Leonard Carpenter
Jacques Benoist-Méchin
KLEOPATRA
Ihr Leben - Ihre Zeit
Bechtermünz Verlag
Genehmigte Lizenzausg...
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Leonard Carpenter
Jacques Benoist-Méchin
KLEOPATRA
Ihr Leben - Ihre Zeit
Bechtermünz Verlag
Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1998 Titelmotiv: Gemälde von Sir Lawrence Alma-Tadema (AKG, Berlin) ISBN 3-8289-0299-5
Jacques Benoist-Méchin – Kleopatra
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Erster Teil:
Caesar
I Vormarsch und Rückzug bis in den höchsten Norden, die furchteinflößenden tiefen Wälder Amorikaniens, im Sturm gesun kene Schiffe, schwimmend überquerte Flüsse wie Mosel und Rhein, ermüdende Ritte bei Schnee und Eis – das alles wären keine Pro bleme für Caesar, den Unermüdlichen, wenn nicht Rom, dieser Herd ständiger Intrigen und Streitigkeiten, seine Autorität unter graben und die Befriedigung Galliens erschweren würde. »Wenn ich Dich umbringe, erfülle ich nur den Wunsch vieler römischer Senatoren«, rief ihm Ariovist von der Höhe des grasbewachsenen Hügels zu, als sie sich in der Rheinebene gegenüberstanden. Und Caesar weiß, daß das wahr ist. Die Männer an der Spitze der Republik, die ihn beneiden und fürchten, versuchen ihm seine Aufgabe auf jede erdenkliche Weise zu erschweren; sein Heer ist mit ihren Spionen durchsetzt, die den Soldaten einflüstern, daß Caesar die Eroberung Galliens ohne Ermächtigung des Senats eingeleitet habe, um seinen persönlichen Ehrgeiz zu befriedigen. In kritischen Momenten stacheln sie Ceasars Leute zur Fah nenflucht auf oder ermutigen die Barbaren, sich in die Wälder zurückzuziehen bis zu dem Tag, an dem Caesar sein Amt niederle gen muß. »Haltet noch eine Weile aus«, raten sie ihnen mit leiser Stimme, »bald wird man Caesar seine Amtszeichen abnehmen. Wenn er dann nach Italien zurückgekehrt ist, werdet Ihr nichts mehr von ihm oder seinen Legionen zu fürchten haben ...« Man versteht, daß Caesar es unter diesen Umständen eilig hat, den gallischen Feldzug zu beenden. Solange er außerhalb Italiens beschäftigt ist, haben seine Gegner in Rom freien Spielraum. Und haben ihm seine Informanten nicht berichtet, daß man ihn abzu setzen gedenke? Es ist also erforderlich, daß Caesar nach Italien
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zurückkehrt; sein Schicksal wird sich nicht mehr zwischen den erloschenen Vulkanen der Auvergne oder in den Wäldern der Ardennen entscheiden, sondern an den Ufern des Tiber, wo sich die beiden Lebensnerven der römischen Politik – Senat und Forum – befinden. Während die Abgesandten des Senats sein Heer – bisher vergeblich – ›bearbeitet‹ haben in der Hoffnung, die Solda ten würden von ihrem Feldherrn abfallen, hat Caesar seinerseits nichts versäumt, um sich beim römischen Volk beliebt zu machen: Eine ständige und intensive Propaganda wirkt auf die öffentliche Meinung der Hauptstadt ein; immer wieder verlesen Sonder kuriere auf dem Forum kurze und eindrucksvolle Berichte, die bewußt die Bedeutung von Caesars Siegen übertreiben.1 »Vierhundertunddreißigtausend Barbaren an einem einzigen Tag getötet«, so wird der verblüfften Volksmenge kundgetan. Caesar hat seine ›Kommentare zum Gallischen Krieg‹ zu einem Buch zusammengefaßt, und die Wirkung dieser trockenen Prosa übertrifft jede Erwartung. Er hat die Hauptstadt mit Gold, Siegesbeute und Sklaven überschüttet, und Ende des Jahres 51 verkündet er schließlich feierlich, daß »Gallien nunmehr römische Provinz sei, von den Pyrenäen und den Alpen bis zum Rhein und zum Ozean«. Braucht es mehr, um die Begeisterung seiner Landleute zu entfa chen? Wiederholt sieht sich der widerstrebende Senat gezwungen, Caesar besondere Ehrungen zu erweisen ... Während Caesars eindrucksvolle Leistungen und Gesten ihm die Zuneigung des Volkes sichern, haben sie aber auch die Feindschaft der Senatoren in beträchtlichem Maße verstärkt. »Was bedeutet diese Tendenz zur Selbstverherrlichung anderes«, so fragen sich die Väter der Republik in immer größerer Unruhe, »als daß Caesar nach der Alleinherrschaft strebt.« Dieses Wort allein löst bei ihnen Angstträume aus; Sullas Bei spiel ist in ihrer Erinnerung noch zu lebendig. Würde Rom nicht wieder eine Zeit der Proskription erleben, wenn sich Caesar zum Alleinherrscher aufschwänge? Obwohl ihn noch die Alpen von der Stadt trennen, wirft er bereits seinen Schatten auf die Ewige Stadt voraus; was mag erst geschehen, wenn er einmal nach Ravenna, an
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die Tore Latiums, zurückgekehrt sein wird? Caesars kometenglei chem Aufstieg, der die Grundlagen der Republik bedroht, muß also schleunigst ein Ende gesetzt werden ... Und glücklicherweise gibt es ein Mittel zu diesem Zweck, einen geschickten und um so unfehlbareren Weg, als er durch das unbeugsame Recht begründet werden kann. Im Jahre 60 zum Konsul gewählt, hat Caesar am 1. Januar 59 dieses Amt ange treten; die Gesetze von 342, die von Sulla bestätigt worden sind, bestimmen, daß jemand, der das Konsulat bereits einmal innege habt hat, sich vor Ablauf von zehn Jahren, vom Ende der ersten Amtsperiode an gerechnet, nicht noch einmal darum bewerben kann. Demnach würde Caesar erst wieder in den Wahlen von 49 für das Konsulat kandidieren und im Falle seiner Wahl das Amt im Jahre 48 antreten können. Außerdem hat jeder Kandidat, der eine militärische Befehlsgewalt ausübt, dieses Amt niederzulegen und sein Heer aufzulösen, bevor er sich in Rom den Wählern stellen kann. Diese gesetzlichen Vorschriften bringen Caesar in eine schwie rige Lage. Als er Ende 59 das Konsulat niederlegte, hatte er das ›Imperium‹, die militärische Befehlsgewalt in Gallien und Illyrien, für die Dauer von fünf Jahren erhalten; seither war er für weitere vier Jahre darin bestätigt worden. Hätte Caesar auch dieses zweite Mal seine Bestätigung für fünf Jahre erhalten, so wären das genau zehn Jahre gewesen – also die Zeitspanne, während der er vom Konsulat ausgeschlossen ist. Zwischen Ende 50 (also dem Erlöschen seines ›Imperiums‹ und Anfang 48 (wenn er wieder Konsul werden könnte) würde also ein Jahr liegen, das entschei dende Jahr 49, in dem Caesar, dem Schutz seines Heeres sowie jeg licher politischer Macht beraubt, den Angriffen seiner Feinde wehr los ausgesetzt sein würde. Diese Gelegenheit würden sie nutzen, um ihm den Gnadenstoß zu versetzen; und der beste Weg dazu wäre, ihn vor dem Senat wegen seiner eigenmächtigen Politik in Gallien anzuklagen; das würde seinem Ruf schaden und seine politische Laufbahn beenden. Er könnte nicht mehr für das Kon sulat kandidieren und müßte sich zurückziehen, »es sei denn«,
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so schlägt Cato mit erbarmungsloser Ironie vor, »er möchte lieber in Ketten gelegt und den Überlebenden der von ihm so grausam dezimierten gallischen Stämme ausgeliefert werden, damit sie ihre gerechte Rache an ihm üben können.« So also sieht der geschickt erdachte Plan des Senats aus. Unter anderen Umständen würde Caesar nur mit einem Achselzucken darauf reagiert haben, aber in diesem Augenblick kann er sich das nicht leisten. Er weiß nämlich nur zu genau, daß seine Gegner bei der Durchführung ihres Planes mit der Unterstützung des Pompejus rechnen können.
II Pompejus? Der Mann, den er stets bevorzugt hat, der sein Bruder sein könnte, denn er ist nur fünf Jahre älter als Caesar, und den er zu seinem Schwiegersohn gemacht hat, indem er ihm seine Toch ter Julia zur Frau gab? Ja – derselbe Pompejus; seit Caesar nach Gallien gezogen ist, haben sich die Gefühle dieses Mannes ihm gegenüber völlig gewandelt. Mitte des Jahres 60, kurz vor seiner Wahl zum Konsul, hatte Caesar einen Freundschaftspakt mit den beiden mächtigsten Männern jener Tage geschlossen, nämlich Crassus und Pompejus. In diesen Bund brachte der reiche Crassus die finanziellen Mittel, Pompejus seinen Ruf als Feldherr und Caesar seine politische Begabung ein. In kürzester Zeit hatten die Triumvirn der Senatso ligarchie ihren Willen aufgezwungen. Seit Caesar jedoch fern von Rom weilte, waren die Beziehungen zwischen den drei Männern zusehends schwächer geworden; um den Bund wieder zu festigen, hatte Caesar sogar seinen Feldzug in Gallien unterbrochen und war mit seinen zwei Bündnispartnern in Lucca an der etrurischen Grenze zu Besprechungen zusammengetroffen (15. April 56). Auf die Nachricht von diesem geplanten Treffen hin waren den drei Männern zahlreiche Richter und Beamte vorausgeeilt, um ihnen den Hof zu machen, und ihre hundertundzwanzig Liktoren, die mit ihrem Amtszeichen durch die Straßen der kleinen, »durch soviel Ehre überraschten« toskanischen Stadt zogen, hatten dem
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Senat deutlich zu verstehen gegeben, daß sich das tatsächliche Machtzentrum weniger in Rom als dort befand, wo Caesar, Pompe jus und Crassus versammelt waren. In Lucca hatten sich die Triumvirn darauf geeinigt, sich gegen seitig zu unterstützen und die Welt unter sich aufzuteilen. Es war abgemacht worden, daß Crassus und Pompejus im folgenden Jahr zu Konsuln ernannt werden sollten und ihren Einfluß dazu benut zen würden, Caesars Statthalterschaft in Gallien zu verlängern, damit er die Eroberung dieses Gebietes erfolgreich beenden könne. Nach Ablauf ihres Konsulats würde sich dann Pompejus das ›Impe rium‹ in ganz Spanien und Crassus die Befehlsgewalt über die römischen Legionen in Syrien übertragen lassen.2 Die drei Männer würden ihre Ämter gleichzeitig niederlegen. Schließlich – und das war der wesentlichste Punkt dieses Übereinkommens – hatten sich Crassus und Pompejus verpflichtet, ihre Anwesenheit in Rom nicht dazu zu benutzen, im Senat Vorteile zu erwerben, die sie auf Kosten ihres abwesenden dritten Partners begünstigen würden. Nach Abschluß dieses Paktes war Caesar beruhigt nach Gallien zurückgekehrt. Solange sie zusammenhielten, vereinigten die drei Triumvirn die gesamte Exekutivgewalt der Republik in ihren Händen. Bald darauf sollten sich jedoch durch eine Reihe von tragischen Ereig nissen ihre Wege trennen; es schien, als ob die Götter selbst eine Auseinandersetzung herbeiführen wollten, den der Zusammenstoß der verschiedenen Interessen früher oder später ohnehin unver meidlich machte. Im September 54 war Julia, die Tochter Caesars und Gemahlin des Pompejus, bei der Geburt eines Knaben gestor ben, der sie nicht überlebte. Damit hörten die Familienbande, die Pompejus und Caesar vereinigt hatten, auf zu bestehen. Weni ger als ein Jahr später, am 1. Juni 53, war Crassus bei einem Feld zug im Osten vor den Mauern von Karrhai in einen Hinterhalt gera ten und von parthischen Reitern getötet worden; sein Haupt war während einer Aufführung der ›Bacchantinnen‹ von Euripides3 auf der Bühne zur Schau gestellt worden. Nun standen sich zwei Riva len gegenüber: Caesar und Pompejus, der Sieger über Vercingetorix
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und der Sieger über Sertorius. Solange Crassus lebte, hatte zwi schen den drei Männern ein Gleichgewicht bestanden; jetzt aber, wo sie nur noch zwei waren, stellte eine fast schicksalhafte Ent wicklung sie als Feinde gegenüber. Und ihre Gegnerschaft konnte nur in einem Zweikampf enden, dessen Ausgang einer von ihnen mit dem Leben zu bezahlen haben würde.
III Die ›Väter des Vaterlandes‹ entdeckten nun ausgerechnet zu dieser Zeit in Pompejus das Schwert, mit dessen Hilfe sie Caesar schla gen konnten; allein und ohne Heer wäre der Senat nämlich kaum in der Lage gewesen, den Besieger Galliens zum Rücktritt von seinem Kommando zu zwingen. Nach kurzem Zögern faßten die Senatoren Mut, und, wie stets zwischen Unsicherheit und Anmaßung schwan kend, beschlossen sie, Pompejus mit Ehren zu überhäufen, um ihn für ihre Sache zu gewinnen; gleichzeitig wurde Caesar zum Gegen stand ihrer Anschuldigungen und Demütigungen. Würde aber der Senat nicht durch diesen Entschluß eine Gefahr gegen eine andere eintauschen? Mußte er nicht damit rechnen, schließlich von Pom pejus beherrscht zu werden? Nein – der Senat wußte sehr wohl, was er tat; er war zwar machtlos, aber nicht blind! Ein sicherer Instinkt ließ ihn ahnen, daß zwischen Caesar und Pompejus nicht nur ein charakterlicher Unterschied bestand, sondern daß auch das von den beiden Männern verfolgte Ziel keinesfalls das gleiche war. Zu dieser Zeit, also in den späten fünfziger Jahren, spitzt sich die Lage so zu, daß eine Entscheidung unaufschiebbar wird. Und diese Entscheidung wird nicht nur für Caesar und Pompejus, sondern auch für den Senat und ganz Rom schicksalhaft sein. Schon seit langem entspricht das Regierungssystem nicht mehr den Anforderungen der Republik; die Stadt des Romulus und der Senat, der sie regiert, können der Verwaltung des ständig größer werdenden Reichs nicht mehr gerecht werden, dessen Grenzen die Römer inzwischen bis zum Rhein und zum Euphrat vorgeschoben
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haben.4 »Die Republik ist nur noch ein Körper ohne Haupt oder ein Haupt ohne Körper« hatte Catilina auf dem Weg ins Exil ausgeru fen. »Die Republik ist nur noch ein Wort ohne Inhalt«, sollte Sueton bald wiederholen.5 Und genau so ist es auch. Ein Körper ohne Haupt: Von den Ereignissen hin- und hergewor fen, ist der Senat nicht mehr in der Lage, den rivalisierenden Par teien sein Gesetz aufzuzwingen. Haupt ohne Körper: Alle Völker, die im Verlauf der römischen Eroberungen unterworfen wurden – Germanen, Gallier, Iberer, Griechen, Asiaten, Syrier, Numider und Afrikaner — bilden eine uneinheitliche Masse, die von keiner Zentralgewalt zusammenge halten wird.6 Der neuen Generation muß also die Aufgabe zufallen, diesem wachsenden Körper ein entsprechendes Haupt zu geben und ihn diesem neuen Haupt anzupassen. Wer aber wird der neuen Generation den Weg weisen? Das Heer? Es gibt zwar genug Feldherrn, aber leider denken sie nur daran, im Krieg zu plündern und im Frieden großzügige Schenkun gen zu fordern. Was sie wollen, ist klar: der Republik ihren Willen diktieren, ungeachtet der Gesetze, der Regierungsform und der Interessen des Staates.7 Oder der Senat, diese Versammlung von Schwätzern, die wie eine leere Muschel summt und sich auf Grundsätze beruft, die offensichtlich überholt sind, da sie aus einer Zeit stammen, in der die römische Macht nicht über die Grenzen Latiums hinaus reichte? Selbst die überzeugtesten Republikaner halten das für unmöglich. Seit dem Tod Sullas hat die Idee der Alleinherrschaft viele Anhänger gefunden; man kann sogar sagen, daß die Republik seit etwa einem Jahrhundert vorsichtig nach einer Form der Mon archie sucht, die ihre Nachfolge antreten könnte – Tribunatsherr schaft unter den Gracchen, Konsulatsherrschaft unter Marius und Cinna, Diktatur unter Sulla.8 Die meisten Römer sind inzwischen zu der Ansicht gelangt – auch wenn sie es noch nicht offen zuzu geben wagen –, daß nur ein einziger, mit außergewöhnlichen Machtbefugnissen ausgestatteter Mann an der Spitze des Staates die heraufkommenden Gefahren zu bannen in der Lage wäre.
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»Wenn das Meer steigt, wenn die Krankheit sich verschlimmert, wenn der Krieg wütet, dann liegt die Rettung in der Einheit der Staatsführung«, erklärt Cicero in belehrendem Ton. »Ein einziger Lotse, und die Überfahrt verläuft erfolgreich; ein einziger Arzt, und die Gesundheit wird wiederhergestellt sein; ein einziger Feld herr, und die Soldaten werden den Sieg davontragen...« 9 Diese Gemeinplätze stoßen auf keinen Widerspruch. Welchem Mann aber und unter welchen Bedingungen soll man die Macht übertragen? In diesem Punkt gehen die Meinungen allerdings beträchtlich ausein ander. Den Senatoren und großen Patrizierfamilien der Hauptstadt aber geht es darum, daß der Senat um keinen Preis seine Souveränität abtritt. Alle Macht geht von ihm aus und muß, im Falle einer zeit weiligen Übertragung, an ihn zurückgegeben werden. Auch ein auf Lebenszeit ernannter Diktator ist lediglich der ›Bevollmächtigte‹ der Republik: Er ist zwar oberster Befehlshaber des Heeres, bestimmt die Außenpolitik und hat den Staat gegen jede Bedrohung von außen zu beschützen; die inneren Angelegenheiten dagegen überläßt er den traditionellen Organen — Senat, Komitien und Tri bunen. Entsprechend den Sitten der Väter soll dieser neue Cincin natus an den Pflug zurückkehren, sowie die Senatoren seine Anwe senheit als für das Wohlergehen des Staates nicht mehr unent behrlich betrachten. Dieses System wird als ›Principat‹ bezeichnet; und der Mann, der auf Grund seines Ansehens, seiner Mäßigung und seiner militärischen Erfolge dieser Aufgabe ehrenvoll gerecht würde, ist Pompejus. Pompejus – nicht Caesar! Denn dieser ver tritt die Ansicht, daß das Prinzipat nur eine halbe Lösung sei, die es unmöglich mache, die notwendigen Reformen erfolgreich durchzuführen. Er ist überzeugt, daß das bestehende System durch eine andere, auf neuen Grundsätzen beruhende Ordnung ersetzt werden muß. Rom ist nämlich in diesem Augenblick von einer der größten Krisen bedroht, die es im Laufe seiner Geschichte durchzustehen hat. Wie kommt es, daß die herrschende Gruppe sich dessen nicht bewußt ist? Die Parteienkämpfe, Rassengegensätze und
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Sklavenaufstände, die Unzufriedenheit der Legionen und die unsi chere außenpolitische Lage – schwache Bundesgenossen und Seeräuber, die die für Italien lebensnotwendigen Getreidezufuhren aus Afrika und Sizilien abfangen – sind Tatsachen, die leicht zu deuten sind; man muß blind sein, um nicht zu begreifen, daß sie auf die bevorstehende Auflösung der Republik hinweisen. Früher oder später muß die Republik entweder in Anarchie versinken oder in einem neuen System aufgehen. Caesar hält diese Entwicklung für unvermeidlich. Ihm zufolge müssen die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen neugestaltet und erweitert werden. Rom ist zu schnell gewachsen. Das Staats- und Gesellschaftsgefüge droht unter der Wirkung eines von innen kommenden Drucks aus einanderzubrechen, der letztlich aus der überströmenden Lebens kraft der Römer herrührt. Wenn diese Vitalität nicht eine Kata strophe herbeiführen soll, muß sie von einer sicheren und starken Hand gezügelt und gelenkt werden; darin liegt eine ungeheure Aufgabe, die nicht mit einfachen Mitteln zu lösen sein wird. Es geht um nicht weniger als die Schaffung eines neuen Staates, der den Ausmaßen des neueroberten römischen Reichsgebietes gerecht werden kann; entsprechend der Größe dieses zu verein heitlichenden Reiches aber muß die Machtbefugnis des Staatschefs unbeschränkt sein. Die gesamte Verwaltung muß ihm untergeord net werden; er muß die Grenzen der Provinzen verändern, ihre Statthalter ein- und absetzen, Gesetze außerhalb der Hauptstadt verfügen und vor allem das römische Bürgerrecht allmählich auf alle eroberten Völker ausdehnen können. Diese Aufgabe wird mehrere Generationen in Anspruch nehmen; sie setzt eine Kontinuität voraus, die die Republik nicht gewährleisten kann. Aus diesem Grund muß an der Spitze des Staates, dieses erhabenen Gebäudes, nicht nur ein zeitweiliger Pro tektor, sondern ein Mann stehen, dessen Macht uneingeschränkt, absolut ist. »Aut Caesar, aut nihil!« – entweder wird diese neue Ordnung angenommen, oder die zivilisierte Welt wird ins Chaos zurücksinken. Logischerweise bedeutet ein Sieg dieser Ideen für den Senat eine wesentliche Beschränkung seiner Macht, so daß er
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dann nur noch eine unbedeutende Rolle spielen würde. Ist es daher verwunderlich, wenn die Senatoren, die ja vor allem an der Wah rung ihrer Vorrechte interessiert sind, unter diesen Umständen Caesar weitaus mehr fürchten als seinen Rivalen Pompejus?
IV Ihre Politik wird also darin bestehen, Pompejus alles zuzugestehen und Caesar alles zu verweigern. »Da Pompejus weniger als Caesar die Gunst der Massen suchte«, berichtet Dio Cassius, »hoffte der Senat, ihn ganz dem Volk entfremden und für seine eigenen Inter essen gewinnen zu können. Das gelang auch; stolz auf diese neue Ehre, unternahm Pompejus nichts mehr, um sich das Volk günstig zu stimmen, und tat gewissenhaft alles, was dem Senat gefiel.« Dio Cassius läßt in diesen Zeilen sein Erstaunen darüber durch blicken, mit welcher Leichtigkeit Pompejus sich von dem entgegen kommenden Verhalten des Senats umgarnen ließ. Cassius hat das wahre Wesen des Pompejus jedoch verkannt und wie viele seiner Zeitgenossen geglaubt, daß der Sieger über Sertorius seinen Auf stieg persönlichen Fähigkeiten verdankte, während er tatsächlich nur einem glücklichen Zufall zuzuschreiben war. Das Glück und nicht sein Wille hatte Pompejus zu Ruhm und Macht gelangen lassen. Die Senatoren allerdings hatten sich in seinem Wesen nicht getäuscht: Sie hatten sehr bald die Willensschwäche dieses Mannes erkannt, dessen Ruf besser war als sein Charakter. Man braucht nur sein aufgedunsenes Gesicht und seinen weichen Mund mit den scharfen und entschlossenen Zügen Caesars zu vergleichen, um zu wissen, welcher der beiden Männer mehr zu fürchten war. Pompejus ist auf dem Schlachtfeld zwar ein ausgezeichneter Stratege, aber in der Politik ein ungeschickter Taktiker. Unglaub lich eitel und unfähig, den offensichtlichsten Schmeicheleien zu widerstehen, liebt er die Macht um der Genugtuung willen, die sie ihm verschafft. Caesar dagegen liebt die Macht nur, weil sie es ihm erlaubt, etwas zu erreichen. Immer wieder wird im Lauf ihrer Karriere der Unterschied deutlich, der zwischen diesen beiden
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Männern besteht. Als Sulla von Pompejus verlangte, daß er seine Frau Antistia verstößt, hat dieser sich gebeugt und gehorcht; Caesar, aufgefordert, das gleiche zu tun, hat es vorgezogen, ins Exil zu gehen — er war damals erst neunzehn Jahre alt. Sogar ihre Art, der Menge zu schmeicheln, läßt den großen Unterschied zwischen den beiden Männern erkennen: Caesar kauft um teures Geld Land, um darauf ein Forum zu errichten, während Pompejus an einem Nachmittag fünfhundert Löwen und siebzehn Elefanten niedermetzeln und sich dafür vom Volk zujubeln läßt. Der Geruch des Blutes jedoch vergeht, das Forum bleibt. Als er die Wahl hat, eine Siegesfeier zu erhalten oder die Macht zu übernehmen, ver zichtet Pompejus auf die Macht, um auf das Kapitol zu steigen; Caesar dagegen verzichtet auf das Kapitol, um Konsul zu werden. Pompejus ist Höhergestellten gegenüber dienstbeflissen und dem einfachen Volk gegenüber zurückhaltend; da er außerdem bei der Besoldung seiner Soldaten geizig ist, wird er aus ihnen niemals eine Truppe machen, die ihm mit blindem Vertrauen folgt. Ande rerseits aber wird Pompejus auch niemals ein Gesetz brechen! Er ist viel zu sehr auf seinen guten Ruf bedacht, um die Staatsge walt zu mißachten. Als Pompejus im Jahre 62 nach seinem Feldzug im Osten in Brindisi landete, war Rom, ja ganz Italien, praktisch seiner Gnade ausgeliefert; der Senat zitterte bei dem Gedanken, daß der siegreiche Feldherr die Grenzen des ›pomerium‹ an der Spitze seines Heeres überschreiten könnte.10 Jeder andere hätte diese Gelegenheit genutzt, aber Pompejus hatte nichts dergleichen im Sinn; zum Erstaunen aller entließ er seine Veteranen, bevor er sich in die Stadt begab, »ohne etwas anderes zu erwarten als die Achtung, die man einem mächtigen Sieger schuldet, der trotzdem der Republik treu bleibt«11. Diese Geste wäre sehr schön gewesen, wäre sie von Uneigennützigkeit diktiert worden; tatsächlich aber war sie weniger eindrucksvoll, denn sie war ein Zeichen der Zag haftigkeit. Mit einem Gefühl der Erleichterung und gleichzeitiger Verachtung hatten ihm damals die Senatoren den Titel ›Pompejus der Große‹ verliehen. Caesar muß diese Komödie belustigt und über den wahren Charakter des Pompejus aufgeklärt haben. Von
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einem solchen Mann hatte der Senat nichts zu befürchten. Er konnte ihn ungefährdet mit Ehrungen überhäufen. Im Jahre 55 wurde Pompejus zum zweiten Mal zum Konsul gewählt. Nach dem Ablauf der einjährigen Amtsperiode hätte er sich eigentlich in seine spanischen Provinzen zurückziehen sollen, die ihm zur Verwaltung unterstellt waren. Aber nichts dergleichen geschieht. Pompejus nimmt zwar den Titel Prokonsul an, bleibt aber in Rom, was eine offensichtliche Verletzung der Verfassung und gleichzeitig einen Bruch des Vertrags von Lucca darstellt. Ob der Senat ihn zur Ordnung ruft? Er wird sich hüten, denn er wünscht keineswegs, daß Pompejus sich aus der Hauptstadt ent fernt. Um ihm das deutlich zu verstehen zu geben, wird Pompejus 52 zum dritten Mal zum Konsul gewählt, ohne – was unglaublich ist – daß man ihm einen zweiten Konsul zur Seite stellt: Er allein wird nun das höchste Amt im Staat ausüben.12 Dieses Mal sind nicht nur die Gesetze Sullas, sondern sogar die Grundsätze des Kollegialitätssystems bewußt verletzt worden.13 Diese neue Ent scheidung kommt der Übertragung diktatorischer Vollmachten gleich. Obwohl Pompejus Konsul ist, behält er, innerhalb Roms, das ›Imperium‹, das mit seinem Amt als Prokonsul verbunden ist. Und als ob diese beiden Ämter nicht genügten, gewährt ihm der Senat darüber hinaus das Recht, eigenmächtig über die öffentlichen Gelder zu verfügen und in ganz Italien Soldaten auszuheben. Nun, da er der alleinige Herr Roms ist, glaubt Pompejus, sich alles leisten zu können. Warum sollte er Caesar schonen? Ohne offen mit ihm zu brechen – denn das liegt ihm nicht –, beginnt er, Caesar hinterlistig in ein Netz von Senatsbeschlüssen und Volks entscheiden zu verstricken, die Caesar zwingen sollen, seine Pro vinzen abzutreten und sein Heer aufzulösen, bevor Pompejus sei nerseits seine Würden abgeben muß. Bereits seit einiger Zeit hat Pompejus begonnen, sich vom Erobe rer Galliens zurückzuziehen. Nach dem Tod Julias Ende des Jahres 54 hatte ihm Caesar seine Großnichte Oktavia als neue Gemahlin angeboten und vorgeschlagen, selbst die Tochter des Pompejus zu heiraten. Pompejus hatte jedoch eine neue Familienbindung abge
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lehnt, deren Beweggründe nur allzu deutlich waren, um einige Wochen später Cornelia, die Witwe des unglücklichen Crassus, zur Frau zu nehmen. Die Bevorzugung Cornelias – die der Patrizier familie der Scipionen angehörte – war offensichtlich eine politi sche Entscheidung; Pompejus wollte damit seine Absicht zu erken nen geben, sich den Senatorenkreisen anzuschließen und sich von seinem früheren Schwiegervater unabhängig zu machen. Caesar hat die Bedeutung dieser Weigerung sofort verstanden, desgleichen der Senat, der Pompejus daraufhin doppelt zuvorkom mend behandelt. Die Senatoren sprechen ihm öffentlich ihr Lob aus, gewähren ihm die Aufstellung von zwei zusätzlichen Legionen und tausend Talente jährlich aus der Staatskasse für die Unterhal tung seines Heeres. Schließlich verlängern sie sogar seine Statt halterschaft in den ihm unterstellten Provinzen um weitere vier Jahre. Auf diese Weise wird Pompejus sein Heer behalten und Herr der Lage sein, wenn Caesar sein ›Imperium‹ niederlegen und sein Heer auflösen muß. Caesar nimmt die Nachricht von dieser Entwicklung mit großer Besorgnis auf. Die Absicht des Senats ist deutlich: sich seiner um jeden Preis zu entledigen. Und Pompejus’ ›Umschwung‹ ist nunmehr offenkundig. Noch eine andere Entwicklung wirkt sich ungünstig für Caesar aus. Nach Crassus’ Niederlage bei Karrhai verschlechtert sich die Lage in Syrien so sehr, daß der Senat beschließt, zwei Legionen zur Verstärkung zu entsenden. Das hierzu erlassene Gesetz bestimmt, daß Pompejus und Caesar je eine ihrer Legionen zur Verfügung stellen müssen. Einige Monate vorher hatte Caesar wegen der Situation in Gallien Pompejus gebeten, ihm eine Legion zu ›leihen‹, und Pompejus hatte seiner Bitte entsprochen. Jetzt läßt er wissen, daß er seine 15. Legion nach Syrien schicken würde – dieselbe Legion, die er seinem Schwiegervater ›geliehen‹ hatte. Caesar muß also jetzt zwei Legionen – die des Pompejus und eine eigene – abstellen, während die Heeresstärke seines Rivalen ungeschmälert bleibt. Man kann sich Caesars Wut ohne weiteres vorstellen; er weiß sich jedoch zu beherrschen und führt den Beschluß des Senats stillschweigend aus. Wenn die Senatoren aber geglaubt
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haben, Caesar auf diese Weise zu schwächen, so haben sie sich getäuscht. Er füllt die Lücke, die durch den Abzug der 15. Legion entstanden ist, sofort wieder, indem er die 13. Legion (eine EliteEinheit) sowie Einheiten der 5. Legion (Alaudae) in die cisalpini sche Provinz kommen läßt und zahlreiche Kohorten und aus galli schen Reitern bestehende Hilfstruppen aufstellt; nach dieser Neu ordnung ist er stärker als zuvor. Der weitere Verlauf der Ereig nisse beweist, daß Caesar mit Recht auf seiner Hut ist: Statt nach Osten eingeschifft zu werden, marschieren die beiden für Syrien bestimmten Legionen nach Capua, dem Hauptquartier des Pom pejus. Unter dem Vorwand, die in Rom herrschenden Unruhen zu unterdrücken, wird Pompejus bald darauf vom Senat ›gebeten‹, sein Heer nach Norden, an die Grenzen der Hauptstadt zu verle gen.
V Die dem Pompejus gewährten ›neuen und sehr ungewöhnlichem Ehrungen stehen in scharfem Gegensatz zu der abwechselnd aus Tadel und Demütigung bestehenden Behandlung, die Caesar zuteil wird. Da er jedoch zu stolz ist, um selbst ein Gesuch an den Senat zu richten, läßt der Sieger über Ariovist durch seine Freunde in der Versammlung den Antrag stellen, daß sein zweites Konsulat um ein Jahr vorverlegt wird, und zwar ohne daß er vor Amtsantritt die Verwaltung seiner Provinzen niederlegen muß. Wird man Caesar diese Bitte abschlagen können, nachdem Pompejus sein letztes Konsulat nur drei Jahre nach Ablauf seiner vorherigen Amtsperi ode angetreten hat? Es scheint unmöglich, ... und doch lehnt der Senat nach lebhaften Debatten den Antrag ab. Caesar muß also auf eine vorzeitige Kandidatur für das Kon sulat verzichten; er schlägt daher vor, daß sein ›Imperium‹ bis zum letzten Tag des Dezembers 49 verlängert wird, damit er ohne Übergangszeit von seinem militärischen Kommando in die Zivil verwaltung überwechseln kann. Ein zweites Mal schlägt ihm der Senat seine Bitte ab. Einer der amtsführenden Konsuln, Claudius
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Metellus, macht sogar den Vorschlag, »daß man schon jetzt einen Nachfolger für Caesar ernennen sollte, der am 1. März 50 sein Amt antreten würde«. Daraufhin bittet Caesar, daß man ihm wenigstens das ›Recht der Abwesenheit zugestehe und es ihm ermögliche, sich für das Konsulat zu bewerben, ohne daß er sich persönlich nach Rom begeben müsse! Wieder lehnt der Senat seinen Antrag ab, unter der Begründung, daß die Gesetze eingehalten werden müßten. Wie ist es möglich, daß die Senatoren nicht sehen, wohin sie ihre Unnachgiebigkeit führt? Halten sie Caesars Langmut für Schwäche? Sich durch die beruhigende Nähe von Pompejus in Sicherheit wähnend, begehen die Senatoren in den folgenden Tagen eine Reihe von Ungeschicklichkeiten, die die heraufkommende Krise beschleunigen – statt sie zu verhindern. Anläßlich der Sitzung des Senats vom 1. Dezember 50 versucht der neue Konsul M. Marcellus, der Caesar ebenso unerbittlich haßt wie seine Vorgänger, die Senatoren zu einer Stellungnahme zu zwingen. Er stellt ihnen ohne Umschweife zwei Fragen: »Soll Pom pejus die Befehlsgewalt abgenommen werden?« »Nein!« ruft die Mehrheit der Senatoren. »Soll sofort ein Nachfolger für Caesar ernannt werden?« »Ja!« lautet die Antwort der Versammelten. Caesar hat jedoch einige Anhänger im Senat, darunter Curion; dieser ermißt die Gefahr, in der sich sein Freund befindet, und ver sucht, sie durch einen geschickten Gegenvorschlag abzuwenden: »Wäre es nicht vielmehr besser, Caesar und Pompejus zur gleichen Zeit abzusetzen?« fragt er den Senat. Die Väter der Republik sind zunächst ratlos, dann sprechen sie sich mit 370 gegen 22 Stimmen für den Vorschlag des Curion aus; durch diese Abstimmung werden die zwei vorherigen Wahlergeb nisse ungültig. »Dann werdet Ihr also Caesar zum Herrn haben!« ruft Marcellus wütend und hebt die Versammlung auf. Die Sitzung des folgenden Tages verläuft noch stürmischer; Mar cellus eröffnet sie mit der Erklärung, er habe eine wichtige Mit teilung zu machen: »Caesar marschiert auf Rom! Er steigt an der
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Spitze von zehn Legionen die Alpen herab. Worauf wartet Ihr, um diesen Feind der Republik zu erledigen?« »Es ist nicht wahr«, entgegnet Curion, »fallt nicht auf diese fal sche Nachricht herein. Caesar ist in Ravenna und hat sich nicht aus der Stadt entfernt!« In ihrer Verwirrung und Ratlosigkeit widerrufen die Senatoren ihre Entscheidung vom Vortag, und als Marcellus sie zu Sanktio nen gegen Caesar zu veranlassen sucht, zögern sie und weichen einer Entscheidung aus. »Wenn ich nicht mit der Unterstützung des Senats rechnen kann, um die Sicherheit des Staates zu garan tieren«, erklärt Marcellus daraufhin, »so werde ich allein in meiner Eigenschaft als Konsul dafür sorgen.« Begleitet von seinem Kollegen Servius Sulpicius Rufus begibt sich Marcellus sofort in Pompejus’ Feldlager. »Wir befehlen Dir, zur Verteidigung der Republik gegen Caesar zu marschieren!« Mit diesen Worten überreicht er dem Prokonsul ein Schwert. »Hiermit übertragen wir Dir den Oberbefehl über alle Truppen nicht nur in Capua, sondern auf der ganzen Halbinsel; außerdem berechtigen wir Dich, so viele Soldaten auszuheben, wie Du für notwendig erachtest.« »Ich werde der Aufforderung der Konsuln nachkommen«, ent gegnet Pompejus und fügt nach kurzer Überlegung vorsichtig hinzu, »... es sei denn, die Umstände erlauben eine bessere Lösung.« Hofft Pompejus, daß Caesar im letzten Augenblick nachgeben wird? Das ist wenig wahrscheinlich. Vielmehr scheint es, daß Pompejus das Vorgehen der Konsuln ohne Unterstützung des Senats als unzu reichende Garantie ansieht. Er würde es vorziehen, durch einen Beschluß der Senatoren gedeckt zu sein, bevor er sich in eine derart schwerwiegende Angelegenheit einläßt. Der Senat aber hat noch keine Entscheidung getroffen ... Durch diese Drohungen soll Caesar herausgefordert werden, aber noch hält er sich zurück. Er wartet darauf, daß der endgültige Bruch von seinen Gegnern ausgeht, damit die Schuld für die Folgen ihnen zugeschrieben werden kann. Als sein Freund Curion ihn über die erregten Szenen, die sich in Rom abgespielt haben, unter
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richtet, gibt Caesar der 8. und der 12. Legion in Mâcon sowie den zweiundzwanzig im Raum von Narbonne neuausgehobenen Kohor ten Befehl, in sein Hauptquartier nach Ravenna zu kommen, wo ihn die 13. Legion soeben zum ›Imperator‹ ausgerufen hat. In Rom wächst die Erregung. »Je näher der unvermeidliche Kampf kommt, desto stärker wird einem die Größe der Gefahr bewußt«, schreibt Caelius an Cicero. »Die zwei Mächtigen des Tages werden sich in der folgenden Frage auseinandersetzen müssen: Pompejus ist entschlossen, nicht zuzulassen, daß Caesar Konsul wird, ohne sein Heer aufgelöst und seine Provinzen abge treten zu haben. Und Caesar ist überzeugt, daß er ohne sein Heer macht- und hilflos ist... So werden diese große Freundschaft und dieses mächtige Bündnis also nicht in einer versteckten Feind schaft, sondern in einem offenen Krieg enden ...« Während Caesar insgeheim seine Kriegsvorbereitungen fortsetzt, verdoppelt er seine Friedensangebote. Zwei seiner Freunde, Marcus Antonius und Q. Cassius Longinus, sind seit dem 10. Dezember 50 Mitglieder des Tribunenkollegiums; Caesar beauftragt sie, den Konsuln zu übermitteln, daß er einerseits bereit sei, den Oberbefehl über alle seine Legionen bis auf zwei niederzulegen, die er zusammen mit der Verwaltung der cisalpinischen Provinz bis zum Beginn seines zweiten Konsulats (1. Januar 48) behalten wolle; und zweitens, daß er der Verlängerung von Pompejus’ ›Imperium‹ in dessen Pro vinz Spanien zustimmen würde. Pompejus, der sicher glaubt, daß sein ›Imperium‹ von dem Augenblick an, wo Caesar wieder Konsul wäre, nicht mehr viel bedeuten würde, lehnt diesen Kompromiß ab, und die beiden amtsführenden Konsuln hüten sich, die Versamm lung davon in Kenntnis zu setzen. Der Volkstribun Antonius hält daraufhin auf dem Forum eine Rede an die Volksmenge, um sie davon zu überzeugen, daß Pompejus das Recht für Truppenaushe bungen in Italien abgesprochen und er dazu gezwungen werden müsse, die zwei Legionen aus Capua in die Ostprovinzen zu schik ken (21. Dezember 50). Die Zuhörer antworten mit starkem Beifall. Jetzt beginnt Pompejus unruhig zu werden; er erkennt, daß Caesar an Boden gewinnt. Damit der Gegner seinen Vorteil nicht ausnut
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zen kann, beschließt Pompejus, die Dinge voranzutreiben. Von den Konsuln und Pompejus unter Druck gesetzt, hält der Senat seine historische Sitzung vom 1. bis 7. Januar 49. Die neuen Konsuln C. Marcellus (ein Vetter des vorherigen Konsuls gleichen Namens) und L. Cornelius Lentulus haben den Senat zur Eröffnungssitzung ihrer Legislaturperiode einberufen. Im Augenblick der Eröffnung erscheint Curion vor der Versammlung; er ist von Ravenna nach Rom geeilt, um eine wichtige Botschaft Caesars zu überbringen, deren Verlesung die Konsuln zu verhindern suchen; die Volkstri bunen Antonius und Cassius, Caesars Freunde, erzwingen den Worten Caesars an die ›Patres‹ jedoch Gehör. Der Eroberer Galliens beginnt mit einer Aufzählung der großen Dienste, die er dem Vaterland erwiesen hat. Dann erklärt er sich bereit, seine Truppen zu entlassen, falls Pompejus das gleiche täte. Er schließt mit der Bemerkung, daß, wenn Pompejus sein Kom mando behielte, es ungerecht wäre, ihm, Caesar, seine Befehlsge walt abzunehmen, denn das würde bedeuten, daß er wehrlos der Verfolgung seiner Feinde ausgesetzt sei. Die ›Patres‹ beschließen, sofort über diese Vorschläge abzustim men. Nur Caelius und Curion vertreten die Ansicht, daß die Klug heit ihre Annahme gebiete; alle übrigen Senatoren lehnen es ab, sie überhaupt nur in Betracht zu ziehen. Entrüstet machen Antonius und Cassius von ihrem Vetorecht Gebrauch;14 sie legen es auch bei den zwei folgenden Sitzungen ein. Am 7. Januar bestätigt dann der Senat seinen Beschluß vom 1. Januar. Er verfügt die Abberufung des Prokonsuls von Gallien, die Ernennung seines größten Feindes L. Domitius Ahenobarbus an seiner Statt – mit der Erlaubnis, zusätzlich viertausend Mann auszuheben – und fordert Caesar auf, nach Rom zurückzukehren, um sich an Ort und Stelle für das Konsulat zu bewerben. Noch einmal legen Antonius und Cassius ihr Veto ein; die Sitzung wird immer erregter. Von allen Seiten werden Zwischenrufe laut. Verzweifelt stellen die Konsuln den Senatsbeschluß zur Abstim mung, der sie, die anderen Beamten und den Prokonsuln Pom pejus mit unbeschränkten Machtbefugnissen ausstattet. Sie for
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dern die beiden Volkstribunen auf, ihren Platz zu verlassen, um Mißhandlungen zu vermeiden, denen sie sich bei einem Beharren auf ihrem negativen Standpunkt aussetzen würden. Antonius erhebt lebhaften Protest und ruft die Anwesenden zu Zeugen auf, daß in seiner Person die unverletzliche Würde des Tri bunats angegriffen worden sei; dann verläßt er zusammen mit Cas sius und Curion die Versammlung. Am selben Abend fliehen die drei Männer zu Caesar. Dieses Mal ist der Bruch endgültig; Antonius, Cassius und Curion bringen dem Sieger über Gallien das, worauf er lange gewartet hat – das Alibi der Legalität. Caesar weiß jedoch, daß er trotzdem keine Minute verlieren darf; sein Leben, seine Zukunft und sein Werk stehen auf dem Spiel. Gelassen gibt er seinen Truppen den Befehl, gegen Ariminum zu marschieren, der ersten Etappe auf dem Weg zur Hauptstadt.
VI Zwischen Ravenna und Ariminum (Rimini) schlängelt sich ein kleiner Fluß dahin, der Rubikon. Im Sommer fast ausgetrocknet, schwillt er im Winter durch den Zufluß von Schmelzwassern aus dem Apennin beträchtlich an. Dieser bescheidene Wasserlauf hat jedoch eine sehr große, fast heilige Bedeutung: Er stellt viel mehr als eine Grenze dar, nämlich die Linie, die kein römischer Feldherr an der Spitze seines Heeres überschreiten darf, ohne dazu aufge fordert worden zu sein – falls er nicht zum Rebell und ›Feind der Republik‹ erklärt werden will. Auf diese Tat, die nach römischem Recht zu den Schwerverbrechen zählt, steht die Todesstrafe. Diese Tat zu begehen, hat sich Caesar nun entschlossen. Kühnheit schließt jedoch größte Vorsicht nicht aus: Bis zur letz ten Minute versucht Caesar, seinen Feinden Sand in die Augen zu streuen. Am 11. Januar, während eine Abteilung Centurionen besonders zuverlässiger Soldaten den Befehl erhält, unauffällig die Grenze zu überschreiten und sich in Ariminum einzuschleichen, trägt Caesar ein völlig unbekümmertes Verhalten zur Schau. Er
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patras Pläne geändert, nicht aber ihr Wunsch, zur Macht zu gelan gen. Der Bote, den der ›Imperator‹ zu ihr in die Oase geschickt hatte, wo sie sich verborgen hielt, hatte ihr ausgerichtet, daß sein Herr sie einlade, zu ihm zu kommen, und ihr seinen Schutz anbiete. Mehr noch: Zum Beweis seiner ehrlichen Absichten hatte er ihr alle nötigen Hinweise gegeben, damit sie die Hindernisse, die zwischen ihnen lagen, überwinden könne. Da der Landweg durch Achillas’ Soldaten abgeschnitten war, der Zugang vom Meer her aber von den rhodesischen Galeeren offengehalten werden konnte, hatte Caesar ihr geraten, den Seeweg zu nehmen. Alles andere war ihrer List und ihrem Mut überlassen. Kleopatra hatte sofort die Vorteile erkannt, die für sie in dieser Einladung lagen. Caesar für ihre Inter essen einzusetzen, Ptolemaios aus dem Weg räumen und allein unter römischem Schutz über Ägypten regieren — das genügte, um die Phantasie einer Frau anzuregen, deren größte Waffen ein unwi derstehlicher Charme und ein sicherer politischer Instinkt waren. Sie hatte sich sofort nach Alexandreia aufgemacht, und alles war ihren Wünschen entsprechend verlaufen. Die Hindernisse, die die Minister ihres Bruders ihr in den Weg gelegt hatten, konnte sie ohne weiteres überwinden. Die Wachen des Leuchtturms konnte sie bestechen, damit sie sie durchließen, und die römischen Wacht posten waren von Caesar angewiesen worden, sie in den Palastbe zirk einzulassen. So konnte ihr Freigelassener Apollodoros sie bis zum Feldherrn bringen; einmal im Innern des Palastes angekom men, brauchte sie nur noch mit einem hellen Lachen ihrem Teppich zu entsteigen. Wer war eigentlich dieses junge, zwanzigjährige Mädchen, das hier vor den erstaunten Diktator trat? Ihre Biographen sind sich darin einig, daß sie ein liebenswürdiges und heiteres Wesen hatte. »Sie genoß das Leben und nahm unbeschwert alle Freuden wahr, die es ihr bot«, sagt Arthur Weigall. »Ihre leidenschaftlichen Gefühle wechselten mit erstaunlicher Leichtigkeit von der Freude zum Kummer, von der Komödie zur Tragödie; mit ihren kleinen Händen bewegte sie das verwirrende Netz der Ereignisse um sich wie einen aus Licht und Schatten gewirkten Mantel.«40
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Sie war, in wenigen Worten, eine orientalisierte Griechin, ›puella ludens‹, ein kleines Geschöpf, für das das Spiel das Wesentliche im Leben war. Die meisten römischen Historiker haben äußerst geringschätzig von dieser Frau gesprochen.41 Sie stellen sie als »die Schlange vom Nil« dar, sie sehen sie als Zauberin oder als Prostituierte, die sich willenlos dem Trieb ihrer Sinne hingibt; die Macht, die sie auf Caesar ausüben sollte, wird entweder der Schwäche des Fünfzigjährigen oder der Wirkung irgendwelcher geheimnis voller Liebestränke zugeschrieben. Wie lassen sich ein derartiges Unverständnis und eine solche Gehässigkeit erklären? Zunächst einmal scheint Kleopatras Ruf durch die Tatsache gelitten zu haben, daß ihr Bruder den Pompejus in einer so abstoßenden Weise in eine Falle lockte; außerdem ist sie wahr scheinlich das Opfer einer Art nationalistischer Reaktion gewesen. Befangen in ihrem römischen Chauvinismus, waren weder Plinius noch Dio Cassius, Properz oder Lukan fähig, Kleopatras impulsi ves Wesen und manche ihrer Charakterzüge zu verstehen, die dem, was die Römer ›Tugend‹ nannten, genau entgegengesetzt waren. Plutarch hat sie jedoch, auch wenn er mißtrauisch blieb, weni ger ungerecht beurteilt. »Ihre Schönheit allein«, schreibt er, »war nicht so unvergleichlich, daß es nichts ihr Ebenbürtiges gab oder daß sie jene, die sie erblickten, sogleich bezauberte.« (Womit der berühmten Nase ihr wahrer Platz zugewiesen ist!) »Aber«, so fügt er hinzu, »ihre Unterhaltung war so liebenswürdig, daß man sich ihrem Zauber nicht entziehen konnte. Ihr anmutiges Plaudern und ihr sanftes und freundliches Wesen, das alles, was sie sagte oder tat, würzte, hatte einen Reiz, der seine Wirkung nicht verfehlte. Zudem war es ein großes Vergnügen, ihrer Stimme und Sprache zuzuhören, denn ihre Zunge glich einem Musikinstrument mit mehreren Spielen und Lagen, das sie mühelos in jeder beliebigen Sprache verwendete.«42 Wie man sieht, war die ›Schlange vom Nil‹ eher eine Sirene! Eine wohlklingende und äußerst gebildete Sirene... Liest man jedoch aufmerksam alle Berichte, die diese Frau beschreiben, so stellt man fest, daß sie alle der Wirklichkeit nicht
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gerecht werden, daß ihre hervorstechendste Eigenschaft weder ihre Schönheit noch ihre Anmut, ihr tiefer Blick, ihre hohe Bil dung oder die Unberechenbarkeit ihrer Laune war – und dazu muß man, wie wir später sehen werden, ihre menschliche Größe zählen –, sondern etwas viel Außergewöhnlicheres, das noch heute eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf uns ausübt: eine wunder bare Lebensfreude. Dies war es, was Caesar schon bei ihrer ersten Begegnung beeindruckte. Mit dem geübten Auge des Herzensbrechers, der es gewohnt war, Frauen ebensoschnell zu erobern wie feindliche Rei terei, beurteilte er sie weniger nach dem, was sie war, als nach dem, was sie ihm gab. Und was sie ihm gab, oder besser, wozu sie ihm den Zugang öffnete, war nicht nur die wahre Liebe, von der er außer bei Servilia bisher nur ziemlich traurige Abwandlungen gekannt hatte,43 auch nicht zusätzliche Siegesbeute, die er sich selbst hätte verschaffen können; es bestand vielmehr aus einer Viel falt politischer und geistiger Werte, deren Existenz er seit langer Zeit erahnt hatte, zu denen er aber ohne Kleopatra keinen Zugang gefunden haben würde. Daraus erklärt sich sein Entzücken... Zweifellos hat sie ihn auf viele Arten bereichert. Sie hat ihn erhoben – nicht über ihn selbst hinaus, das wäre unmöglich gewe sen –, sondern zu einem höheren Lebensniveau, das ebenso von ihr selbst wie durch ihre hellenische Herkunft geprägt war. So kehrte der Sieger über Pompejus nach einem längeren Aufenthalt in Ägypten nach Rom zurück »mit vielen neuen Ideen im Kopf und einigen Gefühlen mehr im Herzen«. War Kleopatra für Caesar wirklich nur ein vorübergehendes Abenteuer, wie manche behauptet haben?44 Das würde bedeuten, daß man Caesars Urteil nicht sehr hoch einschätzt. Er war nicht der Mann, der die Eigenschaften einer Frau verkennen würde, deren Wesen eine seltene Verbindung von höchster Intelligenz und größter Leidenschaftlichkeit war. Sie trat in sein Leben ein, um seinen Verlauf zu ändern; und von diesem Augenblick an riß die Geschichte sie mit sich, ihre beiden Leben zu einem einzi gen Schicksal vereinend. Die späteren Ereignisse beweisen auch
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tatsächlich, daß sie für Caesar eine unvergleichliche Gefährtin und Geliebte war. Sie beflügelte nicht nur seinen Ehrgeiz, der groß war, sondern auch ihren eigenen Ehrgeiz, der nicht weniger stark war und von dem Tag an noch wachsen sollte, da er durch die Mut terliebe angetrieben wurde. Wenn sie aber alles das sein konnte, ohne sich selbst untreu zu werden oder ihre Ursprünglichkeit einzubüßen, so deshalb, weil sie vor allem eine ›Mittlerin‹ war.
XXI Sie war vor allem eine Mittlerin zwischen Caesar und dem Orient. Man wird hier einwenden, daß der Sohn Aurelias in seiner Jugend bereits im Orient gewesen war und sich auch einige Zeit beim König von Bithynien aufgehalten hatte; auch ist er ja während der Auseinandersetzung mit Pompejus in Pergamon und Ephesos gewesen. Aber stets war der Aufenthalt zu kurz, um ihm mehr als einen flüchtigen Eindruck zu vermitteln; zudem waren Ionien, Bithynien, Pontos und Kilikien zu jener Zeit nur Ausläufer von Hellas. Erst nach seiner Ankunft in Alexandreia kommt Caesar also wirklich mit dem Orient in Berührung. Wie muß er, der Mensch der Tat, dessen Karriere hauptsächlich in den Nebeln Galliens und Germaniens verlaufen ist, dem Zauber dieser Landschaft, dem strahlenden Licht, der ungeheuren Weite zugänglich gewesen sein! Neben den grauen und wilden Wassern des Rheins muß ihm der Nil sinnlich und verführerisch erschienen sein! Doch nicht der Zufall allein hat ihn zur Küste des Deltas geführt. Pompejus hat ihn zwar durch seine Flucht hierhergelockt, aber selbst wenn der Bürgerkrieg anders verlaufen wäre, ist es wahr scheinlich, daß Caesar früher oder später hier Anker geworfen hätte, denn seit einigen Jahren erliegt ganz Rom der Lockung des Orients: Kleinasien, Syrien, Phönikien und Ägypten üben eine der artige Anziehungskraft aus, daß Rom wie aus seiner Bahn gewor fen erscheint. Seit der Niederlage Philipps V. von Makedonien in Kynoskephalai und dem Sieg Sullas über Mithridates haben immer mehr Prokonsuln begehrliche Blicke auf diese Gebiete geworfen.
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Crassus, der Milliardär, war vor den Mauern Karrhais gestorben, und Pompejus der Große hatte hier nicht nur ungeheuren Reich tum angehäuft: Der Rausch, in den dieser ihn versetzte, war ihm zu Kopf gestiegen. Als er im Besitz des Mithridates die Chlamys des Siegers über Dareios wiedergefunden zu haben glaubte, hatte er nicht gezögert, sie bei seinem Einzug in Rom anzulegen. Die im Siegeszug mitgeführten Schilder hatten ihn als »einen neuen Alex ander, den Ebenbürtigen des Herkules und des Bacchus« bezeich net, und die Menge hatte ihm begeistert zugejubelt, während Scipio hundertundzwanzig Jahre früher wegen des gleichen Anspruchs geächtet und verbannt worden war. Nichts kennzeichnet besser den Wandel der römischen Geisteshaltung. Die Anziehungskraft, die der Orient ausübte, hatte sich nicht mehr nur in siegreichen Feldzügen oder Gebietsvergrößerungen geäußert; die Feldzeichen der Legio nen waren nicht nur vom Orontos zum Euphrat getragen worden. Auch das Fühlen und Denken der Menschen war schließlich in den Bann des Orients geraten, ja, die Götter selbst überließen sich dem Strom, der sie nach Asien trug. Die römische Mythologie hatte unter diesem Einfluß eine Veränderung erfahren. Die etruskischen und samnitischen Gottheiten, die in Latium fest verwurzelt waren, die Laren, alte Hausgötter, die an den Eingängen der Tempel und auf den Plätzen der Dörfer wachten, Romulus und Remus, die die Stadt gegründet hatten, Jupiter, Mars und Quirinus, die die ersten Lucumonen an die Macht kommen sahen – sie alle genügten dem nationalen Eifer nicht mehr. Sie mußten neuen Gottheiten Platz machen. Um ihr Ansehen beim Volk zu heben, hatte Sulla sich damit gebrüstet, unter dem Schutz des Apollon zu stehen, und Caesar führte seine Herkunft auf eine Reihe neuer Ahnen zurück, die er in den offiziellen Pantheon aufnehmen ließ. Er behauptete, durch Julius, Äneas und Anchises von den trojanischen Helden und damit von Venus selbst abzustammen. Apollon, Äneas – das ist doch noch Homer; später wird Virgil sie besingen; diese mythischen Vorfahren waren zwar fremdländisch, entstammten darum aber nicht weniger dem griechisch-latinischen Kulturkreis. Auch wenn sich der Wirkungsbereich der Römer im
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Vergleich zu dem engen Kreis, den Romulus um den Palatin gezo gen hatte, wesentlich vergrößert hatte, so waren sie doch inner halb eines Bereiches geblieben, wo es zwar unterschiedliche Denk weisen gab, sie aber alle miteinander verwandt waren. Die Gren zen der abendländischen Zivilisation waren also damit noch nicht überschritten worden. Dieser Schritt wurde an dem Tag getan, an dem Caesar in Ägypten eintraf, dem Land, das an der Nahtstelle der beiden Welten liegt. Vor der Unermeßlichkeit Afrikas und der Weite Asiens, bei der Begegnung mit Isis und Osiris, Horus und Ammon-Re offen bart sich ihm plötzlich eine ganz andere Kultur als die, die ihn geprägt hat. Ein Rubikon ist überschritten, der breiter als der erste ist. Traditionen, Sitten, Lebensstil, politische Grundsätze – alles steht, trotz des hellenistischen Anstrichs, in völligem Gegensatz zur römischen Strenge. Hier überwiegt das religiöse Empfinden über die kalte Vernunft, die intuitive Träumerei über den metho dischen Geist, das Spiel über die Anstrengung, das Müßigsein über das Handeln; mancher ungreifbare Zauber – ein Parfüm, eine Musik – kann die einfallsreichsten Pläne zum Scheitern bringen. Man versteht, daß diese Entdeckung verwirrend gewesen sein muß und Caesar nicht unempfindlich dafür war, denn das Genie selbst ist ja eine Art Trunkenheit. Und lag nicht Caesars Größe in seiner Fähigkeit, die Atmosphäre seiner Umgebung in sich aufzuneh men, die feinsten Nuancen einer Situation, einer Landschaft, des menschlichen Charakters genau zu empfinden? Er beherrschte die Dinge nur, weil er sie erkannte. Große Eroberer sind stets auch große Eroberte; so ist es nicht übertrieben zu sagen, daß in dem Augen blick, als Kleopatra ihm im großen Saal des Palastes von Lochias entgegentritt, sie ihm eine neue Welt erschließt, indem sie ihm ihre Arme öffnet.
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Ptolemaios aber ist wachsam. Auch er ist nach Alexandreia geeilt und hat einen Flügel des Palastes bezogen. Er hat eine stürmische Unterredung mit Caesar, in deren Verlauf der Diktator ihm deutlich seinen Willen zu verstehen gibt, daß er den Streit zwischen Pto lemaios und seiner Schwester beigelegt zu sehen wünsche. Zwei Tage später findet eine offizielle ›Versöhnung‹ statt, aber diese Zeremonie, die nicht mehr als inhaltslose Form ist, verstärkt Pto lemaios’ Feindseligkeit nur noch. Er fühlt sich in seinem jugend lichen Stolz verletzt und gedemütigt, und der Rhetor Potheinos kann ihn leicht davon überzeugen, daß Kleopatra einen Vorsprung gewonnen hat und im Schutz von Caesars Wohlwollen weitere Vor teile erringen würde, wenn man sie nicht bald daran hinderte. Da Ptolemaios – nicht ohne Grund – davon überzeugt ist, daß Kleopatra nicht die Absicht hat, die Macht mit ihm zu teilen, kehrt er nach Pelusion zurück und gibt seinem Heer Befehl, gegen die Hauptstadt zu marschieren (Ende Oktober 48); entsprechend den Anweisungen des Herrschers bricht Achillas an der Spitze von zweiundzwanzigtausend Fußsoldaten und zweitausend Rei tern nach Alexandreia auf, und achtundvierzig Stunden später ist der Palast eingeschlossen. Caesar, der gewöhnlich sehr schnell rea giert, hat nichts unternommen, um diesen Schritt zu verhindern. Die Historiker haben sich darüber gewundert und seine Tatenlo sigkeit Kleopatras Einfluß zugeschrieben. »Er war wie ein Hirsch, der sich im Netz seines Liebesabenteuers gefangen hat«, sagen sie. Aber was hätte er tun können? Er hat den vierundzwanzigtausend Mann des Achillas nur viertausendsechshundert Söldner entgegen zustellen und kann zudem nicht wie jener mit der Unterstützung der Bevölkerung rechnen. Die Menschenmassen, deren feindselige Einstellung ihm schon bei seiner Landung deutlich geworden ist und die jetzt wütend gegen die Mauern des Palastes anstürmen, erfüllen Caesar nicht nur mit Schrecken, sondern hindern ihn an jeder Offensivbewegung. Ein Versuch, die Stadt zu entsetzen, würde den Verlust seiner gesamten Streitkräfte bedeuten und
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keinen Erfolg bringen. Er muß sich also damit begnügen, sich im Palast sowie dem nahegelegenen Theater und Forum zu verschan zen; außerdem hat er von überall Truppen zu Hilfe gerufen – in Armenien, im Feldlager des Domitius Calvinus, in Rhodos, Kilikien und Syrien, wo Mithridates von Pergamon ihm ein neues Heer auf zustellen versprochen hatte.45 Um vollkommen Herr innerhalb des verteidigten Raumes zu sein, weist Caesar die kleine Prinzessin Arsinoe, eine jüngere Schwester Kleopatras, die diese nicht in ihr Herz geschlossen zu haben scheint46, und deren ›nutritius‹ Ganymed sowie ihr Gefolge aus dem Palast aus. Dann, nachdem die Wachen verdoppelt und die Zugänge fest verschlossen sind, kehrt Caesar gelassen zum Würfelspiel mit Kleopatra zurück. Während der Wochen erzwungener Untätigkeit, als der im Palast eingeschlossene Diktator keine andere Ablenkung als die Unterhaltung mit der Königin hat, lernt Caesar sie immer mehr schätzen. Die Umstände scheinen dazu geeignet zu sein, ihre Eigenschaften voll zur Geltung zu bringen. Ihre reiche Phantasie und ihre Fähigkeit, stets neue Zerstreuungen zu erdenken, müssen Caesar wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein. Dieser Mann, den die Ungeduld quält, sowie er untätig ist, und der eine Verzögerung weit mehr fürchtet als eine Schlacht, würde vor Lan geweile umkommen, wenn sie nicht da wäre. In ihrer Gegenwart aber verliert die Zeit ihr Gewicht, und jeder Tag wird, kaum daß er begann, zu einer Erinnerung. Und Kleopatra? Man hat sie oft beschuldigt, Caesar ›behext‹ zu haben – hat man sich aber jemals gefragt, welchen Einfluß der römische Feldherr auf sie gehabt haben muß? Konnte sie, diese intelligente Frau, für sein Genie unempfänglich geblieben sein? Zweifellos hat sie, bevor sie Caesar begegnete, viele Vorurteile gehabt; man hatte ihn ihr als unnach giebigen und hochmütigen Mann geschildert, der kein Mitleid kennt und hartherzig ist. Die Berichte über ihn waren kaum ermutigend gewesen, und sie hatte sich gefragt, was geschähe, wenn der Dik tator, dem sie ihr Schicksal anvertrauen würde, ein vorzeitig geal terter, herrschsüchtiger und grausamer Soldat wäre? Ein einziger
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Blick hatte jedoch genügt, um ihre Bedenken zu zerstreuen. Obwohl bereits über fünfzig, ist Caesar ein schlanker, gutaus sehender Mann von großer Würde. Er ist ein guter Schwimmer und Reiter und führt den Degen mit einer Geschicklichkeit, um die ihn die meisten seiner Offiziere beneiden. Aber er ist nicht nur ein siegreicher Feldherr, sondern auch Dichter von Epigram men und ein berühmter Schriftsteller. Seine Redegewandtheit und große Überzeugungskraft haben ihm schon viele Erfolge einge bracht. Sein Verhalten ist nicht durch jene strenge Feierlichkeit gekennzeichnet, die für seine Landsleute typisch gewesen zu sein scheint, und sein Lächeln gibt seinen Zügen etwas Freundliches. Er besitzt ein feines Gefühl für Humor, denn die Erfahrung hat ihn schon sehr früh die Komödie des Lebens erkennen lassen. Eine stürmische Jugend, die politischen Kämpfe, in die er verwickelt war, seine Feldzüge in Gallien, Germanien und Makedonien haben ihm einen unerschöpflichen Vorrat an Erzählungen und Erinnerun gen geliefert. Welches junge Mädchen von zwanzig Jahren kann wohl einem Mann widerstehen, der sich rühmen kann, achthundert Städte erstürmt zu haben und ein Nachkomme der Göttin Venus zu sein? Bald schließen sie sich innerhalb ihrer bewaffneten und vom Grollen der Menge und des Meeres umgebenen Festung ab; nach dem sie sich gegenseitig eingeschätzt haben, vertrauen sie einan der ihre Pläne und Hoffnungen an, und unmerklich kommen sich ihre Standpunkte näher. Für Caesar ist Kleopatra bis jetzt nur ein Werkzeug gewesen, mit dessen Hilfe er dem Land seine Herr schaft aufzwingen wollte; Kleopatra ihrerseits hatte beabsichtigt, mit Caesars Unterstützung ihr Königreich zurückzuerobern, um den Römer dann fallenzulassen. Jetzt aber, wo eine zunehmende Leidenschaft sie immer stärker miteinander verbindet, erweitert sich ihr Gesichtskreis in dem Maße, wie ihre Liebe wächst. Warum sollten sie getrennt die Macht erkämpfen, die sie mit viel größerer Sicherheit gemeinsam erringen könnten? Warum sollten sie nicht die Zukunft Ägyptens mit dem Schicksal Roms verbinden, wie ihre Herzen und Körper bereits verbunden sind? Zwar ist die Gegen
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wart ungewiß, und die Zukunft erscheint voller Hindernisse, aber wenn sie Seite an Seite kämpfen — wer würde sie daran hindern können, zu siegen und ihr Leben zu einer Legende zu erheben? Caesar hört entzückt den Worten Kleopatras zu; sie sind neu für ihn, und doch scheint es ihm, als habe er sie immer erwartet. Wenn er in die Vergangenheit zurückblickt, sieht er eine verwirrende Folge von Ereignissen und Eindrücken: Vormarsch und Rückzug in den Nebeln des Nordens; ein Kiefernwald bei Ravenna; die Kiesel steine des Rubikon; die viereckigen Türme, die sich in den kupfer nen Wassern des Ebro spiegeln; die verbrannte Ebene von Pharsa los; ein Altar vor den Mauern von Ilion; das Auftauchen der afri kanischen Küste; ein riesiger Palast, der sich im Meer widerspie gelt... Jetzt ordnen sich alle diese Bilder zu einem Ganzen. Bisher hatte Caesar darin nur die Stufen seines Aufstiegs zum Kapitol gesehen, die Abschnitte einer rein römischen Laufbahn. Welch ein Irrtum! Die Götter, die mehr für ihn erstreben als er selbst, haben ihn an der Hand genommen, um ihn, ohne daß er es ahnt, diesem wunderbaren Augenblick zuzuführen, wo eine kleine ägyptische Königin ihm in die Arme sinkt...
