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Die grandiose Natur der „Insel zwischen Eis und Feuer“, ihre Vulkane, Geysire, Wasserfälle, Seen und Gletscher stehen oft im Mittelpunkt des Interesses. Dieser Reisebegleiter informiert darüber hinaus auch über die Besiedlung der Insel im Laufe ihrer Geschichte, über die Entstehung und Formen ihrer Landwirtschaft, Fischerei und Industrie sowie über die Kultur des Landes, seine Sprache und Literatur. Die praktischen Hinweise im Anhang sind willkommene Hilfen für den Touristen. Peter Schröder, Diplomgeograph, war Lehrbeauftragter am Geographischen Institut der Universität Tübingen und arbeitet jetzt freiberuflich.
PETER SCHRÖDER
Island
VERLAG C.H.BECK MÜNCHEN
Mit 11 Abbildungen des Verfassers und 2 Karten
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Schröder, Peter: Island / Peter Schröder. – Orig.-Ausg. – München: Beck, 1994 (Beck’sche Reihe; 857: Länder) ISBN 3 406 35178 6 NE:GT
Originalausgabe ISBN 3 406 35178 6 Einbandentwurf von Uwe Göbel, München Umschlagbild: IFA-Bilderteam, München-Taufkirchen © C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandiung (Oscar Beck), München 1994 Gesamtherstellung: Appl, Wemding Gedruckt auf säurefreiem, aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestelltem Papier Printed in Germany
Inhalt I. Insel zwischen den Kontinenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aus Islands bewegter Vergangenheit
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2. Einige Worte zum Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Höhengliederung und Reliefgestalt . . . . . . . . . . . . .
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II. Der Vulkanismus auf Island . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Lava und Asche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Vulkanisches Gestein
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3. Spaltenergüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Schildvulkane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Lavafelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Vulkane unter dem Eis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Untermeerische Vulkane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Geysire und heiße Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Eis und Wasser formen die Landschaft . . . . . . . . . . . .
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1. Gletscher der Vorzeit
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33
2. Heutige Eisbedeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Küsten und Inseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Flüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Seen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Die belebte Natur 1. Vegetation
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43
2. Tierwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Schutz der Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Von der ersten Besiedlung zum heutigen Staat
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1. Landnahmezeit und Wikingerrepublik . . . . . . . . . .
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2. Leben unter fremder Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Besiedlung eines kargen Landes . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Wiedererlangung der Unabhängigkeit . . . . . . . . . .
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5. Der heutige Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Der Wohlstand der Isländer und seine natürlichen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Die Ressourcen des Landes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Bodenschätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Wasserkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Geothermische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Die Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Wiesen und Weiden 2. Schafhaltung
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3. Islandpferde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Glashauskulturen
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VIII. Der Fischereisektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Der Fischfang und seine natürlichen Grundlagen .
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2. Fangflotte und Häfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Fischverarbeitende Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Jagd auf Wale und Robben
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5. Geschichte der Fischerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Fischerei und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Fischzucht – Sorge für den Nachwuchs
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IX. Die Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Island – ein Industrieland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Lebensmittelindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Entwicklung der Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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X. Handel und Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Problematische Struktur des Außenhandels . . . . . .
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2. Verkehrsprobleme eines kaum besiedelten Landes
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3. Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 XI. Städte und ländliche Siedlungen
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1. Die Landeshauptstadt Reykjavík . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Kleinstädte und ländliche Siedlungen . . . . . . . . . . . 106 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Island als Reiseziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Sprache und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Isländische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4. Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5. Ausgewählte Literatur
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
6. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Karten
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I. Insel zwischen den Kontinenten Kaum ein Land hat so viele Beinamen wie Island, doch meist sind es ähnliche Bilder, die zur Charakterisierung der „Insel am Rande Europas“ verwendet werden. Feuer und Eis, Vulkane und Gletscher, Wikinger und Sagas sind die Fäden, aus denen Islandträume gewoben und Buchtitel gemacht werden. Auch von Schafen und Ponys ist die Rede, von Wasserfällen, Geysiren und anderen Naturschönheiten, selten jedoch vom Fisch, der Lebensgrundlage des Landes, vom Bemühen um Diversifizierung der Wirtschaft oder von sozialen Problemen. Auch dies gehört zu Island und beschäftigt die meisten Isländer wohl mehr als die grandiose Natur des Landes. Für die Touristen, die alljährlich im Sommer das Land in steigender Zahl besuchen, bleibt Island in erster Linie die von Eis und Feuer geprägte Insel am Rande Europas. Das ist verständlich, denn wo sonst finden sich heiße Quellen, Vulkane, Gletscher und einsame Fjorde in so enger Nachbarschaft? Wohl in keinem Land Europas ist der Mensch so unmittelbar mit den prägenden Kräften der Natur konfrontiert. Doch was heißt Europa? Weit im Nordatlantik gelegen, fast 1000 km vom nächsten Festland entfernt, können Zweifel über die Zugehörigkeit zu Europa aufkommen. Das gilt sicherlich nicht für die historische Entwicklung und die reiche kulturelle Tradition des Landes, wohl aber für die geologische Situation. Tatsächlich ist Island eine Insel zwischen den Kontinenten, und für den Geologen geht die Grenzlinie zwischen Europa und Amerika sogar quer durch die Insel.
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1. Aus Islands bewegter Vergangenheit Die meisten größeren Inseln verdanken ihren insularen Charakter letzten Endes dem Klima. Je nachdem, wie weit der Meeresspiegel bei globaler Erwärmung ansteigt oder bei Abkühlung sinkt, sind sie Teil des Festlandes oder eben allseitig vom Meer umspült. Dies trifft auf jeden Fall für die kontinentalen Inseln zu, die nur durch ein flaches Schelfmeer vom Festland getrennt sind. So war das Gebiet der heutigen Britischen Inseln noch vor wenigen tausend Jahren trockenen Fußes zu erreichen. Ganz anders gebaut sind ozeanische Inseln. Sie erheben sich als Einzelberge direkt vom mehrere tausend Meter tiefen Meeresboden (wie Hawaii) oder sind Teil eines untermeenschen Gebirges, dessen höchste Gipfel bis über den Meeresspiegel emporragen (wie die Azoren). Zu diesem zweiten Typ gehören im Atlantik auch die kleinen Inseln Tristan da Cunha, Ascension, Gough und Bouvet – allesamt Gipfel des Mittelatlantischen Rückens. Auch Island liegt auf diesem längsten Gebirge der Erde, das sich vom Nordpolarmeer bis zur Antarktis erstreckt. Doch bildet die Insel schon durch ihre Größe einen Sonderfall, der einige Rätsel aufgibt. Eine ganz wesentliche Rolle für die Entstehungsgeschichte Islands spielt auf jeden Fall der erwähnte Mittelatlantische Rücken: Den zentralen Bereich des gewaltigen untermeerischen Vulkangebirges bildet das Rift. Von dieser Spalte aus bewegen sich die angrenzenden Erdkrustenplatten mitsamt Meeresboden und Kontinenten nach Westen und Osten. Heiße Gesteinsschmelze, die aus dem oberen Erdmantel aufquillt, sorgt dafür, daß sich keine Lücke bildet. Anders gesagt: im Rift des Mittelatlantischen Rückens entsteht durch vulkanische Vorgänge ständig neuer Meeresboden, der den auseinanderweichenden Platten nach Westen und Osten folgt, sich dabei abkühlt und allmählich wieder größere Tiefen erreicht. Als ein kleines Steinchen in diesem gewaltigen, durch die Wärme des Erdinneren angetriebenen System wird auch Island gedeutet. Tatsächlich quert das Rift die Insel von Südwesten nach 10
Norden, und das Auseinanderweichen der beiden benachbarten Erdkrustenplatten läßt sich heute exakt mit geodätischen Methoden feststellen. Das sind eindrucksvolle Beweise, die dafür sprechen, daß Island letzten Endes nichts anderes ist als ein Abschnitt des Meeresbodens, der einige Kilometer höher als „normal“ liegt. Doch weshalb ist das gerade hier und nicht woanders der Fall? Offenbar treffen mehrere Faktoren zusammen: Die Lavaförderung ist in diesem Teil des Nordatlantiks seit 16 oder vielleicht auch 18 Millionen Jahren ausgesprochen ergiebig, weil das Rift hier einen Hot Spot quert (die deutsche Übersetzung, nämlich „heißer Fleck“, ist als geologischer Fachbegriff nicht üblich). Man versteht unter einem Hot Spot die Stelle, an der eine schlotartige Aufstiegsbahn des Magmas vom oberen Erdmantel bis in die dünne Erdkruste hineinreicht. Typisch für Hot Spots ist, daß sie ihre Lage nicht oder kaum verändern, während sich die Erdkrustenplatten darüber hinwegbewegen. Dort, wo das Magma die Erdkruste gelegentlich durchbricht, entsteht ein Vulkan. Da die Aktivität eines Hot Spots sehr lange andauert, während sich die Platte weiterbewegt, scheint sich das Zentrum des Vulkanismus zu verlagern (obgleich es in Wahrheit die Erdkruste ist, die die Bewegung ausführt). Musterbeispiel hierfür sind die Inseln von Hawaii mit ihren unterschiedlich alten Vulkanen. Bei Island fällt offenbar ein Hot Spot mit dem Mittelatlantischen Rücken zusammen. Dies erklärt die besondere Aktivität des Vulkanismus auf der Insel, der demnach gewissermaßen aus zwei Quellen gespeist wird. Manche Fachleute neigen heute dazu, nicht im Rift, sondern im Hot Spot die Hauptursache für die gewaltige Lavaförderung im Gebiet um Island zu sehen. Wie Berechnungen ergeben haben, ist die kräftige Lavaproduktion allein aber nicht ausreichend, um zu erklären, weshalb Island deutlich größer ist als die meisten anderen Vulkaninseln. Hinzu kommt, daß die Lage im Bereich des Mittelatlantischen Rückens, der sich rund 1500–2500 m vom Tiefseeboden erhebt und entsprechend näher an der Meeresoberfläche ist, schon von vornherein bessere Chancen für die Entstehung einer Insel bietet. Entscheidend aber ist, daß sich der Rücken kaum verlagert 11
Abb. 1: Die Allmännerschlucht (Almannagjä) liegt am Rande des Thingvellir, wo sich im alten Island alljährlich zur Mittsommerzeit das Althing zur Beratung versammelte. Sie ist Teil des Zentralisländischen Grabens und damit des mittelatlantischen Riftsystems, an dem die europäische und die nordamerikanische Erdkrustenplatte auseinanderweichen.
hat und die ergiebige „Kooperation“ von Hot Spot und Rift seit langer Zeit besteht, während bei Vulkaninseln wie Hawaii die rasche Bewegung der Erdkrustenplatte das Inselwachstum erschwert. So gesehen ist Island wohl tatsächlich eine einzigartige Insel. Übrigens setzt sich das Vulkangestein, das die Insel aufbaut, auch noch weit im benachbarten Meeresgebiet fort. Erheblich älter und in anderer Weise zu deuten sind allerdings die mächtigen Basaltdecken südöstlich von Island. Durch Gletscher und Brandung zernagt, geben heute nur noch die achtzehn Inseln der 12
Färöer und der einsame, sagenumwobene Felsen von Rockall hiervon sichtbares Zeugnis. Doch zurück nach Island: Wie bereits erwähnt, quert das Rift, also die zentrale Zone des Mittelatlantischen Rückens, die Insel von Südwesten nach Norden. Nicht überall ist das Rift auf der Insel als „Graben“ ausgeprägt. Deshalb ist es besser, hier von einer Dehnungs- oder Spreizungszone zu sprechen. Allerdings ist ihr Verlauf nicht geradlinig, denn das Auseinanderdriften erfolgt unterschiedlich schnell. An mehreren Verschiebungszonen ist die Dehnungszone gegeneinander versetzt, so daß sie insgesamt auf der geologischen Karte wie abgewinkelt erscheint und sich im Süden in zwei parallele Stränge gliedert. Die bedeutendste dieser quer verlaufenden Verschiebungszonen zieht sich von der Halbinsel Snaefellsnes in mehreren Strängen nach Osten. Im Bereich der Dehnungszone und der Verschiebungszonen liegen die vulkanisch aktivsten Bereiche der Insel. Zwar wandert von der Dehnungszone aus die eine Hälfte Islands nach Westen, die andere nach Osten, doch sorgt das aufquellende Magma dafür, daß keine Lücke entsteht. Natürlich muß bei den Bewegungen von Erdkrustenplatten mit Beträgen von wenigen Zentimetern pro Jahr gerechnet werden, aber im Laufe von Millionen Jahren summieren sich auch Zentimeter zu Kilometern. Für die letzten 14–15 Millionen Jahre konnte eine Krustendehnung von rund 400 km nachgewiesen werden. Heute, da sich die Verschiebungen mit modernsten geodätischen Methoden (Lasertechnik) recht genau vermessen lassen, werden Bewegungsraten von 2–7 cm/Jahr angegeben, im Süden deutlich mehr als im Norden, wobei die Bewegung nach Westen größer ist als die nach Osten. Allmählich vergrößert sich also die Insel, allerdings nicht gleichmäßig, wie ja auch die Dehnung zeitlich und regional in unterschiedlicher „Geschwindigkeit“ abläuft. Aus dem Alter der Gesteine und aus den tektonischen Gegebenheiten hat man eine Verlagerung der Riftachse nach Osten rekonstruieren können. Vor rund 10 Millionen Jahren verlief sie im äußersten Nordwesten Islands über die Halbinsel Snjefellsnes nach Norden und von dort nach Osten, während sie heute die Insel in zwei annähernd gleich große Hälften gliedert. Vulkanische 13
Gesteine, die damals entstanden sind, finden sich heute im äußersten Nordwesten wie auch im äußersten Osten der Insel, während das Zentrum von jüngeren Basalten bedeckt wird. Mit der Riftachse wanderten auch die Zentren des Vulkanismus. Manche der alten Vulkane, zu denen beispielsweise der Snasfellsjökull gehört, wurden zwar auch nach der Verlagerung der Achse noch einmal aktiv, als sich die bereits erwähnte quer verlaufende Verschiebungszone herausbildete, erloschen dann aber wohl endgültig. Heute liegen die Zentren des Vulkanismus längs der aktiven Dehnungszone, die sich vom äußersten Südwesten (Halbinsel Reykjanes) nach Norden (Mývatn) hinzieht. Vier Vulkane in dieser Zone, darunter die Hekla, der wohl bekannteste Berg Islands, zeichnen sich durch besondere Aktivität aus. Die geringe geothermische Tiefenstufe – ausgedrückt in Meter je ein Grad Temperaturzunahme – sowie die zahlreichen heißen Quellen lassen auch in ruhigen Zeiten erkennen, daß der Vulkanismus noch längst nicht erloschen ist. An der Erdoberfläche läßt sich der Verlauf der aktiven Zone teilweise an Hand langgestreckter Spalten verfolgen, wie sie besonders eindrucksvoll auf Luftaufnahmen auszumachen sind. Teils sind es Förderbereiche älterer Lavaergüsse, teils Dehnungsspalten, die durch das Auseinanderdnften der benachbarten Erdkrustenplatten entstanden sind. Insgesamt umfaßt der aktive Vulkangürtel rund 30 000 km2, also fast ein Drittel der Insel. Erdkrustenbewegungen wirken sich meist in Erdbeben aus, und es kann nicht verwundern, daß auch Island hiervon betroffen ist. Im Gegensatz zu denjenigen Gebieten der Erde, wo sich zwei Krustenplatten aufeinander zubewegen, ist Island jedoch weniger stark gefährdet. Der Grund dafür liegt darin, daß sich die Spannungen im Untergrund durch häufige kleine Beben „rechtzeitig“ abbauen. Da Island wenig besiedelt ist, sind Berichte über gravierende Schäden selten, jedoch wurden bei einigen Beben auch Menschen durch zusammenstürzende Gebäude getötet. Im Mai 1987 wurde Südisland vom stärksten Beben seit 75 Jahren erschüttert. Es hatte die Stärke 5,8 auf der RichterSkala und war selbst noch im Norden der Insel spürbar. 14
2. Einige Worte zum Klima Das Klima Islands ist zwar nicht gerade als mild zu bezeichnen, aber doch auf jeden Fall weniger eisig, als es der Name der Insel vermuten läßt. Es waren wohl nicht die Gletscher auf der Insel, sondern der ungewohnte Anblick von winterlichem Treibeis, der die Siedler zu dieser Namengebung veranlaßte. Heute allerdings erreicht das Treibeis nur noch selten die Nordküste der Insel, und einige der Gletscher sind – wie in vielen Gebieten der Erde – auf dem Rückmarsch. Ob hieraus nun auf eine langfristige Erwärmung zu schließen ist oder nicht – vorläufig noch müssen auch begeisterte Islandfahrer zugeben, daß selbst im Sommer eine daunengefütterte Wetterjacke gelegentlich die angemessene Bekleidung auf einer Hochlandtour ist. Doch falsch wäre es, von einem kühl-verregneten Sommer auf die Durchschnittswerte für das ganze Jahr zu schließen. Interessant ist ein Vergleich der Temperaturverhältnisse Islands mit denen anderer Gegenden gleicher geographischer Breite. Global gesehen beträgt die Durchschnittstemperatur auf dieser Breite (etwa 65° Nord) im Januar rund –23 °C, auf Island hingegen liegen die entsprechenden Werte an der Küste zwischen 0 °C und –1 °C. Im Hochland, für das es allerdings nur relativ kurze Beobachtungsreihen gibt, ist – je nach Höhenlage – mit –10 °C und weniger zu rechnen. Nur minimal sind hingegen die Abweichungen der Lufttemperaturen auf Island im Juli, dem wärmsten Monat. Hier liegt das Breitenkreismittel für die gesamte Erde bei etwa 10 °C (auf Meeresniveau umgerechnet), auf Island jedoch bei knapp 11 °C. Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, daß die Unterschiede zwischen Sommer und Winter auf Island verhältnismäßig gering sind und daß sich die thermische Begünstigung vor allem im Winter auswirkt. Die Ursachen für die Wärmeanomalie sind hauptsächlich in der ausgleichenden Wirkung des Meeres zu sehen; verstärkt wird dieser Effekt durch Ausläufer des Golfstroms, die bis an die südliche und westliche Küste Islands vordringen. Den höheren Luftschichten wird zudem eine nicht zu vernachlässigende Wär15
memenge durch Wolkenbildung zugeführt. Nur so sind die erstaunlich milden Wintertemperaturen zu verstehen, denn die Energiezufuhr durch Sonneneinstrahlung ist in dieser Zeit, wenn die Sonne täglich nur für ein oder zwei Stunden über dem Horizont steht, sehr gering. An den langen Sommertagen steht die Sonne zwar mehr als zwanzig Stunden über dem Horizont, doch ist ihre wärmende Kraft nicht allzu groß. Um eine „echte“ Mitternachtssonne sehen zu können, muß man sich übrigens auf das Inselchen Grimsey begeben, das der Nordküste vorgelagert ist. Es liegt genau auf dem Polarkreis, während der Leuchtturm von Hraunhafnartangi als nördlichster Punkt der Hauptinsel diese Linie um etwa 5 km verfehlt. Wie in allen ozeanisch geprägten Klimagebieten sind die Temperaturgegensätze auf Island nicht nur zwischen Sommer und Winter, sondern auch zwischen Tag und Nacht gering. Frost kann jedoch in allen Monaten auftreten, lediglich in der Küstenregion bleiben die Monate Juni bis August hiervon verschont. Es tröstet wenig über einen verregneten Sommer hinweg, wenn man erfährt, daß die Niederschlagsmengen auf Island erstaunlich gering sind und daß das berüchtigte Islandtief lediglich ein statistisches Abstraktum ist. Die meisten Klimastationen verzeichnen aber tatsächlich weniger Niederschlag, als in Hamburg oder München gemessen wird. Doch gibt es auch bekannte Wetterecken mit hohen Niederschlagsmengen, z. B. die Südküste im Vorland von Myrdalsjökull und Vatnajökull. Die hoch aufragenden Gletscher bilden eine deutliche Klimascheide: Im südlichen Vorland werden Niederschlagsmengen bis zu 2000 mm pro Jahr gemessen, während die Werte im nördlichen Vorland bei weniger als 500 mm liegen. Doch allen Meßdaten der Klimatologen zum Trotz kann man auf Island dem Regen nicht entkommen, denn selbst an der „trockenen“ Nordküste regnet – oder schneit – es im Durchschnitt nahezu jeden zweiten Tag. Allerdings: so unangenehm der Regen bei kühler Witterung und heftigem Wind auch empfunden werden mag, so ist er in der Regel tatsächlich nicht sehr ergiebig. 16
Die milden Wintertemperaturen im Küstenbereich dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die klimatischen Gegebenheiten das Leben auf der Insel doch erheblich erschweren. Frühling und Herbst sind auf wenige Wochen beschränkt, so daß der Winter meist von Oktober bis April dauert. Das macht sich naturgemäß vor allem in der Landwirtschaft bemerkbar, denn die Kürze der Vegetationspenode schränkt die Möglichkeiten des Ackerbaus beträchtlich ein. Auch beim Bau von Straßen und Häusern ist besondere Rücksichtnahme auf das Klima erforderlich. Nicht ohne Grund sind Beton und Wellblech, durch farbenprächtigen Anstrich mehr oder minder erfolgreich in ihrer Häßlichkeit gemildert, häufig benutzte Baumaterialien.
3. Höhengliederung und Relief gestalt Die steil ansteigenden Wände der Fjorde lassen Island schon von See aus als eine gebirgige Insel erscheinen. Weite Gebiete werden von Hochflächen eingenommen, aus denen isolierte Einzelberge oder Gebirgskomplexe herausragen. Kerling, Heräubreiö und einige weitere Gipfel des Landesinneren erreichen Höhenlagen von mehr als 1500 m. Im Hvannadalshnükur steigt der eisbedeckte Krater des Öræfajökulls bis auf 2119 m über dem Meeresspiegel an und bildet damit die höchste Erhebung der Insel. Eine Aufgliederung nach Höhenstufen ergibt, daß 24 % der Gesamtfläche Islands weniger als 200 m und knapp 40 % zwischen 200 und 600 m hoch liegen. Höher gelegene Bergländer nehmen also kaum mehr als ein Drittel des Landes ein. Das mag überraschen, denn die Kargheit der Landschaft und die Schroffheit der Talschluchten erwecken leicht den Eindruck größerer Höhenlage. Mit mitteleuropäischen Maßstäben läßt sich die Höhengliederung allerdings nicht bewerten, denn auf Island liegen alle Höhengrenzen auf Grund des Klimas und der Bodenverhältnisse rund 1500–2000 m tiefer als beispielsweise im Alpenraum. Die Obergrenze der Besiedlung folgt auf Island ungefähr der 200-Meter-Höhenlinie, die Baumgrenze liegt nicht viel höher, und vereinzelt reichen Talgletscher bis in diese Höhenlage hinab. 17
Wenn auch der Bau von Straßen und Brücken, die Anlage von Flugplätzen und die gute Versorgung selbst der kleinsten Orte manche Bequemlichkeit geschaffen haben, so hat die moderne Entwicklung bislang doch nur in wenigen Gebieten das Bild der Landschaft sichtbar verändert. Noch heute ist der größte Teil Islands von wilder Urtümlichkeit: Riesige Lava- und Aschefelder bedecken weite Teile der Insel, rund 11 % der Fläche sind eisbedeckt. Wald ist auf ein paar dürftige Baumgruppen beschränkt, und nicht einmal 2 % der Landesfläche sind unter Kultur genommen oder in irgendeiner Weise baulich genutzt. Weniger wegen des Klimas als vielmehr wegen der unfruchtbaren, ja teilweise wüstenhaften Öde seiner Landschaften galt Island lange Zeit als eine der unwirtlichsten Regionen Europas. Die Lavawüsten verkörpern das „denkbar trostloseste Bild des Todes“, heißt es in der Darstellung von Knebel/Reck aus dem Jahre 1911, und noch 1925 meint der Geograph Alfred Hettner in seinen „Grundzügen der Länderkunde“, daß weite Flächen des Inneren „überhaupt noch nie von Menschenfuß betreten worden“ seien. Immerhin läßt man um diese Zeit den Bewohnern Islands Gerechtigkeit widerfahren und beschreibt sie nicht mehr als „tierische Geschöpfe“, die „in Höhlen beisammen liegen“ und sich von „rohen Fischen und rohem Fleisch“ ernähren, wie es in einem Bericht des Engländers Andrew Boorde heißt (um 1545, zitiert bei Dreyer-Eimbcke). Entscheidend für die Gestalt der Landschaften Islands ist der – erdgeschichtlich gesehen – junge Charakter des Vulkanismus. Dies hat, zusammen mit dem Klima, dazu geführt, daß sich aus den vulkanischen Ablagerungen keine fruchtbare Bodenschicht entwickeln konnte. Das geringe Alter ist auch Ursache für die Schroffheit der Landschaftsformen. Bevor Verwitterung und Abtragung die Spuren eines Vulkanausbruchs mildern konnten, ereignete sich oft schon der nächste. Jung ist Islands Landschaft aber auch im Hinblick auf die Formen, die auf die Bedeckung mit Gletschereis zurückgehen. Die fast die ganze Insel umfassende eiszeitliche Vergletscherung wirkt sich heute noch in der Pflanzen- und Tierwelt aus, die sich von dieser Katastrophe nur teilweise erholt hat. 18
II. Der Vulkanismus auf Island Man schätzt, daß im Laufe der letzten 10 000 Jahre an die 200 bis 300 Vulkane aktiv gewesen sind und daß sich insgesamt an die 2000 Eruptionen ereignet haben. 400 bis 500 km3 Lava dürften dabei zutage gefördert worden sein. Die Gesamtmächtigkeit aller seit dem Tertiär entstandenen Lavadecken beträgt wohl an die 10 km oder mehr. Aus schriftlicher Überlieferung weiß man von mehr als hundert Ausbrüchen in historischer Zeit, aber auch noch nach der Besiedlung der Insel mögen kleine Ausbrüche unbemerkt geblieben sein, zumal sich nicht jede Lavaförderung in Form einer Eruption abspielt. Gerade für den Vulkanismus auf Island ist typisch, daß die Lava oft relativ still ausfließt.
1. Lava und Asche Vergleicht man die Vulkangesteine Islands, so ist festzustellen, daß bei jüngeren Bildungen eindeutig die basaltischen Laven mit einem Anteil von 70 % dominieren. Nur 22 % entfallen auf intermediäres (halbsaures) Material. Das kieselsäurereiche rhyolithische Gestein, das sich äußerlich schon durch seine helle Farbe von der meist grau-schwarzen basaltischen Lava unterscheidet, hat nur einen Anteil von 7,5 %. Es stammt meist von Ausbrüchen, die bereits mehr als 10 000 Jahre zurückliegen. Für die Ausprägung des Vulkanismus von größter Bedeutung ist der Gasgehalt der Gesteinsschmelze. Wenn gasreiches Magma bis nahe an die Oberfläche aufsteigt, kann die Abnahme des Außendrucks geradezu eine Explosion des gesamten Vulkans verursachen. Als Asche und Lava, d. h. entgastes Magma, verteilt sich die Gesteinsschmelze auf die Umgebung des Förderschlotes. Solche explosionsartigen Eruptionen sind beispielsweise für die Westküste Nord- und Südamerikas typisch, wo ozeanische 19
Erdkruste unter kontinentale Kruste abtaucht. Auf Island hingegen sind sie selten; oft fließt die Lava relativ ruhig aus, und zwar mit Temperaturen um 1100 °C. An der Luft kühlt sie sich allmählich ab, wobei die Fließfähigkeit entsprechend der Temperatur abnimmt. Bei etwa 700 °C erstarrt die Lava, jedoch kann es einige Jahre dauern, bis sie völlig erkaltet ist. Je nach Chemismus, Gasgehalt, Temperatur und Fließfähigkeit nimmt die Lava unterschiedliche Formen an. Fließstrukturen mit Wülsten (Stricklava) bilden sich, wenn die schon zähflüssig gewordene Oberfläche der Gesteinsschmelze durch Andauer der Bewegung in der Tiefe zusammengeschoben wird. Anderswo entstehen an der Oberfläche der Lavadecke wabenartige Aufwölbungen, unter denen sich Hohlräume befinden. In diesem Fall spricht man von Fladenlava (isländisch Helluhraun). Ganz eigenartige Formen erhält die Lava, wenn sie durch den Kontakt mit Wasser sehr rasch abkühlt, wie es etwa bei untermeenschen Vulkanausbrüchen der Fall ist. Auf Island ist solche Kissen- oder Pillowlava auch weit vom Meer entfernt entdeckt worden, z.B. an der Herðubreið. Sie stammt von Ausbrüchen, die sich unter dem Eis einstiger Gletscher ereignet haben. Häufig kommt es vor, daß die Oberfläche eines Lavastroms bereits so weit abgekühlt ist, daß die Schmelze (bei Temperaturen von etwa 700 °C) erstarrt, während darunter noch heißere Lava abfließt. Wenn der Nachschub versiegt, bleiben die einstigen Abflußbahnen als geradlinig verlaufende Tunnel zurück. Gelegentlich stürzen sie – insbesondere bei Erdbeben – ein, vereinzelt haben sich jedoch solche Lavahöhlen bis heute erhalten. Die größten unter den bekannten sind Surtshellir und Stefanshellir in den Lavafeldern westlich des Langjökull. In der Frühzeit der Besiedlung Islands sollen sie gelegentlich Missetätern, die aus der Gemeinschaft ausgestoßen worden waren, als Zufluchtsort gedient haben. Neben fließfähiger Lava wird bei manchen Eruptionen in mehr oder minder großem Umfang auch vulkanisches Lockermaterial ausgestoßen, das als Aschenregen zu Boden fällt. Wenn man den Ausdruck Asche in diesem Zusammenhang benutzt, muß man sich darüber im klaren sein, daß hier etwas ganz anderes gemeint 20
ist als Verbrennungsrückstände, wie sie bei einem Lagerfeuer oder in einem Ofen anfallen. In der Fachsprache der Geologen werden vulkanische Aschen als Pyroklastika oder Tephra bezeichnet. Sie entstehen dadurch, daß relativ zähflüssige und gasreiche Gesteinsschmelze bei Druckentlastung aufschäumt und Gase freisetzt (vergleichbar dem Überschäumen beim Offnen einer Flasche mit Sprudelwasser). Dabei wird die Schmelze in mehr oder minder feine Fetzen zerspratzt, die hoch in der Luft geschleudert werden. Sie kühlen sich meist noch in der Luft soweit ab, daß sie als feste Teilchen zu Boden fallen. Größere Lavafetzen werden bei ihrem Flug durch die Luft meist abgerundet, so daß Lapilli oder Bomben entstehen. Die feinsten Partikel, auch als Staub bezeichnet, können je nach Luftströmung über Tausende von Kilometern transportiert werden, ehe sie sich absetzen.
