Irrfahrt im Sternenstaub
Sie kommen aus einer anderen Dimension - und
holen sich ihre Opfer von H. G. Ewers
Atlan - ...
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Irrfahrt im Sternenstaub
Sie kommen aus einer anderen Dimension - und
holen sich ihre Opfer von H. G. Ewers
Atlan - Held von Arkon - Nr. 124
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Was bisher geschah Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man das Jahr 10.497 v.A. – eine Zeit, die dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, eine Zeit also, da die Erdbewohner in Barbarei und Primitivität verharren und nichts mehr von den Sternen oder dem großen Erbe des untergegangenen Lemuria wissen. Arkon hingegen – obzwar im Krieg gegen die Maahks befindlich – steht in voller Blüte. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III, ein brutaler und listiger Mann, der den Tod seines Bruders Gonozal VII verursacht hat, um selbst die Herrschaft übernehmen zu können. Auch wenn Orbanaschol seine Herrschaft gefestigt hat – einen Mann hat der Imperator von Arkon zu fürchten: Atlan, den rechtmäßigen Thronerben, der kurz nach dem Tode Gonozals zusammen mit Fartuloon, dessen Leib arzt, spurlos verschwand und bei der Allgemeinheit längst als verschollen oder tot gilt. Doch der junge Kristallprinz ist lebendiger und aktiver denn je! Nachdem man ihn über seine wahre Herkunft informiert und sein Extrahirn aktiviert hat, strebt er den Sturz des Usurpators an. Doch von diesem Ziel ist Atlan noch weit entfernt. Nach seiner geglück ten Flucht vom Planeten des Folterkönigs geriet er in die Gewalt der Pira ten der Sogmanton-Barriere. Und um seine geliebte Farnathia zu retten, muß er alles riskieren – auch eine IRRFAHRT IM STERNENSTAUB …
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz gibt sich zu erkennen.
Morgus - Ein Metabolischer.
Hanwigurt Sheeron - Anführer einer Gruppe von Weltraumpiraten.
Jepson Tropp - Pilot eines »Staubeis«.
Farnathia und Lord Correson - Überlebende eines Fluchtschiffs.
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1.
Ich war gefangen. Gefangen in einem Asteroiden am Rande der Sogman ton-Barriere, in der mein Schiff mit meiner Farnathia verschwunden war. Rund zehntausend Piraten lebten in dem unregelmäßig geformten Stein brocken, der zirka eine Million Schritt durchmaß. Sie wurden von einem fetten, kahlköpfigen Zwerg befehligt, der Hanwigurt Sheeron hieß. Hanwigurt Sheeron war Telepath. Ich hatte es sofort gespürt, als er mich verhörte und dabei versuchte, in meine Gedanken einzudringen. Natürlich hatte ich sofort einen antipsionischen Block aufgebaut, so daß Sheeron keinen einzigen meiner Gedanken lesen konnte. Das hatte ihn selbstverständlich mißtrauisch gemacht. Da ich unangenehme Verhörme thoden befürchtete, war ich geflohen. Meine Bemühungen, an ein Raum schiff der Piraten heranzukommen, waren allerdings vergebens gewesen. Man hatte mich betäubt und in ein Verlies gesperrt. Das Verlies bestand aus einer natürlichen Höhlung im Felsgestein des Asteroiden, die man mit Isoplast verkleidet und mit einem ebenen Fußbo den versehen hatte. An Mobiliar enthielt das Verlies eine Liege, einen Tisch, der offenbar aus der Messe eines Raumschiffs stammte, einen Scha lensessel und ein transportables Klosett. Außerdem war fließendes warmes und kaltes Wasser vorhanden, und über die Verpflegung konnte ich mich auch nicht beklagen. Allerdings hatte ich die letzte Mahlzeit kaum angerührt. Die Gedanken an Farnathia, die irgendwo hilflos in den Staubballungen und hyperenergetischen Stürmen der Sogmanton-Barriere treiben mochte, machten mich ganz krank. Ich trat an die Thermoplast-Tür und hämmerte mit den Fäusten dage gen, konnte aber nicht einmal erkennen, ob mich jemand hörte. Nach eini ger Zeit ließ ich davon ab und setzte mich auf den Rand der Liege. Meine Gedanken kreisten um die jüngste Vergangenheit. Ich dachte daran, wie ich nach unsäglichen Strapazen und Gefahren den Blinden Sof gart auf seiner Folterwelt überlistet und ihn gezwungen hatte, ein Raum schiff für Farnathia, mich und vier ehemalige Gefangene des Söldnerfüh rers zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Raumschiff, das ich FARNATHIA nannte, hatten wir Gan beraan verlassen. Wir waren guten Mutes gewesen, denn die FARNA THIA war zwar ein relativ kleines, aber sehr gutes Schiff. Nach vier Tran sitionen hatte ich die Hyperfunkanlage in Betrieb genommen und ver sucht, Kontakt mit einem anderen Raumschiff oder einer bewohnten Welt aufzunehmen, von der aus ich vielleicht Fartuloon anfunken konnte.
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Aber noch bevor sich ein Erfolg eingestellt hatte, war ein Hypersturm losgebrochen und hatte die FARNATHIA mit sich gerissen. Ich vermutete schon damals, daß wir in eine Randzone der Sogmanton-Barriere geraten waren. Schon zahllose Raumschiffe waren in dieser Gegend des Weltalls von Hyperstürmen erfaßt und in die Staubballungen und Energiestrudel der Sogmanton-Barriere entführt worden. Ganze Flottenverbände sollten dort spurlos verschwunden sein. Da die Steuerdüsen der FARNATHIA versagten, war ich ausgestiegen, um sie zu reparieren und mit ihrer Hilfe vielleicht doch noch der Barriere zu entgehen. Doch die Ausläufer eines Sturmes rissen mich fort. Hilflos mußte ich mitansehen, wie die FARNATHIA in den Staubballungen verschwand. Wenig später wurde ich ebenfalls in die Sogmanton-Barriere hineingezo gen. Dort hatte mich dann ein Pirat namens Jepson Tropp mit seinem Raum schiff geborgen und zu dem riesigen Asteroiden gebracht, den die Freibeu ter Richmonds Schloß nannten. Ich war ein Gefangener geworden. Alle meine Bitten, nach der FARNATHIA zu suchen, waren bisher auf taube Ohren gestoßen. Ich wurde aus meinen Grübeleien gerissen, als die elektronische Verrie gelung des Türschlosses plötzlich mehrmals klickte. Im nächsten Augen blick glitt die Tür zur Seite. Ich sprang auf – und erstarrte. Was ich in der Türöffnung stehen sah, ließ mich einige Herzschläge lang daran zweifeln, daß ich wach war. Zu sehr schien es Bestandteil eines Alptraums zu sein. Denn dort stand nicht etwa ein Monstrum aus einer fremdartigen Welt. Nein, dort stand ich selber! Es war, als schaute ich in einen Feldspiegel, dessen Korrekturschaltung die Seitenverkehrtheit eliminierte und mich plastisch abbildete. Im nächsten Moment wußte ich, daß es doch kein Feldspiegel sein konnte, der vielleicht in die Türöffnung projiziert worden war, denn mei nem Gegenüber wuchsen plötzlich die Ohren zu langen, spitz auslaufen den Gebilden, das schulterlange weißblonde Haar schrumpfte zu einem häßlichen grauweißen Hautkamm, und das Gesicht zerfloß zu einer fla chen teigigen Masse. Ein Metabolischer! Ein Lebewesen, das seine Gestalt beliebig verändern kann! Das Wesen veränderte sich schneller. Ich sah, daß das, was die Klei dung zu sein schien, ebenfalls Bestandteil des metabolischen Körpers ge wesen war. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich das Wesen von einer Nachbil dung meiner Person in einen kleinen Drachen verwandelt. Die Erstarrung fiel von mir ab. Ich ging mit schnellen Schritten auf das Tier zu, um an ihm vorbei in den Gang zu kommen. Aber da tauchte hinter dem Tier die rundliche Gestalt von Hanwigurt
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Sheeron, dem Oberpiraten, auf. Sie hätte mich kaum beeindruckt, wenn Sheeron nicht in der rechten Hand eine Schockwaffe gehalten hätte, des sen Abstrahlmündung genau auf mich gerichtet war. Hanwigurt Sheeron grinste über sein ganzes fettes Gesicht und rief: »Hat Morgus dich erschreckt, Raumfahrer? Nur keine Dummheiten! Ei ne Schockparalyse ist alles andere als angenehm.« Er bewegte die Waffe. »Zurück! Setz dich auf die Liege!« Ich gehorchte. Angesichts der drohend auf mich gerichteten Waffe blieb mir auch gar nichts anderes übrig. Sheeron tätschelte den Nacken des Wesens, das er Morgus genannt hat te. Es bewegte sich watschelnd in mein Verlies, steckte den Kopf in das Waschbecken und leckte die Feuchtigkeit auf. Dieses Verhalten bewies mir endgültig, daß es sich bei Morgus um ein Tier handelte. Der Oberpirat folgte ihm, nahm im Schalensessel mir gegenüber Platz, hielt aber den Schockblaster ständig schußbereit auf mich gerichtet. Ich wies mit dem Kopf zu Morgus und sagte: »Ein interessantes Tier haben Sie da, Sheeron.« Der Freibeuter schnaufte und wischte sich mit der linken Hand den per lenden Schweiß von der Glatze. Die rechte Hand hielt den Strahler jedoch unverwandt auf meinen Bauch gerichtet. »Morgus bereitet mir viel Vergnügen«, erwiderte er. »Sie hätten Ihr dummes Gesicht sehen müssen, als sie plötzlich sich selbst gegenüberstan den.« Es hing anscheinend ganz von seiner jeweiligen Stimmung ab, ob Shee ron mich duzte oder siezte. »Aber versuchen Sie nicht, mich abzulenken!« fuhr er mit erhobener Stimme fort. »Leider besitzen Sie die ungewöhnlich Gabe, Ihre Gedanken vor Telepathen zu blockieren. Doch vergessen Sie nicht, daß es andere Methoden gibt, einen Mann zum Sprechen zu bringen.« Meine Haltung versteifte sich unwillkürlich. Verächtlich entgegnete ich: »Mich wird niemand zum Sprechen bringen, wenn ich nicht will!« Arroganz ist die Schwester der Dummheit! teilte mir der Logiksektor meines Extrahirns mit. Nach den Verhören wirst du nicht mehr fähig sein, nach Farnathia zu suchen. Versuche, Sheeron mit der Wahrheit zu schockieren. Mit der ganzen Wahrheit? fragte ich zurück. Halbheiten helfen dir nicht weiter, antwortete mein Logiksektor. Sheeron schnaufte wieder. Wahrscheinlich war sein Herz so verfettet, daß es früher oder später versagen mußte. Vom Kinn des Piraten troff Schweiß. »Du bringst dich in echte Schwierigkeiten, Mann!« fuhr er mich an. »Ich schätze Sie als einen sehr intelligenten Arkoniden ein, der seine je weilige Lage gut zu beurteilen weiß und seine logisch fundierten Schlüsse
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daraus zieht.« Er scheute offenbar davor zurück, mir durch Foltermethoden die Wahr heit zu entlocken. Das gab den letzten Anstoß zu meiner Entscheidung. Ich entspannte mich und baute die geistige Barriere ab, die ich vor mei nen Gedanken errichtet hatte. Es war unnötig, etwas zu sagen, denn Hanwigurt Sheeron hatte die gan ze Zeit über versucht, meine Gedanken zu lesen – und nun lagen sie plötz lich offen vor ihm. Zuerst las ich in seiner Miene Triumph über meine geistige Kapitulati on, dann fassungsloses Erstaunen und schließlich Bestürzung. Meine Ab sicht, ihn durch Preisgabe der ganzen Wahrheit zu schockieren, war also gelungen. Doch dann wandelte sich die Bestürzung in eine listige Spielermiene. Über Sheerons Gesicht glitt ein nachdenkliches Lächeln, als er sagte: »Auf Ihre Ergreifung hat Imperator Orbanaschol die größte Kopfprämie ausgesetzt, die es jemals gab, Erhabener.« Er kratzte sich an der Stirn. »Ein hübsches Sümmchen …« Ich wurde unruhig. Mir kamen plötzlich Zweifel, ob es tatsächlich ein so guter Entschluß gewesen war, den Oberpiraten freiwillig meine ge heimsten Gedanken lesen zu lassen. Sofort errichtete ich die Blockierung erneut. »Wollen Sie mich etwa ausliefern?« fragte ich. »Haben Sie so wenig Stolz, daß Sie sich zum Büttel eines Mörders erniedrigen würden?« Sheeron musterte mich mit Augen, die nichts von dem verrieten, was hinter der Stirn vorging. Dann steckte er unverhofft seinen Schockblaster ins Gürtelhalfter, erhob sich und sagte: »Sie kränken mich, Euer Erhabenheit. Meine Männer und ich sind zwar Freibeuter, aber keine Verbrecher. Wir nehmen uns nur das, was die Mahl ströme der Sogmanton-Barriere von den Schiffen übrig lassen, in die sie hineingerieten.« Er lächelte mit leisem Spott. »Außerdem denke ich an die Zukunft. Ich werde mich auf die Seite des rechtmäßigen Imperators schlagen und Ihnen helfen. Euer Erhabenheit sol len mich in guter Erinnerung behalten.« Ich atmete auf. Zwar traute ich dem Freibeuter noch immer nicht, aber dadurch, daß er seine Waffe ins Halfter geschoben hatte, hatte er mir bewiesen, daß er mich vorerst nicht mehr als seinen Gefangenen betrachtete. »Wenn Sie mir helfen, werden Sie es nicht bereuen, Sheeron«, erwider te ich. »Und lassen Sie die formelle Anrede. Es genügt, wenn Sie mich At lan nennen.« »Wie Sie wünschen, Atlan«, sagte Sheeron. »Bitte, begleiten Sie mich
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nun in einen meiner privaten Räume.« Er wandte sich zu dem Tier um, das noch immer in der Gestalt eines kleinen Drachens mein Waschbecken ausschleckte. »Komm, Morgus!« Morgus leckte ein letztes Mal über den Beckenrand, dann biß er in die Mündung des Wasserspenders, knurrte unwillig und ließ von dem Gegen stand seines Interesses ab. Im Watschelgang tappte er hinter uns durch den Korridor. Nachdem wir einen langen Antigravschacht hinabgeschwebt waren, ließen wir uns von einem.Transportband durch einen breiten Korridor mit zahl reichen Abzweigungen tragen. Wir begegneten unterwegs nur wenigen Piraten. Zehntausend Personen in einem derart voluminösen Asteroiden waren nicht mehr als zehntausend fingernagellange Insekten in einer Raumschiffswerft. Die Piraten blickten jedesmal fragend ihren Chef an, kümmerten sich jedoch nicht weiter um uns, sobald Sheeron ihnen beruhigend zugenickt hatte. Vor einem Schott am Ende des Korridors stieg Hanwigurt Sheeron vom Transportband und blieb stehen, während er in den Taschen seiner Kombi nation suchte. Ich blickte mich nach Morgus um. Im ersten Moment glaubte ich, das Tier sei irgendwo auf der Strecke falsch abgebogen, denn hinter uns näherte sich lediglich eine Arkonidin auf dem Transportband. Doch dann sah ich, daß sie einen Sathainiden schwanz trug, und ich wußte, daß es Morgus war, der wieder einmal seine Gestalt gewechselt hatte. Unterdessen hatte der Freibeuter gefunden, was er suchte, seinen Kode impulsgeber nämlich, ohne den er den elektronischen Entriegelungsme chanismus seiner Privaträume nicht aktivieren konnte. Er schaltete das kleine Gerät ein, und im nächsten Augenblick glitt das Schott summend zur Seite und rastete mit sattem Schmatzen ein. Ich runzelte die Stirn, als ich hinter der Öffnung nicht etwa einen Raum erblickte, sondern das Innere eines seltsamen Fahrzeugs, wie ich es bis lang noch nie gesehen hatte. An den Seitenwänden befanden sich zwei ge polsterte Bänke, und zwischen ihnen stand ein schmaler Schalttisch. Shee ron trat schnaufend ein und setzte sich ächzend. Der Schweiß lief seinen Hinterkopf herab und sammelte sich im Genick zu einem Rinnsal. Warum tat der Pirat nur nichts gegen seine übermäßige Transpiration? Unsere Bio medizin hielt doch bestimmt zahlreiche Mittel dagegen bereit. »Kommen Sie schon, Atlan!« rief Sheeron ungeduldig. »Und du kommst auch, Morgus. Bei Chrekt, wie siehst du denn wieder aus!« Der Metabolische hüpfte unmittelbar nach mir in das Fahrzeug. Er hatte zwar den Oberkörper einer Arkonidin beibehalten, doch der Unterkörper
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glich dem einer Sprungechse von Wawlil. Ich setzte mich Sheeron gegenüber, und Morgus setzte sich neben mich und schmiegte sich dicht an mich. Die Berührung des kühlen Tierkörpers war mir irgendwie peinlich. Ich rückte jedoch nicht ab, weil ich mir sagte, daß Morgus vielleicht genau das provozieren wollte. Hanwigurt Sheeron grinste und betätigte mit seinen dicken Fingern den Schalttisch. Das Schott schloß sich wieder. Einen Herzschlag lang schwächte sich das Licht, das gelblich durch die transparente Deckenplatte fiel, ab, dann strahlte es so hell wie zuvor. Rein gefühlsmäßig nahm ich wahr, daß wir uns mit hoher Geschwindigkeit fortbewegten. Als das Fahrzeug anhielt, hatte der Metabolische sich in ein arkonidi sches Parkrind verwandelt, dessen Fell so weich wie Plüsch war und de zent nach Kräutern duftete. »Wenn es mir eines Tages einfällt und ich den richtigen Moment abpas se«, erklärte Sheeron mit lüsternem Lächeln, »werde ich ihn schlachten und das saftige Fleisch von einer guten Freundin am Spieß braten lassen.« Sofort verwandelte sich der Metabolische abermals. Ich konnte genau sehen, wie das zuerst plüschweiße Fell hart und strähnig wurde und sich mit Schorf bedeckte. Die Augen blickten trübe, aus den Nasenlöchern rann ekelhaftes Sekret, und das ganze Tier verbreitete einen durchdringenden Verwesungsgeruch. »Morgus versteht offenbar jedes Wort«, sagte ich und preßte mir ein Tuch auf die Nase. »Ja«, meinte Sheeron, »und wenn er uns weiter die Luft verpestet, lasse ich ihn in den nächsten Konverter werfen.« Beinahe augenblicklich ließ der Gestank nach. Die Verwandlung dauer te etwas länger, ging aber dennoch unheimlich schnell vor sich, wenn man bedachte, welche komplizierten biochemischen Vorgänge daran beteiligt waren. Das Tier verstand tatsächlich jedes Wort. Folglich besaß es eine gewisse Intelligenz. Als sich das Schott diesmal öffnete, blickte ich in eine kuppelförmige Halle, deren Boden größtenteils mit bunten Kissen bedeckt war. Genau in der Mitte stand ein niedriger runder Servotisch. Sheeron ließ mir den Vortritt. »Nehmen Sie Platz, Atlan«, sagte er und ließ sich ächzend auf die Kis sen nahe des Servotisches fallen. »Wir werden eine Kleinigkeit essen, während wir über den Plan reden, wie wir die FARNATHIA einschließ lich Ihrer geliebten Freundin im Staubdschungel aufspüren können.« Ich setzte mich dem Piraten gegenüber. Morgus verwandelte sich in eine exotische Frau mit etwas zu üppigen
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Formen und spärlicher Bekleidung und ließ sich dicht neben Sheeron nie der. »Bedienen Sie sich!« forderte Sheeron mich auf. Er tastete einige Knöpfe und Schaltplatten, woraufhin sich die Tisch platte auf seiner Seite mit einer Menge auserwählter Speisen bedeckte. Da zu kamen zwei große Krüge mit Wein. Ich tastete nur einen sogenannten Raumfahrerimbiß: ein paar dünne Scheiben Synthofleisch, eine Handvoll weißer Stärkeflocken sowie einen vitaminreichen Salat und einen Becher Obstsaft. Hanwigurt Sheeron aß, indem er die köstlichen Speisen förmlich in sich hineinschaufelte. Dazu trank er unmäßig viel Wein. Kein Wunder, daß er so fett war. Der Schweiß lief ihm dabei in Strömen über das Gesicht. Ich wartete ungeduldig darauf, daß der Oberpirat endlich einen konkre ten Plan für eine Suchaktion entwickelte. Allerdings versuchte ich mir meine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Nachdem er den größten Teil seiner Speisen vertilgt und den dritten Krug Wein geleert hatte, äußerte Sheeron akustisch seine Zufriedenheit, wischte sich den fettigen Mund mit dem behaarten Handrücken ab und sagte: »Sie kennen die Sogmanton-Barriere nicht, sonst würden Sie sich wahr scheinlich keine großen Hoffnungen machen, ein einzelnes kleines Raum schiff wiederzufinden, Atlan.« »Ihre Staubeier sind vorzüglich geeignet, mit den Schwierigkeiten der Barriere fertig zu werden, Sheeron«, gab ich zurück. »Tropp sagte mir, diese kleinen Schiffe kämpften nicht gegen die energetischen Kräfte der Barriere an, sondern machten sie sich zunutze, indem sie sich ihnen anpas sen.« Sheeron winkte ab. »Jepson ist ein Großmaul, das schneller redet, als seine organische Positronik denken kann. Sie haben die Staubeier nur am Rand der Barriere in Aktion erlebt. Mitten in der Ballung sind die Schwie rigkeiten und Gefahren unendlich größer.« Ich merkte, wie mir der Angstschweiß ausbrach. Ich hatte große Angst um Farnathia, die irgendwo mitten in den Staubballungen und Hyperstür men der Sogmanton-Barriere trieb, in einem Raumschiff, dessen Steuerdü sen nicht funktionierten. »Dann lassen Sie uns endlich aufbrechen, Sheeron!« drängte ich. Der Oberpirat stopfte sich eine saftige Frucht in den Mund und kaute schmatzend. Morgus leerte schlürfend einen Krug Wein und küßte seinen Herrn auf die Nase. »Laß den Unfug!« sagte Sheeron ärgerlich und schob Morgus von sich. Dann blickte er wieder mich an. »Wir werden nichts überstürzen, Atlan.« Er schob seinen linken Ärmel hoch, schaltete sein Armband-Funkgerät an und hob es in Mundhöhe. Als ein anderer Pirat sich meldete, erteilte
