Im Central-Park lauert der Tod
Roman von Günter Dönges
Josuah Parker genoß die milde Nacht und die entzückend ge s...
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Im Central-Park lauert der Tod
Roman von Günter Dönges
Josuah Parker genoß die milde Nacht und die entzückend ge schwungenen Waden einer jungen blonden Frau. Der Butler saß auf einer der vielen Bänke im nördlichen Teil des Central Parks von New York. Abseits vom Leben und Treiben die ser riesigen Stadt gab er sich ganz dem Genuß der geliebten Zi garre hin. Massenohnmachten, die seine spezialangefertigten Zi garren sonst hervorriefen, waren hier nicht zu befürchten. Dazu war es bereits viel zu spät. Um diese Stunde mieden die Bürger den riesigen Park auf Manhattan. Zu viel lichtscheues Gesindel trieb sich dann hier herum. Parker fürchtete dieses Gesindel natürlich nicht. Ja, ihm wurde überhaupt nicht bewußt, auf welch gefährlichem Boden er sich zu dieser Nachtstunde befand. Er lauschte dem Gequake der Enten auf dem Harlem-Meer, einem der Seen des Parks, sog an der pechschwarzen Zigarre und schaute immer wieder der jungen Dame nach. Sie war im Licht der Parkbeleuchtung recht gut zu erkennen, und da sie dicht an seiner Bank vorbeigekommen war, hüstelte sie etwas, als sie von den bereits stark verdünnten Rauchschwa den der Zigarre angeweht wurde. Eilig schritt sie weiter. Sie wiegte sich in den Hüften und strebte einem unbekannten Ziel zu. Parker wunderte sich insgeheim dar über, daß eine junge Frau den Mut aufbrachte, allein durch den nächtlichen Central Park zu gehen. Der Butler hatte für seinen jungen Herrn, Anwalt Mike Rander aus Chikago, wertvolle Akten nach New York gebracht. In den Morgenstunden wollte er zurück in die Stadt am Michigan See fliegen. Vor diesem Flug atmete er die kühle Luft des Parks und die beizenden Schwaden seiner Zigarre. Er war durchaus mit sich und der Welt zufrieden. Ja, er hatte inzwischen sogar wieder die hübschen Waden vergessen. Obwohl allein und ohne Beobachter, hielt er auf Haltung und Würde. Stocksteif saß er auf der Bank. Der altväterlich gebunde ne schwarze Universalregenschirm stand zwischen seinen beiden Beinen. Die Kleidung war ohne jeden Tadel. Parkers Hände staken in schwarzen Zwirnhandschuhen. Das glatte, volle Pokergesicht leistete sich nicht den Luxus einer Gefühlsregung. Bei flüchtigem
Hinsehen hätte man Parker für eine Bronzestatue halten können, die Zigarren rauchte. Der Butler winkelte gerade den Arm an, um die Zigarre aus dem Mund zu nehmen, als er glaubte, einen unterdrückten Aufschrei gehört zu haben. Er rührte sich zwar nicht, doch seine Ohren verwandelten sich augenblicklich in empfindliche Radarantennen, die die nähere Umgebung orteten. Er glaubte sicher zu sein, daß nicht die Enten auf dem Harlem-Meer dieses Geräusch verursacht hatten. Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Ein zweiter, erstickter Laut alarmierte ihn. Josuah Parker schritt augenblicklich auf die kleine Brücke zu, die den Wasserarm The Loch überspannte. Er schritt zwar gemessen aus, doch er kam dennoch schnell voran. Dichte Sträucher und Büsche verwehrten ihm die Sicht. Er sah aber das Schimmern des Wassers im Mondlicht. Ein leiser Pfiff durchbrach die unheimliche Stille. Schnelle Schritte entfernten sich. Parker sah zwei Schatten, die über den breiten Weg stoben, um dann hinter einer Biegung zu verschwin den. Sie hatten sich von einem dichten Gebüsch rechts des We ges gelöst. Der Butler schritt schneller aus, hielt auf das Gebüsch zu. Lange brauchte er nicht zu suchen. Neben dem Gesträuch entdeckten seine grauen prüfenden Augen eine Gestalt, die regungslos auf dem kurz geschorenen Rasen lag. Es war die junge blonde Frau. Ihre Beine sahen nicht mehr hübsch oder entzückend aus. Die Strümpfe waren zerrissen, der enge Rock hatte sich hochgescho ben. Vom Oberkörper und dem Kopf der Frau war im Moment nichts zu sehen. Die Zweige nahmen die Sicht. Mit der Spitze seines Universalregenschirms schob der Butler den Strauch etwas zur Seite. Gleichzeitig griff er in seine Rockta sche und holte eine kleine, aber stark leuchtende Taschenlampe in der Form eines Kugelschreibers hervor. Der gebündelte Lichtstrahl schnitt den Kopf der jungen Frau aus der Dunkelheit heraus. Parker sah die Platzwunde am Hinterkopf, sah das austretende Blut und die zerrissene Bluse des Opfers. Mitfühlend ließ Parker sich auf die Knie nieder, drehte den Oberkörper der Frau etwas herum und erinnerte sich im letzten Moment seiner Zigarre. Er warf sie in hohem Bogen in die Dun
kelheit. Mit dieser Handlungsweise schuf er alle Voraussetzungen dafür, daß die überfallene Frau nicht zusätzlich in Ohnmacht fiel. Parker, in allen Sätteln gerecht und auch als Laienhelfer im Sa nitätswesen ausgebildet, bemühte sich um die Ohnmächtige. Er hielt es für durchaus erlaubt, die an sich schon zerfetzte Bluse der Frau weiter zu öffnen. Er wollte helfen, und die vermutlich Über fallene sollte in kurzer Zeit möglichst viel frische Luft schnappen. Schon nach wenigen Sekunden stutzte der Butler. Seine ge schickten und schnellen Finger hatten eine Entdeckung gemacht, die selbst einen so stoischen Mann wie Parker in Erstaunen ver setzte. Betroffen, überrascht, an sich zweifelnd, untersuchte Parker die junge blonde Frau weiter. Doch dann richtete der Butler sich plötzlich steil auf. Scharf sog er die Luft ein. Zweifelnd sah er die junge Frau an. Und da er sei nen Augen nicht trauen wollte, bemühte er noch mal seine Kugel schreibertaschenlampe. Er schüttelte ratlos den Kopf. Parker war konsterniert. Sein sonst so beherrschtes Pokergesicht zeigte Trefferwirkung. Das war auch weiter nicht verwunderlich. Schließlich präsentierte ihm diese hilflose Frau eine behaarte Männerbrust. * Parker faßte sich sehr schnell. Er schluckte seine Überraschung hinunter, beugte sich wieder über das hilflose Opfer und untersuchte die Kopfverletzung. Blut sickerte aus einer großen Platzwunde am Hinterkopf. Als Josuah Parker diese Wunde näher untersuchte, erwartete ihn eine, neue Überraschung. Das üppige blonde Haar verschob sich, rutschte schließlich vom Schädel dieser Mannfrau und gab den Blick auf eine (kurze Bürstenfrisur frei. Der Butler faßte nach und zog den blonden Haarschopf zur Sei te. Er hielt eine gut gearbeitete Perücke in der Hand. Ihm war inzwischen längst ein Licht aufgegangen. Die Frau war ein Mann, der Damenkleidung trug. Warum dieser Mann sich ver kleidet hatte, blieb allerdings rätselhaft. Mit der kleinen Kugelschreiberlampe leuchtete Parker das Ge sicht des jungen Mannes noch mal an. Dabei fiel ein Widerschein
