sind - gelöst werden können. Sowohl Effektivität als auch Effizienz im Umgang mit Kostentransparenz wird jedoch weiterhin behindert durch ein fehlendes Detailverständnis zur Kostenrechnung auf Seiten des Einkaufs. Die Effektivität des Open Book Accounting behindert ein unzureichendes Kostenverständnis in der Hinsicht, dass zwar Kostendaten des Lieferanten erhoben und ausgewertet werden, bei der Auswertung jedoch entweder die falschen Schlüsse aus den Daten gezogen werden oder aber ungeeignete Analysen herangezogen werden. Ein Beispiel für eine fehlerhafte Interpretationsmöglichkeit eines Kostenbenchmarks wurde in Abschnitt 4.3.2.6 dargestellt, bei der der Zusammenhang zwischen Personal- und Maschinenfertigungskosten nur unzureichend berücksichtigt wird. Die Anforderungen an den Einkäufer bezüglich der nötigen Kostenrechnungskompetenz sind dabei je nach verfolgtem Ansatz des Open Book Accounting unterschiedlich: Da bei OBA Typ I die Kosteninformationen nur zur Preisargumentation herangezogen werden, muss der Einkäufer hier weniger ein Verständnis für die Entstehung der Kosten aufweisen und Unterschiede zwischen einzelnen Lieferanten im Detail verstehen. Er muss stattdessen die argumentative Ausnutzung der ihm vorliegenden Kosteninformationen im Rahmen von Preisverhandlungen beherrschen und zudem potenzielle Manipulationen des Lieferanten aufdecken können. Grundsätzlich ähnlich niedrige Ansprüche an das Kostenverständnis der Einkaufsmitarbeiter sind auch für die Durchführung eines OBA Typ II zu konstatieren. Je mehr jedoch der Fokus auf Kostenmanagement gerichtet ist und je eher das Verhältnis zum Lieferanten kooperativ geprägt ist, desto eher muss der Einkäufer auch die Umsetzbarkeit der von ihm identifizierten potenziellen Kostennachteile des Lieferanten beurteilen können. Dazu ist es offensichtlich erforderlich, dass er die Einschränkungen der von ihm vorgenommenen Analysen kennt. Den höchsten Anspruch an die Kostenkompetenz des Einkaufs verlangt die Nutzung von Kostentransparenz im Rahmen eines OBA Typ IV: Da hier gemeinsam mit dem Lieferanten nach Möglichkeiten zur Kostensenkung bei beiden Unternehmen gesucht wird, muss der Mitarbeiter in der Lage sein, Kostenwirkungen über unterschiedliche Kostenrech-
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nungssysteme hinweg zu analysieren und gemeinsam mit dem Lieferanten zu bewerten. Entsprechendes gilt in Ansätzen auch für OBA Typ III, insbesondere sofern die Auswirkungen von Produktänderungen im Rahmen der Produktentwicklung auf die Kosten zu beurteilen sind. Bei einem unzureichenden oder zwischen Einkauf und Vertrieb voneinander abweichenden Kostenverständnis sind nicht wertschaffende Kostendiskussionen zu erwarten, die weniger die den Kosten zugrunde liegenden technischen Inhalte betreffen, sondern vielmehr auf „richtige“ und „falsche“ Kostenbegriffe abzielen. Diese Diskussionen sind nicht nur unbefriedigend für beide Vertragspartner, sind zudem nicht effizient, weil das gleiche Ergebnis bei einer besseren Qualifikation der beteiligten Personen in kürzerer Zeit zu erzielen gewesen wäre. Eine Untersuchung der Qualifikation der Vertriebsseite wurde in dieser Arbeit nicht vorgenommen, allerdings zeigt das vorgenannte Beispiel, dass auch hier ein ausreichendes Kostenverständnis vorliegen muss, sofern Kosteninformationen mit dem Abnehmer zu diskutieren sind. Gerade auch vor dem Hintergrund einer Nutzung der Kostentransparenz nach OBA Typ I oder II durch den Abnehmer ist es erforderlich, dass der Vertriebsmitarbeiter entweder die Kostenrechnung im Detail versteht und auf Konsistenz zwischen einzelnen Angaben achtet, oder aber durch Kostenrechnungsexperten seines Unternehmens unterstützt wird, um Missverständnisse zu vermeiden und keine unnötigen Angriffspunkte für den Abnehmer zu bieten. Auch über vertriebliche Qualifikationsmaßnahmen muss entsprechend der Umgang mit Kostentransparenz geschult werden. 6.2.3
Standardisierung von Kostenverständnis sowie Struktur und Inhalt von CostBreakdown-Formularen
Im letzten Abschnitt wurde dargestellt, dass unterschiedliche Kostenverständnisse zu Missverständnissen und unnötigen Diskussionen zwischen Abnehmer und Lieferant führen können. Auch wenn Qualifikationsmaßnahmen für diese Problematik sensibilisieren können, wird damit der eigentliche Grund für die Problematik, die fehlende Standardisierung zwischen unterschiedlichen Kostenrechnungssystemen, nicht behoben. Vor dem Hintergrund, dass der Austausch von Kosteninformationen in der betriebswirtschaftlichen Literatur bisher nur sehr eingeschränkt untersucht wurde (vgl. Abschnitt 2.2.5) ist auch das Problem uneinheitlicher und damit nur begrenzt zwischen Unternehmen vergleichbarer Kosteninformationen bisher nur unzureichend erforscht. So fordert zwar Wente (2008) die „Bereitstellung eines einheitlichen Informationssystems zur Verfügbarmachung der erforderlichen entscheidungsunterstützenden Führungsinformationen für alle Mitglieder des Wertschöpfungsnetzwerkes“ als eine Aufgabe des Controllings in Unternehmensnetzwerken der Automobilindustrie (S. 232). Konkrete Vorschläge zur Umsetzung dieser Forderung unterbleiben an der Stelle jedoch.
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C Implikationen
Andere Autoren beschäftigen sich in Bezug auf die Standardisierung von Controllingsystemen mit der Harmonisierung derselben innerhalb internationaler Konzernstrukturen: So weisen Reichmann/Kusterer (2007) auf die Erfordernis einer unternehmensweit standardisierten Kosten- und Leistungsrechnung sowie der „betriebswirtschaftlichen Instrumente und deren Interpretation“ hin, um beispielsweise Vergleiche zwischen internationalen Werken vornehmen zu können (S. 199f.). Hoffjan/Weide (2006) verweisen auf einen reduzierten Koordinationsaufwand durch ein standardisiertes internationales Controlling (S. 392), betonen jedoch gleichsam, dass selbst innerhalb der Unternehmensgrenzen eine vollständige Standardisierung nicht erfolgen könne, da dadurch lokale Besonderheiten vernachlässigt würden und Flexibilität verloren gehe (S. 398). Auf das Problem der sich infolge einer unternehmensweiten Standardisierung des Controllings ergebenden Unberücksichtigbarkeit lokaler Spezifika weist zudem Hoffjan (2008) hin. Möller/Stoi (2002) stellen folgerichtig dar, dass derzeit in Bezug auf das „interne Rechnungswesen länderspezifische Management- und Controllingphilosophien“ existieren, aus denen ein „erheblicher Koordinations- und Kontrollaufwand“ resultiere (S. 565f.). Auch wenn derzeit eine deutliche Tendenz zur Standardisierung im internationalen Controlling zu beobachten ist, muss berücksichtigt werden, dass dies mit erheblichen Anstrengungen verbunden ist und sich der Angleichungsprozess selbst innerhalb eines Konzerns regelmäßig über mehrere Jahre hinzieht (Hoffjan/Weide 2006, S. 396–398). Als begünstigender Treiber einer Standardisierung wird die vermehrte Nutzung von Daten des externen Rechnungswesens für das Controlling angesehen (Hoffjan/Weide 2006, S. 399). Gerade auch die weitverbreitete Anwendung standardisierter Unternehmenssoftware (z.B. SAP) begünstigt die internationale Vereinheitlichung von Controllingstandards (Hoffjan 2008, S. 659). Vor dem Hintergrund, dass eine Harmonisierung von Controllingsystemen selbst innerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, wird deutlich, dass eine Standardisierung von Kostenrechnungssystemen zwischen Lieferant und Abnehmer bzw. zwischen verschiedenen Lieferanten eines Abnehmers ein besonders ehrgeiziges, wenn nicht sogar utopisches Vorhaben ist. Gleichwohl bietet die vermehrte Nutzung von standardisierter Unternehmenssoftware die Möglichkeit zur Definition und Verbreitung von Industriestandards zur Berechnungsmethodik derjenigen Kostenelemente, denen im Rahmen eines Open Book Accounting besondere Wichtigkeit zukommt. Hierbei sind vor allem Standards für die Berechnung von Material- und Fertigungskosten (jeweils Einzel- und Gemeinkosten) relevant, da diese kurzfristigen Änderungen unterliegen können und gleichsam durch Änderungen am Produkt unmittelbar beeinflusst werden können.
