Peter Leukefeld
John Lennon In memoriam
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Peter Leukefeld
John Lennon In memoriam
scanned by AnyBody corrected by Yfffi
Diese sorgfältig recherchierte und mit seltenen Fotos ausgestattete Biographie bietet nicht nur eine Lebensbeschreibung des Menschen John Lennon, des Musikers, der Leitfigur einer Generation, sondern es bringt zugleich das Lebensgefühl der 60er, 70er und 80er Jahre zurück. ISBN 3-453-01352-2 1981 by Wilhelm Heyne Verlag Umschlagfoto: Ullstein, Bilderdienst, Berlin Umschlaggestaltung: Atelier Heinrichs & Schütz Innenfotos: Deutsche Presse Agentur, Frankfurt/Main
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Buch EIN LEBEN FÜR DIE MUSIK DIE EINE GANZE GENERATION VERÄNDERTE JOHN LENNON Der Beatle der Intellektuellen – Das Idol einer Generation »Ohne Yoko, das ist kein Leben. Hoffentlich sterbe ich einmal vor ihr«, hatte John Lennon in seinem letzten Interview gesagt. Wenige Stunden später war er tot – erschossen von einem Geistesgestörten. Mit ihm starb ein Mythos, der sich über zehn Jahre hinweg – seit der offiziellen Auflösung der Beatles im April 1970 – immer weiter ausgebreitet hatte. Ein Mythos, dem John Lennon stets zu entfliehen versuchte; durch Schweigen, durch Provokation, durch Meditation durch Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit. Yoko Ono, die Frau, die er 1969 heiratete und die ihm den abgöttisch geliebten Sohn Sean gebar, half ihm dabei. Mit ihr führte er einen unermüdlichen Kampf für den Frieden, bei ihr fand er Ruhe und Geborgenheit; Seine wenige Tage vor seinem Tod erschienene LP »Double/Fantasy« sollte einen Wendepunkt am Anfang der 80er Jahre markieren, sollte sein neues Erleben ausdrücken. Noch viel hätte die Welt von diesem John Lennon erwarten können – fünf Schüsse haben jede Hoffnung zerstört. Diese sorgfältig recherchierte und mit seltenen Fotos ausgestattete Biographie bietet nicht nur eine Lebensbeschreibung des Menschen John Lennon, des Musikers, der Leitfigur einer Generation, sondern es bringt zugleich das Lebensgefühl der 60er, 70er und 80er Jahre zurück.
Inhalt In memoriam ........................................................................ 5 John Lennon und Liverpool ................................................. 7 Wie Paul McCartney zu John Lennon kommt ................... 16 Wie George Harrison zu John Lennon kommt................... 22 John Lennon und Hamburg ................................................ 34 Wie Ringo Starr zu John Lennon kommt........................... 47 Der Aufstieg der Beatles .................................................... 57 Die Macht der Japanerin..................................................... 65 Wie die Beatles sich trennen .............................................. 93 John Lennons erste Frau Cynthia ..................................... 100 John Lennons Krieg mit der US–Regierung .................... 105 John Lennons Trennung von Yoko Ono .......................... 114 John Lennons Zeit der Besinnung .................................... 123 Wie John Lennon den Krieg gegen die US–Regierung gewann.............................................................................. 130 Die Zeit vor John Lennons letzter Platte .......................... 135 John Lennons Tod ............................................................ 144 Der Täter........................................................................... 150 Reaktionen auf John Lennons Tod................................... 155 John Lennons Beerdigung und Erbe ................................ 164 Das große Lexikon seiner Worte:..................................... 167 Die Erfolgssongs der Beatles ........................................... 190 John Lennons Songs......................................................... 194 John Lennon und die Filme .............................................. 199
In memoriam »Ich bin Optimist. Ich glaube an ein Leben nach dem Tode und daß der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang ist.« Das sind unbekannte Worte eines Mannes, der mit 40 Jahren keinen Grund besaß, an Sterben und Tod zu denken; Sätze von John Lennon, der alle Tiefen des Lebens auslotete, bis er die Höhe erreichte. Und der auch auf dem Gipfel, als Idol einer Generation, nicht vor den Anfechtungen gefeit war, denen ein ungewöhnlicher Mensch ausgesetzt ist. Nicht nur Alkohol und Rauschgift, sondern den nagenden Zweifeln an sich selbst, an seinem Können, der bitteren Suche nach dem Sinn des Lebens und der Schwierigkeit, sein eigenes Ich zu entdecken. Den John Lennon, den er selbst als aufrichtig, glaubhaft und wahr akzeptierte. Eine Suche nach verdeckten Gefühlen in sich selbst, die Kraft kostet. Aber er wußte: Nur wenn er diese Kraft besaß, konnte er der Welt etwas geben. Dies ist kein Buch der Glorifizierung oder Verherrlichung John Lennons, sondern ein Buch über einen der außergewöhnlichsten Menschen unserer Zeit und den außergewöhnlichsten seiner Generation. Der schier verzweifelt Texte in einer neuen, wilden Musik hinausschrie, die die Älteren provozierte, und sich dennoch bemühte, die Kluft zwischen Generationen zu überbrücken. Er hat es sich nicht leicht gemacht, dieser John Lennon. Die Angst, etwas Falsches zu tun, ein leeres Leben zu führen, für die Menschen nur Banales von sich zu geben, um es zu Geld zu machen, überdeckte oft seine Genialität und ließ ihn vor den Augen vieler anderer ›ausflippen‹, wie in jenen fünfzehn Monaten, als er von seiner Frau getrennt war und zum Schrecken der Clubs in Los Angeles wurde. Geschwächt von –5–
Exzessen, kehrte er zurück – als ein gestärkter Mensch, weil er bereit war, Gefühle zu zeigen und zu respektieren. In memoriam – das heißt ›Zur Erinnerung‹. Dieses Buch ist eine Erinnerung an John Lennon, der auf den Höhen seines Erfolges erkannte, daß nicht Reichtum und Ruhm glücklich und friedlich machen, sondern Zuneigung und Liebe, und der auf dem Wege zu dieser Erkenntnis immer gefragt wurde, wann er denn endlich Neues tun würde. »Ich bin dabei, mich selbst zu entdecken. Ich will erkennen, was an Echtem in mir steckt, und das will ich zum Vorschein bringen. Denn wie kann ich meinen Sohn erziehen, wenn ich mich selbst noch nicht richtig erzogen habe?« Das Fazit dieser Suche war, daß John Lennon sich zurückzog, um sich seinem Sohn zu widmen und seiner Frau. Und gerade, als er glaubte, wieder stark genug zu sein, um der Welt nichts Flaches, nichts Aufrührerisches, sondern das erlebte Glück einer Familie in Liedern und Texten zu schildern, traf ihn der sinnlose Tod. Auf tragische Art und Weise ging das in Erfüllung, was John Lennon sich ständig wünschte: »Ich will vor Yoko sterben. Denn wenn Yoko sterben würde, wüßte ich nicht, wie ich überleben sollte.« Das war der Wunsch eines Mannes, der nach einem kurzen Leben voller widersprüchlicher Erlebnisse begriff, daß er ohne die Liebe einer – seiner – Frau ein sinnloses Leben führen würde. Zur Erinnerung an John Lennon: Nicht nur ein genialer Musiker, ein begabter Dichter, ein Künstler ist getötet worden, sondern ein großer Mensch. »Ich glaube an ein Leben nach dem Tode«, bekannte John. Er wird in den Herzen der Menschen weiterleben, die er durch seine Begabung und sein Leben veränderte. Und denen er die Liebe zu den anderen lehrte. –6–
John Lennon und Liverpool Liverpool ist wahrlich keine Stadt, in der Genies geboren werden, Arbeiter und Millionäre schon eher. Die Straßen zum zweitgrößten Seehafen Englands sind sorgfältig für jedermann asphaltiert; sie führen direkt zu den Kais und den Schiffen, denen mancher arme oder reiche Liverpooler träumend nachblickt, der noch nie einen Fuß in eine andere Stadt gesetzt hat. Danach kehren sie zurück in die geduckten Arbeiterwohnungen, die sich an der Peripherie der Stadt befinden. Häuser mit Fenstern, dicht an dicht, in Straßen, in denen der Abfall liegt; einsame Laternen sorgen nicht für ein mildes, sondern trostloses Licht. Eine Stadt, in der Arbeiter und Millionäre geboren werden, keine Genies. Der Smog hängt über den Dächern; Dampf und Rauch von Fabriken und Schiffen vernebeln oft mehr als dreihundert Tage im Jahr die Fenster der Bediensteten der großen Kompanien. Die großen Kompanien beherrschen die Stadt. Es sind zwanzig Firmen, deren Herrscher die Wiegen ihrer Sprößlinge – ob sie erst-, zweit-, dritt- oder letztgeboren sind vergolden lassen, bevor sie geboren werden. Und wenn sie auf die Welt gekommen sind und in diesen Wiegen liegen, auf seidenen Kissen – dann sind sie bereits Millionäre, ohne einen Handschlag zu tun. Genies werden sie nie. Sie werden ebenfalls die Herrscher der Stadt. Dazu brauchen sie keine Genialität, sondern rücksichtsloses Zupacken, um den Seehandel in den Griff zu kriegen, später in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten und ähnlich honorabel wie diese Geld zu verdienen. Viel Geld. Für die Außenseiter in den ärmlichen Häusern mit dampf- und smogumhüllten Fenstern besteht keine Chance, jemals aus ihrer Umgebung herauszukommen. Sie sind, weil in Liverpool geboren, dazu verdammt, für andere zu schuften und zu arbeiten und sich mit dem schmalen Brot des –7–
Abhängigen zufriedenzugeben. Träume, Sehnsüchte werden manchmal wach. Einige versuchen, auszubrechen und in London ihr Glück zu machen. Aber weil sie dort ohne Halt sind, weil dort die Familienbindung fehlt, das ›Guten-Tag-TanteSagen‹ und ›Wiegeht’sdenn-Onkel-Joe?‹ – deswegen kehren die meisten bald wieder nach Liverpool zurück. Zum Schuften. Nicht zum Dichten, Denken – und Musizieren. So ist es eigentlich schon ein Pech für John Lennon, daß er gerade in Liverpool zur Welt kommt. Als John im Entbindungsheim in der Liverpooler Oxford Street geboren wird, sieht es in der Stadt ein wenig heller aus, aus einem grausigen Grund: Die deutsche Luftwaffe bombardiert an diesem Morgen um sechs Uhr dreißig die Hafenstadt, die Häuser stehen in Flammen, das gefräßige Feuer vertreibt an manchen Stellen Qualm und Smog und Dunst. 9. Oktober 1940, sechs Uhr dreißig. John Lennon ist geboren. Bestimmt gibt es keine Chronik, die die Geburt dieses Jungen jemals vermerkt hätte, außer dem obligatorischen Standesamt. Wer sollte auch einen Grund dazu haben, die Geburt des Sohnes eines Schiffsstewards namens Fred Lennon und seiner Mutter, der Kinoplatzanweiserin Julia Stanley, zu vermelden? Es wäre doch wohl zuviel verlangt, dieses in den Annalen der Stadt Liverpool besonders zu vermerken. Das Alltagsehepaar Lennon tauft seinen Sohn auf den Namen John Winston. Der zweite Vorname ist eine Gabe ans Vaterland. Denn zu dieser Zeit ist Winston Churchill Premierminister von Großbritannien, und er verspricht den Engländern einen schnellen Sieg über die Deutschen. Möglich, daß die Eltern gedacht haben, ihr Sohn könnte mit dem zusätzlichen Namen Winston ein wenig über Liverpool hinauswachsen. Papa Lennon tut jedoch nicht sehr viel, um den – zweiten – Vornamen seines Sohnes zu unterstützen. Er will dem Kriegsdienst entgehen und sticht von Liverpool aus auf einem ausländischen Schiff in See. –8–
Ein Mann, der nicht viel übrig hat für seinen Sohn und erst recht nicht für seine Frau. »Es ist Krieg«, schreibt er an seine Frau Julia. »Ich bin weg, und du sollst dich gut amüsieren.« Julia Lennon, geborene Stanley, bekommt einen Freibrief von ihrem Mann. Einen Freibrief, den sie sofort ausnutzt. Es muß nicht unbedingt sein, sie als eine billige Frau zu bezeichnen. Aber sie ist noch jung, und wenn ihr Mann schon einmal erlaubt hat, daß sie das tut, was sie für richtig hält – dann will sie auch tun, was sie für richtig hält. Aber da ist noch ein Hindernis. Und das ist John Winston Lennon, zum damaligen Zeitpunkt achtzehn Monate alt, der nichts von der Tragödie der Eltern ahnt, sondern bloß die Wärme und Liebe einer Mutter braucht. Auch wenn ein Baby noch nicht sagen kann ›Ich liebe dich‹, sehnt es sich danach, an ihrem Leib zu ruhen. Es kann ohne weiteres sein, daß das ein wenig kitschig klingt. Aber wer hat sich nicht schon manchmal danach gesehnt, wieder unbeschwert und ohne Sorge von der Mutter in den Armen gehalten und gewiegt zu werden, ihre Stimme zu hören, von den Sorgen des Alltags losgelöst zu sein und einem Menschen zu vertrauen, von dem er weiß, er würde alles für ihn tun? Johns Mutter aber will das tun, was der ferne Mann ihr erlaubt hatte. John stört. Eigentlich sucht Julia Lennon für ihren Sohn John nicht eine neue Mutter, sondern nur eine Stelle, wo sie ihn unterbringen kann. Sie findet sie in Mary Smith, einer damals Sechsundzwanzigjährigen, die selber zwei Töchter hat, Julia und Jacqueline. Ihr Mann heißt George. Als John sprechen kann, nennt er sie ›Tante Mimi‹. Eine Frau, die stets hochgeschlossene Kleider und zugeknöpfte Mäntel trägt, der man nicht ansieht, daß sie neben ihren Töchtern diesem kleinen ›Kuckuck‹ Lennon im Nest so viel Liebe entgegenbringt. Von ihr lernt er reden, –9–
lernt er Liverpooler Slang und versteht sich auch mit George, den er ›Onkel‹ nennt, prächtig. George und Mary Smith haben John sehr bald gesagt, daß er nicht ihr eigenes Kind sei. Aber er schaut den beiden auf die Lippen, nimmt ihre kleinen Gewohnheiten an, alles das, was ein Kind macht, wenn es bei Vater und Mutter aufwächst. Julia Lennon, die Mutter von John, ist inzwischen schon seit 1943 geschieden. Außer zwei oder drei Besuchen pro Jahr hat sie nicht viel für John übrig, auch als der Vater wieder zurückkommt. Der Krieg ist vorbei, der ehemalige Seesteward Fred Lennon schlägt sich als Sänger durch. Er steht in alten Kneipen, wo das berühmte oder berüchtigte englische Bier in großen Humpen verabreicht wird, singt und begleitet sich selbst auf dem Banjo. Ein elendes Leben, das er beenden will, als er sich entscheidet, nach Neuseeland auszuwandern und dort reich zu werden. Und was soll mit John werden? Fünf Jahre alt ist er jetzt. Soll ihn der Vater mit in die Ferne nehmen, oder soll er bei der Mutter bleiben? John muß schließlich selbst sagen, was er will. »Ich gehe mit Julia«, entscheidet er sich. Seine Mutter nimmt John wieder zu sich – allerdings nur für drei Monate. Dann zieht John, in kindlicher Erkenntnis vom Lebenswandel seiner Mutter angewidert, wieder bei Tante Mimi ein. Und Tante Mimi wird für ihn wieder zur Mutter, George wieder zum Vater. Sie haben beide Freude an ihm – so wie er sich zu Hause verhält. John ist ein liebenswertes, aufmerksames Kind, das nie Schande macht. Als er in der Dovedale Primary School eingeschult wird, bringt er sogleich die besten Noten nach Hause, ist der Liebling der Lehrer und des Schulvorstehers. Nicht nur wegen der guten Noten. Auch singen kann John. Singen mit heller und klarer, glockenreiner Stimme, daß ihn der Schulvorsteher und der Lehrer Everdale überreden, in den –10–
Kirchenchor von Sankt Peter im Liverpooler Stadtteil Woolton einzutreten. Sieben ist er nun. Die kleidungsmäßig hochgeschlossene, aber warmherzige Tante oder Mutter Mimi sieht es sehr gern, daß John in diesem Alter schon seine eigenen Bücher herstellt. Herstellen – anders kann man es nicht bezeichnen. Er schreibt in einer Geheimschrift Texte, nimmt den Bleistift zur Hand, illustriert diese Texte mit komischen Figuren, und wenn sein eigenes Talent irgendwo nicht ausreicht, dann greift er zur Schere, schneidet aus der Zeitung Bilder aus und ergänzt das Werk. Sein Text, die eigenen, etwas ungehobelten Zeichnungen und die perfekten Bilder werden zu Büchern, die ihm Spaß machen. Als ihn Tante Mimi einmal fragt, warum er das tut, sagt er: »Ich will die Geschichten noch einmal erleben, darum schreibe und zeichne ich sie für mich auf.« Tante Mimi ist zufrieden. Fast jede Woche bekommt sie eines dieser ›Bücher‹ von John geschenkt. Aber nicht die Gedichte. »Zu dieser Zeit begann ich, Gedichte zu schreiben, in einer Geheimsprache. Nur ich sollte sie verstehen können, weil ich meine ganzen Gefühle hineinpackte.« Erst viel später gibt John zu, daß er damals bereits dichtete und zugleich seiner normalen Umwelt nicht traute. Tante Mimi weiß nichts von dem Doppelleben, das John führt. Draußen, auf der Straße, auf dem Schulhof. Dort ist John nicht der Musterknabe, der seiner Tante Bücher malt, der mit einer artigen Verbeugung diese selbstgebastelten Werke überreicht. Er ist ein Anführer einer Bande, ein Kämpfer, ein Fighter, der sich prügelt, um immer der Erste und der Stärkste zu sein. Nicht im Schreiben, sondern im Kampf um die körperliche Macht. Jahre danach gesteht Lennon: »Es fiel mir schwer, zu Hause –11–
den braven Jungen zu spielen und draußen auf der Straße ein anderes Leben zu führen. Für Tante Mimi war ich der liebe Junge, artig und sensibel, den sie bemuttern wollte und konnte. Das tat einesteils gut – aber außerhalb der Wohnung spielte ich den Anführer. Ich wollte immer der Erste sein.« Tante Mimi schwärmt gegenüber anderen Verwandten: »John ist der liebenswerteste Kerl auf der Welt, er ist so ganz artig und sensibel, und er will immer von mir bemuttert werden.« Auf der anderen Seite ist er der rauhe, harte Bursche, der sich mit seinen Klassenkameraden prügelt, sie verprügelt oder der geprügelt wird. Er ist bereits – Tante Mimi würde vor Schrecken erbleichen – durch sein Durchsetzungsvermögen und seine Kraft Anführer einer berüchtigten Straßenbande, die im Vorbeigehen die Auslagen kleiner Kaufleute beklaut und sich auch nicht scheut, ein junges Mädchen, ein Kind dort zu streicheln, wo es gar nicht will. Dieser John Lennon tut immer das, was er will. Das wird sein ganzes weiteres Leben prägen. Zwölf ist John nun. Tante Mimi und Onkel George tun alles für ihn, und sie bringen ihn auf die Quarry Bank High-School. Sie ist ein wenig entfernt, im Stadtteil Allerton. John schreibt zwar keine Bücher mehr, benimmt sich aber zu Hause immer noch artig und liebenswert, und Tante Mimi wäre entsetzt gewesen, wenn sie gehört hätte, was John tut. »Ich war aggressiv, weil ich im Mittelpunkt stehen wollte. Jeder sollte das tun, was ich wollte, über meine Witze lachen und mich als Boß anerkennen. Und die einzige Möglichkeit auf diesem Wege waren Prügel. Jeder mußte überzeugt sein, daß ich der Stärkste war. Und meine Stärke konnte ich nur demonstrieren, indem ich die anderen niederknüppelte.« So John – und das tat John. Er hat soviel mit seiner Behauptung gegenüber seinen Altersgenossen, gegenüber seinen Kameraden zu tun, daß seine einstmals blendenden Zensuren rapid in die Tiefe fallen. –12–
»Ich halte John für den intelligentesten, talentiertesten Schüler meiner Klasse«, erklärt sein Klassenlehrer. »Aber er ist so faul und desinteressiert, daß ich nur sagen kann – ein hoffnungsloser Fall.« Der Lehrer mochte recht haben. Aber in dem Alter, in dem John ist, weiß man nicht, daß man lernt, um etwas zu wissen, um etwas zu können. Wahrscheinlich hat der Lehrer das vergessen, daß man sich gegenüber den anderen behaupten muß, den Gleichaltrigen, daß man zeigen muß: Ich bin der Stärkste, ich bin der Beste, der Klügste, der Witzigste. Das kostet viel Kraft auch für John. An seinem Doppelleben ändert sich auch nichts, als Onkel George 1953 stirbt. Auf der einen Seite ficht John um die Anerkennung und die Liebe von Tante Mimi, auf der anderen Seite um das Recht, der Boß zu sein, mit harter Hand anderen seinen Willen aufzuzwingen, und sei es durch Prügel. Auch Julia taucht wieder auf. Jene Julia Lennon, die John einst der Obhut seiner Tante anvertraute. Sie wird für John nie eine Mutter. »Ich habe immer so gefühlt und gedacht, als sei sie meine Schwester oder eine Freundin von mir.« Das ist Johns Einstellung zu seiner Mutter. Aber – bei dieser Schwester und Freundin kann John manchmal untertauchen, wenn er mit Tante Mimi Streit hat, die jetzt von seinem Doppelleben ein bißchen mitbekommt. Mutter Julia nimmt ihn dann zeitweilig bei sich auf. Fünfzehn ist er nun. Geübt in Auseinandersetzungen mit anderen, aber doch etwas hilflos herumtorkelnd in einer Welt, die ihm keine Freundlichkeit entgegenbringt. Außer der Musik. In England gibt es einen neuen Musikhelden, den Lonnie Donegan. Er spielt Skiffle, versucht sich erfolgreich auf Instrumenten, die leicht zu beherrschen sind. Und weit fort von jener qualmgeplagten Stadt Liverpool gelingt es Bill Haley, –13–
einem ungelernten Musiker, mit seinem Song ›Rock Around The Clock‹ die Hitparaden zu erreichen. Elvis Presley, ebenfalls einer, der aus kleinen Verhältnissen stammte, beginnt seinen Siegeszug um die Welt mit ›Heartbreak Hotel‹. Eine neue Musik ist geboren, eine Musik, die alle erfaßt, alle packt, die sie nicht erklären können und für die es bisher keine Vorbilder gibt: der Rock ’n’ Roll. Die ewig prügelnden Jungen von Liverpool beginnt eine neue Sehnsucht zu erfassen. Herauszukommen, groß zu werden, so etwas darzustellen wie eben dieser Bill Haley, Lonnie Donegan oder Elvis Presley. Die Sucht, mit Füßen und Fäusten und Köpfen, mit Stößen und Tritten und Tricks Sieger über die anderen zu bleiben, weicht dem Wunsch, die anderen mit Können, musikalischem Können, zu beherrschen. Denn der Weg ist vorgegeben: Auch einer, der nicht auf einem Konservatorium studiert hat, der keine Noten lesen kann und der kein Gesangsstudium bezahlt hat, kann etwas werden in dieser Welt. Vielleicht sogar in Liverpool. John packt dieses Fieber auch. »Du hast bisher nicht viel für mich getan«, sagt er zu seiner Mutter. Julia Lennon erwartet von ihrem erwachsen werdenden Sohn eine Schimpfkanonade, Vorwürfe oder Vorrechnung ihres Lebenswandels. Aber John will etwas ganz anderes. »Du kannst etwas tun«, schmeichelt er. »Kauf mir eine Gitarre, und bring mir das Spielen bei.« Julia Lennon, geborene Stanley, kann ja spielen, vom Tingeln mit ihrem ehemaligen Mann. Ein bißchen Schuldgefühl mag schon in dieser Frau gewesen sein, als sie noch am gleichen Tag ihrem Sohn diese Gitarre kauft – für hundertzehn Mark. Sie hält ihm die Gitarre vor, zeigt ihm, wie man sie hält, lehrt ihn die ersten Griffe. Und der Junge, der in einer Stadt geboren wurde, die Millionäre und Arbeiter, aber keine Genies und Künstler –14–
hervorbringt, kann bereits nach einer Woche das Lied ›That’ll Be The Day‹ perfekt auf der Gitarre spielen. Er kann spielen! Aber nicht nur zu Hause. Er will Anerkennung, er will auch wieder der Größte, der Beste sein – in der Musik. So gründet er mit fünf Schulfreunden am 5. März 1956 eine Band. Sie taufen sich nach dem Namen der Schule ›Quarrymen‹ . Der Grundstein für ein Jahrhundertereignis, die Beatles, ist gelegt. Vor dem Ruhm trifft John ein harter Schlag, am 15. Juli 1958. John beschreibt es: »Ich war mit meinem Stiefvater beieinander und wartete auf Julia. Da klingelte es plötzlich an der Tür. Ich ging aufmachen. ›Bist du John Lennon?‹ fragte ein Polizist. ›Ja‹, sagte ich. Ich dachte, ich hätte irgend etwas ausgefressen, und sie wären mir dahintergekommen. Aber der Polizist nickte nur und sagte: ›Es tut mir leid, deine Mutter ist gestorben‹.« Julia, auf die sie warteten, war in der Nähe von Tante Mimis Haus vor ein Auto gelaufen und auf der Stelle tot gewesen. John hatte kein sehr freundschaftliches Verhältnis zu seiner Mutter. Aber ihr Sterben stürzte ihn in tiefste Verzweiflung, die sich aber nicht in Traurigkeit oder Selbstmitleid ausdrückte, sondern anders. »Ich wurde bissig und zynisch«, meint John. »Ich war unerträglich für meine Umwelt, aber nicht, weil ich sie tyrannisieren wollte, sondern um meinen Schmerz zu verbergen.« Er drückte seinen Schmerz auch in der Musik, in seinen Texten aus. Und er wartete auf einen Freund, dem er sein Herz ausschütten, mit dem er sich zusammentun konnte. Sein Freund hieß Paul.
–15–
Wie Paul McCartney zu John Lennon kommt Paul McCartney, geboren am 18. Juni 1942 in Liverpool Paul stammt aus anderen Verhältnissen als John Lennon, dank der Tüchtigkeit seines Vaters. Vom Arbeiter, der in einem der elenden Häuser des Liverpooler Stadtteils Anfield wohnt, arbeitet er sich zum Angestellten empor und kann seiner Familie eine Wohnung in dem weitaus besseren Stadtteil Wallasey mieten. Allerdings – daß Paul McCartney auf der vornehmen Privatstation des Walton-Krankenhauses in Liverpool geboren wird, verdankt er nicht dem Reichtum seiner Eltern, sondern der Tatsache, daß Mutter Mary Patricia Oberschwester dieser Station ist. Durch den erkämpften Erfolg seines Vaters wächst Paul in einer besseren Umgebung auf als John. Er ist auch besser in der Schule und durch die Stellung seines Vaters prädestiniert, eines Tages in höhere Positionen aufzusteigen. Paul ist der Schulbeste. Seine Aufsätze sind umwerfend gut und werden stets vor der Klasse verlesen. Vater Jim McCartney träumt davon, daß eines Tages vor dem Namen seines Sohnes das ›Doktor‹ stehen wird. Paul ist ein glückliches Kind. Zwar gibt es Reibereien mit seinem Bruder Michael, der später als Mike McGear in England unabhängig von den Beatles und von seinem Bruder Karriere machte. Er wird ebenfalls Pop-Musiker. Seinerzeit, als Paul vierzehn ist, hat er so ein Vollmondgesicht, daß ihn nicht nur die Mädchen, sondern auch sein Bruder verspotten. ›Fatty‹ nennt er ihn verächtlich und bekommt für das Wort manchmal Prügel. Oder – Paul bekommt sie. Mit elf Jahren interessiert sich Paul McCartney für Musik. Es ist nicht so, daß der Drang zur ernsten Musik, die intensive –16–
Hingabe ihn plötzlich überfallen hat. Es ist wieder ein purer Zufall im Leben, daß dieser Junge ein Verhältnis zu Tönen und Oktaven bekommt. Der Onkel schenkt ihm eine alte Trompete. Und wie Kinder nun mal sind, versucht Paul, darauf zu spielen. Versucht einfach die Songs, die er im Radio hört, die Erfolgslieder von Bill Haley und Elvis Presley, die aufwühlenden und neuen Weisen des Rock ’n’ Roll nachzuspielen. Er schafft das, was ihm sein Vater beim Klavierspielen vergebens beibringen will. Beim Klavierspielen ist er nachlässig, uninteressiert, und man könnte fast sagen untalentiert. Aber die Trompete! Vier Wochen dauert es, bis Paul McCartney auf dem nicht leicht zu beherrschenden Instrument die ersten Melodien, leicht und einfach, nachzuspielen vermag. Nachdem er glaubt, jetzt dieses Instrument zu beherrschen, will er eine Gitarre haben und läßt sie sich von seinem Vater kaufen, für knapp zweihundert Mark. Der Vater ist stolz auf den Sohn, weil er so gut mit der geschenkten Trompete vom Onkel McGregor umgehen kann – und Paul McCartney ärgert sich, daß er mit der Gitarre nicht zurechtkommt. Die Griffe klappen nicht; alle Songs klingen, als wären sie irgendwo umgedreht worden. Das sind sie tatsächlich. Acht Tage braucht Paul McCartney, bis er merkt, daß die Gitarre für Rechtshänder konstruiert ist. Paul aber ist Linkshänder, und die Saiten spielen verrückt, wenn er spielen will. Auf eigene Kosten, das Geld ist vom Taschengeld gespart, läßt Paul die Gitarre umbauen. Es wäre leicht zu sagen, Paul McCartney übt auf der Gitarre. Er übt nicht. Er versucht wie ein Wahnsinniger, das Instrument zu beherrschen, und tut keinen Schritt in der Wohnung, ohne die Gitarre in den Armen zu haben, ohne zu versuchen, die aus dem Radio kommenden Rock ’n’ Roll-Klänge, die Western- und Country-Songs nachzuspielen. Er geht mit der Gitarre durch die Wohnung, bringt damit die Familie zur Raserei und nimmt das Instrument selbst auf die Toilette mit. Die Gitarre ist seine –17–
Leidenschaft – außer den Mädchen. Fünfzehn ist Paul, als er sein erstes Mädchen näher kennenlernt. Ihr Name ist Georgia. Sie liebt Paul und will alles für ihre Liebe tun. Auch das, was ein vierzehnjähriges Mädchen eigentlich nicht tun sollte. Sicherlich hätte es sie gestört, wenn sie erfahren hätte, daß Paul am anderen Tag von seinen Erlebnissen in der Schule erzählte, damit prahlte. Wie es nun einmal Jungen tun, denen das Herz so voll ist, daß sie die Zunge nicht mehr im Zaum halten können. Schlecht ist Paul inzwischen in der Schule. Seine Aufsätze werden nachlässiger, in Mathematik bekommt er die übelsten Noten; die Lehrer beklagen seine Unaufmerksamkeit während des Unterrichts. »Ganz klar«, erinnert sich Paul McCartney, »als ich die Gitarre besaß, war mir die Schule gleichgültig. Ich wollte nicht Latein lernen und kein Doktor werden, ich wollte Musiker sein.« Die Auseinandersetzungen, die es darüber mit dem nach Erfolg strebenden Vater Jim McCartney gibt, sind Legende. Weil sie täglich, fast stündlich ausgefochten werden und Vater und Sohn fast ans Ende ihrer Nervenkraft bringen. 15. Juni 1956. Ivan Vaughan, der bei John Lennons Gruppe ›The Quarrymen‹ spielt, erzählt von Lennon. »Du mußt ihn unbedingt kennenlernen – und seine Gruppe«, beschwört er Paul McCartney. »Das ist die dufteste Band, die es augenblicklich in England gibt. Und Lennon ist ein Könner.« Der Junge, der sich selbst das Gitarrespielen beibrachte, ist natürlich interessiert, einen kennenzulernen, der als Boß, als Könner gilt. Statt sich mit Mädchen rumzutreiben, geht er in die Gemeindekirche von Woolton, um sich die Gruppe anzuhören. Paul ist erstaunt. Erstaunt ob der Virtuosität, mit der John Lennon, der Chef der Gruppe daran läßt er auch nach außen hin keinen Zweifel –, die Gitarre beherrscht und in einer Gemeindekirche nie gehörte Klänge spielt. Er macht aus ein paar Akkorden – mehr beherrscht John Lennon nicht – ein –18–
Festival. Und die Klänge bringen die anglikanische Gemeinde zum Mitwiegen des Oberkörpers, zu einem bestätigenden Nicken im Takt der Musik, veranlaßt sie, die Augen zu schließen und nur der Musik zu lauschen. Paul ist begeistert. Durch die Vermittlung Ivan Vaughans kann er, nach diesem – unentgeltlichen – Auftritt der LennonGruppe in der Gemeindekirche, Boß John ein paar Griffe auf seiner Gitarre zeigen, die er selbst einstudiert hatte. John gibt sich ungeduldig. Er hört nicht höflich und aufmerksam zu. Wer war der Kerl, dem er zuhören mußte? Sie selbst waren noch nichts, diese Quarrymen. Und John Lennon war ein Junge aus einem Arbeiterviertel, mit Elvis-Presleygescheiteltem Haar, Lederjacke und einer Bierfahne, der seine eigenen Sorgen hat. »Was ist denn dein Lieblingssong?« unterbricht John Lennon Paul McCartneys Spiel. ›»Twenty Flight Rock‹ von Eddie Cochran«, ist die Antwort, die, ohne zu überlegen, kommt. Die Abneigung John Lennons gegen Paul McCartney schwindet – ein bißchen. Denn ›Twenty Flight Rock‹ ist auch sein Lieblingslied. Aber noch überlegt John Lennon, ob er Paul McCartney in die Gruppe, in seine Quarrymen, aufnehmen soll. Ein Zögern. Obwohl John Lennon überzeugt ist, daß dieser Paul McCartney gut ist, vielleicht sogar besser als er. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum es ihn Überwindung kostet, das erlösende ›Komm zu uns‹ zu Paul McCartney zu sagen. John will der Boß sein. So wie er es bei den Straßenkämpfen und Bandenkriegen war, ist er auch bei den Quarrymen der Boß. Und dieser Paul McCartney ist ein intelligenter, cleverer Junge – vor dem John Lennon nicht gerade Furcht hat, der sich aber als Führungskonkurrent entpuppen könnte. John Lennon schildert den Augenblick der ersten Begegnung. »Der Junge hatte schon Eindruck auf mich gemacht. Ich war –19–
zwar schon sechzehn und er erst vierzehn – und immerhin war ich der Boß einer Gruppe. Aber irgendwie gefiel mir Paul. Und er konnte Gitarre spielen, möglicherweise sogar besser als ich. Und darum – darum habe ich überlegt, ob ich ihn überhaupt in der Gruppe haben will. Aber Paul war einfach zu gut, um auf ihn verzichten zu können. Das überlegte ich mir. Ich mußte ihn, wenn ich ihn nahm, irgendwie in Schach halten, sonst würde er mich überflügeln. Aber ich nahm ihn.« John Lennon überwindet sich. Ein Glück für ihn, für Paul McCartney und für die Welt der Musik. Aus dem von John Lennon erwarteten Führungskampf entwickelt sich zwischen Paul McCartney und John Lennon ein erbarmungsloser und erbitterter Konkurrenzkampf, der diesmal nicht mit Fäusten, Schienbeintritten und Hüftwürfen ausgetragen wird, sondern mit der Gitarre. Paul und John wetteifern miteinander, wer die besten Songs entwickelt. ›Entwickelt‹ ist das richtige Wort. Beide komponieren zwar, aber sie können ihre Noten nicht zu Papier bringen, weil keiner von diesen beiden Noten lesen kann. Sie lassen sich Melodien einfallen, trällern Worte dazu, schreiben sie auf, behalten die Melodien im Kopf – und plötzlich ist ein Song geboren, der vor Dutzenden von Zuschauern gespielt wird. Diese Konkurrenz zwischen John Lennon und Paul McCartney schenkt den Fans die Musik der Beatles. Trotz des unausgesprochenen ›Ich will besser sein als du‹ verbindet die beiden eine Freundschaft. Eine Freundschaft, die auch John Lennon respektiert und der mit Paul McCartney nicht so umgeht wie mit den anderen Mitgliedern der Gruppe, denen er als ›Boß‹ einfach befiehlt. Mit Paul McCartney spricht er sich ab, diskutiert und ist dabei aber immer bemüht, seine Meinung und seine eigenen Werke in den Vordergrund zu stellen, weil er sie für besser hält. Er stößt auf Widerstand bei Paul. Aber beide einigen sich. –20–
Nicht zuletzt deshalb, weil beide Halbwaisen sind, weil beide ihre Mutter verloren haben. Paul verlor seine Mutter bereits am 31. Oktober 1956. Am 5. Juli 1956 war Mary Patricia McCartney beim Arzt gewesen und hatte über Schmerzen in der Brust geklagt. »Krebs«, diagnostizierte der Arzt. Sie wird operiert; zu spät, sie stirbt. Nun kommt Paul in seinem Schmerz zu John. Paul ist innerlich bereit, letzten Endes willig, sich um einer Freundschaft willen unterzuordnen. »Wenn ich mit Paul diskutierte, war er zuerst immer der Stärkere. Aber ich konnte reden, konnte ihn überzeugen. Und dann wurde Paul immer weicher. Schließlich ging er dann den Weg, den ich gehen wollte.« Das sagt John Lennon – und spielt und komponiert und textet mit Paul McCartney um die Wette. Und ein Neuer kommt dazu.