XXIII Während die Liebenden ihr leidenschaftliches Zwiegespräch führen, versucht Achillas wiederholt, den Zugang zum Palast zu erzwingen, stößt aber jedesmal auf heftigen Widerstand. Darauf hin ändert er seine Taktik und greift Caesars Flotte an, um ihm die Verbindung nach Italien abzuschneiden. Eines Abends, als Kleopatra zu ihrer Leier singt, stürzt ein atemloser Bote in den Raum. »Die ganze Flotte brennt!« stößt er entsetzt aus. Caesar und Kleopatra eilen auf das Dach des Palastes, von dem aus man die Reede übersehen kann. Ein schreckliches Schauspiel bietet sich ihren Blicken: Zweiundzwanzig Trieren, die die ägyptische Küste nicht verlassen haben, fünfzig Galeeren, die nach der Schlacht bei Pharsalos aus der Adria zurückgekehrt sind,
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und achtunddreißig Schiffe, die in den Docks liegen, sind ein Raub der Flammen.47 Der ganze Himmel ist rot vom Widerschein des Brandes. Bald jedoch nimmt das Unglück noch weit beunruhigen dere Ausmaße an: Der Südwind facht das Feuer stärker an und trägt es zu den am Hafen gelegenen Getreidespeichern und von dort zu einem Flügel der berühmten Bibliothek, wo Alexanders Erben praktisch die gesamte Weisheit der Antike zusammengetra gen haben. In wenigen Augenblicken zerstören die Flammen einen Teil der von Demetrius von Phaleron errichteten Gebäude; Bündel von Manuskripten mit Tragödien des Euripides, Dialogen des Platon, Oden des Pindar und Geschichten von Kallimachos sowie eine große Anzahl philosophischer Abhandlungen, die wir nie kennen werden, zerfallen zu Asche. Dieser ungeheure Verlust für die ganze Menschheit wird dadurch noch größer, daß das Volk Alexandreias und die Soldaten des Achillas vor Schrecken wie versteinert daste hen, statt den Brand zu bekämpfen. Caesar ist zu gebildet, um durch dieses Unglück nicht betroffen zu sein; Trauer erfüllt ihn, wenn er an die verlorenen Meisterwerke denkt. Als Soldat denkt er jedoch auch an seine vernichtete Flotte und die bedrohte Verbindung zu Italien. Wenn den Alexandrinern die Fahrtrinne zum Eingang des Hafens in die Hände fällt, kann die Verstärkung, die er erwartet, nicht mehr bis zu ihm gelangen; dann bliebe ihm nur noch der Rückzug aus Ägypten, und seine Träume würden in Rauch aufgehen ... Indem er sich die allgemeine Verwirrung zunutze macht, setzt Caesar mit etwa hundert Mann zur Insel Pharos über und richtet in aller Eile einen kleinen Stützpunkt im Leuchtturm ein; so ist wenig stens seine Verbindung zur hohen See nicht abgeschnitten. Der Brand, der – ohne irgendwelchen militärischen Vorteil zu bringen – einen der Schätze zerstört hat, auf den die Stadt besonders stolz war, treibt die Erbitterung der Bevölkerung auf den Höhepunkt. Die Alexandriner sehen in diesem Ereignis ein Zeichen der durch die Gegenwart des fremden Eroberers ausgelösten göttlichen Rache; aus einer unerklärlichen Reaktion heraus aber machen sie Achil
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las dafür verantwortlich. Sein Ansehen sinkt so tief, daß seine eige nen Soldaten ihm bald den Gehorsam verweigern. Diese unerwartete Entwicklung könnte Caesar retten, aber unglücklicherweise hat der ›Imperator‹ durch die Ausweisung des Eunuchen Ganymed, des ›nutritius‹ der jungen Arsinoë, einen Fehler begangen, den er sehr bald bereuen wird. Er hat den Eunu chen für einen schwächlichen und unbeständigen Menschen gehal ten, aber nun entpuppt er sich plötzlich als gefährlicher Gegner. Mit einer überraschenden Intelligenz und Energie läßt er Achillas ermorden, übernimmt selbst den Befehl über das ägyptische Heer und feuert die Soldaten durch sein Beispiel an. Da er lange Zeit im Palast gelebt hat, kennt er den schwachen Punkt der Verteidigung: die ungenügende Versorgung mit Wasser. Seine erste Handlung besteht also darin, daß er alle Leitungen unterbrechen läßt, die die Zisternen des Palastes versorgen. »Von nun an« schreibt der Autor des ›De Bello Alexandrino‹, »herrschte ein solcher Schrecken (im Lager der Römer), daß alle ihr Ende für nahegekommen hielten.« Man kann aus diesen Zeilen schließen, daß die Stimmung unter Caesars Legionären sehr tief gesunken ist, und man kann es sich auch gut vorstellen. Seit Monaten sind sie zur Untätigkeit verur teilt, die um so schwerer auf ihnen lastet, als sie den Grund dafür nicht begreifen. Ihre Abteilungen bestehen zum größten Teil aus Galliern und Germanen, die sich in dem völlig fremden Land verlo ren fühlen; die ausgetrocknete Erde, die drückende Hitze und das grelle Licht erfüllen sie mit Sehnsucht nach der Kühle und Frische ihrer heimatlichen Wälder. Außerdem halten sie das Volk, das sie belagert, für die »treuloseste und verräterischste Menschenrasse«. Und was bedeutet die unerklärliche Trägheit, die ihren Feldherrn befallen hat? Man könnte meinen, das Schicksal seiner Soldaten interessiere ihn nicht, oder soll man glauben, daß, wie manche behaupten, die Ägypterin ihm einen geheimnisvollen Trank gege ben hat? Langeweile und Verwirrung tragen dazu bei, daß die unwahr scheinlichsten Gerüchte umgehen, und schließlich versammeln sich die Soldaten erregt im Palasthof, um mit lautem Geschrei
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Erklärungen zu verlangen. Einige unter ihnen fordern, daß man sich sofort wieder einschiffe – aber auf welchen Schiffen, da die Flotte zerstört ist? Bis jetzt hat Caesar ihren Klagen wenig Auf merksamkeit geschenkt, denn er kennt die Mentalität seiner Gal lier zu gut, um ihrer zeitweiligen schlechten Laune viel Bedeutung beizumessen. Dieses Mal spürte er jedoch, daß sie mit ihren Nerven am Ende und zu allem bereit sind. Zum ersten Mal seit mehreren Wochen bricht er daher jetzt sein Schweigen und tritt vor seine Sol daten »mit Vertröstungen, Argumenten und Ratschlägen«.48 »Worüber beunruhigt Ihr Euch?« sagt er ihnen in freundschaft lichem Ton, »würdet Ihr mich so ruhig und gelassen sehen, wenn ich wie Ihr glaubte, daß wir alle verdursten werden? Wir brauchen nur ein paar Brunnen zu graben, um Trinkwasser zu haben, und da wir noch immer Herr über die See sind, wer hindert uns daran, jeden Tag Wasser mit Schiffen bringen zu lassen? An einen Abzug ist jedoch nicht zu denken; durch unsere Vorbereitungen würden die Alexandriner aufmerksam werden und uns am Verlassen des Palastes hindern. Sie brauchen nur die Hügel und Häuser, die an unserem Weg liegen, zu besetzen und uns mit Pfeilen und Steinen zu überschütten; nur wenige von uns würden bis zum Hafen gelan gen. Glaubt mir, auf diesen Plan müssen wir verzichten und statt dessen versuchen, an Ort und Stelle zu siegen!« Die Soldaten fügen sich und beginnen, Brunnen zu graben. Aber diese Erdarbeiten begeistern sie wenig, und bald erheben sich erneut Klagen. »Wir sind keine Bauarbeiter, sondern Soldaten«, rufen sie verbittert. »Wenn wir nicht kämpfen sollen, so möge man uns nach Hause schicken ...« Daraufhin beschließt Caesar, einen Ausfall zu wagen – kein bedeutendes Unternehmen, nur eine Abwechslung, um die Unge duld seiner Leute zu vertreiben. Er macht sogar diese Expedition noch anziehender durch die Aussicht auf reiche Beute, ein Mittel, dessen er sich stets in einer derartigen Lage bedient... Gerade ist ja auch die 37. Legion unter der Führung von Domi tius Calvinus etwas westlich von Alexandreia gelandet; Gegen
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winde haben die Schiffe daran gehindert, im Hafen vor Anker zu gehen. Wenn man ihr entgegenginge, um sie in die Stadt zu führen? Gleichzeitig würde man die Insel Pharos einnehmen und die rei chen Villen an ihrem Ufer plündern ... Aber das Unternehmen nimmt einen ganz anderen als den von Caesar geplanten Verlauf; es hätte nur wenig gefehlt, und aus der ›Abwechslung‹ wäre eine Katastrophe geworden.
XXIV Als Ganymed erfährt, daß Caesar der 37. Legion entgegenziehen will, bringt er seine gesamten Seestreitkräfte in neue Stellungen, um den Römern den Rückweg abzuschneiden. Als diese die Trup penbewegung des Feindes entdecken, müssen sie auf die Erobe rung der Insel verzichten und sich eiligst auf ihre Ausgangspositio nen zurückziehen. Dabei gelingt es ihnen, zwei ägyptische Galee ren zu versenken, deren Wracks nun die Einfahrt zum Hafen von Eunostes versperren. »Vielleicht hätten sie sich sogar der ganzen ägyptischen Flotte bemächtigt, wenn nicht die Nacht dem Kampf ein Ende gesetzt hätte«, erklärte ein Kommentator. Aber dieser übertriebene Optimismus ist durch die Tatsachen in keiner Weise begründet: Der Tag ist im ganzen für die Römer ungünstig verlau fen. Dieser Mißerfolg hat aber Ganymed auf eine wichtige Tatsache aufmerksam gemacht: Auch wenn Caesars Widerstand und Können noch so groß sind, muß er unterliegen, falls er die Herrschaft über die See verliert. Um ihm diesen Vorteil zu entreißen, verstärkt Ganymed unverzüglich seine Seestreitkräfte; er zieht alle auf dem Nil und dem Mareotis-See verfügbaren Schiffe vor Alexandreia zusammen und ordnet den Bau neuer Trieren an. »In wenigen Tagen«, berichtet der Autor des ›De Bello Alexandrino‹, »konnten die Ägypter zweiundzwanzig Vier- und Fünfdeckgaleeren sowie eine große Anzahl kleinerer Schiffe einsetzen.« Gleichzeitig läßt der Oberbefehlshaber des ägyptischen Heeres den Hafen von Eunostes ausräumen, um seine Bewegungsfreiheit
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zu vergrößern. Wie man sich denken kann, hat der mißglückte Angriff auf die Insel Pharos die Stimmung der römischen Legionäre nicht verbes sert... »Warum kehren wir nicht nach Italien zurück?« fragen sie wütend. »Sollen wir hier etwa alle wegen der schönen Augen einer Ägypterin sterben?« Um die Gefahr einer Meuterei abzuwenden, entschließt sich Caesar, einen neuen Ausfall zu wagen. Man könnte den gerade freigemachten Hafen von Eunostes in einem Überraschungsangriff einnehmen, was bei einem Einsatz stärkerer Kräfte sicher auch gelingen würde. Von dort aus könnte man dann ohne Schwierigkei ten die Insel Pharos erobern sowie den langen Damm des Hepta stadion, der sie mit dem Festland verbindet. Vor Beginn des Unternehmens versammelt Caesar seine Männer noch einmal im Hof des Palastes: »Soldaten! Die Zeit der Untätigkeit ist vorbei! Die Insel Pharos ist in unserer Reichweite und wir müssen uns dort festsetzen, um die Umklammerung durch den Feind zu lösen. Ich weiß zwar, daß Eure Tapferkeit keine Ermutigung braucht, trotzdem aber setze ich eine Belohnung für die zwölf ersten unter Euch aus, die ans Ufer springen.« Durch dieses Versprechen beflügelt, erobern die Römer in kürzester Zeit die Küsten der Insel, plündern die reichen Villen am Strand und bringen die beiden Forts in ihre Hand, die den Zugang zum Heptastadion von Pharos und von der Stadt her beherrschen. Dann läßt Caesar drei Abteilungen auf dem Heptasta dion selbst landen. In diesem Augenblick aber stürmt eine Gruppe alexandrinischer Reiter den Damm entlang, greift die römischen Soldaten von der Seite her an und drängt sie zum Meer zurück. Entsetzt fliehen die Legionäre auf ihre Schiffe. Caesar, der sich seit dem Beginn der Operation auf dem Damm befindet, erkennt, daß nichts diese wilde Flucht aufhalten kann. Er bahnt sich gewaltsam einen Weg durch die Fliehenden und läuft zu seiner Galeere. Kaum befindet er sich jedoch an Bord, als eine Gruppe von Legionären ihm nachstürzt und sich auf das Schiff drängt. Trauben entsetzter Menschen klammern sich an die
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Reling; das Schiff neigt sich bereits auf die Seite und noch immer hält der Menschenstrom an... Caesar, der ahnt, was kommen muß, ergreift ein Bündel Doku mente und springt ins Wasser. Mit großen Stößen schwimmt er auf eines der anderen römischen Schiffe zu, das in einigem Abstand vom Damm vor Anker liegt. Aber sein Purpurmantel verrät ihn den ägyptischen Bogenschützen, die ihn sofort mit Pfei len überschütten. Um nicht getroffen zu werden, schwimmt Caesar jetzt unter Wasser, mit einer Hand die wertvollen Doku mente hochhaltend. Aber sein schwerer Mantel behindert ihn. Er löst die Agraffe, und während die Alexandriner weiter auf das leuchtend rote Ziel schießen, erreicht Caesar unbehelligt das nächste römische Schiff und steigt an Bord. Für einen Mann von zweiundfünfzig Jahren eine große Leistung!... In diesem Augen blick sinkt seine eigene Galeere und zieht die meisten ihrer Insas sen mit sich in den Tod. Die Verluste des mißglückten Ausfalls gegen das Heptastadion sind schwer: Vierhundert Legionäre und ebenso viele Ruderer sind im Laufe dieses Tages gefallen. Die größte Demütigung für Caesar aber ist der Anblick seines ›Imperator‹-Mantels, den Ganymed zum Zeichen seiner Verachtung an einer Stange vor dem Palast aufhängen läßt.
XXV Der Stellungskrieg scheint Caesar offensichtlich kein Glück zu brin gen: In Alexandreia wie in Dyrrhachium steckt er nur Fehlschläge ein. Wie aber könnte er zum Bewegungskrieg zurückkehren? Die erwartete Verstärkung ist noch immer nicht eingetroffen. Warten, immer nur warten ... Selbst Kleopatras Einfälle können ihn nicht mehr ablenken. Wenn er die große Niedergeschlagenheit seiner Soldaten sieht, fragt er sich, ob seine Fortuna ihn nicht jetzt verlas sen wird ... Der Erfolg, den Ganymed vor dem Heptastadion errin gen konnte, hat die Zuversicht der Ägypter wesentlich gehoben, auch wenn er zu spät kam, um ihnen noch zu nützen.
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In den fast sechs Monaten, die die Belagerung nun schon dauert, ist es Mithridates von Pergamon gelungen, ein Heer aufzustellen. Ende Februar 47 erreicht er, nachdem er in Eilmärschen durch Syrien gezogen ist, das Nildelta, nimmt Pelusion durch einen Überraschungsangriff und zieht gegen Memphis weiter, wo er den Fluß überquert. In der Nähe von Castra Iudeorum stößt er auf eine erste Front ägyptischer Truppen, überrennt sie im Sturmschritt und setzt seinen siegreichen Marsch auf Alexandreia fort. Wütend setzt Ptolemaios Ganymed als Befehlshaber ab, weil er den Feind nicht rechtzeitig zum Stehen gebracht hat. Die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft des Mithridates hat sich bereits in der Stadt verbreitet und ist auch bis in den Palast gedrungen, wo die Legionäre sie mit Freudenrufen begrüßen; sie
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jubeln bei dem Gedanken, daß die Belagerung aufgehoben werden wird, daß ihre Leiden ein Ende haben werden... Zwei, drei Tage vergehen mit Warten, und die Soldaten des Mit hridates erscheinen noch immer nicht. Was ist passiert – war es ein falsches Gerücht? Nein, Mithridates ist wirklich in Ägypten angekommen, aber zehn Kilometer südlich von Chereia aufgehalten worden. Mit einer plötzlichen Entschlossenheit, die man ihnen nicht zugetraut hätte, ist es den Soldaten Ptolemaios’ gelungen, Mithridates zum Stehen zu bringen und sein Lager zu umzingeln. Sowie Caesar erfährt, daß sein Bundesgenosse in Schwierigkei ten geraten ist, eilt er ihm zu Hilfe (24. März 47). Er schifft sich nachts mit einer seiner Legionen und der Reiterei ein, gelangt im Schutz der Dunkelheit zum Kap Chersones, wo er an Land geht, um den Mareotis-See herumzieht und die dreißig Kilometer, die ihn von Mithridates trennen, so schnell zurücklegt, daß er überraschend am Morgen des 25. März vor seinem Feldlager erscheint. Er durch bricht die ägyptischen Stellungen, zwingt den Feind, die Belage rung aufzuheben und tritt in dem Augenblick, als die Sonne auf geht, in das Zelt des Mithridates. Jetzt müssen die Ägypter feststellen, wie unrecht ihr König hatte, als er Ganymed absetzte, den einzigen ihrer Feldherren, der es mit dem ›Imperator‹ hätte aufnehmen können. »Jetzt, wo Caesar und Mithridates sich vereinigt haben«, erklärt Potheinos dem König, »wäre es Wahnsinn, sie mit Waffen schlagen zu wollen. Nun hilft uns nur noch Verrat und Gift. Das Wichtigste ist daher von nun an, Zeit zu gewinnen. Laßt uns mit dem ›Imperator‹ Friedensverhandlungen aufnehmen; das wird uns eine Frist geben, um neue Pläne zu entwerfen und unsere Streitkräfte neu zu orga nisieren ...« In der Hoffnung, noch einigermaßen gut davonzukommen, schickt Ptolemaios Botschafter an den Diktator, die ihm einen Waf fenstillstand vorschlagen. Caesar hat jedoch gute Gründe, diesem Angebot zu mißtrauen und lehnt Verhandlungen ab. »Der Rächer des Pompejus gibt sich nicht mit einem halben Sieg
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zufrieden«, antwortet er hochmütig, »die Waffen werden über das Schicksal des Königreiches entscheiden.« Am nächsten Morgen geht er zum Angriff über. Die Ägypter haben ihr Lager am Fuß eines Sandhügels aufgeschlagen; am 26. März bei Sonnenaufgang läßt Caesar daher drei Eliteabteilungen den steilsten Abhang erklettern, wo der Feind, der sich von dieser Seite her geschützt wähnt, keine Wachen aufgestellt hat. Als die Soldaten Caesars die Ägypter im Rücken angreifen, fliehen Ptole maios’ Truppen in panischem Schrecken zum Nil, »in der unsin nigen Hoffnung, auf den Schiffen zu entkommen, die sie am Ufer des Flusses verankert haben«. Viele Ägypter finden den Tod, noch ehe sie den Fluß erreichen; viele andere sinken mit den Schiffen, die die Überlast an Menschen nicht tragen können. Ihrer Anführer beraubt und vollkommen entmutigt, ergeben sich schließlich die zwölftausend Überlebenden des ägyptischen Heeres. Für die Ägypter bedeutet die Schlacht am Nil eine Katastrophe ohne Beispiel: Mehr als zwanzigtausend Krieger sind im Laufe dieses Tages gefallen. Der junge Ptolemaios befindet sich unter den Opfern; von einer Schar Reiter verfolgt, hat er ihnen zu ent kommen versucht, indem er einen Flußarm durchschwamm, aber das Gewicht seiner Rüstung hat ihn in die Tiefe gezogen. Zwei Legionäre haben seinen leblosen Körper auf dem Sand niederge legt; mit seinen geschlossenen Augen und halbgeöffneten Lippen sieht er weniger wie ein Toter als ein schlafendes Kind aus. Caesar läßt sich zu der Stelle führen, wo der tote König liegt. Als er ihn sieht, kann er seine Überraschung nicht verbergen, denn die jugendlichen Züge und nassen Locken geben ihm eine seltsame Ähnlichkeit mit seiner Schwester Kleopatra. Caesar beugt sich zu dem Toten nieder und betrachtet ihn lange. Die Schlacht ist zum Stillstand gekommen; von weitem hört man nur noch wirre Klagen und das Rauschen des Flusses, der dem Meer zueilt. Nun öffnet Caesar die Riemen von Ptolemaios’ goldenem Brustpanzer, nimmt ihn behutsam, wie um den Toten nicht zu wecken, von seinem Körper und übergibt ihn einem Meldereiter: »Bringe diesen Panzer sofort nach Alexandreia«, befiehlt er ihm,
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»damit das Volk weiß, daß Ptolemaios’ Heer besiegt und sein Herr scher tot ist«. Dann, nachdem er Anweisungen für die Zählung der Gefange nen gegeben hat, besteigt Caesar sein Pferd und macht sich in Begleitung einer einzigen Reiterabteilung auf den Weg zur Haupt stadt.
XXVI Der goldene Brustpanzer des Ptolemaios ist ihm vorausgeeilt. Als die Alexandriner ihn erblicken, wissen sie, daß ihr König getötet wurde und jeder Widerstand von nun an sinnlos ist. Voller Verzweif lung zerbrechen die Männer ihre Waffen, während die Frauen ihre Gewänder zerreißen und in Klagerufe ausbrechen. Alle wenden sich nun Kleopatra zu in der Hoffnung, daß die Liebe, die ihr der ›Imperator‹ entgegenbringt, mächtig genug ist, um seinen Zorn vom Volk abzuwenden. »Rette uns!« rufen sie und schlagen sich an die Brust, »bitte beim Sieger für uns!« Während der ganzen Zeit der Belagerung haben sich die Alexan driner allerdings nicht zurückgehalten, schlecht über Kleopatra zu reden. Sie haben Verleumdungen über sie in Umlauf gebracht, die an Gemeinheit denen nicht nachstanden, mit denen die römischen Polemiker sie überhäuft haben. Jetzt aber, wo sie ihnen als letzte Rettung erscheint, wünschen sie nur eins: daß sie das Herz Cae sars wirklich beherrscht! Kleopatra könnte dem Volk sein Verhal ten übelnehmen. Aber erstens hat sie keinen nachtragenden Cha rakter, und zweitens läge das auch nicht in ihrem eigenen Inter esse. Trotz der Verachtung, die sie für die unbeständige Menge empfindet, die heute schmäht und morgen fleht, bemüht sie sich, die Befürchtungen der Bevölkerung zu zerstreuen und sie zu beru higen: »Caesar ist nicht ein Eroberer wie die anderen. Er wird sich großmütig zeigen, wenn Ihr sein Verzeihen erfleht.« In ihrer Stimme liegt so viel Milde und Freundlichkeit und auch so viel echte Bewe
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gung, daß diese Worte das Volk überzeugen. Ihrem Rat folgend, ver sammeln sich die Alexandriner vor dem Palast und ziehen Caesar entgegen, angeführt von einer Abordnung von Priestern, die in ihre Weihgewänder gekleidet sind und die Bilder ihrer Götter mit sich führen. Caesar begegnet dem Zug vor dem Phiale-Tor an der südlichen Stadtmauer. Der Anblick der Menschenmenge, deren Absichten er nicht ahnen kann, beunruhigt ihn; noch vor zwei Tagen, als er Alexandreia verließ, befand sich die Stadt in vollem Aufruhr. Er weiß nicht, welcher Umschwung sich inzwischen in der Haltung der Bevölkerung vollzogen hat und muß sich fragen, ob er es nicht mit einem allgemeinen Aufstand zu tun hat. Sehr bald jedoch wird ihm klar, daß seine Befürchtungen unbegründet sind: Während sich die Priester aus der Menge lösen und ihm mit der Bitte um Gnade entgegenschreiten, fallen die Alexandriner zum Zeichen ihrer Unterwerfung vor ihm nieder. Mit einer Handbewegung fordert Caesar sie auf, sich wieder zu erheben; dann steigt er vom Pferd und hört die Bitte der Priester an, die ihn unter Tränen beschwören, ihre Stadt zu verschonen. »Ich habe nicht die Absicht, Euch für die Fehler Eures Herrschers büßen zu lassen und eine Stadt zu zerstören, die Alexander der Große gegründet hat«, lautet Caesars stolze Antwort. »Ich bin nur nach Ägypten gekommen, um den Tod des Pompejus zu rächen; jetzt wo der Gerechtigkeit Genüge getan ist, wünsche ich nichts als Frieden.« Nach diesen Worten besteigt er sein Pferd und reitet die Prachtstraße entlang, die vom Broukion zum Hügel Copron führt. Am Kap Lochias sieht er zum ersten Mal die andere Seite der Verteidigungsanlagen, die Ganymed vor dem Königspalast hatte errichten lassen; am Vorabend noch besetzt, sind sie heute verlas sen, und Bauarbeiter sind dabei, sie abzutragen ... Caesar steigt vom Pferd, überquert den Graben auf einem Holz steg und tritt in den Palast ein, wo Kleopatra auf ihn wartet. Vor fast genau sechs Monaten war die Königin von Ägypten, in den Teppich des Apollodoros gehüllt, hier eingedrungen. Aber heute sind die Rollen vertauscht: Heute empfängt Kleopatra Caesar in
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vollem Königsschmuck. Er schreitet mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, und das Lächeln, das sie austauschen, ist ein Lächeln des Triumphes.
XXVII Der ›alexandrinische Krieg‹ ist beendet. Ptolemaios ist tot; Arsinoë, die zunächst nach Zypern verbannt worden war, ist unter Bewa chung nach Rom gebracht worden. Ganymed ist gefangengenom men, Potheinos verschwunden. Das unterworfene Ägypten wird von nun an sein, »was Caesar beliebt«. Aber der ›Imperator‹ hütet sich, Ägypten zur römischen Provinz zu »erniedrigen«; es genügt ihm, daß es seine Macht anerkennt. Da entsprechend einer tausendjährigen Tradition, die auf die Pharao nen zurückgeht und von Ptolemaios Soter aufgenommen worden war, ein ägyptischer Herrscher nur seine Schwester zur Gemahlin nehmen darf, vermählt er Kleopatra mit ihrem jüngeren Bruder Ptolemaios XV., einem zehnjährigen Knaben. Diese Heirat gibt ihm weder zu Furcht noch zu Eifersucht Anlaß, aber er zeigt damit der Bevölkerung, daß er ihre Sitten und Bräuche zu achten gedenkt. Nachdem die Hochzeit vollzogen ist, verleiht er dem Königspaar die unteilbare Herrschergewalt über das ganze Land. Nun beginnt eines der erstaunlichsten Kapitel im Leben Cae sars, eine Episode, die weniger der Geschichte als der Legende anzugehören scheint: Die Königin lädt ihn zu einer langen Reise auf dem Nil ein, um ihm die Heiligtümer Unter- und Oberägyptens zu zeigen. In aller Eile werden die Schiffe fahrbereit gemacht und geschmückt und die Königsbarke, der ›Thalamegos‹, bereitgestellt. »Dieses Fahrzeug«, sagt Weigall, »hatte beträchtliche Ausmaße und wurde von mehreren Reihen Ruderern fortbewegt. Es gab darauf Säulenhallen, Festsäle, Schlafräume, Venus- und DionysosHeiligtümer und eine Grotte oder Wintergarten. Die Täfelungen waren aus Zedern- und Zypressenholz, das übrige Dekor bestand in Malereien und Goldblättern. Die Räume waren mit Möbeln im griechischen Stil eingerichtet, mit Ausnahme eines der Festsäle,
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dessen Ausstattung ägyptisch gehalten war.«49 Dieser schwimmende Palast wird von etwa vierhundert Schiffen begleitet – Galeeren, Handelsschiffen und Fährbooten –, die meh rere Abteilungen Soldaten befördern. Manche Historiker haben den Umfang dieses Geleitzuges bestrit ten; ihren Schätzungen nach ist die Zahl von vierhundert Fahr zeugen übertrieben. Ihren Begründungen zufolge habe Caesar nicht viele Legionäre mit sich nehmen können, denn er wäre nie mals so unvorsichtig gewesen, nur eine kleine und schwache Gar nison in Alexandreia zurückzulassen, nachdem die Stadt gerade erst befriedet worden war; außerdem rechtfertige eine einfache Vergnügungsfahrt kaum einen derartigen Truppenaufwand. Diese Argumente sind jedoch nicht ganz überzeugend. Wenn es unvorsichtig gewesen wäre, Alexandreia zu ›entblößen‹ – wie viel unvorsichtiger wäre es gewesen, sich ohne ausreichenden Schutz in Gebiete zu wagen, in die die Römer noch nie vorge drungen waren und wo sie feindlich gesinnten Völkern begegnen konnten. Außerdem war es gar nicht notwendig, die Hauptstadt zu ›entblößen‹ – hatte ihm Mithridates doch gerade neue Truppen zugeführt, die in der Schlacht am Nil ihre Kampffähigkeit genügend bewiesen hatten, so daß Caesar ihnen unbesorgt die Stadt anver trauen konnte. Zudem war diese Reise nicht nur als reine Vergnügungsfahrt gedacht, sondern sie kam auch dem Wunsch des ›Imperators‹ ent gegen, Gebiete zu erforschen, die er noch nicht kannte und die er besichtigen wollte, um festzustellen, ob ihre Reichtümer tatsächlich so groß waren, wie die Legende behauptete. Schließlich muß man keinen Begriff von der Zahl der Personen haben, die einen orienta lischen Herrscher bei seiner geringsten Bewegung begleiteten, um sich über das Ausmaß des königlichen Gefolges zu wundern. Wenn man nur an die Zahl der Köche, Mundschenke, Musikanten, Leib wachen und Sklaven denkt, die auf eine solche Reise mitgenommen werden mußten — ganz abgesehen von den Ersatzmannschaften der Ruderer –, so kann man sich vorstellen, daß dieser Zug, selbst wenn die Zahl von vierhundert Schiffen übertrieben wäre, ein ein
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drucksvoller Anblick gewesen sein muß.50 Die meisten römischen Historiker haben in dieser Fahrt nur einen ›Werbefeldzug‹ gesehen, eine Ausstattungsoper, die Kleo patra aufgezogen hat, um Caesar zu beeindrucken und ihn das Ausmaß ihrer Reichtümer ahnen zu lassen. Andere haben behaup tet, daß der Sieger über Pompejus diese Reise nur unternommen habe, um seine bekannte Habsucht zu befriedigen. »Er wollte«, so sagen sie, »selbst das Land sehen, um die Vorteile einzuschätzen, die er daraus ziehen könnte.« Wie man sieht, schreckt die Gehässigkeit vor nichts zurück. Aber was macht es schon? Selbst wenn Caesar trunken war, behielt er seinen klaren Verstand. Und Kleopatra mußte es mit berechtigtem Stolz erfüllen, ihre Schätze zu Füßen des Geliebten auszubreiten; außerdem sah sie darin wohl das beste Mittel, ihn fester an sich zu binden. Aber diese Reise hatte noch eine zusätzliche Bedeutung: die Einführung eines republikanischen Diktators in die Riten und Herr lichkeiten einer orientalischen Theokratie. Die Wochen, die Caesar und Kleopatra, von allen Sorgen befreit und wie über den menschlichen Zufälligkeiten schwebend, auf der ›Thalamegos‹ verbringen, sind eine wunderbare Erholung nach den langen Monaten, die sie im Palast von Lochias eingeschlossen gelebt haben. Nachdem die königliche Galeere Alexandreia verlas sen hat, durchquert sie den Mareotis-See und biegt in den ersten Nilarm ein, wie ein goldener Vogel nach Süden entschwindend. Man zieht an Assiut, Abydos und Dendera vorbei und erreicht nach drei Wochen die alte Hauptstadt Theben. Die Stadt, die sich die »vollkommenste aller Städte« nannte, war zwar seit der Zeit, als hier die Pharaonen der XI. und XVII. Dynastie residierten, sehr verfallen, aber sie war damals noch immer unvergleichlich schöner als in unseren Tagen. Ihre Tempel waren noch immer bewohnt; der Sand hatte die Säulengänge ihrer Heiligtümer noch nicht erobert, und im Halbdunkel der Gräber ruhten die Mumien der Pharaonen unter ihren Goldhüllen. Je weiter man den Nil hinaufkommt, desto höher werden die ihn säumenden Sandsteinhänge. Nachdem Caesar das rätselhafte
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Lächeln der Sphinx, die Pyramiden der Pharaonen Cheops, Che phren und Mykerinos, die weißen Mauern von Memphis, die Säulengänge und Obelisken von Heliopolis und Dendera hat auftau chen und wieder verschwinden sehen, müssen ihm die wuchtigen Steinmassen, die in der Sonne wie Feuer leuchten, und mehr noch die unzähligen Statuen, die einen mit ihren leeren Augenhöhlen anstarren, stark beeindruckt haben. Caesar, der an den etwas gezierten Stil der hellenistischen Kunst gewöhnt ist, müssen diese riesigen Standbilder wie von einer barbarischen Schönheit geprägt erschienen sein, die mit allem, was er bisher gesehen hat, nicht zu vereinen war. In Karnak und Luksor aber wich sein Staunen sicher einem Gefühl des Schreckens, denn die Ausmaße ihrer Sta tuen überstiegen wohl sogar sein Vorstellungsvermögen. Auf Seidenpolstern hingestreckt und durch Purpurbehänge vor der Sonne geschützt, erfrischen sich Caesar und Kleopatra mit köstlichen Getränken, die ihnen die Mundschenke reichen, während das königliche Schiff unter dem Klang der Harfen und dem Gesang der Ruderer seine Fahrt fortsetzt. Priester und Priesterinnen eilen ihnen aus den Heiligtümern am Nilufer entgegen, um der Herrsche rin ihre Ehrerbietung zu erweisen. In Alexandreia ist Kleopatra eine junge makedonische Prinzessin, heiter und verspielt – hier aber ist sie Isis, die verkörperte Göttin, wofür die Uräusschlange, die sie auf der Stirn trägt, Zeugnis ablegt. Menschenmengen drängen sich singend am Ufer und laufen dem Schiff nach, und noch lange hört man das fröhliche Spiel der Sistren und Tambu rine. Wo das Schiff anlegt, kommen die Priester der Tempel und werfen sich vor der Königin nieder, damit sie ihnen den Segen des Allerhöchsten erteile.51 So führt die Reise von Stadt zu Stadt, von Heiligtum zu Heiligtum, in einer feierlichen Stimmung, die die Hochzeit von Göttern anzukünden scheint. Vier oder fünf Wochen nach der Abfahrt von Alexandreia erreicht die königliche Flotte den ersten Katarakt von Assuan. Sueton zufolge wäre Caesar gern weitergefahren; seine unersättliche Neugier zu befriedigen, wäre er gern bis zu den Quellen des Nils vorgedrungen, die noch nie mand gesehen hat und von denen es heißt, sie kämen direkt vom
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Himmel.52 Aber die Soldaten seines Gefolges weigern sich, ihm weiter zu folgen, und die Gefahr einer Meuterei läßt ihn umkehren. Auch über diesen Soldatenaufstand haben sich manche Historiker skeptisch geäußert; da sie schon bezweifelt hatten, daß sich Caesar von einem großen militärischen Gefolge begleiten ließ, haben sie natürlich – a fortiori – nicht zugeben können, daß dieses Gefolge gemeutert habe. Ihrer Meinung nach hätten die antiken Chroni sten lediglich eine als literarische Ausschmückung gedachte Paral lele zwischen Caesar und Alexander herstellen wollen, indem sie den ›Imperator‹ als mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpfend dar stellen, die den Makedonen am Ufer des Hyphasis zur Umkehr gezwungen haben. Jene, die glauben, daß die Meuterei wirklich stattgefunden hat, können sich jedoch auf ziemlich gültige Argu mente stützen. Die Aussicht, die Schiffe um die Katarakte herum tragen zu müssen, wird die Rudermannschaften kaum begeistert haben; bei ihrem Gewicht – und besonders dem der Königsgaleere – hätte das ohne Frage eine übermenschliche Kraftanstrengung erfordert, vor allem von Männern, die durch die lange Reise bereits erschöpft waren. Und wenn sich Caesar von einer Abteilung Legionäre begleiten ließ, so läßt sich mit Sicherheit sagen, daß sie zum größten Teil aus Nerviern, Allobrogen und Ruthenen bestand, da seine Legionen sich vor allem aus diesen Völkern rekrutierten. Man stelle sich vor, wie diese Männer aus Flandern, Savoyen oder der Auvergne immer tiefer in den unergründlichen afrikani schen Kontinent eindringen, wo ihnen alles, was sie sehen, eine wachsende Furcht einflößen muß. Und nun befiehlt man ihnen auch noch, weiter vorzudringen, jenseits der Katarakte, deren Don nern allein sie schon zu bedrohen scheint, einen Fluß aufwärts zu rudern, der vielleicht nicht dem Himmel, sondern den Quellen des Entsetzens entspringt! Man versteht, daß sie sich nicht weiter vor wagen wollen... Und da die gleichen Umstände oft die gleiche Wir kung erzeugen — warum soll man es nicht für möglich halten, daß Caesars Kühnheit hier – wie einst derjenigen Alexanders am Hyphasis – Grenzen gesetzt wurden durch die nur allzu mensch liche Weigerung seiner Soldaten? Wie die makedonischen Pha
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lanxen waren Caesars Legionen bereit, gegen jeden beliebigen Feind zu kämpfen, »vorausgesetzt, daß er eine menschliche Gestalt habe«, – sie waren aber nicht bereit, einem unbekannten Kon tinent gegenüberzutreten ... Eines ist jedenfalls sicher: Caesar kommt nicht weiter als Assuan.53 Er kehrt um, »ausreichend unter richtet über die Fruchtbarkeit und den Reichtum des Landes und nicht ohne von den Eingeborenen reichliche Auskünfte über die Handelsstraßen erhalten zu haben, die vom Nil nach Berenike und Indien oder nach Meroe, Napata und ins Königreich Äthiopien führten«54. In kleinen Etappen kehrt die königliche Flotte zur Hauptstadt zurück, wo sie Ende Juni eintrifft. Die Reise hat neun bis zehn Wochen gedauert (Juli 47). Caesar kehrt mit einer rei chen Beute an Informationen und neuen geistigen Errungenschaf ten nach Alexandreia zurück; Horaz drückt es mit den schönen Worten aus: »Der eroberte Orient hatte seinen wilden Eroberer bezwungen.«55
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Kleopatra ist nicht nur eine Mittlerin zwischen Caesar und Ägypten, sondern ebenso zwischen dem römischen Reich, das Caesar gründen will, und dem Reich Alexanders, dessen geistige Erbin sie ist. Alexander! Seit seiner frühesten Jugend hat Caesar der Gedanke an diesen Helden nicht mehr losgelassen, und er hat sich geschworen, es ihm gleichzutun. Und nun ist die Prinzessin, die ihm die Tore zum Orient öffnet, nicht nur die Nachfahrin von Ptolemaios dem Lagiden, einem von Alexanders besten Mitarbei tern, sondern sie trägt denselben Namen wie die Schwester des Makedonen! Darf er darin nicht mehr als einen Zufall sehen? Die Ausstrahlung, die seit jeher von der Gestalt Alexanders aus gegangen ist, stellt die Leistungen aller seiner Nachfolger in den Schatten. Nach einem derartigen gewaltigen Versuch zur Einheit scheinen ihre Auseinandersetzungen von betrüblicher Engstirnig keit zu zeugen, und nicht zu Unrecht hat Droysen sein großartiges Werk über den Sieger von Issos mit diesem Satz beendet, aus dem Verachtung und Erschütterung sprechen: »Mit seinem letzten Atemzug begann der Streit unter seinen Großen, die Erhebung seines Heeres, der Sturz seines Hauses, der Niedergang seines Reiches.«56 Man hat den Eindruck eines tragischen Zusammen bruchs, eines nicht wiedergutzumachenden und endgültigen Stur zes ins Nichts. Das makedonische Imperium verschwand allerdings nicht von einem Tag zum anderen, auch wenn es sofort nach Alex anders Tod auseinanderfiel. Nach vielen Leiden wurden Roxane und Alexander Aigos, der Sohn des Eroberers, nach Griechenland gebracht und der Aufsicht der Olympias, Alexanders Mutter, anver traut. Alexander Aigos aber, in dessen Adern das Blut der make donischen Könige floß und in dem die Einheit des Reiches fortbe stand, stellte eine zu große Gefahr für die Offiziere Alexanders dar, die alle davon träumten, die Macht an sich zu reißen. Nach dem Antigonos Kassandros gezwungen hatte, sich vor ihm zu ver neigen, wurde vereinbart, daß dieser den Titel ›Stratege der Hel lenen‹ nur bis zur Großjährigkeit des Erbprinzen führen sollte.
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Diese Maßnahme, die die Kontinuität der Dynastie gewährleisten sollte, bewirkte jedoch im Gegenteil den Untergang des Thron folgers. Roxane und der zwölfjährige Alexander Aigos wurden dem Schutz Olympias’ entrissen und in Amphipolis gefangengehal ten, wo sie bald darauf unter mysteriösen Umständen ermordet wurden.57 Nun wurde es Nacht über dem makedonischen Reich. Das bedeu tet nicht, daß diese Periode ereignislos verlief – im Gegenteil, die Geschehnisse jagten einander in verwirrend schneller Folge. Aber es gab keinen verläßlichen Zeugen, der sie uns überliefert oder ihre Zusammenhänge erklärt hätte. »Die Geschichte schweigt oder stammelt«, schreibt E.-F. Gautier. »Keiner der Historiker dieser Epoche hat die Persönlichkeit des Herodot, Thukydides, Polybios, Titus Livius oder Tacitus. Abgesehen von Plutarch, der allerdings eher Moralist und Anekdotenerzähler war, gibt es nur noch einige Geschichtsschreiber ohne kritischen Geist und allgemeine Vorstel lungen; mit ihrer Hilfe kann man höchstens den Ablauf der Ereig nisse rekonstruieren, aber der tiefere Zusammenhang bleibt im Dunkeln...«58 Als dann die Römer Syrien und den Pontos eroberten, sank der hellenistische Orient in den Rang einer entlegenen Pro vinz zurück, und man sprach nicht mehr von ihm. Was an histo rischem Licht übrigblieb, fiel auf den Mittelpunkt des Reiches, auf Rom. Die ganze Peripherie aber versank in einen Halbschat ten, in dem Monumente, Schlachten und Regierungen ohne Zusam menhang aufeinander zu folgen schienen. Welches menschliche Gedächtnis hätte die verworrenen Kämpfe der Epigonen und Dia dochen, die uns nur sehr unvollständig überliefert sind, aufzeich nen können? »Obwohl sie tausend Jahre umfaßt, da sie von Alex ander bis zur Hedschra reicht, ist die hellenistische Epoche prak tisch aus der Geschichte gestrichen worden. Und das ist zu bedau ern; diese Periode wäre vielleicht das interessanteste Jahrtausend der Geschichte, und sei es nur aus dem Grund, weil sie gewöhnlich übergangen wird.«59 Diese Zeilen, die vor fünfzig Jahren geschrieben wurden, ent sprechen jedoch nicht mehr ganz dem heutigen Stand unserer
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Kenntnisse. Dank zahlreichen seither erschienenen Werken – vor allem der ›Histoire des Lagides‹ von Bouché-Leclercq — und dank den archäologischen Forschungen in Nimrud Dagh, Dura-Europos, Deilaman und Palmyra haben wir heute eine bessere Vorstellung von den griechischen Königreichen im Orient. Zweifellos fehlen noch viele Einzelheiten, aber die wichtigsten Charakterzüge begin nen aus dem Dunkel aufzutauchen. In der Hoffnung, die Einheit des Reiches zu erhalten, hatten die Gefährten Alexanders zunächst die Leitung der verschiedenen Heeresteile unter sich aufgeteilt. Sehr bald jedoch hatten sich die Reiterei (zum größten Teil aus Asiaten bestehend) und das Fußvolk (überwiegend makedonisch) feindlich gegenübergestanden, so daß man zur Aufteilung der Satrapien gezwungen war. Es folgten fünfzehn Jahre grausamer Kämpfe, die den gesamten Orient wie ein Erdbeben erschütterten. Erst im Jahre 301 nach der Schlacht von Ipsos stabilisierte sich die Lage. An der Stelle des alexandri nischen Imperiums erschien ein ›Konglomerat‹ von unabhängigen Staaten und Königreichen, unter denen die mächtigsten das asia tische Reich der Seleukiden, das antigonidische Griechenland und das Ägypten der Ptolemäer waren. Nach allen diesen auseinander strebenden Bewegungen schienen dann aber die Tendenzen zur Einheit wieder die Oberhand gewonnen zu haben: Die Rivalität zwi schen den Häuptern dieser neuen Dynastien hatte bei den Völkern das Bewußtsein ihrer Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Zivili sation nicht auszulöschen vermocht. Und dieses Bewußtsein war besonders in den Städten lebendig geblieben, die sich stolz auf ihren hellenistischen Ursprung beriefen. Wir wissen ja, daß Alex anders Reich sich im wesentlichen auf die Städte gründete; seine Eroberung war zu schnell vor sich gegangen, um das Gepräge der ländlichen Gebiete zu beeinflussen. Man darf sich also nicht ein homogenes und in sich geschlossenes Reich vorstellen, sondern ein Netzwerk von Städten, die durch Handelsstraßen miteinander ver bunden waren. Alexander selbst hatte die Struktur vorgezeichnet, indem er sechzehn ›Alexandrei‹60 zwischen Mittelmeer und Indus gründete, die sich jedoch erst nach seinem Tod voll entfalten soll
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ten.61 Nach dem Beispiel ihres Herrn hatten später Seleukos und Antiochos ihrerseits alte Städte umbenannt oder neue Städte mit ihrem Namen gegründet. So entstanden zehn Seleukeia62, vierzehn Antiocheia63, sechs Apameia (gegründet zu Ehren von Apame, der Gemahlin des Seleukos)64 und drei Laodikeia (zur Erinnerung an Laodike, die Gemahlin Antiochos II.)65. Diese neuen Städte kamen also zu den schon bestehenden hinzu, deren Zahl deutlich aus einer überlieferten Nomenklatur hervorgeht, aus der wir ebenfalls erfahren, daß es allein im Reich von Pergamon im 1. Jahrhundert v. Chr. dreißig ›freie Städte‹, achtzehn unterworfene Städte‹ und elf ›Militärkolonien‹ gab.66 Diese Städte hatten jedoch längst nicht alle die gleiche Bedeutung; manche waren eigentlich nur bescheidene Marktflecken, Rastplätze an den Karawanenstraßen, die Kleina sien mit Ägypten und Phönikien mit Baktrien verbanden. Andere aber, wie Apameia in Syrien, Antiocheia-am-Orontos und Seleu keia-am-Tigris, hatten eine gewaltige Blüte erfahren; es waren herrliche Städte mit mehr als hunderttausend Einwohnern, und in ihrer Pracht übertrafen sie bei weitem Korinth oder Sparta.67 Man kann sich diese Mittelpunkte des Handels und des geisti gen Lebens ganz gut vorstellen, mit der Agora und dem Markt, dem Amphitheater und der Akropolis aus weißem Marmor – Mit telpunkte, die über die weiten und wilden Räume des vorchrist lichen und vorislamischen Ostens verstreut waren. Die Wüsten dieser Gegenden sind übersät mit Bogengängen, Triumphbögen und zerbrochenen Säulen, die trotz der Verwitterung noch immer von dem gewaltigen Einfluß der hellenistischen Kultur in dieser Region zeugen. Bis zum Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. hatte sich die Macht der Seleukiden fast ungemindert gehalten.68 Ihr Reich umfaßte noch achtzehn der Satrapien Alexanders,69 als im Jahre 170 ein gefährlicher Feind an der Nordostgrenze ihres Reiches erschien: die parthischen Könige, deren Reiterei, aus viehzüchtenden Nomaden der Hochtäler des Elbrus rekrutiert, sich sehr bald als tödliche Waffe erwies. Ihre immer häufiger werdenden Einfälle führten bald zum Zerfall des Seleukiden-Reiches. Bak trien, Arachosien und Karmanien gingen zuerst verloren, dann Per
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sien, Großmedien und Susiana; das Reich schrumpfte von Jahr zu Jahr zusammen wie ein in Flammen aufgehender Papyros. Gegen das Jahr 130 schlug Mithridates I. am Ufer des Tigris sein Heerla ger auf; er gründete an dieser Stelle Ktesiphon, das die Wiege und Residenz einer neuen Dynastie wurde – der Arsakiden. Es ist bemerkenswert, daß der hellenistische Lebensstil sich trotz der Fremdherrschaft erhalten konnte. Er war bereits fest verwurzelt und anpassungsfähig.70 Die blutleere und verbrauchte seleukidische Dynastie aber war gezwungen, sich nach Westen zurückzuziehen und in Antiocheia Zuflucht zu nehmen. Der gesamte östliche Teil des Reiches war verloren... In weniger als einem Jahrhundert hatten die parthischen Rei terheere den ganzen Raum zwischen Oxos und Tigris erobert. Am Lauf des oberen Euphrat stehend, bedrohten sie nun Palmyra, Koile-Syrien und die Städte der Dekapolis.71 Nur die Furcht vor den Römern hinderte sie daran, auch darüber herzufallen.72 Die grie chische Bevölkerung, die sich an ihre Heimatstädte klammerte wie an meerumflutete Felsen, schickte unaufhörlich flehentliche Bot schaften nach Antiocheia und Alexandreia, sie von den asiatischen Barbaren‹ zu befreien. Wer aber konnte ihnen zu Hilfe kommen? Jedenfalls nicht die Seleukiden, die ihre Unfähigkeit bereits gezeigt hatten und selbst darauf angewiesen waren, die Unterstützung mächtiger Fürsten zu erbetteln.73 Aber auch nicht die Antigoni den, die sich seit der Niederlage Philipps V. bei Kynoskephalai (197 v. Chr.) der Vormundschaft Roms unterstellen mußten.74 So blie ben nur noch die Ptolemäer, und auf sie richteten sich alle Blicke; sie allein schienen dazu in der Lage zu sein, die Fackel hochzuhal ten, die die Seleukiden ihren kraftlosen Armen hatten entgleiten lassen. Seit 306 in Ägypten herrschend, mit ungeheuren Reichtümern ausgestattet und im Besitz einer Stadt von einer halben Million Einwohnern, sind die Lagiden durch die Ereignisse die Treuhänder und Verteidiger dessen geworden, was vom Reich Alexanders übriggeblieben ist; sie allein könnten eine Auferstehung herbeiführen. Wer aber verkörpert glanzvoller die Traditionen der
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Ptolemäer als Kleopatra? Nach dem allmählichen Verschwinden der Seleukiden und Antigoniden ist sie im 1. Jahrhundert vor unse rer Zeitrechnung zum Symbol der hellenistischen Welt geworden, zur Hüterin eines Erbes, von dem sie zwar nur einen Teil besitzt, dessen andere Hälfte sie aber jederzeit zu beanspruchen bereit ist. Als Herrscherin der beiden Ägypten verkörpert sie die Hoffnung von Millionen von Griechen, die im ganzen Orient verstreut leben. Wie auf den Leuchtturm, der ihre Hauptstadt erhellt, sind die Augen »all derer, die noch nicht aufgegeben haben«, auf sie gerichtet. Wenn man ihr nur die Mittel gäbe, die Parther zurückzudrängen! Sie würde die makedonische Oberhoheit von Alexandreia in Ägypten bis Alexandreia-Eschata wiederaufrichten ... Während im gerade vergangenen Jahrhundert römische Legio nen gegen Osten marschierten, hat die historische Entwicklung die makedonische Macht nach Westen zurückgedrängt. In Alex andreia, an der Nahtstelle der beiden Welten, begegnen sich so im Herbst des Jahres 48 Caesar der Okzidentale, der die Zukunft des römischen Imperiums in sich trägt, das geboren werden wird, und Kleopatra die Orientalin, in der das Feuer des makedonischen Rei ches brennt, das nicht sterben will. In diesem Augenblick nimmt im Geist dieser Frau, die man uns als leichtfertiges und unbeständiges Wesen schildert, einer der großartigsten Pläne Gestalt an, die ein politischer Kopf je gebo ren hat: sich nicht zwischen Römern und Parthern zermalmen zu lassen, sondern sich der römischen Macht zu bedienen, um Asien zurückzuerobern.
XXIX In dem Augenblick, als Caesar in Ägypten ankommt, hat ihn der Tod des Pompejus zum Herrn über einen Staat gemacht, der Ita lien, Gallien, Spanien, Illyrien, Griechenland und einen Teil Afrikas umfaßt.75 Noch besteht kein Zusammenhang zwischen allen diesen Gebieten, aber der Sieger von Pharsalos will sie zu einer Einheit machen, indem er allen Völkern, die diese Teile des Reiches bewoh
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nen, das römische Bürgerrecht überträgt. Dieses rein okzidentale und um das Mittelmeer konzentrierte Reich wird auch nur erst einen Bruchteil der Menschheit umfassen, solange es sich auf die Grenzen seiner Provinzen im römischen Europa beschränkt. Die Welt ist viel größer, als man an den Ufern des Tiber denkt. Möge Caesar den begrenzten Horizont sprengen, über den sich die ›Väter der Republik‹ bisher nicht hinausgewagt haben! Möge er seinen Eroberungen das orientalische Imperium Alexanders hinzufügen! Eine gewaltige Aufgabe zweifellos, aber nicht unmöglich, denn jene zweite Hälfte der Welt – bei weitem die schönere und reichere der beiden – ist gerade die Hälfte, die ihm Kleopatra bringen kann. Caesar ist das größte militärische Genie seiner Zeit. Trotz seiner ergrauenden Schläfen ist seine Tatkraft ungebrochen. Es mangelt ihm nicht an Soldaten: Gallien und Germanien können sie ihm in fast unbegrenzten Mengen liefern. Nur an Geld fehlt es ihm. Kleopatra dagegen hat nicht genug Soldaten, dafür aber Geld im Überfluß; sie hat die Mittel, unzählige Legionen aufzustellen. Sie sollten ihre Kräfte vereinen! Die gallischen Reiter, die germani schen Fußsoldaten und die Schätze des Nils werden sie unbezwing bar machen. Caesar hat bereits die westlichen Grenzen des Reiches gesichert, indem er die Sikamben über den Rhein zurückdrängte; möge er nun das gleiche für seine Ostgrenzen tun, indem er die Parther über den Oxos zurückdrängt! Erst nach diesem Feldzug wird er tatsächlich die Herrschaft der Welt in Händen halten; dann wird er, Caesar, den Traum des Sohnes der Olympias zu verwirklichen suchen: die Verschmelzung von Orient und Okzident und die Gründung eines Universalrei ches, das den Ausmaßen der Erde entspricht. Und dieses Reich wird nicht wie das Alexanders zerfallen, denn Caesar und Kleo patra werden es ihren Kindern vererben, die durch ihre doppelte römische und makedonische Herkunft die zwei Hälften der zivili sierten Welt verkörpern werden. »So begann Caesar allmählich«, sagt Weigall, »unter dem dop pelten Einfluß der ägyptischen Königin und seines stets wachen
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eigenen Ehrgeizes die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, ein Welt reich zu schaffen, das er als unumschränkter Herrscher regieren würde, und eine Dynastie zu begründen, die in den kommenden Jahrhunderten den erhabensten aller irdischen Throne innehaben würde. Dann kam ihm der Gedanke, daß Könige auf Grund eines Rechtes herrschen, das sie aus ihrem königlichen Blut her leiten, und daß sein Blut, obwohl edel und vermeintlich göttlichen Ursprungs, nicht alle Bedingungen erfülle, um den Untertanen seiner Nachkommen ein unerschütterliches Gefühl der Treue zu vermitteln. Der Nachkomme einer langen Reihe von Fürsten kann dem Königtum mehr Macht verleihen und eine festere Grundlage geben als der Sohn eines Eroberers, auch wenn er noch so angese hen ist... Von da an hat er sicher mit zunehmender Begeisterung den Gedanken einer zukünftigen römischen Monarchie weiterentwik kelt, die auf Grund eines Erbrechtes den Thron des makedonischen Ägypten innehaben würde, während Kleopatra ihrerseits an die zukünftigen Pharaonen dachte, die Blut von ihrem Blut und Fleisch von ihrem Fleisch sein und auf Grund des Erbrechtes über Rom regieren würden. Die Historiker haben unverändert an dem Brauch festgehalten, den langen Aufenthalt Caesars in Ägypten dem verführerischen Einfluß Kleopatras zuzuschreiben. In Wirklichkeit aber gab es in Ägypten außer der Liebe noch andere Dinge, die ihn dort festhiel ten: Sein Ehrgeiz und sein unbändiges Verlangen nach Erfolg, der Rausch des Eroberers vor neuen Eroberungen und das rege Inter esse eines Mannes, der aus eigener Kraft die Königskrone erlan gen und einen Thron schaffen will, auf dem in den folgenden Jahr hunderten Nachkommen von seinem Blut sitzen werden – das sind die eigentlichen Gründe.76 Vor der Besteigung des »erhabensten aller irdischen Throne« bleibt jedoch noch ein entscheidender Schritt zu tun, vielleicht der schwerste von allen.