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Neben den uneinheitlichen Berechnungsmethodiken, deren Angleichung ein anspruchsvolles Unterfangen sein dürfte, führt auch die Vielzahl der verwendeten Cost-Breakdown-Formulare zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand sowie einer vergrößerten Fehleranfälligkeit der Kosteninformationen auf Seiten des Lieferanten. Auch wenn sich die konkrete Formularstruktur in der Regel unterscheidet, wurde in Tab. 10 bereits deutlich, dass oftmals die gleichen Kostenelemente von den Lieferanten gefordert werden. Eine Vereinheitlichung des Aufbaus und der in den Formularen geforderten Inhalte erlaubt bei Vorliegen einheitlicher Berechnungsmethodiken die Entwicklung von Schnittstellen, mit denen Formatvorlagen entweder automatisch aus dem (Vor-) Kalkulationsprogramm des Lieferanten gefüllt werden können oder die Informationen auch direkt elektronisch an den Abnehmer übermittelt und dort weiterverarbeitet werden können. Der manuelle Bearbeitungsaufwand im Zusammenhang mit Open Book Accounting würde so auf Lieferantenseite reduziert werden. Gleichzeitig sind auch für den Abnehmer diesbezüglich Vorteile zu erwarten, da weniger Nachfragen zu den Kosteninformationen beim Lieferanten nötig werden und zudem Abweichungen vom vereinbarten Standard geringer ausfallen dürften. Nicht zuletzt führt die Standardisierung auch zu einer geringeren Fehleranfälligkeit bei der Erstellung der Kosteninformationen mit Vorteilen für Lieferant und Abnehmer. Eine Entwicklung geeigneter unternehmensübergreifender Standards kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Ein mögliches Vorgehen stellt eine zunächst industriespezifische Entwicklung unter Einbeziehung relevanter Industrieverbände dar. Vor dem Hintergrund der dort weiten Verbreitung und umfassenden Erfahrung im Umgang mit Kostentransparenz bietet sich hier der Automobil- und Fahrzeugbau als Pilotindustrie an. Im Rahmen der Abstimmungsgespräche müssen dabei nicht nur die vorliegenden kostenrechnerischen Fragestellungen gelöst werden, sondern auch die mit dem Austausch von Kosteninformationen verbundenen Schwierigkeiten, insbesondere auch mögliche Datenmanipulationen, offen diskutiert werden. Angesichts der erreichbaren Vorteile der hier propagierten Angleichung von Kostenverständnis sowie Struktur und Inhalt von Cost-Breakdown-Formularen für Lieferant und Abnehmer erscheint eine Verfolgung dieses Zieles jedoch lohnenswert.
6.3 Open Book Accounting im Dienstleistungseinkauf Im Vordergrund dieser Arbeit steht die Nutzung von Open Book Accounting im Rahmen der Beschaffung von Produkten. Da mittlerweile aber immer mehr Hersteller ihre Produkte mit Serviceangeboten verbinden um den Produktnutzen für ihre Kunden zu erhöhen (van der Valk 2008, S. 301), und das Angebot von Dienstleistungen insgesamt an Bedeutung gewinnt (Lindberg/Nordin 2008, S. 292) soll an dieser Stelle eine kurze Bewertung stattfinden, inwie-
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C Implikationen
fern sich Open Book Accounting auch für den Einkauf von Dienstleistungen eignet und welche Besonderheiten zu beachten sind. Dienstleistungen, Services und Serviceangebote werden dabei im Folgenden synonym verwendet. Zunächst gilt festzuhalten, dass der Einkauf von Dienstleistungen anderen Regeln unterliegt als die Beschaffung von Produkten (vgl. z.B. Wittreich 1966, S. 127; Webster 1993, S. 199; Lindberg/Nordin 2008, S. 293). Das für den Einkauf von Produkten vorhandene Wissen kann so nicht unmittelbar auf die Dienstleistungsbeschaffung übertragen werden (van der Valk 2008, S. 302), womit für den Servicekontext auch die Eignung von Open Book Accounting erneut zu untersuchen ist. Als wesentlicher Grund dafür, dass für Dienstleistungen andere Regeln gelten als für Produkte wird in den von Produkten abweichenden Eigenschaften von Dienstleistungen gesehen: Der wesentliche Unterschied zwischen Dienstleistungen und Produkten wird in der wissenschaftlichen Literatur übereinstimmend in der Immaterialität (intangibility) von Dienstleistungen gesehen (Zeithaml/Parasuraman/Berry 1985, S. 33). Dienstleistung können nicht wie Produkte gesehen, gefühlt, geschmeckt oder berührt werden (Zeithaml/Parasuraman/Berry 1985, S. 33). Nach Knoblich/Oppermann (1996) zielt ein Anbieter von Dienstleistungen nicht auf die Herstellung eines physischen Gutes ab, sondern verrichtet lediglich eine Tätigkeit, die einen gegebenenfalls materiellen Faktor verändert (S. 16). Meffert/Bruhn (2009) geben in diesem Zusammenhang das Beispiel eines Betreibers einer Autowaschanlage, der nicht das materielle Gut „saubere Autos“ produziert, sondern die bereits existierenden Produkte durch seine Dienstleistung (Reinigung) wieder in einen sauberen Zustand versetzt und damit eine immaterielle Leistung erbringt (S. 43). Als weitere differenzierende Merkmale von Dienstleistungen werden die Nichttransportfähigkeit (inseparability of production and consumption), Nichtlagerfähigkeit (perishability) sowie Heterogenität (heterogeneity) genannt, die allesamt aus der Immaterialität der Dienstleistung resultieren (Fitzsimmons/Noh/Thies 1998, S. 373). Einen Überblick zum Dienstleistungsbegriff und unterschiedliche Definitionen des Begriffs liefern Corsten/Gössinger (2007, S. 21-31) und gehen dabei auch kritisch auf die oben dargestellten konstituierenden Merkmale von Dienstleistungen ein. Aufgrund der genannten Serviceeigenschaften gestaltet sich der Einkauf von Dienstleistungen vergleichsweise schwierig: Sowohl der Vergleich von Preisen verschiedener Serviceangebote ist aufgrund der Heterogenität der Angebote verglichen mit Produkten schwieriger (Hoffman/Turley/Kelley 2002, S. 1019) als auch die Evaluation der erbrachten Leistung im Nachhinein, da Spezifikationen von Dienstleistungen weniger präzise formuliert sind (Wittreich 1966, S. 127; Fitzsimmons/Noh/Thies 1998, S. 371; Ellram/Tate/Billington 2004, S. 27). Vor
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dem Hintergrund, dass ohne klar definierte Spezifikationen eine Bewertung der Produkte aber nicht möglich ist (Ellram/Tate/Billington 2004, S. 27) findet heute vielfach der Versuch der Objektivierung und weitgehenden Standardisierung der Serviceangebote im Rahmen des Dienstleistungseinkauf statt, wobei diese Entwicklung nicht nur auf einfache Dienstleistungen beschränkt ist, sondern auch komplexe Serviceangebote einschließt (Lindberg/Nordin 2008, S. 298). Während Corsten/Gössinger (2007) darauf verweisen, dass „weiche“ Faktoren wie die „Qualität der Leistung, professionelle Integrität, Erfahrungen, Empfehlungen, Personalqualifikation, Spezialisierungsgrad, Kontaktpersonen und -art“ (S. 78) für die Auswahl eines Dienstleistungsanbieters größere Bedeutung haben als der Preis, zeigen Lindberg/Nordin (2008), dass der Preis einer Dienstleistung bei der Auswahl eines Lieferanten regelmäßig das wesentliche Auswahlkriterium darstellt (S. 297). Offensichtlich muss der Preissetzung damit auch im Dienstleistungssektor große Bedeutung beigemessen werden. Um die Profitabilität der angebotenen Dienstleistungen beurteilen zu können und Rückschlüsse auf die Preissetzung zu ermöglichen, fordert bereits Dearden (1978) die Notwendigkeit einer Kostenrechnung in der Dienstleistungsindustrie. Zeithaml/Parasuraman/Berry (1985) zeigen, dass tatsächlich auch im Dienstleistungssektor vor allem eine kostenbasierte Preissetzung erfolgt, auch wenn die Bestimmung der zugrunde liegenden Kosten mitunter problematisch erscheint (S. 38). Auf das Problem der im Vergleich zu Produkten schwierigeren Bestimmung der Kosten weisen auch Hoffman/Turley/Kelley (2002) hin: So ist der Fix- und Gemeinkostenanteil bei Dienstleistungen üblicherweise erheblich größer als im produzierenden Gewerbe, wodurch die Bestimmung der Kosten eines Serviceangebotes bedeutend stärker unter einer Allokationsproblematik leidet (S. 1018). Corsten/Gössinger (2007) weisen ebenfalls auf diese Problematik hin (S. 240), zeigen jedoch gleichsam, dass der Einsatz einer Kostenrechnung in Dienstleistungsunternehmen durchaus geeignet ist, sofern erforderliche Modifikationen durchgeführt werden, die im Zusammenhang mit den spezifischen Eigenschaften von Dienstleistungen stehen (S. 240ff.). Die Nutzung von Open Book Accounting im Dienstleistungssektor steht somit zunächst vor dem Problem, dass Kosteninformationen für Services zwar vielfach bei den Anbietern verfügbar sein dürften, allerdings einen geringeren Grad der Objektivität insbesondere im Hinblick auf die stärkere Gemeinkostenallokation aufweisen als im Produktionsbereich. Je stärker eine Dienstleistung jedoch standardisiert und objektivierbar ist, desto eher dürften auch die Kosteninformationen zwischen einzelnen Anbietern vergleichbar sein. Wie bei der Analyse der Kosteninformationen von produzierenden Unternehmen ist es zunächst erforderlich, die betrachtete Dienstleistung in die zum Einsatz kommenden „Produktionsfaktoren“ zu zerlegen,
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C Implikationen
um eine Kostenstruktur als Grundlage der zu erfolgenden Untersuchung zu schaffen. Die Struktur kann sich hierbei durchaus an die im Produktionsbereich weit verbreitete Zuschlagskalkulation anlehnen und sollte aus Abnehmersicht möglichst detailliert erfolgen. Die Detaillierungen der in der produzierenden Industrie verwendeten Cost-Breakdown-Formulare (vgl. Abschnitt 4.3.2.3) können hierzu als struktureller Rahmen dienen, der jedoch an die Spezifika der jeweils untersuchten Dienstleistung anzupassen ist. Im Folgenden soll abschließend anhand eines fiktiven Beispiels dargestellt werden, wie die Nutzung von Open Book Accounting im Dienstleistungsbereich gestaltet sein könnte: Ein Unternehmen plant, die bisher intern besetzte Reisestelle an ein auf Geschäftsreisen spezialisiertes Reisebüro auszulagern und schreibt einen entsprechenden Auftrag aus. Der Auftrag ist möglichst spezifiziert und enthält sowohl Angaben zu den durchzuführenden Buchungen (Art und erwartete Anzahl) als auch Vorgaben hinsichtlich Verfügbarkeit und Buchungsgeschwindigkeit (Service Level Agreements). Auswahlkriterien sind zum einen die Preise für die vermittelten Leistungen (z.B. bestimmte Flug- und Hotelkonditionen) sowie der vom Reisebüro in Rechnung gestellte Preis für die Vermittlung einzelner Angebote. Für letzteren Preis erwar-