2. Vulkanisches Gestein Lockere Auswurfsmassen, die sich im Laufe der Zeit unter dem Druck der auflagernden Schichten verfestigt haben, werden Tuff genannt (nicht zu verwechseln mit der gleichlautenden Bezeichnung für ein poröses Kalkgestein bestimmter Entstehung). Bei den meisten Ausbrüchen setzt sich die Vulkanasche als schwärzlicher oder auch rötlicher Grus oder Staub ab. Von isländischen Geologen wurde übrigens ein Verfahren entwickelt, bei dem weit verbreitete Ascheschichten aus bestimmten Epochen zur altersmäßigen Bestimmung angrenzender Schichten benutzt werden (Tephrochronologie). Es kommt jedoch auch vor, daß sehr feine glühende Lavatröpfchen von einer gleichfalls glühendheißen Gaswolke in Schwebe gehalten werden. Diese alles Leben vernichtende Glutwolke wälzt sich lawinenartig mit hoher Geschwindigkeit hangabwärts und verbackt schließlich zu einer festen Schicht. Die Ablagerungen aus den Staubglutwolken, die sogenannten Ignimbrite, sind in verschiedenen Gebieten Islands zu finden. Beim allmählichen Abkühlen von Lava kristallisieren die in der Gesteinsschmelze enthaltenen Stoffe aus. Auf diese Weise 21
entsteht das schwarzgraue Basaltgestein mit den nur bei genauem Hinsehen erkennbaren Mineralen, von denen Kalknatronfeldspat, Augit und Olivin den größten Anteil ausmachen. Charakteristisch für Basalt ist die Zergliederung in sechs- bis achteckige Säulen. Sie entstehen durch Verringerung des Volumens bei allmählicher Abkühlung. Seltener sind auf Island vulkanische Gesteine, die aus Laven mit höherem Kieselsäureanteil entstanden sind, nämlich Andesit und Rhyolith. Wenn Lava sehr rasch abkühlt, kann die Schmelze keine Kristallstruktur bilden. Es entsteht eine dichte schwarze Masse, die als Glas bezeichnet wird (und im übrigen genauso scharfkantig ist wie industriell erzeugtes Glas, so daß man sich daran verletzen kann). Als Obsidian wird das schwarzglänzende vulkanische Glas bezeichnet, das mit Rhyolith verwandt ist. Es wird auch als Halbedelstein verarbeitet. Die Isländer bezeichnen das Gestein nach seiner Farbe als „Rabenstein“ (hrafntinna), und danach ist auch der Hrafntinnuhryggur in Nordisland, das bekannteste Vorkommen, benannt.
3. Spaltenergüsse Die Beschaffenheit der Gesteinsschmelze und die Art der Förderung ist entscheidend für die Gestalt der Vulkanbauten. Wenn das Magma gasarm ist, sind höhere Temperaturen erforderlich, damit es bis an die Erdoberfläche aufdringen kann. Derartig heiße Schmelze (um 1100 °C) ist sehr dünnflüssig, so daß sie sich beim Austritt aus Förderspalten wie eine Schichtflut mit beträchtlicher Geschwindigkeit über das Land ergießt. Da Senken und Täler dabei ausgefüllt werden, verrät die neue, nahezu horizontal angelegte Landoberfläche nichts mehr von den zuvor existierenden Landschaftsformen. Auch die Spalten, aus denen die Lava ausgeflossen ist, werden oftmals so weit überdeckt, daß sie nicht mehr erkennbar sind. Nur an der Struktur der erstarrten Lava läßt sich später noch ihre Fließrichtung und damit ihr Herkunftsgebiet erkennen. Diese Form der Lavaförderung aus Spalten steht auf Island – gemessen an der Fördermenge – an 22
erster Stelle. Die eigentlichen Vulkane sind weit weniger produktiv. Die einzelnen Förderspalten, die 1–2 km lang sein können, sind meist scharweise parallel angeordnet. Das berüchtigste Spaltensystem ist das der Lakispalte, die sich im Süden Islands nahe dem Vatnajökull über rund 25 km verfolgen läßt. 1783 ging von dieser Spalte einer der gewaltigsten Ausbrüche aus, die sich in historischer Zeit auf Island ereignet haben. Der Glutfluß, durchschnittlich etwa 30 m mächtig, füllte die Senken und Täler mit bis zu mehreren hundert Metern dicken Lavaschichten auf. Die Gesamtförderung wird auf mehr als 12 km3 geschätzt, die sich auf eine Fläche von 565 km2 verteilten. Zu den direkten Auswirkungen des damaligen Ausbruchs kamen indirekte: Da die Täler einiger Flüsse auf weite Strecken durch Lava verstopft waren, stauten sich die Wassermassen auf, bis das Wasser schließlich einen neuen Abfluß fand. Durch den Ausbruch wurde ein Teil des Gletschereises in den Randbereichen des Vatnajökull zum Schmelzen gebracht, so daß plötzlich die Flüsse über die Ufer traten. Noch in größerer Entfernung wurden ganze Höfe von den Wassermassen und den mitgeführten Schlammlawinen weggerissen. Noch weiter spürbar waren die Folgen, die der Auswurf von Vulkanasche mit sich brachte. Dadurch wurde das ohnehin knappe Weideland ganz oder teilweise verschüttet. Woanders verendete das Vieh, weil es beim Weiden scharfkantige Aschepartikel aufnahm und sich innere Verletzungen zuzog. Mehr als die Hälfte des gesamten isländischen Viehbestandes ging durch direkte oder indirekte Folgen des Laki-Ausbruchs verloren. Hungersnot und Krankheiten waren die Folgen bei den Bewohnern Islands, deren Zahl sich innerhalb von drei Jahren von 49 000 auf knapp 39 000 verringerte. Ein ähnlich gewaltiger Spaltenausbruch hatte sich schon in der Frühzeit der Besiedlung zwischen 930 und 950 ereignet, als die Eldgjaspalte aufbrach und gewaltige Mengen von Lava zutage förderte. Möglicherweise war diese Katastrophe der Grund dafür, daß der Zuzug von Siedlern nach Island um diese Zeit sein Ende fand. 23
4. Schildvulkane Bei reinen Spaltenergüssen dünnflüssiger Lava kann wegen des raschen Abfließens naturgemäß keine Erhebung entstehen. Es kommt jedoch vor, daß der Förderbereich auf ein kleineres Gebiet konzentriert ist und daß die Lava weniger rasch abfließt. In diesem Fall entsteht ein Schildvulkan. Der Anstieg zum Förderschlot ist meist sehr gering. Manche der im Grundriß riesigen Schildvulkane sind so flach, daß man sie kaum als Berg wahrnimmt. Die isländischen Schildvulkane scheinen allesamt jeweils nur auf einen einzigen Ausbruch zurückzugehen und danach nicht mehr aktiv geworden zu sein. Die deutsche Bezeichnung Schildvulkan ist übrigens eine Lehnübersetzung von Skjaldbreiäur, dem Namen eines isländischen Vulkans, der ein Musterbeispiel dieses Typs bildet. Der vielleicht bekannteste isländische Vulkan, die 1491 m hohe Hekla, besteht aus Wechsellagerungen von Lava und Asche. Die Hekla ist seit Jahrhunderten bis in die Gegenwart hinein aktiv, so daß sich die Gestalt des rund 27 km langen und 5 km breiten Rückens immer wieder verändert. Der Ausbruch von 1947, der durch eine über Hunderte von Kilometern weit zu hörende Explosion eingeleitet wurde, dauerte mehr als ein Jahr und ließ den Berg schließlich um 44 m in die Höhe wachsen. Weitere Ausbrüche folgten 1970, 1980 und 1981. Die Hekla zeigt von der Art der Lava und der Ausbrüche gewisse Ähnlichkeit mit den Spaltenergüssen, jedoch wechselt die Förderung dünnflüssiger Lava mit explosionsartigen Ascheausbrüchen ab. Das unberechenbare Verhalten der Hekla bekamen schon die Nachkommen der ersten Siedler im Umkreis des Berges zu spüren, als der Vulkan im Jahre 1104 erhebliche Verwüstungen anrichtete und fruchtbares Weideland vernichtete. Abgesehen vom Vulkangebiet um Krafla und die LeirhnükurSpalte, wo es 1984 bzw. 1975 zu Ausbrüchen kam, liegen die meisten der in der jüngsten Vergangenheit aktiven Vulkane im Süden Islands oder auf den vorgelagerten Inseln. Hierzu gehören Grimsvötn (1983), Eldfell (1974) und Sutur (1967). Zu den be24
kanntesten erloschenen Vulkanen zählt der majestätisch aufragende Snasfellsjökull (1448 m) im äußersten Westen Islands. Hier ließ Jules Verne seine Romanhelden die „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ antreten. Leider verbirgt sich der Gipfel nahezu ständig in den Wolken, doch gelegentlich kann man bei klarem Wetter seine Eiskappe noch von Reykjavík aus sehen.
5. Lavafelder Mögen die meisten Lavafelder auf den ersten Blick auch gleichförmig aussehen, so unterscheiden sie sich bei genauerem Hinsehen doch beträchtlich. Dementsprechend tragen sie auf Island unterschiedliche Namen, die teils auf die natürliche Beschaffenheit, teils auf historische Ereignisse hinweisen. Die Wortendung „hraun“ bedeutet dabei nichts anderes als Lavafeld. Soweit sie eine Vegetationsdecke tragen, werden die Lavafelder teilweise als „heiði“ bezeichnet. Zu den bekanntesten Lavafeldern gehört das Ódáðahraun im westlichen Zentrum Islands. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Name soviel wie „Lavafeld der Missetäter“. Das rund 4500 km2 große Gebiet liegt zwischen 500 und 800 m hoch und setzt sich aus einer Vielzahl einander überlagernder Lavaströme zusammen. Nur einzelne Vulkane oder Vulkanmassive ragen aus der Einöde empor, darunter die Askja, deren Caldera von einem 1053 m hoch gelegenen See erfüllt ist. Das Ódáðahraun ist – abgesehen von einigen Flechten – weitgehend vegetationsfrei; nur an wenigen Stellen können sich besonders angepaßte Gräser und Sträucher behaupten. In diese Lavawüste flüchteten früher die aus der Gemeinschaft Verstoßenen. Wegen Raub und Totschlag, aber manchmal auch wegen Geringfügigkeiten vom Althing für vogelfrei erklärt, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in die Wildnis zurückzuziehen, denn niemand durfte sie beherbergen, aber jeder hatte das Recht, sie zu töten. Bis ins 18. Jahrhundert hinein war die Missetäterwüste Zufluchtsort für Verfolgte, die hier unter kaum vorstellbaren Bedingungen ihr Leben fristeten. 25
Der wüstenhafte Charakter des Ódáðahrauns und auch vieler anderer Lavafelder ist durch die Beschaffenheit des Untergrundes bedingt. In den Spalten und Hohlräumen der Lavadecken versickert das Niederschlagswasser in unerreichbare Tiefen. Solche edaphisch bedingten Wüsten sind charakteristisch für Island. Nur unter besonders günstigen Bedingungen und reichlich fallenden Niederschlägen zeigen die Lavafelder einen heideartigen Bewuchs, wie er sich auf dem erst 200 Jahre alten Skaftäreldahraun im Süden Islands entwickelt hat.
6. Vulkane unter dem Eis Auch unter den Gletschern verbergen sich mehrere Vulkane. Einige sind wohl erloschen, andere sind gelegentlich aktiv. Ein Vulkanausbruch unter einem Gletscher gilt als besonders gefährlich. Die Lavaförderung macht zwar einem mächtigen Gletscher nicht den Garaus, doch kann es zu einer plötzlichen Vermehrung des Abflusses von Schmelzwasser kommen. Gefürchtet sind vor allem Gletscherläufe, wie das isländische Wort Jökulhlaup meist ins Deutsche übersetzt wird. Damit meint man eine gewaltige Sturzflut von riesigen Wassermassen, die sich von einem Gletscher ins Vorland ergießt, meist zusammen mit Eisbrocken und mitgerissenem Gestein. Der Abfluß besteht nicht nur aus Schmelzwasser, sondern auch – manchmal sogar überwiegend – aus Wasser, das sich aus berstenden Eisstauseen urplötzlich ergießt. Wenn sich die Eiskappe des Vulkans anhebt, können zudem die Seen, die sich im Sommer auf der Gletscheroberfläche gebildet haben, überschwappen. Zusammen mit dem Schmelzwasser rasen dann in kürzester Zeit unvorstellbare Wassermassen ins Vorland. Vorsichtige Berechnungen haben ergeben, daß mit Abflußraten von 10 000 m3 pro Sekunde zu rechnen ist, in einzelnen Fällen sogar mit bis zu 100 000 m3 pro Sekunde – manche Schätzungen liegen sogar erheblich höher (zum Vergleich: die Elbe hat an ihrer Mündung einen durchschnittlichen Abfluß von 710 m3/s). Auch wenn sich große Gletscherläufe nur selten ereignen, so sind sie doch ein prägendes Element der isländischen Landschaft. 26
Die Auswirkungen eines solchen Ereignisses sind gewaltig: Felsblöcke von mehreren hundert Tonnen Gewicht können von der Flut fortgerissen werden, von Häusern ganz zu schweigen; Meeresbuchten werden durch mitgeführten Schlamm aufgefüllt, und Flutwellen machen sich selbst an entfernten Küsten noch bemerkbar. Zurück bleibt eine riesige Wüste im Vorland des Gletschers. Einige außergewöhnliche Talformen, wie man sie beispielsweise in Nordisland im Gebiet um den Dettifoss entdeckt hat, werden als Spuren eines früheren Gletscherlaufs gedeutet. Häufiger aber noch haben sich die mit gewaltigen Schuttmengen beladenen Ströme vom Vatnajökull und Mýrdalsjökull ins südliche Vorland ergossen. Bis weit ins Meer hinein reichen dort ihre Spuren. Canyonartige Rinnen am Meeresboden südlich des Mýrdalsjökull werden als Auswirkungen von Gletscherläufen gedeutet. Mehrfach haben sich auch in historischer Zeit Gletscherläufe ereignet – vor allem bei Ausbrüchen der Katla unter dem Myrdalsjökull. Beim Ausbruch von 1918 führte ein Gletscherlauf dem Vorland soviel Gesteinsmatenal und Schlamm zu, daß sich die Küstenlinie um 4 km ins Meer vorschob. Die größte Katastrophe ereignete sich wohl 1362, als beim Ausbruch des Orxfajökulls zusätzlich zu dem gewaltigen Aschenregen ein Gletscherlauf die Höfe an der Südküste unter sich begrub. Zahlreich müssen die subglazialen Vulkanausbrüche während des Pleistozäns gewesen sein, als Island nahezu völlig von Eis bedeckt war. Durch solche Ausbrüche lassen sich die vulkanischen Tafelberge erklären, die sich im Zentrum sowie im Südwesten Islands finden und dort „stapi“ genannt werden. Die im Grundriß mehr oder minder runden Tafelberge ragen meist als isolierte Klötze aus den Lavafeldern empor. Musterbeispiel ist die 1682 m hohe Herðubreið“. Nachdem über die Entstehung dieser eigenartigen Bergformen lange Zeit gerätselt worden war, führten schließlich Erkenntnisse aus der Meeresgeologie weiter. Die erstarrte Lava der Tafelberge zeigt nämlich teilweise ähnliche Formen, wie man sie vom Meeresboden kennt. Offenbar entstehen die tafelförmigen Vulkane durch subglaziale Ausbrüche, wenn sich Lava unter der Eisbedeckung in einen See ergießt. 27
Auch heute gibt es derartige Vorgänge. Gründlich untersucht wurden sie im Gebiet des Vatnajökull, wo unter dem Eis in der Caldera der Grimsvötn ein See nachgewiesen werden konnte. Er wurde 1974 mit seismischen Methoden erstmals näher untersucht. Wie weitere Untersuchungen ergaben, erreichte der See nach dem Ausbruch des Jahres 1986 eine Tiefe bis zu rund 90 m bei einer Ausdehnung von etwa 10 km2. Die Eisbedeckung betrug 250 m.
7. Untermeerische Vulkane Die Insel Surtsey, 30 km vor der Südwestküste gelegen, entstand im November 1963, als ein untermeerischer Vulkan Asche und Lava in solcher Menge förderte, daß der rasch wachsende Berg schließlich über dem Meeresspiegel emporragte. So beeindruckend diese Inselentstehung auch war, so ist dergleichen doch nichts Ungewöhnliches für Island. In historischer Zeit sind mehrere Inselchen in der südwestlichen Fortsetzung der Halbinsel Reykjanes durch untermeerische Vulkaneruptionen entstanden. Meist sind die aus lockerer Asche gebildeten Inseln jedoch schon bald wieder der Brandung zum Opfer gefallen oder aber durch Absenkung des Meeresbodens verschwunden. Eine gewisse Kuriosiät ist mit dem einstigen Inselchen Nyey verbunden, das 1783 aus den Fluten aufgetaucht war. Um zu vermeiden, daß möglicherweise andere Nationen auf die Insel Anspruch erheben könnten, beeilten sich die Dänen als damalige Landesherren Islands, mit Steinsetzung und Flaggenhissung ihre Besitzergreifung zu dokumentieren. Doch als die Dänen mit entsprechender „Ausrüstung“ aus Kopenhagen angereist waren, war nach nur wenigen Monaten die Insel längst wieder in den Fluten verschwunden.
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8. Geysire und heiße Quellen Mit dem Vulkanismus eng verbunden sind die zahlreichen heißen Quellen und Dampfaustntte. Nach dem isländischen Wort „gjósa“, das soviel wie „hervorsprudeln“ bedeutet, wurde die gewaltigste dieser Quellen im Haukadalur-Thermalf eld Geysir genannt – eine Bezeichnung, die ja heute für Springquellen auch in anderen Ländern üblich geworden ist. Allerdings schleudert der Große Geysir Islands schon seit einigen Jahren nicht mehr wie früher gewaltige Wasserfontänen in die Luft. Doch in unmittelbarer Nachbarschaft gibt es weitere Springquellen, von denen einige auch heute noch aktiv sind. Den schönsten Anblick
Abb. 2: Zu den eindrucksvollsten der derzeit tätigen heißen Springquellen gehört der Strokkur im Haukadalur. Wenige Sekunden bevor sich die typische Fontäne des Geysirs bildet, wölbt sich das aufwallende Wasser zu einem Halbrund.
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bietet wohl der Strokkur – ein recht „zuverlässiger“ Geysir, bei dem man nicht allzu lange zu warten braucht, bis er seine Künste zeigt. Im „Ruhezustand“ merkt man dem Strokkur nicht an, welche Kraft er entwickeln kann, denn dann ist er nichts anderes als ein harmloser Wassertümpel von einigen Metern Durchmesser. Durch das klare Wasser hindurch sieht man in der Mitte des Tümpels ein rätselhaftes Loch im Boden, das in die Tiefe führt. Eigenartig ist aber auch die Umgebung des Wasserbeckens: Der Boden ist überall von hell schillernden Krusten bedeckt, auf denen nicht das kleinste Pflänzchen gedeiht. Wasserpfützen glänzen in der Sonne, hier und da verläuft sich ein Rinnsal irgendwohin. Dann auf einmal quillt in dem Tümpel das Wasser empor und wölbt sich nach oben, zunächst wie eine flache Linse, dann wie eine Kuppel. Noch ein paar Sekunden, und aus dem Halbrund drängt sich eine mächtige Fontäne empor – vielleicht zehn, dann fünfzehn und schließlich sogar zwanzig Meter hoch. Eine oder auch zwei Minuten dauert das faszinierende Schauspiel, bis die Fontäne wieder in sich zusammenfällt. Das Wasser verschwindet im Schlot, den man jetzt ganz deutlich sehen kann. Erst nach einiger Zeit füllt sich wieder das Becken. Nun dauert es eine Weile, fünf Minuten oder länger, bis ein erneutes Aufwallen des Wassers den nächsten Ausbruch ankündigt. Der erste Forscher, der den Großen Geysir auf Island und überhaupt eine heiße Springquelle genauer untersuchte, war der deutsche Chemiker Robert Wilhelm Bunsen. Er machte 1846 zu diesem Zweck eine Forschungsreise nach Island. Nach Lotungen und Temperaturmessungen im Großen Geysir kam er zu folgender Erklärung, die im Prinzip auch heute noch von der Wissenschaft akzeptiert wird: Das durch Erdwärme aufgeheizte Wasser im Schlot eines Geysirs erreicht seinen Siedepunkt nicht bei 100 °C, sondern erst bei höheren Werten, weil die darüber liegende Wassersäule den Druck erhöht. Das überhitzte Wasser steigt aufgrund seines geringeren Gewichts auf, während gleichzeitig kälteres Wasser absinkt. Das aufsteigende Wasser kommt dadurch in Bereiche geringeren Drucks, so daß es nun zu sieden 30
beginnt, 110 °C warmes Wasser beispielsweise in 4–5 Meter Wassertiefe. Der in Blasen aufsteigende Wasserdampf führt zu einer weiteren Drucksenkung, und noch mehr Wasser beginnt zu sieden. Dies läuft recht schnell wie eine „Kettenreaktion“ ab, so daß schließlich Dampf und Wasserfüllung des Schlots in einer mächtigen Fontäne hinausgeschleudert werden. Damit eine wirklich ansehnliche Fontäne entsteht, müssen die Hohlräume im Unterbau des Geysirs eine ganz bestimmte Form haben. In den unterirdischen „Dampfkesseln“ muß sich genügend Dampf unter hohem Druck ansammeln, um einige Tonnen Wasser emporschleudern zu können. Wichtig ist aber auch, daß der „Nachschub“ funktioniert, d. h., daß der unterirdische „Dampferzeuger“ lange genug unter Dampf steht und daß genügend Wasser nachfließt, um das hinausgeschleuderte Wasser zu ersetzen. Diese Bedingungen sind erfüllt, „wenn der Schlot des Geysirs in der Tiefe eine doppelte Kehre macht und sich dabei noch etwas erweitert. Em solcher Siphon wirkt nämlich wie ein Ventil, das erst dann den Weg freigibt, wenn der Dampf durch die Wärmezufuhr einen sehr hohen Druck erreicht hat. Auch im Wasser steigt der Druck enorm an, wodurch der Siedepunkt immer weiter verzögert wird. Irgendwann ist dann der Druck des Dampfes so stark, daß die Wassersäule aus dem Schlot herausgeschleudert wird. Durch die siphonartig gewundene Form des Geysirschlotes ist das aber kein einmaliger Vorgang: Der Druckbehälter ist gleich wieder mit Dampf gefüllt, der das nachfließende Wasser ebenfalls aus dem Schlot treibt. Das setzt sich fort, bis der unterirdische Wasservorrat aufs erste erschöpft ist oder aber das nachfließende Wasser zu einer vorübergehenden Abkühlung führt. Geysire sind meist recht kurzlebige Gebilde, denn durch Erdbeben oder andere Vorgänge wird der Unterbau allzu leicht so weit verändert, daß keine Eruptionen mehr stattfinden können. Umgekehrt können aber auch Erdbeben zur Aktivierung von Geysiren führen, wie es beim Strokkur vor gut 200 Jahren der Fall war. Das Wasser eines Geysirs ist in der Regel versickertes Niederschlagswasser – in seltenen Fällen auch Meerwasser, das unterirdisch bis in das Thermalfeld vordringt (zeitweilig bei einem Geysir auf der Halbinsel Reykjanes beobachtet). 31
Im aufgeheizten Wasser sind Mineralien gelöst, vor allem Siliziumverbindungen. Nach dem Austreten des Wassers wird ein Teil der Mineralien ausgefällt und bildet dann die eigenartige Sinterkruste, die die meisten Geysire umgibt. Die Ablagerungen können die Gestalt eines kleinen Kegels oder sogar eines Kamins annehmen. An Hand derartiger Formen lassen sich auch Geysire nachweisen, die schon vor Jahrtausenden ihre Tätigkeit eingestellt haben. Heute zeichnen sich drei Geysirfelder durch besondere Aktivität aus: neben dem „klassischen“ Geysirfeld Haukadalur das Gebiet am Mývatn und – von Touristen weniger häufig aufgesucht, jedoch nicht minder eindrucksvoll – mehrere Geysirfelder auf der Halbinsel Reykjanes, vor allem im Gebiet um Krísuvík südlich von Reykjavík. Weitaus häufiger als in Form eines Geysirs tritt geothermisch aufgeheiztes Wasser in warmen Quellen zutage – teils als Dampf, teils in flüssigem Zustand. Sicherlich geht die Zahl der warmen Quellen auf Island in die Hunderte. Selbst im vergletscherten Gebiet gibt es warme Quellen. Großartigstes Beispiel ist die Jökulsá á Fjöllum, deren Thermalquelle unter dem Vatnajökull liegt. Das 35 °C warme Wasser fließt unter dem Eis in einem Tunnel ins Freie und vereinigt sich mit zahlreichen anderen Gletscherflüssen zum größten Fluß im Norden Islands. Nur wenige der heißen Quellen und Seen werden bislang genutzt. Eine besondere Attraktion für Touristen und Erholungssuchende bildet die zu einem komfortablen Freibad ausgebaute Blaue Lagune auf der Halbinsel Reykjanes. Für die Nutzung im größeren Stil, etwa für Heizzwecke, werden meist keine natürlichen Quellen, sondern durch Bohrungen erschlossene Wärmelager genutzt.
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III. Eis und Wasser formen die Landschaft Neben dem Formenschatz des Vulkanismus sind es vor allem die mächtigen Gletscher, die die Landschaften Islands prägen. Mit 11 800 km2 ist die Eisbedeckung auf der Insel heute mehr als dreimal so groß wie in den gesamten Alpen.
1. Gletscher der Vorzeit In noch stärkerem Maße als die gegenwärtigen Gletscher haben die Gletscher des Eiszeitalters die Oberflächenformen der Insel gestaltet. Sie haben die ältere Vulkanlandschaft teils durch ihre abtragende Kraft, teils durch Umlagerung des mitgeführten Gesteinsmaterials überprägt. Infolgedessen sind die Spuren früherer Vereisung vor allem dort deutlich zu sehen, wo sich in den 10 000 Jahren seit dem Abklingen der letzten Kaltzeit keine weiteren Ausbrüche ereignet haben, d. h. im äußersten Westen und im Osten der Insel. Aber auch im inneren Hochland, das erst relativ spät und nur teilweise seinen Eispanzer verloren hat, trifft man auf frische Spuren früherer Vereisung. Insgesamt scheint es auf Island in den letzten 3 Millionen Jahren rund zwei Dutzend Vereisungen größeren Ausmaßes gegeben zu haben. Aus dem Wechsel eiszeitlicher Ablagerungen und zwischenzeitlich abgelagerter Ascheschichten lassen sich Rückschlüsse auf den Gang der Entwicklung ziehen. Es ist bislang aber nicht gelungen, diese Eiszeiten mit den bekannten Eiszeiten auf dem europäischen Festland exakt zu parallelisieren, d. h. sie einander zeitlich zuzuordnen. Das Eis bedeckte in den Eiszeiten nahezu die gesamte Insel. Wie weit es vereinzelt eisfreie Gebiete gegeben hat, ist umstritten, doch spricht vieles dafür, daß sich Reste der ursprünglichen Vegetation in kleinen Refugien gehalten haben. Sonst wäre die 33
Wiederausbreitung von Pflanzen kaum zu erklären. Auch Teile des angrenzenden heutigen Meeresgebietes waren von Eis bedeckt. Markante Spuren der jüngsten Vereisung auf dem Meeresboden sind Trogtäler, durch die das radial nach allen Seiten abströmende Eis bis in Tiefen von 400 m nachgewiesen werden konnte. Auf dem der Nordküste Islands vorgelagerten Inselchen Grimsey zeigen Gletscherschrammen, daß das Eis auch bis dorthin reichte. Wie in anderen Teilen der Erde weiß man auch auf Island am genauesten über die jüngste Vereisung Bescheid, deren Spuren sich am besten erhalten haben. Ihren Höhepunkt erreichte sie vor rund 18 000 Jahren, als das Eis auf und um Island eine Fläche von etwa 200 000 km2 bedeckte. Als Ende der letzten großen Vereisung wird die Zeit vor 10 000 Jahren angenommen. Die vulkanischen Kräfte haben sich durch die schätzungsweise bis 1000 m mächtige Eisbedeckung nicht beeindrucken lassen. Vulkanausbrüche fanden auch unter dem Eis statt. Die rasche Abkühlung der ausgetretenen Lava ließ hier auf dem Land Formen entstehen, die denen ähneln, die man von untermeerischen Vulkanausbrüchen kennt. Eine lange Zeit rätselhafte Hinterlassenschaft des eiszeitlichen Vulkanismus bildet der Palagonit. Dieses Mineral entstand durch chemische Umwandlung aus basaltischem Glas, wie es sich bei untermeerischen, aber auch bei subglazialen Ausbrüchen bildet.