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Wie George Harrison zu John Lennon kommt George Harrison, geboren am 25. Februar 1943 in Liverpool Daß Georges Vater seinem Sohn etwas mehr bieten kann, als es normalerweise in den arbeitnehmenden Liverpooler Familien üblich ist, verdankt er seinem Job: Vater Harrison ist Busfahrer. Ein ordentlicher und – wenn auch nicht sehr gut – regelmäßig bezahlter Beruf. Als George geboren wird, wohnen die Harrisons noch im Liverpooler Stadtviertel Wavertree und können später in das hellere, lichtere Speke umziehen – weil Vater Harrison dort aufgrund seiner Stellung als Busfahrer eine große Neubauwohnung bekommt. Wie seltsam es ist! John Lennon, in ganz miesen Verhältnissen aufgewachsen, Paul McCartney in kleinbürgerlichen und George in eigentlich den ordentlichsten von den ganzen Beatles – die drei fanden unabhängig voneinander zur Musik, entwickelten sie, vertieften sich in die Musik, begannen ohne Vorkenntnisse zu komponieren. Vater Harrison hat natürlich anderes im Sinn. Er will einen ordentlichen Beruf für seinen Sohn, beileibe soll er nicht Musiker werden. Als Fünfjähriger kommt George nach Dovedale, jener Schule, in der auch John Lennon auf Wunsch seiner Tante Mimi ist. Allerdings schon drei Klassen über George; sie lernten sich dort nicht kennen. 1954 wechselt George auf das Liverpool Institute über. Und jetzt kommen wieder die Gemeinsamkeiten, die es zwischen John Lennon, Paul McCartney und George Harrison gibt: In Dovedale war George ein Musterschüler gewesen, der die Lehrer und die Eltern liebte, von dem alle etwas hielten und von –22–
dem sie viel erwarteten, wie fast alle Eltern oder jede Eltern von ihren Kindern. George gibt sich Mühe, die Erwartungen seiner Altvorderen zu erfüllen, sie nicht zu enttäuschen. Er lernt und büffelt – und merkt aber dabei, daß er eigentlich etwas anderes will. Was, weiß er noch nicht. Tatsache ist jedenfalls, daß er seine Schule haßt, die Schularbeiten vernachlässigt und die Lehrer provoziert. Nicht auf jene Art, wie es einst John Lennon getan hatte, durch das Faustrecht auf der Straße, durch Reden oder eine Keilerei vor versammelter Klasse, bei der auf die Anwesenheit des Lehrers keine Rücksicht genommen wird. George provoziert anders. Lehrer haben meist dünne Haare, und wenn sie etwas dickere haben, tragen sie sie kurzgeschnitten und trennen sie durch einen sauber geschnittenen Scheitel. Sie sind ordentlich gekleidet, mit weiten Hosen, wie es damals so üblich ist. George Harrison will das nicht. Noch ehe überhaupt die Mode der langen Haare aufkommt, trägt George Harrison die Mähne so lang, daß die Lehrer starre Augen kriegen, wenn er auch nur das Klassenzimmer betritt. Und erst seine Hosen! Sie sind eng, sie liegen so knallhart am Körper, daß es nicht nur die Mißbilligung der weiblichen Lehrkräfte hervorruft, sondern auch die Lehrer diesen George Harrison für verrückt halten. Es ist eine Provokation, die sich auf seine Noten niederschlägt: Obwohl er gar nicht so schlecht ist, wie die anderen immer meinen, bekommt er doch stets noch eine Note tiefer, weil er halt ein ›Provokateur‹ im Liverpool Institute und überhaupt in den ganzen Schulen Englands ist. Die Lehrer machen seiner Mutter und seinem Vater Vorwürfe, daß sie ihren Jungen so gekleidet herumlaufen lassen. Was keiner weiß, ist, daß George, um sich provokativ zu kleiden, seine Hosen selbst ändert. Seine Mutter würde es nicht –23–
tun. Jedesmal, wenn er neue Kleidung bekommt, setzt er sich selber an die Nähmaschine, trennt säuberlich die Nähte auf, schneidet Stücke Stoff heraus, näht die Hose wieder zusammen. Dann sehen die Hosen aus wie die vom Vater und der Mutter gekauften – nur sie sind ganz, ganz eng ... Das ist George Harrisons erstes Aneinanderrennen mit dem Establishment, ein unausgesprochener Protest gegen irgend etwas, das in der Luft liegt, das man nicht weiß – und das sich doch in Haltung, Aussehen, Haarschnitt, Kleidung ausdrückt. Georges liebstes Kind wird die Pop-Musik, die gerade aufgekommen ist. Er will selber spielen, eine Gitarre haben. Seine Mutter kauft sie ihm, heimlich, ohne dem Vater etwas zu sagen. Es ist eine alte akustische Gitarre. George will von Anfang an das Instrument perfekt beherrschen. Bei diesem Bemühen ruiniert ihn das Instrument fast, weil er mit einer solchen ungeheuren Intensität versucht, die Songs der Erfolgreichen nachzuspielen. Was für eine harte Arbeit muß es für dieses Kind gewesen sein! Die Haut schält sich von seinen Fingern, das blanke Fleisch tritt hervor, die Finger bluten. Aber George Harrison probiert weiter. Manchmal verliert er den Mut nach dem ersten schmerzhaften Griff in die Saiten. Und seine Mutter sagt dann: »Boy, wenn du etwas richtig lernen willst, kostet das Schweiß und Blut. Übe, bis du umfällst.« Harte Worte von einer Mutter, vielleicht aber auch die Erkenntnis einer Begabung, die nur durch Fleiß und Ausdauer ihrem Höhepunkt entgegenstreben kann. Ihr George übt weiter, bis er im Jahre 1955 seine erste Gruppe gründen kann, ›The Rebels‹. Ein Haufen zusammengewürfelter Musiker, die für einen Shilling, ein paar hingeworfene Pennys an Straßenecken spielen und sich glücklich schätzen würden, einen Auftritt auf einer Bühne zu bekommen. Bei den ›Rebellen‹ spielt auch Georges Bruder Peter mit; George selbst geht ab und zu zu anderen Gruppen, um als Gitarrist –24–
auszuhelfen. Am l. Juli 1956 lernt er Paul McCartney kennen, der jetzt den Quarrymen angehört. Die beiden verstehen sich, weil George sich unterordnet, Paul als den Stärkeren anerkennt, und Paul merkt, daß in diesem ›Kind‹ etwas steckt: Musikgefühl, Esprit, Ideen, die Kunst der Improvisation – alles das, was einen Musiker auszeichnet. »Den?« fragt John Lennon, als Paul McCartney seinen Freund George Harrison vorstellt. »Den will ich nicht. Wir sind doch schließlich kein Kindergarten.« Es stimmt, George Harrison ist sehr jung gegenüber John Lennon und auch gegenüber Paul McCartney, mit dem ihn eine gute, tiefe Freundschaft verbindet. Sie üben gemeinsam und sind glücklich, als sie das erstemal zusammen den Song ›Don’t You Rock Me Daddy O‹ vor John Lennon spielen können, als eine Art Aufnahmegeschenk. Paul McCartney bittet John darum, George Harrison in die Gruppe aufzunehmen. John Lennon beharrt auf seinem ›Nein‹. Fast zwei Jahre lang, bis zum 29. August 1958. Damals öffnet ein Rock-Club nach dem anderen in Liverpool; Bands mit allen möglichen Namen und allen möglichen unausgebildeten jungen Musikern bestürmen die Besitzer, ihnen eine Chance zu geben. An jenem 29. August 1958 wird im Stadtteil Heymans Green die ›Casbah‹ eröffnet. Wieder mal ein neuer Club und er braucht eine gute Band. Dutzende von Bandleaders bedrängen die Besitzerin Mona Best, ihnen und ihren Leuten diesen Job zu geben. Mona Best hört sich alle an. »Ich nehme Johnny & The Moondogs«, entscheidet sie. Was für eine Band? Niemand hat bisher etwas davon gehört. Das konnte auch keiner. John Lennon hat sich entschlossen, seiner Gruppe einen attraktiveren Namen zu geben. Statt Quarrymen nennt er sie nun Johnny & The Moondogs. Sie sind –25–
gut – aber ein Gitarrist fehlt ihnen. »Ich wüßte einen«, sagt Paul McCartney. »Der ist Klasse.« John Lennon geht sofort hoch. »Wen?« »Du kennst ihn«, antwortet Paul. »Es ist der Kleine.« Es ist schlimm für einen Menschen, wenn er einsehen muß, daß er nicht bei seiner Einstellung bleiben und seinen Willen behaupten kann – denn ›Der Kleine‹ ist niemand anderes als George Harrison. Und ihn braucht die Band jetzt. John zögert. Nur wenig. »Er soll kommen«, entscheidet er dann. So wird George Harrison Mitglied der Band. Vor den Auftritten im Club ›Casbah‹ treffen sich alle bei Georges Mutter, die immer angewidert die Nase zur Seite dreht, wenn John Lennon spricht, auch nur den Mund auftut. John hat eine Vorliebe für Bier, das er schon morgens trinkt. Die ›Fahne‹ hängt ihm vom Frühstück bis zum Schlafengehen vor dem Mund. Ohne daß der Vater, der als Busfahrer Karriere macht, etwas bemerkt, verläßt George Harrison 1959 die Schule und tritt eine Lehre als Elektriker an. Denn von der Musik kann er nicht leben, und er glaubt auch nicht daran. Genausowenig wie John Lennon daran glaubt, der jetzt ständig in Geldnöten ist und die Mütter und Väter seiner Band-Mitglieder anpumpt. Schulden, die er die ersten Jahre nicht zurückzahlt – aber dann so großzügig und mit so viel Zinsen, daß manche der Gläubiger beschämt sind. Wenn John Lennon ›Den Kleinen‹, also George Harrison, nicht mochte – einen anderen mag er sehr. Es ist der Kunststudent Stuart Sutcliffe. Stu – so nennt er ihn – hat von Musik keine Ahnung, er ist ein Maler. Und John, der sich beim Anblick eines Menschen für diesen begeistern kann oder ihn beharrlich ablehnt beide Urteile sind schwer zu revidieren –, überredet Stuart Sutcliffe, in der Gruppe mitzuwirken. –26–
Er soll den Baß spielen. »Aber ich kann doch gar nicht spielen«, erwidert Stuart. »Dann lernst du das eben, wir bringen dir das bei, wir sind alle Freunde«, erwidert John Lennon. Von den Erträgnissen seiner Bildverkäufe – sie sind wirklich winzig, und er hat viele Bilder verkaufen müssen, ehe er das Geld zusammen hat – kauft sich Stuart Sutcliffe einen Baß. Er hat Talent. Talent, nach Noten zu spielen, den Baß zu zupfen, wie es ihm die Noten vorschreiben – aber die Inspiration, jenes wilde Drauflosspielen, dieses Ineinandergreifen von verschiedenen Instrumenten, dieses Improvisieren, Eingehen auf die anderen – das fehlt ihm. Nacht für Nacht pauken ihm Paul McCartney, John Lennon und George Harrison die Griffe ein. Stuart Sutcliffe beherrscht sie bald. Aber er beherrscht sie nur. Er ist kein Genie. Aber ein Freund John Lennons. Und dafür läßt John erste große Chancen fahren. Für einen Freund und um eines Freundes willen. Die Gruppe ›Johnny & The Moondogs‹ hat sich wieder mal umbenannt. Sie heißen jetzt ›The Silver Beatles‹. John Lennon lernt Anfang 1959 den Besitzer des Clubs ›Jacaranda‹ kennen, in dem schon berühmte Gruppen spielen, in dem schon der Keim der Musik der sechziger und siebziger Jahre zu treiben beginnt. Der Mann heißt Allan Williams. Er schwingt sich zum Manager der Beatles auf, und durch seine Verbindung zu dem Londoner Konzertvermittler Larry Farnes bekommen die Beatles ihre erste Chance. »Billy Fury geht auf Tournee«, verkündet Farnes. »Er braucht eine gute Gruppe zum Begleiten.« Auch die ›Silver Beatles‹ dürfen vorspielen. John Lennon weiß: An diesem Tag können wir unser Glück machen, an diesem Tag können wir endlich dieses elende Leben, das uns nur Pfennige beschert, in die Ecke werfen. Denn Billy Fury ist ein riesengroßer Name, und wenn –27–
auf den Plakaten auftauchen würde ›begleitet von The Silver Beatles‹ – sie wären eine gemachte Gruppe. Larry Farnes hört sich die Gruppe an. »Ihr seid gut«, stellt er fest. Mißbilligend, einen Kugelschreiber aus der Tasche ziehend, deutet er auf Stuart Sutcliffe. »Der paßt nicht zu euch«, sagt er. »Der hat keinerlei Gefühl für diese Musik.« John weiß das. »Er konnte trotz aller Übung immer noch nicht richtig spielen«, gibt John zu. »Wenn wir auftraten, stand er immer mit dem Rücken zum Publikum, damit niemand sah, wie wenig er auf dem Baß konnte und wie einfach, fast primitiv, er dort spielte. Natürlich merkte es auch Larry Farnes. Er hat gesagt, wenn wir uns einen neuen Bassisten suchen würden, könnten wir sofort bei ihm anfangen. Das wäre unser riesengroßes Glück gewesen, der Durchbruch, von dem wir nie zu träumen wagten. Aber ich schwankte damals keine Minute, denn ich mochte Stu.« Die harte Frage ist gestellt; Paul McCartney und George Harrison schweigen. John Lennon zuerst auch.
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»Also, was ist?«, drängt Farnes. »Nehmt ihr einen anderen?« Und da kommt John Lennon, der Freund, zum Vorschein. Der Freund, der genausogut hassen kann, wie er lieben kann, der eine Freundschaft konsequent verfolgt und eine Feindschaft. »Nein«, sagte er zu dem mächtigen Farnes. »Entweder alle oder keiner.« Die Beatles bekommen diesen Job nicht. Dieser einflußreiche Farnes erinnert sich an diese Gruppe, als ein anderer seiner Künstler, der in England damals sehr berühmte Johnny Gentle, auf eine Schottland-Tournee geht. »Wollt ihr?« fragt er. »Wir wollen«, sagt John, »aber ...« »Ich weiß schon, ich weiß schon«, wehrt Farnes ab. »Also nehmt euren Bassisten mit.« Stuart Sutcliffe geht mit auf die Tournee nach Schottland. Und ›The Silver Beatles‹ bekommen jeder pro Abend zwanzig Mark und freie Verpflegung. Pro Mann und Nase.
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John Lennon und Hamburg Noch nie hat John Lennon die Stadt Liverpool als so trist empfunden wie Ende Juli 1960. Es ist nicht der Smog – den ist er gewöhnt. Es ist nicht der Schmutz und der Lärm – darin ist er aufgewachsen. Tristesse oder Traurigkeit werden hervorgerufen durch die Tatsache, daß es in Liverpool für die ›Beatles‹ fast keine Auftrittsmöglichkeit gibt. Es gibt mehr Rock-Gruppen als Zuhörer – und mit Mühe und Not kommt John Lennon mit seiner Band in einem Nachtclub unter. Aber dieser Nachtclub ist nicht für Musikfans gedacht und eingerichtet. Geile ältere Männer sitzen da; die Augen quellen ihnen fast aus dem Kopf, wenn sich blutjunge Mädchen auf der Bühne ausziehen und mit gekonnter Geste Büstenhalter, Slip, Strümpfe ins Publikum werfen – um sie nachher wieder einzusammeln. Sie können sich nicht dauernd ausziehen, diese Mädchen. Die Stripteasepausen, die füllen die Beatles. Eine triste, eine traurige Zeit für John Lennon und seine Beatles. Und auch Allen Williams, dem Manager, geht die ›Lückenbüßer‹ – Rolle seiner Gruppe so auf die Nerven, daß er nach Hamburg fährt. Vielleicht haben seine Jungens in Deutschland mehr Chancen, eine größere Möglichkeit, aufzusteigen? Es gibt in Hamburg damals den ›Kaiserkeller‹. Sein Besitzer heißt Bruno Koschmidder, der auch gleichzeitig das ›Indra‹ auf der Reeperbahn besitzt. Und dieses ›Indra‹ , genauso ein mieser Schuppen wie der, in dem die Beatles in Liverpool spielen, soll jetzt in ein Rock-Musik-Lokal umgewandelt werden. Allan Williams wird mit Koschmidder handelseinig. Vom 18. August an sollen die Beatles in Hamburg gastieren. Viel kann Koschmidder nicht zahlen. Aber immerhin sind es doch zweihundert Mark pro Woche für jeden der Beatles. So hat es Allan Williams im Vertrag ausgehandelt, der aber auch vorschreibt, daß ein Drummer, ein Schlagzeuger, dabei ist. –34–
Bisher haben die Beatles immer mit wechselnden Schlagzeugern gespielt. Nun brauchen sie unbedingt einen festen – und Paul McCartney erinnert sich an Pete Best, mit dem er zusammen zur Schule gegangen ist. John Lennon betrachtet Pete sehr kritisch. Die Zeit drängt jedoch, sie müssen nach Hamburg. John nimmt Pete Best. Die vier müssen sich fast nach Deutschland schmuggeln. Denn eine Arbeitserlaubnis haben sie nicht, und zudem ist George Harrison noch nicht achtzehn. Sie schaffen es. Am 17. August 1960 treffen sie in Hamburg ein – und werden von Bruno Koschmidder sofort in das ›Indra‹ geführt. »Mir blieb das Herz stehen, als ich den Club sah«, erinnert sich John später. »Dreck lag nicht nur vor der Tür, sondern überall. Und erst der Schlafraum! Eine Riesenbude voller Matratzen hinter der Kinoleinwand.« John hatte geträumt und seiner Gruppe Ruhm versprochen, den er in Deutschland ernten wollte, von einem ungeheuerlichen Aufstieg. Und nun das, allein diese demütigende Unterkunft. Hatte John sich darum mit seiner Tante Mimi angelegt? Nach langer Zeit war Johns Doppelleben an den Tag gekommen: Tante Mimi, die ihn immer noch als fleißigen Schüler auf der Schule wähnte, bekam zum erstenmal mit, daß John Lennon sich entschieden hatte, Musik zu machen, bedingungslose Musik. Und daß kein Raum für einen ordentlichen, bürgerlichen Beruf blieb. John überredet sie mit Engelszungen, daß er nun verreisen muß, um im Ausland Karriere zu machen. Tante Mimi stritt zuerst, wurde sanfter und stimmte schließlich zu. Und jetzt das, alles noch viel trüber und trister als zu Hause ... Am 18. August treten die Beatles zum erstenmal im ›Indra‹ auf. Es ist deprimierender als in Liverpool. Das ›Indra‹ war vormals auch ein Stripteaselokal. Die Herren im Parkett mit den gierigen Augen wußten mit dieser Musik, die diese jungen Leute –35–
dort vorne auf der Bühne machten, nichts anzufangen. Sie murrten zuerst, pfiffen, und schließlich trampelten sie. Aber nicht vor Begeisterung, sondern aus Unmut, weil sie ihre Art zu leben plötzlich vermißten und den Lärm, den die fünf Engländer Musik nannten, nicht hören wollten. Acht Tage dauerte der Traum John Lennons und seiner Beatles von der großen Karriere in Deutschland. Dann zogen im ›Indra‹ wieder die Mädchen mit seidener Reizwäsche ein, und die Kunden waren wieder zufrieden. Die Beatles aber wechselten in den ›Kaiserkeller‹. Im ›Kaiserkeller‹ verstand man etwas von Musik – und deshalb war wieder der Mißerfolg vorprogrammiert. Denn andere Gruppen aus Liverpool, die dort spielten, waren besser, erfolgreicher, hatten mehr Pep und mehr Pfeffer; sie spielten einfach besser. Aber nach und nach schlossen sich ein paar Hamburger Jungen und Mädchen zusammen, erklärten die Beatles zu ihrer Fankapelle und zogen in Scharen in den ›Kaiserkeller‹. »Make show!« riefen sie. »Make show!« Die fünf tobten und schrien sich auf der Bühne heiser, von abends um acht bis morgens um zwei. Ihre Stimmen versagten, die Stimmbänder streikten. Oft kam John Lennon, Paul McCartney und George Harrison nur noch ein heiseres Krächzen über die Lippen. »Es muß was geschehen«, sagt John Lennon. Und sie überlegen und sie diskutieren – und beschließen, um ihre Stimmen zu schonen und ihren Fans dennoch etwas zu geben, zu zweit oder zu dritt zu singen. Der Gruppengesang war geboren, eines der Abzeichen der Beatles, die in den späteren Jahren als die besten Chorsänger, die besten Gruppensänger der Welt galten. Aus der rauchgeschwängerten Atmosphäre eines Rock-Lokals in Hamburg heraus entwickelte sich – notwendig ein neuer Stil, ein neuer Gesang. Und niemand ahnte, daß in zwei Jahren –36–
Hunderttausende rasen würden, rasen vor Begeisterung, wenn die Beatles zusammen sangen ... Aber nun kämpfen sie noch um die Anerkennung durch ein paar Dutzend Menschen. »Wir spielten jeden Abend auf morschen Brettern und hatten furchtbare Angst, daß die Bretter unter uns nachgeben und durchbrechen könnten. Aber wir machten etwas anderes: Wir stampften mit den Füßen noch fester, bis der Bühnenboden eines, ich glaube, es waren sogar zwei riesengroße Löcher bekam. Wir dachten, jetzt würde Bruno eine neue Bühne zimmern lassen. Aber wir hatten uns verrechnet. Wir spielten mit den Löchern weiter.« So erinnert sich John Lennon an ein Ereignis dieser Zeit. Ja, und dann war da das Publikum: Einfache junge Leute, genauso einfach wie die dort oben auf der Bühne, aus den Slums von Hamburg, nicht gerade in den besten Verhältnissen aufgewachsen. Rocker nannte man sie. Und vielleicht wäre es so geblieben, vielleicht hätte die verbindende Musik der Beatles nie die Grenzen zwischen dumm und intelligent, zwischen reich und arm, alt und jung, gebildet und ungebildet überschritten, wenn sich nicht der Grafiker Klaus Voormann mit seiner Freundin Astrid Kirchherr gestritten hätte. An jenem Abend gingen sie beide allein aus, die Astrid und der Klaus. Klaus Voormann landete im ›Kaiserkeller‹ und war von den Beatles begeistert. Er erzählte Astrid inzwischen versöhnt – davon. Nur widerwillig ließ die sich überreden, mit in den ›Kaiserkeller‹ zu gehen. Beim erstenmal. Sie kam das zweite-, dritte- und viertemal – aber als Fan der Beatles. Astrid Kirchherr und Klaus Voormann zogen andere Leute in den ›Kaiserkeller‹, Studenten, für die einfach die Musik dieser Rock-Gruppen vorher nur Krach war, Lärm, den man nicht verstehen konnte, der jegliche Ahnung von Musik auf den –37–
Kopf stellte, der eigentlich jeden musikliebhabenden Menschen vor den Kopf stoßen und in die tiefsten Abgründe werfen mußte. Aber – seltsamerweise gefiel auch der Sound diesen Studenten, diesen Intelligenten und Gebildeten. Hier wurde geboren, was einen Siegeszug um die Welt antreten sollte: die verbindende Kraft der Beatles-Musik zwischen allen gesellschaftlichen Schichten. Die Beatles haben Erfolg, das erstemal. Solchen Erfolg, daß Bruno Koschmidder ihnen anbietet, über die Vertragsdauer hinaus in Hamburg zu bleiben. John Lennon sagt ja, nachdem er sich mit seinen Freunden besprochen hat. Aber – er sagt nicht ja zum ›Kaiserkeller‹, sondern zum ›Top Ten‹. Denn das Lokal gegenüber auf der anderen Straßenseite ist gepflegter, ist besser, größer. Aber obwohl sein Vertrag erfüllt wurde, ist Bruno Koschmidder mit einem Wechsel überhaupt nicht einverstanden. Bevor die Beatles in das ›Top Ten‹, dessen Besitzer Peter Eckhorn ihnen ein akzeptables Angebot macht, umziehen können, wird nachts George Harrison von der Polizei abgeholt. Weil er noch keine achtzehn ist, gilt er als ›herumstreunender Minderjähriger‹ und wird nach England abgeschoben. John Lennon weiß davon nichts, weiß nichts von der Verhaftung seines Freundes George. Ahnungslos wollen er und seine Freunde ihre Instrumente, ihre wenigen Habseligkeiten im Schlafraum hinter der Kinoleinwand einpacken. Das Licht funktioniert nicht, ein Streichholz wird gebraucht. Und ein Stückchen Tapete fängt Feuer. Sofort – wer wird die Polizei wohl gerufen haben? – werden Paul McCartney und Pete Best wegen Brandstiftung verhaftet. ›Abschiebung‹ lautet das Urteil. Die große Chance der Beatles ist abermals dahin, nur Stuart Sutcliffe war von der Gruppe übrig – und John Lennon. Zu zweit kann man weder im ›Kaiserkeller‹ noch im ›Top Ten‹ als Band auftreten. Stuart Sutcliffe ist glücklicher dran als John Lennon. Astrid –38–
Kirchherr, inzwischen in ›Stu‹, wie er genannt wird, verliebt, kauft ihm ein Flugticket. Und Sutcliffe fliegt zurück nach England. Und was ist mit John? John, dem Ausgelaugten? Der ehrlich gesteht, daß er die ganze Zeit in Hamburg nur durchgehalten hat, weil er Tabletten und Alkohol nahm, mit denen er sich aufputscht. Das Kellerkind aus Liverpool will nach oben. Und dafür ist ihm jedes Mittel recht, ob es für seinen Körper gefährlich ist oder nicht. Preludin und Alkohol – sie hielten die Beatles aufrecht. Und sie waren zwei, drei Sprossen auf der tausendsprossigen Leiter zum Erfolg in Hamburg emporgeklommen. Und jetzt war alles aus. Auch das Geld. John Lennon verkaufte seine paar Habseligkeiten, bis er genügend Geld zusammen hatte, um sich eine Fahrkarte via Amsterdam – zurück nach Liverpool zu kaufen. Dort, wo sie angefangen hatten. Und dorthin, wohin sie sich fürchteten zurückzukehren. Weil Liverpool trist und traurig war, keine Chance für John Lennon und seine Band bot. »Als ich in Liverpool aus dem Zug stieg, fühlte ich mich zum Kotzen. Alles war verloren – diese Meinung hatte ich.« So umreißt John Lennon sein Gefühl, als er mit seiner einzigen Habseligkeit, der Gitarre im Arm, von Hamburg kommend, wieder in seiner Heimatstadt eintrifft. Aber Allan Williams, der rührige Manager, hat ein Trostpflaster auf Lager: Am 27. Dezember 1960 sollen die Beatles in der Stadthalle von Litherland auftreten. Gewiß, Litherland ist nicht die Albert Hall von London – aber immerhin ein sehr großzügig bevölkerter Vorort. John Lennon trommelt seine Band zusammen. Und zum erstenmal erklingen, hier in Litherland, Rhythmen, die zumindest die Kunstkritiker der Liverpooler Tageszeitungen zu Lob und manchmal auch zu enthusiastischer Einschätzung hinreißen. Aber – was nutzt einmal Litherland ... –39–
Die nächsten Monate muß John mit seiner Band tingeln, zum Beispiel in der ›Casbah‹. Aber ein großes Fanpublikum zieht immer mit ihnen; der Club ›Casbah‹ wird wirklich zu eng, zu schmal, um all die Fans der Beatles aufzunehmen, die sich zu ihren Auftritten drängen. Der ›Cavern Club‹ ist größer – nur das Publikum anders. Es steht auf Jazz, es lebt für den Jazz, die wollen Jazz hören – und da kommen plötzlich ein paar Verrückte, die auf der Bühne herumtoben, so wie sie es in Hamburg entwickelt und gelernt hatten, und glauben, gut zu sein. Beim Liverpooler Publikum kommen sie nicht an. Auch die Songs, die vorwiegend John Lennon komponiert – sie fallen schlicht und ergreifend durch. Ist es da verwunderlich, daß sich die Beatles wieder nach Hamburg sehnen, wo sie schon jemand waren, wo sich zumindest zwei Musikschuppen, der ›Kaiserkeller‹ und das ›Top Ten‹, darum streiten, sie zu engagieren? Sie wollen ins ›Top Ten‹. Manager Allan bereitet alles vor. Ein mühsamer Schreibkram, den er absolvieren muß: An die deutsche Botschaft schreiben, erklären, daß das mit der Brandstiftung in Hamburg ein Irrtum gewesen sei; George Harrison sei inzwischen achtzehn Jahre alt. Seine Leute wollen eine echte Arbeitserlaubnis haben, richtig Steuern zahlen. Ein Schreibkram, den keiner von den Beatles, wie sie jetzt bestanden, fertiggebracht hätte. Allan Williams schafft es. Die Erlaubnis wird erteilt. Im April 1961 kamen die Beatles wieder nach Hamburg. Ins ›Top Ten‹. Ein Freund von ihnen, Tony Sheridan, hatte einen Plattenvertrag bekommen. Der Deutsche Bert Kaempfert hatte sich für ihn stark gemacht, und der berühmte Tony hatte gesagt: »Als Begleitgruppe nehme ich die Beatles.« Die Beatles? Wer war das? Die Schallplattenfirma ist nicht –40–
begeistert. Es kostet einige Überredungskunst, bis John Lennon, George Harrison, Paul McCartney, Pete Best und Stuart Sutcliffe ins Studio einziehen konnten. John mit einem eigens komponierten Song. ›My Bonnie‹ heißt die Single. John Lennon bekommt das erstemal eine Chance, als Komponist und auch als Sänger. Zusammen mit George komponiert er für die Platte den Song ›Cry For A Shadow‹, und John Lennon singt ›Ain’t She Sweet‹. Eine Platte, die aber nicht in ihrer Heimat, in England, in Liverpool veröffentlicht wurde, sondern in Deutschland. Und die heute, in einer Zeit, in der jedermann weiß, wer die Beatles sind, was John Lennon war und was er für die Verständigung der Menschen untereinander bedeutet – die heute das einzige akustische Dokument ist, welches aus jener wilden Hamburger Zeit existiert. ›My Bonnie‹ lief in Deutschland – und an den Grenzen war Schluß, die Platte wurde nicht nach England oder Holland verkauft. Aber irgendwie sprach sie sich rum. Davon wußten die Beatles nichts, als sie noch Nacht für Nacht im ›Top Ten‹ von abends um acht bis morgens um zwei Uhr – und Samstags wurde es sogar drei und vier Uhr – spielen und singen mußten. Wieder war es Preludin, das John Lennon einkaufte und das er seinen Mitspielern gab, um sie wach zu halten, aufrecht zu halten, fit zu machen für die große Karriere, die nach Meinung von John Lennon vor ihnen lag. Trotzdem sind es ausgelaugte Musiker, die auf der Bühne stehen. »Wir waren einfach oft zu müde, um auch nur die Gitarre halten zu können.« So erklärt es John Lennon. Sie tanzten, hüpften, schrien zum Entzücken des Publikums, entwickelten ihren Chorgesang, ihren Gruppengesang weiter – und waren müde, aber gepeitscht von John, der den Erfolg erkämpfen will. –41–
Damals trugen sie noch die Haarfrisur, die Mode war: eng angeklatscht, vielleicht einen kleinen Entenschwanz hinten und eine Tolle vorne. Astrid Kirchherr kam die Idee, den Beatles, zumindest ihrem Beatle, Stuart Sutcliffe, eine andere Frisur zu verpassen. Astrid, inzwischen sehr, sehr verliebt in Stuart Sutcliffe, kämmt dessen Haare nach unten, in die Stirn, schneidet sie gleichmäßig – und es entsteht der Pilzkopf. »He, Boy, was willst du denn damit?« John Lennon will sich fast ausschütten vor Lachen, als Stuart Sutcliffe das erstemal mit einer solchen Frisur daherkommt. »Ich möchte doch nicht aussehen wie ein Mädchen«, wehrt sich John Lennon energisch gegen Astrid Kirchherrs Idee, allen als Markenzeichen eine solche Frisur zu schneiden. Die anderen ziehen auch nicht mit. Am ersten Abend, am zweiten Abend. Am dritten Abend erscheint George Harrison mit genau der gleichen Frisur. Und am vierten Pete Best und Paul – und John. Der Hamburger Erfolg macht John Lennon auf die Beatles ein bißchen stolz. Sie sind optimistisch, als sie im Juli 1961 abfahren – aber nur zu viert. ›Stu‹ Sutcliffe hat in langen Gesprächen mit Astrid Kirchherr festgestellt, daß er sich doch besser zum Maler eignet als zum Musiker. Er will in Hamburg bleiben. So fahren nur vier zurück nach Liverpool. Die Gitarristen John Lennon und George Harrison, Pete Best, der das Schlagzeug nicht schlecht, aber doch nur recht bedient, und Paul McCartney, der anstelle von ›Stu‹ jetzt den Baß spielen soll. In Deutschland sind die Beatles ›wer‹. Nachdem die Platte ›My Bonnie‹ – wenn auch nur für kurze Zeit – auf den Hitlisten erscheint, nehmen die Menschen die Beatles zur Kenntnis; manche mögen sie sogar. Wird die Rückkehr nach Liverpool wieder so deprimierend sein? Die Gruppe kommt zurück und tritt abermals im ›Cavern –42–
Club‹ auf. Der Erfolg von Hamburg hat sich natürlich nicht herumgesprochen – die Platte wird ja nur in Deutschland verkauft. Aber in ihrer Heimatstadt wirkt die Musik, jetzt wirkt das Stakkato, der in Hamburg entwickelte Stil, um eine Menge Fans in den ›Cavern Club‹ zu ziehen. Jeden Abend sind die Räume überfüllt – und draußen stehen Türordner, die Hunderte von Fans abweisen müssen. Von der Platte weiß natürlich niemand etwas – wenn auch John Lennon außerordentlich geschickt Mundpropaganda macht. Plötzlich geschieht das Wunder, in einem Schallplattenladen von Liverpool, Besitzer Brian Epstein. Am 28. Oktober betritt ein junger, schmalzgelockter Mann den Laden und fragt: »Haben Sie denn die Platte ›My Bonnie‹ von den Beatles vorrätig?« Brian Epstein, der junge, erfolgreiche Geschäftsmann, hebt die Schultern. »Nie gehört«, gibt er offen zu. Es wurmt ihn, daß er, in dessen Geschäftsanzeigen steht ›Bei Brian Epstein bekommen Sie jede Platte, die Sie wünschen‹ , daß er von ›My Bonnie‹ nichts weiß. Von seinen Verkäuferinnen erfährt er, daß diese Beatles im ›Cavern Club‹ auftreten. Deshalb geht er am 9. November 1961 in diesen Club und er ist ein wenig erschrocken über diese ungepflegten vier Typen, die da lauthals schreiend und swingend auf der Bühne stehen. Sauber sind sie nicht, die vier Beatles – aber sie machen eine umwerfende Musik. Brian Epstein glaubt, daß er die Platte ›My Bonnie‹ verkaufen kann. Er bestellt 200 Stück davon – in Hamburg. Und er bringt sie innerhalb von vier Tagen unter die Leute, in Liverpool. Brian Epstein, der Geschäftsmann, riecht Geld, riecht Erfolg. »Wer ist denn der Manager eurer Gruppe?« fragt er John Lennon. –43–
John, wie üblich, ein bißchen angedudelt, grinst und sagt: »Alle und keiner.« Erst nach einigen Drinks erfährt Brian Epstein, daß der vorherige Manager das Handtuch geworfen hat: Zu wenig Geld ist bei diesen Jungens drin, und er kann seine Zeit nicht für 100 oder 150 Mark pro Woche verschwenden. »Ich würde euch managen«, schlägt Brian Epstein vor. Sie treffen sich zu einer Besprechung am 3. Dezember 1961. Brian Epstein nennt seine Bedingungen: »25 Prozent vom Verdienst.« »Du bist ja verrückt«, fährt ihn John Lennon an. »Ein Viertel von allem, was wir einspielen! Ich glaube wirklich, du spinnst.« Brian Epstein aber glaubt nicht, daß er spinnt, er glaubt, daß selbst nach Abzug seines Viertels noch genügend für eine gute, eine erfolgversprechende Gruppe übrigbleibt. Und um 16.30 Uhr an jenem 3. Dezember 1961 unterschreiben drei Beatles den Vertrag. Nicht Paul McCartney; er ist beim Baden. Brian Epstein gründet eine neue Firma, die ›NemsEnterprise‹. Eine Künstleragentur, die sich in den späteren Jahren so entwickelt, daß fast alle Stars bei ihm unter Vertrag sind. Aber vorläufig will und muß er für die Beatles etwas tun. Hamburg. Dieses Wort ist für Brian Epstein ein magischer Anziehungspunkt, ein Faden aus einem Knäuel, den man zu einem Erfolg verstricken kann. Brian Epstein reist nach Hamburg, nach Deutschland, wo die Beatles bereits auf der Hitliste gestanden haben. Er verhandelt mit einem neuen Mann. Manfred Weisleder, der in der Großen Freiheit den ›Star-Club‹ aufgemacht hat. Eine harte Verhandlung – aber schließlich bekommt jeder von den Beatles vierhundert Mark pro Woche. Die vier treffen am 11. April 1962 in Hamburg ein. Einen Tag zu spät, um noch einen alten Freund zu sehen: Stu Sutcliffe ist am Tag vorher gestorben, an einem Gehirntumor. –44–
Die Beatles sind wieder in Hamburg. Und in England, in London, wirkt Brian Epstein hinter den Kulissen: Er setzt sich mit dem mächtigen Schallplattenkonzern EMI in Verbindung und – anders kann man es wirklich nicht ausdrücken – bequasselt dessen Manager George Martin, den Beatles eine Chance zu geben. Sie brauchen eine. Denn schon einmal haben sie ja bei der Decca, einer Plattenfirma in London, vorgespielt und gewartet, erfolgshungrig. John war jeden Tag als erstes zum Briefkasten gegangen, um zu sehen, ob vielleicht eine Nachricht da wäre: ›Wir produzieren eine Platte miteinander.‹ Aber erst nach drei Wochen kommt die Nachricht: ›Die Zeit der Gitarristen ist vorbei, kein Bedarf an den Beatles.‹ Brian Epstein kriegt schließlich George Martin, den Produzenten des Londoner Musikfolk-Konzerns EMI, rum. Am 5. Juni 1962 kommen die Beatles von Hamburg zurück. Am 6. sind sie im Studio. Und sie spielen George Martin, dem graumelierten Mann mit dem gelangweilten Gesicht, ihre selbstkomponierten Lieder vor: ›Hello Little Girl‹, ›PS I Love You‹, ›Ask Me Why‹ und ›Love Me Do‹. Wieder eine Zeit des Wartens. Wird es noch einmal so ausgehen wie bei der Decca? Würden die großen Manager der Plattenindustrie wieder gelangweilt und nicht interessiert sagen: »Ihre Songs sind nicht ›in‹«? Die Existenzsorgen beginnen wieder: Der ›Cavern Club‹ ist von konkurrierenden Gruppen belegt, und andere Clubs wollen die in Liverpool unbekannten Beatles nicht. John Lennon rennt sich die Hacken ab, um ein Engagement für die Beatles zu bekommen. Und immer im Herzen die bange Frage: ›Wird das mit einer Platte in England klappen?‹ Es wird Ende Juni, es wird Mitte Juli. Am 26. Juli 1962 kommt die Nachricht: ›Sie können mit der EMI einen Plattenvertrag unterschreiben.‹ –45–
Die Beatles jubeln. EMI – das bedeutet Bekanntsein, das bedeutet Sprossen auf dem Weg zum Erfolg. Nur – einer wird nicht dabeisein. Es ist der Schlagzeuger Pete Best. »Der hat mich nicht überzeugt«, hat George Martin Brian Epstein am Telefon gesagt. Brian Epstein sagt es John. Und John Lennon schweigt gegenüber Pete Best, als die Gruppe bereits für neue Songs probt. Sie haben einen anderen Schlagzeuger gefunden, einen Fanatiker, einen besseren. Starkey heißt er mit dem Zunamen, Richard mit dem Vornamen. Aber diesen Namen wird kaum einer kennen. Denn bald darauf wird sich Richard Starkey in Ringo Starr umbenennen.