Zuschläge
Einzelkosten
Anzahl Vorgänge p.a. gemäß Auftrag Mindestanzahl Vorgänge p.a. (ohne Preisänderung) Durchschnittliche Dauer/Buchungsvorgang Personalkosten/Stunde Personalkosten/Buchungsvorgang Systemkosten/Buchungsvorgang Sonstige Einzelkosten/Buchungsvorgang Anzurechnende Provisionen/ Buchungsvorgang (Durchschnitt basierend auf Planmix gemäß Auftrag) Sonstige Kosten/Buchungsvorgang Summe der Einzelkosten/Vorgang Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten/ Buchungsvorgang Gewinn/Buchungsvorgang Summe der Zuschläge/Vorgang
Angebotspreis/Vorgang
Tab. 19: Beispiel Cost-Breakdown-Formular für Reisedienstleistungen
Sonstige
Reservierung Mietwagen
Buchung Hotel
Buchung Zugreise
Buchung Flugreise
tet der Auftraggeber Transparenz hinsichtlich der beim Reisebüro anfallenden Kosten. Tab. 19 stellt ein mögliches Schema hierfür vor:
6 Open Book Accounting in der Praxis
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Das hier dargestellte Formular zur Anforderung der Kosteninformationen der angefragten Reisebüros orientiert sich an den in der Industrie verwendeten Formularen. Neben den der Kalkulation zugrunde liegenden Planmengen werden Angaben zu den auf die einzelnen Buchungsvorgänge zurechenbaren Einzelkosten differenziert nach den verschiedenen angefragten Vermittlungsleistungen verlangt. Abgesehen von den Personalkosten dürften hier insbesondere Systemkosten für die Buchung anfallen. Von den Reiseanbietern (z.B. Fluglinien und Hotels) gewährte Vermittlungsprovisionen reduzieren die anfallenden Kosten der Reisebüros und sind entsprechend auch anzugeben. Erlaubt das Reisebüro einen entsprechenden Einblick in seine Kosten- und Gewinnsituation können diese Informationen beispielsweise für eine Nutzung gemäß OBA Typ I, Typ II oder Typ III verwendet werden: Für die Ausübung eines zusätzlichen Preisdrucks (OBA Typ I) kann der Abnehmer versuchen, einzelne Kostenbestandteile individuell zu verhandeln, beispielsweise dass nicht explizit detaillierte „sonstige Kosten“ grundsätzlich nicht vergütet werden. Auch die Angemessenheit des berücksichtigten Gewinns kann in dieser Situation zur Diskussion kommen. Bei einem OBA Typ II erfolgt zwar ebenfalls der Aufbau zusätzlichen Preisdrucks, allerdings weist der Auftraggeber hier auf aus seiner Sicht tatsächlich vorliegende Kostennachteile beim Anbieter hin, die dem Auftraggeber aus der Kenntnis der Kosten der eigenen Reisestelle bekannt sind oder durch den Vergleich verschiedener Angebote offensichtlich werden, z.B. eine überdurchschnittlich hohe Bearbeitungsdauer je Buchungsvorgang. Inwiefern sich dem Anbieter Möglichkeiten ergeben, diese Kostennachteile zu beheben, ist für den Auftraggeber an dieser Stelle nachrangig. Eine Verwendung im Rahmen eines OBA Typ III kann gerade bei einer geplanten langen Vertragslaufzeit relevant werden, wenn sich beispielsweise infolge eines veränderten Buchungsverhaltens des Auftraggebers nachweisliche Änderungen der Vermittlungsprovisionen ergeben, so dass die Profitabilität für das Reisebüro ohne eine entsprechende Preiskorrektur sinken würde. Während die Nutzung von Open Book Accounting im Dienstleistungseinkauf bei einer hinreichend hohen Standardisierung der Dienstleistung für ein OBA Typ I bis Typ III wie gezeigt durchaus umsetzbar scheint, stellt die Durchführung eines interorganisationalen Kostenmanagements (OBA Typ IV) höhere Anforderungen an die Beziehung und die gegenseitige Mitarbeit der beteiligten Unternehmen. An dieser Stelle wird die Auffassung vertreten, dass basierend auf den vorliegenden Erfolgen einer entsprechenden Nutzung von Kostentransparenz im industriellen Umfeld auch der Dienstleistungssektor hiervon profitieren kann. Konkrete Anwendungsmöglichkeiten sowie Hinweise zur Implementierung können an dieser Stelle jedoch nicht aufgezeigt werden. Nachdem die praktischen Implikationen von Kostentransparenz für das produzierende Gewerbe in dieser Arbeit umfassend dargestellt wurden,
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C Implikationen
sollten sich weitere Untersuchungen daher insbesondere der Bedeutung von Kostentransparenz im Dienstleistungssektor widmen, damit die in diesem Kapitel hierzu dargestellten rudimentären Ausführungen umfassend ergänzt oder gegebenenfalls korrigiert werden können.
7 Wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs zum Open Book Accounting 7.1 Entmystifizierung des Kooperationsaspektes von Open Book Accounting In der Erarbeitung der Ausgangssituation zu dieser Arbeit wurde festgestellt, dass der bisherige wissenschaftliche Fokus zum Open Book Accounting auf der Möglichkeit liegt, durch Kostentransparenz unternehmensübergreifende Kostensenkungen zu realisieren, die bei isolierter Betrachtung nicht möglich wären. Als potenzielle negative Folge einer solchen Offenheit hinsichtlich der auszutauschenden Kosteninformationen wurde ein erhöhter Margendruck auf den Lieferanten ausgemacht, den es auf der einen Seite zu vermeiden gelte, der aber nach Ansicht verschiedener Autoren auch dazu führe, dass vor einem Austausch von Kosteninformationen ein Vertrauensverhältnis zwischen den beteiligten Unternehmen bestehen müsse. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass ein solches Verständnis von Open Book Accounting in weiten Teilen nicht der empirisch zu beobachtenden Nutzung von Kostentransparenz entspricht. Es wurde deutlich, dass Praktiker den Fokus der Anwendung von Open Book Accounting nicht im Kosten- sondern im Preismanagement sehen. In diesem Zusammenhang spielt sowohl die Ausübung eines zusätzlichen Verhandlungsdrucks als Ziel von Open Book Accounting als auch die Vereinfachung von Preisverhandlungen durch eine Objektivierung derselben eine große Rolle. Ramsay/Croom (2008) weisen bereits darauf hin, dass Verhandlungsansätze des Einkaufs in der wissenschaftlichen Literatur zwar üblicherweise gering geschätzt werden, aber durchaus einen strategischen Einfluss besitzen können (S. 197f.). Diese Fehleinschätzung zu Einkaufsfunktionen und geeigneten Ansätzen kann dazu geführt haben, dass bisher die kooperative Nutzung von Open Book Accounting stark im Vordergrund der entsprechenden wissenschaftlichen Diskussion stand. Die hier dargestellten empirischen Beobachtungen unterstreichen, dass Preisdruck nicht nur ein möglicher Nebeneffekt von Kostentransparenz ist, der sich infolge einer Offenlegung von Kosteninformationen zum Zwecke eines interorganisationalen Kostenmanagements ergeben kann. Stattdessen ist ein zusätzlicher Preisdruck vielfach das Primärziel, das mit einer Offenlegung von Kosteninformationen durch Lieferanten erreicht werden soll. Vor diesem Hintergrund müssen auch andere Aspekte des Open Book Accounting überdacht werden. Zwar wurde gezeigt, dass Open Book Accounting durchaus in vertrauensvollen und kooperativen Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen zum Einsatz kommen kann. Insbesondere im Zusammenhang mit einem interorganisationalen Kostenmanagement sind solche Bezie-
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C Implikationen
hungen erforderlich. Allerdings ist die Anwendung von Open Book Accounting keineswegs auf solche Anwendungen beschränkt, bei denen immer beide beteiligten Unternehmen in gleichem Maße oder überhaupt profitieren. Anstelle eines Vertrauensverhältnisses beeinflusst vielfach Machtasymmetrie zugunsten des Abnehmers die Offenlegung der Kosteninformationen des Lieferanten gegenüber seinen Kunden. In stark wettbewerblich orientierten, oftmals konfrontativ ausgerichteten Geschäftsbeziehungen kann ein Vertrauensverhältnis häufig nicht erwartet werden. Nichtsdestotrotz findet sich in diesen Beziehungen Kostentransparenz, allerdings nicht für die Durchführung interorganisationaler Kostenmanagementprojekte, sondern um einen zusätzlichen Preisdruck auf den Lieferanten auszuüben. Während der Kunde in dieser Situation opportunistisch handelt, indem die Kosteninformationen der Lieferanten als Verhandlungsargument genutzt werden, kann sich auch der Lieferant opportunistisch verhalten, indem er seine Kosteninformationen manipuliert. Dies kann zwar auch als Selbstschutzmechanismus des Lieferanten vor opportunistischem Verhalten des Kunden gewertet werden, gleichsam kann es aber auch dafür verwendet werden, um höhere Erträge zu erwirtschaften als mit dem Kunden vereinbart bzw. vom Kunden erwartet. Letztlich versuchen beide Unternehmen ihren eigenen Gewinn zu maximieren und nehmen dafür auch Nachteile für die andere Seite in Kauf. Gleichwohl kann die Nutzung von Kostentransparenz auch zu Verbesserungen des Verhältnisses zwischen Lieferant und Abnehmer führen, gerade wenn durch die Kostentransparenz eine Objektivierung von Preisverhandlungen erreicht wird und emotional geprägte Verhandlungsprozesse vermieden werden. Eine solche Beziehungsverbesserung stellt sich jedoch nicht zwangsläufig ein und ist normalerweise auch nicht Ziel der Bemühungen zum Open Book Accounting. Inwiefern Kostentransparenz mit Kooperation, Fairness und Vertrauen einhergeht, ist letztlich davon abhängig, welcher konkrete Ansatz des Open Book Accounting verfolgt wird. Unkooperative Ansätze sind dabei in der Praxis weit verbreitet und sollten entsprechend auch in der wissenschaftlichen Diskussion zum Open Book Accounting vermehrt Berücksichtigung finden.