2. Heutige Eisbedeckung Heute sind über 11 % der Landfläche Islands von Gletschern bedeckt. Sie werden im Isländischen als Jökull bezeichnet. Der größte ist der Vatnajökull, der an Fläche den größten Alpengletscher rund fünfzigmal übertrifft. Die Gletscher haben ihre Ausdehnung in historischer Zeit deutlich geändert. Die Ursachen sind in erster Linie wohl klimatischer Art (Temperatur, Niederschlag), jedoch können auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben. So verstärkt die Bedeckung eines Gletschers mit vulkanischer Asche das Abschmel34
zen von Eis, und vereinzelt mag auch die Erdwärme zu einer Veränderung geführt haben. Einige Funde, vor allem aber schriftliche Überlieferungen lassen erkennen, daß die Ausdehnung vieler Gletscher im Mittelalter, zur Zeit der Landnahme, geringer war als zu Beginn dieses Jahrhunderts. In den letzten Jahrzehnten zeigt sich aber an einigen Gletschern auf Island wieder ein deutlicher Rückzug der Gletscherstirn. Manche Eisfelder und kleinen Gletscher, wie der Glamujökull im Nordwesten der Insel, sind ganz verschwunden. Die heutigen Gletscher verteilen sich auf den Nordwesten und Westen, das Zentrum und den Süden der Insel. In den weniger niederschlagsreichen Gebieten im Osten und Norden finden sich nur vereinzelt kleine Eisfelder, und der im Winter relativ warme Südwesten kennt keinen einzigen Gletscher. Die Gletscher Islands gehören verschiedenen Typen an. Den größten Anteil an der eisbedeckten Fläche haben Plateaugletscher wie der Vatnajökull, der Langjökull und der Hofsjökull, deren Oberfläche das darunterliegende Relief nicht mehr erkennen läßt. Nur vereinzelt ragen Berggipfel aus der Eiswüste empor. Eine Eiskappe bedeckt den Gipfel des Sna;fellsjökull. Am Rande des Hochlandes und der großen Gletscher kommen auch Talgletscher vor, wie man sie aus den Alpen kennt. Der Vatnajökull ist nach den Inlandeisen der Antarktis und Grönlands die drittgrößte zusammenhängende Eisfläche der Erde. Im Durchschnitt beträgt die Eismächtigkeit 420 m, doch vereinzelt wurde mehr als das Doppelte gemessen. Die am weitesten vorstoßende Gletscherzunge, der Breiðamerkurjökull, reicht bis auf 120 m über NN hinab. Höchster Gipfel des vergletscherten Massivs ist der Öræfajökull, mit seinen 2119 m Höhe zugleich höchster Berg Islands. Außer ihm sind noch einige andere Vulkane im Eis des Vatnajökull eingebettet oder unter ihm verborgen. Interessant ist, daß das Bergmassiv, das den Vatnajökull trägt, zum größten Teil unter der heutigen Schneegrenze (hier etwa 1100m über NN) liegt. Unter heutigen Klimabedingungen könnten nur auf relativ kleinen Bereichen der höchsten Lagen Gletscher entstehen. Ihr Nährgebiet wäre jedoch nicht groß ge35
nug, um einen großen Plateaugletscher entstehen zu lassen. Erst durch die mächtige Eisdecke ragt ein großer Teil des Vatnajökulls über die Schneegrenze empor. Die Ausdehnung des Eises geht aber nicht auf das Pleistozän zurück, sondern vermutlich auf eine spätere, weniger starke Phase der Abkühlung vor etwa 2500 Jahren. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, bildet der Vatnajökull eine deutliche Klimascheide. Seiner Südflanke werden schätzungsweise mehr als 4000 mm Niederschlag pro Jahr zugeführt, während im nördlichen Vorland nur mit einem Zehntel dieser Menge zu rechnen ist. Dieser Gegensatz zeigt sich auch in den Talgletschern, die vom Eisplateau ins Vorland hinabreichen. Die südlichen Talgletscher weisen dank des reichlichen Nachschubs an Schnee hohe Bewegungsraten auf (zum Teil über 1 m/Tag) und entwickeln eine entsprechend starke erosive Kraft. Die gewaltigen Schmelzwässer, die vom Vatnajökull abfließen, speisen die größten Flüsse des Landes. Im Süden lagern die Schmelzwässer das mitgeführte Gesteinsmaterial in einer riesigen immer noch wachsenden Sanderfläche ab. Die bis zu 25 km breite Aufschüttungsfläche an der Südküste zwischen Herjólfsstaðir und Fagurhólsmýri ist das Ergebnis dieses Prozesses. Der Skeiðarársandur mit einer Fläche von 1000 km2 ist die größte dieser lebensfeindlichen Sand- und Kiesflächen. In Hunderte von Armen aufgespalten, durchströmen die Schmelzwässer den Skeiðarársandur und fließen dem Meer zu. Die bei Schneeschmelze gewaltig ansteigenden Wasserfluten verändern häufig ihren Lauf. Erst in den siebziger Jahren gelang es, die Wasserarme zu überbrücken und eine vor Überflutung geschützte, ganzjährig befahrbare Straßenverbindung entlang der Südküste herzustellen. Auch heute noch kann eine Fahrt über Islands Fernstraße Nr. 1 zu einem Abenteuer werden, wenn bei trockener Witterung starker Wind den feinen Sand aufwirbelt und ein gelber Staubschleier die Sicht auf drei bis fünf Meter beschränkt. Wie alle größeren Gletscher wird auch der Vatnajökull regelmäßig vermessen und beobachtet. Das dient nicht nur wissenschaftlichen Zwecken, sondern auch dem vorbeugenden Katastrophenschutz. Unerwartete Bewegungen der Gletscher36
oberfläche können auf drohenden Vulkanausbruch und bevorstehenden Gletscherlauf hinweisen. Kleine Gletscherläufe ereignen sich am Vatnajökull relativ häufig, manchmal mehrmals in einem Jahr, wenn Eisbarrieren brechen und sich Eisstauseen plötzlich entleeren. Bekanntes Beispiel ist der Grænalón am Südwestrand des Vatnajökull.
3. Küsten und Inseln Zu den markantesten Landschaftsformen, die durch Gletscher geschaffen wurden, gehören die Fjorde. Es sind steilwandige tiefe Trogtäler, die vom Eis ausgefurcht wurden. Allerdings ist umstritten, auf welche Weise das Eis diese Arbeit leisten konnte. Seine Bewegung ist am Grunde eines Gletschers nämlich weitaus geringer als an der Oberfläche, so daß die Vorstellung einer Tiefenerosion, wie man sie von Flüssen kennt, sicherlich nicht ohne weiteres übertragbar ist. Möglichweise spielten präglazial angelegte Leitlinien, etwa Flußtäler oder tektonische Störungen bei der Bildung der tiefen Trogtäler eine Rolle. Bei der weiteren Entwicklung war dann wohl eine Art Selbstverstärkungsprozeß wirksam, denn je tiefer die Täler, desto größer kann die Mächtigkeit und damit auch der Druck des Eises sein, sofern der Nachschub an Schnee genügend groß ist. Mit dem nacheiszeithchen Meeresspiegelanstieg drang das Meer in die tieferen Abschnitte der Trogtäler ein und machte sie damit zu Fjorden. Der tatsächliche Anstieg des Meeresspiegels ist nicht immer ganz einfach zu belegen, da sich auch die Küste als Folge vulkanischer Vorgänge, aber auch als Reaktion auf die Druckentlastung nach dem Zurückweichen der Gletscher gehoben hat. Durch Fjorde reich gegliedert ist die Nordwestküste Islands, insbesondere die Halbinsel zwischen Breiðarfjörður und Húnaflói, sowie die Ostküste. Für die Besiedlung des Landes haben die Buchten, die einerseits Schutz vor den Stürmen, andererseits aber doch Zugang zum Meer bieten, besondere Bedeutung gehabt. Im äußersten Nordwesten Islands fallen die Hänge der 37
Fjorde steil unmittelbar zum Meer hinab. Keine Straße führt dorthin, wo vor einigen Jahrzehnten noch kleine, nur vom Wasseraus zu erreichende Siedlungen bestanden. In auffälligem Gegensatz zur Fjordküste steht die geradlinig verlaufende Südküste. Sie ist kaum besiedelt, denn für die Anlage von Häfen ist die Schwemmlandküste im Vorland der großen Gletscher denkbar ungeeignet. Starke Brandung bei nur flach abfallendem Meeresboden sowie Untiefen, die sich häufig verlagern, sind hier bei Sturm schon manchem Schiff zum Verhängnis geworden. Um die Mannschaft gestrandeter Schiffe vor Hunger und Kälte zu bewahren, wurden längs der Küste Rettungshütten mit Notausrüstung und Proviant eingerichtet. Die Anregung hierzu gab im Jahre 1903 der damalige deutsche Konsul, nachdem ein deutscher Fischdampfer gestrandet war. Die Mannschaft hatte sich zwar an Land retten können, jedoch erst nach elf Tagen des Umherirrens einen Bauernhof erreicht. Drei Mann waren den Strapazen nicht gewachsen gewesen und gestorben. Heute findet man derartige Schutzhütten (Neyðarskýli) an allen gefährlichen Küstenabschnitten Islands und auch entlang einiger Straßen im Landesinneren. Die Inseln, die der Küste Islands vorgelagert sind, haben meist nur geringe Ausdehnung und sind überwiegend unbewohnt. Auf einigen Inselchen wie Flatey und Viöey bestanden zeitweilig Klöster. Die einzige größere Inselgruppe bilden die Vestmannaeyjar (Westmänner Inseln), deren Name auf eine frühe Besiedlung durch „Westmänner“ (möglicherweise Iren bzw. geflüchtete keltische Sklaven der Wikinger) zurückgehen soll. Von den fünfzehn Inseln ist nur Heimaey bewohnt. Unliebsamen Besuch erhielt Heimaey im Jahre 1627, als Piraten aus Nordafrika die Insel plünderten und an die 300 Bewohner als Sklaven entführten. Nur dreizehn von ihnen gelangten nach mehr als zehn Jahren wieder zurück nach Island. Eine Katastrophe ganz anderer Art, nämlich ein Vulkanausbruch, ereilte die auf über 5000 Bewohner angewachsene Bevölkerung dreieinhalb Jahrhunderte später. An die Möglichkeit eines solchen Ereignisses dachte wohl kaum jemand, denn der Inselvulkan Helgafell hatte seit Menschengedenken keine nen38
nenswerte Aktivität gezeigt. Nach einem untermeerischen Ausbruch im Jahre 1963, bei dem das Inselchen Surtsey entstanden war, bildete sich zehn Jahre später, im Januar 1973, urplötzlich eine Spalte an der Flanke des Helgafell, aus der gewaltige Mengen an Asche und Lava hervordrangen. Dies war der Beginn eines monatelang andauernden Infernos, bei dem die benachbarte Stadt weitgehend in Schutt und Asche gelegt wurde. Dank der Verfügbarkeit zahlreicher Fischerboote konnte sich die gesamte Bevölkerung in kürzester Zeit nach Island retten. Immerhin gelang es den Rettungsmannschaften, die Lavaströme durch Abkühlen mit Meerwasser so zu lenken, daß die Hafeneinfahrt nicht versperrt wurde. Andernfalls wäre der Bevölkerung die einzige Erwerbsmöglichkeit, nämlich die Fischerei, unwiderruflich verlorengegangen. So konnten die Einwohner, nachdem der Ausbruch sein Ende gefunden hatte und die Insel nach sieben Monaten als sicher erklärt worden war, zurückkehren und mit den Aufbauarbeiten beginnen. Die Fischerei, die die Grundlage des auch für isländische Verhältnisse überdurchschnittlich hohen Lebensstandards der Bevölkerung bildet, hat keine Einbuße erlitten. Dem Vulkanausbruch verdankt Heimaey die Nutzung der seitdem reichlich zur Verfügung stehenden Erdwärme.
4. Flüsse Die meisten der großen Ströme Islands werden von Gletschern gespeist. Das gilt auch für die Pjörsä, die am Hofsjökull entspringt und mit ihren 230 km Länge der größte Fluß des Landes ist. Die Flüsse sind gefällsreich und haben vor allem im Sommer eine gewaltige Wasserführung. Dementsprechend groß ist ihre Erosionskraft. An die 100 000 t mitgeführter Schwebstoffe und Geröll verfrachten manche der großen Ströme während der maximalen Wasserführung im Sommer täglich ins Meer. Im Winter ist die Wasserführung der Gletscherflüsse erheblich geringer. Oft sinkt sie auf ein Zehntel oder noch weniger der sommerlichen Werte. Je näher man dem Gletscher kommt, 39
Abb. 3: Im Nordosten Islands bahnt sich die Jökulsä ä Fjöllum, einer der mächtigsten Ströme des Landes, durch steilwandige Schluchten den Weg zum Meer. Teilweise folgt sie den Abflußrinnen eines Gletscherlaufs, der in vorgeschichtlicher Zeit vom Vatnajökull ausging und sich bis an die Nordküste erstreckte.
desto größer werden die Unterschiede zwischen sommerlichem und winterlichem Abfluß. Das Abflußverhalten der durch Quellen gespeisten Flüsse ist regelmäßiger. Allerdings können auch hier zu Zeiten der Schneeschmelze beachtliche Hochwasser auftreten. Die stark schwankende Wasserführung der Flüsse erschwert natürlich den Bau von Brücken. Im Landesinnern fehlen Brücken völlig; hier können selbst breite Flüsse nur an Furten gequert werden. Probleme wirft der winterliche Wassermangel der Flüsse beim Betrieb der Wasserkraftwerke auf. Mehrfach kam es in Island zu Versorgungsengpässen, als in besonders kalten Wintern – wie z.B. 1980/81 – die Wasserkraftwerke nicht genügend Strom liefern konnten. Insbesondere für die beiden großen Stromverbraucher Islands, die ISAL-Aluminiumhütte und eine Ferrosiliziumanlage, entstanden durch die Betriebsunterbrechung beträchtliche Verluste. 40
Die isländischen Flüsse sind reich an Fischen, vor allem an Lachs. So ist es kein Wunder, daß mindestens ein Dutzend Flüsse den Namen Laxá (Lachsfluß) führt. Mehr noch als die Küstenfischerei haben die Fangerträge aus Flüssen und Seen schon früher den Speisezettel der Bevölkerung ergänzt. Auch heute noch sind die Isländer begeisterte Angler. Allerdings sind die Fischereirechte genau reglementiert, und wer an einem guten Lachsfluß in Island angeln will, muß tief ins Portemonnaie greifen, um die Genehmigung zu erhalten. Immer wieder wird der Lauf isländischer Flüsse durch Stromschnellen und Wasserfälle unterbrochen. Die deckenartige Anordnung der Basaltschichten ist häufig Ursache für die Herausbildung von Geländestufen, über die die Wassermassen tosend hinabstürzen. Wegen ihrer grandiosen Schönheit sind Dettifoss und Gullfoss zu vielbesuchten Touristenzielen geworden; kaum minder beeindruckend sind allerdings etliche der übrigen Wasserfälle Islands.
5. Seen Im Vergleich zu den gewaltigen Strömen und Wasserfällen treten die Seen im Landschaftsbild zurück. In vielen Gebieten des Hochlandes ist der Untergrund so durchlässig, daß Seen hier keinen Bestand haben. Die meisten Seen verdanken ihre Entstehung der letzten Eiszeit. Teils sind die Seenbecken durch Gletscher ausgetieft worden – bekanntestes Beispiel ist der Lögurinn –, teils durch Moränenwälle abgedämmt worden. Andere Seen sind dadurch entstanden, daß Täler durch Bergstürze oder Lavaströme abgesperrt wurden. Auch tektonische Vorgänge, die zu einem Absinken der Erdoberfläche geführt haben, sind in einigen Fällen Ursache für das Entstehen von Seenbecken. Größter See ist der Þingvallavatn (83 km2). Hauptsächlich durch unterirdischen Zufluß gespeist, ist er Quellsee für den Sog, der trotz seiner geringen Länge von 53 km eine bemerkenswert große Wasserführung von durchschnittlich 109 m3/s aufweist. 41
2 Nur wenig kleiner ist der Þorisvatn (72 km ), der gleichfalls eine flache, glazial bedingte Eintiefung ausfüllt. Auch der Mývatn (37 km2) im Nordosten Islands gehört zu den flachen Seen. Er ist von zahlreichen Inselchen durchsetzt. Eine Besonderheit unter ihnen bilden ringförmige Erhebungen mit kraterähnlicher Gestalt, die sich beim Kontakt von heißer Lava und Wasser gebildet haben. Es sind also keine Austrittsstellen von Lava und deshalb keine echten Krater, sondern Pseudokrater. Auch im Umkreis des Sees, der früher eine größere Fläche einnahm, sind diese eigenartigen Gebilde zu finden. Das gesamte Gebiet um den Mývatn bildet eines der größten Wärmelager Islands. Zahlreiche heiße Quellen, Solfataren und Spuren jüngster Vulkanausbrüche geben Zeugnis von der besonderen vulkanischen Aktivität. Der Name Mývatn (Mückensee) deutet schon auf die kleinen Quälgeister hin, die dort jeden Sommer auftauchen. Sie bilden die Nahrung der besonders artenreiche Vogelwelt, für die das Gebiet weithin berühmt ist. Alle fünfzehn in Island heimischen Entenarten brüten hier, darunter auch die sonst sehr seltene Spatente. Singschwan, Odinshühnchen und Eistaucher sind nur einige der in großer Artenvielfalt vertretenen Vogelwelt. Weite Gebiete im Nordwesten des Sees und der angrenzenden Uferregion sind als Brutgebiete unter besonderen Schutz gestellt. Das für isländische Verhältnisse relativ dicht besiedelte Gebiet um den Mývatn ist jedoch nicht nur für den Naturfreund von Interesse. Der vom Boden des Sees abgebaute Diatomeenschlamm wird mit Hilfe geothermischer Energie zu Kieselgur aufbereitet. Nicht weit vom Mývatn entfernt liegt ein Kraftwerk, das die Erdwärme zur Stromerzeugung nutzt. Arbeitsplätze schafft auch der Tourismus, denn der Mývatn wird von kaum einer Reisegruppe auf ihrer Islandrundfahrt ausgelassen.
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IV. Die belebte Natur 1. Vegetation Das Klima zeigt naturgemäß besonders deutliche Auswirkungen auf die Pflanzenwelt, reicht jedoch als Erklärung für die Besonderheiten der isländischen Flora nicht aus. Auch die Bodenverhältnisse, insbesondere die Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes, die isolierte Lage der Insel und nicht zuletzt die Eingriffe des Menschen haben die Zusammensetzung und Verbreitung der Vegetation wesentlich beeinflußt. Vergleicht man Island im Hinblick auf die Pflanzenwelt mit anderen Ländern, so fallen drei Besonderheiten auf: erstens die weite Verbreitung fast völlig vegetationsfreier Gebiete auf mehr als der Hälfte der gesamten Fläche des Landes, zweitens die relativ geringe Artenzahl der Pflanzenwelt sowie drittens das fast völlige Fehlen von Wald. Wie kleine Braunkohlenvorkommen bei Brjánslækur zeigen, war Island im Jungtertiär zumindest teilweise bewaldet; außer Nadelbäumen und Birken konnten in verschiedenen Gebieten Islands auch Eschen, Weiden und andere Arten nachgewiesen werden. Umstritten ist, ob die ältere Vegetation durch die pleistozänen Vereisungen völlig ausgelöscht wurde oder ob sie sich in einigen nicht vereisten Rückzugsgebieten halten konnte. Die Herkunft vieler Pflanzenarten ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Nach der artenmäßigen Zusammensetzung der Flora bestehen auf jeden Fall mehr Bezüge zu Nordeuropa und den Britischen Inseln als zu Nordamerika. Es spricht vieles dafür, daß 150 bis 200 Arten höherer Pflanzen die letzte Eiszeit überstanden haben und den Grundstock für die erneute Ausbreitung einer Vegetationsdecke bildeten. Vor der Besiedlung der Insel dürfte die Zahl der Arten bei weniger als 400 gelegen haben. Seitdem kamen rund 100 Arten hinzu, die durch den Menschen 43
auf die Insel gebracht worden sind und sich hier verbreitet haben. Rund zwei Drittel der Gesamtfläche sollen zur Landnahmezeit mit mehr oder weniger geschlossener Vegetationsdecke bedeckt gewesen sein, also deutlich mehr als heute. Lichter Birkenwald war wohl bis in Höhen von 300–400 m verbreitet. Nadelbäume, die an sich für diese Klimazone typisch sind, gelangten im Rahmen von Aufforstungsmaßnahmen erst in jüngster Zeit nach Island. Nicht nur durch Abholzung, sondern auch durch Beweidung mit Schafen ist die ursprüngliche Vegetation stark geschädigt worden. Heute ist trotz erfolgversprechender Bemühungen um Aufforstung nicht einmal 1 % der Fläche Islands von Wald bedeckt. Auf Island lassen sich drei Vegetationsstufen unterscheiden, die sich entsprechend der Höhenlage über dem Meeresniveau anordnen: Die erste Stufe reicht bis etwa 300 m und ist durch Wiesen, Niedermoorwiesen und -sümpfe sowie wenige Baumbestände (Birken, Weiden) gekennzeichnet. Darauf folgt eine zweite Stufe, die etwa den Bereich zwischen 300 und 700 m einnimmt. Charakteristisch sind Zwergstrauchheiden, u.a. mit Krähen- und Moosbeere. Der isländische Ausdruck „heiði“ wird oft mit Heide übersetzt, obwohl die Landschaft nicht dem entspricht, was man sich in Deutschland unter diesem Begriff vorstellt. Die dritte Stufe oberhalb von 700 m ist nur inselhaft von Moos- und Flechtenheiden bedeckt. Moore kommen in feuchteren Lagen in verschiedenen Höhenstufen vor; ihre Torfschichten wurden früher in beträchtlichem Umfang zur Gewinnung von Brennmaterial abgebaut. Auch auf den vegetationsfrei wirkenden Wüstenflächen gibt es Spuren von Vegetation. Die Melur-Vegetation der Lavafelder und Schotterflächen ist den extremen Standortbedingungen, die durch den Mangel an Bodenwasser und häufige Überwehung mit Staub gekennzeichnet sind, angepaßt und besteht aus Gräsern, Binsen und Seggenarten; auch Grasnelken und einige andere robuste Arten kommen vor.
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2. Tierwelt Gleichermaßen arm an Arten ist die Tierwelt Islands. Das einzige nicht durch den Menschen nach Island gebrachte Landsäugetier ist der Polarfuchs, der vermutlich von Grönland auf die Insel kam. Einige Küstenabschnitte haben Robben in ihren Lebensraum einbezogen. Die früher mit treibenden Eisschollen gelegentlich an der Nordküste Islands auftauchenden Eisbären – ein beliebtes Motiv auf alten Landkarten Islands – konnten nicht heimisch werden. Wegen ihrer Gefährlichkeit wurden die Tiere so rasch wie möglich abgeschossen. Ende des 18. Jahrhunderts (zwischen 1771 und 1787) wurden in vier Gruppen Rentiere nach Island gebracht. Da die Isländer keine Neigung zeigten, als Nomaden mit Rentierherden durchs Land zu ziehen, sind die Tiere bald verwildert. 1901 wurden sie unter Schutz gestellt, da sie zeitweilig vom Aussterben bedroht waren. Seit den siebziger Jahren hat sich der Bestand jedoch auf 3500–4000 Tiere stabilisiert, die im Südosten Islands umherziehen. Da die natürliche Futtergrundlage zu gering ist und bereits Schäden an der Vegetation befürchtet werden, sind sie heute in begrenzter Zahl zur Jagd freigegeben. Pro Jahr werden 300 bis 500 Rentiere geschossen. Alle anderen freilebenden Säugetiere, die absichtlich oder unabsichtlich nach Island gebracht wurden, haben sich dort so stark verbreitet, daß sie als Schädlinge betrachtet werden. Das gilt auch für die Nerze (amerikanischer Nerz oder Mink), die in den dreißiger Jahren zur Pelzproduktion eingeführt wurden. Nachdem einige Tiere aus einer Pelztierfarm entweichen konnten, haben sich die Nerze so stark vermehrt, daß sie heute überall auf Island verbreitet sind. Der je nach Bejagung stark fluktuierende Gesamtbestand wird allerdings auf weniger als 10 000 Tiere geschätzt. Es wird angenommen, daß die Nerze als Nesträuber zur Dezimierung einiger Vogelbestände beigetragen haben. Größere Verbreitung haben Vogelarten, vor allem an der Küste und im Gebiet einiger Seen. 265 Vogelarten konnten auf Island nachgewiesen werden, doch heimisch im eigentlichen Sinne 45
sind nur die 72 Arten, die hier regelmäßig brüten. Die meisten von ihnen sind Wat- oder Schwimmvögel, während fünfzehn Arten als „Landvögel“ zu bezeichnen sind. Unter den Wasservögeln sind die Enten mit achtzehn Arten am stärksten vertreten, gefolgt von Watvögeln mit zehn Arten sowie Möwen und Alken mit jeweils sieben Arten. Sturmvögel, Seetaucher u.a. sind gleichfalls mit mehreren Arten vertreten. Charakteristisch für viele Arten ist die Häufung der Brutplätze an bestimmten Stellen, oft schwer zugänglichen Felsen der Steilküste. Trottellummen, Dickschnabellummen, Tordalken, Papageitaucher, Dreizehenmöwen und Eissturmvögel sind am häufigsten auf diesen Vogelfelsen zu sehen. Flacheres Brutgelände an den Binnenseen oder an der Küste bevorzugen die meisten Entenarten. Über die ganze Insel verbreitet ist die Kragenente, die sich mit Vorliebe an stark bewegtem Wasser, etwa an Stromschnellen oder im Brandungsbereich der Meeresküste aufhält. Aus gutem Grund Lieblingsvogel vieler Bauern, besonders an der Westküste Islands, ist die gesellig lebende Eiderente. Bevorzugt hält sie sich an flachen, grasbewachsenen Inseln und dem offenen Meer abgewandten Buchten auf. Die Weibchen polstern die Brutplätze mit den sehr zarten Brustfedern, die sie sich selbst auszupfen. Werden die Federn entnommen, polstern die Tiere das Nest erneut aus. Bei einer zu häufigen Entnahme besteht allerdings Gefahr, daß die Tiere das Nest aufgeben. Eine weitere „Daunenernte“ erfolgt, wenn die Nester nach dem Ende der Brutsaison verlassen werden. Etwa 60 bis 70 Nester ergeben ein Kilogramm Daunen. Wie es heißt, war das Sammeln der Daunen früher Haupteinnahmequelle manchen Pfarrhofes. Die isländische Gesamtproduktion betrug beispielsweise 1896 immerhin 3117 Kilogramm. Die wirtschaftliche Bedeutung hat zwar abgenommen, aber auch heute noch werden auf Island alljährlich rund 2000 Kilogramm Daunen gesammelt. Es gibt mehr als 300 Brutkolonien, denen jeweils durchschnittlich 12 000 Tiere angehören. Die Nutzungsrechte an den Nestern sind Privatbesitz von Bauern, die sorgfältig darüber wachen, daß die Bestimmungen zum Schutz der Brutplätze eingehalten werden. 46
Einige der Vogelarten, insbesondere die Wildenten, werden auch als Eierlieferanten geschätzt. In manchen Gebieten Islands werden die Eier entnommen, indem sich junge Männer an langen Seilen am Felsen hinablassen und – sich mit den Füßen abstoßend – von einem Teil des Vogelfelsens zum anderen schwingen. So können sie auch Nester in sonst nicht zugänglicher Lage erreichen und eine begrenzte Zahl von Eiern entnehmen. Das Sammeln der Eier wird heute kaum mehr kommerziell betrieben, aber immerhin kann man in den Feinkostgeschäften Reykjavíks gelegentlich Eier einiger Vögel erhalten. Der Fang von Seevögeln trug früher in nicht geringem Maße zur Nahrungsbeschaffung bei. Auch heute noch steht der Papageitaucher (isländ. Lundi) als landestypische Spezialität auf der Speisekarte, und selbst in den Tiefkühltruhen mancher Supermärkte kann man die bunten Vögel entdecken, die nur im Juli und August gefangen werden dürfen. Bei etlichen Vogelarten wurden das Sammeln der Eier und der Fang der Tiere jedoch völlig verboten, um den Bestand nicht zu gefährden. Zu den weithin berühmten und begehrten Vögeln gehörten schon im Mittelalter die isländischen Falken. Etliche der manchmal rein weißen, meist aber mehr oder minder dunkel gescheckten Gerfalken gelangten an die Adelshöfe Europas, wo sie zur Falknerei abgerichtet wurden. Alljährlich wurden früher an die 100 Falken an den Königshof in Kopenhagen geliefert, von wo sie als fürstliches Geschenk oder als teure Handelsware in alle Welt geliefert wurden. Heute stehen die Vögel unter strengem Schutz. Selbst das Photographieren der Nester ist ohne besondere Genehmigung nicht gestattet.