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Wie Ringo Starr zu John Lennon kommt Ringo Starr, geboren am 7. Juli 1940 in Liverpool ›Krank‹ – das ist das meistgebrauchte Wort in der Jugend Richard Starkeys, der sich einmal Ringo Starr nennen wird. Krank ist schon die Gegend, in der er geboren wird: Sie heißt Dingle, liegt direkt am Liverpooler Hafen und ist so verfallen, daß sich oft Besucher weigern, die Häuser zu betreten. Und wer dort alles lebt! Wenn jemand in einem normalen Liverpooler Arbeiterviertel sagt ›Ich komme aus Dingle‹ , dann werden die Mienen eisig und die Türen geschlossen. Dingle – das ist der kranke Stadtteil, in dem Ringo Starr geboren wird. In eine kranke Familie hinein, in der der Vater schon fremdgeht, als Ringo noch gar nicht auf der Welt ist. Scheidung der Eltern und weniger Sorge für Ringo. Seine Mutter ist nie da, sie muß arbeiten gehen, um den Unterhalt für ihren Sohn und sich zu verdienen, weil der Vater partout nicht zahlen will. Da bleibt einfach keine Zeit, sich um das Kind zu kümmern. Selbst die Wohnung in Dingle kann die Mutter nicht halten, sie ziehen um nach Admiral Grove. Ein stolzes Wort, eine stolze Bezeichnung, aber Admiral Grove in Liverpool rangiert noch zwei Stufen unter Dingle ... Wenn die Umgebung, wenn die Familie krank ist, werden auch die Kinder krank. Im September 1946 kommt Ringo ins Krankenhaus von Liverpool. Er öffnet die Augen nicht, als ihn die Ärzte untersuchen, sein Körper wird an Schläuche und Leitungen angeschlossen. Der Sechsjährige erwacht zehn Wochen nicht aus einer tiefen Bewußtlosigkeit, deren
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Grund ein zu spät erkannter Blinddarmdurchbruch ist. Weil in Dingle und in Admiral Grove Bauchschmerzen normal sind und man nicht wegen jedem Wehwehchen zum Arzt rennt. Zehn Wochen Bewußtlosigkeit und danach ständiges Kränkeln: Die Schule wird zur Sklaverei für Ringo, er kommt nicht mit und kann mit zehn Jahren weder lesen noch schreiben. –51–
Wer sich krank fühlt, mag die Schule mit ihren starken Schülern, ihren autoritären Lehrern und ihren hohen Anforderungen nicht. Ringo schwänzt die Schule mehr, als es ein normaler Schüler tut. Das Verhältnis zu seiner Mutter ist nicht besonders gut. Als sie 1953 zum zweitenmal heiratet, wird es noch kälter. Großmutter und Nachbarn ziehen Ringo auf, und er bekommt ganz, ganz selten, einmal in vier Monaten, Besuch, als er wieder im Krankenhaus liegt. ›Krank‹ – mit diesem Wort ist Ringo aufgewachsen. Diesmal sind es zwei, zwei ganz lange Jahre, die Ringo im Krankenhaus verbringt. Er hat zuerst eine Rippenfellentzündung bekommen, danach eine Lungenentzündung. Aber so ein bißchen Husten in Liverpool – das kostet wieder Geld, wenn man zum Arzt geht. Sein Leben hängt oft an einem seidenen Faden, obwohl sich die Ärzte alle Mühe geben. Er beschäftigt sich im Krankenhaus ein wenig mit Dingen, die einem die Zeit vertreiben. Er bastelt, manchmal Weihnachtssterne. Er strickt. Einen Schal – für sich selbst. Und zeichnet. Häuser mit großen, weit offenen Toren, mit Türmen, vielen Fenstern, in Parks stehend, der Traum des Richard Starkey aus dem Stadtteil Dingle. Aber – lesen und rechnen kann Ringo noch immer nicht recht. Als er in die Schule kommt – die Schulzeit ist inzwischen um – und sein Zeugnis abholen will, muß er von Pontius zu Pilatus laufen, weil niemand den Namen Richard Starkey kennt. Er ist so oft krank gewesen, hat so oft gefehlt, daß kein Lehrer sich erinnert, jemals einen Schüler dieses Namens auf der Schule gehabt zu haben. Dennoch: Ringo, damals noch Richard, muß leben. Er arbeitet als Hilfsarbeiter, will aber mehr aus seinem Leben machen. Als letzte Chance wird ihm in einer Schlosserei eine Lehrstelle offeriert. Ringo nimmt sie an und glaubt, daß er es jetzt endlich packen muß, daß er seinem Leben einen anderen Dreh geben muß. Er besucht die Abendkurse des Riverdale Technical Colleges, um die Schule nachzuholen, um, wie die Lehrer so –52–
schön sagen, ›gerüstet für das Leben‹ zu sein. Als er 17 Jahre alt ist, hört er das erstemal die neuentstandene wilde Musik. Die Rock-Musik gefällt ihm. Es ist ein unheimlicher Glücksfall, daß sein Vater gerade wieder über Geld verfügt. Er läßt sich erweichen und kauft Ringo ein Schlagzeug. Das interessiert ihn. Was Ringo in der Schule und im Riverdale Technical College nicht machen will – vielleicht hat er keine Lust, vielleicht spürt er, daß er etwas anderes machen kann, etwas anderes machen soll –, das, was er in der Schule und im Riverdale Technical College nicht machte, das tut er nun: Ein Besessener will das Schlagzeug beherrschen. Aus den zuerst ganz falschen Rhythmen werden weniger falsche, und schließlich ist Ringo so weit, daß er von sich sagen kann: Ich habe was gelernt. Und wenn es nur Schlagzeug ist. Er ist so gut, daß er Anschluß an eine Amateurgruppe findet. Von einer Amateurgruppe geht es zur anderen, bis endlich, endlich die seinerzeit berühmte ›Rory Storm Band‹ das Talent des Jungen aus Dingle entdeckt. ›Rory Storm‹ ist eine Gruppe von vielen in Liverpool, aber weniger unbekannt als all die anderen, die dort mit der herausfordernden Musik aus dem Boden schießen. Ringo Starr wird der Schlagzeuger dieser Gruppe, deren erster großer Auftrag von der Firma Batlin kommt. Die Firma besitzt eine Reihe von Campingplätzen. Und um die Camper mit ihren Wagen auf ihre Plätze zu locken, läßt die Firma im Areal RockMusik spielen. ›Rory Storm‹ spielt ein halbes Jahr, eine Sommersaison lang, auf den Plätzen und wird anschließend nach Frankreich verpflichtet. Die Amerikaner, die dort ihre Stützpunkte haben, wollen diese unübliche Musik hören. ›Rory Storm‹ reist nach diesem Gastspiel nach Hamburg. Hier haben sich die Beatles gerade im ›Kaiserkeller‹ einen kleinen –53–
Namen gemacht. Noch nicht sehr groß – aber Kenner der Szene wissen, wer die Beatles sind. Oft, wenn die Beatles üben, ist Ringo Starr dabei. Und manchmal überläßt ihm Pete Best auch das Schlagzeug. Und John Lennon, der in dieser Zeit sehr schweigsam ist, beobachtet den jungen besessenen, kränklichen Mann, der wie ein Wilder das Schlagzeug bearbeitet, mit raschen Seitenblicken nach rechts und links sich mit seinen Mitspielern verständigt – und bei dem geringsten falschen Klang sofort korrigiert, überspielt, sich einfügt, einordnet –, und, was für John Lennon wichtig ist, sich ihm auch unterordnet. ›Rory Storm‹ kehrt nach Liverpool zurück, die Episode mit den Beatles in Hamburg ist vorbei. Nun sieht es aus, als würde das erstemal für den Jungen Ringo, aus einer kranken Gegend stammend und einer kranken Familie, der selbst so oft krank war, das Glück lächeln. »Du kannst Schlagzeuger bei mir werden«, bietet ihm Tony Sheridan einen Job. Was muß das für ein Traumjob für diesen Ringo Starr, wie er sich jetzt nennt – den Namen Richard Starkey hat er abgelegt –, was muß das für ein Traumjob sein! Tony Sheridan ist berühmt. »Du bekommst natürlich einen Wagen und zweihundert Mark pro Woche«, erklärt Tony. Zweihundert Mark pro Woche. Soviel hat Ringo Starr bisher selten in einem Monat gesehen. Aber was ist es? Ist es die Ahnung, daß er, der Kleine aus dem verrufenen Stadtteil, zu größerem berufen ist? Ist es die Ahnung, daß seine Stelle als Schlagzeuger bei Tony Sheridan nicht die Endstation sein soll? »Ich möchte nicht«, sagt Ringo Starr. Er fährt zurück nach Liverpool. Da er Geld braucht, um sein winziges Zimmer zu bezahlen, will er gerade wieder zu ›Rory Storm‹ zurück, als er auf der Straße John Lennon trifft. »Hey«, sagt John. –54–
»Hey.« Die beiden schauen sich in die Augen. »Hast du Lust?« »Zu was?« »Schlagzeuger bei uns zu werden.« Die Beatles, nach den Hamburger Auftritten waren sie etwas, gewiß. Noch nicht so viel wie Tony Sheridan. Aber Ringo Starr hat mehr Vertrauen zu den Beatles, hat mehr Vertrauen zu diesem kühl blickenden John Lennon, der sich oft als Boß aufspielt – aber der etwas kann, der arbeitet wie ein Wilder, der Songs komponiert und entwickelt, die Gruppe zusammenhält und strampelt, um auf dem Weg nach oben zu bleiben. Ringo Starr wird der Drummer der Beatles. Und er hat es in erster Zeit nicht leicht: Wieder muß er acht Stunden am Tag üben, er muß seine Frisur ändern, und er muß mit den Fans von Pete Best kämpfen, die ihn ›häßlicher Vogel‹ schimpfen, die demonstrieren. Und die sich nicht scheuen, mit Steinen auf Ringo zu werfen und auch George Harrison verprügeln. Aber es läuft. Ringo Starr ordnet sich ein, er ergänzt die Gruppe. Und er ist es, der am 11. September 1962 bei der ersten Plattenaufnahme der Beatles in London dabei ist. Der Manager George Martin hat aus der Liste vieler fertiger Songs, vieler Neuentwicklungen der Beatles nur zwei für die Plattenaufnahmen ausgewählt: ›Love Me Do‹ und ›PS I Love You‹. Ringo Starr schlägt das Herz bis zum Hals, als er das erstemal in seinem Leben ein Plattenstudio betritt. Es fängt noch stärker an zu schlagen, und Ringo Starrs Hände beginnen zu zittern, als er auf das Schlagzeug schaut: Dort sitzt ein anderer ... Um kein Risiko einzugehen – die Plattenfirma hatte gehört, daß die Beatles über einen neuen Schlagzeuger verfügen – um kein Risiko einzugehen, verpflichteten sie Andy White, einen erfahrenen Schallplattenmusiker. Und Ringo Starr steht dabei. Er darf ein bißchen auf dem Tamburin klimpern, während Andy White gekonnt, aber ohne Ekstase das Schlagzeug bearbeitet. –55–
»Ich habe den ganzen Rummel hier satt, ich will spielen und nicht herumstehen«, murrt Ringo Starr John Lennon an. John weiß um die Chance, die sie mit ihrer Platte haben. »Bleib hier!« befiehlt er. »Bleib hier! Und ich verspreche dir, du wirst zu unserer Gruppe gehören, es wird nie wieder einer am Schlagzeug sitzen, wenn wir spielen – außer dir.« John sagt es beschwörend, und er hält Ringo Starr im Studio. Die Platte ›Love Me Do‹ wird am 4. Oktober 1962 in England veröffentlicht. Und das erstemal glückt den Beatles ein Erfolg. Vom 49. auf den 29. und bis zum 17. Platz klettert ›Love Me Do‹. Jetzt sind auch die Diskjockeys in den Rundfunkanstalten gezwungen, die Platte zu spielen. Doch sie kommen mit dieser Musik nicht zurecht. Sie klassifizieren sie als ›Twist‹, einige andere als ›Liverpooler Rock‹. Am 26. November nehmen die Beatles im Studio die Platte ›Please Please Me‹ auf. Und John Lennon hat sein Versprechen gehalten: Nicht Andy White oder irgendein anderer Studiomusiker sitzt am Schlagzeug – sondern Ringo Starr. Ringo macht es gut. Und John hat richtig ausgewählt: Am 12. Januar 1963 kommt die Platte auf den Markt, am 3. Februar taucht sie zum erstenmal in den Hitparaden auf und klettert an allen anderen vorbei nach oben, nach oben, nach oben, bleibt kurz vor der Spitze stehen: auf Platz Nummer 2. Aus den Beatles ist etwas geworden.
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Der Aufstieg der Beatles Was nun folgt, ist ein Erfolg, von dem niemand – auch John Lennon nicht – zu träumen wagt. Es ist der Aufstieg vierer Liverpooler Boys zur Spitze des Ruhms. Und er deutet sich mit einer Fernsehsendung am Ende des Jahres 1962 an: Im November geben sie ihr Fernsehdebüt in ›People and Places‹. Im Dezember geben sie ihr fünftes und letztes Gastspiel in Hamburg. Am 12. Januar 1963 erscheint ihre Platte ›Please Please Me‹. Sie wird Nr. 2 der englischen Hitparade und mit einer ›silbernen Schallplatte‹ ausgezeichnet. Im Februar 1963 starten die Beatles mit Helen Shapiro ihre erste große England-Tournee. Im März folgt eine EnglandTournee mit Tommy Roe und Chris Montez. Am 11. April erscheint die Single ›From Me To You‹ . Sie wird ebenfalls Spitzenreiter der Hitparade und mit einer ›Silbernen‹ ausgezeichnet. Die LP ›Please Please Me‹ behauptet sechs Monate lang den Platz 1 in den LP-Charts. Im Mai und Juni sind die Beatles die Stars einer EnglandTournee mit Roy Orbison und ›Gerry and the Pacemakers‹. Zum erstenmal werden Eintrittskarten für Beatles-Auftritte zu Schwarzmarktpreisen gehandelt. Am 23. August erscheint die Single ›She Loves You‹. Sie wird Nr. 1 und mit einer ›Goldenen‹ prämiiert. Im Oktober 1963 gastieren die Beatles zum erstenmal in Schweden. Am 29. November erscheint ihre Single ›I Want To Hold Your Hand‹. Sie wird Nr. 1 und mit einer ›Silbernen‹ ausgezeichnet. Im Januar 1964 gastieren die Beatles drei Wochen lang im Pariser ›Olympia‹. Im Februar besuchen sie die USA. Zweimal –57–
treten sie in der ›Ed Sullivan Show‹ der CBS-TV auf, geben Konzerte im ›Colliseum‹ von Washington und in der New Yorker Carnegie Hall. ›Can’t Buy Me Love‹ wird wieder Nr. 1, erhält die ›silberne Schallplatte‹ und eine ›Grammy‹ – Auszeichnung aus den USA. Auch die gleichnamige LP wird ein absoluter Bestseller. Am 23. März 1964, drei Tage nachdem die Single ›Can’t Buy Me Love‹ erschienen ist, kommt John Lennons erstes Buch ›In His Own Write‹ (›In seiner eigenen Schreibe‹) heraus. Auch das Buch wird ein Welterfolg. Im Juni geben die Beatles Gastspiele in Dänemark, Hongkong, Australien und Neuseeland. Am 6. Juli findet im Londoner Pavillon die königliche Premiere des ersten BeatlesFilms ›A Hard Day’s Night‹ (Regie: Richard Lester) statt. Am 10. Juli erscheint die Single ›A Hard Day’s Night‹, sie wird Nr. 1 und erhält eine ›Silberne‹. Auch die gleichnamige LP wird ein Bestseller. Im August beginnen die Beatles eine Fünfwochentournee durch die USA und Kanada. Mit der Single ›I Feel Fine‹, die am 27. November 1964 herauskommt, erobern sie wieder den Spitzenplatz der Hitparaden. Ihre neue LP heißt ›Beatles For Sale‹. Im Februar und März 1965 beginnen die Beatles auf den Bahamas und in Österreich mit den Dreharbeiten zu ihrem zweiten Film ›Help‹. Die Single ›Ticket To Ride‹, die am 9. April erscheint, wird auf Anhieb Spitzenreiter der Hitparaden und mit einer ›Silbernen‹ ausgezeichnet. Im Juni und Juli gastieren die Beatles in Frankreich, Italien und Spanien. Im Juni wird auch John Lennons zweites Buch ›A Spaniard In The Works‹ veröffentlicht. Im Juli erlebt der zweite Beatles-Film ›Help‹ die Premiere im Londoner Pavillon. Eine Woche zuvor ist die Single ›Help‹ –58–
erschienen. Kurz darauf wird auch die LP ›Help‹ veröffentlicht. Am 13. August fliegen die Beatles erneut in die USA. Sie beginnen ihre Tournee mit einem Auftritt bei Ed Sullivan im Fernsehen und einem Konzert im Shea Stadium von New York vor 55 000 Zuhörern. In diesem Jahr gewinnen John Lennon und Paul McCartney fünf Ivor-Novello-Medaillen, die in England jedes Jahr den Komponisten der meistgespielten und verkauften Pop-Melodien sowie für die ›Outstanding Themes‹ bei Funk, Fernsehen und Film verliehen werden. Nach verschiedenen Orden, die ihnen vom ›Variete-Club‹ verliehen und meistens von ›Beatle-Fan‹ Harold Wilson persönlich überreicht wurden, erhielten die Beatles am 26. Oktober 1965 im Buckinghampalast von Königin Elizabeth II. den MBE-Orden (fünfter Klasse zivil). Im Dezember 1965 erscheint die Single ›Day Tripper‹/›We Can Work It Out‹ und wird sofort wieder Hitparadenspitzenreiter. Die Anzahl der silbernen und goldenen Platten und sonstigen Auszeichnungen für die Beatles in aller Welt füllt eine Liste, die sich (auch in den folgenden Jahren) immer mehr verlängert. Zum Beispiel erzielte die LP ›Rubber Soul‹, die in den USA am 7. Dezember veröffentlicht wird, schon am folgenden Tag einen Umsatz von über einer Million. Im Juni 1966 erscheint die neue Single ›Paperback Writer‹/›Rain‹. Sie erobert wieder die Spitzen der Hitparaden. Kurz darauf werden die Beatles in der Bundesrepublik umjubelt. Am 24. Juni gastieren sie in München, am 25. in Essen und am 26. in Hamburg. Danach reisen sie nach Japan, auf die Philippinen, in die USA und nach Kanada. Am 29. August treten die Beatles (in San Francisco, USA) zum letztenmal öffentlich auf. Auf Paul McCartneys Anregung hin wird die Beatles-Firma ›Apple‹ gegründet. Das Stammkapital beträgt 25 Millionen Mark. Das Büro ist in der Savile Row Nummer 3 in London. Die Apple-Boutique in der Baker Street muß zwar nach einiger Zeit wieder geschlossen werden, weil sie sich nicht rentiert, aber –59–
die übrigen Apple-Unternehmungen florieren. Die Single ›Yellow Submarine‹/›Eleanor Rigby‹ und die LP ›Revolver‹, die beide im August erscheinen, unterscheiden sich zwar musikalisch stark von den bisherigen Beatles-Platten, sind aber nicht minder erfolgreich. ›Michelle‹, der Beatles-Song, der zum erstenmal im Dezember 1965 auf der LP ›Rubber Soul‹ erschien, ist mittlerweile von 65 anderen Künstlern ebenfalls veröffentlicht worden. Paul McCartney erarbeitet eine 30-Minuten-Komposition für den Film ›The Family Way‹. John Lennon muß sich die Haare kürzen lassen und steht als ›Soldat Gripsweed‹ für den RichardLester-Film ›How I Won The War‹ (›Wie ich den Krieg gewann‹) vor der Kamera. Die Gerüchte, die Beatles wollten sich trennen, bewahrheiten sich nicht. Die vier geben bekannt, daß sie weiterhin zusammenbleiben und gemeinsam Platten produzieren werden. Allerdings wollen sie nicht mehr öffentlich auftreten und sich selbst ein wenig mehr Privatleben als bisher gönnen. Im Februar 1967 erscheint ihre Single ›Penny Lane‹/›Strawberry Fields Forever‹. Außerdem unterzeichnen sie einen Neunjahresvertrag mit EMI. Im April 1967 verursachen die Beatles mit ihrer LP ›Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band‹ einen Aufruhr in der PopWelt. Diese LP, die mit einem 41köpfigen Orchester, LSD- und Pop-Klang und sogar Ringo als Sänger aufgenommen wurde, schickt die Pop-Welt auf den Trip. Eine neue Ära der Beatles und der Pop-Musik beginnt. Im Mai will die BBC den Beatles-Song › A Day In My Life‹ nicht senden. Die Begründung: Da sei zuviel Haschisch drin. Am 25. Juni 1967 kreieren die Beatles als englischen Beitrag zur weltweiten TV-Show ›Our World‹ ihre ›Internationale‹: ›All You Need Is Love‹. Während der Aufnahme im Studio sind dabei: die Frauen und Freundinnen der Beatles, die Rolling –60–
Stones, Bruce Johnston von den Beach Boys, drei Mitglieder der Hollies, zwei von den Who. John Lennon läßt seinen Rolls-Royce ›Phantom V‹ mit Blumen- und Girlandenmustern poppig bunt bemalen. Im Juli erscheint die Beatles-Single ›All You Need Is Love‹/›Baby, You’re A Rich Man‹. Sie beherrscht lange Zeit die Spitzen der Hitparaden in aller Welt. Im gleichen Monat erhält der Düsseldorfer Grafiker Heinz Edelmann den Auftrag, für die Beatles den Film ›Yellow Submarine‹ zu zeichnen. Die Beatles und die Stones erregen weltweites Aufsehen, als sie öffentlich für ›Legalize Pot‹ (›Legalisiert Haschisch‹) eintreten. Am 24. August treffen sie zum erstenmal in London den indischen Yogi Maharischi. Der lädt sie zur Sommerkonferenz seiner Meditationsbewegung nach Bangor an der Nordküste von Wales ein. Die Beatles sagen zu. Zwei Tage später, am 26. August, stirbt ihr Manager Brian Epstein. Die Beatles erfahren erst am folgenden Tag von seinem Tod, als sie sich in Bangor von Maharischi in die Geheimnisse der Meditation einweihen lassen. Für die Beatles beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Ringo, der begabteste Schauspieler der Gruppe, übernimmt eine Rolle in dem Film ›Candy‹. Ein amerikanischer Veranstalter bietet den Königen der Pop-Musik 4 Millionen Mark für einen Auftritt in New York. Die Beatles lehnen ab. Im November bringen sie ihre Single ›Hello, Goodbye‹/›I Am The Walrus‹ heraus. Wieder einmal gibt es einen ›Aufstand‹ in der Pop-Welt. Viele Kritiker meinen, ›I Am The Walrus‹ sei obszön. ›Hello, Goodbye‹, hält wochenlang die Spitzen der Hitparaden in aller Welt. ›Strawberry Fields Forever‹ bringt den Beatles die zweiundzwanzigste ›Goldene‹. Im Dezember 1967 drehen sie ihren einstündigen Fernsehfarbfilm ›Magical Mystery Tour‹. Fernsehsender in 40 Ländern erwerben die Aufführungsrechte. (In der Bundesrepublik wird er allerdings –61–
erst am 25. Februar 1968 gesendet.) Die Platte ›Magical Mystery Tour‹ erscheint ebenfalls im Dezember 1967. Jede Einzelplatte und jede Langspielplatte der Beatles hat bisher in der Welt einen Absatz von über einer Million Stück erzielt. ›I Want To Hold Your Hand‹ wurde 5 Millionen mal verkauft, ›All You Need Is Love‹ etwa genauso oft, etliche andere Platten erzielten Auflagen von jeweils mehreren Millionen. Allein in den USA wurde die LP ›Meet The Beatles‹ 4 400 000mal verkauft. Rechnet man eine Einzelplatte als eine Platte, eine 45er als zwei Platten und eine LP als fünf Platten, so beläuft sich der Weltabsatz der Beatles gegen Ende 1967 auf 225 000 000 Platten. In fünf Jahren, so errechnet man, haben die Beatles zwischen 270 000 000 und 330 000 000 Mark brutto verdient. Februar 1968: Paul McCartney betätigt sich politisch. Bei einem Besuch in Cannes schreibt er unter seine Autogramme: ›Stop de Gaulle.‹ Die Beatles fahren nach Indien zum Yogi Maharischi. George Harrison ist am stärksten von der fernöstlichen Musik beeindruckt. Von dem berühmten Ravi Shankar erlernt er das Sitar-Spielen und schreibt die Musik zu dem Film ›Wonderwall‹. Titel der LP ›Wonderwall Music‹. Im März entdecken die Beatles den guten alten Rock ’n’ Roll wieder und landen mit der Rock-Nummer ›Lady Madonna‹ wieder einmal einen Welthit. John Lennons Schauspiel ›Szene drei, Akt eins‹ darf nur gekürzt auf die Bühne des Londoner Nationaltheaters gebracht werden. Angeblich soll die Originalfassung Gotteslästerungen enthalten. Im Juli wird der Beatles-Zeichentrickfilm ›Yellow Submarine‹ in London uraufgeführt. Trotz gegenteiliger Voraussagen vieler Kritiker wird er ein Welterfolg. In Amerika wird er zum drittbesten Film des Jahres gewählt. Am 30. 8. 1968 erscheint die erste ›Apple‹-Platte. Es ist die Beatles-Single ›Hey Jude‹/›Revolution, die monatelang die Hitparaden in aller Welt beherrscht und mehrere Millionen Male –62–
verkauft wird. Im November entdeckt Twiggy Mary Hopkin. Paul McCartney komponiert und produziert Marys ersten Welthit ›Those Were The Days‹. Etwa 5 Millionen Stück werden von dieser Platte verkauft. George Harrison produziert ›AppleRocker‹ Jackie Lomax. Im November erscheint das weiße Doppelalbum ›The Beatles‹. Es wird in aller Welt mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft. 1969 wird ›Ob-La-Di, Ob-La-Da‹, einer der Songs des weißen Beatles-Doppelalbums, auch als Single ein Welthit, nicht nur bei den Beatles, sondern auch bei ihren Nachsängern und Nacharrangeuren. Am 31. März 1969 wird John Lennons und Yoko Onos Film ›The Rape‹ (›Die Vergewaltigung‹) im österreichischen Fernsehen uraufgeführt. Am 18. April erscheint die neue Beatles-Single ›Get Back‹/›Don’t Let Me Down‹. John Lennon und Yoko Ono kündigen ein neues Album an. Der Titel: ›The Wedding‹. Die Beatles arbeiten bereits wieder an einer neuen LP. Die Single ›The Ballad Of John And Yoko‹ wird ein großer Erfolg. Im Juli erscheint die erste Platte der ›Plastic Ono Band‹. Der Song ›Give Peace A Chance‹, den John Lennon und Yoko gemeinsam mit 40 Freunden in einem Hotelzimmer des QueenElizabeth-Hotels in Montreal aufgenommen haben, findet in aller Welt millionenfaches Echo. Im September 1969 erscheint die Single ›Hare Krishna Mantra‹/›Prayer To The Spiritial Masters‹, die George Harrison gemeinsam mit dem ›Radha Krishna Temple‹ produziert hat. Am 26. September wird die neue Beatles-LP ›Abbey Road‹ in Deutschland veröffentlicht. Sie ist in aller Welt so erfolgreich, daß bereits kurz nach Erscheinen die erste Single mit zwei der LP-Songs von den Fans förmlich erzwungen wird: ›Come Together‹/›Something‹. –63–
Der Gipfel des Erfolgs ist nahezu erreicht. Nichts kann die erfolgreichen Beatles mehr trennen – so glauben sie. Bis die Liebe John nicht nur überfällt, sondern geradezu gefangennimmt. Seine Liebe heißt Yoko.
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Die Macht der Japanerin »Zwei Jahre bevor ich Yoko kennenlernte, war ich sehr depressiv. Mein ganzes Leben schien einfach keinen Sinn mehr zu haben, und aus meiner Verzweiflung heraus schrieb ich meine Lieder. Aber mein ganzes Gefühl, mein ganzes Herz war durcheinander. Yoko lehrte mich wieder zu denken, zu verstehen, was mit mir geschehen war, und zu erkennen, warum es lächerlich ist, so weiterzumachen. Dafür danke ich Yoko, sie war die Entscheidung in meinem Leben.« Das sagt John Lennon – der am entscheidendsten Tag seines Lebens voll ist von Alkohol und dazu noch ›high‹: Eine Flasche Wodka und ein paar Joints tun jeden Tag ihre Wirkung. Das klingt so proletarierhaft, so verworfen. Aber – die Beatles befinden sich fast auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Und John ist deren Kopf. Und der Kopf ragt immer etwas über die Schultern hinaus, er muß sich mehr anstrengen, er muß neue Songs komponieren, neue Texte finden. Und die Beatles müssen ja immer besser sein als die anderen; sie dürfen sich ja keine ›Flops‹ erlauben. Er, John Lennon, verkörpert die Beatles – und die Beatles verkörpern ihn. Es kann, es muß eine Steigerung sein. Es soll immer nach oben gehen. Und das löst einen ungeheuerlichen Druck aus. Wer hat das nicht selbst schon erlebt? Um ein wenig frei zu sein, um mit den Füßen und mit dem Kopf über den Wolken zu schweben und um sich von dem Erfolgszwang im Plattenstudio frei zu machen, hat John Alkohol geschluckt und Rauschgift genommen. Obwohl schon nicht mehr Herr seiner Sinne, entscheidet er sich an diesem Novembertag 1966, in die Buchhandlung ›Indica‹ zu gehen. Eine Buchhandlung, die ein paar außergewöhnliche, bisher noch nie dagewesene Dinge macht und Ausstellungen veranstaltet, die den Rahmen des Normalen –65–
sprengen. John will die neue Ausstellung sehen, von einer gewissen Yoko Ono. Von Haus aus Japanerin, lebte sie vorher in New York und veranstaltet nun im Londoner ›Indica‹ eine Ausstellung konzeptioneller Kunst. John kommt in die Ausstellung. Aber noch ehe er die Kunstwerke dieser Japanerin sieht, sieht er das Mädchen selbst: Ein rundes Gesicht, große dunkle Augen, die einen forschend und faszinierend abtasten. Lange schwarze Haare, die wie ein Umhang über ihre Schultern fallen, und ein Lächeln, ein ganz winziges, kaum zu beschreibendes Lächeln. Diese Augen, diese Haare und dieses Lächeln! John ist verwirrt, als er sich von Yoko Ono abwendet und die Kunstwerke betrachtet. Es ist eine komische Ausstellung. Da liegt ein Apfel, ein einfacher Apfel, auf einem Podest. Und davor das Preisschild: 100 Pfund. Es sind zu dieser Zeit fast 700 Mark. John Lennon weiß nicht, ob er lachen soll über diesen Einfall oder ob er es ernst nehmen soll. Auf alle Fälle – er ist beeindruckt. Beeindruckt auch von der Leiter, die zu einem unter der Decke aufgehängten Bild führt. Er ist unsicher, als er die Leiter hinaufsteigt. Ist das Kunst? Da hängt ein Fernglas an einer Kette, drehbar, und man kann nach allen Seiten schauen. John nimmt es in die Hand, sucht mit dem Fernglas und blickt auf diese seltsame, faszinierende und Kraft ausstrahlende Japanerin. Da! Er hat sie im Blickfeld. Er schaut durch das Fernglas hindurch – und vor Yoko Onos Gesicht erscheint ein kleines ›Ja‹. Es ist auf das Fernglas aufgemalt. John selbst sagt: »Ich war tief betroffen. Das war die Antwort auf meine Suche nach Glück und Geborgenheit.«
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Der Höhepunkt der Karriere der Beatles. Soeben sind sie von der britischen Königin wegen ihrer Verdienste um die Musik mit dem Orden Member of the British Empire (M.B.E.) ausgezeichnet worden. Viele ebenfalls dekorierte Kriegsveteranen schickten daraufhin ihre Medaillen zurück. Rechte Seite: John Lennon, damals noch sehr interviewfreudig, stellt sich englischen Reportern.
