IT-Offshoring
Michael Amberg · Martin Wiener
IT-Offshoring Management internationaler IT-Outsourcing-Projekte
Mit 45 Abbildungen und 19 Tabellen
Physica-Verlag Ein Unternehmen von Springer
Prof. Dr. Michael Amberg Dr. Martin Wiener Universität Erlangen-Nürnberg Wirtschaftsinformatik III Lange Gasse 20 90403 Nürnberg E-mail:
[email protected] [email protected] ISBN-10 3-7908-1732-5 Physica-Verlag Heidelberg ISBN-13 978-3-7908-1732-4 Physica-Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Physica-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Physica-Verlag Heidelberg 2006 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Satz: Digitale Vorlage der Autoren Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 11767695
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Gedruckt auf säurefreiem Papier
Inhaltsverzeichnis Geleitwort ..................................................................................................V Vorwort der Autoren .............................................................................VII Einführung..................................................................................................1 Teil A: Grundlagen ....................................................................................5 1 Formen ...................................................................................................7 1.1
Leistungsformen ...........................................................................8 1.1.1 1.1.2 1.1.3
1.2
Gestaltungsformen ......................................................................17 1.2.1 1.2.2
1.3
Infrastructure Service Offshoring .......................................10 Software Development Offshoring .....................................12 Business Process Offshoring (BPO) ...................................14 Totales Offshoring ..............................................................17 Partielles Offshoring ...........................................................18
Organisationsformen...................................................................19 1.3.1 1.3.2 1.3.3
Tochterunternehmen ...........................................................20 Joint Venture .......................................................................23 Fremdunternehmen .............................................................24
2 Sourcing-Modelle ................................................................................27 2.1
Kooperationsmodelle..................................................................27 2.1.1 2.1.2 2.1.3
2.2
Onsite Delivery ...................................................................28 Onshore Delivery ................................................................29 Offshore Delivery ...............................................................30
Geschäftsmodelle........................................................................30 2.2.1 2.2.2 2.2.3
Global Sourcing ..................................................................31 Build-Operate-Transfer (BOT) ...........................................33 Multisourcing ......................................................................34
3 Chancen und Risiken ..........................................................................37 3.1
Chancen ......................................................................................37 3.1.1 3.1.2 3.1.3
Finanzielle Chancen............................................................39 Qualitative Chancen............................................................42 Strategische Chancen ..........................................................44
Geleitwort IT-Offshoring – kaum ein anderes Thema wird zurzeit so kontrovers in den Unternehmen und in der Presse diskutiert. Die Meinungen in der deutschsprachigen IT-Branche sind gespalten und es wird emotional und vorurteilsbehaftet argumentiert. Die einen versprechen sich von Offshoring signifikante Kostenvorteile und Lösungen für vorhandene Kapazitäts- und Projektengpässe, die anderen sind der Meinung, dass aufgrund sprachlicher und kultureller Barrieren Offshoring in Deutschland „eh nicht funktioniert“. Schaut man über den eigenen Tellerrand hinaus, z. B. in die USA oder nach Großbritannien, so gehen die Unternehmen dort anders mit dem Thema IT-Offshoring um. Sie behandeln die Thematik insgesamt sachlicher und setzen das IT-Offshoring in denjenigen Bereichen gezielt ein, in denen es vorteilhaft erscheint. Eine weitere Beobachtung ist, dass global operierende Großunternehmen, allen voran die großen IT-Dienstleister, zum Teil drastisch ihre OffshoreKapazitäten aufbauen. Es sei also die Frage erlaubt, ob deutsche Unternehmen im globalen Wettbewerb nicht Wettbewerbsnachteile erleiden, wenn sie sich mit dem Thema IT-Offshoring nicht hinreichend auseinandersetzen. Insbesondere für mittelständische Unternehmen in deutschsprachigen Ländern scheint jedoch aufgrund der hohen Komplexität und der unwägbaren Risiken von Offshore-Projekten die Einstiegshürde sehr hoch zu sein. Ich bin deshalb sehr froh, dass es Herrn Prof. Dr. Michael Amberg und Herrn Martin Wiener gelungen ist, in diesem Buch das Thema IT-Ofshoring ausgiebig zu beleuchten und einen praktischen Leitfaden für das Management von internationalen Outsourcing-Projekten zu entwickeln. Meiner Meinung nach ist dieses Buch mehr als überfällig für die deutsche IT-Gemeinde. Neben der fundierten Grundlagenbetrachtung des IT-Offshorings werden insbesondere im zweiten Teil dieses Buches die Aktivitäten in ITOffshoring-Projekten praxisnah diskutiert und ein Vorgehensmodell abgeleitet.
VI
Geleitwort
Ich bin davon überzeugt, dass mit diesem Buch ein wichtiger Schritt zur „Entmystifizierung“ des Themas IT-Offshoring gemacht wurde. Das Buch kann Unternehmen dabei unterstützen, sachlich und fundiert die Vorteile und Problemstellungen eines Offshore-Vorhabens zu analysieren, Risken zu bewerten, ein Vorgehensmodell abzuleiten und so letztendlich die besten Optionen für das eigene Unternehmen und die anstehenden IT-Projekte herauszuarbeiten. Ich wünsche allen Lesern viele Anregungen für die Umsetzung in der Praxis.
Rolf Stephan Vorstand der NIIT Technologies AG
Vorwort der Autoren Die zunehmende Globalisierung und die hiermit verbundene Wettbewerbsintensivierung stellen Unternehmen weltweit vor eine erhebliche Herausforderung. Eine mögliche Antwort ist das so genannte IT-Offshoring. Um in globalen Märkten wettbewerbsfähig zu sein, haben Unternehmen in den letzten Jahren neben Produktionsleistungen auch verstärkt Dienstleistungen in Niedriglohnländer verlagert. In Nordamerika kann die Verlagerung von IT-Services in das Ausland bereits als eine etablierte Managementpraktik angesehen werden. In Deutschland waren erste Erfahrungen der Unternehmen mit IT-Offshoring nicht durchweg positiv. Diese Negativerfahrungen werden häufig mit den bestehenden kulturellen und sprachlichen Unterschieden zwischen den Projektpartnern sowie den strukturellen Rahmenbedingungen in Deutschland, aber auch mit einem unzureichenden Projektmanagement durch die beteiligten Unternehmen begründet. Gerade für Letzteres ist es wichtig, die bestehenden Handlungsalternativen sowie die Einflussfaktoren auf die durchzuführenden Managementaktivitäten zu kennen. Wir möchten mit diesem Buch Interessierten eine umfassende Einführung in das IT-Offshoring geben. Im ersten Teil des Buches stehen die verschiedenen Gestaltungsaspekte von internationalen IT-Outsourcing-Projekten im Vordergrund. Im zweiten Teil werden die wesentlichen Managementaktivitäten diskutiert und in Form eines Leitfadens strukturiert. Es werden insbesondere Offshoring-spezifische Problemstellungen, wie z. B. die Identifikation geeigneter Tätigkeiten, die Auswahl eines Offshore-Ziellandes und -Providers, die Gestaltung internationaler Outsourcing-Verträge sowie das Management der Kommunikation und der kulturellen Unterschiede zwischen den Projektpartnern betrachtet. An dieser Stelle möchten wir uns recht herzlich bei allen bedanken, die an diesem Buch mitgewirkt haben. Unser Dank gilt vor allem Herrn Rolf Stephan für konstruktives Feedback und wertvolle Einblicke in die Praxis des IT-Offshorings. Des Weiteren wollen wir uns bei unseren zahlreichen weiteren Praxis- und Kooperationspartnern bedanken, die die Entstehung dieses Buches erst ermöglicht haben. Zudem möchten wir Frau Nadja
VIII
Vorwort der Autoren
Hoßbach und Herrn Daniel Stengel für die Unterstützung bei der technischen Erstellung des Buches danken. Wir wünschen den Lesern interessante Einblicke in das hochaktuelle Gebiet des IT-Offshorings.
Nürnberg, im Mai 2006 Michael Amberg und Martin Wiener
X
Inhaltsverzeichnis
3.2
Risiken ....................................................................................... 48 3.2.1 3.2.2 3.2.3
Risiken bezogen auf den Auftraggeber .............................. 50 Risiken bezogen auf die Kooperation ................................ 53 Risiken bezogen auf den Auftragnehmer ........................... 55
4 Total Cost of Offshoring .................................................................... 57 4.1
Einmalige Kosten....................................................................... 59 4.1.1 4.1.2
4.2
Koordinationskosten........................................................... 59 Infrastrukturkosten ............................................................. 62
Wiederkehrende Kosten............................................................. 64 4.2.1 4.2.2
Arbeitskosten...................................................................... 64 Betriebskosten .................................................................... 65
5 Qualitätsstandards ............................................................................. 69 5.1
ISO 9000 .................................................................................... 70
5.2
Capability Maturity Model (CMM) ........................................... 72
5.3
Six Sigma ................................................................................... 74
6 Vertragswerk ...................................................................................... 77 6.1
Vertragskategorien ..................................................................... 78
6.2
Internationalisierung des Vertragswerks.................................... 81 6.2.1 6.2.2
Globales Vertragswerk ....................................................... 81 Länderspezifisches Vertragswerk....................................... 82
6.3
Service Level Agreements (SLAs) ............................................ 83
6.4
Preismodelle............................................................................... 85
Teil B: Projektmanagement.................................................................... 89 7 Strategiedefinition .............................................................................. 91 7.1
Vision......................................................................................... 91
7.2
Ziele ........................................................................................... 92
7.3
Strategie ..................................................................................... 94
8 Make-or-Buy-Entscheidung .............................................................. 97 8.1
Identifikationsphase ................................................................... 97 8.1.1
Kriterien ............................................................................. 98
Inhaltsverzeichnis
8.1.2 8.2
Unterstützende Methoden bzw. Modelle ..........................101
Analysephase ............................................................................103 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5
8.3
XI
Anforderungsanalyse ........................................................104 Realisierbarkeitsanalyse....................................................106 Wirtschaftlichkeitsanalyse ................................................107 Risikoanalyse ....................................................................110 Marktanalyse.....................................................................111
Auswahlphase ...........................................................................111
9 Standortauswahl ...............................................................................115 9.1
Country-Ratings........................................................................116
9.2
Bewertungskriterien..................................................................117
9.3
Länderprofile ............................................................................119 9.3.1 9.3.2
Nearshore-Regionen..........................................................120 Offshore-Regionen............................................................125
10 Providerauswahl ...............................................................................131 10.1 Request for Information (RFI)..................................................132 10.2 Projektspezifikation ..................................................................134 10.2.1 Pflichtenheft ......................................................................135 10.2.2 Letter of Intent (LoI) .........................................................136 10.3 Request for Proposals (RFP) ....................................................137 10.4 Entscheidung.............................................................................140 10.5 Due Diligence ...........................................................................142 11 Vertragsmanagement .......................................................................145 11.1 Vertragsverhandlung.................................................................145 11.1.1 Verhandlungsvorbereitung................................................146 11.1.2 Verhandlungstipps ............................................................147 11.2 Vertragsverwaltung...................................................................149 11.2.1 Pflichtenmanagement........................................................149 11.2.2 Change Request Management...........................................150 11.2.3 Konfliktmanagement.........................................................152
XII
Inhaltsverzeichnis
12 Transition Management .................................................................. 153 12.1 Transfer von Mitarbeitern ........................................................ 154 12.2 Transfer von Assets.................................................................. 155 12.3 Transfer von vertraglichen Verpflichtungen............................ 157 12.4 Transfer von Daten und Know-how......................................... 158 13 Leistungsmanagement ..................................................................... 161 13.1 Leistungsmessung .................................................................... 161 13.2 Evaluierung .............................................................................. 164 14 Kommunikationsmanagement ........................................................ 169 14.1 Entwicklung einer Kommunikationsstrategie .......................... 169 14.2 Auswahl von Kommunikationsmedien .................................... 172 15 Management der kulturellen Unterschiede ................................... 177 15.1 Change Management ............................................................... 177 15.2 Relationship Management........................................................ 180 16 Erfolgsfaktoren................................................................................. 185 16.1 Planungs- und Analysephase ................................................... 186 16.2 Entscheidungsphase ................................................................. 190 16.3 Verhandlungsphase .................................................................. 191 16.4 Durchführungsphase ................................................................ 193 Ausblick.................................................................................................. 197 Anhang ................................................................................................... 199 Abbildungsverzeichnis .......................................................................... 201 Tabellenverzeichnis ............................................................................... 203 Abkürzungsverzeichnis......................................................................... 205 Literaturverzeichnis .............................................................................. 207 Sachverzeichnis...................................................................................... 215
Einführung In den 80er-Jahren bis in die frühen 90er-Jahre legten viele Unternehmen Wert auf eine breite Ausrichtung der Unternehmenstätigkeiten. Ein gutes Beispiel hierfür war die Strategie des damaligen Technologiekonzerns Daimler-Benz unter der Leitung von Edzard Reuter. Seit Anfang der 90erJahre scheint sich dieser Trend allerdings zu wenden (Söbbing, 2002: 19). Ab diesem Zeitpunkt ist weltweit eine verstärkte Konzentration der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen zu erkennen (Fischer und Schumacher, 2004). In Verbindung mit der zunehmenden Globalisierung der Absatzund Beschaffungsmärkte und der daraus resultierenden Wettbewerbsintensivierung durch den Eintritt neuer Konkurrenten suchen Unternehmen nach neuen Möglichkeiten, um ihre Geschäftstätigkeiten profitabel zu gestalten. Hierbei erweist sich insbesondere der zunehmende Kostendruck, der als eine Folge der Globalisierung zu verstehen ist, als problematisch. Laut Statistik scheitern daran mehr als die Hälfte aller Softwareprojekte in Deutschland1 (Beeler, 2004). Damit geht der deutschen Volkswirtschaft ein immenses Potenzial verloren. Zudem bleiben die notwendigen Innovationen aus, die ein Hochpreisland wie Deutschland zur Aufrechterhaltung seines hohen Lebensstandards benötigt. Viele Unternehmen sehen eine mögliche Lösung dieser Problematik in der verstärkten Auslagerung von IT-Projekten in Billiglohnländer mit ausgezeichneten Fähigkeiten und ausreichenden Kapazitäten. Hiermit ist auch der zunehmende Trend zum IT-Offshoring zu begründen. Deutsche Unternehmen folgen dem Beispiel amerikanischer und britischer Firmen, die diesen Schritt bereits vor einigen Jahren wagten (Böhm, 2003a; TransCrit, 2004). In den USA findet die Auslagerung von IT-Dienstleistungen in Niedriglohnländer bereits seit Ende der 80er-Jahre statt. Heutzutage wird dort bei großen Ausschreibungen automatisch davon ausgegangen, dass die potenziellen Auftragnehmer zumindest teilweise Leistungen offshore einkaufen. Unternehmen, die auf den Einkauf von Dienstleistungen aus Ländern wie Indien, China etc. verzichten, sind in Bezug auf den Preis nicht mehr wettbewerbsfähig. Unter anderem aus diesem Grund könnte sich der Einbezug ausländischer IT-Dienstleister in der Zukunft mehr und mehr zur Voraussetzung entwickeln, um sich im globalen Wettbewerb
1
Stand: April 2003
2
Einführung
durchsetzen zu können (Dunn und Furniss, 2004). Diese These wird auch durch die Prognose der international tätigen Unternehmensberatung Frost & Sullivan unterstützt, die eine Vervierfachung des Umsatzvolumens des europäischen Outsourcing-Markts bis zum Jahre 2006 vorhersagt (Söbbing, 2002: 21). Technik
Denkweise
Kommunikation
Projektmanagement
0
1
2
3
4
5
6
7
Kulturelle Unterschiede
Zeitunterschied
IT-Infrastruktur
Legende:
Politisch-rechtliche Rahmenbedingungen
0 … 7
absolut unproblematisch … sehr problematisch
Quelle: in Anlehnung an Moczadlo (2002)
Abbildung 1: Problemfelder von Offshore-Projekten2
Allerdings haben erste Erfahrungen mit der Verlagerung von OutsourcingProjekten in das Ausland gezeigt, dass hiermit eine Vielzahl von Problemfeldern verbunden ist (siehe Abbildung 1). In erster Linie erschweren die kulturellen Unterschiede und die sprachlichen Schwierigkeiten die Durchführung von Offshore-Projekten erheblich. Nicht selten führen die im Projektverlauf auftretenden Komplikationen zu unerwartet hohen Zusatzkos-
2
Die aufgeführten Ergebnisse stammen aus einer Studie zum Thema OffshoreSoftwareentwicklung, an der sich im Zeitraum von Juli 2002 bis Oktober 2002 insgesamt 318 Unternehmen beteiligten (Moczadlo, 2004).
Einführung
3
ten, die die angestrebten Kosteneinsparungen teilweise vollständig verpuffen lassen. Definition
Extern
(Onshore) Outsourcing
Offshore Outsourcing
Intern
Den Begriff IT-Outsourcing definiert Broß (2005) als die Verlagerung von IT-Dienstleistungen und -Prozessen auf einen spezialisierten ITDienstleister. Als eine Teilmenge des IT-Outsourcings ist das so genannte IT-Offshoring3 zu verstehen. Dieses liegt vor, „wenn die Verlagerung an ITK-Dienstleister in Niedriglohnländer – also z. B. China, Indien oder (…) die neuen EU-Staaten – erfolgt“ (Broß, 2005).
Interne Leistungserbringung
Captive Offshore Outsourcing
National
International Quelle: Schaaf (2004)
Abbildung 2: Formen der Leistungserbringung
Hinsichtlich des Offshoring kann zudem zwischen dem klassischen „Offshore Outsourcing“ (Beauftragung eines unabhängigen Dienstleisters im Ausland) und dem „Captive Offshore Outsourcing“ (Beauftragung eines ausländischen Tochterunternehmens) unterschieden werden (siehe rechte Matrixspalte in Abbildung 2). Die Leistungserbringung in Form eines Joint Venture oder einer strategischen Allianz wird ebenfalls unter dem Begriff „Captive Offshore Outsourcing“ gefasst.
3
Der Begriff „Nearshoring“ wird im Folgenden unter dem Begriff „Offshoring“ subsumiert.
4
Einführung
Markt Die Zahl der IT-Outsourcing-Projekte in Deutschland steigt kontinuierlich an. In Europa haben die Auftragsvolumina solcher Projekte mit 50 Millionen Euro im Jahr 2003 sogar den kumulierten Vertragswert entsprechender Projekte in den USA übertroffen (Oecking und Westerhoff, 2005). Der deutsche IT-Offshoring-Markt steckt hingegen momentan noch in seinen „Kinderschuhen“. Mit einem Gesamtvolumen von 0,4 Milliarden Euro war dieser im Jahr 2003 um den Faktor 135 kleiner als der USamerikanische Markt (54 Milliarden Euro). Allerdings werden dem deutschen Markt erhebliche Wachstumspotenziale vorhergesagt. So geht Broß (2005) davon aus, dass sich dieser bis zum Jahr 2008 verdoppeln wird. Zum aktuellen Zeitpunkt macht das Offshoring der Softwareentwicklung den größten Teil des deutschen IT-Offshoring-Markts aus (Broß, 2005). Im Gegensatz hierzu spielt die Verlagerung anderer IT-Services in das Ausland, wie z. B. der Betrieb eines Rechenzentrums, momentan noch eine untergeordnete Rolle. Buchstruktur Die Inhalte dieses Buches lassen sich grob in zwei Teile untergliedern: Im ersten Teil werden die Grundlagen des IT-Offshorings, im zweiten Teil das Management entsprechender Projekte dargelegt. Innerhalb des Grundlagenteils wird zunächst auf die unterschiedlichen Formen und Modelle eines Offshore-Projekts, die Chancen und Risiken, die mit einem solchen Projekt verbunden sind sowie auf quantitative, qualitative und rechtliche Aspekte eines internationalen Verlagerungsprojekts eingegangen. Im zweiten Teil werden dann in Anlehnung an ein vierphasiges Vorgehensmodell die typischerweise zu durchlaufenen Aktivitäten näher betrachtet. Diesbezüglich wird eine Unterscheidung zwischen der Analyse- und Planungsphase, der Entscheidungsphase, der Verhandlungsphase sowie der Durchführungsphase vorgenommen. Es ist noch anzumerken, dass sich beide Teile schwerpunktmäßig aus der Sicht eines deutschen Kunden mit dem Offshoring auseinandersetzen.
Teil A: Grundlagen Im Rahmen der Grundlagen werden zunächst unterschiedliche Formen und Sourcing-Modelle des IT-Offshorings vorgestellt. Hinsichtlich der Formen kann zwischen Leistungs-, Gestaltungs- und Organisationsformen unterschieden werden. Während sich die Leistungsformen mit den Leistungsvarianten eines Offshore-Projekts auseinander setzen, beziehen sich die Gestaltungsformen auf den Umfang der ausgelagerten Aktivitäten. Als Organisationsformen werden die verschiedenen Rechtsformen bezeichnet, die zur Abwicklung einer Auslandsverlagerung gewählt werden können. Im Anschluss daran wird auf Chancen und Risiken eingegangen, die ein Offshore-Projekt bietet bzw. die mit der Abwicklung eines solchen Projekts in Kauf genommen werden müssen. Bezüglich der Chancen kann zwischen finanziellen, qualitativen und strategischen Chancen differenziert werden. Hinsichtlich der Risiken können Risiken bezogen auf den Auftraggeber, die Kooperation und den Auftragnehmer unterschieden werden. Des Weiteren wird im ersten Teil des Buches auf die Kostenblöcke, die im Rahmen eines Offshore-Projekts anfallen können (Total Cost of Offshoring), die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Qualitätsstandards, mit denen eine Vielzahl der ausländischen Provider gegenüber dem Kunden ihre Leistungsfähigkeit bewerben, sowie auf das Vertragswerk eines Outsourcing-Projekts und hierbei insbesondere auf dessen Internationalisierung eingegangen.
1
Formen
In der Praxis hat sich eine Vielzahl von Offshoring-Formen entwickelt. Diese ergibt sich zum einen aus den verschiedenartigen Anforderungen, die ein Unternehmen an ein internationales Outsourcing-Projekt stellt. Zum anderen besteht für ein und dieselbe Ausprägung des IT-Offshorings eine Reihe unterschiedlicher Bezeichnungen (Mayer und Söbbing, 2004: 15). Um ein einheitliches Begriffsverständnis zu schaffen sowie eine klare Abgrenzung zwischen den bestehenden Formen sicherzustellen, kann zwischen den folgenden Formen des IT-Offshorings unterschieden werden (siehe hierzu auch Abbildung 3):
Fremdunternehmen
Tochterunternehmen
s es ) c o O Pr (BP s t es i ng en n i r m s o p Bu ffsh elo v g O De orin e e vic ar ffsh r w e O ft S So re ing u t c or Totales Offshoring tru ffsh en s m ra O r f fo In gs n tu Partielles Offshoring al t s Ge
Joint Venture
Leistungsformen
Organisationsformen
Quelle: Amberg und Wiener (2004)
Abbildung 3: Formen des IT-Offshorings
x
x
Leistungsformen Die Leistungsformen beschäftigen sich mit der Kernfrage eines jeden Offshoring-Projekts: „Welche Leistungen lagere ich aus?“ Gestaltungsformen Die Gestaltungsformen setzen sich mit dem Ausmaß der auszulagernden IT-Leistungen auseinander. Hier stellt sich die Frage: „In welchem Umfang lagere ich die identifizierten Leistungen aus?“
8
1 Formen
x
Organisationsformen Die Organisationsformen zeigen alternative Strukturen bei der Abwicklung eines Offshoring-Projekts auf. Demnach beschäftigen sich diese mit der Fragestellung: „Wie lagere ich die identifizierten Leistungen aus?“
Die aufgezeigten Dimensionen eines Offshoring-Projekts sind prinzipiell unabhängig voneinander, d. h. die unterschiedlichen Dimensionsausprägungen können beliebig miteinander kombiniert werden. Zudem ist anzumerken, dass die Klassifikation der Offshoring-Formen anhand der vorgestellten Dimensionen nicht als Offshoring-spezifisch zu verstehen ist. Vielmehr ist die vorgenommene Differenzierung auch auf nationale Outsourcing-Projekte zu übertragen.
1.1
Leistungsformen
Das Offshoring von IT-Aktivitäten begann mit der Verlagerung von BackOffice-Funktionalität (z. B. Betrieb eines Daten-Centers in Nachbarländern) und der Fremdvergabe unkritischer Softwareentwicklungsprojekte an ausländische Programmierteams (Böhm, 2003a). Dieser eingeschränkte Leistungsumfang des Offshore-Outsourcings besitzt heutzutage keine Gültigkeit mehr. Die von ausländischen Service-Providern am OutsourcingMarkt angebotenen Dienstleistungen reichen von der einfachen Beratung bis hin zur Durchführung komplexer Softwareentwicklungsprojekte und der Übernahme kompletter Geschäftsprozesse (Bräutigam, 2004: 55; Sparrow, 2003: 6). Demnach stellt heutzutage weder das Offshoring der vollständigen IT-Infrastruktur noch die Verlagerung von Geschäftsprozessen, über die Einrichtung eines Call-Centers hinaus, ein Tabuthema für ein Offshore-Projekt dar (Dück, 2004; Dunn und Furniss, 2004). Grundsätzlich kann sich die Auslandsverlagerung von Leistungen im ITKontext auf alle Bereiche, Ebenen, Phasen und Tätigkeiten eines Unternehmens beziehen, in denen Informationstechnologien zum Einsatz kommen (Bräutigam, 2004: 54). In diesem Zusammenhang gewinnt insbesondere die Verlagerung von Geschäftsprozessen in den Bereichen Human Resources (HR), Finanzen und Rechnungswesen zunehmend an Bedeutung (Dunn und Furniss, 2004; Goolsby und Parrino, 2004).
1.1 Leistungsformen
9
Die McKinsey-Berater Lancellotti, Schein, Spang und Stadler (2003: 8283) differenzieren bezüglich des Outsourcings von IT-Dienstleistungen zwischen den in Abbildung 4 dargestellten Leistungsbereichen. Leistungsbereich
Leistungsform
Beispiele
Geschäftsprozesse
Call-Center Helpdesk
Business Process Offshoring (BPO)
Applikationen
Softwareentwicklung Softwaremigration
Software Development Offshoring
IT-Infrastruktur
Netzwerkmanagement Server-Management
Infrastructure Service Offshoring
Quelle: in Anlehnung an Lancellotti et al. (2002)
Abbildung 4: „Outsourcing-Stack”
Ausgehend von dem dargestellten „Outsourcing Stack“ wird in Bezug auf die Leistungsformen des IT-Offshorings im Folgenden eine Klassifikation in das Infrastructure Service Offshoring, das Software Development Offshoring und das Business Process Offshoring (BPO) vorgenommen. Praxiserfahrung: Den Erfahrungen der deutschen Tochtergesellschaft des indischen ITService-Providers NIIT Technologies (ein Unternehmensprofil befindet sich im Anhang) zufolge handelt es sich bei IT-Offshoring-Projekten in Deutschland zumeist um Offshore-Softwareentwicklungs- bzw. Softwarewartungsprojekte. Dies wird auch durch Broß (2005) bestätigt. In diesem Zusammenhang erweist sich die Migration bzw. die Neuentwicklung von Altsystemen als besonders gut geeignet für ein Offshore-Projekt, da entsprechende Projekte einen relativ geringen Spezifikationsaufwand erfordern. Ebenfalls ein hohes Potenzial für das IT-Offshoring haben so genannte Managed Services. Diese umfassen beispielsweise das Erstellen von Backups, das Einrichten einer Nutzer-Hotline oder das Bereitstellen eines 2ndbzw. 3rd-Level-Supports im ERP-Umfeld. Vorteilhaft erweist sich bei den Managed Services, dass die Produktivität der Offshore-Mitarbeiter, im Gegensatz zur Softwareentwicklung, nur eine untergeordnete Rolle spielt (z. B. 24/7 Support).
10
1 Formen
Das BPO umfasst insbesondere die Auslandsverlagerung von Call-CenterDienstleistungen. Aufgrund der unzureichenden Deutschkenntnisse in vielen Offshore- und Nearshore-Zielländern macht dieses jedoch zum aktuellen Zeitpunkt nur einen relativ geringen Anteil des deutschen IT-Offshoring-Markts aus.
1.1.1
Infrastructure Service Offshoring
Das Infrastructure Service Offshoring befasst sich mit der Bereitstellung, Wartung und Pflege von Hardware- und Softwarekomponenten durch einen externen Service-Provider (Mayer und Söbbing, 2004: 39). Insbesondere Services in Verbindung mit dem Applikationsmanagement werden zunehmend an externe Dienstleistungsunternehmen übertragen (Bräutigam, 2004: 62; Dubey, 2003: 12). Die Auslagerung von Infrastrukturservices gehört zu den beliebtesten Leistungsformen des IT-Outsourcings. Dies liegt unter anderem daran, dass der Outsourcing-Kunde möglichst unabhängig von der zugrunde liegenden ITInfrastruktur agieren möchte. Mithilfe dieser Leistungsform kann das Unternehmen die bestehende Infrastruktur einfacher an die sich ändernden Anforderungen anpassen. Im Hinblick auf das Offshoring erweist sich bei dieser Leistungsform allerdings die weite Entfernung zwischen den Partnern als Hemmschwelle. Durch die zunehmende globale Vernetzung und die kontinuierliche Verbesserung der Telekommunikationstechniken dürfte diese aber in absehbarer Zeit zunehmend sinken (Mayer und Söbbing, 2004: 39-40). Eine Sonderform des Infrastructure Service Offshorings stellt die Inanspruchnahme von Applikationen über ein Netzwerk dar. Man spricht in diesem Fall vom so genannten Application Service Providing (ASP). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine einheitliche Meinung besteht, ob es sich beim ASP um ITOutsourcing bzw. Offshoring handelt. Der wesentliche Unterschied zum klassischen Outsourcing wird in der Ausrichtung auf den Anwender gesehen. Während ein Outsourcing-Anbieter kundenindividuelle Lösungen erarbeitet, verfolgt ein Application Service Provider eine One-to-ManyStrategie. Er versucht standardisierte Lösungen einer Vielzahl von Abnehmern zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund klassifiziert ein Outsourcing-Anbieter sein Leistungsangebot nach Kunden. Ein Applicati-
1.1 Leistungsformen
11
on Service Provider hingegen nimmt eine Klassifikation nach angebotenen Anwendungen vor. Im Gegensatz zur Differenzierung zwischen dem Outsourcing und dem ASP kann allerdings in der Bereitstellung von Standardlösungen auch eine Weiterentwicklung des herkömmlichen Outsourcings gesehen werden (Bräutigam, 2004: 71). Aufgrund der Vielzahl an Gemeinsamkeiten mit dem IT-Outsourcing wird das ASP im Folgenden als eine Sonderform des Infrastructure Service Offshorings betrachtet. Hinsichtlich des Infrastructure Service Offshorings können im Wesentlichen die nachfolgenden Leistungskategorien unterschieden werden: Tabelle 1: Leistungskategorien des Infrastructure Service Offshorings Leistungskategorie
Beschreibung
Netzwerkmanagement
Der Offshoring-Kunde kann das Netzwerkmanagement an einen externen Dienstleister übergeben. Unter Berücksichtigung der enormen Entfernung zwischen den Vertragspartnern beim Offshore-Outsourcing bietet sich im Rahmen dieser Leistungskategorie insbesondere die Einrichtung und Betreuung eines Wide Area Network (WAN) durch den Offshore-Provider an.
Server-Management (Hosting)
Das Server-Management erstreckt sich von der Bereitstellung einzelner Server über die Systemadministration bis hin zur Übernahme der Gesamtverantwortung für den Server-Betrieb. Da beim Offshore-Outsourcing aufgrund der Entfernung zwischen den Vertragspartnern keine Vor-Ort-Betreuung der sich beim Auftraggeber befindenden Zentralrechner möglich ist, stellt der Offshore-Anbieter dem Kunden Speicher- und Rechnerkapazität auf den Servern seines Rechenzentrums zur Verfügung (Bräutigam, 2004: 846).
12
1 Formen
Applikationsmanagement
Die Verwaltung der im Unternehmen vorhandenen Applikationen umfasst insbesondere die Bereitstellung sowie die Pflege und Wartung von Standardsoftware. Demnach ist das ASP ebenfalls dieser Servicekategorie zuzuordnen.
In Einzelfällen nimmt der IT-Dienstleister in Verbindung mit dem Applikationsmanagement individuelle Anpassungen an Standardlösungen vor, damit diese den Kundenanforderungen gerecht werden (Bräutigam, 2004: 862). Das so genannte Customizing ist allerdings genauso wie weiterführende Entwicklungstätigkeiten, beispielsweise der Ausbau von Standardsoftware oder die Neuentwicklung von Individualsoftware, der Leistungsform des Application Development Offshorings zuzuordnen. Im Allgemeinen besitzt die Auslandsverlagerung von Tätigkeiten in Verbindung mit Standardsoftware aufgrund des benötigten betriebswirtschaftlichen Know-hows ein geringeres Potenzial für das IT-Offshoring als die Entwicklung und Betreuung von Individualsoftware (Buchta et al., 2004: 6).
1.1.2
Software Development Offshoring
Eine weitere Leistungsform des IT-Outsourcings, die sich insbesondere in Verbindung mit dem Offshoring enormer Beliebtheit erfreut, ist das Software Development Offshoring (oder Offshore-Softwareentwicklung). Diesem sind in erster Linie die Entwicklung von Individualsoftware bzw. die Erweiterung und das Re-Engineering bestehender Softwareapplikationen unter Zuhilfenahme externer Leistungen zuzuordnen. Als Vorteile dieser Leistungsform erweisen sich vor allem die höhere Flexibilität in Bezug auf den Einsatz von Ressourcen, die Nutzung des technischen Know-hows des Offshoring-Partners und nicht zuletzt der hiermit verbundene Risikotransfer auf den Kooperationspartner (Bräutigam, 2004: 62). Im Hinblick auf die Softwareentwicklung kann der Offshore-Anbieter alternativ in alle Entwicklungsphasen oder ausschließlich in kritischen Phasen eingebunden werden. Demnach müssen im Rahmen der Kooperation mit einem Offshoring-Partner nicht zwangsläufig alle Aktivitäten ins Ausland verlagert werden. Eine Reihe von Tätigkeiten kann im Unternehmen verbleiben oder wird durch Mitarbeiter des Service-Providers vor Ort
1.1 Leistungsformen
13
erbracht. Um allerdings bemerkbare Kosteneinsparungen erzielen zu können, sollte der Anteil der auszulagernden Einheiten im Rahmen eines Offshore-Projekts relativ hoch sein. Daher eignet sich insbesondere die Implementierungsphase eines Softwareentwicklungsprojekts für die Verlagerung in das Ausland. In Abhängigkeit von dem konkreten Projekt können laut Angaben des IT-Beratungshauses TransCrit (2004) bis zu 70 % des Aufwands auf den Offshore-Anbieter übertragen werden. Thondavadi und Albert (2004: 49-50) unterscheiden im Hinblick auf das Software Development Offshoring die folgenden drei Leistungsbereiche: Tabelle 2: Leistungskategorien des Software Development Offshorings Leistungskategorie
Beschreibung
Softwareentwicklung (im engeren Sinne)
Der ausländische Provider unterstützt die Entwicklung einer Softwarekomponente, für deren Eigenentwicklung der Auftraggeber beispielsweise nicht über die ausreichenden Kapazitäten bzw. das benötigte Know-how verfügt.
Softwaremigration
Der Offshore-Provider ist beim Übergang auf ein neues System bzw. eine neue Technologie behilflich. Hierbei übernimmt der Provider beispielsweise das Altsystem des Auftraggebers und betreibt dieses, bis die neue Lösung einsatzbereit ist.
Softwarewartung und -pflege
Der ausländische Dienstleister übernimmt die Wartung und Pflege einer Softwarekomponente. Hierzu gehören neben regelmäßigen Anpassungen an sich verändernde Anforderungen auch Quellcodeoptimierung, Performanztuning etc.
Neben der in Tabelle 2 aufgezeigten Leistungskategorien kann das Software Development Offshoring die Bereitstellung von Personalressourcen durch einen Offshore-Provider zur Erbringung spezifischer IT-Dienstleis-
14
1 Formen
tungen beim Auftraggeber umfassen. Die bei Bräutigam (2004: 863) als Professional Services bezeichneten Beratungsleistungen werden insbesondere zur zeitlich begrenzten Inanspruchnahme von speziellem Know-how verwendet. Ein bekanntes Beispiel hierfür war der Einkauf von Programmierern zur Bewältigung der Probleme bei der Jahr-2000-Umstellung (Bräutigam, 2004: 61-62). Fallbeispiel: Ein Beispiel für das Software Development Offshoring stellt die Zusammenarbeit zwischen dem Flugzeughersteller Boeing und dem russischen IT-Dienstleister Luxsoft dar. Nachdem das Dienstleistungsunternehmen durch die erfolgreiche Abwicklung einer Reihe von Kleinprojekten das Vertrauen des amerikanischen Unternehmens gewonnen hatte, erhielt es Folgeaufträge zur Durchführung von Softwareentwicklungsprojekten mit höherem Komplexitätsgrad. Hierzu gehörten unter anderem die Realisierung eines Internetkatalogs sowie die Migration eines Mainframe-basierten Verteilungssystems auf eine Web-basierte Lösung (TransCrit, 2004).
1.1.3
Business Process Offshoring (BPO)
Mit dem Begriff „Business Process Offshoring“ bezeichnet man im Allgemeinen eine Geschäftsbeziehung, in der ein Service-Provider einen kompletten Geschäftsprozess des Outsourcing-Kunden übernimmt (Söbbing, 2002: 49-50). Bei diesen Prozessen handelt es sich primär um standardisierte Geschäftsabläufe, die ein hohes Volumen an wiederholbaren Transaktionen vorweisen können (Deloitte & Touche, 2003: 6-7). Nach Kobayashi-Hillary (2004: 151) eignen sich unter anderem die folgenden Geschäftsprozesse für eine Verlagerung in das Ausland: x Call-Center x Helpdesk x Datenverarbeitung x Lohnabrechnung x Buchhaltung etc. Zu diesen allgemeinen Unternehmensprozessen, die sich für eine Verlagerung in das Ausland eignen, kommen noch branchenspezifische Prozesse hinzu. Beispielsweise können im Finanzsektor laut Hermann Josef Lam-
1.1 Leistungsformen
15
berti (2004), dem Chief Information Officer (CIO) der Deutschen Bank, auch so genannte „Commodity-Kernprozesse“ in Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr, der Wertpapierabwicklung oder dem Massenkreditgeschäft von externen Dienstleistern übernommen werden. Zudem verlagern Unternehmen neben standardisierten und volumenreichen Prozessen zunehmend auch Prozesse in Zusammenhang mit Marktforschung sowie Forschung und Entwicklung (F&E) an ausländische Provider (KobayashiHillary, 2004: 151). Beim BPO bezieht der Kunde in den meisten Fällen ausschließlich das Prozessergebnis, ohne in die vorgelagerten Abläufe involviert zu sein (Söbbing, 2002: 49-50; Mayer und Söbbing, 2004: 30). Dies erweist sich insbesondere im Hinblick auf die Verlagerung von IT-lastigen Geschäftsprozessen in das Ausland als vorteilhaft. Die ohnehin aufgrund der Entfernung zwischen den Offshoring-Partnern aufwändigen Abstimmungsprozesse werden hierdurch nicht zusätzlich erschwert. Das BPO setzt in vielen Fällen erhebliche Branchenkenntnisse seitens des Service-Providers voraus. Dies ist notwendig, da der Provider gegebenenfalls die Geschäftsprozesse des Auftraggebers anpassen bzw. neu gestalten muss (Mayer und Söbbing, 2004: 30). Im Hinblick auf die Intensität der Beziehung zwischen Anbieter und Kunden stellt das BPO die höchste Leistungsform des IT-Offshorings dar. Die Vertragspartner durchlaufen im Rahmen des BPO gemeinsam alle Phasen eines IT-Projekts. Im Gegensatz hierzu konzentriert man sich beispielsweise beim Software Development Offshoring vorwiegend auf personalintensive Projektphasen, z. B. die Kodierphase. Aus diesem Grund bietet das Offshoring von Geschäftsprozessen zumeist die größten Kosteneinsparungspotenziale für den Kunden (TransCrit, 2004). Allerdings ist diese Leistungsform des Offshorings aufgrund der enormen Abhängigkeit vom Service-Provider zugleich mit den größten Risiken für den Auftraggeber behaftet (Mayer und Söbbing, 2004: 30). Im Rahmen des BPO bietet der ausländische Dienstleister dem Kunden entweder seine spezifischen IT-Prozesse an oder übernimmt unterschiedlichste Kundenprozesse. Um diese zu standardisieren, gewinnt auf dem
16
1 Formen
europäischen Markt zunehmend die IT Infrastructure Library (ITIL)4 an Bedeutung. Diese ist als eine Art Best-Practice-Sammlung für Prozesse anzusehen. Der größte Vorteil bei der Nutzung von standardisierten Prozessen liegt in der Vergleichbarkeit von Leistung und Vergütung bei der Auswahl des Offshoring-Partners (Mayer und Söbbing, 2004: 40). Daher führt der Kunde in vielen Fällen bereits vor einem BPO-Projekt eine Standardisierung und Optimierung der internen IT-Geschäftsprozesse (z. B. mithilfe von ITIL) durch. Eine weitere Prozessoptimierung und hiermit verbundene Kostenreduzierung durch die Einbindung eines reinen BPOAnbieters ist im Anschluss daran eher schwer möglich. In diesem Fall können vielmehr durch die Ausnutzung von Synergieeffekten zwischen unterschiedlichen Auslagerungsbereichen weitere Kostenvorteile geschaffen werden. Beispielsweise könnte der Service-Provider neben der Abwicklung von IT-lastigen Geschäftsprozessen mit der Bereitstellung der IT-Infrastruktur beauftragt werden (Mayer und Söbbing, 2004: 41-42). Fallbeispiele: Ein Beispiel für ein Unternehmen, das sich dem Business Process Offshoring bedient, ist McKinsey. Neben einem Forschungszentrum in Neu Delhi (Indien) betreibt die international angesehene Strategieberatung in Madras, im Südosten Indiens, ein Grafikzentrum. Die beiden Zentren stehen den weltweit tätigen Mitarbeitern der Unternehmensberatung jeden Tag 24 Stunden zur Verfügung und unterstützen auf diese Weise die Abwicklung von Beratungsprojekten (TransCrit, 2004). Ein weiteres Unternehmen, das Forschungs- sowie Entwicklungsaufgaben nach Indien vergeben hat, ist SAP (Kobayashi-Hillary, 2004: 152). Bis Ende 2006 will SAP in Indien 1.900 neue Softwareentwickler einstellen. Damit würde die indische Konzernniederlassung zur zweitgrößten Niederlassung des weltweiten Marktführers für ERP-Systeme werden (Manager Magazin, 2004).
4
Die Qualität der IT-Prozesse in den 80er-Jahren veranlasste die britische Regierung dazu, ein allgemeines Verfahren für den wirtschaftlichen Einsatz von IT in den Ministerien entwickeln zu lassen. Das Ergebnis stellte die Information Technology Infrastructure Library (ITIL) dar (Mayer und Söbbing, 2004: 40).
1.2 Gestaltungsformen
1.2
17
Gestaltungsformen
In Bezug auf den Umfang der an den ausländischen Service-Provider ausgelagerten Tätigkeiten wird im Folgenden zwischen dem partiellen Offshoring und dem totalen Offshoring unterschieden. In diesem Zusammenhang kann das auslagernde Unternehmen grundsätzlich für jedes Offshoring-Projekt festlegen, ob es die entsprechenden Aktivitäten bzw. Prozesse komplett oder nur teilweise in die Hände eines Offshoring-Anbieters übergibt. In Anlehnung an den „Leitfaden Offshoring“ der BITKOM (2005: 31) erfolgt in Tabelle 3 eine Gegenüberstellung der beiden genannten Gestaltungsformen. Tabelle 3: Partielles vs. Totales Offshoring Gestaltungsform Kriterium
Partielles Offshoring
Totales Offshoring
Kostenvorteile
mittel/hoch
sehr hoch
Flexibilität
sehr hoch
mittel/hoch
Kontrolle
mittel/hoch
gering
Koordinationsaufwand
mittel/hoch
sehr hoch
Qualitätssicherung
mittel/hoch
sehr hoch
1.2.1
Totales Offshoring
Beim totalen Offshoring wird ein Großteil der IT-Aktivitäten eines Unternehmens von einem ausländischen Service-Provider erbracht (Söbbing, 2002: 33). In der Praxis spricht man von totalem Offshoring, wenn mindestens 80 % der unternehmensinternen IT-Funktionen an einen externen Offshore-Anbieter übertragen worden sind (Sparrow, 2003: 7). Es ist anzumerken, dass ein totales Offshoring auch dann vorliegt, wenn das beauftragte Dienstleistungsunternehmen eine weitere Untervergabe einzelner
18
1 Formen
IT-Services an mehrere, kleinere Dienstleister unter seiner Gesamtverantwortung vornimmt (Bräutigam, 2004: 63). Mit der Entscheidung für ein totales Offshoring begibt sich das auslagernde Unternehmen in der Regel in eine starke Abhängigkeit von dem Offshoring-Partner (bzw. den Partnern). Eine Nicht- bzw. Schlechterfüllung der vereinbarten Leistungen durch diesen kann erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeiten des Auftraggebers nach sich ziehen. Das Problem der Abhängigkeit gilt im Übrigen gleichermaßen für die Anbieterseite. Für diese gestaltet sich insbesondere die Anpassung der Ressourcen an die sich ständig verändernde Auftragslage als schwierig. Im Extremfall kann der Verlust von auftragsstarken Kunden zur Insolvenz des betroffenen Offshore-Anbieters führen (Mayer und Söbbing, 2004: 20). In Bezug auf das totale Offshoring muss angemerkt werden, dass ein solches Vorhaben in der Regel nicht mit einem vollständig unabhängigen Service-Provider durchgeführt wird. Aufgrund der besseren Kontrollmöglichkeiten entscheiden sich die meisten Unternehmen beim totalen Offshoring für eine Organisationsform mit einer stärkeren Bindungsintensität zwischen den Vertragspartnern (siehe Abbildung 5). Idealerweise gründet oder akquiriert der Auftraggeber ein Tochterunternehmen am gewünschten Zielstandort. Alternativ hierzu kann das auslagernde Unternehmen eine strategische Partnerschaft mit einem ausländischen Service-Provider in Form eines Joint Venture eingehen.
1.2.2
Partielles Offshoring
Möchte ein Unternehmen die Vorzüge des IT-Offshorings nutzen, aber gleichzeitig eine zu starke Abhängigkeit von dem ausländischen ServiceProvider vermeiden, bietet sich das partielle Offshoring an (Söbbing, 2002: 46). Hierbei werden lediglich abgrenzbare Teilleistungen („Tasks“) auf einen Dienstleister übertragen. Daher bezeichnet man diese Gestaltungsform im Allgemeinen auch als selektives Offshoring oder Outtasking (Söbbing, 2002: 47). Auffällig beim partiellen Offshoring ist, dass in den meisten Fällen keine Übernahme von Personal durch den Offshore-Anbieter stattfindet (Mayer und Söbbing, 2004: 26-27). In der hiermit verbundenen Aufwandsreduzierung ist mit Sicherheit ein erheblicher Vorteil dieser Gestaltungsform zu sehen. Außerdem erweist sich die Flexibilität bezüglich der Reaktionsfä-
1.3 Organisationsformen
19
higkeit auf Marktveränderungen und technischen Innovationen beim partiellen Offshoring als vorteilhaft. Diese ist vorwiegend auf den im Vergleich zum totalen Offshoring höheren Anteil der im Unternehmen verbleibenden IT-Kapazitäten zurückzuführen (Sparrow, 2003: 7). Um zu jeder Zeit flexibel auf Veränderungen am globalen Dienstleistermarkt reagieren zu können, bietet es sich beim partiellen Offshoring an, auf einen unabhängigen Service-Provider zurückzugreifen. Bei dieser Organisationsform ist der Wechsel zu dem Anbieter mit den besten Konditionen am unproblematischsten einzustufen. Im Gegensatz hierzu gestaltet sich ein Providerwechsel bei anderen Organisationsformen aufgrund der enormen Anfangsinvestitionen und der hiermit verbundenen höheren Bindungsintensität als wesentlich aufwändiger und komplizierter. Allerdings muss der Kunde für die geringere Abhängigkeit beim partiellen Offshoring auch Abstriche bezüglich der realisierbaren Einsparungspotenziale in Kauf nehmen.
1.3
Organisationsformen
Im Hinblick auf die Organisationsformen eines Offshore-Projekts wird im Folgenden zwischen der Gründung bzw. Akquisition eines Tochterunternehmens am Zielort, der Vereinbarung einer strategischen Zusammenarbeit mit einem ausländischen Unternehmenspartner in Form eines Joint Venture sowie der Kooperation mit einem unabhängigen Fremdunternehmen zur Erbringung der gewünschten Leistungen unterschieden. Die vorgestellten Organisationsformen unterscheiden sich in erster Linie anhand der Bindungsintensität zwischen den beteiligten Unternehmen. Während ein auslagerndes Unternehmen durch die Gründung eines Tochterunternehmens bzw. den Kauf eines ausländischen Dienstleisters eine starke Bindung eingeht, besteht bei der Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Service-Provider eine wesentlich losere Beziehung zwischen den Vertragspartnern. Das Joint Venture stellt hinsichtlich der Bindungsintensität eine Mischform der zuvor betrachteten Organisationsformen dar. Der Zusammenhang zwischen der Bindungsintensität und den unterschiedlichen Organisationsformen des IT-Offshorings wird in Abbildung 5 verdeutlicht.
20
1 Formen
Tochterunternehmen
Joint Venture
Fremdunternehmen
Bindungsintensität hoch
mittel
niedrig Quelle: Bräutigam (2004: 179)
Abbildung 5: Bindungsintensität der Organisationsformen
In Zusammenhang mit den Organisationsformen des IT-Offshorings ist zu beachten, dass aufgrund der deutschen Rechtsprechung eine interne ITAbteilung nicht problemlos durch eine Offshore-Variante ersetzt werden kann. Zur Auflösung der unternehmensinternen IT-Abteilung bestehen prinzipiell zwei Modelle: Entweder die Mitarbeiter werden von dem zukünftigen Offshoring-Partner weiterbeschäftigt oder die Mitarbeiter müssen ordnungsgemäß gekündigt werden. Letzteres ist in der Regel mit erheblichen Kosten für Abfindungszahlungen verbunden. Alternativ hierzu können die beschriebenen Ansätze kombiniert werden. In Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeitsdauer des Personals entstehen bei den verschiedenen Vorgehensweisen unterschiedlich hohe Kosten für das auslagernde Unternehmen (Steppan, 2004).
1.3.1
Tochterunternehmen
Bei einem Tochterunternehmen werden in der Regel die IT-Aktivitäten eines Unternehmens bzw. eines Konzerns in einer IT-Servicetochter, meist einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG, gebündelt. Das neu gegründete Unternehmen wird als Spin-Off bezeichnet (Mayer und Söbbing, 2004: 18). Man spricht in diesem Zusammenhang zumeist von einer Konzentration der IT-Aktivitäten (Söbbing, 2002: 28). Grundsätzlich wird eine Verlagerung an ein ausländisches Tochterunternehmen häufig als internes Offshoring bezeichnet (Bräutigam, 2004: 176). Alternativ zur Neugründung einer IT-Tochter am Zielstandort kann ebenfalls ein bereits dort ansässiger Service-Provider aufgekauft werden. Neben der Konzentration der IT-Tätigkeiten können beim IT-Offshoring auch andere Gründe ausschlaggebend für die Gründung eines Tochterun-
1.3 Organisationsformen
21
ternehmens im Ausland sein. Insbesondere wirtschaftliche und steuerliche Vorteile können in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle spielen. Nach der Gründung bzw. Akquisition eines ausländischen Dienstleisters beauftragt die Muttergesellschaft nicht mehr die interne IT-Abteilung mit der Erbringung der entsprechenden IT-Dienstleistungen, sondern das SpinOff. Dieses kann auch in der Form eines Shared Service Center (SSC) Leistungen für den Konzern erbringen, d. h. die IT-Servicetochter muss nicht ausschließlich dem Unternehmen bzw. den am Konzern beteiligten Unternehmen zur Verfügung stehen. Auf diese Weise kann die IT-Tochter ihren eigenen Beitrag zur Steigerung des Konzernprofits leisten (Söbbing, 2002: 28-29). Zudem konkurriert ein aus der Unternehmensstruktur herausgelöstes SSC mit weltweit agierenden Outsourcing-Anbietern wie IBM Global Solutions oder Accenture sowie mit externen Dienstleistern aus Billiglohnländern, wie z. B. Indien oder Russland (Buchta et al., 2004: 2). Der hierdurch entstehende Konkurrenzdruck kann sich positiv auf die Qualität der Leistungserbringung durch die Servicetochter auswirken. Die Entscheidung für die Organisationsform Tochterunternehmen muss in jeder Hinsicht gut überlegt sein. Speziell die erheblichen Anfangsinvestitionen in den Aufbau der erforderlichen Infrastruktur (z. B. Gebäude, Innenausstattung, Telekommunikation) und in den Einkauf von Assets sowie die Personalauswahl und die daraus resultierende Bindung an die Tochtergesellschaft sind als nachteilig zu bewerten. Die Einrichtung einer OffshoreTochter führt zu einer wesentlichen Einschränkung der Handlungsflexibilität des auslagernden Unternehmens. Um eine möglichst kurze Amortisationsdauer für die getätigten Investitionen zu erreichen, muss die Muttergesellschaft gezwungenermaßen mit dem Spin-Off kooperieren. Trotz allem stellt die Abwicklung von Offshore-Projekten über ein Tochterunternehmen zum aktuellen Zeitpunkt die beliebteste Organisationsform des IT-Offshorings dar (siehe Abbildung 6). Dies liegt einerseits an der Unsicherheit, mit der eine Auslandsverlagerung an einen externen Dienstleister behaftet ist, andererseits nutzen momentan vorwiegend weltweit agierende Dienstleistungsunternehmen (z. B. IBM, Accenture) oder Großunternehmen (z. B. Siemens, Allianz) die Vorteile des Offshoring. Unternehmen in dieser Größenordnung verfügen über die finanziellen Ressourcen, die für die Gründung bzw. die Akquisition einer IT-Tochter erforderlich sind.