3. Schutz der Natur Trotz der scheinbaren Unberührtheit Islands besteht eine dringende Notwendigkeit, die Natur vor Eingriffen des Menschen zu schützen. Das subarktische Ökosystem am Rande der Ökumene ist außerordentlich empfindlich und erholt sich von Störungen nur sehr langsam oder überhaupt nicht. Die niedrigen 47
Temperaturen und die Kürze der Vegetationsperiode – im Tiefland rund vier, im Hochland nur zwei bis drei Monate – sind Ursache dafür, daß Pflanzen auf Island sehr langsam wachsen. So können Schäden an einzelnen Pflanzen oder an der Vegetationsdecke nur schwer heilen. Hinzu kommt, daß die Böden arm an organischen Nährstoffen sind. Zum einen werden ihnen entsprechend der dürftigen Pflanzendecke nur geringe Mengen organischen Materials zugeführt, zum anderen erfolgt die Zersetzung bei den niedrigen Temperaturen nur sehr langsam. Ein weiterer Grund für die Empfindlichkeit des Ökosystems sind die Vulkanausbrüche, die sich im Durchschnitt alle fünf Jahre ereignen. Nicht nur austretende Lava, sondern auch die weiter verbreitete Asche bringt die Vegetation zum Absterben oder verursacht zumindest erhebliche Schäden. Die dünne Bodenschicht ist an sich schon wegen der geringen Bindigkeit durch Abspülung bzw. Auswehung gefährdet. Dies gilt umso mehr, wenn einmal die Pflanzendecke beschädigt ist. Die Bekämpfung der Vegetationsschäden und der Bodenabtragung ist eine der wichtigsten Aufgaben des Naturschutzes auf Island. Hierfür werden jedes Jahr beträchtliche Summen ausgegeben. Genauso wichtig ist es, die noch vorhandene Vegetation zu schützen. Die durchgeführten Aufforstungs- und Rekultivierungsmaßnahmen können aber noch nicht Schritt halten mit der weiterhin bestehenden Bodenabtragung. Derzeit gibt es über 70 Schutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 35 000 ha, in denen die wiederhergestellte Pflanzendecke noch eines besonderen Schutzes bedarf. Da sich frei weidende Schafe in der Regel nicht an gesetzliche Vorschriften halten, sind diese Flächen meist noch eingezäunt. Bei Aufforstungsmaßnahmen wurden auch Versuche mit fremden Arten, insbesondere Nadelhölzern, unternommen. Wenn die Aufforstung auch sehr langsam vonstatten geht, so zeichnen sich doch bereits gewisse Erfolge ab. Schäden an Vegetations- und Bodendecke, die auf direkte oder indirekte Einwirkung des Menschen zurückgehen, sind nicht erst in heutiger Zeit festzustellen. Schon zur Landnahmezeit wurden durch Abholzung des ursprünglichen Baumbestandes 48
beträchtliche Schäden verursacht, von denen sich die Natur nicht mehr erholen konnte. Im Hochland war es vor allem die Schafhaltung, die stellenweise zu einer Zerstörung der Pflanzendecke und letztlich auch des Bodens geführt hat. Neben den Zerstörungen, die durch Vulkanausbrüche hervorgerufen wurden, hat dies dazu beigetragen, daß einige früher besiedelte Gebiete im Landesinneren aufgegeben werden mußten. Die Zunahme der Belastungen, die vom Tourismus ausgehen, ist heute eines der Hauptprobleme des Naturschutzes. Zwar liegen die meisten Gebiete Islands weitab von jeder befestigten Straße, doch übt gerade das auf viele Menschen einen besonderen Reiz aus. Die Bewältigung der Hochlandpisten ist für manche Touristen ein sportliches Abenteuer. Mit den schweren Geländewagen werden aber gelegentlich trotz Verbot auch Strecken abseits der Piste befahren. Dadurch wird die spärliche Vegetation zerstört, der Boden verdichtet und die Bodenabspülung gefördert. Aber nicht nur ausländische Touristen, sondern auch Isländer tragen zur Belastung der Landschaft bei. In der Ferienzeit und am Wochenende suchen viele Menschen aus dem Großraum Reykjavík in der Natur Erholung und Vergnügen. Der Ausflugsverkehr hat in einigen Gebieten, z. B. an den Sandstränden im Süden der Halbinsel Snæfellsnes und im Gebiet um Hüsafell, ein beträchtliches Ausmaß angenommen. Die hohe Mobilität der Isländer – hinsichtlich der Zahl der Personenwagen je 1000 Einwohner stehen sie an erster Stelle in Europa – trägt hierzu bei. Außerordentlich stark zugenommen hat die Anlage von Wochenendhäusern, so daß man in einigen Gebieten – z. B. im Haukadalur – schon geradezu von „Zersiedelung“ sprechen kann. Selbst in abgelegenen Gebieten sind Ferienhäuser anzutreffen. Probleme entstehen hier nicht zuletzt auch dadurch, daß diese Zweit- oder Drittwohnungen in der Regel nicht über Anschluß an Kläreinrichtungen verfügen. Auf dem Gebiet des Naturschutzes sind verschiedene Organisationen tätig. Dem Naturschutzrat (Náttúruverndarrád) obhegt u.a. die Überwachung und Verwaltung der beiden großen Nationalparks des Landes. Der Nationalpark Jökulsárgljáfur 49
wurde 1973 gegründet. Mehrfach erweitert, umfaßt er heute 2 rund 150 km , darunter das Gebiet um den Unterlauf der Jökulsá und den Dettifoss. Noch größer ist der Nationalpark Skaftafell im Süden des Landes. Er wurde 1967 gegründet, umfaßte zunächst 500 km2 und wurde im Laufe der Zeit unter Einbeziehung einiger Talgletscher am Rande des Vatnajökulls auf 1600 km2 erweitert. Einen besonderen Charakter hat der Nationalpark Pingvellir, dessen Kernbereich die Allmännerschlucht (Almannagjä) bildet, die im Jahre 930 Versammlungsort für das alljährlich im Sommer abgehaltene Althing wurde. Wegen seiner historischen Bedeutung steht dieser Platz, der bereits 1928 zum Nationalpark erklärt wurde, unter direkter Aufsicht der Regierung. Neben den drei Nationalparks (1991 zusammen 189 100 ha) wurden zahlreiche kleinere Gebiete als Naturreservate ausgewiesen (1991: 30 Reservate mit zusammen 272 786 ha). Hierzu gehören die meisten der bekannten Naturdenkmäler. Hinzu kommen 39 Gebiete (485 206 ha), die auf anderer Grundlage unter Schutz gestellt worden sind. Insgesamt stehen fast 9 % der gesamten Landfläche in irgendeiner Weise unter Schutz.
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V. Von der ersten Besiedlung zum heutigen Staat Von allen Gebieten Europas ist Island am spätesten durch den Menschen besiedelt worden. Vor der Landnahme durch Wikinger waren vereinzelt schon irische Mönche als Einsiedler an die Südostküste Islands gekommen, erstmals wahrscheinlich gegen Ende des 8. Jahrhunderts. Auch die Berichte der Wikinger enthalten Hinweise darauf, daß sie die Insel nicht gänzlich unbewohnt antrafen. Jedoch scheinen die Mönche bei der Ankunft der heidnischen Wikinger das Land fluchtartig verlassen zu haben. Ob nun die irischen Mönche die ersten Besucher der Insel waren, ist unklar. So berichtete der griechische Seefahrer Pytheas von Massilia von einer weit im Norden gelegenen Insel Thule, die er auf seiner Expedition nach Nordwesteuropa (um 325 v.Chr.) aufgesucht habe. Ihm wird deshalb gelegentlich die „Entdeckung“ Islands zugeschrieben; wahrscheinlich aber bezeichnet Thule bei Pytheas nichts anderes als Mittelnorwegen, das irrtümlich als Insel aufgefaßt wurde. Das haben zumindest Untersuchungen von Fridtjof Nansen und Richard Henning ergeben. Erst später scheint der Name auf Island (teilweise auch auf Grönland) übertragen worden zu sein. „Ultima Thule“ galt bei den Kosmographen und Kartenmachern noch zu Beginn der Neuzeit weniger als topographischer Name, sondern wurde eher in einem metaphorischen Sinne als Bezeichnung für das nördliche Ende der Welt benutzt – gewissermaßen als schreckenerregender und unüberwindbarer Gegenpunkt zum Kap Bojador in Westafrika, das das südliche Ende der „terra habitabilis“ bezeichnete. Island mit seinen Gletschern und feuerspeienden Bergen entsprach dieser apokalyptischen Vorstellung von Thule, so daß der Name später auf diese Insel übertragen wurde. Auf den frühen Karten von Island werden vor allem feuerspeiende Berge (Snæfellsjökull), aber auch wilde See51
ungeheuer und dergleichen mit Akribie dargestellt. Der Name Island taucht übrigens erstmals im 10. Jahrhundert auf einer in England angefertigten Karte auf.
1. Landnahmezeit und Wikingerrepublik Die ersten Wikinger sind vermutlich zu Beginn des 9. Jahrhunderts von den schon etwas früher besiedelten Färöern aus nach Island gelangt. Möglicherweise wurden sie durch einen Sturm dorthin verschlagen, vielleicht haben sie aber auch gezielt nach der durch irische Mönche ja schon bekanntgewordenen Insel gesucht. Die eigentliche Besiedlung setzt in den siebziger Jahren des 9. Jahrhunderts ein, und zwar überwiegend von Norwegen aus. Wie es heißt, wollten die Auswanderer auf diese Weise der Unterwerfung unter die Herrschaft Harald I. (mit dem Beinamen Schönhaar) entgehen. Nach seinem Sieg am Hafrsfjord (872) konnte er unangefochten die Vereinigung der norwegischen Teilreiche vollenden. Auch Abenteuerlust und Hoffnung auf reichen Landbesitz mögen manchen Wikinger veranlaßt haben, mitsamt Familie, Vieh und Vorräten in offenen Booten die gefährliche Fahrt über den Atlantik zu wagen. Auch von den Färöern und den Britischen Inseln sind Wikinger nach Island aufgebrochen. Nach Schottland waren die Wikinger erstmals 793 als Plünderer gekommen, später auch als Siedler. Teilweise vermischten sie sich wohl mit der einheimischen keltischen Bevölkerung – auf jeden Fall aber nahmen sie keltische Sklaven und Dienstleute mit nach Island. Manche Schätzungen kommen sogar zu dem Ergebnis, daß rund 30 % der frühen Siedler Kelten gewesen seien. Die navigatorische Leistung der Wikinger verdient Bewunderung. Benutzt wurden offene Boote, Knerrir genannt (Einzahl Knörr), deren Bauform im Laufe der Zeit und je nach Verwendungszweck wechselte. Sie verfügten über ein einfaches Segel, konnten aber auch gerudert werden. Welche Bootstypen die Auswanderer benutzten, ist nicht genau bekannt, da auf Island 52
keine Seeschiffe aus der Wikingerzeit gefunden wurden und Abbildungen erst aus späterer Zeit bekannt sind. Auf jeden Fall kannten die Wikinger außer den schlanken und gut zu manövrierenden „Drachenbooten“ auch breitere Schiffe, die für den Transport von Menschen, Tieren und Waren sicherlich besser geeignet waren. Die Frage, ob die Wikinger um diese Zeit bereits den Kompaß gekannt haben, ist immer noch umstritten, jedoch spricht vieles dagegen. Zudem hätte ein Kompaß entsprechend einfacher Konstruktionsweise bei der Kursbestimmung auf See nicht viel genutzt. Allerdings ist auch die Navigation nach dem Stand der Sterne in den hellen Sommernächten Nordeuropas naturgemäß kaum möglich. Wie in den ältesten Berichten geschildert wird, verließ man sich auf die Fähigkeit mitgeführter Raben, schon von weitem den richtigen Kurs zu der noch hinter dem Horizont verborgenen Insel einzuschlagen. Als „offizieller“ Beginn der Besiedlung gilt das Jahr 874. Einer der ersten namentlich bekannten Siedler war Ingölfur Arnarson, der sich im Gebiet der heutigen Hauptstadt niederließ. Nach den dampfenden Quellen nannte er die Gegend Reykjavík, d.h. Rauchbucht. Ausgrabungen im Stadtgebiet von Reykjavík haben Reste von Bauholz zutage gefördert, das der Altersbestimmung zufolge aus dieser Zeit stammen muß. In den folgenden sechzig Jahren zogen zahlreiche weitere Familien aus Norwegen nach Island. Über Auswanderung und Ansiedlung berichtet das Landnahmebuch (Landnámabók), das ein unbekannter Verfasser zu Beginn des 13. Jahrhunderts unter Verwendung zahlreicher Quellen verfaßt hat. Im Grunde ist es ein Verzeichnis neuer Siedler mit Angaben über ihre Herkunft, ihren neuen Wohnsitz, die Größe ihres Besitzes und ihre Nachfahren. Erwähnt werden rund 1000 Siedler, ohne daß jedoch ersichtlich wird, weshalb gerade ihre Namen angeführt werden, während andere unerwähnt bleiben. Erzählende Passagen über bemerkenswerte Einzelheiten der Landnahme ergänzen die Darstellung, so daß man auch etwas über die Streitigkeiten zwischen den Siedlern und über die damalige rechtliche Ordnung erfährt. Die Originalhandschrift ist zwar verlorengegangen, doch sind Ab53
schriften in mehreren Ausgaben erhalten, von denen die ältesten aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammen. Eine gleichfalls als einzigartig zu bezeichnende Quelle ist das Isländerbuch (Íslendingabók), das um das Jahr 1130 entstand und einen kurzen Abriß über die Geschichte des Landes seit dem Beginn der Besiedlung bietet. Nach diesen Quellen, deren Zuverlässigkeit heute jedoch mit gewisser Skepsis betrachtet wird, entstanden um 900 die ersten Thingstätten, die dazu dienten, Streitigkeiten zwischen den Siedlern zu schlichten. Ein allgemein verbindliches Althing (Alþingi) mit Funktion als Gerichtsstätte und Parlament wurde im Jahre 930 eingerichtet. Hier trafen sich zur Mittsommerzeit die Vorstände der machthabenden Familien für zwei Wochen, um über Probleme und Streitfälle zu beraten. Als Versammlungsort wurde die Allmännerschlucht (Almannagjä) beim heutigen tingvellir gewählt – wohl deshalb, weil sie eine günstige Lage im Mittelpunkt des damals bewohnten Gebietes einnahm. Man schätzt, daß gegen Ende der Landnahmezeit an die 30 000 Menschen Island bevölkerten. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts sollen es bereits 80 000 gewesen sein. Auch wenn es sich hierbei nur um ungefähre Angaben handeln kann, so zeigen sie doch, welches Ausmaß die Einwanderung gehabt haben muß. Dies ist nur zu erklären, -wenn Island etwas zu bieten hatte, was in der norwegischen Heimat knapp wurde: Freiheit und genügend Land. Offenbar waren die Lebensbedingungen um diese Zeit günstiger als heute, denn sonst hätte die Insel nicht eine solche Bevölkerungszahl ernähren können. Island blieb nicht das einzige Ziel der Wikinger im Nordatlantik – sei es aus Abenteuerlust oder weil die Nahrungsgrundlage knapp wurde (970 wurde Island erstmals von einer Hungersnot betroffen). Schon 985/986 segelten Siedler mit einer Flotte von 25 Schiffen nach Grönland, um sich dort niederzulassen. Wann und auf welche Weise die Isländer Kenntnis von Grönland erlangt hatten, ist unklar – möglicherweise wurde einmal ein Schiff durch ungünstige Winde an die grönländische Ostküste verschlagen. Auf jeden Fall begab sich Eiríkur Thorvaldsson, besser bekannt als Erik der Rote, nach Grönland, als 54
er zu drei Jahren Exil verurteilt worden war. Er umrundete auch die Südspitze der Insel und erhielt so Kenntnis von der Westküste, die für die Ansiedlung weitaus günstigere Voraussetzungen bietet als die Ostküste. Später folgten noch weitere Siedlergruppen nach Grönland. Über das Schicksal der Wikingerniederlassungen in Grönland, wo zeitweilig ein eigenes Bistum mit Sitz in Garäar bestand, ist wenig bekannt. Wohl schon vor dem 16. Jahrhundert haben Hunger und Krankheit, vielleicht auch Angriffe von Eskimos, zum Untergang geführt. Gleichfalls nur kurzen Bestand hatten Wikingerniederlassungen an der kanadischen Ostküste. Bei dem berühmten Vinland (d. h. Weideland) der Wikinger dürfte es sich wohl um Neufundland gehandelt haben. In politischer Hinsicht blieben die Siedler auf Island zunächst unabhängig. Aus den Herrschaftsbereichen der Sippenoberhäupter entstanden schon im Laufe des ersten Jahrhunderts der Besiedlung dreizehn staatenähnliche Gebilde. An ihrer Spitze standen Führer, Goden genannt, die die weltliche und religiöse Macht vereinigten. Durch die Begründung des Althings als Versammlung der Mächtigsten im Lande wurde die gesetzgebende und teilweise auch die richterliche Gewalt an dieses Gremium übertragen. Den damit entstandenen föderativen Freistaat kann man allerdings kaum mit einer Demokratie im heutigen Sinne vergleichen, denn die Bevölkerungsmehrheit hatte keine Einflußmöglichkeit auf die Beschlußfassung.
2. Leben unter fremder Herrschaft Die norwegischen Herrscher waren mehr oder weniger bemüht, die ausgewanderten Untertanen wieder unter ihre Herrschaft zu bringen. Bei den Färöern, den Orkneys, den Shetlands und den Hebriden gelang dies schon frühzeitig. Für die Annektierung Islands schien die Zeit reif, als innere Auseinandersetzungen, vor allem Machtkämpfe zwischen einzelnen Familien, teilweise sogar in offenen Schlachten ausgetragen, das Land schwächten. Diese Gelegenheit wollte der norwegische Herrscher zu einem 55
Eroberungszug gegen Island nutzen. Snorri Sturluson (1179– 1241), als Staatsmann, Gelehrter und Dichter heute noch in Island geachtet, gelang es, dies abzuwenden, indem er seine Treue zum König bekundete. Mit diplomatischem Geschick konnte der Verlust der Unabhängigkeit Islands noch mehrfach aufgeschoben werden, doch im Jahre 1262 mußte auch der letzte Landesteil die Oberhoheit des norwegischen Königs anerkennen. Obwohl ursprünglich ein Vertrag mit Rechten und Pflichten auf beiden Seiten, entwickelte sich daraus ein politisches Abhängigkeitsverhältnis, das das Ende des isländischen Freistaates bedeutete. Mit dem Übergang Norwegens an Dänemark (Kalmarer Union, 1380) gelangten auch die meisten seiner Außenbesitzungen an den neuen Landesherrn. Zum Verlust der politischen Unabhängigkeit kamen weitere folgenschwere Ereignisse, mit denen die kleine Gemeinschaft der Isländer kaum fertigwerden konnte. Schon in den Jahrhunderten nach der Landnahme, vor allem aber im 14. und 15. Jahrhundert, führten Vulkanausbrüche, die große Weideflächen verwüsteten, und Klimaverschlechterung zu Hungersnöten und Krankheiten, so daß die Bevölkerungszahl auf etwa die Hälfte zurückging. Nur langsam erholten sich die Isländer hiervon, doch immer wieder suchten neue Katastrophen das Land heim. Im 17. Jahrhundert brachte eine Reihe ungewöhnlich kalter Winter bittere Not. Die erste Volkszählung im Jahre 1703 ergab, daß zu dieser Zeit 50 358 Menschen auf der Insel lebten. Bereits Ende des 10. Jahrhunderts gab es – ausgehend vom Erzbistum Bremen – erste Versuche zur Einführung des Christentums in Island, allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Auch der norwegische König Olaf Tryggvason schickte mehrere Missionare nach Island, deren Bemühen gleichfalls erfolglos war. Erst durch massive Drohungen, alle in Norwegen lebenden Isländer hinzurichten, gelang es dem König, die Isländer im Jahr 1000 zur Annahme des Christentums zu bewegen. Mit der Einführung des Christentums nahm der Einfluß landfremder Mächte, insbesondere des norwegischen Königs und des anfangs für Island zuständigen Erzbischofs von Bremen zu. Die ersten Bischöfe stammten aus England und Deutschland. Erster Islän56
der in diesem Amt war der in Deutschland ausgebildete Isleifur Gissurarson, der den vom Vater ererbten Hof Skálholt zum Bischofssitz machte. Im Norden Islands entstand ein zweites Bistum mit Zentrum Hólar. Beide Bistümer unterstanden seit der Mitte des 12. Jahrhunderts dem Erzbischof von Trondheim. Die beiden isländischen Bistümer blieben bis zur Reformation die wichtigsten kulturellen Mittelpunkte des Landes. Ab dem 12. Jahrhundert entstanden einige Klöster der Benediktiner und Augustiner. An ein ehemaliges Kloster von Benediktinerinnen erinnert noch der Name von Kirkjubæjarklaustur im Süden Islands, wo schon vor der Landnahmezeit irische Mönche gelebt haben sollen. Mit der Annahme des Christentums, gegen das es auch noch Jahrzehnte nach der offiziellen Einführung Aufbegehren gab, war die Einführung der Schrift verbunden. Damit wurde es überhaupt erst möglich, die reiche, bislang nur mündlich überlieferte Dichtung aufzuzeichnen. Die isländischen Bischöfe, die sich übrigens nicht der Vorschrift zur Ehelosigkeit verpflichtet fühlten, wurden auf dem Althing bestimmt. Gelegentlich wurde das Amt auch direkt an den Sohn weitergegeben. Einige der Bischöfe haben als Gelehrte oder als Politiker eine bedeutende Rolle gespielt. Zu ihnen gehört der letzte katholische Bischof Jon Arason, der von 1524–1550 in Hólar residierte. Wegen seines aktiven Widerstandes gegen die Reformation wurde er zusammen mit seinen beiden Söhnen enthauptet. Die Reformation wurde unter der Herrschaft des dänischen Königs Christian III. in den Jahren 1540–1550 eingeführt. Dahinter stand wohl weniger christliche Überzeugung als vielmehr politisches Kalkül. Der König nutzte die Gelegenheit, sich zum obersten Herrn einer Landeskirche zu machen und alle Güter der katholischen Kirche einzuziehen.
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3. Besiedlung eines kargen Landes Bei der kargen Natur des Landes benötigten die frühen Siedler beträchtliche Flächen, um sich eine ausreichende Nahrungsgrundlage zu sichern. Die Siedlungsweise in Einzelhöfen war damit vorgegeben. Anfangs wurden vor allem die küstennahen Bereiche besiedelt. Neben der Begünstigung durch Klima, Relief und Bodenverhältnisse spielte in einigen Regionen auch die Versorgung mit Bauholz eine Rolle. Selbst wenn man für die frühe Zeit Islands noch einen gewissen Waldbestand annimmt und Torf als Brennmaterial sowie für den Hausbau benutzt werden konnte, so war die Knappheit an Holz doch immer problematisch. Begehrt war das Treibholz, das auch heute noch in gewaltigen Mengen angespült wird. Es sind meist Stämme der Sibirischen Lärche, die bei Hochwasser von den großen Flüssen Nordasiens mitgerissen und ins Polarmeer gespült werden. Durch eine nach Westen gerichtete Strömung gelangen sie bis an die isländische Küste. Die Verfügbarkeit von Treibholz war auf jeden Fall ein Faktor, der die Gunst oder Ungunst eines Platzes für die Anlage einer Siedlung mitbestimmte. Doch mit dem Ausbau wurden auch küstenferne Tieflandbereiche und sogar Randbereiche des Hochlandes in den Siedlungsraum einbezogen. Manche heute völlig unbesiedelten Gebiete wie Jökuldalsheiði und Tunguheiði waren im Hochmittelalter besiedelt. Man schätzt, daß zu dieser Zeit etwa 40 % der Inselfläche in irgendeiner Weise, überwiegend als Weideland, landwirtschaftlich genutzt wurden. Katastrophen, Pest und andere Seuchen, Zerstörung des Bodens als Folge von Überweidung sowie die politische Abhängigkeit von Dänemark und die dadurch begründete desolate Situation der Wirtschaft sind einige der Ursachen, die zum Sinken der Siedlungsdichte beitrugen. Die schon erwähnte Volkszählung von 1703 ergab, daß auf vier bestehende Höfe drei aufgegebene Höfe kamen – nicht eingerechnet diejenigen Höfe, deren einstige Existenz schon damals nicht mehr bekannt war. Das seit 1939 von Archäologen ausgegrabene und restaurierte bzw. spä58
ter rekonstruierte Gehöft Stöng im Þjórsárdalur, vermutlich durch den Ausbruch der Hekla im Jahre 1104 verschüttet, ist das am besten erforschte Beispiel einer mittelalterlichen Wüstung. Während im 17. und 18. Jahrhundert die Siedlungsentwicklung weitgehend stagnierte, ist für das 19. Jahrhundert erneut ein vereinzeltes Vordringen ins Landesinnere festzustellen. Doch schon zu Beginn dieses Jahrhunderts berichteten Reisende über ganze Täler, deren Höfe aufgegeben wurden und allmählich verfielen. Heute ermöglichen einerseits bessere Verkehrs- und Kommunikationsmöglichkeiten auch in abgelegenen Gebieten den Bestand von Höfen, andererseits sind die Ansprüche doch so weit gestiegen, daß dem Leben in der Stadt oft der Vorzug gegeben wird. So ist, insgesamt gesehen, wieder eine Rückverlagerung der Siedlungsgrenze zu erkennen. Verfallende Gebäude, die noch vor einigen Jahrzehnten bewohnt gewesen sein mögen, sind auch heute kein seltenes Bild auf einer Islandreise. Besonders stark zurückgegangen ist die Zahl der Siedlungsplätze im abgelegenen Nordwesten Islands.
4. Wiedererlangung der Unabhängigkeit Mit Berufung auf das im Jahre 930 geschaffene Althing wird Island gelegentlich – aber nicht ganz zu Recht – als älteste Republik der Welt bezeichnet. Doch über Jahrhunderte lag die politische Macht in den Händen dänischer Herrscher, die das Land mehr und mehr absolutistisch regierten. Den Isländern wurden nicht einmal die wenigen Rechte zugestanden, über die die Bevölkerung im Mutterland verfügte. In den großen historischen Romanen von Gunnar Gunnarson („Jon Arason“) und Halldór Laxness („Islandglocke“) spielt die Auseinandersetzung mit den Unterdrückern eine entscheidende Rolle. Erst 1918 erlangte Island die Anerkennung als unabhängiger Staat, blieb aber zunächst noch in Personalunion mit dem dänischen Monarchen verbunden. 1944 lösten die Isländer auch diese Verbindung und erklärten ihr Staatswesen zur Republik. 59
Fragt man nach den Gründen, weshalb die Isländer die dänische Herrschaft so lange Zeit ohne wirksamen Widerstand hinnehmen mußten, so wird häufig auf das Fehlen seetüchtiger Schiffe verwiesen. Da auf Island Holz zum Bau von Schiffen nicht zur Verfügung stand, gab es auch niemanden, der Erfahrungen im Schiffsbau gehabt hätte, und für den Kauf fehlte das Kapital. So waren die Isländer, Nachfahren der kühnsten Seefahrer des Mittelalters, bis ins 20. Jahrhundert hinein im Seeverkehr auf andere Nationen angewiesen. Die sich daraus ergebende Abhängigkeit wirkte sich nicht nur in politischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht aus. Die Entwicklung, die schließlich – nach Jahrzehnten – zur Unabhängigkeit führen sollte, setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Vorangetrieben wurde sie vor allem von Jón Sigurðsson (1811–1879) aus Hrafnseyri in Nordisland. Nach philologischen Studien in Kopenhagen kehrte er nach Island zurück und widmete sich als Politiker und Journalist dem Kampf um die Unabhängigkeit. Eine wichtige Rolle spielte bei der Erstarkung des Nationalgefühls der Isländer die Besinnung auf die eigene Sprache und Literatur. Die Unabhängigkeitsbewegung erreichte, daß das im Jahre 1800 aufgehobene Althing 1843 als beratende Versammlung wiederhergestellt und 1875 mit gesetzgebender Befugnis ausgestattet wurde. 1881 wurde der Sitz des Althings nach Reykjavík verlegt. Eine 1874 in Kraft getretene Verfassung bedeutete allerdings noch längst nicht Unabhängigkeit, für die das Land zu diesem Zeitpunkt wohl auch noch nicht bereit war. 1874 wurde in Kopenhagen ein eigenes Island-Ministerium eingerichtet, dessen Sitz 1903 nach Reykjavík verlegt wurde. Die innere Selbstverwaltung wurde nach und nach gestärkt, doch behielt die dänische Regierung vorläufig noch ein Einspruchsrecht. 1910 wurde ein Gesetzesentwurf angenommen, der auch Frauen das Wahlrecht zugestand. Stets war für die Isländer die Frage der politischen Unabhängigkeit mit der kulturellen Eigenständigkeit verknüpft. Deshalb bedeutete die Gründung der Universität von Reykjavík im Jahre 1911 gleichfalls einen wichtigen Schritt zur Unabhängig60
keit; zuvor hatten isländische Studenten ihre Hochschulausbildung in Kopenhagen absolvieren müssen. Die Anerkennung als unabhängiger Staat erreichte Island im Jahre 1918, jedoch blieben die Außenpolitik und Fragen der Verteidigung weiterhin dänisches Ressort. Laut Vertrag sollte der dänische König noch 25 Jahre Landesherr bleiben. Als im Zweiten Weltkrieg deutsche Truppen in Dänemark eindrangen und das Land besetzten, betrachtete Island die Verbindung mit dem einstigen Mutterland als beendet. Dem eindeutigen Ergebnis einer Volksabstimmung folgend, wurde am 17. Juni 1944 auf der traditionsreichen Stätte von Þingvellir die Republik ausgerufen. Damit hatten die Isländer mit friedlichem, aber beharrlichem Kampf ihr Ziel erreicht. Bereits am 10. Mai 1940 war Island wegen seiner strategisch wichtigen Lage von britischen Truppen besetzt worden, die im Juli 1941 von amerikanischen Truppen abgelöst wurden. 1946 trat Island der UNO und 1949 der NATO bei, ohne allerdings selbst über eine Streitmacht zu verfügen. 1951 erfolgte die Unterzeichnung eines Schutzabkommens mit den USA. Die enge Verbindung mit den USA, der Ausbau der Stützpunkte (vor allem in Keflavík) waren in der Bevölkerung heftig umstritten. Auch heute noch gibt es politische Gruppierungen, die für einen Austritt aus der NATO plädieren.
5. Der heutige Staat An der Spitze des Staates steht nach der mehrfach ergänzten Verfassung des Jahres 1944 ein direkt vom Volk gewählter Präsident. 1980 wurde Vigdlís Finnbogadóttir als erste Frau in dieses Amt gewählt. Dreimal, zuletzt 1992, wurde sie mit großer Mehrheit in ihrem Amt bestätigt. Die 1930 in Reykjavík geborene Präsidentin hat u.a. in Frankreich Literaturwissenschaft studiert, war Dozentin und schließlich Leiterin des Stadttheaters Reykjavík, bevor sie das Amt des Staatsoberhauptes übernahm. Wenn natürlich auch andere Gründe für die Zustimmung der Isländer zu ihrer Präsidentin ausschlaggebend waren, so mag ihr Lebenslauf vielleicht doch bezeichnend sein für ein Land, in dem die Be61
schäftigung mit Sprache und Literatur schon immer besondere Achtung genoß. Das Parlament, das in Erinnerung an die lange Tradition auch heute noch den Namen Althing (isl. Alþingi) trägt, besteht seit dem 30. Mai 1991 nur noch aus einer Kammer mit 63 Abgeordneten, die für jeweils vier Jahre gewählt werden. Wahlberechtigt sind die Bürger ab 18 Jahren. Von den fünf Parteien, die derzeit im Parlament verteten sind, ging die Unabhängigkeitspartei (Sjálfstædisflokkurinn) als stärkste aus den Wahlen von 1991 hervor, ohne allerdings die absolute Mehrheit zu erreichen. Ihr gehört auch der gegenwärtige Regierungschef David Oddsson an. In den siebziger und achtziger Jahren führte die Zersplitterung der Parteien mehrfach zu Regierungskrisen. Entsprechend häufig waren Umbesetzungen in den Regierungsposten. Heute ist die Frage einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union häufig Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Gegen den Beitritt in die Europäische Union sind viele Isländer, weil dann die isländischen Fischgründe Fischern aus allen EU-Staaten offenstünden. Für Island, das wirtschaftlich ja immer noch ganz überwiegend von der Fischereiwirtschaft abhängt, würde das möglicherweise zu beträchtlichen Einbußen führen. Wie die meisten EFTA-Staaten gehört Island jedoch dem Europäischen Währungsraum (EWR) an und ist auf diese Weise auch mit der Europäischen Union verbunden.