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Die Römer würden es nicht ungern sehen, von einem Magistrat regiert zu werden, der einer der angesehenen Patrizierfamilien entstammt, sich auf das Heer stützt und durch Verordnungen und Senatsbeschlüsse herrscht. Aber nicht die Völker des Ori ents! Sie leben seit Jahrtausenden in einer religiös durchtränkten Atmosphäre, die es nicht zuläßt, daß sie von einem Menschen ›wie jeder andere‹ regiert werden. Um seinen Untertanen Achtung einzuflößen, muß der Monarch mit einer sakralen Machtvollkom menheit ausgestattet und ein Wesen sein, das sich über die gewöhnlichen Sterblichen erhebt. Bevor der Orient die drei großen monotheistischen Religionen der Geschichte hervorgebracht hat, entwickelte er die absolute Monarchie — sakrale und transzen dente Theokratien, deren Erhabenheit in den Purpurmänteln, Szep tern und Kronen der byzantinischen ›basileis‹ fortbesteht. Alexan der hatte das richtig erfaßt, als er die Proskynese forderte und sich göttliche Ehren erweisen ließ. Warum soll Caesar nicht das gleiche tun? Muß er sich nicht vergöttlichen lassen, wenn er die östliche Hälfte seines Reiches nicht verlieren will? Kleopatra bemüht sich, ihn hiervon zu überzeugen. Ist sie nicht selbst zugleich Göttin und Königin? Sind nicht bei ihrer Fahrt den Nil aufwärts die Priester der Heiligtümer von Theben und Luksor vor sie getreten und haben sie um den Segen des Allerhöchsten gebeten? Und ist nicht ihre Königsgaleere in den Augen der Bevölkerung das Schiff des Osiris, das als magisches Bindeglied zwischen den Lebenden und den Toten dient? Als Mittlerin zwischen Caesar und dem Orient, zwischen dem werdenden römischen Imperium und dem Reich Alexanders wird Kleopatra nun eine dritte Aufgabe übernehmen, die noch schwieri ger, aber vielleicht auch erregender ist: Sie wird versuchen, eine Bindung zwischen Caesar und den Göttern herzustellen. Dem Men schen von heute, hinter dem zweitausend Jahre Christentum und einige Jahrhunderte Freidenkertum liegen, sind diese Fragen der ›Vergöttlichung‹ unverständlich. Unsere innere Einstellung hat sich
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in einem Maße geändert, daß wir die der Menschen des Altertums nicht mehr nachempfinden können. Für uns gibt es nur eine Alter native: Entweder gibt es einen Gott – »den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden« –, dann wird es niemandem einfallen, seinen Platz einzunehmen; oder es gibt keinen Gott, und dann wäre die Inanspruchnahme göttlichen Wesens Täuschung und Betrug. Die Menschen des heidnischen Zeitalters aber hatten ganz andere Vorstellungen. Weder die ägyptischen Pharaonen noch die babylo nischen Herrscher oder Alexander der Große – der Schüler des Aristoteles — haben die Gutgläubigkeit ihrer Untertanen ausnut zen wollen, wenn sie sich als Götter betrachteten. Ihr göttliches Wesen war für sie ein ebenso selbstverständliches Attribut wie die Herrschergewalt oder die Feldherren würde.77 Selbst in Rom, wo das demokratische Denken hochentwickelt war, machten sich seit einiger Zeit ähnliche Tendenzen bemerkbar, und es ist interessant zu wissen, daß der Kaiserkult weder von Augustus, der zwar die äußeren Formen festlegte, noch von Caesar, der zu seinen Lebzeiten in Italien wie im Orient als Gott verehrt wurde, begründet worden ist, sondern von Sulla! Er, der Skeptiker und Realist, war der erste römische Herrscher, der seiner Monar chie die Grundlage des Gottkönigtums gegeben hat.78 Der Weg dahin war ziemlich einfach. Die Religion hat zu jeder Zeit eine entscheidende Rolle in der römischen Politik gespielt. Die Könige hatten zunächst nur deshalb geherrscht, weil sie die Inhaber des ›ius auspicii‹ waren, das heißt, die Vorzeichen deuten konnten, die dem Volk den Willen der Götter verkündeten. Als die Könige vertrieben und die Republik errichtet wurde, überlebten die Auspizien die Monarchie; anstatt aber dem höchsten Magistrat des Staates übertragen zu werden, wurde jetzt das Recht der Auspi zien unter mehrere Personen aufgeteilt: die beiden Konsuln, die Prokonsuln, die zehn Volkstribunen, den Senat und die neun Augu ren, den auf Lebenszeit ernannten Priestern, die über Einhaltung von Lehre und Riten zu wachen hatten. Alle diese Auspizien hoben sich, wenn sie sich widersprachen, auf, da sie gleichwertig waren. Außerdem konnte der Senat, wenn
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er nicht einverstanden war, die Auspizien der Magistrate ablehnen, indem er sich auf die Auslegung der Auguren berief. Die Erfinder dieses Systems hatten damit das Gleichgewicht der Magistraturen erhalten wollen, von dem letztlich die Freiheit der Republik abhing. Da aber alle diese Auspizien sich gegenseitig aufheben konnten und andererseits die Tradition es den Römern untersagte, Krieg zu erklären und zu führen, Frieden zu schließen oder Gesetze zu erlassen, ohne daß die Auspizien günstig waren, lähmte dieses Verfahren die gesamte Regierungsmaschinerie. Es gab eigentlich nur zwei Auspizien, die unanfechtbar waren, da sie jeweils einem Magistrat übertragen waren, der keine Kollegen hatte: in Rom und außerhalb Roms die Auspizien eines Diktators im Laufe seiner sechsmonatigen Amtsperiode, und außerhalb Roms das Augurat eines Prokonsuls, der zum Statthalter einer Provinz ernannt war. Als Sulla die Magistraturen des Diktators und des Prokonsuls in sich vereinigte, nahm er sich auch das Recht der Auspizien, »zu jeder Zeit und sowohl in Rom wie im übrigen Reich«. Diese Maßnahme machte einer gefährlichen Zersplitterung ein Ende, ver einigte jedoch erneut alle Auspizien in einer Hand und lief damit auf die Wiederherstellung des Königtums hinaus. Nach dem Sturz Sullas war es daher die erste Sorge des Senats, das Recht der Auspizien wieder aufzuteilen, und zwar wie früher unter die Konsuln, Prokonsuln, Tribunen und Auguren. Aber Sulla hatte einen Präzedenzfall geschaffen; es war vorauszusehen, daß der Mann, der eines Tages ebenfalls die doppelte Machtbefugnis des Diktators und Prokonsuln an sich nehmen wird, auch das ungeteilte Augurat für sich beanspruchen würde. Dann hätte die römische Welt nur noch einen unanfechtbaren Interpreten des göttlichen Willens.79 Aber das ›ius auspicii‹ übertrug dem, der es ausübte, keinesfalls göttliche Eigenschaften, es berechtigte ihn lediglich dazu, die Götter zu befragen und ihre Zeichen zu ›deuten‹. Der Wille der Götter war also deutlich vom Willen des Menschen getrennt. Den Schritt, der von hier dazu führte, sich selbst als Gott heit zu betrachten, vermochte der nüchterne Geist der Römer nicht zu tun.80 Und man kann annehmen, daß auch Caesar diesen Schritt
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nicht getan hätte, wäre er nicht in enge Berührung mit dem Orient gekommen und von Kleopatra beeinflußt worden. Sie offenbarte Caesar den sakralen Charakter der Monarchien, wie es der Großpriester des Ammontempels Alexander dem Großen offenbart hatte. In beiden Fällen also kam der Anstoß von Ägypten, und zweifellos ist diese Offenbarung das Kostbarste, was Caesar von seinem Aufenthalt in Alexandreia nach Rom zurückbringt. Zuerst hatten die Ptolemäer gezögert, sich als Götter verehren zu lassen. Sie hatten die Reaktion ihrer makedonischen Umgebung gefürchtet, die mit Erstaunen die Vergöttlichung Alexanders auf genommen hatte, aber darin nicht mehr als die Fortsetzung der in Nordgriechenland und einigen Städten der Kykladen bereits geübten Heroenverehrung sahen.81 In Ägypten war jedoch sofort ein Kult um die Manen des großen Verstorbenen entstanden, der sich besonders von dem Tag an verbreitet hatte, an dem Alexan ders Sarkophag im Mausoleum von Alexandreia aufgestellt worden war. Um den Gehorsam ihrer Untertanen zu erzwingen und sie davon zu überzeugen, daß sie tatsächlich Alexanders Nachfolger seien, hatten die Ptolemäer diesen Kult auch auf sich ausdehnen müssen. Allmählich hatten die Herrscher der neuen Dynastie bei diesem Prozeß die religiösen Bräuche des Landes angenommen. Sie trugen den ›pshent‹, wenn sie die heiligen Riten ausführten, die die Thron besteigung begleiteten, und hatten die ›fünf Namen‹ angenommen, die den Pharaonen beigegeben wurden. Ptolemaios II. hat wahr scheinlich als erster die heilige Investitur erhalten; nach ihm aber waren Ptolemaios III. und Berenike die ›Götter Euergetes‹, Ptole maios IV. und Arsinoë III. die ›Götter Philopator‹ und Ptolemaios V. und Kleopatra I. die ›Götter Epiphanos Eucharistos‹ gewor den. Sie wurden als die direkten Nachkommen des Horus und des Ammon-Re angesehen und hatten sich mit der Zeit in ihre Rolle als Gottkönige eingelebt. Schließlich war die Assimilierung so vollständig, daß die Ptolemäer in den Augen ihrer Untertanen tatsächlich Pharaonen waren. Wenn auch der Hof die makedoni
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sche Struktur und die Titel der Würdenträger, die in Pella82 üblich waren, beibehielt, so umgaben sich die Ptolemäer doch mit einem Zeremoniell, das in jeder Beziehung dem der alten ägyptischen Dynastien glich. In keinem anderen Land als Ägypten aber besaß der Herrscher eine derartige transzendente und unbeschränkte Machtvollkom menheit. Er war nicht »der Sonne gleich«, sondern ihre direkte Emanation, der verkörperte Re, »der bis zum Ende der Zeiten über das Wohl der Menschen wacht«. In dieser Eigenschaft kontrollierte er jede irdische Tätigkeit; von ihm hing der Ablauf der Jahre, die Folge der Jahreszeiten, das Steigen und Sinken des Nilwassers, der Aufgang der Saat und die Fruchtbarkeit des Viehs ab. Die Identifizierung des Menschen mit Gott war so vollkommen, daß die Lobpreisungen, die die Priester dem Herrscher darbrachten, sich kaum mehr von denen unterschieden, die Echnaton an den Schöpfer selbst gerichtet hatte: »Allmächtiger Gott, der Du nicht Deinesgleichen hast,
Du hast die Jahreszeiten geschaffen,
Um alles von Dir Geschaffene am Leben zu halten.
Du läßt den Keim im Schoße der Frauen gedeihen,
Du gibst allem, was Du schufst, den Atem des Lebens.
Du hast jedem Menschen einen Platz gegeben,
Und sorgst für ihn.
O Herr aller Länder,
Mächtige Sonne des Tages,
Allen Ländern, auch den entferntesten, gibst du Leben.
Du hast ihnen einen Nil im Himmel gegeben,
Auf daß er zu ihnen herniedersteige.
Alle Wesen, die leben
Seit Du die Erde geschaffen hast,
Erhebst Du für Deinen Sohn, der aus Deinem Leibe hervorging,
Den König beider Ägypten,
Der in Gerechtigkeit lebt,
Und für seine große, königliche Gemahlin, die er liebt,
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Die Herrscherin der beiden Länder, die lebend und jugendfrisch ist In alle Ewigkeit...«83
Als menschgewordene Götter waren die Pharaonen für die »Erhal tung allen Lebens verantwortlich, indem sie dafür sorgten, daß alle Dinge an ihrem vorbestimmten Platz blieben.« Aber ihre Macht erstreckte sich nicht nur auf die Lebenden, sondern auch auf die Toten; nicht umsonst trugen sie den Titel »Herrscher der beiden Ägypten«. Für den Laien mochte das bedeuten, daß sie über Oberund Unterägypten regierten, aber in diesem Land, wo alles Sicht bare sein unsichtbares Gegenstück und jedes Wort einen versteck ten Sinn hatte, drückte dieser Titel auch die Vorstellung aus, daß Ägypten aus zwei Welten bestand, der Welt der Lebenden und der Welt der Toten, die durch den großen Fluß voneinander getrennt waren.84 In der Unterwelt mußte genau wie in der Welt der Leben den die bestehende Ordnung erhalten werden, und es war eine der Funktionen des Pharao, hierüber zu wachen. Die Toten durften auf keinen Fall verschwinden, denn sonst würde auch die Welt der Lebenden zugrunde gehen. Daher stiegen die ägyptischen Herr scher, die Reise des Osiris nachvollziehend, von Zeit zu Zeit in die Unterwelt hinab, um den Verstorbenen Nahrung und Tröstung zu bringen. Von dieser Wanderung kamen sie in verjüngter Gestalt in die obere Welt zurück und führten ihre belebenden und ordnenden Funktionen fort. Wie das Gestirn, das jeden Abend untergeht, um am nächsten Morgen wiederaufzuerstehen, wurden die Herrscher stets aufs neue in ihren Nachkommen wiedergeboren. Sie waren sterblich in ihrem Körper, aber unsterblich durch ihr Fortleben in der Dynastie. Damit gaben sie einer Wahrheit Ausdruck, die so alt wie die Welt war: Jede Morgendämmerung kündet den Beginn eines neuen Tages an, aber alle Tage sind von derselben Sonne erhellt. Durch diese erstaunliche Kontinuität konnte Ägypten unge brochen fünftausend Jahre Geschichte durchleben und zur ältesten Zivilisation der Welt werden. In Kleopatras Augen ist die Theokra tie daher die größte Garantie für Beständigkeit, die der menschli che Geist erdacht hat. Der Gedanke, eine Göttin zu sein, hat für sie
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nichts Ungewöhnliches, aber der Mann, der ein Weltreich gründen will, ohne sich als Gott zu betrachten, versetzt sie in Erstaunen. Für sie liegt darin eine erschreckende Regelwidrigkeit, vielleicht sogar ein Frevel. Ein Sterblicher, der den gleichen Zufällen des Lebens wie alle anderen Sterblichen unterworfen ist, dürfte eine derart erhabene Stellung nicht anstreben. Es wäre nicht genug, wenn Cäsar alle Rechte der Auspizien in seiner Hand vereinigen würde, auch nicht, daß er sich auf eine entfernte und mutmaßliche Abstammung von Venus beruft; niemals würde er ein dauerhaftes Imperium gründen und seinen Nachfolgern vererben können, wenn er sich nicht zum König und Gott ausrufen ließe.
XXXI Schweigend hört Caesar der Königin von Ägypten zu. Trotz des Rausches, in den ihn dieses Land versetzt, hat er seinen klaren Verstand bewahrt. Kleopatra hat zweifellos recht, soweit die Völker des Orients betroffen sind, aber sie kennt Rom und die ange borene Abneigung der ›Väter‹ gegen die Alleinherrschaft nicht. Außerdem ist es keine Kleinigkeit, die Parther über den Oxos zurückzudrängen! Zwar sind die arsakidischen Reiter nicht unbe siegbar, aber wer kann voraussehen, welche Menschenmassen sich jenseits von Medien auf die römischen Legionen stürzen könnten? Die Welt hat sich seit der Zeit Alexanders sehr geändert; sie ist zwar viel größer, als man in Rom glaubt, aber sie ist auch bevölkerter, als Kleopatra annimmt. Jenseits des Rheins und jen seits des Oxos wie nilaufwärts jenseits der Katarakte von Assuan brodeln Völkermassen, die die zivilisierte Welt in Blut und Asche tauchen würden, falls man sie nicht daran hinderte. Die Makedonier hatten geglaubt, es mit Barbaren zu tun zu haben, als sie den Persern und den Bewohnern des Industales gegenübertraten. Aber welch ein Irrtum! Sie hatten gegen einige der zivilisiertesten Völker der Erde zu kämpfen gehabt; wirklichen Barbaren aber waren sie niemals begegnet. Caesar aber hatte sie kennengelernt und erinnerte sich mit Schrecken daran.
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Es war im Winter 56-55; er hatte eine Brücke über den Rhein gebaut und sich an der Spitze von etwa dreißigtausend Soldaten weit in unbekanntes Gebiet vorgewagt. Der Wald war so dicht, daß die Legionen sich nur mit Mühe einen Weg bahnen konnten. Schwe rer Nebel stieg vom Fluß auf, verdeckte den Horizont und gab den Bäumen und Felsen ein geisterhaftes Aussehen. Plötzlich berich teten ihm seine Aufklärer, daß sich eine halbe Million Barbaren in den Lichtungen versammelt habe, um sich auf die Römer zu stürzen. Diese Aussicht ließ Caesar erschauern; wie hätte er dem Angriff einer solchen Menschenmenge mit seiner kleinen Streit macht standhalten können? Er befahl seinen Männern umzukehren und ließ die Brücke, die die beiden Rheinufer miteinander verband, hinter sich zerstören. Wie fast alle seine Zeitgenossen weiß Kleo patra hiervon nichts, denn um seine Niederlage geheimzuhalten, hatte der Prokonsul von Gallien einen beruhigenden Bericht nach Rom geschickt, in dem die Tatsachen mit ungenierter Anmaßung verdreht waren: »Da Caesar alle Vorhaben ausgeführt hatte, das heißt, den Germanen Angst zu machen, die Sikamben zu bestrafen und die Ubier von dem Druck, der auf ihnen lastete, zu befreien, hielt er das Ergebnis für befriedigend und ruhmreich und kehrte nach Gallien zurück, wonach er die Brücke hinter sich abbauen ließ.«85 Nicht die Germanen hatten Furcht gehabt, sondern Caesar, und er hatte keine Lust, sich ein zweites Mal in eine derart gefährliche Lage zu begeben. Außerdem wäre es eine Illusion zu glauben, daß er die Parther mit der kleinen Streitmacht, über die er in Alexandreia verfügt, bezwingen könnte, auch wenn er vom ägyptischen Heer, den Trup pen des Mithridates von Pergamon und Soldaten, die er in Asien ausheben konnte, unterstützt würde. Selbst die Legionen, die er in Pharsalos zurückgelassen hat und die Antonius nach Italien führen soll, würden nicht ausreichen. Ein Feldzug von derartigen Ausmaßen erfordert ungeheure Kräfte, ein Heer, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Um es aufzustellen, muß Caesar nach Rom zurückkehren, denn nur, wenn er alle Kräfte des Okzidents
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einsetzt, wird er das Werkzeug schaffen können, das er für das größte Unternehmen seines Lebens braucht. Unglücklicherweise treffen zudem in der letzten Zeit äußerst beunruhigende Nach richten aus Rom ein. Seit dem Tod des Pompejus wird die Haupt stadt von Fieber geschüttelt, niemand weiß genau, wer die Repu blik regiert. Das Volk hat sich wiederholt auf dem Forum versam melt und nach einem Staatsoberhaupt verlangt; die Unruhe in der Bevölkerung und die Meuterei der Soldaten bedrohen allmählich den inneren Frieden. Die Veteranen von Pharsalos macht die lange Abwesenheit ihres Feldherrn ungeduldig. Als die Beute, die sie aus Makedonien heim gebracht hatten, zu schwinden begann, haben sie laut die Prämien und Landschenkungen gefordert, die Caesar ihnen versprochen hatte; da nichts geschah, haben sie offen rebelliert. Mitte Januar 47 sah sich Antonius, der gerade zum ›Magister Equitum‹86 befördert worden war, gezwungen, sich nach Kampanien zu begeben, um die Legionäre zur Vernunft zu bringen. Kaum war er nach Rom zurückgekehrt, brachen jedoch neue Unruhen aus. Als Caesar nun die Nachricht erhält, daß P. Sulla und Sallust Mitte Juli fast von Soldaten der 12. Legion gesteinigt worden wären, ist er entsetzt. Er begreift, daß es nicht mehr lange dauert, bis seine Leute von ihm abfallen. Wie könnte er unter diesen Umständen daran denken, nach Osten zu ziehen? Es fehlen ihm nicht nur die Mittel dazu, er hat sich auch zu lange in Ägypten auf gehalten. Er muß unverzüglich nach Rom zurückkehren und die Zügel des Staates in die Hand nehmen, um zu verhindern, daß die Ewige Stadt einmal mehr in Anarchie versinkt... Sowie sein Entschluß gefaßt ist, begibt er sich zu Kleopatra, um ihr seine Abfahrt anzukündigen. Die Königin ist bei dieser Nachricht zutiefst betroffen. Das leidenschaftliche Zwiegespräch im Palast von Lochias war also nicht für die Ewigkeit? Sie sieht mit einem Schlag alle ihre Träume und Hoffnungen versinken. Ein sicheres Gefühl sagt ihr, daß das Fest zu Ende geht und Caesar, wenn er erst einmal wieder in Italien ist, niemals zu den Ufern des Nils zurückkehren wird. Andere Pläne, andere Probleme
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werden seine Gedanken beschäftigen. Calpurnia wird ihren Platz als angetraute Gemahlin an seiner Seite wieder einnehmen, und die Machtkämpfe auf dem Forum werden bald den Zauber Alex andreias ausgelöscht haben. Kleopatra bricht in Tränen aus und beschwört den Geliebten, sie nicht zu verlassen. Caesar ist überrascht von der Heftigkeit ihres Schmerzes. Mit zärtlichen Worten versucht er sie zu trösten; er versichert sie seiner unverminderten Liebe und erklärt ihr, daß alles verloren sei, wenn er nicht nach Rom zurückkehre, daß er sie nicht verlasse, um ihrer beiden Träume zu verraten, sondern im Gegenteil um sie zu retten. Er wird nur so lange in der Hauptstadt bleiben, als er unbedingt braucht, um die Opposition zu unterdrücken, die Ord nung wiederherzustellen und genügend Truppen für den Feldzug gegen die Parther auszuheben. Falls unvorhergesehene Ereignisse ihn länger in Italien zurückhielten, würde er sie zu sich nach Rom kommen lassen, ohne sich um die öffentliche Meinung zu kümmern. Kann er ihr größere Beweise seiner Zuneigung liefern? Kleopatras Gefühle sind zwischen leidenschaftlicher Liebe und politischen Erwägungen geteilt. Sie weiß zwar, daß Caesar die Wahrheit sagt, aber die Trennung bricht ihr das Herz, denn sie ist sich sehr wohl bewußt, daß die Abwesenheit das Herz eines Mannes verändern kann. Sie läßt ihn schwören, daß er sie sobald wie möglich an die Ufer des Tiber holt. Und Caesar verspricht es ihr. Dann kommt der Tag des Abschieds. Vor Kummer erschöpft, läßt sich Kleopatra in einer Sänfte zum Hafen tragen. Caesar, der eine herzzerreißende Szene vor seinen Legionen befürchtet, macht den Abschied kurz. Aber er täuscht sich. Die Tochter der Ptolemäer stellt ihren Schmerz nicht in der Öffentlichkeit zur Schau. In würdiger Haltung nimmt sie von Caesar Abschied. Er geht an Bord seiner Galeere, gefolgt nur von den Veteranen der 6. Legion, die ihn seit Pharsalos nicht verlassen haben. Die übrigen Soldaten läßt er in Ägypten zurück, um die Königin vor Umsturzversuchen zu schützen, vielleicht auch, um ihr ein Unterpfand für seine Rückkehr zu geben. Dann wendet die Galeere, setzt Segel und
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verläßt langsam den Hafen; wenige Augenblicke später steuert sie der hohen See zu, und Kleopatra läßt sich zum Palast von Lochias zurücktragen, der ihr plötzlich hoffnungslos leer und verlassen erscheint.
XXXII Kaum hat der Sieger über Pompejus den Boden Ägyptens verlas sen, als er sich wieder mitten in den Problemen des Westreiches befindet. Die Gelassenheit der letzten Monate fällt von ihm ab, und er wird wieder der tatkräftige Caesar von Brundisium und Pharsa los. Nichts geht ihm jetzt schnell genug. Nach der Landung in Beryte (Beirut) eilt er nach Antiocheia, das er einige Tage später erreicht (13. Juli). Entsprechend seinen Anweisungen hatte Domitius Calvinus hier ein Heer aufgestellt, das gerade nach Alexandreia aufbrechen wollte, als die Schlacht am Nil und der Tod Ptolemaios’ XIV. den Zug nach Süden unnötig machte. Caesar übernimmt nun sofort den Befehl über diese Trup pen und zieht mit ihnen nordwärts gegen Pharnakos, den König von Pontos, der sich weigert, die Waffen niederzulegen. Caesar darf dieses Gebiet, durch das alle Straßen nach Asien führen, nicht in den Händen eines gefährlichen Feindes lassen. Er schlägt Pharnakos bei Zela (2. August) und setzt Mithridates von Pergamon an seine Stelle als Anerkennung für die Hilfe, die er ihm während der Belagerung von Alexandreia gewährt hat; Mithrida tes wird darüber wachen, daß der Weg nach Asien offenbleibt. Caesar nimmt ungefähr den gleichen Weg, den er bei der Verfol gung des Pompejus in umgekehrter Richtung gewählt hat, und trifft nach kurzem Aufenthalt in Athen und Patras am 30. September in Tarentum ein. Ohne sich weiter aufzuhalten, eilt er nach Rom, das er in den ersten Oktobertagen nach einer Abwesenheit von einund zwanzig Monaten wieder betritt. Die Lage ist noch ernster, als er angenommen hat. Die Opposi tion entfaltet eine rege Tätigkeit, und der Senat hat wieder Mut gefaßt. Die in Lukanien versammelten Legionen sind inzwischen
Münzdarstellung des Gaius Iulius Caesar (fünffach
vergrößert).
Unten: Münzdarstellung des M. Brutus, von 43 bis 42 im Osten
ausgegeben. Die Rückseite zeigt eine Freiheitsmütze, zwi
schen zwei Dolchen und die Inschrift EID MAR, an den Iden
des März.
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vom Aufruhr zur offenen Meuterei übergegangen. Als sie erfahren, daß Caesar aus Alexandreia zurückgekehrt ist, beschließen sie, alle Dienstleistungen zu verweigern, um den ›Imperator‹ zu zwin gen, sich zu ihnen zu begeben. Sowie Caesar vor ihnen stehen wird, werden sie ihn vor die Alternative stellen: Entweder er löst seine Versprechen ein oder er entläßt sie! Caesar hütet sich jedoch, ihnen entgegenzutreten; er tut, als beachte er die Veteranen nicht, als ginge ihn der Aufstand nichts an. Daraufhin ziehen die Legionen nach Rom – jetzt wird Caesar die Drohung nicht mehr mißverstehen! Caesar läßt sich auch dadurch nicht einschüchtern. Er befiehlt ihnen lediglich, ihre Waffen an der Grenze des Pomerium87 niederzulegen und weist ihnen das Marsfeld als Sammelplatz zu. Obwohl Caesar noch immer völlige Gleichgültigkeit zur Schau trägt, ermißt er genau den Ernst der Lage. Er weiß, daß er sich einer dramatischen Gegenüberstellung nicht entziehen kann; er will nur, daß sie so verläuft, wie er es wünscht, und nicht, wie die rebellierenden Veteranen es fordern. Am nächsten Morgen begibt sich Caesar ohne vorherige Ankündigung zum Marsfeld; er besteigt die Rednertribüne und läßt sich auf den für den Oberbefelshaber bestimmten Platz nieder. Plötzlich verbreitet sich die Nachricht unter den Kohorten: »Caesar ist da!« Die Wirkung dieser Überraschung ist verblüffend. Die Soldaten laufen nach ihren Waffen und drängen sich auf den Platz; sie grüßen den ›Imperator‹, aber dann schweigen sie verlegen. Caesar wird also das erste Wort sprechen, und er fordert sie auf, ihre Beschwerden vorzutragen. Damit hat sich der Spieß umgekehrt: Nicht Caesar, sondern die Aufrührer sind die Angeklagten. Endlich treten einige Centurionen vor, um ihre Beschwerde dar zulegen. Sie sprechen lange von den Leiden und Entbehrungen, die sie ertragen haben, und der Belohnung, die sie erhoffen und zu verdienen glauben. Dann bitten sie darum, aus dem Kriegsdienst entlassen zu werden. »Sie bestanden fest auf dieser Forderung«, berichtet Dio Cassius. »Sie hatten zwar in Wirklichkeit keine Lust, ins Privatleben zurückzukehren, aber sie hielten sich für unent
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behrlich und wollten Caesar erschrecken, damit er ihnen alles gewähre.« Caesar hört sie mit gleichgültiger Miene an, und als sie geendet haben, antwortet er lächelnd: »Nun, wenn Ihr es wünscht, so entlasse ich Euch alle...« Stille folgt auf diese Worte; die Soldaten fragen sich, ob sie richtig gehört haben. »Das, was ich Euch versprochen habe«, fährt Caesar mit gleich bleibender Stimme fort, »werde ich Euch geben, nachdem ich mit anderen als Euch den Triumph erhalten habe ...« Ein in die Versammlung einschlagender Blitz hätte keine größere Wirkung haben können. Völlig rat- und sprachlos stehen die Legionäre da; reglos und den Atem anhaltend warten sie, daß Caesar seine Ent scheidung widerruft. Caesar jedoch unterhält sich ungerührt mit seinen Begleitern, als ob die Angelegenheit geregelt wäre und die Legionäre vor ihm nicht existierten. Die Veteranen warten auf ein Wort, eine Geste, einen Blick, die seine Gleichgültigkeit widerlegen. Ist es möglich, daß Caesar sie so sehr verachtet? Einer seiner Begleiter bittet ihn nun, das Schweigen zu brechen und nicht »in dieser gleichgültigen und strengen Art ein Heer zu verabschieden, das trotz allem unter seinem Befehl so große Lei stungen vollbracht hat«. »Ihr habt recht«, antwortet Caesar88 und richtet sich noch einmal mit ironischen Worten an die Rebellen: »Schließlich kann ich Euch verstehen, Bürger89! Ihr seid durch Eure Wunden erschöpft und geschwächt!« Und nach kurzem Überlegen fügt er hinzu: »Die Belohnung aber, die ich Euch versprochen habe, sollt Ihr trotzdem erhalten. Ich will nicht, daß es heißt, ich hätte mich Euch gegenüber am Vorabend des Sieges undankbar gezeigt, nachdem ich in der Stunde der Gefahr Eure Dienste angenommen habe.« Damit erhebt er sich und steigt langsam die Stufen der Tribüne herab, um zu zeigen, daß er die Angelegenheit für abgeschlossen hält. Caesars kurze Ansprache hat die Soldaten tief getroffen. Wenn ihr Feldherr sie als ›Bürger‹ anredet – bedeutet das nicht,
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daß er bereits mit ihnen gebrochen hat, daß er ihre Entlassung als unwiderruflich ansieht? »Die Soldaten, die den Gedanken, Caesars Zuneigung verloren zu haben, nicht ertragen können«, berichtet Appian, »rufen ihm zu, daß sie ihr Verhalten bereuen, und bitten ihn, sie in seinen Dien sten zu behalten.« Als Caesar noch immer tut, als höre er sie nicht, und seinen Weg fortsetzt, umringen ihn die Soldaten und klammern sich an ihn: Er möge bei ihnen bleiben und nur die wirklich Schuldigen bestrafen ... Caesar bleibt stehen, als zögere er. Soll er den Weg der Pflicht gehen oder seinem Gefühl nachgeben? Endlich steigt er noch einmal auf die Tribüne und erklärt mit ernster Stimme: »Ich wünschte, ich brauchte niemanden zu bestrafen. Aber wie kann ich nicht empört sein, wenn ich sehe, daß die 10. Legion, die mir immer besonders nahestand, sich am entschiedensten gegen mich aufgelehnt hat? Da Ihr Euer Unrecht einseht, bin ich bereit, Euch alle in meinem Dienst zu behalten, alle mit Ausnahme der 10. Legion, die entlassen ist.« Um die Soldaten durch seine Großmut zu beschämen und gleich zeitig den Veteranen der 10. Legion klarzumachen, was sie sich durch ihre Disziplinlosigkeit verscherzt haben, fügt er hinzu: »Mein Versprechen werde ich nach meiner Rückkehr aus Afrika, wo noch einige Kämpfe zu bestehen sein werden, einlösen; mehr noch, ich verspreche außerdem, nach dem Krieg an Euch alle Land zu ver teilen. Wenn der Staat nicht genug hat, gebe ich meine eigenen Ländereien dazu, und wenn das immer noch nicht reicht, kaufe ich Land für Euch auf. Kein einziger unter Euch soll sagen können, daß Caesar, nachdem Ihr für ihn gekämpft habt, Eure berechtigten Wünsche nicht erfüllt hat...«90 Nichtendenwollender Beifall steigt auf. Laut rufen die Soldaten Caesar zu, daß sie ihm Treue schwören. Nur die Männer der 10. Legion stehen abseits, mit gesenkten Häuptern und finsteren Mienen, besorgt über das Schicksal, das sie erwartet. Einige Offi ziere dieser Einheit beraten sich leise untereinander, und als der Beifall sich gelegt hat, treten sie vor den Feldherrn:
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»Die Angehörigen unserer Legion fordern, daß die Einheit dezi miert wird; das ist die übliche Bestrafung aufständischer Einhei ten. Wenn Du es also für nötig hältst, soll jeder Zehnte von uns sterben, aber belege nicht die ganze Legion mit Deinem Bann!« Selbst in diesem Augenblick, wo die allgemeine Erregung ihren Höhepunkt erreicht hat, will Caesar nicht zu nachgiebig erschei nen. Noch einmal beschwört ihn einer seiner Begleiter, »sich erwei chen zu lassen und den Soldaten zu verzeihen, die ihre Ergeben heit auf eine so bewegende Weise zeigen«. »Nun gut«, sagt Caesar schließlich, »ich zürne Euch nicht mehr. Ich vergebe Euch allen, da Ihr bereit seid, mir zu folgen.« Ungeheure Begeisterung erhebt sich auf allen Seiten. Die Solda ten weinen, umarmen einander und lassen ihre Waffen klingen. Jetzt fühlt auch Caesar die Anspannung weichen, unter der er bisher gestanden hat, während er mit großer Selbstbeherrschung Gleichgültigkeit vortäuschte. So wie Alexander seine meuternden Phalanxen bezwungen hatte,91 hat Caesar sein Heer wiedererobert. Was der Makedone jedoch mit einem dionysischen Wutausbruch erreicht hatte, gelingt Caesar mit der Kürze und Knappheit, die das Kennzeichen des römischen Genies sind. Es war übrigens höchste Zeit, denn die Opposition, die ihre Vor bereitungen bereits getroffen hat, wartet nur darauf, daß Caesars Legionen von ihm abfallen, um ihn zu stürzen.
XXXIII Als Pompejus aus Dyrrhachium abgezogen war, um Caesar durch Thessalien zu verfolgen, hatte er fünfzehn Kohorten und eine Gruppe Senatoren zurückgelassen, zu denen nach der Schlacht von Pharsalos Labienus und sechzehnhundert Reiter, die dem Tod entgangen waren, stießen. Zusammen bildeten diese Einheiten ein Heer von etwa zehntausend Mann. Wer würde ihre Führung übernehmen? Nach heftigen Diskussionen übertrugen die Senato ren Cato die Befehlsgewalt, dessen Uneigennützigkeit und republi
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kanische Gesinnung sie seit langem schätzten. An der Spitze seiner Legionen war Cato sofort aufgebrochen, um sich mit Pompejus zu vereinen. Über Korkyra, Kythera und Kreta war er in Richtung Ägypten gesegelt, um seine Streitkräfte Pom pejus zur Verfügung zu stellen. Unweit Paliura im Golf von Bomba war er der römischen Flotte begegnet, die mit Cornelia, Sextus Pompejus und ihrem Gefolge von Peluseion kam. Cato erfuhr zwei Dinge von ihnen: daß Pompejus ermordet worden sei und daß Metellus Scipio nach Utica ziehe. Aus der ersten Nachricht hatte Cato fälschlicherweise gefolgert, daß ganz Ägypten zu Caesar übergegangen sei, und aus der zweiten, daß er ebenfalls in Afrika Zuflucht suchen müsse. Cato wandte sich also nach Berenike (Ben ghasi), wo er an Land ging, um nach einem erschöpfenden Marsch von dreißig Tagen durch die Wüste Leptis Magna zu erreichen (Dezember 48). Vor ihm waren bereits zahlreiche Senatoren und Generale eingetroffen und hatten sich niedergeschlagen darauf eingerichtet, ihr Leben im Exil zu beenden. Aber die Ankunft Catos und seiner Legionen hob ihren Mut wieder, und die sechs Monate, die Caesar in Alexandreia verweilte, ermöglichten es ihnen, ihre Streitkräfte zu organisieren und eine neue Koalition gegen Caesar zu bilden. Der Generalstab von Pharsalos war bis auf seinen Chef auch in Utica der gleiche: Metellus Scipio wurde zum Oberbefehls haber und alleinigen Imperator des römischen Volkes‹ ernannt, und seine Generale waren Considius Longus, Attius Varus, Cato, Gnaeus Pompejus, M. Oktavius, Afranius, Petreius und Labienus 92 . Mit ihrer Hilfe und der Unterstützung des numidischen Königs Juba I., mit dem er ein Bündnis geschlossen hatte, gelang es Scipio, die Provinz Afrika in ein Bollwerk der römischen Aristokratie zu verwandeln. Um die Kontinuität und Legalität seiner Herrschaft zu sichern, ließ Scipio Gold- und Silbermünzen prägen, die seinen Namen sowie einen Anruf an den Geist der afrikanischen Erde trugen: »wo die Zweige der Republik wieder grünen werden«. Zudem traf er so umfangreiche Vorbereitungen, daß Ende des Jahres 47 fünfunddreißig-bis fünfundvierzigtausend Mann Fußvolk und fünfzehntausend Reiter aufgestellt waren und siebenundzwan
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zigtausend Hektoliter Getreide auf der Insel Kerbennah vorrätig lagen. Die Mauern von Utica wurden verstärkt und die meisten anderen Städte befestigt. Eine Flotte von etwa fünfzig Schiffen kreuzte vor der afrikanischen Küste, um jeden Landungsversuch des Feindes abzuwehren.93 Alle diese Vorgänge wurden in Rom mit reger Anteilnahme beobachtet und hatten einen Umschwung der öffentlichen Meinung zur Folge, wovon Ciceros Briefe ein deutli ches Zeugnis ablegen. Nach Pharsalos hatte Cicero geglaubt, daß alles verloren sei, daß jeglicher Widerstand gegen Caesar sinnlos wäre; er hatte sich beglückwünscht, sich nicht den Afrikanern angeschlossen zu haben. Er hatte sogar jene öffentlich getadelt, »die sich nicht scheuen, die Barbaren zu Hilfe zu rufen, um die Republik gegen ein Heer zu verteidigen, das schon so oft siegreich gewesen ist« 94. Zu Beginn des Jahres 47 aber war er fast bereit gewesen, ihnen einige Aussichten auf Erfolg zuzugestehen. »Was die Lage in Afrika betrifft«, hatte er an Atticus geschrie ben, »so gibt es, wie man hört, nichts, was besser organisiert wäre«.95 Fünf Monate später hatte er schließlich mit dem größten Ernst Gerüchte wiedergegeben, nach denen Scipio Vorbereitungen für die Landung in Italien treffe.96 Auch wenn Cicero hier seine Wünsche für die Wirklichkeit genommen hat, entspricht es zweifellos den Tatsachen, daß die pompejanische Partei erstaunlich stark geworden war. Die Trup pen Scipios, insgesamt siebzigtausend Mann, waren auf Hadrume tum, Thapsos und Clupea an der Ostseite des Kap Bon verteilt; dahinter standen die numidischen Einheiten des Juba, vier nach römischem Vorbild aufgestellte Legionen sowie zahlreiche einhei mische Reiter und mehr als hundert Elefanten. Leichtere Einheiten übten vermehrte Überfälle an den Küsten Siziliens und Sardini ens aus und erkundeten die Lage für die bevorstehende Landung. Schon sahen viele Caesar in Italien eingeschlossen, gelähmt durch Aufruhr und Meuterei. Aber jetzt entschließt sich der Sieger von Pharsalos, die Initiative zu ergreifen und selbst den Kampf nach Afrika zu tragen, um die Hoffnung seiner Feinde zu vernichten.
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XXXIV
Nach der Überquerung der Meerenge von Messina erreicht Caesar Mitte Dezember Lilybaea in Sizilien. Aber obwohl die Bevölkerung ihm freundlich gesinnt ist, »denn die ganze Insel ist sofort mit cae sarischen Schwertern gespickt«97, hält er sich nicht lange in dieser Stadt auf. Bereits am 17. Dezember schifft er sich wieder mit sechs Legionen und zweitausend Reitern ein. Ein heftiger Sturm zer streut jedoch die Flotte kurz vor der afrikanischen Küste, so daß Caesars Streitkräfte bei seiner Landung in Hadrumetum nur noch dreitausend Soldaten und hundertundfünfzig Reiter umfassen. Da er dem Feind zahlenmäßig unterlegen ist, muß Caesar zunächst auf einen Angriff verzichten und sich auf der Halbinsel Ruspina verschanzen. Glücklicherweise findet sich hier bald der Rest der Flotte ein, und als einige Tage später ein zweites Kontingent aus Italien eintrifft, verfügt er über zwölftausend Legionäre (3. Januar 46). Aber noch immer ist er nicht stark genug, um gegen Scipio und Juba antreten zu können; zudem hat er nicht allzuviel Vertrauen in seine 9. und 10. Legion, die die Urheber des Soldatenaufstandes waren und ihm nur wegen reicher Beute nach Afrika gefolgt sind. Caesar richtet daher dringende Hilfegesuche an seine Verbündeten in Sizilien, von denen er seit seiner Abfahrt von Lilybaea nichts mehr gehört hat; er beschwört sie, den Rest seiner Truppen »unverzüglich und ohne Rücksicht auf die ungünstige Jahreszeit zu schicken, damit nicht ganz Afrika verlorengehe«. Seine Unge duld ist so groß, daß er sich schon vierundzwanzig Stunden nach Abgang seiner Briefe über die Verspätung der Flotte beklagt. »Tag und Nacht«, sagt der Autor des ›De Bello Africo‹, »waren seine Blicke und Gedanken dem Meer zugewandt.« Endlich trifft der sehnlichst erwartete Nachschub in Ruspina ein. Aber welch eine Enttäuschung! Er bringt nur einen Teil der erwarteten Einheiten, nämlich zwei alte Legionen – die 13. und 14. Legion –, achthundert Reiter und tausend Schleuderer. Immerhin verfügt Caesar damit über dreißigtausend Mann und beschließt, trotz der Gefahr, der er sich mit dieser relativ schwa
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chen Streitmacht aussetzt, die Initiative zu ergreifen. Denn der Zermürbungskrieg, dem die Heerführer des Scipio ihn aussetzen, ist unerträglich! Ihre ständigen Geplänkel und Handstreiche sollen seine Kräfte schwächen, ohne daß er ein wesentliches Ziel erreicht. Um sich aus dieser Lage zu befreien, versucht Caesar, den Feind in die Ebene von Hadrumetum zu locken, aber Scipio weicht einem Kampf aus. Daraufhin entschließt sich der Sieger über Pompejus zu einem kühnen Schritt. »Als er sah, daß es ihm nicht gelingen würde, den Feind in die Ebene zu locken«, schreibt der Autor des ›De Bello Africo‹, »schlug Caesar sein Heerlager vor Thapsos auf.« Und Dio Cassius berichtet: »Als Caesar merkte, daß er Scipio und Juba nicht zu einer Auseinandersetzung würde zwingen können, zog er nach Thapsos in der Überlegung, daß es entweder zum Kampf käme, nämlich falls der Feind der Stadt zu Hilfe kommen würde, oder er die Stadt einnehmen könne, falls der Gegner nicht reagierte.« Auf diese Weise wird er, auch wenn der erhoffte Sieg ausbleibt, wenigstens einen befestigten Platz in seine Hand brin gen und die Angriffe des zahlenmäßig überlegenen Gegners abweh ren können, statt sich von den Ereignissen von Ort zu Ort treiben lassen zu müssen. Caesar hat richtig geplant: Sowie Scipio erfährt, daß der Gegner gegen Thapsos marschiert, eilt er der Stadt, deren Bedeutung er kennt, mit allen seinen eigenen Truppen, denen des Afranius und den Reitern des Juba zu Hilfe. Allerdings kommt er wegen der Elefanten nicht so schnell vorwärts, so daß Caesar am Morgen des 4. April 46 vor ihm eintrifft. Als er das Schlachtfeld leer vorfindet, beeilt er sich, die günstigsten Stellungen zu beziehen, und Scipio, der einige Stunden nach ihm ankommt, muß sich auf die Schlachtordnung des Feindes einstellen. Am 6. April läßt Caesar, der endlich die lange angestrebte Aus einandersetzung nahe sieht, seine Legionen zum Kampf antreten. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit steigt er vom Pferd und schreitet zu Fuß seine Truppen ab. Er ruft sie auf, den Ruhm der Kämpfer von Pharsalos noch zu übertreffen und sich mit letzter Kraft zu schlagen, »denn«, so versichert er ihnen, »die folgenden
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Stunden werden den Ausgang des ganzen Feldzuges entscheiden«. Aber er gibt noch nicht das Zeichen zum Angriff. Die Soldaten haben ihm nur mit halbem Ohr zugehört, denn ihre Aufmerksamkeit wird durch den Lärm abgelenkt, der sich plötzlich im feindlichen Lager erhoben hat. Was ist geschehen? Niemand weiß es genau, aber die Legionäre glauben, daß die Pompejaner beim bloßen Anblick der in Schlachtordnung angetretenen Streit macht Caesars von Panik ergriffen wurden. Da der Gegner Angst hat, sagen sie sich, ist dies der richtige Augenblick, ihn anzugrei fen. Die Mehrzahl der Offiziere scheint die Meinung ihrer Leute zu teilen, aber Caesar erklärt, daß diese Art anzugreifen ihm nicht gefalle, und er versucht, sie mit allen Mitteln zurückzuhalten. Warum ist er so übervorsichtig in einem Augenblick, wo der lan gersehnte Kampf nahe ist und die Umstände äußerst günstig für ihn sind? Wir stehen hier vor einem Rätsel, das zu lösen der Autor des ›De Bello Africo‹ uns nicht hilft, weil er diesen Vorgang ganz einfach nicht erwähnt. Plutarch aber liefert uns den Schlüssel, wenn er sagt: »Manche behaupten, daß Caesar nicht am Kampf teil genommen hat, denn als er im Begriff war, sein Heer in Schlacht ordnung aufzustellen, hatte er einen seiner üblichen Anfälle. Beim ersten Anzeichen, solange er noch nicht erschöpft und im Besitz seiner Sinne war, soll er sich in eine nahegelegene Redoute haben tragen lassen und dort auf einer Liege das Ende der Krise abge wartet haben.«98 Es ist durchaus möglich, daß Caesar von einem plötzlichen Unwohlsein befallen wurde und den Angriff aufschie ben wollte, bis er wieder bei Kräften war. Plutarch weist auch an einer anderen Stelle seines Berichts auf Caesars »übliche Anfälle« hin; er behauptet, daß Caesar »zwei Anfälle mitten im Kampf« gehabt habe, ohne jedoch den genauen Zeitpunkt anzugeben. Er deutet auch an, daß der ›Imperator‹ das Nahen der Krise spürte und sich auf ein Ruhebett legen ließ. Alle diese Hinweise sind deut lich genug, um die Annahme zu erlauben, daß Caesar unter epi leptischen Anfällen gelitten hat. Wenn aber diese Diagnose auch richtig ist, so muß man sich hüten, sie nach modernen Begriffen zu beurteilen. Für uns liegt der Epilepsie eine physiologische Störung
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zugrunde; das Altertum dagegen sah sie als heilige Krankheit an und glaubte, daß in den davon Befallenen »ein Gott wohne«. Man sah darin also nicht eine Erniedrigung des Betroffenen, sondern ein Zeichen seiner Erhebung über die Mitmenschen. Die Männer der 9. und 10. Legion weigern sich jedenfalls, ihrem Feldherrn zu gehorchen, denn sie fürchten, eine günstige Gelegenheit ungenutzt vorübergehen zu lassen. Sie zwingen einen der Trompeter, zum Angriff zu blasen. »Sofort stürzen alle Kohorten vorwärts, und ihre Offiziere versuchen vergeblich, sie zurückzuhalten mit der Bitte, die Befehle des ›Imperators‹ abzuwarten.« »Von einer unsinnigen Wut angetrieben, glichen die Legionäre einem Schwarm zorniger Hornissen.« Wie ist diese Erregung zu erklären? Florus behauptet, daß die Männer darüber empört waren, daß »nach dem Tod des Pompejus der Bürgerkrieg sich noch mehr ausgeweitet hatte«. Aber die Erklärung, die uns der Autor des ›De Bello Africo‹ gibt, klingt wahrscheinlicher: »Die Sol daten hatten in Afrika wegen der Teuerung alles ausgeben müssen, was sie besaßen; sie waren so arm, daß nur noch wenige von ihnen Zelte hatten und die meisten sich einen Unterschlupf aus ihren Umhängen bauen mußten.« Nach vier Monaten in Afrika war Cae sars Heer zu einem Haufen von Bettlern geworden, die angesichts des bei der Gegenpartei herrschenden Überflusses verbittert und außerdem überzeugt waren, daß die numidischen Krieger stets ihre gesamte Habe mit sich in den Kampf führten; sie stellten sich daher vor, daß ihnen die Plünderung des feindlichen Lagers unschätzbare Werte einbringen würde. Der erste Stoß der Trompeten erschreckt die Elefanten des Scipio, die erst vor kurzem aus den afrikanischen Wäldern gekom men und nur ungenügend dressiert sind. Zum ersten Mal hören sie das Pfeifen der Steine und Pfeile so dicht an ihrem Kopf; sie verwir ren sich in den Zügeln, werfen ihre Führer ab, zertrampeln sie und fliehen. Als die numidischen Reiter die Flucht der mächtigen Tiere sehen, werden sie ihrerseits von panischem Schrecken erfaßt. Von Caesars Legionären verfolgt, strömt das gesamte Heer Scipios zum Lager des Juba, um sich dort zu verschanzen. Aber sie müssen
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feststellen, daß es bereits vom Feind besetzt ist. »Der Sieg Caesars fegt wie ein Sturmwind über die Köpfe«; um dem Tod zu entgehen, werfen die pompejanischen Soldaten ihre Waffen fort und heben die Arme zum Zeichen der Übergabe. Aber Caesars Legionäre nehmen keine Rücksicht darauf. Entge gen aller Gepflogenheiten werfen sie sich auf die gegnerischen Sol daten und beginnen, sie niederzumetzeln. Caesar, der sich inzwi schen wieder erholt haben muß, sieht ohnmächtig diesem Blutbad zu; er versucht, die Legionäre zur Vernunft zu bringen, aber ohne Erfolg. Die pompejanischen Soldaten werden bis zum letzten Mann niedergemacht; dann, »trunken von Blut und im Glauben, daß ihnen nach diesem Sieg alles erlaubt sei, wenden sie sich gegen einige der Männer aus Caesars Begleitung, denen sie vorwerfen, sie hätten die Pläne des Feindes begünstigen wollen«. Sie verfol gen sie durch das Lager, und Tullius Rufus entgeht dem Tod nur dadurch, daß er sich in das Zelt des ›Imperators‹ flüchtet. Zehntausend Pompejaner sind an diesem Tag getötet worden im Gegensatz zu fünfzig Gefallenen auf Caesars Seite. »Der große Unterschied zwischen diesen beiden Zahlen«, bemerkt Gerard Walter, »läßt auf die Art und den Umfang des soeben beendeten
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Gemetzels schließen. Caesar ist ein willenloses Instrument in den Händen seiner Männer gewesen: Sie haben zu Beginn des Kamp fes die Initiative ergriffen, und sie haben nach dem Sieg über das Schicksal der Besiegten entschieden. Caesar hat sich von den Ereignissen mitreißen lassen müssen.«99 Das hindert ihn jedoch nicht daran — und es bleibt ihm auch nichts anderes übrig –, am nächsten Tag »seine Soldaten zu ihrer heldenhaften Haltung zu beglückwünschen und Belohnungen zu verteilen«. Doch dieser Sieg hat einen bitteren Nachgeschmack; es ist höchste Zeit, daß der Bürgerkrieg ein Ende nimmt! Wenn er noch länger dauert, wird das gesamte Heer schließlich seiner Kontrolle entgleiten... Aber der Bürgerkrieg muß noch weitergehen, denn angesichts der allgemeinen Auflösung haben Scipio, Juba, Labienus, Afranius und Petreius das Schlachtfeld verlassen, um nicht lebend in die Hand des Feindes zu fallen. Sie sind zum Teil auf Schiffen geflohen, zum Teil haben sie sich ins Innere Numidiens zurückgezogen. Noch einmal muß die Verfolgung aufgenommen werden, ohne ihnen Zeit zur Besinnung zu lassen ... Caesar läßt drei Legionen zurück, um die Belagerung von Thap sos zu Ende zu führen, und eilt mit dem Rest des Heeres nach Utica.
XXXV Die Kuriere, die sofort nach dem Ende der Schlacht von Thapsos aufbrachen, bringen am 8. April dem in Utica weilenden Cato die schreckliche Nachricht von der Vernichtung der Heere Scipios und Jubas. Seit einigen Tagen ist Utica praktisch von der Außenwelt abge schnitten. Cato hat den Belagerungszustand erklärt. Die einhei mische Bevölkerung, die man verdächtigt, mit Caesar zu sympa thisieren, ist entwaffnet und in Lagern zusammengefaßt worden. Nur die römische Kolonie, die von einem Rat von dreihundert Nota beln vertreten wird, sowie die Gruppe pompejanischer Senatoren, die nach all den Wirren schließlich in Utica Zuflucht genommen
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haben, können sich noch frei bewegen. Doch trotz aller dieser von Cato getroffenen Sicherheitsvorkeh rungen ist die Stadt so unsicher, daß er Scipio und Juba bitten muß, sich nicht in ihr zu zeigen, da ihre Anwesenheit einen Auf stand verursachen könnte. Am Morgen des 9. April beruft Cato die Senatoren und den Rat der Dreihundert ein, um ihnen mitzuteilen, daß er den Kampf um jeden Preis fortzusetzen gedenke. Die Senatoren stimmen ihm eifrig zu und erklären sich »zu jedem Opfer« bereit; die Dreihun dert dagegen sind sehr viel zurückhaltender. Widerstand leisten? Womit, nachdem alle pompejanischen Streitkräfte vernichtet sind? Man brauche nur alle Sklaven freizulassen und sie in das Heer einzugliedern, antworten die Senatoren; sobald sie vollberechtigte Römer seien, würden sie wie Löwen für die Bewahrung dieses Pri vilegs kämpfen... Aber dieser Plan sagt den Dreihundert keines falls zu. Als Vertreter der seit mehreren Generationen in Utica ansässigen römischen Siedler sind sie meistens Bankiers und Reeder, und ihr Reichtum besteht vor allem in Sklaven. Gäbe man diesen plötzlich die Freiheit, so wären ihre Besitzer von einem Tag zum anderen ruiniert. Sie sind nicht bereit, ein solches Opfer für eine Sache zu bringen, die ihnen ohnehin als verloren gilt. Ihr Pessimismus wird bestätigt durch das plötzliche Erscheinen der fünfzehnhundert bei Thapsos entkommenen Reiter des Scipio, die nicht nur in grauenerregenden Worten das Blutbad, dem sie knapp entronnen sind, beschreiben, sondern auf ihrem Rückzug auch die Stadt Pheradi Maius (Henchir-Fradis) geplündert und angezündet haben. Sie schreien und lärmen und erklären, daß sie verraten worden seien, und drohen, alle Bewohner Uticas zu töten. Die Ankunft dieser wütenden Horde, die die ganze Stadt in Blut und Asche tauchen könnte, überzeugt die Dreihundert endgültig davon, daß es sinnlos ist, den Kampf fortzusetzen. Sie erklären Cato ohne Umschweife, daß sie den Augenblick für gekommen halten, die Feindseligkeiten einzustellen, und daß sie bereits eine Abordnung an Caesar geschickt haben, um über die Übergabe der Stadt zu verhandeln.
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Nun begreift Cato, daß die Lage aussichtslos ist. Da er sich in keinen Kampf einlassen kann, bleiben ihm nur noch zwei Dinge zu tun: die römischen Senatoren, die sich unter seinen Schutz gestellt haben, zu retten, und seinem Leben ein Ende zu machen, »um Caesar jede Möglichkeit zu nehmen, sein Recht der Gnade oder der Rache an ihm auszuüben«. Am 12. April speist Cato mit einigen Freunden zu Abend, bevor er sich in sein Schlafgemach zurückzieht. Kurz nach Mitternacht fragt er einen seiner Freigelassenen, ob die Schiffe mit den Sena toren und deren Familien den Hafen verlassen hätten. Nachdem er eine bejahende Antwort erhalten hat, stößt Cato sich das Schwert in die Brust und verblutet. Caesar galoppiert zu dieser Stunde auf die Stadt zu. Von Überläufern hat er erfahren, was sich in Utica zuträgt: Sie berich ten ihm vom Abfall der Dreihundert, der Flucht der Senatoren und daß Cato allein zurückgeblieben ist. Daraufhin beschleunigt Caesar, der ahnt, daß der Schwiegervater des Brutus sich töten würde, sein Tempo, um rechtzeitig einzutreffen und Cato am Selbst mord zu hindern. Nur wenige Meilen vor der Stadt aber bringt ihm ein Bote die Nachricht, daß Cato sich den Tod gegeben hat. Caesar trifft es wie ein Schlag. Zu spät! Zum zweiten Mal ist der Gegner ihm entglitten! Erst Pompejus, jetzt Cato ... Zwar hat er wenig übrig für den Mann, der einmal vorgeschlagen hatte, »Caesar lebend den gallischen Stämmen auszuliefern, damit sie ihre gerechte Rache an ihm üben können«100. Catos starrer Republikanismus, sein unnach giebiger Stoizismus, den er zu oft als politische Tugend ansah, und vor allem sein völliges Unverständnis der Tagesprobleme haben eine unüberbrückbare Kluft zwischen den beiden Männern entste hen lassen. Aber Caesar bewundert dennoch Catos Seelengröße und drückt seine Trauer mit Worten aus, in denen sich Verachtung und verletzter Stolz mischen: »O Cato! Ich beneide Dich um Deinen Tod, weil Du selbst mich daran gehindert hast, Dir das Leben zu retten!«101 Es ist Nacht, als Caesar vor den Toren Uticas anlangt; er ist so schnell geritten, daß er seine Begleitung weit hinter sich gelassen hat. Aber jetzt, wo Cato tot ist, will er sich nicht allein
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unter die Einwohner begeben, deren Gesinnung er nicht kennt. Er hält es für vorsichtiger, den Morgen abzuwarten und betritt die Stadt erst am 10. April mit einer Gruppe von Reitern. Aus ihren Lagern befreit, bereiten die Bewohner ihm einen begeisterten Emp fang, und Caesar beruft sie zu einer Versammlung ein, um ihnen dafür zu danken, daß sie ihm trotz des Drucks der pompejanischen Partei treu geblieben sind. Aber er klagt die römischen Händler und die Dreihundert an, Scipio unterstützt zu haben. »Er tadelt sie heftig«, schreibt der Autor des ›De Bello Africo‹, »und geht ausführlich auf die Schwere ihres Verbrechens ein«. Schließlich begnadigt er sie, beschlagnahmt und versteigert aber ihren Besitz. Als besonderen Gunstbeweis gestattet er ihnen jedoch, ihre Güter zurückzukaufen für die gleiche Summe, die ihr Verkauf einge bracht hätte. Die Dreihundert, die bereits auf ihren Tod gefaßt waren, bitten daraufhin Caesar, er möge selbst die Höhe der Summe festsetzen, und Caesar nennt zweihundert Millionen Sesterzen. »Ohne Wider spruch«, versichert der Autor des ›De Bello Africo‹, »dankten sie ihm aus vollem Herzen und erklärten, daß Caesar ihnen an jenem Tag ein neues Leben gegeben habe«.102 Als der Fall Uticas bekannt wird, ergeben sich auch alle anderen afrikanischen Städte. Vergilius kapituliert in Thapsos, und Consi dius flieht aus Thysdra. Der wütende Juba will in Zama, der Haupt stadt seines Reiches, Zuflucht nehmen, aber die Stadt verschließt ihm ihre Tore und schickt eine Abordnung an Caesar, um ihn zu bitten, sie gegen den Zorn ihres eigenen Herrschers zu schützen. Nur zu gern folgt Caesar dieser Aufforderung, eilt nach Zama, schlägt Juba in die Flucht und nimmt die Reiter des numidischen Königs in seine Dienste. Dem zur römischen Provinz erklärten Königreich gibt er den Namen ›Africa Nova‹ und überträgt ihre Ver waltung Sallust; dann zieht er weiter und führt den jungen Sohn des Juba, ein siebenjähriges Kind, als Geisel mit sich. Verzweifelt flüchtet sich Juba mit Petreius auf eine seiner Besit zungen. Kurz darauf, so heißt es, haben der numidische König und der römische General im Laufe eines Zweikampfes in der Wüste
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sich gegenseitig den Tod gegeben. Scipio versucht, auf dem Seeweg nach Spanien zu gelangen, wird aber unterwegs von Schiffen des Sittius abgefangen103 und tötet sich, als sein Schiff geentert wird. Auch Afranius wird auf seiner Flucht zur Iberischen Halbinsel in Mauretanien von Sittius’ Soldaten gefangengenommen und ermor det. Nur Labienus und Attius Varus entkommen. Bevor er Afrika verläßt, erlegt Caesar den Städten, die sich auf die Seite der Pompejaner gestellt haben, schwere Strafen auf. Thapsos muß fünf Millionen Sesterzen zahlen, Hadrumetum acht Millionen; Leptis wird zur jährlichen Abgabe von dreihundert tausend Liter Öl und Thysdra zur Lieferung einer unbestimmten Menge Getreide verurteilt. »So endet dieser trotz düsterer Vorzeichen begonnene und unter äußerst schwierigen Umständen geführte Feldzug mit einem glänzenden Sieg.«104
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Die Nachricht von der Niederlage der pompejanischen Heere hat Rom in größte Bestürzung versetzt. Niemand hatte einen derartig schnellen und völligen Zusammenbruch erwartet; Scipios und mehr noch Catos Tod haben die Römer tief getroffen. Jetzt endlich sieht die Senatspartei ein, daß man keine andere Wahl hat, als sich mit dem Sieger zu verständigen. Um Caesar milde zu stimmen, beeilt sich der Senat, ihn zum »Aufseher über die Sitten« zu ernennen; dieses Amt, das dem der Zensoren gleichkommt, gibt ihm für drei Jahre unbegrenzte Macht befugnisse in fast allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens. Die Versammlung beschließt außerdem, daß der Triumph, den Caesar bei seiner Rückkehr nach Italien feiern wird, alle bis herigen an Glanz übertreffen solle. Obwohl Caesar von diesen Anordnungen unterrichtet ist, beeilt er sich nicht, nach Rom zurückzukehren. Statt den kürzesten Weg zu nehmen, hält er sich vierzehn Tage lang in Sardinien auf. Aber dieses Zögern ist wohlberechnet: Er will seinen Freunden in der Hauptstadt Zeit lassen, der Bevölkerung die ganze Bedeutung
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seines Sieges klarzumachen. Auch als er an der Grenze Roms angekommen ist, hat Caesar es nicht eilig, die Stadt zu betreten. Er bleibt mit seinen Truppen außerhalb des Pomeriums stehen, wie um seine Achtung vor den Gesetzen der Republik zu zeigen. Aber diese offensichtliche Zurückhaltung ist ebenfalls beabsichtigt: Caesar wartet nur des halb an der Grenze des Pomenums, um den Senat zu zwingen, ihm entgegenzugehen. Das ist noch nie dagewesen: Die Senatoren werden damit zu Bittstellern, die vor einen siegreichen General treten, um ihm die Übergabe der Stadt anzukündigen. Und dieses Mal handelt es sich um Rom, die ›Stadt‹ im eigentlichen Sinn! Mit einer Unterwürfigkeit, die auf ihre Verwirrung schließen läßt, erkennt der Senat ihm zahlreiche außergewöhnliche Ehren zu: Caesar wird das Recht haben, sich von zweiundsiebzig Likto ren begleiten zu lassen, was bisher noch nie vorgekommen ist;105 ein Standbild aus Erz, das ihn auf der Erdkugel stehend darstellt und eine ihn zum Halbgott erhebende Inschrift trägt, wird vor dem Tempel des Jupiter Capitolinus aufgestellt werden; den Senatssit zungen wird er künftig mit den Konsuln zusammen von einem kuru lischen Stuhl aus beiwohnen; er wird als erster bei den Beratungen der Versammlung um seine Meinung gefragt werden; schließlich wird ihm die Ehre zuteil, bei den Wagenrennen das Startsignal zu geben und im Zirkus den Siegern die Kränze zu überreichen ... Caesar erhebt sich nicht einmal, um die Väter der Republik zu empfangen; er hört ihnen mit zerstreut lächelnder Miene zu. Sind seine Gedanken auf neue Pläne gerichtet, Pläne, deren Trag weite seine Gesprächspartner nicht im entferntesten erahnen? Oder amüsiert es ihn, daß man ihm, als wäre es eine Gunst, Ehren erweist, die er sich mit einer einzigen Handbewegung selbst zusprechen könnte? Trotz allem hütet sich Caesar aber, den Sena toren seine Verachtung zu zeigen; es ist klüger, den Anschein zu wahren und ihnen zum Dank eine Willkommensrede zu halten, die in Worten und Inhalt gleich unbedeutend ist. Wären sie etwas hellsichtiger, so müßte ihnen diese Reaktion zu denken geben; so aber lassen sie sich – wie es so oft in derartigen Umständen der
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Fall ist – durch seine Zurückhaltung in Sicherheit wiegen und glau ben erleichtert, darin einen Willen zur Nachgiebigkeit sehen zu können. »In den folgenden Wochen«, berichtet Florus, »feiert Caesar seinen Triumph mit unvergleichlichem Prunk und Glanz.« Im Sie geszug werden eindrucksvolle Statuen mitgeführt: bildliche Dar stellungen der Flüsse Rhone, Rhein und Nil, deren Namen an Cae sars ungeheure Eroberungen erinnern; ein goldenes Standbild des Ozeans, den er überquert hat, und eine Abbildung des Leuchtturms von Alexandreia. Der Triumphator selbst erscheint in Purpur gekleidet auf einem von sechs weißen Pferden gezogenen Wagen; später läßt er sich von vierzig Elefanten, die riesige brennende Fackeln tragen, zu seinem Haus zurückgeleiten.