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Sheeron den Befehl, insgesamt sechzig Staubeier startklar zu machen. Jep son Tropp sollte als Pilot des Staubeis fungieren, in dem Sheeron und ich fliegen würden. Anscheinend war Tropp doch nicht nur ein »Großmaul«, wie der Oberpirat behauptet hatte, sondern ein sehr guter Raumpilot. Als er das Gespräch beendet und das Funkgerät ausgeschaltet hatte, wandte Sheeron sich an den Metabolischen und sagte: »Du wirst in dein Nest gehen und auf meine Rückkehr warten, Morgus. Und laß dir nicht einfallen, jemanden zu verwirren. Die weiblichen Partner meiner Männer sind ohnehin nicht gut auf dich zu sprechen.« Morgus erhob sich, verwandelte sich in eine Art Riesenspinne und ver schwand durch ein Loch in der Wand, das sich hinter ihm wieder schloß. »Wie ist eigentlich seine wahre Gestalt?« erkundigte ich mich. »Gräßlich«, antwortete Sheeron, was natürlich keine befriedigende Ant wort war. Doch er war offenbar nicht gewillt, mir mehr über das seltsame Tier zu verraten. Als er aufstand, erhob ich mich auch. »Wir werden uns jetzt umkleiden«, erklärte der Freibeuter. Er schnalzte mit der Zunge. »Ich hätte mir niemals träumen lassen, daß ich eines Tages mit dem Kristallprinzen zusammen in die Sogmanton-Barriere fliegen würde.« »Wer kann schon in die Zukunft blicken«, erwiderte ich. »Unser« Staubei lag als erstes einer langen Kette gleicher Raumschiffe auf dem breiten Transportband. Das Ding war nur etwa sieben Schritt lang und durchmaß an der breite sten Stelle knapp über vier Schritt. Eine Seite der Außenhülle bestand aus schwarzem Metallplastik, die andere Seite war transparent. Triebwerksdü sen waren nicht zu sehen. Zur Zeit war ein Teil der transparenten Wölbung geöffnet. Ich erkannte die große, breitschultrige Gestalt von Jepson Tropp. Tropp war dabei, das Staubei durchzuchecken. Der gleichen Tätigkeit widmeten sich die Piloten der übrigen Staubeier. Die anderen Piraten standen außerhalb der Maschi nen auf dem Transportband in kleinen Gruppen beisammen und unterhiel ten sich gedämpft. Nach einer Weile hatte Jepson Tropp den Check beendet. Er hob den Kopf, und als er mich sah, grinste er breit. »Wie geht es unserem Raumfußgänger?« fragte er. »Schon bedeutend besser«, antwortete ich. »Wenn Sie damals gleich nach der FARNATHIA gesucht hätten, brauchten wir heute wahrschein lich nicht mit einem ganzen Flottenverband aufzubrechen. Damals konnte das Schiff noch nicht weit abgetrieben sein.« »Sie kennen die Tücken der Sogmanton-Barriere nicht«, entgegnete der Pirat. »Es kommt stellenweise zu Transmittereffekten, wodurch ein Raum
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schiff um ganze Lichtstunden versetzt werden kann – falls es überhaupt wieder im Normalraum auftaucht.« Er wandte sich an Sheeron. »Hat unser ›Freund‹ seine Verschwiegenheit endlich aufgegeben, Chef?« Hanwigurt Sheeron nickte. »Unser Freund ist kein anderer als Atlan, Kristallprinz von Arkon.« Tropp fuhr so heftig hoch, daß er sich den Schädel hart an einer Schal tung stieß. Mit tränenden Augen starrte er mich an, dann sagte er: »Der Kristallprinz! Weißt du, wie hoch das Kopfgeld ist das Orbana schol III auf Atlan ausgesetzt hat, Hanwigurt?« Die am nächsten stehenden Arkoniden hatten die laut hervorgestoßenen Worte Tropps gehört und die Information an die nächsten Besatzungen weitergegeben, Innerhalb kurzer Zeit wußten alle anwesenden Piraten Be scheid. Sie versammelten sich um uns. Hanwigurt Sheeron hob die Hände und stieg dann auf den Rand des er sten Staubeis. »Jawohl, dieser Mann ist Atlan, der Kristallprinz von Arkon!« rief er. »Aber er ist auch mein Gast, deshalb dürft ihr das mit dem Kopfgeld ver gessen.« Er lächelte schlau. »Außerdem halte ich es für nützlich, wenn wir uns rechtzeitig auf die Seite der rechtmäßigen Partei schlagen. So, und nun steht nicht länger herum, sondern steigt in die Eier!« Die Piraten gehorchten. Ich staunte über die straffe Disziplin, die im Reich Sheerons herrschte. Dabei war Sheerons Äußeres ganz und gar nicht dazu geeignet, bewundernd zu ihm aufzublicken. Wahrscheinlich verdank te er es seiner telepathischen Begabung und ihrer geschickten Anwendung, daß er dennoch respektiert wurde. Tropp murmelte Unverständliches vor sich hin, während Sheeron und ich hinter ihm Platz nahmen. Der Pilot saß allein vorn, vor sich die Kon trollen und Schaltungen, und links und rechts neben sich die hohen Blöcke der Bordpositronik, die seinen Platz erheblich einengten. Hanwigurt Sheeron schaltete das stationäre Telekomgerät ein und akti vierte die Sammelverbindung zu den übrigen neunundfünfzig Staubeiern. »Wir werden wie bei einer normalen Suchaktion vorgehen«, erklärte er. »Das heißt, jeweils vier Schiffe bleiben beisammen, damit sie sich notfalls gegenseitig helfen können. Jede Gruppe übernimmt den Suchsektor der mit ihrer Positionszahl in der Reihenfolge der Gruppen identisch ist. Frem de Objekte werden selbstverständlich durchsucht. Befindet sich in ihnen Beute oder lassen sie selbst sich irgendwie verwerten, wird die Position festgestellt und im Logbuch eingetragen.« Er schnaufte. »In spätestens zehn Tagen erwarte ich die letzten Schiffe zurück. Und
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nun: Guten Flug und reiche Beute, Männer!« Er schaltete das Gerät aus, tippte Tropp auf die Schulter und sagte: »Laß unser Ei steigen, Jepson!« Jepson Tropp betätigte mehrere Schaltungen. Das transparente Dach unseres Staubeis schloß sich, dann setzte sich das Transportband in Bewegung. Unser Schiffchen wurde durch eine Schleusenhalle in die enge Abschußröhre befördert, die bereits luftleer ge pumpt war. Ein Aufblitzen auf Tropps Steuerpult, ein Druck auf eine Schalttaste – und der Lamellenverschluß der Röhre öffnete sich. Das Staubei wurde von unsichtbaren Kräften gepackt und hinausge schleudert in die fahlieuchtenden Ausläufer der Sogmanton-Barriere. Die Kontrollampen der Positronikblöcke neben dem Piloten leuchteten in ra scher Folge auf. Sie wickelten die erste Flugphase ab, die Tropp ihnen vor dem Start eingegeben hatte. Beinahe völlig lautlos schoß unser Staubei durch die ersten Staubfahnen hindurch. Fast direkt voraus blinkte ein pulsierender blauer Stern. Dann legte sich das Ei auf die Steuerbordseite und schoß in weitem Bogen auf die seltsam flimmernden Ränder zweier großer Staubwolken zu, die sich stellenweise beinahe berührten. Hinter der Lücke war es hell, so hell, daß sich die automatische Lichtfilteranlage einschaltete. Hätte ich allein in diesem Schiff gesessen, ich wäre niemals genau auf diese grelle Lichtflut zugeflogen, denn sie stammte unzweifelhaft von et was, das nicht zu unserem Raum-Zeit-Kontinuum gehörte. Aber die Pira ten kannten sich in dieser Raumgegend besser aus als ich und waren wohl auch mit allen Phänomenen vertraut. Deshalb schwieg ich. Als wir zwischen den beiden Staubwolken hindurchflogen, war es mir, als rasten wir durch einen gigantischen Tunnel, der geradewegs in die Ewigkeit führte. Manchmal weitete sich der Zwischenraum der Wolken, manchmal wurde er so eng, daß unser Ei die Ränder der Wolken fast be rührte. Unentwegt aber strahlte dahinter – am Ende des scheinbaren Tun nels – die Lichterscheinung. Ich blickte mich von Zeit zu Zeit um, konnte aber weder die drei zu un serer Suchgruppe gehörenden Staubeier noch andere Piratenschiffe ent decken. »Wir befinden uns erst im Anflug auf den Ausgangspunkt unserer Such expedition«, erklärte Sheeron, der meine suchenden Blicke bemerkt hatte. »Dort treffen wir mit den anderen drei Eiern zusammen, wenn sie alle durchkommen.« Ich blickte wieder nach vorn. Diesmal unterdrückte ich meine Neugier nicht, sondern erkundigte mich nach der hellen Leuchterscheinung voraus. »Es sind Gantries«, antwortete der Oberpirat. Er verriet nicht mehr, doch ich sagte mir, daß diese Leuchterscheinun
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gen gefährlich werden konnten. Raumfahrer haben die Angewohnheit, al len gefährlichen Phänomenen Namen zu geben wie Lebewesen. Eine Ge fahr verliert ihren hypnotisch wirkenden Schrecken, wenn sie nicht mehr anonym ist. Wir rasten viele Stunden zwischen den beiden Staubwolken dahin, be vor wir wieder in den relativ freien Weltraum vorstießen. Da erst erkannte ich, daß die helle Lichtballung vor uns sich aus zahllosen kleineren Leuchterscheinungen zusammenfügte, die von allen Seiten zusammen strebten. Wieder schaltete die Positronik den Autopiloten. Unser Staubei legte sich auf die Backbordseite, wodurch die Lichtbal lung aus unserem Gesichtsfeld wanderte und wenig später an Steuerbord strahlte. Wir beschleunigten mit Maximalwerten, dann erfolgte die Transi tion, die ich eigentlich viel früher erwartet hatte. Der Ent- und Wiederverstofflichungsschmerz war nicht sehr stark, trüb te aber doch das Wahrnehmungsvermögen für wenige Augenblicke. Als ich wieder klar sehen konnte, entdeckte ich backbords die hellerleuchteten Kabinen dreier anderer Staubeier. Die Gruppe hatte sich zusammengefunden. Hanwigurt Sheeron schaltete das Normalfunkgerät ein und sagte zu den Besatzungen der anderen drei Schiffe: »Ich hoffe, ihr fürchtet euch nicht vor dem kleinen Hypersturm, der sich in unserem Suchsektor aufbaut.« Er deutete nach vorn, und ich sah erst jetzt, daß die vor uns liegenden zerrissenen Staubwolken die charakteristische Struktur eines Mediums an genommen hatten, das von einem gepolten Magnetfeld beeinflußt wird. »Wir fächern von hier an aus«, fuhr Sheeron fort, »schließen vor dem Kerngebiet des Hypersturms wieder dicht auf und durchstoßen es mit Höchstgeschwindigkeit. Anschließend fächern wir wieder aus, dann tref fen wir uns am Ausgangspunkt von Suchsektor zwei.« Ich nickte anerkennend. Alles, was dieser Oberpirat sagte, war logisch fundiert und zeugte von langjährigen Erfahrungen mit gefährlichen hyperenergetischen Erschei nungen. In diesem Augenblick bewunderte ich seinen Mut und den Mut seiner Männer, die es immer wieder mit den tödlichen Gefahren und den zahllosen Unwägbarkeiten der Sogmanton-Barriere aufnahmen. Im Grun de genommen waren sie keine echten Piraten; sie nahmen sich nur, was die Barriere als Strandgut übrigließ und was ohne sie ungenutzt geblieben wäre. Mir kam der Gedanke, daß ich mit Männern wie diesen die Macht des Mörders Orbanaschol brechen konnte. Doch ich drängte diesen Gedanken wieder zurück. Zuerst mußte ich
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Farnathia retten, danach Kontakt mit Fartuloon aufnehmen – und erst dann würde ich weitersehen. Hanwigurt Sheeron hob die rechte Hand, stieß sie geballt nach oben und sagte: »Vorwärts, ihr Faulpelze und Nichtsnutze!« Unser Staubei ruckte so hart an, daß ich im ersten Moment glaubte, wir wären mit einem anderen Raumschiff oder einem kosmischen Felsbrocken kollidiert. Als Tropp sich grinsend umdrehte, wurde mir jedoch klar, daß der verrückte Kerl »nur« die Leistung unserer Andruckabsorber ein wenig gedrosselt hatte, um es seinem Anführer heimzuzahlen.
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Unsere Suchgruppe fächerte mit insgesamt vierzehn Kurztransitionen aus. Nach jeder Transition kreisten die Ortungsantennen, um nach Objekten zu suchen, die Raumschiffe hätten sein können. Bisher war die Suche ergebnislos geblieben. Doch bedeutete das noch lange nicht, daß in unserem ersten Sektor kein Raumschiff trieb. Der relativ nahe Hypersturm störte die überlichtschnelle Ortung so sehr, daß beispielsweise die Ortungsergebnisse nicht für die Na vigation verwendet werden konnten. Wir mußten uns auf das innere Orien tierungssystem der Bordpositronik verlassen. Unterdessen hatten sich die Kraftfeldlinien des Hypersturms zu Werten verstärkt, die ich bislang noch nicht erlebt hatte. »Wenn wir den Kern nicht im genau richtigen Augenblick durchstoßen, werden wir zu elektrischen Ladungsteilchen zerfetzt«, erklärte Sheeron und stöhnte. »Wenn das passiert, lernst du mich richtig kennen, Jepson.« Unser Pilot blickte über seine Schulter zurück. »Wenn sich unsere Ladungen vermischen, wird mir bestimmt übel, Hanwigurt. Immerhin will ich gern eingestehen, daß ich verrückt war, mich auf dieses Wahnsinnsunternehmen einzulassen.« »Ich werde es Ihnen nicht vergessen, Tropp«, sagte ich. Er drehte die Handflächen nach oben und spreizte die Finger. »Euer Erhabenheit mögen sich nicht zu sehr strapazieren. Ich bin nur ein einfacher Freibeuter.« »Ein Schwätzer bist du!« fuhr der fette Sheeron ihn an. »Ich sehe an den Anzeigen, daß die Polung des Eies abgeschlossen ist. Es wird Zeit, daß wir ins Auge des Hypersturms vorstoßen, bevor es sich auflöst. Dann nämlich wären wir verloren.« Jepson Tropp wandte uns das Gesicht zu und entblößte die Zähne zu ei nem verzerrten Lächeln. Kein Zweifel, dieser hünenhafte Pirat hatte Angst. »Es geht los!« verkündete er mit rauher Stimme. »Ihr wollt es ja nicht anders haben!« Er wandte den Kopf wieder nach vorn und schaltete. Trotz seiner offen kundigen Angst verrichtete er seine Arbeit mit perfekter Präzision. Routi ne! wisperte mein Logiksektor. »Natürlich«, antwortete ich unwillkürlich. Sheeron warf mir einen miß trauischen Seitenblick zu. »Zu wem haben Sie gesprochen, Atlan?« fragte er. Ich lächelte. »Zu mir selbst«, antwortete ich, und es war nicht einmal gelogen, denn der Logiksektor meines Extrahirns gehörte zu mir selbst wie meine Augen,
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mein Mund, meine Hände und so weiter. Er war latent schon bei meiner Geburt vorhanden gewesen und nach Erwerb der ARK SUMMIA auf Lar gamenia lediglich aktiviert worden. Unser Staubei beschleunigte wieder mit Maximalwerten. Ich fragte mich, was mit ihm und uns geschehen würde, wenn eine Transition uns in den Entstehungsort des Hypersturms brächte, der ja nicht im sogenannten Normalraum, sondern im Hyperraum lag, jenes Medium, das Transitionen überhaupt erst ermöglichte. Was auch immer dann geschah, es würde zweifellos meine Existenz auslöschen. Und Farnathia? Ich spürte den Impuls, der mich zwingen wollte, Tropp zum Abbruch des Manövers aufzufordern, denn ich durfte nicht sterben, bevor ich Farna thia gefunden und gerettet hatte. Es gelang mir gerade noch rechtzeitig, diesen Impuls zu unterdrücken. Ich mußte eben gerade wegen Farnathia das Wagnis auf mich nehmen, denn wenn ich es nicht tat, war sie auf jeden Fall verloren. Die Beschleunigungsphase entwickelte sich immer mehr zu einem Alp traum, so daß ich schließlich die Entstofflichung als Erlösung empfand. Die Rematerialisierung war von einem grauenhaften Schmerz begleitet, wurde aber gerade dadurch so real, daß die Erkenntnis, nicht im Hyper raum »hängengeblieben« zu sein, mir große Erleichterung verschaffte. Das, was darauf folgte, glich den Visionen eines durch Drogen verne belten Geistes. Die Staubwolken vor uns hatten die Struktur des Randes eines riesigen Sonnenflecks mit fadenförmiger Gliederung in der Penumbra angenom men. Im Auge des Hypersturms gähnte ein schwarzes Loch, in dem alle drei Arkonplaneten bequem Platz gefunden hätten. Und genau auf dieses schwarze Loch rasten wir zu. Ich beugte mich vor, soweit meine Anschnallgurte mir das erlaubten. Auf Tropps Kontrollpult pulsierte eine blauleuchtende Schaltplatte. Ihr Leuchten wurde immer intensiver. Gleichzeitig ertönte ein hohles Brau sen, wie ich es noch bei keinem Raumflug gehört hatte. Im nächsten Moment wurden wir von dem »schwarzen Loch« des Sturmzentrums verschlungen. Es gab plötzlich keine Umgebung mehr. Wir schienen reglos mitten im Nichts zu hängen. Doch das immer stärkere Leuchten der Schaltplatte und das immer lautere hohle Brausen verrieten mir, daß wir uns weder im Nichts befanden noch bewegungslos waren. Unfaßliche Kräfte griffen an unserem winzigen Staubei an, machten es zu ihrem Spielball – und verrichteten dadurch genau jene Arbeit, die sie verrichten sollten. Die chaotischen Energien des Hypersturms waren mit Hilfe einer ausgeklügelten Technik und der hohen Kunst der Galaktonau tik dienstbare Geister geworden.
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Ein beinahe berauschendes Glücksgefühl überkam mich. Ich genoß die Situation, die uns zu Beherrschern grauenhafter Gewalten machte. Dann kam die Entstofflichung und zerriß mein Triumphgefühl. Ich sah für den Bruchteil eines Herzschlags nur noch ein unglaublich grelles blau es Leuchten, dann erlosch die immaterielle Verbindung meiner Bewußtseinsinhalte, und ich wurde in wesenlose Dunkelheit geschleudert. Das Auftauchen ins bewußte Denken und Fühlen glich dem Einschalten eines Scheinwerfers. Lichtfluten durchpulsten mein Gehirn, während ein stechender Schmerz in meinem Nacken bohrte und zerrte. Ich schrie und verschaffte mir dadurch etwas Erleichterung. Als mein Verstand das Chaos der Neutronenströme beherrschte, brach mein Schreien ab. Dennoch hörte ich weiterhin gellende Schreie. Es waren Jepson Tropp und Hanwigurt Sheeron, die ihre geistige Qual hinausschri en. Kurz darauf verstummten sie ebenfalls. Wir blickten uns schweigend an, dann richteten wir unsere Aufmerk samkeit auf das, was sich außerhalb unseres kleinen Raumschiffs abspiel te. Es war alles andere als dramatisch. Von dem Hypersturm und den wir belnden Staubmassen war nichts mehr zu sehen. Unser Staubei bewegte sich langsam unter dem reglosen Arm einer fast normal wirkenden Staub wolke hindurch, die von drei roten Sonnen beschienen wurde. Tropp wandte sich um. »Zufrieden, Euer Erhabenheit?« erkundigte er sich mit ei ner Stimme, der ich die ungeheure Erleichterung darüber anhörte, daß wir dem Hypersturm wohlbehalten entronnen waren. Ich neigte den Kopf. Die gewollte Ironie in seinen Worten ignorierte ich. Sie war nur ein Ventil, durch das sich angestauter psychischer Druck befreite. »Erlauben Sie, daß ich Ihnen meine Bewunderung für Ihre großartige Leistung ausspreche«, antwortete ich. »Männer wie Sie würden in der Raumflotte des Großen Imperiums die besten Aufstiegschancen haben.« »Versuchen Sie nicht, meine Leute abzuwerben, Atlan!« entrüstete sich Sheeron. »Außerdem sind Sie nicht in der Lage, jemandem einen Posten in der Imperiumsflotte anzubieten.« »Noch nicht«, entgegnete ich. »Aber das wird sich ändern, Sheeron.« Ich wechselte das Thema. »Wann treffen die anderen Schiffe unserer Gruppe ein?« erkundigte ich mich. Der Freibeuter blickte auf seinen Armbandchronographen. »Sie müßten eigentlich schon hier …« Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick ertönte das häßliche schrille Pfeifen der automatischen Kollisionswarnung. Beinahe gleichzei
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tig zuckten grelle Überschlagblitze aus den Feldsicherungen der Struktur taster, dann huschte ein Schatten dicht über uns hinweg. Tropp schaltete den Strukturtaster aus und meinte betont gleichmütig: »Das war der erste. Derartig gefährliche Annäherungen lassen sich nach dem blinden Durchgang eines Sturmauges nicht vermeiden. Aber es ist ja noch einmal gutgegangen.« Sheeron atmete hörbar auf, dann schaltete er sein Normalfunkgerät ein und sagte: »Ich rufe angekommenes Schiff! Meldet euch, ihr Bruchpiloten!« Eine flache Stimme antwortete aus dem Empfangsteil des Gerätes: »Hier spricht Zychneus. An Bord alles wohlauf, von der Besatzung ab gesehen. Ist außer uns schon jemand angekommen?« »Nicht, daß ich wüßte«, erwiderte der Oberpirat. Er wandte sich an Tropp. »Schalte den Strukturtaster wieder ein, Jepson, damit wir die Ankunft der nächsten Eier bemerken!« Tropp gehorchte und bemerkte: »Hoffentlich tut es das Ding noch, nach der Überbeanspruchung eben.« Zu unserer Verwunderung – und Erleichterung – funktionierte der Strukturtaster noch. Nach einiger Zeit, in der wir und das andere Staubei uns wieder auf Sichtweite genähert hatten, schlug der Strukturtaster aber mals aus, diesmal jedoch nur schwach. Die Struktur des Raumes war un terhalb der rosa angehauchten Staubwolke, deren Ausläufer wir passierten, erschüttert worden. Tropp versuchte, das andere Staubei zu orten, während sich Hanwigurt Sheeron abmühte, einen Hyperfunkkontakt herzustellen. Beides schlug je doch fehl, so daß uns nichts anderes übrigblieb, als unsere Position zu hal ten und darauf zu warten, daß der Pilot des anderen Schiffes sich mit einer Transition zum Treffpunkt bemühte. Einen halben Zehnteltag später sprach unser Strukturtaster zum dritten mal an. Diesmal erzielten die Hypertaster fast sofort Ortungskontakt. Es handelte sich bei dem Objekt einwandfrei um ein weiteres Staubei, und es war genau in dem verdickten Ende des Armes der rosa Staubwolke rema terialisiert. »Nun braucht nur noch das Ei von jenseits der Wolke zu erscheinen«, meinte Jepson Tropp. Sheeron hob eine Hand. »Ich habe Kontakt! Hallo, Staubei, bitte melden!« »Wir haben euch in der Tasterortung«, antwortete die etwas atemlose Stimme des anderen Schiffsführers. »Demnach sind wir in der Nähe unse res Treffpunktes. Der Durchgangssprung hatte uns auf die gegenüberlie gende Seite dieser rosa angestrahlten Staubwolke befördert.«
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»Das wart ihr?« fragte Sheeron. »Ich dachte, ihr wäret das letzte Schiff.« »Welches fehlt denn?« erkundigte sich der andere Pirat. »Ich bin Sh echtar.« »Dann fehlt das Staubei von Mahallan«, antwortete Hanwigurt Sheeron. »Ich fürchte, es ist verlorengegangen.« »Keine Strukturtasterortung?« erkundigte sich Shechtar. »Keine«, sagte Sheeron. »Wir werden noch einen Zehnteltag warten. Wenn Mahallans Staubei dann noch nicht erschienen ist, sprechen wir ge meinsam die Rhudhinda und setzen die Aktion planmäßig fort. Inzwischen kannst du aus deinem Staubfortsatz dort oben herauskommen und in Sicht kontaktnähe zu uns gehen, Shechtar.« »Wird gemacht«, antwortete Shechtar. Einen viertel Zehnteltag später wurde der Sichtkontakt zu Shechtars Staubei hergestellt. Doch auf das Staubei Mahallan warteten wir vergeb lich. Als die von Sheeron gesetzte Frist verstrichen war, wurden unsere drei Schiffe zu einem Kommunikationskreis zusammengeschaltet, und die Pi raten sprachen die Rhudhinda. Ich kannte diesen Spruch nicht, deshalb hörte ich nur zu. Es handelte sich um eine Art Nachruf, der den Verschol lenen gewidmet war und in dem ihre Kameraden sie um Verzeihung dafür baten, daß sie nicht länger warten konnten. Außerdem wurde versprochen, ihre Namen nicht zu vergessen und in Ehren zu halten. Es berührte mich eigentümlich, die rauhen Gesellen mit sentimentaler Ernsthaftigkeit spre chen zu hören. Als die Rhudhinda gesprochen war, wurde der Kommunikationskreis unterbrochen, und die Staubeier schwärmten aus, um das zweite Suchge biet zu durchstreifen. Das Gebiet, auf das sich unsere Suche konzentrierte, umfaßte die Staub wolke mit dem verdickten Arm, unter dem unser Ei rematerialisiert war. Sobald wir in die Staubmassen eintauchten, verschwand das rosige Glü hen und Leuchten der drei roten Sonnen. Es wurde zusehends dunkler, aber nicht völlig finster. Bald umgab uns ein geisterhaft fahl dahindäm mernder Staubbrei, der die Außenhaut unseres Schiffes abzuschmirgeln drohte, wenn Jepson Tropp zu stark beschleunigte. Selbstverständlich hätten wir uns durch Aktivierung des Prallfeld schirms schützen können, aber dann hätte seine Energie unablässig mit den kollidierenden Staubteilchen reagiert, wodurch sowohl eine Tasteror tung als auch Direktsicht und Funkkontakt unmöglich gewesen wären. Folglich mußten wir mit geringer Fahrt durch die Staubwolke manövrie ren. Dennoch narrten uns die unterschiedlichsten Phänomene, wie energe tische Konfigurationen und auf bestimmte Stellen konzentrierte chemische