auf das kurz geschorene Gras. Der Butler entdeckte nicht weit von dem überfallenen Mann entfernt eine große weiße Damen handtasche. Sie mußte sich beim Fall zu Boden geöffnet haben. Lippenstift, Rougedöschen und sonstige Utensilien, die eine Dame eben so mit sich führt, lagen im Gras. Parker schickte sich gerade an, die Handtasche aufzuheben, als er plötzlich leise Schritte hörte. Sie erklangen ganz in seiner Nähe und verhielten auf der anderen Seite des Gesträuchs. Sollten die beiden Schatten zu ihrem Opfer zurückgekehrt sein? Er ließ sich nichts anmerken, nahm aber seinen Universalregen schirm wie absichtslos in die Hand. Wie gesagt, es war Nacht, und hier im Central Park war es wirklich nicht geheuer. Seine Vorsichtsmaßnahme trug Früchte. Als der Butler sich nie derbeugte, um die Handtasche aufzunehmen, wurde er überra schend angefallen. Zwei Gestalten stürzten sich auf ihn und schwangen kurze Bleikabel in den Händen. Jeder normale Durchschnittsbürger hätte kaum eine Chance ge habt, sich erfolgreich zur Wehr zu setzen. Doch Parker war eben kein Durchschnittsbürger. Zudem besaß er einen Regenschirm, der es in sich hatte. Bevor die zum Schlag erhobenen Bleikabel ihn erreichen und treffen konnten, langte der Butler bereits mit seinem Regen schirm zu. Er stieß, wie ein Florettfechter ausfallend, die Spitze des Schirms in den Leib des links von ihm stehenden Strolches. Der Mann quiekte auf, schnappte verzweifelt nach Luft und fiel in das dornige Gesträuch. Als die langen, spitzen Domen ihn zer kratzten, schrie er gellend und ließ das gefährliche Bleikabel aus der Hand fallen. Josuah Parker widmete sich seinem zweiten Gegner. Geschickt wich er dem Schlag aus, wirbelte seinen Regenschirm durch die Luft und drosch damit auf den Gangster ein. Hart, schnell und gut placiert kamen die Schläge. Der Strolch wußte sich nicht zu helfen. Er versuchte zwar, den Butler zu unterlaufen. Doch damit erreichte er gar nichts. Josuah Parker stemmte die Spitze des Schirms fest in den Rasen und hielt den Stock samt Griff schräg nach vorn. Der Gegner konnte nichts mehr rückgängig machen. Er rammte hart den nun schräg stehenden Schirm und prellte mit der Brust gegen den Griff.
Der Butler brauchte nur noch seinen stahlgefütterten, steifen, runden Hut vom Kopf zu nehmen und die Melone auf den Schädel des Angreifers zu legen. Wie von einem unsichtbaren Blitz getroffen, sackte auch dieser Angreifer zu Boden. Im Gegensatz zu seinem Partner durfte er noch von Glück sagen, daß er nicht in das dornige Gesträuch fiel. Der Butler säuberte die schwarz behandschuhten Hände, wisch te sich ein unsichtbares Stäubchen vom Revers seines schwarzen Jacketts und nahm sich die Freiheit, die Taschen der beiden Strauchdiebe genau zu durchsuchen. Erregend war die Beute nicht. Sie bestand aus Klappmessern, einigen wenigen Dollarscheinen und Kleingeld. Parker wollte diese Gegenstände schon wieder zurück in die Taschen der beiden Strolche schieben, als er stutzte. Es waren zwei gleich aussehende Gegenstände, die sein Inter esse erregten. Es handelte sich um etwa einen Zentimeter große vergoldete Kegel, Miniaturausgaben jener Kegelhölzer, wie sie auf Bowlingbahnen anzutreffen sind. Josuah Parker, der stets einen wachen Sinn für Skurrilitäten und Geheimnisse hatte, leuchtete diese beiden Miniaturkegel genau an. Er fand kleine Gravuren auf der Unterseite, die sich als die Nummern 18 und 24 entpuppten. Der Butler steckte diese beiden Kegel ein und tat etwas Überra schendes. Er holte seinen Hotelschlüssel aus der Rocktasche und ließ ihn ins Gras fallen. Dann lud er sich mit einer erstaunlichen Leichtigkeit den jungen Mann auf die Schulter, der sich als Blon dine verkleidet hatte. Leichtfüßig und geschmeidig verschwand er dann mit seiner Last in der Dunkelheit des Parks. Um jeder Fragerei aus dem Weg zu gehen, vor allen Dingen aber auch, um pünktlich in dem kleinen Hotel an der Westseite des Parks zu sein, lud er den immer noch ohnmächtigen Mann in der Nähe eines Taxistandes ab und machte wenig später einen Fahrer auf den Überfallenen aufmerksam. Natürlich ließ der Butler sich dabei nicht sehen. Er begnügte sich damit, einige Male laut zu stöhnen und mit der Spitze seines Regenschirms gegen das Blech eines Papierkorbs zu hämmern. Diese Lärmerzeugung hatte sofort Erfolg. Der Fahrer rief einige Kollegen herbei. Gemeinsam suchten sie nach dem Urheber die ser seltsamen Geräusche und fanden den Ohnmächtigen. Parker konnte sich daraufhin zurückziehen. Innerhalb weniger Minuten
würde die Polizei alarmiert werden. Sie konnte alles weitere dann in die Hand nehmen. Parker schritt würdevoll und gemessen wie ein pensionierter Herzog weiter die Straße hinunter. Seine Hand steckte in der Rocktasche, seine Finger spielten mit den beiden vergoldeten Kegeln. * Parker ging methodisch zu Werk. Im Hotelzimmer angekommen, bereitete er sich auf ein paar Stunden Schlaf vor. Doch er legte sich nicht ins Bett. Aus Kissen und einer Decke baute er eine Art Attrappe, die bei flüchtigem Hinsehen einem Menschen glich. Er legte sie ins Bett und schlug die leichte Daunendecke darüber. Er schritt zurück zur Tür, schal tete das Licht aus und prüfte die Scheingestalt unter der Daunen decke. Sie sah verblüffend echt aus. Selbst als Parker die kleine Ta schenlampe einschaltete und das Bett vorsichtig anleuchtete, ging die Illusion nicht verloren. Ja, im Halblicht verstärkte sich die Täuschung sogar noch. Der Butler entledigte sich seines Rocks, hängte ihn vorsichtig über den Bügel, rückte sich die schwarze Melone zurecht und trug einen bequemen Sessel in den eingebauten Wandschrank. Beson ders viel Platz war darin zwar nicht, doch Parker konnte sich, wenn es sein mußte, durchaus bescheiden. Er zog die Schranktür bis auf einen schmalen, unveränderten Spalt zu und schloß die Augen. Es war erstaunlich, wie er trotz seiner steifen und auf rechten Haltung tatsächlich zu schlafen vermochte. Er besaß die glückliche Gabe, auf Kommando schlafen zu können. Dabei ent spannte er sich wie im Tiefschlaf. Sein besonders ausgeprägter und fein entwickelter Instinkt, aber auch ein feines Scharren an der Tür weckten ihn. Parker war ohne Übergang hellwach. Ohne sich zu rühren, sah er durch den schmalen Spalt der nur angelehnten Tür. Der Wider schein der Lichtreklamen erhellte nur notdürftig das Zimmer. Aber es reichte aus, um eine Bewegung an der Zimmertür fest stellen zu können. Parker war sich klar, daß der Zimmerschlüssel, den er im Cen tral Park zurückgelassen hatte, seine Wirkung tat. Er war von den