7.2 Bestätigung des transaktionskostentheoretischen Erklärungsansatzes zum Open Book Accounting Als Ausgangspunkt der hier vorgestellten Untersuchung wurde ein transaktionskostentheoretischer Erklärungsansatz entwickelt, der die unterschiedlichen Auswirkungen von Kostentransparenz darstellt und als Grundlage für die Entscheidung der betreffenden Unternehmen hinsichtlich einer potenziellen Einführung von Open Book Accounting dienen kann (vgl.
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Abschnitt 3.3). Die Entwicklung des Erklärungsansatzes erfolgte unter der Prämisse, dass die Einführung von Kostentransparenz im Wesentlichen deswegen erfolgt, um Informationsdefizite zu beheben, die aufgrund der arbeitsteiligen Organisation der Wertschöpfung zwischen Lieferant und Abnehmer entstehen. Als implizites Ziel von Open Book Accounting war damit die Verbesserung der Kostensituation der Wertschöpfungskette im Sinne eines interorganisationalen Kostenmanagements vorausgesetzt. Bei der Diskussion des Erklärungsansatzes wurde jedoch bereits darauf verwiesen, dass eine potenziell ungleiche Verteilung erzielter Effizienzgewinne dazu führen kann, dass nicht beide Unternehmen von der Einführung profitieren oder sich unter Umständen auch schlechter stellen (vgl. Abschnitt 3.3.2), womit dem Machteinfluss zur Durchsetzung von Kostentransparenz eine größere Rolle zuteil wurde. Auch wurde – wenngleich am Rande – darauf verwiesen, dass Manipulationsanreize der Akteure zu zusätzlichen Transaktionskosten führen können, die im Entscheidungskalkül hinsichtlich einer Einführung von Open Book Accounting zu berücksichtigen sind. Die empirischen Befunde zeigen, dass der dargestellte Erklärungsansatz grundsätzlich geeignet ist, die im Zusammenhang mit Open Book Accounting auftretenden Kosten- und Ertragswirkungen darzustellen. So wurde sowohl einkauf- als auch vertriebseitig bestätigt, dass durch Open Book Accounting Kostensenkungen möglich werden, die ansonsten nicht identifiziert und damit auch nicht implementierbar gewesen wären. Weiterhin wurde deutlich, dass die Einführung von Kostentransparenz insbesondere beim Lieferanten nicht zu vernachlässigende Transaktionskosten mit sich bringt, der die Kosteninformationen in der vom Abnehmer erwarteten Form aufbereiten und zur Verfügung stellen muss. Für den Abnehmer dagegen fallen Kosten für die Validierung der Kosteninformationen an, um Manipulationen des Lieferanten aufzudecken und damit gleichsam auch die Anreize zu einer Manipulation direkt zu verringern. Der vorgestellte Erklärungsansatz berücksichtigt allerdings nicht unmittelbar, dass Open Book Accounting auch oder alleine aus dem Grund angestrebt wird, um einen zusätzlichen Preisdruck auf den Lieferanten auszuüben (Typ I Open Book Accounting). Insgesamt erfordert die Feststellung, dass man nicht verallgemeinernd von einer Art des Open Book Accounting sprechen kann, sondern stattdessen vier verschiedene Ansätze existieren, auch eine individuelle Begutachtung, inwiefern der dargestellte Erklärungsansatz in der Lage ist, die den verschiedenen Formen des Open Book Accounting zugrunde liegenden Ertragswirkungen darzustellen. Wie oben bereits dargestellt, berücksichtigt der im Abschnitt 3.3 vorgestellte Erklärungsansatz vor allem diejenigen Ergebniseinflüsse, die sich bei einer Nutzung von Kostentransparenz im Rahmen eines Typ IV Open Book Accounting (interorganisationales Kostenmanagement) ergeben, da bei dieser Anwendung die Reduzierung der sich durch die
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C Implikationen
arbeitsteilige Organisation ergebenden Informationsdefizite im Vordergrund stehen. Es sind in diesem Zusammenhang zwar Transaktionskosten auf Seiten des Lieferanten und Abnehmers durch den Austausch von Kosteninformationen zu erwarten, die jedoch erwartungsgemäß bei beiden Unternehmen durch Kostensenkungen überkompensiert werden können. Anders verhält es sich hier bereits bei einer Nutzung von Kostentransparenz im Rahmen eines Typ II Open Book Accounting: Hier sollte aus Sicht des Abnehmers zwar ein Effizienzgewinn möglich sein, inwiefern er sich aber tatsächlich realisieren lässt bleibt unbetrachtet. Gleichwohl wird in diesem Fall eine Preisreduktion gefordert, die oftmals der Höhe des identifizierten Kostennachteils auf Seiten des Lieferanten entspricht. Dieser kann also nur im Idealfall, dass er die Kostensenkung auch umsetzt, seine ursprüngliche Profitabilität beibehalten. Hier wird bereits deutlich, dass es zwingend erforderlich ist, eine transaktionskostentheoretische Untersuchung nicht lediglich auf Ebene der Wertschöpfungskette durchzuführen, sondern wie in Abschnitt 3.3.2 erfolgt die unternehmensindividuellen Auswirkungen zu berücksichtigen. Eine ähnliche Situation wie bei der Durchführung eines Open Book Accounting nach dem Typ II stellt sich bei der Anwendung eines Open Book Accounting Typ I ein, bei der Effizienzgewinne nicht im Fokus stehen, sondern lediglich ein zusätzlicher Verhandlungsdruck gegenüber dem Lieferanten aufgebaut werden soll. In beiden Fällen dürfen die zusätzlichen Transaktionskosten nicht unterschätzt werden: Es wurde gezeigt, dass Lieferanten vielfach versuchen, ihre wahren Kosten zu verschleiern, woraufhin die Abnehmer versuchen, derartige Manipulationen nachzuweisen. Vor dem Hintergrund, dass diesen zusätzlichen Transaktionskosten keine Effizienzgewinne entgegenstehen (zumindest bei Open Book Accounting Typ I) sondern nur ein potenzieller Verhandlungsgewinn für den Abnehmer, wird auch aus transaktionskostentheoretischen Überlegungen deutlich, dass lediglich der auf den Lieferanten ausgeübte Zwang als Motivation zur Offenlegung der Kosteninformationen angesehen werden kann. Wie im Abschnitt 6.1 bereits dargestellt wurde, muss in diesen Fällen auch abnehmerseitig berücksichtigt werden, inwiefern die zusätzlich beim Abnehmer anfallenden Transaktionskosten überhaupt durch ein verbessertes Verhandlungsergebnis gerechtfertigt sind. Auch die Nutzung von Kostentransparenz zur Vereinfachung von Preisverhandlungen (Open Book Accounting Typ III) führt nicht zu einer Verbesserung der Produktionskosten, sondern zielt lediglich auf einen negativen Transaktionskostensaldo durch Open Book Accounting ab. Dieser lässt sich auch deshalb gut realisieren, weil nur geringe Anreize zur Manipulation der Kosteninformationen bestehen. Im Ergebnis kommt den einzelnen Bestandteilen des transaktionskostentheoretischen Erklärungsansatzes je nach verfolgtem Ansatz zum Open Book Accounting unterschiedliche Bedeutung zu. Es zeigt sich auch, dass die isolierte Betrachtung
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von Abnehmer und Lieferant, wie sie in Abschnitt 3.3.2 vorgenommen wurde, erforderlich ist, um die Ergebniseinflüsse auf die beteiligten Unternehmen deutlich zu machen und auch die Auswirkungen eines zusätzlichen Preisdrucks darstellen zu können. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, auf den Einfluss von Macht zur Durchsetzung einer Offenlegung von Kosteninformationen zu verweisen, da regelmäßig Vorteile nicht für alle beteiligten Unternehmen erzielt werden. Insgesamt bietet der hier dargestellte transaktionskostentheoretische Erklärungsansatz die Möglichkeit, alle beobachteten Formen des Open Book Accounting darzustellen und kann damit auch für weitere Untersuchungen zu dem Thema als theoretischer Bezugsrahmen dienen.