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Kettenreaktionen. Immer wieder glaubten wir, ein treibendes Schiff oder Schiffswrack entdeckt zu haben und mußten dann an Ort und Stelle erken nen, daß wir genarrt worden waren. Als die Tasterresultat-Analysatoren wieder einmal den Ortungskontakt mit einem kompakten Gebilde meldeten, meinte Hanwigurt Sheeron des wegen mürrisch: »Sicher ist das wieder so ein Geisterecho, sonst würde man dort auf meinen Hyperkomsignalimpuls antworten.« Ich überprüfte die Kontrollen seines Kommunikationskomplexes und stellte fest, daß der Pirat einen starken Hyperkomrichtstrahl genau auf den Koordinatenpunkt hielt, auf dem sich das kompakte Gebilde befinden soll te. Mir war klar, daß der Hyperkom-Richtstrahl einwandfrei ankam, sonst wäre auch der mit ihm verwandte Tasterstrahl nicht reflektiert worden. Aber schließlich konnte es viele Gründe dafür geben, warum jemand nicht auf ein Hyperkomsignal antwortete. »Vielleicht ist ihre Sende- oder Empfangsanlage ausgefallen«, wandte ich deshalb ein. »Oder sie fürchten eine Plünderung durch Piraten.« Ich blickte ihn dabei prüfend an, doch Hanwigurt Sheeron fühlte sich durch meine letzte Bemerkung offenbar nicht gekränkt. »In der Sogmanton-Barriere hängen so viele verlassene Schiffe fest, daß wir es nicht nötig haben, ein bewohntes Raumschiff anzugreifen.« Er betrachtete die Anzeige der Energieortung. »Fest steht, daß dort keine Kernfusionsaggregate arbeiten, Atlan. Aller dings zeigen die Geräte den Fluß elektrischer Ladungen sowie eine gewis se chemische Aktivität an.« »Sehen wir nach!« erwiderte ich. »Wir müssen uns schließlich überzeu gen, worum es sich handelt, denn wir können nicht völlig ausschließen, daß es die FARNATHIA ist.« Sheeron überlegte eine Weile, dann gab er sich einen Ruck. »Fliege hin, Jepson!« befahl er schließlich. »Vielleicht finden wir sogar ein ausbeutungswürdiges Wrack.« »Gebrauchen könnten wir es«, gab Tropp zurück, während er unser Staubei behutsam beschleunigte. »Es wird Zeit, daß wir wieder ein Schiff vollbekommen und die Fracht losschlagen. Meine Freundin will unbedingt einen dieser neuen Chronographen mit Minipositronik haben, die zur Zeit große Mode auf den Arkonwelten sind.« Sheeron lachte schadenfroh. »Wahrscheinlich hast du sie in letzter Zeit vernachlässigt, Jepson. Ich habe da so Sachen gehört …!« »Geschwätz!« gab Tropp knurrig zurück. Der Flug zu dem georteten Objekt verlief nicht geradlinig, weil Staubei
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er sich die verschiedenartigen Energieströme innerhalb der Sogmanton-Bar riere zunutze machen. Anders waren weite Raumflüge mit den vergleichs weise winzigen Schiffen gar nicht möglich. Schließlich aber waren wir so nahe gekommen, daß die TasterresultatAnalysatoren eindeutige Ergebnisse lieferten. Das angemessene Objekt war eine stark abgeplattete Kugel von etwa dreihundert Schritt Durchmes ser am sogenannten Äquator, ein Raumschiff also, das denen des Großen Imperiums weitgehend glich, aber wegen seiner starken Abplattung der Pole doch kein arkonidisches sein konnte. Da keine Fusionsreaktoren mehr arbeiteten, war anzunehmen, daß die Besatzung es entweder verlassen hatte oder umgekommen war. Das Flie ßen elektrischer Ladungen wurde wahrscheinlich durch einige Energie speicher ermöglicht. Rätselhaft blieb dagegen die unverändert angemesse ne chemische Aktivität. Sheeron schaltete ein Meßdiagramm auf meinen Kommunikatorschirm und bat mich, es anzusehen. Ich betrachtete es eingehend. »Es könnte sich um elektrolytische Vorgänge handeln«, erklärte ich schließlich. »Vielleicht hängt das mit den fließenden elektrischen Ladun gen zusammen.« »Wollen Sie damit andeuten, auf einem Raumschiff würde Energie durch rein chemische Prozesse gewonnen?« erkundigte sich Sheeron stirn runzelnd. »Ich weiß, es klingt unglaubhaft«, erwiderte ich. »Endgültige Aufklä rung läßt sich aber wohl nur an Ort und Stelle gewinnen.« »Warum haben unsere Patrouillen niemals den Einflug eines derart großen Schiffes in die Barriere gemeldet?« überlegte Jepson Tropp laut. »Mit voll aktivierten Aggregaten muß es doch unübersehbar für jede Ener gieortung gewesen sein.« »Vielleicht hat ein Hypersturm seinen Einflug überlagert«, entgegnete Sheeron. Ich beteiligte mich nicht an der Diskussion über die Frage, warum die überall lauernden Staubeier der Piraten das Riesenschiff nicht beim Ein flug in die Sogmanton-Barriere geortet hatten. Mich interessierte vorläufig nichts anderes als die Suche nach Farnathia. Das geortete Schiff war ganz gewiß nicht die FARNATHIA. Doch ließ sich nicht ausschließen, daß die FARNATHIA in einem seiner Hangars Schutz vor dem Hypersturm gesucht hatte. Dagegen sprach allerdings die Tatsache, daß nirgends im Objekt ein Kernfusionsaggregat lief. Wenig später tauchte das Schiff als grauer Schemen in der fahlen Dämmerung des Staubnebels auf. Tropp bremste ab. Wir glitten an dem fremden Schiff vorbei, schwangen herum und kamen in rund hundert Schritt Entfernung
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relativ zu ihm zum Stillstand. Aus dieser Nähe ließen sich Einzelheiten mit dem bloßen Auge erken nen. Mir fiel als erstes auf, daß die Außenhülle des Schiffes einer grauwei ßen Kraterlandschaft glich, wie sie die meisten luftlosen Planetenmonde aufwiesen. »Das ist doch kein Metallplastik«, sagte ich. »Was sagen die Analysato ren, Sheeron?« »Sie weisen meteoritische Substanzen sowie organische Verbindungen aus«, antwortete der Pirat verwundert. »Das sieht so aus, als hätte sich nach und nach Staub auf der eigentli chen Außenhülle des Schiffes abgelagert«, meinte ich. »So etwas haben wir noch nie erlebt«, warf Tropp ein. »Wahrscheinlich dauert es viele Tausende von Jahren, bis sich erhebli che Mengen der Staubwolkensubstanz auf einer Schiffshülle ablagern«, sagte ich. »Das erklärt natürlich auch, warum Ihre Patrouillen niemals den Einflug dieses Schiffes meldeten. Als es einflog, gab es Ihre Organisation noch gar nicht.« Hanwigurt Sheeron leckte sich nervös die Lippen und deutete auf ein Diagramm. »Wie erklären Sie sich dann den Fluß von elektrischer Energie an Bord, Atlan? Keine Speicherbatterie liefert Jahrtausende lang Strom.« »Keine, die wir kennen«, schränkte ich ein. »Was zeigen die Hohlraum resonatoren an, Sheeron?« Mich interessierte hauptsächlich die Lage von großen Beiboothangars, auch wenn ich es nicht mehr für sehr wahrscheinlich hielt, daß sich die FARNATHIA in das große Schiff geflüchtet hatte. Unser Telekom sandte laufend Signalimpulse aus, und bei dieser geringen Distanz würden sogar die Armbandfunkgeräte einer Schiffsbesatzung ansprechen. Antworten konnten sie allerdings nur dann, wenn sie noch am Leben war. »Die großen Beiboothangars liegen sämtlich über dem äquatorialen Ringwulst, dessen Düsenöffnungen übrigens auch überwuchert sind«, ant wortete der Pirat. »Aber sie sind vollbesetzt.« »Und die kleineren Hangars?« fragte ich. Hanwigurt Sheeron steuerte die Sendeköpfe der Hohlraumresonatoren so, daß ihre Impulse den Bereich unter dem äquatorialen Ringwulst des Schiffes bestrichen. »Ebenfalls vollbelegt«, sagte der Oberpirat nach einiger Zeit. »Es scheint, als hätte die Besatzung ihr Schiff nicht verlassen.« Plötzlich zuckte er zusammen und starrte auf einen anderen Auswer tungsschirm. »Was ist los?« fragte ich. »Das verstehe ich nicht«, flüsterte Sheeron. »Die Massetaster zeigen eine Massenverlagerung im Schiff an.« »In welcher Größenordnung?«
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»Nur 1473 Kilogramm«, antwortete Sheeron. »Aber wenn es nur zehn Gramm wären, sie könnten sich nicht ohne Impuls von außen bewegen.« »Wahrscheinlich eine durch unterschiedliche Anmeßwinkel bedingte Scheindifferenz«, warf Jepson Tropp ein. »Was sollte sich schon in einem seit Jahrtausenden toten Schiff bewegen!« Sheeron preßte die Lippen zusammen und gab die ermittelten Werte in die Bordpositronik ein. Innerhalb weniger Zeiteinheiten stand das Rechen ergebnis fest: Die Massenverlagerung war nicht durch eine sogenannte Meßwinkeldissonanz vorgetäuscht worden. Vielleicht befanden sich doch Überlebende der FARNATHIA an Bord, die uns irgendwie ein Zeichen zu geben versuchten! »Ich gehe hinüber«, erklärte ich entschlossen. Hanwigurt Sheeron sah mich lange an, dann meinte er: »Ich möchte es Ihnen nicht verweigern, weil ich mir sonst immer Ihre Vorwürfe anhören müßte, fänden wir die FARNATHIA nicht. Aber ich werde Sie auch nicht allein auf ein Schiff gehen lassen, in dem vielleicht unbekannte Gefahren lauern.« »Das ist sehr nett von Ihnen«, erwiderte ich ironisch. Ich wußte genau, daß Hanwigurt Sheeron mich nicht begleiten wollte, um mir im Falle von Gefahr beistehen zu können, sondern weil er glaubte, ich könnte etwas Wertvolles entdecken und meine Entdeckung für mich behalten, um später einmal mit einem eigenen Schiff zurückzukehren. Doch sein Motiv interessierte mich nicht. Wichtig allein für mich war die Tatsache, daß er mitkam. Dann konnte er sich nämlich nicht mit sei nem Staubei davonstehlen, falls ich zu lange ausblieb. Jepson Tropp manövrierte das Staubei vor die Schleuse eines großen Han gars und zerschoß das Außenschott mit der starr im Bug eingebauten Im pulskanone. Als die so geschaffene Öffnung groß genug war, steuerte er unser Schiff dicht heran und verankerte es mit einer kegelförmigen Magnettrosse. Unterdessen hatten Sheeron und ich unsere Raumschutzanzüge ge schlossen und alle Systeme peinlich genau überprüft. Bewaffnet mit je ei nem Desintegrator und einem Thermostrahler, gingen wir durch eine Luke von Bord und schwebten in den Hangar, der von zwei Scheinwerfern des Staubeis in grelles Licht getaucht wurde. Wir brauchten unsere Flugaggregate nicht einzuschalten, da innerhalb des großen Schiffes keine künstliche Schwerkraft herrschte und wir somit praktisch nichts wogen. Aufmerksam blickten wir uns um. Das auf den Abschußschienen stehende Beiboot war ein Duplikat seines Mutterschiffes, nur eben kleiner. Aber das erfaßten wir nur nebenbei, denn etwas anderes fesselte sofort unsere Aufmerksamkeit.
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Die gesamte Innenwandung des Hangars, die Abschußschienen und auch das Beiboot sahen aus, als hätten sie ein Arkonjahr lang in einem Säurebad gelegen. Das Material war regelrecht zerfressen, bis auf die Au ßenhülle des Beiboots, die nur stark angerauht war, weil sie logischerwei se aus einem widerstandsfähigeren Material hergestellt worden war. Sheeron und ich blickten uns durch die transparenten Kugelhelme an, dann aktivierten wir unsere Helmfunkgeräte. »Ich würde die anderen Schiffssektionen gern so sehen, wie sie jetzt sind«, sagte ich. »Kann vom Staubei aus ein Energieschirm so projiziert werden, daß er das Schußloch hermetisch abdichtet?« »Sie denken offenbar auch an eine Giftgasatmosphäre, die für die Mate rialzersetzung verantwortlich ist«, meinte der Oberpirat. »Ja, wir können das Loch energetisch abdichten.« Er erteilte Tropp eine entsprechende Anweisung. Wir warteten, bis der Pilot uns meldete, daß der Energieschirm absolut dicht war, dann zogen wir unsere Desintegratoren und vergasten einen Teil des Innenschotts. Was wir beide vermutet hatten, bestätigte sich. Aus dem Schiffsinnern schoß ein Schwall gasförmiger Materie ins Vakuum des Beiboothangars. Sheeron und ich wären gegen den Energieschirm geschleudert worden, hätten wir uns nicht zuvor an den Seitenwänden magnetisch verankert. Unsere Minidetektoren lieferten innerhalb weniger Zeiteinheiten eine Analyse der Schiffsatmosphäre. Sie setzte sich zusammen aus zahlreichen giftigen und ätzend wirkenden elementaren Gasen beziehungsweise gas förmigen chemischen Verbindungen. Sauerstoff fehlte völlig oder war in zu geringer Menge vorhanden, so daß die kleinen Detektoren ihn nicht er faßten. Sheeron und ich lösten unsere magnetischen Verankerungen und »schwammen« mit vorsichtigen Bewegungen durch das giftige Gasge misch. »Wahrscheinlich ist die Besatzung daran gestorben«, erklärte der Pirat. »Selbst Raumanzüge können den heftigen chemischen Angriffen auf die Dauer nicht standhalten. Deswegen schlage ich vor, wir bleiben nicht län ger als zwei Zehnteltage im Schiff.« »Einverstanden«, erwiderte ich. »Allerdings kann ich mir nicht erklären, wie sich in einem Raumschiff eine derartig giftige und aggressive Atmo sphäre bilden kann. Noch weniger vermag ich mir zu erklären, daß diese Atmosphäre bei ihren chemischen Reaktionen mit fester Materie sich nicht verbrauchte.« Hanwigurt Sheeron drehte die Handflächen nach oben, schaltete seine Helmlampe an und stieg durch das Loch, das unsere Desintegratoren im Innenschott des Hangars geschaffen hatten.
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Ich schaltete meinen Helmscheinwerfer ebenfalls an und folgte dem fet ten Piraten, der bereits wieder heftig keuchte, als stünde er kurz vor einem Herzinfarkt. Der Helmfunk übertrug sogar das Summen seiner Klimaanla ge. Sheeron eilte mit watschelnden Schritten einen Stichkorridor entlang, der schon bald vor einer schwach gewölbten Wand endete. Links und rechts befanden sich ovale Öffnungen, die Öffnungen für Antigravschäch te, die allerdings lange außer Betrieb waren. Wie bei arkonidischen Raumschiffen auch führte hier vor jedem Anti gravschacht eine Nottreppe hinab und hinauf, wobei sie sich um die äuße re Schachtwandung schlängelte. Sheeron äugte in den engen Treppenschacht, während ich meine Helm lampe auf breite Streuung stellte und die Umgebung musterte. Die Wände waren auch hier von Gasen angefressen. Fragmente von Halterungen, die einmal Kabel gehalten haben mußten, deuteten darauf hin, daß es früher einmal eine Verkleidung gegeben hatte, die weit weni ger widerstandsfähig gewesen war als das übrige Material. Am besten erhalten war die schwach gewölbte Wandung, an der der Korridor endete. Ich nahm an, daß dahinter die Kommandozentrale des Schiffes lag, und wieder frappierte mich die Ähnlichkeit mit unseren arko nidischen Raumschiffen. Auch wir legten die Kommandozentrale in den Mittelpunkt des Schiffes, und auch wir schützten das Hirn eines Raum fahrzeugs durch eine extrem widerstandsfähige Panzerung. Allerdings waren im Großen Imperium niemals Kugelraumschiffe mit stark abgeplatteten Polen gebaut worden, es sei denn, darüber existierten keinerlei Informationen mehr. Das wiederum konnte ich mir nur schwer vorstellen, denn die Informationen, die Fartuloon mir gegeben hatte, reich ten bis zu den Anfängen der arkonidischen Raumfahrt zurück. »Kommen Sie, Atlan!« rief Sheeron mir zu. »Schalten Sie aber Ihr Anti gravaggregat ein; die Nottreppen sind ziemlich stark angefressen und hal ten vielleicht nicht.« »Das hat nichts zu bedeuten, da wir praktisch gewichtslos sind«, ent gegnete ich. »Wie kommen Sie darauf, wir sollten die Antigravaggregate trotzdem einschalten, Sheeron?« Der Pirat wandte sich um. Meine Helmscheibe verdunkelte sich sofort, als sie vom Lichtkegel seines Scheinwerfers getroffen wurde. Danach sah ich den grüblerischen Gesichtsausdruck Sheerons. »Nur vorsichtshalber«, meinte er zögernd. Von der Norm, abweichendes Verhalten! stellte der Logiksektor meines Extrahirns fest. Aufmerksam beobachten! Zum gleichen Schluß war ich bereits ohne meinen Logiksektor gekom men, und zwar intuitiv. Nach dem Einwurf des Logiksektors dachte ich
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bewußt darüber nach. Es war möglich, daß Hanwigurt Sheeron zerstreut gewesen war und das Einschalten der Antigravaggregate empfohlen hatte, ohne die Tatsache zu berücksichtigen, daß im Schiff Schwerelosigkeit herrschte. Für sehr wahr scheinlich hielt ich das jedoch nicht, da der Piratenführer bisher immer ge nau gewußt hatte, was er sagte. Außerdem verriet seine zögernde Antwort, die praktisch eine Ausflucht gewesen war, daß er sich selbst Gedanken über sein Verhalten machte, je doch noch zu keinem Schluß gekommen war. Ich entschied mich für den Rat meines Extrahirns, aufmerksam zu beob achten, mir Sheeron gegenüber aber nichts anmerken zu lassen. Deshalb nickte ich ihm freundlich zu und sagte: »Da haben Sie recht. Man kann nie vorsichtig genug sein.« Konsequenterweise aktivierte ich mein Antigravaggregat. Die Abgabe leistung würde natürlich gleich Null sein, da es keine Schwerkraft zu kom pensieren gab. Hanwigurt Sheeron aktivierte ebenfalls sein Antigravaggregat, dann be trat er mit leichtfüßiger tänzerischer Eleganz den Treppenschacht. Das heißt, er schwebte hinein. Ich folgte ihm. Wir schraubten uns förmlich drei Decks tiefer, da wir um die gewendel te Nottreppe herumschweben mußten. Dann, als die nächste Öffnung er schien, stießen wir uns leicht an der Treppe ab und gaben uns dadurch den Impuls, der uns durch die Öffnung hinaus trieb. Vor uns lag das Panzerschott der Kommandozentrale. Damit ergab sich die Frage, wie wir hineinkommen konnten. Die Ober fläche des Panzerschotts war durch die ätzenden Gase lediglich stumpf ge worden, was bewies, daß sie aus hochwertigem Material bestand. Natür lich würde sie nicht mehr molekularverdichtet sein, denn diese Eigen schaft erhielt sich nur, wenn ständig ein Zustrom hochgespannter Energie folgte, eine Leistung, die nur durch Fusionsreaktoren erbracht werden konnte, nicht aber durch die schwachen elektrischen Ströme, die wir von draußen angemessen hatten. Als Sheeron die Hand ausstreckte, um sie auf die Stelle des Schottes zu legen, hinter der sich bei arkonidischen Konstruktionen das auf die Kör perströme ansprechende Thermoschloß verbarg, schüttelte ich den Kopf. Im nächsten Augenblick zog ich unwillkürlich scharf die Luft ein. Es hatte deutlich hörbar geklickt, und dann bildete sich in der Mitte des Panzerschotts ein Spalt, der sich zusehends verbreiterte. Bald darauf waren beide Schotthälften in die hohlen Wandungen der Kommandozentrale zu rückgeglitten. »Vorsicht, Sheeron!« flüsterte ich. »Warum?« gab er zu rück, ohne sich umzudrehen. »Eine solche Gelegenheit kommt vielleicht
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nie wieder.« »Es fragt sich nur, für wen«, entgegnete ich. »Denken Sie einmal dar über nach, welchen Wahrscheinlichkeitsgrad ein Positronengehirn dafür erteilen würde, daß das Zentralschott eines seit Jahrtausenden toten Raum schiffs sich auf völlig normale Weise öffnen würde.« Diesmal drehte Sheeron sich um. Er lächelte, aber sein Lächeln war oh ne gefühlsmäßige Beteiligung. So lächelte vielleicht ein entsprechend pro grammierter Androide, aber kein Arkonide. Das ist eine Falle! stellte mein Logiksektor fest. – überflüssigerweise, denn zum gleichen Schluß war ich schon gekommen. »Ich hatte Sie eigentlich nicht für einen Feigling gehalten, Euer Erha benheit«, sagte der Pirat. »Kommen Sie schon!« Er trat durch die Öffnung, bevor ich es verhindern konnte. Wie hätte ich es auch verhindern sollen? Ich konnte ihn nicht einfach niederschießen, und auf die Bedrohung mit einer tödlichen Waffe hätte er nicht reagiert, nicht in seinem derzeitigen geistigen Zustand. Aber ich war nicht bereit, ihm zu folgen. Und doch tat ich es – allerdings nicht freiwillig. Aus dem Nottreppenschacht quollen plötzlich zahllose winzige metalli sche Gebilde hervor, Spinnen nicht unähnlich, eine schimmernde Wolke, die sich in der Schwerelosigkeit gleich treibenden Rauchflocken bewegte. Die Gebilde hüllten mich ein, bevor ich eine Waffe ziehen konnte. Sie bildeten quasi einen beweglichen Panzer um meinen Körper, eine Art stäh lernes Korsett, das mir seine Eigenbewegung aufdiktierte. Meine Beine bewegten sich unter fremdem Zwang, während meine Arme zur Unbeweg lichkeit verurteilt waren. Steif wie eine Marionette schritt ich durch die Schottöffnung in die Kuppelhalle der Kommandozentrale. Trotz meines Entsetzens nahm ich überdeutlich wahr, daß es eine Maschine innerhalb der Anhäufung toter technischer Apparaturen gab, die noch »lebte«: das Positronengehirn. Sei ne vorgewölbten elektronischen Augen glommen in düsterem Rot. Dieser Anblick beschäftigte mich so, daß ich meine winzigen Bezwin ger für wenige Zeiteinheiten vergaß. Als ich merkte, daß sie mich nicht mehr umhüllten, war es zu spät. Ich wirbelte herum und wurde durch die ruckhafte Bewegung in einer Spiralbahn zur Decke getrieben. Unfähig, diese Bahn rasch genug zu än dern, mußte ich zusehen, wie die Metallgebilde gleich einem Rauchschlei er durch die Schottöffnung trieben. Dann knallten die Schotthälften zu sammen. Wir waren gefangen.