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VI. Der Wohlstand der Isländer und seine natürlichen Grundlagen Island gehört ohne Zweifel zu den wohlhabendsten Ländern der Erde. Welche Daten man als Indikatoren auch heranzieht – ProKopf-Einkommen, Kraftfahrzeugdichte, Energieverbrauch, Zahl der Ärzte je Einwohner – immer wird deutlich, daß der Lebensstandard der Isländer auch innerhalb Europas über dem Durchschnitt liegt. Doch ist dieser Wohlstand, den sich das Land erst in den letzten Jahrzehnten geschaffen hat, weniger gefestigt und in seiner zukünftigen Entwicklung von mehr Unwägbarkeiten abhängig, als dies in vergleichbaren Ländern der Fall ist. Auf einige weitere Faktoren, die die isländische Wirtschaft prägen, sei noch einmal hingewiesen: Zu nennen ist vor allem die Natur des Landes, die eine Selbstversorgung ausschließt und den Ausbau der Infrastruktur behindert. Ein anderer Faktor ist die niedrige Bevölkerungszahl. Bei nur 250 000 Einwohnern ist die Inlandsnachfrage nach vielen Waren so gering, daß sich der Aufbau einer eigenen Produktion meist nicht lohnt. Auch die randständige Lage ist sicherlich in vieler Hinsicht nachteilig für die Wirtschaft – in erster Linie wegen der damit verbundenen hohen Transportkosten. Der Nutzung der wichtigsten Ressource, der Wasserkraft, sind enge Grenzen gesetzt, weil der direkte Export von elektrischem Strom aus technischen Gründen nicht möglich ist. Gute Chancen bestehen jedoch für den indirekten Export, d. h. für den Export solcher Produkte, für deren Herstellung große Mengen an Energie erforderlich sind. Die Produktion kann sich selbst dann lohnen, wenn der Rohstoff – wie im Fall der Aluminiumindustrie – über eine Strecke von mehr als 20 000 km aus Australien herangeschafft wird. Die Lage zwischen den Kontinenten bringt Island aber auch einige Vorteile. Mehrfach konnte die strategisch wichtige Position der Insel als „Trumpf“ ausgespielt werden, so daß in strittigen 63
Fragen der Fischereigrenzen eine Regelung im Sinne Islands erzielt wurde. Als Zwischenlandeplatz im interkontinentalen Flugverkehr hatte Island nie eine vergleichbare Bedeutung wie früher die Azoren mit Santa Maria oder Grönland mit Sondre Stramfjord. Doch auf der günstigen Erreichbarkeit von beiden Seiten des Atlantiks gründet sich die Hoffnung, Reykjavík als Austragungsort internationaler Konferenzen mehr Bedeutung verschaffen zu können. Bereitwillig und vielleicht auch ein bißchen stolz übernahm Island die Gastgeberrolle für das denkwürdige Gipfeltreffen zwischen dem sowjetischen Parteichef Gorbatschow und dem amerikanischen Präsidenten Reagan im Oktober 1986.
1. Die Ressourcen des Landes Die natürlichen Ressourcen des Landes liegen fast ausschließlich in seinem Reichtum an Energie. Die technisch durchführbare Nutzung der Wasserkraft würde eine Stromerzeugung von 64 000 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr erlauben. Etwa dreimal so groß wäre die Stromerzeugung, die bei Nutzung der geothermischen Energie möglich wäre. Unter rein technischem Aspekt wäre also eine Gesamtproduktion von 250 000 GWh pro Jahr denkbar. Davon könnten 50 000 GWh so kostengünstig gewonnen werden, daß die Verfügbarkeit billiger Energie für die Ansiedlung von Industrien zum entscheidenden Standortfaktor werden könnte. Hiervon ist erst ein Fünftel tatsächlich genutzt. Allerdings ist bei Prognosen auch zu beachten, daß die Belange des Natur- und Umweltschutzes dem weiteren Ausbau von Kraftwerken Grenzen setzen. Ganz anders sieht die Versorgung Islands mit Bodenschätzen aus. Die Vorkommen sind so gering, daß sie für die heutige Wirtschaft insgesamt kaum eine Rolle spielen. Vereinzelt hat ihr Abbau aber doch – zumindest regional – eine gewisse Bedeutung erlangt.
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2. Bodenschätze Aus schriftlichen Quellen wie auch aus einigen Funden ist belegt, daß auf Island in den ersten Jahrhunderten der Besiedlung Vorkommen von Raseneisenerz genutzt wurden. Hierbei handelt es sich um Abscheidungen von Eisenhydroxyd (Brauneisenstein) aus eisenhaltigem Grundwasser. Die chemischen Vorgänge, die sich bei der Mischung mit sauerstoffreichem Oberflächenwasser abspielen, lassen ein amorphes Eisenerz entstehen, dessen Verarbeitungsmöglichkeit den Siedlern schon aus ihrer norwegischen Heimat bekannt gewesen sein dürfte. Sicherlich erfolgten die Verhüttung zu schmiedbarem Eisen und die Herstellung von Arbeitsgeräten nur in kleinsten Mengen neben der Arbeit in der Landwirtschaft. Die hierfür erforderliche Holzkohleproduktion hat aber wohl doch zur Vernichtung des früheren Waldbestandes spürbar beigetragen. Fossile Brennstoffe liegen auf Island vor allem in Form von Torf vor. Wegen der Knappheit an Holz war Torf früher das wichtigste Brennmaterial, das in vielen kleinen Gruben für den örtlichen Bedarf gewonnen wurde. Seinen Höhepunkt erreichte der Torfabbau in den zwanziger Jahren, als jährlich weit über 30 000 t Torf gestochen wurden. Seit vier Jahrzehnten ist der Abbau praktisch völlig eingestellt. Minimal sind die Braunkohlevorkommen, wie sie aus dem Nordwesten und Norden Islands bekannt sind. Da die Mächtigkeit der Flöze gering ist (höchstens ein halber Meter, oft jedoch nur wenige Zentimeter) und der Heizwert der Kohle unter dem von Torf liegt, wurde der Abbau meist nur für den lokalen Bedarf betrieben. Die letzte Grube, aus der noch während des Zweiten Weltkriegs geringe Mengen an Kohle gefördert wurden, liegt bei Suöureyri im äußersten Nordwesten Islands. Interessant sind die isländischen Braunkohlevorkommen, deren älteste vor rund 14 Millionen Jahren entstanden sind, weil sie Auskunft geben über die frühere Pflanzenbedeckung der Insel. Im Isländischen heißen die Flöze Surtabrandur – eine Bezeichnung, die an den Riesen Surtur erinnert, der in der 65
nordischen Mythologie Herrscher über Vulkane und Lavaströme ist. Von den übrigen Bodenschätzen, die zeitweilig abgebaut und ausgeführt wurden, sind Schwefel und Doppelspat zu nennen. Die Schwefelvorkommen im Norden Islands, vor allem im weiteren Umkreis des Mývatn, wurden schon im Spätmittelalter genutzt. Sie gehen auf die Ablagerungen von schwefelhaltigen Dampfaustritten (Solfataren) zurück. Wegen der Abbaurechte des begehrten Rohstoffs, der über Húsavík verschifft wurde, kam es gelegentlich zu Streitigkeiten zwischen der Kirche, dem norwegischen bzw. dänischen König und den einheimischen Geschlechtern. Seitdem der Schwefel vor allem zur Herstellung von Schwarzpulver verwendet wurde, versuchte der dänische König, die isländische Produktion ganz in seine Hand zu bekommen. Mit der Erschließung anderer Schwefelvorkommen, deren Nutzung mit weniger hohen Transportkosten belastet war, verlor der Abbau in Nordisland im 17. Jahrhundert seine Bedeutung und wurde schließlich eingestellt. Ein erneuter Versuch der Schwefelgewinnung in den Jahren 1939/40 scheiterte aus technischen Gründen. Auch in Südwestisland wurde im 18. und 19. Jahrhundert zeitweilig Schwefel abgebaut, und zwar im Gebiet um Krísuvík. Nicht ganz so groß war die wirtschaftliche Bedeutung des Abbaus von Doppelspat, der in der optischen Industrie verwendet wurde. Die bedeutendste Spatgrube befand sich bei Helgustaðir, nahe bei Eskilfjörður gelegen; sie war vom 17. Jahrhundert bis vor wenigen Jahren produktiv. Zu den wenigen Bodenschätzen, die heute von wirtschaftlicher Bedeutung sind, gehören Vorkommen von Diatomeenerde im Mývatn. Es handelt sich dabei um Ablagerungen aus den Kieselsäuregerüsten von Kieselalgen (Diatomeen), die sich am Grunde des Mývatn angesammelt haben. Wegen seiner porösen Struktur wird das auch als Kieselgur bezeichnete Material u.a. als Absorptionsmittel für Filteranlagen sowie zur Herstellung von Dynamit verwendet. Aus dem Mývatn wird die Diatomeenerde über Rohrleitungen in die benachbarte Fabrik gepumpt und dort aufbereitet. Seit der Gründung der Anlage im Jahre 1966 hat sich 66
die Produktion nahezu kontinuierlich erhöht; im Durchschnitt der Jahre 1985–1990 lag sie bei rund 25 000 t. Die Ausfuhr erfolgt über den Hafen von Húsavík. Zu den ungewöhnlichen „Bodenschätzen“ gehört auch vulkanische Asche, die sogar exportiert wird. Zu festen Blöcken verbacken, kann das poröse Gestein als Baumaterial Verwendung finden.
3. Wasserkraft Rund 94 Prozent der isländischen Stromerzeugung basieren auf der Wasserkraft, der Rest fast völlig auf der Nutzung geothermischer Energie. Fossile Energie spielt seit der Stillegung der Kohle- bzw. Ölkraftwerke für die Stromerzeugung keine Rolle mehr. Herkömmliche thermische Kraftwerke auf Ölbasis stehen in Island nur noch als Reserve für den Fall zur Verfügung, daß die Wasserkraftwerke wegen Wassermangels oder aus technischen Gründen ihre Produktion drosseln müssen. Erstmals zur Stromerzeugung genutzt wurde die Wasserkraft in Island im Jahre 1904. Der weitere Ausbau ging allerdings zunächst nur sehr langsam vonstatten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch Kraftwerke mit größerer Leistung errichtet, vor allem im Bereich der Flußsysteme von Sog, Tungnaá und Þjórsá, die heute den größten Anteil an der Stromerzeugung haben. Ende 1969 wurde der erste Abschnitt des Búrfell Kraftwerks fertiggestellt, dessen Leistung inzwischen auf 210 Megawatt ausgebaut wurde. Ein großer Teil der Stromerzeugung war von vornherein zur Versorgung der um die gleiche Zeit fertiggestellten Aluminiumhütte in Straumsvík vorgesehen. In seiner Leistung vergleichbar ist das Hrauneyjarfoss-Kraftwerk mit 200 Megawatt. Ein drittes Kraftwerk, Sigölduvirkjun, das etwas später fertiggestellt wurde, hat eine Leistung von 150 Megawatt. Allerdings ist der Bau weiterer Kraftwerke in der Bevölkerung heftig umstritten. Die Versorgung des Landes ist längst gewährleistet; in den Gebieten Islands, in denen keine geothermische Energie zur Verfügung steht, vor allem im Nordwesten und 67
Osten, wird der Strom auch für Heizzwecke genutzt. Da überschüssiger Strom nicht exportiert werden kann, hätte der Bau weiterer Kraftwerke nur Sinn, wenn sich neue energieintensive Industriebetriebe in Island ansiedeln würden.
4. Geothermische Energie Islands Lage in einem der vulkanisch aktivsten Gebiete der Erde sichert dem Land eine weitere, bislang nur zu einem geringen Teil genutzte Energiequelle: die geothermische Energie. Wie aus alten Berichten hervorgeht, hat das Wasser von Thermalquellen schon im Mittelalter einigen Bauern den Luxus eines warmen Bades beschert. Manche Siedlung mag dem Vorhandensein warmer Quellen ihre Existenz verdanken. Das gilt wohl auch für Reykholt, einen der historisch bedeutsamen Orte Islands. Hier lebte zu Beginn des 13. Jahrhunderts der schon erwähnte Snorri Sturluson; ein teilweise erhaltener unterirdischer Gang soll der bequemen Verbindung zwischen seinem Wohnhaus und dem von der Quelle Skrifla mit warmem Wasser versorgten Badeplatz gedient haben. Auch heute noch sind es häufig heiße Quellen, die die Entwicklung einer Siedlung bestimmen, sei es durch die Möglichkeit, kostengünstig Gewächshäuser zu beheizen oder durch die Attraktivität mancher Thermalgebiete als Badeorte. Hier ist vor allem Laugarvatn zu nennen, das sich mit seinen Hotels, Sommerhäusern, Sportzentren und anderen Freizeiteinrichtungen zu einem vielbesuchten Touristenziel entwickelt hat. Übrigens wurden auch die in Island weit verbreiteten Internatsschulen häufig dort errichtet, wo Thermalquellen die kostengünstige Versorgung mit warmem Wasser sichern. Neben diesen Niedertemperaturgebieten, in denen Wasser mit Temperaturen bis zu etwa 90 °C entweder frei austritt oder durch Bohrungen erschlossen werden kann, gibt es Hochtemperaturgebiete, die unter Druck stehenden heißen Dampf liefern. Die Verbreitung der ergiebigen Thermalgebiete deckt sich im großen und ganzen mit der Zone des aktiven Vulkanismus. Sie wird im 68
einzelnen aber auch vom Vorhandensein ausreichender Grundwassermengen sowie von der Zirkulationsmöglichkeit des Wassers im Untergrund bestimmt. Die Nutzung der Niedertemperaturgebiete setzte im größeren Stil in den dreißiger Jahren ein, als das Wasser eines Thermalfeldes bei Reykjavík über Rohrleitungen in die Stadt geleitet und dort zur Beheizung von Wohnungen, Schulen und Schwimmbädern verwendet wurde. Weitere Leitungen folgten, so daß Reykjavík heute eine rauchfreie Stadt ist, deren Wärmeversorgung für Heizzwecke und Warmwasser völlig durch geothermische Energie gedeckt wird. Große Warmwassertanks und ein System von Rohrleitungen mit einer Gesamtlänge von über 100 km lassen das Ausmaß der Versorgung erkennen. Das Wasser stammt aus rund 100 Bohrlöchern, die das 15 km östlich von Reykjavík gelegene Geothermalfeld von Reykir ausbeuten. 1992 wurden auf einem Hügel in unmittelbarer Nähe der Innenstadt fünf neue Wassertanks in architektonisch bemerkenswerter Weise mit dem kuppeiförmig überdachten Kongreß- und Freizeitzentrum „Perla“ kombiniert. Auch eine Reihe anderer Siedlungen werden heute durch geothermisch aufgeheiztes Warmwasser versorgt. Deildartunguhver bei Reykholt, Islands und zugleich Europas ergiebigste Thermalquelle, die pro Sekunde 180 Liter heißes Wasser von 97 °C liefert, versorgt seit 1981 über 34 km bzw. 64 km lange Leitungen die Städte Bogarnes und Akranes mit Fernwärme. Bei der Suche nach anderen Anwendungsbereichen kam man in den zwanziger Jahren auf den Gedanken, Treibhäuser anzulegen und sie mit dem Wasser warmer Quellen bzw. später mit dem Dampf heißer Quellen zu beheizen. Zunächst blieb die Nutzung auf wenige Anlagen beschränkt. Heute jedoch erfolgt der größte Teil der isländischen Gemüse- und Blumenerzeugung in solchen Treibhäusern. In Hveragerði hat diese Art der Nutzung schon Tradition. Hier reiht sich heute ein Treibhaus an das andere, durch Rohrleitungen mit den Bohrstellen verbunden. Weitere Zentren dieser Art der Nutzung geothermischer Energie sind Laugardalur, Fluðir und Reykholt. Versuche, die geothermische Energie der Hochtemperaturfelder zur Stromerzeugung einzusetzen, erwiesen sich wegen der 69
Abb. 4: Die reichlich vorhandene Erdwärme wird auf Island vor allem für Heizzwecke, seltener zur Stromerzeugung eingesetzt, da die Wasserkraftwerke kostengünstiger arbeiten. Das geothermische Kraftwerk Krafla in Nordostisland hat sich als störungsanfällig erwiesen und bislang die Erwartungen nicht ganz erfüllen können.
hohen Bau- und Wartungskosten der Anlagen anfangs als unrentabel – auf jeden Fall teurer, als die Stromerzeugung aus Wasserkraft. Abgesehen von den aufwendigen Tiefbohrungen bereiten auch die aggressiv wirkenden Beimengen im Dampf sowie die nicht immer leicht abzuschätzende Ergiebigkeit der Wärmelager Schwierigkeiten bei der Nutzung. Inzwischen wurden drei geothermale Kraftwerke errichtet, und zwar an der Krafla in der Nähe des Mývatn, in Namafjell und auf der Halbinsel Reykjanes. Wegen technischer und konzeptionell bedingter Probleme war das Kraftwerk an der Krafla immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskussion. Möglicherweise ist es rentabler, die Energie von Hochtemperaturlagern nicht allein zur Stromerzeugung, sondern zugleich für die Bereitstellung von Heizwärme zu nutzen. Ein erstes derartiges geothermales Heizkraftwerk entstand bei Suðurnes auf der Halbinsel Reykjanes. Insgesamt ist allerdings 70
die Elektrizitätserzeugung aus geothermalen Anlagen, die 1990 zusammen rund 250 Millionen kWh Strom erzeugten, im Vergleich zu den Wasserkraftwerken mit 4 200 Millionen kWh gering. Weitere Einsatzmöglichkeiten der geothermischen Energie aus Hochtemperaturgebieten liegen in der Bereitstellung von Prozeßwärme für die industrielle Produktion. Bei Reykhólar im Nordosten des Breiðafjörðurs ist seit längerem eine Anlage zur Trockung von Seetang in Betrieb. Das hier gewonnene Algenmehl enthält Algin, das u.a. als Verdickungsmittel bzw. Stabilisator in der Lebensmittelindustrie eingesetzt wird.
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VII. Die Landwirtschaft Länger als die meisten anderen europäischen Länder war Island ein reines Agrarland, dessen Wirtschaft in starkem Maße auf Selbstversorgung ausgerichtet war. Auch heute noch spielt die Landwirtschaft eine wichtige Rolle, wird jedoch längst sowohl der Zahl der Erwerbstätigen als auch der Wirtschaftsleistung nach von anderen Wirtschaftszweigen übertroffen. Die Landesnatur, vor allem das Klima, engen die Möglichkeiten der Landnutzung stark ein, so daß nur rund 1400 km2, also kaum mehr als 1 % der Gesamtfläche Islands, Kulturland sind. Zur landwirtschaftlichen Nutzfläche im weiteren Sinne gehören aber auch Naturwiesen und -weiden, die zeitweilig und nur extensiv genutzt werden (insgesamt rund 22 000 km2). Im wesentlichen ist die Landwirtschaft heute auf küstennahe Räume beschränkt. Die Schwerpunkte liegen im Südwesten und Norden. Schätzungen gehen davon aus, daß jedoch durchaus noch Reserveflächen für eine Ausweitung der Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Ob sie jemals genutzt werden, hängt in entscheidendem Maße von der Bereitschaft des Staates zur Subventionierung der Landwirtschaft ab, denn viele Produkte sind auf dem Weltmarkt billiger zu haben, als sie in Island erzeugt werden können. Größenangaben zu den rund 5000 landwirtschaftlichen Betrieben sind wenig aussagekräftig, sofern nicht auch die Qualität des zugehörigen Landes berücksichtigt wird. Es gibt zahlreiche Betriebe mit Flächen von mehr als 500 ha, wovon jedoch in der Regel der größte Teil nur aus kärglichem Weideland besteht. Andererseits hat gerade die Zahl der kleineren Betriebe mit weniger als 10 ha in den letzten Jahren zugenommen. Bei vielen von ihnen steht die Erzeugung von Gemüse und Blumen in Gewächshäusern im Mittelpunkt. Einige Betriebe haben sich auf die Haltung 72
von Geflügel oder von Schweinen in modernen Großanlagen konzentriert. Da die Vegetationszeit dem Klima entsprechend sehr kurz ist (etwa vier Monate in der Zeit zwischen Mai und September) können nur wenige Feldfrüchte überhaupt zur Reife kommen. Kartoffeln und weiße Rüben sind nahezu die einzigen Anbauprodukte, die in Island außerhalb von Gewächshäusern gedeihen. Die Ernteerträge schwanken von Jahr zu Jahr recht stark; in guten Jahren können insgesamt rund 15 000 t Kartoffeln geerntet werden, so daß die Landwirtschaft immerhin 60–80 % des isländischen Bedarfs an Kartoffeln decken kann. Der Anbau von Gerste und Hafer, wie er bis in das 16. Jahrhundert betrieben wurde, hat heute keine Bedeutung mehr. Vereinzelt wird Sommergetreide angebaut, das jedoch nicht zur Reife kommt, sondern als Grünfutter Verwendung findet.
1. Wiesen und Weiden Wichtigstes Pflanzenprodukt der isländischen Landwirtschaft ist Gras. Auf den Weiden ist es die unmittelbare Futtergrundlage der Schafe, Rinder und Pferde. Von den Wiesen wird es geerntet, um als Heu oder Silage zur Winterfütterung verwendet zu werden. Wenn auch in manchen Gegenden das Vieh ganzjährig auf der Weide bleiben kann, so ist die Beschaffung von Winterfutter doch seit jeher eine der Hauptaufgaben des isländischen Bauern. Die Menge des verfügbaren Heus bestimmte früher den Wohlstand eines Bauern. Wie weit die Heugewinnung von Naturwiesen erfolgen kann, hängt von deren Qualität ab. Noch in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts wurden rund zwei Drittel der Heuernte von Naturwiesen gewonnen und etwa ein Drittel von kultiviertem Land. Das zur Heugewinnung urbar gemachte Land hat seitdem kontinuierlich zugenommen. Durch Einführung neuer Drainagetechniken konnten viele feuchte Flächen trockengelegt werden. Häufig muß das Gelände außerdem eingeebnet werden, bevor durch Aussaat von Grassamen eine mähbare 73
Abb. 5: Die heutigen isländischen Höfe sind vollständig auf Viehwirtschaft ausgerichtet; ihre Nutzfläche dient in erster Linie der Gewinnung von Heu als Nahrungsgrundlage für Rinder, Schafe und Pferde. Das Bild zeigt den Hof Laxness nördlich von Reykjavík, auf dem vor acht Jahrzehnten Halldór Kiljan Guðjónsson aufwuchs. Er nannte sich später nach dem Hof Laxness und wurde als wohl bedeutendster isländischer Dichter der Gegenwart und Nobelpreisträger weltberühmt.
Wiese angelegt werden kann. Aber auch nach der ersten Kultivierung erfordert das Grünland regelmäßige Pflege, insbesondere dort, wo sich auf Grund des Klimas und der besonderen Bodenstruktur Buckel auf der Wiese bilden. Sie müssen abgetragen werden, damit das Mähen nicht behindert wird. Seit 1950 sind im Durchschnitt pro Jahr rund 3000 ha Wiesen angelegt wurden. Heute ernten isländische Bauern das Heu fast ausnahmslos von kultivierten Wiesen. Die Ausweitung der Wiesen und die Intensivierung des Anbaus haben dazu geführt, daß sich die Heuproduktion in den letzten hundert Jahren mehr als verfünffacht hat. 74
Charakteristisch für die isländische Landwirtschaft ist die Gliederung der Fläche eines Hofes nach der Intensität der Nutzung – eine Einteilung, die auf älteste Zeiten zurückgeht und der früher auch gewisse rechtliche Bedeutung zukam. Das unmittelbar im Umkreis des Hofes liegende intensiv genutzte Land war ursprünglich durch einen Erd- oder Steinwall abgegrenzt, um dem Vieh den Zutritt verwehren zu können. Die Bezeichnung „Tun“ (mit dem deutschen Wort „Zaun“ verwandt) geht auf diese Abgrenzung zurück. Zum Tun gehören neben den kleinen Ackerparzellen vor allem die Wiesen zur Heugewinnung und die kultivierten Weiden. Normalerweise werden die Hauswiesen nicht beweidet; höchstens für eine kurze Übergangszeit läßt man Schafe dort weiden, um auf diese Weise der Wiese mit dem Dung der Tiere Nährstoffe zuzuführen. Nach außen schließen sich an das Tun die Naturwiesen an, die früher gleichfalls gemäht wurden, heute aber nur noch als Weide dienen. Im weiteren Umkreis liegen die kargen Schafweiden, die je nach Höhenlage ganzjährig oder nur im Sommer genutzt werden. Mit dem Übergang von der Selbstversorgungswirtschaft zur marktorientierten Landwirtschaft hat die Milchwirtschaft immer mehr an Bedeutung gewonnen. Ihre Zentren liegen im Südwesten und im Norden des Landes. Milch, Käse, Butter und andere Molkereiprodukte werden überwiegend im Lande selbst verbraucht und nur in geringen Mengen ausgeführt.
2. Schafhaltung Die Schafhaltung hat zwar gegenüber der Rinderhaltung an Bedeutung verloren, spielt aber immer noch eine große Rolle in der isländischen Landwirtschaft. In erster Linie werden die Schafe als Schlachtvieh gehalten, daneben auch zur Gewinnung von Wolle. Nach der Schur werden die Schafe Ende Mai oder Anfang Juni auf die Hochweiden gebracht, wo sie bis Ende September bleiben. Im Herbst treiben Suchtrupps dann die weit verstreuten Tiere zusammen, so daß sie entsprechend ihrer Kennzeichnung den verschiedenen Besitzern zugewiesen werden können. 75
Ein großer Teil der Tiere wird im Herbst in den Schlachthöfen geschlachtet. Die zur Weiterzucht vorgesehenen Tiere werden im Winter in Ställen oder – bei günstiger Witterung – auf tiefer gelegenen Weiden gehalten. Da die Nachfrage nach Schaffleisch zurückgegangen ist, wurde der aus ökologischen Gründen ohnehin als zu groß angesehene Schafbestand in den achtziger Jahren von etwa 840 000 (1980) auf 750 000 Tiere (1990) reduziert. Eine weitere Reduzierung wird angestrebt.
3. Islandpferde Pferde werden als Arbeitstiere in der Landwirtschaft nur noch wenig genutzt, dennoch hat ihre Haltung eine nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Bedeutung – vor allem für den Tourismus bzw. den Reitsport. Auf Island ist Reiten ein beliebtes Freizeitvergnügen, und für viele Besucher des Landes gehört der Ritt auf einem Islandpferd zu den besonderen Erlebnissen ihrer Ferienreise. Die Zahl der Pferde ist vor allem in den achtziger Jahren stark gestiegen und dürfte mit über 70 000 Tieren bald die Zahl der Rinder übertreffen. Pferde sind auch ein Exportprodukt, heute vor allem als Reitpferde, im vergangenen Jahrhundert jedoch vor allem als Arbeitstiere. Ein Teil der Ausfuhr ging nach Großbritannien, wo Islandpferde untertage in den Steinkohlebergwerken als genügsame Arbeitskraft eingesetzt wurden. Pferde wurden schon während der Landnahmezeit nach Island gebracht, und zwar aus Norwegen und Schottland. Aus ihnen entwickelte sich im Laufe der Zeit die bekannte Kleinpferdrasse, die auch als Islandpony bezeichnet wird. Bildhafte Darstellungen des Mittelalters lassen erkennen, daß Kleinpferdrassen früher allgemein in Europa verbreitet waren, später jedoch durch andere Züchtungen verdrängt wurden. In Island, wo die Einfuhr von Pferden verboten wurde, hat sich in den Islandpferden gewissermaßen ein Stück Mittelalter bis heute erhalten. Auch die für Islandpferde bis heute typische Gangart, der Tölt, war früher wohl allgemein verbreitet. 76
Islandpferde sind ausdauernd, genügsam und zeichnen sich durch gutes Orientierungsvermögen im Gelände aus. Als Arbeits- und Reittiere waren sie bis vor wenigen Jahrzehnten praktisch unentbehrlich, sie dienten jedoch auch der Fleischversorgung. Fohlenfleisch (isländ. Folald) wird auch heute noch in verschiedenen Zubereitungen – etwa als Filet, Gulasch oder Rauchfleisch – gerne gegessen. In jüngerer Zeit gab es mehrfach Versuche, die Zucht von Pelztieren wieder aufzunehmen oder neu einzuführen. Nerze, die bereits in den dreißiger Jahren eingeführt worden sind, aber auch Füchse werden in Zuchtfarmen gehalten. Auch Angorakaninchen werden neuerdings gehalten. Ihre Haare werden – teils unter Zusatz von Schafwolle – zu Angorawolle versponnen. Die daraus gefertigte hochwertige Unterwäsche wird wohl weniger von den abgehärteten Isländern als vielmehr von fröstelnden Touristen gekauft.
4. Glashauskulturen Eine Besonderheit, die mittlerweile auch eine beachtliche wirtschaftliche Bedeutung besitzt, sind die bereits erwähnten Glashauskulturen, die mit dem Wasser heißer Quellen beheizt werden. Erstmals für diesen Zweck genutzt wurde die Erdwärme 1924. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche neue Gewächshäuser angelegt. Angebaut werden Tomaten, Gurken, Weißkohl, Blumenkohl und Möhren, in geringeren Mengen auch Kürbisse und Paprika. Beträchtliche Bedeutung hat in letzter Zeit die Blumenproduktion erlangt, während die berühmten isländischen Bananen zwar tatsächlich in den Gewächshäusern gedeihen, aber doch eher als Kuriosität aufzufassen sind. Mittelpunkte der Glashauskulturen sind Hveragerði, Reykholt und andere Thermalgebiete im Südwesten des Landes. Insgesamt hat die Bedeutung der isländischen Landwirtschaft in diesem Jahrhundert beträchtlich abgenommen. Sie bietet heute 5 % der Erwerbstätigen Arbeit, erwirtschaftet aber nur 3 % des Bruttosozialprodukts. Isländische Agrarprodukte haben es 77
schwer, sich auf ausländischen Märkten durchzusetzen. Nur 2 % des isländischen Exportvolumens und nur 1 % des Exportwertes entfallen deshalb auf Agrarprodukte. Für die Inlandversorgung hat die Landwirtschaft aber doch immer noch beträchtliche Bedeutung. Im Sommer kann sie – abgesehen von Obst, das vollständig importiert wird – weitgehend die Nachfrage decken.
