K L E I N t
II I II L I O T I! E K
D E S
W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L I U R K U N D L I C H t
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K L E I N t
II I II L I O T I! E K
D E S
W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L I U R K U N D L I C H t
K A R L H E I N Z
HEFTE
D O B S K Y
S C H Ö P F E R E I N E S W E L T B I L D E S
VERLAG
SEBASTIAN1
MU R N Ä U - M Ü N C H E N
LUX
- I N N S B R U C K
-HASEL
GELOBT SEIST DU, HERR, MIT ALLEN D E I N E N K I N D E R N — MIT DER SCHWESTER SONNE BESONDERS, DIE DU AM TAGE ENTZÜNDEST, DASS SIE STRAHLE IN S C H Ö N H E I T U N D UNS DEINE HERRLICHKEIT KÜNDE . . . Die zarten und reinen Verse des Heiligen Franz von Assisi sind nicht der älteste, nicht der erste „Sonnengesang", den die Menschheitsgeschichte verzeichnet; schon zweieinhalb Jahrtausende vor dem „Poverello", lange bevor das Evangelium den Menschen verkündet •ward, feierte ein adeliger Jüngling das strahlende Lichtgestirn unserer irdischen Tage. Es war der ägyptische König Amenophis IV., ein Pharao der Achtzehnten Dynastie und ein Philosoph auf dem Thron, der sich zu Ehren des von ihm zum kultischen Mittelpunkt erhobenen Sonnengottes Aton „Echnaton" nannte und seinem Glauben an die allerhaltende Macht der Sonne in formvollendeten Hymnen Ausdruck verlieh. „Wenn du dich erhebst am östlichen Rande des Himmels, erfüllst du jedes Land mit deiner Schönheit . . .", so besang der von reformatorischem Sendungsbewußtsein erfüllte Gottkünder die Sonne ,,. . . denn du hast Millionen von Gestalten gemacht aus dir allein, und alle Augen sehen dich; du fesselst uns alle durch deine Liebe, und obwohl du fern bist, sind deine Strahlen doch auf Erden . .." Auch der Ägypterkönig hob nur uraltes, lange verschüttet gewesenes Glaubensgut wieder ans Licht; seit der menschliche Geist sich zum Bewußtsein seiner selbst durchrang und zu glauben und zu 2
zweifeln begann, stand die Sonne im Zentrum anbetender Verehrung — das Tagesgestirn, das Licht und Wärme über die Erde ausbreitete, das die Saat zu Reife und Frucht brachte und dem meßbaren Erdenjahr die ewige Wiederkehr schenkte von Winter .und Frühling, von Sommer und Herbst. Das christliche Abendland verband die Feier der winterlichen Sonnenwende mit dem Gedenken an die Geburt des Erlösers zum schönsten aller Feste, das in Millionen Lichtern neue Hoffnung und Zuversicht kündet. Im Todesjahr des Heiligen Franz von Assisi unterzeichnet Kaiser Friedrich der Zweite von Hohenstaufen, den schon die Zeitgenossen „Wunder und Wandler der Welt" nannten, zu Rimini eine „Goldene Bulle", die dem jungen Deutschen Ritterorden, vertreten durch seinen Hochmeister Hermann von Salza, das „Kulmer Land" an der Weichsel als reichsunabhängigen Besitz zuspricht und darüber hinaus alles „noch zu erobernde Preußcnland" als landesherrliches Eigentum überträgt. „Weil Gott das Heilige Römische Reich zur Verkündigung des Evangeliums geschaffen hat, haben Wir Unsere Sorge und Aufmerksamkeit ebenso der Unterwerfung wie der Bekehrung der Heidenvölker zuzuwenden .. ." heißt es in dieser Urkunde, die dem Deutschen Ritterorden das Recht verleiht, „Richter und Verwaltungsbeamte einzusetzen, welche das Volk gerecht regieren und leiten, die Vergehen der Übeltäter vernünftig bestrafen, Zivil- und Strafrechtssachen untersuchen und nach Maßgabe der Vernunft beurteilen . . . " Die folgenschwere Urkunde von Rimini ist gewiß auch als eine Art kaiserlicher Anerkennung für Hermann von Salza gedacht, als ein Dank- und Vertrauensbeweis für den treuen Freund und klugen Berater, der sich so oft als geschickter, uneigennütziger Vermittler in den nicht endenwollenden Zwistigkeiten zwischen Kaiser und Papst bewährt hat. Und das kaiserliche Privileg kommt auch zur rechten Stunde — denn im Frühjahr 1226 hat Konrad von Masovien, ein polnischer Herzog, bei Hermann von Salza die Waffenhilfe des Deutschen Ritterordens erbeten zum Kampf gegen die heidnischen „Preußen", die raubend, mordend und plündernd in sein Land eingefallen sind. Als Entgelt für erfolgreiche Hilfeleistung bietet Herzog Konrad das Kulmer Land in den Weichselniederungen, und Hefmann von Salza, dessen Deutschritter ihre erfolgreiche Siedlungsarbeit im ungarischen Burgenlande wegen ständiger Streitigkeiten mit dem Ungarnkönig abbrechen mu"ten, erkennt sofort die Möglichkeit, hier seinem noch wenig begüterten Orden einen festen Landbesitz zu schaffen. 3