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Ich hatte mich so von der gewölbten Decke abgestoßen, daß ich schräg auf Hanwigurt Sheeron zutrieb und neben ihm landete. Noch einmal stieg ich ein Stück empor, dann sank ich langsam auf den Boden und blieb stehen. Sheeron starrte mich an, und ich starrte ihn an. Durch die verdunkelte Scheibe meines Helms sah ich Sheerons Helm lampe nur als matten Lichtfleck, und hinter der Scheibe seines Helmes er blickte ich das Gesicht des Piraten. Es drückte ein mildes Staunen aus, aber keine Furcht. Allerdings empfand ich in diesen Augenblicken auch keine Furcht, ob wohl mir der Angriff der Metallspinnen zuerst einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte. Doch das war vorüber. Ich sah mich in eine bestimmte Si tuation gestellt und beschäftigte mich bereits damit, eine Möglichkeit zu suchen, die unsere Rückkehr zum Staubei garantierte. Vorher aber wollte ich wissen, was eigentlich auf diesem uralten Schiff gespielt wurde. »Hanwigurt Sheeron«, sagte ich leise und eindringlich, »keiner von uns ist freiwillig hier. Sie wurden wahrscheinlich geistig beeinflußt, ich wurde von winzigen Metallspinnen überwältigt. Doch nun sind wir hier und soll ten versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.« Der Oberpirat setzte zu einem zaghaften Lächeln an, das aber nie zu stande kam. Von einem Moment zum anderen wich der Ansatz der Gri masse jähen Erschreckens. Sheeron holte tief und keuchend Luft; seine Rechte fuhr instinktiv zum Griffstück des Thermostrahlers. Ich schüttelte den Kopf. »Das hilft uns nicht weiter«, erklärte ich. »Man hat Ihren Geist wieder freigegeben, was wahrscheinlich bedeutet, daß man unserer sicher zu sein glaubt. Wenn Sie auszubrechen versuchen, wird der Einfluß zurückkehren – und mich würden die Metallspinnen wieder einfangen.« Der Piratenführer entspannte sich. Sein Gesicht war schweißbedeckt, aber die Augen funkelten voller Vitalität. »Wer ist ›man‹?« erkundigte er sich mit erzwungener Ruhe. Ich drehte die Handflächen nach oben. »Das weiß ich noch nicht, Sheeron. Aber vielleicht hilft uns die Positro nik weiter. Sie ist aktiviert. Ob eine Kommunikation zwischen ihr und uns zustande kommt, wird davon abhängen, ob wir eine gemeinsame linguisti sche Basis finden. Ich bin in dieser Beziehung optimistisch.« Ich wandte mich dem nächsten elektronischen Auge der Positronik zu – jedenfalls nahm ich an, daß es sich um eine Positronik handelte. Das Äu ßere unterschied sich nur unwesentlich von unseren arkonidischen Positro
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nengehirnen. »Kannst du unsere Begriffe und ihre Verbindungselemente in Informati on umsetzen?« fragte ich langsam und deutlich. Ein schwaches Summen ertönte, schwoll an und wurde dann so leise, daß ich es nur noch mit Anstrengung zu hören vermochte. Dann sagte eine klare, aber völlig unmodulierte Maschinenstimme: »Die Sprache hat sich nur wenig gewandelt, Erhabener.« Ich hörte, wie Sheeron scharf die Luft einsog. Kein Wunder, denn das Positronengehirn hatte eine Sprache verwandt, die sehr starke Ähnlichkeit mit unserem Arkonidisch hatte. Sie enthielt Elemente, die mir antiquiert erschienen, während mir andere Elemente höher entwickelt vorkamen. Es gab nur eine einzige Erklärung für dieses Phänomen: Wir Arkoniden und die Erbauer dieses Raumschiffs mußten einen ge meinsamen Stammbaum haben, der jedoch auf unserer Seite im Dunkel der Vergangenheit vergessen worden war. Beide Stämme des gemeinsa men Urvolkes hatten sich unabhängig voneinander entwickelt, gleichzeitig aber viel von der ursprünglichen Basis behalten. Sogar der Titel »Erhabener« schien bei ihnen die gleiche Bedeutung zu haben wie bei uns. Die Bordpositronik war jedoch offensichtlich zu einem anderen Schluß gekommen. Sie hielt das Arkonidisch für die durch die Zeit veränderte alte Sprache und mich für einen Angehörigen des Volkes, das sie und das Schiff gebaut hatte. Es wird klüger sein, sie in diesem Glauben zu lassen! erklärte mein Lo giksektor. Richtig! gab ich unhörbar zurück. Ich blickte in das Elektronenauge, wobei ich mich bemühte, einen strengen, etwas arroganten Gesichtsaus druck zu zeigen. »Das erleichtert die Kommunikation, Gehirn«, erwiderte ich. »Ich muß allerdings erklären, daß ich nicht gewillt bin, eine Gewaltanwendung ge gen meine Person hinzunehmen. Um sie entschuldigen zu können, müssen sehr gewichtige Gründe vorgetragen werden. Ich bitte darum!« »Es geschah in erster Linie zu Eurem persönlichen Schutz, Erhabener«, antwortete die Positronik. »Die CHEMS haben das Schiff mit lebensbe drohenden Gasen angefüllt, und einige Gruppen von ihnen reagieren aus gesprochen aggressiv auf organisch lebende Wesen. Hier sind Euer Erha benheit und Euer fremdrassiger Diener jedoch in Sicherheit.« »Was?« rief Sheeron zornig. »Diener – ich?« »Schweigen Sie, solange Sie die Situation noch nicht voll erfaßt ha ben!« fuhr ich ihn an. »Denken Sie nach, Sheeron!« Zur Positronik gewandt, erklärte ich: »Hanwigurt Sheeron ist Angehöriger eines zwar barbarischen, aber auch sehr stolzen Volkes. Deshalb wäre es für ihn unerträglich, sich als jeman
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des Diener zu betrachten. Obwohl er diese Funktion faktisch erfüllt, ist ihm aus psychologischen Gründen der Titel eines Freundes zugestanden worden. Ich bitte darum, das zu berücksichtigen.« »Ha!« machte Sheeron neben mir. »Verstanden und akzeptiert, Erhabener«, erwiderte das Positronenge hirn. Hanwigurt Sheeron knirschte mit den Zähnen und sah so aus, als würde er das Positronengehirn am liebsten verschlingen. Ich ignorierte es. Er würde schon noch vernünftig werden, obwohl er eine Herabsetzung offen bar nur sehr schwer verkraftete. Ich wandte mich wieder an die Positronik. »Gehören die Metallspinnen, die mich gewaltsam in die Kommando zentrale beförderten, auch zu den CHEMS?« erkundigte ich mich. »Das ist richtig, aber sie gehören zu einer der wenigen Gruppen, die un ter meiner Kontrolle stehen«, antwortete das Bordgehirn. »Die meisten Gruppen haben sich im Verlauf ihrer Evolution dieser Kontrolle entzo gen.« »Evolution?« fragte ich. »Es handelt sich um Maschinen, wenn ich mich nicht irre. Maschinen aber unterliegen nicht den Gesetzen der Evolu tion. Ich bitte um eine Erklärung, warum dieser Begriff dennoch im Zu sammenhang mit ihnen gebraucht wurde!« »Die Gesetze der Logik zwingen mich dazu, die CHEMS als Lebewe sen einzustufen, weil auf sie die Basiskriterien der belebten Materie zutref fen, Erhabener.« »Aber sie bestehen aus anorganischen Stoffen, Metall beziehungsweise Metallplastik«, wandte ich ein. »Ihnen fehlt also die protoplasmatische, zelluläre Organisation, die Lebewesen auszeichnet, ganz.« »Ursprünglich ja, Erhabener«, gab die Positronik beharrlich zurück. »Die CHEMS waren jedoch als sich selbst steuernde Systeme entwickelt worden, die aus Informationsmustern und Funktionsmustern bestanden. Sie reproduzierten sich außerdem selbst, und dabei kam es nach einer Rei he flach ansteigend verlaufender Entwicklungsphasen zu einer plötzlichen qualitativen Veränderung.« Diese Argumentation war bestechend klar, aber sie beruhte auf einem Trugschluß. »Dann sind die CHEMS eben hochentwickelte Roboter«, ent gegnete ich. »Das macht sie noch lange nicht zu organischen Lebewesen. Sie mögen sich selbst reproduzieren, mögen sich weiterentwickeln, aber sie bleiben tote Materie.« »Was regen Sie sich über Definitionen auf, Atlan – äh, Erhabener«, warf Hanwigurt Sheeron ein. »Es kann uns doch egal sein, ob diese Po sitronik die Metallspinnen als Roboter oder als Lebewesen bezeichnet.« »Da bin ich anderer Ansicht«, erwiderte ich.
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Ich zog es allerdings vor, diese Ansicht nicht auszusprechen. Meiner Meinung nach war mit diesem Positronengehirn nicht alles in Ordnung. Die Hartnäckigkeit, mit der es darauf bestand, daß ich die CHEMS als Le bewesen einstufte, schien emotioneil bedingt zu sein, wenngleich emotio nelle Regungen etwas Unmögliches für eine Positronik waren – jedenfalls nach allen bisherigen Erfahrungen. Wieder wandte ich mich dem Elektronenauge der Positronik zu. »Woher beziehen die CHEMS die Energie, die ihre Aktivitäten ermög licht?« erkundigte ich mich, obwohl ich die Antwort schon zu kennen glaubte. »Aus chemischen Prozessen, Erhabener«, antwortete das Positronenge hirn. »Grob ausgedrückt, ernähren sie sich von der Substanz des Schiffes.« Das war es, was ich vermutet hatte. »Da sie sich nicht selbst geschaffen haben, müssen sie irgendwann ge schaffen worden sein. Von wem und zu welchem Zweck?« »Darüber ist keine Informationsabgabe möglich«, erwiderte die Positro nik. Ich schloß daraus, daß dem Gehirn entweder eine Sperre einprogram miert worden war oder daß es von sich aus die betreffenden Informationen verweigerte. Traf letzteres zu, arbeitete das Bordgehirn irregulär. Dann schwebten Sheeron und ich in großer Gefahr. »Was wurde aus der Besatzung dieses Raumschiffs?« erkundigte ich mich, in der Hoffnung, durch Informationen über das Schicksal der Schiffsbesatzung etwas über die Hintergründe der »Zeugung« der ersten CHEMS zu erfahren. »Sie starb«, antwortete die Positronik. »Diese Information ist unbefriedigend«, erklärte ich. »Ich verlange zu wissen, woran die Besatzung dieses Schiffes starb!« Wieder ertönte das Summen, das ich schon bei meinem ersten Kontakt versuch mit der Positronik gehört hatte. Es war allerdings alles, was das Bordgehirn von sich gab. Ich hatte eine dunkle Ahnung, daß die Besatzung dieses Raumschiffs keinen natürlichen Tod gestorben war und daß die Bordpositronik irgend wie in das Drama verwickelt gewesen war, das sich in der Vergangenheit hier abgespielt hatte. Damals mußte das kybernetische System, das diese Positronik war, einen schweren Regelungsschaden erlitten haben, der mit der psychischen Schädigung eines vernunftbegabten Lebewesens vergleichbar war – und der sich entsprechend auswirkte. Wie wir unter diesen Umständen jemals wieder das Schiff verlassen sollten, war mir vorerst noch schleierhaft. Ich wußte nur, daß wir es irgendwie schaffen mußten – denn irgendwo
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in diesem tödlichen Staubnebel wartete Farnathia, und sie war vielleicht
verloren, wenn ich ihr nicht bald zu Hilfe kam …
»Ich bin sicher, daß du mich unverändert gut verstehen kannst, Gehirn«,
sagte ich. »Da du mich mit meinem rechtmäßigen Titel ›Erhabener‹ ange redet hast, mußt du mich logischerweise als übergeordnete, weisungsbe rechtigte Person anerkennen. Ist das klar?«
»Ja, Erhabener«, antwortete die Positronik mit einem eigentümlichen Beiklang in der ansonsten weiterhin unmodulierten elektronischen Stim me. Ich atmete etwas auf. Vielleicht gehorchte mir die Positronik, wenn ich es vermied, an Dinge zu rühren, die sie »psychisch« nicht zu bewältigen vermochte und worauf sie deswegen »allergisch« reagierte. »Mein Freund Sheeron und ich sind nicht hierher gekommen, um die Ereignisse an Bord dieses Raumschiffs zu erforschen. Wir suchen eine hochgestellte Persönlichkeit, die mit einem kleinen Schiff in diesem Staubnebel verschollen ist und kamen nur an Bord, weil wir uns davon überzeugen mußten, ob die betreffende Person hier Schutz gesucht hat oder nicht. Wir werden also dieses Schiff wieder verlassen.« »Das kann nicht zugelassen werden«, widersprach die Positronik. »Ihr und Euer Freund seid in der Kommandozentrale sicher. In den äußeren Sektionen wäre das Leben Euer Erhabenheit durch CHEMS bedroht. Au ßerdem besitzen Euer Erhabenheit nur ein winziges Rettungsboot, das durch die Hyperstürme der Staubballung zu stark gefährdet werden wür de.« »Was?« brauste Sheeron auf. »Ein winziges Rettungsboot nennst du mein Staubei? Bei dir sind wohl ein paar Regelungsfelder zusammenge brochen, du niederträchtige Positronenballung!« »Beherrschen Sie sich!« flüsterte ich, an Sheeron gewandt, in mein Helmmikrophon. Der Pirat konnte durch seine unüberlegten Bemerkungen alles zunichte machen, was ich mühsam genug erreicht hatte. Da kam auch schon die befürchtete negative Reaktion der Maschine. »Euer Erhabenheit werden aufgefordert, den minderwertigen fremd rassischen Diener in seine Schranken zu weisen, andernfalls eine Bestra fung durch meine Exekutivsektion erfolgt.« Ich beobachtete, wie der Oberpirat erst blaß wurde und dann errötete. Für ihn war die Bezeichnung »minderwertiger fremdrassischer Diener« ei ne dreifache tödliche Beleidigung. Als seine rechte Hand wieder einmal zur Waffe zuckte, schlug ich ihm die Handkante kraftvoll auf die Schultergräte. Er schrie erschrocken und vor Schmerz auf. Sein rechter Arm hing völ lig kraftlos herab. Er würde für einige Zeit Sheerons Willen nicht mehr ge
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horchen. »Werden Sie wieder vernünftig!« herrschte ich den Piraten an. »Am be sten mischen Sie sich nicht ein. Von Maschinenlogik und maschinenky bernetischer Psychologie verstehen Sie zu wenig, um mitreden zu kön nen.« Hanwigurt Sheerons Gesicht war eine Grimasse, in der sich Wut und Schmerz spiegelten. Einen Herzschlag lang nahm ich an, er würde sich im nächsten Augenblick auf mich stürzen. Doch dann gewann sein kühler Verstand die Oberhand. Immerhin hatte der Piratenführer einen guten In telligenzquotienten. »Na schön«, knurrte er. »Aber über Ihren brutalen Schlag sprechen wir noch.« »Ich werde Sie aus meinem Gefolge verstoßen«, erwiderte ich. »Dann können Sie meinetwegen Pirat werden. Dieser Staubnebel wäre ein ideales Operationsgebiet für eine Bande von Freibeutern.« Diesmal verstand er meinen getarnten Hinweis noch besser. Er zwinker te mir kurz zu. Ich wandte mich erneut an die Positronik und sagte: »Von einem ungebildeten Barbaren darf keine kultivierte Ausdrucks weise erwartet werden. Die von Sheeron bezüglich des Schiffes genannten Fakten stimmen allerdings. Ich bin mit einem Spezialschiff gekommen, das auf die besonderen Bedingungen in der Staubwolke abgestimmt ist. Damit ist dein Hinweis auf eine Gefährdung durch Hyperstürme entkräf tet. Was die CHEMS in den äußeren Schiffssektionen betrifft, so stellen sie dadurch, daß wir gewarnt sind, keine ernsthafte Bedrohung mehr dar. Sheeron und ich werden notfalls unsere Waffen gebrauchen. Ich befehle dir also, das Schott zu öffnen, damit wir die Kommandozentrale verlassen können.« »Euer Erhabenheit unterschätzen die Gefahren«, entgegnete die Positro nik. »Ich bin deshalb gezwungen, den Befehl zu ignorieren.« »Das kann ich nicht akzeptieren«, erwiderte ich. »Du hast mich als übergeordnete, weisungsberechtigte Person anerkannt. Da kein kyberneti sches System die Weisungen eines übergeordneten Systems oder einer übergeordneten Person entscheidungskräftig zu beurteilen vermag, bist du nicht befugt, einen ausdrücklichen Befehl von mir zu ignorieren.« Aber mals ertönte das Summen. Diesmal schwoll es zu einem bedrohlichen Dröhnen an, das schließlich in einem hellen Klirren endete. Als das Po sitronengehirn wieder sprach, begleitete das Klirren jedes seiner Worte. »Dieses Raumschiff hat durch mich wieder eine Besatzung erhalten. Dadurch wurden die negativen Ereignisse eliminiert. Es darf nicht zuge lassen werden, daß dem Großen Rat Fehlinformationen zugeleitet werden, bevor die Möglichkeit gegeben ist, daß die neue Besatzung durch weitere
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Evolution alle Funktionen der alten Besatzung übernimmt.« Mich beschlich eine Ahnung der Wahrheit. Hatte die Bordpositronik dieses Schiffes vielleicht durch einen Entschei dungsfehler den Tod der einstigen Besatzung verschuldet? Und war das Bewußtsein der Schuld zu einem Komplex geworden, der dadurch kom pensiert werden sollte, daß die Positronik in den CHEMS eine neue Besat zung schuf, von der sie am Ende der Pseudo-Evolution erhoffte, daß sie das Schiff nach Hause steuerte – wo immer das sein mochte? Ein Gedanke, der mich erschaudern ließ. Tote Materie, die sich durch qualitativ hochwertige Entwicklungssprün ge in so hochorganisierte Materie verwandelt hatte, daß ihre Glieder zu kontinuierlichen Systemen wurden, die nicht nur in permanenter stoffli cher und energetischer Beziehung zu ihrer Umwelt standen, sondern viel leicht sogar die Umwelt nach ihren Bedürfnissen umgestalteten! Was würde geschehen, wenn diese Materie auf einer Kulturwelt ausge setzt wurde? Zweifellos mußte es zum Interessenkonflikt zwischen dieser hochorgani sierten toten Materie und den Trägern der Zivilisation kommen – und da mit zum Kampf. Ich wagte nicht zu beurteilen, wer aus diesem Kampf als Sieger hervor gehen würde, wahrscheinlich, weil ich die logische Antwort intuitiv er kannte und ihre Bestätigung durch logische Denkprozesse fürchtete. Die Bordpositronik hatte einen Prozeß in Gang gesetzt, den sie längst nicht mehr beherrschte, wie ihre Hinweise auf die CHEMS verrieten, die sich ihrer Kontrolle entzogen hatten. »Deine Argumentation geht am Kern der Sache vorbei«, erklärte ich. »Die Unversehrtheit eines Erhabenen hat stets über anderen Interessen zu stehen. Deshalb löscht mein Befehl, meinen Freund und mich gehen zu lassen, alle anderen Motivationen.« »Meine Motivationen sind zwingend, Erhabener«, erwiderte die Positro nik. Ihre elektrische Stimme klirrte stärker. Fast schien es mir, als hörte ich Panik heraus. »Irrtum!« entgegnete ich fest. »Zwingend ist allein meine Stellung als übergeordnete, weisungsberechtigte Person. Es wäre ein irreguläres Ver halten, meinen Befehl zu mißachten.« »Ich kann nicht entgegen zwingenden Motivationen handeln«, erklärte das Positronengehirn. Diesmal wurde das Klirren von einer Serie harter Zirptöne begleitet, als fänden ständig Umgruppierungen von Regelungs feldern statt. »Du mußt, oder du wirst als unbrauchbar eingestuft!« sagte ich for dernd. Die Positronik antwortete nicht. Es ertönte lediglich noch einmal ein
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hartes Zirpen, dann gab es ein scharfes Knacken, und die Elektronenaugen des Bordgehirns erloschen. »Was ist los?« fragte Sheeron. Ich atmete auf. »Die Positronik hat sich selbst ausgeschaltet, als sie sich vor einen un lösbaren Konflikt gestellt sah«, antwortete ich. »Ich hoffte, daß das eintre ten würde, obwohl ich es natürlich nicht wissen konnte. Schließlich han delt es sich nicht um eine arkonidische Positronik. Offenbar aber galten bei seinen Konstrukteuren die gleichen Regeln.« »Ein Glück!« entfuhr es dem Piraten. »Ich fürchtete schon, wir würden für den Rest unseres Lebens hier festgehalten und ich müßte weiterhin den geistig unterentwickelten Barbaren spielen. Jetzt können wir doch hinaus, nicht wahr?« »Gewiß«, antwortete ich. »Aber vergessen Sie nicht die Gefahren, die uns von jenen CHEMS drohen, die aggressiv auf organische Lebewesen reagieren.« »Daran glaube ich nicht«, entgegnete Hanwigurt Sheeron. »Auf dem Weg hierher sind wir jedenfalls keinen CHEMS begegnet – bis auf die paar Helfer des Gehirns.« Ich zog beide Waffen und entsicherte sie. »Vorsichtshalber wollen wir annehmen, daß uns außerhalb der Zentrale ganze Schwärme angriffslustiger Metallspinnen erwarten.« Ich hatte mich nicht getäuscht. Das Panzerschott ließ sich auch diesmal mühelos öffnen. Hanwigurt Sheeron und ich traten mit schußbereiten Waffen in den quer verlaufender Korridor, der uns vom Einstieg zum Nottreppenschacht trennte. Die Lichtkegel unserer Helmlampen geisterten über zerfressene Wände und blieben an einem Schwarm jener winzigen Metallspinnen hängen, der sich über die Korridorwand rechts von dem Einstieg ausgebreitet hatte. »Nicht schießen!« flüsterte ich über Helmfunk, denn ich ahnte, daß der Anblick der CHEMS bei Sheeron eine Abwehrreaktion auslösen mußte. Er schoß tatsächlich nicht, aber ich hörte an seinem schweren Atmen, daß ihm das Stillhalten schwerfiel. Die Metallspinnen sahen aus wie ein stählernes Wandrelief. Doch dann sah ich, wie sich zwischen ihren dünnen Gliedmaßen grünliche Schwaden kräuselten, die aber nicht abtrieben, sondern nur unmittelbar über der Wand hin und her wogten, als würden sie von unsichtbaren Kräften festge halten. »Was ist das?« fragte Sheeron tonlos. »Sie halten chemische Prozesse in Gang«, antwortete ich leise. »Es fin den offenbar Reaktionen mit dem Material der Korridorwand statt, wobei ein Teil des Metallplastiks verbraucht wird. Ich nehme an, daß ein Teil der
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abgebauten Substanz zum Anbau an oder in den Metallspinnen verwendet wird.« »Die Dinger können wachsen, wie echte Lebewesen?« fragte der Pira tenführer fassungslos. Ich nickte. »So könnte man es nennen, obwohl die Metallspinnen trotzdem keine echten Lebewesen sind. Immerhin muß die Materieanlagerung in Form ei ner identischen Reproduktion erfolgen, sonst würden die CHEMS sich laufend verändern.« »Und woher nehmen sie die Energie, die zum Abbau und zur Angliede rung der Materie benötigt wird?« »Dreimal dürfen Sie raten«, entgegnete ich unwillig. »Sagen Sie nur nicht, der Schock dieses Anblicks hätte Ihre Denkprozesse gelähmt.« »Aus den chemischen Reaktionen, die sie selbst in Gang bringen?« fragte Hanwigurt Sheeron. »Das ist anzunehmen«, antwortete ich. »Phantastisch!« sagte der Pirat. »Diese CHEMS sind die reinsten Wun derdinger.« Er blickte mich nachdenklich an. »Wenn wir sie programmieren oder fernsteuern könnten, Atlan, dann müßte es doch möglich sein, riesige Schwärme von ihnen durch die Sog manton-Barriere zu schicken und von treibenden Wracks bestimmte hoch wertige Legierungen ›abweiden‹ zu lassen. Sie bauen das Material in sich ein, und wenn sie dann groß genug sind, braucht man sie nur zurückzuho len und einzuschmelzen.« Ich mußte unwillkürlich lachen, obwohl Sheerons Geistesblitz alles an dere als lachhaft war. Er zeugte von dem unwahrscheinlich stark ausge prägten unternehmerischen Geist und Geschäftssinn dieses Piraten. »Wahrscheinlich wäre so etwas möglich«, erklärte ich. »Vielleicht könnte man von entsprechend programmierten CHEMS sogar die gesamte Materie der Sogmanton-Barriere auffressen lassen. Aber was geschähe, wenn diese Gebilde sich der Kontrolle entzögen? Die Bordpositronik be richtete von Evolutionssprüngen, die die CHEMS durchgemacht haben. Ein solcher Vorgang könnte die Dinger von ihrer Programmierung befrei en. Was wäre, wenn sie über ein Raumschiff herfielen – oder über einen Planeten? Sie könnten einen Planeten wahrscheinlich so durchsetzen, daß sie nur noch durch die atomare Vernichtung der betreffenden Welt zu be seitigen wären.« Hanwigurt Sheeron war leichenblaß geworden. »Ja, das könnte geschehen«, murmelte er. »Welcher Wahnsinn, solche Dinger zu schaffen! Atlan, wir müssen dieses Schiff so vernichten, daß kein einziger dieser CHEMS übrigbleibt.«
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Ich überlegte. Selbstverständlich würden wir das Schiff mitsamt den CHEMS vernich ten müssen. Dennoch zögerte ich noch, dem Piraten vorbehaltlos zuzu stimmen, denn ich wußte, daß mit den CHEMS eines der größten Wunder des Universums untergehen würde. Tote Materie, die sich wie organisches Leben verhielt, war ein faszinierendes Phänomen. Andererseits hatten wir zu bedenken, daß die Schiffsmaterie auch bei sparsamstem Verbrauch eines Tages aufgezehrt sein würde. Dann mußten die CHEMS ausschwärmen und nach neuen »Nahrungsquellen« suchen. Der Weltraum stellte für sie sicherlich kein feindliches Element dar. Viel leicht würden sie zuerst die Staubballungen der Sogmanton-Barriere ver brauchen und sich dabei explosiv vermehren. Danach kämen dann ganze Planetensysteme an die Reihe. Eine grauenhafte Vision stieg vor meinem geistigen Auge auf. Ein unvorstellbar riesiger Schwarm winziger Metallspinnen, der diese Galaxis »aufgefressen« hatte und nunmehr ihre Masse besaß, brach zur Nachbargalaxis auf und fiel über sie her. Innerhalb weniger Wochen gäbe es keine Nachbargalaxis mehr – und die Masse des CHEM-Schwarmes hätte sich verdoppelt. Dann würde bald das ganze Universum nur noch aus CHEMS bestehen! Ich holte tief Luft. »Ja, Sheeron, das müssen wir tun. Haben wir Fusionsbomben an Bord unseres Staubeis?« »Wir nicht, aber zwei Schiffe von Hematas Gruppe haben Raketenwer fer mit Fusionsköpfen auf den Projektilen.« »Gut, dann kehren wir nach beendeter Suchaktion zu diesem Schiff zu rück.« Irgendwie war ich erleichtert darüber, daß wir die CHEMS nicht sofort vernichten mußten. »Einverstanden«, erwiderte Sheeron. »Ist Ihr Antigravaggregat noch eingeschaltet?« fragte ich so ruhig wie möglich. Er runzelte die Stirn, dann verdüsterte sich für einen Moment sein Blick. »Sie wollen testen, ob ich wieder beeinflußt werde, Atlan. Nein, dies mal nicht. Aber das Antigravaggregat ist noch von vorhin aktiviert.« Er schaltete es aus. Ich hatte mein Gerät schon vorher ausgeschaltet. Langsam gingen wir auf den Nottreppenschacht zu. Die CHEMS griffen nicht an. Nur einmal bewegten sie sich; es war, als ginge ein Zucken durch die gesamte Ansammlung der Metallspinnen. Vielleicht trog der Eindruck, der dadurch hervorgerufen wurde, nicht einmal und sie waren tatsächlich eine Einheit, eine Art Insektenstaat aus toter Materie.