beiden Strolchen gefunden worden. Nur sie allein konnten ihm jetzt einen ungebetenen Besuch abstatten. Daß sie nach den bei den vergoldeten Kegelhölzern fahndeten, war dem Butler klar. Für die beiden Gangster stellten sie gewiß nicht nur einen Geld wert dar. Langsam, Zentimeter um Zentimeter, öffnete sich die Zimmer tür. Der Schatten eines Mannes hob sich gegen das gedämpfte Licht im Korridorgang ab. Der Eindringling schob den Kopf durch den Türspalt und warf einen Blick in das Zimmer. Er vergewisserte sich, daß alles in Ordnung war, drückte die Tür dann etwas weiter auf und schlüpfte ins Zimmer. Ihm folgte ein zweiter Mann. Bevor sie sich weiter hinein getrauten, schlossen sie die Tür hin ter sich. Das Licht einer Taschenlampe flammte auf, wanderte blitzschnell durch das Zimmer und blieb auf dem Bett an der Wand haften. Parker war gespannt, ob sein Trick auch Erfolg haben würde. Es mußte sich innerhalb weniger Sekunden erweisen. Doch er baute auf sein Werk. Schließlich hatte er sich alle Mühe gegeben. Die beiden Eindringlinge, deren Gesicht Parker natürlich nicht erkennen konnte, ließen sich prompt täuschen. Sie hatten eine Gestalt im Bett ausgemacht. Mehr wollten sie gar nicht sehen. Nacheinander pirschten sie sich an das Bett heran. Die Lichtver hältnisse wurden günstiger. Parker konnte Einzelheiten unter scheiden. Einer der beiden Nachtschwärmer trug einen kleinen, handlichen Sandsack von der Größe eines mittleren Kürbis. Er hob ihn und ließ ihn auf den vermeintlichen Kopf des Schlafenden niedersausen. Der zweite Mann warf sich augenblicklich quer über das Bett, um etwaigen Widerstand im Keim zu ersticken. Dabei merkte er, daß er sich nur mit einer Deckenrolle abmühte. Er rief seinem Partner eine Warnung zu, die dieser aber gründlich mißverstand. Der Gangster riß seinen handlichen Sandsack noch mal hoch und schlug erneut zu. Das geschah in dem Augenblick, als sein Partner sich nach vorn warf und nach einem Kopf suchte. Mit voller Wucht traf der Sandsack sein Ziel und tat seine Wir kung. Der Gangster blieb weich und schlaff auf dem Bett liegen. Er fand keine Möglichkeit mehr, den Irrtum richtigzustellen.
Der zuschlagende Gangster war irritiert. Er beugte sich vor, um besser sehen zu können. So entging seinen Augen, daß der Butler längst den Wandschrank verlassen hatte und nun zur Tür ging. Licht flammte auf. Überrascht wandte der Strolch sich um, erkannte den Butler, riß entsetzt die Augen auf, und war im ersten Augenblick nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. »Ich möchte nicht verfehlen, mich für Ihr Entgegenkommen zu bedanken«, sagte Parker und deutete eine höfliche Verbeugung an. »Dank Ihres schnellen Zuschlagens entheben Sie mich des Zwangs, Ihren Partner außer Gefecht zu setzen.« Der Gangster blinzelte in das Licht. Er war geblendet und wußte nicht, was er von dieser höflichen Stimme halten sollte. Doch er spürte, daß ihm der Angstschweiß ausbrach. »Es dürfte sich empfehlen, den kleinen Sandsack fallenzulas sen«, redete Josuah Parker weiter. »Ich möchte doch nicht an nehmen, daß Sie die Feindseligkeiten fortsetzen.« Der Eindringling hatte sich inzwischen an die Lichtverhältnisse gewöhnt. Er sah den Butler, sah in ihm nur einen älteren Mann, dem er sich vollkommen überlegen fühlte. Und da der Butler kei ne Waffe in der Hand hielt, fühlte der Gangster sich erst recht stark. »Ganz raffinierter Trick«, meinte er mit heiserer schleppender Stimme. Er löste sich vom Bett und kam langsam auf den Butler zu. Parker sah wirklich recht harmlos aus. Er schien keiner Fliege ein Haar krümmen zu können. »Darf ich fragen, was Sie in meinem Zimmer suchen?« erkun digte sich Parker. »Das werde ich dir gleich sagen!« Der Gangster, breit und stämmig aussehend, blieb dicht vor dem Butler stehen und nahm bereits insgeheim Maß. »Wo sind die beiden Kegel, die du dir un ter den Nagel gerissen hast.« »Wovon reden Sie, sofern ich diese Frage stellen darf?« »Wo sind die beiden vergoldeten Kegel?« wiederholte der Gang ster noch mal. »Rück sie raus, und schon werden wir verschwin den.« »Haben Sie sich vielleicht in der Adresse geirrt?« Parker blieb freundlich und höflich. »Den Teufel habe ich! Raus mit den beiden Kegeln!«
»Ihren Worten entnehme ich, daß es sich um kleine Kostbarkei ten handeln muß.« »Für Sie sind sie wertlos.« Der Gangster wurde etwas höflicher. Doch Parker ließ sich nicht täuschen. Er spürte, daß die neue Tonart nur Mache war. Der Gangster wollte ihn in Sicherheit wie gen, um ihn dann plötzlich anzufallen. »Ich räume ein, daß ich diese beiden kleinen Kegel besitze«, erwiderte Parker plötzlich. »Doch sie haben eine Geschichte. Ich fand sie in den Taschen zweier Strauchdiebe, die eine junge Frau im Central Park anfielen.« »Fein, genau diese Kegel meine ich!« »Sie sind mit den beiden jungen Strolchen aus dem Central Pari befreundet? Ich muß mich sehr wundern. Das ist nicht der richti ge Umgang für Sie.« »Bring mich nicht auf die Palme!« Der Gangster schluckte sei nen Ärger hinunter. Er versuchte es noch mal mit der sanften Tour. »Warum wollen Sie Ärger machen, Alterchen? Wir werden die Kegel bekommen. So oder so!« »Ich habe sie mir genau angesehen«, redete Parker freundlich und gemessen weiter. »Auf der Unterseite entdeckte ich kleine Gravuren, die Zahlen darstellen.« »So, Sie haben sich die Kegel genau angesehen?« Der Gangster grinste und – schlug blitzschnell mit seinem Sandsack zu. Zi schend sauste die gefährliche Waffe auf Parkers Kopf herunter und traf – die Tür. Es gab einen dumpfen Laut. Es gab aber noch einen dumpferen, als der Gangster von Par kers steifer Melone getroffen wurde. Bevor der Eindringling sich auf diese Geheimwaffe einstellen konnte, erhielt er einen zweiten Schlag. Die Stahlfütterung der Melone wirkte sich verheerend aus. Der Gangster verdrehte die Augen, wurde weich in den Bei nen und taumelte gegen das Fußende des Bettes. Parker rückte würdevoll nach. Er ließ seinen Gegner, den er kei neswegs unterschätzte, nicht aus den Augen. Diese Vorsicht zahl te sich aus, denn der Gangster riß sich noch einmal zusammen und griff nach seiner Waffe im Schulterholster. Er hätte es besser nicht getan. Josuah Parker, dem daran gelegen war, daß die Nachtruhe der übrigen Hotelgäste nicht gestört wurde, wollte jede Schießerei unterbinden. Nur aus diesem Grund allein wurden seine Bewe gungen etwas schneller. Mit der Handkante klopfte er auf den