„Nach Ostland wollen wir r e i t e n . . . ! " Deutschordensritter, im Schilde den staufischen Adler und am Mantel das Kreuz, das König Friedrich sich einst bei der Aachener Krönung selbst angeheftet, tragen nun den Namen und den Willen des großen Staufers gleich dem Flügelschlag seiner geliebten Jagdfalken ins Kulmer Land, die Urzelle des späteren Deutschen Ordensstaates. Im Frühling des Jahres 1231 überschreitet — nach dem Bericht einer alten Chronik — der von Hermann von Salza zum Anführer ernannte „Landmeister Hermann Balk in Gottes Namen die Weichsel und erbaute hier die Burg Thorn, indem er die Äste einer auf einer Anhöhe stehenden Eiche mit wehrhaften Zinnen versah . . ." Das kleine Ordensheer dringt tief in die ,pruzzische' Wildnis vor, gefolgt von Magdeburger und Lübecker Rittern, von Geistlichen, Bürgern und Bauern, und schon im Jahre 1233 setzt die ,Kulmer Handfeste' ein allgemein gültiges Landrecht ein, das auch der zum Christentum bekehrten einheimischen Bevölkerung gesetzliche Rechte und Schutz sichert. „Der Edle blieb edel, man ließ ihm den für standesgemäßen Unterhalt ausreichenden Teil seines Besitzes. Der Unedle erhielt nach Landessitte erbliches Dienstgut. Ein Bauer, der für zuverlässig galt, konnte geadelt werden, doch ein ungetreuer Edler wurde zum Knecht . . .", berichtet die Chronik aus jener Zeit. Schuld und Verhängnis haben gleichermaßen dazu beigetragen, daß dem Deutschen Ordensstaat zwischen Weichsel und Düna kaum zwei Jahrhunderte des Wachsens und der Blüte beschieden waren. Wie so oft in der Geschichte der Kolonisation folgten auch hier den Ersten, die mit reinem Herzen und reinen Händen für Kreuz und Ehre fochten, Habgier und Despotie, Intrige und Verrat. Noch in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts konnte der Ordensstaat sich an Reichtum, Macht und territorialer Ausdehnung mit dem böhmischen Königreich Karls IV. messen; der Hochmeister genoß königliche Ehren und konnte auf der Marienburg oft genug königliche und fürstliche Gäste empfangen, die mit frisch-fröhlicher „Heidenjagd" ein Kreuzzugsgelübde zu erfüllen gedachten. Nachdem "1386 der heidnische Großfürst Jagiello von Litauen sich zum Kreuze bekannt und durch seine Heirat mit der jugendlichen Hedwig die Krone Polens erhalten hatte, entfiel die ursprüngliche missionarische Aufgabe des Ordens, gegen den sich bald die erstarkenden Städte erhoben. 1410 erlitten die Deutschritter ihre erste, entscheidende Niederlage in der Schlacht bei Grunwald-Tannenberg; das blutige Treffen wurde zur Geburtsstunde eines polnisch-litauischen Großreiches, das sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer 4
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erstreckte und in Osteuropa als vielbewundertes Vorbild großzügigfeudaler Lebenskultur galt. Ein Vielvölkerstaat ohne „nationales" Gepräge und durch wirtschaftliche und dynastische Interessen eng mit den Deutschen verbunden: Die Mutter des Habsburger Kaisers Friedrich III., die Herzogin Zimburgis, stammte aus dem Hause Masovien, dessen Urahn einst den Ordenshochmeister Hermann von Salza um Warfenhilfe gebeten hatte. Doch als der Deutsche Ritterorden im Thorner Frieden von 1466 fast aller seiner Gebietsrechte im Osten verlustig ging, da nahm es Kaiser Friedrich, „des Heiligen Römischen Reiches Schlafmütze", gleichmütig hin, daß der Ordensstaat und mit ihm das Bistum Ermland unter polnische Lehnshoheit kamen. Der Bischof von Ermland erhielt neben seiner Würde als Reichsfürst auch Sitz und Stimme im polnischen Senat und damit die Möglichkeit, das in die Verteidigung gedrängte Deutschtum gegen die wachsenden polnischen Machtansprüche in Schutz zu nehmen.