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Im Treppenschacht stießen wir uns leicht ab und schwebten langsam nach »oben«. Da die Gasatmosphäre unsere Bewegung durch Reibung all mählich abbremste, mußten wir uns ab und zu mit den Händen oder Füßen an der arg zerfressenen Wendeltreppe abstoßen. Wir hatten unsere Waffen deshalb in die Gürtelhalfter zurückgesteckt. Drei Decks höher »schwammen« wir mit den Köpfen voraus in den Korridor, den wir auch bei unserem Eindringen ins Schiff benutzt hatten. Im nächsten Augenblick stieß ein Schwarm winziger Metallgebilde auf uns zu. Er sah aus wie ein Schwarm kleiner Fische, der sich ebenfalls ko ordiniert und ruckhaft bewegt. Sheeron und ich verloren kein Wort. Wir stießen uns mit den Füßen in ein und dieselbe Richtung ab – wer unter den Bedingungen der Schwerelo sigkeit gekämpft hat, der weiß, daß Kampfgefährten sich niemals in entge gengesetzte Richtungen bewegen dürfen, weil sonst einer dem anderen in die Strahlschußbahn gerät –, zogen im gleichen Augenblick unsere Waffen und eröffneten das Feuer auf die winzigen Dinger, die nicht wie Spinnen, sondern wie Fliegen aussahen, die durch Verstellung ihrer Flügel einmal mittels »Schnellflügel« hohe Geschwindigkeit entwickelten und zum an deren mittels »Schwebeflügel« blitzschnell wenden und bremsen konnten. Es erstaunte mich selbst, daß ich in den wenigen Zeiteinheiten des er barmungslosen Kampfes, bei dem wir verzweifelt bemüht waren, den wechselnden Flugmanövern des Schwarmes mit unseren Waffenstrahlen zu folgen, derartige Einzelheiten wahrnahmen. So schnell, wie es begonnen hatte, war es vorüber. Erst Sheerons Schrei ließ mich erkennen, daß es doch noch nicht ganz vorüber war. Ich wirbelte herum und sah, daß sich einige der Metallfliegen auf der Oberfläche seines transparenten Kugelhelms festgesetzt hatten. Mit dem Kolben des Thermostrahlers klopfte ich auf die CHEMS, wor auf sie herabfielen und von Sheeron zertreten wurden. »Sie waren dabei, Löcher in meinen Druckhelm zu fressen«, berichtete der Pirat atemlos. Ich sah die stumpfen Stellen, wo die Metallfliegen mit dem Zerstö rungswerk begonnen hatten, wahrscheinlich auch hier durch elektrochemi sche Prozesse. »Die Dinger scheinen zu wissen, daß Lebewesen zugrunde gehen, wenn man ihren Druckhelm oder Raumanzug durchlöchert«, fuhr Sheeron fort. »Vielleicht sind einige meiner Leute, die von Patrouillenflügen nicht zu rückkehrten, ihre Opfer geworden.« »Schon möglich«, erwiderte ich, während ich den Raumanzug des Pira ten nach weiteren Metallfliegen absuchte. Anschließend drehte ich mich um. »Sehen Sie nach, ob bei mir CHEMS sitzen!« forderte ich Hanwigurt
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Sheeron auf. »Kein einziger«, erklärte er nach schneller, aber gründlicher Prüfung. »Wie kommt es, daß die Biester nur mich angefallen haben, nicht aber Sie? Schon der Angriff hatte sich auf mich konzentriert.« »An Ihnen ist eben mehr dran«, erwiderte ich. Doch natürlich wußte ich, daß das keine Erklärung war. Ich hatte eben falls bemerkt, daß die Angriffsrichtung der Metallfliegen stets auf Sheeron zielte, denn dadurch hatte ich wirksamer schießen können. Dafür mußte es einen Grund geben. Wir sahen uns an, aber keiner von uns fand so schnell eine Erklärung für das seltsame Verhalten der CHEMS. Also stießen wir uns wieder ab und »schwammen« weiter. Weit kamen wir allerdings nicht, denn die nächste Gruppe lauerte be reits auf uns. Wir sahen sie zwar, identifizierten sie aber erst dann als Gegner, als sich das, was wir für einen rauchgrauen Wandbelag gehalten hatten, von sei nem Untergrund löste und uns gleich einer wirbelnden Windhose umkrei ste. Sheeron und ich reagierten auch in dieser Situation entsprechend unse rer Ausbildung und Erfahrungen. Wir stellten uns blitzschnell Rücken an Rücken und aktivierten die Ma gnetanker auf der Rückseite der Aggregattornister. Von da an bewegten wir uns kontinuierlich, und nichts konnte uns in den Rücken fallen. Aber diesmal waren die Angreifer zahlreicher, wenn auch kleiner. Sie glichen Libellen von der Größe der kleinsten Fliegenmaden und waren un geheuerlich beweglich. Zu unserem Glück waren sie auch empfindlicher als die Vertreter der anderen Gattungen. Die heißen Luftwirbel in der Nä he einer Strahlbahn konnten sie zum Absturz bringen. Doch wiederum richteten sich ihre Angriffe hauptsächlich auf den Pira ten. Ich wurde kaum und wahrscheinlich nur versehentlich angegriffen. Dabei wurden die Angriffe gegen mich dermaßen konfus vorgetragen, daß ich den Eindruck hatte, als könnten sie mich gar nicht wahrnehmen. Wir drehten uns ständig, um die Last des Kampfes einigermaßen ge recht zu verteilen. Die Metallibellen fielen unseren Strahlschüssen mas senweise zum Opfer, aber aus den äußeren Sektionen des Schiffes kamen immer neue Schwärme heran und stürzten sich auf uns: Das Schlimmste aber war, daß wir dem Ausgang keinen Schritt näher kamen, sondern allmählich sogar zurückgedrängt wurden. Als die Ladungskontrollampe an meinem Thermostrahler rot aufglühte, wußte ich, daß wir diesen Kampf nicht gewinnen konnten. Ich besaß zwar ein Ersatz-Energiemagazin, aber auch das war schließlich nicht uner schöpflich.
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Ich schob den Thermostrahler ins Gürtelhalfter zurück und benutzte vorerst nur noch den Desintegrator, dessen Wirkungsfächer die molekula ren Bindungskräfte der getroffenen Materie neutralisierte, so daß die ihr innewohnende kinetische Energie die Moleküle nach allen Seiten ausein andertrieb. Die optische Erscheinung war, daß die getroffene Materie sich sehr schnell in Gaswolken auflöste, die sich rasch verloren. »Wir müssen zurück«, sagte ich, kurz nachdem wir wieder einen mas sierten Angriff der Metallibellen abgewehrt hatten. »So kommen wir nie mals durch.« Sheeron stieß eine Verwünschung aus. »Ich habe schon versucht, Tropp über Helmfunk zu erreichen, aber der Kerl scheint auf seinen Ohren zu sitzen.« »Wahrscheinlich haben die CHEMS den Funkverkehr über größere Di stanzen gestört«, entgegnete ich. »Sind Sie mit meinem Vorschlag einver standen?« »Ich muß wohl«, erklärte der Pirat. »Ha, jetzt ist das E-Magazin meines Desintegrators leer, und ich habe nur noch eines für den Thermostrahler.« »Dann benutzen Sie es«, erwiderte ich. »Fertig?« Auch während unse res Gesprächs mußten wir ständig feuern, um uns die CHEMS vom Leibe zu halten. »Fertig!« antwortete Sheeron. »Los!« Wir stießen uns so ab, daß wir, langsam rotierend, in Richtung des Nott reppeneinstiegs segelten. Ein Teil der Metallibellen wich aus und stieß dann wieder vor, während ein anderer Teil mit meinem Kugelhelm kolli dierte. Wir schossen wie wahnsinnig. Aber nach kurzer Zeit ließen die CHEMS von uns ab und zerstreuten sich. Dafür überfielen uns dicht vor dem Treppenschacht abermals die Metallfliegen, und zwar in dem Augen blick, in dem wir unsere Magnetanker desaktiviert und uns voneinander gelöst hatten. Hanwigurt Sheeron fluchte, als sich ein ganzer Schwarm der Gebilde an seinem rechten Bein festsetzte. Ich stieß ihn in den Treppenschacht und schoß mit breitgefächertem Desintegratorstrahl auf die CHEMS, die an mir vorbeizukommen trachte ten, um Sheeron zu verfolgen. Diesmal war es ganz offensichtlich, daß sie mich nicht als Angriffsob jekt, sondern lediglich als Hindernis, also als Gegenstand, einstuften. Ich konnte den Finger erst vom Feuerknopf nehmen, als alle CHEMS dieses Schwarms sich in grünlich schimmernde Gase aufgelöst hatten. Danach folgte ich dem Piraten. Sheeron lehnte am Panzerschott der Kommandozentrale und machte einen deprimierten Eindruck. Neben ihm lagen zerstampfte CHEMS.
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»Warum nur mich?« fragte er anklagend. »Warum werden Sie nicht an gegriffen, Atlan? Sie sind doch ein organisches Lebewesen wie ich.« Die letzte Bemerkung ließ mich aufhorchen. Plötzlich glaubte ich die Wahrheit zu kennen. Ich schob den Desintegrator ins Gürtelhalfter, wechselte das Energiema gazin meines Thermostrahlers und sagte bedächtig: »Sie haben recht, Sheeron. Dennoch unterscheiden wir uns in einem Punkt. Sie sind Telepath, also parapsychisch aktiv, während ich zwar kein Telepath bin, aber meine Gedanken nach außen total abschirmen kann. Das habe ich wahrscheinlich unbewußt getan. Dadurch aber wurde ich für Wesen, die sich an Gedankenimpulsen orientieren, ein toter Gegenstand.« »Sie meinen also, die CHEMS orientieren sich an Gedankenimpulsen?« fragte der Pirat. »Oder an einer anderen meßbaren Ausstrahlung des Gehirns«, erwiderte ich. »Aber ich kann als Telepath meine Gedanken ebenfalls abschirmen!« entgegnete Sheeron. Ich lächelte. »Aber im Unterschied zu mir mit Hilfe Ihrer Psikraft – und die kann von den CHEMS anscheinend angemessen werden. Haben Sie noch nie versucht, Ihre Gedanken ›normal‹ zu blockieren?« Er lachte rauh. »Warum hätte ich es sollen?« Da hatte er allerdings recht. Wer seine Gedanken auf grund seiner parapsychischen Begabung blockieren kann, wird es nicht auf die mühselige »normale« Art versuchen, die ein hartes Geistestraining voraussetzt, es sei denn, sein Extrahirn sei aktiviert worden. Hanwigurt Sheeron stieß sich von der Wand ab. Die Bewegung war wohl etwas heftig gewesen, denn der Schwarm der Metallspinnen, der an der Wandung haftete, erhob sich. Glücklicherweise ließ er sich ein Stück entfernt wieder auf der Korridorwand nieder. »Gehen Sie allein zurück, Atlan!« sagte der Pirat mit heiserer Stimme. »Die CHEMS werden Ihnen nichts tun, also kommen Sie durch. Holen Sie zwei Schutzschirmaggregate, die wir auf unseren Rückentornisterplatten anschließen können.« »Der Vorschlag klingt gut, aber er hat einen Haken«, entgegnete ich. »Da die CHEMS trotz allem robotischer Natur sind, lassen sie sich durch Schutzschirme weder abschrecken noch aufhalten. Sie werden sich in sol chen Massen auf die Energiefelder stürzen, daß die Projektoren wegen Überlastung durchschmoren.« »Dann müssen Sie mich eben zurücklassen, vom Staubei aus alle ande ren Schiffe herbeirufen und mit einer ganzen Truppe eindringen«, erklärte Sheeron. »Und wenn die anderen CHEMS inzwischen herabkommen?« fragte
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ich. »Oder wenn die Metallspinnen plötzlich aggressiv werden? Vielleicht verhalten sie sich nur deshalb friedlich, weil die früheren Kontrollimpulse der Positronik noch eine gewisse Zeitspanne nachwirken. Nein, ich habe einen besseren Vorschlag. Wenn Sie bewußtlos sind, werden Sie von den CHEMS wahrscheinlich ebenfalls ignoriert. Dann kann ich Sie hinausbrin gen.« »Soll ich in dieser Giftgasatmosphäre meinen Helm öffnen?« fragte der Pirat empört. Ich deutete auf das Panzerschott. »Die Atmosphäre darin ist fast frei von Schadstoffen, Sheeron. Ich habe auf den Analysator gesehen, als wir darin waren. Nur dürfen Sie nicht Luft holen, denn die Luft in der Zentrale besteht überwiegend aus Stickstoff.« Sheeron dachte kurz nach, dann straffte er entschlossen die Schultern und betätigte den Öffnungsmechanismus des Panzerschotts. Wir traten ein, und das Schott schloß sich wieder. Natürlich strömte ein bestimmtes Quantum giftiger, ätzender Gase in die Kommandozentrale, aber ihr Anteil an der Gesamtgasmenge blieb so gering, daß keine Gefahr der Verätzung bestand. Auf einen Wink von mir atmete Sheeron noch einmal tief durch, dann hielt er die Luft an und klappte seinen Druckhelm zurück. Meine Faust traf ihn genau auf der Kinnspitze. Ich hatte wegen seiner geringeren Körper größe allerdings etwas in die Knie gehen müssen, um den Schlag anbrin gen zu können. Im nächsten Augenblick klappte ich seinen Helm wieder nach vorn und überprüfte den Verschluß. Er saß dicht, und das bißchen Stickstoff, das eingedrungen war, konnte vom Organismus spielend verkraftet werden. Durch einen Blick auf Sheerons Gesicht überzeugte ich mich davon, daß der Piratenführer bewußtlos war, dann legte ich ihn mir über die Schulter und schwebte hinaus. Im Korridor überzeugte ich mich davon, daß die Metallspinnen weiter hin friedlich »weideten«. Einer der CHEMS hatte sich ein wenig von den anderen abgesondert. Das brachte mich auf eine Idee. Ich führte eine Katoquantkapsel bei mir, die aus dem Synthomaterial Katoquantynum bestand, das mit keiner anderen Materie chemisch rea gierte. Außerdem war es außerordentlich stabil. Langsam ging ich auf den einzelnen CHEM zu, während ich die Kato quantkapsel aus der Gürteltasche nahm und öffnete. Als ich dicht vor der knapp fingerlangen Metallspinne stand, packte ich blitzartig zu, warf das Ding in die Kapsel und preßte den Gegenpolverschluß darauf. Der CHEM war gefangen. Ich blickte mich um, aber die anderen CHEMS hatten den Verlust an scheinend nicht bemerkt. Sie verhielten sich ruhig. Erleichtert schob ich die Kapsel in die Gürteltasche zurück. Bei alledem hatte Sheeron auf mei
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ner Schulter geruht, ohne mich zu drücken. Ich brauchte lediglich seine Massenträgheit zu überwinden, wenn ich aus dem Ruhestand in einen Be wegungszustand überwechselte. Als ich in den Nottreppenschacht stieg, faßte ich den Piraten so an, wie ein Rettungsschwimmer einen Ertrinkenden. Federleicht schwebten wir den Schacht hinauf. Oben im Korridor brach mir doch der Schweiß aus. Ich wußte, daß ich Sheerons Leben aufs Spiel setzte, denn wenn die CHEMS entgegen meinen Erwartungen angriffen, konnte nur ich mich wehren. Ich beschloß, in diesem Falle die schnelle Flucht einem aussichts losen Kampf vorzuziehen. Aber meine Bedenken erwiesen sich als gegenstandslos. Keines der Me tallwesen griff uns an, während wir den Stichkorridor hinabschwebten, ob wohl mehrere Schwärme an den Wänden und der Decke hingen. Die Au ßenmikrophone übermittelten mir ihr enervierendes Summen. Durch das zerschossene Innenschott segelten wir in den Beiboothangar, und hier ergab sich ein schwerwiegendes Problem, denn wenn Tropp den Energieschirm vor dem zerschossenen Außenschott abschaltete, mußte die Schiffsatmosphäre ins Vakuum schießen und eine Unmenge CHEMS mit sich reißen. Dadurch aber würde die Staubwolke verseucht werden. Ich rief unseren Piloten an, und diesmal gelang der Funkkontakt. Auf meine Frage erklärte mir Tropp, daß er das Beiboot so zerschießen konnte, daß die glutflüssigen Trümmer das Innenschott hermetisch abschlossen. Da sich im Hangar selbst keine CHEMS aufhielten, ließ sich das Pro blem auf diese Weise lösen. Erleichtert zog ich Sheeron hinter mir durch die enge Strukturschleuse, die Tropp im Energieschirm geschaltet hatte.
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4.
Während Jepson Tropp eine Hypersignalboje in der Nähe des Schiffes aussetzte, berichtete ich ihm von den Ereignissen an Bord. Er blickte mich mehrmals mißtrauisch an, aber als Hanwigurt Sheeron zu sich kam und meinen Bericht bestätigte, war er beruhigt. Der Piratenführer betastete die bläulich angelaufene Schwellung an sei nem Kinn, grinste und meinte: »Der Schlag war nicht schlecht, Atlan. Sie hätten mir die Kinnlade zer trümmern können.« »Ich mußte sichergehen, daß Sie nicht unterwegs erwachten«, entgegne te ich. »Und ich hatte gedacht, ich würde nie wieder erwachen«, meinte der Pi rat. »Sie haben mir das Leben gerettet, Atlan. Das werde ich Ihnen nie ver gessen.« »Notfalls werde ich Sie daran erinnern«, erklärte ich. »Spätestens dann, wenn wir Farnathia gefunden haben. Dann können Sie Ihre Dankbarkeit beweisen, indem Sie mir entweder ein Raumschiff zur Verfügung stellen, das mich nach Kraumon bringt, oder Fartuloon benachrichtigen.« Hanwigurt Sheeron lächelte schief. »Ich sagte bereits, daß ich mich auf die Seite des rechtmäßigen Nachfol gers von Gonozal VII schlagen werde, Atlan.« »Wir werden sehen«, erwiderte ich. Die Antwort des Piraten befriedigte mich noch immer nicht. Er vermied es, sich absolut konkret auszudrücken. Vielleicht spielte er doch mit dem Gedanken, sich das auf meine Ergreifung ausgesetzte hohe Kopfgeld zu verdienen. Ich würde mich vorsehen müssen. Sheeron wandte sich Jepson Tropp zu. »Hast du Funkkontakt mit anderen Staubeiern gehabt, während Atlan und ich in dem Schiff waren, Jepson?« erkundigte er sich. »Nur mit den beiden anderen Schiffen unserer Gruppe«, antwortete Tropp. »Sie teilten mir mit, daß sie nichts gefunden hätten.« »Es ist schwer, in der Sogmanton-Barriere ein bestimmtes Raumschiff zu finden«, meinte der Piratenführer. »Von den Kosten will ich gar nicht sprechen, obwohl sie mich zu einem armen Mann machen können.« Er schaltete an der Ortungsanlage und schnalzte befriedigt mit der Zun ge, als er den Reflex der Hypersignalboje einwandfrei empfing. Dann akti vierte er die Signalgeber der Boje über Fernsteuerung. »Wir können unseren Flug fortsetzen, Jepson«, erklärte er. »Wenn in dieser Staubwolke nicht ausgerechnet heute ein Hypersturm ausbricht, werden wir das Schiff mit den CHEMS wiederfinden.«
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»Du willst es vernichten lassen?« erkundigte sich Tropp, während er die Steuerschaltungen betätigte. Unser Staubei beschleunigte und jagte durch den fahlen Nebel davon. »Es ist meine Pflicht«, antwortete Sheeron. »Diese Metallwesen können zu einer furchtbaren Gefahr werden, wenn sie ihr Schiff verlassen. Wovon sollten wir leben, wenn sie den gesamten Staub der Barriere auffräßen, he?« Er nahm ein Tuch und wischte sich den Schweiß vom kahlen Schä deldach. »Wenn ich nur daran denke, wird mir ganz elend.« »Eine Tante von mir hat einmal gesagt, jedes Ding hat seine guten und schlechten Seiten«, wandte Tropp ein. »Trifft das nicht auch auf diese CHEMS zu?« Hanwigurt Sheeron kicherte. »Lege deiner Tante so eine Metallspinne ins Bett, und sie wird dir ziem lich deutlich sagen, daß sie daran keine gute Seite entdecken konnte.« »Das möchte ich bezweifeln«, entgegnete Tropp. »Meine Tante ist vor zwanzig Jahren gestorben.« Sheeron öffnete den Mund zu einer launigen Bemerkung, als der Signal geber des Hyperkomgeräts schrillte. Der Piratenführer schaltete das Gerät ein. Auf dem Bildschirm erschienen zuerst verwaschene Lichtmuster, dann schälte sich aus ihnen der Oberkörper eines hageren Mannes mit bleichem Gesicht und tiefliegenden Augen heraus. »Hemata!« rief Sheeron. »Hast du etwas gefunden?« »Etwas schon«, antwortete Hemata, und seine Stimme schwankte infol ge von hyperenergetischen Störungen. »Ich weiß allerdings nicht, ob es das enthält, was wir suchen.« »Aber du vermutest es?« fragte Sheeron. »Es handelt sich um ein kegelförmiges Raumschiff, mittelgroß, von graublauer Färbung«, erklärte der Hagere sachlich. »In seinem Innern ar beitet zumindest noch ein Fusionskraftwerk. Die Infrarottaster konnten au ßerdem ermitteln, daß ein Hangartor sich vor nicht sehr langer Zeit geöff net und wieder geschlossen hat. Ein Objekt wurde eingeschleust.« »Das kann nur die FARNATHIA gewesen sein!« rief ich. Mein Herz schlug schneller. Wenn die FAR-NATHIA sich eingeschleust hatte, war meine Farnathia vorerst in Sicherheit. Wir mußten sie nur so schnell wie möglich abholen. »Es sieht ganz so aus«, meinte Sheeron. »Ich habe meine Gruppe vor dem kegelförmigen Schiff versammelt«, berichtete Hemata weiter. »Soll ich ein Untersuchungskommando an Bord schicken?« »Lieber nicht«, gab der Piratenführer zurück. »Wenn es die FARNA THIA ist, die eingeschleust wurde, wird die Besatzung jedem Eindringling
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mit Mißtrauen begegnen. Es handelt sich um ehemalige Gefangene des Blinden Sofgart, die gefoltert wurden und nichts mehr fürchten, als wieder nach Ganberaan verschleppt zu werden. Sie könnten in Panik geraten und auf euch schießen. Deshalb halte ich es für besser, wenn wir zu euch kom men. Dann kann Atlan Funkkontakt mit der FARNATHIA aufnehmen.« »Wenn es die FARNATHIA ist«, wandte Tropp griesgrämig ein. »Unterlaß gefälligst deine Unkenrufe, Jepson!« fuhr Sheeron unseren Piloten an. »Du jagst damit nur meinen Blutdruck in die Höhe und den Schweiß aus meinen Poren.« Er wandte sich wieder dem Hyperkomgerät zu. »Wir kommen zu euch, Hemata. Ich brauche die Koordinaten eurer Po sition.« Hemata nannte sie ihm. Danach unterbrach Sheeron die Verbindung und nahm Funkkontakt mit den beiden anderen Staubeiern unserer Gruppe auf. Er übermittelte ihnen die von Hemata genannten Koordinaten und wies sie an, die betreffende Position aufzusuchen. Unterdessen gab Tropp die Zielkoordination in die Bordpositronik ein, die ihrerseits den Autopiloten aktivierte und errechnete, welche Anzahl von Transitionen mit welchen Anlaufwerten über welche Entfernungen er forderlich waren, um das Zielgebiet möglichst sicher und mit möglichst geringem Energieaufwand zu erreichen. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich erstmals, daß die Piraten eine ganze Reihe von festen Transitionspunkten innerhalb der Sogmanton-Barriere er mittelt hatten. Es waren Gebiete, in denen bisher niemals Hyperstürme ge wütet hatten. Manchmal änderten sich die Bedingungen in einem solchen Gebiet allerdings. Dann wurde der Transitionspunkt auf den Karten gestri chen. Eine solche Kette von Transitionspunkten benutzten auch wir diesmal, da wir ein festes Ziel hatten. Es verlief auch alles glatt. Nur am vorletzten Transitionspunkt tauchten einige der seltsamen Leuchterscheinungen auf, die von den Piraten Gantries genannt wurden. Während wir wieder mit Maximalwerten beschleunigten, um die gün stigste Sprunggeschwindigkeit zu erreichen, kamen sie immer dichter an unser winziges Schiff heran, hell strahlende Gebilde ohne feste Konturen, die manchmal wirkten, als wären sie Fenster in eine andere Dimension. »Sie sammeln sich direkt an unserem Transitionspunkt«, sagte Tropp mit flacher Stimme. »Es sieht aus, als wollten sie, daß wir mitten zwischen ihnen entmaterialisieren.« »Notsprung!« befahl Hanwigurt Sheeron. »Programm aus!« Jepson Tropp hieb mit der Faust auf die Schaltplatte, die die Programm abwicklung des Autopiloten unterbrach und das Staubei auf Manuellkon
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trolle umschaltete. Im nächsten Augenblick preßte der Pilot die Schaltplat te für Nottransitionen nieder. Das Schiff entmaterialisierte mit einer lautlosen Lichtentfaltung, ver wandelte sich in ein unfaßbares Etwas aus dimensional übergeordneter Energie und wurde ohne meßbaren Zeitverlust durch den Hyperraum be fördert, um an der Stelle des Normalraums wieder zu rematerialisieren, die in der Schaltung für Nottransitionen lediglich durch den Entfernungswert vorgegeben war. Die Wiederverstofflichung verlief dennoch so normal wie bei einer ge zielten Transition. Als der Entzerrungsschmerz nachließ und die Sinne wieder wie sonst funktionierten, erkannte ich, daß unser Staubei im freien Raum über einem gigantischen Nebelstrudel trieb. Hanwigurt Sheeron stöhnte und rieb sich den feisten Nacken. Seine Au gen tränten. »Wir haben nicht lange Zeit, Hanwigurt«, erklärte Tropp. »Die Energi en, die den Nebelstrudel verursachen, machen sich bereits bemerkbar.« Sheeron schüttelte den Kopf, als müßte er eine schwere Benommenheit vertreiben, dann schaltete er den Hyperkom ein und sagte: »Sheeron an die Piloten seiner Gruppe. Der vorletzte Transitionspunkt wird durch Gantries blockiert. Weicht auf den nächstliegenden Punkt aus, oder der Große Nachtdämon frißt eure Gehirne!« Nach kurzer Zeit tauchte auf dem Bildschirm des Hyperkomgeräts das Gesicht von Shechtar auf. »Verstanden, Hanwigurt«, sagte Shechtar. »Wir haben den Anlauf ge stoppt und programmieren um. Aber Zychneus müßte sich schon auf dem vorletzten Transitionspunkt befinden.« »Dann konnte er mich nicht hören«, meinte Sheeron bedrückt. »Ich fürchte, daß wir auch ihn und seine Gefährten abschreiben müssen. Wir müssen zur nächsten Transition ansetzen, sonst werden wir in einen Staub strudel gezogen. Treffpunkt bleibt Hematas Gruppe.« Er schaltete ab und machte ein verdrießliches Gesicht. »Zychneus war ein guter Mann. Atlan, Sie kommen mir teuer zu stehen. Wir haben bei dieser Aktion bereits zwei Staubeier mitsamt Besatzung verloren. Ich frage mich, wie das weitergehen soll.« »Ich will versuchen, Sie so bald wie möglich wenigstens für den materi ellen Verlust zu entschädigen, Sheeron«, erwiderte ich. »Es schmerzt mich ebenfalls, daß die Suche nach der FARNATHIA Opfer gekostet hat.« »Es schmerzt ihn!« rief der Oberpirat unserem Piloten zu. »Ha, was sagst du dazu, Jepson?« »Ich sage dazu, daß du schweigen sollst, weil ich mich sonst nicht auf die Vorbereitung der nächsten Transition konzentrieren kann, Hanwigurt«, entgegnete Tropp. »Wenn der Strudel uns erfaßt, bevor wir entmateriali
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siert sind, werden wir zu gefriergetrockneten Molekülen.« »Als ob er uns erfassen könnte, nachdem wir entmaterialisiert sind!« murmelte der Piratenführer – leise genug, daß er damit unseren Piloten nicht in seiner Konzentration störte. Ich schwieg. Der rotierende, sich nach unten zu verjüngende Nebeltrichter unter uns faszinierte mich. Ich hatte so etwas bisher noch nicht gesehen. Die innere Trichterwandung leuchtete in einem merkwürdig hellen Blau, obwohl ich keine Lichtquelle feststellen konnte, und die ferne Trichtermündung war angefüllt von etwas, das wie brodelnder schwarzer Rauch aussah. Unser Staubei beschleunigte wieder mit Maximalwerten. Die Triebwer ke heulten in schrillem Diskant, als sich ihrem Wirken die Rotationskräfte des Strudels entgegenstellten. Rote Lampen meldeten eine gefährliche Überbelastung der Polfeldprojektoren. Wenn sie zusammenbrachen, grif fen die atomaren Kräfte ungezügelt auf unser Schiff über und verwandel ten es in einen glühenden Gasball. Seltsamerweise schwitzte ' und stöhnte Hanwigurt Sheeron nicht mehr. Er saß mit beinahe entspanntem Gesicht da und blickte auf die Anzeigen des Pilotpults, scheinbar unberührt vom sich steigernden Tosen, Rütteln und Heulen der Aggregate. Das Staubei vibrierte unter dem Angriff gegengerichteter Gewalten, dann brach es aus der Rotation aus, schoß pfeilgerade in den leeren Raum – und entmaterialisierte wenige Zeiteinheiten später. Als wir rematerialisiert wurden, sahen wir durch treibende Gasschleier hindurch undeutlich die Konturen von vier Staubeiern – und dahinter einen großen blaugrauen Kegel, dessen Spitze in eine Kugel auslief … Vor einem halben Zehnteltag war Shechtars Staubei eingetroffen. Bei der Wiederverstofflichung fiel eine wichtige Maschinenschaltung aus, so daß Sheeron Shechtar und seinen beiden Begleitern erlauben mußte, sich in er ster Linie um die Reparatur zu kümmern. Zychneus' Staubei allerdings kam nicht. Wahrscheinlich hatten die Gan tries es am vorletzten Transitionspunkt in eine andere Dimension gezogen. Ihre Kameraden in den anderen Staubeiern nahmen es mit stoischer Ge lassenheit auf. Offenbar waren Verluste für sie alltäglich, eine. Art Zoll, den man zu zahlen hatte, wenn man sich die Sogmanton-Barriere als Jagd gebiet wählte. Der Piratenhäuptling drehte sich nach mir um und sagte: »Versuchen Sie, Funkverbindung mit der FARNATHIA zu bekommen, vorausgesetzt, sie befindet sich tatsächlich in diesem fremdartigen Raum schiff.« »Sie kennen diesen Typ nicht?« erkundigte ich mich, während wir die Plätze wechselten.