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XXXVII
Wird sich Caesar endlich einmal ausruhen können? Aber ein Mensch, der wie er voll Energie ist, gönnt sich niemals Ruhe; seine Aufgabe ist noch nicht erledigt, ja sie beginnt eigentlich erst jetzt. Was hat er bisher für sein großes Werk geleistet, außer die ersten Hindernisse aus dem Weg zu räumen? Trotzdem aber sind die Wochen nach seiner Rückkehr aus Afrika und die Feierlichkeiten seines Triumphes eine Zeit der Erholung und Entspannung. Jetzt merkt er auch, wie sehr Kleopatra ihm fehlt. Seine Gemah lin Calpurnia, mit der er ein Haus in der Stadt bewohnt, ist zwar eine schöne und treu ergebene Frau, aber sie hat nicht die Leb haftigkeit und Phantasie der ägyptischen Königin. Diese sachliche Römerin vermag ihn weder anzuregen noch zu zerstreuen, sie ver steht ihn nicht, und im Grunde langweilt sie ihn... Wenn Caesar an Kleopatra denkt, wird ihm klar, welchen Platz sie in seinem Herzen einnimmt seit dem Tage, an dem sie mit einem hellen Lachen dem Teppich des Apollodoros entstieg. Sie ist in sein Leben eingezogen wie eine goldene Wolke, die ihren farbi gen Schatten über seine Gedanken wirft und seine Seele mit unaus sprechlichem Glück erfüllt. Da er nicht mehr ohne diese Frau leben kann und das Verspre chen, das er ihr vor seiner Abfahrt aus Alexandreia gegeben hat, einlösen will, läßt er Kleopatra nach Rom kommen; sie bezieht mit ihrem Gefolge ein herrliches Haus, das Caesar in den transtiberi schen Gärten besitzt, dort, wo heute die Villa Doria Pamphili steht. Zwar ist das nicht der Palast von Lochias, wo die beiden Liebenden vom Murmeln der Menge und Rauschen des Meeres umgeben ihre Gedanken austauschten, aber diese schattigen Gärten sind voller Geheimnisse, und von den Terrassen, die sich über die Ewige Stadt erheben, schweift der Blick weit über die römische Landschaft. Caesar verbringt fast alle seine Abende bei Kleopatra, und wie in Alexandreia führen sie lange Gespräche, begleitet vom Rauschen der Seekiefern und Plätschern der Springbrunnen. Die Umgebung ist eine andere, aber der Rausch ist der gleiche. Wenn sie sich tren
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nen, wiederholt Kleopatra mit leiser Stimme, als spräche sie zu sich selbst: »Orient und Okzident ... die Parther ... König sein!«
XXXVIII Doch noch einmal ist Caesar gezwungen, sich von Rom zu ent fernen, denn aus Spanien treffen beunruhigende Nachrichten ein. Kaum ist der Bürgerkrieg in Afrika beendet, flammt er mit der Ankunft des Labienus und des Gnaeus Pompejus in Iberien erneut auf. Allerdings ist Spanien niemals wirklich befriedet gewesen. Pompejus’ Einfluß ist seit seinem Sieg über Sertorius im Jahre 71 stets stark gewesen, während Caesars Anwesenheit im Jahre 49 nur sehr kurz war. Er hatte sich damals wie der Blitz auf Afra nius, Petreius und Varro gestürzt und sie zur Niederlegung der Waffen gezwungen; anschließend war er sofort nach Brundisium zurückgekehrt, um vor allem Pompejus zu schlagen. So konnte Gnaeus Pompejus, der Sohn des Prokonsuls, bei seiner Landung in Cadiz nach der Schlacht von Thapsos auf Grund seines Namens und Erbes sehr schnell Geld und Anhänger finden; was von der pompejanischen Partei übriggeblieben war, sammelte sich um ihn. Zunächst schenkt Caesar den Gerüchten über Aufstände in Spa nien nicht sehr viel Aufmerksamkeit; er begnügt sich damit, ein Kontingent junger Soldaten unter Q. Pedius und Q. Fabius Maxi mus zu entsenden mit dem Auftrag, »die Handvoll Wahnsinniger zur Vernunft zu bringen«. Als er jedoch erfährt, daß Labienus, Attius Varus106 und Sextus107 sich mit Gnaeus Pompejus vereinigt haben, daß Varus den Oberbe fehl über die Seestreitkräfte übernommen hat und Labienus das Landheer neu organisiert, daß Gnaeus mit dreizehn Legionen und mehreren tausend Reitern die Stadt Ulia belagert, wo sich drei caesartreue Legionen verteidigen, kann er sich nicht mehr über den Ernst der Lage hinwegtäuschen. Da er aber niemanden hat, dem er die Leitung des Feldzuges anvertrauen könnte, muß er sich selbst an Ort und Stelle begeben. Er beauftragt Antonius,
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den ›Magister Equitum‹, über die Königin von Ägypten zu wachen, nimmt noch einmal von Kleopatra Abschied, legt sein Panzerhemd an und eilt mit seiner Begleitung in Richtung der Iberischen Halbin sel (Dezember 46). Der neue Krieg wird heftig, verworren und uner bittlich sein und an Grauen alle bisherigen Feldzüge übertreffen. Warde Fowler hat nicht unrecht, wenn er von einem »Krieg der Fin sternis gegen das Licht« spricht; die caesarischen und pompejani schen Legionäre werden an Grausamkeit miteinander wetteifern. Es sind die letzten Zuckungen eines Konfliktes, der mit dem Tode ringt, aber sich hinzieht und nicht sterben kann ...
XXXIX »Caesar eilt so schnell vorwärts«, berichtet Dio Cassius, »daß Freund und Feind ihn auftauchen sehen, bevor sie noch von seinem Abzug aus Rom gehört haben.« Er fällt wie ein Blitz unter seine versammelten Truppen und führt sie nach Cordoba, wo sich Sextus Pompejus befindet. Caesar nimmt an, daß Gnaeus die Belagerung von Ulia aufheben wird, sowie er erfährt, in welcher Gefahr sich sein Bruder befindet; dann wird Caesar die Brüder, denen er keine militärischen Fähigkeiten zutraut, einen nach dem anderen schla gen. Als er vor Cordoba ankommt, wird Caesar jedoch krank. Dieses Mal handelt es sich nicht um eine vorübergehende Krise wie in Thapsos, sondern er muß sich mehrere Tage zu Bett legen. Wie immer hat er seine Kräfte nicht geschont; an die wilden Ritte seiner Jugend durch Schnee und Eis denkend, wollte er die Strecke zwi schen Rom und Obulco (siebenundachtzig Kilometer vor Cordoba) in siebenundzwanzig Tagen zurücklegen. Aber selbst für einen jungen Mann würde ein solcher Ritt mitten im Winter eine große Leistung bedeuten; Caesar aber ist jetzt fünfundfünfzig Jahre alt, und sein Körper ist von zwölf Jahren Kampf und Anspannung erschöpft. Trotzdem will er sich nicht schonen und eilt, kaum daß es ihm besser geht, weiter. Unglücklicherweise hat während seiner Krankheit das ganze Land von seiner Ankunft erfahren, und die Überraschung ist mißglückt. Der zwangsweise Aufenthalt vor
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Cordoba wird schreckliche Folgen für den weiteren Verlauf des Feldzuges haben. Von Labienus gut beraten, weicht Gnaeus Pompe jus dem Kampf aus und versucht statt dessen, Caesar durch seine Zermürbungstaktik zu erschöpfen. Schließlich stehen beide Heere Mitte März vor Munda. Die Stadt erhebt sich auf einem dreihun dert Meter hohen Hügel über einer weiten Ebene, die ihren Namen trägt – ›Campus Mundensis‹ – und ist zum Teil von Sümpfen umge ben. Die strategischen Vorteile dieser für Angriff und Verteidigung gleichermaßen günstigen Stellung veranlassen Gnaeus Pompejus zu dem Entschluß, sein Glück zu versuchen. Er stellt sein Heer in Schlachtordnung auf. Vielleicht will er damit nur seine Streit macht zeigen und ist überzeugt, daß Caesar ihn mit seinen schwa chen Kräften nicht anzugreifen wagt. Aber Caesar hat jetzt nur den einen Gedanken, diesen schrecklichen Krieg zu beenden, der sich in die Länge zieht, ohne einer der Parteien irgendwelche Vorteile zu bringen. Zudem wächst die Disziplinlosigkeit in den Reihen seiner Kohorten, so daß er befürchten muß, seine Legionen könnten sich bei einem längeren Krieg völlig auflösen. Da jetzt Gnaeus zum Kampf bereit zu sein scheint, will Caesar die Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen lassen. Am Morgen des 17. März 45 geht die Sonne an einem wolkenlosen Himmel auf. »Es schien«, schreibt der Autor des ›De Bello Hispaniensi‹, »als ob die unsterblichen Götter diesen Tag für eine Schlacht geschaffen hätten.« Caesars Kohorten stürmen gegen den Hügel an, aber auf halber Höhe blei ben sie wie festgenagelt stehen. Was ist geschehen? »Kaum stehen sich die beiden Heere gegenüber«, berichtet der Autor des ›De Bello Hispaniensi‹, »als die Soldaten Caesars von Entsetzen erfaßt werden.« Das ist auch nicht weiter verwunderlich: Etwa achtzigtausend pompejanische Krieger – dreizehn Legionen, zwölftausend Mann leichtes Fußvolk und mehr als zehntausend Reiter – erwarten sie in geschlossenen Reihen auf der Höhe des Hügels. Caesars Legionäre dagegen zählen nicht mehr als vierzig tausend und müssen zudem auf einer schiefen Ebene kämpfen. Sie wissen zwar, daß Caesar schon Wunder vollbracht hat, aber dieses Mal geben sie sich wirklich verloren.
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Als Caesar seine Männer zögern sieht, wird er von panischem Schrecken erfaßt. Zum ersten Mal in seinem Leben verliert er die Selbstbeherrschung; voller Verzweiflung schmäht er seine Fortuna, »die ihn für ein derart schändliches Ende bestimmt hat«. Er glaubt, daß ihn nichts mehr retten könne, und der Gedanke an Selbstmord durchfährt sein Gehirn. »Man konnte den Gedanken an den Tod auf seinem Gesicht lesen«, sagt Florus. »Er flehte die Götter an, ihn nicht mit einer einzigen Schlacht die Früchte so vieler Siege ver lieren zu lassen.« Doch dann überwindet er seine Schwäche; mit seiner ganzen Willenskraft reißt er sich vom Abgrund zurück.108 »Caesar steigt vom Pferd, wirft Schild, Helm und Schwert von sich und läuft wie ein Rasender in die vorderste Reihe. Dort ver sucht er, die Schlachtordnung seines Heeres wiederherzustellen, die Fliehenden aufzuhalten und die Zögernden vorwärtszudrängen; er schreit, gestikuliert, droht ..., und als seine Stimme versagt, feuert er die Männer mit den Blicken an. Aber vergeblich – nichts scheint die Katastrophe aufhalten zu können. Dieses Mal ist alles endgültig verloren, es gibt keine Hoffnung mehr. Caesars Kräfte und Argumente sind erschöpft; die Furcht hat zwischen ihm und seinen Männern eine unüberwindliche Schranke aufgerichtet. Nun bleibt ihm nur noch der Tod durch Feindeshand, und das Leben eines Welteroberers als Soldat zu beenden.«109 Munda wird Thap sos und Pharsalos auslöschen ... Einem der Soldaten den Schild entreißend, stürmt Caesar mit dem Ruf vorwärts: »Hier werde ich sterben, und hier werdet Ihr den Krieg enden sehen!« »Mit diesen Worten«, berichtet Appian, »stürzte er aus den Reihen seiner Soldaten und auf den Feind zu. Ein Hagel von Pfei len fiel auf ihn nieder; manche der Geschosse verfehlten ihn, die anderen fing sein Schild ab. In diesem Augenblick stürzten die Tri bunen, von so viel Mut beeindruckt, ihm nach, um ihn zu schützen, und rissen das Heer mit sich...« Ein falsches Manöver der Gegenseite liefert Caesar in diesem Augenblick eine unverhoffte Gelegenheit: Fünf Kohorten, die Labi
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enus zur Verstärkung geschickt hat, laufen quer durch die Linien, so daß es aussieht, als ob sie fliehen wollten. Caesar erkennt sofort den Vorteil, den er daraus ziehen kann, greift sie an, als ob es tatsächlich fliehende Einheiten wären. Dieses Manöver hebt den Mut seiner Männer und entmutigt zugleich den Feind; während Caesars Soldaten plötzlich glauben, den Sieg erringen zu können und sich unerschrocken auf den Feind stürzen, ergreifen die pom pejanischen Legionen die Flucht. Der Kampf kommt erst mit Ein bruch der Nacht zum Ende. »Niemals hat Caesar eine blutigere und gewagtere Schlacht geschlagen«, versichert Velleius Patercu lus. Dreiunddreißigtausend pompejanische Soldaten sind getötet worden; der Rest des feindlichen Heeres teilt sich in zwei Grup pen, die eine, etwa fünfzehntausend Mann, schließt sich in Munda ein, die andere flieht nach Cordoba. Labienus und Attius Varus haben im Kampf den Tod gefunden, weitere siebzehn höhere Offi ziere sind gefangengenommen worden. Von Gnaeus Pompejus aber fehlt jede Spur. Als Caesar am Abend in sein Zelt tritt, sagt er zu seinen Gene ralen: »Schon oft habe ich für den Sieg gekämpft, aber heute habe ich mich zum ersten Mal für mein Leben geschlagen!«
XL Aber der Sieg ist nicht errungen, solange noch Teile des pompeja nischen Heeres bestehen. Nachdem Caesar Fabius Maximus damit beauftragt hat, die Belagerung Mundas zu Ende zu führen, eilt er nach Cordoba, wo sich die letzten Legionen des Gnaeus verschanzt haben; mit Unterstützung der dortigen Garnison und einer großen Anzahl von Sklaven, denen sie die Freiheit geschenkt haben, treffen sie Vor bereitungen für einen heftigen Widerstand. Die Zivilbevölkerung aber, die von der Aussicht auf eine lange Belagerung keineswegs begeistert ist, hat eine Abordnung zu Caesar geschickt, um ihm mitzuteilen, daß sie sich ihm auf Gnade und Ungnade ergebe. Als die pompejanischen Soldaten von diesem Schritt, den sie als
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Verrat betrachten, erfahren, lassen sie ihrer Wut freien Lauf und zünden die Stadt an – eine unüberlegte Handlung, denn sie erleich tert Caesars Aufgabe. Er läßt die Stadt stürmen und die Brand stifter bis zum letzten Mann niedermachen. Zweiundzwanzigtau send Tote sind das Ergebnis dieses Tages. Von der pompejanischen Streitmacht in Cordoba bleibt nichts mehr übrig. Von hier aus marschiert Caesar auf Hispalis, wo er ohne Schwie rigkeiten den Widerstand der pompejustreuen Bevölkerung bre chen kann. Auf dem Weg nach Asta und Cadiz ergeben sich ihm die meisten Städte der Baetica. Als er nach Hispalis zurückkommt, erblickt er als erstes ein blutiges Haupt, das auf einer Stange auf dem großen Platz der Stadt aufgestellt ist. Caesar erkennt mit Entsetzen, daß es sich um Gnaeus Pompejus handelt. Wie ist die schreckliche Trophäe hier hergekommen? Aus Munda fliehend, hat sich Gnaeus nach Carteia nordöstlich von Algericas begeben und mit Gewalt einen Weg zu einem seiner Schiffe gebahnt, die in der Bucht von Gibraltar lagen. Kaum hat sein Schiff jedoch den Anker gelichtet, als Gaius Didius, der die caesarische Flotte in Cadiz befehligte, die Verfolgung auf nahm; es gelang ihm auch bald darauf, Gnaeus’ Schiff in einem Augenblick, in dem sich die gesamte Mannschaft an Land befand, anzuzünden. Von seinen Gefährten getrennt, irrte Gnaeus tage lang durch das Land; verwundet und halb verhungert erbat er schließlich die Gastfreundschaft eines einheimischen Stammes, der ihn jedoch eiligst an Caesars Leute verriet. Sofort brach eine Gruppe Legionäre zu seiner Verfolgung auf; sie jagte ihn wie ein Tier bis in die Höhle, in der er Zuflucht gesucht hatte, erschlug ihn und trennte das Haupt von seinem Körper. So findet der Sohn dasselbe Ende wie der Vater! Aber Caesar empfindet nicht das gleiche Entsetzen wie in Alexandreia, als er das von Theodotos überbrachte Bündel öffnete. Der Kopf des Pom pejus hatte damals die Verlängerung der Feindseligkeiten bedeu tet, während Caesar heute beim Anblick des toten Gnaeus nur an eins denkt: Der Bürgerkrieg ist beendet!
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XLI
Endlich ist der Weg frei, sind die letzten Hindernisse überwunden! Nach zwölf Jahren Kampf – der hätte vermieden werden können – wird sich Caesar nun seinem Lebenswerk widmen können: der Errichtung des römischen Imperiums und dem Krieg gegen die Parther, wonach er das Reich Alexanders mit seinem eigenen wird vereinen können. Die meisten Historiker haben den spanischen Krieg fast völlig im Dunkeln gelassen; sie bezeichnen ihn als »den letzten Krieg«, »den letzten Kampf«, und sehen darin einen Abschluß, das Ziel seiner Bestrebungen. Aber Caesar sieht die Dinge in einem anderen Licht. Alles, was er bisher erreicht hat, ist nur ein Vorspiel gewesen. Erst jetzt beginnt seine eigentliche Karriere, erst jetzt wird er wahrhaftig Caesar sein. Alle seine Kräfte und Gedanken sind auf die Zukunft gerichtet. Wer wird jetzt noch seine Macht bestreiten? Er fühlt in sich die Kräfte der Jugend, gemäßigt durch die Erfahrung des reifen Alters. Was hat er jetzt noch zu befürchten? Er hat keine Feinde mehr, und selbst wenn er sie hätte, würde er sie wie alle anderen vernichten. Niemand wird ihn daran hindern, Alexanders Traum zu verwirklichen und Orient und Okzident zu vereinen; sein Reich, durch Waffen erobert, aber auf das Recht gestützt, wird sich von der Mündung des Rheins bis zu den Quellen des Hypha sis erstrecken, und in diesem riesigen Raum wird die Menschheit ihre Vollkommenheit erreichen! Das sind die Pläne, die Caesar bei seiner Rückkehr nach Rom im September 45 beschäftigen. Da er sich der Menge nur von seinem siegreichen Heer umgeben zeigen will, zieht er sich zunächst in seine Villa in Labicum zurück und erwartet hier die Ankunft seiner Legionen aus Spanien, denen er vorausgeeilt ist. Als sie im Laufe des Oktober eintreffen, begibt sich Caesar mit ihnen nach Rom, um seinen fünften Triumph zu feiern. Die vier ersten Triumphe, die im Vorjahr abgehalten worden waren, haben seine Siege über fremde Völker verherrlicht: das Gallien des Vercingetorix, das Afrika des Juba, das Ägypten der Ptolemäer und
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das Königreich Pontos des Pharnakes. Aus Rücksichtnahme, Klug heit und Großzügigkeit hat Caesar damals freiwillig die Namen Pompejus’ und Catos110 unerwähnt gelassen; auch wollte er wohl nicht an Pharsalos erinnern. Jetzt aber, da er alle Macht in Händen hat und das römische Gesetz verkörpert, ist er der Ansicht, daß auch diejenigen seiner Mitbürger, die sich gegen ihn gestellt haben, als Staatsfeinde behandelt werden sollen. Sein fünfter Triumph feiert daher die Siege, die er über seine Landsleute errungen hat; als der Triumphzug zum Kapitol hinaufsteigt und ihm Legionäre voranschreiten, auf deren Schildern man den berühmten Wahl spruch »Veni, vidi, vici« lesen kann, weiß jeder in Rom, daß sich diese Worte auf Scipio, Cato und Gnaeus Pompejus beziehen. Die Demütigung der Männer, die noch vor kurzem die Tugen den und Hoffnungen der Republik versinnbildlichten, ist eine unerträgliche Beleidigung für zahlreiche Patrizierfamilien. Nie mand wagt jedoch zu protestieren, denn das Volk jubelt dem Sieger begeistert zu; er ist zu mächtig, als daß man auch nur die geringste Kritik an ihm üben könnte. Dieser fünfte Triumph soll Caesar die Alleinherrschaft bringen, mit deren Hilfe er die Welt nach seinem Belieben wird gestalten können. Die römische Öffentlichkeit hat von der Vernichtung des Gnaeus Pompejus am Abend des 20. April 45 erfahren, dem Vorabend des Tages, an dem man die Gründung der Stadt feierlich beging. Das Zusammentreffen dieser Ereignisse wurde als Zeichen des göttlichen Willens begrüßt und Caesars Name sofort mit dem Geburtstag Roms in Verbindung gebracht, »als ob Rom von ihm ein zweites Mal gegründet worden wäre«.111 Der Senat, der Caesar nacheinander zum Diktator auf ein Jahr und dann auf zehn Jahre ernannt hat, verleiht ihm jetzt die Vollmachten des Diktators auf Lebenszeit. Eine Abschrift dieses Senatsbeschlusses wird ihm am 14. Februar 44 unter großem Aufwand überreicht. Die Befugnisse, die ihm damit übertragen werden, übertreffen alles bisher Dagewesene. Als ›Imperator per petuus‹ befiehlt er allen Legionen und allen Magistraten, die jetzt nur noch nach seinen Auspizien und als seine Stellvertreter han deln. Er ernennt und beaufsichtigt die Konsuln, die Quästoren und
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die Statthalter der Provinzen. Mit der Gewalt eines Tribunen aus gestattet, hat er die Gesetzgebungsinitiative und verfügt zudem über das entscheidende Vetorecht; damit steht er über den Volkstri bunen, die ihr Recht des ›intercessio‹ verlieren und sich bei seinem Erscheinen erheben müssen. Er kontrolliert auch die Senatoren, die sich seiner Meinung unterordnen müssen und ihm von nun an, »ihre Anwesenheit vor seiner erhabenen Person demütigend«, ste hend ihre Beschlüsse unterbreiten. Caesar empfängt sie vor dem Venustempel auf einem goldenen Sitz, der eher einem Thron als einem kurulischen Stuhl ähnelt. »Als Diktator auf Lebenszeit wird er so bis zu seinem Tode herrschen, es sei denn, er teilt sein ›Impe rium‹ rechtzeitig mit dem, der allein auf Grund dieser Tatsache seine Nachfolge antreten wird.«112 Zwar hat der Sieger von Pharsalos stets eine außergewöhnliche Vitalität gezeigt, aber es scheint, als habe sein Denken seit seiner Ankunft in Alexandreia eine neue Macht und Weite gewonnen. Das Werk, das er seit seiner Rückkehr nach Rom vollbracht hat, ist erstaunlich und wäre zweifellos noch erstaunlicher, wenn er es nicht wegen des Krieges in Spanien hätte unterbrechen müssen. »Niemals und nirgendwo ist in so kurzer Zeit etwas Nützlicheres und Beständigeres geschaffen worden«, sagt Warde Fowler. Die Maßnahmen, die Caesar trifft, bilden ein zusammenhäng endes Ganzes, und wir können hier nur auf einige dieser Neuerun gen ausführlicher eingehen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Caesars zwei wesentlichen Zielen stehen: dem Krieg gegen die Parther und der Eroberung des Orients. Schon vor seiner Rückkehr aus Spanien hat Caesar seinen Freunden versichert, daß er erst gegen die Parther ziehen würde, »nachdem er seine Machtbefugnisse den Erfordernissen dieses Unternehmens angepaßt habe, ›illum scibere se, nisi constitutis rebus, iturum in Parthos‹«.ll3 Man sieht, daß er seine Absichten keinesfalls geheimgehalten und diesen Feldzug als bedeutendes Unternehmen betrachtet hat. Aber erst, wenn man einige seiner vorbereitenden Maßnahmen kennt, erfaßt man die Idee, die dahintersteckt, und die Bedeutung, die Caesar diesem Unternehmen geben wollte.
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XLII
Zunächst bemüht sich Caesar, den geistigen Horizont seiner Lands leute zu erweitern, die nur zu geneigt sind, die fünfhundert Hektar innerhalb der Servianischen Mauer als Beginn und Ende der zivili sierten Welt zu betrachten.114 Caesar möchte dem römischen Staat einen Sinn für Kultur ver mitteln, den dieser bisher nicht besitzt, und die Ewige Stadt zum Mittelpunkt der Wissenschaft machen. Nach seinem Studium in Rhodos und Besuchen in Athen hatte Caesar mit Interesse den Gelehrten des ›Museion‹ in Alexandreia zugehört und festgestellt, daß die größten Geister seiner Zeit weit von Rom lebten und lehr ten. Nun versucht er, sie nach Rom zu ziehen, indem er den Mathe matikern, Medizinern, Philosophen, Rhetoren und Grammatikern, die sich hier niederlassen, das römische Bürgerrecht und alle damit verbundenen Vorteile gewährt. Um ihnen den Unterricht zu erleichtern und die römische Jugend zum Lernen anzuregen, stellt er Hörsäle in der Säulenhalle des neuen Forums zur Verfügung, das gerade errichtet wird.115 Um ein eigenes ›Museion‹ zu haben, legt Caesar den Grundstein für die älteste öffentliche Bibliothek Roms und beauftragt Asinius Pollionus mit der Fertigstellung. Er gibt sogar den Büchern eine neue Form, um sie anziehender und leichter lesbar zu machen. Bisher wurden die römischen Texte auf Pergamentrollen geschrieben, was ein flüssiges Lesen ziemlich erschwert; Caesar ersetzt nun die Rolle — oder ›volumen‹ – durch den ›codex‹, ein Bündel aufeinandergelegter Papyrusblätter, die an einer Seite zusammengeheftet sind, ein Verfahren, das er von Alex andreia her kennt. Man kann die Bedeutung dieser Neuerung für die Verbreitung der Kultur nicht hoch genug einschätzen!116 Auch auf dem Gebiet des religiösen Glaubens regt Caesar manche neue Entwicklung an. Um den engen Rahmen der tradi tionellen Religion zu sprengen, fördert er die Übernahme fremder Kulte in Rom, deren Reichtum er während seines Aufenthaltes in Ägypten kennengelernt hat. Das leerwerdende offizielle römische Pantheon füllt er wieder, indem er die Anziehungskraft, die der ori
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entalische Mystizismus auf viele Römer ausübt, zu Hilfe nimmt. So führt er nicht nur den Orphismus, den Pythagorismus und zahlrei che ›Mysterien‹ ägyptischen, syrischen und persischen Ursprungs in Italien ein,117 sondern begünstigt in seiner Eigenschaft als Censor auch die Kulte der Isis, des Mithras, der Kybele und des Diony sos.118 Während also im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrech nung die römischen Gottheiten langsam nach Osten wanderten, strömen nun die orientalischen Religionen nach Rom, wo sie der christlichen Offenbarung den Weg ebnen. Aber Caesar macht sich auch darüber Gedanken, was Rom dem Orient bringen kann. Er weiß, daß es nicht genügt, als Eroberer dort aufzutreten, sondern er wird auch Gesetzgeber sein müssen. Alexander ist im Namen der menschlichen Verbrüderung nach Asien gezogen; er, Caesar, will dort im Namen der Gleichheit aller Völker vor dem erhabenen Gesetz eingreifen. Der Grieche war von einer unbezwingbaren Begeisterung getrieben worden, die sich in den Dienst philosophischer Werte stellte; der Römer gleicht einem nüchtern planenden Architekten, der die Einheit der Mensch heit durch die Schaffung gemeinsamer Institutionen anstrebt. Seine Absicht läßt sich deutlich an zwei seiner entscheidendsten Maßnahmen ablesen: der Reform des Geldsystems und der Neu ordnung des Kalenders. Bei seinen Feldzügen hat Caesar fest stellen können, daß der Austausch zwischen den Völkern unter den verschiedenen Währungssystemen litt und sie voneinander trennte. »Um überall die Beziehungen zwischen den Menschen zu erleichtern und sie durch einen regeren Handel einander näherzubringen«,119 beschließt der Imperator, diese Schranken abzubauen. Er läßt regelmäßig Goldmünzen schlagen und setzt ihr unveränderliches Gewicht auf ein Vierzigstel des römischen Pfun des (8,21 Gramm) fest. Dann verfügt er durch Gesetz, daß dieser ›aureus‹ den gleichen Wert wie fünfundzwanzig Silbermünzen haben soll. Dank seines stets gleichbleibenden Wertes wird das römische Geld sehr bald allen anderen Währungen vorgezogen, ohne daß es seine Austauschbarkeit gegen örtliches Geld verliert. Caesar will mit dieser Maßnahme ein zweifaches Ziel erreichen:
Kleopatra VII. Zeitgen. Büste (British Museum)
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den inneren Frieden durch die Stabilisierung der Preise und den äußeren Frieden durch die Ausweitung des Handels. Doch Caesar verläßt sich nicht nur auf eine Geldreform, um die verstreut lebenden und ungleichen Völker zu einigen; er will, daß alle menschlichen Handlungen in einem selben Rhythmus ablaufen und ordnet daher den Kalender neu. Statt der bisherigen Mondoder Mond-Sonnen-Systeme führt er das julianische Jahr von dreihundertfünfundsechzig Tagen ein. Diese Reform, die sich auf die Beobachtung des Kosmos stützt, ist eine ebenso beständige Schöpfung wie der Kosmos selbst. »Sie hat einen unschätzbaren Gewinn gebracht«, sagt Carcopino. »Indem sie zum ersten Mal die Gegenwart durch eine feste und fortlaufende Beziehung zwischen den Jahren der Jahrhunderte mit der Vergangenheit verbindet, hat diese Neuordnung den Menschen, die sich nach ihr richteten, ein so logisches und klares Zeitmaß gegeben, daß sie den ersten Ansatz zu einer sprachlichen Gemeinschaft und geistigen Solidarität dar stellt.«120
XLIII Gleichzeitig führt Caesar zielstrebig seine militärischen Vorberei tungen fort. Dieses Mal wird er sich nicht wie früher mit Kontin genten begnügen, deren zahlenmäßige Unterlegenheit ihn oft zum Stellungskrieg verurteilte. Dieser nächste und äußerst bedeutende Feldzug soll mit einem schnellen und sicheren Sieg enden, und so stellt er eines der größten Heere auf, die das Altertum gekannt hat. Die ersten Gerüchte über dieses Vorhaben waren nach dem Sieg von Munda nach Rom gedrungen, und Cicero berichtet Atti cus in einem Brief vom 28. Mai darüber. Laut Sueton rechnet Caesar damit, im Frühjahr 44 mit den Operationen beginnen zu können. Von Apollonia in Albanien aus, das bereits zu einem befe stigten Heerlager ausgebaut wurde, wird er zunächst Transsil vanien unterwerfen, dann den Balkan, Anatolien und Armenien durchqueren, Persien angreifen, die arsakidischen Heere schlagen, die Parther aus Babylonien vertreiben, um dann bis zum Kaspi
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schen Meer und zum Oxos vorzustoßen.121 In den letzten Monaten des Jahres 45 beschleunigt Caesar seine Vorbereitungen. Während er sich die Unterstützung der Fürsten des Bosporos und Pontos sichert – wo er bereits Mithridates von Pergamon eingesetzt hat, der ihm den Weg nach Asien offenhält —, stellt er neunundzwan zig Legionen auf und rekrutiert dreißigtausend Reiter, die zusam men hundertachtzigtausend Mann darstellen, wozu eine ebenso zahlreiche Hilfstruppe kommt. Schon werden in Apollonia Vorräte gestapelt und liegen in Rhodos und Alexandreia Flotten bereit. Doch Caesar zögert noch, das Zeichen zum Beginn des Feldzuges zu geben, denn ihn beschäftigt ein letztes Problem. Es geht ihm nämlich nicht nur darum, die Parther zu besiegen, sondern sie auch in das ›Imperium‹ einzugliedern; aber um das zu erreichen, muß Caesar mit der Königswürde ausgestattet sein. Auf diesen Punkt kommt Kleopatra immer wieder zurück; sie sagt ihm wieder und wieder im Lauf ihrer Gespräche, daß er Per sien nur wiedererobern könne, wenn er als ›Basileus‹ und nicht als einfacher Bürger in Babylon einziehe. Sie erinnert ihn an die Prophezeiung der Sibylle, daß »die Parther nur von einem König besiegt werden würden«. Caesar wird diese Völker nur überwinden können, wenn er an ihre Lehnstreue gegenüber dem Herrscher und an ihren Glauben appelliert, daß ein göttlicher Geist in ihm sei. Und für Caesar ist die Herrschaft über Persien doppelt wichtig; erstens »um nach zehn Jahren den Tod des Crassus und die Erobe rung der Legionsadler vor den Mauern von Karrhai zu rächen« (dieses Argument wird er seinen Landsleuten gegenüber anführen), und zweitens, »um den ›Orbis romanus‹ zu kosmischer Vollkom menheit zu bringen«.122 Dieses aber setzt voraus, daß Caesar, noch bevor er den Par thern gegenübertritt, mit dem Gottkönigtum belehnt wird, denn je unbestreitbarer seine Erhabenheit ist, desto eher werden die Perser bereit sein, ihn anzuerkennen. ›Imperator‹ sind schon andere vor ihm gewesen, wenn auch nur auf begrenzte Zeit; ›Divus‹ ist er bereits. Doch in einer poly theistischen Gesellschaft kann es mehrere vergöttlichte Menschen
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geben; Caesar aber will einen Titel, der seine absolute Einmalig keit verkündet, und dieser Titel ist der des ›Rex‹, des ›Autocrator‹. Ihn muß er sich noch vor Beginn des Feldzuges verleihen lassen, denn er ist zugleich das Unterpfand für seinen Erfolg und der unerläßliche Schlußstein beim Bau seiner Universalmonarchie.123
XLIV »Zwei Dinge beherrschen von nun an sein Denken«, sagt Sueton, »sich zum König ausrufen zu lassen und die Parther zu besiegen.« Doch zum ersten Mal scheint Caesar zu zögern. Welchen dieser beiden Schritte muß er zuerst tun? Im Krieg ist die Schnelligkeit eine der Voraussetzungen für den Erfolg, aber die Politik erfor dert ein bedächtiges Vorgehen. Ist die öffentliche Meinung Roms für die Ausrufung der Monarchie reif? Caesar fürchtet zwar keine ungünstige Reaktion des Volkes, das ihm für die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und die Befreiung von den drückendsten Schulden dankbar ist. Aber die Patrizierfamilien, die kleine Gruppe unversöhnlicher Senatoren? Solange er seine Macht nicht aus spielte, hat der Senat ihm alles verweigert; erst Caesar, dem Sieger, hat er sich gebeugt. Dieser Umschwung hat sich zu plötzlich voll zogen, um aufrichtig zu sein. Wäre es daher nicht klüger, zuerst die Parther zu besiegen und dann nach Rom zurückzukehren, um sich die Königskrone aufs Haupt setzen zu lassen, die ihm dann niemand mehr streitig machen würde? Übrigens wäre es auch unsinnig, sich von einer Versammlung von alten Schwätzern den Königstitel ›verleihen‹ zu lassen! Die absolute Souveränität kann ihm von niemandem ›gewährt‹ werden; sie ist ein Zeichen göttlicher Auserwählung, ein heiliges Recht. Daß Caesar den anderen Men schen überlegen ist, hat er bereits oft genug sowohl auf dem Schlachtfeld als auch auf dem Forum bewiesen. Und ist es nicht ein Zeichen göttlicher Gunst, wenn er der Ungnade Sullas, dem Haß der Senatoren, den Machtkämpfen der Triumvirn, all den Fallen, die seine Feinde ihm ständig gestellt haben, entkommen ist? Sein Leben war »ein Wunder an Erfolg«.124 Ist das nicht Beweis genug
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für die Menschen, daß göttlicher Geist ihn bewegt? Aber seine Landsleute scheinen keineswegs davon überzeugt zu sein ... Seit seiner Rückkehr aus Alexandreia hat Caesar das Gefühl, in Rom ersticken zu müssen. Seit er die Säulengänge aus weißem Marmor und die breiten geraden Straßen der ägyptischen Hauptstadt gese hen hat, kommt ihm die Stadt des Romulus wie ein unwürdiges Dorf vor. Sie ist planlos gewachsen; er schämt sich ihrer schmut zigen Straßen, wo Rinder frei herumlaufen, er schämt sich des schlecht gepflasterten Forums, der mit Rundziegeln gedeckten Backsteinhütten. Ist es ein Wunder, wenn die Römer in einer sol chen Umgebung hoffnungslos provinzlerisch sind? So wie er sich bemüht, den geistigen Horizont seiner Mitbürger zu erweitern, möchte Caesar ihre Stadt luftig und großzügig gestalten mit Hilfe eines umfassenden Bau- und Verschönerungsprogramms, von dem uns die ›Lex Julia‹ einen Überblick gibt.125 Wenn der Sieger über Pompejus den Eindruck hat, daß Rom kleiner sei, als er in seiner Jugend geglaubt hat, so erklärt es sich daher, daß er inzwischen den weitläufigen Orient kennengelernt und sich bei dieser Berührung gewandelt und bereichert hat. Ohne Zweifel ist das zum Teil dem Einfluß Kleopatras zuzuschreiben; indem sie ihm neue, ungeahnte Horizonte eröffnete, hat sie die Lokalpolitik in seinen Augen entwertet. Früher begeisterte sich Caesar für die Parteienkämpfe auf dem Forum, für die Rede schlachten im Senat; jetzt erscheinen ihm diese städtischen Ange legenheiten lächerlich und kleinlich. Die sieben Hügel können nicht das Universum für einen Mann bedeuten, dessen Blick den weiten Raum zwischen Rhein und Euphrat umfaßt... Seine Gegner behaupten sogar, daß er daran denke, die Hauptstadt des Reiches nach Ilion oder Alexandreia zu verlegen, so fremd ist er seiner ursprünglichen Umgebung geworden. Aber es ist wenig wahr scheinlich, daß Caesar diesen Plan hatte;126 sicher dagegen ist, daß er der Verständnislosigkeit seiner Landsleute mit wachsender Ver achtung begegnete. Wie viele unter ihnen ermessen die ganze Bedeutung der Gebiete, die er dem Staat eingebracht hat? Wer erfaßt das Beson
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dere dieser Revolution, die sich im Augenblick vollzieht? Zweifellos nur sehr wenige, denn nicht nur unterstützt ihn niemand, es bil ligt sie auch keiner. Selbst Cicero – der Intelligenteste unter seinen Zeitgenossen – kritisiert ihn bei jeder Gelegenheit; zu Caesars Kalenderreform bemerkt er spöttisch, daß er »selbst die Gestirne zwingen will, entsprechend seinen Anordnungen aufzugehen«. So entfernt sich Caesar allmählich immer mehr von seinen Mitbürgern. Wie in Gedanken verloren hört er teilnahmslos ihren Reden zu und antwortet nur einsilbig auf die Fragen, die man ihm stellt. Ist es Interesselosigkeit oder Verachtung? Man könnte meinen, daß Caesar seit seinem Aufenthalt in Ägypten kein Römer mehr sei... Die Römer ihrerseits erkennen ›ihren‹ Caesar nicht mehr. Wo sind seine Vertraulichkeit und seine Schlagfertig keit? Er, der wie kein anderer die geheimsten Gedanken seiner Gesprächspartner erraten und die geringsten Schwankungen der öffentlichen Meinung erfassen konnte, scheint jetzt eine Unge schicklichkeit nach der anderen zu begehen. Ist er sich denn nicht über die bedauerliche Wirkung klar, die sein letzter Triumph auf die Römer gehabt hat? Warum hat er so demonstrativ auf seinen Sieg über die anderen römischen Feldherrn hingewiesen? Wenn man ihn daraufhin anspricht, schweigt er oder braust auf. Seine Freunde wundern sich über sein hochmütiges Schweigen, und seine Feinde über seine Launenhaftigkeit und Ungeduld. »Man hat Caesar verändert!« – diesen Ruf hört man immer öfter unter dem Volk. Und die Antwort ist einstimmig: »Die ägyptische Hexe, die Hure aus Alexandreia hat es getan! Sie hat ihm einen jener orientalischen Liebestränke eingeflößt. Wenn nur ihre Nase etwas kürzer wäre – Caesar würde ihren Zauberkünsten nicht erlegen sein! Nun liegt sie wie eine Schlange in den Transtiberischen Gärten auf der Lauer. Heißt es nicht, sie hätte sich geschworen, Königin von Rom zu werden, auf einem gol denen Thron auf dem Kapitol zu sitzen und die Senatoren zu zwin gen, ihr die Füße zu küssen? Wie lange soll die Stadt des Romulus diese Schande noch ertragen? Worauf wartet man, um sie zu ver treiben?« Es ist wahr, daß Kleopatra Caesar verändert hat; indem
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sie ihn drängte, das Erbe Alexanders zu beanspruchen und ihn auf die Macht des Gottkönigtums hinwies, hat sie ihn allmählich für die Republik zu groß gemacht. Und gleichzeitig sind die Römer für Caesar zu klein geworden, zu klein, um die Gedanken zu verstehen, die ihn erfüllen. Auf der einen Seite die erdrückende Überlegenheit des Diktators, auf der anderen der enge Chauvinis mus seiner Landsleute – das kann nur zu einer wachsenden Span nung führen, einer Anhäufung von Haß, der schließlich offen aus brechen wird.
XLV Das Drama beginnt mit einem anscheinend unbedeutenden Zwi schenfall. Ein Caesar-Standbild aus Gold ist auf der Rostra aufge stellt worden. Eines Morgens trägt es ein Diadem mit einem weißen Band, dem Symbol der Königswürde. Zwei Volkstribunen, C. Epi dius Marullus und L. Caesitius Flavus, befehlen sofort, »dieses verabscheuenswürdige Zeichen zu entfernen und fortzuwerfen«; sie erklären, daß sie damit »den Ruf Caesars gegen die Umtriebe bezahlter Aufwiegler schützen wollen, die sein Ansehen bei der Bevölkerung herabsetzen wollten«.127 Caesar muß sich ihrem Spruch wohl oder übel beugen. Ein zweiter Zwischenfall ereignet sich kurz danach während der Latinischen Festspiele. Caesar nimmt von der Höhe der Alba ner Berge daran teil, in eine Purpurchlamys gekleidet und an den Füßen die hohen roten Kothurne, die früher das Zeichen der Königswürde waren. Nach Beendigung der Festspiele (26. Januar 44) kehrt er nach Rom zurück, auf einem weißen Pferd reitend und von einem Prunk umgeben, der den der Tarquinier noch übertrifft. Bei seinem Eintritt in die Stadt rufen ihm einige in der Menge verstreute Stimmungmacher zu und begrüßen ihn mit der Anrede ›Rex...‹ Sofort erhebt sich von allen Seiten feindseliges Murren, und die Demonstranten schweigen verwirrt, als sie keine Unterstützung finden. Caesar rettet die Situation, indem er mit überlegener Unge
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zwungenheit bemerkt, »er nenne sich Caesar und nicht Rex«.128 Sehr viel schwerwiegender ist der dritte Vorfall, der sich anläßlich der Luperealien (15. Februar) ereignet. Caesar nimmt wie bei den Latinischen Festspielen in königlicher Aufmachung daran teil, auf einem goldenen Sitz in der Mitte der Tribüne thronend, an der die von Antonius geführte Prozession vorbeiziehen wird. Antonius ist gerade zum Konsul erhoben worden, und den ›Imperator‹ umringen die hohen Würdenträger des Staates: Lepidus, der Antonius’ Nach folge als Magister Equitum angetreten hat, sowie die Prätoren, Ädilen und amtierenden Magistrate. In dem Augenblick, wo das Kollegium der julianischen Priester129 vor der Tribüne ankommt, heben sie einen der Ihren namens Lici nius hoch, und er legt einen Lorbeerkranz, dessen Blätter mit dem weißen Band des Königsdiadems verschlungen sind, zu Caesars Füßen nieder. Als hätten sie auf dieses Signal gewartet, brechen die Zuschauer in den ersten Rängen in Beifallsrufe aus; durch diese Zustimmung ermutigt, klettert Licinius auf die Tribüne, hebt den Kranz vom Boden auf und setzt ihn auf Caesars Haupt. Der ›Imperator‹ protestiert und bittet Lepidus, ihn von diesem unpas senden Hoheitszeichen zu befreien. Doch der Magister Equitum tut, als hätte er es nicht gehört, und so ruht das Königsband einen Augenblick auf der Stirn des Diktators. Wird das Unternehmen gelingen? Jeder hält den Atem an und hebt sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, was geschieht... Jetzt nimmt Cassius, der in seiner Eigenschaft als Prätor an den Feier lichkeiten teilnimmt, mit entschlossener Hand den Kranz von Cae sars Haupt und legt ihn auf seine Knie. Ein Teil der Zuschauer klatscht Beifall. In diesem Augenblick erscheint Antonius,130 der als Konsul Cas sius übergeordnet ist. Er nimmt den Kranz und setzt ihn Caesar wieder aufs Haupt. Die Menge schweigt; Caesar nimmt das Diadem wieder ab und wirft es unter die Zuschauer. Will er damit bedeuten, daß dem Volk die Souveränität gehört? Die erstaunten Römer sind in zwei Parteien geteilt: Die eine in den hinteren Reihen der Ver sammlung äußert ihre Zustimmung, die andere in der ersten Reihe
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ruft ihm zu: »Caesar, Du hast nicht das Recht, das Geschenk des römischen Volkes zurückzuweisen!« Bei diesen Worten tritt Antonius noch einmal vor und setzt die Krone zum dritten Mal auf Caesars Haupt. In den ersten Rängen erhebt sich daraufhin lebhafter Beifall: »Heil Dir, o König!« Rufe der Mißbilligung aus den hintersten Reihen übertönen diese Worte, und Caesar fühlt, daß der Plan gescheitert ist. Auf jeden Fall würde ihm der beschmutzte Kranz nun nicht mehr zusa gen, und wie immer zieht er sich geschickt aus der Affäre: »Nehmt diesen Kranz und bringt ihn zum Tempel des Jupiter, wo er eher am Platz ist als auf meinem Haupt!« Und den Schreibern trägt er auf, die folgende Inschrift darauf anzubringen: »Als das Volk ihm die Königswürde durch die Hand des Konsuls anbot, hat Caesar abgelehnt.« »Während die hinteren Ränge ihren Beifall äußern«, sagt Nico las de Damas, »küßt Antonius Caesar, und die Zuschauer, denen der Konsul das Diadem übergeben hat, tragen es nicht zum Tempel des Jupiter, sondern setzen es dem Standbild Caesars vor der Rostra auf«131 – was keinesfalls dem Willen des Diktators ent spricht. Caesars Feinde in der Menge haben diese Vorgänge mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Jetzt kann kein Zweifel mehr daran bestehen: Die dreimalige, wenn auch mißglückte Krönung beweist, daß der Sieger über Pompejus die Monarchie anstrebt. Wird man diese ungeheuerliche Schmähung der Republik dulden? Dieser Tag wäre der finsterste in der gesamten Geschichte Roms ... Wie aber kann man Caesar daran hindern? Er ist so mächtig, daß man ihn nicht stürzen kann. Es gibt also nur eine Lösung – ihn ermorden, bevor er seinen Plan verwirklicht hat. Aber es wird nicht einfach sein, Caesar zu ermorden, denn der Diktator ist ständig bewacht. Die Tat kann nur gelingen, wenn ein Mitglied seiner nächsten Umgebung sie ausführt, jemand, der sich dem ›Imperator‹, ohne Verdacht zu erregen, nähern kann; auch muß der Mörder mutig genug sein, mit sicherer Hand zuzustoßen, denn wenn das Attentat mißlingt, wird Caesar schreckliche Rache üben ... Die Senatoren wenden sich dem einzigen Mann zu, der
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alle nötigen Voraussetzungen zu vereinen scheint: Marcus Junius Brutus, der junge Mann, dem Caesar stets mit väterlicher Zunei gung begegnet ist, den er in Pharsalos begnadigte und kurz darauf zum Statthalter von Gallia Cisalpina ernannte und dem er gerade als Beweis seines Vertrauens das Amt des Stadtprätors übertragen hat (1. Januar 44).
XLVI Caesar hat beschlossen, am 18. März 44 Rom zu verlassen, um sich zu seinen Truppen zu begeben; man muß ihn also vor diesem Datum umbringen. Der Diktator hat den Senat für den 15. März einberufen; die Sitzung soll in einem Saal unter dem Säulengang des PompejusTheaters am Rand des Marsfeldes stattfinden. Es wird wohl das letzte Mal sein, daß Caesar vor Beginn seines Feldzuges in der Öffentlichkeit erscheint, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird er diese Gelegenheit ergreifen, um die Versammlung zu bitten, ihn zum König auszurufen. Diese Umstände bestimmen die Wahl der Verschwörer: Sie werden den ›Imperator‹ am 15. März während der Senatssitzung ermorden. »So wird der Überfall nicht als Verbrechen erscheinen«, sagt Appian, »sondern als Beweis der Treue zur Republik, und die Senatoren, die dem Mord als Zeugen beiwohnen, werden ihn eiligst legalisieren, indem sie sich damit solidarisch erklären, so wie es bei der Ermordung des Romulus geschehen war«. Caesars Informanten haben ihn gewarnt, daß eine Verschwörung gegen ihn im Gange sei; sie haben ihm sogar eine Liste der Verschwörer vorgelegt, auf welcher der Name des Brutus an vorderster Stelle steht. Aber Caesar nimmt diese Nachricht mit ungläubigem Lächeln auf: »Brutus? Er wird warten, bis dieser alte Körper von selbst aufgebraucht ist!« Caesars Verdacht richtet sich vielmehr auf Cassius, dessen Ver halten bei den Lupercalien höchst verdächtig war. Sein Gefühl täuscht ihn nicht: Cassius ist tatsächlich die Haupttriebfeder der
Der jüngere M. Brutus (?), Senatorenpalast, Rom
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Verschwörung. Da er sich aber nicht Manns genug fühlt, selbst die Ausführung zu übernehmen, hat er sich an seinen Schwager Brutus gewandt, damit er die Rolle des Richters übernehme. Marcus Junius ist ein verschlossener junger Mann, der sich der Wissenschaft verschrieben hat und stets von Zweifeln gequält ist. Er ist zwischen gegensätzlichen Gefühlen hin- und hergerissen, so daß er einen willen- und entschlußlosen Eindruck macht. Aber die jenigen, die ihn kennen, wissen, daß er von einer inneren Leiden schaft verzehrt wird. Bisher hat er niemals gegen Caesar Partei ergriffen; er scheint sogar Dankbarkeit für seinen Wohltäter empfunden zu haben. Aber im Laufe der Zeit haben sich seine Gefühle Caesar gegenüber in Haß verwandelt; Brutus fühlt sich durch Caesars Fehler wie durch seine Fähigkeiten abgestoßen. Caesars Stolz, seine Nachsicht, seine Großmut, sein Genie – alles das macht ihn wütend – und vor allem seine Verachtung für die Republik und seine unverhüllte Absicht, König zu werden! Brutus’ innere Zerrissenheit erklärt sich ebenso durch seine Herkunft wie durch seine Familienverbindungen. Als Sohn der Ser vilia, die Caesar in seiner Jugend geliebt hat, und des Junius Brutus, der im Jahr 77 von Pompejus kaltblütig ermordet wurde (was den Sohn in Caesars Lager hätte treiben müssen), ist er auch der Schwiegersohn Catos von Utica, dessen Tochter Porcia er geheiratet hat. Cato aber ist seit seinem Tod zum Symbol der republikanischen Tugenden geworden; außerdem stammt Brutus in direkter Linie von Marcus Brutus, der die Tarquinier vertrieben hat, und von Servilius Ahala ab, der das Volk von dem Tyrannen Spaeius Maelius befreit hatte. Müssen ihm diese berühmten Vor fahren nicht sein Verhalten diktieren? Seine Untätigkeit quält ihn und läßt ihm um so weniger Ruhe, als unbekannte Hände immer wieder Zettel mit den Worten: »Du schläfst, Brutus!« an seinen Richterstuhl kleben. Trotzdem zögert Brutus noch, als Cassius ihn aufsucht, um ihm sein Vorhaben mitzuteilen. Als Cassius ihn fragt, was er am 15. März zu tun gedenke, antwortet Marcus Junius nur, daß er
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nicht zur Senatssitzung gehen werde; das heißt, daß er sich Cae sars Absichten nur durch stillschweigende Enthaltung widerset zen wird.132 Cassius tadelt seine Passivität. Was würden seine Vor fahren denken, wenn sie sähen, daß er seiner Pflicht ausweicht? Weiß er denn nicht, daß Caesar ihn dazu zwingen kann, an der Sit zung teilzunehmen, weil er Prätor ist? »In dem Fall«, antwortet Brutus, »wird es meine Pflicht sein, ent schieden gegen Caesars Ansprüche zu protestieren und eher zu sterben, als die Freiheit untergehen zu sehen!« Cassius, der weiß, wie leicht beeinflußbar sein Schwager ist, drängt ihn, seine abwartende Haltung aufzugeben. Er beschwört ihn, diese Gelegenheit zur Rettung der Republik nicht vorübergehen zu lassen; jahrhundertelang würde man von seiner großen Tat sprechen. Lange sträubt sich Brutus, ehe er schließlich einwilligt, die Führung der Verschwörung zu übernehmen. Dann aber ver schreibt er sich voll und ganz der Sache und bestätigt damit Cae sars Urteil: »Brutus weiß nicht genau, was er will, aber wenn er einmal etwas will, so will er es um jeden Preis.« Unter Brutus’ Schirmherrschaft kann Cassius zahlreiche andere Helfer finden: Decimus Brutus, Tullius Cimber, Casca, Trebonius. Bald umfaßt die Gruppe sechzig Männer, von denen dreiundzwan zig unmittelbar an der Ausführung der Tat beteiligt sein werden. Zu dem Kreis der Verschwörer gehören Männer von verschieden sten Anschauungen und Herkommen: ehrgeizige Opportunisten, begnadigte Pompejaner, Parteigänger Caesars, die über seine Pläne entsetzt sind, und sogar ehemalige Offiziere des Diktators wie Tre bonius und Decimus Brutus133. Ihnen allen aber gemeinsam sind die Befürchtungen, die sie im Hinblick auf den Feldzug gegen die Parther hegen. Denn es wird entweder das eine oder das andere geschehen: Entweder wird Caesar vernichtet, und ganz Rom muß die schrecklichen Folgen tragen, oder er wird siegen und den Orient annektieren. Damit aber sind sie nicht einverstanden; auf keinen Fall wollen sie ein kosmopolitisches Reich dulden, wo die Republik durch fremde Einflüsse verdorben und die »römische Erde orien talisiert« würde. Der Partikularismus, den sie vertreten, erlaubt
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es ihnen nicht, sich ein Reich vorzustellen, das sich vom Atlantik bis zum Indus erstreckt. Sie sehen keine Notwendigkeit dafür und auch keine Vorteile darin. Die Verschmelzung von Orient und Okzident? Die römische Zivilisation von den Legionen bis in die Gebirge tragen lassen, wo die Phalanxen Alexanders des Großen den griechischen Geist verbreitet haben? Die Menschheit auf eine höhere Stufe heben? – Das alles sind in den Augen dieser Männer gefährliche Träume; außerdem wird dieses Unternehmen zu viele Interessen schädigen und alte Gewohnheiten umstoßen. Rom wird nicht mehr das Rom ihrer Väter sein, und fremde Völker werden sich in den ›Orbis Romanus‹ drängen – diese Aussichten genügen, um die Väter des Vaterlandes mit Entsetzen zu erfüllen.
XLVII Die Iden des März nähern sich, und schon hat jeder der Verschwörer seine genaue Aufgabe zugewiesen bekommen. Decimus Brutus, der beim Diktator ein- und ausgeht, wird die Verbindung mit seinem Haus herstellen. Trebonius wird Antonius daran hindern, sich neben seinem Herrn zu halten und ihn zu schützen. Tullius Cimber wird Caesar sofort bei seiner Ankunft im Senat unter dem Vor wand ansprechen, die Begnadigung seines von Caesar verbannten Bruders zu erbitten; er wird auch das Zeichen zum Angriff geben, indem er Caesars Toga ergreift und seine Schulter entblößt. Casca wird die Ehre zuteil, Caesar den ersten Stoß zu versetzen, dann wird zum Zeichen ihrer Solidarität jeder der Verschworenen min destens einmal seinen Dolch in den Körper des Tyrannen stoßen. Die anderen Mitverschworenen, die sich vor der Sitzung überall in der Versammlung verteilt haben, werden ihre Kollegen daran hin dern, dem Opfer zu Hilfe zu eilen; im übrigen wird sich alles so schnell abwickeln, daß die Zuschauer nicht einmal Zeit zum Ein greifen haben werden... Am Abend des 14. März legt sich Caesar müde zu Bett, kann jedoch lange keinen Schlaf finden. Kaum ist er schließlich eingeschlafen, als ein plötzlicher Windstoß Türen und Fenster des Hauses erzittern läßt und ihn aus dem Schlaf reißt.
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Mondlicht erhellt den Raum. Neben ihm liegt Calpurnia in unruhi gem Schlaf; sie stöhnt und zittert, und Caesar fühlt sich seltsam benommen.134 Endlich ist es Morgen. Vor Angst zitternd, fleht Calpurnia ihn an, das Haus nicht zu verlassen, sie habe einen entsetzlichen Traum gehabt – Caesar sei ermordet in ihren Armen gelegen. Er solle zu Hause bleiben, die Senatssitzung auf einen anderen Tag ver schieben! »Wenn Du meinen Träumen nicht glaubst«, beschwört sie ihn, »so laß die Götter befragen und ordne Opfer an, die die Zukunft zeigen!« Überrascht blickt Caesar sie an; noch nie hat er seine sonst so ruhige Frau derart bewegt gesehen. Er läßt sich überreden und schickt nach den Auguren; die Seher beschauen die Eingeweide eines Huhns und erklären, daß die Zeichen ungünstig seien. Caesar läßt sie den Ritus mehrmals wiederholen, aber die Antwort ist stets dieselbe. Der ›Imperator‹ ist so unruhig, daß jetzt auch sein Leibarzt darauf besteht, „ daß er das Haus nicht verläßt. Caesar gibt nach und beauftragt Antonius, die Sitzung abzusa gen. Als Antonius das Haus verlassen will, tritt gerade Decimus Brutus ein; er erblaßt und protestiert, als er hört, daß die Senats sitzung verschoben werden soll. Er weist Caesar darauf hin, daß die Senatoren auf seinen Befehl hin einberufen worden seien: »Welche Waffe würdest Du denjenigen in die Hand geben, die Dir Deinen Ruhm neiden, wenn Du den Senatoren, die bereits ihre Plätze eingenommen haben, verkünden läßt, daß die Sitzung an einem anderen Tag stattfinden wird, wenn Calpurnia günstigere Träume gehabt hat!« Er gibt Caesar zu verstehen, daß er sich dem Spott der Senato ren aussetzen würde; es würde nicht nur heißen, daß der Diktator seiner Gemahlin hörig sei, sondern sein Entschluß würde sicher auch als beabsichtigte Beleidigung angesehen werden. »Wenn Du aber entgegen meinem Rat glaubst«, so schließt Deci mus Brutus, »diesen Tag, der Dir Unheil bringen soll, vermeiden zu müssen, so erfordert es wenigstens der Anstand, daß Du Dich selbst zum Senat begibst und die Senatoren von Deinem Wunsch,
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die Beratungen auf später zu vertagen, unterrichtest.« Mit diesen Worten nimmt er Caesar an der Hand und zieht ihn aus dem Haus. Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten wider setzt sich Caesar nicht. Er besteigt die Sänfte und läßt sich zum Marsfeld bringen. Ein griechischer Freigelassener namens Arte midoros läuft ihm nach; er ist der frühere Erzieher des Brutus, dessen Vertrauter er seither geblieben ist. Artemidoros holt die Sänfte in dem Augenblick ein, als sie vor dem Theater des Pompe jus anhält. Mit verstörter Miene reicht er Caesar einen Zettel und beschwört ihn, den Inhalt sofort zu lesen: »Lies diese Botschaft, Caesar!« stößt er atemlos hervor, »lies sie allein und sofort: Du wirst große Dinge erfahren, die Dich unmittel bar betreffen!« Caesar nimmt den Zettel und will ihn lesen, als ein Schwarm von Bittstellern ihn umringt, um ihm ihre Gesuche zu unterbreiten. Mit einer müden Handbewegung verweist er sie an einen seiner Beglei ter und beginnt die Stufen zum Säulengang hinaufzusteigen. Ob er jetzt endlich die Botschaft des Artemidoros lesen kann? Nein, denn der Augur Spurinna erwartet ihn vor dem Eingang. Der Brauch will es, daß ein Diktator, bevor er die Versammlung betritt, die Götter befragt. Vor etwa einem Monat hat Spurinna, der durch eine Indis kretion von der Verschwörung erfahren hat, Caesar in der ihm eigenen sibyllischen Ausdrucksweise davor zu warnen versucht. »Hüte Dich vor den Iden des März!« hat er ihm wiederholt zugeru fen. Jetzt wendet Caesar sich ihm zu und sagt in ironischem Ton: »Nun, die Iden des März sind da!« »Ja«, antwortet Spurinna, »aber sie sind noch nicht vorüber...« Dann öffnet er ein Huhn und untersucht die Eingeweide – sie sind ungünstig! »Das Zeichen des Todes!« verkündet der Augur mit leiser Stimme. Caesar zuckt mit den Achseln: »Auch in Munda hat man mir vor der Schlacht das Gleiche pro phezeit, und ...« »Und Du hast noch nie in Deinem Leben in einer größeren Gefahr geschwebt wie an jenem Tag!« unterbricht ihn Spurinna. Caesar
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beendet das Gespräch, das ihm lästig ist, und befiehlt, andere Opfer zu befragen. Aber ihre Eingeweide sind ebenso ungünstig wie die der anderen Opfertiere! Caesars Umgebung wird ungeduldig. Die Verschwörer fürchten, daß er kehrtmachen könne, ohne die Schwelle des Senats überschritten zu haben. Sie würden noch viel mehr Angst haben, wenn sie wüßten, was die Botschaft des Artemidoros enthält! Sie rufen ihm zu, daß die Wahrsager seine Geduld ausnutzen... Einen Augenblick zögert Caesar; da er aber fürchtet, daß man sein Zögern als Schwäche auslegen könnte, verläßt er Spurinna und seine Opfertiere und betritt mit entschlossenem Schritt den Sitzungsraum. Es ist elf Uhr vormittags. Bei seinem Erscheinen erheben sich alle Anwesenden zum Zei chen ihrer Ehrerbietung von den Sitzen. Eine kleine Gruppe von Männern geht dem Imperator entgegen; man läßt ihm kaum Zeit, sich niederzusetzen. Tullius Cimber verneigt sich vor ihm und fleht ihn an, seinen verbannten Bruder zu begnadigen. Caesar, der diese Bitte für unangebracht hält, will ihn mit einer Handbewegung ver abschieden. Aber die anderen Männer der Gruppe unterstützen Cimbers Bitte und bedrängen den ›Imperator‹ von allen Seiten. Sie ergreifen seine Hände und küssen ihm die Stirn, während sie geschickt nachfühlen, ob er sein Panzerhemd trägt. Erleichtert atmen die Verschwörer auf: Caesar hat es nicht für nötig gehalten, diese Vorsichtsmaßnahme zu treffen. Als ob er ihn ein letztes Mal flehentlich bitten wolle, zieht Cimber an Caesars Toga und entblößt seine Schulter; in diesem Augenblick stößt ihm Casca den Dolch in den Rücken. Aber seine Hand hat gezittert, und die Schneide ist vom Schulterknochen aufgefangen worden. Ohne die Selbstbeherrschung zu verlieren, dreht sich Caesar um, erkennt Casca und ruft: »Was tust Du, Schurke?« Er erhebt sich und versucht, dem Kreis der Angreifer zu ent kommen. Aber Cassius steht vor ihm und versetzt ihm einen zwei ten Stoß ins Gesicht. Das herabströmende Blut nimmt Caesar die Sicht, er weiß nicht, wohin er sich wenden soll. Plutarch beschreibt die grausige Szene:
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»Zuerst waren die Anwesenden, die nicht an der Verschwörung beteiligt waren, erstarrt vor Entsetzen und wußten nicht, ob sie fliehen oder Caesar zu Hilfe eilen sollten. Sie konnten noch nicht einmal schreien. Aber diejenigen, die sich seinen Tod geschworen hatten, umringten ihn von allen Seiten, den Dolch in der Hand; wohin er sich auch wandte, standen sie und stießen nach ihm. Er wand sich unter ihren Händen wie ein von Jägern gestelltes wildes Tier, denn die Verschwörer hatten abgemacht, daß jeder von ihnen Caesar einen Dolchstoß versetzen und sich damit an diesem Mord beteiligen sollte. Caesar versuchte sich zu wehren, taumelnd und laut schreiend, bis zu dem Augenblick, wo er Brutus mit erhobe nem Dolch erblickte. Da bedeckte er sein Haupt mit seiner Toga und stürzte nieder, und sie schleiften seinen Körper bis vor die Statue des Pompejus, deren Sockel von Blut bespritzt wurde.«135 Auf Caesars letzten Atemzug folgt ein Augenblick der Stille. Dann aber erhebt sich ein ungeheurer Lärm. Von wahnsinnigem Entsetzen erfaßt, stürzen die Senatoren mit dem Schrei »Mord! Mord!« zu den Ausgängen. Auch die Verschwörer fliehen, ihre blu tigen Dolche noch in den Händen. Der Saal ist leer. Man sieht nur noch eine blutige Spur auf dem Marmorboden und einen zusammengesunkenen Körper zu Füßen der Pompejusstatue: die Leiche des Mannes, der noch vor wenigen Stunden der Herr der Welt war. Niemand wird ihr stummes Zwiegespräch stören; niemand wagt den Sitzungssaal zu betreten. Dann wird es dunkel, die Schatten verlängern sich und hüllen die beiden Diktatoren in dasselbe Lei chentuch. Erst in der Nacht kommen drei Sklaven, um ihren toten Herrn zu holen und zu seinem Haus zu bringen. Seine Hand umschließt den Zettel, den er nicht mehr lesen konnte: die War nung des Artemidoros ...