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Er verläßt die Leiter wieder, geht zu Yoko Ono. Sie fragt nicht ›Hat Ihnen meine Ausstellung gefallen?‹, sie fragt nicht ›Möchten Sie irgend etwas kaufen?« – Sie reicht ihm einfach eine Karte, und da steht nur darauf: ›Breath!‹ – ›Atme!‹ John ist hingerissen von dieser ungewöhnlichen Aufforderung. –70–
Ein Freund der Beatles, John Dunbar, flüstert derweilen mit Yoko Ono: »Dieser John Lennon kann etwas für dich tun. Vielleicht arrangiert er dir eine Ausstellung.« Yoko Ono lächelt, sie fragt nicht danach – als wisse sie jetzt schon, wie es alles kommen wird ... John Dunbar behält nicht unrecht. John Lennon finanziert Yoko Onos Ausstellung ›Half Wind Show‹. Eigentlich ein Geldgeber, wie es viele auf der Welt gibt, aber was John Dunbar nicht und niemand weiß, sondern nur Yoko Ono und John Lennon selber: Sie glauben, sich gefunden zu haben. Sie wollen den Kontakt nicht verlieren. Sie telefonieren. Und ein kleines Buch schickt ihm Yoko Ono, Gedichte von ihr selbst. Der Titel heißt ›Grapefruit‹. Yoko Ono schreibt in zierlicher Schrift für John hinein: ›Gib acht, wenn du mir am Himmel begegnest!‹ John ist von Yokos Lyrik nicht restlos begeistert. »Mal las ich etwas daraus und ärgerte mich darüber«, äußert er seine Gefühle. »Manchmal war ich dann wieder ganz davon gefangengenommen und durchlief all die Veränderung, die das Lesen ihrer Gedichte auslöste.« Ganz zarte, junge Liebe, noch mit Gedichten, mit Anschauen, noch nicht einmal mit Händchenhalten oder Streicheln. Einfach das Verstehen der Geister untereinander, bevor man sich das erstemal allein sieht und vielleicht sogar liebt. Der Liebe sind normale, bürgerliche Schranken gesetzt. Nicht etwa, daß Yoko Ono sechs Jahre älter als John ist. Das stört ihn nicht. Und auch sie nicht. Sie merken, daß sie zueinander gehören – aber da sind noch zwei andere Menschen, die wahrscheinlich traurig sind oder verletzt wären, wenn sie von dieser Liebe erführen: Da ist auf der einen Seite Tony Cox, ein etwas windiger Filmproduzent, der mit Yoko Ono verheiratet ist. Und da ist Cynthia, mit ihrem Sohn, die Blonde, die John –71–
heiratete, als sie schwanger von ihm war. Heute ist Cynthia nicht zu Hause. Sie macht Urlaub, irgendwo in der Ägäis, in Griechenland – und es ist ein feudaler und aufwendiger Urlaub. Geld hat John ja genug aber nicht soviel Zärtlichkeit, wie er eigentlich von Cynthia erwartet. Innerlich hat er sich längst von ihr gelöst, merkt, daß beide sich einfach nichts mehr zu sagen haben. Daß es eine Ehe ist, wie es viele auf der Welt gibt: Auf dem Papier noch verheiratet, aber im Wohnzimmer und auch im Bett so fremd wie zwei U-BahnFahrgäste, die zufällig nebeneinander von einer Station zur anderen fahren. Heute ist Cynthia nicht da. Und Tony Cox ist irgendwo in Hongkong. John greift zum Telefonhörer. Er ruft Yoko an. »Du könntest ja mal rüberkommen«, sagt er. Der sonst so selbstsichere John Lennon, der, wie er selbst sagt, ›Weiber am laufenden Band aufgerissen hat‹, ist seltsam schüchtern, verklemmt, nahezu primanerhaft. Er wartet auf Yokos Antwort. »Ich komme«, sagt sie. Mehr nicht. Keine langen Erklärungen, keine langen Bitten, kein telefonisches Werben oder Überreden von Seiten Johns. »Ich komme.« Als Yoko Ono an diesem Abend bei John Lennon erscheint, ist aus dem selbstsicheren ›Aufreißer‹, dem die Mädchen zu Füßen liegen und aus denen er sich auswählen kann, wen er will – da ist aus diesem John Lennon ein unsicherer Liebender geworden. Einer, der nicht weiß, wie er es anfangen soll, einer Frau zu erklären, daß er sie nicht nur gern sieht, sondern daß er sie streicheln möchte, daß er sie in die Arme schließen will. Vor Yoko Ono steigt John Lennon in das kleine Plattenstudio, das er sich unter dem Dach eingerichtet hat. Er spielt ihr seine Bänder vor, schaut ab und zu forschend zu Yoko Ono, ob sie ihr auch gefallen. Versucht, einen Blick aus ihren Augen zu –72–
erhaschen. Yoko Ono hört zu. Lange, geduldig, mit kaum erkennbarem Lächeln. »Laß uns doch was Eigenes machen«, sagt sie dann. Und John, erlöst aus seiner Unsicherheit, aus seinem stillen Werben um Yoko Ono, ist begeistert. Noch in dieser Nacht komponiert er Songs. Yoko und John schreiben die Texte. In einer einzigen Nacht entsteht die Musik zu einer Langspielplatte: ›Unfinished Music Nr. 1 – Two Virgins‹. Two Virgins, zwei Unschuldige. Sie sind es gegenseitig bis morgens um sechs, als die Musik für die Platte fertig ist. Und die Texte. Beide schauen sich an und glauben in diesem Augenblick, daß sie außer miteinander arbeiten sich auch lieben könnten. Sie tun es. Und da sie beide Künstler sind, kommen sie auf eine verrückte – wie sie aber glauben – gute Idee. Sie stehen vom Bett auf. John besitzt eine Selbstauslöserkamera. Er bringt sie in Position und stellt die Zeit auf zehn Sekunden. Soviel haben die beiden nun, um sich in Positur zu stellen. Sie sind nackt, sowohl John als auch Yoko Ono. Ihr langes schwarzes Haar fällt über die Schultern, ihre Beine sind etwas kurz, und John sieht halt aus wie ein Mann, ohne Hosen. Die Brille hat er auf und eine Schmuckkette um. Dann drückt er auf den Selbstauslöser, stellt sich mit Yoko in Positur – und beide lassen sich fotografieren. Das Ganze wiederholt sich. Diesmal wenden die beiden nicht der Kamera ihre Rückseite zu, sondern ihre Vorderseite. Das verrückte Spiel zweier Liebender? Oder ein außergewöhnlicher Gag? John sieht es anders. »Für uns war dieses Bild die Krönung unserer Liebe und Ausdruck unserer Vorstellung, anderen den –73–
Wert der Liebe zu übermitteln. Dazu mußten wir uns einfach nackt sehen.« Zuerst wollte John nur Yoko allein fotografieren. Ebenfalls nackt. »Ich hatte die Idee, weil ihre Arbeit nackt, von Grund auf simpel, kindlich und ehrlich ist. Besser kann man das durch Nacktheit nicht ausdrücken.« Aber sie wählen doch das Foto aus, auf dem beide ohne Kleidung zu sehen sind. Dieses Bild wird das Cover ihrer ersten gemeinsamen Platte zieren, Ärger verursachen. So, daß die Polizei einschreitet und die Platte ob der Plattenhülle wegen ›Unzüchtigkeit‹ beschlagnahmt. John und Yoko haben zueinandergefunden. Oder ist es besser zu sagen, John hat zu Yoko gefunden? Denn dieses Mädchen aus Fernost, das mit den großen, dunklen Augen, tut von nun an mit John, was sie will. Warum, weiß kein Mensch. Vielleicht will sie ihm ihre Macht demonstrieren, vielleicht will sie ihm mit ihrem Willen zu einem besseren Leben verhelfen. John lebt zu Hause, in der ehelichen Wohnung. Er bekommt einen Brief von Yoko. Auf dem Briefbogen steht nur ein einziges Wort. ›Tanze!‹ Und John tanzt, stundenlang, zu seiner eigenen Musik, bis er erschöpft und besinnungslos umfällt. ›Male!‹ befiehlt der nächste Brief. Und John, der kein unbegabter Zeichner ist, aber beileibe kein Maler, malt, malt, malt, malt. Bis ihm die Augen zufallen, bis er vor der Staffelei einnickt und nicht mehr kann. ›Betrachte die Lichter, bis der Tag vergeht!‹ heißt es auf einer anderen Mitteilung. John steht nur da und betrachtet die Lichter, er gehorcht den Botschaften der Yoko Ono. Eine merkwürdige Faszination geht von dieser Frau aus, die sechs Jahre älter als John ist. Er schaut –74–
auf die Lichter, auf jenes, auf dieses – und er hört nicht auf, bis er zusammenbricht. ›Blute!‹ heißt es auf der letzten Karte. Blute? John Lennon könnte eine Nadel nehmen, eine Stecknadel oder eine Nähnadel, könnte sie sich ins Fleisch stechen und ein wenig Blut hervortreten lassen. Dann hätte er dem Befehl Yoko Onos gehorcht. Aber John will alles gut machen, besser machen – und er schneidet sich die Adern auf und blutet zum Gotterbarmen. Alles, was Yoko Ono sagt, ist für ihn richtig und gut. Er tut es, ohne zu diskutieren, sie zurückzurufen und zu fragen: »Warum?« Cynthia, seine Frau, merkt natürlich, daß mit John nicht alles in Ordnung ist. Und wenn sie ihm auch manchen Seitensprung mit den weiblichen Fans verziehen hat, wenn sie beide Augen zudrückt – an Yoko Ono kann Cynthia nicht vorbei. Sie läßt sich scheiden. Die Scheidung wird so rechtzeitig ausgesprochen, daß John zu Yoko Ono kann. Denn Yoko Ono geht es nicht gut. »Ich will ein Kind von dir«, hat John bereits in der ersten Nacht Yoko Ono gebeten. Nicht einfach Liebe machen, sondern er wollte seine Liebe später sehen und wollte sagen: »Ja, das ist das, was wir in dieser Nacht getan haben.« »Ich will ein Kind von dir.« Yoko Ono ist einverstanden. Aber jetzt, zur Zeit der Scheidung, liegt sie im Queens Charlotte’s Maternity Hospital. Vielleicht hat ihr die Aufregung vom 28. November 1968 den letzten Rest gegeben. An diesem Tag brechen Polizisten die Tür zu Johns Wohnung auf, dringen, ohne Rücksicht auf Yoko und ihn zu nehmen, ein und beginnen, die Wohnung zu durchsuchen. Sie finden, was sie suchen: Cannabis, 219 Körner Rauschgift. John und Yoko werden zur Polizeiwache nach Paddington Green geführt, in getrennte Zellen gesperrt. Erst am nächsten Tag, als John die Kaution bezahlt hat, kommen beide wieder –75–
frei. »Ich bin allein schuldig«, sagt er zu dem vernehmenden Richter. Yoko hat diese Nacht in der Zelle verbracht, sie ist erschöpft und deprimiert, richtiggehend kaputt, und bricht zusammen. Im Queen Charlotte’s Maternity Hospital geben ihr die Ärzte nicht nur eine Bluttransfusion, sondern untersuchen sie auch. Und einer von ihnen sagt zu Yoko: »Sie sind schwanger.« Die kleine Japanerin teilt es natürlich sofort John mit. John möchte nicht mehr von ihrer Seite weichen, er möchte Tag und Nacht in ihre Augen schauen, möchte bei ihr sein. Ein verrückter Gedanke, zugegeben. Aber wenn einer sich – bewußt – so nach einem Kind sehnt, das er von Anfang an miterleben will – dann ist es schon wieder verständlich. John Lennon bleibt nicht, wie andere Besucher, zwei oder drei Stunden. Yoko liegt in einem Zweibettzimmer. John quartiert sich in dem zweiten Bett ein, damit er Yoko immer sehen kann, damit er bei der leisesten Regung aufstehen, sie streicheln und ihr tröstende Worte sagen kann. Verrückt? Viele Frauen auf der Welt, denen so etwas passiert, hätten es gern, wenn ihr Mann ständig bei ihnen wäre, auch schon während der Zeit der Schwangerschaft, wenn sie das erste Strampeln des Kindes spüren. Als das zweite Bett gebraucht wird, verzichtet John Lennon nicht auf sein Recht oder auf seine Pflicht, wie er meint, bei Yoko Ono zu sein: Zu ihren Füßen legt er einen Schlafsack und hüllt sich jede Nacht darin ein, damit er nahe bei seinem Mädchen ist, seiner Geliebten. Er freut sich irrsinnig auf das Kind, besorgt sich extra ein Tonband und nimmt den Herzschlag des Ungeborenen auf. Er spielt ihn Yoko Ono vor. Beide lachen, und sie freuen sich wahnsinnig auf das Baby. Ihre Freude dauert nur wenige Tage. Yoko Ono verliert ihr Kind, hat eine Fehlgeburt. John schließt sich tagelang ein, um –76–
weder zu essen, zu trinken, noch mit irgend jemandem zu sprechen. Er ist betroffen, er sieht es als ein Zeichen einer höheren Macht, daß ihm sein größter Wunsch verwehrt wird. Das Kind ... Er verläßt sein Haus erst wieder, als er vor Gericht erscheinen muß. Wegen Cannabisbesitzes wird John Lennon zu 2000 Mark Geldstrafe verurteilt. Allein. Weil er alle Schuld auf sich genommen hat und Yoko unschuldig aus dem Gerichtssaal herausgeht. Ein wenig Aktivität kommt wieder in Johns Leben, auch wenn es nicht die Aktivität der Beatles ist. Er macht keine Musik, sondern, wie er glaubt, Kunst. Ausgerechnet in der famosen Royal Albert Hall schlüpfen Yoko und John in einen Sack. Sie taufen die Ausstellung auch ›Yoko und John in einem Sack‹. Ein weißes Etwas, in das sie sich einhüllen und dem Publikum zur Schau stellen. »Warum eigentlich?« fragt sich mancher. John Lennon hat nie darauf eine Antwort gegeben, und Yoko Onos Memoiren liegen in einem Tresor in New York. Danach drehen sie einen Film, ›Rape‹. Wieder eine der verspielten, verrückten Ideen, die John und Yoko haben. Ein Mädchen wird stundenlang von Kameras verfolgt. Die Kameras jagen sie regelrecht, lassen ihr keinen Platz mehr zum Atmen, keinen Platz mehr, um einen Moment unbeobachtet zu sein, um sich nur einmal, ohne vor den gnadenlosen Augen der Kameras, über die Augen zu wischen. »Wir wollen zeigen, ganz deutlich zeigen, daß wir in unserer gegenwärtigen Welt bloßgestellt sind und unter Druck stehen«, erklärt John den Film. »Was in dem Film und mit dem Mädchen geschieht, geschieht heute auf der Welt überall, geschieht in Vietnam und wo Sie auch immer wollen.« Beides, die Platte ›Two Virgins‹ und ›Rape‹, stoßen bei der Kritik, bei den Leuten, die darüber befinden, ob etwas gut oder –77–
schlecht ist, auf keine Gegenliebe. Sie werden, wie man so sagt ›verrissen‹. Das aber stört weder John noch Yoko. Sie sind glücklich und verliebt – und sie wollen der Welt zeigen, wie glücklich und verliebt sie sind, als Mann und Frau. Die Trauung geschieht am 20. März 1969 in Gibraltar. Heimlich und leise, in einer stillen Zeremonie. John und Yoko können das geheimhalten – aber sie wollen ihre Liebe den Menschen zeigen und die Menschen dann gleichzeitig zur Liebe und zum Frieden erziehen. Kann man denn das überhaupt? Yoko und John oder John und Yoko versuchen es auf eigenartige und eigenwillige Weise, auf ihre Art. Für den Frieden kann eigentlich nur jemand predigen, der mit einem Fingerschnippen Divisionen von Soldaten in Bewegung setzen kann, auf dessen Befehl Panzerregimente hören. Wo eine Macht, eine Gewalt dahintersteht, dem nimmt man es ab, daß er – vielleicht – den Frieden will. Jetzt sind da Yoko und John, ein Ehepaar, das für den Frieden demonstrieren und der Welt sagen wollte: ›Bleibt friedlich, haltet Frieden, macht keinen Krieg!‹ Rufe in der Wüste, die sonst von niemandem gehört werden. Yoko und John lassen sich etwas einfallen. Und es war keine Aktion, die spontan zustande kam, sondern Yoko Ono plante sie lange vorher, es war ihre Idee. Eine komische Idee, im ersten Augenblick. Niemand glaubt, als sie in das Apartment 902 im Hilton-Hotel in Amsterdam einziehen, daß die Friedensappelle des Ehepaares jemals gehört werden. Ein verrückter PopMusiker mit seiner japanischen Frau – was sollte der schon für den Frieden tun? Aber – Yoko hatte die bedins erfunden. Es ist ein komisches Wort, aber ein wirksames Mittel. »Schon drei Monate vor unserer Hochzeit arbeiteten wir an der wirksamsten Lösung für –78–
eine Friedenskampagne. Für uns war es die einzige Möglichkeit, uns zu artikulieren. Zum Trafalgar Square konnten wir nicht gehen, es wäre zu einer Straßenschlacht gekommen. Einen Friedensmarsch konnten wir uns auch nicht leisten, wegen der Autogrammjäger. So mußten wir eben eine andere Möglichkeit finden. Für einen Augenblick schienen die bedins uns am logischsten, wir glaubten, daß ein bedin seine Wirkung haben wird.« John erzählte die Geschichte einem Freund. Da lagen sie nun: Von morgens um zehn bis abends um zehn hielten sich Yoko und John nur im Bett auf. ›Bed Peaces‹ stand über ihren Köpfen und über Yokos Haupt ein Plakat ›I love John‹ und über John Lennons Kopf ein Plakat ›I love Yoko‹. Und jeder Journalist, von welcher Presse er auch immer war, ob von der linken, von der rechten, von der mittleren, von der militanten, war eingeladen, Interviews zu machen. Alle diese Interviews haben nur ein Ziel: Die Auffassung von John und Yoko kundzutun, daß die Welt Frieden halten müsse, daß man in Frieden leben wolle und daß der Frieden doch wohl das Kostbarste sei. Sonst war es verdammt schwer gewesen, ein Interview mit John Lennon und Yoko Ono zu führen, fast aussichtslos. Und nun karren die Maschinen der internationalen Airlines Hunderte von Journalisten heran, die jede, aber auch jede Frage am Bett der beiden stellen können. Am Bett. Und zwischen Fragen und Antworten ruft John: »Wir sind beide Künstler! Unsere Kunst ist der Frieden. Ich glaube daran, weil ich durch alles, was ich als Beatle war, und durch alles das, was wir jetzt gemeinsam machen, eine echte Chance habe, andere junge Leute für uns zu gewinnen. Sie sind es doch, denen schon morgen die Welt gehört.« John hat die Aufmerksamkeit der Welt dadurch erregt, daß er etwas ganz Ungewöhnliches, Außergewöhnliches macht, um –79–
dem Frieden zu dienen. Und jeder, der ihm heute vorwirft, er sei ein großer Schauspieler gewesen, ein Komödiant, der das nur inszeniert habe, um sich selbst und Yoko Ono berühmt zu machen – der soll darüber nachdenken, was John Lennon mit diesen bedins erreichte: Die Welt spricht von ihm. Sie spricht von seinen Gedanken, von seinen Friedensgedanken. Und die Worte: »Wir wollen eine Botschaft an die Welt senden, hauptsächlich an die Jugend und an jedermann, der daran interessiert ist, für den Frieden auf die Straße zu gehen; an jeden, der gegen Gewalt ist. Alle sprechen über den Frieden, aber niemand tut etwas für ihn. Ausgenommen ein paar Leute.« Das erreichen John und Yoko. Und wahrlich: Es ist nicht leicht, zehn, vierzehn Stunden lang im Bett zu liegen, alle Radiosender der Welt anzurufen, Dutzende von Reportern um sich zu haben. Nicht um Geld zu verdienen, sondern um Frieden zu predigen und zu versuchen, mit der Macht seiner Persönlichkeit die Menschen zum Friedfertigsein aufzurufen. Natürlich reagiert die Presse nicht allerorts gut. Worte, wie ›Idioten‹ und ›komische Käuze‹, werden geschrieben. Aber die Zeitungen schreiben, schreiben über John Lennon. Er hat das erreicht, was er will. Denn wer über John Lennon schreibt, muß auch über seine Worte zum Frieden berichten, ob das nun vom Hilton-Hotel in Amsterdam ist oder vom QueenElizabeth-Hotel in Montreal, in dem das nächste bedin der beiden veranstaltet wird. Durch die Verurteilung wegen der Rauschgiftgeschichte bekommt John Schwierigkeiten bei der Einreise. Er erhält nur eine zehntägige Aufenthaltserlaubnis in Montreal. Es ist um Mitternacht am 26. Mai 1969, als Yoko und John im Hotel einziehen. Wieder beginnt das gleiche wie in Amsterdam: Dasitzend im weißen Laken, angetan mit weißer Kleidung, freundlich lächelnd, jedem Journalisten Auskunft gebend, –80–
immer wieder sagend: »Sie schreiben, was ich sage, und ich sage Frieden. Wir zeigen auf niemanden mit dem Finger. Es gibt keine Guten und Schlechten. Der Kampf geht im Kopf vor. Bevor wir andere verurteilen, müssen wir uns erst einmal selber geprüft haben. Wir sind alle Christus und alle Hitler. Wir wollen, daß Christus siegt, wir wollen seine Botschaft unserer Zeit anpassen.« Das ist die Zeit der bedins. Nie hätte John Lennon so viel Aufmerksamkeit erregen können wie mit diesem dauerhaften Liegen im Bett – was übrigens Yoko und ihm Schwielen an den Rücken einbrachte. Aber John ist zufrieden, er ist glücklich und sagt es: »Das ist die beste Idee, die wir jemals hatten. Es war besser, als in einem schwarzen Sack herumzukriechen oder etwa sich für Leute auszuziehen, die im Grunde genommen doch nicht verstehen, was wir damit wollen. Nehmen wir doch einmal an, wir hätten unsere Flitterwochen heimlich auf Capri verbringen wollen, so wie Jackie Kennedy es gemacht hat. Die Presse hätte nichts anderes zu tun gehabt, als uns aufzuspüren. Mit dem bedin haben wir den ganzen Zeitungsrummel zu etwas Nützlichem umfunktioniert.« Dazu kommt noch der Song: ›Give Peace A Chance‹ stellt John Samstagabend der Presse vor. Oder besser – Samstagnacht. Von acht Uhr abends bis drei Uhr morgens liegen Yoko und John Lennon im Bett, umlagert von Journalisten. Der neue Song ›Gib dem Frieden eine Chance‹. Eine eindringliche Melodie, einfach gesagt, ein Ohrwurm, der jeden Menschen erfaßt. Und die beiden, dieser John Lennon und diese Yoko Ono, die über keine Divisionen und keine Panzerregimente verfugen, tun etwas für den Frieden, tun mehr für den Frieden als mancher Politiker in seinem ganzen Leben. ›Bedin.‹ Das ist ein Wort, das in die Geschichte eingegangen ist, geprägt von John Lennon und organisiert von seiner Frau –81–
Yoko. John ist nun glücklich, daß er etwas für den Frieden tut und Yoko an seiner Seite hat. Ein wenig zuviel Selbstzufriedenheit: Die Journalisten in aller Welt machen sich lustig über Johns Aktivität – und auch Yoko Ono hat mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Beatles Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr und deren Frauen mögen Yoko Ono nicht. Für sie ist diese japanische Frau ein Eindringling, der ihre Arbeit stört, ein Fremdkörper. Offener Haß schlägt ihr entgegen. Warum eigentlich? Der letzte gemeinsame und öffentliche Auftritt der Beatles liegt lange zurück: 29. August 1966 in San Francisco. Aber die erfolgreichen vier produzieren noch gemeinsam im Studio. Immer ist Yoko Ono mit im Studio, sitzt still da und schaut John aus großen, dunklen Augen an. Einen John, der wiederum seine Augen nicht von den ihren lassen kann und deshalb bei der Arbeit oft abwesend ist. Die drei Beatles haben Yoko nicht akzeptiert. Was mag daran schuld sein? Daß John seiner Yoko so hörig ist, daß er nur das tut, was sie für gut heißt? John weiß, daß seine Frau den Frieden der Beatles stört: »Yoko war einfach naiv. Sie behandelte die anderen wie irgendeine Begleitgruppe und regte sich fürchterlich auf, wenn sie einfach nicht auf sie reagierten. Aber ich glaubte, daß es auch mit Yoko und den Beatles weitergehen könnte. Denn beide konnten ja hinzulernen.« Johns Meinung täuscht ... Aber wenn es zu einer Kraftprobe kommt, zu wem würde John halten? Zu den Freunden oder zu seiner Frau? Er liebt sie. Und um das zu demonstrieren, hat er bereits am 22. April etwas Ungewöhnliches für einen Mann unternommen. Es geschieht auf dem Haus des Apple-Konzerns. Ein scharfer Wind weht. John und Yoko Ono treten auf das Dach hinaus, begleitet von einem dritten Menschen, einem Mann. Es ist der –82–
Notar Bueno de Mesquita. Er trägt eine Urkunde bei sich, die er unter freiem Himmel in dieser vornehmen Londoner Saville Row feierlich verliest: John Lennon läßt sich umtaufen, zu Ehren seiner Frau, in John ›Ono‹ Lennon. Eine Geste der Liebe gegenüber einer geliebten Frau, die jedoch in Yoko Ono die Angst vor den drei anderen Beatles schürt. Yoko hat Angst vor ihnen und sagt später: »Manchmal hatte ich das Gefühl, als würden sie mich umbringen lassen, vergiften oder töten.« John Lennon zieht sich mit ihr in sein Londoner Haus am Tittenhurst-Park zurück. Ganz allein. Er ist Tag und Nacht mit Yoko Ono zusammen, nur der Fernseher bringt Abwechslung in beider Umgebung. Selbst als Handwerker in das Haus kommen, um zu renovieren – das Zimmer von John und Yoko bleibt tagelang versperrt. Die Handwerker können keine Anweisung vom Hausherrn bekommen, bleiben beschäftigungslos vor der Haustür sitzen, ein toller und gut bezahlter Job. Drinnen im Zimmer sind Yoko und John Lennon, zwischen denen es bereits Spannungen gibt. Ob das wohl die Zeit gewesen ist, in der John Lennon verstärkt zum Rauschgift greift? Nicht das verhältnismäßig harmlose Cannabis, jene Körnchen, ohne die er gar nicht mehr auf Reisen geht, sondern zu dem Teufelszeug Heroin. Vielleicht ist es auch die Enttäuschung über sein nicht auf die Welt gekommenes Kind, die John mit Yoko streiten läßt. Selbst mit dem zärtlich liebendsten Menschen, mit dem geduldigsten auf der Welt, kann man nicht wochenlang, Stunde für Stunde, Minute für Minute beieinander sein. Heroin, Streit – und dann wieder versöhnliche Gesten, als wolle John mit einer einzigen Tat, mit einer einzigen Handlung all diese Spannung überbrücken und alles wiedergutmachen. Yoko hat Geburtstag. Morgens um sieben Uhr kommt ein Bote. Er bringt vierzig rote Rosen. Yoko freut sich. Eine weitere Stunde vergeht – der nächste Bote kommt, –83–
wieder mit vierzig Rosen. So geht es Stunde für Stunde, bis der Ehrentag Yokos vorbei ist. Der letzte Strauß kommt um Mitternacht; das Zimmer ist erfüllt mit Rosen und Rosenduft, und Yoko lacht und strahlt und freut sich. Und dennoch – am nächsten Tag streiten beide wieder. Schließlich ziehen sie in eine Hotelsuite in Mayfair um. Ein ungleiches Paar, voll des guten Willens – aber durch die Probleme des ständigen Zusammenseins so gefesselt, daß die Liebe in eine dauernde Spannung umschlägt. Dazu kommt noch der Ärger mit den Beatles. Obwohl – McCartney macht eine versöhnliche Geste mit ›The Ballad Of John And Yoko‹. Wirklich großzügig. Denn Paul McCartney mag Yoko Ono überhaupt nicht. Er mag nur seinen Freund John Lennon. Dafür ist er bereit, auch über seinen eigenen Schatten zu springen. Er nimmt die ›Ballade von John und Yoko‹ mit auf. Und landet mit dem Titel ›Get Back‹ einen Hit. Eigentlich doch eine Beleidigung für die Japanerin, die sich sofort auf Yokos Beziehungen zu John niederschlägt. Die schwelende Auseinandersetzung zwischen Yoko und John Lennon kommt nicht zum Ausbruch. Sie wird überdeckt von dem ständigen Rausch, den John hat. Nicht dem Rausch eines braven Mannes, der sich nach Feierabend zu sehr am Bier oder Whisky vergreift – sondern vom Rausch eines Mannes, der Bier und Whisky zur Genüge kennt, Brandy, Champagner, Gin – und der nach viel stärkeren Mitteln greift. Es ist Heroin, welches John nun täglich nimmt. Jene schneeweiße Droge, die das Hirn so schön vernebelt und glücklich macht – und die den Körper brennen läßt wie Feuer, wenn man sie nicht bekommt. John braucht es, bekommt es, nimmt es. Jedoch merkt er, daß dieses geliebte Gift seinen Körper zerfrißt, seinen Geist, seinen Kopf. Er möchte davon loskommen. Da gibt es verschiedene Methoden: Einmal kann man es ganz langsam absetzen und mit anderen Drogen nachhelfen, oder man –84–
nimmt legale Ersatzdrogen. Ein langsames Entwöhnen, nicht gar so qualvoll. John Lennon wählt den anderen, den ganz, ganz harten Weg, der seinen Körper zu einem einzigen Feuer macht, der jeden süchtigen Menschen schreien läßt wie ein gequältes Tier: John läßt sich an einen Stuhl festbinden. Die Arme auf der Lehne, die Beine an der Seite. An einen schweren Stuhl, er kann sich nicht bewegen – und er bekommt alles, was er braucht: zu essen, zu trinken. Das Beste vom Besten. Aber nicht ein Milligramm Heroin. Es sind Qualen, unvorstellbare Qualen, die John Lennon aussteht. Qualen, die in seinem späteren Song ›Cold Turkey‹ wiedergegeben sind. Der Junge, der Mann, der sich aus den Elendsquartieren von Liverpool hart an die Spitze gearbeitet hat, er schafft auch das. ›Cold Turkey‹ kommt heraus. John hofft, daß seine Single ein Riesenerfolg wird. Er ist es doch gewohnt, daß die Songs an den Spitzen der Hitlisten der Welt stehen. ›Cold Turkey‹ wird es niemals. Der beste Platz ist die Nummer 13 in der englischen Hitparade. Das setzt John Lennon mehr zu als seine abermalige Verhaftung wegen Cannabisbesitzes. Yoko und er werden festgenommen und gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Auch für die Friedensinitiative, von John inszeniert, interessiert sich längst keiner mehr. Ist es nun eine wohldurchdachte Public-Relations-Aktion, die John durchzieht, oder ist es wirklich die ehrliche Überzeugung eines Mannes, dem das Verhalten der Politiker zum Halse heraushängt? Johns Worte: »Wir haben keinen Anführer, doch jetzt haben wir ein Lied.« Den Song ›Give Peace A Chance‹ kennt zuerst ganz Amerika und später bald die ganze Welt.
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John Lennon als Soldat Gripwood in dem Film »Wie ich den Krieg gewann«. John Lennon fühlt sich als ›Friedensbringer‹. Er will alles das tun, was in seiner Macht steht, um die Leute zum Miteinander zu bringen. »Ich will den Menschen klarmachen, daß sie selbst die Macht in den Händen haben. Die Leute selbst müssen die Initiative ergreifen, ganz besonders dann, wenn die Regierung es wirklich –88–
nicht tut. Und diese Macht durch das Volk kann nicht durch Gewalt mobilisiert werden. Ich werde jetzt sehr oft gefragt, was ich als Alternative dazu bringen kann. Ich sage darauf: Menschen. Ganz allein die Idee, daß der einzelne Mensch in der Lage ist, für sich selbst einzustehen, daß wir keine zentralisierte Regierung brauchen, keine Vaterfiguren und keine Führerpersönlichkeiten. Daß jedes Kind ein Künstler ist, bis ihm das Gegenteil unterstellt wird, und daß jeder Mensch großartig ist, bis ihn irgendein Demagoge kleiner macht. Die Regierung ist eine Erfindung, die meines Erachtens nicht funktioniert.« John ist konsequent. Am 26. November 1969 bekommt die Königin von England, Elizabeth II., ein Schreiben. Beigelegt ist der MBE-Orden, der John, zusammen mit den anderen Beatles, wegen der Verdienste um Großbritannien verliehen wurde. ›Ihre Majestät, schreibt John Lennon. ›Aus Protest gegen die englische Einmischung in die Nigeria-Biafra-Sache, gegen unsere Unterstützung Amerikas in Vietnam und gegen das Abrutschen von ›Cold Turkey‹ in der Hitliste, sende ich Ihnen diese MBE-Medaille zurück. In Liebe. John Lennon.‹ Natürlich reagiert der Palast, der Palastsprecher, kühl, die Königin befasse sich nicht mit solchen Sachen, die Medaille würde für Herrn Lennon aufbewahrt werden. Reporter aus aller Welt stürzen sich auf John Lennon, als er eine Pressekonferenz gibt und wahrlich genüßlich das Schreiben an das gekrönte Oberhaupt der Briten verliest. Später gewinnt John Abstand zu diesem Brief: »Natürlich habe ich mit der Angelegenheit nur Publicity für die Friedensidee gewollt. Ich habe mich jedesmal vor Lachen gekrümmt, wenn ich den Orden sah. Ich gehöre einfach nicht in diese Art von Welt. Ich glaube, daß die Regierenden, das Establishment, die Beatles damit einkaufen wollten. Ich gab die Auszeichnung wieder zurück, vielen Dank. Ich weiß, indem ich –89–
den Orden annahm, habe ich meine Seele verkauft, doch die Friedensidee hat sie wieder erlöst.« Auch über die Bemerkung zu ›Cold Turkey‹, warum sie überhaupt in diesem Schreiben an die Königin der Engländer erwähnt wird, hat John eine Erklärung: »Ein paar alte Heuchler und Snobs sind sehr aufgebracht, daß wir den Song in einem Atemzug mit dem Krieg in Biafra und Vietnam genannt haben. Aber dadurch wollten wir doch eben vermeiden, daß das Ganze einen hochoffiziellen Charakter bekam. Auch die Queen sollte versuchen, alles mit Humor zu nehmen und zu lächeln.« Aber – dem ›Cold Turkey‹ tut das auch nicht gut. Die Platte kommt nicht dahin, wo sie John gern sehen will, für alle Menschen, für alle Rauschgiftsüchtigen: Sie kommt nicht auf Platz 1 der Hitliste. Mag sein, daß dieser – in den Augen von John – ›Mißerfolg‹ ein bißchen dazu beiträgt, daß sich John und Yoko weiter entfremden. Vielleicht ist es auch die Tatsache, daß ihn die Anwesenheit dieser sanftmütigen älteren Frau nicht nur unbeholfen erscheinen läßt, sondern unbeholfen macht. Daß er nicht mehr der brutale Draufgänger, sondern plötzlich ein Friedensapostel ist, der von Yoko Ono gelenkt wird. So ist es wie eine Erlösung, als eines Morgens im Briefkasten des Lennonschen Anwesens ›Ascott Mansion‹ ein Buch liegt. Ein gewisser Arthur Janov hat es geschrieben, aus Amerika. Es heißt ›Der Urschrei‹ und beschäftigt sich damit, wie die Menschen ihre Neurosen loswerden können, wie sie wieder zu sich selbst finden. Mit Spannung liest John das Buch und zeigt es Yoko Ono. »Es war wie eine Erlösung«, erklärt John. »Ich liebte Yoko, und sie liebte mich. Aber wir waren vierundzwanzig Stunden am Tag immer nur zusammen. So war unsere Liebe. Wir wollten sie mit dem ständigen Zusammensein schützen – und fingen an, uns gegenseitig zu ersticken. Wir waren glücklich, –90–
gewiß, wir waren uns nahe, und es durfte eigentlich keine Schwierigkeiten geben, wir sind beide sehr sanfte Menschen. Aber auch die Sanftmut kann zum Tode führen. In ein paar Jahren wäre es aus gewesen, wir hätten mit uns selbst nicht mehr Schritt halten können.« Auch Yoko findet das Buch gut und die Idee, sich aus ihrer gegenseitigen seelischen Umklammerung auf eine ganz neue Art und Weise richtiggehend erlösen zu lassen. Der nächste Schritt ist ein Griff zum Telefon. John Lennon ruft Arthur Janov, den Verfasser des Buches, an, der zugleich diese Methode praktiziert. Er bittet ihn nach London. Janov kommt. Das erste, was er verlangt: Yoko und John müssen sich trennen. Getrennt werden ihre Seelen ausgeforscht, um den Grund für das Unzufriedensein und die Spannungen zu suchen. Drei Wochen dauert das. Zuerst in ›Ascott Mansion‹. Später entscheidet Arthur Janov, daß John und Yoko nach London umsiedeln. John im ›Park-Hotel‹ und Yoko im ›LondonderryHotel‹. Bei den Sitzungen mit Arthur Janov kommen Johns Spannungen aus frühester Kindheit ans Tageslicht. Die Sache mit der Mutter, die sich nicht sehr viel um ihn gekümmert hat, die Ängste der Kindheit, der Schmerz über Erlebnisse, die eine Kindheit prägen. John weint oft bei diesen Sitzungen, wenn er aus den Tiefen seines Erinnerungsvermögens jene Empfindungen hervorholt, die ihn geprägt haben, die ihn zu John Lennon machten: den Mädchenaufreißer, den Rauschgiftsüchtigen, den oft brutalen Kerl, der es doch eigentlich gut meint und der andere Menschen, fremde Menschen, am liebsten auf der Straße umarmen und zu ihnen sagen möchte: ›Ich liebe dich.‹ Aber der durch Erlebnisse seiner Kindheit so versperrt ist, daß dieses Gefühl unterdrückt wird. Arthur Janov hofft, daß er bei der gleichzeitigen Behandlung –91–
von John und Yoko aus den beiden ein glückliches, liebendes Paar machen kann. Das geht natürlich nicht in drei Wochen. Arthur Janov muß zurück und empfiehlt: »Kommt beide nach Amerika.« Die Tür zu ihrem eigenen Haus in London wird verriegelt. Sie fliegen über den großen Teich und mieten sich ein Haus in ›Bel Air‹ , einer schönen Gegend in Los Angeles, gehen jeden Tag in das Institut Janov.
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Wie die Beatles sich trennen Die Beatles schwimmen auf einer Welle des Erfolgs – und die Pleite steht vor der Tür. Nach dem Tod Brian Epsteins hat Paul McCartney die Leitung des Apple-Konzerns übernommen – und Tag für Tag geht Geld raus, von dem die Beatles nicht wissen, in welche Kanäle. Freunde ernähren sich auf ihre Kosten, und John, der noch nie mit Geld umgehen konnte, läßt es widerstandslos geschehen. Bis er den Brief eines jungen Buchhalters des Apple-Konzerns bekommt, Steve Maltz. ›Mister Lennon‹, schreibt der. ›Sie verlieren jede Woche viel Geld, Hunderttausende.‹ John versteht nichts von Geld, will nichts mit Geld zu tun haben. Er hat andere Sorgen. Ein tiefes Unbehagen begleitet ihn, weil die Stücke, die von den Beatles gespielt werden, nicht seinem Stil entsprechen. Und weil Yoko nicht von den Freunden akzeptiert wird, weil sie Schwierigkeiten machen, wenn sie auch nur das Studio betritt. Und dann noch das Geld ... Es muß etwas geschehen. Nun meldet sich Allan Klein, ein amerikanischer Firmenmanager. Er ist dick, rundlich und ein Energiebündel sondersgleichen. Er möchte den Apple-Konzern leiten und wieder aus den roten Zahlen herausführen, dafür sorgen, daß Geld in die Kasse kommt und darin bleibt. John ist für Allan Klein, wegen der Gemeinsamkeiten. Beide sind ohne Vater aufgewachsen, sie sind sich von ihrer glückund fast lieblosen Jugend her ähnlich. So entscheidet sich John Lennon, Allan Klein die Geschäfte von ›Apple‹ zu übergeben. Ein tüchtiger Mensch, gegen den keiner etwas haben konnte. John rechnete nicht mit Paul McCartney. Paul ist inzwischen –93–
mit Linda Eastman verheiratet, und deren Vater war scharf darauf, den Apple-Konzern zu managen. Es kommt zu unerfreulichen Szenen, bei denen John immer wieder schlichten muß, wenn sich Eastman und Klein in die Haare bekommen, sich gegenseitig wüst beschimpfen. Er, der Musiker, der am liebsten irgendwo versponnen am Klavier oder vor einem leeren Blatt Papier sitzt, um Songs zu komponieren oder Texte zu schreiben – er wird plötzlich mit einer wirtschaftlichen Notwendigkeit konfrontiert, die ihm, wie er selbst sagt: »Zum Hals raushängt bis an die Füße.« Schließlich kann John alle drei Beatles überzeugen »Klein ist der beste.« Allan Klein übernimmt den Apple-Konzern in einem miserablen Zustand. John, der Millionen verdient hat – er hat noch hundert- oder zweihunderttausend Mark auf der Bank, das ist alles. Den Rest haben die guten Freunde weggefressen, Geschäftsberater unter versteckte Decken gejubelt und merkwürdige Manager sinnlos ausgegeben. Deshalb traut John dem Apple-Konzern nicht mehr. Er will mit Yoko etwas Eigenes machen, will auch das Geld behalten. Aus diesem Grund wird die ›Bag Productions‹ gegründet, eine Firma, die sich nur um John Lennon und um Yoko Ono kümmern soll, um deren eigene Aktivitäten. Schließlich machen sie einen Film nach dem anderen und wollen eigentlich auch ganz, ganz groß ins Plattengeschäft einsteigen. Der Film ›Rape‹, den John macht, ist ein Reinfall. Selbst als John und Yoko die Pressekonferenz zur Premiere im roten Salon des Wiener Hotels Sacher mit einer Merkwürdigkeit würzen: Sie erscheinen in einem weißen Sack und verkünden: »Jeder, der in diesem Sack steckt, kann frei sprechen, ohne daß ihm die anderen den Mund verbieten.« Es verbietet ihnen niemand den Mund – aber ›Rape‹ stößt –94–
auch nicht gerade auf die Gunst der Kritiker. Auch der nächste Film, ›Apotheosis‹, wird nicht gerade akzeptiert. Und die Beatles, die einstmals so fest zusammengehalten hatten, auf dem Weg nach oben – das Geld und die Macht und die Eigenständigkeiten der einzelnen verdrehen ihnen den Kopf, verdrängen jede vernünftige Beziehung zueinander. Auch in der Musik ist es so. Da gibt es Streit und Kampf: Paul McCartney will bei jeder Platte auf der A-Seite sein und verweist die anderen, auch Johns gute Songs, auf die B-Seite. Das Zerwürfnis zweier Freunde, Paul McCartneys und dieses Menschen, der eigentlich zu jedem Freund gestanden war, jenes John Lennon – dieses Zerwürfnis wird endgültig. Es kann nicht mehr repariert werden. John beginnt zu überlegen, wie er sich von den Beatles trennen kann. Er überlegt nur, er tut noch nichts. Wenn es auch tief in ihm sitzt, daß nicht seine Musik gemacht wird, seine Musik gespielt wird, die er entwickelt. Diese experimentelle, neue Musik – Paul McCartney, der Stärkste in der Gruppe, will nichts davon wissen. Er setzt durch, daß man bei der alten Tradition bleibt, und ›Maxwells Silver Hammer‹ und ›Ob-LaDi, Ob-La-Da‹ erscheinen. Songs, die John Lennon aus seiner tiefsten Seele haßt und die ihn in seiner Meinung bestärken: »Es muß endlich Schluß gemacht werden mit den Beatles. Wir sind eine tote Band.« Aber John Lennon, der einst diese Gruppe gründete, der der Urvater der Beatles ist – er hält sich zurück, er hat noch einen winzigen Funken Hoffnung, daß die Beatles doch wieder zusammenfinden, daß sie so hart arbeiten wie am Anfang, um eine neue Musik zu entwickeln. Neue Musik in einem Stil, den John Lennon gern haben möchte: avantgardistische Musik. Oft drückt John eine tiefe Depression über den beginnenden Verfall in Liedern aus, wie zum Beispiel in ›Cold Turkey‹: –95–
»Die Temperatur steigt, das Fieber ist hoch. Ich kann keine Zukunft sehen, ich sehe keinen Himmel, Meine Füße sind zu schwer, genauso wie mein Kopf.« Und zum Schluß: »Ich wünschte, ich wäre ein Baby.« Und als Alternative: »Ich wünschte, ich wäre tot.« Es ist schwer, furchtbar schwer, sich von seiner Vergangenheit zu lösen ... Für seine Umwelt ist John während dieser Periode kaum zu ertragen. Tagelang schließt er sich in seinem Zimmer ein. Niemand darf zu ihm, selbst Yoko Ono nicht. Und von drinnen hört man nur die Schritte, gedämpft durch den dicken Teppich. John läuft hin und her. Keine Chance mehr für die Beatles? Keine Chance mehr für ihn, seine neue Musik durchzusetzen? Dann kommt der 12. September 1969. Im Apple-Büro klingeln wie üblich die Telefone wie verrückt. John erreicht ein Anruf aus Toronto, aus Kanada. »Wenn du willst, kannst du beim größten Rock ’n’ RollRevival-Festival der Welt mitspielen«, erklärt ihm der Manager aus Toronto. John überlegt. Nicht lange, zehn, zwanzig Sekunden. »Ja«, sagt er dann. »Ich komme mit einer neuen Band.« Ist das wirklich die innerliche Loslösung von den Beatles? Denn diese Band, die John Lennon angekündigt hatte sie existiert nicht. Nicht ein einziges Mal haben sich Musiker zusammengefunden, um zusammen zu proben, um Johns neuen Stil für die begeisterten Massen und Fans umzusetzen. »Ich werde meine neue Gruppe ›Plastic-Ono-Band‹ nennen«, verkündet er einem Mitarbeiter. »Und wer soll spielen? Und was willst du spielen?« Bange Fragen von Freunden. Eric Clapton, Klaus Voormann und Alan White werden –96–
alarmiert. ›Alarmiert‹ ist das richtige Wort – denn dieses Festival soll schon am nächsten Tag in Toronto stattfinden, und alle, die dort mitspielen sollen, sind noch in London. Mit einer überwältigenden Begeisterung, als wisse er, daß ein neuer Anfang zu machen ist, daß er jetzt seine eigene Musik verwirklichen kann, ohne in den Erfolgssongs der Beatles gefangen zu sein – mit einem solchen mitreißenden Eifer macht sich John Lennon an die Arbeit. Er arbeitet die ganze Nacht hindurch. Und geht dann zu Yoko nach Hause. Es ist zehn Uhr, am 13. September. Die herbeigerufenen Musiker, die in einer neuen Gruppe spielen sollen, eben in jener ›Plastic-Ono-Band‹, sind vollzählig auf dem Flughafen versammelt. Nur zwei fehlen. Das sind John Lennon und Yoko Ono, seine Frau. Hat John in letzter Minute Angst bekommen? Ist denn sein unbändiger Wille, seine Ideen, seine Musik durchzusetzen wie er es einst in Hamburg getan hatte –, erloschen? Das Flugzeug nach Toronto fliegt ab. Ohne die Band, ohne John Lennon und Yoko Ono. Die Taxis rasen vom Flughafen in das Haus von John Lennon. Es ist verschlossen. Ein Hausangestellter öffnet erst nach eindringlichem Läuten. »Die beiden schlafen noch«, sagt er. Die Musiker eilen zur Schlafzimmertür, klopfen erst leise, dann laut und herausfordernd. Schließlich kommt John heraus, verschlafen, müde, unrasiert. »Ich will nicht«, sagt er. »Und meiner Frau – der geht es auch nicht sehr gut.« Er will die Tür wieder hinter sich schließen, als ihn der Mitarbeiter darauf aufmerksam macht: »Wir können doch auch ein späteres Flugzeug nach Toronto nehmen. Es geht noch der Flug Air Canada 124. Das ist in zweieinhalb Stunden.« –97–
Und da geht eine Veränderung in John vor. Sein Gesicht, vorher eingefallen, wird plötzlich lebendig. Er lächelt, ruft nach Yoko. Mit einer Geschwindigkeit, wie man es selten bei John Lennon gesehen hat, beginnt er zu packen. Sie erreichen den Flug 124. Und Eric Clapton, Klaus Voormann, Alan White sind auch dabei. Hoch über den Wolken, zehntausend Meter über der Erde, fangen sie leise das erstemal an zu proben, die neue ›Plastic-Ono-Band‹. Leise zuerst, dann lauter erklingen ›Blue Suede Shoes‹, ›Money‹ und noch einmal, mit neuer Besetzung, Johns Erfolgslied ›Give Peace A Chance‹. Das Zusammenspiel klappt nicht so recht, und John Lennon gibt zu: »Ich habe Angst, unheimliche Angst vor diesem Auftritt in Toronto.« Angst? Das erstemal seit Jahren spielt er mit neuen Leuten, die bisher nicht zusammengearbeitet haben. Das erstemal seit Jahren spielt John ohne die anderen, ohne Paul McCartney, ohne George Harrison, ohne Ringo Starr. Kann denn das gutgehen? In Toronto hat sich inzwischen herumgesprochen, daß John Lennon ›live‹ auftreten wird. War bisher der Kartenverkauf für das größte Rock ’n’ Roll-Festival Kanadas schleppend gewesen, gar nicht so gut – plötzlich, während John mit seinen Leuten und mit Yoko über den Wolken probt, stürmen die Fans die Kassen. Als die Maschine landet, warten Tausende von Anhängern auf dem Flughafen, um lärmend mitzuteilen: »John, wir mögen dich!« Und sie spielen, die Neuen. Sie spielen ›Money‹, sie spielen ›Blue Suede Shoes‹. Sie können ihre Kehlen, trotz der Verstärker und Mikrofone, gar nicht so anstrengen, als daß sie die begeisterten Schreie der Fans übertönen, wenn sie ›Give Peace A Chance‹ spielen. Die neue Band hat gesiegt, John Lennon ist oben. Ohne die Beatles! Dieser Erfolg stärkt ihn in den kommenden Monaten. Aber –98–
nur vorübergehend. Oft ist John so deprimiert, daß er alles stehen und liegen läßt, sich wieder einmal irgendwo einschließt und nicht ein einziges Wort zu Papier bringt oder auf dem Klavier oder der Gitarre ein paar Takte spielt ... So geht es bis zum April 1970. Eigentlich ist John bereit, sich von den Beatles zu lösen – aber er will nicht der ›böse Junge‹ sein, er hält zu den anderen: Es sind doch schließlich seine Jungs, mit denen er zusammen seinen Erfolg aufgebaut hatte. Aber da sind die Geschäfte – Geschäfte, Geldgeschäfte, von denen John nichts versteht und mit denen er wieder einmal mit Paul McCartney in Streit gerät. John ist nun verändert. Bei einem Aufenthalt auf einem einsamen Farmhaus in Dänemark hat er einen Entschluß gefaßt: Er ist zum Friseur gegangen, hat sich die berühmten langen Pilzkopfhaare abschneiden lassen. Stachelhaarig nun sein Haar, ein veränderter John – die Andeutung der seelischen Trennung von den Beatles. Und sie kommt, als Paul McCartney und John aneinandergeraten. Paul ist es, der kündigt. »Ich höre auf«, ruft er John im April an. »Ich mag die ganze Sache nicht mehr, ich mache jetzt eine eigene Band.« John ist zuerst schweigsam, sinkt während dieses Anrufes in seinem Sessel zusammen, legt die Hand auf die Stirn und läßt Paul reden. Paul McCartney ist hart mit ihm. »Daß die Beatles auseinandergehen, ist Yokos Schuld«, sagt er. »Mit Cynthia wäre das nicht passiert.«
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John Lennons erste Frau Cynthia Johns Ehe mit Cynthia, geborene Powell, ist das bestgehütete Geheimnis der Beatles. Manager und ein Heer von Agenten verhindern es immer wieder, daß John mit seiner Frau zusammen fotografiert wird, versuchen, jede Meldung über die erfolgte Heirat zu unterdrücken. Denn John ist ein Idol geworden; seine wilde, alle bisherige Vorstellung von Melodien durchbrechende Musik macht ihn zu einem Gott der Teenager. Und die wollen das Gefühl haben: ›Dieser Star gehört mir, ich kann ihn noch bekommen.‹ Ein verheirateter ›Oldie‹ ist nicht so attraktiv. Cynthia muß ständig im Hintergrund bleiben ... Dabei ist das Mädchen aus Liverpool einmal Johns Traum gewesen. Vom ersten Augenblick an als er sie in der Kunstakademie von Liverpool kennenlernt – sie gehen nahe an sich heran, weil beide kurzsichtig sind – ist ihm das Mädchen so wichtig wie ein Besitz jenseits des Mersey. Der Mersey ist der Fluß, der Liverpool in zwei Teile schneidet. Nicht bloß ein dreckiger, schmutziger Fluß – er teilt auch reich und arm, Erfolgreiche und Roboter, die von denen jenseits des Mersey gelenkt werden, die für sie arbeiten und für sie schuften. Es ist für John wichtig, Cynthia Powell zu haben, zu besitzen. Nach einem Fest auf der Kunstakademie begleitet John Cynthia nach Hause. Eigentlich soll beider Weg zurück über den Mersey führen, hin in die elterlichen stattlichen Anwesen der Powells. Aber John schafft es, Cynthia mit zu sich zu nehmen, auf seine Seite des Flusses ... Sie verbringen die Nacht miteinander – so wie jeden Tag Hunderttausende von Paaren auf der Welt, die sich eben kennengelernt haben, die Nacht miteinander verbringen. Jeder glaubt in diesem Moment, voller Liebe und Hingabe zu sein – –100–
und das Erwachen am anderen Morgen ist bitter, enttäuschend und manchmal auch schal. In dieser Nacht geschieht es: Cynthia wird schwanger. Die Familie Powell, jenseits des Mersey ansässig, ist konservativ. Eine Abtreibung, selbst wenn das Kind von einem der anderen Seite stammt, kommt nicht in Frage. Die Familie Powell braucht noch nicht einmal sanft zuzureden: John ist fest entschlossen, Cynthia zu heiraten. Die Familie, die nichts von seiner Musik versteht, die diesen unbändigen ›Mersey-Beat‹ ablehnt, drängt Lennon zur Heirat. Sie müssen sich nicht lange bemühen. Eine von der anderen Seite zu heiraten – das ist für John die Bestätigung: ›Ich habe es geschafft.‹ Das Kind in Cynthias Leib ist noch keine vier Wochen alt, als John Lennon am 23. August 1962 aus Cynthia Powell eine Cynthia Lennon macht. Vor dem Standesamt von MountPleasant rattern die Preßlufthämmer, als John mit seiner Braut vor den Standesbeamten tritt. Sie rattern, hämmern so stark, daß die Möbel erzittern und keiner ein Wort verstehen kann. Der Standesbeamte muß das ›Ja‹ , das von beider Lippen kommt, ablesen; hören kann er es nicht. John Lennons Sohn Julian wird am 18. April 1963 im SeftonGeneral-Hospital geboren. Ein fremdes Etwas für John, mit dem er nichts anfangen kann. Ein Kind, das für ihn, den 22jährigen, etwas Neues ist, aber zu dem er keine Beziehung hat, genausowenig wie zu Cynthia. Er hat sie nun einmal geschwängert, hat sie nicht sitzenlassen und sie geheiratet. John ist jetzt Vater. Aber sein Leben verändert sich nicht, es wird von der Musikszene bestimmt, von der Musik selbst, von der Suche nach neuen Kompositionen. Da stören Cynthia und Julian. Es kommt zu unerfreulichen Szenen: Einmal schlägt Cynthia John, ein andermal schlägt John Cynthia. Sie schreien und giften sich an – um sich dann in der nächsten halben Stunde wieder –101–
zärtlich in die Arme zu fallen, ewige Liebe zu schwören und miteinander zu schlafen. Aber die Szenen in der Ehe werden immer häßlicher nicht zuletzt durch LSD. »Du mußt es unbedingt erleben, du mußt es nehmen«, beschwört John seine Frau. Cynthia, die junge Mutter, läßt sich überreden, diese erbarmungslosen Tabletten zu schlucken, Hölle und Himmel zugleich auf Erden zu erleben. Und dann immer wieder der Streit, Johns Wutausbrüche, wenn er mit Kompositionen und Texten nicht weiterkommt, wenn vor seinem Kopf irgendwo die unsichtbare Mauer steht, gegen die er tausendmal anrennen kann, ohne daß er einen Schritt auf die andere Seite machen kann. Cynthia ist ein Stück in Johns Leben, das nie richtig zu ihm gehört, obwohl Cynthia nun weitaus reicher ist als ihre Familie auf der anderen Seite des Mersey. Die Beatles sind auf dem Weg nach oben. Jeden Tag werden in aller Welt von ihnen Zehntausende von Platten verkauft. Das Geld klingelt in der Kasse. Eigentlich Glück ... Aber da ist der unzufriedene John, der immer nach anderen Frauen sucht, der sich mit verflossenen und zukünftigen Freundinnen prügelt, der sich mit Frauen und Mädchen einläßt, die ihn eigentlich gar nicht mögen oder die er nicht mag. Cynthia duldet solche Seitensprünge, zähneknirschend, widerwillig. Aber sie glaubt, ihrem Mann eine gewisse Freiheit geben zu müssen. Für Seitensprünge, keine festen Liebschaften. Sie weiß noch nicht von einer kleinen Japanerin namens Yoko Ono, die jetzt in London eine Ausstellung macht. Sie bekommt es erst mit, daß John mit dieser seltsamen Frau, die aus einer anderen Welt zu kommen scheint, etwas haben muß, als Yoko Ono Tag für Tag am Eingang zur Villa der Lennons in –102–
Weybridge klingelt. Oft läßt Cynthia die Japanerin von der Haushälterin Doe abwimmeln – aber sie kommt durch zu Johns Studio. Ein bißchen unsicher ist sie schon, Cynthia Lennon, geborene Powell, als sie zum Urlaub nach Griechenland fährt. Und als sie zurückkommt, nichts ahnend, die Koffer vom Chauffeur vorausgetragen, sieht sie zierliche Pantöffelchen vor der Tür ihres Schlafzimmers. Japanische Pantöffelchen ... Cynthia verläßt auf der Stelle das Haus, flieht vor ihrem Mann und seiner Freundin und reicht die Scheidung ein. Am 8. November 1968 wird die Scheidung ausgesprochen. Cynthia hat geklagt und als Grund dafür ›Ehebruch‹ angegeben. Zuerst streitet John alles ab: Er hat mit Yoko Ono nie etwas gehabt. Später aber gibt er nach, nimmt die Schuld auf sich und zahlt Cynthia nach der Scheidung einen hohen Unterhalt. Und Cynthia stürzt sich in Eheabenteuer. Vielleicht will sie zeigen, daß sie eine eigenständige Persönlichkeit ist. So heiratet Cynthia den Hoteliersohn Roberto Bassanini. Scheidung. Danach heiratet sie den Ingenieur John Twist. Einen ruhigen Menschen, der keine Musik macht und auch nicht der Musik verhaftet ist. Aber an John Lennon muß sie immer noch denken, und sie veröffentlicht 1978, fast zehn Jahre nach ihrer Scheidung, ein Buch, in dem sie Szenen ihrer Ehe mit John Lennon beschreibt. Ein offenes Buch, vernichtend für John – und kein Ton darin über das Mitleiden mit einem Künstler. Als das Buch erscheint – zwei Jahre vor Johns Tod beauftragt John Lennon sofort seinen Anwalt, Richard Hartley, gegen die Veröffentlichung Einspruch zu erheben und das Buch verbieten zu lassen. Das Gericht ist dagegen. »Weder Herr noch Frau Lennon hatten viel Respekt vor der Ehe«, erklärt Richter Lord Denning seine Ablehnung. So bleibt es bei diesem Buch, offen und ehrlich, aber von einer Frau –103–
geschrieben, seiner, John Lennons Frau, die in diesem John Lennon nur den normalen, unduldsamen, alkoholsüchtigen, rauschgiftsüchtigen, manchmal brutalen Ehemann sieht. Nicht den sich quälenden Musiker, der immer bessere, immer mehr unter die Haut gehende Hits aus seinem Kopf herauspreßt. Dieses Verständnis findet John bei Yoko Ono.