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VIII. Der Fischereisektor Gesamtwirtschaftlich von weitaus größerer Bedeutung als die Landwirtschaft ist die Fischerei. Rechnet man auch die direkt oder indirekt abhängigen Branchen hinzu, so ist die Fischerei eindeutig der wichtigste Bereich der isländischen Wirtschaft. Unmittelbar mit der Fischerei verbunden ist die Fischindustrie, d.h. Betriebe, die beispielsweise die Filetierung, Kühlung und Konservierung von Fisch sowie die Herstellung von Fischmehl u.a. übernehmen. Für Fischerei und fischverarbeitende Industrie liegen statistische Daten vor, die einen Eindruck geben von der Bedeutung des Fischereisektors. Wenn auch gegenüber den sechziger Jahren ein relativer Rückgang zu verzeichnen ist, so werden in diesem Bereich immer noch rund 15% des Bruttoinlandsproduktes und drei Viertel des Exportwertes erwirtschaftet. 1990 erbrachte Fisch als Nahrungsmittel 73%, zusammen mit Fischmehl und Fischöl sogar 81% des gesamten Exports. Etwa 12–13% der Erwerbstätigen in Island sind im Fischereisektor tätig. Die Bedeutung des Fischereisektors für die isländische Wirtschaft ist tatsächlich aber noch größer, denn natürlich sind auch Ausrüstungsbetriebe für die Fischereiflotte sowie für die fischverarbeitende Industrie, Transportunternehmen und Handelshäuser, die die Vermarktung des Fischs übernehmen, und viele andere Bereiche zu berücksichtigen. Auf die Fischerei gehen schließlich die entscheidenden Impulse zurück, die die moderne Entwicklung der isländischen Wirtschaft überhaupt erst in Gang gebracht haben.
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1. Der Fischfang und seine natürlichen Grundlagen Innerhalb Europas gehört Island der Fangmenge nach zu den drei größten Fischereinationen, und weltweit gesehen steht das kleine Land immerhin an 15. Stelle. Wenn man die geringe Bevölkerungszahl des Landes berücksichtigt, ist Island mit einer Fangmenge von rund 6500 kg pro Kopf und Jahr sogar führend in der Welt. Bemerkenswert ist jedoch, daß es lange gedauert hat, bis die Isländer diese Position errungen haben, denn die isländische Fischerei hat keine solche Tradition, wie sie in Norwegen, Frankreich oder England besteht. Fischfang als Haupterwerb spielt in Island erst seit rund 100 Jahren eine größere Rolle. Die entscheidende Entwicklung vollzog sich nach dem Zweiten Weltkrieg, wie die folgenden Angaben zu den Fangmengen eindrücklich belegen: Zu Beginn des Jahrhunderts wurden rund 100 000 t Fisch pro Jahr gefangen, in den dreißiger Jahren 350 000 t, und erst in den sechziger Jahren stieg die Fangmenge auf mehr als 1 Millionen t an. Anfang der neunziger Jahre wurden über 1,5 Millionen t pro Jahr angelandet. Der Reichtum an Fisch in den Gewässern um Island hängt letztlich zusammen mit dem Zusammentreffen zweier unterschiedlich temperierter Meeresströmungen: aus südwestlicher Richtung erreicht der warme Irmingerstrom, ein Ausläufer des Golfstroms, die Insel, während von Norden der kalte Ostgrönlandstrom kommt. Das sauerstoffreiche Wasser der Arktis bildet die Voraussetzung für den Reichtum an Plankton, das wiederum direkt oder indirekt die Lebensgrundlage der Fische bildet. Allerdings schwanken die Lebensbedingungen in Abhängigkeit von der Jahreszeit sehr deutlich, und darüber hinaus gibt es auch unvorhersehbare Veränderungen hinsichtlich der Größe der Populationen und der Verteilung der Bestände. Von den rund 270 Fischarten, die innerhalb der isländischen 200-Meilen-Zone vorgefunden wurden, haben 150 hier auch ihr Laichgebiet. Bei den Fischgründen ist zwischen den flachen Bereichen, die die Insel wie ein Schelf umgeben, sowie den pelagischen Berei80
chen zu unterscheiden. Die Unterschiede betreffen nicht nur die – zu bestimmten Zeiten – vorkommenden Fischarten, sondern auch die Fangmethoden. Im Schelfbereich der Süd- und Südwestküste liegen die Laichplätze von Kabeljau, Schellfisch und etlichen anderen Arten, die sonst tiefere Meeresregionen bevorzugen. Im tieferen Wasser vor der Westküste ist der Rotbarsch anzutreffen. Der pelagische Bereich ist auch Lebensraum der Lodde (Kapelan). Heringe, die sich früher in unmittelbarer Küstennähe aufhielten, sind gegen Ende der fünfziger Jahre in größere Wassertiefen abgewandert, so daß auch sie hier zu den pelagischen Fischen zu rechnen sind. Unmittelbare wirtschaftliche Bedeutung für die Fischerei haben nur etwa zwei Dutzend Arten, vor allem Kabeljau, Schellfisch, Hering, Lodde, Wittling, Scholle, Heilbutt und Seelachs. Weitere Arten kommen in den benachbarten arktischen Gewässern sowie in den südlichen Meeresgebieten hinzu. Die Rangfolge in bezug auf die wirtschaftliche Bedeutung hat im Laufe der Zeit, meist durch natürliche Vorgänge, seltener auch durch die Nachfrage bedingt, gewechselt. 1990 stand dem Wert nach Kabeljau mit über 40% des Gesamtwertes, aber nur gut 20 % der Fangmenge an erster Stelle, gefolgt von Heilbutt, auf den rund 10 % des Wertes entfiel. Der Fangmenge nach steht die Lodde mit einem Anteil von nahezu 50 % an erster Stelle, der allerdings nur zu 5 % zum Gesamtwert beitrug. Die Lodde ist ein sprottenähnlicher Lachsfisch, der jedoch nur etwa 20 cm lang wird. Er kommt in großen Schwärmen im Nordpolarmeer vor und bildet die Nahrungsgrundlage für einige andere Arten sowie für Wale. Die gewaltigen Mengen, die isländische Fischer alljährlich mit ihren Netzen aus dem Meer holen, werden nicht als Speisefisch genutzt, sondern industriell verarbeitet, vor allem zur Herstellung von Fischöl und Fischmehl. Rund 43 % der gesamten Fischanlandungen Islands werden zu Fischmehl verarbeitet.
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2. Fangflotte und Häfen Die isländische Fangflotte ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gewachsen. Der Zahl nach stehen die kleinen Motorkutter an erster Stelle, der Kapazität nach jedoch Trawler. In den siebziger Jahren wurden die früher eingesetzten Seitentrawler durch Hecktrawler ersetzt, bei denen das Einholen der Netze über das Heck des Schiffes erfolgt. Die Zahl der Fahrzeuge mit mehr als 100 BRT hat sich im Zeitraum 1970–1989 von 224 auf 348 erhöht. Da sich die isländische Fischerei auf das Seegebiet um Island konzentriert, sind größere Schiffseinheiten mit Verarbeitungsmöglichkeiten an Bord die Ausnahme. Die drei größten Schiffe erreichen jeweils rund 1000 BRT. Die Trawler sind in der Regel im Besitz von Gesellschaften oder Gemeinden. Die auf ihnen arbeitenden Fischer werden
Abb. 6: Zu den wichtigsten Fischereihäfen des Landes gehört Ísafjörður. Neben der Hochseefischerei gehört der Fang von Krabben zu den Haupterwerbsquellen.
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nach festen Löhnen und Fanganteilen bezahlt. Da auch sie verständlicherweise an dem hohen isländischen Lohnniveau teilhaben wollen, sind die Produktionskosten relativ hoch. Die Fischkutter sind zwischen 30 und 150 BRT groß und befinden sich fast ausschließlich in Familienbesitz. Zentrum der Kutterfischerei ist der Hafen Heimaey auf der größten Insel der Vestmannaeyar. Fischereihäfen sind an nahezu allen Küstenabschnitten, vor allem aber im Südwesten Islands zu finden. Zu den wichtigsten gehören außer dem erwähnten Heimaey vor allem Reykjavík, Keflavík, Hafnarfjörður, Akranes, Ísafjörður, Akureyri, Neskaupstaður und Seiðisfjörður. Nach Ansicht von Fachleuten ist die Fangflotte Islands erheblich zu groß. Sie könnte um rund 40 % verringert werden, ohne daß deswegen die Fangmengen reduziert werden müßten. Der Wert des isländischen Fangaufkommens hat sich seit Mitte der vierziger Jahre etwas mehr als vervierfacht, während sich der Wert der eingesetzten Fischereiflotte um das 17fache vergrößerte. Dies bedeutet, daß der reale Durchschnittswert des Fangs pro Kapitaleinheit während dieser Periode um drei Viertel gesunken ist. Die finanziellen Folgen der massiven Überinvestition sind bei hohen Erdölpreisen besonders akut, da auf die Flotte etwa die Hälfte des gesamten Verbrauchs an Treibstoff entfällt. Besonders schwerwiegend ist das Mißverhältnis zwischen Fangflotte und Erträgen deswegen, weil die Produktion nicht gesteigert werden darf, wenn der sich abzeichnenden Überfischung entgegengewirkt werden soll. Wie isländische Wirtschaftswissenschaftler errechnet haben, würde eine sinnvolle Anpassung der Flotte eine ständige Erhöhung des Bruttonationalprodukts um bis zu 4 % pro Jahr bewirken. Der Beruf des Fischers scheint in Island keine Nachwuchssorgen zu kennen – auf jeden Fall verzeichnet die amtliche Statistik seit langem eine nahezu kontinuierliche Zunahme bei den hauptberuflich Tätigen, obwohl sich die Fangmengen seit 1984 nicht erhöht haben. 1970 waren 4895 hauptberufliche Fischer registriert, 1990 hingegen 6551.
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3. Fischverarbeitende Industrie Die Speisefische werden heute überwiegend als Tiefkühlware gehandelt. In großen Fischfabriken, unmittelbar am Hafen gelegen, wird der Fisch filetiert, auf seinen einwandfreien Zustand hin untersucht und tiefgefroren. Heute sind die Fischfabriken weitgehend automatisiert, erfordern aber immer noch einen beachtlichen Personalaufwand. Vor allem Frauen sind hier beschäftigt, zeitweilig auch Saisonarbeiterinnen aus England. Einschließlich des schon auf See tiefgefrorenen Fischs macht der Tiefkühlanteil fast ein Drittel des gesamten Fangaufkommens aus. Mehr und mehr ist man bemüht, tiefgefrorenen Fisch nicht nur in Form von Blöcken, sondern gleich als küchenfertige Zubereitung zu exportieren. Frischfisch für den Export hat nur einen Anteil von etwa 12 %. Die isländischen Fischverarbeiter sind naturgemäß bestrebt, zur Auslastung ihrer Anlagen die Frischfischanlandungen im Ausland niedrig zu halten. Während der Frischfischexport nach Großbritannien zurückging, stieg der Export nach Deutschland in den letzten Jahren. Einen seit Jahren zunehmenden Trend zeigen auch die Exporte nach Japan, wo die Verkaufszentrale Isländischer Kühlhäuser seit 1989 ein eigenes Büro unterhält. Die traditionelle Methode der Konservierung von Fisch, nämlich durch Trocknen, spielt heute nur noch eine geringe Rolle, weil die Nachfrage zu gering ist. Für die Produktion von Stockfisch kommen fettreiche Fischarten ohnehin kaum in Frage, denn ihr Fett „würde während des drei bis vier Monate dauernden Trocknungsvorgangs ranzig werden. Schellfisch und Seewolf sind jedoch gut geeignet, auch Kabeljau wird verwendet. Aufgeschlitzt und ausgenommen wird der Fisch in den meist überdachten Holzgestellen zum Trocknen aufgehängt. Wenn er seinen Wassergehalt nahezu völlig verloren hat, ist er steif wie ein Brett und macht der isländischen Bezeichnung „Hardfiskur“ alle Ehre. In Island wird Stockfisch nur noch wenig verkauft; ausgeführt wird er in einige südeuropäische Länder und nach Westafrika. 84
Größere Bedeutung hat dagegen auch heute noch Salz- oder Klippfisch, dessen Konservierung durch Einsalzen erfolgt. Zusätzlich wird der Fisch auch noch getrocknet, allerdings nur kurz und heute nicht mehr auf den Klippen, sondern mit Warmluft in speziellen Trocknungseinrichtungen. Auf diese Weise konserviert wird vor allem der Kabeljau, der eigentliche „Saltfiskur“. Auch beim Seehasen wird diese Konservierungsmethode angewandt. Seit den achtziger Jahren hat auch die Verarbeitung von Krabben an Bedeutung gewonnen, die teils tiefgefroren, teils in Dosen abgepackt exportiert werden. Zu den größeren Verarbeitungszentren gehört Ísafjörður. Hauptabnehmer isländischer Fischprodukte sind die USA, Großbritannien und Deutschland. Auch nach Rußland und Japan wird Fisch exportiert. Natürlich essen auch die Isländer selbst gerne Fisch, allerdings wird in den Lebensmittelläden und Supermärkten vorwiegend Tiefkühlware angeboten.
4. Jagd auf Wale und Robben Weniger in Island als vielmehr im Ausland umstritten ist der Walfang. Die Gegner des Walfangs befürchten, daß eine Fortsetzung des Fangs zur endgültigen Ausrottung der größten Seesäugetiere führen werde. In Übereinstimmung mit einem Beschluß der Internationalen Walfangkommission (IWC) hat sich auch Island zu einem vorübergehenden Aussetzen der Fangaktivitäten bereiterklärt. 1986 wurde der kommerzielle Walfang eingestellt, doch behielt sich Island das Recht vor, zu „Forschungszwecken“ weiterhin Jagd auf Wale zu machen. Die erstaunlich hohe Zahl von Tieren, die zu diesen Zwecken erlegt wurden, und der Export von Walfleisch nach Japan, wo die Nachfrage groß ist, haben Island die Anschuldigung eingebracht, es umgehe das Walfangverbot. Auch über die Frage der Gefährdung vorhandener Walbestände gehen die Meinungen stark auseinander. Nach isländischen Berechnungen würde eine Freigabe beschränkter Fangquoten bei etlichen Walarten den Bestand in den Gewässern zwischen Island und Grönland nicht gefährden. 85
Abb. 7: Am Hvalfjörður, nördlich von Reykjavík, liegt die 1948 gegründete einzige Walfangstation Islands. Hier wird der von Walfangbooten herangeschleppte Wal mit großen Winden an Land gezogen und sogleich verarbeitet. Die Jagd auf Wale wurde durch Vorschriften der Internationalen Walfangkommission stark eingeschränkt.
An der professionellen Jagd auf Wale beteiligen sich die Isländer erst seit den dreißiger Jahren, als eine Fangstation am Tálknafjörður in Nordwestisland eingerichtet wurde. Zuvor schon hatten norwegische Walfänger auf Island eine Station unterhalten. Die heute noch bestehende Walfangstation in Hvalfjörður nördlich von Reykjavík besteht seit 1948. Pro Jahr wurden früher in der dreimonatigen sommerlichen Fangsaison meist zwischen 350 und 450 Wale verarbeitet, etwa 15 bis 20 % des gesamten Fangaufkommens aller Walfangnationen. Wenn auch die Station gegenwärtig außer Betrieb ist, so ist damit noch nicht sichergestellt, daß die Proteste zahlreicher Umweltschutzgruppen Erfolg haben und Island den Walfang endgültig einstellt. Größere Tradition als der Walfang hat die Jagd auf Robben. Um die Jahrhundertwende wurden jährlich 6000–7000 Tiere 86
getötet, meist Jungtiere zur Gewinnung von Fellen. Heute liegt die Zahl der getöteten Tiere bei 1500 bis 2000 pro Jahr. Zahlenmäßig am stärksten vertreten ist auf Island der Gemeine Seehund (Phoca vitulina), jedoch ging die Population in den letzten Jahren deutlich zurück auf etwa 30 000 Tiere. Sie werden derzeit nur noch in geringer Zahl gejagt. Beim Grauen Seehund (Halichoerus grypus), auch Kegelrobbe genannt, konnte hingegen eine leichte Zunahme des Bestandes auf derzeit rund 12 000 Exemplare festgestellt werden.
5. Geschichte der Fischerei Um das sicherlich oft karge Nahrungsangebot zu vergrößern, wurde Küsten- und Fjordfischerei schon zur Wikingerzeit betrieben. Abgesehen vom vergleichsweise günstigen Klima war diese Möglichkeit ein wesentlicher Grund dafür, daß die Küstenzone bevorzugter Siedlungsraum wurde. Jedoch trugen auch Flüsse und Binnenseen mit ihrem Fischreichtum zur Versorgung der Bevölkerung bei. Mit dem Erstarken der Hanse und dem Ausbau ihrer Niederlassung in Bergen (um 1343) wurde Fisch erstmals in größerem Maße zum Handelsprodukt. Die seitdem steigende Nachfrage in Mitteleuropa nach Stockfisch, Fischöl und anderen Fischprodukten wirkte sich auch in Island aus. Da die Isländer nur über kleine Boote verfügten, konnten sie sich an der Ausbeute der reichen Fischgründe um die Insel kaum beteiligen. Engländer und Angehörige anderer Nationen waren hier im Vorteil. Auf Island errichteten Hansekaufleute Stützpunkte, in denen der angelandete Fisch durch Trocknen haltbar gemacht wurde. Wenn der Handel auch in fremder Hand war, so brachte die Nachfrage nach Fisch aber auch den Isländern Gewinn. Die älteste Handelsniederlassung befand sich in Hafnarfjörður, heute eine Stadt im Großraum Reykjavík. Von hier aus betrieben Engländer schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts Fischfang und Handel, später waren es deutsche Kaufleute, die hier das Sagen hatten. 87
Der florierende Islandhandel fremder Kaufleute war den dänischen Landesherren ein Dorn im Auge. Im Jahre 1602 wurde schließlich eine Verfügung erlassen, die allen Ausländern die Gründung von Niederlassungen auf Island verbot. Isländer durften von da ab nur noch mit Dänen Handel treiben. Dieses Handelsmonopol ließ die ersten Ansätze isländischen Handels zusammenbrechen, da die Dänen selbst wenig Neigung zeigten, isländischen Fisch aufzukaufen. Den Isländern blieb praktisch nichts anderes übrig, als sich auf die eigene Versorgung zu beschränken. Letzten Endes führte das dänische Handelsmonopol zu einem erneuten Niedergang der isländischen Wirtschaft. Erst als Mitte des 18. Jahrhunderts Dänemarks Interesse an der Fischerei wieder stieg, wurden die Beschränkungen teilweise aufgehoben.
Abb. 8: Der durch Trocknen haltbar gemachte Stockfisch war früher das Hauptexportprodukt Islands. Nachdem andere Konservierungsmethoden eingeführt wurden, verlor er rasch an Bedeutung und spielt heute wirtschaftlich kaum noch eine Rolle.
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Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurde der Fischfang meist nur als Zuerwerb neben der Landwirtschaft betrieben. Nachdem 1854 das dänische Handelsmonopol vollständig aufgehoben worden war, nahm die Zahl der hauptberuflichen Fischer jedoch zu. Allerdings fehlte es an Kapital, so daß der Aufbau einer isländischen Fangflotte nur sehr langsam vonstatten ging. Die ersten Segeltrawler wurden nach 1900 durch Fischdampfer ersetzt. Damit hatten die Isländer nun auch hochseetüchtige Schiffe, von denen aus der einträgliche Fang von Kabelau und Hering ganzjährig betrieben werden konnte. Da geeignete Kühl- und Transportanlagen fehlten, blieb zunächst traditionell konservierter Fisch wichtigstes Ausfuhrprodukt; Salzfisch hatte bereits im 19. Jahrhundert den bis dahin führenden Stockfisch auf Platz zwei unter den Exportgütern verdrängt. Noch um 1930 bestand der isländische Export zu mehr als 50 Prozent aus Salzfisch. Frischfischexporte auf Eis erlangten erst nach dem Ersten Weltkrieg eine gewisse Bedeutung, als spezielle Kühlschiffe den Fisch nach Großbritannien brachten. Die Tiefkühltechnik, während des Zweiten Weltkriegs entwickelt, setzte sich in der isländischen Fischindustrie rasch durch. Die Herstellung von Fischkonserven hat hingegen auf Island stets nur relativ geringe Bedeutung gehabt. Stark gestiegen ist die Nachfrage nach Fischprodukten wie Fischöl und vor allem Fischmehl, das als Futtermittel für die Schweine- und Geflügelmast, sowie als Futter für die Fischzucht verwendet wird. Hergestellt wird Fischmehl aus solchen Arten, die als Speisefisch nicht verkäuflich sind (vor allem Lodde), sowie aus Fischresten, die bei der Filetierung anfallen. Nachdem aus der angelieferten Fischmasse Öl und Wasser herausgepreßt worden sind, wird der Rest getrocknet und gemahlen. Rund ein Zehntel der isländischen Exporte entfällt auf Fischmehl und Fischöl. Die großen Fabriken, auf die Verarbeitung der Lodde ausgerichtet, sind nur während der Fangzeit zwischen Januar und April voll ausgelastet. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs behinderten die dänische Fischereipolitik, ausländische Konkurrenz und schließlich 89
das Kriegsgeschehen eine rasche Entwicklung der isländischen Fischerei. Erst nach 1945 setzte, teils durch finanzielle Unterstützung im Rahmen des Marshallplans gefördert, der entscheidende Aufschwung ein. Dies führte mehrfach zu Konflikten mit ausländischen Fangflotten, die gleichfalls die reichen Fanggründe in den Gewässern um Island nutzten.
6. Fischerei und Politik Das hohe Ausmaß der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Landes von der Fischerei läßt es verständlich erscheinen, daß sich die Isländer schon früh Gedanken über die Sicherung dieser Einnahmequelle machten. Dabei ist das Bemühen zu sehen, sich einerseits einen möglichst großen Anteil am vorhandenen Reichtum des Meeres zu sichern, andererseits für einen Erhalt der Bestände zu sorgen. Die Gefahr der Überfischung wurde bald nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich, als perfekter gewordene Methoden der Ortung von Fischschwärmen – teilweise auf militärtechnische Entwicklungen zurückgehend – und neue Fangtechniken eingesetzt wurden. Um die Gefahr der Überfischung zu bannen, hat Island die Einführung von Fischereigrenzen für notwendig erachtet, innerhalb derer der Fang weitgehend durch isländische Behörden reglementiert wird. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist dieses Fanggebiet isländischen Fischern vorbehalten. Die 1901 vereinbarte Dreimeilenzone wurde 1952 durch Festlegung anderer Bemessungskriterien geringfügig erweitert. Als sich in den fünfziger Jahren beim Kabeljau ein drastischer Rückgang der Bestände in den Gewässern um Island abzeichnete, erweiterte Island seine Fischereizone auf 12 Seemeilen (1 sm = 1,852 km). Die Reaktion Großbritanniens war diesmal weit heftiger als bei der ersten Erweiterung. Unter dem Schutz von Kriegsschiffen versuchten britische Fischer weiterhin in den isländischen Gewässern zu fischen. Erst nach längerer Zeit wurde eine Kompromißlösung gefunden, die letzten Endes Islands Position stärkte. 90
Als Reaktion auf zurückgehende Erträge, insbesondere beim Hering, wurde 1972 die Fischereizone Islands auf 50 Seemeilen erweitert. Wiederum nahmen die Auseinandersetzungen zwischen ausländischen – vor allem britischen – Fischereifahrzeugen und isländischen Patrouillenbooten zum Teil gewalttätige Formen an. Fischerboote wurden gerammt, Netze wurden gekappt, und im Mai 1973 kam beim Beschuß eines britischen Trawlers sogar ein Mitglied der Mannschaft ums Leben. Zwar konnten sich die Isländer mit einigen Staaten, so mit Belgien, den Färöern und Norwegen, vertraglich über die Fischereirechte einigen, nicht jedoch mit Großbritannien. Als Island mit dem Austritt aus der NATO drohte, was wohl auch die Auflösung des amerikanischen Luftwaffenstützpunktes in Keflavík zur Folge gehabt hätte, griffen die USA vermittelnd in den Streit ein. Ein neuer Vertrag brachte den Isländern 1974 die Anerkennung ihrer erweiterten Fischereizone, während den Briten für eine Übergangszeit eine Sonderstellung gewährt wurde. Die schon vorher angekündigte Erweiterung der Fischereizone auf 200 Seemeilen erfolgte ein Jahr später. Wiederum kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, schließlich sogar 1976 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Großbritannien. Die erneute Drohung Islands, aus der NATO auszutreten, veranlaßte die Amerikaner, noch einmal vermittelnd einzugreifen. Da sich inzwischen die allgemeine Anerkennung von Wirtschaftszonen bis zu 200 Seemeilen vor der Küste abzeichnete (1982 auf der Seerechtskonferenz in Montego Bay, Jamaica, vereinbart), war Island nur ein Vorreiter in dieser Frage. Heute ist Islands alleiniges Nutzungsrecht innerhalb der 200-Meilen-Zone unbestritten. Innerhalb dieser Zone werden alle Fangaktivitäten streng überwacht. Fanggebiete, Fangzeiten und maximale Fangmengen sind ebenso vorgeschrieben wie die Fangtechnik, wobei insbesondere auf Einhaltung bestimmter Mindestmaße der Maschenweite geachtet wird. Bei Verstoß gegen die Vorschriften drohen Beschlagnahme des Fanges und hohe Geldstrafen. Das isländische Fischereiministerium setzt auf der Grundlage fischereibiologischer Untersuchungen über die Bestände und die 91
Struktur der Fischpopulationen jährlich Fangquoten für die wichtigsten Fischarten fest. Jedes einzelne zugelassene Fischereifahrzeug bis hin zum kleinen offenen Boot erhält unentgeltlich bestimmte Anteile an den erlaubten Gesamtmengen als Höchstmengen zugeteilt. Festgelegt wurden die Anteile nach den Fangmengen, die im Durchschnitt der Jahre 1981/83 erzielt wurden (bei kleinen Booten, die erst später in diese Regelung aufgenommen wurden, bilden die Jahre 1987/89 die Grundlage der Berechnung). Die Quoten müssen jedoch nicht selbst in Anspruch genommen werden, sondern können auch weitergegeben bzw. verkauft werden. 1990 wurden die Möglichkeiten zum Handel mit Fangquoten noch erleichtert. Auf diese Weise können effizient arbeitende Unternehmen die Fangquoten weniger rentabel arbeitender Fischer aufkaufen. Diese Praxis wird von manchen Fachleuten als ungerecht und wirtschaftlich nicht sinnvoll abgelehnt. Sie fordern, Fangberechtigungen nicht mehr unentgeltlich zu vergeben, sondern sie auf Auktionen zu versteigern oder sie zu besteuern. Der Reichtum des Meeres käme dann letztlich allen Isländern zugute und nicht nur den Fischern. Ausländische Fischer könnten sich am Fang beteiligen, sofern sie für die Lizenz entsprechend zu zahlen bereit wären.
7. Fischzucht – Sorge für den Nachwuchs Eine Zwischenstellung zwischen Massentierhaltung und Fischerei nimmt die Fischzucht ein, die in speziellen Becken oder abgegrenzten Bereichen von Fjorden erfolgt. Trotz der durchaus gängigen Bezeichnung „Aquafarming“ sind die Beziehungen zur Fischerei naturgemäß enger als zur Viehwirtschaft. Man spricht auch von Aquakultur oder Marikultur, ohne daß in jedem Fall eine konsequente inhaltliche Unterscheidung gemacht wird. Seit Ende der siebziger Jahre hat die Aquakultur in Island Verbreitung gefunden, allerdings längst nicht in dem Maße, wie dies mittlerweile in den Fjorden Schottlands, Norwegens und der Färöer der Fall ist. In Netzkäfigen, die an Schwimmbojen in den Fjorden verankert sind, werden Fische gehalten und über auto92
matisierte Fütterungsanlagen mit Nahrung versorgt. Meist wird das Futter in der erforderlichen Dosierung von Vorratsbehältern an Land über Plastikschläuche in das Zuchtgehege gepumpt. Haben die Fische die gewünschte Größe erreicht, werden die Netze zum Ufer geschleppt und geleert. Die Fische werden an Ort und Stelle, meist mit Hilfe transportabler Einrichtungen, geschlachtet und per Lkw in die Kühlhäuser transportiert. Eine andere Form des Aquafarmings wird bei Lachsen praktiziert. Die Tiere werden in Aufzuchtbecken herangezüchtet, bis sie als „Smolt“ ein gewisses Reifestadium erreicht haben. Oft werden die Aufzuchtbecken mit geothermischer Energie beheizt, um das Wachstum der Tiere zu beschleunigen. 1991 waren in Island insgesamt 53 Anlagen zur Aufzucht von Lachsen registriert. Von dort werden die Junglachse – einige hunderttausend pro Jahr – dann in die geeigneten Flüsse entlassen. Nach ihrer Wanderung, die sie bis in das Meer führt, kehren die Lachse nach ein bis vier Jahren in ihre Heimatgewässer zum Laichen zurück. Auf diese Weise wird der Fischbestand der isländischen Flüsse konstant gehalten – sehr zur Freude der zahlreichen Angler, denen alljährlich während der drei Sommermonate über 40 000 Lachse an die Angel gehen. Allerdings ist das Fischen zum Schutz der Bestände stark reglementiert. Durch die Vergabe von Angellizenzen, für die recht hohe Beträge zu zahlen sind, werden die Kosten für die Aufzucht gedeckt. Die besten Flüsse geben jeweils pro Jahr 2000–3000 Lachse her. Der größte Teil der Lachse wird jedoch im großen Stil per Netz aus dem Wasser geholt. Gewerbsmäßige Lachsfischerei wird an den Gletscherflüssen Hvitá und Ölfusá-Hvitá einschließlich Nebenflüssen betrieben. Von einigen Aufzuchtstationen wird der Lachs auch direkt ins Meer entlassen – in der Hoffnung, daß genügend Tiere nach Jahren den Weg zurückfinden. Wenn auch Lachse besonders hohe Gewinne versprechen, so ist die Aquakultur jedoch nicht auf sie beschränkt. Forellen, Aale und etliche andere Arten werden gleichfalls in beachtlichen Mengen gezüchtet. Verbreitet ist die Aquakultur vor allem in den Fjorden Westislands. In Grindavík wurde 1986 die bis dahin größte Fischaufzucht-Station eröffnet. 93
IX. Die Industrie 1. Island – ein Industrieland? Die Bedeutung der Industrie innerhalb der isländischen Wirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Wenn auch die Fischverarbeitung weiterhin dominiert, so ist die Verlagerung zu anderen Branchen doch bemerkenswert. Der Anteil des gesamten produzierenden Gewerbes (also unter Einschluß der Bereiche Energie- und Wasserversorgung, Bergbau und Baugewerbe) am Bruttoinlandsprodukt lag 1987 bei 33,3 Prozent. Das ist deutlich mehr als beispielsweise in Frankreich. Geht man jedoch von einer detaillierteren Aufgliederung aus, so ist festzustellen, daß sich die Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes im wesentlichen auf Energiewirtschaft, Fischverarbeitung und Bauwirtschaft konzentriert. Überdurchschnittliche Zuwachsraten der Produktion weist die Metallbranche auf, und zwar nicht nur die Alumimumherstellung, sondern auch – auf niedrigerem Niveau – die metallverarbeitende Industrie. Durch die große Erfahrung bei der Entwicklung von Einrichtungen zur Fischverarbeitung haben sich isländische Firmen einen guten Ruf erworben. So können sie für ihr Know-how und die hochwertigen Anlagen auch im Ausland Abnehmer finden. In mehreren Entwicklungsländern sind isländische Spezialisten beim Aufbau der Fischverarbeitungsindustrie tätig. Entsprechendes gilt für die Nutzung von geothermischer Energie. Zu den Wachstumsbranchen zählen auch die kunststoffverarbeitende Industrie, die beispielsweise Spezialbehälter für den Transport und die Lagerung von Fisch herstellt, sowie der Bereich Druck und Papier. Weniger günstig entwickelten sich Leder-, Textil- und Bekleidungsgewerbe. Hier ist nicht nur die Produktion, sondern auch die Zahl der Betriebe und der Be94
schäftigten rückläufig. Trotz der guten Qualität der aus Schafwolle gestrickten oder gewebten Waren und der Bemühungen der Verkaufsorganisation bereitet der Absatz der klassischen Produkte wie Pullover, Handschuhe, Decken usw. Schwierigkeiten. Größere Betriebe der Strickwarenindustrie sind u.a. in Reykjavík, Mosfellsbær und Akureyri ansässig. Die isländische Wollindustrie (Álafoss) erhielt 1988 die Zusage, auch in China produzieren zu dürfen. Am Gesamtexport des Landes haben Wolle und Wollprodukte aber doch nur einen geringen Anteil von weniger als 2 %.