XLVIII »Das dümmste Verbrechen der Geschichte« ist vollbracht.136 Der erste Teil des Dramas ist genau entsprechend dem Plan der
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Verschwörer abgelaufen; Caesar ist bis zur letzten Sekunde ahnungslos gewesen. Aber der zweite Teil hat ihre Berechnungen umgestoßen: Statt den Mord zu legalisieren, sind die Senatoren geflohen. In Rom hat der Tod Caesars eine schreckliche Leere hin terlassen, wie der Sturz eines Meteors einen gähnenden Krater schafft. »Sowie das Volk erfährt, was sich ereignet hat«, berichtet Plutarch, »erfüllt sich die Stadt mit Lärm und Entsetzen. Die einen schließen sich in ihre Häuser ein, die anderen verlassen ihre Werkstätten und Läden, um zum Ort des Verbrechens zu laufen.« In wenigen Augenblicken ist die ganze Bevölkerung in Bewegung, wie ein vom Sturm gepeitschtes Meer. »Man sieht nur fliehende Men schen«, schreibt Jean de Damas, »man hört nur Schreien, Weinen und Stöhnen.« Manche sagen voraus, daß die Stadt von schreck lichen Plagen heimgesucht werden würde, andere wollen sich am Theater des Pompejus versammeln, »um das Gebäude niederzu brennen, dessen Mauern Zeugen der abscheulichen Tat waren«. Aber zahlreiche Gruppen laufen mit dem Ruf durch die Straßen: »Tod dem Tyrannen! Es leben seine Mörder!« Die ganze Nacht hindurch verstecken sich die Anhänger Cae sars in ihren Häusern und wissen nicht, welches das endgültige Urteil der Menge sein wird. Aber auch die Verschwörer haben Angst; sie fürchten, umgebracht zu werden, und verschanzen sich, von einer Gruppe aufständischer Gladiatoren beschützt, auf dem Kapitol. Die tollsten Gerüchte laufen um und finden schnell Glauben bei den erhitzten Gemütern. Manche zögern nicht zu verkünden, daß Caesar ein Gott gewesen sei, daß mit seinem Tod die Achse der Welt zerbrochen sei und dem menschlichen Aufruhr übernatürliche Störungen folgen würden. Tatsächlich sieht man in der von Geschrei, Zeichen und Wundern erfüllten Nacht einen Kometen über den Himmel ziehen. Als die Sonne am nächsten Morgen auf geht, ist sie verschleiert. »Das ganze Jahr hindurch«, sagt Plut arch, »ging die Sonne stets blaß und kraftlos auf; die Luft war immer dick und nebelig, so daß die Früchte der Erde unreif blieben und vergingen, bevor noch die erste Kälte kam.«
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In den herrschenden Kreisen ist die Verwirrung nicht weniger groß. Nur Cicero jubelt. »Ich beglückwünsche mich, ich freue mich, ich will, daß Du mich liebst und mir sagst, was geschieht«, schreibt er an seinen Freund L. Minucius Basilus. Sicher hofft er, die Konsu larrepublik wiederauferstehen zu sehen und sie wie früher durch das Gewicht seines Wortes regieren zu können. Aber in der Senats sitzung, die am nächsten Tag stattfindet, läßt man ihn, sein hohes Alter als Vorwand nehmend, unberücksichtigt. Die Senatoren beraten: Soll man Caesar, dessen Offiziere noch die militärische Macht in Händen halten, verherrlichen? Oder sollte man seine Mörder offiziell beglückwünschen? Jeder schlägt eine andere Lösung vor, nur Antonius hat inmitten der allgemeinen Ver wirrung einen klaren Kopf bewahrt. Nach einigen Stunden hit ziger Debatten bringt er den Senat dazu, ein Gesetz zu verab schieden, nach dem Caesar ein feierliches Begräbnis gewährt werden soll. Die Leichenfeierlichkeiten werden am 20. März mit großem Prunk begangen. Die sterblichen Überreste des Diktators werden von Caesars Palais zum Forum gebracht, wo gegenüber der Rednertribüne ein eilig errichtetes Gerüst mit einem Baldachin aus Purpur und Gold auf sie wartet. Langsam schreitet der Leichenzug heran. Das Elfenbeinbett, auf dem der tote Imperator liegt, wird von den höchsten Magistraten der Republik getragen. Seine alten Legionäre folgen ihm in ihrer Kriegsausrüstung und mit allen ihren Feldzeichen. Eine ungeheure Menschenmenge begleitet den Zug. Als der Zug vor der Rostra anhält, verdoppeln sich die Klagerufe, und die Soldaten schlagen im Rhythmus ihre Schwerter gegen die Schilde. Man setzt ihren toten Feldherrn auf der Estrade nieder, wo er seine letzten Ehrun gen entgegennehmen wird. Antonius hält die Leichenrede. Von der Höhe der Tribüne aus betrachtet er das Meer der menschlichen Köpfe, das sich zu seinen Füßen bewegt. Seine Aufgabe ist es, den Toten zu würdigen, aber auch seine eigene Zukunft wird sich auf diesen Brettern entschei den. An diesem unvergeßlichen Tag stellt Antonius sein unver gleichliches schauspielerisches Talent unter Beweis: Er mischt
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seiner aufrichtigen Trauer dramatische Effekte bei, die um so ergreifender sind, als sie von niemand erwartet werden. Zunächst liest er die knappen Berichte vor, mit denen Caesar dem römischen Volk seine Siege angekündigt hatte. Die gewaltige Stimme des Tribuns läßt die Feldzüge des ›Imperators‹ wieder auferstehen. »Nach jedem Satz hält Antonius inne und blickt mit schmerzhaft verzerrtem Gesicht auf den entstellten Körper, der vor ihm liegt... Aber jetzt schwillt seine Stimme an. Voll Pathos erinnert Antonius an die feierlichen Eide, mit denen sich jeder Bürger ver pflichtet hatte, über die Person Caesars zu wachen, ihn unter allen Umständen zu verteidigen und den Göttern der Unterwelt diejeni gen zu schicken, die ihm nicht zur Hilfe kommen würden in der Stunde der Gefahr.«137 »Ich, o Jupiter«, ruft er mit gewaltiger Stimme, »bin bereit, Caesar zu rächen und meine Verpflichtung einzuhalten ...« Einige Senatoren unter den Zuhörern erheben Einspruch, denn sie sehen in diesen Worten einen Angriff auf ihre Versammlung, von der kein einziges Mitglied dem ›Imperator‹ zur Hilfe geeilt ist... Antonius merkt, daß er zu weit gegangen ist; er zieht sich vorsichtig zurück, indem er rasch hinzufügt: »Da der Senat beschlossen hat, den Mord Caesars nicht als Attentat, sondern als das Werk übler Geister zu betrachten, wollen wir unsere Blicke lieber auf die Gegenwart als auf die Vergan genheit richten, damit wir nicht in unsere frühere Zerrissenheit zurückfallen und die letzten unserer guten Bürger verlieren.« Anto nius bedeutet, daß er geendet habe, und fordert die Anwesenden auf, die sterblichen Überreste Caesars zum Marsfeld zu geleiten, wo ein Scheiterhaufen neben dem Grab seiner Tochter errichtet wurde. Dann steigt er langsam die Stufen der Tribüne herab. Ist der Auftritt beendet? Nein — er beginnt erst jetzt. Denn plötzlich hält Antonius inne und wendet sich um; mit verklärtem Gesicht springt er die Stufen zur Tribüne wieder hinauf und wirft sich vor Caesars Leiche nieder. Dann, als ob er einem plötzlichen Befehle gehorche, erhebt er sich und beginnt noch einmal zu sprechen. »Die Worte, die er ausstößt, sind keine zusammenhängende Rede,
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und man begreift nicht recht den Sinn seiner Äußerungen, wo sich Verwünschungen und Klagen mischen. Aber in ihrer Leidenschaft lichkeit berühren sie zutiefst die Herzen der Menge, die unter seinem Schreien, Schluchzen und Weinen erzittert. Sie berauscht sich an den Namen der eroberten Städte, der gewonnenen Schlach ten und unterworfenen Völker, die Antonius mit voller Stimme von der Höhe der Estrade auf sie herabschmettert. Ihre Ohren dröhnen vom Ruhm Caesars, den Wohltaten Caesars, der Großzügigkeit Caesars, der Nachsicht Caesars – dieser Name schwebt wie eine ewige Klage über dem Toten.«138 Die Erregung hat ihren Höhepunkt erreicht. Aber das ist noch nicht genug. Mit einer raschen Handbe wegung entblößt Antonius Caesars von Wunden bedeckten Körper und schwenkt die blutige und von Dolchstichen zerfetzte Toga. Die Menge bricht bei diesem Anblick in laute Klagerufe aus. Aber auch das genügt Antonius noch nicht, der Schmerz und Leidenschaft des Volkes auf die Spitze treiben will. Jetzt hört man Trauergesang; ein geschickt inszenierter Chor erinnert an die Undankbarkeit der Mörder. Immer mehr schwillt der Gesang an, und die Erregung der Zuhörer wächst zusehends. Und jetzt bietet sich ihnen ein schauerlicher Anblick: Caesar rich tet sich auf seinem Totenbett auf und dreht sich langsam um sich selbst, ein bleiches Antlitz und die dreiundzwanzig blutigen Wunden den Blicken preisgebend. Antonius hat in aller Heimlich keit eine Wachspuppe herstellen lassen, die von einem hinter dem Totenbett verborgenen Mechanismus bewegt wird! Größtes Entset zen erfaßt die Menge. Das ist zuviel! »Von einer Art kollektivem Wahnsinn erfaßt, stürzt das Volk sich zum Leichengerüst und will sich des toten Caesars bemächtigen. Warum? Sie weiß es viel leicht selbst nicht. Es erheben sich Stimmen, die einen Scheiter haufen für Caesar vor dem Tempel des Jupiter auf dem Kapitol fordern, aber andere wollen ihn an der Stelle einäschern, wo er den Dolchstößen seiner Mörder erlag, und gleichzeitig das gesamte Gebäude niederbrennen; wieder andere rufen das Volk gegen die Mörder auf... Mitten in diesem Lärm schleichen sich zwei ehema lige Legionäre Caesars mit brennenden Fackeln zum Totenbett und
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zünden es an.« Damit ist die Frage gelöst: Caesar wird an dieser Stelle eingeäschert. Man errichtet in aller Eile einen Scheiterhau fen. »Die Rednertribüne wird zerlegt, und ihr Holz nährt die wach sende Flamme. Man zerstört die Sitze der Richter und sucht das ganze Forum nach Brettern, Stühlen und Tischen ab. Die Estrade ist zu einer riesigen Feuersbrunst geworden; von allen Seiten drängt sich das Volk verzückt und berauscht heran. Die Frauen werfen ihren Schmuck und die heiligen Amulette ihrer Kinder in die Flammen, die Soldaten ihre Waffen, Kränze und Ehrenzeichen.«139 Sie geben Caesar das Wertvollste, was sie haben, als Sühneopfer dar, während die Flamme, die seinen Körper verzehrt, wächst und immer höher zum Himmel aufsteigt. In den Transtiberischen Gärten sieht Kleopatra auf eine Balu strade gelehnt den Schein der Flammen über dem Forum heller werden. Seit einigen Tagen ist sie in tiefe Niedergeschlagenheit versunken, die jetzt der Verzweiflung weicht. Unglückliche Kleo patra! Für sie ist alles zusammengesunken in dem schicksalhaf ten Augenblick, als der Sieger von Pharsalos sein Antlitz mit der Toga bedeckte, um die Blicke seiner Mörder nicht mehr ertragen zu müssen. Sie hat geglaubt, hellsichtig zu sein — und ist blind gewesen! Indem sie Caesar erhöht hat, indem sie ihn gedrängt hat, sich zum König ausrufen zu lassen, hat sie mit ihren eigenen Händen den Mann zerstört, der ihr Glück und ihre Hoffnung war. In Wirklichkeit ist es Kleopatra, die Caesar getötet hat. Und Brutus hat, ohne es zu ahnen, Kleopatra zu Tode getroffen ... »Tod der Fremden! Tod der Schlange vom Nil!« Feindselige Rufe erheben sich in der Nacht und nähern sich gefährlich schnell: Die entfesselte Menge strömt zu ihrer Villa, um sie niederzureißen. Kleopatra bleibt nur noch wenig Zeit zur Flucht. Sie sammelt ihr Gefolge um sich und rettet sich durch eine verborgene Tür, während der wütende Schrei, tausendfach wiederholt, zum Himmel aufsteigt: »Tod der Schlange vom Nil! Tod der Schlange vom Nil!«
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Zweiter Teil:
Antonius
I Nachdem Kleopatra in aller Eile aus den Transtiberischen Gärten geflohen ist, um der aufgebrachten Volksmenge zu entgehen, begibt sie sich mit ihrem Gefolge in Booten den Tiber abwärts nach Ostia; dort besteigt die Tochter der Ptolemäer eine ägyptische Galeere, die sofort die Anker lichtet, um sie nach Ägypten zurückzubringen. Arthur Weigall schildert uns in ergreifender Weise ihre Gefühle in den Tagen, als sie in Richtung Süden segelt. Wir erfahren von ihm, daß der Sturm der Leidenschaften und Pläne, von dem sie erfaßt ist, nicht weniger heftig ist als die Wirren, die zu dieser Zeit in Rom herrschen. »Als hätte ihr der frische Meereswind wieder Mut gegeben, segelte sie mit dem entschlossenen Wunsch, den Kampf wiederauf zunehmen, durch das Mittelmeer. Die Verzweiflung, die sie beim Tod des Diktators erfaßt hatte, war geschwunden; schon baute sie auf anderen Grundlagen ihre gescheiterten Pläne wieder auf. Caesar war tot, aber seine starke Persönlichkeit würde in seinem Sohn weiterleben. Antonius würde der Vorkämpfer des Knaben sein, denn indem er seiner Sache diente, würde er auch in seinem eigenen Interesse handeln. Die vom Diktator in Alexandreia zurückgelassenen Legionen würden ihn zweifellos unterstützen, und sie selbst würde gegen die unsichere Macht des Oktavian alle Reichtümer Ägyptens in die Waagschale werfen. Sie würde erbar mungslos Krieg führen, um den Thron zu schaffen, für den Caesar sein Leben gelassen hatte, und ihre Waffen würden sich gegen die demokratische Regierungsform richten, die der Diktator abzu schaffen versucht hatte, vielleicht auf ihre eigene Anregung hin... Caesar würde ihr von seinem zu den Gestirnen erhobenen Sitz
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aus den Weg weisen und ihren Sohn zum Ziel ihrer gemeinsamen Bestrebungen führen. Denn er war nun ein Gott unter Göttern; sieben Tagelang hatte man unter den Himmelsgestirnen einen neuen Kometen gesehen, und jeder wußte, daß es die Seele des Diktators war, die zum Himmel aufstieg. Auch jetzt war die Sonne verschleiert, als ob das Licht dieses Himmelskörpers vom Nahen des göttlichen Julius verdunkelt würde. Bevor sie Rom verließ, hatte Kleopatra die Priester und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Caesar einen ›Gott‹ nennen hören. Gewiß würde er seine Königin und göttliche Schwester nicht verlassen oder seinen Sohn für ein mittelmäßiges und unbedeutendes Schick sal bestimmen! Von seinem erhabenen Sitz aus wird er den Blitzen helfen und auf den Flügeln der Winde zu ihrer Hilfe eilen. Sie hatte also keinen Grund zu verzweifeln ... Mit dem wunderbaren Optimis mus, der für sie bezeichnend gewesen zu sein scheint, lenkte sie ihre Gedanken auf die Zukunft und stellte ihre reife Klugheit in den Dienst der Aufgaben, die sie erwarteten. Caesar hatte in Ägypten ein geniales, aber sorgloses Kind kennengelernt; jetzt war sie eine erwachsene Frau von hoher Intelligenz, mit dem Streben und dem Einfallsreichtum ihrer Rasse, und wie ihre Vorfahren bereit, ohne Schwäche und Zweifel für ihre Ziele zu kämpfen. Zudem hielt sie den Trumpf in ihren Händen: das Kind, das allen Naturgesetzen zufolge der legitime Erbe des Thrones der Welt war.«140 Wer aber ist Caesarion, dessen Name hier zum ersten Mal genannt wird und um den von nun an alle ihre Gedanken und Handlungen kreisen werden? Wir berühren hier einen wesentlichen Punkt – und dieser Punkt bleibt ein Rätsel. Die Ansichten der Historiker über dieses Kind gehen auseinan der. Für die einen ist Caesarion unbestreitbar der Sohn Caesars. Sie behaupten, daß er im Palast von Lochias empfangen worden sei und Kleopatra ihn während der Reise nach Assuan unter dem Herzen getragen habe; er sei Anfang Juli 47 in Alexandreia gebo ren worden, kurz nachdem der ›Imperator‹ nach Antiocheia auf gebrochen sei. (Das Warten auf dieses freudige Ereignis habe ihn sogar dazu bestimmt, seinen Aufenthalt in Ägypten zu verlängern.)
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Sie gründen ihre Ansicht auf zahlreiche Zeugenberichte, vor allem die Angaben Plutarchs und Ciceros. Dieser bittet auch tatsächlich seinen Freund Atticus in einem Brief vom 11. Mai 44, »ihm über die Königin und den Sohn Caesars zu berichten«. Dieser von einem so gut unterrichteten Mann wie Cicero geschriebene Satz kann wohl wörtlich genommen werden. Die Vertreter dieser These führen auch zwei andere wesentliche Tatsachen an. Erstens hat Antonius kurz nach den Iden des März dem Senat offiziell verkündet, daß Caesar »Caesarion als seinen Sohn anerkannt hat«; zweitens feier ten Antonius und Kleopatra die Volljährigkeit Caesarions Anfang April 30. Nun wurden die königlichen Prinzen im allgemeinen mit ihrem siebzehnten Lebensjahr volljährig, und das würde bedeuten, daß Caesarion tatsächlich im Jahr 47 geboren worden ist; die Ver schiebung um etwa achtzig Tage von Juli auf April erklärt sich durch die Einführung des julianischen Kalenders. Andere Historiker aber vertreten die Auffassung, daß die Geburt Caesarions nicht in das Jahr 47 fällt, sondern um den 20. April 44, d. h. nach Caesars Tod stattfand; dieser hätte ihn also nicht als seinen Sohn anerkennen können. Außerdem sei Caesarion nicht in Alexandreia, sondern in Rom empfangen worden, und zwar zu einer Zeit, als Caesar gar nicht in der Hauptstadt weilte, sondern Krieg in Spanien führte. Caesarions Vater sei nicht Caesar, son dern Antonius, der der Königin während der Abwesenheit seines Herrn lange Besuche gemacht habe. Die Verfechter dieser These stützen sich vor allem auf eine Schrift des Gaius Oppius, eines Freundes von Caesar, von dem Sueton folgendes sagt: »Caesar wil ligte ein, daß der Sohn, den Kleopatra gebar, nach ihm benannt wurde. Einige Griechen haben erklärt, daß er Caesar in seinem Gang und seiner Haltung gleiche. Antonius hat vor dem Senat bestätigt, daß Caesar ihn als seinen Sohn anerkannt habe und daß mehrere Freunde Caesars dies wüßten, darunter Gaius Matius und Gaius Oppius; der letzte aber hat, als ob die Tatsache festge stellt und bewiesen zu werden brauchte, ein Werk mit dem Titel geschrieben: ›Der, von dem Kleopatra spricht, ist nicht der Sohn Caesars‹.«
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Die Historiker beider Lager – diejenigen, die Caesarion als den Sohn Caesars betrachten, und diejenigen, für die er der Sohn des Antonius ist – haben ihren jeweiligen Standpunkt mit großem rhe torischem Aufwand vertreten; sie haben eine Unzahl von Dokumen ten mit einer Sorgfalt studiert, daß man nur erstaunt sein kann. Wenn man aber alle ihre Argumente untersucht hat, weiß man schließlich nicht mehr, wem man recht geben soll; durch die Ver legung des Geburtsdatums und die Vertauschung der Vaterschaft sind mehr Probleme entstanden, als gelöst wurden. Wenn Caesa rion der Sohn Caesars war, warum hat dann Caesar Octavianus adoptiert? Und wenn er der Sohn des Antonius war, warum hat dieser ihn niemals als seinen Sohn anerkannt? Eines geht jedenfalls aus diesem Streit hervor: Weder die einen noch die anderen scheinen die Bedeutung dessen, was auf dem Spiel stand, oder die Leidenschaften des Augenblicks genügend berücksichtigt zu haben. Für alle Feinde Caesars – und mehr noch für manche seiner Freunde wie zum Beispiel Oktavian – war es unbedingt erforderlich, die Erbansprüche Caesarions auf das Reich zu widerlegen; zu diesem Zweck war jedes Mittel gut genug und vor allem natürlich die Behauptung, er sei nicht der Sohn des ›Imperators‹. Vielleicht haben diejenigen, die seine Abstammung von Caesar bestreiten, tatsächlich recht, aber man muß anderer seits feststellen, daß zweitausend Jahre lang die Zeugnisse Plut archs141 und die Erklärungen des Antonius mehr Gewicht gehabt haben als die Unterschlagungen Suetons oder die Abstreitung des Oppius. Und Kleopatra, die es schließlich am besten wissen mußte und deren Beziehungen zu Antonius wesentlich erleichtert worden wären, wenn sie ihn davon hätte überzeugen können, daß Caesa rion sein Sohn sei? Sie hat es nicht getan, denn sie war davon überzeugt, daß Caesar in diesem Kind weiterlebte. Niemals scheint sie daran auch nur im entferntesten gezweifelt zu haben. Aus diesem Grund weigert sich Weigall, in ihr das dämonische Geschöpf zu sehen, das in seinem schillernden orientalischen Schlupfwinkel auf der Lauer liegt und einem schändlichen Betrug
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zum Sieg verhelfen will.142 Für ihn ist sie vielmehr die »Gemahlin und Witwe des mächtigen Caesar, die mutig für das Kind kämpft, das aus ihrer Liebe entstanden ist, und die versucht, durch dieses Kind Ägypten und Rom in einem Universalreich zu vereinen«.
II In Italien hat der Tod Caesars eine lange Zeit der Wirren eingelei tet. Der Senat hat zwar versucht, die Staatsgeschäfte wieder selbst in die Hand zu nehmen, aber da es ihm nicht gelungen ist, den verschiedenen Parteien seinen Willen aufzuzwingen, hat er in die Bildung eines neuen Triumvirats einwilligen müssen. Es besteht aus Oktavian, Antonius und Lepidus; Oktavian ist der Adoptivsohn Caesars, Antonius und Lepidus waren seine Offiziere. Die Macht liegt also schließlich in den Händen der prominentesten Vertreter der caesarischen Partei. Diese unerwartete Entwicklung hat die Caesarmörder in größte Verzweiflung gestürzt: Um der drohenden Verfolgung und Bestrafung zu entgehen, haben sie sich entweder versteckt oder ins Exil begeben. Brutus und Cassius sind nach Makedonien geflohen und haben dort ein neues Heer aufgestellt, um die Triumvirn zu bekämpfen. Aber Antonius und Oktavian haben sie durch Thessalien verfolgt und in der Ebene von Philippi vernichtend geschlagen (42 v.Chr.). Diese Niederlage bedeutet das Ende der republikanischen Partei: Cassius findet den Tod auf dem Schlachtfeld, und Brutus nimmt sich nach dem Beispiel Catos das Leben. Mit dem Tod der letzten der Verschwörer sind die Triumvirn nun völlig Herr der Lage. Wer sind diese Männer, die sich in die gefährliche Ehre, das Reich zu regieren, teilen? Lepidus ist der Unbedeutendste von den dreien; er scheint ein vorzeitig gealterter Mann gewesen zu sein, der bald von der Bildfläche verschwinden wird, ohne von sich reden gemacht zu haben. Oktavian dagegen ist ein noch sehr junger Mann, dessen Laufbahn gerade erst beginnt, doch nur wenige sagen ihm eine große Zukunft voraus. Ständig frierend, trägt er nur unansehnliche
Marcus Antonius (Vatikanische Sammlungen)
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Wollkleidung; sein bleiches Gesicht und die chronisch entzündeten Augen geben ihm ein sehr ungesundes Aussehen. Dazu fehlen ihm körperliche Widerstandsfähigkeit, Mut und jegliche persönliche Ausstrahlungskraft; ein leichtes Stottern macht ihn überdies zu einem schlechten Redner. Seinen Charakter muß man als hinterhältig und verschlos sen bezeichnen. Bei den Soldaten ist er nicht beliebt; das hat man deutlich nach der Schlacht bei Philippi gesehen, als die Gefange nen an den beiden siegreichen Generalen vorbeizogen: Sie grüßten Antonius mit Hochachtung, während sie gegen Oktavian Flüche ausstießen. Diese unterschiedliche Behandlung hat — zusammen mit der kaum verhüllten Tatsache, daß Oktavian nur eine unbedeu tende Rolle in den Kämpfen spielte – dazu beigetragen, Antonius zum wahren Triumphator des Tages zu machen. Für ihn bedeutet der Sieg bei Philippi ein neues Pharsalos. Vom wachsenden Ruhm des Antonius geblendet, bestimmt der Senat, daß er den Orient bereisen solle, um Gelder zu sammeln und die Autorität des Triumvirats in diesen Ländern zu festigen, während Oktavian nach Italien zurückkehren würde, um dort die Ordnung aufrechtzuerhalten. Lepidus wird zum Statthalter der afrikanischen Provinzen ernannt. Indem der Senat Antonius den größten und reichsten Teil des Reiches überträgt, zeigt er seine unausgesprochene Bevorzugung vor seinen Kollegen, die damit auf den zweiten Platz verwiesen werden. An der Spitze eines riesigen Heeres, das zum größten Teil noch von Caesar aufgestellt worden war,143 setzt der Sieger von Philippi seinen Zug durch Griechenland und Kleinasien fort und schlägt, nach einem kurzen Aufenthalt in Ephesos, sein Feldlager in Tarsos, der Hauptstadt Kilikiens, auf. Antonius ist jetzt vor allem daran interessiert, mit der Königin von Ägypten wieder Verbindung aufzunehmen.144 Aber er wird ihr nicht wie Caesar ins Garn gehen! Ganz gewiß nicht – dazu ist er viel zu gut vor ihren Künsten gewarnt worden. Er beschließt, sich nicht zu ihr zu begeben, sondern sie unter dem Vorwand, daß er einige Erklärungen von ihr erwarte, nach Tarsos kommen zu lassen. Ist es wahr, daß sie, wie behauptet wird, mit Brutus und
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Cassius nach den Iden des März zusammengetroffen ist? Stimmt es, daß sie mit den Mördern ihres Geliebten gemeinsame Sache gemacht hat? Das würde ein schlechtes Licht auf ihre wahren Gefühle werfen! Sie möge sich vor einem Gericht verantworten, dem er selbst Vorsitzen wird! Das wird ihren Stolz brechen und sie fühlen lassen, wer von ihnen beiden der Herr ist. Möge sie ihre Doppelzüngigkeit zugeben! Dann wird er, Antonius, sehen, was mit ihr zu geschehen habe... Er beauftragt einen seiner Offiziere, Quin tus Dellius, sich sofort nach Alexandreia zu begeben: »Sage Kleopatra, daß ich sie in Tarsos erwarte. Gib ihr zu ver stehen, daß ich sehr ärgerlich über sie bin und beschlossen habe, sie vor Gericht zu stellen ... Oder nein, sage es lieber nicht, sonst wird sie nicht kommen. Aber ich muß sie unbedingt sehen. Sage ihr, was du willst, aber bringe sie um jeden Preis hierher...« Dellius begibt sich unverzüglich nach Alexandreia und zum Palast von Lochias. Doch kaum hat er begonnen, Antonius’ Beschwerde vorzubringen, als ihn die Königin unterbricht: »Erklärungen?« fragt sie lachend, »es scheint mir, daß ich eher das Recht hätte, Erklärungen von ihm zu fordern! Mein Sohn Caesarion ist das legi time Kind und der Erbe Caesars; Antonius hat es selbst im Senat verkündet. Wie kommt es, daß er ihn anschließend verraten hat, indem er ein Bündnis mit Oktavian schloß?« Dellius verschlägt es bei dieser unerwarteten Reaktion die Sprache. Da er aber weiß, welche Bedeutung Antonius dem Kommen der Königin zumißt, ver sucht er sie zu besänftigen, indem er ein vorteilhaftes Bild des Triumvirn zeichnet. Er rühmt seine Großzügigkeit, seine große Tatkraft und vor allem seine ungezügelte Lebensfreude. Kleopa tra hört ihm ungeduldig zu. Seit langem kennt sie den Charakter des Antonius, denn Caesar hat oft von ihm gesprochen. Er hatte ihr seine Tapferkeit, seine angeborene Güte, aber auch seinen ungestümen und wankelmütigen Charakter geschildert; er hatte sie vor seiner Launenhaftigkeit und seiner Vorliebe für Prunk und Aufwand gewarnt. Die Königin, die ihre eigenen Informanten hat, weiß, daß Antonius mit einem Gefolge von Satyrn und Bacchan tinnen in Ephesos eingezogen ist, um die Einwohner der Stadt
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glauben zu machen, daß er ein neuer Dionysos sei. Armer Anto nius! Es bedarf ganz anderer Dinge, um sie von seinem Genie zu überzeugen... Aber genauso, wie Antonius sie sehen will, hat auch Kleopatra den Wunsch, sich Antonius zu nähern; schon seit langem hat sie ihr Auge auf diesen Mann mit dem kindlichen Gemüt und den herkulischen Kräften geworfen, dem sie ihre Interessen anvertrauen will. Aber sie wird ihm nicht mit der bewundernden Fügsamkeit folgen, wie sie es bei Caesar getan hat; dieses Mal will sie die Zügel selbst in der Hand behalten, und wenn sie sich lange bitten läßt, so deshalb, weil sie sich nicht den Anschein geben will, als folge sie Antonius’ erster Aufforderung. Im Grunde hat sich die Lage seit ihrer Begegnung mit Caesar kaum geändert. Wie damals trifft es auch heute zu, daß Orient und Okzident sich gegenseitig nötig haben. Rom – das heißt Antonius – braucht die Schätze Ägyptens, und Ägypten – das heißt Kleopatra – braucht die römischen Legionen ... Kleopatra hat nur ein Interesse: die Zukunft Caesarions. Und sie weiß, daß der Mann, der ihrem Sohn am gefährlichsten werden kann, weder Antonius noch Lepidus ist, sondern Oktavian. Für sie ist er mehr als ein Feind – ein Rivale. Im Gegensatz zum römischen Senat hütet sie sich, Oktavian jede Charakterfestigkeit abzuspre chen; sie hat hinter seinem schmalen Mund und dem kalten Blick den unerschütterlichen Willen erkannt, das höchste Amt im Staat zu erringen. Von allen einflußreichen Römern ist er daher derje nige, den sie am meisten fürchtet. Aus diesem Grund hatte sie auch mit Brutus und Cassius Verbindung aufgenommen. Caesar ist tot, und nichts wird ihn zurückbringen, aber seine Mörder sind notwendigerweise die Gegner Oktavians, und der Sturz Oktavians ist im Augenblick Kleo patras Hauptanliegen. So ist also jetzt, nachdem Brutus und Cas sius ihrerseits umgekommen sind, Antonius der einzige, der sich Oktavian in den Weg stellen kann. Kleopatras Plan ist daher sehr einfach: Man muß Antonius von Oktavian entfernen und gegen ihn aufhetzen, nicht im Namen seiner persönlichen Interessen, son dern der legitimen und anerkannten Rechte Caesarions.
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Um Antonius dazu zu bringen, ist Kleopatra bereit, ihm alle ihre Schätze zu Füßen zu legen. Aber sie hütet sich, es zu sagen; sie beschränkt sich darauf, Dellius nach einigen Augenblicken des Nachdenkens zu erklären, daß sie sich nach Tarsos begeben werde, aber nicht als Angeklagte, sondern umgeben vom Prunk einer rei senden Herrscherin. Dellius, der weiß, wie mittellos Antonius ist, widerspricht ihr nicht, im Gegenteil, er ermutigt sie: »Ihr habt von meinem Herrn nichts zu befürchten, sondern vielmehr alles zu erwarten«, versichert er ihr mit leiser Stimme. »Antonius ist menschlich, und seine Vorurteile gegen Euch werden schnell zerstreut werden. Begebt Euch nach Tarsos und nehmt alles mit, was ihm eine günstige Vorstellung von Euren Reichtümern geben kann; je größer sie ihm erscheinen, desto leichter ist er verführt. Seid wie Hera, als sie zu Zeus auf den Berg Ida stieg, um ihn einzuschläfern, damit Poseidon den Achäern zu Hilfe eilen konnte ...«145 Kleopatra ist klug genug, um zu verstehen, was dahintersteckt. Antonius will also den Herrn des Olymp spielen? Soll er es nur tun: Sie wird wie Hera ein Mittel finden, um ihn einzuschläfern...
III Kleopatra macht sich also auf den Weg, nicht um einem Genie wie Caesar zu begegnen, sondern »einem Mann, der sich nicht von anderen unterscheiden würde, wenn er nicht in einer fast unge heuerlichen Weise die Stärken und Schwächen des menschlichen Charakter verkörperte«146. Antonius hat sie beeindrucken wollen? Sie wird einen Weg finden, um ihn noch viel stärker zu beeindruk ken. Die ägyptische Flotte segelt durch das östliche Mittelmeer, an Zypern vorbei und längs der syrischen Küste, und erreicht wenige Tage später die Mündung des Kydnos. Dann begibt sie sich flußaufwärts nach Tarsos, das sich einige Meilen von der Küste entfernt am Fuß des hohen schattigen Taurus erhebt. Kurz vor der Stadt erweitert sich der Fluß zu einem See, den die Handels schiffe als Reede benutzen. Hier geht die ägyptische Flotte am
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späten Nachmittag vor Anker. Als Antonius von Kleopatras Ankunft hört, begibt er sich zum Marktplatz der Stadt, der sich in einen öffentlichen Gerichtssaal verwandelt hat. Auf der den Magistraten vorbehaltenen Tribüne erwartet er nun Kleopatra, überzeugt, daß sie sofort zu ihm eilen werde, um sich zu rechtfertigen. Statt dessen aber läuft bei der Nachricht von der Ankunft der ägyptischen Flotte die gesamte Bevölkerung zum Hafen, um sich das Schauspiel nicht entgehen zu lassen. Und man muß sagen, daß es ein außergewöhnliches Schauspiel ist! »Es ist Aphrodite selbst!« ruft die begeisterte Menge, »es ist Aphrodite, die gekommen ist, um sich, für das Wohl ganz Asiens, an der Tafel des Dionysos niederzulassen!« Der Marktplatz hat sich wie durch Zauber geleert; die Urkunds beamten, Schreiber und Schöffen sind dem allgemeinen Strom gefolgt, und Antonius thront allein auf dem Richterstuhl. Welch eine unmögliche Situation! Er hat Kleopatras Stolz beugen wollen, und nun haben sich die Rollen vertauscht: Kleopatra macht ihn lächerlich, noch bevor sie an Land gegangen ist! Antonius wartet noch einen Augenblick, dann verliert er die Geduld; er weiß nicht recht, wie er sich verhalten soll, und schickt schließlich einen Boten zur Königin, um sie zum Abendessen zu sich zu bitten. Kleopatra antwortet mit der Bitte, er möge ihr Gast an Bord der königlichen Galeere sein; äußerst entgegenkommend fordert sie ihn sogar auf, seine höchsten Offiziere und alle Notabeln der Stadt, von denen er begleitet zu werden wünsche, mitzubringen. Antonius befindet sich in einer noch peinlicheren Situation. Der Königin verpflichtet sein? Gerade das will er ja vermeiden! Er beschließt also, die Einladung abzulehnen, doch als er im Stadtrat erscheint, umringen ihn die Notabeln der Stadt und drängen ihn, er möge annehmen und sie nicht eines »derart außergewöhnlichen Vergnügens« berauben. Bei dem Wort ›Vergnügen‹, das eine unwi derstehliche Anziehungskraft auf ihn ausübt, fühlt Antonius seinen letzten Widerstand schwinden. Er nimmt die Einladung an. Er nimmt sie nicht nur an – er eilt sogar zum Hafen, um zu sehen, ob die königliche Galeere tatsächlich den unglaublichen Beschreibun
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gen entspricht, die er gehört hat. Was er sieht, übersteigt alle seine Erwartungen. »Von silberbeschlagenen Ruderbänken aus bewegt, die riesigen purpurroten Segel still in der leichten Abendluft, gleitet das königliche Schiff durch die stillen Wasser, in denen sich das letzte Licht der untergehenden Sonne spiegelt. Die Steuerleute stehen im Heck, das wie ein riesiger Elefantenkopf aus Gold aussieht, dessen Rüssel in den Himmel ragt.147 Schöne, als Nymphen und Grazien verkleidete Sklavinnen umgeben sie. Ein Orchester von Harfen, Flöten und Schalmeien spielt eine Melodie, die den langsa men Rhythmus der Ruderschläge untermalt. Kleopatra erscheint, mit dem Schmuck der Göttin Venus angetan, unter einem goldbe setzten Baldachin ruhend; auf beiden Seiten ihres Lagers stehen als Kupidos gekleidete Knaben, die ihr mit farbigen Straußenfedern Kühlung zufächeln. Vor dem königlichen Baldachin stehen wun derbare Räuchergefäße, aus denen sich die unvergleichlichen Wohlgerüche Ägyptens erheben und sich bis in die Stadt verbrei ten. Beim letzten Tageslicht legt die Galeere schließlich am Kai an. Antonius geht an Bord, gefolgt von seinen ersten Offizieren und zahlreichen Notabeln der Stadt. Die Begegnung mit der Königin steht unter dem Zeichen größter Herzlichkeit; er kann sich einfach in einer solchen Umgebung nicht zum Richter erheben oder seine Anschuldigungen vortragen! Antonius vergißt vollkommen, warum er Kleopatra nach Tarsos gerufen hat, und überläßt sich der ange nehmen Dämmerung, dem Charme der Königin, dem sinnlichen Klang der Musik, dem Duft der kostbaren Essenzen, dem sanften Schlagen der Wellen gegen den Rumpf des Schiffes. Er hat nicht einmal die Gelegenheit zu einem ernsten Gespräch, denn bald steigt die Gesellschaft in den Speisesaal hinab, wo ein unbeschreib lich köstliches Mahl sie erwartet. Zwölf mit bestickten Stoffen und weichen Kissen bedeckte Lager sind in dem großen Saal hergerich tet worden, und vor jeder Liege ein niedriger Tisch mit edelstein besetzten Schalen und wunderbar ziselierten Kelchen. Die Wände des Raumes sind mit Gold- und Purpurstickereien bespannt, und
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der Boden ist mit Blumen bedeckt. Antonius kann einen Ausruf der Überraschung angesichts dieser Pracht nicht unterdrücken, aber Kleopatra antwortet, daß ihre bescheidene Gastlichkeit eines Lobes nicht würdig sei, und macht ihm auf der Stelle alles, was zur Ausschmückung des Festes dient, zum Geschenk: die Goldschalen, die Humpen, die Liegen und die Wandbehänge.«148 Nach dem Mahl erwartet die Gesellschaft eine besondere Überraschung: Sklaven haben auf dem Deck einen künstlichen Wald aufgebaut, der von unzähligen bunten Lampions erhellt wird. Und während ein leichter frischer Wind vom Taurus herabweht, berauschen sich die Gäste an der anregenden Gesellschaft der verführerischen Königin, »bis der Wein in den Amphoren zur Neige geht und das Öl in den Lampen weniger wird«149. Als Kleopatra in den frühen Morgenstunden von ihren Gästen Abschied nimmt, entläßt sie einen leicht schwankenden Antonius, der nicht mehr recht weiß, wo er die Nacht verbracht hat — auf der Erde oder im Olymp. Die Königin von Ägypten aber kann sich eines Lächelns nicht erwehren: Trotz seiner festen Vorsätze ist ihr der Sieger von Philippi in einem Maße erlegen, wie selbst Caesar ihr niemals erlegen ist...
IV Am folgenden Tag erneuert Kleopatra ihre Einladung. Dieses Mal ist, wie Plutarch berichtet, der Empfang von, einem Prunk, »daß er das Fest des Vorabends als mittelmäßig erscheinen läßt«. Die Königin macht nicht nur allen ihren Gästen die Lager, auf denen sie ruhen, und die Becher, aus denen sie trinken, zum Geschenk; die Ehrengäste erhalten außerdem Sänften und erwachsene Skla ven, die ihnen als Träger dienen, sowie äthiopische Jünglinge, die ihnen stets mit Fackeln vorausschreiten werden. Die weniger bedeutenden Gäste bittet sie, als Andenken an diesen Abend in Gold geschirrte Pferde entgegenzunehmen. l50 Erst am nächsten Tag geruht Kleopatra, bei Antonius zu Abend zu speisen. Er hat alle Mittel, die er in Tarsos finden konnte,
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erschöpft, um ein Fest zu organisieren, das denen der Königin ebenbürtig ist. Aber es gelingt ihm nicht, und um das Gesicht zu wahren, bleibt ihm nur noch, selbst seinen ungeschickten Versuch lächerlich zu machen. Während sich Kleopatras zwei Empfänge durch eine kluge und gebildete Unterhaltung auszeichneten, ist Antonius’ Bankett von »bäurischer Ungeschicklichkeit« geprägt. Aber Kleopatra stößt sich nicht daran, im Gegenteil, sie stellt sich mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen auf ihren Gastgeber ein. »Als sie merkte, daß sein Humor schwerfällig und grob war und eher der Soldat als der Höfling aus ihm sprach«, berichtet Plut arch, »ging sie sofort auf diese Art ein und antwortete in demsel ben Ton, ohne Widerwillen und mit der größten Kühnheit«. Anto nius ist entzückt: Er hat ihr gegenüber sein Gefühl der Minderwer tigkeit verloren. Am vierten Tag gibt Kleopatra den römischen Generalen erneut ein Gastmahl. Dieses Mal ist der Boden des Festsaales sechzig Zentimeter hoch mit Rosenblättern bedeckt, und die Gäste bege ben sich über diesen duftenden Teppich zu ihren Lagern. Den Versuchen Antonius’, mit ihr zu wetteifern, begegnet Kleo patra, abwechselnd mit freundlicher Gleichgültigkeit, lächelnder Verachtung und gespieltem Erstaunen darüber, daß er seinen Festen nicht die feenhafte Atmosphäre zu geben vermag, die ihre Veranstaltungen an Bord der Galeere auszeichnen. Schließlich fragt er sie, was er tun müsse, um seine Empfänge glanzvoller zu gestalten. Kleopatra muß lachen: zum ersten Mal hat er sie um Rat gebeten. »Die Empfänge, die ich Euch bisher gegeben habe, sind beschämend einfach gewesen. Ich könnte Euch leicht ein Fest bereiten, dessen Kosten höher wären als ...«, erklärt ihm die Königin und nennt eine ungeheure Summe. Als Antonius ausruft, daß es unmöglich sei, schlägt sie ihm eine Wette vor, bei der ein gewisser Plancus als Schiedsrichter handeln solle. Am festgesetzten Tag begibt sich Antonius an Bord der königlichen Galeere. Als er sieht, daß die Ausschmückung nicht prunkvoller als bei den vorherigen Empfängen ist, kann er ein Gefühl der Befriedigung nicht unterdrücken.
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»Ich habe die Wette gewonnen!« ruft er mit jugendlicher Ausge lassenheit. »Geduld«, antwortet Kleopatra, »das ist erst der Anfang. Jetzt werde ich versuchen, die allein für mich angesetzte Summe zu verwenden.« Ein Sklave stellt einen Becher mit Essig vor sie nieder. Kleopatra nimmt eine der zwei riesigen Perlen, die ihr als Ohrgehänge dienen, und läßt sie in den Essig fallen, wo sie sich auflöst. Dieses Juwel ist allein schon mehr als die Hälfte der gewetteten Summe wert! Nachdem Kleopatra den Inhalt des Bechers getrunken hat, läßt sie ein zweites Gefäß bringen und will die zweite Perle hineinwerfen, als Plancus sie zurückhält und die Wette für gewonnen erklärt. Antonius ist sprachlos und auch ein wenig verärgert, denn er hätte niemals geglaubt, daß ihre List so weit gehen könnte. Es wäre völlig verfehlt, Kleopatras Extravaganz allein dem Wunsch zuzuschreiben, Antonius durch die Ausbreitung ihrer Reichtümer zu beeindrucken, wie es die Mehrzahl der römischen Historiker behauptet hat. Jede ihrer Handlungen wird von mächtigen politischen Motiven bestimmt. Wenn Kleopatra vor diesen ungeheuren Ausgaben nicht zurückschreckt, wenn sie ihre Verführungsversuche verdoppelt, so verfolgt sie damit den Plan, den sie vor ihrer Reise nach Tarsos gefaßt hat: Antonius eine Vor stellung von ihren unermeßlichen Schätzen zu geben, um ihn dazu zu bringen, sich mit ihr zu verbünden. Sie handelt also weder aus Eitelkeit, noch bedeuten diese Ausgaben eine Verschwendung. Sie spielt ein gewagtes Spiel, dessen Einsätze hoch sind; es geht darum, die Voraussetzungen für die Eroberung des Reiches zu schaffen, von dem sie zusammen mit Caesar geträumt hat. Was bedeuten im Hinblick auf dieses Ziel einige verschenkte Sänften oder aufgelöste Perlen? Wäre sie ein Mann, brauchte sie nicht die Rolle der Verführerin zu spielen! Sie würde selbst die Ausführung des Plans in die Hand nehmen; aber sie ist eine Frau und kann nicht persönlich den Oberbefehl über ein Heer führen. Und ihr Sohn Caesarion ist zu jung, um in den Kampf zu ziehen. Antonius’ Hilfe ist ihr also unentbehrlich, und die Zurschaustellung ihrer
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sagenhaften Reichtümer bietet sich als sicherstes Mittel, ihn an sich zu binden. Doch in Tarsos verfügt sie nur über eine unbedeu tenden Teil ihrer Mittel; nur in Alexandreia kann sie sich Antonius im Glanz ihrer ganzen Macht zeigen. So beschließt sie, ihren Auf enthalt in Kilikien abzubrechen. Vierzehn Tage nach ihrer Ankunft in Tarsos teilt sie Antonius daher ihre Absicht mit, nach Ägypten zurückzukehren, und fordert ihn auf, ihr zu folgen. Antonius nimmt die Einladung freudig an. Selbstverständlich hat er seinen Vorsatz, sie vor Gericht zu stellen, längst vergessen! Er verspricht, so bald wie möglich in Ägypten einzutreffen, und erklärt sich »bereit, unter allen Umständen jeden ihrer Wünsche zu erfüllen«. Zum ersten Mal seit den Iden des März erscheint Kleopatra die Zukunft in einem hoffnungsvolleren Licht. Erleichtert segelt sie durch das Mittelmeer zu ihrer herrlichen Hauptstadt zurück, gefolgt von einem betörten und ihr vollkommen ergebenen Trium virn.
V Nun beginnt für die Liebenden ein so berauschendes Leben, daß ihre Zeitgenossen die beiden mit Aphrodite und Bacchus gleich setzen. Dichter, Maler und Chronisten werden jahrhundertelang davon berichten. Auch wenn die Phantasie der Menschen diese Liebe in Farben geschildert hat, die die Wirklichkeit übertreffen, so muß sie dennoch einen unvergleichlichen Eindruck gemacht haben, um auch heute noch einen Zauber auszustrahlen. Sobald Marcus Antonius in Alexandreia eingetroffen ist, gibt er sich hemmungslos seiner Verschwendungssucht hin. Er ver sucht Kleopatra in jeder Beziehung zu übertreffen; »... es wäre unmöglich«, schreibt Plutarch, »einen ausführlichen Bericht von Antonius’ unsinnigen Geldausgaben in Alexandreia zu liefern«. Die ägyptische Hauptstadt scheint wie ein betörendes Mittel auf ihn zu wirken, und zweifellos trägt alles, was er hier sieht, dazu bei, seine natürliche Anlage zum Luxus und zur Sinnenfreude noch zu
Kopf einer Augustus-Statue (Louvre, Paris)
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fördern. Sehr schnell nimmt Antonius die Bräuche des Landes an. Er vertauscht die römische Toga mit der griechischen Chlamys, er trägt die weißen Kothurne, die in Attica üblich sind, und versucht, sich bei den makedonischen Edlen bei Hofe beliebt zu machen. Er besucht Künstler und Gelehrte und verbringt einen großen Teil seiner Zeit bei den Philosophen des Museion, denn er will nicht nur Kleopatra an Luxus, sondern auch an Wissen gleichkommen. Die restliche Zeit widmet er anstrengenden körperlichen Übungen wie Reiten, Schwimmen, Ringen und Fechten. Bald wird ihre Verbindung, von den Priestern sanktioniert, zu einer ›himmlischen Vereinigung‹, ähnlich der, die Kleopatra und Caesar verbunden hatte.151 Aber Antonius ist nicht Caesar, und Kleopatra wird sich dessen bald bewußt. Der Sieger über Pompejus hatte von Antonius gesagt, daß er nicht mehr als ein äußerst temperamentvoller junger Mann sei, schnell begeistert, aber auch schnell entmutigt, und unfähig, eine Idee bis zu Ende zu verfolgen. Was ihn so anziehend macht, ist im Grunde nur seine unglaubliche Großzügigkeit und seine hem mungslose Vergnügungssucht. Da die Tochter der Ptolemäer ein ausgeprägtes psychologisches Feingefühl hat, erkennt sie sofort, daß sie sich Antonius’ Zuneigung am besten dadurch erhalten kann, daß sie ihn bei seinem schwa chen Punkt nimmt, nämlich seiner Sinnenfreude. Da er äußerst prunkliebend ist, wird sie ihm unerhörten Prunk bieten; da er sinn lich ist und ein ausschweifendes Leben liebt, wird sie ihm bis in seine Orgien folgen. Schon in Tarsos hat sie sich ihm anzupassen versucht, indem sie auf seine Soldatensprache und groben Scherze einging. Aber sie hat genug Stolz, um nicht zu empfinden, daß diese Rolle sie erniedrigt. Nach dem berauschenden Epos, das sie an der Seite Caesars gelebt hat, erscheint ihr das Leben mit Anto nius als trauriges Bacchusfest. Es ist bitter, jeden Abend mit den »unnachahmlichen Lebenskünstlern«152 speisen zu müssen, wenn man seinen angestammten Platz an der Tafel der Götter hat! Bald verachtet sie Antonius und die fröhliche Verwirrung, in der er lebt. Da war doch Caesars Trunkenheit etwas ganz anderes ...
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Aber trotz dieser Enttäuschung hat sie von diesem Mann Zwil linge, die die schönen Namen Alexander-Helios und KleopatraSelene erhalten; doch diese Kinder nehmen niemals in ihrem Herzen den gleichen Platz ein wie der Sohn ›des anderem. Man braucht nur ihre leidenschaftliche Hingabe für Caesarion mit der gewöhnlichen mütterlichen Zuneigung zu diesen Kindern aus zwei ter Ehe zu vergleichen, um zu ermessen, wie unterschiedlich ihre Gefühle gegenüber ihren beiden Ehemännern waren. Wenn sie Antonius gewählt hat, so vor allem deshalb, weil sie ihn am ehesten für fähig hält, ihrem Sohn zur Macht zu verhelfen. Kleopatra wird daher ungeduldig, wenn sie sieht, wie Antonius seine Zeit mit flüchtigen Genüssen verschwendet, während Okta vian seine Machtstellung in Italien zusehends festigt. Trotz allem Anschein verliert sie niemals das Ziel aus den Augen, das sie sich gesetzt hat. Eine Bemerkung von ihr, die Plutarch überliefert hat, läßt daran keinen Zweifel: Eines Tages, als sich der Triumvir einer seiner Lieblingsbe schäftigungen, dem Angeln, hingibt und lange Zeit nichts fängt, hat er eine Idee: Er läßt heimlich von einem Taucher Fische an seinen Haken anbringen und trägt nun voller Stolz große Fänge zurück, von Kleopatra und ihrem Gefolge bewundert und gelobt. Doch die Königin hat seinen Trick durchschaut. Sie lädt am nächsten Tag mehrere hundert Personen ein, die die Angelkünste des Triumvirn bewundern sollen. Dann befiehlt sie heimlich einem Sklaven, unter Antonius’ Boot zu tauchen und einen getrockneten Fisch, wie ihn die Anwohner des Schwarzen Meeres zubereiten, an seinem Haken zu befestigen. Beim Anblick dieses seltsamen Fanges brechen die Zuschauer in schallendes Gelächter aus; die Königin wendet sich dem sprachlosen Triumvirn zu und bemerkt: »Überlaßt die Angelrute den armen Fischern von Pharos, Gene ral, und spielt Ihr lieber mit Städten, Provinzen und Königreichen!« Denn es ist ihr unverständlich, wie jemand, der so viele Trümpfe in der Hand hält, die Herrschaft der Welt dem Angeln und die Erobe rung Roms dem Fechten opfern kann ...
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VI
Inzwischen festigt Oktavian – unerbittlich und mit einer Planmäßigkeit, die seine Absichten verrät – von Tag zu Tag seine Machtstellung in Italien. Marcus Antonius’ Untätigkeit sowie seine lange Abwesenheit von Rom kommen ihm dabei sehr zustatten. Antonius möge sich hüten! Wenn er schließlich aufwachen und aus den Wolken des Weines auftauchen wird – wie Plutarch verächtlich sagt –, ist es vielleicht zu spät! Wie Caesar im Frühjahr 47, erhält jetzt, im Februar 40, Anto nius schlechte Nachrichten aus Rom. Ein Bote berichtet ihm, daß seine Frau Fulvia nach einem mißglückten Versuch, Oktavian zu stürzen, aus Italien fliehen mußte. In Syrien ist die Lage noch beunruhigender; einige syrische Fürsten, die der Triumvir im letz ten Herbst abgesetzt hatte, haben mit den Parthern gemeinsame Sache gemacht, die nun von Nordosten her auf Antiocheia mar schieren, um den von Antonius neueingesetzten römischen Statt halter Decimus Saxa zu vertreiben. Die römischen Streitkräfte in Syrien, die nur noch aus den alten Legionen bestehen, die bei Philippi gekämpft haben, werden diese Lawine niemals aufhalten können. Trotz seiner Sorglosigkeit begreift Antonius den Ernst der Lage und teilt der Königin mit, daß er sie sofort verlassen müsse. Die Abreise Caesars im Jahre 47 hatte ein schweres Opfer für Kleopatra bedeutet. Aber sie hatte ein unerschütterliches Ver trauen in den ›Imperator‹ gehabt; als er ihr versprach, nach Alex andreia zurückzukehren oder sie nach Rom zu holen, hatte sie ihm aufs Wort geglaubt. Und er hatte sein Versprechen gehalten. Aber Antonius? Kann man sich wirklich auf ihn verlassen? Wie wird er sich verhalten, wenn sie nicht mehr an seiner Seite steht? Muß man nicht von einem derart unbeständigen Mann alles befürchten? Angst erfüllt Kleopatras Herz, als sie die Galeere am Horizont verschwinden sieht, die ihn einem unbekannten Schick sal entgegenführt. Bald werden ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Im Laufe der folgenden Monate erfährt die Königin nach und nach, daß Antonius’ Anhänger in Perusa eingeschlossen und
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von Parteigängern Oktavians vernichtet worden sind; daß der Tri umvir sich mit seiner Gemahlin Fulvia in Athen aufgehalten hat, daß diese plötzlich gestorben ist und Antonius sich am folgenden Tag mit seinem Rivalen versöhnt hat, indem er die Schuld an seinem Widerstand seiner toten Frau zuschob. Aber das ist noch nicht alles. Im Verlauf ihres Zusammentreffens in Brundisium (September 40) haben die beiden Triumvirn einen Vertrag geschlossen, nach dem Oktavian ›Autocrator‹ in Italien bleiben und ihm alle europäischen Provinzen einschließlich Dalmatien und Illyrien unterstehen sollen; Antonius wird Herr über den Orient bleiben und Makedonien, Griechenland, Bithynien, Asien, Syrien und die Kyrenaika regieren. Um den Pakt zu besiegeln, hat Antonius Okta via, die Schwester Oktavians, geheiratet. Ein Gegner des Trium virn geht sogar so weit, der Königin zu berichten, daß die Hochzeit Ende Oktober 40 unter dem Jubel der Bevölkerung gefeiert worden sei, »die unendlich erleichtert war, in den Straßen der Hauptstadt die beiden Rivalen sich verbrüdern zu sehen, deren Auseinander setzungen soviel Blutvergießen und Unglück verursacht hatten«. Jede dieser Nachrichten trifft Kleopatra wie ein Stoß ins Herz, und die widersprüchlichsten Gefühle – Liebe, Eifersucht, Wut, Haß – quälen sie. Oktavia ist eine vorbildliche römische Ehefrau; sanft und tugendhaft bemüht sie sich, eine häusliche Atmosphäre um Antonius zu schaffen. Aber das wäre noch nicht beunruhigend, denn Kleopatra bezweifelt, daß Antonius jemals Geschmack an den schlichten Freuden der Häuslichkeit finden könnte. Was sie Okta via aber nicht vergibt, ist die Tatsache, daß sie viel jünger und viel leicht auch schöner ist. Kleopatra weint und stöhnt und fragt sich, warum Antonius sie so grausam verlassen hat. Währenddessen geht Antonius wie früher mit erstaunlicher Sorglosigkeit seinen Vergnügungen nach. Er spielt seine Rolle als Dionysos, läßt sich von der Menge zujubeln und nimmt bei den Feierlichkeiten zum Gedenken an die Hochzeit des Bacchus mit Athena sogar den Platz des Gottes im Tempel in Athen ein. Man könnte meinen, daß Kleopatra und Ägypten für ihn niemals bestan
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den hätten! Seine Beliebtheit ist übrigens nie größer gewesen, und er benutzt sie, um einen Schwarm kleiner Königreiche an den Gren zen Griechenlands zu bilden, in der Hoffnung, daß ihre Fürsten ihm ergeben sein werden. Herodes wird König von Judäa; Dareios, der Sohn des Pharnakes, wird zum König von Pontos ernannt; Amyntas erhält den Thron von Pisidien, Polemon die Krone von Lykaonien. Antonius berauscht sich am Beifall. Und als nach einer Reihe von Fehlschlägen in Syrien Ventidius Bassus, einer der Generäle, die er mit dem Vertreiben der Parther beauftragt hat, ihm verkündet, daß der Feind vernichtet sei – was allerdings, wie die Zukunft zeigt, nicht ganz der Wahrheit entspricht –, da kennt die allge meine Begeisterung keine Grenzen. Der Sieger von Philippi ergreift die Gelegenheit, um sich vom Senat für weitere fünf Jahre in seinen Ämtern bestätigen zu lassen (Januar 37). Daraufhin trifft er ein neues Abkommen mit Oktavian, wonach er ihm gegen ein undzwanzigtausend Legionäre hundertunddreißig Schiffe seiner Flotte abtritt, damit Oktavian gegen Sextus Pompejus Krieg führen kann. Dieser Handel macht deutlich, daß Antonius keinen Nach teil darin sieht, wenn sein Rivale die Herrschaft über das Mittel meer ausübt. Alle seine Handlungen lassen einen unbegreiflichen Leichtsinn erkennen ... Fast vier Jahre lang vernachlässigt Antonius Kleopatra und gibt kein Lebenszeichen von sich. Aber auf Grund seiner Unbeständigkeit und seiner plötzlichen Impulse sind alle seine Schritte unberechenbar. Jetzt plötzlich langweilen ihn Athen und Oktavia, von einem Tag zum anderen schickt er sie nach Italien zurück. Um Oktavian keine Erklärungen abgeben zu müssen, überwirft er sich mit ihm. Es gibt zahllose Vermutungen über die Gründe dieser plötzlichen Wen dung. Ist es die Ankündigung eines zweiten Sieges des Ventidius Bassus über die Parther, die seine alten Traume von der Erobe rung des Ostens wieder aufleben lassen? Das ist durchaus denk bar, denn der Orient erfüllt plötzlich sein ganzes Denken. »Im Orient liegt die Macht«, sagt er zu seinen Vertrauten, »dort werde ich unsterblichen Ruhm erringen, von dort werde ich als Sieger
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zurückkehren, um Oktavian, diesen anmaßenden Menschen, der mir stets widerwärtig war, aus Italien zu vertreiben...« Er schifft sich nach Syrien ein, entschlossen, jede Verbindung mit Rom abzubrechen bis zu dem Tag, an dem er als Sieger dort einziehen würde. Jetzt erinnert er sich auch wieder Kleopatras. Er beauftragt, als sei nichts gewesen, Fonteius Capito, nach Ägypten zu gehen und die Königin einzuladen, zu ihm nach Antiocheia zu kommen. Dieser Entschluß erschien den römischen Historikern so seltsam, daß sie ihn, da sie sich die Gründe nicht erklären konn ten, einem plötzlichen Aufflammen seiner Sinnlichkeit zugeschrie ben haben. »Die unheilvolle Liebe zu Kleopatra«, schreibt Plut arch, »die durch bessere Gedanken verdrängt gewesen zu sein schien, begann wieder zu entflammen und wurde stärker, je mehr er sich Syrien näherte, so daß sie, jeden ehrlichen und guten Rat zurückweisend, aus seinem Herzen ausbrach wie das widerspen stige und nicht zu zähmende Pferd, von dem Platon spricht.«
VII Wenn dieser unerwartete Entschluß sogar die Historiker verwirrt hat, so stelle man sich erst die Überraschung vor, die er Kleopatra bereitet! Während sie die Botschaft liest, die ihr Fonteius Capito überbracht hat, gehen ihr unzählige widersprüchliche Gedanken durch den Kopf. Nach vier Jahren Schweigens bittet Antonius sie also, nach Antiocheia zu kommen! Soll sie seiner Einladung folgen und die ihr zugefügte Beleidigung vergessen? Oder soll sie hochmütig ablehnen? Als Frau würde sie die zweite Antwort vor ziehen; sie weiß sehr wohl, daß ihr sofortiges Herbeieilen von allen als Beweis einer sklavischen Hingabe ausgelegt werden wird. Als Königin aber weiß sie, daß sie ohne Antonius keinen ihrer Pläne wird verwirklichen können. Und außerdem — wer wird je die Geheimnisse des menschlichen Herzens erfassen? Trotz seines Verrats, seiner Unbeständigkeit, ja trotz seines Egoismus liebt ihn
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Kleopatra. Aus einem unwiderstehlichen Drang heraus möchte sie zu ihm eilen, um ihn zu sehen, zu berühren, sich zu vergewissern, daß er noch lebt, und das süße Glück erleben, ihm seine Abwesen heit zu verzeihen und für seine Rückkehr zu danken ... Kleopatra wird also nach Antiocheia gehen. Aber da sie sich selbst nicht traut, nimmt sie sich fest vor, sich erst dann mit Anto nius zu versöhnen, wenn er die von ihr gestellten Bedingungen annimmt. Sie verlangt, daß ihre Beziehungen durch ein Abkommen festgelegt werden, dem sich der Triumvir nicht mehr entziehen kann. Wenn Antonius wieder mit ihr zusammenleben will, so möge er sie heiraten, und zwar nicht heimlich, sondern vor aller Welt. Außerdem muß er sich offen als Feind Oktavians erklären und in Zukunft dementsprechend handeln. Er soll sich verpflichten, den Orient bis zum Oxos und den Okzident bis zum Rhein zu erobern, das heißt also, Caesars Pläne verwirklichen. Schließlich – und das ist der wichtigste Punkt ihres Vertrages – muß er sich damit ein verstanden erklären, daß Caesarion der alleinige Erbe ihrer Macht sein wird. Mit diesen Vorsätzen gewappnet begibt sich Kleopatra Ende 37 nach Antiocheia. Antonius wäre nicht Antonius, wäre er nicht überwältigt, als er Kleopatra nach vierjähriger Trennung wie dersieht. Ohne sich des Unrechts, das er ihr zugefügt hat, bewußt zu sein, eilt er ihr entgegen, um sie in seine Arme zu schließen. Doch Kleopatra weicht zurück: Zuerst solle er die Bedingungen für ihr Verzeihen zur Kenntnis nehmen! Sie wird seinem Drängen erst nachgeben, wenn er diese Bedingungen akzeptiert hat. Antonius ist über diesen Empfang höchst erstaunt, der so ganz anders ist, als er erwartet hat. Er wirft Kleopatra ihr kühles Ver halten vor, aber die Königin bleibt fest. Entweder willigt er in ihre Forderungen ein, oder sie kehrt sofort nach Alexandreia zurück. Antonius ist nicht der Mensch, der lange widerstehen kann; seine Liebe zu Kleopatra ist niemals größer gewesen als jetzt. Und so einigen sich die beiden Liebenden nach kurzem Verhandeln auf den Wortlaut eines Vertrages, dessen Text man nicht wiedergefunden hat, aber dessen Hauptpunkte man rekonstruieren kann:
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1. Antonius wird mit Kleopatra eine gesetzliche Ehe schließen, die nach ägyptischem Brauch vollzogen wird.153 2. Antonius wird in allen orientalischen Provinzen, sowie er sie erobert hat, nicht den Titel ›König von Ägyptens sondern ›Autocra tor‹ führen; bis dahin behält er den römischen Titel Triumvir.154 3. Antonius erklärt sich bereit, Caesarion als Mitregenten und rechtmäßigen Erben des Reiches anzuerkennen, und zwar des ganzen Reiches mit Ausnahme einiger kleiner, innerhalb seiner Grenzen liegender Königreiche, die unter die Kinder aufgeteilt werden, die er mit Kleopatra hat, also Alexander-Helios und Kleo patra-Selene. 4. Antonius verpflichtet sich außerdem, das ägyptische Reich in den Ausmaßen wiederherzustellen, die es vierzehn Jahrhunderte früher, unter den Pharaonen der XVIII. Dynastie, gehabt hat. Dem zufolge unterstellt der Vertrag der Königin die Halbinsel Sinai, die römische Provinz Arabien einschließlich der Stadt Petra, die Ostküste des Toten Meeres, einen Teil des Jordantales und die Stadt Jericho, vielleicht einen Teil Samariens und Galiläas, die phönikische Küste außer den freien Städten Tyros und Sidon, weiter den Libanon und wahrscheinlich die Nordküste Syriens, einen Teil Kilikiens einschließlich Tarsos, die Insel Zypern und einen Teil der Insel Kreta.l55 5. Kleopatra verpflichtet sich als Gegenleistung für diese »Anerken nung ihrer Souveränität«, Antonius alle ihre Mittel zur Verfügung zu stellen, sowie die Notwendigkeit dafür besteht. Das ist in großen Linien der ›Pakt von Antiocheia‹, wie ihn die Historiker genannt haben. »Die Tatsache, daß Kleopatra Antonius’ Zustimmung zu einem für sie so vorteilhaften Abkommen erhalten hat«, sagt Weigall, »zeigt nicht nur, welche Bedeutung der Triumvir in diesem Augen blick der Freundschaft Ägyptens beigemessen hat, sondern beweist auch die große Überzeugungskraft der Königin. Sie, eine verletzte Frau, die jahrelang von ihrem Geliebten vernachlässigt worden war, tritt in Antiocheia mit einer kühnen Gelassenheit auf und for
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dert die Bestätigung ihrer dynastischen Hoffnungen sowie eine Reihe erweiterter Rechte und neuer Privilegien. Und Antonius wil ligt zu ihrer großen Freude in jeden ihrer Wünsche ein ...«156
VIII Antiocheia, die Hauptstadt Syriens, ist eine herrliche Stadt. Sie ist mit Recht stolz auf ihre weißen Tempel und grünen Lorbeerbäume. Unzählige kleine Flüsse, die von den umliegenden Hügeln kommen, schlängeln sich durch Gärten mit Myrten und Sykomoren, die der Stadt erfrischende Kühle spenden. Hier verbringen Antonius und Kleopatra den Winter des Jahres 37. Der Triumvir beendet unter dem Drängen Kleopatras seine Vorbereitungen für den seit langem geplanten, aber immer auf geschobenen Feldzug gegen die Parther. Die Königin fühlt inmit ten dieser kriegerischen Atmosphäre bald ihre alte Unterneh mungslust wieder erwachen; die Truppenbesichtigungen, der Ton der Trompeten, das Durcheinander der übenden Kämpfer, all die Geschäftigkeit, die dem Abzug eines Heeres vorausgeht, erre gen und berauschen sie. Sie fühlt sich in die Zeit von vor zehn Jahren zurückversetzt, als sie, aus ihrem Land geflohen, in der syrischen Wüste die Nomaden aufzuwiegeln versuchte, um Ägypten zu erobern. Doch sie ist sich der Gewagtheit des Unternehmens wohl bewußt, denn es handelt sich um nicht weniger als die Erobe rung Asiens! Florus beschreibt die Königin als »entschlossener, gelassener und unternehmender denn je und frei von jeder weibli chen Ängstlichkeit«. Seit langer Zeit ist sie nicht mehr so fröhlich gewesen. Ob sich der langgeträumte Traum nun endlich verwirkli chen wird? Im März 36 bricht Antonius mit einem Teil seines Heeres auf. Kleopatra begleitet ihn bis Apameia-in-Syrien, eine Stadt, die einige hundert Kilometer von Antiocheia entfernt am Mittellauf des Orontes liegt. Apameia ist nicht nur vom Treiben der römischen Legionen, sondern auch von unzähligen historischen Erinnerungen erfüllt. Zur Zeit Alexanders des Großen und des Antigonos hieß die
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Stadt Pella und war nicht mehr als eine kleine Kolonie makedoni scher Veteranen. Seleukos I. hatte sie wesentlich vergrößert und auf den Namen der persischen Prinzessin umgetauft, die er bei der Massenhochzeit von Susa geheiratet hatte. Seither war die Stadt eine mächtige Garnison und unterhielt einen bedeutenden Bestand von Kriegselefanten.157 Antonius und Kleopatra verweilen einige Tage in dieser Stadt. Der Triumvir mustert seine Truppen ein letz tes Mal. Anfang April schließlich ist die Stunde des Abschieds gekommen ... Kleopatra hätte Antonius gern auf seinem Feldzug begleitet, denn mit einer griechischen Prinzessin an seiner Seite wäre ihm der begeisterte Empfang der hellenischen Minoritäten, denen er überall begegnen wird, sicher. Aber ihr körperlicher Zustand verbietet es ihr: Sie erwartet ein viertes Kind, und ihre Ärzte beschwören sie, sich nicht unnötigen Anstrengungen aus zusetzen; für ihre Gesundheit sei es besser, wenn sie nach Alex andreia zurückkehre. Trotz ihrer Enttäuschung beugt sie sich dem Rat der Ärzte, denn auch Antonius redet ihr eindringlich zu: Sie möge beruhigt nach Ägypten reisen, der Feldzug werde nicht lange dauern. An seinem siegreichen Ausgang bestehe kein Zweifel; sowie die römischen Legionen an den Grenzen Mediens erschienen, würden sich die entsetzten Parther über den Oxos zurückziehen. Und er werde sofort nach Ägypten eilen, um die Schätze Asiens zu ihren Füßen niederzulegen. Kleopatra nimmt vor der Stadt von ihm Abschied und sieht am Ostufer des Stromes das Heer davonziehen, das alle ihre Hoffnungen trägt. Bald kann ihr Blick nur noch die Staubfahne am Horizont erkennen, die die marschierenden Legionen hinter sich lassen.