8 Schlussbetrachtung und Ausblick Ausgangspunkt der hier vorgestellten Untersuchung war die vielfach beobachtete Fokussierung von Unternehmen auf die jeweils eigenen Kernkompetenzen und die damit einhergehende verstärkte Abhängigkeit von Lieferanten. Es wurde gezeigt, dass der Einkauf unter diesen Voraussetzungen einen wesentlichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat und der Optimierung der Materialkosten wesentliche Bedeutung zukommt. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur der Austausch von Kosteninformationen genannt, durch den Kostensenkungen ermöglicht werden sollen, die bei isolierter Betrachtung nicht realisiert würden. Als weitere Schwerpunkte der Literatur zu diesem Thema, die insgesamt als noch recht jung betrachtet wird, wurden die Gefahr eines aus Kostentransparenz resultierenden Margendrucks sowie die Erfordernis eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Abnehmer und Lieferant identifiziert. Auch wenn weitere Themenbereiche in Ansätzen an verschiedenen Stellen in der Literatur zur Sprache kommen, sollte mit dieser Arbeit ein umfassenderes Bild zu Open Book Accounting und dessen Bedeutung in der Praxis erarbeitet werden. Hierzu wurde zunächst ein auf der Transaktionskostentheorie basierendes Erklärungsmuster entwickelt, das die verschiedenen Auswirkungen hinsichtlich Produktions- und Transaktionskosten sowie Einflüsse von Open Book Accounting auf Preisverhandlungen darstellt. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die Untersuchung der Abnehmerperspektive zum Open Book Accounting liefert zunächst Einblicke in die Hintergründe des Einkaufs. Deutlich wird die hohe Wettbewerbsintensität, der sich die befragten Einkaufsexperten ausgesetzt sehen und die als Grund für den starken Kostenfokus angesehen werden kann, während anderen Einkaufszielen nur nachrangige Bedeutung beigemessen wird. Weiterhin finden sich Indizien für eine oftmals mangelnde Qualifikation im Einkauf, wodurch sich auch negative Auswirkungen auf die Anwendung von Instrumenten wie dem hier untersuchten Open Book Accounting vermuten lassen. Hinsichtlich der konkreten Anwendung von Open Book Accounting in LieferantenAbnehmer-Beziehungen wurde festgestellt, dass abnehmerseitig ein großes Interesse besteht, Einblick in die Kosten des Lieferanten zu erhalten, ein umfassender Einblick jedoch vielfach nicht gewährt wird. Hierbei wurden allerdings erhebliche Branchenunterschiede deutlich, insbesondere die Automobil- und Technologieindustrie verfügen über einen umfassenden Einblick sowohl hinsichtlich der Detaillierung der zur Verfügung gestellten Informationen als auch in Bezug auf das Einkaufsvolumen, für das Kostentransparenz besteht. Eine Offenlegung von Kosteninformationen gegenüber dem Lieferanten findet dagegen nur sehr begrenzt statt.
234
C Implikationen
Es wurde weiterhin deutlich, dass die Befragten die Kosteninformationen vor allem für das Preismanagement wünschen, die Identifikation von Kostensenkungen konnte nicht als primäres Ziel von Open Book Accounting aus Sicht des Einkaufs bestätigt werden. Weiterhin wurde ein großes Misstrauen gegenüber der Validität der Angaben deutlich, was dazu führt, dass einkaufseitig vielfältige Ansätze verfolgt werden, um die Angaben der Lieferanten zu plausibilisieren. Die meisten Befragten erwarten, dass durch Kostentransparenz ein zusätzlicher Verhandlungsdruck auf den Lieferanten zukommt, wobei auch eine moderierende Wirkung von Open Book Accounting als lieferantenseitig genutzte Argumentationshilfe für Preissteigerungen bestätigt wurde. Die Anwendung von Open Book Accounting für gemeinsame Kostensenkungen wurde ebenfalls untersucht. Hier konnte gezeigt werden, dass und wie Kosteninformationen verwendet werden, um Kostensenkungen zu identifizieren und umzusetzen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die erzielten Einsparungen in der Regel nicht zu gleichen Teilen zwischen den beteiligten Unternehmen verteilt werden, sondern stattdessen vielfach zugunsten des Abnehmers verwendet werden. Die befragten Einkaufsexperten sehen einen Einfluss von Open Book Accounting auf den Beziehungskontext in der Hinsicht, dass der Lieferant durch Kostentransparenz eine engere Bindung an den Kunden realisieren kann. Der Lieferant signalisiert so Offenheit und kann Open Book Accounting als Verkaufsargument für sich nutzen. Allerdings steht einer erfolgreichen Implementierung von Open Book Accounting gerade bei kleinen Unternehmen teilweise eine mangelnde Kostenrechnung entgegen. In der Literatur wird wie oben dargestellt vielfach die Existenz eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Lieferant und Abnehmer als Voraussetzung für Open Book Accounting gesehen. In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass ein solches Verhältnis zwar förderlich ist, eine Offenlegung vielfach allerdings auch durch abnehmerseitige Machtausübung erreicht wird. Zwang ersetzt damit Vertrauen, womit weiter deutlich wird, dass Open Book Accounting nicht immer automatisch als Kooperationsinstrument verstanden werden kann, wie es in der Literatur häufig dargestellt wird. Diese Feststellung wird weiter gestützt durch die entwickelte Systematisierung des Open Book Accounting, bei der vier verschiedene Typen von Open Book Accounting identifiziert werden können. Lediglich eine Form des Open Book Accounting zielt primär auf ein interorganisationales Kostenmanagement ab (Typ IV), das zu Kostenvorteilen für beide beteiligten Unternehmen führt. Dagegen stehen zwei Ansätze des Open Book Accounting (Typ I und II), die in einem eher konfrontativen Verhältnis zum Lieferanten versuchen, die Verhandlungsgrundlage des Abnehmers zu verbessern bzw. einen besseren Preis für den Abnehmer zu realisieren, wobei die tatsächliche Kostensituation des Lieferanten nicht entscheidend ist. Ein weiterer Ansatz (Typ III) zielt weder darauf ab Ver-
8 Schlussbetrachtung und Ausblick
235
handlungsdruck aufzubauen noch darauf Kostensenkungen zu realisieren, sondern versucht über eine Versachlichung von Preisverhandlungen diese erheblich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Nachdem die Untersuchung der Abnehmerperspektive gezeigt hat, dass Lieferanten nicht oder nur begrenzt von einem Einsatz von Open Book Accounting profitieren, wurde erwartet, dass Lieferanten Kostentransparenz weitgehend ablehnen, was der Einschätzung der Einkaufsexperten entsprechen würde. Stattdessen stehen die befragten Vertriebsexperten, die über umfassende Erfahrungen im Umgang mit Open Book Accounting verfügen, diesem Instrument überraschend positiv gegenüber. Sie bestätigen, dass Open Book Accounting erfolgreich zur Verbesserung der Kostensituation genutzt werden kann und sehen auch die Vorteile hinsichtlich der Begründung von Preisen bzw. Preisänderungen. Gleichwohl wird der zu erwartende zusätzliche Verhandlungsdruck als Schwierigkeit eingestuft. Bisher weitgehend unbetrachtet, wurde auch darauf hingewiesen, dass die Aufbereitung der auszutauschenden Kosteninformationen mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist und einen wesentlichen Grund darstellt, Kostentransparenz abzulehnen. Es wurde weiterhin gezeigt, dass die Befürchtungen der Einkaufsexperten, dass ausgetauschte Kosteninformationen vielfach manipuliert werden, gerechtfertigt sind. Die Vertriebsexperten bestätigen, dass sie Kosteninformationen regelmäßig manipulieren, um dem zu erwartenden Verhandlungsdruck zu entgehen bzw. um sich zusätzliche Sicherheitspuffer zu verschaffen, auch wenn aus der Manipulation weitere Schwierigkeiten resultieren. Als Grundlage für eine Steigerung der Akzeptanz von Open Book Accounting beim Lieferanten wurden Voraussetzungen und Maßnahmen aufgezeigt, die hierzu dienlich sein können. Die Gewährung von finanziellen Vorteilen, dem Aufbau einer partnerschaftlichen Beziehung sowie der Sicherstellung von Margenstabilität kommen dabei aus Lieferantensicht große Bedeutung zu. Basierend auf diesen empirischen Befunden wurden Implikationen für die Wissenschaft und die Praxis abgeleitet. Für den Praktiker finden sich Hinweise zur Implementierung der einzelnen Arten von Open Book Accounting sowie Möglichkeiten, wie Effektivität und Effizienz des Einsatzes von Open Book Accounting verbessert werden kann. Eine bewusste Auswahl der zu betrachtenden Produkte, eine adäquate Qualifizierung der betreffenden Mitarbeiter sowie eine stärkere unternehmensübergreifende Standardisierung der Kostenrechnung und der verwendeten Formulare zur Übermittlung der Kosteninformationen werden hier als wesentliche Stellhebel betrachtet. Es werden weiterhin Hinweise zur Anwendung von Open Book Accounting im Dienstleistungseinkauf gegeben, wobei diese noch durch entsprechende Studien zu vertiefen sind. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn dieser Arbeit liegt zum einen in der Entmystifizierung des Kooperationsaspektes von Open Book Accounting, was nicht nur