22
1 Formen
40,9 %
Tochterunternehmen
Joint Venture
23,9 %
Fremdunternehmen
35,2 %
0%
10%
20%
30%
40%
50%
Quelle: Moczadlo (2002)
Abbildung 6: Einsatzhäufigkeit der unterschiedlichen Organisationsformen5
Unabhängig vom IT-Offshoring wird die Ausgliederung bestimmter Unternehmensbereiche in eine eigenständige Einheit häufig als Vorstufe des Outsourcings angesehen. Allerdings überschneiden sich die Ziele einer Kooperation mit einem Tochterunternehmen zum größten Teil mit denen des klassischen Outsourcings. Insbesondere die Reduzierung der ITKosten, die Schaffung von Kostentransparenz und die Steigerung der Servicequalität sind an dieser Stelle hervorzuheben. Aus diesem Grund wird die Konzentration der IT-Aktivitäten in einer Servicetochter im Folgenden als vollwertige Organisationsform des Offshorings betrachtet (Bräutigam, 2004: 60). Fallbeispiel: Ein Großunternehmen, das sich für die Organisationsform des Tochterunternehmens entschieden hat, ist die Deutsche Bank. Diese gründete bereits im Jahre 1992 die IT-Tochter „Deutsche Software“ in Indien. Ausschlaggebend hierfür waren die befürchteten Probleme mit der Jahrtausendwende. Mittlerweile besitzt die Deutsche Bank nur noch 49 % an dem Dienstleister. Die restlichen Anteile hat sie im Jahre 2001 an einen der führenden indischen Service-Provider, HCL, für geschätzte 25 Mio. US Dollar verkauft (Böhm, 2003b). 5
Die aufgeführten Ergebnisse stammen aus einer Studie zum Thema OffshoreSoftwareentwicklung, an der sich im Zeitraum von Juli 2002 bis Oktober 2002 insgesamt 318 Unternehmen beteiligten (Moczadlo, 2002).
1.3 Organisationsformen
23
Neben der Beteiligung an der IT-Tochter „Deutsche Software“ verfügt die Deutsche Bank über weitere Entwicklungszentren in Niedriglohnländern. Eines davon befindet sich in Singapur (Indien) und wird insbesondere zur Durchführung von Implementierungsarbeiten herangezogen. Darüber hinaus wickelt die Deutsche Bank einen Großteil des Auslandszahlungsverkehrs über diese Niederlassung ab (Computerwoche, 2004a).
1.3.2
Joint Venture
Zur Erlangung steuerlicher Vorteile sowie zur Steuerung und Kontrolle des Offshore-Anbieters streben die Kooperationspartner teilweise die Gründung einer gemeinsamen Service-Gesellschaft in Form eines Joint Venture an (Söbbing, 2002: 28-29). Bei dieser Organisationsform stellen normalerweise sowohl der Offshoring-Kunde als auch der Offshoring-Anbieter Personalressourcen für das Joint Venture bereit. Des Weiteren wird in der Regel ein eigenes Managementteam – häufig mit Vertretern aus beiden Organisationen – zur Führung der Gesellschaft berufen (Sparrow, 2003: 12; Aalders, 2001: 98-99). Die Organisationsform Joint Venture kann im Allgemeinen als Mittelweg zwischen dem internen und dem externen Outsourcing betrachtet werden. In Abhängigkeit von den Beteiligungsverhältnissen innerhalb des Joint Venture kann sich diese eher der Organisationsform des Tochterunternehmens oder der des Fremdunternehmens annähern (Bräutigam, 2004: 178). Entscheidet sich das auslagernde Unternehmen bei der Organisation eines Offshore-Projekts für die Form des Joint Venture, möchte es hiermit zumeist die Vorzüge des internen und des externen Offshoring in einer Organisationsform vereinen. Auf der einen Seite ist ein Joint Venture aufgrund der strategischen Ausrichtung und der stärkeren Bindung zwischen den Partnern mit einer geringeren Unsicherheit behaftet (Bräutigam, 2004: 178). Insbesondere der direkte Einfluss auf die Leistungserbringung erweist sich in diesem Zusammenhang als positiv (Mayer und Söbbing, 2004: 24). Auf der anderen Seite kann die Bindungsintensität zwischen den Partnern bei einem Joint Venture nicht mit der bei einem Tochterunternehmen gleichgesetzt werden. Folglich erhält sich der Kunde mit einem Joint Venture eine gewisse Handlungsflexibilität, die beim internen Offshoring in den meisten Fällen verloren geht.
24
1 Formen
Die Organisationsform des Joint Venture verfügt neben den bereits erwähnten Vorzügen auch über eine Reihe von Nachteilen. Insbesondere die aufwändige Einrichtung eines Joint Venture mit der komplexen Vertragsstruktur erweist sich als nachteilig. Zudem gehen die am Joint Venture beteiligten Unternehmen in Abhängigkeit vom Beteiligungsverhältnis eine mehr oder weniger starke Bindung mit dem Kooperationspartner ein. Folglich sind bereits zu Beginn der Zusammenarbeit detaillierte Regelungen hinsichtlich des gemeinsamen Betriebs und dem Ausstieg eines Partners zu hinterlegen (Bräutigam, 2004: 180).
1.3.3
Fremdunternehmen
Im Gegensatz zur Konzentration der IT-Services in einem ausländischen Tochterunternehmen können auszulagernde Aktivitäten einem selbständigen Offshore-Anbieter übertragen werden. In diesem Zusammenhang spricht man im Allgemeinen vom externen Offshoring. Wenngleich sich die hierbei zugrunde liegenden Beziehungen den Strukturen des internen Offshoring ähneln, handelt es sich bei dieser Organisationsform um ein vollkommen unabhängiges Unternehmen, auf das Mitarbeiter, Assets etc. übertragen werden (Bräutigam, 2004: 177). Fallbeispiele: Ein Unternehmen, das sich im Rahmen des IT-Offshorings dieser Organisationsform bedient, ist die Allianz. Neben der Instandhaltung von Altsystemen beauftragte die Allianz einen ausländischen IT-Dienstleister mit der Entwicklung eines Softwaresystems zur Schadenserfassung und -erstattung. Problematisch aus Sicht der deutschen Versicherungsgesellschaft erwies sich hinsichtlich der Kooperation mit externen Offshore-Anbietern insbesondere die Einhaltung der bestehenden Datenschutzrichtlinien. Die hiermit verbundenen rechtlichen Fragestellungen mussten im Vorfeld der Zusammenarbeit geklärt werden, bevor die Allianz die ausländischen Service-Provider in die Geschäftstätigkeiten der Versicherungsgruppe einbeziehen konnte (Böhm, 2003b). Ein weiteres Beispiel für ein Unternehmen, das Leistungen an einen externen Service-Provider ohne finanzielle Beteiligung verlagert hat, ist die Deutsche Bank. Diese arbeitet unter anderem mit unabhängigen ITDienstleistern im indischen Chennai zusammen (Computerwoche, 2004a).
1.3 Organisationsformen
25
Bei dieser Organisationsform erfolgt die Steuerung des OffshoringAnbieters ausschließlich mithilfe der vertraglich fixierten Vereinbarungen. In Bezug auf die Führung liegt bei der externen Vergabe eine sehr viel losere Bindung zum Kooperationspartner vor als bei den bisher vorgestellten Organisationsformen. Vorteilhaft erweist sich hierbei, dass Risiken vollständig auf den Vertragspartner übertragen werden können. Wie oben bereits angedeutet, kann diese Organisationsform des Offshorings mit der Übernahme von Ressourcen und vertraglichen Verpflichtungen verbunden sein (Bräutigam, 2004: 61). Direkte vs. Indirekte Übertragung In Bezug auf die Zusammenarbeit mit einem unabhängigen OffshoreProvider gilt es zudem, zwischen der direkten und der indirekten Übertragung von Dienstleistungen an einen ausländischen Anbieter zu unterscheiden. Während bei der ersten Variante eine direkte Interaktion zwischen dem Kunden und dem Anbieter stattfindet, fungiert bei der zweiten Variante ein Beratungsunternehmen als Intermediär zwischen den OffshoringPartnern (Böhm, 2003b). Mithilfe der direkten Leistungsübertragung an einen Offshore-Anbieter lassen sich theoretisch die größeren Kosteneinsparungen erzielen. Allerdings ist diese Organisationsform auch mit einem wesentlich größeren Risiko verbunden. Im Gegensatz hierzu werden bei der indirekten Übertragung von Leistungen die daraus resultierenden Risiken durch die beauftragte Unternehmensberatung abgefedert (Böhm, 2003b). In Abhängigkeit von der konkreten Unternehmenssituation muss der Offshoring-Kunden abwägen, welche Alternative sich am besten für das geplante Verlagerungsprojekt eignet. An dieser Stelle ist es nicht möglich eine klare Empfehlung auszusprechen. Vielmehr sollten die entsprechenden Vor- und Nachteile der beiden Übertragungsarten unter Berücksichtigung der individuellen Unternehmenssituation gegenübergestellt und anhand der daraus gewonnenen Erkenntnisse eine Entscheidung getroffen werden. Lediglich für Unternehmen, die bisher keine Erfahrungen mit dem Offshoring im IT-Kontext gesammelt haben, ist es in jedem Fall ratsam, eine auf diesem Gebiet erfahrene Beratungsgesellschaft in die Projektabwicklung mit einzubeziehen. Auf diese Weise kann zugleich das Vertrauen der Unternehmensführung in eine Kooperation mit einem ausländischen Partner gestärkt werden. Das Beratungsunternehmen übernimmt in der Regel die
26
1 Formen
Kundenschnittstelle und die Projektleitung. Mit der Leistungserbringung wird in den meisten Fällen ein strategischer Servicepartner des Beratungshauses im Ausland beauftragt. Die Expertise der Unternehmensberatung im Offshoring-Umfeld sollte dem Auftraggeber zu erheblichen Kosteneinsparungen bei der Projektdurchführung verhelfen. Diese werden allerdings um die Entlohnung des Intermediärs für die Projektkoordination gemindert (NetSkill, 2002).
Zusammenfassung: Die Leistungsformen beschäftigen sich mit der Kernfrage eines jeden Offshoring-Projekts: „Welche Leistungen lagere ich aus?“ Die Gestaltungsformen setzen sich mit dem Ausmaß der auszulagernden IT-Leistungen auseinander. Hier stellt sich die Frage: „In welchem Umfang lagere ich die identifizierten Leistungen aus?“ Die Organisationsformen zeigen alternative Strukturen bei der Abwicklung eines Offshoring-Projekts auf. Demnach beschäftigen sich diese mit der Fragestellung: „Wie lagere ich die identifizierten Leistungen aus?“
2
Sourcing-Modelle
Die Anforderungen einer Unternehmung an ein Offshoring-Projekt können in Abhängigkeit von der individuellen Ausgangssituation stark variieren. Um den spezifischen Unternehmensanforderungen gerecht zu werden, hat sich in der Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Sourcing-Modelle herauskristallisiert. Im Allgemeinen beziehen sich diese Modelle auf die Form der Zusammenarbeit zwischen den Offshoring-Partnern. In diesem Zusammenhang kann im Wesentlichen zwischen Kooperations- und Geschäftsmodellen unterschieden werden. Während sich Kooperationsmodelle ausschließlich mit der Verteilung der am Projekt beteiligten Mitarbeiter auf die verschiedenen Projektstandorte beschäftigen, sind Geschäftsmodelle durch die Besitzstrukturen (Organisationsformen) und den geographischen Ort der Leistungserbringung (Kooperationsmodelle) bestimmt (Robinson und Kalakota, 2004: 27).
2.1
Kooperationsmodelle
Anhand des Kooperationsmodells wird festgelegt, an welchem geographischen Ort die gewünschte Leistung durch den Offshore-Anbieter erbracht wird. In Anlehnung an Robinson und Kalakota (2004: 31-32) kann im Wesentlichen zwischen den folgenden Modellen unterschieden werden: x x x
Onsite Delivery Onshore Delivery Offshore (bzw. Nearshore) Delivery
Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die einzelnen Kooperationsmodelle auch untereinander kombinieren lassen. Auf die hierbei bestehenden Optionen wird bei der Vorstellung der verschiedenen Geschäftsmodelle näher eingegangen. Praxiserfahrung: Zur Durchführung eines Offshore-Entwicklungsprojekts setzt NIIT Technologies ein so genanntes Dual-Shore-Modell ein. Dieses stellt eine Kombination der drei genannten Kooperationsmodelle (Onsite, Onshore und Offshore Delivery) dar. Hierbei kann in Abhängigkeit von der Zielsetzung
28
2 Sourcing-Modelle
des Auftraggebers (z. B. Kostenreduzierung) der Offshore-Anteil entsprechend erhöht werden. Im Rahmen des Dual-Shore-Modells arbeitet ein deutschsprachiger Mitarbeiter des Providers als „Single Point-of-Contact“ für die komplette Projektlaufzeit onsite beim Kunden. Dieser Mitarbeiter fungiert als Schnittstelle zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer und wickelt die gesamte Kommunikation zwischen den Projektpartnern ab. Die Feinabstimmung der Projektspezifikation sowie die Integration der entwickelten Softwaremodule erfolgt üblicherweise ebenfalls onsite. Hierzu kommen typischerweise zwei bis vier Offshore-Mitarbeiter für einen Zeitraum von bis zu vier Wochen zum Kunden nach Deutschland. Je nach Bedarf können auch in der Entwicklungsphase (z. B. beim Auftreten von Problemen) erneut Offshore-Mitarbeiter nach Deutschland angefordert werden. Der Großteil der Projektarbeitspakete, wie das Design, die Kodierung und das Testen der Software, wird in der Regel vollständig offshore in Indien abgewickelt. Aus diesem Grund wird zumeist auch ein Offshore-Mitarbeiter als Leiter des Gesamtprojekts festgelegt. Dies erleichtert insbesondere die Feinsteuerung der Offshore-Projektmitarbeiter. Zur Unterstützung des Onsite- und Offshore-Projektteams können zudem in jeder Projektphase die Mitarbeiter der deutschen Niederlassung des indischen Service-Providers (Onshore-Mitarbeiter) herangezogen werden.
2.1.1
Onsite Delivery
Bei der Onsite Delivery stellt der ausländische Service-Provider dem Kunden temporär Personalressourcen vor Ort zur Verfügung. Hierbei handelt es sich in der Regel um projektbezogene Engagements, die zumeist der Überbrückung von Know-how- und Ressourcenlücken dienen. Nach Fertigstellung des Projekts kehren die IT-Fachkräfte in ihr Heimatland zurück (Thondavadi und Albert, 2004: 64-65). Eine Onsite Delivery ist vergleichbar mit der Arbeitsweise einer Unternehmensberatung. Einer der größten Vorteile dieses Kooperationsmodells ist in der direkten Interaktion zwischen den internen und den externen Mitarbeitern zu sehen. Allerdings ist die Anwendung dieses Modells nach Thondavadi und Albert (2004: 65) mit den vergleichsweise höchsten Kosten für den Auftraggeber verbunden. Neben der Entlohnung des Service-
2.1 Kooperationsmodelle
29
Providers kommen Kosten für die Unterbringung und Verpflegung sowie die Bereitstellung von Arbeitsräumen und Arbeitsmitteln (Computer, Telefon etc.) hinzu. Nach Robinson und Kalakota (2004: 31) bietet eine Onsite Delivery den höchsten Grad an Kontrolle und Transparenz. Daher sollte dieses Modell insbesondere bei zeitkritischen IT-Projekten, z. B. der Entwicklung einer strategisch bedeutsamen Softwareapplikation, herangezogen werden. Im Gegensatz zum Software Development Offshoring bezieht der Kunde beim BPO zumeist nur das Prozessergebnis von dem ausländischen Auftragnehmer. Die Anwesenheit von Mitarbeitern des Offshore-Anbieters am Standort des Auftraggebers ist bei dieser Leistungsform nicht notwendig (Thondavadi und Albert, 2004: 65).
2.1.2
Onshore Delivery
Bei der Onshore Delivery wird vorausgesetzt, dass entweder der beauftragte Offshore-Provider über eine Niederlassung im Inland verfügt oder dass es sich bei dem Auftraggeber um ein Großunternehmen mit Tochterunternehmen im In- und Ausland handelt. Aufgrund der geringeren Entfernung kann hierdurch ein Kompromiss bezüglich der Kontrollmöglichkeiten eingegangen werden. Die Experten der inländischen Niederlassung bzw. der inländischen IT-Tochter arbeiten eng mit den internen Unternehmensmitarbeitern zusammen, um auf diese Weise die festgelegten Projektziele im Hinblick auf Einhaltung des Zeit- und Kostenplans, die Produktqualität etc. zu erfüllen (Robinson und Kalakota, 2004: 31). Da eine direkte Vergabe von IT-Tätigkeiten in das Ausland vielerorts noch kritisch begutachtet wird, erfreut sich die Onshore Delivery im Rahmen des IT-Offshorings zunehmender Beliebtheit. Beispielsweise versuchen immer mehr Offshore-Dienstleister sich eine Präsenz im deutschen ITServicemarkt aufzubauen, um ihren Kunden eine Art „Mischkalkulation“ anbieten zu können. Mit der Unterstützung der deutschen Niederlassungen versuchen sie, Unternehmen den Einstieg in das Thema Offshoring zu erleichtern. Ein Beispiel hierfür ist die Übernahme der Münchener Arexera Information Technology durch den indischen Dienstleister AFTEK Infosys (Buchta et al., 2004).
30
2.1.3
2 Sourcing-Modelle
Offshore Delivery
Bei der Offshore Delivery ist eine klare Trennung zwischen den am Projekt beteiligten Unternehmen anzutreffen. Die Mitarbeiter des ausländischen Providers arbeiten offshore und kommunizieren über elektronische Kommunikationsmittel und Telefon mit ihren Projektkollegen auf Kundenseite. Lediglich zu Projektbeginn und am Ende des Offshore-Projekts finden zumeist persönliche Treffen zwischen den internen und externen Projektmitarbeitern statt. Diese dienen vornehmlich dem erforderlichen Wissenstransfer. Aufgrund der klaren Arbeitsteilung verspricht eine Offshore Delivery nach Thondavadi und Albert (2004: 64) die höchsten Kosteneinsparungen. Die geringen Kosten stellen in der Regel auch den wichtigsten Grund für die Wahl dieses Kooperationsmodells dar. Es ist allerdings anzumerken, dass die Offshore Delivery durch den geringen Anteil an persönlicher Interaktion zwischen den Projektpartnern mit dem größten Risiko für den Auftraggeber behaftet ist. Missverständnisse und Fehlinterpretationen sowie die fehlende Transparenz und Kontrolle können den Projekterfolg gefährden. Unter anderem aufgrund dieser Problemfelder sind laut Robinson und Kalakota (2004: 31) einige Analysten sogar der Meinung, dass eine reine Offshore Delivery überhaupt nicht durchführbar sei. Um den Erfolg einer Offshore Delivery zu sichern, empfehlen Thondavadi und Albert (2004: 64) die folgenden Maßnahmen: Die Einführung von Prozessen zur Versionskontrolle (koordiniert durch einen Qualitätsmanager), die Benennung eines (Gesamt-)Projektmanagers am Offshore-Standort zur Überbrückung kultureller Unterschiede und zur Erleichterung der Kommunikation mit den Offshore-Mitarbeitern sowie die Bereitstellung eines Netzwerkmanagers, der die Kommunikation zwischen den Projektstandorten koordiniert. Jedoch weisen die Autoren auch darauf hin, dass die oben genannten Risikofelder selbst durch die hier aufgeführten sowie ähnlichen Maßnahmen nicht vollständig ausgeschlossen werden können.
2.2
Geschäftsmodelle
Ein Offshoring-Geschäftsmodell ist durch die Besitzstrukturen (Tochterunternehmen, Joint Venture oder Fremdunternehmen) und den geographischen Ort der Leistungserbringung (Onsite, Onshore und Offshore Delive-
2.2 Geschäftsmodelle
31
ry) bestimmt (Robinson und Kalakota, 2004: 27). Anhand dieser beiden Dimensionen von Geschäftsmodellen kann die in Abbildung 7 dargestellte Klassifikationsmatrix aufgezogen werden.
Joint Venture
Tochterunternehmen
Global Sourcing
Build – Operate – Transfer (BOT)
Multisourcing
Organisationsform
Fremdunternehmen
Global Shared Services Onsite
Onshore
Offshore/ Nearshore
Kooperationsmodell Quelle: in Anlehnung an Kalakota und Robinson (2002: 40)
Abbildung 7: Klassfikations-Framework für Geschäftsmodelle6
Die in der Abbildung aufgezeigten Geschäftsmodelle werden im Folgenden genauer betrachtet.
2.2.1
Global Sourcing
Beim Global Sourcing kooperiert das auslagernde Unternehmen zumeist mit einem international tätigen Service-Provider (z. B. Accenture, IBM oder EDS) (Robinson und Kalakota, 2004: 39). Allerdings drängen zum aktuellen Zeitpunkt auch zunehmend klassische Offshore-Anbieter in ausländische Servicemärkte, indem sie in Ländern wie Deutschland Niederlassungen eröffnen bzw. nationale Dienstleister aufkaufen (Buchta et al., 2004). Hierdurch werden auch solche Unternehmen befähigt ihren Kunden die Vorteile des Global Sourcings anzubieten. Das Global-Sourcing-Modell kann als Kombination der in Abschnitt 2.1 vorgestellten Kooperationsmodelle gesehen werden. Es versucht, die Vor6
Aufgrund der starken Ähnlichkeit zum Global Sourcing wird das Geschäftsmodell Global Shared Services im Folgenden nicht explizit betrachtet.
32
2 Sourcing-Modelle
teile der unterschiedlichen Modelle in einem Sourcing-Modell zu vereinen. Hierbei werden in der Regel so viele Tätigkeiten wie möglich an OffshoreStandorten durchgeführt, um von den dort geringeren Lohnkosten profitieren zu können. Lediglich Tätigkeiten, die beispielsweise einen hohen Kommunikationsaufwand erfordern, verbleiben entweder vollständig im Unternehmen oder werden an einen nationalen Dienstleister vergeben. Nach Robinson und Kalakota (2004: 41) erweist es sich bei diesem Geschäftsmodell als vorteilhaft, dass der Kunde keine unnötigen Kapazitäten aufbauen muss. Vielmehr kann das Modell jederzeit an die aktuellen Kundenanforderungen angepasst werden. Hierzu wird in Abhängigkeit von der momentan zu bearbeitenden Teilaufgabe das Verhältnis zwischen Onsite-, Onshore- und Offshore-Ressourcen verändert (Robinson und Kalakota, 2004: 41). Zudem ermöglichen die Zeitunterschiede zwischen den verschiedenen Projektstandorten tägliche Softwareentwicklungszeiten von bis zu 18 Stunden. Man spricht in diesem Zusammenhang von der so genannten „Follow the Sun“-Entwicklung (Thondavadi und Albert, 2004: 65). Die Projektkoordination beim Global Sourcing findet zumeist am Stammsitz des Auftraggebers, d. h. onsite, statt. Der dort ansässige Projektmanager entscheidet beispielsweise bei einem Softwareentwicklungsprojekt nach einer klaren Aufgabenteilung, welche Leistungen intern, welche durch einen nationalen Dienstleister und welche durch einen OffshoreAnbieter erbracht werden (Bayerischer Industrie- und Handelskammertag, 2002: 19) [BIHK]. Das Global-Sourcing-Modell erfreut sich in der Praxis zunehmender Beliebtheit. Insbesondere große Beratungsunternehmen bevorzugen dieses Sourcing-Modell (Robinson und Kalakota, 2004: 41). Fallbeispiele: Zur Verbesserung der Kostenstruktur und der Steigerung von Margen setzt die international tätige IT-Beratung Accenture verstärkt auf das Global Sourcing. Mittlerweile besitzt Accenture über 40 IT-Entwicklungszentren weltweit und beschäftigt mehr als 8.000 Mitarbeiter an zahlreichen Offshore- und Nearshore-Standorten (z. B. Indien, China, Spanien). Durch die Übernahme der Mannheimer AD Solutions AG hat sich der indische Dienstleister NIIT Technologies eine Präsenz auf dem deutschen Markt geschaffen (Buchta et al., 2004). Hierdurch können in Deutschland
2.2 Geschäftsmodelle
33
ansässige Unternehmen entweder flexibel auf Beratungsleistungen zurückgreifen oder Softwareentwicklungstätigkeiten, die einen hohen Interaktionsgrad erfordern, an die deutsche Niederlassung herausgeben. Arbeitsintensive und relativ standardisierte Entwicklungsarbeiten können zudem an die indische Muttergesellschaft weitergereicht werden.
2.2.2
Build-Operate-Transfer (BOT)
Für viele Unternehmen erwies sich der Aufbau einer Offshore-Präsenz als wesentlich problematischer als erwartet. Nach Robinson und Kalakota (2004: 44) erschwerten insbesondere rechtliche, steuerliche und administrative Fragestellungen die Realisierung eines solchen Vorhabens. Zahlreiche Offshore-Anbieter erkannten diese Problematik und boten ihren Kunden an, den Aufbau einer Offshore-Niederlassung für sie zu koordinieren. Dieses Geschäftsmodell wird als Build-Operate-Transfer (BOT) bezeichnet. Das Vorgehen beim BOT-Geschäftsmodell untergliedert sich in drei Schritte: x
x
x
Build Der Auftragnehmer verwaltet den vollständigen Prozess, der zum Aufbau der Offshore-Präsenz durchlaufen werden muss. Dieser umfasst neben dem Gebäudebau auch den Einkauf der Kommunikationsinfrastruktur, der Hardware, des Bürobedarfs etc. Operate Der Anbieter betreibt das neu entstandene Offshore-Center im Auftrag des Kunden. In diesem Zusammenhang übernimmt er alle beim Betrieb anfallenden Aufgaben (z. B. die Einstellung von Mitarbeitern, das Training der Mitarbeiter, die Lohnabrechnung, das Gebäudemanagement). Transfer Nach Ablauf einer zuvor festgelegten Frist besteht für den Auftraggeber die Option, den Betrieb des IT-Centers zu übernehmen. Hierbei ist darauf zu achten, dass ein klar definierter Übergabeprozess vertraglich hinterlegt ist.
Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist nach Robinson und Kalakota (2004: 44) vor allem darin zu sehen, dass durch den Einbezug von externem Know-how der Betrieb des neuen Offshore-Centers in der Regel wesent-
34
2 Sourcing-Modelle
lich schneller aufgenommen werden kann, als dies bei einem eigenständigen Aufbau der Fall gewesen wäre. Zudem lässt sich auf diese Weise eine Reihe von Risiken (z. B. erhöhte Baukosten), die erfahrungsgemäß bei einer derartigen Investition auftreten können, auf den ausländischen Dienstleister übertragen. Fallbeispiele: i-Vantage bietet seinen Kunden an, dass es in ihrem Auftrag ein Tochterunternehmen in Indien aufbaut, das in der Anfangsphase auch von iVantage betrieben wird. Nach einem vereinbarten Zeitraum hat der Auftraggeber die Möglichkeit, das neu aufgebaute Unternehmen zu übernehmen. Fünf internationale Unternehmen nehmen diesen Service bereits in Anspruch (Kobayashi-Hillary, 2004: 153). Eine „umgekehrte“ BOT-Strategie verfolgte die Deutsche Bank zu Beginn der 90er-Jahre. Nachdem sie zunächst die IT-Tochter „Deutsche Software“ in Indien gründete, zog sie sich im Anschluss Stück für Stück aus der IT-Servicetochter zurück und übertrug die mehrheitlichen Anteile an das indische Dienstleistungsunternehmen HCL. Mit diesem arbeitet die Deutsche Bank noch heute zusammen (Böhm, 2003b).
2.2.3
Multisourcing
Beim Multisourcing vertritt der Offshoring-Kunde die Auffassung, dass ein ausländischer Anbieter in der Regel nicht alle IT-Leistungen gleich gut abdecken kann. Vielmehr geht das auslagernde Unternehmen von einer Spezialisierung der am Markt zur Verfügung stehenden Service-Provider auf spezifische Teilleistungen (z. B. SAP-Betrieb) aus. Für jede fremd zu vergebende Teilleistung wählt der Kunde daher einen Spezialisten mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis aus (Söbbing, 2002: 47-48). Dieser trägt die Verantwortung für den ihm zugeteilten Teilbereich (Mayer und Söbbing, 2004: 27-28). Vorteilhaft erweist sich bei diesem Vorgehen, die reduzierte Abhängigkeit des auslagernden Unternehmens von einem einzelnen Offshore-Provider. Negativ ist hingegen das reduzierte Auftragsvolumen pro Kooperationspartner zu nennen (Bräutigam, 2004: 61). Zudem besteht ein Nachteil dieser Vorgehensweise in der großen Anzahl von Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen IT-Service-Providern. Beispielsweise könnte beim Infra-
2.2 Geschäftsmodelle
35
structure Service Outsourcing der First-Level-Support (Unterstützung per E-Mail und Telefon) an einen anderen Provider ausgelagert sein als der Second-Level-Support (Vor-Ort-Service). Funktioniert in einer solchen Situation der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Anbietern nicht reibungslos, kann keine angemessene Unterstützung der Mitarbeiter auf Kundenseite gewährleistet werden (Mayer und Söbbing, 2004: 27). Eine Gegenüberstellung der Leistungserbringung durch ein Konsortium von Offshore-Anbietern (Multisourcing) mit der durch einen einzelnen Anbieter ist in der folgenden Tabelle dargestellt (NIIT, 2001: 21). Tabelle 4: One- vs. Multi-Supplier-Ansatz Leistungserbringung durch einen Offshore-Anbieter
Leistungserbringung durch mehrere Offshore-Anbieter
Kontrolle
einfacher als bei Multisourcing
hoher Koordinationsaufwand
Sicherheit
begrenztes Risiko (sensitive Daten müssen nur mit einem Partner ausgetauscht werden)
höheres Risiko (mehrere Partner haben Zugang zu sensitiven Daten)
Reaktionszeit
hoch (ein Ansprechpartner)
möglicherweise problematisch (z. B. sich überschneidende Verantwortlichkeitsbereiche)
Expertise
gut (vorausgesetzt, dass ein geeigneter Partner ausgewählt wurde)
sehr gut (spezialisierte Partner)
Qualität
gut (soweit geeigneter Partner)
möglicherweise negative Beeinflussung durch Administrations- und Schnittstellenproblematik
36
2 Sourcing-Modelle
Es ist darauf hinzuweisen, dass das Multisourcing nicht zwingend eine Zusammenarbeit mit unabhängigen Offshore-Providern erfordert. Vielmehr ist bei einem Multisourcing-Ansatz die komplette Bandbreite an Organisationsformen auf Offshore-Seite vorstellbar (Robinson und Kalakota, 2004: 40).
Zusammenfassung: Kooperationsmodelle beschäftigen sich mit der Verteilung der am Projekt beteiligten Mitarbeiter auf die verschiedenen Projektstandorte. Die drei wesentlichen Kooperationsmodelle sind: Onsite, Onshore und Offshore (bzw. Nearshore) Delivery. Geschäftsmodelle lassen sich anhand der zwei Dimensionen Besitzstruktur (Organisationsform) und geographischer Ort der Leistungserbringung (Kooperationsmodell) charakterisieren. Wichtige Geschäftsmodelle sind: Global Sourcing, Build-Operate-Transfer (BOT) und Multisourcing.
3
Chancen und Risiken
Aufgrund der stark unterschiedlichen Ausgangssituationen bei potenziellen Offshoring-Auftraggebern wird davon abgesehen, von universellen Vorund Nachteilen eines Offshore-Projekts zu sprechen. Stattdessen erfolgt eine Gegenüberstellung der Chancen, die sich bei der Auslagerung von IT-Dienstleistungen in das Ausland einstellen können, sowie der Risiken, die bei der Durchführung eines solchen Vorhabens möglicherweise auftreten.
3.1
Chancen
Zunächst werden die Chancen betrachtet, die sich durch das Offshoring von IT-bezogenen Aktivitäten bzw. Prozessen ergeben können. Eine Reihe der hier aufgeführten Chancen gilt gleichermaßen für nationale Outsourcing-Vorhaben, können aber auf das Offshoring übertragen werden. Senken der Lohnkosten
70
Senken sonstiger Kosten
58
Steigern der Servicequalität
43
Konzentration auf Kernkompetenzen
40
Beschleunigung der Prozesszyklen
35
Vermeidung von Kapazitätsengpässen
30
Erweiterung des Leistungsportfolios
30 0
20
Prozent
40
60
80
Quelle: Schaaf (2004; erstmals Eichelmann et al., 2004)
Abbildung 8: Top 7 der Offshoring-Chancen
38
3 Chancen und Risiken
Nach einer Befragung europäischer Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit IT-Offshoring-Projekten, die die Strategieberatung Roland Berger in Kooperation mit der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) im Jahre 2004 durchgeführt hat, wurden die in Abbildung 8 dargestellten Aspekte als Hauptmotive für eine Auslandsverlagerung genannt (Eichelmann, T., Fredriksson, T., Sauvant, K. P. und Schneidereit, F., 2004). Diese und andere Chancen des IT-Offshorings können anhand der folgenden Kategorien klassifiziert werden: x
x
x
Finanzielle Chancen Chancen, die sich positiv auf die Kostenstrukturen des auslagernden Unternehmens auswirken können. Qualitative Chancen Chancen, die zu einer qualitativen Verbesserung innerhalb der Unternehmung beitragen können. Strategische Chancen Chancen, die für die Unternehmung von strategischem Wert sein können.
Die unterschiedlichen Chancenkategorien werden in den sich anschließenden Abschnitten genauer betrachtet. Hierbei werden für jede Kategorie exemplarisch konkrete Chancen vorgestellt. Praxiserfahrung: Während indische IT-Service-Provider vielfach die qualitativen Vorteile eines IT-Offshoring-Projekts betonen (z. B. durch die Zertifizierung nach Qualitätsstandards wie CMM Level 5), spielen diese qualitativen Aspekte für den Kunden häufig nur eine untergeordnete Rolle. Den Erfahrungen des indischen IT-Service-Providers NIIT Technologies zufolge stellen die finanziellen Chancen eines IT-Offshoring-Projekts und hier insbesondere die Reduzierung der IT-Kosten den Haupttreiber für die Durchführung eines solchen Projekts dar. Diese Einschätzung wurde auch durch einen schweizerischen Versicherungskonzern und einen deutschen Mittelständler aus der Chemieindustrie im Rahmen einer Fallstudie bestätigt. Beide Unternehmen zielten durch die Beauftragung eines Offshore-Providers mit Softwareentwicklungsprojekten in erster Linie darauf ab, IT-Kosten zu reduzieren.
3.1 Chancen
3.1.1
39
Finanzielle Chancen
Im Hinblick auf die finanziellen Chancen wird insbesondere auf die folgenden Aspekte eingegangen: x x x x
Reduzierung der IT-Kosten Verbesserung der Kostenkontrolle Fixkostenumwandlung Reduzierung der Kapitalbindung
Diese Chancen werden im Folgenden kurz dargestellt. Reduzierung der IT-Kosten Die Reduzierung der IT-Kosten stellt wahrscheinlich die größte Chance des IT-Offshorings dar. Demzufolge sind die Beweggründe zur Abwanderung der unternehmensinternen IT in Billiglohnländer meist kostengetrieben (Böhm, 2003a). Die geringeren Kosten resultieren zum einen aus den niedrigeren Lohn- und Nebenkosten für Arbeitskräfte in den entsprechenden Zielländern (siehe Abbildung 9). Zum anderen können ausländische Dienstleister durch die Spezialisierung auf bestimmte IT-Leistungen und die daraus resultierenden Größenvorteile (Economies of Scale) ihren Kunden erhebliche Kostenvorteile bieten (Söbbing, 2002: 23; Sparrow, 2003: 25). Zudem lassen sich zusätzlich zur Reduzierung der Kosten durch den Verkauf nicht mehr benötigter Hard- und/oder Software auch auf Kundenseite einmalige Erlöse erzielen (Sparrow, 2003: 25). Mit Sicherheit spielen Gründe wie der Einkauf von Spezialkenntnissen oder IT-Know-how ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für eine Offshore-Variante. Allerdings steht die Reduzierung der operativen Kosten bei nahezu allen auslagernden Firmen im Vordergrund. Demnach ist ein deutlicher Trend zu erkennen, arbeitsintensive Dienstleistungen in Länder mit geringen Lohnkosten zu verlagern (Mayer und Söbbing, 2004: 91-93). Langfristig lassen sich laut der IT-Beratung TransCrit (2004) trotz des erhöhten Koordinationsaufwands in Bezug auf die Projektplanung, die Providerauswahl, das Vertragsmanagement etc. Einsparungen im Bereich von 30 % durch die Fremdvergabe von IT-Projekten in Niedriglohnländer realisieren. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine gründliche Vorberei-
40
3 Chancen und Risiken
tung der Auslandsverlagerung. Hierdurch kann die Anzahl möglicher Problemfelder während der Zusammenarbeit zumindest reduziert werden. EUR/h
9
Russland Portugal
14
China
14 8
Tschechien
7
Indien
44
USA
54
Deutschland 0
20
40
60
Quelle: Schaaf (2004)
Abbildung 9: Lohnkostenunterschiede
Verbesserung der Kostenkontrolle Das Offshoring kann zusätzlich zur Kostenreduktion zu einer Verbesserung der Kostenkontrolle beitragen. Ein externer Service-Provider unterliegt in der Regel einer detaillierteren Kontrolle als dies bei einer internen IT-Abteilung der Fall ist (Aalders, 2001: 221). Darüber hinaus schafft das Offshoring eine verbesserte Transparenz bezüglich der anfallenden ITKosten. Typischerweise entdecken Unternehmen bei der Gegenüberstellung der Total Cost of Ownership (TCO) mit den Gesamtkosten einer Offshore-Lösung bisher nicht berücksichtigte Kosten für die interne Abwicklung der entsprechenden IT-Tätigkeiten (Aalders, 2001: 221). Zudem sind die in Zukunft anfallenden Leistungskosten aufgrund des Vertragsverhältnisses zwischen den Offshoring-Partnern einfacher planbar (Bräutigam, 2004: 147; Sparrow, 2003: 25). Der Anbieter muss die in Rechnung gestellten Leistungen detailliert auflisten und der Kunde zahlt ausschließlich für die vertraglich vereinbarten Leistungen (Aalders, 2001: 222). Nichtsdestotrotz können im Rahmen einer Offshoring-Initiative durch die wesentlich komplexere Projektkoordination und die räumliche Entfernung zwischen den Vertragspartnern unerwartete Zusatzkosten ent-
3.1 Chancen
41
stehen. Diese können den Vorteil der verbesserten Kostentransparenz zumindest abschwächen. Fixkostenumwandlung Ein weiterer positiver Aspekt des Offshorings ist die damit realisierbare Fixkostenumwandlung. Bei der Mehrheit der unternehmensinternen ITKosten handelt es sich um Fixkosten (z. B. Personalkosten, Lizenzkosten etc.). Mithilfe des Offshorings kann der bisherige Fixkostenanteil erheblich gesenkt werden. Als Voraussetzung hierfür ist allerdings die Vereinbarung einer leistungsbezogenen Entlohnung des ausländischen Dienstleisters anzusehen. Das Ausmaß der Fixkostenumwandlung hängt zudem von dem konkreten Auslagerungsprojekt ab. Insbesondere Projekte, die mit einem Personaltransfer verbunden sind, tragen wesentlich zu einer Umwandlung von fixen in variable Kosten bei7 (Bräutigam, 2004: 147). Des Weiteren kann durch die Verlagerung von IT-Aktivitäten an einen ausländischen Dienstleister der zu starke Aufbau von Ressourcen vermieden werden. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die IT des auslagernden Unternehmens starken Nachfrageschwankungen unterliegt. Baut ein Unternehmen bei starker Nachfrage verstärkt eigene IT-Kapazitäten auf, besteht die Gefahr, dass der Anteil der Fixkosten bei sinkender Nachfrage zusätzlichen Druck auf das Unternehmensergebnis ausübt. Insofern kann das IT-Offshoring wesentlich dazu beitragen, konjunkturelle Schwankungen auszugleichen (Thondavadi und Albert, 2004: 4). Reduzierung der Kapitalbindung Im Rahmen der Kostenbetrachtung stellt die Reduzierung der Kapitalbindung eine weitere Chance dar, die sich aus einer möglichen OffshoringEntscheidung ergeben kann. Die für die interne Abwicklung notwendige Bereitstellung von Assets (z. B. Desktop-Rechner, Server) entfällt. Auf diese Weise wird bisher im Unternehmen gebundenes Kapital freigesetzt. Dieses kann in andere Aktivitäten, die über eine höhere strategische Bedeutung verfügen, reinvestiert werden (Söbbing, 2002: 24). Gehen die Assets in das Eigentum des Outsourcing-Anbieters über, kann der daraus erzielte Erlös zudem als Sondereinnahme beim Kunden verbucht werden (Bräutigam, 2004: 148). 7
Die Personalkosten stellen in der Regel den größten Fixkostenbaustein innerhalb einer auslagernden Unternehmung dar (Bräutigam, 2004: 147).
42
3 Chancen und Risiken
Zusätzlich zum Asset-Transfer kann insbesondere die Übernahme von Mitarbeitern durch den Auftragnehmer wesentlich zur Reduzierung der Kapitalbindung auf Kundenseite beitragen. Für die Entlohnung der vormals Festangestellten muss der Auftraggeber nach der Übernahme durch den Auftragnehmer (genauso wie für die anderen Mitarbeiter des ServiceProviders) ausschließlich bei Inanspruchnahme aufkommen. Hierdurch wird sowohl eine Reduzierung des Kapitaleinsatzes als auch eine Umwandlung von Fixkosten in variable Kosten (siehe oben) erreicht (Sparrow, 2003: 25). An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass ein OffshoreProjekt aufgrund der erheblichen Entfernung zwischen den Projektpartnern in vielen Fällen nicht mit einer Übernahme von Mitarbeitern durch den ausländischen Provider verbunden ist.
3.1.2
Qualitative Chancen
Bezüglich der qualitativen Chancen eines IT-Offshoring-Projekts sind in erster Linie die nachfolgenden Punkte hervorzuheben: x x x x
Verbesserung der Servicequalität Verbesserung der Unternehmensprozesse Garantierte Service Levels Zugang zu technischem Know-how
Auf diese Chancen wird im Folgenden genauer eingegangen. Verbesserung der Servicequalität Die Fremdvergabe von IT-Projekten kann zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung der ausgelagerten Dienste beitragen. Bei dem ausgewählten Offshore-Anbieter handelt es sich in der Regel um einen Spezialisten, dessen gesamte unternehmerische Tätigkeit in der Bereitstellung von ITDienstleistungen besteht. Demzufolge kann davon ausgegangen werden, dass die ausgelagerten Services in einer entsprechenden Qualität zur Verfügung gestellt werden können (Sparrow, 2003: 22; Aalders, 2001: 222). Hinzu kommt, dass die ausländischen Dienstleister aufgrund des enormen Wettbewerbsdrucks gezwungen sind, die Leistungen in einer angemessenen Qualität zu liefern. Wird ein Service-Provider den Qualitätsanforderungen der Kunden nicht gerecht, wird er langfristig auf dem globalen Outsourcing-Markt nicht bestehen können. Eine interne IT-Abteilung ist diesem Druck zumeist nicht ausgesetzt (Aalders, 2001: 225).
3.1 Chancen
43
Verbesserung der Unternehmensprozesse In Zusammenhang mit der Steigerung der Servicequalität kann das IT-Offshoring auch zu einer Verbesserung der Unternehmensprozesse beitragen (Aalders, 2001: 220-221). Nahezu alle Offshore-Provider können Zertifizierungen nach ISO 9001 vorweisen. Zudem verfügt eine Vielzahl dieser Provider über den höchsten Qualitätslevel des CMM-Standards (Level 5). Allein in Indien sind laut der Beratung TransCrit (2004) 46 IT-Dienstleister CMM Level 5 zertifiziert. Darüber hinaus setzen eine Reihe dieser ausländischen Provider erfolgreich Six Sigma innerhalb ihrer Unternehmung ein (Robinson und Kalakota, 2004: 97). Die hohe Prozessqualität der Offshoring-Partner erfordert zudem die Anpassung der unternehmensinternen Prozesse an die bei den Partnern vorherrschenden Qualitätsstandards. Dies erleichtert zum einen die Kooperation mit dem ausländischen Partner erheblich. Zum anderen wird eine wesentliche Verbesserung der internen Geschäftsabläufe erreicht. Garantierte Service Levels Eine weitere Chance, die sich vorwiegend bei der Verlagerung von Infrastrukturdiensten bietet, kann in der Festlegung so genannter Service Levels gesehen werden (Mayer und Söbbing, 2004: 12). Mit den Service Levels garantiert der Auftragnehmer einen vereinbarten Standard an quantitativen und qualitativen Zielen der Leistungserbringung (Söbbing, 2002: 22). Hierdurch hat das auslagernde Unternehmen zu jeder Zeit Anspruch auf ein bestimmtes Mindestniveau der Servicequalität. Wird dieses Niveau auch nur kurzzeitig nicht erreicht, kann dies Vertragsstrafen oder im Extremfall sogar die Auflösung des Offshoring-Vertrags nach sich ziehen. Da die vereinbarten Service Levels sowie die zur Leistungsmessung eingesetzten Verfahren im Normalfall in den Leistungsverträgen hinterlegt sind, gestaltet sich das Qualitätsmanagement bei einem Offshore-Projekt in der Regel einfacher als bei der internen Abwicklung der entsprechenden Leistungen (Aalders, 2001: 224-225). Zugang zu technischem Know-how Durch die Vergabe von IT-Projekten an externe Dienstleister erhält der Auftraggeber Zugang zu technischem Know-how, das er innerhalb der Unternehmung erst mühsam aufbauen müsste. Das hierdurch bei den Mitarbeitern des Anbieters angesammelte Expertenwissen kommt dem Off-
44
3 Chancen und Risiken
shoring-Kunden zugute. Aus diesem Grund ist zum einen mit einer Verbesserung der Servicequalität zu rechnen, zum anderen erhalten die auslagernden Unternehmen Zugriff auf neue Fähigkeiten, Methoden und Techniken (Sparrow, 2003: 23; Dubey, 2003: 25). Diese kann der Kunde dazu nutzen, Projekte in Auftrag zu geben, die sich durch die interne ITAbteilung nicht bzw. nur durch erhebliche Zusatzinvestitionen in Mitarbeiterschulungen und die Einstellung von IT-Spezialisten realisieren lassen würden (Aalders, 2001: 220-227). Fallbeispiele: Beim indischen BPO-Anbieter ICICI One Source müssen selbst Mitarbeiter im Call-Center regelmäßig an Trainings und Schulungen teilnehmen, um den hohen Qualitätsanforderungen der ausländischen Kunden gerecht zu werden (Kobayashi-Hillary, 2004: 129). Der indische Service-Provider Wipro kann einem Unternehmen auf Nachfrage für nahezu jedes Spezialgebiet zertifizierte Ingenieure zur Verfügung stellen (Kobayashi-Hillary, 2004: 129).