Arm des Gangsters. Der Schlag war eigentlich noch nicht mal be sonders hart ausgeführt worden, doch er traf genau jene Nerven bahnen, die die Bewegungen des Armes koordinierten. Mit anderen Worten, der Arm wurde gelähmt. Wie ein mit Mehl gefüllter Schlauch sackte er am Körper des Gangsters herunter, Josuah Parker trat einen halben Schritt zurück, begutachtete nun fachmännisch die Schlagwirkung und entschied, daß ein zweiter Handkantenschlag nicht mehr notwendig war. Der Gangster schäumte vor Wut. Er mußte sich eingestehen, daß ihn ein wesentlich älterer und zarterer Mann außer Gefecht gesetzt hatte. Er raffte all seine Kraft noch mal auf und stürzte sich auf den Butler. Parker, jeder unnötigen Bewegung abhold, trat einen halben Schritt zurück. Er glich einem Stierkämpfer, der das Tier ge schickt ins Leere laufen läßt. Der Gangster schoß also an Parker vorbei, vermochte sich nicht mehr zu bremsen und brauste gegen die Wand. Als sein Kopf mit dem Mauerwerk in engere Berührung kam, war das kleine Gefecht bereits beendet. Nach einem häßli chen Knackser rutschte der Gangster an der Tapete herunter und blieb in mehr oder weniger malerischer Haltung auf dem Teppich liegen. Parker schüttelte verweisend den Kopf, klopfte sich seine schwarz behandschuhten Finger ab und machte sich dann daran, nach weiteren vergoldeten Kegeln zu suchen… * Die Suche lohnte sich. Auch die beiden Strolche trugen die Parker bereits wohlbekann ten Kegelhölzchen mit sich. Der Butler interessierte sich sofort für die Gravuren auf der Unterseite. Er entdeckte die Nummer 9 und 16. Das konnte schon kein Zufall mehr sein. Die vergoldeten Kegel schienen so etwas wie das geheime Erkennungszeichen einer Gang zu sein. Und die eingravierten Nummern gaben wohl die Rangfolge der einzelnen Gangster innerhalb dieser Organisation an. Parker witterte einen Kriminalfall. Falls er hier in New York blieb, war es ihm vielleicht möglich, eine Gang auszuheben? Auf
der anderen Seite aber wurde er in Chikago erwartet. Mike Rander, sein junger Herr, brauchte ihn dringend wegen einer interes santen Ermittlung, die mit einem Finanzskandal zusammenhing. Der Butler sah auf die beiden Gangster, die still und sehr fried lich auf dem Boden beziehungsweise auf dem Bett lagen. Er hätte jetzt die Polizei alarmieren und die beiden Strolche verhaften las sen können. Er entschied sich für eine elegantere Methode. Es war weit nach Mitternacht und sehr still im Hotel. Nach menschlichem Ermessen war nicht damit zu rechnen, daß er auf dem Gang beobachtete wurde. Er konnte die beiden Eindringlinge also zum Lift schaffen und nach unten befördern. Es war wieder erstaunlich, mit welch spielerischer Leichtigkeit Parker die beiden doch recht kompakten Männer in den Korridor hinaus trug. Er hatte sich inzwischen für einen kleinen Gepäck aufzug entschieden, der sich am Ende des Flurs befand. Besonders groß war der Fahrstuhl ja nicht. Parker mußte die beiden schlaffen Männer übereinanderstapeln, damit sie Platz in der engen Kabine fanden. Dann schloß er die Tür und drückte auf den Signalknopf. Der Fahrstuhl konnte von außen betätigt wer den. Langsam senkte sich die Kabine und wurde schneller. Endstati on war der Keller des Hotels. Dorthin spedierte Parker die beiden Gangster. Wenn sie wieder zu sich kamen, konnten sie von ihm aus das Weite suchen. Im Augenblick war Parker an Festnahmen nicht interessiert. Wieder allein in seinem Zimmer, schloß er die Tür sorgfältig ab und klemmte zusätzlich noch einen Stuhl unter den Türknauf. Dann entkleidete er sich, baute die vier erbeuteten, vergoldeten Kegel auf dem Nachttisch auf und legte sich zur Ruhe. An die bei den Gangster dachte er schon nicht mehr. Sie gehörten der Ver gangenheit an. Parker schloß die Augen. Er lag steif und ausgestreckt wie ein Brett auf der Matratze. Selbst im Bett hätte er sich eine legere Haltung niemals verziehen. Er schrak noch nicht mal zusammen, als das Telefon schrillte. Er griff langsam nach dem Hörer und meldete sich. Eine kühle, be herrschte Stimme antwortete ihm. »Was kann ich um diese recht ungewöhnliche Zeit für Sie tun?« erkundigte sich Parker. »Abhauen, Parker, abhauen. Und das so schnell wie möglich!«
»Ich nehme an, daß Sie Ihren Wunsch begründen können.« »Sie gehen uns auf die Nerven, Alter. Entweder ist Ihr Getue nur Mache, oder aber Sie sind tatsächlich so naiv, wie Sie sich zeigen. Wir werden Ihnen schon die Flötentöne beibringen.« »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich spiele bereits Piano«, antwortete Josuah Parker. »An der Flöte bin ich nicht sonderlich interessiert.« »Hören Sie, noch sitzen Sie auf dem hohen Pferd, Parker, doch das wird sich sehr schnell ändern.« »Hatten Sie die Freundlichkeit, mir diese beiden Besucher aufs Zimmer zu schicken?« »Stimmt genau!« »Ich nehme an, sie haben sich bereits bei Ihnen beschwert. Nun, ich konnte verständlicherweise nicht anders handeln.« »Ihre Glücksserie reißt ab, Parker. Nehmen Sie einen guten Rat an, hauen Sie ab!« »Ich hatte es eigentlich ohnehin vor!« »Dann ist ja alles bestens, Parker.« »Da Sie mich aber unter Druck setzen wollen, werde ich mir die Abreise schenken«, führte der Butler weiter aus. »Mit anderen Worten, und um es deutlich zu sagen, ich werde in New York bleiben.« »Mann, ich lasse Sie wie. einen tollen Hund abknallen!« »Es ist wohl wegen der kleinen, vergoldeten Kegel, nicht wahr?« »Die werden Sie uns zurückgeben, bis morgen, 10 Uhr, gebe ich Ihnen Zeit dazu.« »Und wo soll ich sie deponieren, falls es mich wirklich über kommt, sie Ihnen zu überlassen?« »Um 10 Uhr steht ein grauer Ford vor dem Hotel. Er ist leer. Packen Sie die Kegel in einen Umschlag und werfen Sie ihn in den Wagen. Mehr brauchen Sie nicht zu tun.« »Ich werde versuchen, mir diese Regieanweisungen einzuprä gen«, meinte Josuah Parker. »Versprechen möchte ich allerdings nichts. Das werden Sie verstehen.« »Mann, entweder haben Sie Nerven wie Drahtschlingen, oder Sie sind ein ausgemachter Trottel. Denken Sie an meine War nung. Ist keine leere Drohung.« »Möchten Sie etwa vermeiden, daß die Öffentlichkeit etwas über die Goldkegel erfährt?« erkundigte sich Parker angelegentlich.