2. Lebensmittelindustrie Eindeutig und in jeder Hinsicht führend ist das Ernährungsgewerbe mit seinen über 2700 Betrieben und fast 29 000 Beschäftigten. Der größte Teil davon entfällt auf die Fischverarbeitung. Zur Deckung der Nachfrage im Lande selbst hat sich aber auch eine beachtliche Lebensmittelindustrie entwickelt, die hauptsächlich die einheimischen Agrarprodukte verarbeitet. Eines der Zentren der Lebensmittelindustrie, insbesondere der Milchverarbeitung, ist die junge Industriestadt Selfoss, inmitten des ertragreichsten Landwirtschaftsgebietes im Südwesten Islands gelegen. Die isländische Molkereien erzeugen neben Frischmilch und Butter zahlreiche andere Milchprodukte. Als besondere isländische Spezialiät gilt Skyr, eine Art Frischkäse. Mit Obst oder Milch angerührt wird er als Nachspeise gerne gegessen. Die Molke, die sich bei der Herstellung von Skyr absetzt, wird Mysa genannt und wird zum Einsäuern von Fleischwaren und bei der Zubereitung mancher Fischgerichte, aber auch als erfrischendes Getränk verwendet. Zu den im Lande selbst hergestellten Lebensmitteln gehört auch Käse. Von der isländischen Vermarktungsorganisation für Agrarprodukte werden an die 80 Sorten genannt, in der Regel isländische Variationen von bekannten Käsesorten. Von Edamer (Brauðostur) bis zu Schimmelkäse (Gráðaostur) und Mozzarella reicht die Produktion. 95
Eine landestypische Besonderheit bildet der braune Mysuostur (Molkenkäse), der in verschiedenen Geschmacksvananten angeboten wird.
3. Entwicklung der Industrie Wenn auch die meisten Branchen erst seit jüngster Zeit im Lande vertreten sind, so entstanden die ersten Industriebetriebe Islands doch schon um die Jahrhundertwende. Der Aufbau der Fischereiflotte bzw. die Umstellung von Segeltrawlern auf Fischdampfer war der wichtigste Auslöser. Die Entwicklung vollzog sich allerdings zunächst nur zögernd und war auf die Ausrüstung der Fischerei und auf die Fischverarbeitung beschränkt. Daneben entstand in bescheidenem Umfang auch ein Textil- und Bekleidungsgewerbe, obwohl die geringe Größe des inländische Markts die Verbreitung von Verbrauchsgüterindustrien behinderte. Erst als während der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre Einfuhrbeschränkungen und hohe Zölle erlassen worden waren, wurde die einheimische Industrie gestärkt. Mehr noch gilt dies für die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Damals erhöhte sich der Anteil der Industriebeschäftigten (einschließlich Bauwirtschaft) in wenigen Jahren von 22 % auf ein Drittel (1950), woran die Fischverarbeitung in dieser Zeit nur einen relativen kleinen Anteil von etwa einem Fünftel hatte. Mit dem bemerkenswerten Wachstum der Fischereiwirtschaft in den fünfziger und sechziger Jahren festigte sich innerhalb der Industrie die Vorrangstellung der Fischverarbeitung. Mit fast 14 000 Beschäftigten in rund 2600 Betrieben ist diese Branche wohl auch in Zukunft der bedeutendste Arbeitgeber. Um die Abhängigkeit vom Fischereisektor zu verringern, zielt die isländische Wirtschaftspolitik seit längerem auf Diversifizierung im industriellen Bereich. Es lag nahe, die Vorteile zu nutzen, die durch die reichlich vorhandenen Energieressourcen des Landes gegeben sind. Schon in den fünfziger Jahren entstanden eine Fabrik zur Herstellung von Stickstoffdünger in Garðabær sowie eine Zementfabrik in Akranes. Diese Anlage sollte der inländi96
sehen Versorgung dienen und die Abhängigkeit von Einfuhren verringern. Wegen der geringen Größe des Binnenmarkts kommen als importsubstituierende Industrien allerdings nur wenige Branchen in Frage. Einige in den sechziger und siebziger Jahren errichtete Industrieanlagen waren von vornherein exportorientiert. Die bedeutendste unter ihnen ist die Aluminiumhütte (ISAL) des Schweizer Unternehmens Alusuisse, die 1969 in Straumsvík südlich von Reykjavík ihre Produktion aufnahm. Ausgangsprodukt ist aus Bauxit gewonnene Tonerde, die aus Australien importiert und direkt per Schiff zu der Hütte transportiert wird. Auf dem gleichen Wege wird das Aluminium exportiert – zu einem beträchtlichen Teil übrigens auch nach Deutschland. Wertmäßig ist Aluminium nach Fisch das zweitwichtigste Exportprodukt des Landes; sein Anteil am Gesamtexport, der zeitweilig 17 % ausmachte, lag 1990 bei 10 %. Die Kapazität der Anlage wurde mehrfach erhöht und liegt heute bei mehr als 100 000 t Aluminium pro Jahr. Eine Ferrosiliziumhütte, bei Grundartangi am Hvalfjörður errichtet, nahm zehn Jahre später die Produktion auf. Das gleichfalls unter hohem Einsatz von elektrischem Strom hergestellte Ferrosilizium dient der Stahlveredlung und wird vollständig exportiert. Die Hütte befindet sich zu 51 % in isländischem Besitz, die restlichen 49% sind in Händen eines norwegischen Konzerns. Die beiden Fabriken verbrauchen zusammen rund die Hälfte des in Island erzeugten Stroms.
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X. Handel und Verkehr 1. Problematische Struktur des Außenhandels Es klingt paradox, aber allem Wohlstand der Bevölkerung zum Trotz weist Island in seiner Außenhandelsstruktur Ähnlichkeiten mit einem Land der Dritten Welt auf: Rund ein Drittel des gesamten Bruttoinlandsprodukts wird für die Einfuhr von Waren und Dienstleistungen verwendet. Dies ist kein Problem, solange durch Ausfuhren entsprechende Beträge erwirtschaftet werden. Doch hierfür stehen abgesehen von Fisch nur sehr wenige Produkte zur Verfügung, während fast alle Investitionsgüter und ein großer Teil der Verbrauchsgüter eingeführt werden müssen. Auf die Exportgüter, insbesondere auf den Fisch, ist kein Verlaß, sei es, daß die Ressourcen zur Neige gehen, sei es, daß das Preisniveau nicht gehalten werden kann. Auf die Importgüter sind die Isländer jedoch auf Gedeih und Verderb angewiesen. Natürlich sind sich die Isländer längst über die prekäre Lage in klaren. Die Diversifizierung der Wirtschaft ist deshalb seit langem das erklärte, aber schwer zu verwirklichende Ziel der Politik. Die Erschließung nichtfossiler (regenerierbarer) Energiequellen hat immerhin dazu geführt, daß trotz erheblicher Steigerung des Energieverbrauchs der Bedarf an mineralischen Brennstoffen zurückgegangen ist. Da Island über keine eigenen Verarbeitungsanlagen verfügt, wird der Bedarf durch die Einfuhr von Raffinerieprodukten wie Dieselöl, Benzin und Kerosin gedeckt. An der Gesamteinfuhr haben Mineralölprodukte wertmäßig nur noch einen Anteil von 7,85 % (1989), gegenüber 19,3 % im Jahre 1979. Der außerordentlich hohe Motorisierungsgrad, vor allem aber der Verbrauch der Fischereiflotte lassen Islands Wirtschaft weiterhin empfindlich auf Schwankungen des Ölpreises reagieren. Hauptlieferant für Mineralölprodukte ist Rußland. 98
2. Verkehrsprobleme eines kaum besiedelten Landes Dem Verkehrssektor kommt auf Grund der isolierten Lage des Landes sowie der ungleichmäßigen Verteilung der Siedlungen besondere Bedeutung zu. Im Passagierverkehr mit dem Ausland steht der Luftverkehr über den internationalen Flughafen Keflavík an erster Stelle. Neben der „Icelandair“, 1938 gegründet, und der „Loftleiðir“ (1944), die sich 1973 zusammenschlossen, sind neuerdings auch einige weitere isländische Fluggesellschaften im internationalen Verkehr tätig. Im Inlandverkehr werden alle größeren Orte mehr oder minder regelmäßig angeflogen. Zentrum ist der Stadtflughafen von Reykjavík. Bedarfsflugplätze, meist nur aus einer Graspiste bestehend, finden sich selbst bei einigen Orten mit weniger als 200 Einwohnern. Das Flugzeug ist für die Isländer rasch zu einem selbstverständlichen Transportmittel geworden, mit dem in zunehmenden Maße auch Frachtverkehr abgewickelt wird. Der Schiffsverkehr spielt, abgesehen von einer auf den Sommer beschränkten Fährverbindung über die Färöer nach Dänemark, Norwegen und Schottland, für den internationalen Personenverkehr kaum noch eine Rolle. Zwar richtete eine isländische Gesellschaft im Jahre 1983 eine zweite Verbindung über Newcastle nach Hamburg ein, jedoch wurde diese Linie bereits nach einem Sommer aus wirtschaftlichen Gründen wieder aufgegeben. Fährverbindungen über Meeresbuchten und Fjorde verkürzen im Inlandverkehr, vor allem an der Westküste, die langen Fahrstrecken auf der Straße. Im Frachtverkehr ist Island natürlich im stärksten Maße auf den Seeverkehr angewiesen. Fast alle Waren kommen auf diesem Wege ins Land, vom Holzbalken bis zum Wellblech, vom Auto bis zu Schreibmaschine und Radiergummi. Auch im Binnenverkehr zwischen den Küstenorten spielte die Schiffahrt bis vor wenigen Jahrzehnten eine große Rolle. Da es auf Island keine Eisenbahn gibt, war die Küstenschiffahrt lange die einzige Alternative zum Lkw-Verkehr, der auf Grund der problematischen Straßenverhältnisse stark beschränkt ist. In letzter Zeit ist die 99
Bedeutung der Küstenschiffahrt jedoch stark zugunsten des Lkw-Verkehrs zurückgegangen. Der alte Hafen von Reykjavík ist heute in erster Linie Fischereihafen. Der Überseeverkehr, in beträchtlichem Maße per Container abgewickelt, ist auf den neuen Hafen Sundhöfn konzentriert. Jahrhundertelang war die isländische Wirtschaft nicht zuletzt infolge des Mangels an seegängigen Schiffen vom Ausland abhängig. Noch zu Beginn dieses Jahrhunderts lag der gesamte Seeverkehr in ausländischen Händen, vor allem von Dänen und Norwegern. Die 1914 gegründete erste isländische Reederei, HF Eimskipafélag, verfügte 1989 über 14 Schiffe und beförderte 950 000 t. Insgesamt sind rund 1000 Handelsschiffe mit insgesamt 188 000 BRT unter isländischer Flagge registriert. Dies reicht aus, um den größten Teil des Handels mit anderen Ländern abwickeln zu können. Die Lieferungen von Treibstoffen für Schiffahrt und Kfz-Verkehr erfolgt per Tanker der Lieferanten, und auch zur Versorgung der Aluminiumhütte mit Bauxit werden gecharterte Schiffe anderer Flagge eingesetzt. Da jahrhundertelang das Pferd einziges „Verkehrsmittel“ war, setzte der Bau von Überlandwegen, die auch von Wagen befahren werden konnten, erst gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts ein. Auch nachdem 1913 das erste Automobil nach Island geschafft worden war, ging der Ausbau des Straßennetzes zunächst nur sehr langsam vonstatten. Abgesehen vom Landesinneren, das bis heute von keiner Straße, sondern nur von schwer zu befahrenden Pisten gequert wird, war lange Zeit das Gebiet des Skeiðarársandurs im Süden Islands für den Verkehr ein besonderes Problem. Erst 1976 konnte hier durch den Bau einer großen Brücke sowie durch Dammbauten eine dauerhafte Straßenverbindung geschaffen werden. Damit war die bedeutendste Fernverkehrsstraße, die Nationalstraße 1, allgemein als Ringstraße bekannt, fertiggestellt. Allerdings ist auch die Ringstraße wie viele andere Straßen Islands bis heute weithin nur durch Schotterauflage befestigt.
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3. Tourismus Gemessen an der eigenen Bevölkerungszahl hat Island eine beachtliche Zahl von Besuchern aus dem Ausland aufzuweisen. 1990 waren es rund 142 000 mit weiterhin steigender Tendenz. Mehr als die Hälfte der Besucher kommt in den Monaten Juni, Juli und August. Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus ist schwer abzuschätzen. Gegenüber 1970, als 5 % der Deviseneinnahmen auf den Tourismus entfielen, ist bis Anfang der 90er Jahre eine Verdoppelung eingetreten. Die Anteile des Tourismus am Bruttosozialprodukt und am Arbeitsplatzangebot dürften jeweils bei etwa 5 % liegen.
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XI. Städte und ländliche Siedlungen 1. Die Landeshauptstadt Reykjavík Von der Gesamtbevölkerung des Landes leben rund 57 % im Großraum Reykjavík. Kein anderes Land in Europa und kaum ein anderes in der Welt weist eine ähnliche Konzentration der Bevölkerung auf die Hauptstadt auf. In der eigentlichen Stadt leben rund 97 600 Menschen; hinzugerechnet werden meist auch die unmittelbar angrenzenden Städte Kópavogur (16 200 Einwohner) und Hafnarfjörður (15 200 Einwohner) sowie die kleineren Gemeinden Seltjarnarnes, Garðabær und Bessastaðahreppur, so daß sich für die Hauptstadtregion eine Bevölkerungszahl von rund 145 300 ergibt (1990). Wenn auch das Gebiet um Reykjavík zu den ältesten Siedlungsplätzen des Landes gehört, so ist die Stadt selbst doch recht jung. Zwei oder drei Höfe gab es im ausgehenden Mittelalter auf der Halbinsel Seltjarnarnes, auf der sich später der Kern der Stadt entwickelte. Ein bescheidener Handelsplatz mit Namen Hólmurinn, auf einer kleinen Insel in der Bucht gelegen, wird erstmals im 16. Jahrhundert genannt. Erst die Fischerei, die seit dem Beginn des 18. Jahrhundert von hier aus betrieben wurde, schuf die Voraussetzung für ein bescheidenes Wachstum der Siedlung. Als Reykjavík im Jahre 1786 das Stadtrecht verliehen bekam, zählte die Siedlung kaum mehr als 300 Einwohner. Die relativ günstige Lage des gut anzulaufenden Hafenplatzes trug wohl dazu bei, daß noch im 18. Jahrhundert einige wichtige Funktionen hierher verlegt wurden: das Althing, das 1845 erstmals in Reykjavík tagte, der Bischofssitz und der Sitz des Landvogts. Damit war Reykjavík quasi zur Hauptstadt des Landes geworden. Vor allem nach der Aufhebung des dänischen Handelsmonopols hatte die Stadt als Handelsplatz rasch an Bedeutung gewonnen. Zwischen dem schlichtweg Tjörnin (d. h. See) genannten Ge102
Abb. 9: Abgesehen von dem kleinen Altstadtbezirk prägen schmucklose Bauten des 20. Jahrhunderts das Bild der Hauptstadt Reykjavík. Beton und Wellblech gehören zu den charakteristischen Baumaterialien. Überragendes Bauwerk ist die Hallgrimskirche, die erst Ende der achtziger Jahre vollendet wurde.
wässer und dem alten Hafen liegt der Kern der alten Siedlung. Da die Häuser überwiegend aus Holz und Torf gebaut waren, haben sich nur wenige Gebäude aus der Frühzeit der Stadt erhalten. 1842 wurde ein Verbot erlassen, beim Neubau von Häusern Torf zu verwenden. Die Einführung der Steinbauweise war gar nicht so einfach, denn es gab anfangs weder Architekten noch Handwerker, die überhaupt entsprechende Erfahrung hatten. Das erste moderne Steinhaus Islands entstand um die Mitte des 18. Jahrhunderts auf der Reykjavík vorgelagerten Insel Viðey. Von dem damals berühmtesten dänischen Baumeister Niels Eigtved als Residenz des Landvogtes erbaut, beherbergt es heute ein exquisites Restaurant. Nur wenige Jahre jünger als die Residenz ist die benachbarte Kirche. Ältestes noch bestehendes Gebäude im Stadtgebiet Reykjavíks ist das bescheiden wirkende Stójrnarrádshúsið 103
am Lækjartorg, das 1764 erbaut wurde und ursprünglich als Gefängnis vorgesehen war. Heute ist das auf einer kleinen Anhöhe liegende weiße Gebäude Amtssitz des Staatspräsidenten, Sitz des Regierungschefs sowie mehrerer Ministerien. Zu den bemerkenswerten frühen Steinbauten gehört auch die Domkirche. Der erste Bau, der 1796 fertiggestellt worden war, wurde in den Jahren 1847/48 durch den jetzigen Bau ersetzt. Das Albingishüsiö, ein mächtiges Gebäude aus fast schwarzem Vulkangestein, wurde 1881 am Austurvöllur errichtet und ist bis heute Sitz des Parlaments. Im näheren Umkreis liegen die übrigen größeren Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, darunter das lange Zeit führende Hotel des Landes (Hótel Borg) sowie das Gebäude der Tageszeitung „Morgunblaðið“. Abgesehen von kleinen handwerklichen Gewerbebetrieben (Wollverarbeitung) siedelte sich Industrie in Reykjavík erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts an. Das weitere Wachstum vollzog sich
Abb. 10: Mit Plastiken und Skulpturen erwarb sich der Bildhauer Ásmundur Sveinsson (1893–1982) weltweit Anerkennung. Viele seiner Werke befinden sich heute noch im Ásmundargarður in Reykjavík, wo der Künstler gearbeitet und sich sein Privatmuseum geschaffen hat.
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rasch, wobei – bedingt durch die Halbinsellage der Stadt – die Bebauung vor allem nach Osten und Süden voranschritt. Um diese Zeit fand Beton als neues Baumaterial zunehmend Verwendung. Das Zentrum der Stadt aber hat sich nur wenig verlagert. Durch den im Frühjahr 1992 fertiggestellten Bau eines neuen Verwaltungs- und Kulturzentrums am Tjörnin und halb in ihn hineinragend erhielt die junge „Altstadt“ neues Leben. Die beiden Plätze Austurvöllur und Lækatorg bilden immer noch den eigentlichen Mittelpunkt des städtischen Lebens. Von hier führt als Hauptgeschäftsstraße die Austurstræti in das Gebiet der Stadterweiterungen, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts entstanden sind. Abseits der Geschäftsstraße macht dieses Viertel allerdings fast noch einen kleinstädtischen Eindruck. Von wenigen Einrichtungen des Dienstleistungssektors abgesehen, ist es in erster Linie Wohngebiet. Bescheidene Mietshäuser und kleine Vorstadthäuser, markieren die frühe Phase des städtischen Wachstums in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts. Überragt wird das Viertel durch die Hallgrimskirche, das wohl nicht schönste, aber doch markanteste Bauwerk Reykjavíks. Sie wurde entworfen von dem ersten bedeutenden isländischen Architekten Guðjón Samúelsson (1887–1950), konnte aber – zum beträchtlichen Teil durch Spenden der Bevölkerung finanziert – erst 1986 fertiggestellt werden. Weiter außerhalb schließen sich dann über Schnellstraßen verbundene moderne Wohnviertel und Einkaufszentren an. In den achtziger Jahren entstand hier das neue Stadtzentrum Kringlan, das in Bezug auf den Großraum Reykjavík eine günstige Mittelpunktslage einnimmt. Das „alte“ Reykjavík ist durch das Wachstum des Hauptstadtgebietes in eine Art Abseitslage geraten. Das ist jedoch nur räumlich zu verstehen, denn nahezu alle Funktionen, die mit der Verwaltung der Stadt und mit der Regierung des Landes zu tun haben, sind weiterhin im historischen Reykjavík ansässig. Eine Ausnahme macht der Amtsitz des Staatsoberhauptes in Bessastaðir, wenige Kilometer außerhalb von Reykjavík gelegen. Hier befand sich bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Residenz der Statthalter der dänischen Könige. Nach mehrfachem 105
Funktions- und Besitzwechsel gelangte der Hof durch Schenkung in den Besitz des isländischen Staates. In seiner jetzigen Form besteht das Hauptgebäude des Hofes seit den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts. Ausgrabungen haben jedoch erwiesen, daß Bessastaðir zu den ältesten Siedlungsplätzen des Landes gehört. In ihrer schlichten Schönheit erscheint die Residenz in besonderem Maße angemessen für das Staatsoberhaupt eines Volkes, dessen Nationalbewußtsein weit entfernt ist von jeder Großmannssucht und Protzerei. Der besonderen Bedeutung des Luftverkehrs in Island entsprechend, liegt der Stadtflughafen nur wenige hundert Meter vom Stadtzentrum entfernt. Im Frühjahr 1992 „wurde auf einem Hügel am Rande der Stadt die „Perle“ (Perlan) eingeweiht. Der im überwiegend gediegen wirkenden Reykjavík schon geradezu futuristisch anmutende Bau kombiniert in architektonisch interessanter Weise fünf große Heißwasserspeicher zur Versorgung der Stadt mit einem beeindruckenden Kuppelbau, der als Konferenz-, Ausstellungs- und Freizeitkomplex dient.
2. Kleinstädte und ländliche Siedlungen Der Abstand zwischen Reykjavík und den Provinzstädten ist groß – nicht nur der Kilometerzahl nach. Laut Statistik leben zwar über 90 Prozent der Bevölkerung in städtischen Siedlungen, doch vom mitteleuropäischen Stadtbegriff sind die meisten isländischen Städte weit entfernt. Abgesehen von Akureyn, dem Zentrum im Norden des Landes, gibt es außerhalb der Hauptstadtregion keine Stadt mit mehr als 5000 Einwohnern. Nur sechs weitere Städte haben immerhin mehr als 2000 Einwohner. Doch die Statistik rechnet noch 22 Orte mit weniger als 500 Einwohnern zu den Städten. Oftmals üben selbst kleinste Siedlungen beträchtliche zentralörtliche Funktionen aus. Dabei ist die Frage, ob eine Siedlung tatsächlich das Stadtrecht besitzt und sich Kaupstaður nennen kann, ohne Bedeutung. Denn auch die zentralen Orte ohne Stadtrecht, Kauptún genannt (sofern sie mindestens 300 Ein106
wohner haben), unterscheiden sich in der Regel rein äußerlich nicht von ihnen. Kleinste Siedlungseinheit sind die Sveitir, rein ländliche Siedlungen im Einzelhofgebiet, die gelegentlich auch weilerartige Hofgruppen einschließen. Heute unterstehen alle Siedlungen ohne Unterschied der Verwaltung des zuständigen Kreises. Die frühere Unterscheidung zwischen „kreisfreien“ Städten, die keinem der 22 Landkreise (Sýslur) angehörten, und kreisangehörigen Städten wurde kürzlich aufgehoben. Wie es die ersten Siedler aus ihrer skandinavischen Heimat gewohnt waren, gründeten sie auch in Island keine Dörfer, sondern errichteten Einzelhöfe. Mehr noch als die Tradition waren hierbei Landesnatur und ursprüngliche Wirtschaftsweise bestimmend, denn nur an wenigen Stellen war fruchtbares Land in ausreichender Fläche vorhanden, um Grundlage für mehrere Höfe zu bieten. Gruppensiedlungen haben sich nur ganz vereinzelt gebildet, selbst die Bischofssitze Skálholt und Hólar waren lange Zeit im Grunde nichts anderes als Gehöfte. Die Ausdehnung des besiedelten Landes wechselte mehrfach, meist als Folge von Naturkatastrophen, die fruchtbares Weideland zerstörten. Die Zahl der Wüstungen, d. h. der aufgelassenen Siedlungsplätze, geht in die Tausende. Über die ältesten Formen der landwirtschaftlichen Anwesen weiß man nur aus wenigen Ausgrabungen und frühen schriftlichen Aufzeichnungen Bescheid. Rückschlüsse lassen sich auch aus den relativ gut erhaltenen Siedlungsresten der Wikinger an der Westküste Grönlands ziehen. Die mittelalterlichen Höfe waren offenbar recht großzügig und weiträumig gebaut. Den Kern bildete eine große Halle, von der aus der Zugang in drei oder vier Nebenräume erfolgte. Da Bauholz knapp war, wurden die Wände meist aus Bruchsteinen errichtet und durch Torf abgedichtet. Als typisch gilt die Lage am Hang eines Tales, und zwar dort, wo ein Bach dem Hauptfluß zuströmt. So konnte die feuchte Niederung des Talgrundes gemieden werden, ohne daß auf bequemen Zugang zu frischem Wasser verzichtet werden mußte. Außerdem ließ sich von erhöhter Lage aus der nähere Umkreis des Besitzes gut überblicken. 107
Gehöfte, wie sie im 19. und teilweise noch im 20. Jahrhundert bewohnt wurden, sind in den Freilichtmuseen (Glaumbaer u.a.) zu sehen. Auch hier waren Grassoden und Torf das prägende Baumaterial. Die Gebäude waren so angelegt, daß möglichst wenig Holz zum Bau erforderlich war, d.h. ebenerdig und ohne aufwendige Giebelkonstruktionen. Durch die Befestigung mit Grassoden erweckten die Häuser den Eindruck, als seien sie in die Erde hineingebaut. So durchdacht diese Bauweise, die übrigens auch bei Erdbeben oft ihre Standfestigkeit erweisen konnte, gewesen sein mag, so erscheinen die bescheidenen, dunklen und feuchten Räume aus heutiger Sicht doch als der Gesundheit wenig zuträglich. Erst die Niederlassung meist ausländischer Händler an günstigen Anlegeplätzen der Küste bildete Ansatzpunkte zur zögernden Entstehung von kleinen „Kaufmannsstädten“. Ähnlich wie in Skandinavien üben diese Kaupstaðir ebenso wie die Kauptún trotz ihrer geringen Einwohnerzahl tatsächlich städtische Funktionen aus, indem sie einem weiten agrarisch orientierten Umland als Versorgungsmittelpunkt dienen. Hier finden sich nicht nur Einkaufsmöglichkeiten, Tankstelle, Reparaturdienste und Arzt, sondern oft auch Krankenhaus und andere höherrangige Einrichtungen. Dabei kommt der Anbindung an das Verkehrsnetz besondere Bedeutung zu (Busstation, Flugplatz). Fast alle zentralen Orte befinden sich an der Küste und sind dann zugleich auch Hafenplatz und Verarbeitungszentrum für die Produkte der Fischerei.
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Anhang 1. Island als Reiseziel Islandliebhaber werden sich weder von Wind und Wetter noch von holprigen Pisten von einer Reise abhalten lassen. Eher werden die teure Anreise und das beachtliche Preisniveau vielleicht den einen oder anderen zum Verzicht nötigen. Das Preisniveau ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, daß fast alle Waren eingeführt werden müssen und daß die hohen öffentlichen Ausgaben durch Steuereinnahmen gedeckt werden müssen. Natürlich leiden auch die Isländer selbst unter dem ständigem Preisanstieg und der raschen Inflation. Beim Tourismus macht sich zudem bemerkbar, daß für das Hotelgewerbe und die Mietwagenfirmen die Saison nur drei Monate dauert und in der übrigen Zeit kaum eine ausreichende Auslastung zu erreichen ist. Die meisten Besucher des Landes kommen heute per Flugzeug. Die isländische Fluggesellschaft Icelandair unterhält direkte Flugverbindungen zu achtzehn Zielen in Europa sowie drei Zielen in den USA. Die Zahl der direkten Verbindungen wird durch weitere Fluggesellschaften noch erhöht. Wer mit dem Schiff anreisen will, für den gibt es kaum eine Auswahl. Im Sommer läuft das färöische Fährschiff „Nörröna“ der Smyril-Line den ostisländischen Hafen Seyðisfjörður regelmäßig einmal pro Woche an. Nach Tórshavn, der Hauptstadt der Färöer, unterhält die gleiche Linie Verbindungen von Jutland (Esbjerg), Schottland und Norwegen (Bergen). Für Besucher aus Deutschland wird die Fahrt über Jutland in der Regel am günstigsten sein. In Törshavn besteht kein direkter Anschluß, so daß ein Zwischenstopp eingelegt werden muß. Dabei muß bedacht werden, daß die Übernachtungsmöglichkeiten auf den Färöern im Sommer knapp sind. 109
Je nach Kabinenklasse und Fahrzeuggröße belaufen sich die Kosten für das Fährticket bei zwei Personen auf ca. 4000,– DM (Stand 1992/93). Trotz dieser nicht gerade niedrigen Kosten kann die Mitnahme des eigenen Wagens nach Island bei mehrwöchigem Aufenthalt günstiger sein, als zu fliegen und einen Wagen in Reykjavík zu mieten. In Island gibt es rund 120 Hotels mit insgesamt 6400 Betten. Ein gutes Drittel davon ist nur im Sommer geöffnet. Abgesehen von den Orten, die häufiger von Touristengruppen aufgesucht werden (z.B. Reykjavík, Mývatn, Skaftafell), bestehen meist keine Schwierigkeiten, ein Zimmer zu finden. Die Zimmerpreise sind nahezu doppelt so hoch wie in vergleichbaren Hotels in Deutschland. Das Frühstück ist meist nicht einmal inbegriffen. Günstiger sind in der Regel die Edda-Hotels, die
Abb. 11: Auf dem Landwege nur umständlich zu erreichen ist das Gebiet der Westfjorde, und dementsprechend gering ist hier die Zahl der Touristen. An Großartigkeit und Schönheit kann es die Landschaft aber durchaus mit den anderen Gebieten Islands aufnehmen.