3.1.3
Strategische Chancen
Die strategischen Chancen des IT-Offshorings zielen insbesondere auf die folgenden Aspekte ab: x x x x x x
Verbesserung der Flexibilität Konzentration auf Kernkompetenzen Unternehmensrestrukturierung Schritthalten mit den neuesten technologischen Entwicklungen Risikotransfer Reduzierung der Time-to-Market
Die genannten strategischen Chancen werden im Folgenden detaillierter betrachtet. Verbesserung der Flexibilität Im Hinblick auf die strategischen Chancen, die sich durch das ITOffshoring ergeben, ist an erster Stelle die Verbesserung der Flexibilität – in Bezug auf die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens auf aktuelle Marktentwicklungen – zu nennen. Das Unternehmen kann einerseits Personalüberhänge vermeiden, andererseits unverzüglich auf Ressourcenengpässe
3.1 Chancen
45
reagieren (Fischer und Schumacher, 2004). Folglich erhöht der Einkauf von Dienstleistungen die Flexibilität bezüglich der Regulierung von ITKapazitäten. Benötigt das Unternehmen weitere Ressourcen zur Durchführung zeitkritischer Aktivitäten, kann es diese beim IT-Dienstleister anfordern (Aalders, 2001: 225). Auf diese Weise können auftretende Personallücken flexibel überbrückt werden (TransCrit, 2004). Sobald die zusätzlich angeforderten Ressourcen nicht mehr benötigt werden, können diese wieder freigegeben werden (Aalders, 2001: 225). Im Gegensatz hierzu bereitet die Einstellung bzw. Entlassung von internen Mitarbeitern erheblich größere Probleme (Sparrow, 2003: 26). Gerade die hiermit verbundenen Kosten können durch die Kooperation mit einem ausländischen Dienstleister umgangen werden. Konzentration auf Kernkompetenzen Die Beauftragung eines ausländischen Service-Providers kann zu einer Konzentration auf die Kernkompetenzen innerhalb der auslagernden Unternehmung beitragen. Viele IT-Dienstleistungen erfordern einen erheblichen Ressourcen- und Verwaltungsaufwand, erzeugen aber keinen nachhaltigen Mehrwert für das Unternehmen. Insbesondere Back-OfficeFunktionalität, die keine direkte Interaktion mit dem Kunden erfordert, ist an dieser Stelle zu nennen. Durch eine Rationalisierung dieser Funktionen kann in der Regel keine nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbsposition erreicht werden (Sparrow, 2003: 18). Mit einer Konzentration auf das Kerngeschäft entlastet das Unternehmen zudem diejenigen Arbeitskräfte, die sich zusätzlich zu ihrer Hauptaufgabe mit der Organisation fachfremder Aktivitäten beschäftigen müssen. Diese Mitarbeiter können sich durch die Abgabe von Aktivitäten, die nicht zum Kerngeschäft der Unternehmung gehören, wieder verstärkt ihrem eigentlichen Aufgabenbereich widmen (Mayer und Söbbing, 2004: 12). In vielen Unternehmen verfügt die IT darüber hinaus lediglich über einen unterstützenden Charakter, da sie nur selten einen direkten Mehrwert für das operative Kundengeschäft liefert (Aalders, 2001: 223). Aus diesem Grund ist die Verlagerung von IT-Tätigkeiten nahezu prädestiniert für das Offshoring. Hinzu kommt die momentan vielerorts angespannte Finanzsituation, die in nicht wenigen Firmen eine erhebliche Kürzung der ITBudgets nach sich gezogen hat. Projekte, die über keinen direkten Einfluss auf das Kerngeschäft verfügen oder sich nicht innerhalb kurzer Zeit amor-
46
3 Chancen und Risiken
tisieren (an dieser Stelle sind in erster Linie strategische Projekte zu nennen, wie z. B. die Entwicklung neuer Applikationen), lassen sich aus diesem Budget in vielen Fällen nicht mehr finanzieren (Böhm, 2003a). Als Folge der Konzentration auf das Kerngeschäft ist eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erwarten (Fischer und Schumacher, 2004). Des Weiteren trägt eine Verschlankung der Unternehmung zu einer verbesserten strategischen Flexibilität bei. Das Unternehmen kann in neue Absatzmärkte vorstoßen, ohne bereits im Vorfeld enorme Investitionen tätigen zu müssen. Stattdessen beauftragt es einen im Zielgebiet bereits ansässigen Dienstleister mit der Bedienung des entsprechenden Marktes (Mayer und Söbbing, 2004: 13). Unternehmensrestrukturierung Neben der Konzentration auf die Kernkompetenzen kann das Offshoring auch eine strategische Neuausrichtung des Unternehmens unterstützen. Die hiermit angesprochene Unternehmensrestrukturierung kann mithilfe der Auslagerung ungewünschter Bereiche erleichtert werden. Darüber hinaus durchleben Unternehmen von Zeit zu Zeit eine Phase der vollständigen Restrukturierung. Zur Vereinfachung dieses Prozesses kann das Offshoring einen wesentlichen Beitrag leisten. Zudem kann sich die Auslagerung bestimmter Bereiche speziell bei Unternehmensfusionen/-übernahmen als hilfreich erweisen. Beispielsweise entfällt hierdurch die komplexe Zusammenführung unterschiedlicher IT-Abteilungen (Sparrow, 2003: 21). Im Rahmen einer Unternehmensrestrukturierung kann die Diskussion um das Outsourcing auch als Prüfstand herangezogen werden, welche Aktivitäten als Kernkompetenz der Unternehmung einzustufen sind und inwieweit diese ausgelagert werden können (Bräutigam, 2004: 150). Insbesondere bei einer Neuausrichtung des Unternehmens aufgrund veränderter Marktbedingungen sollte die Verlagerung bestimmter Tätigkeiten in das Ausland als ernstzunehmende Alternative betrachtet werden. Solche Überlegungen führen in vielen Fällen zu einer kritischen Analyse quantitativer und qualitativer Aspekte der internen Leistungserbringung (Aalders, 2001: 224). Schritthalten mit den neuesten technologischen Entwicklungen In Bezug auf strategische Aspekte kann das Offshoring zum Schritthalten mit den neuesten technologischen Entwicklungen beitragen. Diese Option
3.1 Chancen
47
wurde bereits durch eine Vielzahl von Unternehmen bei der Erweiterung der herkömmlichen Geschäftstätigkeiten um E-Business-Aktivitäten wahrgenommen. Auf diese Weise gelang den Auftraggebern eine schnelle Einführung entsprechender Systeme, ohne dabei Gefahr zu laufen, den Anschluss an ihre Wettbewerber zu verlieren (Sparrow, 2003: 20-21; Dubey, 2003: 28). Des Weiteren kann sich das Offshoring als hilfreich bei der Einführung neuer Applikationen (z. B. ERP-Systeme) erweisen. Aufgrund der umfangreichen Systemanforderungen stellt der Fremdbezug entsprechender Applikationen in vielen Fällen die kostengünstigere Alternative dar (Sparrow, 2003: 20-21). Den Kosten- und Kompetenzvorteil auf Seiten des Dienstleisters kann der Offshoring-Kunde zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen gegenüber seinen Konkurrenten nutzen (Aalders, 2001: 223). Risikotransfer Der beim IT-Offshoring vollzogene Risikotransfer auf den ServiceProvider stellt eine weitere strategische Chance für das auslagernde Unternehmen dar. Nach Bräutigam (2004: 150) kann der Auftraggeber im Einzelnen die folgenden Risikoklassen auf den Auftragnehmer übertragen: x
x
x
Lieferrisiko Im Hinblick auf das Lieferrisiko erweist es sich als vorteilhaft, dass für die entsprechenden Tätigkeiten nicht mehr eine interne Abteilung zuständig ist, sondern der ausgewählte Service-Provider. Dieser kann bei Nicht- bzw. Schlechterfüllung zur Rechenschaft gezogen werden. Kostenrisiko Bezüglich des Kostenrisikos muss der Auftraggeber nur für die vertraglich vereinbarte Summe aufkommen. Aus diesem Grund lassen sich die auf Kundenseite zukünftig anfallenden IT-Kosten in der Regel wesentlich leichter kalkulieren (siehe Abschnitt 3.1.1). Allerdings kann sich die Zusammenarbeit mit dem ausländischen Partner problematischer als erwartet gestalten. Die hierbei entstehenden Zusatzkosten zeigen, dass das Kostenrisiko nicht vollständig auf den Dienstleister übertragen werden kann. Qualitätsrisiko In Bezug auf das Qualitätsrisiko gilt grundsätzlich Ähnliches wie für den Transfer des Lieferrisikos. Bei Nicht- bzw. Schlechterfül-
48
3 Chancen und Risiken
lung drohen dem Auftragnehmer Konsequenzen seitens des beauftragenden Unternehmens (z. B. Vertragsstrafe, Vertragsauflösung). Reduzierung der Time-to-Market Vor allem bei der Entwicklung von Softwareprodukten erhofft sich der Offshoring-Kunde durch die Unterstützung von ausländischen Programmierern eine Verringerung der Zeit zur Marktreife eines Produkts, der so genannten Time-to-Market (Fischer und Schumacher, 2004). In Abhängigkeit von den gewählten Projektpartnern ermöglichen es die existierenden Zeitunterschiede zwischen den einzelnen Standorten, dass inländische und ausländische Programmierer täglich bis zu 18 Stunden an dem Entwicklungsprojekt arbeiten können. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer so genannten „Follow the Sun“-Entwicklung (Thondavadi und Albert, 2004: 18). Diese kann speziell in Verbindung mit schnelllebigen Softwareprodukten (z. B. Software für Handys) einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz darstellen (Rack, 2001).
3.2
Risiken
Nach der Betrachtung der Chancen des IT-Offshorings werden im Folgenden potenzielle Risiken aufgezeigt, die mit der Auslagerung von ITDienstleistungen an einen Offshore-Anbieter verbunden sein können. Analog zu den Chancen trifft eine Reihe der betrachteten Risiken ebenfalls auf Outsourcing-Projekte mit inländischen Partnern zu. Generell kann im Hinblick auf die Risiken zwischen den folgenden Risikoklassen unterschieden werden: x
x
x
Risiken bezogen auf den Auftraggeber Risiken, die innerhalb des auslagernden Unternehmens auftreten können. Risiken bezogen auf die Kooperation Risiken, die die Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern negativ beeinflussen können. Risiken bezogen auf den Auftragnehmer Risiken, die in Zusammenhang mit dem ausländischen ServiceProvider eintreten können.
Für jede Risikoklasse werden in den sich anschließenden Abschnitten konkrete Risiken genauer betrachtet.
3.2 Risiken
49
Die Umfrage zum Thema Service-Offshoring des Beratungshauses Roland Berger und der UNCTAD hat die befragten Unternehmensvertreter auch nach ihren Hauptsorgen beim Offshoring gefragt. Die wichtigsten sind in Abbildung 10 aufgeführt. Rückgang der Servicequalität
51
Mangelnde Kontrollmöglichkeit
49
Verlust firmeninterner Kenntnisse
42
39
Verlust von Flexibilität Negative Öffentlichkeitswirkung
29
Verlust von Vertraulichkeit
27
Fehlende Kostenkontrolle
19 0
20
Prozent
40
60
Quelle: Schaaf (2004; erstmals Eichelmann et al., 2004)
Abbildung 10: Top 7 der Offshoring-Risiken
Praxiserfahrung: Ein Hauptrisiko für einen Offshore-Kunden sieht NIIT Technologies in der Erstellung einer unzureichenden Projektspezifikation. Da beispielsweise für Offshore-Softwareentwicklungsprojekte vielfach ein Festpreis vereinbart wird, können sich nachträgliche Änderungen als ein wesentlicher Kostentreiber auf Kundenseite erweisen. Erschwerend kommt an dieser Stelle hinzu, dass insbesondere indische Entwickler – aufgrund des ausgeprägten Hierarchiedenkens in Indien – die durch den Kunden übergebene Spezifikation in der Regel nicht kritisch hinterfragen, sondern zumeist genau nach dieser die Software entwickeln.
50
3 Chancen und Risiken
3.2.1
Risiken bezogen auf den Auftraggeber
Bezogen auf den Auftraggeber sind im Wesentlichen die folgenden Risiken zu nennen: x x x x x x x
Auswahl ungeeigneter Tätigkeiten Auswahl eines ungeeigneten Projektpartners Abhängigkeit Wissens- und Innovationsverlust Know-how-Transfer Verschlechterung des Betriebsklimas Rückabwicklung
Diese Risiken werden im Folgenden detaillierter dargestellt. Auswahl ungeeigneter Tätigkeiten Ein wesentliches Risiko besteht bereits im Vorfeld einer OffshoringInitiative in der Auswahl ungeeigneter Aktivitäten bzw. Prozesse durch den zukünftigen Kunden. Bei der Bestimmung der auszulagernden Aktivitäten gilt es eine Reihe von Anforderungen zu beachten. Insbesondere die Fremdvergabe von strategisch bedeutsamen Services, Applikationen oder Geschäftsprozessen sollte nach Sparrow (2003: 28) vermieden werden. Hinzu kommt, dass bereits vor der Identifikation der Auslagerungskandidaten überprüft werden sollte, ob sich das Unternehmen selbst für die Durchführung eines Offshoring-Projekts eignet. Auswahl eines ungeeigneten Projektpartners Neben Risiken bei der Identifikation der auszulagernden Bereiche besteht eine Reihe von Risikofaktoren in Bezug auf die Auswahl eines ungeeigneten Projektpartners. Eine Fehlentscheidung im Rahmen der Providerauswahl kann zur Gefährdung des gesamten Projekterfolgs führen. Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Entscheidung für einen Service-Provider noch nicht absehbar ist, wie sich dieser in Zukunft entwickeln wird. Im Projektverlauf können bisher nicht identifizierte Schwächen des Dienstleisters zum Vorschein kommen, die eine Kooperation zusätzlich verkomplizieren. Insbesondere Schwächen im Projektmanagement und das Fehlen einer angemessen Infrastruktur auf Anbieterseite sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben (Mayer und Söbbing, 2004: 94).
3.2 Risiken
51
Abhängigkeit Aufgrund der enormen Anfangsinvestitionen in die Offshoring-Partnerschaft (z. B. für die Schulung der ausländischen Mitarbeiter) strebt der Kunde zumeist eine langfristige Kooperation mit dem Offshore-Dienstleister an (Bräutigam, 2004: 148; Sparrow, 2003: 29). Dies bringt zwangsläufig eine gewisse Abhängigkeit vom Dienstleister mit sich. Zur Reduktion der Abhängigkeit empfiehlt Overby (2003a) zumindest einige ITSpezialisten im Unternehmen weiter zu beschäftigen. Diese können im Vorfeld des Offshoring-Projekts unter anderem bei der Identifikation geeigneter Aktivitäten und Prozesse, der Providerauswahl, der Festlegung der Service Levels sowie in der Betriebsphase bei der Leistungsmessung behilflich sein. Besonders kritisch für den Auftraggeber erweist sich eine Abhängigkeit bei einer drohenden Insolvenz des Auftragnehmers. In einem solchen Fall ist es für das Unternehmen am einfachsten, wenn ein Wettbewerber den insolventen Dienstleister übernimmt und den bestehenden Vertrag fortführt. Ist dies nicht der Fall, bleibt dem Kunden nichts anderes übrig, als die ausgelagerten Aktivitäten an einen anderen Anbieter zu übergeben oder diese wieder in das Unternehmen zu integrieren (Bräutigam, 2004: 148149; Sparrow, 2003: 30). Ähnliches gilt, wenn das externe Dienstleistungsunternehmen aufgrund lukrativerer Verträge mit anderen Geschäftspartnern das Interesse an dem Kunden verliert und die Leistungserbringung auf ein Minimum begrenzt (Sparrow, 2003: 30). In diesem Fall bleibt dem Auftraggeber in der Regel auch keine andere Wahl, als die ausgelagerten Aktivitäten an einen neuen Partner zu vergeben oder diese wieder durch die unternehmenseigene ITAbteilung abwickeln zu lassen. Wissens- und Innovationsverlust Der beim Offshoring in der Regel stattfindende Abbau von IT-Personal geht mit einem Verlust an internem IT-Know-how einher. Hier muss der potenzielle Auftraggeber in Abhängigkeit von den individuellen Unternehmenscharakteristika entscheiden, ob sich der Verlust von Fachwissen durch die zu erwartenden finanziellen, qualitativen und strategischen Vorteile rechtfertigen lässt (Bräutigam, 2004: 152). Dabei ist zu beachten, dass der Verlust interner IT-Spezialisten nicht problemlos wieder rückgängig gemacht werden kann.
52
3 Chancen und Risiken
Mittel- und langfristig beeinflusst der Verlust an internem Wissen auch die Verhandlungsposition des auslagernden Unternehmens bei zukünftigen Verhandlungen mit IT-Dienstleistern. Zudem erweist sich der Verlust an internem IT-Know-how problematisch bei der Leistungsmessung des beauftragten IT-Service-Providers. Der Auftraggeber wird hierdurch anfällig für eine schlechte Leistungserbringung durch den Auftragnehmer sowie inflationäre Preisvorgaben (Sparrow, 2003: 32). Know-how-Transfer Beim Offshoring ist die Anzahl der Mitarbeiter, die von der Kundenseite auf die Anbieterseite wechseln – aufgrund der Entfernung zwischen den Vertragspartnern – relativ gering. Diejenigen Mitarbeiter des Auftraggebers, die nicht durch den Dienstleister übernommen werden, wechseln zwangsläufig zu anderen Unternehmen, im Extremfall zu direkten Konkurrenten ihres ursprünglichen Arbeitgebers. Der hierdurch mögliche Knowhow-Transfer lässt sich allerdings nur schwer vermeiden. Hinzu kommt, dass der ausländische Dienstleister zumeist eine Vielzahl von Unternehmen mit IT-Leistungen versorgt. Demnach stellt sich durch die vor Kooperationsbeginn notwendige Schulung der ausländischen Mitarbeiter die Problematik des direkten Wissenstransfers an den Wettbewerb. Dieser kann durch das Festhalten datenschutzrechtlicher Verpflichtungen im Vertragswerk zumindest teilweise verhindert werden (Bräutigam, 2004: 153). Verschlechterung des Betriebsklimas Die Fremdvergabe von Unternehmenstätigkeiten an einen ausländischen Provider führt in vielen Fällen zu einer Verschlechterung des internen Betriebsklimas. Das Offshoring stellt insbesondere in Deutschland noch alles andere als eine populäre Maßnahme dar (Bräutigam, 2004: 153-154). Dies verdeutlicht die heftige öffentliche Kritik an der Siemens AG, nachdem diese bekannt gegeben hatte, mehrere Tausend Arbeitsplätze in das Ausland verlagern zu wollen. Innerhalb der internen IT-Abteilung kann die Fremdvergabe von ITLeistungen zudem zu einer Demotivierung der dort beschäftigten Mitarbeiter führen. Diese fürchten zum einen den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Zum anderen sehen sie darin häufig den Beweis, dass die Unternehmensführung
3.2 Risiken
53
der internen IT-Abteilung bestimmte Aufgaben nicht zutraut und deswegen an einen externen Dienstleister vergibt (Sparrow, 2003: 31). Rückabwicklung Eine Entscheidung für eine Offshoring-Initiative kann nicht problemlos wieder rückgängig gemacht werden. Vielmehr ist die Rückabwicklung ein langwieriger und kostenintensiver Prozess, der mit einem erheblichen Aufwand für den bisherigen Kunden verbunden ist (Sparrow, 2003: 29). Speziell der Rückkauf ursprünglich freigesetzter Ressourcen verursacht Zusatzinvestitionen in beträchtlicher Höhe (Söbbing, 2002: 24). Entwickelt sich das Verlagerungsprojekt nicht wie erwartet, bleibt dem Unternehmen langfristig nichts anderes übrig, als entweder den Dienstleister zu wechseln oder die bisher ausgelagerten Services wieder intern erbringen zu lassen. Hierbei ist zu beachten, dass die Realisierbarkeit dieser beiden Optionen wesentlich davon abhängt, inwieweit geeignete Alternativanbieter bzw. ausreichend qualifiziertes Personal zum Zeitpunkt der Rückabwicklung am Markt verfügbar ist (Bräutigam, 2004: 149).
3.2.2
Risiken bezogen auf die Kooperation
Bezüglich der Zusammenarbeit mit dem Offshore-Provider können sich insbesondere die folgenden Aspekte als Risikofaktoren erweisen: x x x
Kulturelle Unterschiede Mangelhafte Kommunikation Unzureichende Sicherheit
Diese Faktoren werden im Folgenden genauer betrachtet. Kulturelle Unterschiede Im Hinblick auf die Kooperation mit dem Offshore-Partner sind in erster Linie die kulturellen Unterschiede zwischen den am Projekt beteiligten Mitarbeitern zu nennen. Anhand des Beispiels Indien soll eine Auswahl kultureller Problemfelder im Rahmen des Offshore-IT-Outsourcings aufgezeigt werden. Fallbeispiel Indien: Bei vielen indischen Firmen ist das Selbstverständnis anzutreffen, dass sie für jede Problemstellung eine Lösung bieten können. Diese positive
54
3 Chancen und Risiken
Grundeinstellung der indischen Service-Provider steht im krassen Gegensatz zur deutschen Problemorientierung. Weiterhin herrscht bei indischen Dienstleistern in der Regel eine klar definierte Arbeitsteilung vor. Diese kann bei einem Softwareprojekt, in dem alle Beteiligten sowohl den technischen als auch den fachlichen Hintergrund verstehen sollten, zu erheblichen Problemen führen. Hinzu kommt das ausgeprägte Hierarchiedenken indischer Entwickler. Durch die hierdurch notwendige hierarchische Kommunikation können wertvolle Informationen verloren gehen (NetSkill, 2002). Unter anderem aus diesen Gründen sollte sich das Projektmanagement intensiv mit der Überbrückung bestehender Kulturunterschiede befassen. Ein fehlendes Management der kulturellen Unterschiede kann zu erheblichen Effizienzverlusten in Bezug auf die Projektabwicklung führen (TransCrit, 2004). Mangelhafte Kommunikation Eine mangelhafte Kommunikation innerhalb eines Offshoring-Projekts ist vielfach auf die zuvor erwähnten kulturellen Unterschiede zwischen den Projektbeteiligten zurückzuführen. Obwohl Englisch in den meisten Unternehmen bereits weit verbreitet ist, steigt die Hemmschwelle Fragen zu stellen oder Unklarheiten zu klären deutlich an. Es entsteht eine Art Sprachbarriere, die sich negativ auf die zwischenmenschliche Kommunikation auswirkt. Daraus ergeben sich wiederum Qualitätsprobleme, die durch die Kulturunterschiede noch verstärkt werden (NetSkill, 2002). Die sprachlichen und kulturellen Unterschiede führen zudem nicht selten zu Missverständnissen zwischen den Projektpartnern sowie zu einer mangelhaften Transparenz auf Kundenseite (Mayer und Söbbing, 2004: 94). Erfahrene Unternehmen begegnen dieser Problematik, indem sie multikulturelle, mehrsprachige Projektmanager zur Leitung des Projektteams engagieren (Beeler, 2004). Unzureichende Sicherheit Eine Offshoring-Beziehung ermöglicht dem Service-Provider Zugriff auf eine Vielzahl interner Daten des beauftragenden Unternehmens. Daraus kann sich ein gewisses Sicherheitsrisiko für den Kunden ergeben. Insbesondere der Datenmissbrauch durch den Anbieter oder die unerlaubte Wei-
3.2 Risiken
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tergabe von vertraulichen Informationen an Konkurrenten stellen in diesem Zusammenhang wesentliche Gefahrenpunkte dar. Hinzu kommt, dass sich beim Offshoring der Datenschutz von personenbezogenen Daten als erheblich schwieriger gestaltet als dies bei einer internen Speicherung der Daten der Fall wäre. Aus diesem Grund erfordert beispielsweise die Verlagerung von Kundendaten in das Ausland durch Finanzinstitute eine kritische Prüfung durch den Gesetzgeber (Sparrow, 2003: 32).
3.2.3
Risiken bezogen auf den Auftragnehmer
Beim IT-Offshoring sind im Hinblick auf den Auftragnehmer bzw. das Auftragnehmerland im Wesentlichen die folgenden Risiken zu nennen: x x x
Finanzielle Stabilität Politische Rahmenbedingungen Geographische Risiken
Diese Risken werden im Folgenden kurz erläutert. Finanzielle Stabilität Ein bedeutender Risikofaktor bei der Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Service-Provider stellt die finanzielle Stabilität dieses Providers dar (Fischer und Schumacher, 2004). Insbesondere die räumliche Entfernung zwischen den Kooperationspartnern und die Unterschiede in den rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. unterschiedliche Grundsätze der Rechnungslegung etc.) erschweren die Beurteilung des ausländischen Dienstleisters. Folglich gehen die meisten Unternehmen ausschließlich mit bereits etablierten Offshore-Anbietern eine Zusammenarbeit ein oder vertrauen bei der Anbieterauswahl auf Beratungshäuser, die sich auf die Betreuung von Offshore-Projekten spezialisiert haben. Politische Rahmenbedingungen Einen weiteren Unsicherheitsfaktor bezüglich des ausländischen Projektpartners stellen die im Zielland vorherrschenden politischen Rahmenbedingungen dar (Fischer und Schumacher, 2004). Insbesondere die Verlagerung von Aktivitäten in Krisengebiete sollte gut überlegt sein. Zur Vollständigkeit sind an dieser Stelle auch politische Risiken in Bezug auf das Heimatland des Auftraggebers zu nennen (Furniss und Janssen,
56
3 Chancen und Risiken
2004). Beispielsweise werden in einigen Bundesstaaten der USA bereits Stimmen laut, die aufgrund der negativen Auswirkungen des Offshorings auf die heimische IT-Industrie Schutzmaßnahmen durch den Gesetzgeber fordern (Steppan, 2004; Buchta et al., 2004; Thondavadi und Albert, 2004: 27-29). Ob die Erlassung entsprechender Gesetze im Zuge der nicht aufzuhaltenden Globalisierung sinnvoll ist, sei an dieser Stelle allerdings in Frage gestellt. Geographische Risiken Neben politischen und rechtlichen Risikofaktoren bestehen auch geographische Risiken. Länder bzw. Regionen, die regelmäßig von Naturkatastrophen (z. B. Erdbeben) erschüttert werden, sollten ausschließlich unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen als Offshoring-Standorte gewählt werden. Zur Absicherung können beispielsweise Versicherungen abgeschlossen werden, die bei möglichen Zwischenfällen für den entstandenen Schaden aufkommen (The Inquirer, 2004). Der Nutzen einer solchen Rückversicherung ist jedoch in Abhängigkeit des konkreten Projekts kritisch zu prüfen.
Zusammenfassung: Die Chancen lassen sich in finanzielle (z. B. Reduzierung der IT-Kosten, Fixkostenumwandlung), qualitative (z. B. garantierte Service Levels, Zugang zu technischem Know-how) und strategische Chancen (z. B. Konzentration auf Kernkompetenzen, Reduzierung der Time-to-Market) klassifizieren. Bezüglich der Risiken kann zwischen Risiken in Zusammenhang mit dem Auftraggeber (z. B. Abhängigkeit, Verschlechterung des Betriebsklimas), der Kooperation (z. B. kulturelle Unterschiede, unzureichende Sicherheit) und dem Auftragnehmer (z. B. finanzielle Stabilität, politische Rahmenbedingungen) unterschieden werden.
4
Total Cost of Offshoring
Die Summe der durch eine Offshoring-Entscheidung anfallenden Kosten wird als „Total Cost of Offshoring“ bezeichnet (Herrmann, 2004). Diese setzen sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Kostenbausteine zusammen. Im Wesentlichen können diesbezüglich die in Tabelle 5 dargestellten Kostenkategorien und -bausteine differenziert werden. Praxiserfahrung: Nach Aussagen von NIIT Technologies stellen die Personalkosten (inklusive Projektmanagement, Projektadministration und Qualitätssicherung) mit einem Anteil von ca. 90 % auch in einem Offshore-Entwicklungsprojekt den mit Abstand größten Kostenblock dar. Hingegen liegen die Reise- und Kommunikationskosten üblicherweise nur bei 5 bzw. 2 % der Gesamtkosten eines solchen Projekts und können daher als untergeordnete Kostenfaktoren angesehen werden. Ein weiterer untergeordneter Kostenblock, der aber auf keinen Fall vernachlässigt werden sollte, ist in den Übersetzungskosten zu sehen. Diese können bis zu 2 % der Projektkosten ausmachen. Zur Vorbereitung des Offshore-Projekts (z. B. Projektausschreibung, Providerauswahl) können zudem auf Kundenseite weitere Kosten für den Einbezug externer Berater entstehen. Hiervon abgesehen, gestaltet sich aber die Vorbereitungsphase als lediglich unwesentlich aufwändiger als die Vorbereitung eines nationalen Outsourcing-Projekts. Eine Reihe deutscher Großunternehmen ist zum Teil sogar schon dazu übergegangen, die Projektausschreibung in Deutsch zu belassen. Die Total Cost of Offshoring können im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsanalyse eines Offshore-Projekts den TCO der entsprechenden Aktivitäten bzw. Prozesse gegenübergestellt werden. Anhand des Kostenvergleichs kann der potenzielle Auftraggeber den zu erwartenden Kostenvorteil einer Auslandsverlagerung einschätzen. Dieser bewegt sich der IT-Beratung TransCrit (2004) zufolge um die 30 %. Dies stellt allerdings eine relativ grobe Schätzung dar, da der tatsächlich durch das Projekt realisierte Kostenvorteil von einer Vielzahl von Einflussfaktoren abhängt. In diesem Zusammenhang sind nach Bräutigam (2004: 132) neben internen Faktoren
58
4 Total Cost of Offshoring
(z. B. sich verändernde Anforderungen) auch externe Einflüsse (z. B. technischer Fortschritt) zu beachten. Tabelle 5: Kostenkategorien und -bausteine eines Offshore-Projekts Kostenkategorie (Level 1)
Kostenkategorie (Level 2)
Kostenbaustein Wissenstransfer Interne Prozessanpassung Projektspezifikation
Koordinationskosten
Providerauswahl Vertrag
Einmalige Kosten
Transition Mitarbeiterfreisetzung Kommunikationsinfrastruktur Infrastrukturkosten
Hardware-/Softwareinfrastruktur Physische Infrastruktur
Arbeitskosten
Service-Provider Beratungsunternehmen Leistungsmessung
Wiederkehrende Kosten Betriebskosten
Relationship Management Kommunikation Reise und Verpflegung
4.1 Einmalige Kosten
4.1
59
Einmalige Kosten
Als einmalige Kosten eines Offshore-Projekts werden diejenigen Kostenbausteine bezeichnet, die bereits im Vorfeld einer Offshoring-Initiative zur Vorbereitung des auslagernden Unternehmens auf die spezifischen Anforderungen eines solchen Projektvorhabens anfallen (Thondavadi und Albert, 2004: 24-25). Im Wesentlichen kann hierbei zwischen Koordinationsund Infrastrukturkosten unterschieden werden.
4.1.1
Koordinationskosten
Die Koordinationskosten im Projektvorfeld lassen sich grob in die folgenden Kostenbausteine unterteilen: x x x x x x x
Kosten für den Wissenstransfer Kosten für die Anpassung der internen Prozesse Kosten für die Projektspezifikation Kosten für die Providerauswahl Vertragskosten Transitionskosten Kosten für die Freisetzung von Mitarbeitern
Hinzu kommen so genannte „Hidden Costs“, die sich durch die aufwändigere Koordination eines Offshore-Projekts innerhalb der oben aufgelisteten Kostenblöcke ergeben können. Kosten für den Wissenstransfer Den höchsten Koordinationsaufwand im Rahmen eines Offshoring-Projekts beansprucht in der Regel der Know-how-Transfer zu Projektbeginn. Hierbei sind umfangreiche Trainings- und Schulungsmaßnahmen erforderlich, um die externen Mitarbeiter mit dem notwendigen Fachwissen auszustatten (TransCrit, 2004). Analog zum Wissenstransfer zu Beginn des Offshore-Projekts gestaltet sich in vielen Fällen auch der Rücktransfer des sich während des Projektverlaufs beim Service-Provider angesammelten Wissens als relativ komplex. Um einen effizienten Wissenstransfer sicherzustellen, sollten entsprechende Koordinatoren eingesetzt werden, die mit beiden Arbeitskulturen vertraut sind. Diese arbeiten offshore, um das notwendige Know-how an die Mitarbeiter des Auftragnehmers zu vermitteln, kulturelle Unterschiede zu
60
4 Total Cost of Offshoring
überbrücken und regelmäßige Statusberichte abzuliefern (TransCrit, 2004). Der Einsatz solcher Mitarbeiter ist allerdings mit erheblichen Kosten für das auslagernde Unternehmen verbunden (Mayer und Söbbing, 2004: 92). Kosten für die Anpassung der internen Prozesse Eine Vielzahl der ausländischen Service-Provider ist nach hochwertigen Qualitätsstandards wie SEI-CMM Level 4 oder 5 zertifiziert. Möchte ein Unternehmen mit einem solchen IT-Dienstleister zusammenarbeiten, sollte es bereits im Vorfeld einer Kooperation die unternehmensinternen Prozesse an die standardisierten Abläufe des Offshore-Anbieters angleichen. Hierin kann eine Grundvoraussetzung für den Erfolg eines OffshoreProjekts gesehen werden. Verzichtet der Kunde auf eine Anpassung der internen Geschäftsabläufe, muss die daraus resultierende Schnittstellenproblematik in der Regel durch einen erhöhten Personaleinsatz kompensiert werden. Dies führt wiederum zu erheblichen Zusatzkosten und wirkt sich negativ auf den zu erwartenden Kostenvorteil einer Offshore-Lösung aus (Overby, 2003a). Kosten für die Projektspezifikation Der höhere Zeit- und Personalaufwand, der zur Erstellung einer detaillierten und klar verständlichen Spezifikation eines Offshore-Projekts erforderlich ist, führt ebenfalls zu erheblichen Mehrkosten in Bezug auf die Projektkoordination (Overby, 2003a). Bei der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Provider ist es in der Regel nicht ausreichend, diesem einen groben Überblick über die zu erbringenden Leistungen zu geben. Vielmehr sollte jedes Leistungsdetail in schriftlicher Form festgehalten und ausführlich erläutert werden. Diese Form der Projektspezifikation nimmt deutlich mehr Zeit und Ressourcen in Anspruch als die Spezifikation bei einer internen Leistungserbringung bzw. bei einer Fremdvergabe an einen nationalen IT-Dienstleister (The Inquirer, 2004). Kosten für die Providerauswahl Im Hinblick auf die Abwicklung eines Offshore-Projekts erweist sich die Auswahl eines ausländischen Service-Providers als relativ schwierig und damit kostenintensiv. Hierbei entstehen unter anderem beträchtliche Aufwendungen für die Dokumentation der Anforderungen, die Ausschreibung des Projekts sowie die Auswertung der Angebote der potenziellen Kooperationspartner. Nicht selten ist ein komplettes Projektteam, bestehend aus
4.1 Einmalige Kosten
61
Mitarbeitern der IT- und Fachabteilungen, in den Auswahlprozess involviert. Zur Unterstützung des internen Auswahlteams greifen einige Unternehmen zudem auf Beratungsunternehmen zurück, die bei der Vermittlung von externen Service-Providern behilflich sein können (Overby, 2003a). Vertragskosten Nachdem sich das Unternehmen auf einen IT-Dienstleister festgelegt hat, gilt es, mit diesem einen Offshoring-Vertrag auszuhandeln. In Bezug auf die Verhandlungsgespräche ist es empfehlenswert, die interne Rechtsabteilung oder alternativ externe Rechtsberater einzubinden (The Inquirer, 2004). Durch den Einbezug externer Kompetenz und den umfangreichen Verhandlungsprozess ergeben sich weitere Zusatzkosten für einen Offshoring-Kunden, die bei einem nationalen Outsourcing-Projekt nicht in diesem Ausmaß anfallen würden. Transitionskosten Die Transitionsphase stellt vielleicht die aufwändigste Phase eines Offshoring-Projekts dar. Nicht selten dauert es bis zu sieben Monate, bis die benötigten Assets an den ausländischen Anbieter übertragen worden sind (neoIT, 2004). Arbeitet das auslagernde Unternehmen das erste Mal mit einem Service-Provider zusammen, kann sich die Transitionsdauer sogar noch verlängern (Overby, 2003a). Bei einer Vielzahl von Offshore-Projekten sind im Rahmen der Transitionsphase Unternehmensmitarbeiter beim ausländischen Anbieter tätig oder umgekehrt. Der Austausch von Mitarbeitern kann sich in Abhängigkeit von der Komplexität des Projekts über eine Zeitspanne von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten erstrecken (The Inquirer, 2004). In Einzelfällen kann es auch vorkommen, dass Mitarbeiter vollständig durch den Geschäftspartner übernommen werden. Kosten für die Freisetzung von Mitarbeitern Es ist weitgehend bekannt, dass ein Outsourcing-Projekt auch mit einer Freisetzung von Mitarbeitern verbunden sein kann. Diese kann in Abhängigkeit von dem konkreten Verlagerungsprojekt einen erheblichen Kostenfaktor darstellen. Erschwerend kommt beim Offshoring hinzu, dass eine Übernahme von Mitarbeitern durch den Auftragnehmer nicht so einfach durchführbar ist wie bei einer Verlagerung innerhalb der nationalen Grenzen. Aus diesem Grund muss das auslagernde Unternehmen zum Teil er-
62
4 Total Cost of Offshoring
hebliche Abfindungen an die freigesetzten Mitarbeiter zahlen (Overby, 2003a). „Hidden Costs“ Wie bereits angedeutet, birgt die Koordination eines Offshoring-Projekts im Vergleich mit der eines nationalen Outsourcing-Projekts eine Reihe von „versteckten“ Kosten. Die relativen Kostenunterschiede werden in Abbildung 11 illustriert. + 3 bis 5 % + 13 bis 38 %
Kosten für die Freisetzung von Mitarbeitern + 2 bis 3 %
Kosten für die Freisetzung von Mitarbeitern
Transitionskosten + 6 bis 10 %
Koordinationskosten
Vertragskosten
Kosten für die Providerauswahl
Vertragskosten + 1 bis 10 % Kosten für die Providerauswahl + 1 bis 10 %
Kosten für die Anpassung der internen Prozesse
Kosten für die Anpassung der internen Prozesse
Nationales IT-Outsourcing
IT-Offshoring/ -Nearshoring
Koordinationskosten
Transitionskosten
Quelle: Overby (2004a)
Abbildung 11: Zusätzliche Koordinationskosten bei IT-Offshoring-Projekten
Im Vergleich zu einem klassischen IT-Outsourcing-Projekt können nach Overby (2003a) bei einem IT-Offshoring-Projekt zusätzliche Koordinationskosten von insgesamt bis zu 40 % anfallen.
4.1.2
Infrastrukturkosten
Die Infrastrukturkosten lassen sich im Wesentlichen in Kosten für die Kommunikations-, die Hardware- und Software- sowie die physische Infrastruktur untergliedern.
4.1 Einmalige Kosten
63
Kosten für die Kommunikationsinfrastruktur Als Grundvoraussetzung für eine effiziente Kommunikation zwischen den Offshoring-Partnern ist eine angemessene Vernetzung der verteilten Projektstandorte anzusehen (Bräutigam, 2004: 137). Hierzu kann der Auftraggeber entweder die Installation eines Netzwerks bei einem Telekommunikationsanbieter beauftragen oder auf bereits bestehende Sprach- und Datennetze gegen Zahlung einer Mietgebühr zurückgreifen. Aufgrund des rasanten technologischen Fortschritts innerhalb der Telekommunikationsbranche in den letzten Jahren besteht zudem noch eine dritte Option: Die Nutzung öffentlicher Netze. In diesem Zusammenhang wird lediglich eine ausreichende Bandbreite zum lokalen Internet-Provider benötigt (TransCrit, 2004). Als Hemmfaktor ist diesbezüglich allerdings die damit verbundene Sicherheitsproblematik hervorzuheben. Erfahrungen der Beratungsgesellschaft neoIT (2004) zufolge kann eine Standleitung mit 2 MBPS bis zu 80 simultane Sprach- und Datenkanäle unterstützen. Für jede Leitung entstehen erfahrungsgemäß Kosten in Höhe von 5.000 bis 7.000 Euro. Aus Sicherheitsgründen verfügen viele Unternehmen zudem über redundante Kommunikationsleitungen, was zu einer Verdoppelung der Investitionssumme führt. Kosten für die Hardware-/Softwareinfrastruktur Die Durchführung eines Offshoring-Projekts stellt in der Regel hohe Anforderungen an die beim Auftraggeber vorherrschende Hardware- und Softwarelandschaft. In diesem Zusammenhang kann besonders die Abstimmung der an den unterschiedlichen Standorten eingesetzten Hardwareund Softwarekomponenten sowie der Einkauf zusätzlicher Komponenten zu einem merklichen Anstieg der Infrastrukturkosten führen (The Inquirer, 2004). Kosten für die physische Infrastruktur Die Höhe der Gebäudekosten hängt stark von dem gewünschten OffshoreZielland sowie der innerhalb dieses Landes ausgewählten Region ab. Während die Kosten in vielen Zielländern noch relativ niedrig liegen, ist in Indien bereits ein merklicher Kostenanstieg für den Kauf bzw. die Miete erstklassiger Gebäude in den Technologieparks der dortigen OffshoreZentren (Dehli, Bangalore, Mumbai etc.) zu beobachten. Dies begründet die Unternehmensberatung neoIT (2004) vor allem mit der Vielzahl an
64
4 Total Cost of Offshoring
nationalen und internationalen Unternehmen, die in diese Regionen drängen. Es ist darauf hinzuweisen, dass Gebäudekosten selbstverständlich nur beim Aufbau bzw. der Akquisition einer IT-Tochter im Ausland und zum Teil bei der Gründung eines Joint Venture anfallen (neoIT, 2004). Eine Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Service-Provider hingegen erfordert keine Investitionen in die physische Infrastruktur auf Providerseite.
4.2
Wiederkehrende Kosten
Bei den wiederkehrenden Kosten handelt es sich um Kostenblöcke, die während des Projektverlaufs in regelmäßigen Abständen immer wieder anfallen (Thondavadi und Albert, 2004: 23-24). Hierzu gehören im Wesentlichen die Arbeits- und Betriebskosten eines Offshore-Projekts.
4.2.1
Arbeitskosten
Mit Arbeitskosten wird im Folgenden der Preis bezeichnet, den der Offshoring-Kunde für die Inanspruchnahme externer Leistungen bezahlen muss. Als externe Leistungen werden hierbei sowohl die Leistungen eines ausländischen Service-Providers als auch die Beratungsleistungen einer externen Consulting-Firma bezeichnet. Kosten für den bzw. die Service-Provider Im Hinblick auf die Entlohnung des bzw. der Offshore-Anbieter erwarten die Kunden signifikante Einsparungen im Vergleich zu einer Projektvergabe innerhalb der Landesgrenzen. Hierbei ist nach Böhm (2004b) davon auszugehen, dass die Arbeitskosten im Inland um Faktor 2,4 bis 2,7 höher liegen als in einem Offshore-Land (siehe Abbildung 12). Dies rechtfertigt für viele Unternehmensvertreter die Inkaufnahme des zusätzlichen Managementaufwands sowie des erhöhten Risikos einer Auslandsverlagerung. Insbesondere in Mitteleuropa, wo Outsourcing-Vorhaben nach wie vor eher kritisch betrachtet werden, ist die Erwartungshaltung gegenüber dem IT-Offshoring extrem hoch. Dort werden Offshore-Projekte, die nicht mindestens Kosteneinsparungen von 15 % oder mehr versprechen, in der Regel gar nicht erst in Auftrag gegeben. Im Gegensatz hierzu stellt das Offshoring in angloamerikanischen Ländern bereits eine verbreitete Geschäftspraxis dar. In diesen Ländern werden entsprechende Projekte schon
4.2 Wiederkehrende Kosten
65
bei deutlich geringeren Einsparungspotenzialen angegangen (Bräutigam, 2004: 136). Funktion
OffshoreTagessatz
Programmmanager
350 USD
Projektmanager
280 USD
Technical/Business Analyst
280 USD
Analyst/Teamleader
230 USD
Programmierer
190 USD
Übersetzer
80 USD
OnsiteFaktor
OnshoreFaktor
x 2.4
x 2.7
Quelle: Böhm (2004)
Abbildung 12: Offshore-, Onsite- und Onshore-Arbeitskosten
Kosten für Beratungsleistungen In Zusammenhang mit dem IT-Offshoring greift eine Vielzahl der auslagernden Unternehmen auf externe Beratungskompetenz zurück. Insbesondere der Einbezug von Rechtsberatern im Rahmen der Vertragsgestaltung sowie die Zuhilfenahme von Unternehmensberatern zur Planung des Offshore-Projekts, Auswahl des/der Offshore-Partner und Unterstützung der Betriebs- bzw. Entwicklungsphase kann in vielen Fällen beobachtet werden (neoIT, 2004).
4.2.2
Betriebskosten
Die Betriebskosten lassen sich im Wesentlichen in die folgenden Kostenblöcke unterteilen: x x x x
Kosten für die Leistungsmessung Kosten für das Relationship Management Kommunikationskosten Reise- und Verpflegungskosten
Aufgrund der kulturellen und sprachlichen Unterschiede zwischen den Projektmitarbeitern können allen voran die beiden letzteren Kostenblöcke erhebliche Zusatzkosten verursachen.
66
4 Total Cost of Offshoring
Kosten für die Leistungsmessung Zur Betreuung des unterzeichneten Offshoring-Vertrags stellt der Auftraggeber vielfach eine Reihe von Personalressourcen ab. Diese sind in erster Linie dafür zuständig, dass der Auftragnehmer die vertraglich vereinbarten Leistungen erbringt und diese auch korrekt abrechnet. Erschwerend erweist sich bei der Leistungskontrolle eines Offshore-Anbieters die zumeist große Entfernung zwischen den Vertragspartnern. Kosten für das Relationship Management Während der operativen Umsetzung eines Offshore-Projekts gilt es, die Beziehung zum ausländischen Service-Provider zu pflegen. Nach Overby (2003a) kommt dem Verhältnis zum Provider beim Offshoring eine höhere Bedeutung zu, als dies bei einem gewöhnlichen Outsourcing-Projekt der Fall ist. Der hiermit verbundene Mehraufwand spiegelt sich ebenfalls in einem Kostenzuwachs gegenüber der Zusammenarbeit mit einem inländischen Anbieter wider. Kommunikationskosten Der Umgang mit den kulturellen Unterschieden zwischen den OffshoringPartnern kann erhebliche Zusatzinvestitionen erfordern. Beispielsweise würde ein Programmierer aus einer westlichen Nation unsinnige Entwicklungsvorgaben wahrscheinlich zurückweisen und aktiv auf den Auftragsteller zugehen. Im Gegensatz hierzu kann davon ausgegangen werden, dass sich ein indischer Entwickler exakt an die vorgegebene Softwarespezifikation halten würde, ohne diese zu irgendeinem Zeitpunkt kritisch zu hinterfragen. Resultierend aus dieser Arbeitsmentalität können sich erhebliche Effizienzverluste ergeben. Dies würde auch die laut Statistik um durchschnittlich 20 % sinkende Produktivität innerhalb der Anfangsphase einer Offshore-Kooperation begründen (Overby, 2003a). Unter anderem aus diesem Grund sollte der Offshoring-Kunde bereits frühzeitig versuchen, durch einen erhöhten Kommunikationsaufwand die Leistungserbringung auf Anbieterseite positiv zu beeinflussen. Dieser spiegelt sich aber selbstverständlich in steigenden Kommunikationskosten wider. Bezüglich der Kommunikationskosten kann im Allgemeinen zwischen direkten und indirekten Kosten differenziert werden:
4.2 Wiederkehrende Kosten
x
x
67
Direkte Kommunikationskosten An direkten Kommunikationskosten fallen Entgelte für die Sprach- und Datenkommunikation zwischen den Standorten an (Mayer und Söbbing, 2004: 92). Indirekte Kommunikationskosten Als indirekte Kommunikationskosten können z. B. Lohnzulagen für Mitarbeiter genannt werden, die aufgrund der Zeitverschiebung ungewöhnliche Arbeitszeiten in Kauf nehmen müssen (The Inquirer, 2004).
Reise- und Verpflegungskosten Die Zusammenarbeit mit einem Offshoring-Partner erfordert persönlichen Kontakt zwischen den Projektbeteiligten. Allerdings existiert heutzutage bereits eine Vielzahl von Technologien, wie z. B. Voice-over-IP oder Video-Streaming, die annäherungsweise einen ähnlichen Nutzen wie ein persönliches Treffen stiften können. In bestimmten Situationen ist es jedoch nach wie vor zwingend notwendig, dass Unternehmensvertreter den Offshoring-Partner vor Ort besuchen bzw. Vertreter des Auftragnehmers zum Kunden reisen. Speziell der Wissenstransfer zu Projektbeginn sowie die Schlichtung von Konflikten während des Projektverlaufs erfordern den persönlichen Kontakt zwischen den Partnerunternehmen (The Inquirer, 2004). Langfristig geplante Besuche zur Überprüfung des Projektfortschritts sollten bereits zu Beginn der Kooperation in den Projektplan aufgenommen werden. Auf diese Weise lassen sich zum einen die zu erwartenden Reisekosten einfacher planen, zum anderen können die Zeitpunkte der Besuche als Projektmeilensteine herangezogen werden (TransCrit, 2004). Ist ein persönliches Treffen unverzichtbar, muss der Offshoring-Kunde im Rahmen der Reisekosten neben den Flug- bzw. Fahrtkosten auch für eine angemessene Unterbringung und Versorgung der Mitarbeiter sowie für die Bezahlung der Aufenthaltsgenehmigungen aufkommen (TransCrit, 2004).
Zusammenfassung: Mit einmaligen Kosten werden diejenigen Kostenblöcke bezeichnet, die bereits im Vorfeld einer Offshoring-Initiative zur Vorbereitung des auslagernden Unternehmens auf die spezifischen Anforderungen eines Offsho-
68
4 Total Cost of Offshoring
ring-Projekts anfallen. Hierbei kann zwischen Koordinations- (z. B. Kosten für den Wissenstransfer, die Projektspezifikation etc.) und Infrastrukturkosten (z. B. Kosten für die Kommunikationsinfrastruktur) unterschieden werden. Als wiederkehrende Kosten werden diejenigen Kostenblöcke bezeichnet, die verteilt über die Projektlaufzeit in regelmäßigen Intervallen anfallen. Es können Arbeits- (Kosten für den Service-Provider und für den möglichen Einsatz eines Intermediärs) und Betriebskosten (z. B. Kosten für die Leistungsmessung und das Beziehungsmanagement) differenziert werden.
5
Qualitätsstandards
Der Export von IT-Dienstleistungen entwickelt sich in Ländern wie Indien zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor. Allerdings bezweifelten potenzielle Auftraggeber aus westlichen Industrienationen zunächst, dass die aus Niedriglohnländern importierten Leistungen ihren Qualitätsansprüchen genügen könnten. In Indien versuchte man – mit Erfolg – durch staatliche Programme, die die Qualitätszertifizierung von einheimischen Service-Providern nach ISO 9000 oder CMM (Capability Maturity Model) fördern, das Vertrauen westlicher Unternehmen zu gewinnen. Mittlerweile sind alle der Top-10Provider in Indien CMM Level 5 und bis auf eine Ausnahme ISO 9000 zertifiziert (siehe Abbildung 13). Dem indischen Modell folgte eine Vielzahl weiterer Länder, wie z. B. Russland. Mittlerweile ist die Zertifizierung nach einem der genannten Qualitätsstandards nahezu als Grundvoraussetzung für die Akquisition eines Offshoring-Projekts mit einem westlichen Partnerunternehmen anzusehen (Computerwoche, 2004b).
Firma
Exportvolumen*
Qualitätszertifikate ISO 9000
SEI-CMM
1
Tata Consultancy Services Ltd.
963,0
ISO 9001
Level 5
2
Infosys Technologies Ltd.
750,7
ISO 9001
Level 5
3
Wipro Technologies Ltd.
590,5
ISO 9001
Level 5
4
Satyam Computer Services Ltd.
424,4
ISO 9001
Level 5
5
HCL Technologies Ltd.
324,3
ISO 9001
Level 5
6
Patni Computer Systems Ltd.
193,6
ISO 9001
Level 5
7
Mahindra British Telecom Ltd.
134,5
ISO 9001
Level 5
8
iFlex Solutions Ltd.
125,7
-
Level 5
9
HCL Perot Systems Ltd.
95,1
ISO 9001
Level 5
10
NIIT Ltd.
90,3
ISO 9001
Level 5
* Exportvolumen in Mio. USD
Quelle: NASSCOM (2005)
Abbildung 13: Qualitätszertifikate der indischen „Top 10 Provider“
70
5 Qualitätsstandards
Während die ausländischen Provider zunächst vorwiegend mit einer Qualitätssicherung gemäß dem ISO-Standard warben, stellt heutzutage CMM den wichtigsten Qualitätsstandard im Offshoring-Umfeld dar. Problematisch erweist sich in Verbindung mit dem Qualitätsmanagement, dass in vielen Fällen die ausländischen Auftragnehmer eine wesentlich höhere Prozessqualität vorweisen können als die Auftraggeber (Mayer und Söbbing, 2004: 94). Die bestehenden Differenzen in Bezug auf die Qualität der Geschäftsabläufe können zu Komplikationen hinsichtlich der Zusammenarbeit führen und die erwarteten Kostenvorteile auf Kundenseite mindern. Neben dem ISO 9000- und dem CMM-Standard gewinnt Six Sigma zunehmend an Bedeutung (Kobayashi-Hillary, 2004: 194). Dieser Ansatz zielt darauf ab, die Anzahl der „Defekte“ innerhalb eines Prozesses zu minimieren, unabhängig davon, ob es sich um einen Produktions- oder Dienstleistungsprozess handelt. Übergeordnetes Ziel dieser Methodik ist es, eine kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsabläufe sicherzustellen (Davies, 2004: 48). Die drei genannten Qualitätsstandards (ISO 9000, CMM und Six Sigma) werden im Folgenden näher betrachtet.
5.1
ISO 9000
Die ISO 9000 ist ein international anerkanntes Qualitätsmanagementsystem, das durch die International Standardization Organisation (ISO)8 entwickelt wurde (Thondavadi und Albert, 2004: 13). Es handelt sich hierbei nicht um eine konkrete Norm, sondern vielmehr um eine Sammlung von Normen. Diese setzt sich aus Standards bzw. Regeln bezüglich des Managements, der Technologien und der spezifischen Werkzeuge, wie z. B. Audits, zusammen. Die ISO 9000 beschränkt sich nicht auf einen einzelnen Qualitätsaspekt, sondern beschäftigt sich mit mehreren Qualitätsfacetten. Folglich umfasst Qualitätsmanagement im Zusammenhang mit ISO 9000 alle Maßnahmen, die ein Unternehmen ergreifen kann, um den Qualitätsanforderungen seiner Kunden gerecht zu werden (Bräutigam, 2004: 97).
8
Die ISO ist ein Netzwerk nationaler Standardisierungsinstitute in 147 Ländern. Der Hauptsitz der ISO ist in Genf, Schweiz (Kobayashi-Hillary, 2004: 195).