»Mir scheint, daß sich unter diesem Firmenzeichen eine recht üble Gang gebildet hat.« »Sie sind ein toter Mann, wenn Sie reden«, zischte die Stimme recht wütend, »denken Sie an meine Worte!« Es knackte in der Leitung, die Gegenseite hatte aufgelegt. Josu ah Parker legte den Hörer vorsichtig zurück in die Gabel und widmete sich noch mal den vier Goldkegeln. Sein Verdacht hatte sich bestätigt. Die Kegel waren das Erkennungszeichen bestimm ter Gangster. Bisher mußte es ihnen gelungen sein, unbemerkt von der Öffentlichkeit und den Behörden zu arbeiten. Parker nahm sich vor, das schnell und gründlich zu ändern. Er war bereit, den Kampf aufzunehmen. Ja, er freute sich auf dieses neue Abenteuer. Am nächsten Morgen wollte er über seine takti schen Maßnahmen näher nachdenken; jetzt aber erst mal ein paar Stunden schlafen. Er handelte stets nach dem Motto: Alles zu seiner Zeit. * Am frühen Morgen, als Josuah Parker sein Frühstück einnahm, klärte sich ein Rätsel, das ihn insgeheim sehr beschäftigt hatte. Die Morgenausgaben der Zeitungen berichteten von einem Über fall im Central Park. Gestochen scharfe Fotos zeigten die junge Blondine, die Parker als Mann identifiziert hatte. Auf den Bildern war der Mann sowohl in Frauenkleidung als auch in Polizeiuniform zu sehen. Er war Mitglied des Detektiv corps und für die Aufklärung gewisser Verbrechen in Frauenklei der gesteckt worden. Der Detektiv hatte den Köder gespielt, um Verbrecher aus dem Central Park anzulocken. Von Zeile zu Zeile sah Parker immer klarer. Jugendliche Gangster, so hieß es in den Zeitungen, machten seit Wochen Manhattan unsicher. Sie überfielen einzelne Frauen, meist in der Dunkelheit und in der Umgebung des Central Parks. Sie raubten Handtaschen, Schmuck und hatten bereits in drei Fällen Frauen verschleppt und erst nach Stunden oder Tagen wie der freigelassen. Diese Frauen berichteten, wenn auch nur andeu tungsweise, von brutalen und schamlosen Gangstern, die ihnen zu nahe getreten waren. Aus verständlichen Gründen verzichteten die Zeitungen darauf, Einzelheiten zu bringen.
Um diesen wahrscheinlich organisierten Gangstern zu begeg nen, hatte der Polizeichef von Manhattan eine spezielle Polizei truppe gebildet und ließ des Nachts verkleidete Detektive durch die Straßen gehen. Sein Trick hatte bisher kaum Erfolg gehabt. Es war nicht gelun gen, auch nur einen einzigen Verdächtigen zu stellen. Ja, zum Leidwesen der Polizei war nun sogar solch ein männlicher Lockvo gel von den Gangstern überrascht und niedergeschlagen worden. Die Zeitungen berichteten aber auch von einem rätselhaften, seltsamen Mann, der den niedergeschlagenen Detektiv in der Nä he eines Taxistands gebracht hatte. Ein Taxifahrer hatte eine ziemlich genaue Beschreibung des Butlers gegeben. Die Polizei rief diesen bewußten Mann auf, sich als Zeuge zu melden. Josuah Parker, sonst immer gern bereit, mit der Polizei Hand in Hand zu arbeiten, überlegte lange, wie er sich entscheiden sollte. Immerhin besaß er inzwischen mehr Informationen über die Gang als die Polizei. Lohnt es sich aber, die vergoldeten Minaturkegel der Polizei zu übergeben? Nach einigen Großfahndungen würde die Polizei zurückstecken müssen. Ein Einzelgänger a la Parker hätte gewiß mehr Chancen, dieser Gang beizukommen. Josuah Parker entschloß sich also, den Mund zu halten und auf eigene Faust diesen Fall zu klären. Dazu gehörte erst mal, daß er Mike Rander in Chikago um einige Tage Urlaub bitten mußte. Mi ke Rander sollte darüber hinaus erfahren, was er, Parker, bisher bereits ermittelt hatte. Für den Fall eines peinlichen Zwischenfalls konnte der Strafverteidiger in Chikago eingreifen und die Behör den informieren. Schnell erledigte Parker diesen Anruf. Selbstverständlich erhielt er den gewünschten Urlaub. Dazu noch gute Segenswünsche sei nes jungen Herrn. Mike Rander wäre zu gern nach New York ge kommen und hätte sich eingeschaltet. Aber die Geschäfte in Chi kago hielten ihn zurück. Parker war damit durchaus einverstanden. Er schätzte es nicht sonderlich, wenn sein junger Herr, den er für noch unerfahren in der Bekämpfung von Gangstern hielt, sich zu sehr einschaltete. Zudem hätte sich Parker große Vorwürfe gemacht, wäre, seinem jungen Herrn etwas passiert. Er versprach, in wenigen Tagen schon wieder in Chikago zu sein, beendete sein Frühstück und verließ das kleine, aber gut geführte Hotel durch einen Hintereingang.
Josuah Parker dachte sehr wohl noch an das bewußte Ultima tum, das ihm in der Nacht gestellt worden war. Um 10 Uhr warte te ein grauer Ford vor dem Hotel, um die vier Goldkegel aufzu nehmen. Parker hatte zwar nicht vor, diese geforderten Kegel in den Wagen zu werfen, doch er wollte den Ford auf keinen Fall versäumen. Er mußte sich sogar beeilen, wenn er pünktlich sein wollte. Da er hier in New York nicht mit einem Kriminalfall gerechnet hatte, befanden sich seine netten Überraschungen ohne Ausnahme drü ben in Chikago. Er mußte sich also, falls er seinem Stil treu blei ben wollte, schnell mit einigen improvisierten Überraschungen begnügen. Er besuchte zuerst eine Eisenwarenhandlung, dann einen klei nen Laden, in dem Flugzeug- und Schiffsmodelle feilgeboten wur den und landete schließlich in der Spielwarenabteilung eines gro ßen Kaufhauses. »Ich interessiere mich für einen Sportbogen«, sagte er höflich zu dem jungen Verkäufer. »Er braucht nicht teuer zu sein, worauf ich besonders aufmerksam machen möchte.« »Sie sind Sportschütze, Sir?« »Oh, Sie schmeicheln mir, junger Mann.« Parker trat an den Stand und wählte bereits fachmännisch einen Bogen aus. »Der dürfte für Sie zu schwer sein, Sir«, schaltete der junge Verkäufer sich ein. »Um ihn zu spannen, muß man schon ein er fahrener und austrainierter Sportsmann sein.« »Der Sie sind, nicht wahr?« »Nun ja, das ist mein Job.« Mitleidig lächelnd maß der junge Verkäufer den Butler, der tatsächlich nicht besonders austrainiert wirkte. Dann nahm er mit einer mehr als lässigen Bewegung den schweren Bogen aus Eschenholz in die Hand und ließ die Darm saiten klirren. Ein brisantes, hohes Summen war zu hören. Der junge Mann baute sich breitbeinig auf und spannte den Bo gen. Als Sportsmann, der er ja war, konnte es keine Schwierig keiten geben. Parker nickte höflich und sah dem jungen Verkäufer zu, dessen Gesicht sich bereits rötete. Die starke Sehne ließ sich kaum spannen. Der junge Mann verdoppelte seine Anstrengungen. Die Adern traten an den Schläfen hervor. Zentimeterweise dehnte er die stramme Sehne. Ein leichtes Keuchen entrang sich seinem Mund.
