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IM GOLD LAND DER INKA DER
UNTERGANG
DES R E I C H E S D E R S O N N E
Digitally signed by Mannfred Mann DN: cn=Mannfred Mann, o=Giswog, c=DE Date: 2005.03.04 17:08:27 +01'00' Signature Not Verified
VERLAG SEBASTIAN LUX M U R N A U • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K • OLI-EN
f eh eimnis volle Schleier verhüllten das Land jenseits des VJT unermeßlichen Ozeans, von dem Christoph Columbus die erste Nachricht nach Europa gebracht hatte. Es war in jenen Tagen, da in der freien Reichsstadt Nürnberg Albrecht Dürer malte und in Italien Leonardo da Vinci und Michelangelo am. Werke waren. Veit Stoß und Tilman Riemenschneider schnitzten ihre unsterblichen Statuen. Berühmte Meister bauten an den Domen von München und Salzburg, an •den Rathäusern von Löwen und Brüssel. Es war die Zeit, in der kühne Seefahrer und unerschrockene Entdecker sich immer weiter über die unbekannten Weltmeere wagten und neue wundersame Berichte von seltsamen Ländern und andersfarbigen Völkern die Menschen in allen Teilen Europas erregten. Mit heißem Herzen hörten die Männer von den Abenteuern in der lockenden Weite, und gar mancher sah nachts in den Himmel voller Sterne, und die Sehnsucht trug ihn zu den neuentdeckten Inselwelten. In den Schenken Spaniens saßen die Werber, wilde, wüste Gesellen, und klimperten mit den Geldstücken, die sie in prall gefüllten Lederbeuteln trugen. Der blutrote süße Wein schimmerte in den Gläsern, die nicht leer wurden. Mit hochroten Gesichtern und glänzenden Augen lauschten die Männer, die an den Tischen saßen, den prahlerischen Erzählungen der / Seefahrer: „Zweimal waren wir schon drüben in der Neuen Welt. In wenigen Wochen segeln wir zum dritten Male mit Franzisco Pizarro hinüber. Und wenn wir dieses Mal in die spanischen Häfen heimkehren, sind wir steinreiche Leute. Ganz Spanien kaufen wir auf mit dem Golde, das drüben in Peru auf der Straße liegt. Nur zu bücken braucht ihr euch, und ihr habt alle Taschen voll von Gold!".
Das Zauberwort „Gold!" war gefallen. Im schmalen Hofe der Schenke stand ein Helfer der Werber und schwang etwas Grelles in der braungebrannten Hand. Die Männer ließen alles stehen, Essen und Wein, und stürzten hinaus. Ein seltsames Tierbild starrte sie an. Es war pures Gold, wundervoll geformt und geglättet. Wie ein Rausch kam es über alle. Das goldene Gebilde verzauberte sie. Niemals zuvor hatten sie irgendwo in Europa gleiches gesehen. Ein anderer in einer Nische begann ein Lied zu singen, und sie lauschten atemlos den seltsamen fremden Klängen: „Chancata, apamuy, huahohuate, rurachun, ishcaita, quimsate, cojudo limeno c h u r y i ni nampa." Die Werber eilten von Tisch zu Tisch, entfalteten die Pergamentrollen, holten Federkiel und Tinte aus den weiten Falten ihrer Gewänder und hielten sie den von Wein und Gold Betrunkenen hin: „Schreibt eure Namen her! Was überlegt ihr noch?" „So schreibt erst mal den euren hin", erwiderte einer, der noch klaren Sinnes schien. „Wer weiß, was ihr uns vorflunkert! Wer weiß, ob uns nicht Steine und Hunger erwarten und Tod statt Gold, Gold und immer wieder Gold!" In einer Ecke erhob sich ein anderer, dessen tiefgebräuntem Gesicht man ansah, daß er viel in der Welt herumgekommen sein mochte: „Unterschreibt nicht!" rief er. „Wer ist schon dieser Franzisco Pizarro? Ein Schweinehirt, der Sohn einer niedrigen Frauensperson! Ich bin mit ihm auf seinen ersten beiden Zügen gewesen. 1524 war es! An einem Novembertag sahen wir die Berge an der unbekannten Küste steil in den Himmel wachsen. Zwölf tausend Fuß und mehr! Sieben lange, quälende Monate hielten wir auf einer einsamen Insel aus, weil wir uns nicht hinübertrauten. Wir hatten kaum noch zu essen, kaum noch zu trinken. Fleisch von Schlangen mußten wir fressen, um nicht zu verhungern. Was hilft da Gold? Konnten wir von ihm etwas herunterbeißen?" Die Werber überschrien den Abenteurer. Jene, die zu einer Unterschrift bereit waren, wurden wankend. Jede Unterschrift aber brachte den Werbern Pizarros Geld. „Warum laßt ihr ihn nicht reden? Habt uns wohl hinters Licht führen wollen?" schrie da ein hünenhafter Mann.