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John Lennons Krieg mit der US– Regierung Was ist mit John Lennon los? Eben noch war er der ›sanfte, verrückte junge Mann aus der Nachbarschaft‹, wie ihn eine amerikanische Zeitung titulierte. Wochenlang hat er mit Yoko Ono im Bett gelegen, hat Frieden, Gewaltlosigkeit, ein friedfertiges Füreinander und Miteinander gepredigt. Mit aller Aufbietung seiner Kräfte, mit allem Einsatz seiner Persönlichkeit. Und jetzt? Am 12. März 1970 erscheint seine Single ›Power To The People‹, ›Die Macht für das Volk‹. Schon das Titelfoto der Platte zeigt, daß die Welt es mit einem anderen John Lennon zu tun hat, einem militanten, einem radikalen: Auf der Platte sind John Lennon und Yoko Ono in japanischen Straßenkämpferanzügen abgebildet, wehrhaft, angriffslustig anzusehen. John verlangt in dem von ihm komponierten Song die Macht für das Volk, gibt eine Absage an alle Regierungen, fordert Revolutionäres. »Ich habe gesehen, daß wir alle unterdrückt werden, und deshalb möchte ich etwas dagegen tun«, interpretiert er seine neue Haltung. Und ergänzt: »Obwohl ich mir nicht sicher bin, wo ich dabei stehe. Mir geht die Situation der Arbeiterklasse sehr nahe, muß man ihnen ihre Lage unbedingt klarmachen. Sie träumen nur den Traum der anderen, noch nicht einmal ihren eigenen. Sie sollten einsehen, daß sie nach den Schwarzen und Iren die nächsten sind, die unterdrückt werden. Wenn sie sich das klarmachen, können wir mit der Arbeit anfangen, vielleicht mit Aussicht auf Erfolg.« Er gibt sich wirklich ganz, ganz anders, dieser John Lennon. Die Friedensidee hat ihm keinen großen Erfolg gebracht; John Lennon aber ist ein Kämpfer, ein Vorwärtsstürmender. Und er will sehen, daß seine Worte, daß sein Einfluß auf eine –105–
Generation etwas bewirkt. »Ohne Kampf kommt man nicht an die Macht«, erklärt John Lennon seine neue Haltung. »Weil sie, wenn es zu dem ganzen Hickhack kommt, das Volk nicht an die Macht lassen werden. Sie bekommen nur das Recht, nach ihrer Pfeife zu tanzen, aber keine wirkliche Macht.« Ist es das Erkennen der Hoffnungslosigkeit, mit solchen verrückten bedins die Welt zu ändern? John sagt: »Ja.« Die Platte erregt Aufsehen. Aber nicht wie einst bei den Beatles, nicht wie John Lennons eigene Platten. Sie erregt politische Reaktionen. ›Hier singt ein extremer Linken, schreibt eine Londoner Zeitung. ›Ein Kommunist.‹ Aber nicht doch! John Lennon ist kein Kommunist geworden. Er ist, dreißig Jahre alt, in eine andere Phase seines Lebens eingetreten. Er glaubt nun fest daran, daß das Volk sich wehren muß, um die Regierenden zu zwingen, friedlich, friedfertig zu sein und die Welt nicht ins Unglück zu stürzen. Er möchte nicht, daß immer, in jeder Phase seines Lebens die gleichen Leute am Ruder sitzen, die jeweils ihr Mäntelchen in den Wind hängen, mal militärisch mit dem Fuß auftreten, mal sich mit gutmütigen Falten im Gesicht als Vaterfigur der Nation geben, diese Politiker, die John Lennon haßt. Die Platte bringt Ärger. Nicht nur die Vorderseite mit der Forderung nach Macht fürs Volk, sondern auch die B-Seite, wo es heißt ›Open The Box‹. Die Behörden in England lassen sich dieses ›Open The Box‹ dutzende Male vorspielen, sehen darin zwar einen Verstoß gegen die Moral. Aber – sie reagieren nicht. Reagieren tun die amerikanischen Behörden. ›Power To The People‹ ist ihnen zu kommunistisch und ›Open The Box‹ zu unmoralisch. John fordert in seinem Song die freie Liebe, fordert Menschen auf, sich zu lieben, wann immer sie wollen und wer wen will – –106–
um die Welt frei und glücklich zu machen. Und er meint nicht nur die Liebe, die ein Bruder einer Schwester entgegenbringt, eine Mutter ihrem Sohn – sondern die hingebungsvolle, körperliche Liebe, die alles befreiende. Die Platte wird in Amerika beschlagnahmt. Das ausgerechnet in jenem Augenblick, wo sich John und Yoko entschlossen haben, dem kleinen England zugunsten Amerikas ›Good bye‹ zu sagen. Sie wollen nach New York, wo Yoko einst fünfzehn Jahre lebte, bevor sie nach London kam. In ein New York, das John Lennon wegen seiner Großherzigkeit, seiner Freizügigkeit liebt. Und das er mag, weil er unbeachtet durch die Straßen gehen kann. Er darf seine Sonntagszeitung unbehelligt am Kiosk kaufen, ohne daß ihm die Fans nachstürmen. New York, das ist das Ziel Yoko Onos und John Lennons. Sechs Wochen nachdem die anstößige Platte erschienen ist, reisen sie nach New York ab. »Für uns kommt bloß Greenwich Village in Frage«, entscheidet John. Beide mieten in diesem Künstlerviertel New Yorks eine Wohnung, fühlen sich dort sofort wohl. »New York ist ganz fantastisch«, schwärmt John. »Auf dieser kleinen Insel von Manhattan herrscht eine unglaublich kreative Atmosphäre, wie man so schön sagt, es gibt einfach nichts in New York, was es nicht gibt. Ich liebe diesen ganzen Rummel nicht um mich herum, ob das Cheeseburger oder die vielen Fernsehprogramme sind. Sicher findet man hier in Amerika weitaus mehr Energie als anderswo. Ich glaube bestimmt nicht, daß es nur an der Größe des Landes oder an der Einwohnerzahl liegt. Die Amerikaner sind anders als andere Menschen, sie haben einfach mehr Energie.« Und er fügt als Liebeserklärung an Amerika und an sich selbst –107–
hinzu: »Amerika ist mehr meine eigene Geschwindigkeit.« Aber als zukünftige Bürger des ›freiesten Landes der Welt‹, wie sich Amerika nennt, wollen John Lennon und seine Frau auch etwas zu sagen haben. John fühlt sich nicht nur als Musiker, als Künstler. Sondern als einer, der verändern, formen, Meinung bilden kann. Er, der in seiner Jugend auch einer war, der nur in einem gewissen Spielraum, in Schranken eingeengt, seine Rechte als Mensch wahrnehmen konnte, er protestiert das erstemal in Syracuse für die Indianer. Jener Volksgruppe, die in Amerika heute noch schlechter behandelt wird als Neger, die keine Bürgerrechte besitzt, denen das Land weggenommen wurde und noch weggenommen wird und die an der Zivilisation des gelobten Amerika zugrunde gehen. John protestiert dagegen. Es ist der zweite Ärger. Die Administration des Präsidenten Nixon wird auf John aufmerksam. Nicht daß man ihn nicht schon vorher kannte und ihm mit einem unbehaglichen Gefühl im Rücken die Einreise nach Amerika gestattete. Aber jetzt will er bleiben. Dieser Mann, er hat die Kraft und die Stärke, er hat die Überzeugungskraft, ist ein Künstler, der die Jugend auf seine Seite ziehen kann, der die ständig laufenden Protestdemonstrationen gegen den Krieg in Vietnam noch unterstützen wird. Ein Feind für das amerikanische Establishment. Der mit ›Power To The People‹ nicht eine Entgleisung begangen hat, sondern die auch noch untermauert: Am 1. Dezember kommt eine neue Platte von John Lennon heraus. Harmlos ist die Vorderseite: ›Happy Xmas‹ – ›Fröhliche Weihnachten‹. Warum soll ein Musiker nicht eine solche Platte machen, gerade in dieser Zeit? Aber die Rückseite ist Sprengstoff: ›War Is Over‹, ›Der Krieg ist vorbei‹, heißt es. Es ist eine gute Platte. John und die ›Yoko Ono Plastic Band‹ haben sich mit dem Gemeindechor –108–
von Harlem zusammengetan, um dem amerikanischen Volk, der Welt nicht nur ›fröhliche Weihnachten‹ zu wünschen, sondern auch die Sehnsucht nach dem Satz ›Der Krieg ist vorbei‹ auszudrücken. Ausgerechnet mit dem Gemeindechor von Harlem, jenem aufrührerischen Viertel in New York, das fast nur von Negern bewohnt wird ... Die Regierung Nixon schaltet sich offensiv ein, um John Lennon vom Hals zu kriegen. ›Schmeißt Lennon raus!‹ Kurz und bündig ist die Anweisung Präsident Nixons an seinen Beamtenapparat. Der mächtigste Mann der Welt, wie er sich gern nennen läßt, bekommt Angst vor der Kraft und Macht eines Kellerkindes , der für die Indianer ist und gegen den Vietnamkrieg, für die Rechte der Frauen und gegen die Rüstung. Nur ein einzelner Mensch, der offen seine Meinung ausspricht – aber dessen Faszination, so ängstigt sich der Präsident, ihn an die Spitze einer inneramerikanischen Opposition stellen könnte. Es ist wirklich lachhaft. John Lennon, der immer lediglich das in die Welt hinausschreit, was ihn gerade bewegt, ob es seine eigenen Probleme sind, die Probleme mit den Beatles oder mit Yoko, mangelnde Liebe – oder auch Politik –, er, der Anteil nimmt an der Welt, soll plötzlich zu einer Gefahr für die Vereinigten Staaten von Amerika geworden sein! Aber der Fingerzeig des Präsidenten genügt. Mächtige Leute nehmen den Kampf gegen John Lennons Anwesenheit in Amerika auf. Das geht los mit Johns Verbindungen zur ›Linken‹ in Amerika. Im Januar legt ein Senatsausschuß dem Senator Thurmond einen Akt vor. ›John Lennon‹ steht darauf. »Es ist doch wohl einwandfrei erwiesen, daß John Lennon zu den Kommunisten in diesem Land gehört«, erklärt eines der Senatsmitglieder und weist auf einen der sechs Absätze in diesem Papier. Dort steht, daß John Lennon sich mit einigen Menschen getroffen hat, die dem amerikanischen Regime nicht –109–
liegen. Die Administration nimmt ihren Kampf gegen John Lennon auf, mit all den Finessen und Tricks im Rahmen des Gesetzes. Sofort wird John Lennon zu den extremen Linken gezählt, jedenfalls in den Dossiers der Regierung. ›Diese Gruppe steht auf seiten derer, die sich zum Programm gemacht haben, Präsident Nixon zu bekämpfen. Ihre Rockkonzerte, die in verschiedenen Wahlbezirken gegeben werden sollen, haben nur ein Ziel, den Zugang zu den Universitäten zu erreichen, die gesetzliche Freigabe von Marihuana zu erwirken und diverse Operationen finanzieren zu können und Leute zur Teilnahme am Nationalkonvent der Republikanischen Partei in San Diego anzuheuern.‹ Eine solche Einschätzung ist ein gefundenes Fressen für Senatoren und Beamte. Eigentlich müßte John Lennon stolz sein, daß er so viel Aufmerksamkeit erregt, daß sich ein ganzes Beamtenheer damit beschäftigt, ihn wieder außerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten zu bekommen. Aber er will doch in Amerika, in New York bleiben! Am 6. März 1972 wird die beantragte Genehmigung auf Verlängerung seines Visums widerrufen. Und höhnisch fügt Sol Marks, der Leiter des New Yorker Einwanderungsbüros, seinem Brief an John hinzu: ›Wir gehen davon aus, daß von Ihrer Seite keine Absicht auf Einreise besteht.‹ Sie besteht doch. Aber John weiß noch nicht, daß dieses nicht nur ein Kampf der Bürokratie gegen ihn ist – sondern daß dieser Kampf auch auf anderen Ebenen ausgetragen wird. John wird ständig beschattet, von Beamten. Sein Telefon ist ›verwanzt‹, wird abgehört. Ein halbes Dutzend Beamter lauscht jedem Gespräch, welches John von seinem Apparat aus führt. Sie überwachen jeden der Schritte, die –110–
Yoko und er tun – aus Angst, John Lennon könne den amerikanischen Präsidenten Nixon stürzen. Es gibt aber auch Amerikaner, die John Lennon helfen. Prominente Amerikaner, wie der New Yorker Bürgermeister John Lindsay, der am 29. April 1972 fordert: »Laßt doch John Lennon in Ruhe. Er soll hier als Bürger leben – ohne verfolgt zu werden.« Es ist vergebens. Schritt für Schritt suchen die Nixon treu ergebenen Beamten, John Lennon aus dem Land zu treiben. Es nützt auch nichts, daß er unter Beweis stellt, daß er kein ausschließlicher Revoltierer ist, einer, der Krach um jeden Preis machen will, sondern sich als Bürger fühlt, der auch für andere Bürger verantwortlich ist und etwas für sie tut. Wie am 30. August 1972. Da gibt er zwei Wohltätigkeitskonzerte für geistig behinderte Kinder. John Lennon und Yoko kommen gemeinsam. John singt außergewöhnlich kraftvoll, und die Band ›Elephant’s Memory‹ begleitet ihn. Ein Jubel ohnegleichen – und 1,5 Millionen Dollar für den Bau von Heimen für geistig behinderte Kinder – die gesamte Gage. Handelt denn so ein Mensch, der die Regierung stürzen will? Von dieser Geste lassen sich die Beamten nicht beeindrucken. Inzwischen haben die unbekannten, anonymen Fahnder der Verwaltung jedoch umgeschaltet: Sie nehmen nicht mehr Johns Engagement gegen den Krieg und für die Indianer, für die Schwarzen, für die Frauen zum Anlaß, ihn des Landes zu verweisen. Grund dafür ist jetzt die Verurteilung in England. Damals, als er wegen 219 Körnern Cannabis zu einer Geldstrafe verdonnert wurde. ›Als Vorbestrafter haben Sie kein Recht auf die Einreise‹, schreibt die Administration, und im März 1973 bekommt John abermals die Aufforderung: ›Verlassen Sie sofort das Land!‹ John Lennon will nicht. Und er gibt später zu, daß er furchtbar –111–
Angst gehabt hat, Amerika wirklich verlassen zu müssen, und aus der Furcht heraus manche Dinge getan hat, die ihm eigentlich gar nicht liegen. So ist auch der Brief zu verstehen, den er an das Einreisebüro schreibt: ›Da wir gerade unseren vierten Hochzeitstag gefeiert haben, sind wir nicht bereit, in getrennten Betten zu übernachten. Frieden und Liebe, John und Yoko.‹ Das ist die ganze Antwort auf ein gigantisch aufgebautes Unternehmen, John Lennon des Landes zu verweisen. Das Abhören seines Telefons, die tägliche und stündliche Verfolgung sind inzwischen abgestellt worden. Denn John hat etwas spitz bekommen. Und er hat, wie es seine Art ist, öffentlich dagegen protestiert – in der Dick Cavett Show. Gerade ist eine Single ›Die Frauen sind die Neger der Welt‹ (›Woman Is The Nigger Of The World‹) herausgegeben worden, werden John Lennon und Yoko gemeinsam zur Dick Cavett Show, einer außerordentlich populären Fernsehsendung, eingeladen, mit dem üblichen Interview. »Ich protestiere dagegen, daß ich im freiesten Land der Welt verfolgt werde, daß mein Telefon abgehört wird«, erklärt John vor Millionen von Fernsehzuschauern. Die Spione und Agenten kehren in ihre Schlupflöcher zurück, aber der Kampf Präsident Nixons und seiner Vasallen, John Lennon aus Amerika herauszubekommen, ist noch nicht zu Ende. 18. Juli 1974: ›Sie haben das Land innerhalb von 60 Tagen zu verlassen‹, steht in einem eingeschriebenen Brief, den John bekommt. Absender ist das amerikanische Justizministerium. John wehrt sich. Er muß Rechtsanwälte nehmen, klagt gegen die Regierung, die sein Telefon abhört, die ihn schikaniert. »Es geht nicht um Geld, sondern um eine Idee. Wenn mein Rechtanwalt der Meinung ist, etwas zu tun, dann tue ich etwas. Wenn nicht, halte ich mich ganz da heraus. Aber ich bleibe optimistisch, und ich bleibe hier. Die können veranstalten, was –112–
sie wollen. Ich bleibe hier.« Eine Schlappe müssen die Behörden einstecken. Denn das Ausweisungsverfahren, das Bemühen, Amerika ›sauber‹ zu halten, läuft auch gegen Yoko Ono. Jetzt stellen die trägen Beamten fest, daß gegen Yoko eigentlich gar nichts vorliegt, daß sie auch in London nicht wegen der Rauschgiftsache verurteilt worden ist. Sie reden sich jetzt darauf hinaus, daß die Visen von Yoko Ono und John Lennon lediglich abgelaufen seien. Eine letzte Mahnung: ›Verlassen Sie das Land bis zum 8. September 1974‹, fordert die Einwanderungsbehörde. John lehnt ab. Er hofft immer noch ein wenig auf Gnade, Gnade von der britischen Königin, die ihm einst einen Orden verliehen hat. Er bittet Elizabeth II., ihn zu begnadigen, sein Urteil aus den Akten zu streichen, um der amerikanischen Bürokratie keine Möglichkeit mehr zu geben, ihn des Landes zu verweisen. Die Königin aller Briten ist immer noch nicht so gut zu sprechen auf John Lennon, der ihr den einst verliehenen Orden zurückschickte. Sie reagiert nicht. Sie weiß nicht, daß John nicht nur um seinen Verbleib in Amerika kämpft. Die ständigen Querelen mit den Behörden, die Vorladungen, die Prozesse, das Reden darüber – sie haben die Beziehung zwischen Yoko Ono und John Lennon nicht nur belastet, sondern strapaziert.
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John Lennons Trennung von Yoko Ono Er ist schon merkwürdig, dieser Oktobertag. Ein Himmel zum Greifen nahe über den Dächern. Und dazu ein Regen, den man weder sehen noch hören, nur fühlen kann. Drückend die Luft. Einer jener Tage, in denen in New York viele Menschen freiwillig den Tod suchen. Ist es eine solche Sehnsucht, die John Lennon ergreift? Oder ist es Yoko Ono, die mit John nicht mehr will, die seine Stimmungen nicht mehr ertragen kann? Niemand weiß es später, weder Yoko Ono noch John Lennon, wer wen vertreibt oder wer vertrieben wurde. »Ich ging weg, um Kaffee und Zeitungen zu holen und kam nicht mehr wieder«, schildert John seine Haltung. »Die Frage ist nicht, wer Schluß gemacht hat, die Sache an sich ist auseinandergegangen, ohne daß wir es beide merkten. Und schließlich konnten wir uns gar nichts mehr sagen.« John jedenfalls ist es, der geht. Mit einem kleinen Koffer, der nur das Notwendigste enthält. Wortlos, ohne große Abschiedsworte, als handle es sich um eine Alltagsreise. »Ich gehe«, sagt John nur. Er verläßt die gemeinsame Wohnung, ohne seine Frau eines weiteren Wortes zu würdigen. Sind es die Einwanderungsquerelen, die ihn zu dieser einesteils lässigen, anderenteils überstürzten Handlung treiben? Oder entspringt dieser Schritt nur dem Problem zweier Menschen, die so dicht, so ständig intensiv aufeinanderhocken, daß keiner von ihnen mehr richtig frei atmen konnte? John Lennon verläßt Yoko Ono und fliegt nach Los Angeles, um eine wilde, harte Zeit zu beginnen. Eine harte Zeit, die bis zum 15. Januar 1975 dauern soll, über eineinhalb Jahre. Da ist Alkohol, da ist Rauschgift. Nicht nur Marihuana oder Cannabis, da sind Kokain und Heroin. Nur ab und zu erwacht John Lennon –114–
aus seiner Lethargie, schlägt eine kleine Lücke in sein besinnungsloses Leben. So an dem Tag, an dem seine Single ›Mind Games‹ erscheint, an diesem Tag ist er nüchtern und rauschgiftfrei. Auch am 2. November, als das Album ›Mind Games‹ von ihm und der Plastic U. F. Ono Band erscheint. Aber sonst ist in ihm nur diese Hemmungslosigkeit, der Versuch, andere Menschen zu kränken, zu beleidigen, was ihm schließlich auch am 3. März einen Hinauswurf aus dem berühmten Troubadour Club in Los Angeles einträgt. Dort spielen die Smother Brothers, eine durchaus nicht unbekannte Band. John Lennon sitzt in der vordersten Reihe, beleidigt die Musiker durch Zurufe, unterbricht ihr Spiel. Wie einer, der es geschafft hat, und anderen, die es noch nicht geschafft haben, die noch nicht an der Spitze sind, den Mut nehmen will. Es könnte eher so sein, als wolle sich John den Mut zum Leben selber nehmen. Auch wenn da Frauengeschichten sind. Ihn interessiert die Chinesin May Fang. 25 Jahre ist sie alt und schaut durch eine John nachempfundene, mit Stahlgestell versehene, Brille. Sie stellt sich willig den Fotografen, um sich von John öffentlich küssen zu lassen. Ist die Ära Yoko Ono zu Ende? John sieht schlecht aus. Er sieht aus wie ein Fünfzigjähriger, der ein Kind geblieben ist; ständig betrunken. Eine Flasche Brandy pro Tag und noch eine Flasche Gin braucht er. Dazu kommt noch das verdammt harte Rauschgift, dessen Wirkung ihn zu einem Clown für andere Menschen macht. Wahrscheinlich auch für May Fang, die in Amerika wohnende Chinesin, die John Lennon gebraucht, um selbst in der Öffentlichkeit zu erscheinen ... John Lennon läßt alles mit sich geschehen. Und es gibt noch seine unvorstellbaren Eskapaden, sagen die einen, Todessehnsucht die anderen. Er bestellt ein Taxi. Das Yellow Gab – wegen seiner gelben –115–
Farbe ein Spezialausdruck für Taxis – kommt. John setzt sich auf den Rücksitz, der Fahrer fährt los. »Wohin?« fragt er John. John nennt irgendeine Adresse. Der Fahrer schlängelt sich durch den dichtesten Verkehr. Dicht ist er – aber nicht stehend, sondern flüssig, sechsspurig auf den Straßen von New York. Plötzlich hört der Fahrer hinter sich ein Geräusch. Noch ehe er sich richtig umdrehen kann, verspürt er den Luftzug der sich öffnenden Tür; sein Fahrgast ist verschwunden. John Lennon hat sich einfach aus dem Wagen fallen lassen, liegt hilflos vor den Rädern der heranrollenden Autos, die ihm nur mühsam ausweichen können. Das ist nicht nur eine Episode, es geschieht mehrere Male. Wie durch ein Wunder, als ob irgend jemand schützend die Hand über ihn hielte, kommt er ohne jeden Kratzer, ohne jede Schramme davon. Fünf Monate dauert dieses Leben. Dann ruft er Yoko an. »Laß mich zurückkommen«, bittet er. Ist sie nun hart? Oder glaubt sie, daß John ausreifen, daß er sich so austoben muß, damit er verantwortungsbewußt und ohne dem Keim der todessehnsüchtigen Spinnerei zu ihr zurückkommt? »Es ist zu früh«, sagt Yoko. Sie legt auf. Immer öfter ruft John an, immer öfter bittet er sie: »Laß mich doch wieder zu dir kommen.« Härte? Yoko weiß von Johns Leben. Sie merkt, daß seine Eskapaden noch nicht abgenommen haben, und ihre Rede ist: »Nein! Nein, nein.« Ein bedenkenloser John Lennon, der sein musikalisches Genie in Alkohol ertränkt, der beste Kunde der Rauschgifthändler. Bis zum 15. Januar 1975 bleibt er, losgelöst von Yoko, praktisch auf der Straße. An diesem Tag, so wie John gegangen –116–
ist, kommt er wieder: Mit einem kleinen Aktenköfferchen, hohlwangig, unrasiert, ungepflegt und mit einer alten Lederjacke bekleidet. Als ob nichts passiert wäre, seit diesem Oktobertag des Jahres 1973, sagt er: »Hier bin ich wieder.« Und Yoko antwortet: »Ich freue mich.« Die Tür schließt sich hinter beiden. Die wilde Zeit des John Lennon ist vorbei. Es war eigentlich die verlorenste, die unproduktivste Zeit im Leben des John Lennon. Nach dem gescheiterten Versuch, mit dem Amerikaner Phil Spector eine Platte mit alten Stücken aufzunehmen, hat John wirklich nur herumgehangen. Viele Freunde waren um ihn herum – aber sein einziger echter Freund war der Alkohol. Er war ständig bei ihm, Tag und Nacht. Und wo Freund Alkohol ist, sind auch andere Freunde, die sich freihalten lassen. Es waren Dutzende, die sich aus der Tasche John Lennons Drinks bezahlen ließen. Eine unproduktive Zeit – bis auf die nach einer wirklich durchsoffenen Nacht mit dem Komponisten und Sänger Harry Nilsson. Sie sind beide total blau und hängen an der Theke des Clubs ›Lavel‹ von Los Angeles. Der zwölfte oder fünfzehnte Whisky steht vor ihnen. Und dann kommt der Morgen. Der graue, ernüchternde, harte neue Tag. »Hör mal«, sagt Nilsson. »Warum saufen wir eigentlich so viel? Wir könnten doch mal was tun. Wir könnten doch was produzieren.« John, der auch nicht mehr gerade gehen kann, ist einverstanden. So entsteht unter großen Schwierigkeiten die Platte ›Pussycats‹. –117–
Und unter welchen Schwierigkeiten! John kann, vergiftet durch Alkohol und Rauschgift, nicht mehr klar denken. Und immer wieder ist die Sucht da, der Drang, nach der Flasche oder nach Rauschgift zu greifen. Aber auf der anderen Seite – er will doch ›Pussycats‹ fertigbringen, es muß doch eine gute Platte werden. John Lennon, der schon einmal eine harte Entziehungskur durchgemacht hat, läßt sich in sein Schlafzimmer einschließen. Mit Limonade, Selterswasser, mit Zigaretten aber kein Whisky, kein Gin, kein Heroin, kein Cannabis. So wird die Platte ›Pussycats‹ gemacht. Mehr schafft er nicht. Als er an diesem Abend das Apartment Yoko Onos wieder betritt, hat er nur ein einziges neues Stück bei sich, ein trauriges. ›Nobody Loves You‹. ›Niemand liebt dich.‹ Die Zeit ist vorbei; Yoko und John sind wieder zusammen. Der neue Song bleibt lange in John Lennons Schreibtisch liegen. Nicht, weil er nicht mehr arbeiten will. Nicht, weil er der Welt nichts mehr zu sagen hat. Es ist ein anderer Grund. »Wenn ich das Stück damals, in meiner Depression und mit meinem Kopf, herausgegeben hätte, wäre alles nur schiefgelaufen. So habe ich es erst mal in der Tasche stecken lassen. Das war gut so, es konnte nur noch besser werden.« Es gibt viele Menschen, die die Japanerin Yoko Ono nicht mögen, die sie für einen hindernden Fels in der Karriere des
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Mit einer Selbstauslöserkamera fotografierten sich John Lennon und Yoko Ono nach ihrer ersten Begegnung. Folgende Doppelseite: John und Yoko demonstrierten mit »bedins« für den Frieden. Sie bleiben tagelang liegen.
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Oben: Sean Lennon, der Sohn Johns und Yokos, mit dem Kindermädchen. Unten: John ist glücklich, daß er nach fünfzehnmonatiger Trennung wieder mit Yoko zusammen ist.
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Musikers, Texters, Filmemachers John Lennon halten. Aber als Frau, mit all ihrer Liebe, die sie John Lennon geben kann, inspiriert sie ihn doch weit mehr als ›Freunde‹ ob es nun der Alkohol ist oder jene, die ihn auf Kosten John Lennons verzehrt haben.