5.1 ISO 9000
71
Grundsätzlich können sich Unternehmen jeder Größenordnung sowie jeder Branche nach ISO 9000 zertifizieren lassen. Dies verdeutlicht bereits, dass es sich bei dieser Normensammlung um einen breit ausgerichteten Methodensatz handelt. Die beinhalteten Standards sind allgemein gehalten und konzentrieren sich auf die Qualität des Endprodukts. Um eine universelle Anwendbarkeit garantieren zu können, deckt die ISO 9000 auch keine spezifischen Dienstleistungs- und Produktionsprozesse ab (KobayashiHillary, 2004: 195). Die ISO 9000 setzt sich im Wesentlichen aus den in Tabelle 6 dargestellten Qualitätsstandards zusammen. Tabelle 6: Qualitätsstandards der ISO 9000 Qualitätsstandard
Kurzbeschreibung
ISO 9000:2000
Beschreibung der Grundlagen eines Qualitätsmanagementsystems und Definition der zugehörigen Begriffe
ISO 9001:2000
Spezifikation der Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem
ISO 9004:2000
Bereitstellung von Richtlinien zur Bewertung der Effektivität und Effizienz eines Qualitätsmanagementsystems
Um eine Zertifizierung nach diesen Standards erhalten zu können, muss eine Unternehmung nach Thondavadi und Albert (2004: 14) eine Vielzahl von Bedingungen erfüllen. Eine Auswahl dieser ist im Folgenden aufgelistet: x x x x x x
Vorherrschen einer formalen Organisationsstruktur (Qualitätshandbuch, Standardprozesse etc.) Regelmäßiges Durchführen von Trainingsmaßnahmen Aufbewahren sämtlicher Datensätze zur Sicherstellung der Reproduzierbarkeit von Produkten Bereitstellen korrigierender/präventiver Aktionssammlungen Kontinuierliches Testen von Endprodukten Formalisierte Bearbeitung von Kundenbeschwerden
72
5 Qualitätsstandards
x Definition eines internen Auditierungsprozesses etc. Durch die Erfüllung der ISO-Voraussetzungen soll sich innerhalb der zertifizierten Unternehmen ein Anstieg der Profitabilität durch eine Steigerung der Produktivität bei gleichzeitiger Reduzierung der Produktionskosten einstellen. Zudem versprechen sich Unternehmen von einer ISO-Zertifizierung unter anderem eine Verbesserung der internen Kommunikation, eine Effizienzsteigerung innerhalb der Unternehmung sowie das Erreichen der selbst gesteckten qualitativen Ziele (Thondavadi und Albert, 2004: 1314). Kritisch anzumerken bezüglich einer Zertifizierung nach ISO 9000 ist, dass sie nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsächliche Kompetenz des ITDienstleisters zulässt. Obwohl die ISO 9000 heutzutage als De-factoStandard anzusehen ist, bemängeln Kritiker, dass es sich hierbei lediglich um eine branchenunabhängige Überprüfung der Geschäftsprozesse handelt. Diesen Kritikpunkt konnte auch eine Überarbeitung der Standards nur geringfügig abschwächen (Computerwoche, 2004b).
5.2
Capability Maturity Model (CMM)
Immer mehr ausländische Dienstleister versuchen mittels eines Qualitätsstandards ihre Marktposition auf dem globalen Outsourcing-Markt zu verbessern (Thondavadi und Albert, 2004: 12). Bezüglich einer OffshoreSoftwareentwicklung hat sich CMM Level 5 als höchste Form der Qualitätszertifizierung herauskristallisiert, da es die Anwendung der hinterlegten Prozesse auch im Tagesgeschäft voraussetzt (Kobayashi-Hillary, 2004: 196). Der CMM-Standard wurde durch das Software Engineering Institute (SEI)9 der Carnegie Mellon University entwickelt und wird daher auch als SEI-CMM bezeichnet. Im Gegensatz zur ISO-Norm beschreibt CMM die Vorgehensweise bei der Softwareentwicklung in einer abstrakten Form. Hiermit soll die Strukturierung komplexer Entwicklungsprojekte unter-
9
Das SEI ist ein staatlich finanziertes Forschungs- und Entwicklungszentrum, das durch das US-Verteidigungsministerium gefördert und durch die Carnegie Mellon University betrieben wird (Kobayashi-Hillary, 2004: 196).
5.2 Capability Maturity Model (CMM)
73
stützt und somit die Beherrschbarkeit entsprechender Projekte sichergestellt werden (Computerwoche, 2004b). Das Qualitätsniveau der nach CMM zertifizierten Unternehmen wird in Qualitätsstufen von Level 1 (niedrigste Stufe) bis 5 (höchste Stufe) ausgedrückt. Die einzelnen CMM-Levels werden in Tabelle 7 kurz erläutert (Kobayashi-Hillary, 2004: 197). Tabelle 7: CMM-Levels CMM-Level
Kurzbeschreibung
Level 1
„Initial“: Ad hoc Prozess
Level 2
„Repeatable“: Disziplinierter Prozess
Level 3
„Defined“: Standardisierter und konsistenter Prozess
Level 4
„Managed“: Vorhersagbarer Prozess
Level 5
„Optimising“: Kontinuierliche Prozessverbesserung
Nach Thondavadi und Albert (2004: 13) kann bis auf Level 1 jedem CMM-Level ein thematischer Schwerpunkt zugeordnet werden. Dieser bezeichnet die Bereiche, auf die sich eine Unternehmung bei der Verbesserung ihres Entwicklungsprozesses konzentrieren sollte: Bei Level 2 liegt der Fokus auf der Einrichtung grundlegender Kontrollmechanismen des Projektmanagements (z. B. Qualitätssicherung, Konfigurationsmanagement). Level 3 adressiert sowohl projektbezogene als auch organisatorische Problemfelder (z. B. Prozessdefinition, Trainingsprogramme). Level 4 fokussiert quantitative Aspekte des Entwicklungsprozesses und des Softwareprodukts (z. B. Prozess- und Qualitätsmanagement). Level 5 befasst sich mit der nachhaltigen Verbesserung des Entwicklungsprozesses (z. B. Fehlerprävention, Change Request Management). Die Grenzen des klassischen CMM sind in dem fehlenden Integrationsaspekt zu sehen. Dieses beschränkt sich ausschließlich auf die isolierte Entwicklung von Software. Um diesem Nachteil seines Modells entgegenzu-
74
5 Qualitätsstandards
wirken, entwickelte das Carnegie Mellon Software Engineering Institute im Jahre 2005 die folgenden Erweiterungen des CMM-Standards: x
x
x
CMMI (Capability Maturity Model Integration) Qualitätsstandard für die Integration von Software in bereits bestehende IT-Landschaften. P-CMM (People Capability Maturity Model) Qualitätsstandard für die Verwaltung und die Entwicklung der Unternehmensmitarbeiter. SA-CMM (Software Acquisition Capability Maturity Model) Qualitätsstandard für den Einkauf von Software.
Allerdings bleibt trotz dieser Sonderformen eine Reihe von Negativaspekten in Verbindung mit CMM bestehen. Insbesondere die aufwändigen Geschäftsabläufe können zu einem Anstieg der Projektkosten führen. Aufgrund des enormen Aufwands sind viele Offshoring-Kunden nicht bereit, CMM auch im eigenen Unternehmen einzuführen. Hierdurch werden Prozessübergänge zwischen den Projektpartnern notwendig (Computerwoche, 2004b).
5.3
Six Sigma
Bei Six Sigma handelt es sich um einen disziplinierten, datenorientierten Ansatz zur Qualitätsmessung. Das Ziel ist, Fehler in Produkten und Prozessen nahezu vollständig zu eliminieren. Bei einer erfolgreichen Anwendung des Six-Sigma-Ansatzes liegen sechs Standardabweichungen zwischen der mittleren Fehlerzahl aller betrachteten Produkte bzw. Prozesse und der maximalen Fehlerzahl des entsprechenden Produkts bzw. des entsprechenden Prozesses, d. h. bei einer Million Fehlermöglichkeiten treten weniger als 3,4 Fehler auf (Thondavadi und Albert, 2004: 11). Der Six-Sigma-Ansatz unterscheidet zwischen zwei Hauptmethodiken: Die DMAIC- und die DMADV-Methodik. Erfüllt ein bereits bestehendes Produkt bzw. ein Prozess die Kundenerwartungen nicht, kommt erstere zum Einsatz. Wird hingegen ein neues Produkt entwickelt oder ein komplett neuer Prozess aufgesetzt, wird die zweite Methodik verwendet (Davies, 2004: 48).
5.3 Six Sigma
75
Die DMAIC-Methodik setzt sich nach Thondavadi und Albert (2004: 11) aus den folgenden Teilschritten zusammen: x x x x x
Define Definition der Projektziele sowie der durchzuführenden Arbeiten Measure Messung der aktuellen Prozessperformanz Analyze Analyse und Bestimmung der aktuellen Fehlerquellen Improve Prozessverbesserung durch Fehlereliminierung Control Kontrolle der zukünftigen Prozessperformanz
Die DMADV-Methodik umfasst nach Thondavadi und Albert (2004: 11) die folgenden Schritte: x x x x x
Define Zieldefinition und Festlegung der abzuliefernden Ergebnisse Measure Messung und Bestimmung der Kundenanforderungen Analyze Analyse der Optionen zur Erfüllung der Kundenanforderungen Design Entwurf des Prozesses zur Erfüllung der Kundenanforderungen Verify Verifikation des Entwurfs
Der Einsatz der Six-Sigma-Methodiken soll sich insbesondere in Kosteneinsparungen widerspiegeln. Beispielsweise konnte Motorola, das den SixSigma-Ansatz Mitte der 80er-Jahre in den USA entwickelt hat, zwischen den Jahren 1986 und 2001 geschätzte 16 Milliarden US Dollar durch den Einsatz von Six Sigma einsparen (Thondavadi und Albert, 2004: 11-12). Zudem können diese Methodiken nach Davies (2004: 48) zu einer Verkürzung der Durchlaufzeiten, einer Reduzierung des Ausschusses, einem besseren Verständnis der Kundenanforderungen und einem daraus resultierenden Anstieg der Kundenzufriedenheit sowie einer Steigerung der Zuverlässigkeit der Produkte und Prozesse eines Unternehmens beitragen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine Umsetzung des Six-SigmaAnsatzes mit erheblichen Kosten für eine Unternehmung verbunden ist.
76
5 Qualitätsstandards
Darüber hinaus kann es lange Zeit dauern, bis die Unternehmensmitarbeiter die dem Ansatz zugrunde liegenden Prinzipien verinnerlicht haben und sich positive Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis einstellen (Davies, 2004: 48). Fallbeispiel: Nach Kobayashi-Hillary (2004: 197-198) ist der Dienstleister Wipro in Indien führend in Bezug auf Six Sigma. Mehr als 3.350 seiner Mitarbeiter sind in den Six-Sigma-Methodiken geschult und 120 dieser Mitarbeiter sind sogar im Besitz des „schwarzen Gürtels“ des Six-Sigma-Ansatzes. Aktuell setzt Wipro Six Sigma in mehr als 500 Projekten für unterschiedliche Prozesse (z. B. Projektmanagement, Marktentwicklung, Ressourcennutzung) ein (Kobayashi-Hillary, 2004: 198).
Zusammenfassung: Die ISO 9000 ist ein weit verbreitetes Qualitätsmanagementsystem, das durch die International Standardization Organisation (ISO) entwickelt wurde. Es handelt hierbei nicht um einen konkreten Qualitätsstandard, sondern vielmehr um eine Sammlung von Standards: ISO 9000:2000, ISO 9001:2000 und ISO 9004:2000. Das Capability Maturity Model (CMM) wurde durch das Software Engineering Institute (SEI) der Carnegie Mellon University entwickelt. Im Gegensatz zur ISO-Norm beschreibt CMM die Vorgehensweise bei der Softwareentwicklung in einer abstrakten Form. Das Qualitätsniveau der nach CMM zertifizierten Unternehmen wird in Qualitätsstufen von Level 1 (niedrigste Stufe) bis 5 (höchste Stufe) ausgedrückt. Bei Six Sigma handelt es sich um einen disziplinierten, datenorientierten Ansatz zur Qualitätsmessung, der von Motorola Mitte der 80er-Jahre in den USA entwickelt wurde. Der Ansatz unterscheidet zwischen zwei Hauptmethodiken: Die DMAIC-Methodik für die Verbesserung bereits bestehender Produkte bzw. Prozesse und die DMADV-Methodik für die Einführung neuer Produkte bzw. Prozesse.
6
Vertragswerk
Im Laufe eines Offshoring-Projekts können die unterschiedlichsten Fragestellungen auftreten. Zur Beantwortung dieser sollte zum einen die vor Projektbeginn festgelegte Strategie und zum anderen der zwischen den Kooperationspartnern geschlossene Vertrag bzw. vielmehr das Vertragswerk dienen (Söbbing, 2002: 231). Der Outsourcing-Vertrag im Allgemeinen stellt keine eigene Kategorie innerhalb der gesetzlichen Vertragstypen dar. In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um eine gemischte Vertragsform, die in Form eines Rahmenvertrags abgeschlossen wird. Aufgrund der Komplexität und des besonderen Charakters von Outsourcing-Verträgen erscheint die Erfassung des kompletten Projekts in einem Vertrag als wenig flexibel und unübersichtlich. Es bestehen allerdings keine verbindlichen Regelungen für den Aufbau und die Vertragshierarchie eines solchen Vertragswerks. In vielen Fällen wird ein Rahmenvertrag, der rechtliche Aspekte wie Verzug, Haftung, Gewährleistung, Gerichtsstand etc. regelt, um spezielle Einzelverträge ergänzt (Söbbing, 2002: 231). Der Rahmenvertrag bildet hierbei die Klammer für die einzelnen Verträge (Bräutigam, 2004: 642). In vielen Fällen legen die Service-Provider ihren Kunden Standardverträge zur Fixierung der Leistung vor. Sämtliche Regelungen eines solchen Vertrags sind als allgemeine Geschäftsbedingungen einzustufen und unterliegen daher einer besonderen Wirksamkeitskontrolle. Generell sind alle Vertragsklauseln, die den Kunden unangemessen benachteiligen, unwirksam. An ihre Stelle treten die entsprechenden gesetzlichen Regelungen. Dieses Schutzkonzept findet keine Anwendung, wenn die Parteien die Vertragsinhalte individuell aushandeln. Man spricht in diesem Fall von einem Individualvertrag. Grundsätzlich sind alle Vertragsinhalte als Individualvertrag anzusehen, die Gegenstand der Vertragsverhandlungen waren. Hierbei ist es nicht entscheidend, ob die festzuhaltende Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien letztendlich vom ursprünglich vorgelegten Standardvertrag abweicht (Bräutigam, 2004: 648). Trotz des ungleich höheren Aufwands bei der Erstellung eines Individualvertrags ist einem Erfahrungsbericht der Autoren Cullen und Willcocks (2003: 99) zufolge von der Verwendung eines Standardvertrags im Rahmen einer Outsourcing-/Offshoring-Initiative abzuraten.
78
6 Vertragswerk
Es ist hinzuzufügen, dass die Gründung bzw. Akquisition eines Tochterunternehmens oder die Errichtung eines Joint Venture im Ausland nicht Bestandteil des Vertragswerks sind (Söbbing, 2002: 233). Die folgenden Abschnitte setzen sich mit den typischen Vertragskategorien eines Outsourcing-Vertragswerks sowie der Internationalisierung eines solchen Vertragwerks auseinander. Zudem wird auf die Leistungsparameter eines Vertrags, die so genannten Service Level Agreements (SLAs) und mögliche Preismodelle eingegangen. Die Abstimmung zwischen diesen ist nach Kobayashi-Hillary (2004: 172) als wesentlicher Erfolgsfaktor einer Outsourcing-/Offshoring-Partnerschaft anzusehen.
6.1
Vertragskategorien
In der Praxis hat sich der modulare Vertragsaufbau gegenüber einem starren Vertragsgebilde durchgesetzt (Söbbing, 2002: 231). Auf diese Weise können die vom Kunden geforderten Einzelleistungen nach dem Baukastenprinzip zusammengestellt werden. Es besteht ein flexibler Mechanismus, der eine problemlose Anpassung an zukünftige Kundenanforderungen ermöglicht (Bräutigam, 2004: 642-643). Entscheidet sich der Kunde im negativen Fall bestimmte Aktivitäten des Outsourcing-Projekts nicht mehr an den bisherigen IT-Dienstleister auszulagern, muss nicht der komplette Vertrag geändert werden. Im positiven Fall, d. h. der Kunde entscheidet sich weitere IT-Aktivitäten an den Outsourcing-Anbieter abzugeben, muss das modulare Vertragswerk lediglich um die entsprechende Anzahl an Einzelverträgen erweitert werden (Söbbing, 2002: 231-232). Aufgrund dieser Vorzüge wird im Rahmen dieses Buches lediglich auf den modularen Vertragsaufbau eines Outsourcing-Vertrags eingegangen. Nach Söbbing (2002: 232-233) umfasst ein Outsourcing-Vertragswerk die folgenden vier Vertragskategorien: x
x
Rahmenvertrag Der Rahmenvertrag regelt die grundlegenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien (Bräutigam, 2004: 641-642). Leistungsverträge Mithilfe der Leistungsverträge wird der exakte Umfang der zu erbringenden Einzelleistungen (z. B. SAP-R/3-Betrieb, Softwarepflege und -wartung) festgehalten (Bräutigam, 2004: 642).
6.1 Vertragskategorien
x
x
79
Übernahmeverträge Die Übernahmeverträge regeln die Übernahme von Personal, Assets und vertraglichen Verpflichtungen (Söbbing, 2002: 233). Sonstige Verträge Bei den sonstigen Verträgen handelt es sich beispielsweise um Mietverträge und Datenschutzkonzepte (Söbbing, 2002: 233).
Sonstige Verträge
Übernahmeverträge
Rahmenvertrag
Leistungsverträge
Outsourcing-Vertragswerk
Leistungs-, Übernahme- und sonstige Verträge können als Einzelverträge bezeichnet werden. In Kombination mit dem Rahmenvertrag bilden diese das Outsourcing-Vertragswerk. Abbildung 14 verdeutlicht den typischen Aufbau eines solchen Vertragswerks.
Quelle: in Anlehnung an Söbbing (2002: 232)
Abbildung 14: Vertragskategorien eines Outsourcing-Vertragswerks
Zur Vermeidung von Streitigkeiten und Missverständnissen ist es nach Bräutigam (2004: 646) empfehlenswert, im Rahmenvertrag zu hinterlegen, welche Regelungen des Vertragswerks Vorrang besitzen. Grundsätzlich sind spezifische Regelungen allgemeinen Normen aufgrund des höheren Detaillierungsgrads vorzuziehen. In Anlehnung an Bräutigam (2004: 647) lässt sich zusammenfassend folgende Regelungshierarchie festhalten: 1. 2. 3. 4.
Einzelverträge (Übernahme-, Leistungs- und sonstige Verträge) Rahmenvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen der Vertragspartner Gesetzliche Regelungen
80
6 Vertragswerk
Die Regelungshierarchie10 findet nur dann Anwendung, falls sich Normen unterschiedlicher Regelungswerke widersprechen. Solange sich Regelungen ergänzen oder allgemeine Regelungen genauer spezifiziert werden, wird die Normenhierarchie nicht benötigt (Bräutigam, 2004: 647). Praxiserfahrung: Zur vertraglichen Fixierung der durch den Offshore-Provider zu erbringenden Leistungen setzte ein schweizerischer Versicherungskonzern einen Standardvertrag ein. Dieser beinhaltete für jedes einzelne Teilprojekt einen eigenständigen Leistungsvertrag mit einer detaillierten Beschreibung des Projektumfangs, der Projektmeilensteine und des Zahlungsmechanismus. Hierdurch versuchte das Kundenunternehmen den Spielraum für Interpretationen gering zu halten. Um einen möglichst reibungslosen Projektverlauf zu gewährleisten, versuchte der Versicherungskonzern innerhalb der Leistungsverträge zudem durch entsprechende Klauseln eine angemessene Personalkontinuität auf Providerseite sicherzustellen. Die Erstellung eines Outsourcing-/Offshoring-Vertragswerks ist ein klassisches Thema für die Rechtsabteilung eines Unternehmens bzw. eine unabhängige Rechtsanwaltskanzlei. In Abhängigkeit von der zu erstellenden Vertragskategorie sind die Juristen zudem zumindest teilweise auf die Unterstützung einer oder mehrerer Unternehmensabteilungen angewiesen: Die Formulierung der Übernahmeverträge und der sonstigen Verträge erfordert zumeist den Einbezug der Controlling- und Personalabteilung. Bei der Ausarbeitung der Leistungsverträge sind die IT- und Fachabteilungen mit einzubeziehen (Söbbing, 2002: 233). Bei der Erstellung des Outsourcing-Vertrags ist in jedem Fall das anwendbare Recht festzulegen. Insbesondere beim Offshore-Outsourcing ist eine solche Vereinbarung nach Bräutigam (2004: 264) und Haeberlein (2004) dringend zu empfehlen. Verfügt ein Vertragswerk über keine entsprechende Klausel, muss festgestellt werden, mit welchem Partnerland der Vertrag am engsten verbunden ist. Eine solche Feststellung gehört zu den größten Herausforderungen im internationalen Privatrecht (Bräutigam, 2004: 265).
10
Ein Regelungswerk hat Vorrang gegenüber den innerhalb der Normenhierarchie schlechter platzierten Regelungswerken.
6.2 Internationalisierung des Vertragswerks
6.2
81
Internationalisierung des Vertragswerks
Zur Internationalisierung eines Outsourcing-Vertrags bestehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Die Kooperationspartner schließen ein Vertragswerk nach deutschem Recht, das zugleich über Wirkung im Ausland verfügt. Dieses wird im Folgenden als globales Vertragswerk bezeichnet. Alternativ können die Partner auch direkt ein länderspezifisches Vertragswerk entwerfen, das spezielle Regelungen für die von dem Offshoring-Projekt betroffenen Länder beinhaltet (Söbbing, 2002: 331). Praxiserfahrung: Die Internationalisierung eines IT-Outsourcing-Vertragswerks erweist sich nach Aussagen von NIIT Technologies als besonders problematisch. Dies lässt sich insbesondere auf die sprachlichen Unterschiede zwischen den Projektpartnern sowie die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in den am Projekt beteiligten Ländern zurückführen. Zudem sind beispielsweise indische Verträge in vielen Fällen nicht hinreichend formuliert und vernachlässigen Haftungs- und Gewährleistungsaspekte. Hierdurch wird insbesondere das Geltendmachen von Ansprüchen oder Vertragsstrafen zusätzlich erschwert. Aus diesen Gründen versuchen deutschsprachige Kundenunternehmen vielfach den Vertrag mit einer inländischen Niederlassung des OffshoreProviders abzuschließen. Diese Strategie verfolgten auch die im Rahmen von zwei Fallstudien untersuchten Unternehmen aus Deutschland und der Schweiz.
6.2.1
Globales Vertragswerk
Grundsätzlich gelten Verträge, die in Deutschland abgeschlossen werden, auch außerhalb der deutschen Landesgrenzen. Ausgenommen hiervon sind Länder, in denen der Vertrag gegen die nationale Rechtsprechung verstößt. Einen Vertrag so zu formulieren, dass er im In- und Ausland Gültigkeit besitzt, stellt allerdings nach Söbbing (2002: 331) eine sehr komplizierte Aufgabe dar. Beispielsweise geht man im deutschen Rechtsgebiet bei der Schließung eines Kaufvertrags nahezu automatisch davon aus, dass dieser einen Eigentumsvorbehalt beinhaltet. Hingegen ist diese einfache Form der Kaufpreisabsicherung in anderen Ländern zum Teil noch vollständig unbekannt. Des Weiteren benötigen Verträge in Deutschland keiner besonde-
82
6 Vertragswerk
ren Form. Dagegen müssen im angloamerikanischen Raum Verträge ab einem geringen Mindestgegenstandswert schriftlich fixiert sein (Söbbing, 2002: 331-332). In Verbindung mit der Gestaltung eines allgemein gültigen Vertragswerks ist anzumerken, dass ein deutsches Unternehmen grundsätzlich frei in seiner Rechtswahl ist, d. h. die Kooperationspartner können den Vertrag auch einem anderen Landesrecht unterstellen. Theoretisch kann laut Söbbing (2002: 332-333) sogar ein Landesrecht gewählt werden, das in keinerlei Verbindung zu dem Verlagerungsprojekt steht.
6.2.2
Länderspezifisches Vertragswerk
Aufgrund der problematischen Erstellung eines global gültigen Vertrags empfiehlt Söbbing (2002: 333) den Entwurf eines länderspezifischen Vertragswerks. Dieses beinhaltet für jedes Land, das an dem OffshoringProjekt beteiligt ist, ein eigenes Vertragswerk. Die unterschiedlichen Länderverträge werden durch einen globalen Rahmenvertrag (Global Agreement) geklammert. Dieser schafft den wirtschaftlichen und organisatorischen Rahmen für das Projekt und regelt darüber hinaus die Schnittstellen zwischen den nationalen Verträgen. Die einzelnen, länderspezifischen Verträge bezeichnet Söbbing (2002: 333) als Local Country Agreements. Diese bestehen, analog zu dem in Abschnitt 6.1 beschriebenen nationalen Vertragswerk, aus mehreren Einzelverträgen (Single Agreements) und einem Rahmenvertrag (Master Agreement). Jedes Local Country Agreement ist auf das entsprechende Länderrecht abgestimmt und verweist auf den globalen Rahmenvertrag (siehe Abbildung 15). Durch den modularen Aufbau lässt sich der Vertrag problemlos um weitere Länder ergänzen (Söbbing, 2002: 333). Nachteilig erweist sich allerdings der beträchtliche Verwaltungsaufwand, der mit der Vielzahl an unterschiedlichen Länderversionen verbunden ist. Als Vertragssprache für ein globales Outsourcing-Vertragswerk können sich die Vertragsparteien einerseits auf eine einheitliche Sprache (z. B. Englisch) einigen. Dies hat den Vorteil, dass sämtliche Vertragsinhalte für alle Projektbeteiligten relativ leicht verständlich sind. Probleme bereitet hierbei jedoch die Übersetzung der juristischen Fachausdrücke in eine
6.3 Service Level Agreements (SLAs)
83
andere Sprache. Daher ist es nach Söbbing (2002: 334-335) ratsam, die länderspezifischen Verträge in der jeweiligen Landessprache zu belassen. Der globale Rahmenvertrag sollte in derjenigen Sprache verfasst werden, in der die Projektleitung vorwiegend kommuniziert. Global Agreement
…
Single Agreement
Single Agreement
Master Agreement Russland
…
Single Agreement
Master Agreement Indien
Single Agreement
…
Single Agreement
Master Agreement USA
Single Agreement
…
Single Agreement
Single Agreement
Master Agreement Deutschland
Quelle: Söbbing (2002: 334)
Abbildung 15: Aufbau eines globalen Outsourcing-Vertragswerk
6.3
Service Level Agreements (SLAs)
Erfahrungsgemäß muss der ausländische Provider die vertraglich fixierten Leistungen nicht immer zu den gleichen Konditionen bereitstellen. Während der Offshore-Anbieter in Ausnahmefällen, z. B. bei Hochverfügbarkeitssystemen, die vereinbarte Leistung zu jeder Zeit und schnellstmöglich erbringen muss, wird dem Anbieter in anderen Fällen ein gewisser Freiraum bezüglich der Leistungserbringung eingeräumt. Um den Rahmen der zu erbringenden Leistung festzuhalten, legen die Vertragspartner meist so genannte Service Level Agreements (SLAs) innerhalb der Leistungsverträge fest. Diese beinhalten die qualitativen und quantitativen Ziele des Outsourcing-/Offshoring-Vertrags und ermöglichen die Leistungsmessung während der operativen Projektdurchführung (Söbbing, 2002: 161). Um sicherzustellen, dass sich der beauftragte Dienstleister an die vereinbarten Leistungsparameter hält, werden in der Regel sowohl die Zahlung von Vertragsstrafen als auch die Auszahlung von Boni (Cullen und Willcocks,
84
6 Vertragswerk
2003: 84-85) sowie die Aufhebung des Vertrags (Cullen und Willcocks, 2003: 88) mit den SLAs verknüpft. Cullen und Willcocks (2003: 74) beschreiben das Zusammenspiel zwischen einem Leistungsvertrag und den in diesem Vertrag integrierten SLAs (siehe Tabelle 8). Tabelle 8: Leistungsvertrag vs. SLAs Leistungsvertrag
SLAs
Fokus auf Beschreibung rechtlicher Aspekte (Verpflichtungen, Rechte, Verantwortlichkeitsbereiche etc.)
Fokus auf Leistungsbeschreibung (Anforderungen, Ausnahmen, Definitionen, Indikatoren etc.)
niedrige Änderungsrate
hohe Änderungsrate
problemorientiert
erfolgsorientiert
Den Kern der SLAs stellen die so genannten Diensteigenschaften dar. In Anlehnung an Söbbing (2002: 164) wird im Folgenden eine Auswahl solcher Eigenschaften exemplarisch aufgezeigt: x
x x
x
Verfügbarkeit Die Verfügbarkeit wird in Prozent angegeben und berechnet sich als der Quotient aus der Ist- und der Soll-Betriebsdauer. Mean Time To Repair (MTR) Mit der MTR bezeichnet man die durchschnittliche Ausfallzeit. Mean Time Between Failure (MTBF) Die MTBF misst die durchschnittliche Zeit zwischen dem Auftreten desselben Fehlers. Reaktionszeit bzw. Antwortzeit Unter der Reaktions- bzw. Antwortzeit versteht man die Zeitspanne zwischen der Leistungsaufforderung durch den Auftraggeber und der Leistungsfertigstellung durch den Auftragnehmer.
etc. Die hier exemplarisch aufgeführten Diensteigenschaften reichen allerdings bei Weitem nicht aus, um eine Leistung exakt spezifizieren zu können.
6.4 Preismodelle
85
Beispielsweise lässt sich die Verfügbarkeit in die Gesamtverfügbarkeit eines kompletten Systems und die Verfügbarkeit einzelner Systemkomponenten untergliedern. In diesem Zusammenhang gilt es nach Söbbing (2002: 164), auch die Auswirkungen auf das Gesamtsystem zu berücksichtigen, die der Ausfall einer Komponente nach sich ziehen kann. Zusätzlich zur Leistungsspezifikation kommt den SLAs eine Reihe von Aufgaben bezüglich des erfolgreichen Projektablaufs zu. Insbesondere die Vermeidung von Konflikten spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Im Wesentlichen handelt es sich nach Söbbing (2002: 176-177) um die folgenden Teilfunktionen, die die SLAs im Rahmen eines Outsourcing/Offshoring-Projekts erfüllen: x Kommunikationsmittel x Qualitätssicherung x Konfliktvermeidung x Vertragsanpassung x Controlling-Instrument etc. In Verbindung mit Softwareentwicklungsprojekten erscheint der Einsatz von SLAs in der Regel weniger sinnvoll. Bei solchen Projekten wird zumeist die in der Planungsphase erarbeitete Spezifikation verfeinert und in den Vertrag integriert. Die Qualität der vertraglich fixierten Entwicklungsvorgaben erweist sich insbesondere bei der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Partner als wesentlicher Erfolgsfaktor. Investiert ein Kunde verstärkt in den Entwurf einer detaillierten Softwarespezifikation, kann er nach Andreas Fichelscher (Generalbevollmächtigter, VR Diskontbank) vielfach von einer verkürzten Entwicklungszeit profitieren (NetSkill, 2002).
6.4
Preismodelle
Im Rahmen des Vertragswerks gilt es, das dem Vertrag zugrunde liegende Preismodell zu bestimmen. Auf diesem Modell basiert die Vergütung des Dienstleisters. Grundsätzlich kann sich der Preis einer Verlagerung auch aus mehreren Preismodellen zusammensetzen.
86
6 Vertragswerk
In Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 98) sowie Bräutigam (2004: 134-140) können in diesem Zusammenhang die in Tabelle 9 dargestellten Preismodelle unterschieden werden. Tabelle 9: Gegenüberstellung unterschiedlicher Preismodelle Preismodell Festpreis (Lumpsum)
Variabler Preis
Wert-/Nutzenbasierter Preis
Kurzbeschreibung Fester Preis innerhalb vorgegebener Volumina Preis pro Transaktionseinheit (z. B. Stunden, Anrufe, Benutzer) Preis als Anteil einer Unternehmenskennzahl (z. B. Umsatz, Gewinn)
Der Festpreisanteil oder Lumpsum stellt das einfachste Preismodell dar. Hierbei handelt es sich um einen festen Betrag, der pro Zeiteinheit anfällt. Der Auftraggeber verfolgt allerdings mit einer Outsourcing-/OffshoringInitiative häufig auch das Ziel der Umwandlung von fixen in variable Kosten. Daher kommen bei einem Festpreisprojekt die Vorteile einer Auslagerung in der Regel nicht vollständig zum Tragen. Aus Sicht des Auftragnehmers erweist sich ein hoher Festpreisanteil als vorteilhaft. Er bedeutet eine sichere Einnahmequelle. Bei einem variablen Preis ist darauf zu achten, dass die zugrunde liegenden Transaktionen möglichst mithilfe automatischer Messverfahren ermittelbar sind. Manuell zu ermittelnde Preiskomponenten sind in der Regel schwer zu erfassen und verfügen zudem über eine geringere Glaubwürdigkeit. Als Beispiele für eine verbrauchsbezogene Entlohnung kann die Abrechnung nach Nutzungszeiträumen, nach Transaktionsvolumina, nach Leistung, nach Zugriffen oder nach Verbrauch genannt werden. BonusMalus-Regelungen sind ebenfalls dieser Kategorie zuzuordnen. Ein wert-/nutzenbasierter Preis ist zunächst unabhängig von der Leistungserbringung durch den beauftragten Dienstleister zu sehen. Bei diesem Preismodell profitiert der Service-Provider ausschließlich von dem Wert bzw. dem Nutzen, den er auf Kundenseite stiftet. Beispielsweise können die Projektpartner vereinbaren, dass der Auftragnehmer die gesamte IT-
6.4 Preismodelle
87
Infrastruktur für einen festgelegten Anteil am Jahresumsatz des Auftraggebers übernimmt. Insbesondere bei der Inanspruchnahme externer Beratungsleistungen ist dieses Preismodell bereits relativ verbreitet. Praxiserfahrung: Rolf Stephan (Vorstand der deutschen Tochtergesellschaft des indischen Service-Providers NIIT Technologies) zufolge handelt es sich bei Offshoring-Softwareentwicklungsprojekten im deutschsprachigen Raum nahezu ausnahmslos um Festpreisprojekte. Dieses Preismodell bietet insbesondere den Vorteil einer besseren Planbarkeit der im Projekt anfallenden Kosten sowie einer Gewährleistungshaftung durch den Anbieter. Es birgt aber auch die Gefahr von zusätzlichen Kosten durch nachträgliche Änderungen der Projektspezifikation. Eine hohe Mitwirkungspflicht auf Kundenseite sowie die Fähigkeit des Kunden, eine hinreichend detaillierte Spezifikation zu erstellen, sind als grundsätzliche Voraussetzungen für die Durchführung eines Festpreisprojekts anzusehen. Wie bereits angedeutet, müssen sich die Vertragspartner nicht zwingend auf ein einheitliches Preismodell einigen. Vielmehr lassen sich die unterschiedlichen Modelle in Abhängigkeit von der abzurechnenden Leistung beliebig kombinieren. Allerdings sollte das vereinbarte Preismodell nach Bräutigam (2004: 144) in jedem Fall eine Degression über Zeit, Menge und Volumen vorsehen.
Zusammenfassung: Ein Outsourcing-/Offshoring-Vertragswerk umfasst typischerweise die folgenden Vertragskategorien: Einen Rahmenvertrag sowie eine beliebige Anzahl an Einzelverträgen (Leistungs-, Übernahme- und sonstige Verträge). Bei der Internationalisierung eines Vertragswerks ergeben sich für das Unternehmen zwei alternative Vorgehensweisen: Entweder es verfasst ein allgemein gültiges Vertragswerk, das sich auf andere Länder übertragen lässt oder es entwirft ein global gültiges Vertragswerk, das von Anfang an die Besonderheiten anderer Länder explizit berücksichtigt.
88
6 Vertragswerk
Die Service Level Agreements (SLAs) sind in einen Leistungsvertrag integriert. Sie beinhalten die qualitativen und quantitativen Ziele der vertraglich bestimmten Leistungen und ermöglichen auf diese Weise die Leistungsmessung während der operativen Projektdurchführung. Bezüglich der Vergütung des Dienstleister kann im Wesentlichen auf die folgenden Preismodelle zurückgegriffen werden: Festpreis, variabler Preis und wert-/nutzenbasierter Preis. Diese Preismodelle lassen sich grundsätzlich auch miteinander kombinieren.
Teil B: Projektmanagement Die typischerweise im Rahmen eines IT-Offshoring-Projekts zu durchlaufenen Aktivitäten lassen sich im Wesentlichen in die folgenden vier Phasen untergliedern: Analyse und Planung, Entscheidung, Verhandlung und Durchführung. Eine grobe Zuordnung der unterschiedlichen Managementaktivitäten zu den einzelnen Projektphasen kann der folgenden Abbildung entnommen werden. Planung und Analyse
Entscheidung
Verhandlung
Durchführung
Projektauswahl
Vertragsverhandlung
Vertragsverwaltung
Projektidentifikation
Standortauswahl
Vertragsgestaltung
Transition Management
Projektanalyse
Providerauswahl
Strategiedefinition
Leistungsmanagement Kommunikationsmanagement Management der kulturellen Unterschiede
Abbildung 16: Phasenmodell für IT-Offshoring-Projekte
In der Planungs- und Analysephase legt das auslagernde Unternehmen zunächst die interne Sourcing-Strategie fest. Diese dient als Grundlage für die Durchführung aller weiteren Aktivitäten und beeinflusst somit auch wesentlich die Identifikation potenzieller Offshore-Kandidaten sowie die weiter gehende Analyse dieser Kandidaten. Die Entscheidungsphase setzt sich mit der Auswahl des durchzuführenden Offshore-Projekts, der Auswahl eines Offshore-Standorts und der Auswahl eines oder mehrerer Offshore-Provider auseinander. In der Verhandlungsphase einigen sich der Auftraggeber und der bzw. die ausgewählten Auftragnehmer auf die konkreten Vertragsinhalte und fassen diese in einem Vertragswerk zusammen. Die Durchführungsphase stellt die umfassendste und wahrscheinlich zugleich komplexeste Projektphase eines IT-Offshoring-Projekts dar. Zusätzlich zur Vertragsverwaltung umfasst diese Phase das Transition Management, das Leistungsmanagement, das Kommunikationsmanagement und
90
Teil B: Projektmanagement
das Management der kulturellen Unterschiede zwischen den Projektpartnern. Aufgrund der enormen Komplexität eines internationalen OutsourcingProjekts erhebt das vorgestellte Phasenmodell keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei den hier aufgeführten Aktivitäten handelt es sich vielmehr um die Kernaktivitäten, die nahezu in jedem IT-Offshoring-Projekt anfallen. Das vorliegende Modell kann somit als grobe Checkliste verstanden werden, mit deren Hilfe ein Projektverantwortlicher den Status eines Offshore-Projekts einordnen und zugleich überprüfen kann, ob in den bereits durchlaufenen Projektphasen wesentliche Aspekte vernachlässigt wurden. Bezüglich der sequenziellen Darstellung der Aktivitäten in Abbildung 16 ist noch hinzuzufügen, dass diese natürlich nicht zwingend die Realität eines Offshore-Projekts widerspiegeln muss bzw. kann. Vielmehr werden in der Praxis einige der genannten Aktivitäten entweder parallel, in einer anderen Reihenfolge oder gar nicht durchgeführt (Cullen und Willcocks, 2003: XX). In den sich anschließenden Kapiteln werden die in Abbildung 16 dargestellten Aktivitäten ausführlich behandelt.
7
Strategiedefinition
Zu Beginn eines internationalen Verlagerungsprojekts gilt es zunächst, eine unternehmensspezifische Offshore-Strategie zu entwickeln. Als Ausgangspunkt hierfür sollte eine Vision, die das Unternehmen mit dem ITOffshoring verbindet, erarbeitet werden. In Abhängigkeit der Vision können Ziele festgelegt werden, die mithilfe entsprechender Projekte erreicht werden sollen. Anhand dieser Ziele kann das Unternehmen letztendlich die zu verfolgende Strategie ableiten.
Formulierung einer Vision
Ableitung von Zielen
Definition einer Strategie
Abbildung 17: Prozess der Strategiedefinition
Die Definition einer Strategie ist insbesondere beim Offshoring als wesentlicher Erfolgsfaktor anzusehen. So haben einer Studie der Unternehmensberatung AT Kearney zufolge 80 % derjenigen Unternehmen, die 80 bis 99 % ihrer Kostenziele erreicht haben, bereits zu Projektbeginn eine Offshoring-Strategie definiert und auch umgesetzt (Buchta et al., 2004).
7.1
Vision
Als Grundvoraussetzung für alle weiteren Schritte gilt es die Vision einer möglichen Offshoring-Initiative zu erfassen. Besteht zum aktuellen Zeitpunkt keine eindeutige Vision bezüglich des Projektvorhabens, sollte in Zusammenarbeit mit der Unternehmensführung schnellstmöglich eine solche erarbeitet werden. Die Formulierung einer solchen Vision erleichtert die anschließende Definition der Offshoring-Strategie. Im Folgenden wird unter einer Vision in Anlehnung an Aalders (2001: 13) ein Ideal hinsichtlich der zukünftigen Unternehmungsentwicklung verstanden. Beispielsweise könnte ein Unternehmen mithilfe der OffshoringInitiative den Aufstieg zu einem Global Player innerhalb der nächsten fünf Jahre anstreben (siehe Abbildung 18). Ob diese Entwicklung in der Reali-
92
7 Strategiedefinition
tät zu verwirklichen ist, spielt bei der Erarbeitung einer Vision zunächst eine untergeordnete Rolle.
7.2
Ziele
Nach der Erarbeitung der mit dem Offshoring-Vorhaben verbundenen Vision gilt es, diese in konkrete Ziele herunterzubrechen. Hierbei sollten nach Aalders (2001: 18) im Wesentlichen die folgenden Aspekte beachtet werden: x
x
x
Realisierbarkeit Die einzelnen Ziele sollten realisierbar sein, d. h. das Unternehmen muss diese theoretisch auch erreichen können. Messbarkeit Der Zielerreichungsgrad sollte explizit messbar sein (Aalders, 2001: 16; Dubey, 2003: 46). Direkter Zusammenhang Die festgelegten Ziele sollten in einem direkten Zusammenhang zur geplanten Outsourcing-Initiative stehen.
Ziele
Vision
Die Zerlegung der Offshoring-Vision in konkrete Ziele, wie in Abbildung 18 exemplarisch dargestellt, dient der vereinfachten Umsetzung der abstrakt formulierten Vision (Aalders, 2001: 28). Aufstieg zum Global Player innerhalb der nächsten fünf Jahre
Konzentration auf Kernkompetenzen
Reduzierung der IT-Kosten
Verbesserung der Servicequalität
Quelle: in Anlehnung an Aalders (2001: 15)
Abbildung 18: Ableitung von Zielen aus der Offshoring-Vision
Die mit einer Offshoring-Initiative angestrebten Ziele decken sich in vielen Fällen mit den in Kapitel 3 vorgestellten Chancen einer solchen Initiative. Werden diese Ziele im Rahmen der Strategiefindung einer genaueren Untersuchung unterzogen, empfehlen Cullen und Willcocks (2003: 54) eine Differenzierung zwischen den folgenden Zielklassen:
7.2 Ziele
x
x
x
93
Kurzfristige Ziele Vorteile durch Offshoring, die sich möglichst sofort einstellen sollen. Langfristige Ziele Vorteile, die sich im Projektverlauf einstellen sollen. Um das Eintreten dieser sicherstellen zu können, ist zusätzlicher Managementaufwand notwendig. Barrieren Nachteile, die ein Offshoring als nicht sinnvoll erscheinen lassen.
Ziele
Zusätzlich zur Zieldefinition können jedem Ziel kritische Erfolgsfaktoren zugeordnet werden. Bei der Identifikation entsprechender Faktoren empfiehlt Aalders (2001: 28), in Anlehnung an die Balanced Scorecard, unterschiedliche Perspektiven (z. B. Finanzen, Mitarbeiter, interne Geschäftsprozesse sowie Lernen & Wachstum) zu berücksichtigen. Zudem sollten für jedes Ziel auch mögliche negative Implikationen betrachtet werden. In diesem Zusammenhang empfiehlt Aalders (2001: 18) für jedes festgelegte Ziel die wichtigsten positiven und negativen Implikationen zu untersuchen (siehe Beispiel in Abbildung 19). Verfügbarkeit des Netzes von 99,7 % Servicezeit von täglich 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Implikationen
Positiv • Erhöhung der Mitarbeiterproduktivität um 25 % • Weniger Belastung der Kunden durch Ausfallzeiten des Netzes • Mitarbeiterzufriedenheit steigt und Fluktuationsrate sinkt
Negativ • Eigene Vermögensgegenstände werden unter Wert verkauft • Abhängigkeit von der Netzverfügbarkeit des OffhoreAnbieters • Mehrkosten für zusätzliche Verfügbarkeitsstunden • Netzstörung während der Migration Quelle: Aalders (2001: 19)
Abbildung 19: Untersuchung der Zielimplikationen
94
7 Strategiedefinition
Grundsätzlich kommt der Ableitung der Ziele aus der Offshoring-Vision eine besondere Bedeutung zu. Diese dienen als Basis für eine Vielzahl der Folgeaktionen. So beeinflussen sie die Wahl der Leistungs-, Gestaltungsund Organisationsform des Offshore-Projekts, die Bestimmung der konkret auszulagernden Tätigkeiten sowie die Standort- und Providerauswahl. Zudem stellen die mit dem Offshoring verbundenen Unternehmensziele die Grundlage für die Bewertung des Projekterfolgs dar (Sparrow, 2003: 35). Unter anderem aus diesen Gründen ist die Kenntnis der konkreten Ziele Grundvoraussetzung für die Festlegung der Offshoring-Strategie (Söbbing, 2002: 56).
7.3
Strategie
Bereits bei der Strategiedefinition muss sich der potenzielle Auftraggeber die Frage stellen, wie er die bestehende Offshoring-Vision und die damit verbundenen Ziele konkretisieren und verwirklichen kann. Hierzu empfiehlt Söbbing (2002: 54-56) die Erstellung eines Fragenkatalogs, der unter anderem die folgenden Fragestellungen abdecken sollte: x
x
x x x x x x etc.
Welche Leistungsform soll Inhalt des Projekts sein? (z. B. Auslagerung von Infrastrukturdiensten oder Geschäftsprozessen) Welche Organisationsform soll gewählt werden? (z. B. Aufbau einer ausländischen Tochter, Kooperation mit Provider) Welche Gestaltungsform bietet sich an? (z. B. Auslagerung von Teilen oder einer kompletten IT-Funktion) Welches Offshoring-Land eignet sich? (z. B. bereits existierende Erfahrungen mit Zielländern) Welche Provider stehen zur Verfügung? (z. B. Provider mit eindeutigen Branchenkenntnissen) Welche rechtlichen Fragen sind zu beachten? (z. B. steuerliche Vorzüge) Welche Vorgaben bestehen von Unternehmensseite? (z. B. Definition von Geschäfts- und/oder IT-Prozessen) Wie sieht der grobe Zeitplan des Projekts aus? (z. B. kurzfristige vs. langfristige Ausrichtung)
7.3 Strategie
95
Die Beantwortung des erarbeiteten Fragenkatalogs ist als ein erster Schritt in Richtung einer konkreten Offshoring-Strategie anzusehen (Söbbing, 2002: 56). Eine solche adressiert, in Anlehnung an den Fragenkatalog, im Wesentlichen die in der folgenden Abbildung dargestellten Aspekte. IT-Offshoring-Strategie Form
Land
Provider
Rechtliche Aspekte
Unternehmens -vorgaben
Zeitplan
Etc.
Quelle: in Anlehnung an Söbbing (2002: 54-56)
Abbildung 20: Aspekte einer IT-Offshoring-Strategie
Praxiserfahrung: Im Rahmen seiner Sourcing-Strategie legte ein schweizerischer Versicherungskonzern unter anderem fest, dass Offshore-Projekte zunächst nur eine maximale Laufzeit von zwölf Monaten aufweisen dürfen. Durch diese Einschränkung versuchte das Unternehmen zum einen Erfahrung mit dem IT-Offshoring zu sammeln und zum anderen die Auswirkungen eines möglichen Projektmisserfolgs gering zu halten. Des Weiteren definierte das Unternehmen für jedes Offshore-Projekt eine „Baseline“. Diese spiegelte insbesondere die kurzfristigen Ziele wider, die das Kundenunternehmen mit den entsprechenden Projekten verfolgte. Bei der Festlegung einer Offshoring-Strategie ist in jedem Fall darauf zu achten, dass diese nicht isoliert von der übergeordneten Unternehmensstrategie betrachtet wird. Vielmehr sollte sie als ein Teil der Gesamtstrategie des auslagernden Unternehmens angesehen werden (Cullen und Willcocks, 2003: 54). Es ist anzumerken, dass die hier aufgeführten Aspekte bezüglich der Strategiedefinition lediglich als ein loses Rahmenwerk für die Definition einer unternehmensspezifischen Offshoring-Strategie zu verstehen sind. Eine Empfehlung hinsichtlich der „besten“ Strategie kann aufgrund der Vielzahl an Einflussfaktoren nicht gegeben werden.
96
7 Strategiedefinition
Zusammenfassung: Zu Beginn eines Offshoring-Projekts gilt es, eine unternehmensspezifische Strategie zu entwickeln. Ausgangspunkt hierfür ist eine Vision (ein Ideal hinsichtlich der zukünftigen Unternehmungsentwicklung), die mit dem Projektvorhaben verbunden wird. Ob diese Vision in der Realität zu verwirklichen ist, spielt zunächst eine untergeordnete Rolle. In Abhängigkeit der Vision können Ziele festgelegt werden, die mithilfe des Projekts erreicht werden sollen. Diese dienen der vereinfachten Umsetzung der abstrakt formulierten Vision. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Ziele realistisch, messbar und in einem direkten Zusammenhang zum geplanten Auslagerungsprojekt stehen. Anhand der Ziele kann das Unternehmen letztendlich die zu verfolgende Strategie in Bezug auf die Auslandsverlagerung ableiten. Diese umfasst erste Überlegungen bezüglich der Projektform und der Länder- und Providerwahl sowie bezüglich rechtlicher Aspekte, bestehender Unternehmensvorgaben und des groben Zeitplans.
8
Make-or-Buy-Entscheidung
Die Make-or-Buy-Entscheidung lässt sich grundsätzlich in drei Phasen unterteilen: Die Identifikationsphase, die Analysephase und die Auswahlphase, die zugleich die eigentliche Make-or-Buy-Entscheidung enthält (siehe Abbildung 21). Analysephase
Realisierbarkeitsanalyse
Komplexität
Wirtschaftlichkeitsanalyse
Abgrenzbarkeit
Risikoanalyse
Schnittstellen
Marktanalyse
Drittunternehmen
Kernkompetenzen
Consultants
Onshore Outsourcing
Offshore Outsourcing
Joint Venture
Anforderungsanalyse Organisationsform
Strategische Bedeutung
Auswahlphase Balanced Scorecard
N/A
Shared Services
Offshore Shared Services
Interne Consultants
Zentrale ITTochter
Captive Offshore Outsourcing
Onsite
Onshore
Tochter
Identifikationsphase
Near-/ Offshore
Distanz
Quelle: Böhm (2003b)
Abbildung 21: Vorgehen bei der Make-or-Buy-Entscheidung
In der Identifikationsphase sind Auslagerungskandidaten, die sich grundsätzlich für eine Verlagerung in das Ausland eignen, zu identifizieren. In der sich anschließenden Analysephase empfiehlt es sich in Anlehnung an Böhm (2003b), die ausgewählten Tätigkeiten in Bezug auf die im Unternehmen bestehenden Anforderungen, die Realisierbarkeit, die Wirtschaftlichkeit und die hiermit verbundenen Risiken zu untersuchen. Zudem erfolgt eine erste Untersuchung des Offshoring-Markts im Hinblick auf die identifizierten Aktivitäten und Prozesse. Der relativ umfangreichen Analysephase schließt sich die Auswahlphase an. Im Fall einer externen Projektvergabe ist in dieser noch festzulegen, ob das Outsourcing-Projekt unter Zuhilfenahme eines inländischen oder eines ausländischen Partners abgewickelt werden soll.
8.1
Identifikationsphase
In einem ersten Schritt gilt es, diejenigen Aktivitäten bzw. Prozesse zu identifizieren, die sich grundsätzlich für eine Verlagerung in das Ausland eignen (Cullen und Willcocks, 2003: 34). Um eine bessere Strukturierung des Identifikationsprozesses zu ermöglichen, werden zunächst wesentliche Untersuchungskriterien aufgezeigt. Darüber hinaus werden Methoden und
98
8 Make-or-Buy-Entscheidung
Modelle dargestellt, die den Prozess der Identifikation so genannter Offshoring-Kandidaten zusätzlich unterstützen können.
8.1.1
Kriterien
In Bezug auf die Auswahl der auszulagernden Unternehmenstätigkeiten existiert eine Reihe von Kriterien, die im Rahmen der Identifikation der Offshoring-Kandidaten zu beachten sind. Anhand dieser kann der potenzielle Auftraggeber zunächst eine Vorauswahl derjenigen IT-Aktivitäten bzw. -Prozesse treffen, die sich grundsätzlich für eine Auslandsverlagerung eignen. In Anlehnung an Sparrow (2003: 48-49) und Mayer und Söbbing (2004: 94-95) sind hierbei im Wesentlichen die nachfolgenden Kriterien zu untersuchen. Tabelle 10: Wesentliche Identifikationskriterien Kriterium Strategische Bedeutung (Kernkompetenzen) Unternehmensbeitrag
Kurzbeschreibung Trägt die betrachtete Tätigkeit zur Wettbewerbsdifferenzierung bei? Ist die betrachtete Tätigkeit als kritisch für den Geschäftsbetrieb einzustufen?