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»Nein«, antwortete er. »Doch das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, daß wir nur einen Bruchteil aller lebentragenden Welten un serer Galaxis kennen. Der Methankrieg war das Ende aller Forschungsflü ge. Hoffentlich wird er nicht das Ende unserer Zivilisation.« »Wir werden die Maahks besiegen«, erklärte ich. »Wenn es gelingt, Or banaschol zu stürzen, wird in unsere Flottenoperationen wieder der alte Schwung hineinkommen.« »Hoffentlich, Atlan«, sagte Sheeron. »Aber nun rufe deine Leute, Kri stallprinz!« Ich schaltete den weitreichenden Telekom an und schickte einen gerich teten Signalkegel aus, der das gesamte Kegelschiff erfaßte. Wenn sich die FARNATHIA dort befand, mußte das Signal aufgefangen und verstanden werden. Farnathia jedenfalls kannte es und würde wissen, daß es von mir kam. Doch als nach einiger Zeit immer noch keine Antwort eingegangen war, meinte Hanwigurt Sheeron nach einem tiefen Seufzer: »Fehlanzeige, Atlan. Wenn die FARNATHIA das Schiff war, dessen Einschleusung kürzlich erfolgte, hätte sich Ihre Braut schon gemeldet.« »Und wenn die Besatzung der FARNATHIA von der Besatzung des Kegelschiffes überwältigt wurde?« fragte ich. Sheeron drehte die Handflächen nach oben. »Gehen Sie hinüber und sehen Sie nach. Ich habe keine Lust, noch mehr meiner Männer zu verlieren.« Er kniff ein Auge zusammen. »Deshalb werde nur ich Sie begleiten. Schließlich kann ich den Kristall prinzen von Arkon nicht allein in den Wald schicken. Jepson, du müde Fi gur, steuere unser Ei zu dem Kegel hinüber!« »An welche Stelle, Dicker?« erkundigte sich Tropp. Ich schaltete den Telekom abermals ein und fragte bei Hemata nach, wo sich die Hangarschleuse befand, in die ein Raumschiff eingeflogen sein sollte. Ich erfuhr, daß es in dem Kegelraumschiff nur eine einzige, allerdings sehr große Hangarschleuse gab. Es war die Kugel, die an der abgestumpf ten Spitze des Kegels hing. »Die Kugel ist der Schleusenhangar«, sagte ich zu Tropp. »Das ist wenigstens eine Abwechslung«, bemerkte unser Pilot dazu. »Hoffentlich werden wir dort nicht auch von Metallspinnen und Metall fliegen erwartet«, warf Hanwigurt Sheeron ein. Diese Bemerkung erinnerte mich an die Metallspinne, die ich eingefan gen hatte. Irgendwann wollte ich sie untersuchen, um ihre Struktur und ih re Funktionen zu erforschen. Doch ich mußte unbedingt vermeiden, daß sie Unbefugten in die Hände fiel und vielleicht in einem unbewachten Au
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genblick entkam und sich endlos reproduzierte. Da ich Hanwigurt Sheeron nicht traute und noch immer damit rechnen mußte, daß er mich an den Blinden Sofgart auslieferte, hielt ich es für das Beste, wenn ich die Kapsel mit dem winzigen Metallwesen in einem Ver steck deponierte, das ich auch nach vielen Jahren wiederfinden konnte. Vielleicht in dem kegelförmigen Schiff dort drüben …? Jepson Tropp bewies wieder einmal sein raumfliegerisches Können, als er unser Staubei in einer eleganten Kurve und mit viel Schwung an die Hangarkugel heranbrachte und knapp zehn Schritt davor anhielt. »Soll ich mitkommen?« fragte er. »Lieber nicht, sonst muß ich auf zwei Leute aufpassen«, entgegnete Sheeron. Anscheinend versuchte der Piratenführer seine Nervosität hinter Schroffheit zu verbergen. »Wir sollten versuchen, ohne Gewaltanwendung in den Hangar zu kom men«, warf ich ein. »Da die Außenwand der Kugel unversehrt ist, muß die Besatzung des anderen Schiffes eine Möglichkeit gefunden haben, die Schleuse auf normalem Wege zu öffnen.« Hanwigurt Sheeron überlegte kurz, dann sagteer zu Tropp: »Geh näher heran, vielleicht öffnet sich das Außenschott bei Annähe rung eines Objektes automatisch!« Der Pilot gehorchte. Tatsächlich öffnete sich das Außenschott, als die Entfernung nur noch etwa fünf Schritt betrug. Es war aus zahlreichen Lamellen zusammenge setzt, die schlagartig zurückschnappten und uns dadurch den Weg freiga ben. Gleichzeitig flammte dahinter Licht auf; es kam aus unregelmäßig ge formten leuchtenden Platten an den Wänden und der Decke. Deutlich war eine walzenförmige Schleusenkammer von etwa hundert Schritt Durch messer zu erkennen. Dahinter lag ein zweites Lamellenschott. Sheeron und Tropp wechselten einen vielsagenden Blick. Sie fühlten sich sichtlich unbehaglich. Auch ich mußte unwillkürlich an eine Falle denken. Behutsam steuerte Tropp unser Staubei in die Schleusenkammer. Hinter uns schnappten die Metallamellen wieder zu, dann strömte Luft in die Kammer. »Normale Sauerstoffatmosphäre«, konstatierte Sheeron, als er nach eini ger Zeit auf die Ablesescheibe des Schiffsdetektors blickte. »Nur etwas kalt; einige Striche auf der Minusskala.« Es war eine Bemerkung, auf die niemand einging. Die niedrige Luft temperatur konnte auf eine Schwäche der Klimaanlage oder auf ein gerin ges Wärmebedürfnis der Erbauer des Kegelschiffes zurückzuführen sein. Was zutraf, würden wir vielleicht feststellen können, vielleicht aber auch
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nicht. Nach ungefähr dreißig Zeiteinheiten öffnete sich das zweite Lamellen schott. Ich reckte mich hoch, um zu sehen, ob die FARNATHIA auf dem Hangarboden stand. Die Enttäuschung schmerzte mich fast physisch. Das war zwar vielleicht ein Raumschiff, aber es war nicht die FARNA THIA. Auf dem Hangarboden lag ein Gebilde, das sich aus zahlreichen gebün delten, zylindrisch geformten Körpern zusammensetzte. Vorn und hinten befanden sich je eine Halbkugel aus unbekanntem, milchartig schimmern dem Material. Das war aber auch schon alles. Die Gesamtlänge dieses Raumfahrzeugs mochte vierzig Schritt betragen, der Bündeldurchmesser acht Schritt. Jepson Tropp setzte unser Staubei daneben auf und meinte: »Vielleicht ist es ein Beiboot des Kegelschiffes, das von einer Erkun dungsmission zurückkehrte.« »Jedenfalls müssen sich denkende Wesen im Kegelschiff aufhalten«, er gänzte Sheeron. »Warum nehmen sie nicht Kontakt mit uns auf?« »Möglicherweise wollen sie erst feststellen, ob unsere Absichten friedli cher Natur sind«, erwiderte ich. »Ich schlage vor, wir beide steigen aus und suchen nach einem Weg in das eigentliche Kegelraumschiff.« »Einverstanden«, sagte der Piratenführer. Er klappte seinen Druckhelm zu. Ich schloß ebenfalls meinen Helm, dann verließen wir unser Staubei. Als wir draußen standen, kam ich mir winzig vor. »Diese Hangarhalle kann viel größere Schiffe aufnehmen als dieses hier«, sagte ich und deutete auf das Bündelschiff. Hanwigurt Sheeron blickte mich von der Seite an. »Sie vermuten, daß der Hangar ursprünglich für ein anderes Schiff ge dacht gewesen war?« fragte er. »Ja«, erwiderte ich. »Möglicherweise gehört es gar nicht zu dem Kegel schiff, sondern hat nur Besucher gebracht.« Der Pirat ging auf das Bündelschiff zu und streckte vorsichtig die Hand aus. Seine behandschuhten Finger schienen die Oberfläche eines Zylinders zu berühren, aber ich sah dennoch, daß ein winziger Zwischenraum blieb. »Es wird durch eine Art enganliegenden Energieschirm geschützt, Shee ron«, sagte ich. Er zog die Hand zurück, als hätte er Feuer berührt. »Großes Weltall! Wenn der Energieschirm mich nun getötet hätte!« Er betrachtete seine Fingerkuppen. »Dabei habe ich überhaupt nichts gespürt. Mir war, als hätte ich eine völlig glatte und feste Fläche berührt.«
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Ich trat neben Sheeron und streckte ebenfalls die Hand aus. Über dem eigentlichen Material des Bündelschiffes lag ein hautdünner unnachgiebi ger Film, der sich weder heiß noch kalt anfühlte. Ein Beweis dafür, daß es sich um ein Fahrzeug handelt, das nicht in das Kegelschiff gehört! teilte mir der Logiksektor meines Extrahirns mit. »Ein Besucher also – wie wir«, überlegte ich laut. »Wie mag er ausse hen? Was hat ihn hierher geführt?« »Ich verstehe«, meinte Sheeron. »Ein Angehöriger der Schiffsbesatzung hätte den Energieschirm desaktiviert, sobald sich das Hangarschott hinter seinem Schiff geschlossen hätte.« Seine rechte Hand hatte sich unwillkürlich auf das Griffstück der Waffe gelegt, das aus dem Gürtelhalfter ragte. »Ich rate dazu, nicht zur Waffe zu greifen, bevor man uns dazu heraus fordert«, sagte ich eindringlich. »Das gilt auch für Sie, Tropp«, fügte ich hinzu, als mir einfiel, daß unser Pilot in seinem Telekom mithören konnte, was wir über die Helmfunkanlagen sagten. »Ich gehorche nur Sheeron!« drang Tropps Stimme protestierend aus dem Helmempfänger. »Dann befehle ich dir hiermit, Atlans Worte zu beherzigen«, erklärte Hanwigurt Sheeron. »Sein Rat erscheint mir gut.« »Danke, Sheeron«, sagte ich. »Dort hinten ist die Öffnung eines Lift schachts. Gehen wir hinein?« »Selbstverständlich«, erwiderte der Piratenführer. »Wenn ich einmal hier bin, will ich auch feststellen, was das für ein Schiff ist und wer es ge rade besucht.« Er warf einen nachdenklichen Blick auf das Bündelschiff. »Darin scheint ja niemand mehr zu sein, den wir fragen könnten.« Die Öffnung des Liftschachts war so breit, daß drei Arkoniden bequem gleichzeitig hindurchgingen. Das allein bedeutete allerdings nichts, aber die Höhe von mindestens zweieinhalb Mannslängen schien doch klar zu beweisen, daß die Benutzer des Kegelschiffes erheblich größer als Arkoni den waren. Der Antigravschacht – zweifellos war es einer – war zwar beleuchtet, aber nicht in Betrieb. Das störte uns jedoch nicht. Wir schalteten einfach die Flugaggregate ein und stiegen nebeneinander auf. Wir konnten gut erkennen, daß der Schacht weiter reichte als nur bis zum Ende der Hangarkugel. Wahrscheinlich ging er durch das gesamte Kegelschiff hindurch. Als wir die Stelle passierten, die nach meiner Schätzung der Übergang von Hangarkuppel zum Schiff war, erhielt ich einen schwachen elektri schen Schlag. Sheeron ging es ebenso, denn ich hörte, wie er plötzlich nach Luft
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schnappte. Der Schlag wiederholte sich allerdings nicht, deshalb flogen wir weiter nach oben. »Was war das?« fragte der Pirat. »Ich nehme an, es war ein Signal«, antwortete ich. »Ein Signal wofür?« »Dafür, daß wir uns im Kegelschiff befinden«, erläuterte ich. »Jede in telligente Art hat, trotz aller Verwandschaft technischer Wirkungsprinzipi en, eine Reihe von Gebräuchen, die sich von den Gebräuchen anderer in telligenter Arten unterscheiden. In diesem Falle handelt es sich um den Brauch, Informationen mittels elektrischer Schläge zu vermitteln. Wir be nutzen dafür Markierungen oder akustische Zeichen.« »Was ich für angenehmer halte«, meinte Sheeron. Wir flogen noch etwa zweihundert Schritt höher, dann erhielten wir den nächsten elektrischen Schlag – oder, genau genommen, einen elektrischen Doppelschlag. Wir zogen beide den gleichen Schluß daraus, denn als ich abbremste, blieb Sheeron neben mir, was bewies, daß er im gleichen Augenblick wie ich abgebremst hatte – und zwar mit den gleichen Werten. »Eventuelle Beobachter würden aus unserem Verhalten schließen, daß wir recht gelehrig seien«, sagte ich ironisch. »Rechnen Sie mit heimlichen Beobachtern, Atlan?« fragte Hanwigurt Sheeron. »Allerdings«, gab ich zurück. »Wer immer sich in diesem Schiff auf hält, kann die Möglichkeit besitzen, die Umgebung zu kontrollieren. In dem Fall hätte er die Ankunft der Staubeier registriert und auch die Ein schleusung unseres Schiffes bemerkt. Ich würde in einem solchen Fall ver suchen, die Eindringlinge heimlich zu beobachten, um festzustellen, wie sie sich verhalten und daraus meine Schlüsse ziehen.« Während ich sprach, schwangen wir uns – wiederum gleichzeitig und ohne vorherige Verständigung – durch eines der vier Tore, die etwa sechs Schritt oberhalb der Elektrosignalanlage lagen. Wir traten auf weiches, violett schillerndes Plastik, schalteten unsere Flugaggregate aus und blickten uns um. Vor uns lag eine große Halle, deren Decke wellenförmig gestaltet war. Zahllose irisierende Vorhänge hingen von der Decke bis auf etwa drei Schritt Höhe herab. Sie hatten alle die gleiche Form; etwa fünf Schritt lang, zwei Schritt breit und sehr dünn. Nur in den Farbmustern unterschie den sie sich voneinander, obwohl bei keinem Vorhang eine der Spektral farben fehlte. Und die Vorhänge bewegten sich gleich vom Wind angehauchten zarten Schleiern – nur daß es hier keine spürbare Luftbewegung gab. »Seltsame Dinger«, sagte Sheeron und blickte zu den direkt über uns
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hängenden Schleiern. »Sie sehen prächtiger aus als Meerspinnenseide, aber was sollen sie hier?« Das fragte ich mich auch. Irgendeine Bedeutung mußten die irisierenden Schleier für die Besat zung des Schiffes gehabt haben, und wenn es nur eine ästhetische Bedeu tung gewesen war. »Ob ich ein paar Schleier für Vagara und Usbiny mitnehme?« fragte Sheeron im Selbstgespräch. Ich hörte seine Stimme nur wie aus weiter Ferne, denn plötzlich war der ganze Saal von einem eigenartigen melodischen Klingen erfüllt, einer zu gleich zarten und bittersüßen Tonfolge, die wehmütig stimmte. Es war wie ein Meer, dessen Wogen sanft über mir zusammenschlugen und mich mitzogen in ein prächtiges, glitzerndes Reich, in dem sich alle Wünsche erfüllten. Alle …? Nicht alle Wünsche. Das glitzernde Reich enthielt einen Fehler, der zwar nicht sichtbar war, den ich aber ahnte. Blockieren! Das war mein Extrahirn gewesen. Was meinte es nur mit »Blockieren«. Herrlich! Köstliche Vollendung! Aber mit einem Fehler, du Narr! »schrie« mein Logiksektor. Blockiere endlich dein Gehirn gegen die parapsychischen Impulse, die deinen Geist verwirren! Soll ich die herrlichste Offenbarung des Universums aus meinem Be wußtsein verbannen? dachte ich zurück. Du mußt, oder du wirst nie mehr bewußt denken! Ein Teil von mir wehrte sich gegen die Zumutung meines Extrahirns, ein anderer Teil begriff, daß ich auf den Rat meines Logiksektors hören mußte. In mir spielte sich ein erbitterter Widerstreit ab, in dem schließlich doch die Vernunft siegte. Indem ich mir sagte, ich könnte die Blockierung jederzeit wieder aufhe ben, schwächte ich den Teil meines Egos, der sich gegen eine Blockierung sträubte. Ich tauchte aus einem prickelnden Meer auf, geriet aus beispielloser Schönheit in die triste Realität – und wollte mich instinktiv wieder hinab sinken lassen. Doch dann sah ich Hanwigurt Sheeron, der mit den steifen Schritten ei nes Spielzeugroboters an mir vorbei ging und sich auf ein offenes Schott zubewegte, das sich im Hintergrund der Halle befand. Der Piratenführer schien seine reale Umwelt überhaupt nicht wahrzunehmen. Das gab den Ausschlag. Ich konsolidierte die psionische Blockierung, eilte Sheeron nach und riß
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ihn an der Schulter zu mir herum. Er sträubte sich, wachte aber nicht auf, sondern sah mit verzücktem Blick scheinbar durch mich hindurch. Mir blieb nichts anderes übrig, als seinen Druckhelm zurückzuklappen und ihm zwei schallende Ohrfeigen zu versetzen. Sheeron riß den Mund auf und schnappte gleich einem Ertrinkenden nach Luft. Dann blickte er sich mit wild rollenden Augen um. Als er mich bewußt sah, stieß er einen Wutschrei aus und griff mich an. »Was ist los?« erscholl unvermittelt Tropps Stimme aus dem Helmemp fänger. Ich wich dem Piratenführer aus, aber das war nicht mehr nötig gewesen. Tropps Frage schien ihn zur Besinnung gebracht zu haben. Er schüttelte heftig den Kopf, holte noch einmal tief Luft und sagte dann mit beinahe wieder normaler Stimme: »Alles in Ordnung, Jepson. Ich hatte nur schlecht geträumt.« Er blickte mich an und grinste. »Nein, eigentlich war es ein schöner Traum gewesen, nur das Erwachen war grauenhaft. Ich war parapsychisch beeinflußt, nicht wahr, Atlan? Wa rum sind Sie wieder unbeeinflußt geblieben?« »Wir waren beide beeinflußt«, entgegnete ich. »Nur kehrte ich früher aus dem ›schönen Traum‹ zurück. Sehen wir nach, wohin der Traum uns führen sollte!« Ich deutete zu dem Schott, in dessen Richtung wir beide während der Phase unserer Willenlosigkeit gegangen waren. Leider schloß es sich gleich darauf, aber vorher konnten wir noch einen Blick auf das erhaschen, was sich dahinter befand. Eine hellblaue Masse mit glänzender Oberfläche, die in ständiger zäher Bewegung begriffen war. »Plasma?« fragte Hanwigurt Sheeron mit bleichem Gesicht. »Es könnte Bioplasma gewesen sein«, antwortete ich leise, »aber keine Art, die ich kenne. Wahrscheinlich sollten wir zu einem Bestandteil dieses Plasmas integriert werden.« Sheeron erschauderte. »Also aufgefressen. Ist das die Besatzung des Kegelschiffes?« »Nein«, sagte jemand in akzentfreiem Arkonidisch. »Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Basissubstanz zur Heranzüchtung stark proteinhaltiger Nahrungsmittel, die unter der anhaltenden Hyperstrahlung mutierte.« Wir fuhren beide herum und starrten das Wesen an, das zu uns gespro chen hatte. Es stand vor einem hohen Schott, das sich rechts von uns in der Wan dung geöffnet hatte, glich in Körpergröße und – form weitgehend einem
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Arkoniden, konnte aber doch kein reiner Arkonide sein, denn seine Schul tern waren zirka 1,2 Schritt breit. Gekleidet war er ebenfalls wie ein arkonidischer Raumfahrer. Doch die verschiedenen Geräte und Instrumente, die zu seinem Raumanzug gehör ten, sahen fremdartig aus. Sie wirkten irgendwie höher entwickelt als un sere. Sein Aggregattornister war erheblich kleiner als unsere ungefügen Geräte; ich nahm jedoch an, daß er deswegen nicht weniger Funktionen erfüllte. Vom Gesicht des Wesens konnten wir nichts sehen, da es eine goldfar bene Maske trug, aber der kahle, von ölig wirkender brauner Haut über spannte Schädel deutete darauf hin, daß es sich um den Angehörigen einer uns unbekannten Rasse handelte. »Wer sind Sie?« fragte Hanwigurt Sheeron. »Mein Name ist ohne Bedeutung«, antwortete der Fremde. »Ich bin ein Besucher – und in gewissem Sinne ein Sucher.« Ich hatte das Gefühl, als lächelte der Fremde bei seiner Antwort. Sehen konnte ich das wegen der Gesichtsmake allerdings nicht. Aber er strahlte eine Ausgeglichenheit, Klugheit und Kraft aus, die ihn mir sympathisch machte. Ich klappte meinen Druckhelm zurück und sagte: »Wir sind ebenfalls Besucher dieses Schiffes und zugleich Sucher. Sie kennen sich offenbar inzwischen gut in diesem Schiff aus?« Er neigte leicht den Kopf. »Ich war vor Ihnen hier«, antwortete er bescheiden. »Wo ist die Besatzung?« erkundigte sich der Pirat. »Sie muß das Schiff vor langer Zeit verlassen haben«, antwortete der Fremde. »Es befindet sich kein Beiboot mehr hier. Als, wahrscheinlich durch Überlastung in einem Hypersturm, wichtige Teile des Antriebssy stems ausfielen, ging die Besatzung natürlich von Bord.« »Aha!« machte Sheeron. Seine Augen glitzerten gierig. »Erheben Sie Anspruch auf dieses Schiff?« Der Fremde lachte leise. »Nein, Pirat.« Er wurde sofort wieder ernst. »Aber das Schiff gehört der neuen Lebensform, die sich in ihm ent wickelt hat. Es ist eines der großen Wunder des Kosmos, und es wäre sehr schade, es zu vernichten. Sie würden ein gutes Werk tun, wenn Sie das Schiff unangetastet ließen.« Sheeron stöhnte. »Ein gutes Werk!« zeterte er. »Was bin ich denn? Der Leiter einer Wohlfahrtsinstitution vielleicht? Hören Sie, Fremder! Ich bin dafür verant wortlich, daß zehntausend Männer, Frauen und Kinder ihr Auskommen
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haben.« »Ich weiß«, sagte der Fremde. »Aber Sie sind kein Mörder, Hanwigurt Sheeron. Sie haben noch nie die Besatzung eines havarierten Raumschif fes niedergemetzelt, um das Schiff ausschlachten zu können.« »Natürlich nicht!« schrie der Oberpirat schwitzend. »Wir haben die Ha varisten gerettet, wenn sie sich retten ließen, und uns dafür ihre Schiffe überschreiben lassen. Aber da handelte es sich um intelligente Wesen. Woher wissen Sie überhaupt über mich Bescheid?« »Ich hatte etwas über Sie gehört«, erklärte der Fremde geduldig. »Übrigens sind die jetzigen Bewohner dieses Schiffes ebenfalls intelligent, wenn auch sehr fremdartig. Sie können aber nur auf diesem Schiff existie ren. Wie entscheiden Sie sich, Sheeron?« »Wenn ich nun sage, ich würde diese Wesen töten?« erkundigte sich der Pirat lauernd. »Ich würde diese Entscheidung sehr bedauern«, erwiderte der Fremde. »Und würden Sie versuchen, mich an der Ausführung meines Ent schlusses zu hindern?« fragte Sheeron weiter. »Nein, ich nicht«, erklärte der Fremde. »Aber ich«, warf ich ein. Hanwigurt Sheerons Gesicht lief blaurot an, doch dann unterdrückte er seinen Zorn. Resignierend sagte er: »Ich werde eine Quarantäne über das Schiff verhängen. Niemand soll Hanwigurt Sheeron einen Unhold nennen dürfen. Obwohl diese Bewohner versucht haben, mich und Atlan aufzufressen.« »Sie irren sich«, entgegnete der Fremde. »Es handelt sich um ein Kol lektivwesen, das Sie lediglich als neue Mitglieder in seine enge Gemein schaft aufnehmen wollte. Aber in Ihrer derzeitigen Existenzform sind Sie ein erheblich nützlicheres Mitglied dieser geschichtlichen Formation.« Er hob eine Hand zum Gruß. »Ich muß Sie leider verlassen. Die Pflicht ruft. Aber ich habe etwas für Sie.« Er kam zu mir und reichte mir ein Stück Folie, auf dem kosmonautische Positionsdaten standen. »Dort sollten Sie die FARNATHIA eigentlich noch finden, wenn ich mich nicht irre, Kristallprinz«, sagte er dabei. Ich nahm die Folie entgegen. »Danke«, sagte ich leise. »Aber warum müssen Sie uns verlassen, Su cher? Ich kann mir gut vorstellen, daß wir Freunde würden, wenn wir zu sammenblieben.« Er legte mir eine Hand auf die Schulter, und ich spürte die gewaltige, aber gebändigte Kraft, die in dem Körper des Fremden steckte – und nicht nur im Körper.