Ausfahrt Pizarr&s nach. Peru (Aus dem Geschiditswerk des Zarata von 1563)
Auf demselben Weg, den auch Columbus über das Weltmeer genommen hatte, erreichten die Abenteurer die Landenge von Mittelamerika, und in schnellem Marsch wurde sie durchquert. Sie ließen einige Segler bauen, um mit ihnen über das zweite Weltmeer, den Stillen Ozean, die ersehnte Küste des Goldlandes Peru anzusteuern. In der Nahe der schön gelegenen Inka-Meerstadt Tumbez warfen die kleinen Segler ihre Anker in den sandigen Grund, und ungehindert konnten die Boote an Land gebracht werden. Die Einwohner waren vor den riesigen fremden Vögeln, für die sie die Segler Pizarros hielten, geflohen. Auf der Uferhohe lagen vereinsamt die Hauser der Stadt. Sie waren sauber aus Erdziegeln gebaut, aus gebranntem Lehm, der sich in Massen an der Küste fand. Die Gemächer öffneten sich in einen Hof, der in der Mitte lag, und in dem dammrigen Licht, das durch die Türen herausdrang, blinkten Gefäße aus Kupfer und buntem Ton.
„Weiter! weiter!" dröhnte es in wirrem Wirbel durcheinander. „Was soll ich noch viel erzählen?" fuhr der Mann nun fort. „Wollt ihr Gold, gut, so fahrt mit Pizarro ins Goldland der Inka. Ist euch euer Leben lieber, bleibt, wo ihr seid. Lieber arm, aber ehrlich als reich und verdorben! — Einmal, in der qualvollen Zeit auf der Insel, kam ein Priester der Inka zu uns und machte uns eine dunkle Prophezeiung." „Die wollen wir hören!" „Ihr sollt sie hören!" — Mit seiner dunklen Stimme sprach er: „Ihr Fremden werdet ewig unglücklich sein. Ihr kommt zu uns, weil ihr meint, hier zu finden, was ihr in eurem fernen Lande nicht besitzt. Ihr wollt unsere Schätze. Aber ihr gleicht einem Wanderer, der von der Ferne ein Gebirge sieht. Ihr seht die blauen Gipfel und die grünen Hänge, aber ihr vergeßt die tiefen Schluchten und die giftigen Schlangen der Täler. Ihr sucht das Glück, aber um unser Glück kümmert ihr euch nicht. So werdet ihr verlieren, was ihr besitzt. Wißt ihr nicht, daß das Glück eines anderen ein flüchtiger Vogel ist, den niemand erjagen kann?" — Noch während der Mann redete, hielten es die Werber für besser, sich auf und davon zu machen. Sie fluchten vor sich hin und dachten voller Ärger an die klingenden Münzen, die ihnen in den Händen zerronnen. Dann schwangen sie sich in die Sättel ihrer Pferde und trabten zur Stadt hinaus, galoppierten über die nächtliche Landstraße, um anderswo ihr Glück zu versuchen. Den Werbern waren im Laufe der Zeit hundertachtzig Mann ins Garn gegangen, darunter waren vierzig Reiter. Alles Abenteurer, die nichts zu verlieren hatten und eine Welt zu gewinnen hofften. Man schrieb das Jahr 1531, als Franzisco Pizarro mit dieser bunt zusammengewürfelten Schar und ein paar alten Geschützen erneut von Spanien aufbrach. Kaiser Karl V. von Spanien hatte dem wagemutigen Seefahrer den Titel „Generalkapitän" verliehen und ihm die Zusage gemacht, er werde Gouverneur des fremden Reiches, wenn er es erobere und seine Goldschätze herüberschicke. Denn man brauchte Geld in Spanien. Die Provinzen litten Not, und die afrikanischen Händler, von denen man Getreide kaufen mußte, wußten zu fordern. Der lange Krieg gegen die Araber im Süden Spaniens hatte die Kassen geleert und in den Städten und Dörfern den Reichtum der Bürger zerschmolzen. |
Droben am Fels stand ein steinerner Tempel von wundervoller Schönheit. Durch ein einziges Fenster strömte das Licht in einen hohen rechteckigen Raum. Der ganze Glanz der Sonne spiegelte sich in einer goldenen Scheibe, die dem Fenster gegenüber hing. Rechts und links standen in den Nischen silberne und goldene Figuren, sie schimmerten, daß die Augen schmerzten. Selbst die verwegenen Abenteurer Pizarros konnten sich der geheimnisvollen Schönheit dieses Anblicks nicht entziehen. War es die heidnische Gottheit, vor der sie erschraken? War es die Heiligkeit und die Weihe des stillen Raumes? Solche Wunderdinge hatte bisher noch kein Auge eines Europäers gesehen. Die Weißen ahnten, daß sich ihnen auf ihrem Zug in das Innere dieses Landes, das die Einwohner BIRU nannten, eine neue fremde und reiche Welt aufschließen werde: das Goldland, nach dem in jener Zeit die Sehnsucht Unzähliger ging und das der Admiral des Ozeans, Christoph Columbus, vor 40 Jahren vergebens gesucht hatte. Ein Inkabauer, den die Eindringlinge gefangengenommen hatten, wurde verhört: „Wo liegt die Stadt, in der dein König regiert?" „Fünfzig Tagfahrten von hier liegt die heilige Stadt wie ein Puma über den weiten Hügeln.'" •'- .