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C Implikationen
durch die Einsichten in die tatsächliche abnehmerseitige Nutzung des Instrumentes deutlich wurde, sondern sich auch in der umfassenden Manipulationstendenz seitens der Lieferanten manifestierte. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass die im Zusammenhang mit Open Book Accounting auftretenden Kosten- und Ertragswirkungen gut in einem transaktionskostentheoretischen Erklärungsmodell abzubilden sind, solange die einzelnen Akteure der Wertschöpfungskette individuell betrachtet werden. Ansätze zur weiteren Forschung Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass sich die Untersuchungsziele von analytischen Untersuchungen und Experimenten zum Open Book Accounting in vielerlei Hinsicht von der betrieblichen Praxis gelöst haben. Vor dem Hintergrund, dass Preismanagement als wesentliches Anwendungsfeld von Open Book Accounting identifiziert wurde, sollten weitere Forschungsvorhaben die Perspektive des interorganisationalen Kostenmanagements um den Aspekt der Nutzung von Kostentransparenz im Zusammenhang mit Preismanagement erweitern. Bisher wurde der Einfluss von Open Book Accounting auf das Preismanagement in Kunden-Lieferanten-Beziehungen nur unzureichend untersucht. Sowohl experimentelle als auch theoretische (analytische) Forschung zu Open Book Accounting sollte jedoch nicht nur den hier aufgezeigten starken Preismanagementfokus der Praxis berücksichtigen, sondern ebenso das identifizierte opportunistische Verhalten seitens Abnehmer und Lieferanten untersuchen. Analytische und experimentelle Forschung, aber auch Einsichten aus stärker quantitativ orientierten Befragungen können hier helfen, die mit Open Book Accounting verbundenen Anreizwirkungen noch genauer zu verstehen und weitere Lösungsmechanismen aufzuzeigen. Vor dem Hintergrund, dass die hier vorgestellte Arbeit einen explorativen Charakter aufweist, sollten sich weitere Forschungsbemühungen darauf fokussieren, Hypothesen hinsichtlich der Nutzung von Open Book Accounting zu entwickeln und zu testen. Dabei ist weiterhin sicher zu stellen, dass Kontrollvariablen ausreichend berücksichtigt werden, was im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden konnte. Die hier vorliegende Arbeit kann bei der Entwicklung der Hypothesen vielfältige Anhaltspunkte liefern. Um besser zu verstehen, welcher Ansatz des Open Book Accounting sich in bestimmten Unternehmenskontexten eignet, sollte insbesondere der Einfluss der vier identifizierten Ansätze auf den Unternehmenserfolg im Detail untersucht werden. Variablen, die hierbei voraussichtlich den Erfolg der einzelnen Open Book Accounting Ansätze beeinflussen, sind der beobachtete bzw. beabsichtigte Beziehungskontext zum Lieferanten aber auch das Machtverhältnis zwischen Abnehmer und Lieferant. Es ist davon auszugehen, dass die bisher von Lieferanten im Zusammenhang mit Open Book Accounting gemachten Erfahrungen deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit und gegebenen-
8 Schlussbetrachtung und Ausblick
237
falls auch die Manipulationstendenz beeinflussen. Da Manipulationen zusätzliche Anstrengungen auf Abnehmer- und Lieferantenseite mit sich bringen und zudem die Datenqualität reduzieren, ist von einem negativen Einfluss auf den Erfolg des Open Book Accounting auszugehen. Damit würde jedoch das Verhalten anderer Marktteilnehmer im Zusammenhang mit Open Book Accounting einen indirekten Einfluss auf den Erfolg des Instrumentes einer bestimmten Abnehmer-Lieferanten-Beziehung haben. Diese Zusammenhänge genauer zu verstehen und Lösungsmechanismen aufzuzeigen, stellt einen weiteren Forschungsbedarf dar. Verstanden werden muss zudem, welchen Einfluss die Geschäftslage der beteiligten Unternehmen wie auch der gesamten betrachteten Industrie auf die Wahl des jeweiligen Open Book Accounting Ansatzes aber auch auf den jeweils erzielbaren Erfolg hat. In diesem Zusammenhang müssen auch die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse kritisch hinterfragt werden, da die zugrunde liegende Untersuchung während der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 durchgeführt wurde. Hierbei sollte untersucht werden, inwiefern der identifizierte starke Preismanagementfokus im Zusammenhang mit Open Book Accounting auch bei einer weniger krisengeprägten Geschäftslage zu beobachten ist. Weitere Variablen, die die Auswahl des Open Book Accounting Ansatzes beeinflussen und die voraussichtlich Einfluss auf den erzielbaren Erfolg der Umsetzung haben, stellt die Auswahl der zu untersuchenden Produkte hinsichtlich der strategischen Relevanz für das Unternehmen dar, aber auch die Phase im Produktlebenszyklus, in der Open Book Accounting implementiert wird. Gerade die Nutzung von Typ IV Open Book Accounting sollte in frühen Phasen der Produktentwicklung großen Einfluss auf die Kostensituation haben. Eine Analyse der Erfolgsbeiträge von Open Book Accounting würde auch voraussetzen, die mit Kostentransparenz verbundenen Kosten für den Lieferanten und Abnehmer zu quantifizieren, was derzeit noch nicht erfolgt ist. In dieser Hinsicht sind die im Zusammenhang mit der Aufbereitung und gegebenenfalls Manipulation der Kosteninformationen bei Lieferanten sowie die für die Validierung und Auswertung der Informationen beim Abnehmer entstehenden Kosten zu berücksichtigen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ausschließlich die Anwendung von Open Book Accounting in der produzierenden Industrie im Detail untersucht. Auch wenn grundsätzlich gezeigt wurde, dass eine Nutzung von Kostentransparenz auch im Dienstleistungssektor funktionieren kann, sind dienstleistungsspezifische Schwierigkeiten zu erwarten, deren eindeutige Identifizierung und Lösung in weiteren Forschungsvorhaben verfolgt werden sollte. Zu untersuchen bleibt weiterhin, inwiefern den einzelnen Ansätzen zum Open Book Accounting im Dienstleistungssektor eine andere Wichtigkeit beigemessen werden muss.
Anhang Datenschutzerklärung für die Experteninterviews Die Arbeit dient allein wissenschaftlichen Zwecken und die Durchführung der Studie geschieht auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes. Folgendes wird zur Wahrung der Vertraulichkeit Ihrer Angaben unternommen: x
Anonymisierung: Alle Namensangaben (einschl. Firmenname und Ihr Name) werden verändert, Angaben zur Größe des Unternehmens erfolgen nur in Kategorien, Ortsangaben werden nicht gemacht (bzw. lediglich Verweis auf Bundesland)
x
Protokoll: Ihre Angaben werden von uns streng vertraulich behandelt: Das Interview wird schriftlich protokolliert, jedoch nicht aufgenommen. Das Protokoll enthält nur anonymisierte Angaben, also nicht ihren tatsächlichen (Firmen-) Namen etc.
x
Löschung Ihrer Daten: Am Ende des Projektes werden Ihr Name und der Name des Unternehmens sowie sämtliche Kontaktinformationen gelöscht.
x
Veröffentlichung: Das Protokoll als solches wird nicht veröffentlicht und ist nur projektintern für die Auswertung zugänglich. In Veröffentlichungen gehen aber einzelne Zitate ein, selbstverständlich ohne dass erkennbar ist, von welcher Person/Firma sie stammen
Ihre Teilnahme ist freiwillig und durch Ihre Nichtteilnahme entstehen Ihnen keine Nachteile. Sie können auch Antworten zu einzelnen Fragen verweigern. Sie können der Einwilligung jederzeit widersprechen und die Löschung des Interviews verlangen. Quelle: Nach Helfferich (2005, S. 182f.).