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»Was nicht ist, kann noch werden«, erwiderte er. »Bleiben Sie, wie Sie sind, und geben Sie niemals auf.« Er nahm die Hand von meiner Schulter, wandte sich um und ging zum nächsten Schachteinstieg. »Warten Sie!« rief Sheeron ihm nach. »Meine Männer werden vielleicht auf Ihr Schiff schießen, wenn Sie plötzlich aus dem Hangar kommen.« Vor dem Lifteinstieg wandte der Fremde sich noch einmal um. »Sie könnten mir nicht schaden, Hanwigurt Sheeron. Doch sie werden mich nicht bemerken, denn mein Weg führt nicht durch den Raum.« Er schwang sich in den Schacht und war bald darauf unseren Blicken entschwunden. »Puh!« machte Sheeron und wischte sich den Schweiß aus den Augen. »Der Kerl wurde mir richtig unheimlich. Ihnen nicht auch, Atlan?« »Nein«, antwortete ich. »Er kam mir vor wie ein guter Freund, den ich einmal kannte – oder einmal kennen werde.« Ich gab mir einen Ruck. »Aber nun wollen wir die FARNATHIA aufsuchen. Werden Sie dieses Schiff tatsächlich unter Quarantäne stellen?« »Selbstverständlich.« Der Piratenführer blickte auf die leicht wehenden irisierenden Schleier. »Keine Macht des Universums wird mich in dieses Schiff zurückbrin gen, Atlan.« Ich lächelte in mich hinein. Ein fluguntüchtiges Schiff, das unter Quarantäne stand, war genau der passende Aufbewahrungsort für »meine« Metallspinne. Hier würde sie warten müssen, bis ich eines Tages Zeit fand, sie zu holen und wissen schaftlich untersuchen zu lassen. Ich ließ den Piraten vorausgehen, und als er im Liftschacht versank, schob ich die unzerstörbare Kapsel rasch in eine der winzigen Nischen, die sich in der Außenwand des Schachtes befanden.
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5.
Der Flug zu dem Koordinatenpunkt, dessen Daten auf der Folio vermerkt waren, entwickelte sich zu einem Alptraum. Hematas vier Staubeier schlossen sich unserem Schiff und dem Staubei Shechtars an. Wir flogen so eng zusammen, daß der Funkkontakt theore tisch nicht abreißen konnte. Dennoch riß er mehr als einmal ab. Die letzte Etappe führte uns durch einen Dunkelnebel von unglaublich erscheinender Dichte. Als wir die Energieschirme kurz einschalteten, flammte es rings um unsere Schiffe grell auf. Die Reaktionszone ent wickelte sogar Hyperenergien, die sämtliche Ortungsgeräte störten und ei ne Navigation unmöglich machten. Hanwigurt Sheeron befahl, die Energieschirme abzuschalten und den Flug mit stark gedrosselter Geschwindigkeit fortzusetzen. Jepson Tropp bremste schimpfend ab. Als wir nur noch mit zehn Pro zent LG flogen, desaktivierte ich unseren Energieschirm. Das grelle Leuchten erlosch sofort. Dafür erscholl ein infernalisches Pfeifen. Es wur de von der Reibung der Staubpartikel auf unserer Schiffshülle hervorgeru fen. Die Temperatur unserer Außenzelle stieg innerhalb kurzer Zeit auf be drohliche Werte. Tropp mußte die Geschwindigkeit auf fünf Prozent LG verringern, bevor die Temperatur auf ein vertretbares Maß absank. »Wahnsinn!« flüsterte Sheeron. »Mußten wir denn unbedingt durch diese Dunkelwolke?« fragte ich. »Es gibt doch sicher andere Wege zu dem Koordinatenpunkt.« »Die gibt es allerdings«, gab der Piratenführer zu. »Doch sie führen durch Gegenden, zu denen diese vergleichsweise ein staubfreier Raum ist. Es gibt dort unsichtbare Löcher im Raum-Zeit-Gefüge, durch das schon viele gute Raumschiffe gefallen sind. Man kann sie nicht vorher erken nen.« Ich blickte nach draußen, in die Finsternis, die an- und abschwellend rauschte, weil die Dichte nicht konstant war. Das Rauschen erinnerte mich an Meereswogen, die an einen Strand brandeten. »Was sagt die Detektoranzeige?« erkundigte ich mich bei Jepson Tropp. »Gibt es organische Materie in diesem Dunkelnebel?« »Jede Menge«, antwortete der Pilot. »Sogar Aminosäuren werden ange zeigt.« »Danke«, sagte ich. Dieser finstere Staubnebel enthielt also bereits die Anfänge des Lebens, obwohl er für unvorsichtige Eindringlinge tödlich war. Irgendwann würde er eine Sonne gebären – und Planeten, auf denen Äonen später vernunftbe
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gabte Lebewesen zu den Sternen aufblickten und sich fragen würden, ob es auch anderswo intelligentes Leben gab. Alles war schon einmal dagewesen – und alles wiederholte sich. Ein scheinbar unendlicher Zyklus rollte im Universum ab, dessen wundersam ste Schöpfung die Entwicklung bewußt denkender Materie war. Hanwigurt Sheeron schaltete am Funkgerät. »Nichts zu machen«, sagte er nach einiger Weile. »Ich bekomme keine Funkverbindung zu den anderen Staubeiern.« »Nur Geduld«, sagte ich, obwohl ich danach fieberte, die FARNATHIA endlich zu finden – und mit ihr meine Farnathia. Viele Zeiteinheiten waren verstrichen, als wir plötzlich aus dem Dun kelnebel in grelles Licht hinaus schossen. Im nächsten Augenblick beka men wir Funkkontakt mit den übrigen Staubeiern. Wir hatten uns nur un wesentlich voneinander entfernt. Sheeron erteilte den Befehl zur Transition. Sie sollte uns bis in die un mittelbare Nähe jenes Koordinatenpunktes bringen, auf dem die FARNA THIA sich befinden sollte. Die Berechnungen wurden diesmal besonders sorgfältig durchgeführt, denn die Piraten wußten, daß der Rematerialisationspunkt nur wenige Lichtminuten von einem breiten Strom kosmischer Trümmer entfernt sein würde. Eine geringe Sprungabweichung konnte uns mitten in einem Trüm merbrocken rematerialisieren lassen und würde die Gefahr einer Kollision heraufbeschwören. Mir wurde klar, daß ich ohne die Hilfe der Piraten niemals bis zur FAR NATHIA gekommen wäre, auch wenn mir zehn oder mehr Suchschiffe zur Verfügung gestanden hätten. Die Sogmanton-Barriere wies so viele Tücken auf, daß jemand, der sich nicht genau in ihr auskannte, sich am be sten fern von ihr hielt. Die Ent- und Rematerialisation schienen, wie immer, Ereignisse eines Augenblicks zu sein. Noch halb benommen, versuchte ich, mich nach vorn zu beugen und einen Blick auf die Ortungsschirme zu erhaschen. In diesem Augenblick schrillte der automatische Ortungsalarm – und im nächsten Augenblick sah ich den Grund dafür. Auf dem Silhouettenschirm des Objekttasters erschien das Abbild eines riesigen Speichenrades mit einer langen, spindelförmigen Nabe in der Mit te. »Maahks!« schrie Tropp. »Eine Weltraumstation der Methans!« Hanwigurt Sheeron schaltete die Funkverbindung zu den anderen Stau beiern ein. »Beschleunigen und in den Schutz des Asteroidenstroms zurückzie hen!« befahl er. »Alle Ortungsgeräte auf Weltraumstation richten!« Unser Staubei legte sich auf die Seite, als Jepson Tropp einen Energie
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wirbel ausnutzte, um uns in Richtung des Trümmerstroms zu befördern. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, einen Direktblick auf die maahksche Station zu erhalten, sah jedoch nur ein helles Blinken in der Ferne. Deshalb konzentrierte ich mich wieder auf den Silhouettenschirm des Objekttasters. Diesmal sah ich das riesige Rad aus einem anderen Blick winkel. Und im nächsten Augenblick hatte ich ein Gefühl, mein Herz müßte ste henbleiben! Denn in den Speichen der Station hing ein etwa zehn Schritt langer und fünf Schritt durchmessender torpedoförmiger Körper mit in der Mitte an gesetzten Deltaflügeln. Die FARNATHIA! Ich stieß Sheeron an und deu tete auf das elektronische Abbild des Kleinraumschiffes. »Sehen Sie sich das an!« rief ich. »Das ist die FARNATHIA! Der Fremde hat also doch die Wahrheit gesagt.« Der Piratenführer blickte mich mit wild funkelnden Augen an. »Aber er hat nicht gesagt, daß die FARNATHIA von Maahks aufge bracht wurde, Atlan. Das ändert die Lage entscheidend. Wir werden die Methans vernichten.« Ich verstand den Mann. Er war Arkonide wie ich, und wenn es um die Maahks ging, die die Existenz aller Arkoniden be drohten, dann spielte es keine Rolle, ob er Pirat war oder Angehöriger der Imperiumsflotte. Die Wasserstoffatmer hatten zahllose unserer bewohnten Welten zerstört und gnadenlos Milliarden von Arkoniden getötet. Das hat te einen Haß erzeugt, der beim Anblick von Maahks oder maahkscher Raumfahrzeuge nur noch an Vernichtung denken ließ. Eine notwendige Zwangsreaktion! teilte mir mein Logiksektor mit. Der Arterhaltungstrieb ist erheblich stärker als der Selbsterhaltungs trieb. Tritt eine absolut tödliche Bedrohung der Art auf, erzeugt der Arter haltungstrieb Haß, um alle Hindernisse, wie Angst und Furcht, zugunsten der gezielten Aggressivität auszuschalten. Es ist die einzige Chance, den drohenden Untergang der ganzen Art zu verhindern. So war das also. Aber noch durfte ich nicht zulassen, daß die Piraten ihrem Haß freien Lauf ließen. Zuerst mußte ich wissen, ob Farnathia noch lebte. Lebte sie noch, mußte ich alles daransetzen, um sie zu befreien. »Wir wissen nicht, ob in der Station überhaupt noch Maahks leben, Sheeron«, sagte ich eindringlich. »Wenn sie voll besetzt wäre, hätte man uns längst unter Beschuß genommen. Wir müssen auf jeden Fall versu chen, Funkkontakt mit der FARNATHIA zu bekommen.« Hanwigurt Sheeron knirschte mit den Zähnen. »Wir müssen die Station vernichten, ob sie voll besetzt ist oder nicht, Atlan. Begreifen Sie endlich, daß es im Methankrieg um Sein oder Nicht sein geht. Am Ende dieses Krieges werden entweder die Maahks oder wir
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ausgelöscht sein.« »Ich weiß«, erwiderte ich. »Sie kennen kein Erbarmen, folglich dürfen wir auch kein Erbarmen kennen. Aber das braucht uns doch nicht daran zu hindern, wenigstens die Rettung der Schiffsbesatzung zu versuchen.« Inzwischen war unser Staubei zwischen fünf Trümmerstücken unterge taucht, die langsam umeinander kreisten und sich dabei mit der gleichen Geschwindigkeit und in die gleiche Richtung bewegten, wie die gesamte Sogmanton-Barriere. Tropp steuerte unser Schiff an den größten Trümmerbrocken – er war fast so groß wie ein Schwerer Kreuzer der Imperiumsflotte – und veran kerte ihn dort magnetisch. Sheeron schaltete den Hyperkom auf größte Sendekapazität, zog das Mikrophon zu sich heran und sapte: »Sheeron an alle Suchgruppen in der Sogmanton-Barriere. Wir haben eine Weltraumstation der Maahks entdeckt, sind aber zu schwach, um sie vernichten zu können. Deshalb sammeln sich alle Gruppen an folgender Position …« Der Spruch war automatisch gespeichert worden. Nachdem Sheeron die Koordination genannt hatte, schaltete er den Hyperkom auf endlose Wie derholung. Er sah mich ausdruckslos an. »Achtundfünfzig Staubeier – vielleicht auch ein paar weniger, wenn die anderen Gruppen ebenfalls Verluste hatten – dürften ausreichen, um dieses Riesenrad zu vernichten.« »Nachdem die Rettungsaktion abgeschlossen ist«, entgegnete ich und blickte ihn starr an. »Der Haß auf die Maahks ist naturnotwendig, aber das darf doch nicht verhindern, daß wir versuchen, unsere eigenen Leute zu retten, wo immer das möglich ist. Und hier ist es möglich!« Ist der Haß auf die Maahks wirklich naturnotwendig? fragte ich mich. Nein, er ist nur situationsbedingt, erzeugt durch den gnadenlosen Ver nichtungswillen der Maahks, sagte ich mir. Nicht wir haben unseren Haß erzeugt, sondern die Maahks, indem sie uns ihren gnadenlosen Haß dra stisch demonstrierten. Aber dann blieb die Frage, woher der Haß der Wasserstoffatmer auf al le Sauerstoffatmer kam. Wodurch war dieser Haß ausgelöst worden? Denn im Grunde genommen war es absolut unvernünftig, wenn sich Intel ligenzen, von denen die eine Art nichts mit den Lebensbedingungen der anderen Art anfangen konnte, überhaupt bekämpften. Die Maahks dachten streng logisch, das wußten wir inzwischen. Folglich mußte es einen logi schen Grund für ihren unbeirrbaren Vernichtungswillen geben. Ich nahm mir vor, nach diesem Grund zu forschen, sollte ich jemals die Gelegenheit dazu haben.
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Doch im Augenblick ging es um Farnathia. Hanwigurt Sheeron erwiderte meinen starren Blick. Nach einer Weile seufzte er. »Schön, Atlan, Sie erhalten ein Staubei, mit dem Sie zur Station fliegen und nachsehen können, was mit der FARNATHIA ist. Aber ich komme diesmal nicht mit – nicht, wenn es sich um eine Station der Maahks han delt.« »Das verlange ich auch nicht von Ihnen«, erwiderte ich. »Sobald Sie und Tropp in ein anderes Staubei umgestiegen sind, fliege ich los.« Jepson Tropp wandte den Kopf und sagte gelassen: »Ich komme mit, Atlan. Zwei Männer können mehr ausrichten als einer, meinen Sie nicht auch?« Ich streckte dem Piloten impulsiv die Hand hin. »Da haben Sie recht. Danke, Jepson.« »Keine Rührszenen, bitte!« schimpfte der fette Sheeron. »Es ist Wahn sinn von dir, Jepson, zu der Station zu fliegen, aber wenn du unbedingt Selbstmord begehen willst, bitte!« Er schnaufte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Aber wenn ihr Narren schon dort hinüberfliegt, nehmt wenigstens zwei Staubeier in Schlepp, damit ihr eventuelle Überlebende darin unterbringen könnt. Ich werde das organisieren.« Ich lächelte ihn dankbar an. Der Piratenführer war gar nicht so übel, wie er sich oft zu geben pflegte. »Allerdings müssen wir warten, bis die anderen Gruppen hier eingetrof fen sind«, fügte Sheeron hinzu. Er wandte sich wieder an Tropp. »Sind die letzten Ortungsergebnisse ausgewertet, Jepson?« Unser Pilot hob die Hand … »Soeben laufen die Ortungsergebnisse der übrigen fünf Staubeier ein. Ich werde sie analysieren lassen, dann sehen wir weiter.« Wir warteten geduldig, bis die Bordpositronik sämtliche Ortungsergeb nisse, die von unseren Eiern beim schnellen Rückzug in die Deckung des Asteroidenstromes erzielt worden waren, analysiert hatte. Endlich las Tropp uns das Ergebnis vor. »Die Station muß in einem Hypersturm schwer beschädigt worden sein«, erklärte er. »An sieben Stellen wurden Ausbesserungsarbeiten durchgeführt, allerdings nur provisorische. Das könnte bedeuten, daß nur wenige Maahks die Katastrophe überlebten. Außerdem scheint die Station noch immer manövrierunfähig zu sein.« »Was ist mit der FARNATHIA?« warf ich ein. »Wahrscheinlich ebenfalls in einen Hypersturm geraten. Die Außenhül le ist teilweise ausgeglüht; die Deltaflügel sind verbogen. Offenbar wurde sie, als der Hypersturm sie ausspuckte, in die Speichen der maahkschen
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Station geschleudert und blieb dort hängen.« In mir krampfte sich alles zusammen. Obwohl ich mich gegen den Gedanken wehrte, konnte ich mich doch nicht gegen die Einsicht sträuben, die Tropps Aussage bewirkt hatte. Die Wahrscheinlichkeit, Farnathia lebend wiederzusehen, war gering. Doch sie war nicht gleich Null – und das allein entschied. »Ich will sie holen, ob sie noch lebt oder nicht«, erklärte ich entschlos sen. »Vielleicht haben die Maahks die Besatzung längst gefangen und in die Nabe verschleppt«, meinte Hanwigurt Sheeron. »Das glaube ich nicht«, widersprach Jepson Tropp. »Die Schleuse läßt sich bestimmt nicht mehr öffnen. Die Maahks hätten also ein Loch in die Wandung brennen müssen, um sich der Besatzung zu bemächtigen. Von einem Loch ist jedoch nichts zu erkennen. Und wenn die Schleuse sich hätte öffnen lassen, hätten die Maahks sie bestimmt nicht wieder geschlos sen.« »Wahrscheinlich haben die Wasserstoffatmer große Mühe, sich in ihrer angeschlagenen Station am Leben zu erhalten und können sich nicht um andere Gestrandete kümmern«, warf ich ein. Sheeron brummte etwas vor sich hin, das ich nicht verstand. Mit bohrender Ungeduld wartete ich auf das Eintreffen der anderen Suchgruppen. Immer wieder drängte ich Sheeron, mich doch mit einem Staubei zur Station fliegen zu lassen. Der Piratenführer lehnte beharrlich ab. Endlich, nach fast einem halben Tag, als ich schon halb wahnsinnig vor Angst um Farnathia geworden war, trafen nacheinander die übrigen Grup pen ein. Es stellte sich heraus, daß auch sie Verluste zu verzeichnen hat ten, so daß jetzt von den ursprünglich sechzig Schiffen nur noch dreiund fünfzig existierten. Hanwigurt Sheeron tobte wegen des Verlustes der Schiffe. Vom Verlust der Besatzungen erwähnte er nichts, aber ich sah ihm an, daß ihn das noch mehr schmerzte. Als er sich halbwegs beruhigt hatte, organisierte er die Rettungsaktion. Er stieg in ein anderes Staubei um, und auch die Besatzungen weiterer zwei Staubeier mußten sich auf andere Schiffe verteilen. Danach flogen Jepson Tropp und ich los, nahmen die beiden leeren Staubeier an Magnettrossen in Schlepp und steuerten geradewegs auf die Weltraumstation der Maahks los. »Die bisherige Passivität der Maahks könnte darauf zurückzuführen sein, daß die Fernortungssysteme der Station ausgefallen sind«, meinte Tropp nachdenklich. »Wenn wir dicht herankommen, sieht man uns aber möglicherweise auf den Bildschirmen der Außenbeobachtung oder durch
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die Druckfenster.« Ich erwiderte nichts darauf. Mir war klar, welches Risi ko wir eingingen. Wenn die Maahks uns entdeckten, bevor wir an ihrem Riesenrad angelegt hatten – und wenn sie auch nur ein Geschütz in unsere Richtung drehen konnten –, würden sie nicht zögern, das Feuer zu eröff nen. Dennoch wäre es nicht klug gewesen, unseren Energieschirm zu akti vieren. Das hätte die Gefahr einer Energieortung beträchtlich erhöht. So aber war diese Gefahr minimal, da Jepson Tropp zur Navigation lediglich die Energieströmungen und – wirbel der Sogmanton-Barriere benutzte. Je näher wir dem wahrhaft gigantischen Riesenrad kamen, desto klarer konnte ich erkennen, daß die FARNATHIA ein halb ausgeglühtes Wrack war, das sich niemals aus eigener Kraft von der Speiche lösen konnte, an der es gestrandet war. Wenn noch jemand in diesem Wrack lebte, mußte er alle Hoffnung auf Rettung begraben haben. Wahrscheinlich hält Farnathia mich für tot, überlegte ich. Als ich diese Überlegung durchleuchtete, wurde mir klar, daß ich immer noch fest daran glaubte, daß sie lebte. »Ja, ich fühle es«, flüsterte ich. »Sie lebt.« »Was haben Sie gesagt, Atlan?« erkundigte sich Tropp. »Ich habe nur im Schlaf gesprochen«, antwortete ich. Wir waren nur noch ungefähr tausend Schritt von dem äußeren Ring des Rades entfernt, als ich neben uns etwas treiben sah: einen massigen Raum anzug mit einer halbmondförmigen Erhebung dort, wo normalerweise ein runder Druckhelm saß. »Ein Maahk«, sagte ich. »Ein toter Maahk«, erwiderte Tropp leise. »Sein Raumanzug ist an der Seite aufgerissen. Wahrscheinlich verunglückte er bei Außenarbeiten und trieb ab.« »Er hängt an einem langen Seil«, ergänzte ich. »Seine Kameraden hät ten ihn daran hereinziehen können. Sie müssen sich in einer schlimmen Lage befinden, wenn sie das unterlassen haben.« »Desto besser für uns«, sagte Tropp. Das war auch mir klar. Dennoch fühlte ich eine eigentümliche Verbun denheit mit den Überlebenden der Station. Sie waren zwar Maahks, aber sie waren auch Raumfahrer in Not, und das weckte instinktiv Solidarität. Jepson Tropp holte die beiden anderen Staubeier mit den Magnettrossen dicht an unser Staubei heran, dann verankerte er das Trio nahe der FAR NATHIA an derselben Speiche, die aus der Nähe mehreren aneinanderge reihten maakhschen Walzenschiffen glich. Ich sah mehrere Schotts an der Außenhülle der Speiche. Doch von ihnen drohte uns kaum Gefahr, denn die Speiche war an vielen Stellen zerrissen und an anderen so plattge drückt, daß sich in ihr niemand von der Nabe zu uns anschleichen konnte.