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John Lennons Zeit der Besinnung Es geschieht Ungewöhnliches nach Johns Rückkehr zu Yoko Ono. Statt deren wiedergewonnene Liebe zu genießen, sie zu streicheln, ständig mit ihr beisammen zu sein, entschließt sich John, die Tage allein in einem seiner Zimmer zu verbringen. Und Autos kommen. Sie bringen alles das, was John nicht mehr hat: Die alten Platten der Beatles, seine erste Platte ›My Bonnie‹. Sie bringen die Filme ›Yellow Submarine‹, ›Yeah, Yeah, Yeah‹ und ›Hi–Hi–Hilfe‹. Alles wird in das ApartmentHaus in ›Dakota‹ gebracht, Yoko nimmt es entgegen und legt es John vor die Tür. Wenn sie gegangen ist, wenn sie sich zurückgezogen hat – dann öffnet sich die Tür, und John Lennon holt die abgegebenen Platten und Filme in sein Zimmer. Er hört die Platten, er sieht seine erotischen Zeichnungen, die er einmal von Yoko Ono gemacht hat, und schaut sich die Filme an. Es ist wie eine Bestandsaufnahme, typisch John Lennon. Er ist kein Intellektueller gewesen, hat sich nie als solcher ausgegeben, sondern ein urwüchsiger, man kann fast sagen primitiver Mensch, der viel gelitten, viel erlebt und viel Erfolg gehabt hat. Und jetzt will er noch einmal alles sehen, was sein bisheriges Leben bestimmt hat. »Ich habe einfach das Bedürfnis, mich selbst frei zu machen«, vertraut John später einem Freund an. »Ich habe in meiner Jugend nie Liebe und Kameradschaft erfahren, ich habe mich so danach gesehnt – und plötzlich wurde aus meiner Sehnsucht, mich zu artikulieren, den Leuten zu sagen ›Hier bin ich, John Lennon, ich brauche eure Liebe‹ –, plötzlich wurde daraus ein riesengroßes Geschäft.« Das ist der Grund, warum John Lennon in seinem Zimmer sitzt und sein Leben in Platten, Filmen und Zeichnungen noch –123–
einmal vor sich ablaufen läßt. Er braucht diese Besinnung. Nicht aus Schmerz um die verlorene Freundschaft der Beatles, aus dem Kummer über die vergangenen, verlorenen Monate. Er muß, wie immer, aus seinen eigenen Gefühlen schöpfen, um gut zu werden, gut zu sein. Denn aus seinem verzwickten Innenleben heraus, aus seiner Beziehung zur Umwelt entwickelte sich die Musik, die andere Menschen zu Begeisterungsstürmen hinreißt, oft ohne sie nachdenklich zu machen. Dennoch dringt mit seiner Musik, seinen Songs, die oft aus dem Unterbewußtsein heraus komponiert und geschrieben werden, eine neue Lebensauffassung in eine ganze Generation, nicht nur in England und Deutschland, sondern überall auf der ganzen Welt. Diese Arbeit läßt John noch einmal akustisch und optisch an sich vorbeilaufen. Ob er gemerkt hat, daß seine Worte und seine Lieder eigentlich zu einer Waffe geworden sind, gegen eine feindlich gesinnte Welt, eine Welt, die in starren Regeln verhaftet ist und sich nicht um den einzelnen kümmert? Und daß er, John Lennon, das erstemal mit der urwüchsigen Fähigkeit des Unverbildeten im Unterbewußtsein anderen Leuten Frustrationen zerstört, undefinierbare Wünsche in eine Form gebracht hat? Niemand weiß es. Als John darauf angesprochen wird, sagt er nur zwei Worte: »Kein Kommentar.« Lapidare Worte von einem Genie, das sich stets und ständig bemüht hat, seine Umwelt in Unruhe zu versetzen, manchmal Entzücken erreicht hat und jetzt mit sich selbst zu Rate geht, was es fürderhin machen soll. Zwei Platten erscheinen: ›Rock ’n’ Roll‹ und ›Shaved Fish‹. Sie sind Erfolge, aber brav. Nicht von jener ungebändigten Mitteilungslust, die John über seine eigenen Gefühle und Einstellungen sonst bei anderen Platten bringt. –124–
Er will noch einen Song machen: Den Song vom Soldaten ›Grep‹, den er in dem Film ›How I Won The War‹, ›Wie ich den Krieg gewann‹, spielte. Er komponiert im verdunkelten Zimmer acht Tage an diesem Song – läßt es sein, wirft die Texte weg. »Ich habe danach die Musik und Melodie zu diesem Song vergessen. Sie waren nicht gut. Der Soldat, das war nicht mehr ich, sondern ein ganz anderer, der tausend Jahre vor mir gelebt hat.« John ist zu Neuem bereit, zu Ungewöhnlichem. Aber was? Es ist so, als würde John in sich hineinschauen, sein ganzes Leben vor seinen Augen ablaufen lassen, um zu entscheiden, was er weiter tut. Manchmal, wenn er sein Zimmer verläßt, trifft er Yoko Ono. Es gibt nicht nur ein flüchtiges Lächeln, sondern eine herzliche Begrüßung in der eigenen Wohnung. Ein Kuß, ein zärtliches Streicheln. Danach zieht sich John wieder zurück. Er führt sich die Filme vor, die seinerzeit gemacht wurden, als er mit George Harrison, Paul McCartney und Ringo Starr auf der ›Akademie für Meditation‹ in Rishikesh in Kaschmir war. Der alte Guru – sie vertrauten ihm –, er sollte sie aus ihren Ängsten befreien, er sollte ihnen mehr Sicherheit fürs Leben geben. Es war ein großes Schauspiel – aber John reiste sehr schnell wieder ab, als er merkte, daß der Guru selbst mehr im Mittelpunkt stehen wollte als er, der hilfesuchend für sein eigenes Gefühl, für sein eigenes Leben, für sein eigenes Denken zu ihm gekommen war. Vorbei diese Episode. John läßt die Filme wieder wegbringen, es kommen andere. Filme vom 18. Juni 1968. John sieht noch einmal, wie RollsRoyces und Bentleys in Massen vor dem Nationaltheater in London halten, Leute in eleganter Abendrobe aussteigen. Sie sind gekommen, um eine Sonderaufführung des John-LennonStücks ›In His Own Write‹ anzusehen. –125–
Eines Stückes, das von der Zensur vorher kastriert wurde, weil es um Marihuana, um Politik, um die Vergewaltigung des Menschen durch Medien, durch Fernsehen, Radio und Zeitung ging. Sie waren gekommen, die Reichen, um die Anklage gegen sich selbst zu sehen. Und das Stück war nicht mehr jenes, das John Lennon geschrieben hatte, sondern ein entschärfter Klamauk. Eigentlich sollte das Stück deutlich machen, wie fürchterlich schwer es ist, erwachsen zu sein, wieviel man durchmachen muß. Gewiß, John hatte dieses Stück nicht in der klassischen Art von Schauspiel geschrieben. Mehr war es ein Zerrspiegel, um der Gesellschaft zu zeigen: ›Das seid ihr, das sind wir. Was machen wir eigentlich mit unserem Leben?‹ Unausgesprochen kam in jedem Satz der Wunsch: Bewahre mir meine Kindheit, gib mir die Unschuld zurück, damit ich mit gutem Gewissen den Menschen entgegentreten kann, damit ich nicht als verworfen erscheine oder verworfen bin. Zwölfmal spielt John sich diesen Film in seinem Zimmer vor. Vorbei. Er schreibt Cynthia, seiner ersten Frau, einen Brief. Keinen liebevollen, sondern einen Brief, der vieles klärt. Das klärt, was Cynthia Powell, später verheiratete Lennon, der Öffentlichkeit in einem Buch vorgestellt hatte: Einen John Lennon, der dauernd betrunken war, unter Rauschgift stand und maßlos eifersüchtig war. »Er kam nach Hause«, berichtet Cynthia. »Und an seinen Augen sah ich, daß er bei einer anderen Frau gewesen war. Die Schuld stand ihm im Gesicht geschrieben. Aber anstatt zu mir zu kommen und zu sagen: ›Hör mal zu, ich habe mit einer anderen geschlafen, es ist einfach so aus einer Laune heraus geschehen‹, da kam er auf mich zu, riß mich an den Haaren, schleifte mich über den Teppich und rief: ›Du hast mich betrogen! Du flirtest mit anderen, du hast andere.‹« Fünf Minuten ging das so. –126–
Cynthia schrie, versuchte, sich aufzurichten – aber gnaden- und erbarmungslos schleifte sie John über den Teppich, wild schimpfend. So Cynthia. Erinnert sich John jetzt an diese Zeit? Wo er aus eigenem Schuldgefühl heraus den anderen einer Schuld bezichtigte und oft nicht mehr wußte, was er tat? Cynthia lief ihm davon, als er Yoko kennenlernte. John schreibt nun an Cynthia: »Ich bedaure es nicht, daß wir uns getrennt haben. Yoko ist besser für mich, als du es jemals warst. Aber dennoch – ich wünsche dir Glück in deinem Leben, soviel Glück, wie du brauchst.« Oft bekommt Yoko den Eindruck, als wolle John Selbstmord begehen und vorher sein ganzes Leben bereinigen. Er bereinigt – aber er begeht keinen Selbstmord. Im Gegenteil. Er will wieder zu sich selbst finden, möchte sich selbst analysieren, möchte eigentlich in seinem dunklen, 50 Quadratmeter großen Zimmer erforschen, wer dieser John Lennon eigentlich ist. Deswegen das Aufwecken der Vergangenheit, darum die Dokumentation seines Lebens als eine Aufzählung von Fakten, Fehlern und Erfahrungen. Weiß er eigentlich, daß er es war, der durch seine Musik und seinen Text immer wieder bemüht war, Millionen von Menschen zu einer inneren Ausreifung zu führen? Daß er sich dafür nicht geschont hat, teilweise ausgeflippt war, immer wieder, trotz Rauschgifts und Alkohols, versuchte, das Leben leidenschaftlich in sich aufzunehmen, es aufzusaugen – um dann die Erkenntnis aus diesem Leben an andere weiterzugeben? Während dieser Zeit ist John Lennon nur für zwei Menschen zu sprechen: für seine Frau Yoko Ono und für seinen Sohn Julian aus erster Ehe mit Cynthia. John hat mit Julian nie etwas anfangen können. Für ihn war es eine Überraschung, ein Kind – na ja, ein Kind, und man hat nun mal Kinder. Julian war nicht mit Absicht gezeugt worden, –127–
sondern, wie John einmal sagte: »90 Prozent der Bewohner dieses Planeten sind in einer Samstagnacht mit Hilfe einer Flasche Whisky und ohne tiefere Absicht gezeugt worden. Also sind die meisten von uns Zufallsprodukte.« Dieses ›Zufallsprodukt‹ Julian ruft von London aus an; John Lennon übernimmt die Rechnung. Beide unterhalten sich lange und ausführlich, wie zwei Freunde, die jahrelang getrennt waren und endlich wieder zueinander gefunden haben. Julian ist glücklich, daß sein Vater plötzlich Zeit für ihn hat – und ihn sogar nach New York holt. Das hat einen tieferen Grund. Yoko Ono ist schwanger, eine Frau mit 43. Jahrelang, vor der Trennung, haben beide versucht, ein Baby zu bekommen. »Es sollte die Manifestation unserer Liebe sein«, hatte John einmal bitter gesagt. »Aber es war alles vergebens.« Drei Fehlgeburten erlitt Yoko Ono. Und John Lennon hat Angst, daß diese Frau, die er liebt und die ihn eigentlich aufgerichtet hat, eines Tages an einer solchen Fehlgeburt stirbt. Weil er weiß, daß die Schuld an den Fehlgeburten bei ihm liegt. Nicht bei Yoko Ono. »Mit meinem Sperma war etwas nicht in Ordnung«, gesteht John. »Ich habe in meiner Jugend zuviel Mißbrauch getrieben, habe Krankheiten gehabt. Und dabei war es doch so irrsinnig wichtig für uns, daß wir ein Baby bekamen, das zeigte: John und Yoko gehören zusammen.« Drei Fehlgeburten. Und nun ist Yoko wieder schwanger; John steht Ängste aus wie noch nie in seinem Leben. Er erinnert sich noch an die erste Fehlgeburt. Damals, als Yoko Ono im Londoner Hospital lag, weil sie zusammengebrochen war. Und eine Bluttransfusion bekommt. Als das fremde Blut in ihre Adern zu rinnen beginnt, zittert sie plötzlich, bäumt sich auf, die Nadel rutscht aus der Vene. John Lennon rennt hinaus, hält eine Schwester fest: »Schnell, –128–
schnell, schnell, meine Frau! Holen Sie einen Arzt!« Die Schwester eilt, und John läuft zurück zu seiner Frau, die nahezu bewußtlos ist. Der Arzt kommt, ein junger Typ. Er sieht John Lennon, damals auf dem Höhepunkt seines Ruhms. »Ah, nett, Sie kennenzulernen«, sagt er. »Ich bin ein großer Beatles-Fan. Ich wollte Sie schon lange einmal kennenlernen.« John steht da, fassungslos. »Mann!« brüllt er den Arzt an. »Sehen Sie nicht, daß meine Frau stirbt? Und Sie reden mir hier von den Beatles!« Yoko hat eine Bluttransfusion mit der falschen Blutgruppe bekommen. Das Baby, auf das sich John so gefreut hatte, verliert Yoko. Und nun ist sie schwanger. Johns Furcht vor einer abermaligen Fehlgeburt wächst von Tag zu Tag. Zuerst muß der Arzt, Dr. Spolter, jeden Tag einmal zu ihr kommen. Dann jeden Tag zweimal, und schließlich dreimal täglich. Um sie zu untersuchen – und um John das Stethoskop zu reichen, damit er die Herztöne des Kindes in Yokos Leib hören kann. John Lennon bangt und betet: »Lieber Gott, laß doch mein Kind gesund auf die Welt kommen.« Am 9. Oktober 1975 wird Sean Ono Lennon im New York Hospital geboren. Ein Kind, welches keine Fehler aufweist, keine Mißbildung, sondern gesund und munter ist, wie Hunderttausende anderer Babys auf unserer Welt. Sieben Pfund und 330 Gramm wiegt Sean, und John sagt: »Ich fühle mich höher als das Empire State Building.«
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Wie John Lennon den Krieg gegen die US–Regierung gewann Es ist nicht nur der Sohn Sean, der das Glück John Lennons festigt, ihn zufriedener macht. Gewiß, Sean steht an erster Stelle von allem, er rangiert noch »vor Yoko, obwohl ich da lange überlegt habe«. Aber – es kommt noch anderes Glück hinzu. Gnadenlos haben bisher auf Anweisung von Präsident Nixon die Einwanderungsbehörden John Lennon gejagt. Ausweisungsverfügungen kommen. John Lennon entzieht sich ihnen, taucht unter, damit niemand ihn aus diesem Land, das er eigentlich wegen seiner Freiheit, wegen seiner Lässigkeit und wegen seiner Offenheit liebt, verweist. Deshalb ist es fast gefährlich, als John mit Yoko Ono, direkt am Tag nach der Versöhnung, zu einer ›Grammy‹-Verleihung erscheint. Er sieht schon wieder besser aus: Das Kinn glatt rasiert, die obligatorische Krankenkassenbrille auf der Nase, in einem weißen Hemd ohne Schlips. Er hält seine Frau Yoko Ono, die schöner denn je aussieht, deren lange schwarze Haare über ihr weißes Satinkleid fallen, zärtlich im Arm und hat nur Augen für sie. Die ›Grammy‹-Verleihung – ein begehrter Schallplattenpreis – mit John Lennon und Yoko Ono ist eine Sensation. Keine Zeitung kann es sich leisten, nicht darüber zu berichten. Nun ziert John Lennons Foto wieder die Titelblätter der Zeitungen. Für John Lennon sind die Berichte etwas anderes, eine Dokumentation, daß er sich mit Yoko Ono wieder versöhnt hat. »Wir hatten einen großen Rahmen und brauchten nicht mehr alle Fragen über unsere Trennung zu beantworten«, gibt John zu. »Das ging alles durch die Zeitungen. Da gab es auch nichts mehr zu vermuten, daß wir uns vielleicht nur so getroffen –130–
hatten, um zusammen einen Preis in Empfang zu nehmen. Und die Leute brauchten auch nicht mehr zu denken: ›Mit dem John Lennon ist es aus.‹ Es gab schon eine Zeit, da war ich jeden Tag in einer Fernsehschau, und in hundert Zeitungen täglich war mein Gesicht abgebildet. Das kann man eigentlich den Leuten nicht zumuten, die haben sich zu Tode gelangweilt. Aber diese ›Grammy‹-Verleihung – da mußte ich auf jeden Fall hingehen, um die Berichte zu widerlegen, daß ich ein besoffener Dummkopf bin. Ich konnte ihnen zeigen, daß ich auch manchmal nüchtern sein kann. Das wichtigste aber war – ich war mit Yoko wieder zusammen. Das haben wir den Leuten gezeigt.« Ein gefährliches Unternehmen. Denn der Ausweisungsbefehl gegen John Lennon läuft. Wenn ein Polizist seiner habhaft werden kann, darf er ihn beim Kragen packen, in die nächste Polizeistation bringen. Hinter den Kulissen kämpfen Johns Anwälte gegen die Regierung, die den unbequemen John Lennon loswerden will. Eine Schlappe hatte die Regierung schon erlitten: In der Dezember-Ausgabe des ›Rolling Stone‹, einer Zeitschrift für Pop-Musik, wurde enthüllt, von wem und wie John von den Beamten der Regierung verfolgt wurde. Namen wurden genannt, Fakten, Daten – und die Regierung zog sich zurück. Nicht weil John den Bezirksrichter Richard Owen, der für seinen Fall zuständig war, gebeten hatte: »Ich bitte Sie in aller Höflichkeit, Recht ergehen zu lassen, indem Sie mir gestatten zu beweisen, daß in meinem Fall mit vorsätzlicher Diskriminierung vorgegangen worden ist, daß ungesetzliche Überwachungsmaßnahmen von seiten der Regierung stattfanden und daß daher mein Fall und die entsprechenden Anträge diesbezüglich aus für mein Einwanderungsbegehren irrelevanten Gründen behindert worden sind.« So gesetzte Worte von John Lennon? Den Brief hat sein Rechtsanwalt Leon Wildes aufgesetzt, John hat unterschrieben. –131–
Die Veröffentlichung in ›Rolling Stone‹, die Fakten, die Namen und Adressen – sie machen den Richter doch nachdenklich. Er gestattet dem Anwalt, das erstemal diese Einwanderungspapiere, die Akten nachzusehen, um zu überprüfen: Was liegt denn gegen John Lennon überhaupt vor? Es ist schlimm, was in diesen Akten steht! Die Papiere sind der Beweis, daß die Regierung Nixon wirklich so gnadenlos gegen John war, wie er es vermutet hatte: tägliche Verfolgung, Telefon abhören, Nachbarn vernehmen. Es ist so schlimm, daß dem Anwalt nichts anderes übrigbleibt, als die Regierung, den Kronanwalt und Bundesbeamte anzuzeigen, weil sie sich gegen die Verfassung vergangen haben, um John Lennon loszuwerden. Der Rückzug der Ämter deutet sich zart an: Bundesanwalt Paul Curran läßt den Richter wissen, daß sich das ›Einwanderungsbüro entschlossen habe, den Status des Klägers erneut zu überprüfen.‹ Das heißt, die Cannabis-Sache in England, wegen der John verurteilt worden ist und die die Beamten immer benutzt hatten, um ihn als Vorbestraften aus Amerika zu vertreiben, soll nicht mehr vorgebracht werden. Zwei Tage bevor Sean geboren wird, am 7. Oktober, entschied das Berufungsgericht: ›John Lennon darf vorläufig in Amerika bleiben.‹ Die Richter, es mögen keine Nixon-Freunde gewesen sein, zögerten auch nicht, John Lennon von dem Vorwurf, er sei zu links, er sei Kommunist, er sei ein Aufrührer und wolle nur Unruhe stiften, freizusprechen. ›Wenn wir in den zweihundert Jahren unserer Unabhängigkeit uns in gewisser Weise auch unserer Ideale bewußt geworden sind, so liegt das zum größten Teil daran, daß wir jenen, die im Geist der Freiheit leben und handeln, Wohnstätte in unserem Land gegeben haben. Der vier Jahre dauernde Kampf Lennons, in den Vereinigten Staaten bleiben zu können, ist Beweis für seinen Glauben an den –132–
amerikanischen Staat.‹ So stand es wortwörtlich in einer dreißigseitigen Urteilsbegründung, die John Lennon frei machte. Er bekam seinen Paß wieder, den man ihm weggenommen hatte. Er durfte jetzt sein Gesicht auf der Straße zeigen, brauchte nicht mehr zu fürchten, von jedem Polizisten verhaftet zu werden. Soviel Glück, Rückkehr zu Yoko, der Sohn, den Kampf gegen die Regierung der USA gewonnen – soviel Glück läßt sich auch kaum fassen. John Lennon sagt: »Nachdem ich das alles erreicht habe da will ich jetzt ruhig und in Liebe meinen Sohn aufwachsen sehen.« Aber die endgültige Entscheidung über die Einwanderung wird erst gefällt, als Johns Sohn fast acht Monate alt ist, lacht, seinen Vater umarmt, mit ihm spielt und ihm die Sorgen einfach durch sein Dasein, durch seine Existenz wegwischt. 27. Juli 1976: Der Einwanderungsrichter in New York heißt Ira Fieldsteel. Er muß heute in letzter Instanz entscheiden, ob John Lennon in Amerika bleiben darf oder nicht. Zeugen sind aufmarschiert, Zeugen für John Lennon. Nicht von der Regierung, die den Rückzieher gemacht hat, weil ihre Aktionen gegen John Lennon entlarvt worden sind. Zeugen für John Lennon, unter ihnen Gloria Swanson und Norman Mailer. Und beide sagen: »John Lennon ist eine Bereicherung der amerikanischen Musikszene. Wir schwören, daß er die Regierung der Vereinigten Staaten nicht stürzen will, sondern nur ein begnadeter Künstler ist, den wir unbedingt im Land behalten sollten.« Nun gibt auch die Regierung offiziell klein bei. »Die Regierung der Vereinigten Staaten hat keine Einwände mehr, daß Mister John Lennon in Amerika bleibt«, sagt der –133–
Anwalt der Einwanderungsbehörde kurz und knapp. Der Richter selbst, dieser Ira Fieldsteel, fühlt sich erleichtert, als er John Lennon nach einstündiger Verhandlung die von ihm so begehrte grüne Einwanderungskarte aushändigen kann. Sie trägt die Nummer A-17-597-321. John nimmt sie in die Hand, will sie zuerst scherzhaft hochwerfen, hält sie aber dann fest und steckt sie in seine Brusttasche. »Es ist herrlich, wieder legal leben zu dürfen«, sagt er, mehr zu Yoko Ono gewandt als zu dem Richter. Er nimmt Yoko in die Arme, küßt sie in aller Öffentlichkeit; und Hand in Hand verlassen die beiden den Gerichtssaal. Wenig später nimmt er auch von seiner radikalen Einstellung Abschied. Aber nicht, um der Regierung zu schmeicheln, sondern weil sie ein Irrtum war, ein persönlicher Irrtum des Schreibers John Lennon. »Ich glaube nicht, daß das die besten Stücke von mir gewesen sind, weil ich viel zuviel daran getan habe. Was ich mir dabei vorgestellt habe, war, das zu schreiben, was die Leute heute so sagen und was sie meinen. Das war ein großer Fehler, mein Fehler. Ich habe eben nicht geschrieben, was ich denke und sagen will. Bei ›Give Peace A Chance‹ hat es gerade noch funktioniert. Aber nicht bei den anderen Stücken. Diese Phase hat meinen Erfolg um ein Haar kaputtgemacht. Es war nicht mehr reine Poesie, sondern Journalismus. Und ich glaube, daß ich im Grunde genommen ein Dichter bin und auf meine Art und Weise arbeiten soll.« Und John beginnt zu arbeiten. Aber anders, als jedermann glaubt.
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Die Zeit vor John Lennons letzter Platte Was keiner für möglich gehalten hat, geschieht. Derselbe John Lennon, der früher jeden Abend eine andere im Bett hatte, der im LSD-Rausch in Unterhosen einst aus einem Amsterdamer Bordell kroch – dieser John Lennon wird ein braver Ehemann. Nicht nur ein braver Ehemann, sondern ein Hausmann. »Sean ist mein Lebensinhalt, ich will ihn jede Stunde, jede Minute sehen«, erklärt er. Dabei gäbe es für ihn doch soviel zu tun. Das Vermögen des John Lennon ist auf gewaltige, auf Millionensummen angeschwollen. Wer soll es verwalten? Das tut Yoko Ono. Yoko Ono mehrt mit japanischem Fleiß und Zähigkeit das Vermögen der Lennons – während John zu Hause bleibt, seinen Sohn wickelt, ihn füttert und auch für Yoko Ono kocht. Tatsächlich! Er kocht, empfängt sie zu Hause mit den Worten: »Na, Liebling, wie war’s heute bei der Arbeit?« Manche behaupten, er habe bei solchem Empfang sogar eine Küchenschürze getragen. Es sind glückliche Jahre für John Lennon. Reich ist er, unabhängig ist er, in Amerika darf er bleiben, einen Sohn hat er, eine ihm treuergebene Frau – warum soll er zurückkehren in die wilde Szene der Musik, der er einstmals soviel gegeben hat? Er will ein Hausmann sein, ein liebevoller Vater. Und ein Landwirt. Während viele schon annehmen, daß John Lennon tot ist, kümmert er sich um einen Hausstand wie ein braver Familienvater. Yoko hat eine Farm gekauft. 250 Holsteiner Kühe, eigens importiert, weiden auf den Ländereien. John Lennon, den eigentlich niemand aus der Musikszene missen möchte, der doch einfach, wie es einer ausdrückt, ›unter uns‹ gehört – er beschäftigt sich mit der Frage, wann den –135–
Rindern die Klauen beschnitten werden müssen und wann sie geimpft werden müssen. Und auch hier hat er Erfolg. Einer seiner Zuchtbullen wird versteigert: 515 000 Mark bringt dieses Tier, der Preis ist Weltrekord.
Oben: John und Yoko in einem Restaurant von Palm Beach, wo sie ein Landhaus gekauft haben. Rechts: Pressekonferenz, nachdem die USA-Regierung den Lennons endlich die Aufenthaltsgenehmigung geben mußte.
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John ist ein zufriedener Hausmann geworden. Das Bild zeigt ihn mit seinem Sohn Sean und Yoko bei einem der wenigen Ausflüge in die Öffentlichkeit. –139–
Ist John Lennon tot? Fans flüstern sich das zu, weil niemand ihn sieht. Schließlich veröffentlicht John Lennon 1978 für runde 35 000 Mark in der ›New York Times‹ eine Anzeige, ein Lebenszeichen. Eine verrückte, eine publikumswirksame Idee? ›In den letzten zehn Jahren wurden alle unsere Wünsche wahr, zur richtigen Zeit, gut oder schlecht. Mehr und mehr wünschten und beteten wir. Wünsche sind stärker als Fahnenschwenken. Es funktioniert. Es ist die reinste Magie. Zur Zeit betreiben wir Frühjahrsputz in unseren Köpfen. Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns. Viele Menschen vermitteln uns jeden Tag ihre Gefühle in Briefen, Telegrammen, Blumen oder Gedanken. Wir danken ihnen allen und schätzen sie, weil sie unsere Privatsphäre respektieren. Wenn Ihr das nächstemal an uns denkt, sollt Ihr wissen, daß unser Schweigen ein Schweigen der Liebe ist und nicht der Gleichgültigkeit. Wir bemerken, daß uns drei kleine Engel über die Schulter lugten, als wir dies schrieben.‹ 35 000 Mark läßt sich John Lennon seine Mitteilung an seine Verehrer, an seine Fans, an die Menschen, die er teilweise verändert hat, kosten. Ein Reklamegag? Wofür sollte John Reklame machen? Er bringt keine Platte mehr heraus, er kümmert sich nur noch um Yoko, nur noch um seinen Sohn. Und er unternimmt auch den Versuch, bürgerlich zu werden, als er sich ein Landhaus im amerikanischen Prominentenort Palm Beach kauft. Ein riesiges Ding, für 1 Million Dollar. Direkt am Strand gelegen, das Meeresrauschen täglich im Ohr, den endlosen Ozean vor den Augen.
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Die Lennons leben einfach. John gewöhnt sich das Rauchen ab, ißt kein Fleisch mehr, sondern lebt makrobiotisch. Nur manchmal, wenn es sie überkommt, dann gehen die Lennons aus. Ein John Lennon mit einem Vollbart und eine schmal gewordene Yoko Ono. Und sie haben ständig nur einen Weg – sie gehen ins ›Pelite Marmite‹, ein Restaurant, in dem man nicht Austern schlürft, Hummer verzehrt oder Kaviar genießt, sondern –141–
in dem man bürgerlich ißt. John meidet die Öffentlichkeit. Er will weg von den Reportern, von den Zeitungen, von den Fernsehinterviews. Als er mit seiner Frau Yoko – er trägt seinen Sohn auf dem Arm – nach Japan fliegt, gehen sie auf dem Flughafen durch Hinterausgänge, damit wahrlich keiner der gierigen Fotoreporter darauf kommt, ein Bild von Yoko Ono, John Lennon und ihrem gemeinsamen Sohn zu schießen ... John ist nicht müde geworden, sondern klüger und weiser. »Seit ich 22 Jahre alt war«, erklärt er später in einem seiner letzten Interviews, »hatte ich dauernd vertragliche Verpflichtungen. Ich stand immer unter dem Druck, etwas tun zu müssen. Innerhalb von drei Tagen mußte ich hundert Songs schreiben, am Wochenende vielleicht noch eine Platte aufnehmen, ständig unter Druck und Streß. Dafür bin ich nicht Künstler geworden. Aber– ich stand unter Vertrag bei einer Plattenfirma, die wollten ihre Arbeit haben, und ich mußte mich erschöpfen bis zum Gehtnichtmehr. Ich war nicht mehr frei.« Ja, so war es. Der Mann, der uns vieles gegeben hat, war nicht mehr Herr über sich und versucht bis zum Sommer 1979, ruhig, ohne berufliche Verpflichtungen, zu leben. Aber ein John Lennon kann nur für eine Weile zurückgezogen leben. Solch ein Mensch, solch ein künstlerisches Genie braucht doch einfach die Bestätigung von der Öffentlichkeit, braucht Platten, braucht Musik, um zu zeigen: ›Hier bin ich, John Lennon. Und ich habe euch eine Nachricht zu geben.‹ Genau wie er es mit der Nachricht in der ›New York Times‹ getan hat. John fährt zusammen mit seinem Sohn auf die Bermudas. Er hält ihn an der Hand, geht mit ihm spazieren. Und wenn der Kleine eingeschlafen ist, beginnt John, Songs zu komponieren. Vierzehn sind es, die er im Laufe langer Monate fertigkriegt. Er weiß nicht – sind sie richtig, sind sie gut? Er muß jemanden fragen. Das ist Yoko. So beträgt seine –142–
Telefonrechnung mit Yoko Ono in einem einzigen Monat 8 500 Mark. Er telefoniert nach New York. Er summt am Telefon die Melodien, liest ihr die Texte vor. Und Yoko Ono, die im ›Dakota‹ wohnt, reagiert auf seine Texte, gibt auf seine gesungenen und getexteten Fragen Antwort. So entsteht das Album ›Double Fantasy‹. Es ist eine ungewöhnliche Platte, eine musikalische Zwiesprache über die Probleme des Lebens, über ihr Kind und über die Beziehungen zwischen Mann und Frau. Gibt es Ahnungen im Leben? Gibt es wirklich das Gefühl bevorstehenden Unheils und den Versuch, einen Menschen schon zu trösten, bevor das Unheil geschehen ist? Yoko singt auf dieser Platte: »Hab’ keine Angst zu sterben und in die Hölle zu kommen.« Warum, warum singt das Yoko Ono für einen Mann, der vierzig ist und eigentlich noch dreißig oder vierzig Jahre vor sich hat? Und warum singt der wilde Junge, später verworfene Mann, der gute, zärtliche Familienvater am Schluß der Platte ›Gute Nacht, mein Sohn‹? Es ist Johns letzte Platte, bevor er Mark David Chapman begegnet.
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John Lennons Tod Niemand weiß, wie viele Schlösser John Lennon öffnete, um am 9. Dezember 1980, kurz nach der Mittagszeit, sein Apartment im ›Dakota‹ zu verlassen. Erst vor kurzer Zeit waren Spezialisten in der Wohnung Johns gewesen und hatten auf seinen Wunsch hin 50 Schlösser in die Wohnungstür eingebaut. Eine Ahnung? Der Versuch, sich mit mechanischen Mitteln zu schützen? Niemand weiß, wieviel Schlösser es waren, in die John die Schlüssel steckte, ehe er mit Yoko Ono das Apartment im ›Dakota‹ verließ. ›Dakota‹ – eine der besten Adressen in New York, direkt gegenüber dem Central-Park. Es ist kein schönes Haus; seine gelben Ziegelsteine sind durch seine achtzigjährige Vergangenheit schon leicht verblichen, und manchmal zeigen sich sogar kleine Risse im Mauerwerk. Aber es ist eine feine Adresse im New York. Leonard Bernstein wohnte dort und Alfred Hitchcock, Marilyn Monroe und Greta Garbo, John und Jackie Kennedy waren dort zu Gast. Hinter den Mauern des ›Dakota‹ spielten sich Tragödien, frohe Feste und Liebschaften ab – wie einst zwischen Mick Jagger und Margaret Trudeau, der Frau des kanadischen Ministerpräsidenten. John Lennon trug einen Pullover und eine Jacke mit Pelzkragen darüber – und keine kugelsichere Weste, wie er sie knapp zehn Monate vorher den Polizisten der Patrolmens Benevolent Association geschenkt hatte. ›Der beigefügte Scheck soll unsere echte Besorgnis um das Leben unserer Polizisten in New York City zum Ausdruck bringen‹, schrieb John auf den Scheck. Er bestimmte das Geld dazu, für die Polizisten kugelsichere Westen anzuschaffen. Er selbst trug an diesem 8. Dezember einen leichten Pullover und eine Pelzjacke. –144–
Vor dem Haus warteten einige Fans. Sie hielten John seine letzte Platte entgegen, die er signieren sollte. ›Double Fantasy‹, eine Platte, die John und Yoko Ono auf dem Titel zeigt, mit geschlossenen Augen, ihre Lippen berühren sich. Jedermann liest Glück und Zuneigung aus beiden Gesichtern. John, der, wie stets, seine Brille trug, unterschreibt ein paar der Platten. Dann kommt er an einen jungen Mann, der die Frisur trägt, wie sie früher die Beatles getragen haben. Vielleicht ein bißchen länger. Auch er streckt ihm eine Platte entgegen. »Wie ist dein Name?« fragt John. »Mark David Chapman«, antwortet der Mann. Und John schreibt mit angespanntem Gesicht – die Brille rutscht ihm auf die Nase vor: »Für Mark David Chapman. John Lennon.« Yoko Ono steht dabei, mit großen Augen, kaum lächelnd. So, wie sie es immer tut. Dann steigt John ins Auto, um ins Plattenstudio zu fahren. Um weiterzumachen, um nach ›Double Fantasy‹ eine neue Platte zu machen, um seine wiedergewonnene Lebensfreude, sein wiedergewonnenes Vertrauen zu Yoko und zu sich selbst mit einem Werk für seine Fans zu dokumentieren. Er arbeitet hart an diesem 8. Dezember. Er will, daß die Platte bald fertig wird, gibt sich Mühe, weil diese neue Platte noch besser werden soll als ›Double Fantasy‹. Um zu beweisen, daß er, John Lennon, noch jemand ist, nicht ein alter, vollgefressener Geldsack, der vom Ruhm der Vergangenheit lebt. Arbeit. Viel Arbeit will er haben und Erfolg. Arbeit und Erfolg bedeuten ihm an diesem Dezembertag in New York mehr als Geld, Grundstücke und große Wohnungen. Während John im Studio arbeitet, trägt Mark David Chapman die von John selbst signierte Platte in seinen Händen. Der Autogrammjäger und Hobbyfotograf Paul Goresh steht neben ihm. »Du hast deine Platte nicht signiert bekommen?« fragt Chapman. –145–
»Nein«, antwortet Goresh und will gehen. »Warum wartest du denn nicht?« fragt Chapman. »Wenn John wiederkommt, kann er auch deine Platte unterschreiben.« »Ach, na ja«, wehrt Paul Goresh ab. »Ich treibe mich öfters hier vor dem Haus herum. Das kann John auch an einem anderen Tag tun.« Chapman zögert ein wenig, als ob er ein Geheimnis verraten würde, wird leise, flüsternd. »Ich würde warten«, gibt er seiner Stimme dann einen normalen Klang, »du weißt nicht, ob du ihn noch einmal wiedersehen kannst.« Goresh, der John-Lennon-Fan und Fotograf, ist irritiert. »Wie meinst du denn das?« fragt er Chapman. Aber statt einer Antwort, einer klaren Antwort, bekommt Goresh die Worte zu hören: »Vielleicht fährt er heute nacht noch irgendwohin.« Paul Goresh geht. Und John arbeitet wie ein Wilder, wie in alten Zeiten, im Studio. 22.30 Uhr. Beim Plattenproduzenten Jack Douglas klingelt das Telefon. »Hier ist John«, sagt Lennon. Seine Stimme ist müde, nicht so fröhlich, schnell und voller Esprit wie immer. »Ich gehe jetzt essen und dann nach Hause.« »Ist okay«, sagt Douglas. »Schönen Abend noch.« Der Chauffeur wartet vor dem Eingang des Plattenstudios. Yoko und John setzen sich nebeneinander und fahren direkt nach Hause, zum ›Dakota‹. Das ›Dakota‹ besitzt einen großen Hof. Normalerweise könnte der Wagen durch die Toreinfahrt auf den Hof fahren und die Fahrgäste ungesehen absetzen. Diesmal tut es der Chauffeur nicht. John läßt an der Ecke halten. Er verabschiedet sich vom Chauffeur, nimmt Yoko an der Hand und geht auf den bogenförmigen Eingang des ›Dakota‹-Hauses zu. Lampen sind –146–
vorn vor dem Eingang angebracht, sie strahlen auf die Straße. Aber dahinter, im Torbogen ist Dunkelheit. Und in der Dunkelheit wartet jemand. Als Yoko und John sich dem Eingang nähern, tritt dieser Wartende hervor. »Mister Lennon?« fragt er. Eine gespenstische Szene, wenn man überlegt, daß in diesem Haus auch Roman Polanskis Film ›Rosemaries Baby‹ gedreht wurde. »Sind Sie Mister Lennon?« Noch ehe John sich richtig umdrehen kann, noch ehe er dem fremden, urplötzlich auftauchenden Mann Antwort geben kann, kniet der nieder. Er streckt beide Hände nach vorn, zielt auf John. Und dann krümmt sich sein Zeigefinger um den Abzugsbügel eines 38er Revolvers. Es knallt fünfmal. John zuckt zusammen, sein Körper wird von dem Aufprall der Projektile hin und her geworfen. »Ich bin getroffen«, stöhnt er. »Ich bin getroffen.« Dennoch wankt er vorwärts, versucht, die Stufen des ›Dakota‹ zu erklimmen. Er schafft die erste, die zweite, die dritte, die vierte – auf der fünften bricht er zusammen. »Mein Gott, mein Gott, sie erschießen ihn«, schreit Yoko Ono. Noch einmal sagt John: »Ich bin getroffen.« Der Portier des ›Dakota‹-Hauses hat die Schüsse gehört, er eilt herbei, sieht den Mann mit der Waffe in der Hand und John Lennon auf der fünften Stufe des ›Dakota‹-Hauses. »Wissen Sie, was Sie gerade getan haben?« ruft der Portier entsetzt. Die Waffe in der Hand baumelnd, antwortet der Mann: »Ich habe gerade John Lennon erschossen.« Inzwischen ist die Polizei unterwegs. Die Schüsse alarmierten die Nachbarn, die Notrufnummern werden gewählt. Die –147–
heulenden Sirenen hört man von ferne, und wenige Minuten später halten zwei blaue Streifenwagen des 20. New Yorker Reviers vor dem ›Dakota‹-Haus. Die Beamten nehmen John Lennon sanft auf, achten nicht auf die Polster ihres Wagens, obwohl John stark blutet. Sie legen ihn auf den hinteren Sitz. Die Sirenen heulen abermals auf. Mit kreischenden Reifen fahren die Polizisten John Lennon in das RooseveltKrankenhaus. »Sind Sie John Lennon?« fragt einer der Polizisten auf dem Weg. John öffnet die Augen, nur einen Spalt breit, schaut die beiden Polizisten an, nickt. Dann schließt er die Augen. Er öffnet sie nicht, als er von Dr. Steven Lynn, der an diesem Abend Notarzt im Roosevelt-Krankenhaus ist, untersucht wird. Er braucht keine lange Zeit, der Notarzt. Er geht raus, sein Gesicht ist ernst, sein Kopf gebeugt. Und er geht auf Yoko zu, die dort steht und deren sonst sehr gleichmütiges asiatisches Gesicht von Schmerz verzerrt ist. »Ihm ist nicht mehr zu helfen«, sagt Dr. Lynn leise. Yoko schweigt einen Moment. »Sagt mir doch endlich, sagt mir doch endlich, daß es nicht wahr ist!« schreit sie auf. Doch der Arzt kann ihr keine bessere Nachricht geben. Yoko Ono weint nicht. Sie ist gebrochen, sie stützt sich schwer auf den Arm des anderen Plattenproduzenten, auf den Arm von David Geffen, als sie das Roosevelt-Krankenhaus verläßt. Ihr Mann John Lennon ist tot. Und der Mann, der sich am Tatort lächelnd verhaften läßt, die Waffe in der Hand, heißt Mark David Chapman, 25 Jahre alt, ein Mann von Hawaii. Derselbe, der Stunden vorher John Lennon noch um ein Autogramm fragte. Er hat John Lennon erschossen, das Idol einer ganzen Generation, einen der –148–
intelligentesten Musiker der Welt getötet.