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während der Sommerzeit die freien Plätze in Internatsschulen anbieten. Immer noch hoch sind auch die Preise in den kostengünstigeren Übernachtungsmöglichkeiten, z.B. in „Schlafsackquartieren“, die während der Sommerferien in einigen Schulen für Touristen zur Verfügung stehen (Schlafsack ist mitzubringen), in Jugendherbergen oder auf Zeltplätzen. Der größte Teil der Straßen ist gut ausgebaut, allerdings häufig nicht mit einer Asphaltdecke versehen, sondern nur durch eine Schotterauflage befestigt. Auch tagsüber muß mit Abblendlicht gefahren werden – eine sinnvolle Regelung, wie man spätestens auf den staubigen Nebenstraßen feststellt. Für Fahrten ins Landesinnere sind nur Wagen mit Allradantrieb zugelassen. Die Fahrzeuge dürfen nicht abseits der Pisten benutzt werden. Da auf diesen Routen durch das Landesinnere auch größere Flüsse durchquert werden müssen, sollten die Wagen möglichst große Bodenfreiheit haben. Die entsprechenden Pisten sind durch Hinweisschilder gekennzeichnet. Daß wetterfeste und warme Kleidung auf eine Reise nach Island mitzunehmen ist, versteht sich von selbst. Allerdings kann in Island häufig auch in kleinen Orten geeignete Bekleidung gekauft werden. Die gute Qualität der isländischen Wollwaren ist ja allgemein bekannt. Ausländer können unter besonderen Bedingungen die relativ hohe isländische Mehrwertsteuer erstattet bekommen, sofern sie die gekauften Waren exportieren. Das Mitbringen bestimmter Lebensmittel (vor allem Fleischwaren) sowie von Tieren nach Island ist verboten, um das Infektionsrisiko des bislang seuchenfreien Tierbestandes auszuschalten. Angelgeräte müssen u.U. desinfiziert werden. Hervorragend ist die ärztliche Versorgung in Island. Selbst kleine Orte verfügen oft über ein Krankenhaus. Da ein großer Teil der isländischen Wagen mit Funktelefon ausgerüstet ist, kann bei Unfällen meist relativ rasch Hilfe herbeigerufen werden. Die Verständigung ist in der Regel nicht schwierig, da viele Isländer Englisch und oft sogar Deutsch sprechen.
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2. Sprache und Literatur Mit rund 250 000 Sprechern bildet das Isländische eine der kleineren Sprachgemeinschaften Europas. Im Gegensatz zu anderen Sprachgemeinschaften ähnlicher Größe – wie etwa das Irische, das Friesische, das Sorbische, das Lappische – steht das Isländische jedoch nicht in Gefahr, von einer konkurrierenden Sprache erdrückt zu werden. Das hängt sicherlich damit zusammen, daß sich Sprachgemeinschaft und Staatsvolk in Island vollständig decken. Da das Isländische sowohl im Hinblick auf die Grammatik als auch im Hinblick auf die Aussprache schwer zu erlernen ist, können die Isländer kaum darauf hoffen, sich im Ausland in ihrer Muttersprache verständigen zu können. Selbst das nahe verwandte Färingische, das auf den Färöern gesprochen wird, ist für Isländer nicht ohne weiteres verständlich. So sind die Isländer genötigt, Fremdsprachen zu erlernen; Englisch, Dänisch und auch Deutsch werden dabei bevorzugt. Für den Touristen, die die Insel besuchen, wird es kaum einmal Verständigungsprobleme geben, wenn sie wenigstens eine der genannten Sprachen beherrschen. Abgesehen vom Schulunterricht und Auslandsaufenthalten erleichtern auch Fernsehen und Film den Isländern das Erlernen von Fremdsprachen. Ganz überwiegend werden Filme in Englisch, gelegentlich auch in Deutsch oder in einer skandinavischen Sprache gezeigt. Lediglich Nachrichtensendungen und einige im Lande selbst produzierte Sendungen werden in Isländisch ausgestrahlt. Die Isländer gehören seit Jahrhunderten zu den lesefreudigsten Bücherfreunden. Mit einer Jahresproduktion von fast 1600 Titeln, also über sechs Titel je 1000 Einwohner, übertreffen sie wohl die meisten, wenn nicht alle anderen Nationen. Viele Bücher, insbesondere Fachbücher, werden in isländischen Buchhandlungen allerdings in der Originalsprache angeboten, also häufig in Englisch, in geringerer Zahl auch in Dänisch oder Deutsch. 112
Die Notwendigkeit, sich mit fremden Sprachen zu beschäftigen, führt aber absolut nicht zu einer Vernachlässigung der eigenen Sprache. Diskussionen zu Fragen der Rechtschreibreform oder der Übernahme von Fremdwörtern aus anderen Sprachen bleiben nicht auf Fachkreise beschränkt. Die Isländer sind sich ihrer traditionsreichen Sprache, in der sich weitaus stärker als in anderen Sprachen ursprüngliche Strukturen des Altnordischen erhalten haben, sehr bewußt. Das Isländische geht zurück auf die Sprache, die die Einwanderer vor rund einem Jahrtausend mitbrachten. Die meisten von ihnen sprachen wohl altwestnorwegische Dialekte. Hinzu kamen aber auch Einwanderer aus Schottland, die keltisches Sprachgut mitbrachten. In einigen Orts- und Personennamen zeigen sich Reste des Keltischen. Obwohl die Siedler in Einzelsiedlungen lebten, haben sich die sprachlichen Unterschiede offenbar bald verwischt – vermutlich haben die allsommerlichen Treffen von Siedlern aus allen Landesteilen auf dem Althing erheblich hierzu beigetragen. Auch heute noch sind die regionalen Unterschiede der Sprache sehr gering. Die Sprache, die sich zwar im Laufe der Zeit durchaus wandelte (vor allem auch in der Aussprache), hat bis heute noch viele Züge aus der Landnahmezeit erhalten. Die entscheidenden Unterschiede zu den skandinavischen Sprachen bildeten sich schon in der klassischen Zeit des Isländischen zwischen 1150 und 1350 heraus. Aus dieser Zeit stammen auch die Werke der altisländischen Literatur. Lehnwörter aus dem Lateinischen kamen in größerer Zahl mit der Christianisierung ins Land: biskup, prestur, kirkja, klaustur (Bischof, Priester, Kirche, Kloster). Einige sind aber auch älter und wohl über das Altnordische und teilweise über das Altenglische ins Isländische gelangt, z.B. akkeri (Anker), sekkur (Sack) und strani (Straße). Das Mittelisländische (1350–1530) leitet über zu der heutigen Sprache, die in den letzten viereinhalb Jahrhunderten keine grundlegenden Änderungen erfahren hat. Die zahlreichen dänischen Ausdrücke, die während der dänischen Herrschaft auch in Island Eingang fanden, waren auf offizielle Dokumente beschränkt. Der größte Teil der Bevölkerung blieb 113
hiervon unbeeinflußt. Als sich im 19. Jahrhundert das Nationalbewußtsein stärker artikulierte, setzten sich Dichter und Freiheitskämpfer für eine „Sprachreinigung“ ein, die schließlich zur vollständigen Verdrängung oder Anpassung dänischer Wörter führte. Lehnwörter aus anderen Sprachen sind in ihrer Lautung und Schreibweise praktisch völlig ins Isländische integriert worden. Welchen geringen Wandel die Sprache mitgemacht hat, zeigt sich daran, daß Isländer viele der alten Orts- und Landschaftsnamen ohne Schwierigkeit deuten können. Folgende Liste enthält einige interessante Beispiele, die dem im Literaturverzeichnis angeführten Buch von Petursson entnommen sind: Reykjavík = Rauchbucht Akureyri = Ackerfläche Herðubreið = Schulterbreite Ísafjörður = Eisfjord Selfoss = Seehundwasserfall Gullfoss = Goldener Wasserfall Markarfljót = Waldfluß Vatnajökull = Wassergletscher Flatey = flache Insel Árbær = Bauernhof am Fluß Húsavík = Hausbucht Hvalfjörður = Walbucht Katla = kesselartiger Berg Schon frühzeitig, nämlich um 1100 gelangte die lateinische Schrift nach Island, wohl im Zusammenhang mit der Christianisierung. Die alte Schreibschrift ist allerdings nur schwer zu entziffern. Runeninschriften sind aus Island kaum bekannt. Zu den ersten aufgezeichneten Texten gehörten Gesetze und eine grammatische Abhandlung (1130–1140). Zu Zeiten der norwegischen Herrschaft über Island war es bei Wohlhabenden geradezu Mode, sich – teilweise auch aufwendig illustrierte – Abschriften von Handschriften fertigen zu lassen. Viele der alten Handschriften aus Islands klassischer Zeit wurden im 17. Jahrhundert durch Sammler und Gelehrte ins Ausland gebracht. Die größte Sammlung entstand in Kopenhagen unter 114
der Leitung des Isländers Árni Magnússon. Die Rückkehr eines großen Teils der alten Handschriften nach Island im Jahre 1971 war für die geschichtsbewußte Nation ein außerordentliches Ereignis. Sie werden heute in einem eigens eingerichteten Forschungsinstitut für Handschriften, kurz Árnastofnun genannt, aufbewahrt. Eine kleine Auswahl der Handschriften kann besichtigt werden.
3. Isländische Namen Eng mit der Sprache verbunden ist auch das Namenssystem. Ursprünglich kannte man in Island nur einen Namen, dem bei Bedarf zur Verdeutlichung hinzugefügt wurde, wessen Mannes Sohn (son) bzw. Tochter (dottir) die betreffende Person war. Dieser Zusatz entwickelte sich allmählich zum zweiten Namen, der aber auch heute noch nicht mit dem Nachnamen in anderen Sprachen vergleichbar ist. Namenslisten wie auch das isländische Telefonbuch – es gibt nur eines für das ganze Land – sind nach den Hauptnamen, also den Vornamen, geordnet. Bei der Heirat behalten beide Ehepartner selbstverständlich ihren Namen bei, denn die Abstammung wird ja durch die Eheschließung nicht verändert. Die Kinder aus dieser Ehe erhalten dann neben ihrem Taufnamen den Namen des Vaters mit der Endung -son bzw. -dottir. Ein Problem bestand früher bei der Namengebung für nichteheliche Kinder, insbesondere wenn der Vater nicht bekannt war. Erhielt das Kind in diesem Fall den Namen der Mutter mit dem entsprechenden Zusatz, war daraus sogleich die Unehelichkeit der Geburt ersichtlich. Diese als diskriminierend empfundene Praxis wurde dadurch gemildert, daß auch Phantasienamen zugelassen wurden. In Halldór Laxness’ Roman „Fischkonzert“ wird dies angedeutet, als der Erzähler berichtet, wie er zu seinem Namen kam: „Wie alle Vaterlosen auf Island bekam ich den Zunamen Hansson, das heißt: Sohn von ihm.“ Nur relativ klein ist die Zahl der Isländer mit fremden Namen – meist Zuwanderer aus dem Ausland oder deren Nachkommen. 115
Einige fremde Namen haben sich auch aus der Zeit erhalten, als es in der Oberschicht als „schick“ galt, seinem Namen eine dänische Form zu geben.
4. Zeittafel um 325 vor Chr.
Der griechische Seefahrer Pytheas unternimmt eine Schiffsexpedition in den unbekannten Norden Europas; das von ihm erwähnte Thule wird gelegentlich als Island gedeutet, wahrscheinlich aber gelangte er nur bis Mittelnorwegen. 6./7. Jh. Die Existenz Islands dürfte irischen Mönchen bereits bekannt sein. Ende 8. Jh./9. Jh. Mönche aus Irland leben zeitweilig an der Südküste Islands und auf einigen vorgelagerten Inseln. um 860 Auf ihren Nordatlantikfahrten werden Wikinger aus Norwegen, Dänemark und von den Färöern an die Südostküste Islands verschlagen. Der aus Schweden stammende Garðar Svávarsson umfährt die gesamte Insel und überwintert bei Husavík. 872 Der Norweger Ingólfur Arnarson erkundet Island und läßt sich zwei Jahre später auf Dauer in Island nieder; 877 errichtet er in der von ihm so genannten „Rauchbucht“ (Reykjavík) seinen Hof. 870–930 Tausende von Siedlern – überwiegend aus Norwegen, aber auch von den Britischen Inseln – lassen sich auf Island nieder. Am Ende dieser „Landnahmezeit“ leben über 30 000 Menschen auf der Insel. Die Macht liegt in Händen von „Häuptlingen“ (Goden), deren Herrschaftsbereiche sich zu 13 Kleinstaaten entwickeln. 930 Begründung eines gemeinsamen Things (Althing). Es ist die zentrale Institution der Gesetzgebung und Rechtsprechung in dem sich nun herausbildenden föderativen Freistaat. 982 Der Isländer Erik der Rote fährt nach Grönland. Ihm folgen bald weitere Siedler, die sich an der grönländischen Westküste niederlassen. Leif, ein Sohn Eriks des Roten, landet im Jahr 1000 an der Ostküste Nordamerikas. um 980–1000 Erste Missionierungsversuche, vor allem veranlaßt durch den Erzbischof von Bremen, bleiben weitgehend erfolglos. 1000 Allgemeine Annahme des Christentums auf dem Althing; mit dem Christentum wird die Schrift in Island eingeführt.
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1056 1106 12. und 13. Jh.
1262 14. Jh.
1380 1540–1550 1602
17./18.Jh. 1703 1785 1800 1830 1843 1854 1874 1918 1940
1944
1946
Gründung des Bistums Skälholt. Begründung des zweiten isländischen Bischofssitzes in Hólar. Blütezeit der frühen isländischen Literatur; Aufzeichnung auch älterer literarischer Werke, die bisher nur mündlich überliefert waren. Dem norwegischen König wird die Oberhoheit über Island zugestanden. Vulkanausbrüche, Klimaverschlechterung und Seuchen bringen Not und Elend über das Land. Starker Rückgang der Bevölkerungszahl ist die Folge. Durch die Verbindung Norwegens mit Dänemark gelangt Island unter dänische Herrschaft. Gewaltsame Einführung der Reformation auf Anordnung des dänischen Königs Christian III. Das dänische Handelsmonopol beschränkt den freien Handel; Isländer dürfen ihre Waren (d. h. vor allem Stockfisch) nur noch an wenige, besonders privilegierte Händler aus Dänemark verkaufen. Die Folge ist erneuter wirtschaftlicher Niedergang; Naturkatastrophen steigern die Not im Lande. Die dänische Fremdherrschaft nimmt den Isländern die letzten Reste politischer Eigenständigkeit. Erste Volkszählung; auf Island leben 50 358 Menschen. Reykjavík, das zu dieser Zeit etwa 250 Einwohner hat, erhält Stadtrecht. Aufhebung des längst bedeutungslos gewordenen Althings. Beginn der Unabhängigkeitsbewegung unter Führung von Jón Sigurðsson (1811–1879). Wiederherstellung des Althings als beratende Versammlung. Aufhebung des dänischen Handelsmonopols, das bereits 1787 gelockert worden war. Island erhält erstmals eine Verfassung. Island wird selbständiger Staat, bleibt jedoch in Personalunion mit Dänemark verbunden. Nach der Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen (9.4.) ist die Verbindung zum Mutterland unterbrochen. Wegen seiner strategisch wichtigen Lage wird Island einen Monat später von britischen Truppen besetzt; sie werden 1941 von amerikanischen Truppen abgelöst. Nach einer Volksabstimmung Annahme einer neuen Verfassung und Ausrufung der Republik (17.6.); damit ist die vollständige Lösung Islands von Dänemark vollzogen. Aufnahme in die UNO
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1949 Beitritt zur NATO 1958, 1972, 1975 Erweiterung der Fischereizone auf 12, 50 und schließlich 200 Seemeilen; daraus ergeben sich Auseinandersetzungen mit anderen Fischereinationen, insbesondere mit Großbritannien („Kabeljaukrieg“). 1970 Island wird Mitglied der EFTA. 1980 Vigdis Finnbogadóttir wird Staatspräsidentin (1984, 1988 und 1992 wiedergewählt); damit ist erstmals in einem europäischen Land eine Frau demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt. 1989 Die Bevölkerungszahl steigt auf über 250 000; fast zwei Drittel der Isländer leben im Gebiet von Reykjavík und Umgebung. 1993 Island wird Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR); einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union stehen die meisten Politiker des Landes jedoch weiterhin ablehnend gegenüber.
5. Ausgewählte Literatur Barüske, Heinz: Island. Stuttgart 1991. Dreyer-Eimbcke, Oswald: Island, Grönland und das nördliche Eismeer im Bild der Kartographie seit dem 10. Jahrhundert. Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg, Band 77. Wiesbaden 1987. Gläßer, Ewald und J. Schwackenberg: „Meeresbewirtschaftung und Aquakultur. Entwicklungen der Fischwirtschaft in Nordeuropa“. Geographische Rundschau 37, 1985,S.492–501. Gläßer, Ewald und Achim Schnütgen: Island. Wissenschaftliche Länderkunden, Band 28. Darmstadt 1986. Gylfason, Thorvaldur: Island am Rande Europas: „Das Problem der Gemeindeeigentums-Ressourcen.“ EFTA Bulletin 2/91, S.23–28. Iceland. National Report to UNCED. Ministry of the Environment. Reykjavík 1992. Iceland 874–1974. Handbook published by the Central Bank of Iceland. Edited by Johannes Nordal and Vladimar Kristinsson. Reykjavík 1975. Knebel, Walther v.: Island. Eine naturwissenschaftliche Studie. Fortgeführt u. hrsg. von Hans Reck. Stuttgart 1912. Krafft, Maurice: Führer zu den Vulkanen Europas. Band 1, Island. Stuttgart 1984. Kuhn, Hans: Das Alte Island. Sammlung Thule, Band 4. Erweiterte Neuaufl. Düsseldorf/Köln 1978. Njardvík, Njördur P: Birth of a Nation. Iceland Review History Series. Reykjavík 1978.
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Pétursson, Magnus: Isländisch. Eine Übersicht über die moderne isländische Sprache mit einem kurzen Abriß der Geschichte und Literatur Islands. Hamburg 1978. Schnütgen, Achim: Island. Vulkaninsel zwischen Europa und Amerika. Köln 3. Aufl. 1990. Schutzbach, Werner: Island – Feuerinsel am Polarkreis. 3. Aufl. Bonn 1985. Schwarzbach, Martin: Geologenfahrten in Island. Ludwigsburg 1971. Schwarzbach, Martin: Europäische Stätten geologischer Forschung. Stuttgart 1976. – Enthält ein Kapitel über Heimaey. Sömme, Axel (Hrsg.): Die Nordischen Länder. Braunschweig 1967. – Enthält einen Beitrag über Island von S. Thörarinsson. Varjo, Uuno und Wolf Tietze (Hrsg.): Norden – Man and Environment. Berlin/Stuttgart 1987. – Enthält Beiträge über Island von S. Thörarinsson, G. Olafsdöttir und G. O. Ingvarsson. In der „Sammlung Thule“ liegt die altnordische Saga- und Skaldenliteratur aus dem 12. bis 14. Jahrhundert in deutscher Übersetzung vor. Die von bekannten Germanisten betreute Reihe umfaßt 24 Bände, die im Eugen Diederichs Verlag erstmals 1911–1930 und als Nachdruck 1963–1967 erschienen sind. Für die frühe Geschichte Islands von besonderem Interesse ist Band 23: Islands Besiedlung und älteste Geschichte. Übertragen von Walter Baetke. Jena 1928. – Neuausgabe Düsseldorf/Köln 1967. Der Band enthält Aris Isländerbuch (Islendingabök); Das Besiedlungsbuch (Landnämabök); Das Buch von der Einführung des Christentums (Kristni saga) und Bischofsgeschichten (Biskupasögur).
6. Register Akranes 69, 83, 96 Akureyri 83, 95, 106 Almannagjá (Allmännerschlucht) 12 (Abb.), 50, 54 Althing (Alþingi) 12, 25, 50, 54 f., 57, 59 f., 62, 102, 113, 116 Antarktis 35 Arason, Jón 57 Arktis 80 f. Arnarson, Ingölfur 53, 116 Asche, vulkanische 20 f., 23 f., 33 f., 67 Askja 25 Außenhandel 63, 67, 76, 78 f., 84, 89, 97 f. Australien 63, 97
Basalt(decken) 12, 14, 22 Belgien 91 Besiedlung 17, 23, 37, 43, 51–54, 58 f., 65, 106 f., 116 Bessastaðahreppur 102 Bessastaðir 105 f. Bevölkerung 23, 63, 102, 112, 118 Blaue Lagune 32 Bodenabtragung 48 Bogarnes 69 Boorde, Andrew 18 Breiðamerkurjökull 35 Breiðarfjörð ur37, 71 Bremen 56 Brjanslækur43 Brücken 18, 40, 100
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Bimsen, Robert Wilhelm 30 Búrfell 67 Christentum 56 f., 114, 116 Christian III., dän. König 57, 117 Dänemark 28, 56, 58 f., 61, 66, 88, 99 f., 109, 116 f. Deildartunguhver 69 Dettifoss27, 41, 50 Deutschland 56 f., 84 f., 87, 97, 109 Diatomeen s. Kieselgur EFTA 62, 118 Eiderente 46 Eigtred, Niels 103 Eiszeiten 33 f., 43 Eidfell 24 Eldgjäspalte23 Energie, fossile 65, 67, 98 –, geothermische 42, 64, 67–71, 77, 93 f. –, Wasserkraft- 64, 67, 70 f. Erdbeben 14, 20, 31, 108 Erdkrustenplatten 10–14 Erdwärme s. Energie, Quellen Erik der Rote s. Thorvaldsson, Eiríkur Erze 65 f. Eskilfjörður 66 Eskimos 55 Europäische Union 62, 118 Fagurhölsmyri 36 Falken 47 Fanggründe 62, 64, 80 f., 90 f., 118 Faröer 13, 52, 55, 91 f., 99, 109, 112, 116 Finnbogadóttir, Vigdis 61, 118 Fischerei 39, 41, 62, 79–83, 87–92, 102; s. a. Industrie, FischFischereizone s. Fanggründe Fischzucht 92 f. Fjorde 17, 37 f., 87, 92 f., 99 Flatey 38
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Fluðir 69 Flugverkehr 18, 99, 106, 108 f. Frauen 60 f., 84, 118 Freizeit 49, 68, 76 Garðabær 96, 102 Garðar 55 Gewächshäuser 68 f., 72, 77 Geysire 29–32 Gissurarson, Isleifur 57 Glamojökull 35 Gletscher (Jökull) 15 f., 18, 23, 26 f., 33–38 Gletscherläufe (Jökulhlaup) 26 f., 37, 39 f. Goden 55, 116 Golfstrom 15, 17, 80 Gorbatschow, Michail 64 Granalön 37 Grimsey 16, 34 Grimsvötn 24, 28 Grindavík 93 Grönland 35, 51, 54 f., 64, 85, 107, 116 Großbritannien 52, 55 f., 80, 84 f., 87, 89 ff., 116 ff. Grundartangi 97 Guðjónsson, H. K. s. Laxness, H. K. Gullfoss 41 Gunnarson, Gunnar 59 Hafnarfjörður 83, 102 Hafrsfjord 52 Hanse 87 Harald I. „Schönhaar“, norweg. König 52 Haukadalur 29 (Abb.), 32, 49 Hausbau 16, 103, 107 f. Hawaii 10 ff. heiði s. Lavafelder Heimaey 38 f., 83 Hekla 14, 24, 59 Helgafell 38f. Henning, Richard 51 Herðubreið 17, 20, 27 Herjólfsstaðir 36
Hettner, Alfred 18 Hofsjökull35, 39 Hot Spot 11 f. Hólar 57, 107, 116 Hrafnseyri 60 hrafntinna (Rabenstein) s. Obsidian Hrafntinnuhryggur 22 Hranneyarfoss 67 hraun s. Lavafelder Hraunhafnartangi 16 Hungersnot 23, 56 Hünaflöi 37 Hüsafell 49 Húsavík 66 f., 83, 116 Hvalfjörour 86 f. (Abb.), 97 Hvannadalshnükur 17 Hverageröi 69, 77 Hvitá 93 Ignimbrite 21 Industrie 64, 68, 94–97, 104 –, Aluminium- 40, 63, 67, 94, 97, 100 –, Fisch- 79, 81, 84 f., 89, 94, 96 –, Lebensmittel- 71, 95 Infrastruktur 63, 108, 111 Iren 38, 51, 57, 116 Irmingerstrom 80 Ísafjörður 82f.(Abb.), 85 Islandpferde 76 f. Japan 84 f. Jökuldalsheiði 58 Jökulsá (á Fjöllum) 32, 40 (Abb.), 50 Jökulsárgljúfur 49 Kabeljaukrieg 90 f., 118 Kanada 55 Käse 95 f. Keflavík 61, 99 Kelten 38, 52 Kerling 17 Kieselgur 66 f. Kirkjubsjarklaustur 57 Klippfisch (Salzfisch) 85, 89 Klöster 38, 57
Knerrir (Wikingerboote) 52 Kopenhagen 60 f., 114 Kópavogur 102 Krafla 24, 70 (Abb.) Kraftwerke s. Energie Krisivík 66 Lachs 41, 93 Lakispalte 23 Landwirtschaft 17, 72 f., 75, 77 f. Langjökull 20, 35 Laugardalur 69 Laugarvatn 68 Lavafelder 18, 20, 25 f., 44 Lavaförderung 11, 14, 19 f., 22 f., 26 Laxness, Halldör Kiljan 59, 74 (Abb.), 115 Leihnúkurspalte 24 Literatur 53 f., 57, 60, 62, 112 f., 116 Lögurinn 41 Lufttemperaturen 15 f. Magma 11, 13, 19, 22 Magnússon Árni 115 Mittelatlantischer Rücken 13, 19 f. Moor 44 Mosfellsbær 95 Mýrdalsjökull 16, 27 Mývatn 14, 32, 42, 66, 70, 110 Namafjell 70 Namenssystem 115 f. Nansen, Fridtjof 51 Nationalparks 49 f. NATO 61, 91, 118 Naturschutz 47–50, 64, 85 f. Nerze 45, 77 Neskaupstaäur 83 Neufundland 55 Norwegen 52 f., 56, 66, 76, 80, 91 f., 99 f., 109, 116f. Nyey 28 Obsidian 22 Oddsson, David 62
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Ölfusá-Hvitá 93 Öræfajökull 17, 27, 35 Ostgrönlandstrom 80 Ódáðahraun 25 f. Parteien 62 Piraten 38 Pytheas von Massilia 51, 116 Quellen, warme 14, 32, 42, 68 f. Reagan, Ronald 64 Rentiere 45 Reykholt 68f., 77 Reykhólar 71 Reykjanes 14, 28, 31f., 70 Reykjavík 25, 49, 53, 60 f., 64, 69, 83, 87, 95, 99 f., 102–106 (Abb.), 116 f. Rift 10–13 Robben 86 f. Rockall 12 Rußland 85, 98 Samuélsson, Guðón 105 Schafe 44, 48 f., 73, 75 f., 95 Schiffe 60, 82, 89, 99 f., 109 f. Schneeschmelze 36, 40 Schottland 52, 76, 92, 99, 109, 113 Schutzhütten 38 Schwefel 66 Seiðisfjödur 83, 109 Selfoss 95 Seltjarnarnes 102 Sigölduvirkjun 67 Sigurässon, Jon 60, 117 Skaftafell50, 110 Skaftáreldahraun 26 Skaldbreiður 24 Skálholt 57, 107, 116 Skeiðarársandur 36, 100 Snæfellsjökull 14, 25, 35, 51 Snæfellsnes 13, 49 Sog (Fluß) 41, 67
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Søndre Stromfjord 64 Sprache, altnordische 113 –, dänische 112 f. –, deutsche 111 f. –, englische 111 f. –, färingische 112 –, isländische 60, 62, 112–115 –, keltische, 113 stapi (vulkan. Tafelberge) 27 Stefanshellir 20 Stockfisch 84, 87 ff. (Abb.), 117 Straßen 18, 36, 38, 99 f., 111 Straumsvík 67, 97 Strokkur 29 f. (Abb.), 31 Sturluson, Snorri 56, 68 Suðureyri 65 Suðurness 70 Sundhöfn 100 Surtsey 28, 39 Surtshellir 20 Sutur, myth. Riese 65 f. –, Vulkan 24 Svávarsson, Garäar 116 Sveinsson, Äsmundur 104 (Abb.) Tálknafjörður 86 Tephra s. Asche Thingvellir 12 Thorvaldsson, Eiríkur 54, 116 –, Leif 116 Thule 51 Torf 44, 58, 65, 103, 107 f. Tourismus 33, 41 f., 49, 68, 76, 101, 109–112 Treibeis 15 Trondheim 57 Trygvasson, Olaf, norweg. König 56 Tungnaá 67 Tunguheiði 58 þingvallavatn 41 þingvellir 50, 54, 61 þjórsá 39, 67 þorisvatn 42 þórsárdalur 59
Überfischung 83, 90 Universität 60 UNO 61, 117 USA 61, 85, 91, 109, 117 Vaðey 38, 103 Vatnajökull 16, 23, 27 f., 32, 34 ff., 40, 50 Verfassung 60 f., 117 Verne, Jules 25 Vestmannaeyjar (Westmänner-Inseln) 38, 83
Vögel 42, 45 f.; s. a. Eiderente, Falken Vogelfreie 25 Vulkanberge 10 f, 14, 19 f., 23–28, 34 f., 38, 42 Wahlrecht 60, 62 Wald 18, 43 f., 58, 65 Wale 81, 85 f. (Abb.) Weidewirtschaft 72 f., 75; s. a. Schafe Wikinger 38, 51–55, 107, 116 Zentralisländischer Graben 12 Zweiter Weltkrieg 61, 89, 117
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© Verlag C.H.Beck (1994)