IX Antonius zieht nordwärts durch das fruchtbare Land der Kom magene und erreicht bald die Hochebene von Erzerum. Hier trifft er mit seinen beiden Hauptverbündeten zusammen, Artavazd, dem König von Armenien, und Polemon, dem König des Pontos. Die mächtige Festung Erzerum unweit der schneebedeckten Abhänge
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des Berges Ararat ist in ein riesiges Heerlager verwandelt worden. Alle Kontingente, die an der Eroberung Asiens teilnehmen werden, haben sich hier versammelt. Antonius verfügt über sechzigtausend Mann Fußvolk und zwanzigtausend römische Reiter; dazu kommen etwa dreißigtausend Krieger verschiedenster Nationalitäten, dar unter dreizehntausend Reiter des armenischen Königs und eine Söldnereinheit aus Pontos. Auch eine eindrucksvolle Anzahl von Katapulten, und Sturmböcken steht bereit. Der Triumvir teilt seine Streitkräfte in zwei selbständige Ein heiten. Die erste unter dem Befehl des Tatianus umfaßt die Bela gerungsmaschinen, die armenischen und pontischen Kontingente sowie zwei römische Legionen; die zweite unter Antonius selbst setzt sich aus dem Großteil des Fußvolkes und der römischen Rei terei zusammen. Er befiehlt Tatianus, durch das Tal des Araxos nach Medien zu ziehen, während er selbst, »darauf brennend, den Feind so bald wie möglich anzugreifen«, den direkten Weg nach Atropatene durch Nordassyrien nimmt. Vom Tigris bis zum Indus erzittert ganz Asien bei der Nachricht vom Nahen dieses ungeheuren Heeres. »Die Nachricht erschreckt nicht nur die Parther«, schreibt Plutarch, »sondern erfüllt auch die Bewohner des entfernten Baktriens mit Angst und erschüttert ganz Asien.« Allgemein nimmt man an, daß der Feldzug ein kurzes und leichtes Unternehmen sein wird, daß sich der Sieger von Philippi darauf beschränken wird, einen militärischen Ausflug durch Per sien und Areia zu machen. »Eine ganze Welt fragt sich, ob Anto nius nach dem Vorbild Alexanders des Großen seine Waffen bis zum Indus tragen werde, wohin die Schiffe Kleopatras ... ihm Geld, Nachschub und Verstärkung bringen würden.«158 Mitte August erreicht Antonius Phraaspa, die Hauptstadt von Medien-Atropatene, wo er die Ankunft des Tatianus erwartet, der die Belagerungsmaschinen und deren Bedienungsmannschaf ten mit sich führt; mit den Mitteln, die ihm dann zur Verfügung stehen werden, glaubt Antonius diese Festung schnell einnehmen zu können. Aber noch bevor er die Aufstellung seiner Kohorten beendet hat, bringt ihm eine Gruppe römischer Reiter eine schreck
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liche Nachricht: Das Heer des Tatianus ist auf seinem Zug durch die Klamm des Araxos vollständig vernichtet worden! Alle Belage rungsmaschinen sind zerstört oder vom Feind erbeutet, der König von Pontos ist gefangengenommen und der König von Armenien mit dem Rest seiner Truppen geflohen. Diese Nachricht trifft Antonius wie ein Schlag. Aber obwohl der Verlust der Maschinen dem ganzen Feldzug einen anderen Ver lauf geben muß, beschließt er, das Unternehmen weiterzuführen. Phraaspa muß ausgehungert werden, was sehr viel mehr Zeit als geplant erfordert. Doch diese lange Belagerung ermöglicht es den parthischen Reitern, sich zu sammeln; in großen Schwärmen strömen sie von allen Himmelsrichtungen heran. Diese Reiterheere verbreiten nicht umsonst überall Schrecken, denn sie bedienen sich einer tödlichen Kampftaktik: Sie greifen den Feind zunächst unter einem Hagel von Pfeilen an und machen dann plötzlich kehrt, als ob sie fliehen wollten; aber in diesem Augenblick sind sie am gefährlichsten – sie machen unerwartet wieder kehrt und schießen ihre letzten Pfeile gegen den Feind, die um so eher treffen, je weni ger dieser darauf gefaßt ist.159 Das Erscheinen des parthischen Heeres behindert Antonius’ Bewegungen beträchtlich. Die ständige Abwehr der feindlichen Reiterhorden, die plötzlich auftauchen und in einer Staubwolke wieder verschwinden, zermürbt die römischen Fußsoldaten in kurzer Zeit. Der Monat Oktober kommt, die Nah rungsmittel werden knapp. Im Hinblick auf den schlechten Zustand seiner Truppen sieht Antonius einem Winterfeldzug mit großer Sorge entgegen. Schließlich ist er gezwungen, Verhandlungen mit dem Feind anzuknüpfen. Er richtet eine Botschaft an Phraates III., den König von Parthien, in der er sich erbietet, die Belagerung unter der Bedingung aufzuheben, daß der König die Gefangenen und die Crassus in der Schlacht von Karrhai abgenommenen Legi onsadler herausgibt. Phraates lehnt hochmütig ab, erklärt jedoch, daß, wenn Antonius sich zurückziehen wolle, er sein Heer nicht angreifen würde. Der wütende Triumvir sieht sich gezwungen, diesen Kompromiß anzunehmen. Aber Phraates’ Versprechen ist eine Kriegslist. Während die
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erschöpften Legionäre durch die mit dem ersten Schnee bedeck ten Berge den Rückzug antreten, fallen die parthischen Reiter erbarmungslos über sie her. Sie liegen an jedem Engpaß auf der Lauer, um den Nachzüglern den Weg abzuschneiden. Und diese sind wegen der Kälte, dem Nahrungsmangel und ihrer völligen Erschöpfung zahlreich. Tausende von Soldaten fallen bei diesen täglichen Kämpfen, und Tausende kommen vor Kälte oder Entkräftung um. Das Gerstenbrot ist so knapp, daß es mit Silber aufgewogen wird, und nachdem sie die letzten Pferde ver zehrt haben, müssen die Männer sich von Kräutern und Wurzeln nähren... Aber noch eine zusätzliche Plage überfällt das römische Heer. Zahllose Soldaten, die eine eßbar erscheinende Pflanze gegessen haben, werden vom Wahnsinn befallen. »Wer von dieser Pflanze gegessen hatte«, sagt Plutarch, »der verlor den Verstand. Die Männer erinnerten sich an nichts mehr und begannen, große Steine mit einem Eifer und Ernst herumzutragen, als ob es sich um eine Arbeit von größter Wichtigkeit handelte. Im ganzen Lager sah man nur Soldaten, die riesige Steine aus dem Boden rissen und sie von einer Stelle zur anderen trugen, bis nach einem Erbrechen der Tod sie fortnahm.« Man kann sich das Entsetzen und die Verzweiflung dieser Unglücklichen vorstellen, mitten im Winter verloren in den Hochtälern Armeniens, die einen in unerklärlichen Krämpfen ster bend, die anderen in Wahnsinnsanfällen verdämmernd! Vom Anfang bis zum Ende dieses schrecklichen Rückzuges zeichnet sich Antonius durch vorbildliche Tapferkeit aus. Tag um Tag teilt er die Entbehrungen seiner Männer, und nachts geht er von Zelt zu Zelt, um sie zu trösten. Den Kranken und Verwundeten begegnet er nicht nur mit Anteilnahme, sondern einer fast weibli chen Zärtlichkeit. Manchmal wirft er sich sogar neben einem der Legionäre, den er leiden sieht, nieder und bricht in Tränen aus. Die Soldaten beten ihn an, selbst die Sterbenden richten sich noch einmal auf, wenn er erscheint, und rufen ihn bei den ehrerbietig sten und zärtlichsten Namen. »Sie ergriffen seine Hände«, berich tet Plutarch, »und beschworen ihn, an sich selbst zu denken, statt
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sich um sie zu kümmern; sie nannten ihn ihren Kaiser und Gene ral und sagten, daß, wenn es ihm nur gut ginge, auch sie gerettet wären.« »O, die Zehntausend ...!« hört man Antonius oft ausrufen, womit er seiner Bewunderung für Xenophon Ausdruck gibt, der seine Sol daten unversehrt aus Babylonien heimgeführt hatte. Als er sich eines Tages in einer äußerst schwierigen Lage befindet, läßt er einen seiner Sklaven schwören, ihn mit seinem Schwert zu töten und seinen Kopf vom Körper abzutrennen, falls die Perser gewin nen und ein allgemeines Blutbad anrichten sollten, »damit er weder lebend gefangengenommen, noch als tot erkannt werde«. Nach siebenundzwanzig furchtbaren Tagen, in denen sich die Legionen bei Eis und Schnee achtzehnmal aus der Umklamme rung durch die Parther befreien müssen, erreicht der Rest des römischen Heeres das Ufer des Araxos. Die Überquerung des Flusses inmitten eines Schneesturmes erinnert an die dramati schen Szenen des Übergangs über die Beresina; die eilig errich tete Brücke stürzt wiederholt ein, und Trauben schreiender Sol daten versinken in den Fluten. Endlich ist man in Armenien. Als der erschöpfte Antonius seine Truppen zählt, stellt er mit Erschütterung fest, daß er vierzigtausend Fußsoldaten und zwan zigtausend Reiter verloren hat. Und noch sind siebenhundert Kilo meter bis Syrien zurückzulegen; achttausend weitere Männer ster ben auf dieser letzten Strecke. Als endlich die blaue Linie des Mittelmeeres zwischen Beryte160 und Sidon auftaucht, scheint sich auch der Rest des Heeres verflüchtigt zu haben. Antonius hat alles verloren: sein Ansehen, seine Hoffnungen, sogar sein Panzerhemd. Es bleibt ihm nur noch, sich bis zur Bewußtlosigkeit zu betrinken, um an nichts mehr denken zu müssen...
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X
Als Kleopatra von der Katastrophe erfährt, segelt sie sofort mit einer Flotte sowie Kleidung, Nahrungsmitteln und Geld nach Beryte. Sie findet den Triumvir bewußtlos am Boden liegen. Aber trotz seines Unglücks hat sich Antonius in ihren Augen bewährt. Die Tatkraft, die er während des ganzen Feldzuges gezeigt hat, macht fünf Jahre »unvergleichlichen Lebens« wieder gut. Sie ver zeiht ihm seine Verschwendung, seine Launen, seinen Verrat; sie hat grenzenloses Mitgefühl mit ihm, denn ist es nicht ihr Fehler, wenn er besiegt wurde? Hat sie ihn nicht zu diesem aussichtslosen Krieg getrieben? Arme Kleopatra! Es scheint ihr Schicksal zu sein, das Unglück der Menschen, die sie liebt, heraufzubeschwören, indem sie sie zu Taten überredet, die ihre menschlichen Kräfte übersteigen... Sie beugt sich über Antonius und versucht, ihn wieder zu Bewußtsein zu bringen. Mit einer von Schluchzen unter brochenen Stimme versichert sie ihm, daß ihre Zuneigung nie größer war, daß das ägyptische Klima ihn wieder gesund machen würde, daß in Ägypten noch schöne Tage auf sie warteten. Der Feldzug gegen die Parther hat zwar ein Vermögen gekostet – aber was ist das im Vergleich zu den Schätzen, die ihnen noch bleiben! Antonius möge zum Leben zurückkehren, er möge wieder Ver trauen in sich haben! Sie verspricht, ihm noch unzählige Legionen auszurüsten ... Doch ihre Verzweiflung macht sie nicht blind; sie darf die wirk liche Lage nicht verkennen. Seit der Niederlage des Crassus sind alle römischen Angriffe auf Parthien gescheitert; Alexanders Erfolg wird sich nicht wiederholen, denn die Welt ist seit der Regierung des Dareios volkreicher und wiederstandsfähiger geworden. Es ist eine Verschwendung von Geld, Kraft und Zeit, ein so weitläufiges Gebiet um jeden Preis erobern zu wollen. Antonius ist zu sehr geschwächt, um ihr widersprechen zu können. Aber die Wortfetzen, die er im Delirium ausstößt, zeigen der Königin, daß seine Niederlage ihn bedrückt, daß nur ein Gedanke ihn beschäftigt: sich am Feind zu rächen.
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»Legionen ... Legionen ...«, stöhnt er, »... die Parther besiegen ... gegen den Orient ziehen ...« Kleopatra versucht, ihn zur Vernunft zu bringen. Die Eroberung Asiens ist ein überholter Traum! Antonius hat sich als hervorra gender Soldat gezeigt, jetzt aber möge er seine staatsmännischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Er möge alle seine Kräfte aufbie ten und sich gegen Oktavian wenden, denn Oktavian ist der ein zige, der ihn wirklich bedroht. Tatsächlich tragen seit einiger Zeit alle Ereignisse dazu bei, die Macht dieses Mannes zu festigen. Aber die Umstände sind ihm nicht nur günstig, er weiß auch geschickt Vorteil daraus zu ziehen. Als Sextus, der zweite Sohn des großen Pompejus, ihn auf dem Meer angreift, zerstreut er seine Flotte und zwingt ihn, nach Mytilene zu fliehen. Und Oktavian ist Herr über das Mittelmeer. Als Lepidus trotz seiner unbedeutenden Stellung sein Mißtrauen erregt, überredet er ihn, zurückzutreten und ihm die Verwaltung seiner Provinzen zu übertragen. Und Oktavian ist Herr über Nor dafrika. Noch vor kurzer Zeit war seine Macht umstritten – heute untersteht ihm der ganze Westteil des Reiches! Schon kommt sein Schatten Ägypten gefährlich nahe. Wie weit wird er gehen? Antonius ist zu erschöpft, um den Worten Kleopatras die ganze Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienen. Aber dann, im Frühjahr 35, reißt ihn ein unvorhergesehenes Ereignis aus seiner Erstarrung. Polemon, der König des Pontos, der bei der Niederlage Tatianus’ in Gefangenschaft geraten war, trifft in Alexandreia ein. Er ist vom König der Meder entsandt worden, um Antonius mitzu teilen, daß die Meder und die Parther ihr traditionelles Bündnis gelöst haben und gegeneinander kämpfen. Der Herrscher Mediens erbittet die Unterstützung des Triumvirn und schlägt vor, sich mit allen seinen Streitkräften auf Antonius’ Seite zu stellen, falls dieser sofort einen neuen Feldzug gegen die Parther unternimmt. Bei dieser Nachricht gerät Antonius außer sich vor Freude. »Der Empfang dieser Botschaft war für ihn eine größere Freude als für den König von Pontos das Überbringen«, sagt Plutarch. »Diese unverhoffte Gelegenheit müssen wir nutzen!« ruft er aus. »Es han
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delt sich um eine gefährliche Falle, die wir um jeden Preis vermei den müssen«, antwortet Kleopatra, denn sie ist der Ansicht, daß es höchst unvorsichtig wäre, sich ein zweites Mal tief nach Asien vor zuwagen, besonders in einem Augenblick, wo sich dunkle Wolken über dem Westen zusammenziehen. Antonius hört nicht auf sie. Ganz von dem Gedanken an Rache beherrscht, eilt er nach Antiocheia, wo seine Heerführer während der Wintermonate ein neues Heer aufgestellt haben. Kleopatra folgt ihm in der Hoffnung, ihn zurückhalten zu können. Sie zittert bei dem Gedanken, eine ähnliche Zeit durchmachen zu müssen wie damals, als er aus Apameia fortzog. In diesem Augenblick trifft ein Bote aus Athen in Antiocheia ein. Er berichtet Antonius, daß seine Gemahlin Oktavia sich auf dem Weg befinde, um mit ihm zusammenzutreffen; sie bitte ihn inständig, zu ihr nach Griechenland zu kommen; sie habe zweitau send Legionäre bei sich und möchte, daß ihr Mann ihr sage, was mit ihnen zu geschehen habe. Ihre Ankunft in Athen ist eine List Oktavians. Die zweitausend Legionäre bilden die übliche Begleitung der Gemahlin eines Tri umvirn; wenn Antonius sie ihr läßt, bedeutet das, daß er sie noch immer als seine rechtmäßige Frau betrachtet, wenn nicht, daß er sie verstößt. Im ersten Fall wird sich Antonius mit Kleopatra überwerfen, im zweiten wird er Oktavian einen Vorwand liefern, die Feindseligkeiten zu eröffnen. Aber Antonius scheint die Falle, die man ihm stellt, nicht zu sehen. Ganz von seinen Vorbereitungen für den Krieg gegen die Parther in Anspruch genommen, schickt er den Boten seiner Frau nach Athen zurück mit den Worten, daß er jetzt nicht die Zeit habe, sich um sie zu kümmern. Kleopatra befindet sich in einer schwierigen Lage. Sie wünscht keineswegs, daß Antonius wieder in den Krieg zieht, aber ihr ist ebensowenig daran gelegen, ihn zu Oktavia zurückkehren zu sehen. Doch die unverschämte Art, mit der er Oktavian herausfor dert, erscheint ihr als die Höhe der Ungeschicklichkeit. Wie soll sie sich verhalten? Ihre Intelligenz gibt keine Antwort auf diese
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Frage, aber eine sichere Eingebung schreibt ihr ihr Verhalten vor: »Behalte Antonius in deiner Nähe«, sagt ihr die innere Stimme, »laß ihn sich auf keinen Fall entfernen. Niemand weiß, was er tun wird, wenn er nicht mehr unter deinem Einfluß steht. Und um ihn zu halten, benutze deine Verführungskünste.« Um Antonius an sich zu binden, nimmt Kleopatra alle nur denk baren Mittel zu Hilfe, und man kann es ihr kaum zum Vorwurf machen, denn sie spielt in diesem Augenblick ein verzweifeltes Spiel. »Sie tut, als verginge sie vor Liebe zu Antonius«, schreibt Plutarch, »indem sie nur noch sehr wenig Nahrung zu sich nimmt. Tritt er in ihr Gemach ein, so blickt sie ihm anbetend entgegen, und wenn er sie wieder verläßt, scheint sie dahinzusiechen und fast ohnmächtig zu werden. Sie strengt sich an, damit er sie in Tränen sieht, aber sowie er merkt, daß sie weint, trocknet sie sich verstoh len die Augen, als ob sie nicht wünsche, daß er sie weinen sieht. Von Kleopatra beauftragte Freunde sind zudem eifrig bemüht, sie zu unterstützen; sie werfen Antonius Gefühlskälte und Hartherzig keit vor, denn er ließe die Frau, deren Herz nur ihm gehöre, dahin siechen. Oktavia sei zwar seine Ehefrau, aber Kleopatra, Herr scherin über zahlreiche Völker, habe sich mit dem Namen einer Geliebten161 begnügt, und wenn er ihr genommen würde, so würde sie es nicht überleben.« Es scheint, als seien die Listen der Königin erfolgreich, denn Antonius kehrt mit ihr nach Alexandreia zurück, wo er den ganzen Winter 35-34 verbringt. Es ist richtig, daß Oktavia ihn langweilt, aber Kleopatra beginnt ihn durch die Art, wie sie ihn zu gängeln versucht, zu reizen. Hält sie ihn für ein Kind? Glaubt sie, er sei zu dumm, um ihre Manöver zu durchschauen? So feinfühlig sie auch ist – dieses Mal ist Kleopatra über das Maß hinausgegangen und erreicht damit genau das Gegenteil von dem, was sie erhofft hatte: Antonius hat nur noch einen Gedanken – wieder frei zu sein. Als er daher erfährt, daß Artavazd ihn verraten hat, kann ihn nichts mehr zurückhalten. Ohne sich von der Königin zu verab schieden, eilt er nach Syrien und überrennt von dort aus das Königreich Armenien. In weniger als drei Wochen ist Artavazd
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besiegt und gefangengenommen. Als Strafe für seinen Verrat nimmt ihm Antonius seinen Schatz ab, plündert sein Reich und macht Armenien zur römischen Provinz. Mit ungeheurer Beute kehrt er nach Syrien zurück. Von Antiocheia aus nimmt er sofort Bezie hungen zum König von Medien auf. Die Verhandlungen führen zur Vermählung der medischen Prinzessin Iotapa mit dem kleinen Alexander-Helios; da er keine männlichen Erben hat, ernennt der König der Meder wahrscheinlich das kindliche Paar zu seinen Thronfolgern und erstattet, um seinen guten Willen unter Beweis zu stellen, dem Triumvirn alle römischen Feldzeichen zurück, die dem Tatianus am Araxos abgenommen worden waren. Nach diesem Abkommen und »sehr befriedigt über den Gebrauch, den er von diesem Sommer gemacht hat«, kehrt Antonius im Herbst 34 nach Alexandreia zurück.
XI Sein überwältigender Erfolg hat Antonius von der Schande seiner Niederlage von Phraaspa befreit. Er ist nun nicht mehr der Besiegte, den man tröstet, sondern ein Sieger, dem man zujubelt. Er ist wieder der temperamentvolle und offenherzige Mann von früher, und mit heiterem Gemüt bereitet er sich darauf vor, seinen Triumph zu feiern. Der Triumphzug, der nun durch Alexandreia zieht, wird von einer Einheit römischer Legionäre angeführt, die riesige Schilde mit dem Buchstaben ›C‹, dem Monogramm Kleopatras und Cae sarions, tragen. Darauf folgt der von vier weißen Pferden gezo gene Wagen des ›Imperators‹, dem der mit goldenen Ketten bela dene König Artavazd, seine Frau und Söhne sowie eine lange Reihe armenischer Gefangener vorausschreiten. Anschließend sieht man zahlreiche Wagen, die die Kriegsbeute enthalten. Dann folgen viele Gesandtschaften, die die Antonius von den Vasallenstädten ver liehenen Goldkronen und -kränze tragen. Römische Legionäre, ägyptische Soldaten und verschiedene orientalische Kontingente bilden den Abschluß. Der Zug setzt sich bei strahlendem Wetter
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vom Palast von Lochias aus in Bewegung, folgt den Kais bis zum Tempel des Neptun, zieht über das Forum und vorbei an den Gärten von Regia zur Straße von Kanope, wo das eindrucksvolle Paneum seine mit Zuschauern dicht besetzten Stufen zum Himmel reckt. Dann wendet sich der Zug nach Westen und zieht am Mausoleum vorbei, das den Sarkophag Alexanders des Großen birgt. Unter den Säulengängen und in den Fenstern des Museion drängen sich die Gelehrten mit ihren Familien und Schülern. Einige hundert Meter weiter biegt der Zug in eine Straße ein, die zum Serapeum führt: Dort wartet Kleopatra, umgeben von den hohen Würdenträgern des Hofes und den Notabeln der Stadt. Antonius verläßt seinen Wagen und steigt unter dem Jubel der Bevölkerung und zu den Schlägen unzähliger Bronzezimbeln die Stufen zum Heiligtum empor. Er opfert dem Gott Serapis, so wie er dem Jupiter Capitolinus geop fert haben würde, hätte der Triumph in Rom stattgefunden. Nach dieser heiligen Handlung begibt sich der ›Imperator‹ zu einer aus Silberstreben gegenüber dem Tempel errichteten Tribüne. Dort empfängt ihn Kleopatra, als Isis gekleidet und auf einem goldenen Thron sitzend. Antonius führt die gefangenen armenischen Fürsten vor sie.162 Als Artavazd aufgefordert wird, vor der Königin nieder zuknien und ihr die einer Göttin zukommenden Ehren zu erwei sen, weigert sich der König von Armenien. »Obwohl er von seinen Wächtern gestoßen und grob behandelt wird, bleibt er aufrecht stehen und grüßt Kleopatra nur als Sterbliche.« Da nach römischer Sitte Gefangene königlichen Geblüts in der Nacht, die auf den Tri umph des Siegers folgt, getötet werden und Artavazd zudem noch öffentlich die Herrscherin beleidigt, ist es sicher, daß seine letzte Stunde gekommen ist. Aber Antonius und Kleopatra sind so beein druckt von seiner stolzen Haltung, daß sie ihn und die Seinen begnadigen. »Man behandelte sie mit der ganzen Aufmerksamkeit, die ihrer Stellung zukam«, versichert uns Velleius Paterculus, »und sie blieben als Gefangene des Staates in der ägyptischen Haupt stadt«. Nach dem Triumph wird ein riesiges Bankett für alle Ein wohner Alexandreias veranstaltet; Antonius hat sich vorgenom men, sogar die Hochzeit von Susa zu übertreffen! Aber damit sind
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die Feierlichkeiten noch nicht beendet – die wichtigste Zeremonie wird erst kommen. Sie findet bei Einbruch der Nacht auf dem Gelände des Hippodroms statt, wo sechs goldene Throne, zwei große und vier kleinere, auf einer Estrade aufgestellt wurden. In Gegenwart des Hofes, der Würdenträger und des versammelten Volkes nehmen Antonius und Kleopatra auf den beiden höheren Sitzen Platz, während die vier Kinder der Königin – Caesarion, Alexander-Helios, Kleopatra-Selene und der junge Ptolemaios XVI., der nach Kleopatras Rückkehr aus Apameia geboren wurde – die kleineren Sitze einnehmen. Nach einigen Willkommensreden erhebt sich Antonius, um eine Ansprache zu halten. Wir wissen, daß er ein unvergleichlicher Redner war, aber an diesem Tag muß er sich selbst übertroffen haben, so berauscht ist er vom Beifall der Menge und vom Anblick der untergehenden Sonne, die die Säulengänge und Stufen des Stadions in glühende Farben taucht. Zunächst beschreibt Antonius die Siege, die er in Griechenland, Kleinasien und Armenien errungen hat. Anschließend verleiht er unter Berufung auf diese Siege der Königin und ihren Nachkom men »ziemlich unglaubliche Ehren«163: Er ruft Kleopatra zur Herr scherin über Ägypten und allen den Gebieten aus, die er ihr im Pakt von Antiocheia zugestanden hat. Er ernennt Caesarion zum Mitre genten seiner Mutter und verleiht ihm den Titel ›König der Könige‹. Seinem eigenen, sechsjährigen Sohn Alexander-Helios überträgt Antonius das Königreich Armenien, Medien – das nach dem Tod des jetzigen Herrschers auf Grund seiner Heirat mit dessen Toch ter Iotapa an ihn übergehen wird – und Parthien, dessen Krone ihm zufallen wird, sowie dieses Land besiegt worden ist.164 Kleo patra-Selene, die Zwillingsschwester, erhält die Kyrenaika, Libyen und einen Teil der nordafrikanischen Küste. Der kleine, kaum zweijährige Ptolemaios XVI. wird zum König von Phönikien, Kili kien und Nordsyrien (Kyrrhestike und Kommagene) ausgerufen. Alexander-Helios ist für diese Zeremonie in ein medisches Gewand gekleidet worden: hohe Tiara mit Nackenschutz, Tunika mit langen Ärmeln, persische Pluderhosen und weit fallender Umhang, der über die eine Schulter in Falten nach hinten fällt.
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Der kleine Ptolemaios trägt makedonische Kleidung: Mantel, Stie fel und jene eigenartige, von einem Diadem umgebene Haube, die die Nachfolger Alexanders des Großen eingeführt haben. Nachdem die königlichen Kinder ihren Eltern gehuldigt haben, erhalten sie jeder eine persönliche Leibwache aus Angehörigen der Völker, über die sie später herrschen werden. Dann setzt sich der Zug wieder in Bewegung und begibt sich zum Königspalast, während die gerade hinter der Reede von Eunostos untergehende Sonne die ganze Stadt in ein überirdisches Licht taucht. In Erinnerung an dieses Ereignis lassen die Herrscher Goldmünzen prägen, die die folgende Inschrift tragen: »Cleopa trae Reginae Regum Filiorum Regum – Kleopatra Königin und die Könige, Söhne von Königen«. Am folgenden Tag sendet Antonius dem römischen Senat einen ausführlichen Bericht über den armenischen Feldzug und eine Auf stellung der von ihm vorgenommenen Salbungen; er beauftragt seine Gesandten, die Billigung des Senats für alle diese Maßnahmen einzuholen, die er hinsichtlich der Verteilung der orientalischen Throne getroffen hat.
XII Es ist kaum nötig, daß Antonius Rom von seinen Entscheidungen unterrichtet: Sie haben dort bereits Entrüstung und allgemeinen Protest hervorgerufen. Indem Antonius seinen Triumph in Alexandreia feiert, hat er die Empfindlichkeit seiner Landsleute schwer getroffen. Noch nie hatte ein römischer General so zu handeln gewagt. Will er damit bedeuten, daß Alexandreia die Hauptstadt des Reiches geworden ist? Man hatte diese Absicht schon Caesar unterstellt. Woran aber denkt der Triumvir, wenn er in den Provinzen, die der Autorität des Senats unterstehen, Herrscher seiner Wahl ein setzt? Was bedeutet die Übertragung der im Pakt von Antiocheia aufgeführten Gebiete an Kleopatra? Glaubt Antonius wirklich, daß der Senat diese eigenmächtigen Entscheidungen billigen wird?
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Eine Stelle bei Florus, deren Aggressivität nicht zu übersehen ist, gibt ungefähr die Empörung wieder, die in Rom herrscht: »Als Kleo patra vom betrunkenen General das römische Reich als Preis ihrer Liebe verlangte, versprach es ihr Antonius, als ob die Römer leich ter zu erobern wären als die Parther... Er hatte sein Vaterland, seinen Namen, seine Toga, sein Amt vergessen und war in seinem Denken, Fühlen und in seiner Kleidung so entartet, daß er zu dem uns bekannten Ungeheuer wurde. In seiner Hand hielt er ein Zepter aus Gold, an seiner Seite trug er einen Krummsäbel; sein Haupt krönte ein Königsdiadem, um zu zeigen, daß er König und der Königin, die er liebte, ebenbürtig sei.« Der prunkvolle Palast, in dem er lebt, ist auch nicht dazu ange tan, die wütende römische Öffentlichkeit zu beruhigen. Unter dem Deckmantel vorgetäuschter Bewunderung gibt Lukan eine empörte Beschreibung, die Antonius als orientalischen Satrapen erschei nen lassen soll: »Die Decken sind geschnitzt und eingelegt, ihre Balken mit Goldblättern verkleidet. Die Wände und Säulen aus schönstem Marmor umrahmen Füllungen aus Achat und Porphyr; die Böden einiger Säle sind mit Onyx- und Alabasterplatten ausgelegt. Elfen bein ist in verschwenderischer Fülle verwendet worden, und Ebenholz stellt ein ganz gewöhnliches Baumaterial dar. Die mit Smaragden beschlagenen Türen haben Verzierungen aus Schild patt, in die Lager und Sitze sind Edelsteine eingearbeitet, Jaspis und Karneol schmücken die meisten Möbel, und überall stehen geschnitzte Elfenbeintische. Stoffe und Vorhänge haben die leuch tenden Farben, die nur aus Syrien kommen können, manche sind mit Pailletten besetzt, andere haben den unvergleichlichen Glanz der Koschenille. Überall in den weitläufigen Sälen des Gebäudes sieht man außergewöhnlich schöne Sklaven, Äthiopier mit schwar zer Haut und dunklen krausen Haaren, und Gallier oder Germa nen mit heller Hautfarbe und flachsblonden Haaren.« Kleopatra wird nicht milder als ihr Gemahl behandelt: »Sie atmet schwer unter dem Gewicht ihres Schmuckes, und ihre weißen Brüste sind durch den zarten sidonischen Stoff sichtbar...« Nach dem Triumph
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von Alexandreia nimmt die römische Propaganda an Heftigkeit zu. Schmäh- und Spottschriften wandern von Hand zu Hand und überschütten den Triumvirn und die Ägypterin mit einer Flut von Verleumdungen. Antonius wird »als ein entartetes Wesen, ein mit Wein gefüllter Schlauch« und Kleopatra als »schändliche Hure, die sich allen Lastern hingibt«, beschrieben. Natürlich wird auch Caesarion nicht verschont. Man bestreitet sein Geburtsdatum und behauptet, er sei nicht der Sohn Caesars, sondern von irgen deinem betrunkenen Söldner gezeugt worden, wodurch seinen Thronansprüchen jede Grundlage fehle. Oktavian beobachtet diese Entwicklung mit offensichtlicher Genugtuung. Antonius muß wahn sinnig sein, um ihm diese Trümpfe in die Hand zu spielen! Indem er Oktavia verstieß, den Pakt von Antiocheia schloß, Cae sarion zum Mitregenten des Reiches ernannte und seinen Tri umph in einer anderen Stadt als Rom feierte, hat Antonius die Grenzen überschritten! Er liefert Oktavian alle Vorwände, die dieser braucht, um sich zum Verteidiger der nationalen Ehre auf zuwerfen. Der Zusammenstoß zwischen den beiden Triumvirn ist nunmehr unvermeidlich. Der Senat drängt Oktavian, Antonius zu vernichten und »die Welt im Namen des öffentlichen Wohls von ihm zu befreien«. Und der Adoptivsohn Caesars tritt in der Rolle des Richters aus den Kulissen auf die Bühne heraus. Obwohl sein Gesicht keines seiner Gefühle verrät, genießt Oktavian im Innersten das Nahen seines Sieges. Die lang erwartete Stunde hat geschlagen; er wird endlich zeigen können, wozu er fähig ist, indem er das Schwert in dieses Giftnest stößt, das sich Alexandreia nennt.
XIII Wie zwei Gladiatoren, die in die Arena treten, beobachten sich Antonius und Oktavian prüfend aus der Ferne und messen gegen seitig ihre Kräfte, der eine diesseits, der andere jenseits des Mit telmeeres. Der Sieger von Philippi scheint es indessen nicht eilig zu haben, den Kampf aufzunehmen. Den ganzen Winter 34-33 ver
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bringt er in gelassener Untätigkeit. Seine Sorglosigkeit aber beunruhigt Kleopatra schließlich. Ist er sich denn der drohenden Gefahr nicht bewußt? Je größer sie wird, desto mehr gibt er sich dem Vergnügen hin. Mit Weinreben gekränzt, verbringt er alle seine Nächte bei Trinkgelagen mit seinen Gefährten. Wie ist es möglich, daß er nicht sieht, welche Nahrung sein Verhalten der römischen Propaganda liefert? Vergeb lich sagt ihm die Königin immer wieder, daß jetzt nicht mehr die Zeit sei, die Rolle des Dionysos zu spielen, sondern daß er zu den Waffen eilen müsse. Aber anstatt die Legionen zu mobilisieren, zögert Antonius und wartet ab. Wenn sein Rivale ihn herausfor dert, so nimmt er den Fehdehandschuh nicht auf, und als sich die Gelegenheit bietet, einen Vorteil zu erringen, erklärt er, daß er zu beschäftigt sei, um sich darum zu kümmern. Zum ersten Mal in ihrem Leben hat Kleopatra Angst. Ob sie sich in Antonius vollkommen getäuscht hat? Was wird geschehen, wenn er nicht in der Lage ist, Oktavian die Spitze zu bieten? Da Anto nius sich der bevorstehenden Entscheidung nicht bewußt zu sein scheint, nimmt Kleopatra die Dinge selbst in die Hand, denn wenn nicht rechtzeitig etwas geschieht, werden sie alle verloren sein. Die Amtszeit des Triumvirn wird mit Jahresende ablaufen, und es scheint so gut wie sicher, daß Oktavian eingreifen wird, um Anto nius’ Wiederwahl zu verhindern. Aber statt schnell zu handeln, glaubt Antonius durch Wutanfälle Eindruck machen zu können. Er beschuldigt Oktavian, »unehrlich gehandelt zu haben, indem er die dem Sextus abgenommene Beute nicht mit ihm geteilt habe und ihm nicht die Schiffe zurückschicke, die er ihm für den Seekrieg geliehen hatte«. Er wirft ihm außerdem vor, »allein die von Lepi dus abgetretenen afrikanischen Provinzen in Besitz genommen zu haben und an seine Legionäre das ganze freie Land in Italien zu verteilen, wodurch seine eigenen Soldaten um den ihnen zustehen den Teil betrogen würden«. Oktavian antwortet in höhnischem Ton, »daß Antonius’ Großsprecherei ihn nicht beeindrucke und daß er an dem Tage mit ihm die afrikanischen Provinzen teilen würde, an dem der Trium
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vir ihm die Hälfte Ägyptens und Armeniens abtrete! Im übrigen würden Antonius’ Legionäre wohl kaum das Land in Italien begeh ren, da ihnen doch bald ganz Medien und Parthien zur Verfügung stehen würden ...« Diese Anspielung auf die Teilung Ägyptens beunruhigt die Königin; es bestätigt ihre Vermutung, daß Oktavian ihr Reich bereits als römische Provinz ansieht und, falls er den Sieg davontrüge, nach Belieben darüber verfügen würde. Sie hat ihm eigentlich schon immer ähnliche Absichten zugetraut; daß er sie aber jetzt öffentlich auszusprechen wagt, zeigt, wie sicher er seiner Sache ist. Glücklicherweise antwortet Antonius, indem er Oktavian offi ziell seine Heirat mit Kleopatra mitteilt. Das ist wenigstens ein kleiner Trost... Aber nicht mit Worten gewinnt man einen Krieg; nach diesem Austausch von gegenseitigen Beleidigungen kehrt Antonius, sehr zufrieden mit sich selbst, zu seinen Trinkgelagen zurück. Kleopatra fühlt, daß er nur wieder zu sich finden wird, wenn sie ihn aus der verderblichen Atmosphäre Alexandreias ent fernt, und sie beschließt, das Hauptquartier nach Ephesos zu ver legen. Dorthin begibt sie sich Ende des Winters 33 mit Antonius und einem bedeutenden Heer. Wie wichtig war dieser Wechsel! In dem frischeren und gesünderen Klima von Ephesos findet Anto nius allmählich sein Gleichgewicht wieder und widmet sich mit wachsendem Interesse der Bewaffnung seiner Truppen. Bald ist Ephesos der größte Militär- und Flottenstützpunkt im Orient. Kleo patra hat ungeheure Summen für die Kriegsvorbereitungen zur Verfügung gestellt; außerdem liefert sie riesige Mengen Getreide, Kleidung, Waffen und Munition. Aus Syrien, Armenien und dem Pontos treffen täglich Versorgungsschiffe im Hafen von Ephesos ein. Antonius, der sich plötzlich der drohenden Gefahr bewußt geworden zu sein scheint, mobilisiert seine Flotte und zieht sie in der Mündung des Kaistos zusammen, wo bereits die etwa zwei hundert Galeeren der ägyptischen Streitmacht liegen. Der Trium vir hat zahllose mit ihm verbündete orientalische Herrscher nach Ephesos einberufen: Bocchus, König von Mauretanien, Tarkondi motus, Herrscher von Oberkilikien, Archelaios, König von Kap
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padokien, Philadelphos von Paphlagonien, Mithridates, König von Kommagene, Sadales und Rhoemetalkes, Könige von Thrakien, Amyntas von Galatien und Malikos, einen kleinen arabischen Fürsten. Dazu kommen viele andere Herrscher, die Antonius ihre Söldnerheere zur Verfügung stellen. Anders als beim Feldzug gegen die Parther rüstet nun der gesamte Orient gegen die Gefahr, die Oktavian darstellt. »Die Heere, die in der Stadt ankommen, umfassen Soldaten aus fast allen Völkern der Erde. Es gibt neunzehn römische Legionen (zum größten Teil aus Galliern und Germanen bestehend), aber auch Einheiten maurischer, ägyptischer, sudanesischer, arabischer und beduinischer Krieger sowie wilde Meder, kühne Armenier, Bar baren von den Küsten des Schwarzen Meeres, Griechen, Juden, Syrer. Die Straßen wimmeln von Männern, die die malerischsten Kleidungen und verschiedensten Waffen tragen; man hört fast alle Sprachen der Welt. Noch nie in der Geschichte der Welt hat man eine solche Völkerversammlung gesehen, und Kleopatras Herz schwillt vor Stolz bei dem Gedanken, daß sie der Anlaß dazu ist.«165 Im Frühjahr 32 treffen vierhundert römische Senatoren in Ephe sos ein; sie wollen sich über den Grund der Kriegsvorbereitungen unterrichten. Zu ihrer größten Überraschung stellen sie etwas fest, das sie aus der Ferne nicht ahnen konnten: Antonius übt keine Befehlsgewalt mehr aus, sondern ist nur eine Figur in den Händen der ägyptischen Königin, die alles plant und leitet. Wie kann ein römischer General so tief sinken? Zutiefst erschüttert äußern einige der Senatoren die Ansicht, daß Rom sofort den Krieg erklären solle; die anderen aber, die an die unvermeidlichen Folgen einer Wiederaufnahme der Feind seligkeiten denken, neigen zu einer gemäßigteren Lösung. Wäre es nicht besser, Antonius und Oktavian miteinander zu versöhnen, bevor etwas geschieht, das nicht wieder gutzumachen ist? Ein Kompromiß zwischen den beiden Schwägern ist vielleicht noch möglich, allerdings unter der Bedingung, daß Antonius sich von Kleopatra lossagt und sie nach Ägypten zurückschickt.
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Sowie die Königin davon erfährt, gerät sie in größte Erregung; sie zittert bei dem Gedanken, daß Antonius dem Druck der Senato ren nachgeben könnte. Um dieser Gefahr zu begegnen, beschließt sie entgegen dem Rat, den ihr viele geben, nicht nach Alexandreia zurückzukehren, sondern ihr Hauptquartier nach Athen zu verle gen. Dann überredet sie Antonius, Oktavia offiziell zu verstoßen; sich über die Entrüstung der ›Väter‹ hinwegsetzend, schickt Anto nius auch tatsächlich einen Boten nach Rom, der seiner Frau den Befehl überbringt, sofort sein Haus zu verlassen. Die Botschaft, die vielleicht von Kleopatra selbst diktiert wurde, ist in einem derart beleidigenden Ton abgefaßt, daß sie jede etwaige Versöhnung ausschließt. Gleichzeitig beordert Antonius seine gesamten in Ephesos stationierten Streitkräfte nach Griechenland. Die Römer sind über die grausame Behandlung der sanften Oktavia höchst entrüstet; nichts zeigt ihnen deutlicher, in welchem Maße Antonius der Ägypterin hörig ist. Besorgt über diese Ent wicklung schicken die Freunde, die Antonius noch in der Haupt stadt hat, einen der Ihren namens Germinius zu ihm nach Athen, um ihn zu warnen, daß er zweifellos bald zum ›Staatsfeind‹ erklärt werden würde. Aber Antonius und Kleopatra halten Germinius für einen Spion Oktavias und behandeln ihn dementsprechend. Bei Tisch weisen sie ihm den schlechtesten Platz zu und richten nur das Wort an ihn, um ihn zu schmähen. Eine Zeitlang läßt sich Germinius diese Behandlung gefallen, aber dann eines Abends, nachdem er wie Antonius viel getrunken hat, beherrscht er sich nicht länger. Als der Triumvir ihm plötzlich zuruft: »Gib doch zu, warum Du nach Athen gekommen bist!« springt Germinius auf und antwortet mit wuterstickter Stimme: »Ich hebe meine Antwort für einen Augenblick auf, wo wir beide weniger betrunken sind. Aber jetzt sofort werde ich sagen, ob betrunken oder nicht, daß, wenn die Königin einwilligen würde, nach Ägypten zurückzukehren, es um Dich und Deine Sache besser stünde!« Wütend droht Antonius, ihn verhaften zu lassen, aber Kleopatra hindert ihn daran. Ohne ihre Ruhe zu verlieren, bemerkt sie lediglich: »Es ist gut, Ger minius, daß Ihr uns Euer Geheimnis enthüllt habt, ohne daß wir
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Euch der Folter aussetzen mußten...« In derselben Nacht flieht Germinius nach Rom. Er schildert die Szene seinen Freunden, und seine Berichte über Athen, die bald in der ganzen Stadt umlaufen, werden von Marcus Silanus bestätigt; dieser ehemalige Offizier Caesars hatte Antonius verlassen, abgestoßen von der Herrschsüchtigkeit der Königin und der Untertänigkeit des Trium virn. Oktavian beschließt, nicht länger zu warten. Er fordert alle Senatoren, die noch in Griechenland weilen, auf, sofort nach Italien zurückzukehren. Acht Tage später erklärt er den Krieg, und zwar ist die Kriegserklärung sehr geschickt nicht an Antonius, sondern an Kleopatra gerichtet. Der offizielle Senatsbeschluß bestimmt, daß »Antonius aller seiner Ämter und Funktionen enthoben ist auf Grund der Tatsache, daß er sie von einer Frau an seiner Statt ausüben ließ«. »Allem Anschein nach«, fügt Oktavian hinzu, »hat der Triumvir gewisse Getränke zu sich genommen, die ihn den Verstand haben verlieren lassen. Deshalb brauchen die römischen Generale nicht ihn zu bekämpfen, sondern Mardion und Potheinos, Eunuchen am ägyptischen Hofe, Iras, das junge Mädchen, dem die Pflege von Kleopatras Haaren anvertraut ist, und Charmion, ihre Zofe, denn dieses sind die Personen, die ihr als Ratgeber dienen.« Bei den Opfern, die dem Kriegsbeginn vorausgehen, befolgt Oktavian das traditionelle Ritual, das für die gegen einen äußeren Feind gerichteten Feldzüge vorgesehen ist: Angetan mit dem Prie stergewand, wirft er vor dem Tempel der Bellona den heiligen Speer in Richtung Osten. Jetzt verlassen Antonius und Kleopatra Athen und begeben sich mit dem gesamten Heer nach Patras, das am Eingang des Golfes von Korinth liegt, etwa zweihundert Meilen von der italienischen Küste entfernt. Die Flotte wird weiter nördlich in die Nähe des Golfes von Ambrakia verlegt, während die Vorposten auf Kor kyra, siebzig Meilen vor Italien, stationiert werden. Oktavian zieht währenddessen mit seinen Streitkräften nach Süditalien und stellt sie Griechenland gegenüber im Raum von Brundisium und Tarentum auf.
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So kommen sich die Gegner Schritt um Schritt näher; jetzt trennt sie nicht mehr die ganze Breite des Mittelmeeres, sondern nur noch das schmale Ionische Meer.
XIV So seltsam es klingt, aber Antonius scheint von Oktavians Kriegserklärung nicht sehr beeindruckt gewesen zu sein. Er nimmt diesen Schritt nicht ernst und beurteilt seinen früheren Schwager genauso, wie Pompejus über Caesar gedacht hat. Antonius hat etwa hunderttausend Mann Fußvolk und fünfzehn tausend Reiter in Griechenland zusammengezogen, während Okta vian nur über achtzigtausend Fußsoldaten und zwölftausend Reiter verfügt. Trotz seiner zahlenmäßig schwachen Überlegenheit hält Antonius seine Kräfte für stark genug, um den Gegner zu besiegen; er hat sogar vier seiner Legionen in der Kyrenaika, vier andere in Ägypten und drei in Syrien zurückgelassen sowie eine Kette kleinerer Garnisonen längs der Ostküste des Mittelmeeres errich tet. Da er überzeugt ist, daß seine mächtigen ägyptischen Galeeren ausreichen werden, um das Heer des Gegners noch vor dessen Landung in Griechenland zu zerstreuen, beschließt er, Oktavian zuerst angreifen zu lassen. Er hat übrigens nicht die Absicht, seinen Rivalen in einer Schlacht zu erledigen, denn er verfügt über eine langsamere, aber wirkungsvollere Waffe: die Seeblockade. Antonius hat die Herrschaft über das Meer und kontrolliert dadurch den riesigen Kornspeicher, den der Orient darstellt. Ägypten allein kann genug Getreide liefern, um sein Heer unbegrenzt zu ernähren; es hat außerdem genug Geld, um seine Soldaten zu entlohnen. Der Ausbruch der Feindseligkeiten wird also die Nahrungsmittel preise in Griechenland und Kleinasien nur geringfügig beeinflus sen. Oktavian dagegen befindet sich in der umgekehrten Lage. Da mit Kriegsausbruch der Schiffsverkehr beeinträchtigt werden wird, werden die Lebenshaltungskosten in Italien steigen, und bald wird Hungersnot im ganzen Land herrschen. Oktavian hat kein Geld und weiß nicht, wo er welches beschaffen könnte. Seine Lage
Römisches Kriegsschiff mit angriffsbereiten Legionären; eine Szene der Schlacht von Actium (Reliefdarstellung von Praeneste) Plan der Seeschlacht von Actium
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ist so schlecht, daß ein Aufstand der Legionen nicht ausgeschlos sen scheint. Antonius nimmt also richtig an, daß es in seinem Inter esse sein wird, die Dinge in die Länge zu ziehen. Oktavian weiß ebenfalls genau, daß die Zeit gegen ihn arbeitet, und er möchte den Krieg so schnell wie möglich zu Ende bringen. Wenn nur Antonius bald in Italien landete – dann wäre er gerettet! Er verdoppelt daher seine Herausforderungen, in der Hoffnung, den Feind nach Italien ziehen zu können. Ihn bei seiner Eitelkeit nehmend, schlägt Oktavian ihm vor, »ihn ohne Verzögerung anzu greifen, wenn er kein Feigling sei«, und verspricht, ihn nicht an der Landung in Italien zu hindern oder anzugreifen, solange Antonius seine Truppen noch nicht aufgestellt hat. Aber Antonius will sich nicht nach Italien locken lassen. Um Oktavian zu beweisen, daß er kein Feigling sei, läßt er ihm ant worten, daß »er trotz seines Alters bereit sei, Oktavian im Zwei kampf gegenüberzutreten, an jedem beliebigen Ort außerhalb der Halbinsel«. Oktavian lehnt ab. Daraufhin fordert Antonius ihn auf, sein Heer in die Ebene von Pharsalos zu führen, damit die beiden Gegner ihren Streit an derselben Stelle austragen, wo sich Caesar und Pompejus vor siebzehn Jahren gegenübergestanden haben! Erneute Weigerung Oktavians, der sich nicht nach Makedonien wagen will, wo er von seinen Stützpunkten abgeschnitten wäre. Der ständigen Herausforderungen müde, beschließen die beiden feindlichen Heerführer, ihr Winterquartier zu beziehen, der eine in Patras, der andere in Tarentum. Aber dann bricht eine Malariaepidemie unter den Mannschaf ten der Flotte aus, die Antonius im Golf von Ambrakia stationiert hat; ein Drittel der Ruderer und Matrosen erliegt der schreckli chen Krankheit. Antonius befiehlt, die Lücken »durch die gewalt same Aushebung der gesamten örtlichen Arbeitskräfte – Bauern, Knechte und Tagelöhner –« zu füllen. Unglücklicherweise aber sind die meisten dieser Männer unbrauchbar, so daß die Schiffe nur unvollständig bemannt und manche sogar völlig kampfunfähig sind. Als Oktavian von diesen Ereignissen erfährt, schickt er ein Flottenkontingent an die Südküste Griechenlands (Frühjahr 31).
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Unter dem Befehl von Marcus Vipsanius Agrippa bemächtigt sich das Häufchen Soldaten der Stadt Methone und tut, als wolle es die Umgebung im Hinblick auf die Landung des restlichen oktaviani schen Heeres erkunden. Antonius zieht sofort nach Süden, um die Vorhut des Gegners ins Meer zurückzudrängen. Aber während seine Aufmerksamkeit auf diesen Teil der Küste gerichtet ist, setzt Oktavian im Norden mit dem Hauptteil seiner Streitkräfte von Brundisium nach Korkyra über und von dort nach Epirus. Dann zieht er in Gewaltmärschen zum Golf von Ambrakia, um Antonius’ Flotte in Brand zu stecken, bevor sie wieder voll bemannt ist. Doch Antonius befindet sich bereits wieder auf dem Rückmarsch nach Norden; er kommt genau in dem Augenblick am Vorgebirge von Actium an, das die Südküste des Golfes bildet, als Oktavian auf der gegenüberliegenden Seite erscheint. Die Absicht des Feindes erratend, beeilt sich Antonius, die Besatzungen seiner Schiffe zu vervollständigen, indem er Legionäre abbeordert und die Flotte in Schlachtstellung gehen läßt. Oktavian ist gezwungen, von seinem Plan abzusehen. Antonius verschanzt sich nun bei Actium, und einige Tage später trifft auch Kleopatra dort ein. So stehen sich die beiden Gegner gegenüber, und es trennt sie nur noch der schmale Golf von Ambra kia.