Komplexität
Erfordert die betrachtete Tätigkeit eine hohe Interaktion?
Arbeitsintensität
Ist ein hoher Personalaufwand zur Durchführung der betrachteten Tätigkeit notwendig?
Abgrenzbarkeit
Lässt sich die betrachtete Tätigkeit klar von anderen Tätigkeiten abgrenzen?
Schnittstellen
Sind ausreichende Schnittstellen für die betrachtete Tätigkeit definiert?
Die in Tabelle 10 dargestellten Kriterien werden im Folgenden näher betrachtet.
8.1 Identifikationsphase
99
Strategische Bedeutung (Kernkompetenzen) Die strategische Bedeutung eines Projekts steht in einem engen Zusammenhang mit den Kernkompetenzen des Unternehmens. Diese Aktivitäten, die ein Unternehmen von Wettbewerbern differenzieren, sollten in der Regel nicht Gegenstand eines Offshore-Projekts sein (Mayer und Söbbing, 2004: 21). Auf diese Weise kann eine Unternehmung flexibler auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren und die betroffenen Tätigkeiten entsprechend anpassen. Ein großes Risiko bezüglich der Auslagerung von Kernkompetenzen besteht zudem in der fehlenden Transparenz und den daraus resultierenden, eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten (Mayer und Söbbing, 2004: 94). Unter anderem aus diesen Gründen empfiehlt es sich hinsichtlich der Kernaktivitäten eines Unternehmens, von einer Verlagerung in das Ausland abzusehen. Bezüglich der strategischen Bedeutung von IT-Leistungen ist zusätzlich zu beachten, dass sich die strategische Unternehmensausrichtung im Zeitverlauf verändern kann. Aus diesem Grund empfiehlt Sparrow (2003: 48-49) in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob die intern abgewickelten Aktivitäten bzw. Prozesse nach wie vor eine Kernkompetenz darstellen und umgekehrt. Unternehmensbeitrag Der Beitrag einer Tätigkeit für den Geschäftsbetrieb sollte bei der Auswahl der Offshoring-Kandidaten berücksichtigt werden (Lacity und Willcocks, 2001: 188). Dienstleistungen, die einen wesentlichen Beitrag zum Ablauf kritischer Unternehmensprozesse leisten, sollten in der Regel im Unternehmen verbleiben. Im Gegensatz hierzu sind Aktivitäten und Prozesse, die als eher unkritisch für den Geschäftsbetrieb einzustufen sind, in vielen Fällen gut für eine Vergabe an einen externen Dienstleister geeignet. Stellt eine IT-Tätigkeit eine Kernkompetenz des Unternehmens bzw. einen Teil einer solchen dar und ist diese zugleich als kritisch für den Geschäftsbetrieb einzustufen, sollte sich die Unternehmung in jedem Fall gegen eine Fremdvergabe entscheiden. Lacity und Willcocks (2001: 188) sprechen in diesem Zusammenhang von so genannten „Critical Differentiators“. Komplexität Besonders geeignet für eine Kooperation mit einem ausländischen ServiceProvider sind Projekte, die eine geringe fachliche Komplexität aufweisen.
100
8 Make-or-Buy-Entscheidung
In den meisten Fällen handelt es sich hierbei um Projekte mit einem technischen Schwerpunkt. An dieser Stelle sei noch grundsätzlich angemerkt: Je besser die auszulagernden Aktivitäten dokumentiert sind, desto einfacher können auch komplexere IT-Projekte ausgelagert werden (Beeler, 2004). Ein Beispiel hierfür stellt die eigenständige Entwicklung von Individualsoftware durch einen Offshore-Anbieter dar (Mayer und Söbbing, 2004: 95). Arbeitsintensität Aufgrund des momentan bestehenden Lohngefälles zwischen Industrienationen wie Deutschland und Offshore-Ländern wie Indien sind besonders arbeitsintensive Tätigkeiten, wie z. B. das Testen von Softwareapplikationen, beliebte Kandidaten für Offshoring-Projekte (Robinson und Kalakota, 2004: 216). In Übereinstimmung hiermit raten unter anderem Mayer und Söbbing (2004: 95) aufgrund der geringen Arbeitsintensität von der Auslandsverlagerung des Betriebs eines Rechenzentrums ab. Abgrenzbarkeit Die Softwareentwicklung eignet sich aufgrund der Abgrenzbarkeit von anderen Aktivitäten ausgezeichnet für das Offshoring. Es handelt sich hierbei um eine in sich geschlossene Tätigkeit, die nicht in Wechselbeziehung zu anderen Unternehmensbereichen steht. Zudem bestehen in der Regel klar definierte Abnahmepunkte (Mayer und Söbbing, 2004: 95). Schnittstellen Verlagert ein Unternehmen komplette Geschäftsprozesse in das Ausland, spielt die Reintegration extern eingekaufter Leistungen und damit das Schnittstellenmanagement eine wichtige Rolle (Mayer und Söbbing, 2004: 95). Sind zum Zeitpunkt der Untersuchung keine ausreichenden Schnittstellen für die auszulagernden Tätigkeiten definiert, ist dies umgehend nachzuholen. Verursacht die Einrichtung der benötigten Schnittstellen zu hohe Zusatzkosten, sollte das Unternehmen in der Regel von einer Verlagerung der entsprechenden Aktivitäten bzw. Prozesse in das Ausland absehen. Es ist anzumerken, dass es sich bei den hier aufgeführten Identifikationskriterien lediglich um allgemein gültige Merkmale handelt, die es bei der Auswahl der auszulagernden Tätigkeiten zu beachten gilt. Unter Berücksichtigung der individuellen Unternehmenseigenschaften kann diese Liste
8.1 Identifikationsphase
101
um eine Vielzahl weiterer Kriterien ergänzt werden. Zusammenfassend kann allerdings festgehalten werden, dass sich insbesondere klar abgrenzbare, zeitintensive aber wertschöpfungsarme und langfristig erfüllbare Leistungen für die Vergabe an einen ausländischen Dienstleister eignen (Rack, 2001). Praxiserfahrung: Den Erfahrungen von NIIT Technologies zufolge eignen sich insbesondere personalintensive Tätigkeiten, die einen relativen geringen Kommunikationsaufwand erfordern, für eine Auslandsverlagerung. Beispiele hierfür stellen die Kodierung und das Testen im Rahmen von Softwareentwicklungsprojekten dar. Hingegen eignen sich Tätigkeiten, die ein umfassendes Business- und/oder Prozess-Know-how auf Providerseite erfordern (z. B. die Erstellung des Fachkonzepts), nur bedingt für eine Verlagerung in das Ausland. Hier mangelt es den Providern vielfach an dem notwendigen Fachwissen. Zudem sollte es möglich sein, die durch den Offshore-Provider zu erbringenden Leistungen möglichst präzise zu spezifizieren. Die Bereitstellung entsprechender Vorgaben durch den Kunden ist auch von Seiten des ausländischen Dienstleisters erwünscht. Liegt eine genaue Projektspezifikation vor, kann der Provider seine Stärken, wie z. B. standardisierte und dokumentierte Entwicklungsprozesse, ausspielen und die Software exakt gemäß der Spezifikation implementieren.
8.1.2
Unterstützende Methoden bzw. Modelle
Zur Unterstützung des Identifikationsprozesses können eine Reihe von Methoden und Modelle herangezogen werden. Eine Auswahl dieser wird in Anlehnung an Mayer und Söbbing (2004: 51-55) in Tabelle 11 kurz dargestellt. Die Wertkettenanalyse kann neben der Untersuchung der strategischen Bedeutung einzelner Unternehmensfunktionen für das Gesamtunternehmen (Sparrow, 2003: 50) wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Komplexität und der Abgrenzbarkeit der potenziellen Auslagerungskandidaten liefern. Darüber hinaus kann sie die Schnittstellen zwischen den betrachteten Unternehmensaktivitäten aufzeigen. Folglich lassen sich unter Zuhilfe-
102
8 Make-or-Buy-Entscheidung
nahme der Wertkettenanalyse alle genannten Eignungskriterien aus Projektsicht überprüfen. Tabelle 11: Methoden/Modelle zur Unterstützung der Identifikationsphase Methode bzw. Modell
Kurzbeschreibung
Wertkettenanalyse
Mithilfe dieser Analysemethode lassen sich die bestehenden Auslagerungsoptionen systematisch identifizieren. Die Wertkettenanalyse sieht eine Zerlegung der Unternehmung in ihre wichtigsten, wertschöpfenden Aktivitäten vor. Als Wertschöpfungsaktivität wird in diesem Zusammenhang eine abgrenzbare Tätigkeit bezeichnet (Mertens, Bodendorf, König, Picot und Schumann, 2001: 202-203).
Kernkompetenzmodell
Das Kernkompetenzmodell setzt sich mit der strategischen Bedeutung der Auslagerungskandidaten auseinander. Hierzu werden unterschiedliche Bewertungskriterien aufgestellt, anhand deren beurteilt wird, ob die betrachtete Funktion zu den Kernkompetenzen der Unternehmung gehört.
Ressourcenmodell
Das Ressourcenmodell beschäftigt sich im Wesentlichen mit Fragestellungen in Bezug auf die Austauschbarkeit der auszulagernden ITFunktionen (z. B. „Ist die Erbringung durch Dritte mit hohen Schwierigkeiten oder Kosten verbunden?“), die Verfügbarkeit der benötigten Ressourcen (z. B. „Sind die erforderlichen Ressourcen beliebig auf dem Markt verfügbar?“) sowie das Bestehen von Nachahmungshürden (z. B. „Trägt eine Funktion zur Abwehr von Bedrohungen bei?“). Nach dieser Betrachtungsweise sollten nur Ressourcen, die Werte schaffen, im Unternehmen verbleiben.
8.2 Analysephase
103
Transaktionskostenmodell
8.2
Das Transaktionskostenmodell geht davon aus, dass neben den direkten Kosten für die Leistungserbringung die Wechselwirkungen mit anderen Leistungen für den Unternehmenserfolg ausschlaggebend sein können. Demnach umfassen die Transaktionskosten auch indirekte Kosten, die nicht unmittelbar bei der Leistungserbringung entstehen. Die Betrachtung der Transaktionskosten im Rahmen der Entscheidungsunterstützung bietet sich insbesondere bei zunehmendem Wettbewerb und abnehmender Markttransparenz an.
Analysephase
Zur genaueren Betrachtung der identifizierten Auslagerungskandidaten können verschiedenartige Analysemethoden eingesetzt werden. Als Basis der einzelnen Untersuchungen ist zunächst eine umfangreiche Ist-Analyse durchzuführen.
IST-Analyse
Anforderungsanalyse Realisierbarkeitsanalyse Wirtschaftlichkeitsanalyse Risikoanalyse Marktanalyse
Abbildung 22: Ablauf der Analysephase
Auf Basis der Ist-Analyse sollte das Unternehmen in einem ersten Schritt mithilfe einer Anforderungsanalyse untersuchen, welche konkreten Anforderungen an die identifizierten Offshoring-Kandidaten im Unternehmen
104
8 Make-or-Buy-Entscheidung
bestehen. Im Anschluss daran sind die zur Auswahl stehenden Tätigkeiten in Verbindung mit den zugehörigen Anforderungen einer Realisierbarkeitsanalyse zu unterziehen. Hierbei wird überprüft, ob eine Verlagerung der entsprechenden Leistungen in das Ausland machbar ist. In einem nächsten Schritt sollte eine umfangreiche Wirtschaftlichkeitsanalyse der Offshoring-Kandidaten durchgeführt werden. Aufgrund der meist kostengetriebenen Beweggründe für die Inbetrachtnahme einer OffshoringAlternative kann diese als Kern der Analysephase bezeichnet werden. Des Weiteren gilt es, die mit einer Auslandsverlagerung verbundenen Unsicherheiten in Form einer Risikoanalyse zu betrachten. Zudem sollte der zukünftige Auftraggeber bereits in der Analysephase mit der Sondierung des globalen Dienstleistermarkts beginnen. Hierbei kann er entweder selbst oder alternativ eine durch ihn beauftragte Unternehmensberatung eine Marktanalyse vornehmen. Praxiserfahrung: Als Entscheidungsbasis für eine geplante IT-Offshoring-Initiative entwickelte ein schweizerischer Versicherungskonzern einen umfassenden Business Case. Neben einer detaillierten Diskussion der Zielsetzung einer solchen Initiative beinhaltete der Business Case in erster Linie eine Analyse bestehender Chancen und Risiken sowie eine Einschätzung potenzieller Kosteneinsparungen unterschiedlicher Projektalternativen. Im Rahmen der Kostenanalyse wurde verstärkt ein Augenmerk auf die so genannten „versteckten“ Kosten (z. B. durch den erhöhten Kommunikations- und Koordinationsaufwand sowie Effizienzverluste) gelegt. Des Weiteren wurden die Anforderungen jedes einzelnen Projektvorhabens hinsichtlich des Schutzes und der Sicherheit sensitiver Unternehmensdaten analysiert. Aufbauend auf der durchgeführten Anforderungs-, Kosten- und Risikoanalyse wurde letztendlich für jede Projektalternative der zu erwartende Mehrwert für das Unternehmen eingeschätzt.
8.2.1
Anforderungsanalyse
Die Anforderungsanalyse beschäftigt sich mit den Ansprüchen des auslagernden Unternehmens bezüglich der Leistungserbringung durch den ausländischen Serviceanbieter. In diesem Zusammenhang gilt es zunächst, die Wiederherstellung des bisherigen Ist-Zustands zu gewährleisten. Unternehmensmitarbeiter und -kunden sollten im Hinblick auf den Umfang und
8.2 Analysephase
105
die Qualität der auszulagernden Leistungen auf keinen Fall einen Unterschied im Vergleich zur bisherigen Leistungserbringung bemerken. Daher ist es wichtig, die bestehenden Anforderungen an die betroffenen Services zu analysieren und zu dokumentieren. Darüber hinaus streben zahlreiche Unternehmen mit der Übertragung von Dienstleistungen auf einen externen Offshore-Anbieter eine Verbesserung bzw. Erweiterung des Leistungsportfolios an. In diesem Fall gilt es, die zusätzlichen Anforderungen der Unternehmung zu untersuchen und schriftlich festzuhalten. Diese Vorarbeiten können als Grundlage für die Vereinbarung der SLAs im Rahmen der Vertragsverhandlungen dienen. Bei der Analyse der Unternehmensanforderungen können nach Sparrow (2003: 55) – unabhängig von dem betrachteten Auslagerungskandidaten – die folgenden Informationsquellen herangezogen werden. Diese lassen sich in Bezug auf den Ort der Datenerhebung in interne und externe Quellen untergliedern: x
x
Interne Informationsquellen Hierzu gehören unter anderem die Einrichtung interner Diskussionsrunden, die Befragung der betroffenen Mitarbeiter und die Berücksichtigung von unternehmensinternen Richtlinien und Dokumentationen. Des Weiteren kann der potenzielle OffshoringKunde auch interne Benchmarks in Auftrag geben. Externe Informationsquellen In diesem Kontext sind vorwiegend die Erstellung externer Benchmarks sowie die Durchführung von Kundenumfragen und Expertengesprächen zu nennen.
In der Regel sollte das auslagernde Unternehmen auf möglichst viele Informationsquellen zurückgreifen, um eine ausgeglichene Sammlung von Anforderungen zu erhalten (Sparrow, 2003: 55). Hierbei lassen sich mithilfe interner Informationsquellen (z. B. Mitarbeiterdiskussionen) in erster Linie die allgemeinen Nutzeranforderungen bezüglich der betrachteten ITServices identifizieren. Zusätzlich hierzu können unter Zuhilfenahme externer Quellen (z. B. externe Benchmarks) bisher nicht berücksichtigte Potenziale einer externen Leistungserbringung aufgedeckt werden. In diesem Zusammenhang bietet sich insbesondere das externe Benchmarking an. Dieses zielt auf die realisierbaren Verbesserungspotenziale interner
106
8 Make-or-Buy-Entscheidung
Dienstleistungen gegenüber etablierten Industriestandards und Best Practices anderer Unternehmen ab (Sparrow, 2003: 51-52).
8.2.2
Realisierbarkeitsanalyse
Im Rahmen der Realisierbarkeitsanalyse untersucht das Unternehmen die Übertragbarkeit der identifizierten Auslagerungskandidaten in das Ausland (TransCrit, 2004). Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der IstAnalyse werden hierbei schwerpunktmäßig die bestehende IT-Infrastruktur sowie die internen Prozessabläufe betrachtet. Identifiziert das Unternehmen in diesem Zusammenhang technische bzw. prozessbezogene Hindernisse, muss es sich mit den notwendigen Erweiterungen bzw. Anpassungen der IT- und Prozesslandschaft auseinander setzen. In Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 66) sollte sich die Realisierbarkeitsanalyse im Wesentlichen mit den folgenden Aspekten auseinander setzen: x x x
Unternehmensinfrastruktur Unternehmensprozesse Unternehmensmitarbeiter
Der Leistungsfähigkeit der technischen Infrastruktur kommt aufgrund der großen Entfernungen beim Offshoring eine besondere Bedeutung zu (TransCrit, 2004). Insbesondere die Vernetzung der unterschiedlichen Projektstandorte zur Kommunikation zwischen den Mitarbeiterteams ist an dieser Stelle hervorzuheben. Mithilfe der Realisierbarkeitsanalyse können die Investitionen, die zum Aufbau einer angemessen Kommunikationsinfrastruktur erforderlich sind, abgeschätzt werden. Darüber hinaus sollte die Realisierbarkeitsanalyse die vorherrschenden Geschäftsabläufe des zukünftigen Offshoring-Kunden betrachten. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Prozesse klar strukturiert und dokumentiert sind. Ist dies nicht der Fall, kann es zu erheblichen Komplikationen beim Zusammenspiel mit ausländischen Anbietern kommen. Diese sind in vielen Fällen nach CMM Level 4 oder höher zertifiziert, während in Deutschland nur wenige Unternehmen eine ähnlich hohe Qualitätszertifizierung vorweisen können. Daher sollte die Mehrheit der deutschen Unternehmen zunächst eine Standardisierung und Optimierung der internen Prozessabläufe durchführen, bevor sie eine Offshore-Kooperation eingehen. Exper-
8.2 Analysephase
107
ten nennen im Hinblick auf CMM zwei Qualitätsstufen als maximale Differenz zwischen den Projektpartnern (Overby, 2003b). Ansonsten erfordert die Abstimmung der unternehmensspezifischen Geschäftsabläufe der Offshoring-Partner einen zu hohen Koordinationsaufwand. Ein weiterer Aspekt der Realisierbarkeitsanalyse stellt die Untersuchung der inneren Bereitschaft der Unternehmensmitarbeiter in Bezug auf die Durchführung eines Offshore-Projekts dar (TransCrit, 2004). Viele Mitarbeiter empfinden die bevorstehende Auslandsverlagerung als eine ernstzunehmende Bedrohung ihres Arbeitsplatzes. Daher gilt es, die Mitarbeiter bereits im Vorfeld einer Offshoring-Initiative umfassend hinsichtlich der hiermit verbundenen Folgen aufzuklären. Verfügt eine solche Initiative über eine unzureichende Akzeptanz bei den Mitarbeitern, ist diese in den meisten Fällen zum Scheitern verurteilt. Aus diesem Grund ist es wichtig, zunächst die innere Bereitschaft der Unternehmensmitarbeiter zur Zusammenarbeit mit einem ausländischen Dienstleister zu schaffen, bevor weitere Schritte in Richtung Auslandsverlagerung unternommen werden können. Als Ergebnis der Realisierbarkeitsanalyse kann nach Kobayashi-Hillary (2004: 211) eine Einordnung der Offshoring-Kandidaten in sehr gut geeignete (geringer Migrationsaufwand), geeignete (mittlerer Aufwand) und ungeeignete Tätigkeiten (hoher Aufwand) erfolgen.
8.2.3
Wirtschaftlichkeitsanalyse
Die Verlagerung von Unternehmenstätigkeiten wird in vielen Fällen mit den zu erwartenden Kosteneinsparungen begründet. Aus diesem Grund kann die Wirtschaftlichkeitsanalyse als der wichtigste Bestandteil der Analysephase betrachtet werden. Zur Untersuchung der Wirtschaftlichkeit eines Offshore-Projekts existiert eine Vielzahl von Ansätzen. Der am weitesten verbreitete Bewertungsansatz sind die Total Cost of Offshoring. Dieser Ansatz bewertet die Gesamtkosten, die durch eine Verlagerung von Unternehmenstätigkeiten in das Ausland entstehen. Diese werden im Anschluss zumeist den TCO gegenübergestellt (Cullen und Willcocks, 2003: 63-65). Zur Beurteilung der Rentabilität eines Offshore-Projekts kann der Return on Offshoring (RoO) betrachtet werden. Diese Kennzahl stellt eine Abwandlung des klassischen Return on Investment (RoI) dar. Neben dem
108
8 Make-or-Buy-Entscheidung
RoO existiert eine Reihe weiterer Kennzahlen, die in der Praxis zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Offshore-Projekts herangezogen werden. Die bedeutendsten Alternativen sind nach Sparrow (2003: 58-59) der Net Present Value (NPV), die Internal Rate of Return (IRR) und die Amortisationsdauer. Total Cost of Ownership
Total Cost of Offshoring
Einmalige Kosten Koordinationskosten Wissenstransfer Interne Anpassung Projektspezifikation Providerauswahl Vertrag Transition Mitarbeiterfreisetzung
Infrastrukturkosten Kommunikationsinfrastruktur Hardware-/Softwareinfrastruktur Physische Infrastruktur
Wiederkehrende Kosten Arbeitskosten Service-Provider Beratungsunternehmen
Betriebskosten Leistungsmessung Relationship Management Kommunikation Reise und Verpflegung
Gesamtkosten:
Abbildung 23: TCO vs. Total Cost of Offshoring
Total Cost of Offshoring Die Total Cost of Offshoring setzen sich aus einer Vielzahl von Kostenblöcken (siehe Kapitel 4) zusammen. Hierbei sind auch die „versteckten“ Kosten in Bezug auf die Projektkoordination und den Umgang mit den
8.2 Analysephase
109
kulturellen Unterschieden zu beachten. Diese können im Extremfall die im Vorfeld einer Offshoring-Initiative berechneten Einsparungen vollständig „verpuffen“ lassen (Böhm, 2003a). Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsanalyse errechnet der potenzielle Auftraggeber in der Regel zunächst die Gesamtkosten für die interne Erbringung der identifizierten Offshoring-Kandidaten, den so genannten „Base Case“ (Cullen und Willcocks, 2003: 63). Als Kostenmaß hierfür werden in der Regel die TCO herangezogen (Söbbing, 2002: 65). In einem zweiten Schritt werden den TCO dann die Total Cost of Offshoring gegenübergestellt (siehe Abbildung 23). Erschwert wird die Gegenüberstellung der beiden Kostenmaße durch die notwendige Berücksichtigung der möglichen Verbesserungspotenziale auf Auftraggeberseite (Lacity und Willcocks, 2001: 194), der anfallenden Migrationskosten und der Gewinnaufschläge durch den Dienstleister (Grebe, Kottmann und Nettesheim, 2003). Die hiermit verbundene Problematik wird in der folgenden Abbildung aufgezeigt.
Quelle: Lacity und Willcocks (2001: 194) und Grebe et al. (2004)
Abbildung 24: Kritische Begutachtung potenzieller Kostenvorteile
Hinsichtlich der Ermittlung der TCO kann es sich zudem als problematisch erweisen, dass die zu ermittelnden Kosten entweder nicht bekannt sind oder Unternehmensmitarbeiter bewusst einen zu geringen Wert angeben. Auf diese Weise versuchen die Mitarbeiter, die unbeliebte Fremdvergabe der betrachteten Unternehmensaktivitäten bzw. -prozesse zu verhindern.
110
8 Make-or-Buy-Entscheidung
Die Angabe eines zu niedrigen TCO kann allerdings erhebliche Folgen nach sich ziehen. Beispielsweise könnte der CIO mit einer drastischen Kürzung des Budgets für die folgenden Geschäftsjahre reagieren (Bräutigam, 2004: 135).
8.2.4
Risikoanalyse
Zur Sicherstellung eines reibungslosen Projektablaufs gilt es, bereits in der Analysephase potenzielle Risikofaktoren zu identifizieren. Dies passiert im Rahmen der Risikoanalyse. Hierbei untersucht der zukünftige OffshoringKunde die Übertragung der entsprechenden Auslagerungskandidaten bezüglich möglicher Hemmfaktoren, die im Extremfall zu einem Scheitern des Offshore-Projekts führen können. Unabhängig von dem konkreten Auslagerungsprojekt ist das IT-Outsourcing im Allgemeinen mit dem Risiko einer Nicht- bzw. Schlechterfüllung durch den beauftragten Dienstleister verbunden (TransCrit, 2004). Diese Problematik ist beim Offshore-Outsourcing aufgrund der erschwerten Kommunikation und den kulturellen Unterschieden zwischen den Projektpartnern noch kritischer zu bewerten. Hinzu kommt, dass die bestehenden Gefahrenpunkte in den seltensten Fällen vollständig beseitigt werden können. Vielmehr kann der potenzielle Auftraggeber nur versuchen, diese mittels eines angemessenen Planungsaufwands und einer intensiven Vorbereitung der internen Mitarbeiter zu minimieren. Als Faustregel lässt sich in diesem Zusammenhang festhalten: Umso größer das Potenzial (z. B. Kosteneinsparungen, Qualitätsverbesserung) eines Offshoring-Kandidaten eingeschätzt werden kann, desto geringer ist das Risiko, das mit einer Verlagerung dieser Tätigkeit in das Ausland verbunden ist (Dubey, 2003: 34). Als weitere Risikofaktoren erweisen sich insbesondere eine fehlende Kompatibilität der Prozessabläufe sowie eine unzureichende Planung des Know-how-Transfers zwischen den Prozessbeteiligten (TransCrit, 2004). Folglich sollte das Unternehmen bereits vor Projektbeginn eine Anpassung der internen Prozesse an weltweit etablierte Prozessstandards (z. B. ITIL) vornehmen und einen erheblichen Mehraufwand für die Planung des Offshore-Projekts einberechnen. Zusätzlich zur Identifikation von Risiken bei der Auslandsverlagerung von Unternehmensaktivitäten bzw. -prozessen sollte der zukünftige Offshoring-Kunde im Rahmen der Risikoanalyse unterschiedliche Handlungsop-
8.3 Auswahlphase
111
tionen erarbeiten. Die entwickelten Alternativstrategien können innerhalb eines Business Case gegenübergestellt und bewertet werden.
8.2.5
Marktanalyse
Die Marktanalyse beruht in vielen Fällen nahezu ausnahmslos auf öffentlich zugänglichen Informationen (Aalders, 2001: 74) sowie auf durch den Offshore-Anbieter bereitgestellten Daten (beispielsweise im Rahmen eines Request for Information). Aufgrund der hiermit verbundenen Unsicherheit der aktuellen Entscheidungsbasis bietet es sich an, zusätzlich eine marktorientierte Evaluierung vorzunehmen. Hierfür eignen sich unter anderem die Durchführung einer Wettbewerbsanalyse oder der Einsatz des externen Benchmarking. Zur Umsetzung dieser oder ähnlicher Analysemethoden greifen Unternehmen in den meisten Fällen auf Marktforschungsinstitute oder Beratungsunternehmen zurück. Mithilfe der Marktanalyse versucht sich das auslagernde Unternehmen einen ersten Überblick über die am globalen Outsourcing-Markt angebotenen Dienstleistungen zu verschaffen. Zudem sollten im Rahmen dieser Analyseform die Besonderheiten der unterschiedlichen OffshoringStandorte untersucht sowie die generell in Frage kommenden IT-Dienstleister ausgewählt werden. Hierbei kann das Unternehmen überprüfen, ob die gewünschten Leistungen überhaupt am IT-Offshoring-Markt erhältlich sind. Möglicherweise strebt das Unternehmen die Verlagerung von Services an, die in dieser Form nicht angeboten werden.
8.3
Auswahlphase
Im Anschluss an die Analysephase sollte der zukünftige Offshoring-Kunde in der Lage sein, durch die eigentliche Make-or-Buy-Entscheidung festzulegen, welche IT-Aktivitäten bzw. -Prozesse er weiterhin selbst betreiben und welche er von externen Anbietern zukaufen möchte (Söbbing, 2002: 65). Hierbei ist zu beachten, dass das auslagernde Unternehmen die getroffene Entscheidung mit zunehmendem Projektfortschritt regelmäßig überprüfen sollte. Demnach wird die Make-or-Buy-Entscheidung im Verlauf der Planungsphase eines Offshore-Projekts in vielen Fällen nicht nur einmal diskutiert (Bräutigam, 2004: 79).
112
8 Make-or-Buy-Entscheidung
Fremdunternehmen
Consultants
Onshore Outsourcing
Offshore Outsourcing
Joint Venture
n. a.
Shared Services
Offshore Shared Services
Tochter
Organisationsform
Risiko
Im Wesentlichen kann ein Unternehmen im Rahmen der OutsourcingEntscheidung, zwischen den in Abbildung 25 dargestellten Optionen wählen. Diesbezüglich ist anzumerken, dass eine Entscheidung entlang beider Dimensionen („Organisationsform“ und „Kooperationsmodell“) primär risiko- und kostengetrieben ist. D. h. beispielsweise, dass ein risikoaverser Entscheidungsträger eher eine Option im linken, unteren Bereich der Matrix auswählen wird, während sich ein risikofreudiger Entscheidungsträger vermutlich eher im rechten, oberen Bereich der Matrix bewegen wird. Gleiches gilt für ein Unternehmen, dessen primäres Ziel die Minimierung der IT-Kosten ist. Zur Vollständigkeit ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungsoptionen Tochterunternehmen und Joint Venture hinsichtlich der Dimension „Organisationsform“ in vielen Fällen ausschließlich Großunternehmen zur Verfügung stehen.
Interne Consultants
Zentrale ITTochter
Captive Offshore Outsourcing
Onsite
Onshore
Near-/ Offshore
Distanz Kosten Quelle: in Anlehnung an Kalakota und Robinson (2004: 33)
Abbildung 25: Entscheidungsmatrix11
11
Die abgebildete Matrix deckt den vollständigen Lösungsraum (inklusive einer Leistungserbringung innerhalb der Landesgrenzen) ab. Lediglich die rechte Matrixspalte bezieht sich daher explizit auf das Offshoring.
8.3 Auswahlphase
113
Praxiserfahrung: Zur Auswahl von Offshore-Projekten untersuchte ein schweizerischer Versicherungskonzern sein Applikationsportfolio anhand einer eigens hierfür entwickelten, zweidimensionalen Bewertungsmatrix mit den Dimensionen „Kosten“ sowie „Komplexität und Dynamik“. Mithilfe dieser Matrix erfolgte eine Einstufung der betrachteten Softwareapplikationen hinsichtlich ihrer Eignung für eine Auslandsverlagerung. Hierbei wurden insbesondere Applikationen, die hohe Kosten verursachen, ein geringes Business-Know-how erfordern, einer geringen Veränderungsrate unterliegen und über wenige, einfache Schnittstellen verfügen, als offshore-tauglich eingeordnet. Balanced Scorecard zur Entscheidungsunterstützung Zur Unterstützung der Outsourcing-Entscheidung kann zudem eine Balanced Scorecard entwickelt werden. Hierdurch soll in erster Linie die Strukturierung der Entscheidungskriterien erleichtert und eine fundierte Entscheidungsgrundlage geschaffen werden (Böhm, 2003b). Als Basis für die Balanced Scorecard dienen die Erkenntnisse der Analysephase. Diese können innerhalb der Balanced Scorecard, beispielsweise anhand der Dimensionen Finanzen, Mitarbeiter, Geschäftsprozesse sowie Lernen & Wachstum, systematisch betrachtet werden (Aalders, 2001: 28). Wird die Balanced Scorecard als Entscheidungsgrundlage genutzt, werden die festgelegten Entscheidungskriterien innerhalb der unterschiedlichen Dimensionen mit einem Gewichtungsfaktor belegt und bewertet. Anhand der Addition der gewichteten Bewertungen kann das Unternehmen entscheiden, ob eine Auslagerung der betrachteten Aktivitäten oder eine interne Leistungserbringung zu bevorzugen ist (TransCrit, 2004). Möchte das Unternehmen die entsprechenden Tätigkeiten extern einkaufen, gilt es, wie in der Entscheidungsmatrix bereits angedeutet, zudem zwischen der Beauftragung eines nationalen und der Beauftragung eines internationalen IT-Dienstleisters abzuwägen (Overby, 2003a).
Zusammenfassung: Im Rahmen der Make-or-Buy-Entscheidung sind in einem ersten Schritt diejenigen Tätigkeiten zu identifizieren, die sich grundsätzlich für eine
114
8 Make-or-Buy-Entscheidung
Verlagerung in das Ausland eignen (Identifikationsphase). Zur Strukturierung des Identifikationsprozesses können im Wesentlichen die folgenden Untersuchungskriterien herangezogen werden: Strategische Bedeutung, Kernkompetenzen, Komplexität, Abgrenzbarkeit und Schnittstellen. Zur weiteren Unterstützung des Identifikationsprozesses kann unter anderem auf folgende Methoden und Modelle zurückgegriffen werden: Wertkettenanalyse, Kernkompetenz-, Ressourcen- und Transaktionskostenmodell. In einem zweiten Schritt sind die identifizierten Offshoring-Kandidaten genauer zu untersuchen (Analysephase). Hierbei empfiehlt es sich folgende Analysen durchzuführen: Anforderungs-, Realisierbarkeits-, Wirtschaftlichkeits-, Risiko- und Marktanalyse. Als Basis dieser Analyseschritte sollte im Vorfeld eine umfangreiche Ist-Analyse durchgeführt worden sein. In einem letzten Schritt legt das Unternehmen fest, welche der betrachteten Tätigkeiten es weiterhin selbst abwickeln und welche es extern zukaufen möchte (Auswahlphase). Zusätzlich muss das Unternehmen in dieser Phase entscheiden, welche der zugekauften Leistungen von einem nationalen und welche von einem ausländischen Anbieter erbracht werden sollen.
9
Standortauswahl
Bevor sich die auslagernde Unternehmung auf einen ausländischen Kooperationspartner festlegt, sollte es zunächst potenzielle Zielländer einer umfangreichen Analyse unterziehen. Hierbei ist zusätzlich zu den geographischen, administrativen und wirtschaftlichen Aspekten insbesondere die kulturelle Distanz zu berücksichtigen (Ghemawat, 2001). Als führendes Offshore-Zielland ist zum jetzigen Zeitpunkt Indien zu nennen (siehe Abbildung 26). Eine aufstrebende Offshore- bzw. NearshoreRegion, die Indien diese Position in Zukunft streitig machen könnte, ist aus deutscher Sicht Russland. Indien
18
Russland
10
Rumänien
8
Ukraine
5
Ungarn
4 0
5
Nennungen
10
15
20
Quelle: in Anlehnung an Moczadlo (2004)
Abbildung 26: Führende Nearshore- und Offshore-Regionen12
Als Hilfestellung bei der Standortauswahl können so genannte CountryRatings betrachtet werden. Diese Verfahren sind zwar nicht Offshoringspezifisch, können aber einen ersten Eindruck hinsichtlich der standortspezifischen Besonderheiten potenzieller Offshore-Zielländer vermitteln. Zur Vertiefung der Länderanalyse kann eine Vielzahl von Bewertungskrite-
12
Die aufgeführten Ergebnisse stammen aus einer Studie zum Thema OffshoreSoftwareentwicklung, an der sich im Zeitraum von Juli 2002 bis Oktober 2002 insgesamt 318 Unternehmen beteiligten (Moczadlo, 2004).
116
9 Standortauswahl
rien herangezogen werden. Aus diesen sind die für den OffshoringKunden relevanten Kriterien zu identifizieren und zu bewerten. Um den Auswahlprozess für den potenziellen Auftraggeber zu vereinfachen, werden im letzten Abschnitt dieses Kapitels Länderprofile der aus deutscher Sicht beliebtesten Offshore- und Nearshore-Standorte vorgestellt.
9.1
Country-Ratings
Zur Früherkennung länderspezifischer Chancen und Risiken können im Vorfeld eines internationalen Outsourcing-Projekts eine Reihe von Country-Ratings betrachtet werden. Hierbei handelt es sich um externe Informationsquellen, die im Allgemeinen zur Beurteilung, Beobachtung und Kontrolle von Auslandsmärkten eingesetzt werden. Die Aufgabe der Country-Ratings besteht darin, politische und wirtschaftliche Chancen bzw. Risiken, die typischerweise mit einem Land verbunden sind, aufzuzeigen. Hierbei liegt der Fokus nicht auf der volkswirtschaftlichen Betrachtung eines Landes, sondern vielmehr auf der Beurteilung der Rentabilität von Auslandsinvestitionen. Als Ergebnis eines Country-Ratings ergibt sich ein Ranking der betrachteten Länder (Krystek und Walldorf, 2002: 652). Zu den bekanntesten Country-Ratings gehören nach Krystek und Walldorf (2002: 653) die folgenden Länderbewertungsverfahren: x x x x
mm-Ländertest Business Environment Risk Index (BERI) Länder-Rating des „Institutional Investor“ Euromoney
Stellvertretend für die unterschiedlichen Country-Ratings wird im Anschluss das BERI-Verfahren kurz skizziert: Das BERI-Rating wurde im Jahre 1968 durch das gleichnamige Institut in Genf (Schweiz) entwickelt. Das primäre Ziel dieses Verfahrens besteht in der Früherkennung und der Bewertung länderspezifischer Risiken. Hierzu werden quantitative und qualitative Methoden kombiniert, um das Investitionsrisiko des betrachteten Landes mithilfe einer Indexzahl ausdrücken zu können. Der Risikoindex ergibt sich aus den drei Einzelindizes der in
9.2 Bewertungskriterien
117
Abbildung 27 aufgezeigten Risikobereiche (Geschäftsklima, politische Stabilität und Transferrisiko).
Abbildung 27: BERI
9.2
Bewertungskriterien
Dem Export von Outsourcing-Dienstleistungen werden in den meisten Offshore-Ländern erhebliche Wachstumschancen zugesagt. Hiervon könnte nicht zuletzt die Volkswirtschaft dieser Länder profitieren. Zur Stärkung ihrer Marktposition auf dem globalen Dienstleistungsmarkt haben viele Offshore-Regionen Organisationen gegründet, die die einheimischen ITDienstleister weltweit vermarkten. Beispiele hierfür sind die NASSCOM (www.nasscom.org) in Indien, die RUSSOFT (www.russoft.org) in Russland und die IDA (www.idaireland.com) in Irland (Mayer und Söbbing, 2004: 96). Diese Organisationen können insbesondere die Informationsgewinnung hinsichtlich des entsprechenden Ziellandes und der dort ansässigen Service-Provider vereinfachen (Böhm, 2003b). Zur Bewertung der in Frage kommenden Zielländer sollte der potenzielle Auftraggeber eine fundierte Analyse dieser Länder durchführen. In Anleh-
118
9 Standortauswahl
nung an Robinson und Kalakota (2004: 274) sowie Kobayashi-Hillary (2004: 137-141) empfiehlt sich hierbei eine Differenzierung zwischen der personen- und der standortbezogenen Attraktivität eines Landes (siehe Tabelle 12). Tabelle 12: Kriterien zur Länderbewertung
Standortbezogene Attraktivität
Personenbezogene Attraktivität
Kategorie Arbeit
Kriterien (Beispiele) Arbeitskräftepool, Lohnniveau
Sprache
Englisch- und Deutschkenntnisse
Bildung
Qualität des Bildungssystems
Kultur
Kulturunterschiede
Infrastruktur
Flughäfen, Straßen- und Schienennetz, Elektrizität, Telekommunikation
Politische und wirtschaftliche Stabilität
Regierung, Krieg, Streik, Terrorismus
Rechtliche Rahmenbedingungen
Copyright, Intellectual Property (IP)
Geographische Lage
Räumliche Entfernung, Zeitunterschied
In Abhängigkeit von der konkreten Ausgangssituation einer Unternehmung gilt es, die relevanten Kriterien zu bestimmen und anhand dieser den „besten“ Standort für das Offshoring-Vorhaben auszuwählen. In diese Entscheidung sollten auch bereits die in einem Zielland ansässigen ITDienstleister mit einfließen. Praxiserfahrung: Zwei Fallstudien (eine mit einem schweizerischen Versicherungskonzern und eine weitere mit einem deutschen Mittelständler aus der Chemieindustrie) zeigten, dass Unternehmen bei der Auswahl eines OffshoreZiellandes insbesondere die mit einem Land verbundenen Risikofaktoren untersuchen. In diesem Zusammenhang wurde vorwiegend die Infrastruk-
9.3 Länderprofile
119
tur sowie die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der in Frage kommenden Länder einer tiefer gehenden Analyse unterzogen. Zur Gewinnung von Informationen über die potenziellen Zielländer ihrer IT-Offshoring-Aktivitäten zogen beide Unternehmen sowohl externe Studien (z. B. von Gartner) als auch interne und externe Rechtsexperten heran.
9.3
Länderprofile
Zusätzlich zu Country-Ratings und der Analyse unterschiedlicher Offshoring-Standorte sollte das auslagernde Unternehmen mit den länderspezifischen Besonderheiten vertraut sein. Hierbei bietet sich eine Gegenüberstellung der potenziellen Auslagerungsstandorte unter Verwendung einheitlicher Kriterien an. Insbesondere die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die wichtigsten IT-Dienstleister der betrachteten Länder sollten hierbei Berücksichtigung finden. Abbildung 28 zeigt exemplarisch wie ein Vergleich internationaler Outsourcing-Standorte aussehen könnte. Tages- Flug- Zeitunter1 2 satz zeit schied
2
Referenzen
6-7 Std.
+ 4,5 Std.
• ISO 9000 (240 Firmen) • SEI-CMM Level 5 (46 Firmen) • People-CMM (neuer Standard)
• Mehrwertsteuerbefreiung • Einkommenssteuerbefreiung für Exportgewinne bis zum Jahr 2005 • 10 Jahre Steuerbefreiung für Joint Ventures
• IBM • American Express • Deutsche Bank etc.
150 USD
2-3 Std.
+ 1-2 Std.
• ISO 9000 (wenige Firmen) • SEI-CMM Level 5 (eine Firma)
• Mehrwertsteuerbefreiung • keine Steuerbefreiung fürJoint Ventures
• Motorola • Intel • Boeing etc.
170 USD
1-2 Std.
+ 1 Std.
• ISO 9000 (wenige Firmen) • SEI-CMM (nicht bekannt)
• Mehrwertsteuerbefreiung für exportierte Dienstleistungen • Steuersatz von 15 % auf Gewinne • 5 Jahre Steuerbefreiung für große Investoren
• Bentley • Ericsson etc.
Baltikum
1
Steuerregelungen
160 USD
Indien
Russland
Qualitätszertifikate
Richtgröße für einen IT-Spezialisten Flugzeit von Frankfurt
Quelle: in Anlehnung an TransCrit (2004)
Abbildung 28: Vergleich ausgewählter Offshore-Zielländer
In Zusammenhang mit der Standortauswahl ist anzumerken, dass sich die ausländischen Outsourcing-Standorte in der Regel in Nearshore- und Off-
120
9 Standortauswahl
shore-Regionen untergliedern lassen. Mit Nearshore-Regionen bezeichnet man aus der Sicht Deutschlands europäische Länder wie z. B. Russland oder Irland. Unter Offshore-Regionen versteht man in Mitteleuropa Länder wie z. B. Indien und China (Mayer und Söbbing, 2004: 90-91).
9.3.1
Nearshore-Regionen
Die Auslagerung von IT-Aktivitäten in das Ausland ist nicht auf weit entfernte Länder, wie beispielsweise Indien, beschränkt. Aufgrund der Nähe zum Standort Deutschland und der hiermit verbundenen Vereinfachung der Projektabwicklung wecken zunehmend so genannte Nearshore-Länder das Interesse potenzieller Kunden (Goolsby und Parrino, 2004). Betrachtet man Deutschland als Ausgangspunkt einer Auslandsverlagerung, existiert eine Reihe von Ländern, die als Kandidaten für das so genannte Nearshoring anzusehen sind (Mayer und Söbbing, 2004: 104). Die wichtigsten Nearshore-Länder werden im Rahmen dieses Abschnitts kurz vorgestellt. Russland Das bedeutendste Nearshore-Land stellt zum jetzigen Zeitpunkt Russland dar. Die russischen IT-Dienstleister werden sogar bereits als ernstzunehmende Konkurrenz für die indischen Service-Provider wahrgenommen. Beispielsweise konnten die russischen Nearshore-Anbieter eine Reihe von Kunden gewinnen, die vor einigen Jahren wahrscheinlich noch Indien als Zielland gewählt hätten. Weltbekannte Unternehmen, wie z. B. Boeing, Motorola oder Intel, kooperieren seit einiger Zeit mit russischen Firmen und profitieren dabei von dem Know-how ehemaliger Raketenspezialisten. Insbesondere die hervorragende Ausbildung der russischen Ingenieure erweist sich bei der Verlagerung von IT-Aktivitäten nach Russland als vorteilhaft. Durch die sich stetig verbessernde Auftragslage russischer Dienstleister konnte zudem die Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte aus Russland zumindest abgeschwächt werden (TransCrit, 2004). Zehntausende hoch qualifizierte russische Akademiker fanden in der IT-Branche eine neue Beschäftigung. Hinzu kommen jährlich 40.000 Universitätsabsolventen (Mayer und Söbbing, 2004: 106). Dies verdeutlicht bereits das enorme Potenzial, über das Russland als Zielland von OutsourcingAktivitäten verfügt.
9.3 Länderprofile
121
Russland
Geographische Daten
Makroökonomische Daten
Zeitunterschied zu MEZ
Hauptstadt
+ 2 Std.
Moskau
Bevölkerung
BIP pro Kopf (2003)
143,2 Mio.
3.025 USD
7,2 %
11,7 %
Korruptionsindex (Rang)
Exportländer (Mio. EUR) Deutschland 7,8 % Niederlande 6,5 % Italien 6,4 % VR China 6,2 % Qualitätszertifikate
Arbeitskräftepotenzial
Erwerbslosenquote (2003)
72,6 Mio.
7,9 %
126
Arbeitskosten (Entwickler/Jahr)
5.000-7.500 USD Wirtschaftliche Daten Größe der IT-Industrie 60-100 Mio. USD
1.517 ISO 9000 Zertifikate, 3 Unternehmen entsprechen CMM-Standard Nationale ITOrganisationen Inforus, National Software Development Alliance
IT-OutsourcingZentren Moskau, Novosibirsk, St. Petersburg BIP-Wachstum (2004)
Steuern und Recht Gesetze und Steuern behindern Wachstum, aber Verbesserung in Sicht Englischkenntnisse Schlecht
Direktflüge (von Frankfurt) Moskau 3 Std. St. Petersburg 3 Std. Inflationsrate (2004)
Expertengebiete Anwendungsentwicklung und Maintenance, Softwaremigration, Enterprise Application Integration, QA Testing, Standardsoftwareimplementierung Die größten ITOffshoring-Anbieter Fort-Ross IT Services, Luxoft, Novosoft, STAR SPB
Quelle: in Anlehnung an CIO (2002), o. V. (2005), Statistisches Bundesamt (2001, 2002, 2003, 2005) und Transparency International (2004)
Abbildung 29: Länderprofil Russland
Baltische Staaten Ähnliches wie für Russland gilt auch für das Baltikum (Lettland, Litauen und Estland). Im Vergleich zu Russland handelt es sich aber bei den baltischen Staaten, gemessen an den Bevölkerungszahlen, um Zwergstaaten. Diese versuchen momentan die Restrukturierung der nationalen Rahmenbedingungen voranzutreiben und sich von den Altlasten der Sowjetunion zu befreien. Die inländischen IT-Firmen werden zum jetzigen Zeitpunkt noch relativ stark von lokal ansässigen Unternehmen beansprucht. Neben den großen Dienstleistern existiert allerdings auch eine Reihe kleinerer Service-Pro-
122
9 Standortauswahl
vider, die bereits Projekte für westeuropäische Unternehmen durchgeführt haben (TransCrit, 2004). Baltische Staaten (Estland, Lettland, Litauen) Zeitunterschied zu MEZ
Hauptstadt
Geographische Estland Daten Lettland Litauen
1 Std. Tallin (Estland) 1 Std. Riga (Lettland) 0 Std. Vilnius (Litauen) BIP pro Kopf Bevölkerung (2003) Estland 5.470 EUR 7,0 Mio. Lettland 3.760 EUR Litauen 4.490 EUR Makroökonomische Korruptionsindex Exportländer Daten (Rang) (Mio. EUR) Deutschland 15,5 % Estland 27 Lettland 51 Großbritannien Litauen 44 14,6 % Schweden 10,5 % QualitätsArbeitskosten zertifikate Wenige Firmen 170 USD ISO-zertifiziert, Wirtschaftliche (E-Business SEI CMM Prozess Daten Spezialist pro Tag) nicht durchgesetzt Größe der Nationale ITIT-Industrie Organisationen k. A.
IT-OutsourcingZentren
Direktflüge (von Frankfurt)
Tallin 2,5 Std. Riga 2 Std. Vilnius 2 Std. BIP-Wachstum Inflationsrate (2004) (2004) 3,0 % Estland 7,8 % Estland 6,2 % Lettland 8,3 % Lettland 1,1 % Litauen 6,7 % Litauen ArbeitskräfteErwerbslosenquote potenzial (2004) k. A.
k. A.
Estland Lettland Litauen
9,2 % 9,8 % 10,8 %
Steuern und Expertengebiete Recht (Lettland) 5 Jahre Steuerbefreiung für Individuallösungen, Investoren ab be- Projektmanagement stimmten Volumen EnglischDie größten ITkenntnisse Offshoring-Anbieter
k. A.
Gut
k. A.
Quelle: in Anlehnung an Intec (2004), Statistisches Bundesamt (2003), Transcrit (2004) und Transparency International (2004)
Abbildung 30: Länderprofil Baltische Staaten
Als allgemein gültige Vorteile einer Fremdvergabe von Tätigkeiten in ein osteuropäisches Land erweisen sich nach Mayer und Söbbing (2004: 105) die folgenden Aspekte: x Relativ geringe Kulturunterschiede x Minimaler Zeitunterschied x Örtliche Nähe x Oftmals ausreichende Deutschkenntnisse x Gute wissenschaftliche Ausbildung x Sehr niedrige Kostenstrukturen etc.
9.3 Länderprofile
123
Allerdings macht sich in Osteuropa die Osterweiterung der EU in Form einer stetigen Zunahme des Lohnniveaus bemerkbar. Folglich werden die momentan noch zu erreichenden Kosteneinsparungen nicht dauerhaft realisierbar sein. Irland Irland Geographische Daten
Makroökonomische Daten
Zeitunterschied zu MEZ
Hauptstadt
IT-OutsourcingZentren
- 1 Std.
Dublin
Dublin
Bevölkerung
BIP pro Kopf (2003)
BIP-Wachstum (2004)
Inflationsrate (2004)
4,1 Mio.
30.600 USD
4,5 %
2,3 %
Korruptionsindex (Rang)
Exportländer (Mio. EUR) USA 18,7 % GB und Nordirland 17,1 % Andere EULänder 46,1% Qualitätszertifikate
Arbeitskräftepotenzial
Erwerbslosenquote (2004)
1,8 Mio.