240
Anhang
Kategoriensystem Experteninterviews Abnehmerperspektive Oberkategorie
Kategorie
Ausprägungen
Einkaufsziele
Kostensenkung
Erwähnung; keine Erwähnung
Sicherstellung Qualität
Erwähnung; keine Erwähnung
Sicherstellung Materialverfügbarkeit
Erwähnung; keine Erwähnung
Wettbewerbsumfeld
Verfolgte Ansätze zur Kostensenkung
Umsetzungsstand Open Book Accounting
Aufbau Lieferantenpartnerschaften
Erwähnung; keine Erwähnung
Primärziel Einkauf
Kostensenkung; Sicherstellung Qualität; Sicherstellung Materialverfügbarkeit; keine Angabe
Strategische Ausrichtung des Unternehmens
Kostenführerschaft; Qualitätsführerschaft; keine Angabe
Wahrgenommene Wettbewerbsintensität
Gering; moderat; hoch; sehr hoch; keine Angabe
Existenz definierter Preissenkungsziele
Ja; nein; keine Angabe
Höhe der Preissenkungsziele
Prozentangabe (Bandbreite) Reduzierung p.a.; keine Angabe
Einfluss Zielerreichung auf variable Vergütung
Ja; nein; keine Angabe
Verhandlungen mit Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Volumenbündelung/ Lieferantenkonsolidierung
Erwähnung; keine Erwähnung
Durchführung elektronischer Auktionen
Erwähnung; keine Erwähnung
Durchführung von Wert- und Prozessanalysen
Erwähnung; keine Erwähnung
Frühe Einbindung von Lieferanten in Produktentwicklung
Erwähnung; keine Erwähnung
Produktredesign/ Standardisierungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Erzeugung Wettbewerb/ Markttransparenz
Erwähnung; keine Erwähnung
Erzeugung Transparenz über Lieferantenkalkulation
Erwähnung; keine Erwähnung
Vereinbarung langfristiger Lieferantenverträge
Erwähnung; keine Erwähnung
Optimierung Konditionen Vormaterial
Erwähnung; keine Erwähnung
Aktives Management von Rohstoffpreisschwankungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Wunsch nach Kostentransparenz
Ja; nein; keine Meinung
Produkte im Fokus
Freitext: Beschreibung Produkteigenschaften (z.B. hohes Volumen, wichtige Produkte, alle Produkte); keine Angabe
Geschätztes Einkaufsvolumen mit Kostentransparenz
Prozentangabe (Bandbreite); keine Angabe
Detaillierung der vorhandenen Kosteninformationen
Hoch, mittel, gering: basierend auf verbaler Beschreibung der Befragten der ihnen vorliegenden
Anhang
241 Kosteninformationen; keine Angabe
Gründe für Kostentransparenz
Lieferantenbeziehung und Kernmotiv
Verfolgte Ansätze des Open Book Accounting
Praktische Umsetzung Open Book Accounting
Validität der Kosteninformationen
Sicherstellung optimaler Preise/ Management von Preisänderungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Identifikation von Kostensenkungspotenzialen
Erwähnung; keine Erwähnung
Risikomanagement/ Qualitätssicherung
Erwähnung; keine Erwähnung
Aufdeckung Fehlkalkulationen Lieferant
Erwähnung; keine Erwähnung
Unterstützung kostenoptimale Produktentwicklung
Erwähnung; keine Erwähnung
Ermöglichung schneller eigener Preiskalkulation
Erwähnung; keine Erwähnung
Identifikation geeigneter Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Unterstützung Prognose Preisentwicklung
Erwähnung; keine Erwähnung
Bewertung Vorteilhaftigkeit von Investitionen beim Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Bewertung Vorteilhaftigkeit Insourcing von Produkten
Erwähnung; keine Erwähnung
Verfolgte Konzeption der Lieferantenbeziehung
Konfrontativ; kooperativ; Grenzbereich
Kernmotivation für Kostentransparenz
Preismanagement; Kostenmanagement; Grenzbereich
OBA Typ I: Preisdruck durch Transparenz
Primärnutzung; Sekundärnutzung; keine Angabe
OBA Typ II: Aufzeigen Kostennachteile bei mangelnder Umsetzungsorientierung
Primärnutzung; Sekundärnutzung; keine Angabe
OBA Typ III: Objektivierung und Effizienzsteigerung von Preisverhandlungen
Primärnutzung; Sekundärnutzung; keine Angabe
OBA Typ IV: Interorganisationales Kostenmanagement
Primärnutzung; Sekundärnutzung; keine Angabe
Verwendung Excel-Standardvorlage
Erwähnung; keine Erwähnung
Verwendung Excel ohne Vorlage
Erwähnung; keine Erwähnung
Informelle Datenübermittlung (verbal oder in formloser Papierform)
Erwähnung; keine Erwähnung
Speicherung Lieferanten-Kosteninformationen in Datenbank
Ja; nein; keine Angabe
Glauben der Lieferantenangaben
Ja; nein; situationsabhängig; keine Angabe
Plausibilisierung durch Kalkulationsexperten
Erwähnung; keine Erwähnung
Plausibilisierung mittels Softwarelösung
Erwähnung; keine Erwähnung
Plausibilisierung über Branchenbenchmarks oder Fachinformationen
Erwähnung; keine Erwähnung
Plausibilisierung über Vergleich der Kosteninformationen verschiedener Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
242
Anhang
Validität der Kosteninformationen (Fortsetzung)
Offenlegung eigener Kosteninformationen an Lieferanten
Auswirkungen von Open Book Accounting auf Verhandlungssituationen
Einsatz von Open Book Accounting für Kostensenkungen
Vorteile einer Offenlegung für den Lieferanten
Plausibilisierung über Vergleich mit Kosten für alte Produkte
Erwähnung; keine Erwähnung
Plausibilisierung über Vergleich mit eigenen Fertigungsbenchmarks oder Kosten
Erwähnung; keine Erwähnung
Plausibilisierung durch Analysen von Kollegen
Erwähnung; keine Erwähnung
Plausibilisierung durch eigene Analysen
Erwähnung; keine Erwähnung
Plausibilisierung im Rahmen von Lieferantenaudits
Erwähnung; keine Erwähnung
Wahrgenommener Nutzen der Plausibilisierungsansätze
Unterschiedlich; niedrig; hoch; sehr hoch; keine Angabe
Genauigkeit der Plausibilisierungsrechnungen
Freitext: Verbale Beschreibung der wahrgenommenen Genauigkeit; keine Angabe
Fertigungsbenchmarks
Erwähnung; keine Erwähnung
Zielkosten
Erwähnung; keine Erwähnung
Höhe von Wettbewerberangeboten
Erwähnung; keine Erwähnung
Materialkosten
Erwähnung; keine Erwähnung
Veränderung Verhandlungsdruck auf Lieferanten
Steigt; ausgeglichen; ohne Einfluss; sinkt; keine Angabe
Grund: Bessere Argumentationsbasis Abnehmer
Erwähnung; keine Erwähnung
Grund: Bessere Argumentationsbasis Lieferant
Erwähnung; keine Erwähnung
Grund: Bessere Beurteilung Materialpreisentwicklung
Erwähnung; keine Erwähnung
Grund: Bessere Beurteilung Lieferantenprofit
Erwähnung; keine Erwähnung
Grund: Versachlichung der Diskussion
Erwähnung; keine Erwähnung
Einsatz im Rahmen der Produktentwicklung
Erwähnung; keine Erwähnung
Einsatz zur Identifikation und (ggf.) Umsetzung von Kostensenkungspotenzialen
Erwähnung; keine Erwähnung
Einsatz zur Quantifizierung von Kostensenkungspotenzialen
Erwähnung; keine Erwähnung
Weitergabe Materialkonditionen nach Identifikation von Nachteilen beim Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Aufteilung Einsparungen aus Kostensenkungsprojekten mit Lieferanten
Zugunsten des Abnehmers; situationsabhängig; zu gleichen Teilen; keine Angabe
Sicherung Wettbewerbsfähigkeit
Erwähnung; keine Erwähnung
Nutzung Kostensenkung für andere Kundenbeziehungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Verbesserung Preisargumentation/ Begründung niedrige Marge
Erwähnung; keine Erwähnung
Umsatzsicherstellung/ -ausweitung beim Kunden
Erwähnung; keine Erwähnung
Anhang
Offenlegung von Kosteninformationen wäre der Befragte Lieferant
Rahmenbedingungen für Offenlegung durch Lieferant
243
Steigerung der Glaubwürdigkeit
Erwähnung; keine Erwähnung
Vorteile aus Feedback zu Kostensituation
Erwähnung; keine Erwähnung
Realisierung engere Bindung an Abnehmer
Erwähnung; keine Erwähnung
Grundsätzliche Bereitschaft
Ja; situationsabhängig; nein; keine Angabe
Grund für eigene Bereitschaft: Lieferant hat nur Vorteile
Erwähnung; keine Erwähnung
Grund für eigene Bereitschaft: Feedback zur Kostensituation hilfreich
Erwähnung; keine Erwähnung
Grund für eigene Bereitschaft: Ohnehin niedrige Marge und nichts zu verlieren
Erwähnung; keine Erwähnung
Grund für eigene Bereitschaft: Marktumfeld erfordert Offenlegung
Erwähnung; keine Erwähnung
Relevanz von Abnehmermacht
Erwähnung; keine Erwähnung
Relevanz des Beziehungskontextes
Erwähnung; keine Erwähnung
Reaktion der Lieferanten auf Aufforderung zur Offenlegung
Zustimmung; situationsabhängig; Ablehnung; keine Angabe