Thorn an der Weichsel, die Vaterstadt des Kopernikus Der schöne Merianstich zeigt die nach Osten gerichteten Befestigungsanlagen, die erst im 11. Jahrhundert entstanden. Links der alte Stadtkern mit dem Rathaus, rechts die „neuere" Stadt. 5
Und dennoch: „Es geht nit ohne deutsche Meister!" vermerkt der Krakauer Stadtschreiber Johann Hey decke im Sommer 1477 — und dieser Ausspruch ist bezeichnend für die große Epoche deutscher Kulturarbeit im Osten, die sich ungeachtet politischer Niederlagen zu unvergänglichen Glanzleistungen steigert. Ordensburgen und Dome, Rathäuser und befestigte Städte wachsen empor und künden noch in unseren Tagen von längst vergangener Ritterherrlichkeit, von Bürgerstolz und himmelstürmender Glaubensinbrunst. Die „Burg Thorn", 1231 am Ufer der Weichsel „bei einer Eiche" gegründet, entwickelt sich rasch zu einer blühenden und reichen Handelsstadt, die sich gern erinnert, daß sie ihren Namen dem Geist der Kreuzritterzeit verdankt — denn der Landmeister Hermann Balk nannte seine Gründung einem damals oft geübten Brauch entsprechend nach einer „morgenländischen" Stadt, nach Toron im Königreich Jerusalem, dessen Krone Friedrich der Zweite von Hohenstaufen getragen hatte. Ihr wirtschaftliches Aufblühen verdankt Thorn nicht zuletzt dem „Stapelrecht", das die Stadt zum Umschlagplatz aller Waren macht, die den Weg zur Ostsee und zu den reichen Hansestädten nahmen. Das Thorner Rathaus, ein gewaltiger gotischer Backsteinbau, ist das größte Rathaus des Mittelalters, machtvolles Zeugnis eines Bürgersinnes, dem „Kaufmannswort vor Königswort" ging. Im Bürgersaal dieses Rathauses wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch das Wappen der aus Schlesien stammenden Familie Watzenrode angebracht, einer Familie, die im öffentlichen Leben der Stadt eine gewichtige und rühmliche Rolle spielte. Die Chronik von Thorn verzeichnet den Kaufherrn Lukas Watzenrode als städtischen Schöppenmeister, der neben einem angesehenen Handelshaus auch ausgedehnten Grundbesitz sein eigen nannte; er vermählte eine seiner Töchter mit dem Ratsherrn Tilman von Allen, dem späteren regierenden Bürgermeister von Thorn, und seine zweite Tochter — Barbara — gab er dem Kaufherrn Nikolaus Koppernick zur Frau. Der Sohn Watzenrodes aber, der ebenfalls Lukas hieß, wählte den geistlichen Stand; er studierte in Bologna und war dort zeitweilig Vorsteher der Natio Germanorum, der deutschen Landsmannschaft, die nur Studierende deutscher Sprache und Abstammung aufnahm. Die Krönung seiner glanzvollen Laufbahn erlebte Lukas Watzenrode mit seiner 1492 erfolgten Wahl zum Bischof von Ermland — einer Wahl, gegen die der polnische König als Lehnsherr des Bistums vergeblich Einspruch erhob. Wie die Watzenrodes stammten auch die Koppernicks aus Schlesien, aus dem Dorfe Koppernick bei Neisse. Als rührige Kaufleute waren 6
sie über Krakau na