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Unsere Umgebung strahlte einen so starken Hauch von Grauen und Verzweiflung aus, daß ich erschauderte. Es ist immer bedrückend, das Wrack eines Raumfahrzeugs aus der Nähe zu sehen. Hier war dieses Ge fühl aber noch viel stärker. Tropp und ich blickten uns an, dann schlossen wir unsere Druckhelme und stiegen aus. Ich sah, daß wir auf der Seite der Speiche standen, die, wenn man die Station als Bezugssystem nahm, unten war. Dennoch hatte ich nicht das Gefühl, im nächsten Moment herabzufallen wie eine reife Frucht. Weder bei der Nabe noch bei der FARNATHIA rührte sich etwas, als wir uns dem Kleinraumschiff mit genau abgewogenen Sprüngen näherten. Ich mußte mich sehr beherrschen, um nicht im letzten Augenblick einen Funkkontakt zu versuchen, der den Maahks die Anwesenheit Fremder ver raten konnte. Dann standen wir neben der FARNATHIA und musterten das äußere Schleusenschott. Es würde nicht mehr funktionieren, das war uns klar. Ei ne energetische Entladung hatte die rechte Seite und zwei Drittel des obe ren Randes mit dem Metallplastik der Außenhülle verschweißt. »Wir müssen uns hineinbrennen«, erklärte Tropp und klopfte auf das Griff stück seines Desintegrators, das aus dem linken Gürtelhalfter ragte. Er zog die Waffe allerdings noch nicht, und ich wußte auch, warum er zögerte. Wenn wir die Schiffswandung gewaltsam durchbrannten, mußte es drin nen zu einem explosiven Druckabfall kommen. Überlebende, die zu die sem Zeitpunkt keinen geschlossenen Raumanzug trugen, waren dann ver loren. Unter Umständen führten wir den Tod von Farnathia herbei, den zu verhindern wir gekommen waren. Es war ein teuflischer Kreis, aber es gab keine andere Lösung, denn un ternahmen wir gar nichts, war das Schicksal der Besatzung endgültig be siegelt. Ich zog meinen Desintegrator, nickte Tropp zu und sagte mit einer Stimme, die mir völlig fremd vorkam: »Fangen wir an – und beeilen wir uns!« Die erste Arbeitsphase war unserer Meinung nach noch unproblema tisch, denn wenn das Außenschott aufgebrannt war, gab es noch das In nenschott, das ein Entweichen der Schiffsatmosphäre verhinderte. Als die Desintegrationsstrahlen sich durchgearbeitet hatten, bewies uns allerdings eine augenblicklich kondensierende Luftfontäne, daß wir uns geirrt hatten. Das Innenschott war nicht geschlossen gewesen. Ich hatte das Gefühl, innerlich zu vereisen, während wir uns verbissen weiterarbeiteten.
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Endlich war die Öffnung im Außenschott groß genug, daß wir hindurch kriechen konnten. Das erste, was wir dahinter im Licht unserer Helm scheinwerfer erblickten, war der Leichnam eines Mannes. Trotz. des ent stellten Gesichts erkannte ich Tonven Debaaner, einen der ehemaligen Ge fangenen des Blinden Sofgart, der mit Farnathia und mir von der Folter welt gestartet war. Er hatte die Freiheit nicht mehr genießen können. Wenigstens aber war nicht unser Durchbruch durch das Außenschott für seinen Tod verantwortlich gewesen. Das bewies die an der rechten Hüfte blutdurchtränkte Bordkombination. Tonven Debaaner mußte bei einer Er schütterung des Schiffes, vermutlich beim Aufprall an die Speiche der Sta tion, irgendwo hingeschleudert worden sein und war dann in der Schleu senkammer gestorben. Ich hielt mich allerdings nicht lange bei diesen Überlegungen auf, son dern, hastete nach vorn. Das Schiffchen mußte tatsächlich schwer erschüt tert worden sein. Überall lagen Geräte und Wandsegmente, die herausge rissen worden waren. Kurz darauf fanden wir den zweiten Leichnam. Er war unkenntlich, und wir stolperten und kletterten sofort weiter. Als ich die Öffnung der Pilo tenkabine sah, fiel mir als erstes der spiralige Lauf eines Thermostrahlers auf, der um die Ecke ragte. Er zitterte leicht. Ich gab Tropp ein Handzeichen, anzuhalten, dann schaltete ich meine Helmfunkanlage auf geringste Reichweite und aktivierte sie. So würden die Maahks in der Nabe die Funkimpulse hoffentlich nicht anmessen kön nen. »Nicht schießen!« rief ich. »Hier spricht Atlan! Farnathia, bist du dort?« Eine Weile blieb es totenstill, dann schrie eine weibliche Stimme in meinem Helmempfänger: »Atlan!« Eine wilde Freude durchpulste mich. Meine Augen füllten sich mit Trä nen, als ich meine größte Hoffnung erfüllt sah. Farnathia, meine Farnathia, lebte! »Ja, ich bin es, Mädchen«, sagte ich, bestrebt, meine Stimme normal klingen zu lassen. Der Strahlerlauf wackelte, dann verließ der Träger der Waffe seine Deckung. Es war nicht Farnathia, sondern Lord Correson, auch ein vom Blinden Sofgart Freigelassener. »Wir dachten, die Maahks kämen uns ho len«, sagte er über Helmfunk. »Sie hätten uns nicht lebend bekommen.« Im nächsten Augenblick kam auch Farriathia in Sicht. Sie schwankte. Wir gingen aufeinander zu und umarmten uns wie zwei, die sich hilfesu chend aneinander klammern. »Haltet euch nicht auf, Leute!« sagte Tropp. »Sonst besuchen die Maahks uns vielleicht doch noch.« »Er hat recht«, sagte ich. »Gibt es noch einen Überlebenden? Zwei Tote
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haben wir schon gefunden.« »Nein«, antwortete Lord Correson. »Sie haben wahrscheinlich Tobano schol und Debaaner gesehen. Bronton Deflar liegt im Frachtraum. Er hat sich das Leben genommen, als er sah, daß wir an einer Raumstation der Maahks gestrandet waren.« »Dann kommt!« sagte ich. Wir hatten die FARNATHIA verlassen und standen auf der Speiche, als die Maahks kamen. Wir sahen sie zuerst gar nicht, aber wir sahen, wie das Heck der FAR NATHIA in roter Glut aufleuchtete. Ein Strahlschuß mußte es auf der ge genüberliegenden Seite getroffen haben. Ich deutete auf eine zirka fünf Schritt tiefe Einbuchtung in der Speiche, nur wenige Schritte entfernt. »Gehen Sie mit Farnathia dort hinein, Lord!« rief ich Correson zu. Ich wartete die Durchführung nicht ab. Tropp und ich verständigten uns durch Handzeichen. Wir schalteten unsere Flugaggregate ein und schweb ten zum Bug der FARNATHIA, der einige tiefe Schrammen aufwies. Dort landeten wir, schalteten die Aggregate wieder ab und zogen uns an den Schrammen hinauf. Ich sah zwei massige Gestalten in Raumanzügen mit den für Maahks ty pischen Sichelkopfwülsten, die unsicher über die Speiche liefen. Sie konn ten es jedoch nicht gewesen sein, die den Strahlschuß abgegeben hatten, denn sie hätten das Heck der FARNATHIA nicht treffen können. »Auf der anderen Speiche!« flüsterte Tropp. Ich spähte zu der benachbarten Speiche hinüber. Sie war an dieser Stelle etwa zweihundert Schritt von uns entfernt, und der Maahk auf ihr wirkte wie eine Spielzeugfigur. Er war jedoch alles andere als ein Spielzeug, denn während ich hinsah, feuerte er den nächsten Schuß ab. »Wahrscheinlich soll er uns aufhalten, bis seine beiden Kameraden uns eingeholt haben«, sagte ich zu Tropp. Ich stützte meinen Ellbogen auf und zielte mit dem Thermostrahler. Als ich den Feuerknopf berührte, flammte es drüben auf. Danach war der ein zelne Maahk verschwunden. Dafür schlug es plötzlich dicht vor dem Bug der FARNATHIA ein. Die beiden anderen Maahks hatten bemerkt, daß ihr Kamerad ausgeschaltet worden war und griffen nunmehr erbittert an. Tropp und ich mußten uns in die Deckung des Kleinraumschiffs zurück ziehen. »Nur drei«, sagte der Pirat. »Ob es die einzigen Überlebenden der Stati on sind?« »Es scheint so«, gab ich zurück. »Keiner von ihnen benutzt sein Flugag gregat. Ich nehme an, sie haben die Fusionsladungen der Aggregate bei
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den Außenarbeiten verbraucht und konnten sie nicht erneuern. Ihr ; Haß auf alle Sauerstoffatmer muß sie völlig beherrschen, wenn sie uns unter solchen Umständen angreifen.« »Aber sie können uns töten, wenn wir nichts unternehmen«, gab Tropp zurück. »Ich schlage vor, wir starten gleichzeitig nach oben und nach links und rechts, halten in etwa fünfzig Schritt Entfernung von hier an und er öffnen das Feuer.« »Einverstanden«, erwiderte ich. Ich sagte es schweren Herzens, denn im Unterschied zu den meisten Arkoniden war ich nicht völlig vom Haß ge gen alle Maahks erfüllt. Es widerstrebte mir zutiefst, intelligente Lebewe sen zu töten, aber wieder einmal konnte ich nur zwischen ihrem und unse rem Tod wählen. »Los!« sagte Tropp. Wir schalteten gleichzeitig und schossen schräg nach oben. Unter uns zerschmolz der Bug der FARNA THIA unter weiteren zwei Treffern. In der festgelegten Entfernung bremste ich mit Vollschub ab, zielte mit ausgestrecktem Arm und schoß Ladung auf Ladung in Richtung der Maahks. Tropp tat das gleiche. Wir schossen, bis dort unten nur noch eine brodelnde Gluthölle war, dann flogen wir so schnell wie möglich wieder in die Deckung der FAR NATHIA zurück. Schließlich mußten wir damit rechnen, von der Nabe aus beschossen zu werden. Als alles ruhig blieb, holten wir Farnathia und Lord Correson aus ihrer Deckung und brachten sie zu unseren Staubeiern. Tropp verfrachtete den Lord in sein Staubei, während ich mit Farnathia in eines der beiden Reser veschiffe stieg. Ich löste mein Schiff von der Magnettrosse Tropps, dann flogen wir zum Ausgangspunkt unserer Operation zurück. Wir hatten etwa drei Viertel der Strecke bis zum Asteroidenstrom zu rückgelegt, als die übrigen Staubeier ihre Deckung verließen und sich un gestüm auf die Weltraumstation stürzten. Unter dem Feuer ihrer Geschüt ze löste sich die Station nach und nach in größere und kleinere Trümmer fetzen und Gaswolken auf. Meiner Ansicht nach hätten die Piraten sich die Attacke sparen können. In der Station hatte es sicher keine weiteren lebenden Maahks gegeben, sonst hätten sie sich in ihrem blinden Haß an dem Angriff auf uns betei ligt. Als wir unsere Staubeier an einem Felsbrocken verankert hatten, klapp ten Farnathia und ich unsere Druckhelme zurück. Weinend sank sie in meine Arme. Ich küßte sie zart und sprach dann beruhigend auf sie ein, bis ihr Tränenstrom versiegte und das erste Lächeln wieder ihr Gesicht erhell te. Ich lauschte ihrem Bericht.
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Die FARNATHIA war hilflos umhergewirbelt worden. Ein energeti scher Strom hatte sie schließlich nach langer Irrfahrt eingefangen und ge gen die Speiche der Maahkstation geschleudert. Nachdem ich ihr meinerseits von meinen Abenteuern bei den Piraten berichtet hatte, meldete sich Hanwigurt Sheeron wieder über Funk. »Die Station der Maahks ist vernichtet«, verkündete er atemlos und schwitzend. Ich unterließ es, ihn darauf hinzuweisen, daß er höchstwahrscheinlich nur eine leere und unbrauchbare Station zerstört hatte. Warum sollte ich ihm nicht seinen Triumph gönnen! »Ich gratuliere«, erwiderte ich. »Haben Sie daran gedacht, was wir vor dem Heimflug noch erledigen müssen, Sheeron?« »Natürlich«, erklärte er. »Diesmal bleibt der Verband zusammen. Wir brechen sofort zum Raumschiff der Metallspinnen auf.« Der Flug zum Raumschiff der Metallwesen verlief normal, soweit man einen Flug durch die Energiestürme und Dunkelmaterieballungen der Sog manton-Barriere überhaupt als normal bezeichnen konnte. Dennoch hätten wir unser Ziel wahrscheinlich erst nach längerer Suche gefunden, wenn Tropp es nicht durch die Aussetzung einer Hypersignal boje markiert hätte. Grund dafür war, daß sich das Aussehen der Staub wolke, in dem es lag, verändert hatte. Der am Ende verdickte Arm aus staubförmiger Materie war verschwun den. Dafür ragten zwei riesige Gebilde heraus, die den Hörnern der wilden Vorfahren unserer Parkrinder glichen. Die nur schwach gestörten Impulse der Hypersignalboje verrieten uns jedoch, daß es sich um die gesuchte Staubwolke handeln mußte. Aller dings kamen die Signale von drei verschiedenen Stellen innerhalb der Wolke. »Hyperechoeffekt«, erklärte Hanwigurt Sheeron über Funk. »Es ist nicht das erste Mal, daß wir dadurch genarrt werden. Die Signale werden von einer hyperenergetischen Spiegelschicht reflektiert, in diesem Fall von zwei Spiegelschichten.« »Gibt es keine Möglichkeit, die Echos von den primären Signalen zu unterscheiden?« erkundigte ich mich. »Nein«, erwiderte der Piratenführer. »Jedenfalls kennen wir noch keine. Uns bleibt weiter nichts übrig, als uns in drei Gruppen aufzuteilen. Da durch sparen wir Zeit. Die Gruppe, die das Schiff findet, ruft die anderen beiden Gruppen herbei.« Er teilte den Verband auf. Jepson Tropp, in des sen Staubei Farnathia und ich inzwischen wieder saßen – Lord Correson war bei Sheeron untergebracht –, wurde der Gruppe des Piratenführers zu geteilt. Bald darauf tauchten unsere Fahrzeuge in fahl schimmernden Staubbrei ein. Farnathia lehnte sich an mich. Sie war offensichtlich ebenso
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glücklich wie ich, daß wir uns wiedergefunden hatten. Wahrscheinlich hielt sie uns für endgültig gerettet. Ich war in dieser Hinsicht skeptisch. Noch immer wollte ich nicht ausschließen, daß Hanwi gurt Sheeron uns auslieferte, um die Kopfprämie zu kassieren, deren astro nomische Höhe auch für einen wohlhabenden Piraten eine unwiderstehli che Verlockung darstellen mochte. Diese Überlegungen verschwieg ich jedoch vor Farnathia. Sie hatte Schlimmes hinter sich, und ich war bemüht, alles von ihr fernzuhalten, was sie erneut belasten würde. Während Tropp unser Staubei durch den Nebelbrei manövrierte, traten meine Sorgen jedoch in den Hintergrund. Ich bediente die Ortungsgeräte und hatte damit vollauf zu tun, denn wie beim erstenmal wurden wir von den unterschiedlichsten energetischen Phänomenen irritiert. Einmal fingen wir sogar den Notruf eines Raumschiffes auf, der in einer Sprache abgefaßt war, die wir nicht kannten, die aber unserer arkonidi schen Sprache ähnelte, so daß wir wenigstens den Sinn der Botschaft ver stehen konnten. Danach war ein Raumschiff mit dem Namen DRORAH infolge Maschi nenschadens verunglückt. Die Lebenserhaltungssysteme würden nur noch kurze Zeit arbeiten, so daß die Besatzung dem Tode geweiht war. Der Kommandant strahlte deshalb nach dem eigentlichen Notruf eine Nach richt aus, die er für wichtig zu halten schien. Sie besagte, er hätte eine In formation erhalten, derzufolge Kundschafterschiffe einer fremdartigen Rasse im Taponar-Sektor gesichtet worden seien. Ich erinnerte mich an meine historischen Unterweisungen, die Fartuloon mir erteilt hatte. Danach waren die ersten Angriffe der Maahks aus dem Taponar-Sektor erfolgt. Doch dieses Ereignis lag schon viele Generationen zurück. Es war der Anfang des Methankrieges gewesen. Nie hatte das Große Imperium eine Vorwarnung erreicht, daß maahksche Kundschafter den Taponar-Sektor durchkreuzt hatten. Die Botschaft, die wir auffingen, mußte uralt sein und war vermutlich im Hyperraum gespeichert worden, von wo sie in bestimmten zeitlichen Abständen durch Echoeffekte in den Normalraum gestrahlt wurde. Welcher galaktischen Zivilisation die DRORAH angehört hatte, blieb uns ein Rätsel. Sie war uns gegenüber niemals in Erscheinung getreten – und doch mußte sie schon vor Beginn des Methankrieges die interstellare Raumfahrt beherrscht und Schiffe in viele Sektoren der Galaxis geschickt haben. Wieder eines der großen Rätsel, die oft gar nicht oder erst in ferner Zu kunft gelöst wurden … Wenn es für die sauerstoffatmenden Intelligenzen dieser Galaxis noch
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eine Zukunft gab! Nach langem Umherkreuzen erreichte unseren Verband endlich die Nachricht, daß eine andere Gruppe das Schiff der CHEMS gefunden hatte. Danach dauerte es drei Zehnteltage, bis sich alle Staubeier um das drei hundert Schritt durchmessende Kugelschiff versammelt hatten. »Das wäre es!« sagte Hanwigurt Sheeron befriedigt. »Hemata, die Stau beier deiner ursprünglichen Suchgruppe sind als einzige mit Fusionsrake ten ausgerüstet.« »Nur zwei Schiffe«, erwiderte Hemata. »Jedes hat acht Raketen mit ei ner Energieentfaltung von fünfzigtausend Megatonnen chemischen Sprengstoffs.« Sheeron holte tief Luft. »Dann sollen beide Schiffe alle sechzehn Raketen gleichzeitig auf jenen Sektor des Kugelschiffes abfeu ern, in dem sich normalerweise die Deuteriumstanks befinden. Vielleicht – hoffentlich – gibt es noch einige gefüllte Tanks. Von dem Kugelschiff darf kein Trümmerstück übrigbleiben.« »Hältst du diese CHEMS wirklich für so gefährlich, Hanwigurt?« fragte Hemata. Der Piratenführer lachte humorlos. »Gefährlich ist noch ein sehr milder Ausdruck, Hemata. Wenn auch nur einige wenige dieser Metalldinger ›überleben‹, könnten wir eines Tages eine Invasion erleben, gegen die die der Maahks harmlose Manöverspiele wären.« »Das ist sogar noch untertrieben«, warf ich ein. Wir zogen uns so weit von dem Kugelschiff zurück, daß unsere Geräte den Ortungsreflex gerade noch einwandfrei empfingen. Lediglich die bei den mit Fusionsraketen bestückten Staubeier aus Hematas Gruppe blieben näher am Ziel, damit sie ihre Geschosse genau auf die vorgesehenen Punk te feuern und notfalls durch Fernsteuerung korrigieren konnten. Als auf dem Tasterschirm zwei Schwärme von je acht Reflexpunkten auftauchten und sich rasch auf das Kugelschiff zu bewegten, empfand ich Bedauern darüber, daß so etwas Wunderbares wie anorganisches »Leben« der Vernichtung preisgegeben werden mußte. Kurz darauf verschmolzen die sechzehn Reflexpunkte mit dem Ortungs reflex des Zieles, dann entstand weit voraus im bleichen Dämmerschein des Nebels eine punktf örmige Lichtquelle, die sich zuerst zu einem strah lenden Ball ausdehnte und dann ruckartig weitete. Die Deuteriumvorräte des Kugelschiffes waren mit in den Kernver schmelzungsprozeß gerissen worden. Vom Schiff und den CHEMS blieb nichts übrig als eine Gaswolke, die schnell erkalten würde. »Erledigt«, sagte Hanwigurt Sheeron. »Abdrehen und zurück zum Stützpunkt!« Wir blieben von da an zusammen und verließen im Formationsflug die
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bleiche Nebelwolke. Als wir in die Strahlen der drei roten Sonnen ein tauchten, schrien einige der Piraten in den Schiffen erschrocken auf. Farnathia umklammerte meinen Arm und blickte aus schreckgeweiteten Augen auf die leuchtenden Gebilde, die gleich riesigen Schneeflocken auf unseren Verband herabsanken. Gantries! Einer der Staubeipiloten eröffnete das Feuer aus der Bugstrahlkanone. Das getroffene Leuchtgebilde blähte sich auf, streckte sich dann und huschte auf der plötzlich sichtbaren Strahlbahn zu dem Schiff. Im nächsten Augenblick waren Schiff und Gantrie verschwunden. »Rette sich wer kann!« schrie Sheeron mit entstellter Stimme, die ich beinahe nicht erkannt hätte. Es hätte dieser Aufforderung nicht mehr bedurft. Die meisten Staubeier beschleunigten bereits, auch unseres. Einige kurvten allerdings wie wild durcheinander. Anscheinend waren ihre Piloten in Panik geraten. Diesmal war klar, daß die Gantries es auf uns abgesehen hatten. Sie wa ren in riesiger Zahl gekommen und stürzten sich zielbewußt auf die Stau beier. Wo eines der Leuchtwesen ein Schiff berührte, verschwanden beide von einem Augenblick zum anderen aus unserem Kontinuum. Jepson Tropp bot alle seine Künste und Tricks auf, um Gantries und un kontrolliert herumrasenden anderen Staubeiern auszuweichen. Er verlor nicht einmal die Nerven, sondern verschmolz mit unserem Schiff förmlich zu einer Einheit. Endlich konnten wir zur Nottransition ansetzen. Wir kamen in einem ruhigen Raumsektor heraus, orientierten uns und kehrten mit drei genau berechneten Transitionen an den Ausgangspunkt der Suchaktion zurück. Als vor uns Richmonds Schloß auftauchte, hatte ich beinahe das Gefühl, als kehrte ich nach Hause zurück. Farnathia musterte verwundert den Asteroiden, der in etwa wie eine bauchige Flasche geformt war. Ich erklärte ihr, daß es sich um den Schlupfwinkel der Sogmanton-Piraten handelte, daß diese Piraten jedoch keine Mordbrenner waren, sondern genau genommen nur ohnehin verlore ne Raumschiffe ausschlachteten und damit eine nützliche Funktion erfüll ten. »Sie haben ein gefährliches Leben gewählt, weil sie frei und unabhän gig sein wollen«, schloß ich. »Wenn es mir gelänge, sie zu meinen Ver bündeten zu machen, wäre ich schon einen großen Schritt weiter auf dem Weg zur Befreiung des Großen Imperiums von Orbanaschols Gewaltherr schaft und solchen Sadisten wie dem Blinden Sofgart.« Farnathia lehnte sich an mich. »Du wirst dein Ziel erreichen, Atlan«, sagte sie leise.
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Ich blickte hinab auf die Oberfläche von Richmonds Schloß, die durch aufgesetzte Raumschiffsteile größtenteils verdeckt wurde. Wir sanken langsam tiefer, und wenige Zeiteinheiten später tauchten über und hinter uns andere Staubeier auf. Wir sammelten uns dicht über dem Asteroiden. Insgesamt kehrten von den sechzig aufgebrochenen Staubeiern sechsundvierzig zurück. Vierzehn Schiffe mitsamt ihrer Besatzung mußten als Verlust abgeschrieben wer den. Hanwigurt Sheeron war außer sich wegen dieser hohen Verlustquote. Er machte mir noch vor der Landung über Funk heftige Vorwürfe. Ich unterbrach ihn und erwiderte: »Mich schmerzt der Verlust dieser tapferen Männer ebenfalls, Sheeron, auch wenn ich nur wenige von ihnen persönlich gekannt habe. Aber die Gefahren der Sogmanton-Barriere sind nicht mein Werk. Sie setzen sich ihnen laufend aus.« Der Piratenführer beruhigte sich überraschend schnell. »Ich danke Ihnen und Ihren Männern«, fuhr ich fort. »Sie haben mein Versprechen, daß ich mich für Ihre Hilfe erkenntlich zeigen werde, sobald ich dazu in der Lage bin. Aber damit ich in diese Lage komme, benötige ich noch einmal Ihre Hilfe. Lassen Sie mich mit einem Schiff nach Kraumon bringen – oder be nachrichtigen Sie Fartuloon, der inzwischen wieder auf Kraumon einge troffen sein müßte.« Hanwigurt Sheeron sah mich vom Bildschirm her mit undurchdringli chem Gesicht an. »Ich verspreche Ihnen, alles zu tun, um Ihnen auch weiterhin zu helfen, Atlan«, sagte er. »Aber erst einmal landen wir. Dann sehen wir weiter.« »Wie geht es weiter, Atlan?« fragte Farnathia. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. »Es wird alles gut werden«, antwortete ich, »und niemand und nichts soll uns mehr trennen.« ENDE
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