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Der Täter Gloria weiß nicht, wofür ihr Mann soviel Geld braucht. Aber sie vertraut Mark David Chapman, dem vier Jahre jüngeren Ehemann. »Ich muß Geld haben, 2 500 Dollar«, erklärt er seiner Frau. Mark David arbeitete als Wachmann in einer Klinik auf Honolulu, hat seinen Job inzwischen gekündigt – und jetzt braucht er soviel Geld. Aber die schwarze, hübsche Japanerin mit den vollen Lippen liebt ihren Mann. Sie weiß, daß er ein guter Kerl ist, daß er als Sozialarbeiter gearbeitet hat, daß er Vietnamflüchtlinge betreut hat. Sehr oft hat sie stolz das Bild betrachtet, das ihren Mark David im Fort Chaffee im Staat Arkansas mit einem Vietnamkind auf den Schultern zeigt; er arbeitete nicht nur dort, sondern kümmerte sich rührend um die Kinder. Jetzt braucht er Geld. Vielleicht für eine Reise zu seinen Idolen? Chapman ist ein Beatles-Fan. Nicht nur ein normaler, sondern ein extremer Beatles-Verehrer. Auf ganz Hawaii, wo sie wohnen, hat er die größte Sammlung von Beatles-Platten und Beatles-Andenken, einige von ihnen sind sogar von ihnen handsigniert. Gloria weiß nicht, vielleicht ahnt sie, daß Mark Chapman sie nur heiratete, um seinem Hauptidol der Beatles, John Lennon, ähnlich zu sein. Denn auch John Lennon heiratete eine ältere Japanerin, war glücklich mit ihr. Genauso glücklich ist Gloria mit ihrem Mark David. Die 2 500 Dollar kommen zusammen. Was hat David vor? Gloria ist es gewöhnt, eine treue, nicht fragende Ehefrau zu sein. Sie begleitet ihren Mann noch zum Flughafen von Honolulu, von dem Mark abfliegt: Ein kleiner, –150–
spitznasiger Mann, mit einer Beatles-Frisur, einer Brille, die der von John Lennon ähnelt. Er dreht sich auf der Gangway noch einmal um, winkt Gloria zu und steigt in die Maschine. Gloria winkt ihm nach. Sie ahnt nichts von dem bevorstehenden Unheil, sie ahnt auch nicht, daß ihr Mann seine Entlassungspapiere bei der Wachgesellschaft, bei der er beschäftigt war, mit ›John Lennon‹ unterschrieben hat. Sie ahnt auch nichts davon, daß ihr Mann tagelang in seinem Zimmer gesessen hat und John Lennons Lied ›I Am The Walrus‹ – ›Ich bin das Walroß‹ gehört hat. Es ist einer von Johns Texten, eine jener Wortspielereien, die seit dem Zusammenleben mit Yoko Ono geprägt wurden. ›Ich bin er, denn du bist er, denn du bist ich – wir gehören alle zusammen. Ich bin er, denn du bist er.‹ Hält sich denn Mark David Chapman wirklich für John Lennon? Eine Woche vor der Tat mietet er sich in einer kleinen Pension in Manhattan ein. Unter seinem eigenen Namen, Mark David Chapman, ein unauffälliger Mann, der still und freundlich lächelnd an der Rezeption vorbeigeht. Drei Tage vor der Tat wechselt Chapman das Quartier. Er bezieht – für 110 Dollar pro Tag – eine Suite im Sheraton-Hotel. »Ihr Name?« fragt der Portier, als er einzieht. »John Lennon«, sagt Chapman. Ohne zu überlegen, schreibt der Portier diesen Namen hin. Er ist ein älterer Mann. Der Name John Lennon sagt ihm nicht viel. Und er weiß, ahnt auch nicht, daß sich im Gepäck des Mark David Chapman ein Revolver und Reservemagazin befinden ... Dieser ›John Lennon‹ vom Sheraton-Hotel wartet von nun an täglich vor dem ›Dakota‹, dem Wohnort John Lennons, auf sein Idol. Er sieht ihn ein paarmal. Und es gelingt ihm auch, ihn mit dem Taxi ein paarmal zu verfolgen, ihm einfach nachzufahren wie ein wildgewordener Fan. John Lennon selbst merkt es nicht. Er ahnt nicht, daß einer –151–
seine Gewohnheiten genau beobachtet, daß einer hinter ihm her ist. Ein Mensch, jener Mark David Chapman, der John Lennon töten will – oder vielleicht sich selbst töten will, weil er sich für John Lennon hält. Eine verrückte, irre Geschichte. Aber – die Gefahr ist da. Und es geschieht an jenem 8. Dezember vor dem ›Dakota‹-Haus, einem für New Yorker Verhältnisse ganz lauen Tag: 18 Grad hat es am Tag gehabt, die Luft ist noch warm. Wenige Schritte vom Tatort entfernt gehen die Menschen ohne Jackett mit offenem Hemdkragen spazieren. Weil der Tag so schön ist ... Mark David Chapman versucht nicht, vom Tatort wegzulaufen. Als die Polizisten kommen, steht er da, mit der Waffe in der Hand – lächelt, richtig befreit, als hätte er irgend etwas getan, was ihm seit langem auf der Seele gelegen hat. Wollte er nun wirklich John Lennon töten oder hielt er sich für John Lennon, war seine Tat eine Art ›Selbstmord‹? Das sagen später die Psychiater. Aber erst wird der Mann in der schäbigen Lederjacke und der schmuddeligen Hose von den Polizisten verhaftet und auf das Polizeirevier 20 gebracht. Der stellvertretende Staatsanwalt des Gerichtes New York, Kim Hofgrefe, beschuldigt Mark David Chapman offiziell: »Sie haben John Lennon aus niedrigen Beweggründen getötet. Sie sind festgenommen.« Und Mark David Chapman? Er lächelt, läßt alles mit sich geschehen und versucht nicht, sich irgendwie zu verteidigen. »Der Teufel hat mir den Befehl gegeben«, ist das einzige, was er zu seinem Verteidiger, Herbert Adlerberg (50), sagt. Herbert Adlerberg ist ein schmaler, schmächtiger Anwalt, der versucht, Mark David Chapman zu entlasten und seine Tat auf die Folgen einer Krankheitsgeschichte abzuwälzen. Ein Pflichtverteidiger, dieser Herbert Adlerberg. Aber er bemüht sich um den Mandanten, von dem er selbst sagt: »Er ist geistig nicht ganz da, er ist verwirrt. Er erzählt mir von Stimmen, die er gehört hat, –152–
von dem Teufel, der ihm befiehlt, und er sagte mir auch, er sei John Lennon selbst.« Ein harter Job für einen Anwalt. Bereits nach drei Tagen verliert Herbert Adlerberg die Nerven. Tag und Nacht und zu jeder Stunde vier- oder fünfmal klingelt sein Telefon. JohnLennon-Fans sind am Apparat. »Wenn du ihn verteidigst, machen wir dich kalt«, sagt einer von ihnen. Und die anderen sind nicht viel freundlicher. »Das ist kein Job für einen Anwalt in meinem Alter«, erklärt Herbert Adlerberg. Er gibt auf. Statt dessen übernimmt der 37jährige Jonathan Marks die Verteidigung des Mörders. Ist er ein Mörder – oder doch nur ein Geisteskranker? Die Frau, jene japanische Gloria, auf der Insel Honolulu weiß es nicht. Sie weiß nur, daß sie Mark David Chapman liebt – wahrscheinlich genauso heftig und mit einer solchen Intensität, wie Yoko Ono ihren John Lennon geliebt hat. Sechzehn Polizisten schützen Chapman, als er zur ersten Vernehmung vor Gericht gebracht wird. Eine kugelsichere Weste haben sie Mark David Chapman angezogen, damit kein John-Lennon-Fan eine Chance hat, das von ihm selbst gefällte Urteil selbst zu vollstrecken. Danach wird er ins Gefängnis gebracht. Er sitzt kaum fünf Stunden in der Zelle, als ein Telefonanruf kommt, aus Honolulu. Von seiner Frau, von Gloria. Sie hat inzwischen in David Chapmans Zimmer aufgeräumt. All die Beatles- und John-Lennon-Platten sind verschwunden, die Bilder hat sie von den Wänden genommen und alles auf den Müllhaufen geworfen. Und nun ruft sie an. Ihren Mann, der bei seiner Verhaftung Kassetten mit vierzehn Stunden BeatlesSongs in den Taschen trug. Wird sie ihn verurteilen, wird sie ihn verdammen, wird sie ihm Vorhaltungen machen und fragen: ›Mein Gott, David, was hast du getan?‹ –153–
Gloria, die Japanerin, tut das nicht. Das Gespräch ist kurz. »Ich liebe dich!« ruft Gloria ins Telefon. »Ich liebe dich und verzeihe dir deine Tat. Ich habe dir bisher alles verziehen.«
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Reaktionen auf John Lennons Tod Es existieren nur ganz wenige Menschen auf der Welt, die die Geheimnummer Paul McCartneys wissen. Dazu gehört Tony Brainsby, der Pressesprecher Pauls. Um sieben Uhr dreißig mitteleuropäischer Zeit klingelt das Telefon. Paul hebt ab. »John ist erschossen worden«, sagt Brainsby zu Paul. »John? Welcher John?« Die Worte bleiben ihm im Hals stecken. »John Lennon?« fragt er. Seine Stimme ist tonlos, besitzt keine Höhen und Tiefen mehr. »Ja«, antwortet Tony Brainsby. Es ist lange still am Telefon. Dann hört Tony Brainsby, wie Paul zu schluchzen beginnt, den Hörer wegwirft, später hört er hemmungsloses Weinen. Der Hörer des Telefons bleibt liegen, als Paul zusammenbricht und schreit: »Nein, nein, nein! Das darf nicht sein!« Er, der mit John Lennon von Anfang an im ständigen Kampf um die Vorherrschaft lebte, er, den John Lennon einmal mit den Worten »Wir sind nicht mehr im Jahre 1956, du kannst vorher anrufen, wenn du kommst« aus der Wohnung im ›Dakota‹ gewiesen hatte – dieser Paul weint wie ein Kind, als er von Johns Tod hört. Danach ruft er an. Er ruft an in New York, wo Yoko Ono – hilflos und das Ganze noch nicht fassend – vor einem Bild ihres John sitzt. Derselbe Mann, dieser Paul McCartney, der einst die Beatles zu einer Haßshow ins Studio gerufen hatte. Mit den Worten: »Ich habe einen neuen Song für euch.« Und sie kamen, um den neuen Song zu hören. Yoko kam mit. Und Paul begann mit schneller Stimme, ein bißchen schrill, zu singen: »Get Back To Where You Once Belonged.« Und dabei hielt er seine dunklen Augen immer auf Yoko gerichtet, damit sie auch –155–
wirklich hörte, daß dieses ›Geh dahin zurück, wo du hingehörst‹ bei ihr ankam.
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John Lennons Leiche im Roosevelt-Krankenhaus von New York.
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Oben: Der Mann, der John Lennon erschoß: Mark David Chapman. Unten: Der Täter wird aus dem Polizeipräsidium von New York geführt.
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Nun ruft Paul McCartney Yoko Ono an. Es ist nicht bekannt, was er mit ihr gesprochen hat, aber es werden tröstende und versöhnliche Worte gewesen sein, Worte, die ein Freund für die Frau eines Freundes findet, der tot ist. Paul will weg von seiner Farm in Suffolk. Mit seiner Frau Linda verläßt er nach diesem Gespräch die Farm in einem roten –159–
Mercedes, fährt nach London, schließt sich in seine Wohnung ein und ist für niemand zu sprechen; er ißt nichts, er trinkt nichts, und auch seine Frau kann so oft an die Tür klopfen, wie sie will, um ihn zu sprechen. Vergebens. Paul will allein sein. Ringo Starr ist auf den Bahamas, als ihn die Nachricht erreicht: ›John ist tot.‹ Man kann einem Toten nicht mehr helfen, der Tod ist endgültig – aber Ringo Starr bricht sofort den Urlaub mit seiner Lebensgefährtin Barbara ab und fliegt nach New York. Zu Yoko Ono, um ihr Leid zu mildern. George Harrison bekommt die Nachricht vom Mord an John Lennon durch Fans. Zu Hunderten, manchmal kommen sie aus einer Entfernung von zwanzig oder dreißig Kilometern, stehen sie vor seinem Landhaus in Henley on Themse, halten Kerzen in den Händen, sind stumm. Und George Harrison schämt sich nicht, seine Tränen zu zeigen, als er hinausgeht, um die Fans zu trösten. Selbst seine frühere Frau, die mit John Lennon nicht auf so gutem Fuße steht, bekommt große nasse Augen, als sie die Todesnachricht hört. Es ist Cynthia, die erste Frau John Lennons. Sie legt den Arm um die Schultern ihres Sohnes Julian und bringt ihm bei, daß sein Vater nicht mehr lebt. Es ist Mitternacht, John Lennon ist noch keine Stunde tot. Rund um das ›Dakota‹ –Haus schweigen die Menschen. Nur leise Musik ist zu hören – die Sender haben ihr Programm unterbrochen und bringen John-Lennon- oder Beatles-Musik. Ein paar tausend Menschen stehen um die Stelle herum, wo die Polizei noch Spuren sichert. Sie schweigen, und die Musik dringt langsam an ihre Ohren, und manche werden von ihr so gepackt, daß sie weinen. Sie weinen um John Lennon. Manche von ihnen mögen das Gesetz der Vereinigten Staaten hassen, das jedem Amerikaner mit einem guten Leumund das Recht gibt, –160–
eine Waffe zu kaufen. Ganze 330 Mark hat Mark David Chapman für die Waffe in einem Laden bezahlt, mit der er das Idol einer ganzen Generation erschoß. Einer von 21 500, die jedes Jahr in Amerika erschossen werden. ›Give Peace A Chance‹ spielen die Sender. ›Gib dem Frieden eine Chance‹ – während John Lennon tot im RooseveltKrankenhaus liegt. Ein paar Menschen gehen zu dem schmiedeeisernen Tor des im Tudor-Stil erbauten ›Dakota‹-Hauses, werfen silberne Girlanden hinauf. Und als abermals das Lied ›Gib dem Frieden eine Chance‹ über die Sender strahlt, fangen einige ganz langsam an, mitzusingen. Dann – ihre Stimmen werden aus Trauer kraftvoll und schön – singen alle mit ›Gib dem Frieden eine Chance‹ – zu Ehren John Lennons. Das ist noch in dieser Nacht. Am nächsten Tag werden fünfhundert private Sender nur noch John-Lennon-Musik spielen, als Erinnerung an das Kellerkind aus Liverpool, das die Welt veränderte, nicht nur die Welt der Musik. Manche Lennon-Fans trauern nicht. Sie sind gewalttätig, sie wollen den Tod ihres Idols rächen. Zwar sitzt am anderen Morgen Mark David Chapman bereits in einer Einzelzelle im Gefängnis von Rikers Island – aber auch dort erreicht ihn die Drohung der Fans. »Wir werden dich töten!« steht an der eisernen Tür seiner Gefängniszelle. Der Täter bangt und zittert um sein Leben. Von allen Ecken und Enden Amerikas kommen indes die Menschen zusammen, um John Lennon zu gedenken. Sie versammeln sich im New Yorker Central-Park, 200 000 werden es wohl sein. Niemand sieht ein Lächeln, ein Lachen und ein fröhliches Gesicht, und manche sagen: »Die Beatles, John Lennon hat unser Leben verändert.« »Ich hörte ihn und seine Band zum erstenmal, als ich fünfzehn –161–
war. Es war zur Zeit, als es in Vietnam hoch herging, und da waren plötzlich welche, die von Frieden und Hoffnung sprachen.« Ja, John Lennon hat immer von Frieden und Hoffnung gesprochen – seit er Yoko Ono kennenlernte. Nicht nur in New York trauern die Menschen um John Lennon. Auch in seiner Heimatstadt Liverpool. Dort finden sich 300 000 Fans zusammen, singen, weinen, fassen sich an den Händen und drücken sich gegenseitig so aufeinander, daß hundert von ihnen verletzt werden und fast tausend Mädchen ohnmächtig. Es ist, als sei der Gott einer Generation gestorben. Und sie hätten jetzt keine Hoffnung mehr und fühlten sich hilflos und verlassen. Und manche glauben sich so allein, daß sie auch in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen. So wie Michael Craig aus der amerikanischen Stadt Salt Lake City. »Hast du die Nachricht gehört?« fragt der Dreißigjährige und setzt sich zu seiner Freundin. Lisa, dreizehn Jahre jünger als Michael Craig, nickt, sie kann nicht sprechen. Michael Craig zieht wortlos seinen Revolver, steckt ihn in den Mund und drückt ab. Zur gleichen Zeit leidet eine Sechzehnjährige dreitausend Kilometer weiter, in Brooksville/Florida. Collee Costello heißt sie, sechzehn ist sie. »Ich liebe John Lennon! Warum er, mein Gott? Ich kann einfach nicht mehr weiterleben.« Das schreibt das Mädchen auf einen Zettel und schluckt zwei Röhrchen Schlaftabletten. Sie stirbt. In Deutschland bringen sich Menschen um, wie Rainer in Frankfurt, der drei Tage lang Beatles-Platten hört und sich aus dem achten Stock eines Hochhauses stürzt. In England gibt es Selbstmorde – wegen eines Jungen, wegen eines Musikers, der einst nicht an seinen Erfolg glaubte und trotz seines Lebenswandels die Welt der Jugend, das Verhältnis zwischen Erwachsenen und Jungen verändert hat. –162–
Wird denn Johns Tod Friede und Besinnlichkeit unter die Menschen bringen? Yoko Ono, die viel geweint hat, versucht es, versucht, John Lennons Werk zu vollenden und die Menschen zum Frieden aufzurufen. »Denkt an John!« ruft sie die Fans auf, und ihre Stimme zittert. »Denkt an John! Seid friedlich und liebenswert zueinander!« Der Aufruf einer Frau, die das Liebste auf Erden verloren hat. Aber die Gewalttätigkeiten nehmen kein Ende, trotz des erschütternden Todes dieses Mannes. Während die Fans im New Yorker Central-Park die Bitte Yoko Onos erfüllen ›Betet still für John‹, versucht ein Rauschgifthändler, zwei von den 200 000 dort Versammelten seinen ›Stoff‹ anzudrehen, es kommt zu einem Streit und er schießt zwei Jugendliche nieder. Und Ringo Starr, der sofort nach New York geeilt ist, auch er wird bedroht. »Ich komme«, erklärt eine Stimme am Telefon. »Ich warte nur das nächste Flugzeug nach New York ab, dann bist du dran.« Ringo Starr läßt seine Leibwachen verdoppeln. Ein anderer Anrufer bedroht Yoko Ono. Während sie erklärt »Ich glaube immer noch an Liebe und Frieden«, klingelt das Telefon, und ein Mann sagt: »Als nächste bist du dran.« Die Reaktion auf den Tod John Lennons ist nicht eine Vervielfältigung der Friedfertigkeit – die Gewalt breitet sich aus. Die anderen Beatles lassen sich, während John Lennons Leiche in das Frank-E.-Campell-Krematorium gebracht wird, über Agentur Männer vermitteln. Starke Männer mit flinken Augen, mit Waffen unter den Achselhöhlen. Damit die überlebenden Beatles, wenn sie unter die Menschen gehen, auch am Leben bleiben.
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John Lennons Beerdigung und Erbe John Lennon ist tot. Einfach so ausgelöscht, von einem Wahnsinnigen, der glaubte, mit John Lennon sein eigenes ›Ich‹ zu erschießen. Es ist müßig, Täter und Tat zu verurteilen, oder zu sagen: ›Wenn jemand ein Idol tötet, begeht er einen Massenmord.‹ Der Verlust ist unwiederbringlich. Dennoch gibt es praktische Fragen, notwendige Regelungen nach dem Tod eines – auch noch so – geliebten Menschen. Was soll mit John Lennons Leiche geschehen? Es sind praktische Fragen, die andere Yoko Ono stellen. Von ihr wird eine Entscheidung verlangt, sie kann sich nicht einfach in ihrer Trauer aufgeben. Polizisten bringen nach der Entscheidung seiner Frau John Lennons Leiche zum Frank-E.-CampellKrematorium in New York. Der Körper liegt flach auf der Bahre, eine mildtätige Decke verhüllt Johns Gesicht und seinen Leib. Soll John Lennon beigesetzt werden, mit Kränzen, Musik, Oratorium und einer riesigen trauernden Menge, wie es sich für einen berühmten Künstler gehört? Und zwar einen, der durch seine Musik und sein Genie, durch seine Texte und seine Songs das Verhältnis der Alten zu den Jungen verbessert hat, dessen Lieder an jeden einzelnen persönlich gerichtet waren? Yoko Ono läßt nichts dergleichen zu. Eine Nacht ruht John Lennons Leiche in diesem Krematorium. Nun wird sie in einen Sarg gelegt und der Sarg in die Gluthölle des Feuers geschoben, das den Sarg und ihn verbrennt. Es bleibt nicht viel übrig von John Lennon. Ein Häufchen Asche, das Yoko Ono in einer Urne verwahrt. Er ist verbrannt worden, weil Yoko Ono verhindern will, daß mit seinen sterblichen Überresten das geschieht wie mit den Leichen von –164–
Elvis Presley, Charlie Chaplin, Maria Callas, daß die Überreste eines Idols einfach gestohlen werden und irgendwelche Ganoven und Gangster für die Herausgabe der Leiche Lösegeld verlangen. Es stimmt nicht, daß ein Flugzeug aufgestiegen ist, um die Asche John Lennons über New York zu verstreuen. Es stimmt auch nicht, daß John Lennon nicht verbrannt wurde, sondern mit Sondererlaubnis in einem seiner aufgekauften Parks beigesetzt wurde. John Lennon, das Kellerkind aus Liverpool, ist Staub und Asche. Und die befindet sich in einem irdenen Behälter in Yoko Onos Besitz. Yoko Ono, einer Witwe, die sich zurückgezogen hat, deren faszinierendes Gesicht seitdem in der Öffentlichkeit nicht mehr zu sehen ist. Yoko ist nach Johns Tod reich. Sie hat runde 470 Millionen Mark bekommen, die John Lennon hinterließ. Nicht in barem Geld, sondern in Apartments, Häusern am Atlantik, eine Rinderfarm, die allein 40 Millionen Mark wert ist. Es ist ein Vermögen, dessen Grundstock John gelegt hat, welches aber Yoko Ono mehrte. John wollte nicht von Geld reden, wollte nicht über Geld reden und wollte nicht mit dem Geld arbeiten. »Laß mich doch in Ruhe mit deinen 20 Millionen«, hatte er Yoko Ono einmal angeschrien, als sie ein Immobiliengeschäft machen wollte und John um seine Unterschrift bat. Er wollte bei seinem Sohn Sean sein, wollte mit dem Kleinen herumtollen; Geld und Reichtum interessierten ihn nicht. Deshalb würde es ihn wahrscheinlich auch gar nicht interessieren, daß sein Sohn Julian aus erster Ehe mit Cynthia Powell 30 Millionen als Pflichtteil erbt. John lebte nicht um des Geldes willen. Die Musik war es, die Songs, die John anstachelten, die ihn zum Erfolg trieben. John scherte sich einen Teufel um das Geld. Das taten in seinem Leben immer andere für ihn. Er wäre weitaus glücklicher gewesen, wenn er gehört hätte, daß Yoko das Weihnachtsfest 1980 mit seinem Sohn Julian aus erster Ehe –165–
verbrachte. »Pfeif aufs Geld. Liebe und Vertrauen sind wichtiger«, hat John Lennon einmal gesagt. »Und wenn ich einmal sterben sollte, rechnet mir nicht mein Konto an, sondern das, was ich für die Menschen tun wollte und vielleicht auch getan habe.«
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Das große Lexikon seiner Worte: John Lennon – Meine Meinung A Day In The Life – Ich schrieb an diesem Lied, mit der Daily Mail auf dem Klavier, und ich hatte ›Vermischtes‹ aufgeschlagen oder ›Neues in Kürze‹, wie sie es eben nennen. Da gab es einen Absatz über 4000 Höhlen, die man in Blackburne Lancashire entdeckt hatte, und mir fehlte immer noch ein Wort, als wir schon im Studio waren und aufnehmen wollten. Ich wußte, daß die Zeile gehen mußte: ›Jetzt weiß man endlich, wieviel Höhlen nötig sind, um die Albert-Hall zu füllen.‹ Das war natürlich ein Blödel-Vers, aber aus irgendeinem Grund fiel mir das Zeitwort nicht ein. Was hatten die Höhlen in der Albert-Hall zu schaffen? Doran war’s dann, der die AlbertHall ›füllen wollten‹. Alter – Die Sache, vor der ich Angst habe, ist, alt zu werden. Ich hasse das. Du wirst alt, und du kriegst es nicht mit. Das Alter ärgert sich immer über die Jugend und umgekehrt. Anfeindung – Schließlich sind wir auch nur Menschen. Es tut mir wirklich weh, wenn sie meine Frau Yoko beleidigen oder sie häßlich nennen. Angst – Ich hatte Angst, den Beatles-Palast zu verlassen. Der König wird meistens von seinen Untertanen umgebracht. Arbeit – Oft sitze ich am Klavier und arbeite an Liedern, und im Hintergrund blubbert leise die Röhre. Wenn ich nicht bei Laune bin und die Arbeit nicht so richtig läuft, dann kommen die Worte vom Bildschirm durch. So hörte ich auch ›Guten Morgen, Guten Morgen.‹ Es war ein Werbespot für Cornflakes, und so entstand das Lied ›Good Morning, Good Morning‹. Arbeiter – Sie träumen den Traum der anderen, noch nicht einmal ihren eigenen. Sie sollten einsehen, daß sie nach den Schwarzen und Iren die Nächsten sind, die unterdrückt werden. –167–
Wenn sie sich das klar machen, können wir mit der Arbeit anfangen, vielleicht mit der Aussicht auf Erfolg. Arbeiterklasse – Für jemanden, der wie ich aus der Arbeiterklasse kam, war alles, was mit der Arbeiterklasse zu tun hat, waren Rußland und China immer interessant gewesen, obwohl ich auf der Kapitalistenseite mitspielte. Aufrichtigkeit – Das ist doch der Ärger mit dem Aufrichtigsein. Du versuchst, die Wahrheit zu sagen, obwohl du manchmal unehrlich sein mußt, denn die ganze Sache ist in gewisser Weise unehrlich wie ein Spiel. Aber manchmal, wenn du mit irgend jemandem ehrlich bist, hoffst du, daß sie mit ihrem ganzen unnatürlichen Verhalten aufhören und zur Wahrheit zurückkehren und daß das es wert ist. Aber jeder spielt das Spiel. Manchmal bin ich offen und aufrichtig zu jedem, der mich angreift. Es ist enttäuschend. Auftritte – Hie und da vermisse ich sie, aber wenn ich an 38 Städte denke und an das Gehetze, dann bin ich froh, daß es so ist, wie es ist. Beatles – Es hat zwischen uns ein paar unangenehme Szenen gegeben; jetzt aber wollen wir uns selbst verwirklichen und alles Neue in uns aufnehmen. Ich werde vielleicht wieder malen oder zeichnen. Man darf nicht stehenbleiben. Ich glaube, ich trete schon etwas zu lange auf der Stelle. Beatles – Wir waren begeistert über die Musik von Buddy Holly und seinen Crickets (im Englischen bedeutet das soviel wie ›Grillen‹). Ich überlegte, wir sollten auch so einen Namen mit Käfern haben. Ich schrieb auf Beetles (Käfer). Aber das kam mir zu dumm vor, und ich nahm noch ein ›a‹ rein, um auf den Beat hinzuweisen. Und so wurde der Name ›Beatles‹ geboren. Beatles-Musik – Brian Epstein, unser Manager, steckte uns in Anzüge. Und wir brachten es sehr, sehr weit. Aber wir verkauften uns. Die Musik war tot, bevor wir überhaupt auf eine Theatertournee durch Großbritannien gingen. Wir fühlten uns –168–
völlig beschissen, weil wir unser Ein- oder Zwei-StundenProgramm auf zwanzig Minuten reduzieren mußten, worüber wir uns in einer Hinsicht freuten. Aber wir hatten die gleichen zwanzig Minuten jede Nacht zu wiederholen. Die Beatles-Musik starb damals musikalisch. Deshalb haben wir uns als Musiker nie weiterentwickelt und murksten uns selber ab. Bedin – (John und Yoko demonstrierten für den Frieden, indem sie sich nur im Bett aufhielten und dort Interviews gaben) Die Idee, öffentlich für den Frieden zu demonstrieren, kam von Yoko. Hinter allem, was sie tat, steckte ein spezifisches Motiv. Ihr Motiv war Frieden. Ich hatte über die Liebe gesungen, was wohl nur ein anderes Wort für Frieden ist. Unsere Friedensdemonstrationen waren Aktionen im Yoko-Stil. Sie waren reines Theater. Die Bedins in Kanada waren die schönsten, und ich kam mir dabei wie ein Zuschauer vor, die ganze Inszenierung war von Yoko. Bühne – Ich weiß nicht, ob aus Schüchternheit oder aus sonstigen Gründen – auf der Bühne wollte ich nie stehen. Eine Zeitlang war das auch eine tolle Sache. Aber Stücke schreiben und Musikaufnahmen machen mir am meisten Spaß. Christentum – Das Christentum wird eingehen. Es wird verschrumpeln und verschwinden. Darüber brauche ich nicht zu streiten. Ich habe recht, und die Zeit wird mir recht geben. Ich weiß nicht, was früher den Geist aufgeben wird, Rock ’n’ Roll oder das Christentum. Cynthia (Johns erste Frau) – Sie war stinkvornehm und eingebildet. Ich mochte sie erst gar nicht. Aber irgendwann merkten wir beide, daß wir kurzsichtig waren und zu eitel, das zuzugeben. Da haben wir zum erstenmal miteinander gelacht. Und bei einem Tanzabend der Akademie kriegte ich sie dann rum... Sie war dann schwanger, und wir heirateten. Wir hatten uns nie viel zu sagen. Na, in den sechziger Jahren redeten die Frauen auch noch nicht soviel wie heute. Sie war sehr ruhig, und ich war oft unterwegs. Gewiß, ich war nicht viel anders als –169–
Millionen Ehemänner auch. Verlogen, feige, immer ein schlechtes Gewissen. Die erste Nacht mit Yoko – Ich rief sie an und bat sie, vorbeizukommen. Es war mitten in der Nacht. Meine Frau war nicht da, und ich dachte mir, wenn, dann jetzt. Als sie kam, wußte ich nicht, was ich sagen sollte. Ich nahm sie mit nach oben in mein Studio und spielte ihr alle meine Bänder vor. Sie war sehr beeindruckt und sagte: »Jetzt machen wir gemeinsam etwas.« Und so entstand ›Two Virgins‹. Wir fingen um Mitternacht damit an und arbeiteten bis zum frühen Morgen. Anschließend haben wir dann zusammen geschlafen. Es war wunderschön. Do You Want A Secret – Ich schrieb dieses Stück. Ich erinnere mich, die Idee durch einen Walt-Disney-Film bekommen zu haben, Cinderella oder Fantasia. Einsamkeit – Wie kann ich einsam sein, wenn ich Tag und Nacht mit Yoko zusammen bin? Ich bin einsam im allgemeinen Sinne, aber darüber hinaus gibt es keine Wünsche. Wir sind die beste Sache, die wir einander geben können. Erfolg – Wir haben keine Ahnung, warum wir so erfolgreich sind. Wenn wir es wüßten, würden wir vier langhaarige Jungens nehmen, sie zusammenstecken und ihre Manager werden. Fernsehen – Ich mag das amerikanische Fernsehen, weil man achtzehn Sender bekommen kann. Aber bei keinem von ihnen kriegt man ein gutes Bild. Filme – Wenn mir eine interessante Rolle angeboten würde, warum nicht? Mir werden so viele Manuskripte angeboten, die ich nicht alle lesen kann – manchmal auch recht sonderbare Angebote, zum Beispiel ›Trotzki‹. Dann habe ich damals sogenannte Underground-Filme gemacht, sie haben Zeit und Geld verschlungen. Die Musik ist immer noch das stärkste Ausdrucksmittel, mit dem ich mich verständigen kann. Ich würde gern Film-Musik schreiben, besonders gern für Horror–170–
Filme, falls irgend jemand ein Angebot für mich hat. Film ›Magical Mystery Tour‹ – (nachdem dieser von der Kritik verrissen wurde) Ich bedaure es nicht. Meiner Ansicht nach war der Film einfach Klasse, am Ende wird es sich zeigen. Ich finde, es war gute Arbeit. Die Kameraleute haben viel verdorben, aber das ist nicht wichtig, weil du (er sprach mit Paul McCartney) sowieso der Überzeugung bist, daß alles Mist war, da du alles profihaft haben wolltest. Mir hat die Einfachheit und Spontaneität daran gefallen, die Tatsache, daß wir mit einem Haufen Typen losgefahren sind, um einen Film zu drehen. Das ist einfach Klasse. Fremdkompositionen – Wenn mir eine Nummer einfällt, sage ich mir, wow, die zu singen, wäre ein Knüller – aber dann kann ich eben nur einen Titel schreiben, der diesem ähnlich ist – und die Sache endet damit, daß ich mir einen eigenen Song komponiere. Freunde – Wenn ich betrunken oder sonst irgendwie weggetreten war, waren auch immer Freunde um mich herum, die das alles gut fanden und mir immer mehr von dem tödlichen Zeug verabreichten. Frieden – Wir werden jedem Staatsmann der Welt zwei Friedenseichen schicken, mit lieben Grüßen von John und Yoko. Wenn sie die Bäumchen pflanzen und zusehen, wie sie wachsen, wird der Gedanke, daß Frieden sein muß, vielleicht in ihre Köpfe eingehen. From Me To You – Paul McCartney und ich schrieben es, als wir auf Tournee waren. Beinahe hätten wir es nicht aufgenommen, denn wir dachten zuerst, es wäre zu schwülstig; aber als wir es fertig hatten und George Martin es für Mundharmonika instrumentiert hatte, war es in Ordnung. Furcht – Ich habe diese große Furcht, normal zu werden, wie diese Leute, die keine Rock ’n’ Roller geworden sind, die zum Establishment gehören. Das will ich vermeiden. Aber nicht mit –171–
Gewalt, davon habe ich die Nase voll. Ich muß einen anderen Weg finden. Gedichte – Als ich Teenager war, pflegte ich Gedichte zu schreiben, aber ich versuchte immer, meine wirklichen Gefühle zu verstecken. Und so bin ich eigentlich geblieben – bis ich Yoko kennenlernte. Geld ausgeben – Alle unsere Kumpels, die für uns seit fünfzehn Jahren arbeiteten, lebten und tranken und aßen wie im alten Rom. Und plötzlich erkannte ich es und sagte: »Wir verlieren Geld in einer solchen Höhe, daß wir pleite sein werden.« Wir hatten wirklich nichts mehr auf der Bank gehabt, keiner von uns. Paul und ich hätten uns möglicherweise über Wasser gehalten, aber wir gingen schnell baden. Es war einfach die Hölle, und es mußte aufhören. Geldverdienen – All der Zauber mit dem Geld und das Hin und Her mit Aktien, das ist wie ein Monopoly-Spiel mit richtigem Geld und Immobilien. Mehr ist es für mich nicht. Gewalttätigkeit – Wir sind eigentlich sehr scheu, aber frei heraus und ganz: normal. Wir versuchen, das Beste aus uns herauszuholen, aber wir befinden uns in einer anormalen Situation. Überall in den Zeitungen, im Fernsehen wimmelt es von Gewalttätigkeit. Das mindeste, was wir tun können, ist, die Schlagzeilen an uns zu reißen und die Leute zum Lachen zu bringen. Girl – Ich mochte ›Girl‹, weil ich in gewisser Weise versuchte, etwas Besonderes über das Christentum zu sagen, wogegen ich zu dieser Zeit opponierte. Das Lied ist über ein Traumgirl. Als Paul und ich früher Texte schrieben, lachten wir gewöhnlich darüber. Und erst später war es soweit, daß wir versuchten, den Text der Melodie anzupassen. Ich mag dieses Stück, es ist eines meiner besten. Hamburg – Ohne Hamburg hätten wir nie unseren eigenen Stil entwickelt. –172–
Happiness Is A Warm Gun – Ich mag das Lied, eines von meinen besten Songs. Ich liebe es direkt. Ich glaube, es ist ein wunderschöner Song. Ich mag all die verschiedenen Sachen, die darin vorkommen. Heirat – Es war schon komisch, verheiratet zu sein. Es war, als liefe man mit zwei verschiedenen Paar Socken und offenem Hosenschlitz herum. Hello, Little Girl – Das war eines der ersten Lieder, die ich jemals fertigstellte. Ich war da achtzehn Jahre alt. Ich glaube, es ist mein erster eigener Song, den ich jemals mit der Gruppe zu spielen versuchte. I Call Your Name – Ich mag dieses Stück. Ich schrieb es schon sehr früh, als ich in Liverpool war, und fügte das Mittelstück hinzu, als wir runter nach London kamen. I Don’t Want To Spoil The Party – Das war ein sehr persönliches Stück von mir. Früher schrieb ich weniger als Paul, denn er war weitaus geschickter auf der Gitarre als ich. Er brachte mir eine ganze Menge auf der Gitarre bei, wirklich. Und das habe ich dann ausgenutzt, als ich dieses Stück geschrieben hatte: Es wurde besser. I'll Be Back – Ein frühes Lieblingsstück, das ich mit wahrhaft reinem Herzen geschrieben habe. Es ist wirklich mein Lieblingsstück. I’m Happy Just To Dance With You – Ich schrieb es, um George singen zu lassen. Immer wird mir vorgeworfen, daß Paul und ich ihn in den Hintergrund drängen und ihn nicht mitmachen lassen wollten. Das ist überhaupt nicht wahr. Ich ermutigte ihn wie verrückt, gerade durch dieses Stück. I Want You – Das ist über Yoko. Sie ist sehr stark, und da gab es nichts anderes, was ich über sie hätte sagen können, als ›I want you, she’s so heavy‹. Irgendwer sagte, der Text wäre nicht sehr gut, aber da gab es nichts anderes, was ich sagen wollte. Jesus – Jesus war in Ordnung, aber seine Jünger waren fett –173–
und gewöhnlich. Sie ruinieren das Ganze für mich, weil sie es verdrehen und verzerren. Journalisten – Ihre Fragen gingen selten um unsere Musik, sondern nur um unsere Verrücktheiten oder um unsere Ansicht zu irgendwelchen Weltproblemen. Kinder – Babys machen die Welt glücklicher. Kleidung – Brian (Brian Epstein, der Manager) steckte uns in saubere Anzüge und Hemden, und Paul stand voll hinter ihm. Ich mochte das nicht, und ich versuchte, George dazu zu bringen, mit mir aufzumotzen. Ich habe ihm gesagt: »Wir brauchen diese beschissenen Anzüge nicht, laß sie wegwerfen.« Ich rebellierte dagegen mit lose gebundener Krawatte und damit, daß ich den obersten Hemdknopf offen ließ. Aber Paul – der war eisern und kam ständig zu mir, um die Sache in Ordnung zu bringen. Ich sah dann einen Film, den ersten Fernsehfilm, den wir je gemacht hatten. Die Filmleute kamen vorbei, um uns zu filmen, und da trugen wir Anzüge und so – das waren nicht wir. Als ich den Film dann sah, wußte ich, daß wir angefangen hatten, uns zu verkaufen.