4,5 %
19
Arbeitskosten (Entwickler/Jahr)
Wirtschaftliche Daten
Direktflüge (von Frankfurt) Dublin
2 Std.
Anwendungsentwicklung und Maintenance, Call-Center
Größe der IT-Industrie
Steuern und Recht Attraktive Steuern für ausländische 3.700 ISO 9000 Unternehmen, Zertifikate Arbeitsgesetze begünstigen Arbeitgeber Nationale ITEnglischOrganisationen kenntnisse
6,7 Mrd. USD
Enterprise Ireland
Altamedius, Eontec
24.000-34.000 USD
Gut
Expertengebiete
Die größten ITOffshoring-Anbieter
Quelle: in Anlehnung an CIO (2002), Central Statistics Office Ireland (2004), Statistisches Bundesamt (2003) und Transparency International (2004)
Abbildung 31: Länderprofil Irland
Ein weiterer bedeutsamer Nearshoring-Standort ist Irland. Über 20 Universitäten bilden eine ausreichende Zahl von IT-Fachkräften aus, um eine kontinuierliche Zunahme der Outsourcing-Aktivitäten zu ermöglichen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis gewährleistet zudem, dass die Absolventen gut auf das Berufsleben vorbereitet sind. Mittlerweile gibt es über 600 Unternehmen, die Irland als OutsourcingStandort nutzen. In erster Linie Unternehmen aus dem Finanzsektor kaufen
124
9 Standortauswahl
IT-Dienstleistungen bei irischen Service-Providern ein. Beispielsweise nutzen zahlreiche nordamerikanische Unternehmen Irland (insbesondere Dublin) aufgrund der Landessprache Englisch, der guten technischen Infrastruktur und der geringen Entfernung zu Kontinentaleuropa als eine Art „Hub“ in Europa. Als Hemmfaktoren in Bezug auf Irland als mögliches Nearshoring-Ziel erweisen sich die stetig ansteigenden Lohnkosten und die erhöhte Wechselbereitschaft irischer Mitarbeiter. Darüber hinaus verfügt Irland langfristig gesehen aufgrund der relativ geringen Bevölkerungszahl von nur circa vier Millionen über ein stark beschränktes Potenzial an Arbeitskräften (Mayer und Söbbing, 2004: 104-105). Rumänien Rumänien Geographische Daten
Makroökonomische Daten
Zeitunterschied zu MEZ
Hauptstadt
+ 1 Std.
Bukarest
Bevölkerung
BIP pro Kopf (2004)
Brasov, Bukarest, Iasi BIP-Wachstum (2004)
Direktflüge (von Frankfurt) Bukarest
2,5 Std.
Inflationsrate (2004)
21,7 Mio.
3207 USD
8,3 %
11,9 %
Korruptionsindex (Rang)
Exportländer (Mio. EUR) Italien 21,6 % Deutschland 15 % Frankreich 8,5 % Qualitätszertifikate
Arbeitskräftepotenzial
Erwerbslosenquote (2004)
9,9 Mio.
7,1 %
85 Arbeitskosten (Entwickler/Jahr) 2.362 USD Wirtschaftliche Daten
IT-OutsourcingZentren
Größe der IT-Industrie
k. A.
1.670 ISO 9000 Zertifikate Nationale ITOrganisationen Association for Information Technology and Communications of Romania
Steuern und Recht
Expertengebiete
k. A.
k. A.
Englischkenntnisse
Die größten ITOffshoring-Anbieter
Schlecht
k. A.
Quelle: in Anlehnung an Industrie- und Handelskammer Pfalz (2004), Statistisches Bundesamt (2003) und Transparency International (2004)
Abbildung 32: Länderprofil Rumänien
Ein Land, das sich nach einer Studie des Beratungshauses Pierre Audoin Consultants (PAC) zu einem der wichtigsten Nearshore-Standorte entwi-
9.3 Länderprofile
125
ckeln wird, ist Rumänien. Der Grund hierfür liegt neben den niedrigen Arbeitskosten in der Konzentration von gut ausgebildeten IT-Kräften. Hierdurch ergeben sich Qualitätsvorteile im Vergleich zur Kooperation mit IT-Dienstleistern aus anderen osteuropäischen Ländern. Darüber hinaus beherrscht eine Vielzahl der rumänischen IT-Spezialisten ein bis zwei Fremdsprachen. Nach einer Einschätzung von PAC arbeiten bereits 450 rumänische Service-Provider mit ausländischen Unternehmen zusammen und erwirtschafteten im Jahre 2003 ungefähr 146 Millionen Euro. Dies entspricht einer Wachstumsrate des rumänischen Nearshore-Markts im Vergleich zum Vorjahr von 46 %. Im Jahr 2006 erwarten Analysten sogar ein noch stärkeres Wachstum des rumänischen Outsourcing-Markts (Mayer und Söbbing, 2004: 105). Weitere Nearshore-Regionen Bei den hier aufgeführten Nearshore-Regionen handelt es sich lediglich um eine Auswahl von Outsourcing-Standorten in Europa. In naher Zukunft ist damit zu rechnen, dass auch Länder wie z. B. Tschechien, Ungarn, Ukraine oder Polen zunehmend an Bedeutung innerhalb des globalen ITServicemarkts gewinnen werden (Robinson und Kalakota, 2004: 295).
9.3.2
Offshore-Regionen
Indien stellt momentan den weltweiten Marktführer hinsichtlich des Angebots von IT-Offshoring-Dienstleistungen dar. Aus diesem Grund wird im Folgenden verstärkt auf die Besonderheiten dieses Standorts eingegangen. Weitere Offshore-Regionen, die im Folgenden ausführlicher betrachtet werden, sind China und Ägypten. Indien Indien ist der Klassiker unter den Offshoring-Standorten (Mayer und Söbbing, 2004: 106). Zum aktuellen Zeitpunkt verfügen indische ITDienstleister über einen geschätzten Anteil von 85 % auf dem globalen ITOutsourcing-Markt (META Group, 2003). Weltweit führende Unternehmen arbeiten mit indischen Dienstleistungsunternehmen zusammen und sehen darin eine strategische Investition (TransCrit, 2004). Obwohl in der Zwischenzeit eine Vielzahl von Ländern die Vorteile des IT-Exports erkannt hat, können diese Indien die Rolle des führenden OffshoringStandorts noch nicht streitig machen (TransCrit, 2004). Dies liegt vorwie-
126
9 Standortauswahl
gend an dem einzigartigen indischen Modell, das aufgrund der zur Verfügung stehenden Infrastruktur, dem zugrunde liegenden Bildungssystem und den staatlichen Subventionen nur schwer nachzuahmen ist (Furniss und Janssen, 2004). Indien
Geographische Daten
Makroökonomische Daten
Zeitunterschied zu MEZ
Hauptstadt
+ 4,5 Std.
Delhi
Bevölkerung
BIP pro Kopf (2004)
IT-OutsourcingZentren
Direktflüge (von Frankfurt)
Bangalore, Chennai, Delhi, Delhi 7 Std. Hyderabad, Mumbai BIP-Wachstum Inflationsrate (2004) (2004)
1.103,4 Mio.
635 USD
6,9 %
3,8 %
Korruptionsindex (Rang)
Arbeitskräftepotenzial
Erwerbslosenquote (2001)
439 Mio.
10,3 %
Größe der IT-Industrie
Exportländer (Mio. EUR) USA 18 % Europa 8% China 4,6 % Qualitätszertifikate 5.554 ISO 9000 Zertifikate, Höchste Anzahl an CMM-zertifizierten Unternehmen weltweit Nationale ITOrganisationen
6,2 Mrd. USD
NASCOMM
88 Arbeitskosten (Entwickler/Jahr)
5.880 USD Wirtschaftliche Daten
Steuern und Recht 10 Jahre Steuerfreiheit für Software- und ITServicesExporteure Englischkenntnisse Gut
Expertengebiete Anwendungsentwicklung und Maintenance, Softwaremigration, E-Business, Standardsoftwareimplementierung Die größten ITOffshoring-Anbieter Tata Consultancy Services, Infosys Technologies, Wipro Technologies
Quelle: in Anlehnung an CIO (2002), Statistisches Bundesamt (2000, 2002, 2003), Transcrit (2004) und Transparency International (2004)
Abbildung 33: Länderprofil Indien
Insbesondere die vorbildliche Unterstützung aus Regierungskreisen führte in Indien zu einer wesentlichen Steigerung der Leistungsqualität (Furniss und Janssen, 2004). Nachdem im Jahre 1992 das erste ISO 9001-Zertifikat an eine indische Softwarefirma verliehen wurde, motivierte die Regierung indische Firmen sich internationalen Qualitätszertifizierungen, wie beispielsweise ISO 9000 oder SEI-CMM, zu unterziehen (TransCrit, 2004). Mittlerweile verfügt Indien über eine hohe Anzahl von Firmen mit hochwertigen Qualitätszertifikaten.
9.3 Länderprofile
127
Zusätzlich zur Förderung durch die Regierung erhalten die indischen Dienstleister Rückendeckung durch die NASSCOM (National Association of Software and Service Companies). Hierbei handelt es sich um einen Dachverband der indischen IT-Unternehmen. Gegenwärtig gehören diesem über 850 Dienstleistungsunternehmen in Indien an, die kumuliert einen Umsatzanteil von mehr als 95 % der indischen IT-Industrie abdecken. Die Aufgabe der NASSCOM besteht in der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Outsourcing-Kunden sowie in der Unterstützung der Forschung und Ausbildung. Darüber hinaus richtet die NASSCOM zur Vermarktung der indischen Offshore-Anbieter Konferenzen, Seminare, Workshops und Messen an internationalen Standorten aus oder vertritt die Interessen der inländischen Dienstleister auf internationalen Veranstaltungen, wie z. B. der CeBIT in Hannover (TransCrit, 2004). Die Hauptargumente, die für Indien als Zielland eines Offshore-Projekts sprechen, sind nach Mayer und Söbbing (2004: 106) sowie der ITBeratung TransCrit (2004) die Folgenden: x Hohe Verfügbarkeit von Ressourcen x Niedrige Arbeitskosten x Ausgeprägtes Qualitätsmanagement x Technische Kompetenz x Hohes Bildungsniveau etc. Hingegen ist als ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor bezüglich der Fremdvergabe von IT-Projekten nach Indien der langjährige Konflikt mit Pakistan anzusehen. Neben regelmäßigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ländern führt dieser auch zu nationalen Spannungen innerhalb der indischen Bevölkerung sowie zu terroristischen Anschlägen (Mayer und Söbbing, 2004: 107). China Zum aktuellen Zeitpunkt beherrschen indische IT-Dienstleister eindeutig den weltweiten Outsourcing-Markt. Allerdings sehen viele Experten in China ein interessantes Zielland für Offshoring-Projekte, das Indien diese Position in Zukunft streitig machen könnte. Insbesondere das enorme Potenzial an billigen Arbeitskräften erweist sich hierbei als vorteilhaft. Zudem unternimmt China bereits ernstzunehmende Anstrengungen zur Verbesserungen der nationalen Rahmenbedingungen für internationale IT-
128
9 Standortauswahl
Projekte. Vor allem die zunehmende Liberalisierung der vom Outsourcing betroffenen Gesetze und Richtlinien sowie die erheblichen Investitionen der chinesischen Regierung in die technische Ausbildung zukünftiger ITArbeitskräfte sind an dieser Stelle hervorzuheben. China
Geographische Daten
Makroökonomische Daten
Wirtschaftliche Daten
Zeitunterschied zu MEZ
Hauptstadt
+ 7 Std.
Beijing
Bevölkerung
BIP pro Kopf (2003)
1.315,8 Mio.
1.090 USD
Korruptionsindex (Rang)
Exportländer (Mio. EUR) USA 21,1 % Hongkong 17,4 % 78 Japan 13,6 % Arbeitskosten Qualitäts(Entwickler/Jahr) zertifikate
8.952 USD
57.783 ISO 9000 Zertifikate
Größe der IT-Industrie
Nationale ITOrganisationen
5.000 Softwareunternehmen mit 200.000 MA
Ministry of Information Industry
IT-OutsourcingZentren Beijing, Chengdu, Delian, Hongkong, Ghuangzhou, Shanghai BIP-Wachstum (2004)
Direktflüge (von Frankfurt) Beijing Shanghai Hongkong
9 Std. 10 Std. 11 Std.
Inflationsrate (2004)
9,5 %
3,9 %
Arbeitskräftepotenzial
Erwerbslosenquote (2004)
734,3 Mio.
4,2 %
Steuern und Recht Teilweise Behinderung der Offshore-Softwareentwicklung, anfänglicher Umschwung Englischkenntnisse Schlecht
Expertengebiete Anwendungsentwicklung und Maintenance, Testing, Systemintegration Die größten ITOffshoring-Anbieter Asia Info, Commverge Solutions, eSoftBank
Quelle: in Anlehnung an CIO (2002), Statistisches Bundesamt (2004) und Transparency International (2004)
Abbildung 34: Länderprofil China
Als Problemfelder hinsichtlich der Zusammenarbeit mit chinesischen Dienstleistern sind die sprachlichen und kulturellen Unterschiede zwischen den Offshoring-Partnern zu nennen. Chinesen verfügen über eine Vielzahl an Traditionen und Bräuchen, die für einen westlichen Partner nur schwer nachvollziehbar sind. Zudem gestaltet sich der Informationsaustausch zwischen den Offshoring-Partnern als schwierig. Für Chinesen, deren Sprache anstatt eines Alphabets Tausende von Schriftzeichen verwendet, stellt es eine erhebliche Herausforderung dar, Englisch zu lernen. Ähnliche Probleme bereitet westlichen Unternehmensvertretern das Erlernen der chinesi-
9.3 Länderprofile
129
schen Sprache. Die extremen Sprachunterschiede führten in der Vergangenheit sogar zu Komplikationen bei der Datenkommunikation zwischen chinesischen und ausländischen Computern (Furniss, 2004). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass China mit Sicherheit über ein enormes Offshoring-Potenzial verfügt. Allerdings ist es fraglich, ob China jemals den Stellenwert von Indien in Bezug auf das IT-Offshoring erreichen kann. Insbesondere die erheblichen sprachlichen und kulturellen Unterschiede sprechen gegen eine solche Entwicklung. Ägypten Ein mögliches Offshore-Land der Zukunft, das insbesondere für deutsche Unternehmen interessant werden könnte, ist Ägypten. Dort hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, das Land in einen konkurrenzfähigen Exporteur von technischen Dienstleistungen umzuwandeln. Ägypten Geographische Daten
Makroökonomische Daten
Zeitunterschied zu MEZ
Hauptstadt
+ 1 Std.
Kairo
Bevölkerung
BIP pro Kopf (2004)
74 Mio.
1.100 USD
4,3 %
11.3 %
Korruptionsindex (Rang)
Exportländer (Mio. EUR) Italien 10,6 % Indien 8,8 % USA 8,2 % Qualitätszertifikate
Arbeitskräftepotenzial
Erwerbslosenquote (2003)
19,9 Mio.
11 %
70 Arbeitskosten (Entwickler/Jahr)
Wirtschaftliche Daten
k. A.
Größe der IT-Industrie 5-7 Mio. USD
IT-OutsourcingZentren Kairo, Giza, Heliopolis BIP-Wachstum (2004)
Steuern und Recht Staatl. Investitionen, aber hohe 546 ISO 9000 Abgaben und Zertifikate Steuern sowie Zölle Nationale ITEnglischOrganisationen kenntnisse Ministry of Information Gut Industry
Direktflüge (von Frankfurt) Kairo
4 Std.
Inflationsrate (2004)
Expertengebiete Anwendungsentwicklung und -Maintenance, Standardsoftwareimplementierung Die größten ITOffshoring-Anbieter NileSoft
Quelle: in Anlehnung an Auslandshandelskammer (2004), CIO (2002), Statistisches Bundesamt (2001, 2002, 2003) und Transparency International (2004)
Abbildung 35: Länderprofil Ägypten
130
9 Standortauswahl
Obwohl mit dem Export von IT-Leistungen erst vor einigen Jahren begonnen wurde, erwirtschaftet Ägypten zum jetzigen Zeitpunkt circa sieben Millionen US Dollar mithilfe von Outsourcing-Aufträgen ausländischer Unternehmen. Für die nächsten fünf Jahre wird sogar erwartet, dass der jährliche Umsatz auf 500 Millionen US Dollar ansteigt. Im Fokus der ägyptischen IT-Dienstleister stehen momentan arabische OutsourcingKunden. Allerdings bietet sich aufgrund der kurzen Flugzeiten und der geringen Zeitverschiebungen eine Ausweitung der Outsourcing-Aktivitäten auf europäische Länder an (TransCrit, 2004). Weitere Offshore-Regionen Selbstverständlich handelt es sich bei den in diesem Abschnitt vorgestellten Ländern nicht um eine vollständige Auflistung potenzieller OffshoreStandorte. Weitere Zielländer einer Offshoring-Initiative könnten z. B. die Türkei oder die Philippinen sein. Aus der Sicht deutscher Unternehmen ist insbesondere die Türkei aufgrund ihres hohen Anteils an deutschsprachigen Arbeitskräften von Interesse. Einige Unternehmen bedienen sich bereits dieser Arbeitskräfte, indem sie Call-Center zur Kundenbetreuung in die Türkei abgeben.
Zusammenfassung: Zur groben Einschätzung der Attraktivität potenzieller Zielländer können verschiedene Country-Ratings (z. B. der mm-Ländertest oder der Business Environment Risk Index) herangezogen werden. Diese dienen in erster Linie der Früherkennung länderspezifischer Chancen und Risiken. Im Rahmen der Bewertung der in Frage kommenden Zielländer sollte der potenzielle Auftraggeber eine fundierte Untersuchung dieser Länder durchführen. Hierbei kann zwischen personenbezogenen Kriterien (Arbeit, Sprache, Bildung und Kultur) und standortbezogenen Kriterien (Infrastruktur, politische und wirtschaftliche Stabilität, rechtliche Rahmenbedingungen sowie geographische Lage) unterschieden werden. Aus deutscher Sicht interessante Nearshore-Regionen sind im Wesentlichen Russland, die baltischen Staaten (Lettland, Litauen und Estland), Irland und Rumänien. Hinsichtlich der Offshore-Regionen sind in erster Linie Indien sowie China, Ägypten und die Türkei als Zielländer für Offshore-Projekte deutscher Unternehmen von Interesse.
10 Providerauswahl Der Auswahlprozess erstreckt sich im Regelfall von der Informationsgewinnung hinsichtlich potenzieller Offshoring-Partner (Request for Information) bis hin zur Auswahl eines oder mehrerer Partner (siehe Abbildung 36). Request for Information (RFI) Projektspezifikation Request for Proposals (RFP) Entscheidung
Due Diligence 1
• Vorbereitung des RFI-Fragebogens • Versand des Fragebogens an ausgewählte Provider • Auswerten des Fragebogens und Einengung des Providerpools • Definition des Projekt-Scopes • Pflichtenheft/Letter of Intent (LOI) • Offene/geschlossene Ausschreibung1 • Vorbereiten der RFP-Unterlagen • Versand der Unterlagen an ausgewählte Provider • Auswertung der Ausschreibung • Weitere Einengung des Providerpools • Auswahl des bzw. der Provider • Abschließendes Überprüfen der Leistungsfähigkeit des Providers
Bei offener Ausschreibung ist RFI nicht notwendig.
Quelle: in Anlehnung an Kalakota und Robinson (2004: 244)
Abbildung 36: Auswahlprozess
Im Rahmen des Request for Information (RFI) fordert der zukünftige Offshoring-Kunde erste Informationen bei möglichen Partnerunternehmen an. Im Anschluss daran erfolgt die Projektspezifikation. Hierbei fixiert das auslagernde Unternehmen die zuvor bestimmten Einzelleistungen schriftlich. In einigen Fällen werden bereits die Offshore-Anbieter in die Definition des so genannten Projekt-Scopes mit einbezogen. Aufbauend auf der Scope-Definition erfolgt eine Ausschreibung des Auslagerungsprojekts. In Zusammenhang mit dem Outsourcing/Offshoring wird diese meist als Request for Proposals (RFP) bezeichnet. Nach der Auswertung der Antworten auf den RFP findet die eigentliche Entscheidung für einen oder mehrere Provider statt. Der hierbei herangezogene Entscheidungsprozess lässt sich typischerweise in drei Schritte unterteilen. Nach der Festlegung der Bewertungskriterien wird zunächst eine Reihe von Anbietern in die engere Auswahl genommen. Aus diesen Anbietern erhalten ein oder
132
10 Providerauswahl
mehrere Service-Provider den Zuschlag für die Durchführung des Offshoring-Projekts. Zur letzten Überprüfung sowie zur Vorbereitung auf die bevorstehenden Vertragsverhandlungen erfolgt vielfach eine abschließende gründliche Untersuchung des bzw. der zukünftigen Auftragnehmer. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Due Diligence. Auf diese Weise kann der Auftraggeber sicherstellen, dass der bzw. die Provider den Unternehmensanforderungen gerecht werden können. Es ist hinzuzufügen, dass die hier beschriebenen Teilschritte des in der obigen Abbildung skizzierten Auswahlprozesses weder zwingend sequenziell noch zwingend in der vorgestellten Reihenfolge ablaufen müssen. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Sammlung von Aktivitäten, die im Rahmen der Providerauswahl typischerweise durchlaufen werden. Bezüglich der Abfolge der Aktivitäten orientiert sich der vorgestellte Auswahlprozess im Wesentlichen an den Ausführungen von Robinson und Kalakota (2004: 244), Cullen und Willcocks (2003:122), Söbbing (2002: 53-54) sowie Aalders (2001: 126).
10.1
Request for Information (RFI)
Bevor das Unternehmen eine Ausschreibung des geplanten OffshoreProjekts vornimmt, sollte es erste Informationen von den in Frage kommenden Projektpartnern einholen. Um den Aufwand hierfür so gering wie möglich zu halten, empfiehlt Sparrow (2003: 80), dass das Unternehmen nicht mehr als zwölf ausländische Service-Provider kontaktieren sollte. Die Auswahl der kontaktierten Unternehmen kann beispielsweise auf den Ergebnissen der üblicherweise im Rahmen der Make-or-Buy-Entscheidung durchgeführten Marktanalyse basieren. Mit dem RFI möchte sich der zukünftige Offshoring-Kunde einen Einblick in potenzielle Partnerunternehmen verschaffen. Hierzu verschickt das Unternehmen Fragebögen an die entsprechenden Service-Provider. Der Fragebogen sollte unter anderem auch eine Grobbeschreibung der OffshoringInitiative und der damit verbundenen Unternehmensziele beinhalten (Sparrow, 2003: 79). Des Weiteren kann ein solcher Fragebogen in Anlehnung an Robinson und Kalakota (2004: 246) die in Tabelle 13 dargestellten Informationen abfragen.
10.1 Request for Information (RFI)
133
Tabelle 13: Mögliche Inhalte eines RFI Informationskategorie Unternehmensprofil
Referenzkunden Management Mitarbeiter
Abgefragte Informationen (Beispiele) Geschäftsmodell, Unternehmensgröße, Standorte etc. Aktuelle Kunden, langjährige Kunden etc. Erfahrung, Einbezug von Top-Management etc. Einstellungsanforderungen, Fluktuation, Training etc.
Prozesse
Qualitätszertifikate, Branchenkenntnisse etc.
Infrastruktur
Telekommunikation, Hardware, Software etc.
Sicherheit
IP-Schutz, Datenschutz, Backup-Strategien etc.
Die Auswertung der Fragebögen kann bereits zum Ausscheiden einiger Offshore-Anbieter führen. Im Anschluss daran sollten Interviews mit den verbleibenden Service-Providern durchgeführt werden (Aalders, 2001: 83). Um eine möglichst objektive Einschätzung der Leistungsfähigkeit der potenziellen Partnerunternehmen zu erhalten, empfiehlt es sich zudem, Kunden der kontaktierten IT-Dienstleister zu befragen (Aalders, 2001: 84). Neben dem „Kennen lernen“ von Offshore-Anbietern, kann das auslagernde Unternehmen mit dem RFI auch eine Vermarktung der OffshoringInitiative anstreben. Auf diese Weise kann der zukünftige Auftraggeber das Interesse ausgewählter Service-Provider wecken (Sparrow, 2003: 72). Durch die aktive Ansprache der entsprechenden IT-Dienstleister muss der Kunde nicht darauf hoffen, dass sich diese an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligen. Darüber hinaus können die Gespräche mit den Dienstleistern insbesondere bei innovativen Projekten zur frühzeitigen Aufdeckung von Schwachstellen bezüglich der Projektplanung führen (Sparrow, 2003: 72).
134
10 Providerauswahl
Bevor nach den ersten Kontakten konkretere Gespräche folgen, sollten die Verhandlungspartner eine Art Vertraulichkeitsvereinbarung unterzeichnen. Diese wird in der Praxis auch als Non Disclosure Agreement (NDA) bezeichnet. Hiermit soll sichergestellt werden, dass die Inhalte des Fragebogens und der geführten Interviews nicht an Dritte weitergegeben werden. Verstößt der ausländische Service-Provider gegen die getroffene Vereinbarung, kann das auslagernde Unternehmen Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend machen (Bräutigam, 2004: 616-617). Es ist hinzuzufügen, dass ein RFI nicht benötigt wird, wenn der Projektpartner bereits im Vorfeld des Offshore-Projekts feststeht (beispielsweise ein strategischer Partner oder eine IT-Tochter des auslagernden Unternehmens) oder der zukünftige Auftraggeber eine offene Projektausschreibung vorzieht. Im ersten Fall entfällt die Providerauswahl vollständig und es kann gleich mit der Aushandlung des Vertragswerks begonnen werden. Im zweiten Fall beginnt der Auswahlprozess mit der Ausschreibung des Projekts (Robinson und Kalakota, 2004: 245).
10.2
Projektspezifikation
Nachdem das Unternehmen den RFI ausgewertet und die Menge potenzieller Kooperationspartner eingeengt hat, ist der so genannte Scope des Offshoring-Projekts zu spezifizieren. Dieser findet sich in der Regel in der Projektausschreibung wieder (Söbbing, 2002: 65). Bei der Auslagerung von IT-Entwicklungsprojekten wird in dieser Projektphase eine Spezifikation der zu implementierenden Software erarbeitet. Dieser kommt insbesondere bei der Kooperation mit einem ausländischen Realisierungspartner eine enorme Bedeutung zu (NetSkill, 2002). Die Anbieter investieren in vielen Fällen bereits in dieser Phase eine große Menge an Know-how und Arbeitsleistung, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, ob sie den Zuschlag für die Projektdurchführung erhalten werden. Zumeist nehmen die ausländischen IT-Dienstleister jedoch das Risiko auf sich und hoffen, die bereits investierte Arbeit durch eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber wieder ausgleichen zu können. Um das Risiko auf beiden Seiten möglichst gering zu halten, hat sich nach Söbbing (2002: 65) in der Praxis die Einführung eines Pflichtenhefts oder
10.2 Projektspezifikation
135
die Erstellung eines Letter of Intent (LoI) bewährt. Die Grundprinzipien der beiden Konstrukte werden in den folgenden Abschnitten erläutert.
10.2.1
Pflichtenheft
Hinsichtlich der Anfertigung des Pflichtenhefts besteht die Möglichkeit, dass der ausländische Provider ein solches für den potenziellen Auftraggeber kostenpflichtig erstellt. Alternativ hierzu kann das Unternehmen auch die interne IT-Abteilung mit der Erstellung beauftragen. In dem Pflichtenheft werden die Leistungen festgehalten, die der zukünftige OffshoreAnbieter im Rahmen der Kooperation zu erbringen hat (Söbbing, 2002: 66). Unter einem Pflichtenheft wird nach DIN 69901 eine umfassende Beschreibung der in einem Projekt zu erbringenden Leistungen verstanden. Hierbei kann es sich um Leistungen technischer, wirtschaftlicher, organisatorischer und sonstiger Art handeln. Die öffentliche Hand beschreibt in den Besonderen Vertragsvereinbarungen (BVB) ein Pflichtenheft als ein fachliches Feinkonzept. In diesem wird der Informationsbedarf eines Projekts bezüglich Umfang, Zeit, Ort und Prioritäten festgelegt. Bei beiden Definitionen ist zu beachten, dass der Begriff in der Literatur nahezu ausschließlich für Softwareprojekte benutzt wird. In diesem Zusammenhang stellt das Pflichtenheft in den meisten Fällen einen festen Vertragsbestandteil dar. Im Gegensatz hierzu ist das Pflichtenheft in Verbindung mit dem Outsourcing/Offshoring als Konzept zu verstehen, das die Vorstellungen, Vorgaben und Anforderungen eines auslagerungswilligen Unternehmens beinhaltet (Söbbing, 2002: 66-67). Die nach Söbbing (2002: 67-68) wesentlichen Aufgaben eines Pflichtenhefts werden im Folgenden kurz zusammengefasst: x Vergleichbarkeit der Angebote x Vermeidung von Missverständnissen x Minimierung des Kostenrisikos auf Anbieter- und Kundenseite etc. Die hier genannten Aufgaben des Pflichtenhefts verdeutlichen bereits die Wichtigkeit dieses Instruments im Rahmen eines Outsourcing-Projekts.
136
10 Providerauswahl
Praxiserfahrung: Zur Unterstützung bei der Erstellung des Pflichtenhefts für ein OffshoreSoftwareentwicklungsprojekt engagierte ein schweizerischer Versicherungskonzern eine externe Beratungsgesellschaft, die bereits einschlägige Erfahrungen im Offshore-Kontext vorweisen konnte. Nach der Auswahl eines Offshore-Providers wurde das Pflichtenheft mithilfe von vier Offshore-Mitarbeitern des gewählten Anbieters, die für einen Zeitraum von vier Wochen onsite beim Kunden arbeiteten, weiter verfeinert.
10.2.2
Letter of Intent (LoI)
Alternativ zur Erstellung eines Pflichtenhefts können die beteiligten Unternehmen einen LoI abschließen. Allerdings setzt diese Möglichkeit der Scope-Definition bereits eine wesentlich festere Bindung zwischen den potenziellen Offshoring-Partnern voraus. In vielen Fällen verzichtet das auslagernde Unternehmen nach dem Abschluss eines LoI mit einem Offshore-Anbieter auf die Ausschreibung des IT-Projekts. Der Begriff LoI stammt aus der angloamerikanischen Vertragspraxis und kann am besten mit „Absichtserklärung“ übersetzt werden. Der LoI dient der Konkretisierung vorvertraglicher Pflichten. Hierdurch bekunden die zukünftigen Geschäftspartner ihr gegenseitiges Interesse am Abschluss eines Vertrags (Söbbing, 2002: 74). Die Abgrenzung des LoI von ähnlichen Rechtsgebilden gestaltet sich relativ schwierig. Im Folgenden werden die nach Söbbing (2002: 75) bekanntesten Varianten eines LoI kurz vorgestellt: x
x
x
Punktuationen Punktuationen werden in der Praxis auch als Memorandum of Understanding (MoU) bezeichnet (Bräutigam, 2004: 618). Hierbei werden die Ergebnisse der Verhandlungen schriftlich fixiert. Heads of Agreement Bei einem Heads of Agreement handelt es sich um einen groben Entwurf eines Vertrags. Instructions to Proceed Mit den Instructions to Proceed dokumentieren die Vertragspartner die weitere Vorgehensweise im Rahmen ihrer Zusammenarbeit.
10.3 Request for Proposals (RFP)
x
x
x
x
137
Traktakte In Traktakten werden die Vertragsverhandlungen zwischen den Interessengruppen festgehalten. Optionen Mithilfe von Optionen kann durch eine einseitige Erklärung ein Vertragsabschluss herbeigeführt werden. Vorverträge In Vorverträgen verpflichten sich die Vertragsparteien zum Abschluss eines Hauptvertrages. Rahmenvertrag Innerhalb eines Rahmenvertrags können allgemeine Bestimmungen für teilweise noch nicht abgeschlossene Einzelverträge festgehalten werden.
Die Aufgabe des LoI besteht in erster Linie in der Fixierung der vorvertraglichen Gespräche und der Absichtserklärung der beteiligten Unternehmen, einen Vertrag mit dem Gegenüber abschließen zu wollen. Dies passiert selbstverständlich unter Vorbehalt einer Einigung über noch zu verhandelnde Punkte und dem Ausbleiben unerwarteter Ereignisse (Söbbing, 2002: 77). Im Einzelnen verfügt der LoI nach Söbbing (2002: 78) über die folgenden Aufgaben: x Vertrauen in Ernsthaftigkeit x Sicherheit im vorvertraglichen Bereich x Ordnung bei komplexen Projekten x Verbesserung der Ausgangssituation etc. Mit dem LoI steht den Vertragsparteien ein flexibles Instrument zur Verfügung, um zusätzliche Kosten, Risiken und Missverständnisse in der Verhandlungsphase zu vermeiden (Söbbing, 2002: 82).
10.3
Request for Proposals (RFP)
Im Hinblick auf den RFP kann das auslagernde Unternehmen grundsätzlich zwischen zwei Alternativen wählen: Die offene und die geschlossenen Ausschreibung eines Offshoring-Projekts. Die offene Ausschreibung richtet sich grundsätzlich an alle OffshoreAnbieter auf dem weltweiten IT-Dienstleistungsmarkt. Hierdurch kann
138
10 Providerauswahl
sichergestellt werden, dass bei der Projektausschreibung keine interessanten Dienstleister übersehen werden. Bei einem offenen RFP entfällt in vielen Fällen der RFI. Vielmehr tritt das auslagernde Unternehmen erst nach der Auswertung der eingereichten Angebote mit ausgewählten Dienstleistern in Kontakt. Die geschlossene Ausschreibung ist im Gegensatz zur offenen Ausschreibung lediglich für die im Vorfeld ausgewählten Dienstleister bestimmt. Die Vorauswahl kann mithilfe einer Marktanalyse sowie anhand der Erkenntnisse des RFI (siehe Abschnitt 10.1) erfolgen. Nachteilig bei einem geschlossenen RFP erweist sich insbesondere die wesentlich aufwändigere Vorbereitung (Aalders, 2001: 112-113). Praxiserfahrung: Die Durchführung von 22 Experteninterviews mit Vertretern von Offshoring-Kunden, -Beratern und -Dienstleistern zeigte, dass Unternehmen bei der Auswahl eines ausländischen Dienstleisters insbesondere auf die Fachund Sprachkenntnisse der Projektmitarbeiter sowie die Qualitätszertifikate (z. B. CMM, ISO 9000), die finanzielle Stabilität, die Branchenkenntnisse, die Unternehmensgröße und die geographische Entfernung des OffshoreProviders achten. Zudem gaben die Interviewpartner an, dass ihren Erfahrungen zufolge bei der Auswahl von Offshore-Providern häufig auf Rankings von nationalen Dienstleisterverbänden (z. B. NASSCOM in Indien) zurückgegriffen wird. Der RFP stellt eine Aufforderung zur Einreichung von Angeboten innerhalb einer vorgegebenen Frist dar. Hierbei lässt das auslagernde Unternehmen den potenziellen Auftragnehmern Ausschreibungsunterlagen zukommen. Diese beinhalten unter anderem den zuvor festgelegten Scope des geplanten Offshore-Projekts sowie die Basisbestimmungen einer Kooperation. Den Unterlagen bereits einen ersten Entwurf des OutsourcingVertrags beizulegen, wäre hingegen verfrüht (Bräutigam, 2004: 617). Die Ausschreibungsunterlagen sollten in Anlehnung an Robinson und Kalakota (2004: 248-251) unternehmens-, mitarbeiter-, prozess- und infrastrukturbezogene Aspekte abdecken. Eine Auswahl entsprechender Kriterien ist in Tabelle 14 dargestellt.
10.3 Request for Proposals (RFP)
139
Tabelle 14: Wesentliche Inhalte eines RFP
Mitarbeiter
Unternehmen
Kategorie Stabilität
Erfahrung, Größe, Wachstum, Finanzen etc.
Expertise
Spezialgebiete, Referenzkunden etc.
Kultur
Land, Sprache, Zeitzone etc.
Qualität
Zertifikate, Erfahrung, Bildungsniveau etc.
Training
Fort- und Weiterbildung, Sprachtraining etc.
Sprache
Unternehmens- und Dokumentensprache etc.
Qualität Prozesse
Unternehmenswerte, Flexibilität, Lernen etc.
Standort
Fluktuation
Projektmanagement Sicherheit Technologie
Infrastruktur
Kriterien (Beispiele)
Fluktuationsrate, Gegenmaßnahmen etc. Zertifikate, Standards etc. Risikomanagement, Reporting etc. Zugangskontrolle, IP-Schutz etc. Internet, Kommunikation etc.
Software
Betriebssysteme, Datenbanken etc.
Hardware
Server, Desktop-Rechner etc.
Elektrizität
Stromgeneratoren, Backup-Strategien etc.
Es ist anzumerken, dass es sich bei den hier vorgestellten Inhalten einer Ausschreibung lediglich um einen groben Abriss handelt. In Abhängigkeit des Projektkontexts gilt es, diese um projektspezifische Aspekte zu erweitern.
140
10 Providerauswahl
10.4
Entscheidung
Die Bewertung der eingegangenen Angebote und die Auswahl des bzw. der zukünftigen Partnerunternehmen laufen in der Regel in drei Prozessstufen ab. Diese werden in der folgenden Abbildung aufgezeigt.
Auswertung der Ausschreibung
Weitere Einengung des Providerpools
Auswahl des bzw. der Provider
Abbildung 37: Typischer Ablauf des Entscheidungsprozesses
Der häufigste Fehler bei der Providerauswahl besteht in der voreiligen Entscheidung für einen IT-Dienstleister. Das Unternehmen sollte sich hierfür ausreichend Zeit zugestehen. Schließlich stellt die Providerwahl eine der kritischsten Phasen im Rahmen eines Offshore-Projekts dar (Aalders, 2001: 124). Tabelle 15: Fünfstufige Bewertungsskala Punktwert
Aussage
0
Keine Antwort bzw. Antwort nicht konform.
1
Unzufriedenstellende Antwort, hohes Risiko.
2
Erfüllt die meisten Anforderungen, einige Bedenken.
3
Erfüllt die Anforderungen.
4
Höherwertige Antwort im Vergleich zu anderen Antworten.
Die zu durchlaufenden Phasen des Auswahlprozesses werden im Folgenden genauer betrachtet: In einem ersten Schritt sollten zur Auswertung der Ausschreibung einheitliche Bewertungskriterien festgelegt werden. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, eine aussagekräftige Bewertungsskala zu entwerfen. Bezüglich dieser sollten nicht nur die Antworten
10.4 Entscheidung
141
„trifft zu“ und „trifft nicht zu“ möglich sein. Eine solche Bewertung verfügt in der Regel über eine relativ geringe Aussagekraft. Beispielsweise geht aus der Aussage „trifft nicht zu“ nicht hervor, ob der Provider das entsprechende Kriterium nur knapp oder eindeutig verfehlt hat. Daher empfiehlt es sich nach Aalders (2001: 93-94), zur Auswertung der Projektausschreibung eine differenziertere Bewertungsskala, z. B. eine Punkteskala von 0 bis 4 (Cullen und Willcocks, 2003:138), zu verwenden und genau zu hinterlegen, welcher Punktwert welchem Leistungsniveau des Providers entspricht (siehe Tabelle 15). Im Anschluss an die Auswertung sollte zunächst eine weitere Einengung des Providerpools stattfinden. Hierbei müssen nicht alle Bewertungskriterien in Betracht gezogen werden. Vielmehr sollte das Unternehmen nach Aalders (2001: 74) relativ einfach zu bestimmende Kriterien zur weiteren Vorauswahl der in Frage kommenden Service-Provider heranziehen. Anschließend gilt es, sich für den bzw. die späteren Auftragnehmer zu entscheiden. Hierzu werden die Angebote der verbleibenden Anbieter einer umfassenden Analyse unterzogen. Der Detaillierungsgrad der Untersuchungen in dieser Auswahlstufe ist ungleich höher als in den vorgelagerten Stufen (Sparrow, 2003: 83). Die von den ausländischen Dienstleistern eingereichten Dokumente umfassen nicht selten mehr als 100 Seiten. Aus diesem Grund ist die Auswertung der Antworten mit einem hohen Zeitund Administrationsaufwand für den Auftraggeber verbunden (Sparrow, 2003: 91). Darüber hinaus ergeben sich bei der Auswertung der Angebote häufig Unklarheiten. Diese sind – in Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Anbieter – zu klären. Der hierfür notwendige Kommunikationsaufwand erschwert den Auswertungsprozess zusätzlich (Aalders, 2001: 119). Die Bewertung der Angebote erfolgt anhand der zuvor festgelegten Bewertungskriterien. Diese sollten nach Sparrow (2003: 91-92) unter anderem die folgenden Aspekte abdecken: x x x x x x
Kosten der Services Qualität der Services Angebot eines Supports Flexibilität der Leistungserbringung Risikobewertung Sicherheitsanforderungen
142
10 Providerauswahl
x Technische Anforderungen x Zahlungs- und Preismechanismen etc. Im Rahmen der Auswahl der Bewertungskriterien ist darauf zu achten, dass der Bewertungsprozess überschaubar bleibt. Folglich sollte eine zu große Anzahl von Kriterien vermieden werden. An dieser Stelle sei auf die 80-20-Regel13 verwiesen. Nach der Bewertung der verbliebenen Service-Provider sollte das Unternehmen in der Lage sein, sich für einen Provider zu entscheiden. Cullen und Willcocks (2003: 139) empfehlen diesbezüglich, denjenigen Provider zu wählen, der die beste Leistung zu dem verhältnismäßig geringsten Preis verspricht („Best Value for Money“). Zugleich raten die Autoren von der Auswahl des vermeintlich günstigsten Providers ab. Die Auswahl dieses Providers hat sich in der Vergangenheit vielfach nicht als die wirklich preiswerteste Variante herausgestellt. In vielen Fällen entstanden im Projektverlauf erhebliche Zusatzkosten, die den ursprünglichen Preisvorteil vollständig aufgehoben bzw. sogar ins Gegenteil umgekehrt haben.
10.5
Due Diligence
Um sicherzustellen, dass der ausgewählte Dienstleister im Stande ist, die vereinbarten Leistungen zu erbringen, empfiehlt Aalders (2001: 126) noch vor dem Beginn der Vertragsverhandlungen die Durchführung einer Due Diligence. Diese kann sowohl beim Auftraggeber als auch beim potenziellen Auftragnehmer durchgeführt werden (Bräutigam, 2004: 597). Mit der Due Diligence beim Auftraggeber überprüft der ausländische Dienstleister den Zustand derjenigen Bereiche bzw. Tätigkeiten des auslagernden Unternehmens, für die er in Zukunft verantwortlich sein soll (Aalders, 2001: 126). Schwerpunktmäßig betrachtet der Auftragnehmer hierbei rechtliche, technische und steuerliche Aspekte der Auslagerungsbereiche (Bräutigam, 2004: 597).
13
Die 80-20-Regel besagt, dass eine Entscheidung normalerweise zu 80 % mithilfe von 20 % der zur Verfügung stehenden Informationen getroffen werden kann (Dubey, 2003: 80-81).
10.5 Due Diligence
143
Aus Kundensicht ist es von zentralem Interesse, dass der auserwählte Anbieter die an ihn gestellten Anforderungen erfüllen kann (Bräutigam, 2004: 594). Um dies zu überprüfen, führt der Kunde eine Due Diligence beim Auftragnehmer durch. Dabei wird insbesondere die technische Ausstattung des zukünftigen Offshoring-Partners einer umfangreichen Untersuchung unterzogen (Bräutigam, 2004: 597-598). Aalders (2001: 126) zufolge findet die Due Diligence nach der Entscheidungsfindung statt. Zum Teil wird die Due Diligence bereits im Rahmen des Entscheidungsprozesses mit mehreren in Frage kommenden ServiceProvidern durchgeführt. Den potenziellen Vertragspartnern wird auf diese Weise die Möglichkeit einer Preiserhöhung genommen. Darüber hinaus verfügt der Offshoring-Kunde hierdurch über eine höhere Planungssicherheit (Bräutigam, 2004: 79). Eine Due Diligence kann sich nach Bräutigam (2004: 594-596) mit den folgenden inhaltlichen Teilbereichen befassen: x
x
x
x
x
Legal Due Diligence Die Legal Due Diligence befasst sich mit den internen und externen Rechtsverhältnissen. In erster Linie sollen hiermit rechtliche Schwachstellen des betrachteten Unternehmens aufgezeigt werden. Technical Due Diligence Die Technical Due Diligence konzentriert sich auf die Ausstattung und den Zustand der Auslagerungsbereiche. Financial Due Diligence Die Financial Due Diligence dient der Ermittlung der Ertragskraft der auszulagernden Bereiche. Business Due Diligence Mithilfe der Business Due Diligence werden die Branchen und Märkte untersucht, denen die Auslagerungsbereiche zuzuordnen sind. Human Resources Due Diligence Die Human Resources Due Diligence dient der Einschätzung der Qualität des Managements und der Mitarbeiter.
etc. Die unterlassene Feststellung der Ausgangsbedingungen einer OffshoreKooperation stellt einen häufig anzutreffenden Fehler dar. Die zukünftigen
144
10 Providerauswahl
Vertragspartner einigen sich hierbei auf Service Levels, ohne die genaue Leistungsfähigkeit des Partnerunternehmens zu kennen. Hierdurch können erheblichen Komplikationen im Projektverlauf entstehen. Diese führen im Extremfall zum Scheitern des Offshore-Projekts. Um das Risiko einer solchen Fehlentwicklung zumindest zu reduzieren, empfiehlt es sich nach Aalders (2001: 137), eine Due-Diligence-Prüfung noch vor Beginn der Vertragsverhandlungen durchzuführen. Insbesondere der Due Diligence beim Auftragnehmer kommt hierbei eine wichtige Rolle zu.
Zusammenfassung: Im Rahmen des Request for Information (RFI) tritt der zukünftige Offshoring-Kunde mit potenziellen Partnerunternehmen in Kontakt und fordert erste Informationen bei diesen an. Nach der Auswertung des RFI und der Eingrenzung des Pools potenzieller Kooperationspartner, erfolgt die Projektspezifikation. Diese wird zum Teil bereits mit Unterstützung von Offshore-Anbietern durchgeführt. Zur Spezifikation des Projekts wird in der Praxis zumeist ein Pflichtenheft oder alternativ ein Letter of Intent (LoI) formuliert. Aufbauend auf der Projektspezifikation erfolgt eine Ausschreibung des Projektvorhabens. In Zusammenhang mit dem Outsourcing/Offshoring wird diese meist als Request for Proposals (RFP) bezeichnet. Bezüglich der Projektausschreibung kann grundsätzlich zwischen einer offenen und einer geschlossenen Ausschreibung unterschieden werden. Der Auswertung der Antworten auf den RFP schließt sich die eigentliche Entscheidung an. Die hierbei typischerweise angewandte Vorgehensweise lässt sich zumeist in drei Schritte untergliedern: Nach der Festlegung der Bewertungskriterien wird eine Reihe von Anbietern in die engere Auswahl genommen. Aus diesen Anbietern wird letztendlich ein oder mehrere Service-Provider ausgewählt. Zur abschließenden Überprüfung des ausgewählten Service-Providers sowie zur Vorbereitung auf die bevorstehenden Vertragsverhandlungen wird häufig eine Due Diligence durchgeführt. Diese soll sicherstellen, dass der Provider die an ihn gestellten Anforderungen erfüllen kann.
11 Vertragsmanagement Bei Offshoring-Verträgen handelt es sich um hochkomplexe Konstrukte, die zudem einem ständigen Wandel unterworfen sein können. Hier ist unter anderem der rasante, technologische Fortschritt innerhalb des ITSektors zu nennen. Des Weiteren unterliegt das Umfeld der beteiligten Unternehmen, z. B. die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den beteiligten Ländern, permanenten Veränderungen. Aufgrund des vielschichtigen Vertragsgegenstands und des stetigen Wandels der zugrunde liegenden Umweltbedingungen werden Outsourcing-Verträge im Allgemeinen rechtlich als komplexe Langzeitverträge eingestuft. Die charakteristischen Merkmale dieses Vertragstypus sind nach Bräutigam (2004: 626) Langzeitbindung, Komplexität und Notwendigkeit zur Kooperation. Das Vertragsmanagement umfasst sämtliche Stadien, die ein OffshoringVertrag durchläuft. In diesem Zusammenhang sind neben der Ausarbeitung und dem Abschluss des Vertragswerks die Restrukturierung, die Erneuerung sowie die Vertragsbeendigung zu nennen (Aalders, 2001: 207213). Innerhalb der unterschiedlichen Vertragsstadien müssen die Vertragspartner eine Reihe von Managementprozessen gemeinsam durchführen. Hierzu gehört auch die Anpassung des Kooperationsvertrags an sich verändernde Anforderungen innerhalb des Change Request Management oder die Bewältigung von Meinungsverschiedenheiten im Rahmen des Konfliktmanagements (Bräutigam, 2004: 628). Hinsichtlich des Vertragsmanagements wird in den folgenden Abschnitten schwerpunktmäßig auf die Vertragsverhandlung sowie die Vertragsverwaltung, die üblicherweise mit dem Abschluss des OffshoringVertrags einsetzt, eingegangen. Bezüglich der Strukturierung des Outsourcing-Vertragswerks und der Internationalisierung eines solchen Vertrags sei auf Kapitel 6 im ersten Teil dieses Buches verwiesen.
11.1
Vertragsverhandlung
Im Rahmen der Vertragsverhandlung findet die Aushandlung und Vereinbarung der konkreten Vertragsinhalte statt. Hierbei lässt sich aufgrund der Vielfältigkeit der Verhandlungssituationen keine feste Vorgehensweise empfehlen. Es kann lediglich festgehalten werden, dass sich eine umfangreiche Verhandlungsvorbereitung auf beiden Seiten (z. B. die Erarbei-
146
11 Vertragsmanagement
tung einer klaren Zielsetzung, die ein Unternehmen mit dem Projekt verfolgt) in jedem Fall positiv auf den Ablauf der Verhandlungsphase auswirken wird (Söbbing, 2002: 328). Neben der Verhandlungsvorbereitung sollten – insbesondere bei der Verhandlung mit ausländischen Geschäftspartnern – eine Reihe von Grundsätzen berücksichtigt werden. Diese sind unter dem Oberbegriff Verhandlungstipps zusammengefasst.
11.1.1
Verhandlungsvorbereitung
Bei der Vorbereitung auf die Vertragsverhandlungen gilt es, eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen. Aus diesem Grund sollten die Unternehmen nach Cullen und Willcocks (2003: 146-149) vor Aufnahme der Vertragsgespräche zunächst eine Liste relevanter Fragestellungen erstellen. Diesbezüglich kann im Wesentlichen zwischen logistischen (z. B. „Wer führt die Verhandlungen?“) und taktischen Fragen (z. B. „Hinsichtlich welcher Verhandlungspunkte besteht Kompromissbereitschaft?“) differenziert werden. Im Anschluss daran empfiehlt Aalders (2001: 152-155) die Formulierung eines Positionspapiers sowie die Vorbereitung von Vertragsklauseln. Darüber hinaus sollten sich die Vertragsparteien bereits in dieser frühen Phase mit der Protokollierung der Verhandlungsgespräche auseinander setzen und den Zeitrahmen der Verhandlungen festlegen. In dem Positionspapier schildern die an den Verhandlungen beteiligten Unternehmen ihre individuelle Verhandlungsposition (Aalders, 2001: 150151). Hierdurch wird gewährleistet, dass sich die möglichen Vertragspartner bereits vor den Verhandlungen mit den wesentlichen Fragestellungen des Vertragswerks auseinander setzen. Auf diese Weise können die Unternehmen frühzeitig Fall-Back-Strategien entwerfen und zugleich festlegen, inwieweit sie kompromissbereit sind. In der Regel dient das Positionspapier vorwiegend internen Zwecken. Es soll sicherstellen, dass während den Vertragsverhandlungen keine Unstimmigkeiten innerhalb des Verhandlungsteams auftreten. Teilweise wird das Positionspapier bereits vor den eigentlichen Verhandlungen an das Partnerunternehmen übergeben. Diese Maßnahme soll in erster Linie einer verbesserten Verhandlungsbasis dienen. Mit einer frühzeitigen Herausgabe des Positionspapiers ist allerdings das Risiko verbunden, dass die andere
11.1 Vertragsverhandlung
147
Partei die beinhalteten Informationen im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu ihrem Vorteil ausnützt (Aalders, 2001: 152). Ein weiterer, wichtiger Bestandteil der Verhandlungsvorbereitung besteht in der Vorbereitung entsprechender Vertragsklauseln. Hier empfiehlt Aalders (2001: 154), dass zunächst alle internen Unternehmensbereiche, die von der Offshoring-Initiative betroffen sind, ihre Anforderungen an das Projekt zusammentragen. In einem zweiten Schritt gilt es, diese mithilfe der internen Rechtsabteilung bzw. unter Einbindung externer Rechtsberater in vorgefertigte Vertragsklauseln zu übertragen. Im Idealfall hat das auslagernde Unternehmen bereits vor Beginn der Verhandlungen für jede Klausel im Offshoring-Vertrag eine entsprechende Formulierung ausgearbeitet. Vorteilhaft erweist sich bei der Verwendung vorformulierter Vertragsklauseln, dass diese exakt die Interessen der Vertragspartei widerspiegeln. Zudem kann hierdurch der Zeitaufwand für die Erstellung des Vertragswerks erheblich reduziert werden.
11.1.2
Verhandlungstipps
Als Ausgangspunkt für die Leitlinien erfolgreichen Verhandelns werden die wesentlichen Prinzipien des Harvard Concept of Negotiation herangezogen. Dieses Konzept sieht nach Bräutigam (2004: 620) die folgenden vier Grundsätze vor: x x x x
Menschen und Probleme getrennt behandeln! Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen! Entscheidungspositionen zum beiderseitigen Vorteil entwickeln! Auf die Anwendung objektiver Kriterien bestehen!