Er wollte sich vor dem scheinbar alten Mann nicht blamieren. Er mobilisierte seine letzten Kraftreserven und merkte nicht, daß sich zwei seiner Westenknöpfe lösten und zu Boden tanzten. Doch die Sehne gab nur widerwillig nach. Sie bog sich kaum nach au ßen. »Puhh…!« Der junge Mann ließ die Sehne zurückschnellen und grinste unglücklich den Butler an. »Sie sehen, Sir, das ist nichts für Sie«, japste er hervor. »Viel leicht versuchen Sie es mit einem harmlosen Anfängerbogen.« »Sie gestatten, junger Mann!« Parker nahm den Bogen in die Hand, zupfte an der Sehne und spannte sie dann in einem schnellen Zug weit aus. Es war ein Kraftstück, das sich sehen lassen konnte. Doch es kam noch besser. Der junge Mann, noch immer nach Luft schnappend, stierte den Butler entgeistert an. Josuah Parker erlaubte sich nämlich zu sa gen, dieser Bogen besitze leider nicht die Spannkraft, die er sich wünsche. Zielsicher griff Parker dann nach einem Bogen, der für die höchsten Ansprüchen gedacht war. Nur Sportsleute mit den Muskeln eines Herkules konnten mit diesem Superbogen fertig werden. Parker nahm das Gerät in die Hände, wog es, nickte anerken nend und… spannte die Sehne korrekt aus. Der junge Mann hustete und faßte nach einem festen Halt. Er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. So etwas hatte er bisher noch nie erlebt. Diese Szene überstieg sein Fassungsver mögen. »In Anbetracht der Tatsache, daß Sie keine stärkeren Bogen haben, werde ich den hier nehmen«, bemerkte Parker. »Ich möchte allerdings, wenn es sich machen läßt, einige Probeschüs se absolvieren.« »Dort… dort, der Schießstand!« Parker versorgte sich mit einigen Pfeilen und legte einen von ih nen auf. Das Ziel, eine kreisrunde Strohmatte mit weißen Ringen, stand am Ende eines geschützten, etwa 20 m langen Gangs. Parker hob den schweren Bogen, visierte das Ziel an und traf das Schwarze. Sein zweiter Pfeil köpfte den Schaft des ersten, und ein dritter Pfeil wurde mit solch einer Wucht abgeschlossen, daß er die Strohmatte vollkommen durchbohrte und dann federnd und zitternd in der Holztäfelung stecken blieb.
Der junge Mann kämpfte verzweifelt gegen eine aufkommende Ohnmacht an. Er brabbelte unverständliche Worte und klammerte sich an einen Vorhang. »Recht gut«, stellte Parker fest, meinte jedoch den Bogen. »Den werde ich erstehen. Ein paar Pfeile brauchte ich noch und besonders dicke Gummidämpfer.« Das Geschäft konnte leider nicht sofort getätigt werden. Parker mußte Erste Hilfe leisten, bis der junge Mann wieder zu sich kam. Gebrochen wankte der Sportsmann dann zur Warenausgabe und verpackte den Einkauf. Er machte einen scheuen Bogen um Par ker, als der Butler seinen Bogen in Empfang nahm und würdevoll grüßend die Abteilung verließ. Inzwischen fehlten nur noch knappe fünfzehn Minuten bis 10 Uhr. Parker, stets auf Pünktlichkeit bedacht, schritt schneller aus. Er wollte sein Rendezvous mit den Gangstern nicht verpassen. * Die beiden Gangster, die Parker in der Nacht besucht hatten, hielten sich in der Nähe des Fords auf. Sie brannten darauf, sich für die Schlappe in der Nacht zu re vanchieren. Sie hatten vom Chef der Gang den strickten Auftrag erhalten, Parker zu erschießen, sobald er die vier Goldkegel in den Ford hineingeworfen hatte. Sie standen auf der Lauer. Schußbereite 38er staken griffbereit in den Schulterholstern. Der Fluchtwagen hielt ganz in der Nähe. Nach dem Mord wollten die beiden Gangster sich darin absetzen und das Weite suchen. Sie waren bereits unruhig geworden, denn 10 Uhr war längst überschritten. Josuah Parker aber ließ sich weit und breit nicht sehen. »Ich wette, der hat Angst und kommt nicht«, sagte einer der Gangster. »Der kommt! Der weiß, was für ihn auf dem Spiel steht.« »Für uns aber auch, wenn die Sache nicht hinhaut!« »Dieser ulkige Vogel wird kommen«, wiederholte der Gangster noch mal. »Der Chef muß ihm ganz schön eingeheizt haben. Der weiß, wie man Leute aufschwänzt!«
»Mann, da ist doch einer am Ford!« Der Gangster beugte sich vor, um besser sehen zu können. »Verdammt, und wenn dieser Leichenbitter ‘nen harmlosen Passanten bittet, das Päckchen in den Ford zu werfen?« »Halt’s Maul!« Der Gangster verließ den Hauseingang und beo bachtete einen jungen Mann, der tatsächlich ein Päckchen in den Ford warf. »Der hat uns reingelegt«, murmelte er. »Der alte Rabe läßt sich überhaupt nicht blicken.« »Wenn schon: Der Boy dort wird uns sagen, wo Parker steckt.« Die beiden Gangster schnitten dem ahnungslosen jungen Mann den Weg ab und nahmen ihn zwischen sich. »Ganz schön brav sein«, sagte der breitschultrige Gangster lei se zu dem verdutzten Passanten. »Was haben Sie da gerade in den Ford geworfen?« »Ein Päckchen!« »Und für wen? Los, schnell antworten, mein Junge, sonst wer den wir verdammt ungemütlich.« Der junge Mann dachte an die Weisungen, die er von dem Spender eines Zehn-Dollar-Scheins erhalten hatte. »Der Mann steht da drüben in der Nische«, erklärte er hastig. »Und wie sieht er aus?« »Alt, mittelgroß, ganz schwarz gekleidet. Sieht komisch aus, wirklich.« »Hau ab!« Der junge Mann bekam einen derben Stoß und trabte schleunigst davon. Er wagte nicht, stehen zu bleiben und sich umzuwenden. Er spürte, daß er sich in großer Gefahr befunden hatte. Die beiden Gangster spürten das nicht. »Dort in der Nische!« rief der Gangster seinem Partner zu. »Los, den haben wir gleich am Wickel!« Sie trennten sich und pirschten sich an die Nische heran, die von zwei Hauseingängen gebildet wurde. Unterwegs stutzte der eine Gangster, schlug einen Bogen und ging erst mal zum Ford, um das wichtige Päckchen zu bergen. Er beugte sich und schob seinen Kopf durch die geöffnete Wa genscheibe. Er hörte plötzlich ein giftiges Zischen über seinem Kopf und starrte völlig überrascht auf einen langen Indianerpfeil, der sich knapp neben seiner linken Hand in das Sitzpolster ge bohrt hatte. Er verschwand tief in den Federn.