XV Die Blicke nach Actium gerichtet, halten Orient und Okzident den Atem an und fragen sich voller Angst, wer als Sieger aus diesem Zweikampf hervorgehen wird. Denn hier wird die letzte Phase des entsetzlichen Bürgerkrieges ausgetragen, den Caesar durch seinen Übergang über den Rubikon entfesselt hat. Pharsalos ist der Kampf zwischen Vergangenheit und Zukunft gewesen, Philippi die Auseinandersetzung zwischen Republik und Diktatur. Aber in der Schlacht, die sich jetzt vor Actium anbahnt, werden der Wille zur römischen Hegemonie über die Mittelmeerwelt einerseits und die
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letzte Hoffnung auf die Errichtung eines Universalreiches anderer seits zusammenprallen. Oktavian, dessen Truppen sich auf einem zu kleinen Raum zusammendrängen, verlegt sein Feldlager einige Meilen von der Einfahrt zum Golf weg. Antonius nutzt diese Bewegung, um auf das gegenüberliegende Vorgebirge überzusetzen, das sich seinem eige nen Lager gegenüberbefindet. So kontrolliert er die Durchfahrt von beiden Seiten. Aber die Vorteile dieser Stellung sind nicht so groß, wie es den Anschein hat, denn Oktavian hat nicht nur sein Lager mit Schanzen umgeben, in deren Schutz er seine Schiffe mit dem Nachschub ungehindert löschen kann, er versperrt auch mit seinen Galeeren die Ausfahrt aus dem Golf, so daß Antonius’ Flotte, die in der Bucht von Ambrakia vor Anker liegt, die feindlichen Linien durchbrechen muß, um aufs offene Meer zu gelangen. Beide Gegner befinden sich in einer widersinnigen Lage. Okta vian, der seine Versorgung von Italien auf dem Seeweg erhält, blok kiert Antonius’ Flotte im Golf von Ambrakia; Antonius, dessen Nachschub aus Griechenland auf dem Landweg kommt, blockiert Oktavians Heer an der Küste von Epirus. Sie hindern sich also gegenseitig an jeder Bewegung! Es gibt zwei Auswege aus dieser Situation: Entweder zieht sich Antonius in das Innere des Landes zurück und lockt Oktavian hinter sich her, so daß er ihn auf offenem Feld schlagen kann, oder die ägyptisch römische Flotte erzwingt sich die Ausfahrt aus dem Golf und zerstört Oktavians Seestreitkräfte, um die Herrschaft über das Meer zurückzugewinnen. Actium wird also entweder eine Schlacht zur See oder eine Schlacht zu Lande sein. Während der Wochen, die der entscheidenden Auseinandersetzung vorausgehen, werden diese beiden Möglichkeiten in Antonius’ Lager leidenschaftlich dis kutiert, zum einen zwischen Antonius und seinen Generalen, zum anderen zwischen Antonius und Kleopatra. Wir müssen diese Dis kussionen aufmerksam verfolgen, denn Actium ist keine Schlacht wie alle anderen. Die Darstellungen der antiken Chronisten wei chen derart voneinander ab, daß man sich nicht ohne weiteres auf eine von ihnen festlegen kann, und die modernen Historiker, die
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sich durch diese Widersprüche haben verwirren lassen, sprechen von Actium wie von einem Rätsel, zu dem man den Schlüssel ver loren hat. Die Erklärung liegt darin, daß in Actium in einem weit größeren Maße als bei anderen Schlachten die Psychologie eine bedeutende Rolle spielt; man könnte fast sagen, daß die Haupt faktoren bei dieser Schlacht weder die Größe der Schiffe noch die Entscheidungen ihrer Admirale sind, sondern die Verfassung der Gemüter und der Zufall des Windes. Diese Faktoren – und nicht die Strategie – haben die Art und den Verlauf der Operationen bestimmt. Nach Ansicht der römischen Generale bestände die beste Lösung darin, sich ins Landesinnere zurückzuziehen, um Oktavian zu bewegen, seinen Stützpunkt zu verlassen und sich Antonius’ Legio nen in Griechenland zu stellen. Die überlegenen Landstreitkräfte des Triumvirn läßt ihrer Meinung nach einen sicheren Sieg erwar ten. Da die Landstreitkräfte kein ägyptisches Kontingent umfas sen, würde es sich um eine rein römische Schlacht handeln, was Antonius von dem Verdacht befreien würde, er segele in Kleopa tras Fahrwasser. Außerdem hätte diese Taktik den Vorteil, Oktavi ans Unaufrichtigkeit offen zutage zu bringen, der behauptet, nicht Antonius, sondern die Königin von Ägypten bekämpfen zu wollen. Natürlich ist Kleopatra entschieden anderer Meinung. Für sie gibt es nur eine Lösung: die Ausfahrt aus dem Golf erzwingen und eine Seeschlacht schlagen. Sie spürt sehr wohl, daß der Plan der Generale vor allem beabsichtigt, sie auf die Seite zu drängen. Wenn man sich für den Landkrieg entscheidet, wird Ägypten nicht daran teilnehmen, wenn aber die Operationen sich zur See abspielen, wird ihrer Flotte eine entscheidende Rolle zufallen, und sie kann nach Beendigung eines Feldzuges ihre Rechte geltend machen. Kleopatra hat nämlich ihrerseits einen kühnen Plan entworfen: Die ägyptisch-römische Flotte braucht nur über Oktavians Flotte zu siegen, damit dieser in der Falle sitzt. Es sei dann gar nicht nötig, seine Übergabe abzuwarten: Ein paar Einheiten würden genügen, um ihn an jeder Bewegung zu hindern, während Antonius und Kleopatra mit zwanzig- bis dreißigtausend Legionären nach
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Italien übersetzen und das unverteidigte Rom einnehmen könnten. Denn um seinem Vorgehen den gesetzlichen Rückhalt und mehr Glanz zu verleihen, hat Oktavian den gesamten Senat nach Actium kommen lassen, so daß sich weder Militär noch Zivilbehörden in der Hauptstadt befinden. Sowie also Oktavians Seestreitkräfte ver nichtet sind, können Antonius und Kleopatra in die Ewige Stadt einziehen, ohne auf Widerstand zu stoßen, während der Feind in Griechenland dem Hungertod ausgesetzt ist. »Eine Seeschlacht, und Rom gehört ihnen« — eine ganz andere Aussicht als die eines langsamen und glanzlosen Rückzugs ins Landesinnere! Aber Antonius bemüht sich umsonst, die Zustimmung seiner Generale zu diesem Plan zu erhalten. Die Taktik scheint ihnen nicht nur zu gewagt, sondern sie sträuben sich auch gegen die Vor stellung, daß der Triumvir an der Seite Kleopatras in Rom einzieht. »Die Bürger Roms würden es nicht dulden«, geben sie Antonius zu bedenken. »Ihr würdet Eurem Ansehen einen nicht wiedergut zumachenden Schaden zufügen, wenn Ihr am Arm einer Fremden auf dem Kapitol erscheint. Merkt Ihr denn nicht, daß diese Frau die Ursache Eures Untergangs ist? Sie übt die Befehlsgewalt aus, sie will alles beherrschen, so daß Ihr nur noch wie ein Spielzeug in ihren Händen erscheint. Trennt Euch so schnell wie möglich von ihr, damit Ihr das Vertrauen Eures Heeres wiedergewinnt. Das Interesse der Politik, des Feldzuges und des Heeres erfordern ihre Entfernung. Laßt sie nach Ägypten zurückkehren und dort das Ende des Krieges abwarten; damit wird auch Oktavian jeder Vor wand genommen, Euch anzugreifen!« Wie aber kann Kleopatra sich entfernen, solange Oktavian die ägyptische Flotte blockiert? »Auf dem Landweg«, erwidern ohne zu zögern Domitius Aheno barbus, Dellius und Amyntas, die sich zu Sprechern des Heeres gemacht haben. »Sie kann durch Griechenland und Syrien nach Ägypten zurückkehren!« Aber dieses Vorgehen scheint Antonius nicht angemessen zu sein; es hieße, der Königin eine unverdiente Demütigung zuzufügen. Ihre Abreise würde nach Flucht oder Verstoßung aussehen, und ihr
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langsamer Zug durch Kleinasien könnte Sympathiekundgebungen für sie und sogar Auflehnung gegen die römischen Garnisonen her vorrufen. Außerdem kennt Antonius Kleopatras Kampfgeist viel zu gut, um zu glauben, daß sie ihre Flotte in diesem Augenblick ver lassen würde. Sowie die ägyptischen Besatzungsmannschaften von ihrer Abreise erfahren, würden sie sich auflösen und ihre Schiffe kampf los übergeben. Mit Rücksicht auf die Empfindlichkeit seiner Gene rale verspricht er ihnen jedoch, auf keinen Fall mit der Königin zusammen in Rom zu erscheinen und nicht zu versuchen, eine Monarchie in Italien zu errichten. Ja, er verpflichtet sich im Gegen teil, dort nach Beendigung des Krieges die republikanischen Insti tutionen wiederherzustellen. Ein letztes Mal weisen die Generale ausdrücklich darauf hin, daß sie den Rückzug ins Landesinnere vorziehen. Als Antonius die Besprechung abbricht, verlassen ihn die Führer des Heeres voller Zuversicht, überzeugt, ihn für ihren Plan gewonnen zu haben. Zwi schen den verschiedenen Meinungen hin- und hergerissen, begibt sich Antonius zu Kleopatra, um ihr vorsichtig nahezulegen, daß ihre Anwesenheit unerwünscht sei. Die Generale haben ihn tief gedemütigt, indem sie auf seine Bevormundung durch Kleopatra hinwiesen. Er kann nicht umhin, anzunehmen, daß es ihr zuzu schreiben ist, wenn sein Heer sich von ihm entfernt. Jeder in Actium ist eifersüchtig auf sie und haßt sie. Es ist offensichtlich, daß seine Aufgabe durch ihre Abreise wesentlich erleichtert würde. Aber wie soll er ihr das zu verstehen geben? Er findet Kleopatra nervös, erregt und von düsteren Ahnungen erfüllt. Man hat ihr von zahlreichen Ereignissen berichtet, in denen sie ungünstige Vorzeichen sieht: In Athen hat ein ungewöhnlich hef tiger Wirbelsturm ein Standbild des Bacchus, der die Züge Anto nius’ trägt, zerstört und zwei riesige Büsten des Eumenes und des Attalos, die beide seinen Namen tragen, umgestürzt. In Ambrakia hatte ein Pärchen Seeschwalben sein Nest im Heck der königlichen Galeere gebaut, aber dann kam ein anderes Paar und vertrieb es mit seiner Brut, um sich selbst dort niederzulassen. Kleopatra
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sieht eine Beziehung zwischen diesen Ereignissen und der Tatsa che, daß in Patras einige Monate vorher ein Blitz in den Tempel des Herkules, von dem Antonius seine Herkunft ableitet, einschlug und ein Erdbeben die Gemeinde Pisaurus, die er an der Ostküste Itali ens gegründet hatte, vernichtete. Ägyptische Wahrsager hatten ihr schon früher prophezeit, »daß der Stern Antonius’ vor dem Stern Oktavians sinken wird«, doch damals hatte sie diesen Worten keine Bedeutung beigemessen. Aber jetzt muß sie daran denken, wenn sie diesen schwächlichen Mann vor sich sieht und ihn mit dem herrlichen Krieger vergleicht, dem sie in Tarsos begegnet ist! Als Antonius ihr jetzt auch noch sagt, es wäre besser, daß sie nach Ägypten zurückkehrte, ja daß das gesamte Heer dieses wünsche und er selbst nichts dagegen habe, da kann sie sich nicht mehr beherrschen. Ihr Zorn bricht in heftigen Worten aus ihr hervor. Sie wirft Antonius vor, er habe seine ganze Würde verloren und sei nur noch der Schatten seiner selbst. Kann er so blind sein und die Absicht seiner Generale nicht erraten? Indem sie ver suchen, sie voneinander zu trennen, wollen sie nur die Beziehun gen zerstören, die Ägypten und Rom verbinden. Sie reagieren auf die gleiche Weise wie die Senatoren vor zehn Jahren im Hinblick auf Caesar; allerdings hat der Sieger über Pompejus ihre Angriffe mit gelassener Verachtung beantwortet, während Antonius ihren Wünschen eilfertig entgegenzukommen scheint. Hat er ihnen nicht sogar versprochen, die republikanischen Institutionen Roms nach seinem Sieg über Oktavian wiederherzustellen? Sieht er denn nicht, daß er damit das Erbe Caesars verrät und eigenhändig die Grundlagen des Reiches zerstört, das nur als Monarchie zum Uni versalreich werden kann? Antonius beugt sich unter dieser Lawine von Vorwürfen und verletzendem Spott. Sie beschuldigt ihn, »den Sieg um den Preis ihrer Scheidung erringen zu wollen«. Doch als Antonius, außer sich vor Wut, sie auffordert, zu gehen, weigert sich die Königin von Ägypten. Wofür hält er sie? Soll sie wie eine Ausgestoßene die Straßen Asiens entlangziehen und ihre Schande vor den Augen ihrer Untertanen ausbreiten? Niemals wird sie ihre Flotte verlas
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sen, niemals wird sie den Kampf aufgeben; ebensogut könnte er von ihr verlangen, sich das Leben zu nehmen ... Der Anblick dieser vor Zorn sprühenden Frau, die leidenschaft lich die Rechte ihres Kindes verteidigt, erfüllt Antonius mit Bewun derung und Schuldgefühl. Mit Tränen in den Augen bittet er sie, sich zu beruhigen; in seiner Verwirrung schwört er sogar, sich ihrem Plan anschließen zu wollen und auf den taktischen Rückzug nach Griechenland zu verzichten. Er wird die feindliche Blockade durchbrechen und die Seeschlacht liefern, die ihr so sehr am Herzen liegt. Aber sie möge ihn nicht mehr vor seinen Generalen demütigen! Er bittet sie, ihm ein kleines Zugeständnis zu machen, damit das Heer nicht gänzlich von ihm abfällt: Während seine Legionen Oktavian belagern, wird sich die römische Flotte den Weg zum Meer erzwingen; die ägyptische Flotte wird in ihrem Kielwas ser folgen und das offene Meer gewinnen. Dann aber wird sich Antonius allein nach Rom begeben, während Kleopatra nach Alex andreia segeln und dort auf ihn warten wird ... Kleopatra ist unsagbar enttäuscht. Antonius hat zwar ihrem Plan einer Schlacht zur See zugestimmt, aber indem er ihr vorschlägt, sofort nach Ägypten zurückzukehren, statt mir ihr zusammen einen siegreichen Einzug in Rom zu halten, nimmt er ihr mit der rechten Hand, was er ihr mit der linken anbietet. Damit beweist Antonius, wie wenig er sie versteht. Hat er sie überhaupt jemals verstanden? In diesem Augenblick verachtet ihn Kleopatra. Er sagt, daß sie ihm zur Last falle? Glaubt er, daß er nicht auch ihr lästig wird? Sie ist es müde, gegen seine Schwächen zu kämpfen, ihn aufzuheben, wenn er fällt, ihn zu trösten, wenn er besiegt ist, ihm Tag für Tag zu sagen, was er tun soll! Von nun an begegnet sie ihm mit kalter Verachtung; sie verweigert ihm ihr Lager und richtet kein Wort mehr an ihn. Da er nicht auf sie hören will, soll er tun, was er für richtig hält; sie wird sich nicht mehr einmischen und ihm auch keinen Rat mehr geben... Antonius fühlt sich mit jedem Tag elender und unsicherer, denn diese Nichtbeachtung ist mehr, als er ertragen kann. Er weint und seufzt und fleht Kleopatra an, ihm zu verzeihen. Er schwört beim Leben seiner Kinder, daß er niemals
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daran gedacht habe, sich von ihr zu trennen, daß sie der einzige Sinn seines Lebens sei – aber sie bleibt unnachgiebig und tut in jeder Beziehung, als sei er nicht da... Antonius’ Generale begrüßen diese Entwicklung als Anzeichen des bevorstehenden Bruches. Antonius aber ist todunglücklich und findet keinen Schlaf mehr, denn die Teilnahmslosigkeit der Königin läßt ihn befürchten, daß sie sich etwas zufügen könnte. Er teilt einigen seiner Vertrauten seine Befürchtungen mit, und diese wiederum berichten Kleopa tra darüber, die beschließt, ihm eine Lehre zu erteilen. Im Verlauf eines Mahles läßt sie sich Wein aus einer Amphore einschenken, aus der alle Gäste bereits getrunken haben. Nachdem sie selbst einen Schluck genommen hat, reicht sie Antonius ihren Becher. Dieser traut seinen Augen nicht – ist das die Versöhnung? Erfreut nimmt er den Becher entgegen und setzt ihn an die Lippen. In diesem Augenblick läßt Kleopatra, wie um ihrer Geste noch mehr Anmut zu verleihen, die Blumen, die in ihrem Haar steckten, in das Getränk fallen. Antonius hebt den Becher wieder zum Mund, aber sie schlägt ihn ihm aus der Hand: »Trink’ nicht davon! Dieser Wein ist vergiftet...« Antonius ant wortet erstaunt, daß sie doch selbst vor ihm davon getrunken habe! Mit größter Gelassenheit erklärt ihm Kleopatra, daß die Blumen giftig seien, und fügt mit einem hellen Lachen hinzu: »Ich hätte Dich schon tausendmal getötet, wenn ich Dich hätte entbehren können!« Derartige, in der Öffentlichkeit gemachte Bemerkungen sind nicht gerade dazu angetan, Antonius aus seiner Verzweiflung zu befreien. Seine Hilflosigkeit wird noch größer, als er seinen Gene ralen mitteilen muß, daß er sich schließlich doch für die See schlacht entschlossen habe. Die Heerführer sind sprachlos. Mit welchen Listen hat es die Königin wieder erreicht, ihn völlig umzu stimmen? Hatte er ihnen doch genau das Gegenteil versprochen! Überzeugt, daß der Triumvir unwiderruflich verloren ist, verläßt Domitius Ahenobarbus ihn noch am selben Abend und geht zu Oktavian über. Das ist ein schwerer Schlag für Antonius; aber noch härter treffen ihn die Worte, die einer der Offiziere des Fußvolkes
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an ihn richtet, indem er auf seine zahlreichen Narben weist: »O mein General! Haben Dir unsere Wunden und unsere Schwer ter so sehr mißfallen, daß Du Deine Hoffnung nun auf verfaulte Bretter baust? Laß die Ägypter und Phöniker zu Wasser kämpfen, aber gib uns die Erde, auf der wir zu sterben wissen, wenn uns der Sieg verwehrt ist!« So bereitet sich Antonius, zwischen dem Wunsch seiner Solda ten und den Forderungen der Königin hin- und hergerissen, auf die entscheidende Schlacht seines Lebens vor.
XVI Am 28. August 31 schifft Antonius seine Truppen – zwanzigtau send Legionäre und zweitausend Bogenschützen – auf die schwe ren römischen Galeeren ein; manche dieser Schiffe haben bis zu zehn Ruderbänke und sind bedeutend größer als die Oktavians. Aber dann erhebt sich der Wind, der furchtbare ›Boreas‹ aus der nördlichen Adria. Das Meer ist wild bewegt. Vier Tage hintereinan der muß der Versuch zum Durchbruch verschoben werden, und das Warten stellt die Besatzungen auf eine harte Probe. Zudem gehen Antonius’ Verbündete Dellius und Amyntas, die seinem Stern nicht mehr vertrauen, mit ihren Truppen zum Gegner über. Dieser Abfall bedeutet einen um so schwereren Schlag, als Dellius über Anto nius’ Schlachtpläne genau unterrichtet ist. Am 1. September schließlich beruhigt sich das Meer. Abends begibt sich Antonius an Bord seiner Galeeren, um seinen Männern Mut zuzusprechen. Oktavian, der durch Dellius weiß, daß die Schlacht kurz bevorsteht, trifft ebenfalls letzte Vorbereitungen und schickt acht Legionen und fünf Prätorianereinheiten auf seine Schiffe. Am nächsten Morgen lichten die beiden Flotten unter dem Jubel der Landheere die Anker. Oktavian versammelt seine Schiffe in einiger Entfernung vom Eingang des Golfes und teilt sie in drei Geschwader ein: Das linke wird von Agrippa befehligt, das mittlere von Lucius Arruntius und das rechte von Oktavian selbst. Gegen
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Mittag beginnen Antonius’ Schiffe unter dem Schutz des Heeres und der Kriegsmaschinen aus dem Golf auszufahren. Da Oktavian sieht, daß es unmöglich ist, Antonius in diesem Augenblick anzu greifen, zieht er sich weiter aufs offene Meer zurück, damit der Gegner seine Flotte in Schlachtstellung bringen kann. Auch sie ist in drei Einheiten aufgeteilt: Der linke Flügel untersteht Caius Sossius, die Mitte Marcus Insteius und der rechte Flügel Antonius, der sich also dem Geschwader des Agrippa gegenüber befindet. Die sechzig ägyptischen Galeeren unter dem Befehl Kleopatras verlas sen zuletzt den Golf; die Tatsache, daß sie ihre riesigen Purpurse gel gesetzt haben – was bei Schiffen, die in den Kampf gehen, nicht üblich ist –, weist darauf hin, daß die Königin nach Alexandreia zurückkehren will, sowie die Schlacht beendet ist. Man erwartet, daß Antonius sich jetzt auf Kleopatras Galeere begibt, um von ihr Abschied zu nehmen. Einige Stunden vorher hat sich das Ehepaar jedoch unter dramatischen Umständen getrennt: Kleopatra hat ihrer Verbitterung freien Lauf gelassen, in ihrer Ver zweiflung als verlassene Frau und ihrer Enttäuschung über Anto nius hat sie sogar gesagt, »daß sie ihn mit Freuden verlasse und nie mehr wiederzusehen hoffe«. Erregt durch den unmittelbar bevor stehenden Kampf hat Antonius geantwortet, daß er den gleichen Wunsch habe. Sie sind also beide an Bord ihrer eigenen Galeere gegangen, »mit verletzenden Worten auf den Lippen und Zorn im Herzen«. Aber Antonius ist nicht der Mann, der die Erinnerung an eine solche schreckliche Szene lange ertragen kann. Seine Lei denschaft für Kleopatra ist ebenso heftig wie am ersten Tag ihrer Begegnung; er will sie nicht mit verletzenden Worten verlassen und hat nur noch einen Gedanken: ihr durch sein Verhalten zu bewei sen, daß er ihrer Liebe noch würdig ist. Nach dem Sieg wird sie wieder fröhlich und fügsam sein und ihn mit offenen Armen auf nehmen. Er hat es eilig, sich in den Kampf zu stürzen. Die Schlacht beginnt mit dem Vorrücken des linken Flügels unter Antonius und einem Versuch Agrippas, ihn zu einer Rechts wendung zu veranlassen. Daraufhin setzen alle anderen Einheiten Oktavians zum Entern an. »Als der Kampf begann«, erzählt Plut
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arch, »versuchten die Schiffe nicht, sich gegenseitig zu rammen oder mit dem Schiffsschnabel zu durchbohren, denn Antonius’ Galeeren konnten wegen ihrer Größe nicht die Geschwindigkeit erreichen, die den Zusammenstoß wirksam gemacht hätte, während Oktavians Schiffe es nicht wagen konnten, die Galeeren des Fein des gegen den mit Erzspitzen bewehrten Bug zu rammen oder an der mit Eisenhaken besetzten widerstandsfähigen Breitseite anzugreifen, ohne sich selbst zu zerstören. Die Kampfhandlungen nahmen daher den Verlauf einer Schlacht auf festem Boden oder genauer des Angriffs auf eine bewehrte Festung: Drei oder vier der kleinen Schiffe des Oktavian kreisten jeweils eine der schweren Galeeren des Antonius ein und griffen sie mit Lanzen, Speeren, Stangen und Feuergeschossen an, während Antonius’ Soldaten sie mit Katapulten abzuwehren versuchten.« Vier Stunden lang wütet die Schlacht, vier Stunden, in deren Verlauf die schreckliche Wahrheit immer deutlicher wird: Antonius’ schwere und unbewegliche Schiffe sind Oktavians kleinen leichten Fahrzeugen weit unterlegen. Im dichten Schlachtgetümmel verliert der Triumvir bald den Überblick über den Gesamtverlauf der Kampfhandlungen; er sieht nur in seiner nächsten Umgebung, wie seine stolzen Schiffe eines nach dem anderen in Flammen stehen, untergehen oder geentert werden. Seine Gedanken kreisen um die eine Frage: Wie wird sich das Heer verhalten? Wird es im Falle der Niederlage der Flotte Widerstand leisten können? Wenn ja, wird er Oktavian noch mit seinen Legionen bekämpfen und die Niederlage zur See durch einen Sieg zu Lande wettmachen können. Aber wenn nicht? Warum hat er nur den Rat seiner Generale nicht befolgt! Jetzt sieht er es ganz deutlich: Nur im offenen Feld hätte er siegen können. Auch Kleopatras Galeere wird vom Feind bedrängt, aber durch geschick tes Manövrieren gelingt es der Königin, sich abzusetzen. Sie kann sich ein klares Bild von der allgemeinen Lage machen; sie hört das Aneinanderschlagen der Waffen, die Trompeten und das Siegesge schrei von Oktavians Matrosen, wenn eines der großen Schiffe von Antonius untergeht oder Feuer fängt. Und sie hört das Krachen
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und Bersten der gerammten Schiffsrümpfe, sie sieht die flammen den Masten und die zum Himmel aufsteigenden Rauchwolken. Sie sieht, wie Antonius’ Galeeren eine nach der anderen in den Fluten versinken, während Oktavians Einheiten mit zunehmender Hef tigkeit angreifen. Wie könnte man unter diesen Umständen noch mit Antonius’ Sieg rechnen? Gegen Abend, als der Ausgang der Schlacht noch ungewiß ist, erhebt sich ein starker Nordwind und wühlt die See auf. Heftig schlagen die Wellen gegen den Rumpf der Königsgaleere. Kleopatra wird plötzlich von einer unüberwindlichen Angst erfaßt; sie fragt sich, was sie eigentlich noch hier tut. Hat Antonius nicht wiederholt den Wunsch geäußert, sie fortfahren zu sehen? Warum soll sie sich nicht danach richten? Ist nicht vereinbart worden, daß die ägyptische Flotte sich nach Beendigung der Schlacht nach Alexandreia zurückzieht? Und das Ende steht kurz bevor. Aber es ist nicht der Ausgang, den sie erhofft hatte! Statt siegreich nach Ägypten heimzukehren, muß sie sich fortstehlen, über ein von Schiffstrümmern bedecktes Meer, wo Antonius’ letzte Chancen mit seinen Galeeren untergehen... Warum sollte sie noch länger hierbleiben, was könnte sie von dem besieg ten Mann noch erwarten? Sie hatte sich auf Antonius gestützt, weil sie in ihm nach Philippi den Römer gesehen hatte, der am ehesten in der Lage war, das Erbe Caesarions zu verteidigen. Jetzt aber, wo die Nacht über das Unglück von Actium fällt, erscheint ihr der Triumvir nicht mehr als Retter, sondern als Hindernis. Wenn sie ihr Reich und die Zukunft ihres Sohnes retten will, muß sie sich von ihm trennen und den Kampf allein fortführen... Und sie trifft die schicksalsschwere Entscheidung ... Der Wind, der von der Adria in Richtung Ägypten weht, scheint ihr den Weg zu weisen, ein Zeichen, das ihr die gütigen Götter senden. Sie gibt Befehl zum Sammeln ihrer zerstreuten Schiffe, läßt die rie sigen purpurfarbenen Segel setzen und zieht nach Süden davon. Antonius, dem es gerade gelungen ist, sich vom Feind abzusetzen, sieht mit Schrecken, daß sich die ägyptische Flotte entfernt. Ist es möglich, daß Kleopatra ihn verläßt? Aber er hat ihr ja selbst den Befehl dazu gegeben! Kleopatra verläßt ihn in dem Augenblick, wo
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er sich in einer verzweifelten Lage befindet und mehr denn je ihre Hilfe braucht... Ihre unerwartete Abfahrt versetzt Antonius einen schweren Schlag. Er sieht ihr geliebtes Antlitz, ihre leuchtenden Augen vor sich; sie ist alles für ihn gewesen und hat ihn ohne ein Wort des Abschieds verlassen. Antonius fühlt eine entsetzliche Leere in sich aufsteigen; er muß sie um jeden Preis wiedersehen, wenn auch nur für einen Augenblick. Sie können sich nicht in einem schrecklichen Mißverständnis trennen! In jedem Fall ist die Schlacht verloren, nichts kann jetzt mehr ihren Ausgang ändern. Aber was ist diese Niederlage im Vergleich zum Verlust ihrer Liebe? Er muß sie einho len, die roten Segel dürfen nicht für immer am Horizont verschwin den... »In diesem Augenblick«, sagt Plutarch, »zeigte Antonius vor aller Welt, daß er sich nicht mehr von den Überlegungen und Moti ven eines Heerführers und schon gar nicht von seinem eigenen Urteil leiten ließ; was einmal als Scherz gesagt wurde, nämlich daß ›die Seele eines Liebenden im Körper der Geliebten lebt‹, hat sich hier auf tragische Weise bewahrheitet. Als sei er als ein Teil von ihr geboren und müsse gehen, wohin sie geht, ließ er, als er die Galee ren sich entfernen sah, alle diejenigen im Stich, die ihr Leben für ihn einsetzten, um ihr zu folgen.« Antonius geht an Bord eines seiner leichteren und schnelleren Schiffe und befiehlt dem Kapitän, die Galeere der Königin einzu holen. Seine einzigen Begleiter sind Alexander der Syrer und ein Mann namens Scellias. Bald hat Antonius’ fünfrudrige Galeere die ägyptische Flotte eingeholt, und Kleopatra erfährt, daß Antonius seinen Posten verlassen hat, um sie noch einmal zu sehen. »Man kann sich ihre Gefühle gut vorstellen«, sagt Weigall. »Ihr vorzeitiger Rückzug hat also den Kampf beendet und Antonius die letzte Hoffnung auf den Sieg genommen! Nun ist er besiegt, und es scheint, als wäre ein baldiges Ende das beste, das ihm geschehen könnte. Aber Kleopatra ahnt, daß sie sich nicht ohne weiteres dieses Mannes entledigen kann: Er wird sich bis zum letz ten Augenblick an sie klammern. Sie wird sich nicht von ihm frei
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machen können und von ihm in den Abgrund mitgezogen werden. Trotzdem kann sie diesen Mann, auch wenn er sie von seinem Sieg ausschließen wollte, nicht seinem Unglück überlassen und gibt ihm ein Zeichen, an Bord zu kommen. Dann zieht sie sich in ihre Kabine zurück und weigert sich, ihn zu sehen oder zu sprechen. Man hilft Antonius an Bord, und wortlos, wie ein Schlafwandler, geht er zum Bug, setzt sich dort nieder und birgt den Kopf in den Händen.«166
XVII Drei Tage lang rührt sich Antonius nicht von der Stelle. Er sieht weder das Meer noch den Himmel, weder den Horizont vor sich noch das schäumende Kielwasser, das die Galeere hinter sich läßt. Regungslos und mit leerem Blick sitzt er noch immer im Bug, als die Flotte im Hafen von Tenare vor Anker geht. Sein Zustand ist so mitleiderregend, daß Iras und Charmion, die beiden Vertrauten und Zofen der Königin, sie anflehen, sie möge ihn wieder in Gnaden aufnehmen. Während der ganzen Überfahrt hat sich Kleopatra in ihrer Kabine eingeschlossen und neue Schlachtpläne entworfen. Sie hat sich geschworen, mit dem Mann, der ihr so viel Enttäuschung und Unglück gebracht hat, nichts mehr zu tun zu haben. Doch als man ihr seine völlige Verzweiflung und Niedergeschlagenheit schildert, hat sie wider Willen Erbarmen mit ihm; wie nach seiner Rückkehr aus Parthien erschüttert sie seine Verzweiflung. Sie geht zu ihm und richtet einige tröstende Worte an ihn. Als Antonius ihre Stimme hört, fühlt er sich wie neugeboren. Wenn Kleopatra mit ihm spricht, ist noch nicht alles verloren! Er küßt ihr die Hände und bittet sie um Verzeihung. Kleopatra hat Antonius’ Blick nie wider stehen können; sie läßt ihn nun in ihre Kabine tragen und von ihren Zofen mit Palmöl einreiben. Dann lädt sie ihn zum Essen ein. Nach einem kurzen Aufenthalt in Tenare segelt die Flotte weiter und erreicht nach einigen Tagen Paretonium, einen einsamen Ort an der ägyptischen Küste, etwa hundertundsechzig Meilen west
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lich von Alexandreia, wo sich eine kleine römische Garnison befin det. Antonius hat beschlossen, sich für einige Zeit hier zu verstek ken, während Kleopatra nach Alexandreia weitersegelt. Sie hat ihm wahrscheinlich nahegelegt, daß es klüger sei, wenn er sich nach seiner Niederlage nicht der Wut des ägyptischen Volkes aus setze. Ob sie auch befürchtet, daß seine Anwesenheit ihr schaden könnte? Welch eine traurige Umkehrung der Lage! Die Gründe, die sie nennt, um ihn daran zu hindern, an ihrer Seite in Alexandreia anzukommen, sind die gleichen, die Antonius angeführt hat, um sie davon abzubringen, mit ihm in Rom einziehen zu wollen... Kleopatra begibt sich also in ihre Hauptstadt und läßt Antonius an dieser öden und verlassenen Küste zurück. Außer der kleinen Festung gibt es hier am Rand der Wüste unter der brennenden Sonne nur noch ein paar ärmliche Häuser und Palmgruppen. In einer ähnlichen Umgebung ist Pompejus begraben worden, als ob diese flache und unwirtliche Küste dazu bestimmt sei, die vergan genen römischen Siege aufzunehmen ... Um die langen, mit Angst und Warten erfüllten Tage zu verbrin gen, macht Antonius in Begleitung des griechischen Rhetors Ari stokrates und des römischen Soldaten Lucilius lange Spaziergänge am Strand. Lucilius hat bei Philippi gekämpft, wo er zur Leibgarde des Brutus gehörte; er verteidigte seinen Herrn so tapfer, daß dieser nicht in Gefangenschaft geriet, sondern Zeit genug hatte, sich selbst zu töten. Von dem Mut dieses Soldaten beeindruckt, hatte Antonius ihn begnadigt, und Lucilius ist seither stets als ergebener Diener an seiner Seite gewesen. Von der übrigen Welt völlig abgeschnitten, fragt sich Antonius voller Unruhe, was wohl in Griechenland und Ägypten geschieht. Schließlich legt ein Schiff mit Flüchtlingen aus Athen in Parento nium an, und jetzt erfährt Antonius zum ersten Mal Genaueres über die Ereignisse seit seiner Flucht von Actium: Die letzten Schiffe seiner Flotte haben bis zum Sonnenuntergang gekämpft und sich dann in den Golf von Ambrakia zurückgezogen. Am nächsten Morgen hat Oktavian den Besatzungen und dem Heer
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sagen lassen, daß Antonius geflohen sei. Er hat sie aufgefordert, sich zu ergeben. Aber weder Antonius’ Soldaten noch seine Matro sen haben ihm glauben wollen. Doch am darauffolgenden Tag, als sie ihren Heerführer noch immer nicht sahen, legten mehrere der Vasallen die Waffen nieder, und nach einer Woche des Zögerns und Wartens floh Canidius, der Befehlshaber des Heeres, ins Innere des Landes. Ein Teil der Legionen verstreute sich in Makedonien, die restlichen Truppen ergaben sich zur gleichen Zeit wie die Flotte (9. September 31). Oktavian segelte acht Tage später nach Athen, wo er die Übergabe aller griechischen Städte mit Ausnahme Korinths entgegennahm. Er begann sofort, die Anhänger Antonius’ nieder zumetzeln; um dem Tod zu entgehen, haben ihm die Bürger aller Städte Statuen errichtet und höchste Ehren verliehen. Schamerfüllt hört Antonius diese Berichte, die ihm die grausa men Folgen seiner Flucht zeigen. Seine Flotte ist vernichtet, sein Heer aufgelöst, seine Freunde werden verfolgt – das ist zuviel! Nun ist nicht nur Italien, sondern auch Griechenland verloren! Außerstande, dieses Unglück zu tragen, will er sich in sein Schwert stürzen, aber Lucilius fällt ihm in den Arm. Welches Schicksal ist diesem einfachen Soldaten beschieden, von dem erst das Leben des Besiegten von Philippi und dann das Leben des Besiegten von Actium abhängt! Lucilius beschwört seinen Herrn, Mut zu fassen und nicht seine Flucht mit einer Handlung zu krönen, die ihn endgültig in Verruf bringen wird. Wenn er sich jetzt das Leben nimmt, wird die ganze Welt davon überzeugt sein, daß er aus Feig heit geflohen ist. Aristokrates, Scellias und Alexander der Syrer pflichten Lucilius bei: Will er hier, an einem verlassenen Strand, ruhmlos enden? Das würde nicht zu Antonius passen, eine solche Lösung wäre seiner unwürdig! Er möge sich wieder aufraffen, sich zusammenreißen, sich seinen Feinden entgegenstellen! Wenn er entschlossen ist, sein Leben zu beenden, so möge er es wenigstens kämpfend tun... Auf ihr Zureden entschließt sich Antonius, nach Alexandreia zu Kleopatra zu gehen, denn allein schon ihre Gegen wart wird ihm ein Trost und eine Stütze sein.
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Dritter Teil:
Oktavian
I Bei Antonius’ Ankunft in Alexandreia167 befindet sich die Stadt in einem Zustand der Aufregung und Geschäftigkeit. Trompeten ertönen, Soldaten ziehen durch die Straßen, und vom Hafen bis zu den Festungsmauern werden Vorbereitungen für den Kampf getrof fen. Bei der Rückkehr in ihre Hauptstadt hatte sich Kleopatra in einem prunkvollen Zug in den Palast von Lochias begeben, um der Bevölkerung das ganze Ausmaß ihrer Niederlage zu verber gen. Sie hatte sofort ihre Minister versammelt und ihnen mitge teilt, daß sie entschlossen sei, den Kampf fortzuführen, und sich nicht geschlagen geben wolle, solange noch ein Funken Hoffnung bestände. Dann hatte sie sich in ihre Gemächer zurückgezogen, um die Kriegspläne noch einmal zu prüfen, die sie während der Rückfahrt von Actium entworfen hatte. Niemals vorher hatte ihre seelische Größe so deutlich im Gegensatz zu ihrer körperlichen Zartheit gestanden: Nachdem sie zu Caesar aufgeblickt hatte und Antonius ebenbürtig gewesen war, muß sie sich jetzt Oktavian überlegen zeigen. Kleopatra weiß genau, daß in Actium die Stunde des ägyptisch römischen Reiches geschlagen hat, aber sie hofft, daß Ägypten wenigstens als unabhängiges Königreich weiterbestehen kann. Um das zu erreichen, kann sie jedoch nicht mehr mit der Unterstützung des Okzidents rechnen, sondern das Heil wird ihrer Ansicht nach nur aus Asien kommen können. Ohne Zeit zu verlieren, schickt sie daher sofort nach ihrer Rückkehr Gesandtschaften nach Medien und Parthien und läßt sich vom König der Meder die Heirat Alexan der-Helios’ mit der Prinzessin Iotapa bestätigen. Dann läßt sie den
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armenischen König Artavazd, der während ihrer Abwesenheit mit Oktavian in Verbindung zu treten versuchte, hinrichten und sein Haupt dem König der Meder als Warnung schicken. Während sie ungeduldig auf die Rückkehr ihrer Gesandten wartet, beginnt sie mit der Ausführung eines Planes, dessen Kühnheit Plutarch mit Bewunderung erfüllt hat: Sie befiehlt, ihre gesamte Flotte vom Mittelmeer zum Roten Meer zu transportieren, das heißt fünfunddreißig Meilen durch die Wüste von Peluseion zum Golf von Suez168. Diese Entscheidung zeigt, in welchem Maße ihre Gedanken jetzt auf den Orient gerichtet sind; falls Ägypten erobert wird, würde sie sich dorthin zurückziehen, um den Kampf fortzuführen. Im Hinblick auf diese Möglichkeit beabsichtigt sie, schon jetzt ihren Sohn sowie einen Teil ihrer Schätze und die von Actium zurückgekehrten Schiffe nach Osten zu bringen. Diese Pläne beschäftigen sie in dem Augenblick, als Antonius unerwartet in der Hauptstadt eintrifft. Im Grunde bedeutet seine Anwesenheit eher ein Hindernis als eine Freude, denn er wird ihr die Aufgabe nur erschweren, die jetzt vor ihr liegt. Wird er sie nicht wieder mit seinen Klagen und seiner Unsicherheit lähmen, jetzt, wo sie sich ganz auf den bevorstehenden Kampf konzentriert? Als Antonius erfährt, daß Kleopatra im Begriff ist, ein orientalisches Bündnis gegen Rom zu bilden, eilt er zum Palast und beschwört sie, von diesem Plan abzulassen. Sein römisches Blut empört sich bei der Vorstellung, daß sie einen ›Vasallenaufstand‹ anregen könnte, um Oktavian die Spitze zu bieten. Dieser Plan sei ihrer nicht nur unwürdig, sondern er ist auch aussichtslos: Niemals würden die Orientalen die Kräfte des Okzidents eindämmen können. Aber er macht ihr einen anderen Vorschlag: Man könnte alle die in der Kyrenaika, in Ägypten und Syrien sowie in den kleinen Küstengarnisonen verstreuten römischen Legionen zusammenzie hen und Oktavian angreifen, wenn er an der afrikanischen Küste landet. Doch der schöne Plan ist, kaum formuliert, schon überholt: Oktavian ist bereits gelandet und hat Syrien erobert. Im Lauf der nächsten Tage erfährt der Triumvir, daß seine syrischen Legionen
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sich mit dem Gegner verbündet haben, daß seine Truppen in der Kyrenaika von ihm abgefallen sind und unter dem Befehl des Cor nelius Gallus gegen Alexandreia marschieren. Alle Kontingente, die er noch zu besitzen glaubte, sind zum Feind übergegangen... Diese Entwicklung macht aber nicht nur seinen Plan zunichte, er verhindert auch die Bildung eines orientalischen Bündnisses, denn Oktavians schnelles Vordringen durch Syrien schneidet alle Ver bindungswege zwischen Ägypten und Asien ab. Zu allem Unglück haben auch gerade nabatäische Araber aus Petra das neue Hafen becken von Suez überfallen, die dort stationierten Truppen vertrie ben und die vom Mittelmeer bereits durch die Wüste gebrachten Galeeren und die im Bau befindlichen Schiffe verbrannt. Jede Hoff nung auf die Verlegung der Flotte vom Mittelmeer ins Rote Meer ist damit ebenfalls vereitelt worden. Und Oktavian rückt immer schneller heran; schon stehen seine Legionen, die von Paretonium und Gaza aus gegen die Hauptstadt heranziehen, am Delta des Nils. Die Gefahr ist so groß, daß Kleopa tra gezwungen ist, eine der schmerzlichsten Entscheidungen ihres Lebens zu treffen. In einigen Tagen wird die Stadt zweifellos bela gert sein, aber der Gedanke, sich selbst in Sicherheit zu bringen, kommt ihr nicht einmal in den Sinn. Was auch geschieht – sie wird in ihrer Hauptstadt bleiben, um Oktavian angemessene Bedingun gen für ihren Sohn abzuringen. Aber um Verhandlungen überhaupt möglich zu machen, darf Caesarion um keinen Preis in die Hand des Gegners fallen, und so entschließt sich Kleopatra schweren Herzens, ihn nach Süden ziehen zu lassen. Nachdem sie seine Volljährigkeit erklärt hat,169 schickt sie ihn mit seinem Vormund Rhodon über Koptos nach Berenike, einem Hafen an der Westküste des Roten Meeres. Im Ernstfall kann er sich von dort aus zum Industal einschiffen, wo die Erinnerung an Makedonien noch immer lebendig ist. Trotz der verzweifelten Lage, in der sie sich jetzt befindet, kann Kleopatra nicht davon ablassen, Zukunftspläne für ihren Sohn zu machen. Sie sieht in Gedanken, wie Caesarion freundschaftliche Beziehungen zu den Fürsten der ehemaligen cisindischen Satra
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pien und zu den philhellenischen Königen von Areia und Baktriane anknüpft und an der Spitze eines gewaltigen Heeres zur Befrei ung Ägyptens zurückkehrt. Um ihm diese Aufgabe zu erleichtern, gibt sie ihm ungeheure Schätze mit, denn sie weiß, daß ein mittello ser Herrscher niemals freundliche Aufnahme in der Fremde findet. Man kann sich vorstellen, wie schwer Kleopatra die Trennung von ihrem Sohn gefallen ist; schon bevor er geboren war, kreiste bereits ihr ganzes Denken und Wollen um dieses Kind. Aber Kleopatra ist nicht nur eine empfindsame und gefühlvolle Frau, sie besitzt auch eine große charakterliche Stärke; so weint und klagt sie nicht, als sie den schönen Jüngling davonziehen sieht, der der ganze Sinn ihres Lebens ist. Sie hatte übrigens recht, seine Abreise nicht länger hinauszu schieben: zwei Tage später steht Oktavian mit seinem gesamten Heer vor den Toren Alexandreias (Ende Juli 30).
II Antonius und Kleopatra sind in ihrer Hauptstadt eingeschlossen. So oft schon haben sie sich trennen wollen – und immer hat das Schicksal sie wieder zusammengeführt! Noch einmal sind sie ver eint, und noch einmal wird Kleopatra ihr Leben in die Hände des Mannes legen müssen, zu dem sie kein Vertrauen mehr hat und den ihr Verstand verachtet, aber ihr Herz stets geliebt hat. Um einer schmachvollen Niederlage zu entgehen, muß sie Okta vian mit den ihr noch gebliebenen Streitkräften entgegentreten. Diese Streitkräfte aber bestehen – abgesehen von der makedoni schen Schloßgarde und einigen ägyptischen Einheiten – vor allem aus vier römischen Legionen, und diese werden nicht unter der Führung eines Fremden in den Kampf gehen. Antonius muß also den Befehl übernehmen. Kleopatra zögert jedoch, ihn darum zu bitten. Oktavian soll ihr – laut Dio Cassius – Liebesbotschaften geschickt haben; er hätte ihr durch seinen Freigelassenen Thyr sos heimlich sagen lassen, »daß die Tapferkeit, die sie unter derart unglücklichen Umständen gezeigt hat, ihn gerührt habe und er
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glücklich sei, ihre Freundschaft zu verdienen«. Vielleicht haben diese Worte ihre seit langem gehegte Hoffnung auf Verhandlungen gestärkt, durch die sie die Zukunft Caesarions sichern könnte. In dem Fall muß sie in Antonius’ Anwesenheit eher ein Hindernis als eine Hilfe gesehen haben. Doch als der Besiegte von Actium bittet, den Befehl über die Truppen übernehmen zu können, und geltend macht, »daß es besser sei, Oktavian in einer Schlacht gegenüberzutreten, als die Härten einer endlosen Belagerung zu ertragen«, willigt sie ein, vielleicht von ihrem Stolz geleitet, viel leicht aber auch, um es Antonius zu ermöglichen, »unter ehren haften Bedingungen ein entehrtes Leben zu beenden«. Da sie sich jedoch keine falschen Vorstellungen über den Ausgang des Kamp fes macht, verläßt sie mit ihren Vertrauten den Königspalast und richtet sich in dem Mausoleum ein, das sie neben dem Tempel der Isis an der östlichen Seite von Kap Lochias hat bauen lassen und in dem sich bereits ihr Sarg befindet. Wer weiß, ob es Antonius nicht doch gelingt, Oktavian wenig stens zu Verhandlungen auf einer einigermaßen günstigen Grund lage zu veranlassen? Alexandreia ist eine stark befestigte Stadt, und Antonius verfügt noch über genug Soldaten, um ein paar Vorteile auf seiner Seite zu haben. Im Hafen liegt der Teil der ägyptischen Flotte, der noch nicht zum Roten Meer transportiert worden ist, sowie einige andere Kriegsschiffe. Die Soldaten der Garnison sind gut genährt und gut bezahlt, während Oktavians Legionäre seit dem Abzug aus Italien keinen Sold mehr erhalten haben... In den letzten Julitagen gehen Oktavians Kohorten, die sehr unter der Hitze leiden, in der Nähe des Hippodroms auf der Anhöhe von Kopron in Stellung. Antonius weiß, daß sie äußerst erschöpft sind, und beschließt, diesen Umstand auszunutzen. Er greift Okta vians Reiterei überraschend an und schlägt sie, nachdem sie schwere Verluste erlitten hat, in die Flucht. Obwohl er selbst im Verlauf der Kampfhandlungen verwundet worden ist, eilt er sofort vor Glück strahlend zum Palast, um der Königin zu berichten. Er begegnet ihr auf der Schwelle des Haupteinganges und schließt sie
Oktavianus Augustus, Panzerbüste von Prima Porta (Vatikanische Sammlungen)
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fest in seine Arme. Am nächsten Morgen schickt Antonius, dem dieser unverhoffte Sieg wieder Hoffnung gegeben hat, eine kind lich-anmaßende Botschaft an Oktavian: Wie vor der Schlacht bei Actium fordert er ihn auf, sich mit ihm im Zweikampf zu messen. Oktavian läßt in verächtlich-kaltem Ton erwidern, »daß Antonius sicher noch andere Wege finden könnte, sein Leben zu beenden«. Daraufhin setzt der gekränkte Triumvir den Angriff für den 1. August an. Am Abend vor dem entscheidenden Tag läßt sich Antonius ein reichliches Mahl servieren und fordert die Diener auf, mit dem Wein nicht zu geizen, »denn morgen würden sie vielleicht einen neuen Herrn bedienen, während er, die Verkörperung des Bac chus, des Gottes der fröhlichen Feste, leblos auf dem Schlachtfeld liege«. Als die Tischgenossen protestieren, faßt er sich wieder und erklärt lebhaft, »daß er doch hoffe, sie einem glänzenden Sieg zuzuführen«. In dieser Nacht aber hören die Alexandriner seltsame Geräusche. »Als sich die Stadt unter den Sternen zur Ruhe bege ben hatte«, berichtet Plutarch, »hörte man plötzlich von weitem das Spiel von Flöten und Zymbeln, und Stimmen sangen ein fröhliches Lied. Während die Töne schnell näherkamen, konnte man das rhythmische Stampfen tanzender Füße vernehmen und von Zeit zu Zeit Rufe und Schreie, die sich mit der wilden Musik eines bac chantischen Gesangs mischten. Der lärmende Zug schien mitten durch die Stadt in Richtung des Tores von Kanope zu ziehen; dort angelangt, erreichte das Spielen und Singen seinen Höhepunkt, um dann plötzlich abzubrechen. Alle, die dieser wilden Musik in der Nacht lauschten, waren davon überzeugt, Dionysos vorbeiziehen gehört zu haben, als er, seine besiegte Verkörperung Antonius ver lassend, mit seinem Geistergefolge in das Lager des siegreichen Oktavian zog.«170
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III
Bei Morgengrauen verläßt Antonius mit seinen Truppen die Stadt durch die östlichen Tore. Der Angriff soll gleichzeitig zu Land und zur See stattfinden, und Kleopatra hat ihren Schiffen befohlen, Oktavians Sperren an der Einfahrt des großen Hafens zu durchbre chen. Antonius hat sein Hauptquartier auf einer Anhöhe zwischen der Stadtmauer und dem Hippodrom eingerichtet und kann von hier aus das Schlachtfeld überblicken. Plötzlich sieht er, wie alle seine Reiter davongaloppieren und hinter den feindlichen Linien Schutz suchen! Das bedeutet, daß er nur noch das Fußvolk hat, und damit wird er nicht in der Lage sein, dem Ansturm der feindli chen Kohorten standzuhalten. Hat ihn der Reiterführer in der letz ten Minute verraten? Entsetzt blickt Antonius zum Meer, und was er dort sieht, ist noch schrecklicher: Die ägyptische Flotte läuft aus dem Hafen aus und steuert Oktavians Galeeren entgegen, aber statt wie geplant anzugreifen, grüßen sich die feindlichen Schiffe und kehren gemeinsam zurück, um Seite an Seite im Hafenbecken vor Anker zu gehen. Dieser Anblick erfüllt Antonius mit unbe schreiblicher Wut; er kann sich nicht täuschen – die Königin hat ihn verraten! Sie hat auf die Ratgeber gehört, die sie gedrängt haben, sich mit Oktavian zu verständigen! Wer weiß, ob sie nicht bereits in diesem Augenblick mit ihm verhandelt? Wuterfüllt zieht sich Antonius in die Stadt zurück und stürzt durch die Säle des Palastes. Unter schrecklichen Flüchen beschul digt er die Königin, »zu den Feinden übergegangen zu sein, die er sich gemacht hat, um ihr zu gefallen«, und wünscht alles Unheil des Himmels auf ihr Haupt herab. Kleopatra, die fürchtet, daß der Triumvir sie mit dem Schwert durchbohren wird, flüchtet sich ent setzt mit ihren Vertrauten Iras und Charmion in das Mausoleum der Isis. Kleopatra ist jedoch an dem Abfall der Reiterei und der Flotte vollkommen unschuldig, denn sowohl der ägyptische Admi ral als auch der Führer der Reiterei sind von Oktavians Boten bestochen worden. Antonius aber, der das nicht weiß, ist überzeugt, das Opfer von Kleopatras doppeltem Spiel geworden zu sein.
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Halb wahnsinnig läuft er nun durch den großen Palast und ver flucht Kleopatra und ihre einheimischen Ratgeber; er ruft die kom menden Geschlechter an, sie mögen sie verdammen, denn keine Strafe sei groß genug, um dieses Verbrechen zu sühnen. Jetzt kehren einige seiner Offiziere, die der Königin bis zum Mausoleum gefolgt sind und wahrscheinlich eine Botschaft ihrer Zofen mißverstanden haben, zu Antonius zurück und teilen ihm mit, daß Kleopatra sich getötet habe. Antonius’ Zorn verfliegt mit einem Schlag; vom Schmerz überwältigt, sinkt er auf die Marmorfliesen nieder und bleibt lange Zeit reglos liegen. Während die schreckliche Wahrheit allmählich in sein Bewußtsein dringt, vergehen seine Wut, sein Haß und sein Verdacht. »Warum noch länger zögern, Antonius!« ruft er aus, »das Schicksal hat Dir das einzige geraubt, wofür es sich noch zu leben lohnte!« Mit diesen Worten eilt er in sein Gemach, legt den Brust panzer ab und ruft seinen Sklaven Eros. Dann spricht er laut zur Königin, die er tot wähnt: »Kleopatra! Ich bin nicht traurig, von Dir getrennt zu sein, denn ich werde bald zu Dir kommen. Aber ich schäme mich, daß ein großer General weniger Mut bewiesen hat als eine Frau!« Er bittet Eros, ihn zu töten. Der Sklave zieht sein Schwert, aber statt es gegen seinen Herrn zu richten, stößt er es in seine eigene Brust und sinkt blutüberströmt zu Boden. »Tapferer Eros!«, flüstert Antonius, indem er sich über den Toten beugt, »Du hast Deinem Herrn gezeigt, wie man das tut, wozu Du Dich selbst nicht überwinden konntest...« Er zieht das blutige Schwert aus Eros’ Körper, stößt es sich selbst in die Brust und fällt auf sein Lager zurück. Doch die Wunde tötet ihn nicht sofort, und er kommt noch einmal zu Bewußtsein. Einige seiner ägyptischen Diener treten in sein Gemach ein, und Antonius fleht sie an, seinem Leiden ein Ende zu machen, aber als sie sehen, daß er noch lebt, fliehen sie entsetzt und lassen den in seinem Blut liegenden und vor Schmerz sich win denden Mann zurück. Zweifellos aber haben sie der Königin vom Selbstmord des Tri
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umvir berichtet, denn wenig später erscheint Diomedes, Kleopa tras Privatsekretär. Als er Antonius noch atmen sieht, sagt er ihm, daß die Königin nicht tot sei und weinend nach ihm rufe. Antonius fühlt bei diesen Worten neue Kräfte in sich aufsteigen. Er bittet, daß man ihn zum Mausoleum trage. Noch einmal, ein letztes Mal, führt das Schicksal sie einander in die Arme, damit sie zusammen sterben können...
IV Die nun folgende tragische Szene hat seit jeher die Phantasie der Dichter beschäftigt. »Man legt den Sterbenden an der Tür des Mausoleums nieder. Kleopatra erscheint oben an einem Fenster und sieht Antonius sterbend auf der Schwelle liegen. Die schwere Tür bleibt geschlos sen, aber die Frauen lassen Seile und Tragriemen herab, woran man den halb Bewußtlosen befestigt. Kleopatra selbst hilft den schweren Körper heraufziehen. Niemals, so berichten die Augenzeugen, hat man ein erschüttern deres Schauspiel gesehen. Blutüberströmt und sich vor Schmer zen windend an den Seilen hängend, streckt Antonius seine Arme nach Kleopatra aus. Was für eine schwere Arbeit für eine Frau! Mit verzerrtem Gesicht und letzten Kräften gelingt es ihr, den Körper hochzuziehen, während von unten Angstschreie und ermunternde Zurufe zu ihr aufsteigen.« Hier hat sich Plutarch offensichtlich auf das Zeugnis des Olympos, des Arztes von Kleopatra, gestützt, und in erschütternden Worten beschreibt er, wie der Schmerz diesen beiden Menschen ihre tiefste Seele offenbart: »Man legt Antonius auf ein Lager nieder. Erschöpft bittet er um einen Becher Wein, und sowie sein Herz wieder etwas regelmäßiger schlägt, versucht er Kleopatra zu trösten und ihr Mut zuzuspre chen. Für ihn hat der Tod nichts Schreckliches, und während sein Blut bis zum letzten Tropfen aus seiner Wunde fließt, bittet er die geliebte Frau, ihr Schicksal dem Prokuleius anzuvertrauen, den er für den besten unter Oktavians Freunden hält. Und dann stirbt der
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Held in den Armen der Geliebten. In diesem Augenblick der Größe fallen die äußere Schale der hel lenischen Zivilisation und die anerzogene königliche Zurückhaltung von Kleopatra ab. Die Verzweiflung der Frau, die leidenschaftliche Klage der Orientalin bricht in unerhörter Heftigkeit aus ihr hervor. Mit ihren spitzen Nägeln zerkratzt sie sich Gesicht und Brust, zerreißt ihre Kleider und taucht ihr Gesicht in das Blut des Toten, während sie ihm die zärtlichsten Worte zuflüstert...«171
V Antonius ist bestattet worden. Kleopatra hat sich mit Iras und Charmion im Mausoleum eingeschlossen, das mit dem Tempel der Isis in Verbindung steht. Wenn es nach ihr ginge, würde sie sich ebenfalls töten. Was könnte ihr nach so viel Enttäuschungen das Leben noch geben? Es erscheint ihr nicht mehr wie in ihrer Jugend als strahlendes, lockendes Abenteuer, sondern als traurig dahin ziehender Fluß, der von Zeit zu Zeit einen Toten vor ihre Füße schwemmt. Ohne Caesarion wäre es einfach, davonzugehen; aber hat sie das Recht, aufzugeben, solange noch eine Möglichkeit besteht, etwas für seine Zukunft zu tun? Diese Möglichkeit ist allerdings nur noch eine kleine Flamme in einer erlöschenden Lampe. Solange sie Oktavian nicht gesprochen hat, besteht noch ein letzter Funke von Hoffnung: Vielleicht gelingt es ihr, ihm einige Zugeständnisse zugunsten ihres Sohnes abzu ringen. Auch wenn ihm die Königskrone verweigert wird, könnte Caesarion vielleicht wenigstens Regent von Ägypten sein? Das ist keine große Forderung, aber Kleopatra weiß, daß sie unter den gegebenen Umständen nicht mehr fordern kann ... Mit seinem schmalen Mund und bleichen Gesicht verkörpert Oktavian für Kleopatra alles, was ihr am meisten verhaßt ist. Selbst seine Freunde sagen von ihm, daß er hartherzig sei. Aber vielleicht gelingt es ihr doch, ihn zu rühren? Hat sie doch mit ihrem Charme bisher so viel erreicht... Wird Oktavian wirklich beim Anblick ihres Jammers widerstehen können? Indem sie den Widerwillen, den sie
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vor ihm empfindet, unterdrückt, erwartet sie ihn voller Hoffnung, Ungeduld und Schrecken. Aber Oktavian läßt auf sich warten. Die Tatsache, daß er es so wenig eilig hat, sich zum Mausoleum zu begeben, zeigt, daß er kaum Wert auf eine Unterredung mit der ägyptischen Königin legt. Doch schließlich öffnet sich die Tür, und Oktavian steht vor ihr. »Kleopatra stürzt ihm entgegen«, erzählt Plutarch, »in dem einzigen Kleidungsstück, das sie auf der bloßen Haut trägt, und wirft sich ihm zu Füßen, mit aufgelöstem Haar, schmerzverzerrtem Gesicht und zitternder Stimme. Die Wunden, die sie sich zugefügt hat, sind noch auf ihrer Brust sichtbar, und ihr Geisteszustand scheint nicht weniger als ihr Körper unter der Verzweiflung gelit ten zu haben. Trotzdem aber hat sie weder ihre berühmten Reize noch ihre einmalige Schönheit verloren; sie strahlen trotz ihres Zustandes von ihr aus und erscheinen in allen Zügen ihres Antlit zes.« Und Weigall fügt hinzu: »Der Anblick der kleinen, vor Verzweif lung fast wahnsinnigen Königin, deren Gesicht von den wilden Haaren halb verdeckt ist, deren Gewand von den Schultern glei tet, während sie sich zu Füßen dieses kaltherzigen, ein wenig ver legen dastehenden Mannes wirft, muß den Historiker erschüttern, der ihr durch alle Phasen ihres Kampfes gegen den Vertreter Roms gefolgt ist.«172 Als Kleopatra sieht, daß Oktavian ungerührt bleibt, greift sie zum letzten Mittel, das sie für den Fall aufgehoben hat, wo sie ihn nicht durch ihren Jammer bewegen könnte: Sie holt ein Bündel Briefe, die ihr Caesar geschrieben hat, sowie zwei Bildnisse von ihm und hält sie Oktavian mit verstörtem Blick entgegen: »Du weißt, was ich Deinem Vater bedeutet habe,173 und Du weißt auch, daß er selbst die Krone Ägyptens auf mein Haupt gesetzt hat. Wenn Du Genaues über unsere persönlichen Beziehungen wissen willst, so lies diese Briefe! Sie sind alle eigenhändig von ihm geschrieben worden!« Aber Oktavian lehnt es ab, sie zu lesen. Haben diese Briefe denn überhaupt keine Bedeutung für ihn? Als Kleopatra ihn weiter
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drängt, blättert er sie nachlässig durch, aber seine Züge drücken völlige Gleichgültigkeit aus; er ist tatsächlich »das kälteste aller kalten Ungeheuer«. Als Caesar in Alexandreia ankam, war er einem klugen, übermütigen und fröhlichen jungen Mädchen begegnet; Antonius hat eine durch Erfahrung gereifte und auf der Höhe ihrer Schönheit stehende Königin getroffen. Aber Oktavian, der erst dreiunddreißig Jahre alt ist, sieht in Kleopatra eine alternde Frau mit verblühten Reizen, für die er nur Widerwillen und Verachtung empfindet. Er beantwortet ihr Flehen mit einigen nichtssagenden Worten. Wollte er ihr die Wahrheit sagen, so würde er ihr erklären, daß er mit ihrem Klagen und Weinen nichts anzufangen weiß; ihn interessie ren noch nicht einmal die Beziehungen, die sie mit Caesar verbun den haben. Oktavian hat sich seit langer Zeit sein Urteil über sie gebildet, und was Ägypten betrifft, so ist sein Entschluß bereits gefaßt. Was er liebt, hat kein menschliches Gesicht: Es ist Rom, der Staat, und darum wird er den Sieg davontragen. Als Oktavian sich zurückzieht, weiß Kleopatra, daß alles endgültig verloren ist. Nichts wird den Haß des Siegers mildern; er wird sie an seinen Wagen gefesselt zum Kapitol schleifen, sie bei seinem Triumph zur Schau stellen und der Wut des römischen Volkes aussetzen. Allein der Gedanke daran läßt sie erschaudern. Nein, ein solches Schauspiel wird der Welt nicht geboten werden! Sie beauftragt ihre Dienerinnen, eine giftige Natter zu beschaf fen. In der Nacht erscheint ein Sklave im Mausoleum, der ihr die in einem Korb Feigen versteckte Schlange bringt; der Biß des nicht mehr als fingergroßen Tieres ist tödlich. Ein letztes Mal läßt sich Kleopatra zum Grab des Antonius brin gen und bleibt lange auf der Stelle liegen, wo der Geliebte ruht. Das Gesicht gegen den Stein gepreßt, beschwört sie ihn, ihren Streit und ihre Meinungsverschiedenheiten zu vergessen und ihr zu ver geben, was sie ihm, ohne es zu wollen, zugefügt hat. »Bewahre mich vor der Schande und dem Leid und nimm mich zu Dir! Denn von allen Schmerzen, die ich habe ertragen müssen, war das schlimmste die kurze Zeit, die ich ohne Dich verbringen
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mußte!« Sie kehrt zum Mausoleum zurück, legt sich auf ihr Lager nieder und läßt sich die Schlange bringen. Nachdem sie das Tier vorsichtig aus seinem Korb genommen hat, legt sie es an ihre Brust und schläft für immer ein (29. August 30). Iras und Charm ion folgen ihrem Beispiel. Oktavian hat gesiegt — er ist Herr über Ägypten. Einige Tage später wird Caesarion ermordet. Statt ihm zuzureden, nach Indien zu fliehen, wie es seine Mutter wollte, hat ihn sein Vormund Rhodon überzeugt, daß jeder Widerstand gegen Oktavian sinnlos sei und es besser wäre, sich seiner Gnade anheimzustellen.174 Diesem Rat folgend, ist der Jüngling nach Alex andreia zurückgekehrt, wo Oktavian ihn sofort umbringen ließ. Als man Rhodon später fragte, warum er sich zu diesem Verbrechen hergegeben habe, antwortete er ohne Zögern: »Zwei Caesaren zur gleichen Zeit? Das wäre zuviel für die Welt gewesen ...« Wenn man daran denkt, wenn man sich vorstellt ... aber alle Worte sind jetzt überflüssig.
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Epilog
Von nun an werden die Römer allein in Ägypten und den ›Pro vinzen‹ des Orients herrschen. Sie werden sie von den Generalen und Statthaltern verwalten lassen, die sich darauf beschränken, Getreide und Söldner an Rom zu liefern, sich aber in keiner Hin sicht darum bemühen, die ihnen unterstellten Völker zu verstehen. Für diese Männer hat die Verschmelzung von Orient und Okzident, dieser großartige Plan, den das Genie Alexanders erdacht hat und den Caesar in den Armen Kleopatras wiederentdeckte, jede Bedeu tung verloren. Sie werden nicht einmal das Wesen des hellenisti schen Geistes zu erfassen vermögen; sie halten nur den Schein auf recht und übernehmen einige leere Formeln. Sie glauben, genug getan zu haben, wenn sie den unterworfenen Völkern ›die Ord nung‹ bringen. Zweifellos hat diese Ordnung zunächst eine heil same Wirkung, aber durch ihren starren Willen zur Anpassung und Vereinheitlichung erdrückt sie schließlich alles Ursprüngliche und Verfeinerte. Die ›Pax Romana‹ wird ein erhabener, aber eisiger Friede sein. Letzten Endes wird sie in Europa und der gesamten Mittelmeerwelt einen wirtschaftlichen Niedergang herbeiführen, von dem die folgenden Generationen eine unklare, aber schreckli che Erinnerung zurückbehalten.175 Wenn die Geschichte im ganzen gesehen von so ergreifender Traurigkeit ist, so deshalb, weil sie nicht ständig in den Höhen verlaufen kann, zu denen sie von Zeit zu Zeit bevorzugte und außergewöhnliche Menschen erheben. Sowie diese Menschen die Bühne der Weltgeschichte verlassen, siecht alles dahin; ein Zenit ist erreicht – nun beginnt der Abstieg. Ihr Werk scheint sie zu überleben, aber das ist ein Trugbild: Hinter der unversehrten Fas sade ist ein leeres Theater, ein verlassener Palast... Oktavian wird die römische Welt regieren, indem er die Kühnheit durch die Tüchtigkeit ersetzt, seine Ziele eng begrenzt und das innere Feuer löscht, mit dem er anfangs sein Handeln rechtfertigte. Als ob er instinktiv fühlt, daß er den weiten Mantel, den ihm sein
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Vorgänger vererbt hat, nicht ausfüllen kann, wird er sich einfach der Erhabene — Augustus – und nicht wie sein Adoptivvater der Göttliche – Divus – nennen. Statt Ägypten in das Reich einzube ziehen, wird er es als entfernte Provinz vernachlässigen; statt Per sien zu unterwerfen, wird er mit den Parthern verhandeln und sie schließlich außerhalb seines Einflußbereiches lassen. Unfähig zu erfassen, was ein Reich, das sich vom Atlantik bis zum Indus erstreckt, für die Zukunft bedeuten würde, scheint Oktavian nicht zu erkennen, daß der Verzicht auf die parthische Eroberung die Bühne des Welttheaters für lange Zeit endgültig verkleinern wird. Von Caesar wird er letztlich nur den ›Caesarismus‹ übernehmen, das heißt, den Helm und den Panzer, aber nicht den Kopf und das Herz. Zwar werden manche seiner Nachfolger den Versuch machen, den großartigen Plan des Siegers über Pompejus wiederaufzuneh men, wie zum Beispiel Trajan im 2. Jahrhundert n. Chr., Marc Aurel, Lucius Verus und einige der Kaiser des 3. und 4. Jahrhunderts, aber obwohl ihre Feldzüge ihnen Siege einbringen, werden sie nie mals das Ziel erreichen, das sich der Sieger von Pharsalos gesetzt hatte. Die Perser werden von nun an stets ihre Unabhängigkeit bewahren. Unter Nero wird Corbulo sie mühsam zurückdrängen, und selbst Trajan wird, auch wenn er bis zum Persischen Golf vor dringt, vor dem verteidigten Hattra zurückweichen müssen, so wie Antonius’ Angriff bei Phraaspa zum Stehen gekommen war. Vale rian wird sein Leben ehrlos in der Gefangenschaft des ›Königs der Könige‹ beenden, und der unvollständige Rachefeldzug des Gale rius wird durch den tragischen Tod des Julian Apostata wieder ausgelöscht werden.176 Allein Caesar hatte dort Erfolg gehabt, wo alle anderen scheitern werden. Nicht nur deshalb, weil die Umstände für ihn günstig waren und er ein Genie war, wie es nur wenige gibt,177 sondern auch und vor allem deshalb, weil er eine Waffe in der Hand hatte, die nach ihm stumpf geworden ist: Nie mals wieder wird ein römischer General über eine Streitmacht verfügen, die mit den neunundzwanzig Legionen zu vergleichen wäre, die Caesar am Vorabend seines Todes aufgestellt hatte. Nie
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mals wieder werden die kaiserlichen Kohorten den Mut und die Tapferkeit besitzen, die die Siege von Pharsalos, Thapsos und Munda möglich gemacht hatten. Die Notwendigkeit, abwechselnd oder gleichzeitig die Germanen und die Parther an zwei Fronten zu bekämpfen, datiert zurück in die Iden des März, und diese Verzettelung der Kräfte ist die Hauptursache für den Niedergang Roms gewesen.178 Der Dolch des Brutus hat also nicht nur den Körper Caesars zu Fall gebracht; er hat das Reich an seinem Lebensnerv getroffen, und die Welt hat sich um diese Wunde zusammengekrampft. Später, während der Regierungszeit der Severianer (193-235), werden syrische Kaiserinnen aus Emesus und Antiocheia auf dem Palatin herrschen und ›Caesaren‹ gebären; sie verwirklichen damit den heißesten Wunsch Kleopatras,179 – und Rom wird sich zu jener Zeit sehr gut damit abfinden. Aber keine dieser Frauen wird in ihrem Aufstieg zu den höchsten Ehren etwas anderes als die Möglichkeit sehen, ihren persönlichen Machthunger zu stillen oder ihre Habsucht zu befriedigen. Keine von ihnen wird ihren Mann oder ihren Sohn180 – sei es Septimius Severus oder Caracalla – dazu drängen, »ein Reich zu gründen, das den Ausmaßen der Erde entspricht«. Allerdings wäre zwei Jahrhunderte nach den Iden des März die Verwirklichung eines solchen Planes auch undenkbar gewesen ... Kleopatras Traum ist tot, endgültig tot. Er hat den ersten Todesstoß durch den Dolch der Verschwörer und den zweiten durch die Verachtung des Augustus erhalten. Aber wie so oft bei den bedeutenden Ereignissen in der Geschichte scheint sich keiner der Zeitgenossen dieses Dramas bewußt geworden zu sein.