Ausgehend von diesen Prinzipien werden in Anlehnung an Bräutigam (2004: 620-625) einige Grundsätze professionellen Verhandelns herausgegriffen und kurz vorgestellt: x
Richtige Kommunikation Die richtige Kommunikation stellt eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Verhandlung dar. Insbesondere der Einsatz von „Ich-Botschaften“, das aktive Zuhören und die Verwendung sowohl von offenen als auch von geschlossenen Fragen sind an dieser Stelle zu nennen.
148
11 Vertragsmanagement
x
x
x
Interessengeleitetes Verhandeln Die Interessengruppen sollten nicht versuchen, Positionen ohne eine entsprechende Begründung durchzusetzen. Vielmehr sollten die Verhandlungsführer, die hinter den Positionen stehenden Interessen aufdecken und diese mit dem Gegenüber diskutieren. Kompromissbereitschaft Das Finden einer Kompromisslösung beruht nicht selten auf der Bereitschaft der Verhandlungspartner eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Im Idealfall steht hierbei am Ende eine Win-Win-Situation, die beide Parteien zufrieden stellt. Richtige Vorbereitung Insbesondere die hohe Komplexität von Outsourcing-Verträgen im Allgemeinen erfordert eine umfassende Vorbereitung. Ohne diese ist eine effektive und erfolgreiche Vertragsverhandlung kaum zu bewerkstelligen.
etc. Die hier aufgeführten Prinzipien gelten nicht ausschließlich für die Verhandlungsphase. Insbesondere bei der Bearbeitung von Change Requests oder alternativ bei der Lösung von Konflikten innerhalb des Projektteams bzw. zwischen den späteren Vertragspartnern können sich die vorgestellten Techniken ebenfalls als nützlich erweisen (Bräutigam, 2004: 625). Zudem gestalten sich Vertragsverhandlungen mit ausländischen Unternehmenspartnern zumeist vollkommen anders, als es deutsche Geschäftsleute gewöhnt sind (Davies, 2004: 175). Insbesondere bei Verhandlungen mit asiatischen Unternehmensvertretern sind eine Vielzahl von Verhandlungsregeln zu beachten (Graham und Lam, 2004: 42). Exemplarisch werden in der folgenden Abbildung typische Verhaltensmerkmale asiatischer Verhandlungspartner im Vergleich zu nordamerikanischen bzw. westeuropäischen Verhandlungsführern aufgelistet. Die Unterschiede in den Verhandlungskulturen werden anhand der verschiedenen Phasen, die im Rahmen des Verhandlungsprozesses typischerweise durchlaufen werden, betrachtet. Wie aus Abbildung 38 deutlich hervorgeht, bestehen enorme Unterschiede zwischen der asiatischen und der westlichen Verhandlungskultur. Ein Verhandlungspartner aus Westeuropa oder den USA sollte sich daher ausgiebig mit den Verhandlungstechniken der asiatischen Kultur auseinanderset-
11.2 Vertragsverwaltung
149
zen bevor er in entsprechende Verhandlungen eintritt. Ohne Berücksichtigung der kulturspezifischen Verhandlungsregeln besteht in der Regel nur eine eher geringe Aussicht auf einen Verhandlungserfolg. Westeuropa/USA
Asien Sondierungsphase
schnelle Zusammenkünfte informell setzt auf kalte Akquise
langer Annäherungsprozess formell arbeitet mit Mittelsmännern
Informationsaustausch uneingeschränkte Bedürfnisse direkt Vorschläge an erster Stelle
eingeschränkte Befugnisse indirekt Erklärungen an erster Stelle
Verhandlung aggressiv ungeduldig
hinterfragend ausdauernd
Einigung gutes Geschäft
dauerhafte Geschäftsbeziehung
Quelle: in Anlehnung an Graham und Lam (2004: 46)
Abbildung 38: Unterschiede in der asiatischen Verhandlungskultur
11.2
Vertragsverwaltung
Nach Abschluss des Offshoring-Vertrags ist dieser über einen längeren Zeitraum zu verwalten. Hierbei muss sich ein Unternehmen nach Bräutigam (2004: 629) im Wesentlichen mit den folgenden Verwaltungsaufgaben auseinander setzen: Dem Pflichtenmanagement, dem Change Request Management und dem Konfliktmanagement. Diese Aufgaben werden im Weiteren näher betrachtet.
11.2.1
Pflichtenmanagement
Das Pflichtenmanagement setzt voraus, dass die Verantwortlichkeiten der beteiligten Vertragspartner eindeutig festgelegt sind. Für die Zuordnung der Verantwortungsbereiche bietet sich eine Zuständigkeitsmatrix in Verbindung mit einer umfangreichen Leistungsbeschreibung sowie einer detaillierten Bestimmung der Mitwirkungspflichten des Offshoring-Kunden
150
11 Vertragsmanagement
an. Für Überschneidungen und Zweifelsfälle sollten die Projektpartner nach Bräutigam (2004: 629) ein Gremium einrichten, das über offene Fragen entscheidet. Einen Schwerpunkt des Pflichtenmanagements stellt das Service Level Management (SLM) dar. Dieses befasst sich in erster Linie mit der Einhaltung der SLAs, der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen sowie der Durchführung von Leistungsabnahmen (Bräutigam, 2004: 630). Daher ist das SLM eng mit der Leistungsmessung innerhalb der Durchführungsphase verbunden.
11.2.2
Change Request Management
Das Change Request Management beschäftigt sich mit der Anpassung des Offshoring-Vertragswerks an sich ändernde Bedingungen. Typische Beweggründe für die Neuverhandlung eines bereits ausgehandelten Vertragswerks sind nach Cullen und Willcocks (2003: 193-194) die folgenden: x Unternehmensrestrukturierung x Veränderung der Leistungsanforderungen x Restrukturierung der IT-Infrastruktur x Backsourcing x Behebung von vertraglichen Schwachstellen x Anpassung des Preismodells etc. Praxiserfahrung: Im Umgang mit Change Requests einigte sich ein deutscher Mittelständler aus der Chemieindustrie mit seinem Offshore-Provider darauf, dass jegliche Veränderung des ursprünglich vereinbarten Projektumfangs einer Zustimmung durch den gemeinsamen Lenkungsausschuss erfordert. Durch diese Maßnahme sollte insbesondere einer „Kostenexplosion“ durch die Ansammlung von Change Requests vorgebeugt werden. Die Hinterlegung eines solchen Change-Request-Prozesses ist erfahrungsgemäß insbesondere bei Fixpreisprojekten empfehlenswert. Die hohe Komplexität von Outsourcing-/Offshoring-Projekten erfordert in vielen Fällen eine regelmäßige Anpassung des Offshoring-Vertrags (siehe Abbildung 39). Eine solche kann sich in der Praxis jedoch relativ schwie-
11.2 Vertragsverwaltung
151
rig gestalten. Nicht selten ist die mangelhafte Flexibilität hinsichtlich des Change Request Management ausschlaggebend für eine zunehmende Unzufriedenheit mit dem ausländischen IT-Dienstleister (Söbbing, 2002: 330). Daher sollten die Offshoring-Partner bereits frühzeitig einen Änderungsprozess hinterlegen (Sparrow, 2003: 127). Dieser sollte insbesondere die Verantwortlichkeiten unter Berücksichtigung der in das OffshoreProjekt involvierten Abteilungen bzw. Bereiche beinhalten (Söbbing, 2002: 330). 50% 42 % 40%
30%
27 % 19 %
20% 12 % 10%
0% Monatlich
Quartalsweise
Jährlich
Vertragsende
Quelle: in Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 193)
Abbildung 39: Häufigkeit der Neuverhandlung von SLAs
Zur Vereinfachung des Change Request Management sollte nach Bräutigam (2004: 630), analog zum Pflichtenmanagement, ein Lenkungsausschuss installiert werden. Dieser setzt sich in der Regel aus IT-Spezialisten und Managern der beteiligten Vertragsparteien zusammen. Die Aufgabe des Lenkungsausschusses besteht in erster Linie darin, zu überprüfen, wie Änderungswünsche des auslagernden Unternehmens in das bestehende Vertragswerk integriert werden können. Hierzu sind spezielle Verfahren zu entwickeln, die eine zeitnahe Umsetzung der Vertragsänderungen ermöglichen.
152
11.2.3
11 Vertragsmanagement
Konfliktmanagement
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei einem Outsourcing-Vertrag um einen komplexen Langzeitvertrag. Daher kann man sich bei diesem Vertragstyp nicht der Konfliktlösungsmechanismen bedienen, wie sie bei Austauschverträgen eingesetzt werden. Bei solchen Verträgen sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten ausreichend bestimmt, so dass eine fachgerechte Konfliktlösung auch mithilfe eines Gerichts erzielt werden kann (Bräutigam, 2004: 630). Bei einem Vertrag im Outsourcing-/Offshoring-Umfeld gestaltet sich die Lösung von Konflikten wesentlich komplizierter. Möchten die Kooperationspartner ihre Zusammenarbeit in der Zukunft fortsetzen, sollte allerdings in jedem Fall eine außergerichtliche Lösung (z. B. Mediation oder Schiedsgericht) angestrebt werden. Können die Partner auf diesem Wege keine Einigung treffen, lässt sich in der Regel eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht vermeiden. Diese ist jedoch zumeist mit der Beendigung der Zusammenarbeit verbunden. Daher empfiehlt es sich, in das Vertragswerk Regelungen aufzunehmen, welche die Vertragspartner dazu zwingen, sich zunächst um eine außergerichtliche Konfliktlösung zu bemühen. Sind keine entsprechenden Mechanismen vertraglich hinterlegt, ist nach Bräutigam (2004: 630-631) in der Praxis eine Tendenz zur sofortigen Schlichtung der Streitigkeiten mithilfe von Kulanzentscheidungen zu beobachten.
Zusammenfassung: Für die Vertragsverhandlung ist eine umfangreiche Vorbereitung auf beiden Seiten (z. B. die Erarbeitung einer klaren Zielsetzung) unverzichtbar. Hierbei sollten sich die Verhandlungsführer auch bereits mit den Verhandlungstechniken und -grundsätzen ihrer ausländischen Verhandlungspartner beschäftigen. Hinsichtlich der Vertragsverwaltung ist im Wesentlichen zwischen dem Pflichtenmanagement (Überprüfung der Einhaltung der vereinbarten Service Level Agreements), dem Change Request Management (Anpassung des Vertragswerks an sich verändernde Bedingungen) und dem Konfliktmanagement (Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern) zu unterscheiden.
12 Transition Management Im Rahmen der Übernahmephase übernimmt der ausländische Anbieter schrittweise den Ist-Zustand der auszulagernden IT-Aktivitäten bzw. -Prozesse des Auftraggebers und betreibt diese anschließend in Eigenregie weiter. Nach der Übernahme führt der IT-Dienstleister in der Regel zunächst eine Standardisierung und Optimierung der entsprechenden Tätigkeiten durch. Hierdurch soll der erwünschte Soll-Zustand und die damit verbundenen Kosteneinsparungen erreicht werden (Söbbing, 2002: 98-99). Die Übergangsphase zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand wird üblicherweise als Transition bezeichnet. Diese überdauert in der Regel die reine Übernahmephase und stellt nach Robinson und Kalakota (2004: 227) die vielleicht schwierigste Phase eines Offshore-Projekts dar. In Abhängigkeit der Komplexität der auszulagernden Services kann die Transition zwischen drei Monaten und einem Jahr dauern. Wird mit dem Offshore-Projekt eine vollständige Umgestaltung der Auslagerungsbereiche angestrebt (z. B. der Umbau eines Mainframe-Systems in eine Client/Server-Lösung) kann die Transition auch als Migration bezeichnet werden (Bräutigam, 2004: 78-80). Im Rahmen eines Softwareentwicklungsprojekts findet in vielen Fällen keine Übernahmephase im engeren Sinne statt. Eine Ausnahme stellt die Weiterentwicklung von bereits bestehenden Softwaremodulen dar. Ein solches IT-Projekt erfordert den Transfer der entsprechenden Module auf die Anbieterseite. Soll die Dienstleistung nicht von einem Drittanbieter sondern durch ein neu aufzubauendes Tochterunternehmen bzw. ein Joint Venture erbracht werden, gilt es, zu Beginn der Übernahmephase eine entsprechende Gesellschaft zu gründen bzw. zu akquirieren (Söbbing, 2002: 99). Zur Sicherstellung einer reibungslosen Übernahmephase wird häufig als Übergangslösung ein temporärer Parallelbetrieb eingerichtet. Dies bedeutet, dass die auszulagernden Tätigkeiten zunächst weiterhin intern erbracht werden, bis der ausländische Dienstleister die erforderliche Stabilität der entsprechenden Leistungen gewährleisten kann (Bräutigam, 2004: 82-83). Nach Abschluss des Übernahmeprozesses sollte das auslagernde Unternehmen umfangreiche Abnahme- und Integrationstests durchführen (Fischer und Schumacher, 2004). Das Testen der gewünschten Funktionswei-
154
12 Transition Management
se ist insbesondere bei der Übernahme von Hard- und Software von großer Bedeutung. In den folgenden Abschnitten werden die unterschiedlichen Übernahmeprozesse im Rahmen eines Outsourcing-/Offshoring-Projekts vorgestellt. Hierbei handelt es sich in Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 154) um die folgenden Prozesse: x x x x
Transfer von Mitarbeitern Transfer von Assets Transfer von vertraglichen Verpflichtungen Transfer von Daten und Know-how
Die hier aufgelisteten Transferprozesse werden in den folgenden Abschnitten näher betrachtet.
12.1
Transfer von Mitarbeitern
Eine Vielzahl von Verlagerungsprojekten, insbesondere auf nationaler Ebene, ist mit einem Personalübergang verbunden. Hierbei übernimmt der Anbieter Mitarbeiter des auslagernden Unternehmens. Die einfachste Variante diesbezüglich ist der komplette Übergang der betroffenen IT-Einheit an den Service-Provider. Ein solcher ist bei einer Offshoring-Initiative allerdings nur schwer realisierbar. Nach Cullen und Willcocks (2003: 155) bestehen zwei grundsätzliche Optionen bezüglich des Transfers von Mitarbeitern auf die Anbieterseite: x
x
Nicht verhandelter Transfer Die zu transferierenden Mitarbeiter werden beim auslagernden Unternehmen gekündigt und verhandeln ihren Arbeitsvertrag selbständig mit ihrem zukünftigen Arbeitgeber. Verhandelter Transfer Die kooperierenden Unternehmen einigen sich auf die zu transferierenden Mitarbeiter und legen zugleich die Arbeitskonditionen dieser Mitarbeiter fest.
Ist die Offshoring-Kooperation in Form eines Joint Venture organisiert, wird zumeist von der zweiten Option Gebrauch gemacht (Bräutigam, 2004: 65).
12.2 Transfer von Assets
155
Es ist anzumerken, dass eine Übernahme von Mitarbeitern durch den beauftragten Dienstleister auch vereinzelt beim Offshoring zu beobachten ist. Im Vergleich mit nationalen Outsourcing-Projekten ist eine solche aber eher selten anzutreffen (Kobayashi-Hillary, 2004: 247).
12.2
Transfer von Assets
Insbesondere die Verlagerung von Infrastrukturservices geht in vielen Fällen mit einem Transfer von Betriebsmitteln (Assets) einher. Diesbezüglich stellt sich unter anderem die Frage, zu welchem Wert die betroffenen Assets übertragen werden sollen. Zur finanziellen Bewertung der abzugebenden Betriebsmittel existieren die folgenden Ansätze (Bräutigam, 2004: 67): Tabelle 16: Alternative Asset-Bewertungsansätze Bewertungsansatz
Kurzbeschreibung
Nomineller Wert
Die Übernahme der Assets kann zu einem nominellen Wert von einem Euro erfolgen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, falls der Kunde Abschreibungen wahrnehmen möchte.
Gerechter Marktwert
Eine aus Anbietersicht sinnvolle Vorgehensweise besteht in der Ermittlung des gerechten Marktwerts. Hierbei übernimmt der Dienstleister die Assets zu ihrem aktuellen Wert.
Aktueller Buchwert
Für das auslagernde Unternehmen bietet sich der aktuelle Buchwert an. Für den Service-Provider stellt dieser einen willkürlichen Wert dar, da er keinen Einfluss auf die Abschreibungspolitik des Auftraggebers hat.
Individuell vereinbarter Wert
Mit dem individuell vereinbarten Wert werden die Betriebsmittel in der Regel am höchsten bewertet. Dieser wird in vielen Fällen eingesetzt, um dem auslagernden Unternehmen kurzfristig Mittel zuzuführen, die im Laufe des Offshore-Projekts refinanziert werden sollen.
156
12 Transition Management
In der Transferphase sollten zudem bereits Rücknahmewerte für den Fall der vorzeitigen Beendigung der Kooperation vereinbart werden. Diese lassen sich ebenfalls mithilfe der hier aufgeführten Ansätze bestimmen (Bräutigam, 2004: 67-68). Der Transfer von Assets im Rahmen von Outsourcing/OffshoringProjekten lässt sich in zwei Bereiche unterteilen: dem Transfer von Hardware und Software. Transfer von Hardware Die transferierten Hardware-Komponenten sind zunächst in die neue ITUmgebung einzubinden. Dies erfordert in der Regel einen erheblichen Planungsaufwand. Im Anschluss daran sind zudem umfangreiche Abnahmetests zur Sicherstellung der Funktionalität der übertragenen Komponenten durchzuführen (Bräutigam, 2004: 81). In Zusammenhang mit dem Hardware-Transfer findet häufig das so genannte Sale-and-Lease-Back-Verfahren Anwendung. Hierbei verkauft der Auftraggeber zunächst die entsprechenden Hardware-Komponenten an den Auftragnehmer und mietet sie im Anschluss von diesem zurück (Sparrow, 2003: 181-182). Praxiserfahrung: Zur Gewährleistung der Einhaltung von Sicherheitsrichtlinien verschickte ein schweizerischer Versicherungskonzern im Rahmen eines OffshoreEntwicklungsprojekts zehn nach dem internen Sicherheitsstandard konfigurierte Notebooks an den ausländischen Provider. Um eine angemessene Arbeitsumgebung für Offshore-Mitarbeiter, die temporär auf Kundenseite arbeiteten, zu schaffen, stellte der Versicherungskonzern zudem entsprechende Hardware (z. B. englische Tastaturen) bereit. Auf einen Transfer von Servern wurde im Rahmen dieses OffshoreProjekts verzichtet. Stattdessen wurde den Offshore-Entwicklern ein so genannter „Direct Link“ auf die Entwicklungs-, Integrations- und Testumgebung auf Kundenseite eingerichtet. Zur Gewährleistung der Datensicherheit setzte das Kundenunternehmen eine umfassende Sicherheitsinfrastruktur auf. Hierzu wurde insbesondere auf Standardverschlüsselungsmechanismen, Firewalls und Virtual Private Networks (VPN) zurückgegriffen.
12.3 Transfer von vertraglichen Verpflichtungen
157
Transfer von Software Der Transfer von Software erfordert, genauso wie der Hardware-Transfer, die Integration in die Umgebung des Dienstleisters (Bräutigam, 2004: 82). Zuvor sind jedoch noch eine Reihe von rechtlichen Fragen zu klären. Dies ist insbesondere dann notwendig, falls die Software von einem externen Anbieter entwickelt worden ist. Im Gegensatz hierzu gestaltet sich der Transfer von Software, die intern beim Auftraggeber entwickelt worden ist, zumeist als relativ unproblematisch (Söbbing, 2002: 120). Für den Fall, dass der Outsourcing-/Offshoring-Kunde die Software bei einem Dritten erworben hat, gilt es, die Übertragbarkeit der Lizenzen zu überprüfen (Sparrow, 2003: 182). Eine Reihe von Softwareherstellern schließt im Lizenzvertrag die Übertragung der Software auf einen anderen Provider vollständig aus. Bei einem Verstoß gegen diese Regelung drohen dem Unternehmen Bußgelder bzw. Vertragsstrafen. Problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang, dass der Abschluss entsprechender Lizenzverträge zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, zu dem ein Verlagerungsprojekt noch nicht als ernsthafte Option angesehen worden ist (Bräutigam, 2004: 82).
12.3
Transfer von vertraglichen Verpflichtungen
In der Regel übernimmt der Dienstleister alle vertraglichen Verpflichtungen, die in Verbindung mit dem Auslagerungsprojekt stehen. Beispiele für solche vertraglichen Verpflichtungen sind nach Söbbing (2002: 120): x Wartungsverträge zur Pflege von Exoten-Software x Wartungs- und Lieferverträge für CAD-Systeme x Wartungs- und Lieferverträge von Apple-Macintosh-Computern etc. Sofern der ursprüngliche Vertragspartner und das auslagernde Unternehmen eine Übertragung von Vertragspflichten nicht explizit ausgeschlossen haben, ergeben sich diesbezüglich zumeist keine juristischen Bedenken. Falls dies doch geschehen ist, kann der Outsourcing-/Offshoring-Kunden dem Auftragnehmer nach Söbbing (2002: 120) zumindest die administrative Verantwortung für den bzw. die entsprechenden Verträge zuteilen.
158
12.4
12 Transition Management
Transfer von Daten und Know-how
Eine der schwierigsten Aufgaben im Rahmen der Übernahmephase stellt der Datentransfer dar. In den wenigsten Fällen ist dieser mit einem einfachen Überspielen der Daten auf die Speichermedien beim Anbieter gleichzusetzen. Vielmehr werden hierbei unterschiedlichste Datenbestände zusammengeführt, vereinheitlicht und für das Zielsystem lesbar gemacht. In diesem Zusammenhang erweist sich nach Bräutigam (2004: 82) vor allem das Vorherrschen verschiedener Datenformate als problematisch. Praxiserfahrung: Zur Sicherstellung einer gemeinsamen Wissensbasis etablierte ein schweizerischer Versicherungskonzern im Rahmen eines Offshore-Softwareentwicklungsprojekts eine Lotus-Notes-Datenbank mit relevanten Projektdokumenten, auf die alle Projektmitarbeiter gleichermaßen zugreifen konnten. Dokumente, die bisher nur in Deutsch vorlagen, wurden ins Englische übersetzt, bevor sie in der Datenbank bereitgestellt wurden. Zusätzlich zu den bereits beschriebenen Maßnahmen zum Wissenstransfer betonte ein deutscher Mittelständler aus der Chemieindustrie insbesondere den regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Providermitarbeitern und internen Wissensträgern innerhalb seines Offshore-Entwicklungsprojekts. Hierzu arbeitete unter anderem ein so genannter „Subject Matter Expert“ des Offshore-Providers zu Projektbeginn für einen Zeitraum von mehreren Wochen auf Kundenseite. Beide Kundenunternehmen verzichteten jedoch auf den Einsatz eines so genannten „Knowledge Portal“, das ihnen von Providerseite angeboten wurde. Diese Entscheidung wurde in beiden Fällen mit dem hohen Aufwand, der mit der Pflege eines solchen Portals verbunden ist, begründet. Um einen Rücktransfer des im Rahmen des Offshore-Projekts entstandenen Wissens sicherzustellen, beauftragten beide Unternehmen den Offshore-Provider mit der Erstellung einer detaillierten technischen Projektdokumentation. Neben der technischen Übertragung der Daten kann der Auftragnehmer auch mit der inhaltlichen Überarbeitung der Datenbestände beauftragt werden. Hierbei ist es wichtig, die Daten auf Konsistenz zu überprüfen,
12.4 Transfer von Daten und Know-how
159
Datenleichen und -redundanzen zu identifizieren und zu beseitigen oder zukünftig benötigte Informationen zu ergänzen (Bräutigam, 2004: 82). Bezüglich des Know-how-Transfers ist nach Robinson und Kalakota (2004: 227) zunächst festzulegen, welches Wissen an den Service-Provider weitergegeben werden soll bzw. muss und welches innerhalb des Unternehmens verbleiben sollte. Der eigentliche Know-how-Transfer kann dann entweder onsite oder offsite stattfinden. Bei einer Onsite-Lösung werden ausgewählte Mitarbeiter des Dienstleisters eingeflogen und bezüglich der auszulagernden Tätigkeiten geschult. Das hierbei erlangte Wissen geben diese nach ihrer Rückkehr an ihre Kollegen am Offshore-Standort weiter. Bei einer Offshore-Lösung kommen Mitarbeiter des Auftraggebers zum Providerstandort und schulen die Mitarbeiter des Auftragnehmers direkt vor Ort (Thondavadi und Albert, 2004: 108).
Zusammenfassung: Bezüglich des Mitarbeitertransfers bestehen grundsätzlich zwei Optionen: der nicht verhandelte (auslagerndes Unternehmen ist nicht in Personalübergangsprozess integriert) und der verhandelte Transfer (Unternehmen verwaltet Übergangsprozess). Es ist allerdings anzumerken, dass ein Personalübergang bei Offshore-/Nearshore-Projekten eher selten anzutreffen ist. Hinsichtlich des Transfers von Assets erweist sich insbesondere die monetäre Bewertung der zu übertragenden Betriebsmittel als kritisch. Es existieren die folgenden Bewertungsoptionen: Nomineller Wert, gerechter Marktwert, aktueller Buchwert, individuell vereinbarter Wert. Der Transfer von vertraglichen Verpflichtungen ist zumeist unkritisch. Eine Ausnahme liegt dann vor, wenn dieser explizit in dem zu übertragenden Vertrag ausgeschlossen ist. Eine der schwierigsten Aufgaben im Rahmen des Transition Management ist der Datentransfer. Hierbei müssen vielfach unterschiedlichste Datenbestände zusammengeführt, vereinheitlicht und für das Zielsystem lesbar gemacht werden. Der Know-how-Transfer kann sowohl onsite beim Auftraggeber als auch offshore bzw. nearshore beim Auftragnehmer stattfinden.
13 Leistungsmanagement Nachdem die vom Offshoring betroffenen IT-Aktivitäten bzw. -Prozesse des Auftraggebers erfolgreich an den IT-Dienstleister ausgelagert worden sind und der ausgehandelte Vertrag von beiden Seiten unterzeichnet worden ist, beginnt die Betriebsphase. Zu diesem Zeitpunkt sollte nach Söbbing (2002: 177) bereits der angestrebte Soll-Zustand der ausgelagerten IT-Tätigkeiten, d. h. das Ende der Transitionsphase, erreicht worden sein. Nach dem Beginn der Durchführungsphase dauert es in der Regel bis zu sechs Monate bis die vereinbarten Service Level Agreements endgültig aktiviert werden. Aufgrund der enormen Komplexität eines Outsourcing-/ Offshoring-Vertrags findet bis zu diesem Zeitpunkt eine Art Testlauf statt, der von den Offshoring-Partnern zur gemeinsamen Überprüfung der Vertragsinhalte genutzt werden sollte („Joint Verification“). Am Ende der Testphase erfolgt die endgültige Festlegung der Leistungsparameter durch die Vertragspartner (Söbbing, 2002: 178). Nach der Aktivierung der Service Levels sollte der Auftraggeber eine kontinuierliche Leistungsmessung durchführen. In diesem Zusammenhang gilt es auch, die Einhaltung der vereinbarten Datenschutzrichtlinien zu überwachen. Zudem sollte der Auftraggeber in regelmäßigen Abständen eine Evaluierung des Projektnutzens vornehmen. Hierzu können nach Söbbing (2002: 178) sowohl interne als auch externe Vergleiche angestellt werden. Im Folgenden wird schwerpunktmäßig auf mögliche Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators) zur Leistungsmessung sowie das Benchmarking zur Projektevaluierung eingegangen.
13.1
Leistungsmessung
Nach der Vereinbarung der zu erbringenden Dienstleistungen in der Verhandlungsphase besteht die Notwendigkeit, die Leistungserbringung durch den Offshore-Anbieter während des laufenden Betriebs zu messen (Aalders, 2001: 174). Als vertragliche Grundlage hierfür dienen die in der Verhandlungsphase erarbeiteten Leistungsverträge mit den entsprechenden SLAs (Söbbing, 2002: 167).
162
13 Leistungsmanagement
Die Leistungsmessung dient als Basis für die im Rahmen des Vertragsmanagements durchzuführenden Aktivitäten. Insbesondere das Service Level Management (SLM) profitiert wesentlich von einer exakten Leistungsmessung (Sparrow, 2003: 137). Um die Gewinnung aussagekräftiger Ergebnisse aus der Leistungsmessung sicherzustellen, sollten die hierbei eingesetzten Kennzahlen sorgfältig ausgewählt werden. Nach Sparrow (2003: 138) empfiehlt es sich, die für die Leistungsmessung zur Verfügung stehenden Maßzahlen – anhand der so genannten „SMART“-Kriterien – auf ihre Eignung zu prüfen: x
x
x x
x
Specific Die Kennzahl sollte klar verständlich sein und nur einen geringen Spielraum bezüglich der Interpretierbarkeit zulassen. Measurable Die Kennzahl sollte quantifizierbar sein und statistisch ausgewertet werden können. Achievable Die Kennzahl sollte erreichbar, angemessen und glaubwürdig sein. Relevant Die Kennzahl sollte von Relevanz für die Unternehmung sein und zudem die Ziele, die mit der Offshoring-Initiative verknüpft sind, widerspiegeln. Timely Die Kennzahl sollte zeitgemäß sein, d. h. sie sollte die aktuellen Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung der „SMART“-Kriterien kann das auslagernde Unternehmen Leistungskennzahlen, häufig auch als Key Performance Indicators (KPIs) bezeichnet, definieren, die eine objektive Leistungsmessung gewährleisten sollen. In Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 81) bietet sich hierzu der im Folgenden skizzierte Prozess an: 1. Festlegen des Projektumfangs z. B. Welche Leistungen sind durch den Provider zu erbringen? 2. Festlegen der Stakeholder für jede Leistung z. B. Welche Interessengruppen existieren für die einzelnen Leistungen? 3. Identifikation kritischer Erfolgsfaktoren z. B. Welche Minimalerwartungen bestehen in Abhängigkeit von
13.1 Leistungsmessung
163
der jeweiligen Interessengruppe an die zu erbringenden Leistungen? 4. Definition der Leistungskennzahlen (KPIs) z. B. Anhand welcher Kennzahlen lassen sich die zu erbringenden Leistungen am besten messen? 5. Definition von Grenzwerten für jede Kennzahl z. B. Innerhalb welches Werteintervalls sollte sich jede einzelne Kennzahl bewegen? 6. Entwurf eines Mess- und Berichtssystems z. B. Wie und woher sollen die für die Leistungsmessung benötigten Daten gewonnen werden? Mithilfe des auf diese Weise entwickelten Mess- und Berichtssystems sollte der Offshoring-Kunde kontinuierlich die Leistungserbringung durch den ausländischen Anbieter beurteilen (Aalders, 2001: 174). Es ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen von Softwareentwicklungsprojekten ein solches Mess- und Berichtsystem zumeist nicht zum Einsatz kommt. Stattdessen wird eine umfangreiche Testphase durchgeführt, in welcher der Auftraggeber überprüft, ob die Software der Spezifikation entspricht. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, regelmäßige Abnahme- und Integrationstests zu vereinbaren. Diese können zu einer wesentlichen Verbesserung der Transparenz auf Kundenseite beitragen (Fischer und Schumacher, 2004). In der Testphase sollte sowohl die Funktionalität der Software überprüft, als auch die Akzeptanz durch die Nutzer untersucht werden. Verfügt die Software nicht über die gewünschte Funktionalität, besteht die Möglichkeit, unverzüglich Gegenmaßnahmen einzuleiten (TransCrit, 2004). Zudem sollte für das Testen innerhalb der Implementierungsphase in jedem Fall eine Reihe von Iterationen für Nacharbeiten eingeplant werden. Praxiserfahrung: Zwei Fallstudien im Offshore-Softwareentwicklungskontext zeigten, dass Kundenunternehmen zur Messung und Kontrolle der Leistungserbringung durch den ausländischen Provider im Wesentlichen die folgenden Maßnahmen ergriffen haben: Als Grundlage für die Leistungsmessung und -kontrolle wurde zunächst ein detaillierter Projektplan mit Meilensteinen und den zu erbringenden
164
13 Leistungsmanagement
Leistungen mit dem Offshore-Provider vereinbart. Auf Basis dieses Projektplans wurde ein gestaffelter Bezahlungsmechanismus festgelegt. Zur Überwachung des vereinbarten Projektplans wurde ein „Ampelsystem“ etabliert, das Rückschlüsse auf den aktuellen Projektstatus ermöglicht. Darüber hinaus wurde der Projektstatus in wöchentlichen Statusmeetings mit dem Offshore-Provider diskutiert sowie ein wöchentlicher Projektstatusbericht durch den Provider erstellt. Letzterer beinhaltete im Wesentlichen einen Überblick der Aktivitäten, die der Offshore-Provider in der entsprechenden Woche durchgeführt hat. Zusätzlich zu den Statusberichten führte der Onsite-Koordinator des Offshore-Providers ein so genanntes „Query Register“ mit offenen Problem- und Fragestellungen. Zur Überwachung des Projektfortschritts und der Qualität der Projektergebnisse einigten sich die Kundenunternehmen mit dem Offshore-Provider auf eine frühzeitige und regelmäßige Entwicklung von Prototypen. Anhand dieser Prototypen wurden Nutzerakzeptanztests in den entsprechenden Fachabteilungen durchgeführt.
13.2
Evaluierung
Bereits während der Durchführungsphase sollte der Offshoring-Kunde mit der Evaluierung des Verlagerungsprojekts beginnen. Aus Kundensicht ist hierbei insbesondere der mit dem Projekt generierte Nutzen von Interesse. Eine beliebte Technik, um diesen besser einschätzen zu können, ist das Benchmarking. Hier besteht einerseits die Möglichkeit die ausgelagerten Bereiche intern erbrachten Leistungen gegenüberzustellen (internes Benchmarking) oder Vergleiche mit Wettbewerbern und anderen Unternehmen anzustellen (externes Benchmarking). Internes Benchmarking Beim internen Benchmarking werden die ausgelagerten Tätigkeiten mit gleichartigen Leistungen innerhalb der eigenen Organisation verglichen (Söbbing, 2002: 216-217). Auf diese Weise kann der mit dem OffshoringProjekt erzielte Nutzen aus Kundensicht bewertet werden. Falls eine Gegenüberstellung mit intern erbrachten Leistungen nicht möglich ist, muss sich der Auftraggeber zwangsläufig des externen Benchmarking bedienen (siehe nächster Abschnitt). Dieses gestaltet sich aber aufgrund der aufwändigeren Datenerhebung als wesentlich zeit- und personalintensiver.
13.2 Evaluierung
165
Externes Benchmarking Eine der bekanntesten Techniken zur externen Evaluierung eines OffshoreProjekts stellt das externe Benchmarking dar. Dieses wird auch als wettbewerbsorientiertes Benchmarking bezeichnet. Hierbei werden die ausgelagerten Tätigkeiten mit ähnlichen Leistungen bei Wettbewerbern verglichen (Söbbing, 2002: 217). Ob die Aktivitäten bei den Konkurrenten ebenfalls von einem Offshore-Anbieter durchgeführt werden, ist im Rahmen des externen Benchmarking zunächst zweitrangig. Im Rahmen des externen Benchmarking erweist sich in erster Linie die Gewinnung der erforderlichen Daten als problematisch. Aufgrund der vielfach vorherrschenden Konkurrenzsituation erhält der Offshoring-Kunde in den seltensten Fällen einen Gesamteinblick in die Geschäftsabläufe eines anderen Unternehmens. Unter anderem aus diesem Grund gestaltet sich nach Söbbing (2002: 217) die Erhebung der Vergleichsdaten als relativ schwierig (vergleiche Abbildung 40). Zudem lässt sich die Qualität der zur Verfügung stehenden Daten nur schwer beurteilen.
Sonstige 17 % ProviderKunde 10 % Daten einer Beratung 17 %
Vergleichbares Unternehmen 56 %
Quelle: in Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 190)
Abbildung 40: Datenquellen für externe Benchmarks
Mithilfe des externen Benchmarking lassen sich vorwiegend die Qualität und die Effektivität der Leistungserbringung durch den ausländischen Service-Provider im Vergleich zum Wettbewerb bewerten (Sparrow, 2003:
166
13 Leistungsmanagement
142). Darauf aufbauend kann beurteilt werden, ob der beauftragte Offshoring-Anbieter der richtige Kooperationspartner für den Offshoring-Kunden ist oder ob ein besser geeigneter Partner auf dem globalen IT-Dienstleistungsmarkt existiert (Söbbing, 2002: 220-221). In vielen Fällen möchte das auslagernde Unternehmen eine externe Benchmarking-Analyse aufgrund des enormen Aufwands, der hiermit verbunden ist, nicht selbständig durchführen (Cullen und Willcocks, 2003: 189-191). In diesem Fall kann es nach Söbbing (2002: 221) entweder eine Unternehmensberatung oder eine Forschungseinrichtung mit der Durchführung beauftragen. Der mithilfe von unterschiedlichen Techniken erfasste Projektnutzen lässt sich beispielsweise in einer Nutzenmatrix darstellen. Hierzu kann nach Cullen und Willcocks (2003: 82) eine Balanced Scorecard mit den Perspektiven Leistungserbringung, Beziehung, Preis und Strategie herangezogen werden. Abbildung 41 zeigt eine solche Matrix mit exemplarischen Nutzenklassen. Service
Beziehung
• Qualität • Kontinuität etc.
• Werte • Reaktionszeit • Eigeninitiative etc.
Preis
Strategie
• Preishistorie • Wettbewerbsfähigkeit • TCO (Total Cost of Ownership) etc.
• Zielerreichung • Innovation • Beitrag zum Geschäftserfolg etc.
Quelle: in Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 82)
Abbildung 41: Nutzenmatrix zur Projektevaluierung
Als Problem einer projektbegleitenden Evaluierung erweist sich, dass der tatsächlich realisierte Nutzen noch nicht vollständig abzuschätzen ist. Daher sollte eine endgültige Evaluierung des Offshore-Projekts ex post stattfinden.
13.2 Evaluierung
167
Zusammenfassung: Zur kontinuierlichen Leistungsmessung werden Kennzahlen, so genannte Key Performance Indicators (KPIs) definiert. Hierbei empfiehlt es sich, die definierten Maßzahlen anhand der „SMART“-Kriterien (Specific, Measurable, Achievable, Relevant, Timely) auf Eignung zu prüfen. Zur Einschätzung des mit dem Offshore-Projekt generierten Nutzens ist eine regelmäßige Projektevaluierung durchzuführen. Eine in diesem Zusammenhang häufig eingesetzte Technik ist das Benchmarking. Hier kann zwischen dem internen (Vergleich mit einer internen Leistungserbringung) und dem externen Benchmarking (Vergleich mit einer externen Leistungserbringung) unterschieden werden.
14 Kommunikationsmanagement Die Zusammenarbeit mit einem ausländischen IT-Dienstleister erfordert eine Internationalisierung der Unternehmung. Hierdurch ergeben sich unter anderem neue Anforderungen an die Kommunikationsinfrastruktur der beteiligten Partnerunternehmen. Die bisherigen Strukturen, die vereinzelt noch auf lokale Geschäftspartner fokussiert sind, müssen den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. In diesem Zusammenhang sind in erster Linie die unterschiedlichen Zeitzonen, die in Abhängigkeit von dem Offshoring-Zielland zum Teil nur kurze Kommunikationsfenster zulassen, zu beachten. Die vorherrschenden Problemfelder einer internationalen Kommunikation versuchen die Offshoring-Partner nicht selten durch verstärkte Reiseaktivitäten zu kompensieren. Dies führt allerdings wiederum zu stark ansteigenden Kosten bei den beteiligten Unternehmen (Behrendt, 2002: 686). Hinsichtlich des Kommunikationsmanagements kann nach Robinson und Kalakota (2004: 228-230) zwischen der strategischen und der operationalen Kommunikation unterschieden werden. Während das strategische Kommunikationsmanagement insbesondere die Kommunikation mit allen Interessengruppen im Vorfeld eines Offshore-Projekts (z. B. die Ankündigung des Projekts bei den internen Mitarbeitern) umfasst, bezieht sich das operationale Kommunikationsmanagement schwerpunktmäßig auf die Abwicklung der täglichen Projektkommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich sowohl mit dem Management der strategischen (Entwicklung einer Kommunikationsstrategie) als auch der operationalen Kommunikation (Auswahl von Kommunikationsmedien).
14.1
Entwicklung einer Kommunikationsstrategie
Die Vorbereitung der Zusammenarbeit mit einem Offshore-Anbieter erfordert sowohl eine erhöhte Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern als auch innerhalb des auslagernden Unternehmens. Der hiermit verbundenen Zeit- und Ressourcenaufwand wird nach Cullen und Willcocks (2003: 46) oftmals von Unternehmen unterschätzt. Um dies zu vermeiden, empfehlen die Autoren die Erarbeitung einer angemessenen Kommunika-
170
14 Kommunikationsmanagement
tionsstrategie. Dies erfordert die Kenntnis der verschiedenen Interessengruppen eines Offshoring-Projekts sowie die individuellen Problemstellungen der einzelnen Gruppen. Cullen und Willcocks (2003: 47) differenzieren in diesem Zusammenhang zunächst zwischen internen und externen Interessengruppen (siehe Tabelle 17). Für die Kommunikation mit internen Interessengruppen eignen sich nach Cullen und Willcocks (2003: 47) die regelmäßige Durchführung von Meetings, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe sowie die Einbindung dieser Gruppen in Lenkungsausschüsse. Zur Kommunikation mit externen Interessengruppen können unter anderem Newsletter für Unternehmenskunden verschickt, Vor-Ort-Besuche beim Offshore-Anbieter eingeplant sowie Presseveröffentlichungen und Interviews mit Medienvertretern durchgeführt werden. Tabelle 17: Interne und externe Interessengruppen eines Offshore-Projekts Interessengruppe Mitarbeiter
Problemstellungen (Beispiele) Welche Folgen bestehen für Mitarbeiter? Welche Unterstützung können die Mitarbeiter von Firmenseite erwarten?
Personalabteilung
Werden Mitarbeiter transferiert?
Intern
Welche Rolle spielt die Personalabteilung im Rahmen des Offshore-Projekts? Rechtsabteilung
Welches Länderrecht ist anzuwenden? Ist der Einbezug externer Rechtsanwälte geplant?
Finanzabteilung
Wie groß ist das Projektbudget? Werden Betriebsmittel (Assets) an den Provider übertragen?
Management
Welche Risiken bestehen bezüglich des OffshoreProjekts? Wie sieht der Zeitplan aus?
14.1 Entwicklung einer Kommunikationsstrategie
171
Wie beeinflusst die Auslandsverlagerung die durch das Unternehmen angebotenen Produkte bzw. Services?
Offshore-Anbieter
Wer sind die Ansprechpartner auf Kundenseite?
Extern
Unternehmenskunden
Welche Form der Zusammenarbeit wird durch den Kunden erwünscht? Medien
Wie viele Stellen werden in das Ausland verlagert? Sind Arbeitsplatzverluste mit der Verlagerung verbunden?
Aufbauend auf der Kenntnis der wesentlichen Interessengruppen und der Problemstellungen dieser Gruppen kann für jede Zielgruppe eine umfassende Kommunikationsstrategie entwickelt werden. Diese umfasst in Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 49) die folgenden Komponenten: x
x
x x
x
Informationen Welche Informationen werden an die entsprechende Interessengruppe kommuniziert? Zielsetzung Welches Ziel verfolgt die Unternehmung mit der Kommunikation der Informationen? Kommunikationsform/-medium Auf welche Weise werden die Informationen kommuniziert? Zeitpunkt Zu welchem Zeitpunkt erfolgt die Kommunikation der Informationen? Feedback Soll im Anschluss an die Informationskommunikation Feedback von der entsprechenden Interessengruppe eingeholt werden?
Bei der Erarbeitung einer umfassenden Kommunikationsstrategie ist zudem zu beachten, dass diese insbesondere diejenigen Interessengruppen adressiert, die als kritisch für den Projekterfolg einzustufen sind (Cullen und Willcocks, 2003: 48).
172
14 Kommunikationsmanagement
Praxiserfahrung: Zur stärkeren Einbindung des Topmanagements definierten sowohl ein schweizerischer Versicherungskonzern als auch ein deutscher Mittelständler aus der Chemieindustrie einen Lenkungsausschuss für jedes Offshore-Projekt. Dieser traf sich üblicherweise alle vier bis sechs Wochen und setzte sich sowohl aus Managementvertretern des Auftraggebers als auch des Auftragnehmers zusammen. Um eine anhaltende Managementunterstützung sicherzustellen, benannten beide Kundenunternehmen zudem Projektsponsoren im Topmanagement. Beispielsweise fungierte der CIO des schweizerischen Versicherungskonzerns als Projektsponsor für ein Offshore-Softwaremigrationsprojekt.
14.2
Auswahl von Kommunikationsmedien
Der Erfolg eines Offshore-Projekts hängt wesentlich von der Effizienz der Kommunikation zwischen den Partnerunternehmen ab. In diesem Zusammenhang spielt vor allem die Auswahl geeigneter Kommunikationsmedien eine entscheidende Rolle. Diese wird primär von der Frage beeinflusst, welches Kommunikationsmedium sich für welche Aufgabenstellung eignet. Laut empirischen Studien von Picot/Reichwald aus dem Jahr 1987 hängt die Eignung eines Kommunikationsmediums von der Struktur der zu bewältigenden Aufgaben ab. Um eine strenge Aufgabenorientierung im Rahmen der Auswahl sicherstellen zu können, empfiehlt es sich nach Behrendt (2002: 687), die folgenden Leitfragen bei der Auswahl schrittweise abzuarbeiten: 1. Welche Aufgaben sind durch Kommunikationsmedien zu unterstützen? 2. Welche Kommunikationskomplexität weisen die identifizierten Aufgaben vor? 3. Welche Kommunikationsmedien können welche Aufgaben unterstützen? Der dritte Schritt dient der Zuordnung von Kommunikationsmedien zu den identifizierten Kommunikationsaufgaben. Die nachfolgende Abbildung soll verdeutlichen, welches Medium sich für welchen Komplexitätsgrad der zu unterstützenden Aufgabe eignet (Behrendt, 2002: 688).
14.2 Auswahl von Kommunikationsmedien
173
Media Richness hoch Face-to-Face Dialog Videokonferenzen
Bereich der Mehrdeutigkeit des Kommunikationsmediums (zu viele Nebeninformationen)
Application Sharing ISDN-Telefon Workgroup/DSS Hypermedia-Dokumente Workflow Informationsdienste Internet Elektronischer Kalender
en ti v k n ffe r e katio e i d n ich mu e r m Be Ko
Voice Mail E-Mail Telefax Briefpost
Bereich der Unpersönlichkeit des Kommunikationsmediums (kein Feedback)
hoch
Komplexität Quelle: in Anlehnung an Behrendt (2002: 688)
Abbildung 42: Auswahl geeigneter Kommunikationsmedien
Wie in Abbildung 42 ersichtlich, lassen sich Aufgaben mit einem geringen Komplexitätsgrad (z. B. die Übermittlung von Kurznachrichten) durch Kommunikationsmedien wie z. B. E-Mail oder Voice Mail unterstützen. Im Gegensatz hierzu ist beispielsweise die Durchführung eines Führungsgesprächs unter Zuhilfenahme dieser Medien nicht ratsam. Aufgrund der erhöhten Komplexität sollte in diesem Fall möglichst ein persönliches Gespräch zwischen Unternehmensvertretern stattfinden (Behrendt, 2002: 688). Allerdings lassen sich mithilfe der Auswahl geeigneter Medien nicht alle Kommunikationsprobleme im Rahmen einer internationalen Kooperation beheben. Durch die oft weiten Entfernungen und die unterschiedlichen Arbeitszeiten beschränken sich die Projektpartner in vielen Fällen auf die Kommunikation via Telefon, Telefax, E-Mail und Videokonferenzen. Diese Kommunikationstechniken können jedoch die Anforderungen an eine effiziente Kommunikationsinfrastruktur nur teilweise erfüllen. Insbesondere die Erreichbarkeit der gewünschten Ansprechpartner kann mithilfe der oben genannten Techniken nicht gewährleistet werden. Dies kann zu er-
174
14 Kommunikationsmanagement
heblichen Verzögerungen bei wichtigen Projektentscheidungen führen. Zudem ist die Kommunikationsinfrastruktur in vielen Offshore-Ländern nicht ausreichend zuverlässig (Litke, 2002: 379). Praxiserfahrung: Hinsichtlich der Kommunikation mit dem Offshore-Provider zeigten zwei Fallstudien, dass die betrachteten Kundenunternehmen einen breiten Kommunikationsmix einsetzten. Neben der „klassischen“ Kommunikation über E-Mail und Telefon nutzten beide Unternehmen insbesondere Videokonferenzen und Instant Messaging Tools zum Informationsaustausch mit dem Provider. Allerdings betonten beide Kundenunternehmen, dass insbesondere zu Projektbeginn (z. B. zur Erstellung der Projektspezifikation) sowie beim Auftreten von Konflikten persönlicher Kontakt zwischen den Projektpartnern unumgänglich ist. Hierzu reisten zumeist Vertreter des Offshore-Providers für einen Zeitraum von wenigen Tagen bis zu mehreren Wochen zum Auftraggeber. Um einen Eindruck von der Arbeitsweise des Offshore-Providers zu erhalten, erachteten es beide Unternehmen aber auch für sinnvoll, dass Vertreter des Kundenunternehmens den Offshore-Provider im Laufe des Projekts vor Ort besuchen. Ein weiteres Problemfeld im Hinblick auf die Kommunikation zwischen den Offshoring-Partnern stellen vielfach die unterschiedlichen Sprachkenntnisse der Projektmitarbeiter dar. Aus diesem Grund können in einigen Fällen Informationen zwischen den Partnerunternehmen nicht direkt ausgetauscht und Entscheidungen nicht zeitnah getroffen werden (Litke, 2002: 379).
Zusammenfassung: Insbesondere die Anbahnungsphase einer Offshore-Kooperation erfordert einen erhöhten Kommunikationsaufwand zwischen den Partnerunternehmen sowie innerhalb des auslagernden Unternehmens. Der daraus resultierende Zeit- und Ressourcenaufwand wird vielfach von Unternehmen unterschätzt. Um dies zu vermeiden, ist die Entwicklung einer Kommunikationsstrategie für jede beteiligte Interessengruppe ratsam. Eine solche
14.2 Auswahl von Kommunikationsmedien
175
umfasst im Wesentlichen die an eine Zielgruppe zu vermittelnden Informationen, die hiermit verbundene Zielsetzung, die hierfür geeignete Kommunikationsform, den passenden Zeitpunkt der Informationsvermittlung und die Notwendigkeit von Feedback. Der Erfolg eines Offshore-Projekts hängt wesentlich von der Kommunikationseffizienz zwischen den Partnerunternehmen ab. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere die Auswahl geeigneter Kommunikationsmedien eine bedeutende Rolle. Hierbei ist in Abhängigkeit von dem Komplexitätsgrad der zu unterstützenden Kommunikationsaufgabe zu entscheiden, welches Medium sich für die Aufgabe am besten eignet.
15 Management der kulturellen Unterschiede Die kulturbedingten Probleme im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Offshoring-Partnern resultieren vorwiegend aus den unterschiedlichen Managementauffassungen und den generellen Mentalitätsunterschieden der internationalen Projektpartner (Litke, 2002: 384). Einen wesentlichen Einflussfaktor auf die kulturspezifische Verhaltensweise der Projektmitarbeiter stellen die so genannten Kulturdimensionen dar. Die Berücksichtigung dieser Dimensionen im Rahmen des internationalen Projektmanagements beschreibt unter anderem Hofstede. Er führt die kulturellen Unterschiede auf eine Art mentale Programmierung zurück, die das Verhalten eines jeden Menschen prägt. In diesem Zusammenhang lassen sich nach Litke (2002: 385; erstmals bei Hofstede, 1982) die folgenden drei Kulturdimensionen unterscheiden: x x x
Individualismus vs. Kollektivismus Machtunterschiede Vermeidung von Unsicherheit
Unabhängig von den konkreten Dimensionsausprägungen des OffshoreZiellandes ergibt sich aus den kulturellen Unterschieden in jedem Fall eine wesentliche Herausforderung für das Management eines IT-OffshoringProjekts (Litke, 2002: 387; erstmals bei Hofstede, 1982). Um den kulturellen Unterschieden auf beiden Seiten angemessen zu begegnen, ist es notwendig, sowohl die internen und externen Mitarbeiter auf das Projektvorhaben vorzubereiten (Change Management), als auch die Beziehung zum ausländischen Service-Provider zu pflegen (Relationship Management). Diese beiden Managementaufgaben werden im Folgenden näher betrachtet.