Vorteilhaftigkeit unterschiedliche Dauern der bisherigen Zusammenarbeit
Neue Beziehungen vorteilhaft; situationsabhängig; alte Beziehungen vorteilhaft; keine Angabe
Keine Schwierigkeiten vorhanden sofern Lieferant offenlegt
Erwähnung; keine Erwähnung
Uneinheitliche Formulare und Aufwand für Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Mangelnde Qualifikation im Einkauf
Erwähnung; keine Erwähnung
Mangelnde Qualität der Kostenrechnung beim Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Mangelnde Zeit für Analyse der Kosteninformationen im Einkauf
Erwähnung; keine Erwähnung
Entwicklungstendenzen
Erwartete zukünftige Verbreitung von Open Book Accounting
Zunahme; gleichbleibend; situationsabhängig; Rückgang; keine Angabe
Gründe für erwartete Zunahme der Verbreitung von Open Book Accounting
Erwartung eines verstärkten Wettbewerbs und resultierendem Margendruck
Erwähnung; keine Erwähnung
Nutzung der vereinfachten Verhandlungsführung hilfreich
Erwähnung; keine Erwähnung
Grundsätzlicher Trend zu mehr Transparenz
Erwähnung; keine Erwähnung
Schwierigkeiten in Zusammenhang mit Open Book Accounting
Potenzial, das bisher noch unberücksichtigt ist
Erwähnung; keine Erwähnung
Transparenz liegt ohnehin vor, damit kein Grund Informationen vorzuenthalten
Erwähnung; keine Erwähnung
Steigerung Bedeutung des Risikomanagements
Erwähnung; keine Erwähnung
244
Anhang
Gründe für erwarteten Rückgang der Verbreitung von Open Book Accounting
Möglichkeiten zur Steigerung der Akzeptanz der Lieferanten gegenüber Open Book Accounting
Verschiebung Machtverhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer
Erwähnung; keine Erwähnung
Vereinbarung fester Preise effizienter
Erwähnung; keine Erwähnung
Offene und ehrliche Kommunikation gegenüber dem Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Darstellung und Definition finanzieller Vorteile für den Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Aufbau von Vertrauen und einem partnerschaftlichen Verhältnis
Erwähnung; keine Erwähnung
Vereinbarung von Margenstabilität bzw. Mindestmargen oder Umsatzgarantien
Erwähnung; keine Erwähnung
Sicherstellung der Geheimhaltung
Erwähnung; keine Erwähnung
Offenlegung sensibler Informationen durch den Abnehmer
Erwähnung; keine Erwähnung
Durchführung eines Pilotprojektes
Erwähnung; keine Erwähnung
Akzeptanz begrenzter Offenlegung
Erwähnung; keine Erwähnung
Vereinfachung und Standardisierung der Formulare
Erwähnung; keine Erwähnung
Durchführung spezifischer Investitionen beim Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Steigerung Qualifikation im Einkauf
Erwähnung; keine Erwähnung
Tab. 20: Kategoriensystem Experteninterviews Abnehmerperspektive
Anhang
245
Kategoriensystem Experteninterviews Lieferantenperspektive Oberkategorie Grundlagen zur Nutzung von Open Book Accounting
Gründe aus Vertriebssicht für Open Book Accounting
Gründe des Einkaufs für Open Book Accounting aus Vertriebssicht
Probleme von Open Book Accounting
Kategorie
Ausprägungen
Grundsätzliche Einstellung gegenüber Open Book Accounting
Eher positiv; ausgeglichen; eher negativ
Versuch Vermeidung Offenlegung
Ja; situationsabhängig; nein
Detaillierung der dem Abnehmer zur Verfügung gestellten Kosteninformationen
Verbale Beschreibung der enthaltenen Kostenbestandteile bzw. der nicht offengelegten Positionen
Zeitpunkt der Offenlegung
Verbale Beschreibung wann Datenübermittlung erfolgt (z.B. vor Auftragsvergabe; in mehreren Phasen)
Offenlegung als Abgrenzung zum Wettbewerb
Erwähnung; keine Erwähnung
Identifikation und Bewertung von Kostensenkungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Begründung von Preiserhöhungen bei Kostenschwankungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Bewertung Änderungen während Produktentwicklung
Erwähnung; keine Erwähnung
Begründung absolute Höhe der Verkaufspreise
Erwähnung; keine Erwähnung
Ermöglichung Unterstützung durch Einkauf
Erwähnung; keine Erwähnung
Beschäftigung mit Ergebnissituation
Erwähnung; keine Erwähnung
Stärkung Einkäufer gegenüber dessen Kollegen
Erwähnung; keine Erwähnung
Ausübung bzw. Erhöhung des Verhandlungsdrucks
Erwähnung; keine Erwähnung
Anforderung an den Einkäufer aufgrund Unternehmensvorgabe
Erwähnung; keine Erwähnung
Sicherstellung Plausibilität des Preises bzw. der Kalkulation
Erwähnung; keine Erwähnung
Absicherung der Produktinhalte im Sinne eines Risikomanagements
Erwähnung; keine Erwähnung
Entwicklung Gespür für den Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Widerlegung einer schlechten Verhandlung in der internen Argumentation
Erwähnung; keine Erwähnung
Bewertung Änderungen während Produktentwicklung
Erwähnung; keine Erwähnung
Hoher Aufwand
Erwähnung; keine Erwähnung
Ziel des Abnehmers ist im Wesentlichen Preisdruck
Erwähnung; keine Erwähnung
Akzeptierte Margen sind unzureichend
Erwähnung; keine Erwähnung
Befürchtete Datenweitergabe oder Ideendiebstahl
Erwähnung; keine Erwähnung
246
Anhang
Probleme von Open Book Accounting (Fortsetzung)
Vor- und Nachteile zuungunsten des Lieferanten verteilt
Erwähnung; keine Erwähnung
Zum Zeitpunkt der erwarteten Offenlegung noch gar keine eigene Kostentransparenz vorhanden
Erwähnung; keine Erwähnung
Fehlerhafte Annahmen im Benchmarkingprozess des Abnehmers
Erwähnung; keine Erwähnung
Zuschlagssätze sind vereinbarte und nicht tatsächliche Kosten
Erwähnung; keine Erwähnung
Fehlende Standardisierung von Kostenverständnis und Kostenrechnungssystemen
Erwähnung; keine Erwähnung
Unvereinbarkeit von Open Book Accounting mit dem Marktpreiskonzept
Erwähnung; keine Erwähnung
Forderung von Preissenkungen ohne demgegenüberstehende realisierte Kostensenkungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Abnehmer kann Kalkulationsschwächen des Lieferanten identifizieren
Erwähnung; keine Erwähnung
Manipulation von Benchmarkinginformationen durch den Einkauf
Erwähnung; keine Erwähnung
Verlust eines Sicherheitspuffers
Erwähnung; keine Erwähnung
Mühsame Diskussionen mit Abnehmer hinsichtlich Datenvalidität
Erwähnung; keine Erwähnung
Zu häufige Änderungen an Open Book Accounting Formularen
Erwähnung; keine Erwähnung
Einfluss von Macht auf Offenlegung
Beschreibung Machteinfluss auf Bereitschaft zur Offenlegung
Verbale Beschreibung (Einsatz von Abnehmermacht; Einfluss Machtausübung; Offenlegung ohne Machtausübung)
Steigerung Lieferantenakzeptanz gegenüber Open Book Accounting
Realisierte Kostensenkung als Voraussetzung für Preissenkung
Erwähnung; keine Erwähnung
Darstellung und Definition finanzieller Vorteile für Lieferanten
Erwähnung; keine Erwähnung
Aufbau Vertrauen/ partnerschaftliches Verhältnis
Erwähnung; keine Erwähnung
Vereinbarung Margenstabilität/ Mindestmarge und/oder Umsatzgarantien
Erwähnung; keine Erwähnung
Akzeptanz kostenseitig begründeter Preisänderungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Sicherstellung Geheimhaltung
Erwähnung; keine Erwähnung
Akzeptanz begrenzter Offenlegung
Erwähnung; keine Erwähnung
Vereinfachung und Standardisierung
Erwähnung; keine Erwähnung
Steigerung Qualifikation im Einkauf
Erwähnung; keine Erwähnung
Echte Bereitschaft zu techn. Änderungen/ frühzeitiger Start Zusammenarbeit
Erwähnung; keine Erwähnung
Einräumung Zeit für Umsetzung von Kostensenkungen
Erwähnung; keine Erwähnung
Anhang
Manipulation von Kosteninformationen
247
Regelmäßige eigene Manipulation der dem Abnehmer zur Verfügung gestellten Kosteninformationen
Ja; nein; keine Angabe
Erwartung, dass auch andere Unternehmen ihre Kosteninformationen manipulieren
Ja; keine Angabe
Versuch auch negative Margen zu verheimlichen
Ja; keine Angabe
Grund ist die Verheimlichung eines zu hohen Ertrages
Ja; keine Angabe
Schwierigkeiten bei der Manipulation
Verbale Beschreibung (u.a. Konsistenz beibehalten)
Geeignete Kostenpositionen für Manipulationen
Verbale Beschreibung (u.a. Ausschuss, Maschinenstundensätze)
Tab. 21: Kategoriensystem Experteninterviews Lieferantenperspektive
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