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Anmerkungen
1. Teil: Caesar 1
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»Während der ganzen Zeit seiner Feldzüge in Gallien – von 58 bis 51 v. Chr. – hat Caesar dem Senat regelmäßig Bericht über seine Operationen erstattet. Dieser Kalender oder dieses Kriegstagebuch, wie wir heute sagen würden, wurde zum großen Ruhm seines Autors in den ›Acta‹ wiederge geben. Später brauchte Caesar diese Meldungen – die Salomon Reinach im Ersten Weltkrieg als ›Berichte‹ bezeichnet hat – nur noch aneinanderzufügen, um in erstaunlich kurzer Zeit seine ›Kommentare‹ fertigzustellen.« (Carco pino, Profils de Conquerants, S.346f.) Caesar selbst soll Crassus dazu gedrängt haben, nach Syrien zu gehen, indem er ihn auf die ungeheuren Reichtümer aufmerksam machte, die man dort erwerben könne. Man sieht daran, wie lebendig die griechische Kultur im Orient geblieben war. »Seit mehreren Generationen bewegte sich die römische Welt, die durch erstaunliche Eroberungen ihre Grenzen vom Ozean bis zum Euphrat und vom Ärmelkanal bis zur Sahara vorgeschoben hatte, in einem Teufelskreis. In allen Teilen des Reiches diente die Unterdrückung der Bevölkerung prak tisch dazu, die Wahlkassen der mit der Verwaltung der Provinzen betrauten römischen Patrizier zu füllen, und wenn die ehemaligen Statthalter von ihren entfernten Magistraturen nach Rom zurückkehrten, brachte sie ihre mit Gewalt durchgesetzte und in gewissem Sinne wie bei einer Versteige rung erworbene Wiederwahl in ein noch höheres Amt, das sie in einer neuen, noch größeren und ergiebigeren Provinz ausübten, und so fort.« (Carcopino, a.a.O., S. 330f.). Sueton, Caesar, 77. »Diese Situation, deren Widersinn durch die Ausdehnung der Eroberungen noch unterstrichen wurde und deren Ungerechtigkeit ständig wuchs, mußte ein Ende haben: In den Händen der – zudem käuflichen – Bevölkerung einer einzigen Stadt Italiens lag das Geschick von Millionen von Menschen, die ihr
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unterworfen waren. Seit dem bedauernswerten Scheitern der Reform der Gracchen bestand zwischen dem römischen Reich und der Verfassung der Republik ein Gegensatz, aus dem es nur durch die Auflösung des ersten oder die Abschaffung der zweiten einen Ausweg geben konnte.« (Carcopino, a.a. O., S. 331 f.) Carcopino, Les Etapes de l’Impérialisme romain, S. 12 ff. Ebd., S.14. Cicero, De republica, I, 24f. »Im Grunde«, so bemerkt Carcopino dazu, »sah er im Königtum nur einen Notbehelf, eine vorübergehende Konzentrierung der Gewalten, aus deren Aufteilung die Konsularrepublik hervorgegangen war und deren erneute Teilung er anstrebte.« (Les Etapes de l’Imperialisme romain, S.132) Damit bezeichnete man das heilige Gebiet um Rom, das die römischen Feld herrn nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Senats mit ihren Truppen betreten durften. Warde Fowler, Jules César, S. 74. »Dieser Verzicht«, fügt Fowler hinzu, »der in der heutigen Zeit niemanden überraschen würde, erschien den Römern des Jahres 62 eher als ein Wunder an Dummheit als ein Beweis der Uneigennützigkeit.« Später ernennt er selbst einen Freund zum zweiten Konsul. Bekanntlich schrieb das römische Gesetz stets zwei ausübende Konsuln vor. Erinnern wir uns, daß nach römischem Brauch die Volkstribunen das Recht hatten, ihr Veto gegen Beschlüsse des Senats einzulegen und sie damit zu Fall zu bringen. Sueton, Caesar, 6: »Quaestor Iuliam amitam ... laudavit e more pro rostris. Et in amitae quidem laudatione de eius ac patris sui utraque origine sic refert: Amitae meae Iuliae maternum genus ab regibus ortum, paternum cum diis immortalibus coniunctum est. Nam ab Anco Marcio sunt Marcii Reges, quo nomine fuit mater; a venere Iulii, cuis gentis familia est nostra. Est ergo in genere et sanctitas regum qui plurimum inter homines pollent, et caerimonia deorum quorum ipsi in potestate sunt reges.« Diese Sätze, sagt Carcopino, haben in Latein den majestätischen Klang eines ›Credo‹. (Les Etapes de l’Impérialisme romain, S. 124) Walter, César, S.464f.
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Lukan, Pharsalia, I, 129-157. Walter, a.a.O., S.464f. Man kann die Rolle, die die gallischen Kontingente bei der Bildung und Erhaltung des Römischen Reiches gespielt haben, nicht deutlich genug her ausheben. »Im Grunde«, sagt Carcopino, »haben die Gallier den römischen Staat vor der Auflösung bewahrt und es Caesar ermöglicht, ihm seine endgültige Form zu geben... Als er die Regierung seines Landes angriff, tat er es mit Männern des unterworfenen Volkes. Die 13. Legion aus Gallia Cisalpina überschritt mit ihm den Rubikon. In Pharsalos, Thapsos und Munda haben seine Veteranen, zum größten Teil Gallier aus der Cisalpina, den heftigsten Angriffen seiner Feinde standgehalten. In Gallia Transpa dana selbst hatte er 51 v. Chr. eine neue Legion, die 5., gebildet, die einen aus dem Keltischen abgeleiteten Namen, ›Alaudae‹, erhielt, aber in römischen Kampfmethoden ausgebildet wurde, und deren Soldaten durch ihre Helden taten in Afrika die kollektive Begünstigung rechtfertigten, die die Erhebung in den Rang römischer Bürger bedeutete. Den kretischen Bogenschützen und balearischen Schleuderern des Pompejus stellte Caesar Bogenschützen aus der Rouergue sowie Ruthenen entgegen, seinen Hilfstruppen die Krie ger, die ihm die Belgier oder Allobrogen jedes Jahr schickten ... In Alexand reia verdankte er seine Rettung dem heldenhaften Mut einer Handvoll dieser Tapferen. Vor allem aber hat die Reiterei, deren Stärke Appian auf zehntau send Mann im Jahre 49 v.Chr. geschätzt hat, bei ihren Angriffen die Schlacht felder behauptet ...« Diese Tradition erhält sich durch mehrere Jahrhunderte. »Solange es den Caesaren gelang, das Vordringen der Barbaren aufzuhalten, blieben die Gal lier die letzte Waffe ihres Widerstandes. Sie haben stets die militärischen Pflichten auf sich genommen, während die anderen Völker sich dem möglichst zu entziehen suchten. Gallische Abteilungen kamen bis in die Wüsten Mesopotamiens, und in den Perserfeldzügen tränkten Pariser Reiter ihre Pferde am Euphrat und Tigris. Im Jahre 359 zeichneten sich zwei ihrer Abteilungen bei der Belagerung von Amisa in Armenien durch solche Hel dentaten aus, daß Kaiser Constantius zum Ruhm dieser Soldaten Statuen in Edessa errichten ließ. Diese Tradition setzt sich bis zu den Heeren von Theodosius und Honorius fort, und wir sehen dort Legionen – legiones comi tatenses –, die diese Soldaten selbst gebildet haben und die folglich nach
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ihnen benannt waren: ›Gallicanae‹; Bogenschützen aus Flandern und dem Hennegau: ›sagitarii Nervii‹; Reiter aus der Picardie, dem Albigeois und dem Berry: ›Cataphractarii Ambianenses, Albigenses, Biturigenses‹ ... Noch kurz vor der Katastrophe sang Claudian das Lob dieser Eliteeinheiten, die vom Schicksal zwar besiegt werden konnten, aber niemals der Kraft der Menschen wichen: ›Gallos casu, non robere vinci‹.« (Les Etapes de l’Impérialisme romain, S.217ff.). Walter, César, S.469. Lukan, Pharsalia, II. Walter, a.a.O., S.472. Carcopino, César, S. 887. »Nachdem er sich zunächst wegen Servilia für Brutus interessiert hatte«, schreibt Carcopino, »hat Caesar später Brutus um seiner selbst willen ins Herz geschlossen: wegen seiner großen Bildung und gründlichen Kenntnisse des Griechischen und des Latein, wegen seines Charakters, dessen Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit ihn beeindruckten. Caesar hat zwar von Brutus gesagt: ›Er weiß nicht genau, was er will, aber das, was er will, will er um jeden Preis‹, aber diese Ironie darf uns nicht täuschen. Wenn Caesar die Unentschlossenheit des Brutus erraten und verstanden hat, so zweifelte er doch nicht an seiner männlichen Tatkraft, und in der Hoffnung, ihm seinen Weg weisen zu können, hat er diese Energie mit einer Fürsorglichkeit und Bereitwilligkeit in Bahnen zu lenken versucht, die jeden erstaunte und Brutus selbst bewegte.« (Profils de Conquerants, S.293). Vgl. ebd., S.294. Ebd. Das wenigstens sind die Worte, die Lukan ihm in ›Pharsalos‹ in den Mund legt, aber sie müssen der Wirklichkeit ziemlich nahe kommen. (Lukan, Phar salia, IX, 959-967). Sueton, Caesar, 7. Caesar, De Bello Civili, III, 102,1: »Omnibus rebus relictis persequandum sibi Pompeium estimavit.« Nach der Schlacht bei Pharsalos hat Caesar den Großteil seiner Legionen unter Marcus Antonius nach Brundisium zurückgeschickt, damit sie sich nach den Anstrengungen des Kampfes erholen konnten. »Victor e Thessalia Brindinium cum legionibus revertisti« (Cicero, Phil., II, 24, 59). Er selbst hat
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die Verfolgung des Pompejus mit nur einer kleinen Streitmacht aufgenom men, um schneller vorwärtszukommen. Pompejus hatte Pharsalos mit vier Gefährten verlassen (Appian, De Bello Civili, II, 81, 343). An der Mündung des Peneios waren sie dreißig (Caesar, De Bello Civili, III, 9, 96, 4). Der erste Ptolemäer hatte die sterblichen Überreste Alexanders von Baby lon nach Alexandreia gebracht und ihn – der Legende nach – in einem golde nen Sarg beigesetzt. Man vermutet, daß dieser geraubt und später durch einen Alabastersarg ersetzt wurde. Es scheint, daß Caesar nicht gewußt hat, welche bedeutende Rolle Theodo tos in dieser Sache gespielt hat, denn sein Zorn richtete sich vor allem gegen Potheinos. Theodotos floh später aus dem Kerker, führte ein elendes Leben in Syrien und fiel schließlich in Augustus’ Hände, der ihn kreuzigen ließ. Der Mord an Pompejus ging als das klassische Beispiel des Treubruchs und Verrats in die Geschichte ein; noch im Mittelalter erweckte diese Tat den Zorn Dantes: der Dichter der ›Göttlichen Komödie‹ versetzte den ›Verräter Ptolemaios‹ in die tiefste Hölle, tiefer als Kain und neben Judas. Allein die ›Bürger‹ zählten 300 000 Köpfe (Diodor, XVII, 52); dazu muß man mindestens ebenso viele Sklaven, Händler, Soldaten und Reisende rechnen. Die Göttin der Rache. – Will Caesar damit bedeuten, daß er am Tod des Pompejus unschuldig ist und dieser von der Rache der Göttin getroffen wurde? Oder aber übergibt er den Toten der Göttin, damit sie diesen Mord rächt? Beide Erklärungen sind denkbar. Sie belief sich auf 17500000 Drachmen; Caesar willigte ein, sie auf zehn Mil lionen Drachmen herabzusetzen (Plutarch, Caesar, XLVIII, 5). Die ägyptische Monarchie ist nicht das persönliche Attribut des Herrschers. Da sie unteilbar ist, liegt sie zu gleichen Teilen in den Händen des Königspaares, Aus diesem Grund besteht Caesar auf einer Versöhnung. Daß sie in einen Teppich gerollt zu ihm kam, muß Caesar als ebenso char manter wie einfallsreicher Weg erschienen sein, denn, so sagt Plutarch, »diese erste List hat Caesar zu ihr hingezogen, denn es zeigte ihm, daß sie eine Frau von liebenswürdigem Wesen war«. Carcopino, Passion et Politique chez les Césars, S.12f. Weigall, Cléoptâre, sa Vie et son Temps, S.7. Properz nennt sie grob »ein durch Ausschweifungen verbrauchtes Weib,
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dazu geschaffen, über das blutschänderische Kanopos zu herrschen – femina trita incesti meretrix regina Canopi« (Properz III, II, 30 und 39). Pli nius der Ältere bezeichnet sie als »gekrönte Hure – regina meretrix« (Pli nius, Naturgeschichte, 357, 359 und 370f.). Für Dio Cassius ist sie »Venus, die sich ganz an ihre Beute klammert« (LI, 15, 4), und Titus Livius beschuldigt sie, sich dem ersten besten hinzugeben: »Tantae libidinis fuit ut saepe pro stituerit« (De Viris Illustribus, LXXXVI, 2). Plutarch, Antonius, XXVII, 2. Dio Cassius ist gezwungen zuzugeben, daß »der Reiz ihrer Sprache so groß war, daß sie alle, die ihr zuhörten, eroberte«, und »daß sie herrlich anzuhören und anzublicken war und die liebesscheue sten Herzen erobern konnte, ja selbst die, die das Alter bereits hatte abkühlen lassen« (XLII, 34, 4) – doch nur, um sie anschließend mit einer Flut von Beleidigungen zu überschütten. Er hatte sich von seiner ersten Frau Pompeja nach einem Skandal getrennt, denn »die Frau Caesars dürfe nicht verdächtigt werden«. Seine zweite Gemahlin, Calpurnia, scheint keine Rolle in seinem Leben gespielt zu haben. Beide Verbindungen waren übrigens Vernunftehen, bestimmt von den Erfor dernissen der römischen Politik. Man erinnere sich, daß Caesar sich auch einmal bereit erklärt hatte, die Tochter des Pompejus zu heiraten, zu der ihn wahrscheinlich überhaupt nichts hinzog, aber in Rom gehörten solche Hei raten zum Wettlauf um die Macht. Die Alten haben in Kleopatra nur eine ›regina meretrix‹ gesehen, die Caesar »durch die Reize ihres Körpers und die Gunst ihres Bettes« (Titus Livius) beherrscht hat. Manche der modernen Historiker haben dagegen die Rolle, die sie im Leben des Imperators gespielt hat, zu einem einfachen ›Aben teuer‹ herabsetzen wollen und bestritten, daß sie den geringsten Einfluß auf die Politik eines Mannes gehabt haben könnte, der allein an der Größe Roms und der Ausdehnung des Römischen Reiches interessiert war. Mithridates von Pergamon war der Sohn des Königs von Pontos, Mithrida tes VII. Eupator, genannt Mithridates der Große (123-63 v.Chr.). Als geschworener Feind Roms hatte dieser nacheinander gegen Sulla und Pom pejus Krieg geführt und war beide Male besiegt worden. Wütend über diese Niederlagen hatte er ein neues Heer aufgestellt, um gegen Rom zu ziehen. Vielleicht hätte er die Stadt erobern können, wenn nicht sein zweiter Sohn, Pharnakes, (von Pompejus bestochen?) eine Verschwörung angezettelt hätte,
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um den Vater daran zu hindern. Aus Verzweiflung über den Verrat seines Sohnes hatte Mithridates Eupator sich getötet, und Pharnakes, der ihm auf den Thron gefolgt war, hatte ein Bündnis mit Pompejus geschlossen. Zu ihm begab sich die pompejanische Flotte unter Cassius, der Caesar an der Ein fahrt zum Hellespont begegnete. Der andere Sohn des Mithridates, Mithridates von Pergamon, war empört darüber, seinen Bruder Pharnakes als König zu sehen, und ergriff für Caesar Partei. Indem er dem in Alexandreia belagerten Imperator zu Hilfe kam, hoffte er zweifellos, daß Caesar ihm sein Königreich erobern helfen würde – was er auch später tat. Mithridates’ Ankunft in Ägypten war also nicht nur ein militärischer Erfolg, sondern auch ein unbestreitbarer politischer Erfolg für die caesarische Partei. Sah sie in Arsinoe eine zukünftige Rivalin? Jedenfalls hat sie sie kurze Zeit später vergiften lassen. Die Meinungen über die Ursache des Brandes sind geteilt: manche behaup ten, daß Achillas Brandfackeln in den Hafen werfen ließ, andere, daß Caesar selbst befohlen habe, die Schiffe zu zerstören, als er sah, daß er nicht mehr in der Lage war, sie zu halten. Die erste Deutung ist die wahrscheinlichere. Walter, a.a.O., S.495. Weigall, a.a.O., S.90f. Man sollte noch hinzufügen, daß außerdem ein bedeutender Vorrat an Lebensmitteln mitgeführt wurde, denn als Griechin hätte sich Kleopatra sicher nicht in eine Gegend wie Nubien begeben, ohne die gewohnten Gerichte und Getränke mitzunehmen. Wie das Gebet des Echnaton (1370-1352 v.Chr.). »Du hast ihnen einen Nil im Himmel gegeben, damit er zu ihnen herabströmt« sagt Echnaton in seiner Hymne an die Sonne. Kleopatra hat ihm sicher auch nicht zugeredet, denn Äthiopien und der obere Sudan interessierten sie nicht besonders; ihre Blicke waren vielmehr nach Persien und Baktrien gerichtet. Weigall, a.a.O., S.91. »Oriens captus ferum victorem cepit.« Droysen, Geschichte Alexanders des Großen, S. 490. Selbst das Datum des Mordes läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen; manche verlegen es in den Winter 311-310, andere in den Winter 310-309.
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Gautier, Moeurs et Coutumes des Musulmans. La Periode hellénistique, S.109f. Ebd. Alexandreia in Akesines, Alexandreia der Arabiter, Alexandreia in Aracho sien, Alexandreia in Areia, Alexandreia bei Baktra, Alexandreia in Karma nien, Alexandreia in Ägypten, Alexandreia Eschata, Alexandreia in Gedro sien, Alexandreia am Indusdelta, Alexandreia der Ichtyophagen, Alexand reia bei Issos, Alexandreia der Oriter, Alexandreia in Oxianien, Alex andreia am Kaukasus, Alexandreia in Sogdiana und Alexandreia Troas, wozu Nikaia, Nikäa und Bukephalien kommen. Vgl. Benoist-Mechin, Alexandre le Grand, Deutsche Ausgabe (Neuaufl.) in Vor bereitung. Seleukeia ad Belum, Seleukeia von Kalykadnos, Seleukeia von Erythrea, Seleukeia in Pamphilien, Seleukeia am Eulaios, Seleukeia von Fer, Seleu keia Mopsuestos, Seleukeia am Orontes, Seleukeia am Tigris und Seleukeia Zeugma. Antiocheia Adana, Antiocheia der Araber, Antiocheia Charax, Antiocheia am Chrysorrhoas, Antiocheia in Kilikien (Tarsos), Antiocheia am Eulaios, Antiocheia in Margianien, Antiocheia am Meandros, Antiocheia Mixobarba ros (Edessa), Antiocheia in Mygdonia, Antiocheia in Persien, Antiocheia in Pyramos, Antiocheia in Syrien (oder am Orontes) und Antiocheia Ther mata. Apameia Zeugma, Apameia in Messenien, Apameia in Phrygien, Apameia an den Kaspischen Toren, Apameia in Sittakene und Apameia in Syrien. Laodikeia am Lykos, Laodikeia am Orontes und Laodikeia in Medien. Freie Städte: Kyzikos, Parion, Lampsakos, Abydos, Dardanos, Ilion, Alex andreia Troas, Lesbos, Kyme (Cumae) – Smyrna, Ktasomenes, Erythrai, Kolophon-Noton, Magnesia am Meandros, Priene, Herakleia am Latmos, Milet, Jasos, Chios, Samos, Alabanda, Mylasa, Halikarnassos, Myndos, Knidos, Phaseiis, Side, Aspendos, Selge und Antiocheia in Pisidien. Unterworfene Städte: Byzantion, Lysimacheia, Sestos, Priapos, Assos, Skep sis Eleia, Pitane, Phokäa, Temnos, Magnesia am Sipylos, Teos, Ephesos, Kolophon, Telmisos, Hierapolis, Sardeis und Tralleis. Militärkolonien: Philetereia, Gergitta, Attaleia, Nakrasa, Thyatiros, Hirka nia, Mysomakedonia am Kaikos, Blaundos, Pelteia, Mardia und Doyda (Car dinali, Il Regno di Pergamo).
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Über die Größe und Schönheit der Städte Antiocheia und Seleukeia lese man bei Jouguet, L’impérialisme macédonien et L’Hellénisation de l’Orient, S. 425 ff. Mit Ausnahme eines Teiles des früheren Alexander-Reiches, nämlich des Gebietes westlich vom Indus und südlich vom Hindukusch, das Seleukos I. Nikator an den indischen Fürsten Chandragupta Maurya gegen 500 Kriegs elefanten abgetreten hatte, die er dringend brauchte, um sich gegen Anti gonos ›den Einäugigen‹, seinen größten makedonischen Rivalen, zu verteidi gen (vgl. Toynbee, Between Oxus and Jumna, S. 9 und 72). Jouguet, a.a.O., S.419. Indem er Ktesiphon gründete und darauf verzichtete, Seleukeia mit Gewalt zu nehmen, schien Mithridates I. die bestehende Ordnung in gewisser Hin sicht erhalten zu wollen. Ein Kompromiß muß die Beziehungen zwischen der gräko-semitischen Aristokratie des Handels und dem arsakidischen Eroberer geregelt haben (vgl. Girschmann, Parthes et Sassanides, S.34). Vor allem Djerash, Philadelphia (Amman) und Aeropolis (Rabbath-Moab). »Wenn Sulla, der Sieger über Mithridates, es ihnen nicht verwehrt hätte, wären die Parther in Syrien eingefallen...« (Jouguet, a.a.O., S.441). Ebd., S.441. »Durch den zweiten makedonischen Sieg und die Schlacht von Kynoskepha lai (197 v.Chr.) greift Rom entscheidend im Orient ein.« (Jouguet, a.a.O., S.268). Darunter vor allem die Syrte, das prokonsularische Afrika (Karthago) und Numidien. Weigall, a.a.O., S.87ff. »Alexander scheint sowohl einen aufrichtigen Mystizismus als auch einen scharfen politischen Instinkt in den Dienst der stolzen Pläne seines Genies gestellt zu haben. Diese Mischung aus Gefühlen, die sich nur scheinbar zu widersprechen scheinen, ist bei großen Schöpfern nicht selten. Unbestreit bar war Alexander schon früh der Überzeugung, göttlicher Abstammung oder sogar Gottes Sohn zu sein, und der Schritt von hier zu dem Glauben, Gott zu sein, war für einen so unerschrocken nach Ruhm strebenden Geist nicht groß. Ägypten offenbarte ihm die göttliche Erhabenheit orientalischer Könige. Zwar konnte er die Glaubenssätze dieses einzigartigen Landes nicht auch der übrigen Welt aufzwingen, und das lag ihm auch fern; aber er
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war bereit, den monarchischen Mystizismus des Orients zu übernehmen, in welcher Form er sich ihm auch offenbarte... Wie soll man darauf nicht annehmen, daß, nachdem die griechischen Städte in Asien ihm göttliche Ehrungen erwiesen haben, ihm nicht der Gedanke kam, ein Gott für alle Hel lenen zu sein? Es ist möglich, daß das berühmte Gesetz, mit dem er den Griechen befahl, ihn als Gott zu verehren, niemals erlassen worden ist, wie viele glauben; aber der Wunsch, ein Gott zu sein, ist uns als Schlüsselbegriff in Alexanders politischem Denken erschienen, und es ist unwahrscheinlich, daß er das nicht in der einen oder anderen Form zum Ausdruck gebracht hat« (Jouguet, a.a. O., S.338f.). Carcopino, Sylla ou la monarchie manqnée. Droits régaliens et Droits Divins, S. 86ff. Vergleiche ebenfalls Les Etapes de L’Impérialisme romain: la Royauté de César, S. 118ff. Carcopino, ebd. Der Pragmatismus der Römer in dieser Beziehung wird durch die beiden fol genden Texte deutlich: »Es ist angebracht, daß die guten Diener des öffentlichen Wohls als durch Geburt wie durch Verdienst von den Göttern herkommend gelten« (Cicero, De Republica, II, 2-4). »Es ist nützlich, wenn große Männer glauben – selbst wenn es falsch ist (etiam si falsum est) –, daß sie göttlichen Geblüts sind, so daß das mensch liche Herz, durch den Glauben an diese übernatürliche Herkunft gestärkt, mehr Mut zum Wagen, mehr Kraft zum Handeln und mehr Glück im Erfolg hat« (Varro, In Augustinum de Civitate Dei, III, 4). »Die Griechen erhoben ihre berühmten Toten zu Helden, die als solche Gegenstand eines Kultes bildeten. Die Heroisierung ist vielleicht nicht die Apotheose, aber sie kann dazu führen... Obwohl es sich nicht um eine vollständige Vergöttlichung handelt, obwohl die ihnen erwiesenen Ehren denen, die man den Göttern schuldete, nur ähnlich sind und die so verehr ten Personen sozusagen nur im Schatten der wahrhaftigen Götter standen, sind diese Helden doch letzten Endes über die Menschen hinausgehoben und den Göttern nahegerückt worden« (vgl. Jouguet, a.a.O., S.338). Zur Zeit Philipps die Hauptstadt von Makedonien. Über die Annahme ägyptischer religiöser Vorstellungen durch die Nachkommen von Ptolemaios dem Lagiden und ihre Identifizierung mit den Pharaonen siehe Jouguet, a.a. O., S.332ff.
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Echnaton (Amenophis IV.), von dem dieses schöne Gebet stammt, herrschte von 1370 bis 1352 v.Chr. Vgl. Samivel, Trésors de l’Egypte, S.39. Walter, a.a.O., S.257. Dieser Titel entsprach dem eines Oberbefehlshabers. Das Gebiet um die Stadt Rom, das bewaffnete Truppen niemals betreten durften. Als Caesar erfuhr, daß sie nach Rom ziehen, hatte er ihnen zunächst eine Einheit seiner Leibwache entgegenschicken wollen, aber »er verzichte te darauf«, sagte Appian, »denn er fürchtete, daß sie sich der Meuterei anschließen könnten« (Walter, a. a. O., S. 521). Das zeigt, wie ernst die Lage war. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Caesar diese Vermittlung angeregt hat. ›Quirites‹. Diese Versprechungen müssen die Legionäre geblendet haben, und manche Historiker wollen darin nur eine Prahlerei sehen. Man kann sich jedoch auch vorstellen, daß Caesar vor seiner Abreise aus Alexandreia ein Abkom men mit Kleopatra getroffen hatte, wonach ihm die ägyptische Königin die zur Aufstellung neuer Legionen erforderlichen Mittel zu liefern versprach. Vgl. Benoist-Mechin, Alexandre le Grand, S. 170 ff. Gnaeus Pompejus hatte nur das eine Ziel, den Tod seines Vaters zu rächen; Afranius und Petreius wollten die Niederlagen wettmachen, die ihnen Caesar 49 in Spanien zugefügt hatte, und Labienus, der ein Offizier Cae sars in Gallien gewesen war, trieb ein unversöhnlicher Haß gegen seinen früheren Herrn. Vgl. Carcopino, César, S.932f. Cicero, Briefe an Atticus, XI, 7, 3 (17. Dezember 48). Ebd., XI, 10, 2 (19. Januar 47). Ebd., XI, 15, 1 (14.Mai 47). Nur einige Städte an der Südküste hatten noch Beziehungen zur pompejani schen Partei aufrechterhalten. Plutarch, Caesar, LXIX. Walter, a.a.O., S.544ff. Siehe S. 10. Caesars Gegner waren der Meinung, daß er Cato nicht verziehen hätte, wenn er ihn lebend gefangengenommen hätte. Sie sehen den Beweis dafür
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in der Tatsache, daß Caesar wenige Zeit später eine heftige Philippika mit dem Titel ›Anticato‹ gegen seinen früheren Gegner verfaßte. Plutarch erklärt jedoch in überzeugender Weise, daß der Zorn des Imperators nicht so sehr durch Cato selbst als durch das Buch erregt wurde, in dem Cicero das Lob des ehemaligen Statthalters von Utica sang. »Dieses Buch«, sagt Plutarch, »fand sehr viel Anklang, denn es war von einem sehr gewandten Redner über ein sehr interessantes Thema geschrieben worden. Caesar war unzu frieden, denn ein Lob des Mannes, dessen Tod er verursacht hatte, kam einer Anklage gegen ihn gleich, und darum schrieb er ein Buch als Erwide rung, in dem er mehrere Anklagepunkte gegen Cato vorbrachte«. {Caesar, LXX). Es ist daher denkbar, daß Caesar Cato verschont hätte, »nicht aus Freundschaft für ihn – denn er liebte ihn nicht –, sondern aus politischen und menschlichen Gründen oder aus Großmut, Gefühle, die er oft seinen größten Feinden entgegenbrachte« (Dacier). Diese Reaktion beweist, daß die Strafe, auch wenn sie uns schwer erscheint, nicht erdrückend war; sie ist zudem ein Zeichen für den außergewöhnlichen Reichtum der Stadt, die eine derart hohe Summe zahlen konnte, ohne dadurch sonderlich in wirtschaftliche Mitleidenschaft gezogen zu werden. Wir müssen ein paar Worte über diesen erstaunlichen Mann hinzufügen, in dem Carcopino einen der großen Abenteurer sieht, »der in manchen Augenblicken die Größe eines Dupleix oder Cecil Rhodes zeigt« (César, S.937). Sittius stammte aus Nukerien und floh nach seiner Beteiligung an der Verschwörung des Catilina nach Mauretanien, wo er sich recht gut mit seinem erzwungenen Aufenthalt abfand. Nachdem er sich durch die Beschaf fung wucherischer Kredite für den maurischen König Bocchus II. ruiniert hatte, wurde er zum ›Condottiere‹. Auf der Suche nach einem Weg, wieder zu Reichtum zu kommen, erbot er sich, die Streitkräfte des Königreiches zu organisieren; die Einheiten, die er aufstellte und die gewöhnlich gegen noch nicht unterworfene Stämme Krieg führten, waren zwar zahlenmäßig nicht sehr stark, aber bemerkenswert gut ausgebildet. Als Caesar in Afrika erschien, sah Sittius sofort eine Möglichkeit, wieder reich zu werden, indem er für ihn Partei ergriff. Er überredete Bocchus, Juba anzugreifen, um Caesar zu entlasten, der auf der Halbinsel Ruspina belagert wurde und nicht genug Streitkräfte hatte, um dem Feind standzu
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halten. Als Juba sein Reich in Richtung der afrikanischen Provinz verließ, fiel Bocchus in Numidien ein und begann es planmäßig zu verheeren. Sowie Juba davon erfuhr, machte er kehrt, um ihn zu vertreiben. Dieser von Sit tius angeregte Eingriff des Bocchus kam für Caesar wie von der Vorsehung gesandt; es gab ihm die nötige Atempause bis zur Ankunft der Verstärkung aus Italien. Anschließend nahm Caesar Sittius wieder in seine Dienste und übergab ihm den Befehl über eine Flotte und ein Heer (vgl. Carcopino, César, S. 937). Vgl. Walter, César, S.548. Caesar wird nicht nur Anspruch auf die 24 Liktoren haben, die ihm in seiner Eigenschaft als amtsführender Diktator zustehen, sondern dazu auch auf die seiner zwei vorherigen ›Diktaturen‹. Varus und Labienus sind die beiden einzigen Überlebenden der großen pompejanischen Heerführer. Sextus, der jüngere Bruder des Gnaeus, befand sich mit seiner Mutter Cor nelia auf Pompejus’ Galeere, als dieser in Peluseion ermordet wurde. Vgl. Walter, César, S. 579ff. Ebd. Carcopino, César, S.956. Dio Cassius, XLIII, 42, 3. Es ist nicht verwunderlich, daß die Nachricht vom Sieg bei Munda erst dreiunddreißig Tage später in Rom bekannt wurde. Wir haben gesehen, daß Caesar die Strecke von Rom nach Obulco in sie benundzwanzig Tagen zurücklegte, was eine Rekordzeit war. Außerdem ist es möglich, daß Caesar die Ankunft der Botschaft etwas verzögert hat, damit sie am Fest der ›Palilia‹ bekannt wurde. Carcopino, Les Etapes de l’Impérialisme romain, S. 151 f. Ebd., S.306. Die meisten freien römischen Bürger aus den alten Familien sind oft nicht über die Grenzen Latiums hinausgekommen. Carcopino, Profils de Conquérants, S.353. »Die Form der ›volumen‹«, schreibt Carcopino, »hatte die Schriftsteller behindert, denn der Gesamtheit ihrer Werke fehlte die straffe Gliederung, die die moderne Denkweise erfordert. Unter Nero war Seneca der letzte Autor, der ein Opfer dieser unvermeidlichen Zerstückelung wurde mit der Zusammenhanglosigkeit seiner Entwicklungen, die aufeinander folgten,
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ohne wirklich logisch verbunden zu sein, und dem Durcheinander der Gedankengänge, die Caligula, diesen verabscheuungswürdigen Kaiser, aber scharfsichtigen Kritiker, sagen ließen, es sei ›Sand ohne Mörtel – arena sine calce‹. Durch den ›codex‹ aber verknüpften sich die logischen Verbindungen mit einer Eleganz, durch die seit dem Ende des 1. Jahrhunderts und dem 2. Jahrhundert die ›Annalen‹ des Tacitus, die Biographien Suetons und der ›Panegyrikos des Trajan‹ von Plinius dem Jüngeren gewannen. Die Flüssigkeit eines Textes von Seite zu Seite lieferte naturgemäß den Rechts gelehrten des 2. und 3. Jahrhunderts Referenzen und Präzedenzfälle, die ihre Argumentationen einleuchtender machten« (Profils de Conquérants, S.354f.). Praktisch hat sich dadurch die ganze Denkweise geändert. »Während seines langen Aufenthalts in Alexandreia war er mit Anhängern des Dionysos-Kultes in Berührung gekommen. Statt seine Verbreitung zu verhindern, führte er diesen Kult offiziell in Rom ein, wie wir aus einer Bemerkung von Servius erfahren, und durch diese kühne Initiative gelang es Caesar, den verdächtigen Kulten aus dem Orient, die sich heimlich un ter der stark gemischten Bevölkerung der Hauptstadt verbreiteten, die gemäßigten und verfeinerten Bacchanalien entgegenzusetzen, wie sie aus der Reform des Ptolemaios II. Philadelphos im 3. Jahrhundert v.Chr. hervor gegangen waren« (Carcopino, a.a.O., S.315). »Nach dem Zeugnis des Dio Cassius hat Caesar schon 65 v.Chr. in seiner Eigenschaft als Ädil mit ungewöhnlichem Glanz die Feste der ›Magna Mater‹, der phrygischen Göttin Kybele, gefeiert. Die Verehrer der Isis, die aus Ägypten bis nach Rom kamen, hatten schon vor ihm versucht, den Kult ih rer Göttin dort einzuführen, waren aber auf den Widerstand des Senats gestoßen, der in den Jahren 58, 53 und sogar noch 48 befahl, ihre Heiligtümer zu zerstören. Das änderte sich mit der Rückkehr des Siegers von Pharsalos. Er ließ sie ungestört ihre Riten vollziehen, und kurz nach seinem Tod errich teten die Triumvirn – wie Caesar es beabsichtigt hatte – auf Staatskosten einen Isis-Tempel in Rom; wie Franz Cumont bemerkt, erhielt damit die Göttin vom Nil das römische Bürgerrecht« (Carcopino, a.a.O., S.350). Carcopino, Profils de Conquérants, S.340.
Ebd., S.345.
Ebd., S.305.
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»Nicht um die Souveränität Roms zu vergrößern hatte Caesar König werden wollen«, schreibt Carcopino. »Als Diktator auf Lebenszeit, durch die Auspi zien, die ihm zustanden, und die religiösen Weihen, die ihn schon im voraus über die anderen Menschen erhoben, hatte Caesar in Rom bereits alle Machtbefugnisse in Händen, einschließlich der, sie an Personen seiner Wahl zu übertragen. Aber selbst diese Machtvollkommenheit genügte nicht für die erfolgreiche Durchführung seiner ungeheuren außenpolitischen Pläne, von deren Verwirklichung er sich den weltweiten und ewigen Frieden erhoffte. Er wußte, daß es ihm ohne das Königsdiadem nicht möglich sein würde, in dauerhafter Form sowohl das Königreich am Nil, wo die Ptolemäer die Nachfolge der Pharaonen angetreten hatten, als auch das weitläufige und ferne Reich der Parther, wo die Arsakiden den Archämeniden auf den Thron des ›Königs der Könige‹ gefolgt waren, in die römische Welt einzube ziehen« (a.a. O., S.303). Diese Formulierung stammt von Carcopino aus César, S.957. Die Arbeiten zur Vergrößerung und Verschönerung Roms sind von überwältigender Vielseitigkeit und zeigen deutlich, in welche Richtung seine Pläne gingen. »Je größer die Bevölkerung Roms wurde, desto dringender war es, der Stadt den Raum zu geben, der ihr fehlte«, schreibt Carcopino. »Caesar erfüllte mit einer Art freudiger Hast die Aufgabe, das Leben in der Hauptstadt durch einen neuen und weiteren Rahmen gesünder und glücklicher zu gestalten. Jeden Tag, sagt Sueton, entwarf er neue und immer umfassendere Pläne für die Vergrößerung und Verschönerung der Stadt (Caesar, 44). Nach dem Vorbild Sullas hatte er vom Senat die Genehmigung erhalten, die Grenzen des Pomeriums zu verlegen, aber es handelte sich dabei nur um ein Ritual, ein Symbol der Ausdehnung, die das Reich seinen Siegen verdankte (Tacitus, Annalen, XII, 23). Caesar erwartete aber, daß diesem symbolischen Wachstum eine materielle und konkrete Vergrößerung entsprach; Ende Juni 45 erließ er das Gesetz ›De Urbe augenda‹, das uns nicht erhalten geblieben ist, von dem wir aber durch einen Brief Ciceros an Atticus wissen, »daß es sich um einen ordnenden Plan handelte, eine systematische städtebauliche Planung, dessen Ausführung einem einzi gen Architekten, der sein Vertrauen hatte und seine Vorstellungen teilte, übertragen werden sollte. Zu den angekündigten Arbeiten gehörte der kühne Plan, den Lauf des Tiber zu verändern, und zwar durch die Abtren
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nung der Flußschleife (die noch heute zwischen dem Ponte Milvius und dem Borgo besteht), so daß das Marsfeld den Bauleuten zur Verfügung stehen würde; der heilige Boden des Marsfeldes auf der Seite der Vatikanebene wäre dadurch vom rechten auf das linke Flußufer verlegt worden. Außerdem beschloß Caesar, die Schranken niederzureißen, die die sogenannte Servia nische Mauer bisher der Entwicklung der Stadt gesetzt hatte. Gemäß der später erlassenen ›Lex Julia‹ hörte Rom auf, in den fünfhundert Hektar zu ersticken, die von dieser drei Jahrhunderte alten Mauer umschlossen wurden, und wurde offiziell in alle Richtungen um tausend Schritte (etwa 1½ Kilometer) vergrößert« (César, S. 1004 bis 1009). Die Fläche der ›Urbs‹ hatte sich somit verdreifacht. Aber Caesar begnügte sich nicht damit, sie zu vergrößern, er wollte sie auch verschönern, um ihr die strahlende Erha benheit zu geben, die die ihr zugefallene Weltstellung erforderte. Ab 54 verwendete er einen Teil seines in Gallien erworbenen Reichtums dazu, im Norden des Kapitols das herrliche Marmorgebäude der ›Saepta Julia‹ zu errichten; er übergab L. Aemilius Paullus sechsunddreißig Millionen Sester zen zur Verschönerung des Forums, womit er die ›Basilica Aemilia‹ wieder herstellen und ihr gegenüber den Bau einer neuen Basilika vorbereiten sollte, die nach Caesar benannt werden würde... »Der Grundstein des ›Forum Julium‹ wurde im Jahre 51 gelegt; 46, nach seinen vier Triumphen, weihte es Caesar feierlich ein zusammen mit dem ›Aedes veneris genetricis‹ in der Mitte des Platzes. Zu diesem Anlaß ließ er das republikanische Forum und das Comitium neu pflastern und den Jacus Curtius wiederherstellen; außerdem beschloß er, den Teil der Stadt, wo die alten öffentlichen Gebäude (die er restaurieren ließ) an die neuen Bauten stießen, von Grund auf umzugestalten: Die Rostra sollte versetzt und neu gebaut und die Curia erneuert werden. Im Jahre 46 billigte er die Wei hung eines Tempels der Freiheit durch den Senat und baute den Tempel des Quirinus wieder auf; 44 errichtete und weihte er der Concordia, der ›Großmut‹ und ›Glückseligkeit‹ neue Heiligtümer und verkündete seine Absicht, einen riesigen Mars-Tempel zu bauen und am ›Mons Tarpeius‹ das große Theater, das Augustus später dem Marcellus weihen wird (Sueton, Caesar, 39). Schließlich vergrößerte er den Circus, dessen Arena mit einem Kanal umgeben wurde.« So ordnete und verwandelte Caesar ein düsteres Durcheinander von Gebäuden und rief mitten im Herzen Roms die unver
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gleichliche Blüte herrlicher Bauten hervor, die sich zu allen Zeiten dort erheben werden, wo eine große Macht entsteht. Wäre Julius Caesar nicht unter den Dolchen seiner Mörder gefallen, so hätte er und nicht seine Nach folger sich rühmen können, »die Stadt, die er aus Ziegelsteinen vorgefunden hatte, in Marmor zu hinterlassen« (Dio Cassius, LVI, 30). Vgl. Sueton, Caesar, 79, und Nicolas de Damas, Caesar, 20. Dagegen scheint allein der Umfang der von Caesar in Rom unternommenen Arbeiten zu spre chen, es sei denn, er hätte an ein Reich mit drei Mittelpunkten gedacht: Rom im Westen, Babylon im Osten und Alexandreia (oder Ilion) in der Mitte (vgl. seine Anrufung der Manen des Äneas). Walter, a.a.O., S.595. Ebd., S.596. Man könnte auf Grund dieser Worte annehmen, daß er in dieser Anrede nur einen Hinweis auf seine Verwandtschaft mit der ›gentes‹ der ›Marcii Reges‹ sah, der seine Mutter entstammte. Nach seiner Rückkehr aus Afrika hat Caesar – wahrscheinlich in Erwartung seiner bevorstehenden Vergöttlichung – der Gemeinschaft der Lupercii, der Priesterschaft des Pan, eine Schenkung gemacht, damit ihren beiden Koll egien ein drittes Priesterkolleg hinzugefügt würde, nämlich die ›Lupercii Julianus‹, die Caesars Kult feiern sollten und zu deren Großpriester Anto nius ernannt wurde. Man könnte also sagen, daß die Luperkalien fast sein eigenes Fest waren. Als Großpriester der julianischen Lupercii ist Antonius der Tradition ent sprechend bis auf ein weißes Lendentuch nackt. Nicolas de Damas, Caesar, 20. Vgl. Walter, a.a. O., S.602. Decimus Brutus war von Caesar der Oberbefehl über die Flotte, die Mar seille blockierte, übertragen worden, und Trebonius hatte er als Statthalter in Nordspanien eingesetzt. Ich folge hier der Darstellung von Walter, César, S. 604-607, der der Bericht von Plutarch zugrunde liegt. Plutarch, Caesar, LXXXIV. Diese Formulierung stammt von Goethe. Walter, a.a.O., S.620f. Ebd., S.622. Ebd., S.623f.
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Weigall, a.a.O., S.137f. Wenigstens das, das er in seinem ›Leben Caesars‹ ablegt, denn im ›Leben des Antonius‹ ist er weniger bestimmt (LIV, 3). »Femina trita, incesti meretrix regina Canopi« (Properz, III, 11, 30 und 39), »Regina meretrix« (Plinius, IX, 119). Das heißt Kontingente, die Caesar im Hinblick auf seinen Feldzug gegen die Parther mobilisiert hatte. Er ist schon mehrere Male mit ihr zusammengetroffen: Zuerst im Jahre 55, als er auf die Bitte des Ptolemaios Auletes hin mit einem Reiterkorps nach Ägypten ging (sie war damals sieben Jahre alt); das zweite Mal in Rom während ihres Aufenthaltes in den Transtiberischen Gärten, wo sie die Elite der römischen Gesellschaft empfing. Anspielung auf eine berühmte Episode in der Ilias. Weigall, a.a.O., S. 155. Diese Beschreibung nimmt die zeitgenössischen ägyptischen Münzen zur Vorlage, auf denen Kleopatras Galeere dargestellt ist. Weigall, a.a.O., S.157f. Ebd., S.158. Ebd., S.159. Nach dem Tod des Ptolemaios XIV. hatte Kleopatra verbreiten lassen, daß Caesar der zur Erde herabgestiegene Gott Ammon sei und das Kind, das aus ihrer Vereinigung hervorgehen werde, der Sproß einer göttlichen Ver bindung sein würde. Im Tempel von Hermonthis bei Theben stellt ein Relief Kleopatra dar, wie sie mit dem Gott Ammon in Menschengestalt spricht, sowie die Götter, die der Geburt des himmlischen Kindes beiwohnen (Wei gall, a.a. O., S.83f.). Antonius hatte eine Gemeinschaft von Tischgenossen gegründet, die sich ›Anime tobioi‹, die unnachahmlichen Lebenskünstler, nannten; die Mitglie der empfingen sich gegenseitig jeden Tag in auserwähltester Weise, und der Triumvir scheint den Vorsitz dieses ›Klubs‹ geführt zu haben. Man ver anstaltete endlose Trinkgelage unter der Leitung eines ›Arbiter bibendi‹ oder ›Maître de plaisir‹, der die Weine zu mischen hatte (vgl. Weigall, a.a.O., S. 171 f.).
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»Man erinnere sich, daß viele Jahre früher Julius Caesar – um seine geplante Ehe mit der Königin zu legalisieren – ein Gesetz entworfen hatte, nach dem es ihm freistände, mehr als eine Frau zu ehelichen. Antonius scheint an eine ähnliche Lösung gedacht zu haben. Er würde davon absehen, den römischen Senat von seiner Verbindung mit der Königin von Ägypten offiziell zu unter richten, da er das alte römische Gesetz als in dieser Hinsicht für ihn nicht mehr verbindlich betrachtete, während Ägypten in der Vollziehung der üblichen Formalitäten eine rechtliche und irdische Bestätigung der angeb lich himmlischen Vereinigung des Jahres 40 sehen würde« (Weigall, a. a. O.) Die Vermutung, daß eine tatsächliche Eheschließung stattgefunden hat, wurde zuerst von Letronnex geäußert, später von Kromayer unterstützt und schließlich von Ferrero als richtig angenommen. Der griechische Begriff ›Autocrator‹ entsprach genau dem römischen Titel ›Imperator‹, der zugunsten Caesars erblich gemacht wurde und dem der Diktator zweifellos die Bedeutung des ›Kaiser‹ (französisch ›empereur‹) zu geben gedachte, die dieses Wort später auch annahm. Antonius nannte sich nicht ›Imperator‹, weil das der Titel aller Oberbefehlshaber der römischen Heere war und daher nicht deutlich genug eine Unterscheidung anzeigte; ›Basileus‹ oder ›Rex‹ andererseits waren Worte, die römische Ohren nicht gern hörten. ›Autocrator‹ beinhaltete die Vorstellung der Allmächtigkeit, ohne verletzend monarchistisch zu klingen, und es ist interessant, daß alle späteren ägyptischen Herrscher ihn übernahmen (›Aut’ Kr’ dr’‹ in Hierogly phen) (Weigall, a.a.O.). Das Königreich Judäa, über das Herodes herrschte, war damit von allen Seiten von ägyptischem Hoheitsgebiet umgeben, aber der Ausschluß dieses wertvollen Gebietes aus dem ägyptischen Einflußbereich wurde durch den Einschluß Kilikiens entschädigt, das selbst zur Zeit der großen Pharaonen stets außerhalb der Reichsgrenze geblieben war. Weigall, a.a.O., S.187. Vgl. Jouguet, L’Impérialisme macédonien et l’Hellénisation de l’Orient, S.42f. Vgl. Weigall, a.a.O., S. 191. Diesem Historiker sowie Plutarch entnehme ich die großen Linien bei der Beschreibung des Partherfeldzuges. In der französischen Sprache findet sich in Anlehnung daran der idiomati sche Ausdruck ›décocher la flêche du Parthe‹, eine heftige, verletzende Bemerkung machen.
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Heute Beirut. Das ist nicht ganz richtig, da Kleopatra verlangt hatte, daß er sie rechtmäßig
heiratet, was eine der Bestimmungen des Vertrages von Antiocheia war.
Ein schreckliches Ansinnen an Artavazd, der ein empfindsamer und gebil
deter Mann und Autor beachtenswerter Komödien und Tragödien war.
Weigall. Diese Maßnahmen hinsichtlich des jungen Alexander-Helios gründen sich zweifellos auf einen Vertrag, der im Vorjahr mit dem König von Medien geschlossen wurde und bestimmte, daß Alexander und die medische Erb prinzessin Iotapa das vereinigte Königreich von Medien, Armenien und Par thien übernehmen werden, unter der Bedingung, daß Antonius sich an der Unterwerfung Parthiens beteiligte (vgl. Weigall, a. a. O., S. 203 f.). Der Tri umvir hatte also nicht vollkommen auf die Eroberung des Orients verzich tet. Weigall, a.a.O., S.125. Ebd., S.240.
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Wahrscheinlich im November 31. Dieser Weg folgt ungefähr dem Verlauf des heutigen Kanals. Es ist begreiflich, daß die Umstände Kleopatra dazu bestimmt haben, seine Volljährigkeit zu erklären: sie wollte damit ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Alexandriner »jetzt einen Mann als König hätten« (Dio Cassius). Caesarion würde in Zukunft rechtmäßig den Thron Ägyptens besteigen können – oder wenigstens Anspruch darauf erheben, falls man ihm dieses Recht verweigerte. Nach der Ansicht mancher Historiker kam dieser Lärm von den oktaviani schen Soldaten, die ihr Lager ganz in der Nähe des Tores von Kanope auf geschlagen hatten und am Vorabend der Schlacht eine unmäßige Zecherei veranstalteten. Mainzer, L.’Hérituge de César, S.219f. Weigall, a.a. O., S.276. Mit diesen Worten erkennt Kleopatra »in extremis« die Adoption Oktavians durch Caesar an; sie läßt gleichzeitig durchblicken, daß sie darauf verzich
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tet, ihm den Vorrang streitig zu machen. Doch versucht sie unter Berufung auf den Willen des großen Toten zwischen sich und Oktavian eine ver wandtschaftliche Bindung herzustellen, um ihn milde zu stimmen. Es scheint, als sei Rhodon ebenfalls von Beauftragten Oktavians bestochen worden, die zu diesem Zweck nach Berenike entsandt worden waren.
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Diese Formulierung stammt von Emmanuel Berl. Julian Apostata ist einer der letzten römischen Kaiser gewesen, die gegen die Perser gekämpft haben; damals war Sapor II. persischer König. Julians Feldzug steht dem des Antonius in nichts nach: Nachdem er Ktesiphon belagert hat, ist er gezwungen, den Rückzug nach Norden durch das Tal des Tigris anzutreten; er stirbt zweiunddreißigjährig in Phrygien, wo er am Abend des 16.Juni 365 n.Chr. von einem Speer durchbohrt wird (vgl. Bidez, La Vie de l’Empereur Julien, S.327ff.). Nach dem Tod Julians schließt sein Nachfolger Jovian, den das Heer zum Kaiser erhob, einen Friedensvertrag mit Sapor II., in dem er ihm fünf jenseits des Tigris gelegene Provinzen sowie fünfzehn befestigte Städte in Mesopotamien abtritt, darunter Singare und Nisibis (Bidez, a.a.O., S.330). Carcopino, Profils de Conquérants, S.309. Ebd., S.310. Darunter vor allem Julia Domna, Julia Maesa, Julia Soaemias und Julia Mamaea aus der Familie der Bassiani (vgl. Babelon, Les Impératrices syri ennes). Sie vererben ihren Nachkommen die schlechtesten Eigenschaften des Orients, aber die Römer werden es ihnen nicht übelnehmen, während sie sich gegen die ›Hure von Alexandreia‹ so unerbittlich zeigten. Einer von ihnen nannte sich ›Alexander‹, weil er glaubte, dadurch fiele ein wenig von dem Glanz seines großen Vorgängers auf ihn; aber die Zeiten der makedonischen Eroberung sind für immer vorbei.
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Die Welt der Kleopatra
Zeittafel
323 Tod Alexanders d. Gr. Ptolemaios I. Soter übernimmt die Herrschaft in Ägypten. 106 Cn. Pompejus geboren am 29. September. 100 C. Iulius Caesar geboren am 12. Juli. 82 Er wird von Sulla als Neffe des Marius geächtet, dann begna digt und leistet Militärdienst vor Mytilene (Lesbos) und in Cilicia. M. Antonius geboren, er ist Enkel des 87 ermordeten Orators M. Antonius. 82 Sulla bricht den Widerstand der Anhänger des Marius und wird Diktator. Pompejus besiegt in Afrika und Sizilien Anhänger des Marius. Umfassende reaktionäre Gesetzgebung des Sulla (leges Cor neliae). 80 Sulla wird zum Konsul gewählt, legt die Diktatur nieder, zieht sich von der Macht zurück und stirbt in Puteoli. 79 Herrschaftsantritt Ptolemaios’ XII. Auletes, des Vaters der Kleopatra. 75 Caesar studiert Rhetorik bei Molon auf Rhodos. Auf der Reise wird er von Seeräubern gefangengenommen. 73-71 Sklavenaufstand unter Spartacus. 70 Umsturz der Sullanischen Verfassung, Wiederherstellung der tribunizischen Gewalt durch die Konsuln Pompejus und Cras sus. 68 Caesar ist Quästor in Spanien. Kleopatra wird als Tochter des Ptolemaios XII. Auletes in Ägypten geboren.
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67 Pompejus erhält den Oberbefehl über das Mittelmeer und einen breiten Küstenstreifen zur Ausrottung des Seeräu bertums. 66 Cicero hält seine Rede de imperio Cn. Pompei und Pompejus erhält dadurch zwecks Beendigung des 3. Mithridatischen Krieges in Asien den Oberbefehl. Er geht mit den Parthern ein Bündnis ein, schlägt Mithridates am Lykos und unterwirft Tigranes, den Kg. v. Armenien. 65 Caesar Aedil in Spanien, Kampf des Pompejus in Kaukasien, der das 64 Seleukidenreich zerschlägt und den Orient neu ordnet. 63 Schaffung von neuen Provinzen: Pontos (Bithynien, Paphla gonien, westl. Pontos); Syria; Cilicia (Pamphylien und Isau rien). Unabhängige Stadtrepubliken, Priesterherrschaften und Vasallenfürstentümer, Kolchis, Kommagene, Kappadokien, Bosporanien schaffen ein neues zergliedertes Staatensystem. 62 Geburt des C. Oktavius (= Augustus) am 23. September in Rom. Caesar ist pontifex maximus. Catilina zum Konsul gewählt, der durch Cicero zum Verlassen Roms gezwungen wird, und in der Schlacht von Pistoria sein Ende findet. Pompejus kehrt aus dem Orient zurück, entläßt nach der Lan dung in Italien bei Brundisium sein Heer und büßt damit seine vormalige Machtstellung ein. 61 Caesar als Propraetor in Spanien, er deckt aus der Beute seine Schulden ab. 60 1. Triumvirat zwischen Pompejus, Crassus und Caesar. 59 Caesar wird Konsul, er erhält Gallia cisalpina, Illyricum, dazu Gallia Narbonensis auf 5 Jahre. 56 Erneuerung des Triumvirats in Lucca. Pompejus erhält Spa nien, Crassus Syrien für 5 Jahre, Caesar Gallien für weitere 5 Jahre. 55 Pompejus läßt die Verwaltung in Spanien durch Legaten ausüben und bleibt in Rom. Dort gibt er glänzende Spiele, läßt das erste Theater aus Stein erbauen und scheint eine neue Diktatur anzustreben.
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54 Pompejus wird die Getreideversorgung Roms übertragen. 53 Niederlage des Crassus gegen die Parther bei Karrhai; er fällt in der Schlacht. 52 Caesar besiegt Vercingetorix. Unruhen in Rom, Pompejus wird der Oberbefehl in Spanien auf weitere 5 Jahre verlängert. Schaffung der Provinz Gallia durch Caesar. 51 Kleopatra VII. wird Regentin in Ägypten, gemeinsam mit ihrem Bruder Ptolemaios XIII. 49 Nachdem Caesar erfolglos die Niederlegung des Oberbefehls durch Pompejus gefordert hat, wird ihm am 1. Januar die Übergabe der Provinzen und Auflösung des Heeres abver langt. Am 7. Januar erläßt der Senat das senatus consultum ultimum gegen Caesar. Daraufhin überschreitet dieser den Grenzbach Rubikon und beginnt damit den Bürgerkrieg. 48 Am 9. August Schlacht bei Pharsalos. Flucht des Pompejus nach Ägypten; dort wird er ermordet. Aufstand in Alexandrien, Zerstörung der römischen Flotte, der Bibliothek und des Museion. Rückkehr Caesars nach Rom. Kleopatra wird als Königin eingesetzt. 47 Vermutl. Geburtsjahr d. Caesarion. Ptolemaios XIII. ertrinkt im Nil. 46 Krieg in Afrika zwischen M. Porcius Cato und Caesar. Schlacht bei Thapsos, Scipio und Juba von Numidien werden besiegt. Cato gibt sich in Utica den Tod. Caesar geht zurück nach Rom und läßt dorthin Kleopatra kommen. Neuordnung der römischen Staatsverwaltung. Schaffung des Julianischen Kalenders. 45 Feldzug Caesars gegen die Söhne des Pompejus, Gnaeus und Sextus, in Spanien. Schlacht bei Munda, an der Oktavian, Cae sars Adoptivsohn, teilnimmt. Caesar ist Diktator auf Lebens zeit und Imperator. 44 Ermordung Caesars zu den Iden (15.) des März. M. Antonius bemächtigt sich der finanziellen Hinterlassenschaft Caesars und wirft sich auf zu dessen Testamentsvollstrecker. Die noch in Rom weilende Kleopatra verläßt die Stadt unmit
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telbar nach der Mordtat.
Ermordung Ptolemaios’ XIV. Gemeinsame Regierung Kleopa
tras und Caesarions.
Zusammenkunft und Bündnis des Antonius, des M. Aemilius Lepidus und des Oktavian bei Bononia. Proskriptionen der republikanischen Senatorengruppe und ihrer Anhängerschaft. Ermordung Ciceros. Oktober: Doppelschlacht bei Philippi. Antonius besiegt zu nächst Cassius, danach (am 23.) Brutus, die beide durch Selbstmord enden. Er geht nach Syrien und bereichert sich durch Plünderungen. Einfall der Parther nach Kleinasien. Antonius läßt ihn durch seinen General C.Ventidius Bassus bekämpfen. In Tarsos begegnet ihm Kleopatra. Er folgt ihr nach Alexan drien. In Italien: Perusinischer Krieg, Belagerung Perusias durch Oktavian, Flucht der Fulvia, Zusammentreffen mit Antonius in Athen und plötzlicher Tod. Geburt der Zwillinge (Alexander-Helios und Kleopatra-Selene) von Antonius und Kleopatra. September: Vertrag von Brundisium zwischen Oktavian und Antonius: Lepidus wird mit Africa abgefunden, der Osten bleibt Antonius überlassen, Oktavian wird Autocrator im Westreich. Antonius heiratet Oktavia, die Schwester Oktavi ans, und bleibt zunächst in Athen. In Syrien schließen sich abgesetzte Kleinfürsten den Parthern an, die auf Antiocheia marschieren. Vertreibung der Parther aus dem römischen Gebiet Kleinasi ens. Erneuerung des Triumvirats auf 5 Jahre. Antonius überläßt Oktavian Teile der Flotte zur Bekämpfung des S. Pompejus und erhält Legionen zugewiesen, die er gegen die Parther ein setzen will. Rückkehr des Antonius nach Antocheia in den Orient, dort erneute Begegnung mit Kleopatra.
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36 Seesiege des Agrippa über S. Pompejus bei Mylae (Sizilien) und bei Naulochus. Africa fällt an Oktavian, Lepidus wird pon tifex maximus. Kleopatra übt mit ihrem Sohn Caesarion die Gesamtherr schaft über das Ptolemäerreich aus und erhält Chalkis in Syrien zugesprochen. Vertrag von Antiocheia mit Antonius, der sich verpflichtet, das ägyptische Reich wiederherzustel len, Caesarion als Mitregenten akzeptiert und in eine Eheschließung mit Kleopatra einwilligt. Geburt des Ptolema ios Philadelphos. Aufbruch des Antonius in einen neuen Partherfeldzug nach Media Atropatene, der in einer Katastrophe endet, nachdem Phraates III. die gestellten Bedingungen abgelehnt hat. 35 Antonius kehrt mit Kleopatra nach Alexandrien zurück. Auf die Nachricht vom Verrat des Artavazd wendet er sich so fort nach Armenien, überrennt das Königreich, um es zur römischen Provinz zu machen und kehrt sodann nach Antiocheia zurück. Er tritt in Beziehungen zum König von Medien und vereinbart eine Eheschließung zwischen dem Sohn Alexander-Helios und der medischen Thronerbin Iotapa. Dadurch gelangt er wieder in den Besitz der seinem General Tatianus abgenom menen Feldzeichen aus dem fehlgeschlagenen Partherfeld zug. 34 Triumph in Alexandrien, Caesarion wird wie seine Mutter „König der Könige“; Alexander-Helios wird König von Arme nien, Kleopatra-Selene, dessen Zwillingsschwester, die Kyre naika und Libyen, der kaum 2jährige Ptolemaios XV. wird zum König von Phönikien, Kilikien und Kommagene ausgeru fen. 33 Übersiedlung des Herrscherpaares nach Ephesos. Gesandt schaft der 400 Senatoren, Konflikt mit Rom. 32 Verlegung der Flotte und von Teilen des Heeres nach Ambra cia. 31 2. September: Schlacht von Actium. Agrippa schlägt die Flotte
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des Antonius, Flucht Kleopatras aus der Schlacht. 9. September: die nicht geflohenen Heeresteile kapitulieren ebenso wie die Reste der Flotte. Ende Juli: Oktavian vor Alexandria. 1. August: Beginn des Angriffs auf die Stadt. Selbsttötung des Antonius und der Kleopatra. Ägypten wird römische Provinz unter der Obergewalt des Prinzeps. Die Bürgerkriege sind abgeschlossen.
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Zitierte Werke
Quellen Appian, De Bello Civili Caesar, De Bello Civili Caesar, De Bello Alexandrino Cicero, Briefe an Atticus –, Philippicae –, De Re publica Damascus, Nikolas von, Caesar Dio Cassius, Historia Romana Diodor, Historiae Lukan, Pharsalos Plutarch, Antonius (Vitae parallelae) –, Caesar (Vitae parallelae) Properz, Carmina IV. Sueton, Caesar Tacitus, Annalen Livius, De Viris lllustribus Varro, In Augustinum de Civitate Dei
Sekundärliteratur Babelon, Jean, Les Imperatrices syriennes. Paris 1957 Benoist-Mechin, Alexandre le Grand. Lausanne 1964 Bidez, Joseph, Le Vie de L’Empereur Julien. Paris 1930 Carcopino, Jérôme, César, Paris 1950 –, Les Etapes de l’Impérialisme romain. Paris 1961 –, Passion et Politique chez les Césars. Paris 1958 –, Profils de Conquerants. Paris 1961 –, Sylla ou la Monarchie manquée. Droits régaliens et Droits Divins. Paris 1931
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Cardinali, Guiseppe, Il Regno di Pergamo. Rom 1906 (= Studi di Storia antica, Heft 5) Dacier, Notes à le traduction francaise des Vies paralleles de Plutarque. Paris 1732 Droysen, Johann Gustav, Geschichte Alexander des Großen. Paris 1935 Warde Fowler, W., Jules César. Paris 1958 Gautier, E.-F., Aloeurs et Coutumes des Musulmans. La Périod helléni stique. Paris 1959 Girschmann, Robert, Parthes et Sassanides. Paris 1962 Jouguet, L’Impérialisme macédonien el L’Hellénisation de l’Orient. Paris 1961 Mainzer, Ferdinand, L’Héritage de César. Paris 1936 Samivel, Trésors de l’Egypte. Paris/Grenoble 1955 Toynbee, Arnold, Between Oxus and Jumna. Oxford 1961; dt.: Stuttgart 1963 Walter, Gerard, César, Paris 1947; dt.: Stuttgart 1955 Weigall, Arthur, Cléopâtre, sa Vie et son Temps. Paris 1960