15.1
Change Management
In den bestehenden Kulturunterschieden zwischen den Offshore-Partnern ist ein erheblicher Risikofaktor für den Projekterfolg zu sehen. Zur Risikominimierung sollte das auslagernde Unternehmen nach Böhm (2003b) bereits frühzeitig Maßnahmen einleiten, um den möglicherweise aus den kulturellen Unterschieden resultierenden Spannungsfeldern vorzubeugen.
178
15 Management der kulturellen Unterschiede
Eine Auswahl möglicher Gegenmaßnahmen wird in Abbildung 43 aufgezeigt. Risikofaktor Kulturelle Unterschiede
Mögliche Konsequenzen Blockierter Wissenstransfer
Unterschiede in der Prozessinterpretation
Zwischenmenschliche Barriere
Mangelnde Akzeptanz der fremden Kultur
Gegenmaßnahmen Prozessrahmenwerk (z.B. SEI-CMM)
Interkulturelles Training
International erfahrenes Projektteam
Entscheidungsflexibilität
Quelle: in Anlehnung an Böhm (2003b)
Abbildung 43: Kulturelle Unterschiede als Risikofaktor
Grundsätzlich kann eine Kooperation mit einem ausländischen ITDienstleister aufgrund der zumeist erheblichen Kulturunterschiede eine Vielzahl von Problemfeldern mit sich bringen (siehe Fallbeispiel Indien). Zwei der Hauptgründe hierfür sind nach Litke (2002: 383) in der fehlenden interkulturellen Kompetenz der Projektmitarbeiter und dem Mangel an interkultureller Kommunikation zwischen den Partnerunternehmen zu sehen. Daher sollten die Kooperationspartner ihre Mitarbeiter umfassend auf den Umgang mit den ausländischen Mitarbeitern vorbereiten. Entsprechende Maßnahmen werden häufig unter dem Begriff Change Management subsumiert. Fallbeispiel Indien: Am Beispiel Indien werden im Folgenden wesentliche Verhaltenspunkte geschildert, die Europäer bzw. Nordamerikaner in Bezug auf den zwischenmenschlichen Umgang mit indischen Geschäftspartnern beachten sollten.
15.1 Change Management
179
Neben sprachlichen Problemen erschweren insbesondere die zum Teil stark voneinander abweichenden Verhaltensmuster europäischer bzw. nordamerikanischer und indischer Geschäftsleute den Umgang miteinander. Dies wird vielfach bereits bei den ersten Treffen, spätestens aber bei der Aushandlung des Vertragswerks deutlich. Hinsichtlich der Durchführung von Projekttreffen empfiehlt beispielsweise Kobayashi-Hillary (2004: 224) die folgenden Verhaltensregeln zu berücksichtigen: „Versuche die Bedürfnisse und Ziele des Anderen zu verstehen“, „Verhalte Dich stets bescheiden“, „Vermeide Sarkasmus und Ironie“, „Sei geduldig“, „Versuche eine Beziehung zu Deinem Gegenüber herzustellen“ etc. Zudem empfiehlt es sich nach Kobayashi-Hillary (2004: 225), sich bereits im Vorfeld mit dem Land Indien im Allgemeinen auseinander zu setzen. Beispielsweise wird die Kenntnis der Geographie und der Geschichte Indiens eine Vielzahl von Konversationen erleichtern. Indische Geschäftsleute beschränken die Gespräche in der Regel nicht ausschließlich auf geschäftliche Themen. Daher könnte sich die Unkenntnis von Basisdaten über Indien in solchen Gesprächen als höchst peinlich erweisen. Ein Ziel des Change Management ist es, durch (gemeinsame) Schulungen eine interkulturelle Kompetenz bei den Projektbeteiligten aufzubauen (Litke, 2002: 383). Hierdurch soll sich bei den Beteiligten eine gewisse interkulturelle Sensibilität entwickeln. Eine solche umfasst neben dem konkreten Wissen über die fremde Kultur des Projektpartners im Idealfall auch das Entstehen eines internationalen Bewusstseins. Beispielsweise sollte ein Offshore-Entwickler bedenken, dass im Ausland andere Anforderungen an eine Softwarelösung bestehen als auf dem inländischen IT-Markt (Bittner, 2002: 775). Schaffen es die Kooperationspartner, eine internationale Grundhaltung in den Köpfen der Projektmitarbeiter zu verankern, stellt dies einen wesentlichen Erfolgsfaktor für den reibungslosen Ablauf eines Offshore-Projekts dar. Praxiserfahrung: Um negative Effekte seiner IT-Offshoring-Vorhaben auf die internen Mitarbeiter zu vermeiden, führte ein schweizerischer Versicherungskonzern eine Vielzahl von Maßnamen durch. Hierzu gehörte unter anderem das Einrichten einer internen Website mit aktuellen Informationen zu den
180
15 Management der kulturellen Unterschiede
Offshore-Aktivitäten des Unternehmens. Durch diese Maßnahme sollte Verständnis und Akzeptanz unter den internen Mitarbeitern geschaffen werden – mit dem Ziel interne Widerstände zu verhindern. Des Weiteren führte der Versicherungskonzern regelmäßige Informationsveranstaltungen für seine Mitarbeiter sowie Diskussionsrunden mit Managementvertretern durch. Zur Vorbereitung der internen Projektmitarbeiter auf die bevorstehenden Offshore-Projekte verteilte der Onsite-Koordinator des Offshore-Providers per E-Mail Hintergrundinformationen zu dem Offshore-Zielland sowie Profile des Offshore-Partners und dessen Mitarbeitern. Hierdurch sollten in erster Linie Ängste der Kundenmitarbeiter im Umgang mit einer fremden Kultur abgebaut werden. Zudem wurden sowohl für die internen als auch die externen Projektmitarbeiter kulturelle Trainings durchgeführt. Das Ziel dieser Trainings war es, eine gewisse Sensibilität für die andere Kultur auf beiden Seiten zu schaffen und auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit für kulturbedingte Missverständnisse zu reduzieren.
15.2
Relationship Management
Hinsichtlich der Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer lassen sich grundsätzlich zwei Beziehungstypen unterscheiden: Die hierarchische und die partnerschaftliche Beziehung. Die in Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 195) wesentlichen Charakteristika dieser beiden Beziehungstypen werden in der folgenden Tabelle gegenübergestellt. Praxiserfahrung: Ein schweizerischer Versicherungskonzern legte im Rahmen seiner Kooperation mit einem Offshore-Provider größten Wert auf das Schaffen einer partnerschaftlichen Beziehung. Das hierfür benötigte Vertrauen zwischen den Projektpartnern sollte durch die Durchführung von zwei Pilotprojekten mit dem Offshore-Provider entstehen. Hierdurch sollte eine gemeinsame Basis für eine längerfristige Zusammenarbeit sichergestellt werden.
15.2 Relationship Management
181
Den Willen, eine langfristige Partnerschaft einzugehen, betonte der Versicherungskonzern auch durch den Abschluss eines Rahmenvertrags, der dem Offshore-Provider den Status eines „Preferred Suppliers“ einbrachte. Zum Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen den Projektpartnern wurden zudem ein gemeinsamer Lenkungsausschuss eingerichtet und gegenseitige Unternehmensbesuche durchgeführt. Tabelle 18: Hierarchische vs. partnerschaftliche Beziehung Hierarchische Beziehung
Partnerschaftliche Beziehung
Kommunikative Ausrichtung
vordefiniert
offen
Konfliktbezogene Ausrichtung
Schuld zuweisend
gemeinschaftlich
Zeitliche Ausrichtung
kurzfristig
langfristig
Strategische Ausrichtung
Fokus auf Kosten
Fokus auf Qualität, Flexibilität etc.
Wertbezogene Ausrichtung
unabhängig
abhängig
In den meisten Projekten wird eine Mischform zwischen den in Tabelle 18 dargestellten Extremformen einer Outsourcing-/Offshoring-Beziehung angestrebt. Unabhängig davon, ob sich eine Beziehung eher dem einen oder dem anderen Extrem annähert, hängt der langfristige Erfolg in jedem Fall davon ab, wie die Beziehung zwischen den Kooperationspartnern gemanagt wird. Hierbei sind eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die sich im Wesentlichen in „harte“ und „weiche“ Faktoren unterteilen lassen (siehe Abbildung 44). In diesem Zusammenhang ist es beispielsweise ein Indikator für eine gut funktionierende Outsourcing-/OffshoringBeziehung, wenn auf einen Einsatz der Verwaltungs- und Kontrollstrukturen (z. B. des Vertragswerks mit den darin enthaltenen SLAs) als Druckmittel verzichtet werden kann.
182
15 Management der kulturellen Unterschiede
Verhalten (oberflächliche Verhaltensdeterminanten)
Werte und Einstellung (verborgene Verhaltensdeterminanten)
• Vertragsdokumente • Unternehmenskulturen
• • • • • •
Kommunikationsorientierung Konfliktbewältigungsorientierung Beziehungsorientierung Strategieorientierung Einstellungsorientierung Wertorientierung
Quelle: in Anlehnung an Cullen und Willcocks (2003: 197)
Abbildung 44: Einflussfaktoren einer Outsourcing-/Offshoring-Beziehung
Der Begriff „Partnerschaft“ wird heutzutage häufig als Synonym für eine ideale Beziehung zwischen zwei Unternehmen verstanden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dieser nach Cullen und Willcocks (2003: 195) in Abhängigkeit von der Perspektive des Betrachters (Auftragnehmer oder Auftraggeber) unterschiedlich interpretiert werden kann. Beispielsweise kann der Auftragnehmer unter einer Partnerschaft eine Beziehung verstehen, die vollkommen auf Vertrauen basiert. Der Auftraggeber hingegen kann darunter z. B. die Bereitschaft des Auftragnehmers verstehen, das mit dem bzw. den ausgelagerten Services verbundene Risiko vollständig oder zumindest teilweise auf sich übertragen zu lassen.
Zusammenfassung: Das Change Management befasst sich mit der Vorbereitung der Mitarbeiter auf das Projektvorhaben – sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite. Bei Offshore-Projekten sind hierbei insbesondere die kulturellen Unterschiede zwischen den Projektmitarbeitern zu betrachten. Um diese abzuschwächen, sind unter anderem die Einführung eines Prozessrahmenwerks (z. B. SEI-CMM), die Durchführung interkultureller Trainings sowie die Zusammenstellung eines international erfahrenen Projektteams empfehlenswert.
15.2 Relationship Management
183
Das Ziel des Relationship Management ist zumeist die Schaffung einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen den Kooperationspartnern. Um eine solche zu erreichen, ist eine Vielzahl von Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Diesbezüglich kann zwischen „harten“ (z. B. das Vertragsdokument) und „weichen“ Faktoren (z. B. die strategische Ausrichtung) unterschieden werden.
16 Erfolgsfaktoren Die Präsentation der wesentlichen Erfolgsfaktoren für die Abwicklung eines Offshore-Projekts orientiert sich zum einen an den bereits dargestellten typischen Phasen eines solchen Projektvorhabens (vergleiche Einführung Teil B): x x x x
Planungs- und Analysephase Entscheidungsphase Verhandlungsphase Durchführungsphase
Zum anderen kann hinsichtlich der Erfolgsfaktoren zwischen taktischen und strategischen Faktoren unterschieden werden (Esteves, 2004): x
x
Taktische Erfolgsfaktoren Faktoren, die über einen eher kurz- bis mittelfristigen Charakter verfügen. Strategische Erfolgsfaktoren Faktoren, die den Erfolg eines Projekts langfristig beeinflussen.
Die nachfolgende Tabelle klassifiziert wesentliche Erfolgsfaktoren anhand der bereits vorgestellten Differenzierungsmerkmale. Tabelle 19: Überblick wesentlicher Erfolgsfaktoren Taktisch Analyse und Planung
Interne Anpassung der Prozesse
Strategisch Definition einer adäquaten Offshoring-Strategie Verfolgung einer InsideOut-Strategie Gewinnung von Unterstützung aus dem Management
Entscheidung
Bestimmung eines geeigneten Kooperationsmodells
Auswahl eines langfristigen Offshore-Partners
186
16 Erfolgsfaktoren
Verhandlung
Kenntnis und Akzeptanz der fremden Kultur
Erzeugung eines flexiblen Vertragswerks
Eindeutige Spezifikation des Projekts bzw. Definition der Service Levels Durchführung
Durchführung von Trainingsund Schulungsmaßnahmen
Management der partnerschaftlichen Beziehung
Sicherstellung eines kontinuierlichen Kommunikationsflusses Kontinuierliche Leistungsmessung
Es ist darauf hinzuweisen, dass sich nicht alle Erfolgsfaktoren eindeutig einem Matrixfeld zuordnen lassen. Vielmehr verfügen einige der aufgelisteten Faktoren über einen phasenübergreifenden Charakter und/oder wirken sich sowohl mittelfristig (taktisch) als auch langfristig (strategisch) auf den Projekterfolg aus. In diesem Fall wurde versucht, den entsprechenden Erfolgsfaktor demjenigen Feld zuzuordnen, in dem er schwerpunktmäßig wirkt. In den sich anschließenden Abschnitten wird näher auf die in Tabelle 19 genannten Erfolgsfaktoren eingegangen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit orientiert sich die Präsentation dieser Faktoren schwerpunktmäßig an den Phasen, die typischerweise im Rahmen eines Offshore-Projekts durchlaufen werden: Der Planungs- und Analysephase, der Entscheidungsphase, der Verhandlungsphase und der Durchführungsphase.
16.1
Planungs- und Analysephase
Nach Böhm (2003a) kann festgehalten werden, dass eine umfassende Planung im Vorfeld einer Offshoring-Initiative grundlegend für den Erfolg einer solchen Initiative ist. Wesentliche Erfolgsfaktoren in dieser Phase sind die interne Prozessanpassung (taktisch), die Definition einer angemessen Offshoring-Strategie, die Verfolgung einer Inside-Out-Strategie und die Gewinnung von Unterstützung aus dem Management (alle strategisch).
16.1 Planungs- und Analysephase
187
Interne Anpassung der Prozesse Um eine Kooperation mit einem ausländischen IT-Dienstleister erfolgreich durchführen zu können, ist eine Anpassung der internen Prozesse meist unumgänglich. Beispielsweise haben mehr als die Hälfte der im Rahmen einer Studie von Buchta et al. (2004) befragten Unternehmen angegeben, dass sie ihre Geschäftsprozesse angepasst haben, um mit einem OffshoreAnbieter zusammenarbeiten zu können. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt auch die Standardisierung und kontinuierliche Verbesserung der internen Prozessabläufe. Der oben genannten Studie zufolge messen erfolgreiche Offshoring-Kunden in regelmäßigen Abständen die Qualität der internen Geschäftsprozesse und verbessern diese kontinuierlich. Eine ähnliche Vorgehensweise wird auch in Bezug auf das Zusammenspiel mit dem Offshoring-Partner empfohlen. Hinsichtlich der Auslandsverlagerung eines Softwareentwicklungsprojekts ist insbesondere eine Anpassung der herkömmlichen Entwicklungsprozesse an die veränderten Rahmenbedingungen notwendig. Die meisten internen IT-Abteilungen tendieren heutzutage zu einem iterativen Vorgehen bei der IT-Entwicklung (z. B. „Rapid Prototyping“) und versuchen hierdurch die Fachabteilung möglichst stark in den Entwicklungsprozess mit einzubeziehen. Bei einem Offshore-Projekt kann dieses Vorgehen nur schwer aufrechterhalten werden. Daher sollte das auslagernde Unternehmen im Rahmen der Softwareentwicklung nach Buchta et al. (2004) zu einer formalen Abwicklung sowie einer klaren Trennung der Arbeitsaufgaben übergehen. In Bezug auf die Prozessqualität in der IT-Branche gewinnt der CMMStandard der Carnegie Mellon University (USA) mehr und mehr an Bedeutung (Dubey, 2003: 62). Diesem Trend folgt insbesondere eine Vielzahl der ausländischen Anbieter. In Indien beispielsweise sind die führenden IT-Dienstleister alle mindestens CMM Level 4 zertifiziert. Im Gegensatz hierzu bereitet es den meisten Offshoring-Kunden bereits große Probleme, CMM Level 3 zu erreichen. Die daraus resultierenden Unterschiede in den Geschäftsabläufen der beiden Partnerunternehmen können zu erheblichen Komplikationen im Rahmen der Zusammenarbeit führen. Ein hoher CMM-Qualitätslevel ist dokumentations- und prozessintensiv. Ist ein Unternehmen daher auf die Abläufe nach CMM Level 4 oder 5 nicht vorbereitet, kann die Koordination der Schnittstellen zwischen den beiden Part-
188
16 Erfolgsfaktoren
nern viel Zeit beanspruchen (Dubey, 2003: 62-63) Folglich hilft dem Kunden ein CMM Level 5 auf Anbieterseite wenig, wenn die Prozesse innerhalb der Unternehmung hierzu nicht kompatibel sind. Um eine effiziente Kooperation zu ermöglichen, sollte nach Overby (2003b) die Differenz hinsichtlich des CMM-Levels maximal zwei Stufen betragen. Ist dies nicht der Fall, ist die daraus resultierende Schnittstellenproblematik mit einem erhöhten Personalaufwand zu kompensieren. Definition einer adäquaten Offshoring-Strategie Ein grundlegender Erfolgsfaktor für den Auftraggeber besteht in der frühzeitigen Definition einer Offshoring-Strategie. Nach Buchta et al. (2004) erreichten ca. 80 % derjenigen Unternehmen, die bereits vor Beginn des Verlagerungsprojekts eine entsprechende Strategie festgelegt hatten und diese anschließend umgesetzt haben, ihre Kosteneinsparungsziele nahezu vollständig (zwischen 80 % und 99 % der erwarteten Kostenziele). Hingegen lagen die Kosteneinsparungen bei Unternehmen, die solche Projekte ad hoc aufgesetzt haben, in der Regel deutlich unter 30 %. Verfolgung einer Inside-Out-Strategie Für Unternehmen, die über keine bzw. wenig Offshoring-Erfahrung verfügen, ist es nach Sparrow (2003: 16) ratsam, zunächst ein aus Unternehmenssicht unkritisches Projekt an einen ausländischen IT-Dienstleister zu übertragen. Dieses Vorgehen bezeichnet Dubey (2003: 53) als so genannte Inside-Out-Strategie. Hierbei beschränkt sich der Auftrageber in der Anfangszeit auf die Verlagerung überschaubarer Projekte in das Ausland. Dies hat erstens den Vorteil der erleichterten Beherrschbarkeit und zweitens den Vorzug der vereinfachten Vergleichbarkeit der erzielten Projektergebnisse mit bestehenden Alternativansätzen. Erfüllt der Auftragnehmer die Erwartungen des Auftraggebers, kann dieser nach und nach weitere Tätigkeiten an den ausländischen IT-Dienstleister übertragen. Beispielsweise könnte die Offshore-Kooperation zunächst lediglich Instandhaltungsarbeiten bezüglich bereits bestehender Applikationen umfassen. Bei einem erfolgreichen Projektverlauf kann der Projektumfang z. B. auf die Entwicklung von Zusatzmodulen für die bereits gewarteten Applikationen ausgedehnt werden. Bewährt sich der Offshore-Anbieter hierbei erneut, können z. B. komplette Softwareprojekte an diesen ausgelagert werden.
16.1 Planungs- und Analysephase
189
Fallbeispiel: Dell ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das die Inside-Out-Strategie erfolgreich angewandt hat. Das Unternehmen begann mit einem CallCenter in Indien, das von dem indischen Dienstleister Spectramind14 betrieben wurde. Basierend auf den Erfahrungen aus diesem ersten OffshoreProjekt hat Dell ein Support-Zentrum in Bangalore (Indien) eingerichtet, welches bereits im Juni 2001 über 400 Mitarbeiter beschäftigte. Dieses Zentrum leistet insbesondere E-Mail- und Sprach-Support für amerikanische Privatanwender und kleinere Betriebe. In naher Zukunft ist geplant, die von dort aus zur Verfügung gestellten Support-Leistungen auf andere Regionen und Kundengruppen auszuweiten (TransCrit, 2004). Als höchste Form des IT-Offshorings ist die Verlagerung kompletter Geschäftsprozesse an einen ausländischen Anbieter anzusehen. Da der Vertragspartner bei dieser Leistungsform des Offshorings über einen direkten Einfluss auf die Geschäftstätigkeiten des auslagernden Unternehmens verfügt, sollte ein solches Vorhaben erst nach langjährigen positiven Erfahrungen mit dem Dienstleister angegangen werden (Dubey, 2003: 67). Gewinnung von Unterstützung aus dem Management Ein nach Thondavadi und Albert (2004: 91) wesentlicher Erfolgsfaktor für ein Offshore-Projekt ist die frühzeitige Gewinnung eines so genannten „Champions“ aus dem (Top-)Management. Die Unternehmensmitarbeiter assoziieren mit einer Offshoring-Initiative zumeist Negatives: Die Mitarbeiter fürchten den Verlust ihres Arbeitsplatzes, die Manager mutmaßen einen Machtverlust etc. Um den daraus resultierenden internen Widerstand zu brechen, ist vielfach die Unterstützung durch das Management zwingend notwendig. Der „Champion“ sollte eine klare Vision hinsichtlich der OffshoringInitiative besitzen und diese auch intern vermarkten. Bei der Vermarktung ist nach Thondavadi und Albert (2004: 91) darauf zu achten, dass neben den hiermit verbundenen Chancen auch Risiken einer solchen Initiative aufgedeckt werden. Der offene Umgang mit den möglichen Negativaspekten eines Offshore-Projekts symbolisiert denjenigen Mitarbeitern, die die-
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Wipro, einer der größten indischen IT-Dienstleister, hat mittlerweile die mehrheitlichen Anteile an Spectramind übernommen (TransCrit, 2004).
190
16 Erfolgsfaktoren
sem Projekt kritisch gegenüberstehen, eine gewisse Sensibilität für ihren Standpunkt. Ein oft zitiertes Beispiel für einen Offshoring-„Champion“ in der Unternehmensführung ist Jack Welch, langjähriger CEO von General Electric (GE). Er hatte eine klare Vision bezüglich des IT-Offshorings und bezüglich der Vorteile, die dieses für GE bringen könnte. Unter anderem wegen Jack Welch gehört GE heutzutage zu denjenigen Unternehmen, die verstärkt auf Offshore-Kapazitäten (besonders in Indien) zurückgreifen.
16.2
Entscheidungsphase
In der Entscheidungsphase kann insbesondere die Bestimmung des Kooperationsmodells (taktisch) sowie die Auswahl des Offshore-Partners (strategisch) als erfolgskritisch eingestuft werden. Die Standortentscheidung wird in dieser Phase bewusst nicht als expliziter Erfolgsfaktor aufgeführt, da diese eng mit der Entscheidung für ein strategisches Partnerunternehmen verknüpft ist. Bestimmung eines geeigneten Kooperationsmodells Nach Goolsby (2004) ist die Bestimmung eines geeigneten Kooperationsmodells als ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den reibungslosen Ablauf eines Offshore-Projekts anzusehen. Hiermit werden primär die Aufgabenverteilung und die Interaktion zwischen den Onsite- und Offshore-Teams angesprochen. Diesbezüglich wird häufig betont, dass nur bei einer klaren Arbeitstrennung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer die bestehenden Lohnunterschiede zum Tragen kommen und die angestrebten Kosteneinsparungen erzielt werden können. Mischformen, bei denen Mitarbeiter des einen Unternehmens über einen längeren Zeitraum beim Partnerunternehmen sitzen, sind daher nur dann zu empfehlen, wenn es der Projektkontext zwingend erfordert (z. B. Projekt mit hohem Kommunikationsbedarf zwischen den Onsite- und Offshore-Teams). Für den Auftraggeber entstehen hierdurch erhebliche Zusatzkosten, z. B. für die Doppelvergütung der im Ausland längerfristig eingesetzten Mitarbeiter sowie für die Anreise und die Unterbringung der entsendeten Mitarbeiter. Auswahl eines langfristigen Offshore-Partners Die Auswahl des Offshore-Partners ist ganz besonders erfolgskritisch, weil die Vorteile eines Offshore-Projekts häufig erst nach einigen Jahren in
16.3 Verhandlungsphase
191
vollem Umfang zum Tragen kommen. Daher sollte in jedem Fall ausreichend Zeit und genügend Ressourcen für den Auswahlprozess eingeplant werden. Verfügt ein Unternehmen über keine bzw. wenig Offshoring-Erfahrung sollte dieses nach Thondavadi und Albert (2004: 94-95) einen externen Berater zur Auswahl eines strategischen Offshoring-Partners hinzuziehen. Eine Reihe von Beratungsunternehmen hat sich bereits auf die Vermittlung entsprechender Offshore-Provider spezialisiert. Unabhängig davon, ob die Partnerauswahl komplett selbständig durchgeführt wird oder von einem Dritten (z. B. einer Strategieberatung) unterstützt wird, sollten nach Thondavadi und Albert (2004: 99-102) sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien in die Bewertung der potenziellen Partnerunternehmen einfließen. Zudem ist auf ein ausgewogenes Bewertungsverfahren zu achten, das gleichermaßen technische, wirtschaftliche und prozessbezogene Aspekte berücksichtigt (Amberg, Herold, Kodes, Kraus und Wiener, 2005). Zur Bewertung der Offshore-Provider können die im Unternehmen bestehenden Anforderungen den beim Provider erfragten Fähigkeiten in Form einer Gap-Analyse gegenübergestellt werden (Robinson und Kalakota, 2004: 216-217). Die hierbei identifizierten Lücken können als potenzielle Risiken bzw. Kosten hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem entsprechenden Provider angesehen werden.
16.3
Verhandlungsphase
Im Hinblick auf die Verhandlungsphase ist insbesondere auf die Kenntnis und Akzeptanz der fremden Kultur, die eindeutige Definition der Service Levels bzw. detaillierte Spezifikation der Entwicklungsvorgaben (beide taktisch) und die Erstellung eines flexiblen Vertragswerks (strategisch) zu achten. Kenntnis und Akzeptanz der fremden Kultur Im Hinblick auf die Vertragsverhandlungen zwischen den beiden Offshoring-Partnern ist vor allem der Umgang mit den kulturellen Unterschieden entscheidend für einen erfolgreichen Verhandlungsverlauf. Daher sollte bereits bei der Auswahl des zukünftigen Offshore-Partners berücksichtigt werden, mit welchen Kulturunterschieden das Unternehmen voraussicht-
192
16 Erfolgsfaktoren
lich am besten umgehen kann (Böhm, 2003b). Als hilfreich erweist es sich in diesem Zusammenhang, wenn der Auftraggeber bereits erste Erfahrungen mit einer anderen Kultur gesammelt hat. Trotz bereits bestehender Erfahrungen mit einer fremden Kultur bleiben in jedem Fall kulturelle Unterschiede zwischen den Vertragspartnern bestehen. Diese sollten frühzeitig mithilfe geeigneter Gegenmaßnahmen überbrückt werden. Hierbei sollten die Unternehmensvertreter besonders mit den „Dos“ und „Don’ts“ der fremden Kultur vertraut gemacht werden. Die grundsätzliche Bereitschaft der internen Mitarbeiter, die Verhaltensweisen einer fremden Kultur zu akzeptieren, ist als Grundvoraussetzung zu verstehen (Böhm, 2003b). In Bezug auf den Umgang mit den kulturellen Differenzen erweist sich das Zurückgreifen auf etablierte Partnerschaften mit ausländischen Dienstleistungsunternehmen als hilfreich. Möglicherweise kann sich der Auftraggeber auch Kontakte interner Mitarbeiter zu Nutze machen. Beispielsweise könnte ein Mitarbeiter, der früher bei einem ausländischen IT-Dienstleister gearbeitet hat und mit den unternehmensspezifischen und kulturellen Besonderheiten vertraut ist, als Vermittler zwischen den beiden Organisationen fungieren. Eindeutige Definition der Service Levels bzw. Spezifikation der Entwicklungsvorgaben Der Vereinbarung eindeutiger Service Levels bzw. der Festlegung genauer Entwicklungsvorgaben kommt insbesondere bei der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Partner eine enorm wichtige Rolle zu. Nach Fischer und Schumacher (2004) kann hierdurch die Qualität der Leistungserbringung durch den Offshore-Provider wesentlich beeinflusst werden. Die Mitarbeiter auf Auftraggeberseite sind vielfach kurze Kommunikationswege zwischen Fach- und IT-Abteilung gewöhnt und erkennen daher nicht den Bedarf nach einem erhöhten Detaillierungsgrad. Dieser ist jedoch notwendig, damit der Auftragnehmer die Kundenanforderungen zunächst verstehen und anschließend umsetzen kann (The Inquirer, 2004). Erzeugung eines flexiblen Vertragswerks Im Projektverlauf können sich die Anforderungen auf Kundenseite ändern. Daher sollte eine Erweiterung des Offshoring-Vertrags um bisher nicht berücksichtigte Aspekte zu jeder Zeit möglich sein (META Group, 2003).
16.4 Durchführungsphase
193
Weitere Erfolgsfaktoren hinsichtlich des Vertrags sind die Festlegung eines geeigneten Gerichtsstands (Sparrow, 2003: 16) sowie die Regelung der Eigentums- und Urheberrechte (Haeberlein, 2004).
16.4
Durchführungsphase
Als wesentliche Erfolgsfaktoren in der Durchführungsphase sind regelmäßige Trainings- und Schulungsmaßnahmen, ein durchgehender Kommunikationsfluss und die kontinuierliche Leistungsmessung (alle taktisch) sowie das Management der Beziehung zwischen den Kooperationspartnern (strategisch) zu nennen. Durchführung von Trainings- und Schulungsmaßnahmen Für den Offshoring-Kunden stellt speziell das interne Projektmanagement einen kritischen Erfolgsfaktor dar. Aus diesem Grund haben laut einer Studie von Buchta et al. (2004) zum Thema Offshore-Outsourcing in Deutschland zwei Drittel der betrachteten Unternehmen interne Weiterbildungsmaßnahmen durchgeführt. Hierdurch sollten sich die Mitarbeiter die für das Offshoring erforderlichen Fähigkeiten in Bezug auf das internationale Projektmanagement aneignen. Zum Erwerb der entsprechenden Management-Skills griffen ca. 20 % der untersuchten Unternehmen auf externes Know-how zurück. Diese enorme Investitionsbereitschaft der Unternehmen verdeutlicht die Bedeutung, die dem internen Projektmanagement im Rahmen eines Offshore-Projekts zukommt. Die Durchführung von Trainings- und Schulungsmaßnahmen sollte zudem dazu beitragen, den Mitarbeitern auf Kundenseite den Umgang mit dem aus dem Offshoring resultierenden Veränderungsprozess zu erleichtern. Entsprechende Maßnahmen werden meist unter dem Begriff Change Management subsumiert. Hierzu gehören unter anderem Weiterbildungsmaßnahmen, die im Wesentlichen der Vorbereitung der Unternehmensmitarbeiter auf die Besonderheiten eines internationalen Outsourcing-Projekts dienen (Buchta et al., 2004). Sicherstellung eines kontinuierlichen Kommunikationsflusses Um einer fehlenden Transparenz auf Seiten des Auftraggebers vorzubeugen, ist ein kontinuierlicher Kommunikationsfluss zwischen den unterschiedlichen Projektstandorten unerlässlich. Im Idealfall sollte sich die räumliche Distanz zwischen den Kooperationspartnern sowie die beste-
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16 Erfolgsfaktoren
henden Kultur- und Sprachunterschiede nicht auf die Kommunikation zwischen den Partnern auswirken (Böhm, 2003b). Als Grundvoraussetzung für die Erreichung eines kontinuierlichen Kommunikationsflusses ist die Einrichtung einer kompatiblen Kommunikationsinfrastruktur zu nennen. Nach Böhm (2003a) könnte sich zudem die Vereinbarung von Englisch als gemeinsamer Sprachbasis positiv auf den Kommunikationsfluss auswirken. Kontinuierliche Leistungsmessung Basierend auf den vereinbarten Service Levels bzw. der festgelegten Projektspezifikation ist im Rahmen der Durchführungsphase eine kontinuierliche Leistungsmessung vorzunehmen (Goolsby, 2004). Erfüllt der ausländische Dienstleister die Leistungsvorgaben nicht bzw. schlecht, drohen ihm Vertragsstrafen oder im Extremfall sogar die Kündigung des bestehenden Vertrags (Rack, 2001). Zur Sicherstellung einer effizienten Leistungsmessung empfehlen die Autoren des Offshore-Leitfadens für den Mittelstand (BIHK, 2002: 14), bereits im Vorfeld des Projekts (Teil-)Verantwortliche für die zu erbringenden Leistungen zu benennen sowie klare Projektziele und Kennzahlen zur Erfolgskontrolle zu formulieren. Management der partnerschaftlichen Beziehung Die intensive Pflege der Beziehung mit dem Offshoring-Partner ist als Voraussetzung für eine langfristige Partnerschaft anzusehen. Eine solche sollte bei jedem Outsourcing-/Offshoring-Vorhaben das Ziel der beteiligten Unternehmen sein (Fischer und Schumacher, 2004). Dies gilt auch für den Fall, dass der Auftraggeber nicht mit einem Tochterunternehmen oder mit einem Partnerunternehmen in Form eines Joint Venture kooperiert, sondern die gewünschten Leistungen von einem Fremdunternehmen bezieht. Aufgrund der erheblichen Anfangsinvestitionen für die Schulung der Mitarbeiter, die Anpassung der Geschäftsprozesse, die Übernahme von Assets etc. lassen sich die angestrebten Kosteneinsparungen einer Auslandsverlagerung in den meisten Fällen erst bei einer langfristigen Zusammenarbeit realisieren (Rack, 2001). Zudem können durch den schrittweisen Aufbau einer partnerschaftlichen Beziehung die mit dem Offshoring verbundenen Risiken zumindest wesentlich reduziert werden (Dubey, 2003: 58-59).
16.4 Durchführungsphase
195
Zusammenfassung: Grundsätzlich kann eine umfassende Planungsphase einer OffshoringInitiative als „der“ Erfolgsfaktor eines solchen Projektvorhabens angesehen werden. Hier sind in erster Linie die folgenden Punkte zu beachten: Die Anpassung der internen Prozesse, die Strategiedefinition, die Verfolgung einer Inside-Out-Strategie und die Gewinnung eines Projekt„Champions“. In der Entscheidungsphase bestehen die folgenden Erfolgsfaktoren: Die Bestimmung des Kooperationsmodells und die Auswahl des OffshorePartners. Die Entscheidung für einen strategisch günstigen Standort ist als Bestandteil der Providerauswahl anzusehen. Die Verhandlungsphase erfordert die Beachtung der folgenden Erfolgsfaktoren: Die Kenntnis und Akzeptanz der fremden Kultur, die eindeutige Spezifikation des Verlagerungsprojekts sowie die Erstellung eines flexiblen Vertragswerks. Als Erfolgsfaktoren in der Durchführungsphase sind die folgenden Faktoren zu nennen: Die Durchführung regelmäßiger Trainings- und Schulungsmaßnahmen, die Sicherstellung eines durchgehenden Kommunikationsflusses, die kontinuierliche Leistungsmessung sowie das Management der partnerschaftlichen Beziehung.
Ausblick Trotz der geringen Aufmerksamkeit, die das IT-Offshoring bisher insbesondere in der deutschsprachigen Literatur erhalten hat, ist in der Praxis ein klarer Trend zum Offshoring zu erkennen. Dieser stellt eine logische Weiterführung der Arbeitsteilung auf globaler Ebene dar. In Anbetracht der Entwicklung der Offshore-Aktivitäten in den USA ist von einer zunehmenden Verlagerung von IT-Tätigkeiten deutscher Unternehmen in das Ausland auszugehen. Die Tatsache, dass sich nach Mayer und Söbbing (2004: 108) heutzutage bereits nahezu jeder Vorstand eines deutschen Großunternehmens mit einer Auslandsverlagerung von IT-Projekten auseinander gesetzt hat, stützt diese These. Zum jetzigen Zeitpunkt kann allerdings für deutsche Unternehmen festgehalten werden, dass diese dem Offshoring-Trend circa drei Jahre hinterherhinken. Um dem durch die Globalisierung steigenden Wettbewerbsdruck standhalten zu können, werden zumindest die Großunternehmen in Deutschland langfristig internationale Outsourcing-Strategien entwickeln und umsetzen müssen. Das Kosteneinsparungspotenzial deutscher Unternehmen durch internationale Auslagerungsprojekte beziffert die Unternehmensberatung AT Kearney mit zwei Milliarden Euro pro Jahr (Buchta et al., 2004: 6). Um dieses Potenzial vollständig ausschöpfen zu können, werden Offshoring-Kunden allerdings noch viel „Lehrgeld“ bezahlen müssen. Die in diesem Buch vorgestellten Lösungsansätze sollen langfristig dazu beitragen, dass Unternehmen internationale Outsourcing-Projekte in Zukunft erfolgreicher gestalten und die angesprochenen Potenziale nutzen können. Teilweise beschäftigen sich auch bereits kleinere und mittelständische Unternehmen (KMU) mit dem IT-Offshoring (BIHK, 2002: 5). Aufgrund des bestehenden Mangels an IT-Fachkräften in Deutschland und der zunehmenden Globalisierung der Märkte werden in naher Zukunft verstärkt auch solche Unternehmen den Schritt ins Ausland wagen müssen. Allerdings werden nach Rack (2001) lediglich diejenigen Mittelständler, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt die entsprechenden Rahmenbedingungen für eine spätere Offshore-Tätigkeit schaffen, auf dem globalen IT-Markt bestehen können.
198
Ausblick
Insbesondere aufgrund der Skalenvorteile sind es bis heute noch meist die Großunternehmen, die Outsourcing-Projekte mit ausländischen IT-Dienstleistern durchführen. Für KMU hingegen ist noch zu untersuchen, unter welchen Umständen das IT-Offshoring auch für Unternehmen in dieser Größenordnung eine ernstzunehmende Alternative darstellen kann.
Anhang
Hauptsitz
Neu Delhi (Indien) Zertifikate
Umsatz (2005) Mitarbeiter
122 Mio. USD 4.000
Umsatzverteilung (nach Branchen)
ISO 9001:2000 SEI CMMI Level 5 Banken und Versicherungen (31 %) Transport und Logistik (23 %) Handel (9 %) Sonstige (37 %)
Abbildung 45: Kurzprofil – NIIT Technologies Ltd.
NIIT ist ein weltweit operierendes, stark expandierendes Unternehmen, dessen Ursprung sich in einem Institut für IT-Ausbildung findet. NIIT betreibt in Indien seit 1981 zahlreiche private Softwareakademien zur Ausbildung von IT-Fachleuten. Das Unternehmen hat sich aber im Laufe der Zeit zunehmend zu einem IT-Service-Provider entwickelt. Im Jahre 2004 entstand als Spin-Off die NIIT Technologies Ltd., die sich auf Application Development & Maintenance, Business Process Management und Enterprise Solutions spezialisiert hat. In den letzten Jahren verfolgte NIIT eine aggressive Buy-and-BuildStrategie. Es wurden unterschiedliche Firmen hinzugekauft, eines davon in Deutschland. Damit war NIIT als einer der ersten indischen IT-ServiceProvider mit einer Tochtergesellschaft (NIIT Technologies AG) auf dem deutschen Markt vertreten. NIIT ist in Deutschland ein Vorreiter des Dual-Shore-Modells. Dieses verfügt über die Besonderheit, dass ein deutschsprachiger NIIT-Mitarbeiter auf Kundenseite arbeitet und für das Kundenunternehmen die Kommunikation mit den indischen Entwicklungszentren übernimmt. Heute, 25 Jahre nach der Gründung des Unternehmens, ist NIIT in 44 Ländern der Welt vertreten und gehört zu der Spitzengruppe der Serviceund Softwareanbieter in Indien. Zu den Kunden des Unternehmens zählen sowohl mittelständische Organisationen als auch namhafte Fortune 500 Unternehmen, insbesondere aus den Bereichen Banken und Versicherungen, Transport und Logistik sowie Handel.
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Problemfelder von Offshore-Projekten ..................................2 Abbildung 2: Formen der Leistungserbringung ...........................................3 Abbildung 3: Formen des IT-Offshorings....................................................7 Abbildung 4: „Outsourcing-Stack” ..............................................................9 Abbildung 5: Bindungsintensität der Organisationsformen.......................20 Abbildung 6: Einsatzhäufigkeit der unterschiedlichen Organisationsformen .........................................................................22 Abbildung 7: Klassfikations-Framework für Geschäftsmodelle................31 Abbildung 8: Top 7 der Offshoring-Chancen ............................................37 Abbildung 9: Lohnkostenunterschiede.......................................................40 Abbildung 10: Top 7 der Offshoring-Risiken ............................................49 Abbildung 11: Zusätzliche Koordinationskosten bei IT-OffshoringProjekten............................................................................................62 Abbildung 12: Offshore-, Onsite- und Onshore-Arbeitskosten .................65 Abbildung 13: Qualitätszertifikate der indischen „Top 10 Provider“ ........69 Abbildung 14: Vertragskategorien eines Outsourcing-Vertragswerks.......79 Abbildung 15: Aufbau eines globalen Outsourcing-Vertragswerk ............83 Abbildung 16: Phasenmodell für IT-Offshoring-Projekte .........................89 Abbildung 17: Prozess der Strategiedefinition...........................................91 Abbildung 18: Ableitung von Zielen aus der Offshoring-Vision...............92 Abbildung 19: Untersuchung der Zielimplikationen .................................93 Abbildung 20: Aspekte einer IT-Offshoring-Strategie ..............................95 Abbildung 21: Vorgehen bei der Make-or-Buy-Entscheidung ..................97 Abbildung 22: Ablauf der Analysephase .................................................103 Abbildung 23: TCO vs. Total Cost of Offshoring ...................................108 Abbildung 24: Kritische Begutachtung potenzieller Kostenvorteile .......109 Abbildung 25: Entscheidungsmatrix........................................................112 Abbildung 26: Führende Nearshore- und Offshore-Regionen .................115 Abbildung 27: BERI ................................................................................117 Abbildung 28: Vergleich ausgewählter Offshore-Zielländer...................119 Abbildung 29: Länderprofil Russland......................................................121 Abbildung 30: Länderprofil Baltische Staaten.........................................122 Abbildung 31: Länderprofil Irland...........................................................123 Abbildung 32: Länderprofil Rumänien ....................................................124 Abbildung 33: Länderprofil Indien ..........................................................126
202
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 34: Länderprofil China .......................................................... 128 Abbildung 35: Länderprofil Ägypten...................................................... 129 Abbildung 36: Auswahlprozess............................................................... 131 Abbildung 37: Typischer Ablauf des Entscheidungsprozesses ............... 140 Abbildung 38: Unterschiede in der asiatischen Verhandlungskultur ...... 149 Abbildung 39: Häufigkeit der Neuverhandlung von SLAs ..................... 151 Abbildung 40: Datenquellen für externe Benchmarks ............................ 165 Abbildung 41: Nutzenmatrix zur Projektevaluierung ............................. 166 Abbildung 42: Auswahl geeigneter Kommunikationsmedien................. 173 Abbildung 43: Kulturelle Unterschiede als Risikofaktor ........................ 178 Abbildung 44: Einflussfaktoren einer Outsourcing-/OffshoringBeziehung ....................................................................................... 182 Abbildung 45: Kurzprofil – NIIT Technologies Ltd. .............................. 199
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Leistungskategorien des Infrastructure Service Offshorings........................................................................................11 Tabelle 2: Leistungskategorien des Software Development Offshorings........................................................................................13 Tabelle 3: Partielles vs. Totales Offshoring ...............................................17 Tabelle 4: One- vs. Multi-Supplier-Ansatz ................................................35 Tabelle 5: Kostenkategorien und -bausteine eines Offshore-Projekts .......58 Tabelle 6: Qualitätsstandards der ISO 9000...............................................71 Tabelle 7: CMM-Levels.............................................................................73 Tabelle 8: Leistungsvertrag vs. SLAs ........................................................84 Tabelle 9: Gegenüberstellung unterschiedlicher Preismodelle ..................86 Tabelle 10: Wesentliche Identifikationskriterien .......................................98 Tabelle 11: Methoden/Modelle zur Unterstützung der Identifikationsphase.........................................................................102 Tabelle 12: Kriterien zur Länderbewertung .............................................118 Tabelle 13: Mögliche Inhalte eines RFI...................................................133 Tabelle 14: Wesentliche Inhalte eines RFP..............................................139 Tabelle 15: Fünfstufige Bewertungsskala ................................................140 Tabelle 16: Alternative Asset-Bewertungsansätze...................................155 Tabelle 17: Interne und externe Interessengruppen eines OffshoreProjekts............................................................................................170 Tabelle 18: Hierarchische vs. partnerschaftliche Beziehung ...................181 Tabelle 19: Überblick wesentlicher Erfolgsfaktoren................................185
Abkürzungsverzeichnis ASP BERI BIP BOT BPO BVB CAD CIO CMM CMMI DMAIC DMADV E-Business E-Mail ERP F&E HR IP IRR ISDN ISO IT ITIL ITK KPI LoI MBPS MoU MTBF MTR NDA NPV NSE NYSE P-CMM
Application Service Provider Business Environment Risk Index Bruttoinlandsprodukt Build, Operate, Transfer Business Process Outsourcing/Offshoring Besondere Vertragsvereinbarungen Computer Aided Design Chief Information Officer Capability Maturity Model Capability Maturity Model Integration Define, Measure, Analyze, Improve, and Control Define, Measure, Analyze, Design, and Verify Electronic Business Electronic Mail Enterprise Resource Planning Forschung und Entwicklung Human Resources Intellectual Property Internal Rate of Return Integrated Services Digital Network International Standardization Organisation Informationstechnologie IT Infrastructure Library Informations- und Telekommunikationstechnologie Key Performance Indicator Letter of Intent Million Bits per Second Memorandum of Understanding Mean Time Between Failure Mean Time To Repair Non Disclosure Agreement Net Present Value National Stock Exchange New York Stock Exchange People Capability Maturity Model
206
QA RoI RoO RFI RFP SA-CMM SEI SLA SLM SSC TCO WAN
Abkürzungsverzeichnis
Quality Assurance Return on Investment Return on Offshoring Request for Information Request for Proposal Software Acquisition Capability Maturity Model Software Engineering Institute Service Level Agreement Service Level Management Shared Service Center Total Cost of Ownership Wide Area Network
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Sachverzeichnis Ägypten 129 Anforderungsanalyse 104 Application Service Providing 10 ASP Siehe Application Service Providing Asset-Transfer 42, 155 Baltikum 121 Benchmarking 164 - externes 105, 111, 165 - internes 164 BERI Siehe Business Environment Risk Index Beziehungsmanagement Siehe Relationship Management BOT Siehe Build-Operate-Transfer Business Environment Risk Index 116 Business Process Offshoring 14, 29 Call-Center 8, 14, 44, 130, 189 Capability Maturity Model Siehe CMM Captive Offshore Outsourcing 3 Chancen 37 - finanzielle 39 - qualitative 42 - strategische 44 Change Management 177, 193 Change Request 148 Change Request Management 73, 150 China 127 CMM 43, 60, 72, 106, 126, 187 Country-Ratings 116 Datenschutz 52, 55, 79, 133, 161 Datensicherheit 54, 63 Datentransfer 158 Due Diligence 142 - beim Auftraggeber 142
- beim Auftragnehmer 143 - Business 143 - Financial 143 - Human Resources 143 - Legal 143 - Technical 143 Durchführungsphase 89, 193 Economies of Scale 39 Entscheidungsphase 89, 190 Erfolgsfaktor 78, 85, 91, 179, 185 - kritischer 93, 162 - strategischer 185 - taktischer 185 Externes Offshoring Siehe Fremdunternehmen Fremdunternehmen 24 Geschäftsmodelle 30 Gestaltungsformen 17 Global Sourcing 31 Harvard Concept of Negotiation 147 Indien 125 Individualvertrag 77 Infrastructure Service Offshoring 10 Infrastruktur 21, 33, 50, 118, 133, 138 - IT- 63, 106, 150 - Kommunikations- 63, 169, 173, 194 - physische 63 Inside-Out-Strategie 188 Intellectual Property 118, 133, 139 Internes Offshoring Siehe Tochterunternehmen IP Siehe Intellectual Property
216 Irland 123 ISO 9000 43, 70, 126 ITIL 16, 110 Joint Venture 23 Kernkompetenz 45, 99 Kernkompetenzmodell 102 Key Performance Indicator 162 Know-how-Transfer 30, 52, 59, 110, 159 Kommunikation 169, 193 - Medien 172 - Strategie 170 Konfliktmanagement 148, 152 Kooperationsmodelle 27, 31, 112, 190 - Offshore Delivery 30 - Onshore Delivery 29 - Onsite Delivery 28 Kosten 57 - Arbeits- 64 - Betriebs- 65 - einmalige 59 - Infrastruktur- 62 - Kommunikations- 66 - Koordinations- 59 - Reise- 67 - versteckte 62 - wiederkehrende 64 KPI Siehe Key Performance Indicator Kulturelle Unterschiede 53, 59, 177, 192, 194 Leistungsformen 9 Leistungsmanagement 161 Leistungsmessung 66, 83, 150, 161, 194 Letter of Intent 136 Make-or-Buy 97, 111, 132 Managementunterstützung 189 Markt 8, 125
Sachverzeichnis - deutscher 4, 199 - europäischer 2 Marktanalyse 111, 132, 138 Mitarbeiterfreisetzung 61 Mitarbeitertransfer 41, 154 Multisourcing 34 Nearshore-Regionen 120 Nearshoring 3, 120 Non Disclosure Agreement 134 Offshore Outsourcing 3 Offshore-Regionen 125 Offshore-Softwareentwicklung Siehe Software Development Offshoring Organisationsformen 19, 112 Outtasking Siehe Partielles Offshoring Partielles Offshoring 18 Partnerschaft 18, 182, 194 Performance Management Siehe Leistungsmanagement Pflichtenheft 135 Pflichtenmanagement 149 Philippinen 130 Planungs- und Analysephase 89, 186 Polen 125 Preismodelle 85, 150 - Festpreis 49, 86 - Lumpsum Siehe Festpreis - Variabler Preis 86 - Wert-/Nutzenbasierter Preis 86 Projektausschreibung 1, 60, 131 - geschlossene 138 - offene 137 Projektauswahl 50, 111 Projektevaluierung 164 Projektphasenmodell 89, 185 Projektspezifikation 60, 134, 192, 194
Sachverzeichnis Providerauswahl 50, 60, 94, 131, 190 Prozessanpassung 43, 60, 110, 187 Qualitätsstandards 70 Realisierbarkeitsanalyse 106 Relationship Management 66, 180, 194 Request for Information 111, 132, 138 Request for Proposals 137 Ressourcenmodell 102 RFI Siehe Request for Information RFP Siehe Request for Proposals Risiken 15, 25, 34, 48, 110 - auftraggeberbezogene 50 - auftragnehmerbezogene 55 - kooperationsbezogene 53 Risikoanalyse 110 Risikotransfer 12, 47 Rumänien 125 Russland 120 Schulung Siehe Training Selektives Offshoring Siehe Partielles Offshoring Service Level Agreement 83, 105, 150, 151, 161, 192 Service Level Management 150, 162 Shared Service Center 21 Six Sigma 43, 74 SLA Siehe Service Level Agreement SMART-Kriterien 162 Software Development Offshoring 12, 29 Sprachunterschiede 129, 194 Standardvertrag 77 Standortauswahl 94, 115 Strategie 77, 94, 188 Tochterunternehmen 20
217 Total Cost of Offshoring 57, 108 Total Cost of Ownership 40, 57, 109 Totales Offshoring 17 Training 33, 59, 71, 73, 133, 139, 193 Transaktionskostenmodell 103 Transfer Siehe Transition Transfer vertraglicher Verpflichtungen 157 Transition 61, 153 Tschechien 125 Türkei 130 Ukraine 125 Ungarn 125 Verhandlungsphase 89, 191 Vertragsmanagement 145, 162 Vertragsverhandlung 61, 77, 105, 137, 142, 145, 191 - Tipps 147 - Vorbereitung 146 Vertragsverwaltung 149 Vertragswerk 52, 77, 134, 145, 192 - globales 81 - Internationalisierung 81 - länderspezifisches 82 - Leistungsvertrag 78, 161 - Rahmenvertrag 78 - Sonstige Verträge 79 - Übernahmevertrag 79 Vision 91, 189 Wertkettenanalyse 102 Wirtschaftlichkeitsanalyse 57, 107 Wissenstransfer Siehe Know-howTransfer Zeitunterschiede 32, 48 Ziele 92 - kurzfristige 93 - langfristige 93