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Ein Bild der Liebe: Dieses Foto von John und Yoko ist auf dem Cover für John Lennons letzte Platte »Double Fantasy«. Komponieren – Wenn ich es selbst mache, ist es für mich genau wie bei jeder anderen Art von Musik, mit der ich mich abgebe: freie Form. Wenn man so ernst werden und alles aufschreiben muß, dann ist die Musik im Museum eingekerkert und damit tot. Künstler – Als wir uns trennten, waren wir hypernervös. Jeder hatte Angst, plötzlich allein zu arbeiten. Mittlerweile sind wir nicht mehr nervös. Jeder ist von sich so überzeugt, wie ein Künstler nur sein kann, der alles für sich allein ausmacht. Wenn –177–
wir uns heute treffen, geschieht das ohne Spannungen, wir fühlen uns wohl. Kunst – Ich denke in langen Zeiträumen. Ich bin ein Künstler. Ich muß mich ausdrücken. Ich darf mich nicht von Goldenen Schallplatten beherrschen lassen – die Kunst allein ist wichtig. Manchmal muß ich mich selbst daran erinnern, weil bei allen, die auch nur irgendwie mit Kunst zu tun haben, die Gefahr besteht, nur ihr Streben nach Anerkennung befriedigen zu wollen. Kunst und Musik – Yoko hat mir viel über andere Seiten von Kunst und Musik beigebracht, von denen ich überhaupt keine Ahnung hatte. Und ich habe ihr etwas über den Rock 'n' Roll beigebracht. Es war also kein schlechter Tausch. Langes Haar – Wenn ich das Gefühl habe, ich sehe auf allen Fotos gleich aus, gehe ich hin und lasse mir die Haare schneiden, und schon sehe ich wieder ganz anders aus. Leben – Dankt Gott oder wem immer, den es da oben gibt, dafür, daß wir alle überlebt haben. Ich bin wild auf das Leben, und das gibt mir Hoffnung (John Lennon zwölf Stunden vor seiner Ermordung in einem Rundfunk-Interview der amerikanischen Gesellschaft BBC). Lehrer – Ein paar Lehrer beachteten mich schon, sie ermutigten mich, dieses oder jenes zu sein, zu zeichnen oder zu malen und mich selbst auszudrücken. Aber die meiste Zeit versuchten sie, aus mir einen beschissenen Zahnarzt oder Lehrer zu machen. Lehrer – Ich hatte recht, und die Lehrer hatten unrecht. Denn die hocken heute noch auf dem gleichen Fleck, ich nicht. Lucy In The Sky With Diamonds – Du zupfst an deiner Gitarre, versinkst ein bißchen, probierst, versetzt dich in eine Stimmung. Es gelingt dir nicht. Da kommt dein Sohn von der Schule. Er hat etwas gezeichnet, zeigt es mir, ein Mädchen, schön angezogen, Ringe an den Fingern, es fliegt zwischen den –178–
Wolken. Ich frage: »Wer ist denn das?« »Das ist Lucy, im Himmel mit Diamanten.« Lucy war das Nachbarmädchen. Ja, jetzt ist das Wunder da, jetzt fängst du plötzlich bei diesen Worten an zu arbeiten (So entstand das Lied ›Lucy In The Sky With Diamonds‹). Macht – Ohne Kampf kommt man nicht an die Macht, weil sie, wenn es zu dem ganzen Hick-Hack kommt, das Volk nicht an die Macht kommen lassen werden. Es bekommt das Recht, nach ihrer Pfeife zu tanzen, aber keine wirkliche Macht. Meditation – Wir haben einen Fehler gemacht, der Maharishi (der Guru, bei denen die Beatles waren) ist auch nur ein Mensch. Eine Zeitlang dachten wir, er wäre es nicht. Wir glaubten an die Meditation, aber nicht an den Maharishi und seine Schau. Mit diesem Teil unseres Lebens sind wir fertig. Mord – Man kann keinen Mord verhüten, indem man die Mörder ermordet. Musik – Als ich zum erstenmal Musik hörte, war ich wie erstarrt. Ich wußte noch nicht einmal, warum. Ich war vollkommen hypnotisiert. Musikalische Begleitung – Häufig kommt die Begleitung, die ich mir ausgedacht habe, bei der Aufnahme nicht zustande. Bei ›Tomorrow Never Knows‹ hatte ich mir vorgestellt, man würde im Hintergrund tausend Mönche singen hören, einen richtigen Klosterchor. Natürlich kam das nicht zustande, und wir machten das anders. Aber ich hätte es wenigstens versuchen sollen, mich meiner ersten Idee zu nähern, der mit den singenden Mönchen. Mir wird jetzt klar, daß es genau das war, was ich eigentlich haben wollte. Musikalische Entwicklung – Als wir jünger waren, machten wir all das, was die Bands heute tun: Sachen kaputtschlagen, mit einem Klodeckel auf die Bühne kommen. Wir spielten Straight Rock, und es war niemand da, der an uns rankam. Sobald wir es aber geschafft hatten, machten wir es zwar immer noch, aber die –179–
Ecken und Kanten waren weg. Man steckte uns in Anzüge. Wir hatten uns verkauft – und unsere Musik war tot. Musiker – Im Grunde genommen bin ich das, was ich selbst als primitiven Musiker bezeichnen würde. Das bedeutet, mir fehlt die klassische Ausbildung am Instrument. Ich habe es nur für meine eigenen Zwecke benutzt, nur soweit, um mich damit ausdrücken zu können. Das bedeutet für mich primitiv, wie bei den primitiven Malern. Und so sehe ich auch meine Stücke und meine Musik. Mutter – Sie wurde so etwas wie eine ältere Schwester für mich. Sie schenkte mir mein erstes buntes Hemd. Und sie lachte mit mir über die Lehrer und all die Leute, die sagten, es nehme ein schlimmes Ende mit mir. Wenn ich mit Tante Mimi Streit hatte, verbrachte ich öfter ein Wochenende bei meiner Mutter. Ich weiß, daß ich Mimi damit viel Böses antat. Aber bei Mutter hatte ich soviel Freiheit. Mutter – Ich hoffte immer auf meine Mutter, aber sie war nie für mich da. Das ist es, das Beschissene, weißt du, Mutter oder Eltern und so. Neue Stücke – Die Schwierigkeit ist, daß wir diese Riesenmengen von Stücken haben. Es sind zuviel, und wir können sie nur in ein paar Minuten unterbringen. Und ich kann meine Revolution No. 9 nicht auf ein Beatles-Album bringen, weil das John Lennon ist. New York – Hier kann ich ins Kino und ins Restaurant gehen. Hier bin ich in den letzten sieben Jahren auf den Straßen herumgelaufen. In England konnte ich es nicht einmal wagen, ums Haus zu gehen. Ich will hier leben, weil hier die Musik herkam, die mein ganzes Leben beeinflußt hat, und mich zu dem gemacht hat, was ich bin. Ich liebe die Stadt und will hier bleiben. Ich habe hier viele Freunde und möchte einfach dabei sein! Noten – Ich denke, eine Note ist genauso kompliziert wie –180–
alles, aber ich kann das nicht für den Rest meines Lebens Musikkritikern erklären, die komplexe musikalische Harmonien haben wollen, tonale Kadenzen und all den Schund. Ich bin ein einfacher Mensch, so brauche ich es nicht. Notensystem – All die Bands, die vom Notenblatt ablesen, sie alle spielen einfach total falsche Tonarten. So sind da gewisse Töne, die du nicht aufschreiben kannst. Wenn sie Musik geschrieben haben wollen, dann müßte sich irgend jemand ein neues Musiknotensystem ausdenken, welches alle Töne einbezieht. Aber es scheint immer irgend etwas falsch zu sein. Nowhere Man – Ich saß herum und versuchte, mir einen Song einfallen zu lassen, und ich dachte an mich selbst, wie ich so dasaß, nichts tat und nicht weiterkam. Nachdem mir das eingefallen war, war es einfach. Es kam alles heraus. Aber – in Wirklichkeit hatte ich aufgehört zu versuchen, mir etwas auszudenken. Nichts wollte mir einfallen. Ich war gelangweilt und ging, um mich hinzulegen. Ich hatte aufgegeben. Dann stellte ich mir mich selbst als Nowhere Man vor – und dann klappte es plötzlich. Oldies – Deswegen möchte ich auch so gerne Oldies aufnehmen, Songs, die ich kenne, wie altes Rock ’n’ Roll-Zeug – Buddy Holly und so weiter. Neuere Sachen von Elton John oder auch von Dylan muß ich erst lernen, ich kenne sie nicht. Orden – Viele von den Leuten, die sich bitter darüber beklagt hatten, daß man uns einen Orden verliehen hatte, haben ihre für Heldentaten im Krieg bekommen – dafür, daß sie andere Menschen umgelegt haben. Wir haben unseren gekriegt, weil wir die Menschen unterhalten. Paul McCartney – Alles, was Paul jemals in seinem Leben geliebt hat, waren die Beatles. Für sie hat er gelebt. Pläne – Ich mache nie Pläne. Meist entscheide ich von einem Tag auf den anderen. Kann sein, daß ich mich ein paar Monate völlig zurückziehe, um in Ruhe neue Songs zu komponieren. –181–
Plattenkäufer – Ich bilde mir ein, daß die Leute, die meine Platten kaufen, auch meine Lyrik verstehen. Meine Musik soll nur die Worte unterstützen, das, was ich damit ausdrücken möchte. Politik – Ich bekomme Krämpfe vom Intellektuellen-Dasein. Ich las ein bißchen über Politik, aber ich denke nicht, daß ich für irgendeinen Politiker stimmen würde. Keine Botschaft von einem dieser falschen Politiker dringt zu mir durch. Popularität – Wenn du zu gehen hast, hast du zu gehen. Publikum – Die Herrschaften auf den billigen Plätzen wollen klatschen, die anderen klimpern einfach mit ihren Juwelen. Quarrymen – Ich hatte eine Gruppe, ich war der Sänger und der Boß, ich traf Paul und hatte mich zu entscheiden, ihn in die Gruppe zu nehmen oder nicht – und er hatte sich auch zu entscheiden. War es ratsam, einen Burschen zu haben, der besser war als die anderen? War es klug, die Gruppe zu verbessern oder mich selbst den Besseren sein zu lassen? Das Ergebnis meiner Überlegungen war, daß ich beschloß, Paul McCartney in die Gruppe reinzunehmen und dadurch die Gruppe zu verbessern. Radikalismus – Mein Radikalismus war ziemlich lautstark, weil er aus einem Schuldgefühl kam. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, weil ich soviel Geld gemacht hatte. Rain – Am Schluß hört man, wie ich es verkehrt rum singe. In der Hauptsache hatten wir das Ding schon bei der Schallplattenfirma in den Kasten gebracht, und dann nahmen wir es immer mit nach Hause, um nach einem kleinen Extragag zu suchen und das Gitarrensolo durch die Mangel zu drehen. An diesem Tag kam ich so um fünf Uhr morgens heim, war sehr müde, und mein Schädel brummte. Ich stolperte zu meinem Tonbandgerät, drückte auf den Knopf, doch es kam verkehrt herum heraus. Ich saß zwischen den Kopfhörern, wußte nicht, wie mir geschah und dachte immer bloß: ›Mensch, was ist denn –182–
das bloß?‹ Es war das Größte, wissen Sie, und eigentlich wollte ich das ganze Ding verkehrt rum gesungen haben, und das war’s dann auch. Wir haben dieses Stück einfach hinten drangeklebt. Reiner Zufall, verstehen Sie? Ich hatte das Band verkehrt eingelegt, die Musik kam einfach verkehrt heraus, es machte mich ganz fertig. Die Stimme klingt wie ein ganz alter Inder. Rauschgift – Wir haben uns auf den Tourneen fürchterlich benommen, viel schlimmer, als je einer geahnt hat. Nicht nur, daß wir Haschisch nahmen und solche Dinge. Zum Beispiel haben George und ich weit über tausend LSD-Trips geschluckt, bis wir merkten, daß uns dieses Teufelszeug kaputtmachte. Da haben wir dann aufgehört. Reichtum – Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Alles verschenken und auf der Straße leben? Man kann vor dem Geld nicht davonlaufen, man kann vor nichts davonlaufen, das ist die Scheiße. Es läuft einem hinterher. Religion – Ich bin nicht gegen Gott, gegen Christus oder gegen Religion. Ich habe nicht gesagt, daß wir größer oder besser wären. Ich glaube an Gott, aber nicht als eine Sache, als Gott als einen alten Mann im Himmel. Ich glaube, daß das, was die Leute Gott nennen, irgendwo in uns allen ist. Ich glaube, daß, was Jesus und Mohammed und Buddha und all die anderen sagen, richtig war. Revolution No. 9 – Ich wollte das ausdrücken, was ich über die Revolution dachte. Ich glaubte, es war an der Zeit, darüber zu reden, verdammt noch mal, dasselbe, was ich zu der Zeit dachte, als wir aufhörten, nicht über den Vietnam-Krieg zu sprechen; als wir mit Brian Epstein auf Tournee waren und ihm immer sagen mußten: »Wir werden diesmal über den Krieg reden, und wir werden nicht einfach etwas daherquasseln.« Ich wollte sagen, was ich über die Revolution dachte. Ich habe oben in den Bergen in Indien oft darüber nachgedacht, ich hatte immer noch dieses Gefühl, Gott wird uns erlösen und alles in Ordnung kommen. Anders hätte ich es nicht durchgehalten. Aber dann, dann wollte ich einfach reden, ich wollte meinen –183–
Teil über Revolution sagen. Ich wollte es dir erzählen oder wer zuhörte, es mitteilen und sagen: »Was sagst du? So sehe ich die Sache.« Rockmusik – Rockmusik ist immer politisch, ob sie das will oder nicht. Alles, was Pop-Künstler seit der Entstehung des Rock ’n’ Roll getan haben, ist in gewisser Weise politisch, insofern, als es das Bewußtsein der Leute verändert hat. Rock ’n’ Roll – Mit dem Rock ’n’ Roll hat alles angefangen. Als ich ihn zum erstenmal hörte, ließ ich alles andere stehen und liegen. Rolling Stones – Die Rolling Stones sind unsere persönlichen Freunde. Sie sind die Kreativsten. Rückzug aus dem Showgeschäft – Ein Teil von mir ist Mensch, der andere ein Zirkusfloh. Das Schlimme im Musikgeschäft ist, daß man nicht mehr zählt, wenn man nicht ständig mit Andy Warhol im Xenon sitzt. Meine Frau und ich brauchten ziemlich lange, um ein Baby zu haben, das am Leben blieb. Und ich wollte meinem Sohn Sean fünf solide Jahre schenken. Ich hatte Julian, meinen Sohn aus erster Ehe mit Cynthia, überhaupt nicht aufwachsen sehen. Ich schickte Sean in den Kindergarten. Als ich aber feststellte, daß ich das tat, um ihn los zu sein, ließ ich ihn zu Hause bleiben. Wenn ich ihm jetzt, wo er fünf ist, nicht genug Aufmerksamkeit schenke, muß ich ihm später, wenn er ins Teenageralter kommt, doppelt soviel geben. Ruhm – Je größer wir wurden, desto unrealistischer kam es uns vor, desto mehr erwartete man von uns. Run For Your Life – Ich habe das Lied niemals in meinem Leben leiden können. Schottland – Wenn wir in Schottland auftraten, schrien und tobten die Leute immer gleich von Anfang an. Vermutlich haben die da oben nicht viel mehr zu tun. Schule – Leute wie ich wissen von ihrer sogenannten –184–
Genialität mit acht, neun oder zehn Jahren. Ich wundere mich immer, warum hat mich niemand entdeckt in der Schule. Sahen sie denn nicht, daß ich cleverer war als alle anderen? Daß auch die Lehrer dämlich waren? Die höhere Schule war eine beschissene, unnütze Erfahrung für mich. So sagte ich zu meiner Tante: »Du verkennst meine verdammten Gedichte, doch wenn ich berühmt bin, wirst du es noch bereuen.« Sie schmiß den ganzen Krempel, das ganze Papier weg. Schulprobleme – Ich möchte, daß einmal der Rahmen gesprengt wird, daß Ungehorsam gezeigt wird, daß die Schüler den Autoritäten die Zähne zeigen. Sehnsucht – Manchmal war ich es satt und fragte mich, wann ich wohl endlich die Frau meines Lebens finden würde. Ich wollte eine Frau, die mir intellektuell etwas geben konnte und nicht nur herrliches Essen. Sergeant-Pepper-Album – Ich kümmerte mich nicht um das gesamte Konzept von ›Pepper‹. Es mag besser sein, aber für mich war die Musik auf dem Doppelalbum besser, weil ich darauf ich selbst bin. Ich glaube, es ist genauso einfach wie das neue Album, wie bei ›I’m So Tired‹ nur die Gitarre. Ich fühle mich ungezwungener dabei als bei der Produktion. Ich mag die Produktion nicht so sehr, aber Pepper war schon ein Höhepunkt. She Said, She Said – Ich mag dieses Stück. Ich schrieb es über einen LSD-Trip, auf dem ich in Los Angeles war. Es war erst der zweite Trip, den wir hatten. Wir nahmen LSD, weil wir angefangen hatten, Dinge darüber zu hören und wir wissen wollten, was es damit auf sich hatte. Peter Fonda kam bei uns vorbei und begann, solche Dinge zu erzählen wie »Mensch, ich weiß, wie es ist, tot zu sein«, und wir wollten es wirklich nicht wissen, aber er redete und redete darüber, daß wir es nicht sein lassen konnten. Das ist der Grund, warum dieser Song entstand, aber – es ist auch ein schönes Lied. Showgeschäft – Das ganze Showgeschäft war schlimm, es –185–
war eine Scheiß-Erniedrigung. Es muß sich schon einer völlig demütigen, um das zu sein, was die Beatles einmal waren, und das ist es, was mich so ärgert. Sohn – Wissen Sie, es war für unsere Liebe wichtig, daß Yoko und ich ein Kind bekamen. Ein chinesischer Akupunkteur in San Francisco sagte: »Reißt euch zusammen, keine Drogen, keinen Alkohol, gutes Essen, frische Luft, und in achtzehn Monaten habt ihr euer Baby.« (Yoko und John’s Sohn Sean) Singen – Singen ist für mich zuallererst Verständigung. Die Leute müssen aufgerüttelt werden, um die Unterdrückung um sich herum zu erkennen. Song schreiben – Manchmal schrieben wir zusammen. Aber unsere besten Sachen – abgesehen von den frühen Tagen wie ›I Want To Hold Your Hand‹ und solche Sachen, die wir gemeinsam schrieben, haben wir immer jeder für sich geschrieben. Sound – Warum habe ich zu erklären, was Sound ist? Wir alle sitzen am Meer und hören ihm zu. Aber sagen wir ›Dieses Meer ist gut, weil es eine Erinnerung an Kindheitserlebnisse ist, als wir am Meer waren‹ ? oder ›Es ist wie Mutters Wasser‹ oder irgend so etwas? Die Leute liegen im Gras und hören den Vögeln zu, und niemand sagt etwas. Sterben – Ich hoffe, früher als meine Frau zu sterben. Denn wenn Yoko sterben würde, wüßte ich nicht, wie ich überleben sollte. Stuart Sutcliffe – Stu war immer der, zu dem ich aufblickte. Daß er starb (1962 an einer Gehirnblutung), haben wir alle bis heute nicht überwunden. Studenten – Die Studenten werden aggressiv gemacht, es ist wie mit dem Störenfried in der Schule. Er fordert so lange heraus, bis man ihn angreift. Und vielleicht bringen sie sich dann irgendwann um wie in Berkeley. Establishment ist ein anderes Wort für das Übel. Die, die Gewalt wollen, sind –186–
wahnsinnig. Überlassen die Zerstörung dem Establishment. Was sie aber nicht antasten können, ist unser Geist, für den wir kämpfen müssen. Den Studenten wurde eingeimpft, daß nur Gewalt Veränderung bringt. Das geht aber nicht, dadurch wird alles nur noch schlimmer. Tagesablauf – Yoko kümmert sich um die Geschäfte, und ich bin die Hausfrau. Es ist wie in einer dieser Komödien mit vertauschten Rollen. Ich sage zu ihr: »Na, wie war’s denn im Büro, Liebling? Willst du einen Cocktail? Ich habe die Schuhe noch nicht zurückgekriegt, und deine Hemden sind immer noch in der Wäsche.« Allen Hausfrauen erkläre ich: »Ich verstehe nun, warum ihr jammert. Ich bin eine reiche Hausfrau, aber keineswegs sorgenlos.« Texten – Ich erinnere mich an frühere Begegnungen mit Bob Dylan. Dylan sagte immer zu mir: »Hör dir den Text an, Mann.« Und ich sagte: »Ich kann mich nicht damit rumschlagen.« Ich hörte mir den Sound an von der ganzen Sache. Dann änderte ich das und fing an, ein Textmensch zu werden. Eigentlich spielte ich ohnehin schon mit Worten. So machte ich bewußte Anstrengungen, wortreich à la Dylan zu sein. Nun habe ich mich von dieser Last befreit, ich bin nur an reinem Sound interessiert. Thank You, Girl – Paul und ich schrieben es als eine B-Seite für eine unserer ersten Platten. Früher hatten wir gewöhnlich die ganze Zeit geschrieben und geschrieben, aber heutzutage tue ich es nur, wenn ich besonders inspiriert werde. Theorie – Theorie ist für den Kritiker oder das Publikum. Die Praxis, die Erfahrung selbst, ist für den Künstler und für das Publikum, das nicht darüber theoretisiert. Das trifft es genau. Für mich existiert Kritik nicht. Es berührt mich, wenn du sagst: »Was hast du für einen schrecklichen Song geschrieben« und »Was hast du für einen tollen Song geschrieben.« Es berührt mich genauso, wie wenn du sagst: »Ich mag deinen Anzug nicht.« Es ist nicht so wichtig. Die Erfahrung selbst ist es, nur die Musik zu hören und den Film zu erleben. –187–
Titelfoto – (Das Cover für die Platte ›Two Virgins‹. Es zeigt John und Yoko absolut hüllenlos.) – Das Foto soll beweisen, daß wir nicht verrückt und deformiert, sondern zwei ganz normal denkende Menschen sind. Obszön konnte es nur für den sein, der dabei obszöne Gedanken hat. Wir wollten nur zeigen, daß wir uns lieben und den anderen etwas von diesem Hochgefühl vermitteln. Wenn wir der Gesellschaft klarmachen können, daß wir uns lieben und sie dafür aufhört, sich über uns lustig zu machen, haben wir erreicht, was wir wollen. Trennung – Im Spätsommer 1969 faßte ich als erster den Entschluß, die Beatles zu verlassen. Für mich war die Gruppe am Ende. Ich fühlte mich wie befreit, als wir uns 1970 endlich trennten. Jahrelang war man nur an Verträge, Auftritte, Plattentermine geknebelt, zum Leben blieb da keine Zeit. Nun war dieser Mist endlich zu Ende, und jeder ging seiner Wege. Volk – Sie schlagen auf mich ein, weil ich ›Power To The People‹ verlange und sage, daß keine Gruppe die Macht haben soll. Unsinn, das Volk ist keine Gruppe. Das Volk ist jeder. Ich bin der Ansicht, daß jeder das gleiche Recht auf Besitz hat und daß das Volk einen Anteil an den Betrieben haben sollte und mitentscheiden soll, wer der Boß ist und wer was macht. Schüler sollten ihre Lehrer selbst auswählen dürfen. Es wäre wohl so etwas wie Kommunismus, aber ich weiß nicht so ganz, was richtiger Kommunismus ist. Es gibt in der Welt keinen richtigen Kommunismus, Rußland hat ihn zum Beispiel nicht. Es ist ein faschistischer Staat. Von der Trennung der Beatles – Ich habe erkannt, wie ich bin, und ich muß damit aufhören, weil es mir nicht guttut. Ich fühle mich hinterher (nach der Plattenproduktion) immer ganz elend, und das ist einzig und allein mein Fehler. Deshalb sage ich jetzt, zerbrecht euch meinetwegen nicht mehr den Kopf, keine abgesprochenen Dinge mehr. Ich will nicht, daß man auf diese Art und Weise mit mir umspringt, es muß doch andere Wege geben. Ich sage von heute an ›Nein‹ zu allem. –188–
What Goes On – Ich hatte mir immer gewünscht, Lieder schreiben zu können wie die anderen – und ich habe es versucht, aber ich kann es nun mal nicht so. Den Text kriege ich ganz gut hin, aber so oft ich mir eine Melodie ausdenke und sie den anderen vorsinge, sagen sie immer: »Das klingt ja wie –« und dann sagen sie irgendeinen Titel. Aber bei einem Lied wurde ich als Mitkomponist erwähnt – und das ist ›What Goes On‹. Wirklichkeit – Ich bin ein Wirklichkeitsflüchter. Alle pochen immer auf die Zukunft, aber ich lasse mir durch sie nicht meine Spaße verderben. Vielleicht war ich besorgter, als ich mich mit Gott beschäftigte. Yoko – Als wir in Indien waren, wälzten alle ihre Pläne, und ich wollte Yoko groß herausbringen. Ich hätte es auch getan, wenn wir uns nicht ineinander verliebt hätten. Und jetzt sind wir für immer zusammen. Es kam eigentlich viel besser, und es wird immer noch besser und besser ... Yoko’s Einfluß – Zwei Jahre bevor ich Yoko kennenlernte, war ich depressiv. Mein Leben schien keinen Sinn mehr zu haben. Aus meiner Verzweiflung heraus schrieb ich meine Lieder. Sie lehrte mich wieder zu denken, zu verstehen, was mir geschehen war, und zu erkennen, warum es lächerlich ist, so weiterzumachen. You Can’t Do That – Das war mein Versuch, so zu sein wie Wilson Pickett damals. Aber es war auf der Rückseite, weil ›Can’t Buy Me Love‹ so gut war. Zeugung – Neunzig Prozent der Bewohner dieses Planeten sind in einer Samstagnacht mit Hilfe einer Flasche Whisky und ohne tiefere Absicht gezeugt worden. Also sind die meisten von uns Zufallsprodukte. Zukunft – Das Wichtigste ist nicht, an die Zukunft oder die Vergangenheit zu denken. Die Hauptsache ist, mit dem Jetzt fertig zu werden.
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Die Erfolgssongs der Beatles Good Day Sunshine Mother Nature’s Son The Word Michelle Helter Skelter Why Don’t We Do It In The Road? Getting Better Drive My Car All I’ve Got To Do I’m So Tired When I’m Sixtyfour It’ All Too Much A Day In The Life In My Life Happiness Is A Warm Gun The Continuing Story Bungalow Bill What Goes On Strawberry Fields Forever Martha My Dear Misery I Will Good Night Only A Northern Song Blackbird Hey Jude
Of
An die Sonne Der Sohn von Mutter Natur Das Wort Michelle Drunter drüber Gute Idee Es wird besser Sei mein Chauffeur Mehr brauch’ ich nicht zu tun So müde Ich mit sechzigvier Es ist zuviel Ein Tag im Leben In meinem Leben Das Glück ist ein heißes Gewehr Der Fortsetzungsroman von Bungalow Bill Was geht vor? Erdbeerhänge auf ewig Martha, mein Alles Traurigkeit Ja doch Gute Nacht Nur so’n Lied von der Northern Amsel An einen Freund
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Hier, dort und überall
Here There And Everywhere Got To Get You Into My Life We Can Work It Out Ticket To Ride Lovely Rita Nowhere Man
Ich muß dich in mein Leben kriegen
Being For The Benefit Of Mr. Kite!
Back In The U.S.S.R. Lady Madonna Fixing A Hole Cry Baby Cry Hey Bulldog Magical Mystery Tour Taxman Lucy In The Sky With Diamonds Norwegian Wood I’m A Loser Help! Rocky Raccoon Good Morning, Good Morning Sexy Sadie I Am The Walrus Nobody I Know She’s Leaving Home Hold Me Tight Julia Doctor Robert
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Wir kommen schon klar Eisenbahnkarte Schöne Rita Nirgendsmann Zu den Gunsten von Herrn Kite Daheim in der USSR Ach, du Madonna Ich flick’ ein Loch Wein Baby wein Hey Bulldog Zauberhafte Rätselreise Strauchdieb Lucy am Himmel mit Diamanten Norwegisches Holz Ein Verlierer Helft! Rocky Waschbär Guten Morgen, guten Morgen Sexy Sadie Ich bin das Walroß Niemand sonst Sie geht von zu Haus Halt mich fest Julia Doctor Robert
Everybody’s Got Something To Hide Except For Me And My Monkey
Don’t Let Me Down Love You To I Saw Her Standing There Yellow Submarine I’m Only Sleeping Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band A Hard Day’s Night Revolution Baby You’re A Rich Man Yesterday Tell Me What You See The Inner Light The Fool On The Hill Can’t Buy Me Love Paperback Writer If I Fell Hello, Goodbye There’s A Place Day Tripper You Won’t See Me Dear Prudence And Your Bird Can Sing Yer Blues Honey Pie I Want To Hold Your Hand I'm Looking Through You Think For Yourself
Alle haben was zu verbergen außer mir und meinem Affen Laß mich nicht im Stich Zeit der Liebe Als ich sie drüben fand Gelbes Tauchseeboot Ich schlaf ja nur Korporal Pfeffers Blasmusik der Einsamen Herzen e.V. Eines schweren Tages Nacht Revolution Kleiner, du bist steinreich Gestern Sag mir, was du siehst Erleuchtung Der Narr auf dem Hügel Geld kauft nicht Liebe Taschenbuchschreiber Wenn ich Ich komm’, ich geh’ Ich weiß wohin Eintagsfliege Du willst mich nicht sehn Dear Prudence
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Und euer Vogel zwitschert ganz schön
Blues Honigkind Deine Hand Ich suche in dir Sieh, wie du’s schaffst
Tomorrow Never Knows Love Me Do Blue Jay Way Birthday Baby’s In Black Eleanor Rigby She Loves You All You Need Is Love Get Back P.S. I Love You Your Mother Should Know With A Little Help From My Friends
Within You Without You Run For Your Life Glass Onion I Want To Tell You Rain All Together Now Ob-La-Di, Ob-La-Da Penny Lane
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Morgen ist ein andrer Tag Hab mich lieb Eine Adresse in Los Angeles Geburtstag Schwester trägt Schwarz Eleanor Rigby Sie liebt dich Liebe ist genug Geh zurück P.S. Ich liebe dich Die Mami kennt’s schon Wenn meine Freunde mir helfen Litanei Lauf um dein Leben Die gläserne Zwiebel Ich will dir sagen Regen Alle zusammen jetzt Ob-La-Di, Ob-La-Da Penny Lane
John Lennons Songs Singles Imagine Working Class Hero Ya Ya Be-Bop-A-Lula Stand By Me Move Over MS. L 9 Dream What You Got Mind Games Meat City Woman Is The Nigger Of The World Sisters O Sisters Imagine It’s So Hard Power To The People Open Your Box Mother Why Whatever Get’s You Thru’ The Night Beef Jerky Instant Karma Who Has Seen The Wind? Give Peace A Chance Remember Love Happy Xmas (War Is Over) –194–
Listen, The Snow Is Falling Starting Over Kiss, Kiss, Kiss
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Langspielplatten Unfinished Music No. 1 Two Virgins John Lennon & Yoko Ono Two Virgins No. 1 / Together / Two Virgins No. 2 / Two Virgins No. 3 / Two Virgins No. 4 / Two Virgins No.5 / Two Virgins No. 6 / Hushabye Hushabye / Two Virgins No. 7 / Two Virgins No. 8 / Two Virgins No. 9 / Two Virgins No. 10 Unfinished Music No. 2 Life With The Lions John Lennon & Yoko Ono Cambridge 1969 No Bed For Beatle John / Baby’s Heartbeat / Two Minutes Silence / Radio Play The Wedding Album John Lennon & Yoko Ono John And Yoko Amsterdam Live Peace in Toronto Plastic Ono Band Blue Suede Shoes / Money / Dizzy Miss Lizzy / Yer Blues / Cold Turkey / Give Peace A Chance Don’t Worry Kyoko / John, John (Let’s Hope For Peace) John Lennon Plastic Ono Band Mother / Hold On John /I Found Out / Working Class Hero / Isolation Remember / Love / Well Well Well / Look At Me / My Mummy’s Dead Imagine Imagine / Crippled Inside / Jealous Guy / It’s So Hard / I Don’t Want To Be A Soldier –196–
Give Me Some Truth / On My Love / How Do You Sleep? / How? / Oh Yoko! Sometime in New York City – Live Jam John & Yoko / Plastic Ono Band Woman Is The Nigger Of The World / Sisters Oh Sisters / Altica State / Born In A Prison / New York City / Sunday Bloody Sunday / The Luck Of The Irish / John Sinclair / Angela / We're All Water Cold Turkey / Don’t Worry Kyoko Well / Jamrag / Scimbag / Ali Mind Games Mind Games / Tight AS / Aisumasen (I’m Sorry) / One Day (Al A Time) / Bring On The Lucie (Freeda People) / Nulopian International Anthem Intuition / Out Of The Vlue / Only People /1 Know (I Know) / You Are Here / Meat City Walls and Bridges Going Dount On Love / Whatever Gets You Thru The Night / Old Dirt Road / What You Got / Bless You / Scared 9 Dream /Surprise, Surprise (Sweet Bird Of Paradox) /Steel And Glass / Beef Jerky / Nobody Loves You (When You're Down And Out) / Ya Ya Rock ’n’ Roll Be-Bop-A-Lula / Stand By Me / Medley: Rip It Up & Ready Teddy / You Can’t Catch Me / Ain’t That A Shame / Do You Want To Dance / Sweet Little Sixteen Slippin’ And Slidin’ / Peggy Sue / Medley: Bring It On Home To Me & Send Me Some Lovin’ / Bony Moronic / Ya Ya / Just Because Shaved Fish John Lennon / Plastic Ono Band –197–
Give Peace A Chance / Cold Turkey / Instant Karma / Power / 9 Dream / Happy Xmas (War Is Over) / Reprise: Give Peace A Chance Double Fantasy John Lennon & Yoko Ono Starting Over / Kiss Kiss Kiss / Clean Up Time / Give Me Something / I’m Losing You / I’m Moving On / Beautiful Boy (Darling Boy) / Watching The Wheels / I’m Your Angel / Woman / Beautiful Boys / Dear Yoko / Every Man Has A Woman Who Loves Him / Hard Times Are Over
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John Lennon und die Filme ›Yeah, Yeah, Yeah‹ Inhalt: Dieser Film enthält weder eine Liebesstory noch eine durchgehende Linie. Er zeigt die Beatles in kleinen Szenen des Lebens, Blödeleien auf einer Bahnfahrt, Ulk in einem Riesenschaumbad, die vier sind ständig ausbruchsbereit und werden immer wieder durch ›Betreuer‹ zusammengesucht , weil einer von ihnen immer dort ist, wo er nicht sein soll. Darsteller: John Lennon, Ringo Starr, Paul McCartney, George Harrison Regie: Richard Lester ›Hi-Hi-Hilfe‹ (Help!) Inhalt: Zwei größenwahnsinnige Wissenschaftler sind hinter einem Diamanten her, den Ringo Starr trägt. Er soll angeblich über magische Kräfte verfügen, die diesen zwei Wissenschaftlern die unumschränkte Macht über alle fünf Erdteile gibt. Dieses Bemühen entwickelt sich zu einer dramatischen Hetzjagd zwischen den Bahamas und dem österreichischen Hochgebirge. Es kommt zu aufregenden Szenen, als auch noch eine orientalische Sekte eingreift, die sich ebenfalls für den Stein interessiert. Und Ringo will ihn unbedingt loswerden. Der Film ist voller turbulenter Szenen. So vollendet ein Kanalschwimmer seinen sportlichen Rekord in einem Alpensee, und der Buckingham-Palast wird in Aufregung gestürzt. Schließlich verlieren die Wissenschaftler den Kampf um den Diamanten, die Sekte das von ihr auserkorene ›Opfer‹ Ringo. Darsteller: John John Lennon Paul Paul MC Cartney –199–
Ringo Ringo Starr George George Harrison Clang Leo McKern Ahme Eleanor Bron Foot Victor Spinetti Algernon Roy Kinnear Bhuta Johne Bluthai Inspektor Patrick Cargill Stab: Produktion Walter Shenson Regie Richard Lester Drehbuch Marc Brehm & Charles Wood Nach einer Idee von Marc Brehm Kamera David Watkins Bauten Ray Simm Spezialeffekte Cliff Richardson Kostümentwürfe Julie Harris, Dinah Greet Frisuren Betty Glasgow Schnitt John Victor Smith Ton Dickie Bird ›Yellow Submarine‹ Inhalt: Es war einmal ein Königreich namens Pfefferland. In dieser glücklichen und friedvollen Monarchie ereignet sich während des Konzertes von Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band eines Tages ein dramatischer Zwischenfall. Die Blue Meanies führen einen konzentrischen ›Anti-MusikRaketenangriff‹ auf das ahnungslose Volk, um es der Musik zu berauben! Dabei wollen der Chef-Meanie, sein Assistent Max und ihre 99 Spießgesellen den Pfefferländern unter Androhung von Gewalt auch noch das Glück und die Liebe stehlen ... Der Bandleader Old Fred flieht vom Konzertpodium zum –200–
Oberbürgermeister und läßt sich von ihm in buchstäblich letzter Sekunde in das gelbe Unterseeboot – the Yellow Submarine – verfrachten, um mit ihm nach Liverpool zu fahren. Dort taucht er in unmittelbarer Nähe von Ringo auf, der aus Langeweile gerade einen Hafenspaziergang macht. Nachdem Old Fred dem Beatles-Drummer von seinen und der Pepperländer Sorgen berichtet hat, gehen die beiden zu John und gabeln anschließend den klassische Musik hörenden Paul und den in philosophische Betrachtungen versunkenen George auf. Mit vier neuen Songs und einem Haufen Wortspielen ›bewaffnet‹, kehren die fünf per Yellow Submarine nach Pepperland zurück. Auf dem Wege nach dort erleben sie eine Fülle teils bewegter und teils haarsträubender Abenteuer, bei denen mitunter unsere gesamte Zeitrechnung in Unordnung gerät. Die fünf jagen Lucy durch ihren Diamantenhimmel, erklettern Uhren und Suppenschüsseln, telefonieren mit der Queen, bringen Albert Schweitzer ein Ständchen und werden – unter anderem – von einer gewaltigen Apfellawine fortgerissen. Zu den Prominenten und weniger Prominenten, denen sie auf ihrer ›Modyssee‹ durch Vergangenheit und Gegenwart begegnen, gehören William Shakespeare, Sigmund Freud, Napoleon, Mozart, Moses und Methusalem, Cicero, Cowboys, Indianer, Pauls Großvater sowie eine Reihe völlig unidentifizierbarer Gestalten ... Zu guter Letzt spült sie ein heftiger ›Pfeffernieser‹ durch das ›Meer der Lochen an die Gestade des besetzten Pfefferlandes, dem die Sieger inzwischen auch noch die gesamte Farbe klauten! In fantastischer Verkleidung schmuggeln die Beatles ein Arsenal von Musikinstrumenten ins Land, und wenig später bereits stehen sie mit ihren Gitarren im Kampf gegen die hartnäckigen Meanies. Es ist ein Kampf, an dem der furchterregende Fliegende Handschuh, die Butterfield-Stompers, eine bissige Meerschildkröte sowie der ›Count Down Clown‹ –201–
teilnehmen. Am Ende ist es die Musik, mit der die vier die Schlacht um Pfefferland gewinnen. Darsteller: Die Beatles Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band Stab: Produktion AI Bordax Regie George Dunning Drehbuch AI Brodax Jack Mendelsohn Erich Segal Nach einer Idee von Lee Minhoff Entwürfe Heinz Edelmann Musikalische Leitung George Martin Spezialeffekte Charles Jenkins Produktionsleitung Abe Goodman ›Magical Mystery Tour‹ Inhalt: Vier Magier mieten einen Bus und fahren in die englische Grafschaft Devon, um dort ›altenglische Geister‹ zu sehen. Es gibt sie nicht. Und so kommt eine Busladung voller merkwürdiger Menschen zusammen, die ungewöhnliche Abenteuer erleben. Darsteller: Die Beatles Jimmy Johnson Derek Royle Wendy Winters Mandy West Little George George Ciadon Tante Jessie Jessie Robbins Maggie Maggie Wright sowie Ivor Cutler, Nat Jackley, Victor Spinetti und Shirley Evans als Gaststars Produktion Sowohl Drehbuch als auch Aufnahmetechnik durch die Beatles. Regie John Lennon ›Wie ich den Krieg gewann« (How I Won The War) –202–
Inhalt: Es ist eine stilisierte Komödie. In ihrem Mittelpunkt steht ein britischer Infanterie-Zug, dem auch der Schütze Gripweed angehört. Seiner gekonnten und hintergründigen Trotteligkeit verdankt der Infanterie-Zug allerlei kriegerische Überraschungen. Der Film spielt während des Zweiten Weltkrieges. Darsteller: Gripweed John Lennon Leutnant Goodbody Michael Crawford Clapper Roy Kinnear Odleburg Karl Michael Vogler Drogue James Cossins Corporal Dooley Ewen Hooper Spool Ronald Lacey Oberstleutnant Grapple Michael Hordern Juniper Jack Mac Gowran Transom Lee Montague Stab: Produktion und Regie Richard Lester Drehbuch Charles Wood Kamera David Watkin Bauten John Stoll Philip Harrison Produktionsleitung Hubert Froelich Roberto Roberts Regieassistenz Pepe Lopez Rodero ›Smile‹ Inhalt: Der Film zeigt nur die Aufnahme von Johns Lächeln in sanften Bildern. Die Drehzeit betrug drei Minuten, die Vorführzeit dauerte zweiundfünfzig Minuten. Der Film wurde mit einer Spezialkamera vorgeführt, die es auf 20 000 Einstellungen pro Minute bringt. Johns Einstellung zu diesem Film: »Der Film sollte irgend –203–
jemanden zeigen, der lächelt. Yoko hatte sich doch das genau ausgedacht. Zuerst wollte sie eigentlich, daß eine ganze Million Menschen auf der ganzen Welt ihr ein Foto von sich schicken, auf dem sie lächeln. Dann sollten es nur ein paar Menschen sein, dann nur noch einer oder zwei, und dann war ich es, der lächeln soll. Als das Symbol für das Lächeln heute. Und das stelle ich eben dar, was es auch immer bedeuten soll. Und so lächle ich eben, und das ist natürlich mein Fehler. Denn ich bin es schon wieder. Eines Tages sollte man wirklich einsehen, daß nur ich es bin. Sollten sich die Leute doch ruhig den Film ansehen, er schadet niemandem. Die Idee des Films wird sicher nicht fünfzig oder hundert Jahre lang bleiben. Das ist alles. Ich bin eben zufällig dieses Gesicht.« Darsteller: John Lennon ›Two Virgins‹ Inhalt: Dieser Film soll den Eindruck erwecken, als würde Yoko durch Johns Augen hindurch sich selbst sehen und er mit ihrem Mund lächeln. »In beiden Filmen wollten wir die Schwingungen darstellen, die des Films an sich und die Schwingungen, die zwischen uns beiden herrschen«, interpretiert Yoko später. Am Ende trennen sich die beiden Gesichter. Der Film hat eine Länge von neunzehn Minuten. Darsteller: John Lennon und Yoko Ono. ›Rape‹ (›Notzucht‹) Inhalt: Ein 21jähriges Mädchen, Flüchtling aus Ungarn und in London lebend, wird von Kameras gnadenlos verfolgt: Ob es beim Friseur ist, beim Spazierengehen, selbst in die Wohnung dringt das Kamerateam ein, um das Opfer zu filmen. Es handelt sich um einen Dokumentarfilm: Das Mädchen weiß nichts von der Absicht der Filmleute, einen Film über einen Menschen zu drehen, der sonst von der Öffentlichkeit gar nicht beachtet wird. Das Mädchen erleidet schließlich einen –204–
echten Nervenzusammenbruch. Erst nachdem der Film abgedreht ist, gibt schließlich nach langem Zögern – das Mädchen die Erlaubnis zur Aufführung des Films. Darsteller: Eva Maylath Regie John Lennon und Yoko Ono Kamera Nie Knowland ›Cold Turkey‹ Inhalt: Yoko Ono beobachtet John Lennon bei der Arbeit im Studio. Wenig Handlung, dafür eine collagenhafte, farbige Arbeit mit illustrierten Songs. Darsteller: John Lennon Regie: Yoko Ono
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