Ihm brach sofort der Schweiß aus. Gegen einen Schuß hätte er kaum etwas einzuwenden gehabt. Schießereien gehörten zu sei nem Handwerk. Doch solch ein tödlicher, lautloser Pfeil raubte ihm die Nerven. Der Mann kümmerte sich nicht weiter um das Päckchen, das greifbar nahe vor ihm lag. Er rechnete damit, daß sich solch ein langer, gefiederter Pfeil in seinen Rücken bohrte. Er richtete sich also hastig auf. Viel zu hastig übrigens, denn sein Hinterkopf knallte dabei gegen das Wagendach. Stöhnend vor Schmerz ging er in die Knie, faßte sich und wankte zum Geh steig. Er wollte sich hinter dem Ford erst mal in Deckung bringen. Von dort aus suchten seine Augen nach dem unheimlichen Bo genschützen. Doch sie konnten nichts entdecken. Der Pfeil schien von den Wolken aus auf ihn abgeschossen worden zu sein. Der zweite Gangster hatte inzwischen die Nische erreicht. Doch Parker war nicht zu sehen. Der Strolch fluchte gemein, drehte sich um und hielt Ausschau nach seinem Partner. »Was soll denn das«, murmelte er mißgestimmt. Er hatte ihn vor dem Ford entdeckt. Er winkte ihm zu, doch der Partner rea gierte nicht. Dafür wischte er sich mit seinem Taschentuch unun terbrochen die Stirn und den Nacken ab. Der Gangster in der Nische hielt seinen Standort für recht gün stig. Er wollte noch einen Augenblick warten. Vielleicht zeigte sich das Opfer noch. Plötzlich aber zuckte er zusammen. Er spürte nämlich einen harten Ruck an seinem Rockärmel. Er nahm den Kopf herum und versuchte gleichzeitig, den Ellbogen nach vorn zu nehmen. Er wollte herausfinden, was ihn gezupft hatte. Er entdeckte einen langschäftigen, gefiederten Pfeil, der seinen Rockärmel durchbohrt hatte und nun im weichen Holz einer Bret terverschalung federte. Der Gangster wollte schreien, doch er schaffte es nicht. Er war wie gelähmt. Wieder ein Zischen in der Luft. Der Gangster schrie auf. Nun verspürte er ein hartes Zupfen und Rucken an seinem linken Hosenbein. Er wagte kaum, den Blick zu senken. Ein zweiter Pfeil, der ihn an den Bretterverschlag annagelte! Der Gangster riß sich entsetzt los und spurtete in einem er staunlichen Tempo auf den bereitstehenden Fluchtwagen zu. Das Päckchen und den Ford hatte er längst vergessen. Er glaubte
während der knappen Minute, hinter oder über sich ein giftiges, hartes Zischen zu hören. Panische Angst trieb ihn voran. Sein Begleiter ließ sich nicht besonders ermuntern, um an die ser Flucht teilzunehmen. Die beiden Männer, die Kegelnummer 9 und 16, rannten wie vom Teufel gejagt die Straße hinunter und warfen sich in den zweiten Wagen. Josuah Parker, der in guter Schußposition stand, hätte nun auch noch die Reifen dieses Wagens anbohren können. Aus taktischen Gründen versagte er sich diesen heißen Wunsch. Er begnügte sich damit, sich das Kennzeichen dieses Wagens zu merken. Dann trat er vom Fenster zurück, ließ Bogen und zwei Reserve pfeile im Waschraum stehen und verließ die Büroetage, von der aus er auf die Gangster geschossen hatte. Wie ein freundlicher, aber korrekter Pensionär sah er aus, als er dann später die Straße betrat und sich nach einem Taxi umsah. Ihm ging es nun darum, den Eigentümer des Wagens ausfindig zu machen. Parker hatte die ersten Spuren aufgenommen. Er hatte nun die richtige Witterung in der Nase und war gespannt, was die nächsten Stunden bringen würden. * Josuah Parker blieb vor dem ehemaligen Kino stehen, das jetzt als Bowling-Bahn eingerichtet war. Auf einem Parkplatz rechts des Eingangs standen einige Wagen. Die Kegelbahn schien nicht sonderlich gut besucht zu sein. Übrigens kein Wunder, denn bis Mittag fehlten noch fast zwei Stunden. Parker war nicht von ungefähr hierher gekommen. Seine Re cherchen hatten ergeben, daß der Inhaber des Wagens, in dem die beiden Gangster Hals über Kopf geflüchtet waren, gleichzeitig auch der Besitzer dieser Kegelbahn war. Selbst ein ahnungsloser Laie hätte gewisse Beziehungen ent deckt. Die vier von Parker behandelten Gangster hatten alle klei ne vergoldete Kegel mit sich geführt. Und Kegel gehörten nun mal zu einer Bowling-Bahn wie Senf zu Frankfurter Würstchen. Sollte diese vollautomatische Kegelbahn das geheime Quartier der üblen Gangsterbande sein? War der Inhaber dieses Etablis sements auch gleichzeitig der große Bandenchef, der seine Leute auf hilflose Frauen hetzte?
So verlockend dieser Gedanke war, so skeptisch war Parker. Die Dinge fügten sich zu gut ineinander. Aus Erfahrung wußte er, daß Kriminalfälle sich niemals derart spielend leicht lösen. Sollte er bewußt auf die falsche Spur gesetzt werden? Josuah Parker übersah die erstaunten Blicke des Mannes an der Kasse, als er sich eine Eintrittskarte löste. Parker paßte über haupt nicht hierher. Als er die breite Treppe hinauf zur eigentli chen Bahn ging, schob der Kassierer seinen Kopf durch das kleine Fensterchen des Schalters und schaute ihm nachdenklich nach. Dann setzte er sich zögernd und massierte sich das Kinn. Er wuß te nicht, was er von diesem seltsamen Besucher halten sollte. Parker stieß die Pendeltür auf und blieb stehen. Mit einem um fassenden Blick prüfte er die Umgebung. Sechs breite Bowling bahnen füllten den früheren Zuschauerraum. Tiefstrahler erhell ten die Bahnen. In der linken Ecke des Raumes gab es eine Bar, die durch bis zum Boden reichende Glasscheiben von der Bahn getrennt war. Auf der Bahn, knapp vor dieser Bar, betätigten sich einige junge Leute. Sie waren sehr laut und benahmen sich mehr als unge niert. Sie tranken Bier, rauchten, flirteten mit Mädchen, die enge Nietenhosen und abenteuerliche Frisuren trugen. Parker bewegte sich zur Bar und nahm auf einem der hohen Hocker Platz. Daß es plötzlich still wurde, schien er nicht zu be merken. Er reagierte auch nicht, als die jungen Leute, die im Durchschnitt 18 Jahre alt sein mochten, brüllend loslachten. Sie amüsierten sich über diesen seltsamen Vogel, wie sie Parker ins geheim nannten. Parker bestellte sich ein Colagetränk, dessen medizinischen Ge schmack er mit Whisky aufhellte. Dann wandte er sich langsam um und maß den lang aufgeschossenen Jüngling, der die Bar betrat. Drei, vier junge Leute folgten ihm. »Wie steht’s denn mit ‘nem kleinen Wettkegeln, Sir?« wurde Parker übertrieben höflich gefragt. »Oh, Sie meinen mich?« »Natürlich…! Wollen wir ein paar Runden machen? Ich wette, Sie sind ein prächtiger Kegler, wie?« »Nun ja, ich möchte keineswegs übertreiben, doch vor Jahren frönte ich tatsächlich diesem Sport.« Der junge Mann, verwegen gekleidet und mit einem rauflusti gen, wilden Gesicht, schluckte ein aufsteigendes Grinsen herun
ter. Er glaubte, ein williges Opfer gefunden zu haben. Parker ent sprach genau seinen Vorstellungen und schien Geld spucken zu können. »Vielleicht können Sie Anfängern noch was beibringen«, lockte er weiter. »Jeder Durchgang bis zu 50 Punkten. Wer verliert, zahlt 5 Eier.« »Ich fürchte, ich muß zurücktreten«, meinte Parker. »Ihre Wäh rung ist mir fremd, ich stamme nicht aus der landwirtschaftlichen Erzeugerbranche.« Die jungen Leute brüllten vor Lachen laut auf. Parker ließ sich auseinandersetzen, daß mit Eiern Dollars gemeint waren. Darauf hin erklärte er sich selbstverständlich bereit, an diesem kleinen Spiel teilzunehmen. Da beim Bowling mit zehn Kegeln gespielt wird, konnten pro Durchgang maximal 10 Punkte erreicht werden. Um sie zu errei chen, mußte man schon alle Tricks solch einer Bahn kennen. Die jungen Leute, wahrscheinlich Stammgäste hier, fühlten sich voll kommen sicher und überlegen. Sie hatten eben keine Ahnung, wie leichtsinnig es war, mit Parker zu wetten. Pro Durchgang holte Parker sich 49 bis 50 Punkte. Er gewann praktisch jedes Spiel und kassierte Dollars am laufenden Band. Er wunderte sich insgeheim darüber, wie gutwillig die jungen Leute zahlten. Fünf Dollar für jedes verlorene Spiel schienen ihnen nichts auszumachen. Josuah Parker holte nach jedem Gewinn seine dicke Brieftasche hervor und steckte die Scheine sorgfältig in das Innenfach. Er zeigte den jungen Leuten, daß er reichlich mit Banknoten verse hen war. Er testete die jungen Leute, wollte herausbekommen, wie sie beim Anblick der Geldscheine reagierten. Nachdem er 60 Dollars eingestrichen hatte, trat eine Wendung ein. Eines der jungen, recht aufreizend gekleideten Mädchen, schob sich an ihn heran, schrie plötzlich auf und beschuldigte Parker, er sei aufdringlich und frech geworden. Die Stimmung schlug sofort um. Die eben noch recht friedlichen jungen Männer nahmen eine drohende Haltung ein, umringten den Butler und schoben ihn von der Bahn herunter. Sie drängten ihn in eine dunkle Ecke und schlossen ihn ein. »Das haben wir aber gar nicht gern«, sagte der lang aufge schossene, junge Mann, der der Wortführer war. »Junge Mädchen
belästigen, was? Wir sollten dir mal Manieren beibringen, Al ter…!« »Ich protestiere schärfstens gegen diese Unterstellung«, ant wortete Parker fast sanft. »Sie wissen sehr genau, daß die Be hauptungen der jungen Dame nicht zutreffen.« »Der Polizei sollten wir dich melden«, entrüstete sich der junge Mann. »Aber vielleicht drücken wir ein paar Augen zu.« »Und wie erreiche ich das?« Parker sah tatsächlich ängstlich und ratlos aus. »Spuck ein paar Lappen, Alter, dann kannste abhauen…! Aber spuck sie schnell aus, bevor wir uns die Sache anders überle gen.« »Was verstehen Sie unter ein paar Lappen?« erkundigte sich Parker eingeschüchtert. Die ganze Geschichte schien ihm äußerst unangenehm zu sein. »200 Dollars, dann Schwamm darüber…!« »Das ist, wie ich bemerken darf, sehr viel Geld für einen alten Mann wie mich.« »Besser, als vor ‘nem Schnellrichter zu stehen. Wir alle können unter Eid aussagen, daß Sie lästig geworden sind, Alter.« »Nun gut, ich habe mich entschlossen…!« »Wußte ich doch gleich, Alterchen…! Raus mit den Lappen!« »Ich habe mich entschlossen, nicht zu zahlen! Ich lasse es dar auf ankommen, von einem Schnellrichter abgeurteilt zu werden!« »Du… du willst nicht zahlen…?« Der junge Gauner riß die Augen überrascht auf. »Aus prinzipiellen Erwägungen heraus«, erläuterte der Butler näher. »Ich lasse mich nicht unter Druck setzen, meine lieben jungen Freunde.« »Dann werden wir dir mal zeigen, wie wir reagieren.« Der junge Mann schlug blitzschnell zu und traf Parkers Brust. Der Butler zuckte mit keiner Wimper. Er verdaute diesen harten Schlag. Der junge Mann aber stöhnte auf und starrte auf seine Faust, deren Finger er kaum auseinander bekam. Er hatte das Gefühl, sich jeden Knochen einzeln gebrochen zu haben. Das war kein Wunder. Parker trug unter seiner korrekt sitzen den Weste einen körpergerecht sitzenden Schutz aus dünnem Stahlblech, der die Magenpartie sicherte. Genau dagegen hatte der junge Mann seine Faust donnern lassen.
»Ich schlage vor, wir beenden alle Feindseligkeiten«, meinte Parker versöhnlich. Doch der junge Mann schnaufte vor Wut und scheuchte seine Freunde auf den Butler. Die Mädchen traten lässig zurück und genossen die Szene. Für sie war der Ausgang klar. Nach wenigen Minuten mußte der alte Mann ohnmächtig am Boden liegen. Sie kannten ihre Freunde und wußten, wie hart sie zuschlugen. Parker ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er umklam merte seinen Universal-Regenschirm an Griff und Spitze. Dann wehrte er die Angreifer schnell und geschickt ab. Mit dem quer in der Luft liegenden Schirmstock blockierte er Schläge, mit dem vorschnellenden Griff teilte er harte Hiebe aus, mit der vorzuk kenden Spitze des Schirms bearbeitete er die Angreifer. Das allgemeine Chaos lichtete sich sehr schnell. Nach etwa drei Minuten waren die Gegner am Boden zerstört. Sie lagen, mehr oder weniger malerisch, auf der Bowlingbahn und waren nicht fähig, noch mal anzugreifen. Parker aber war unversehrt. Bis auf einige verirrte Schläge hat te er nichts abbekommen. Sechs junge, muskelstarke Männer hatte er ausgeschaltet. Darauf hätte er sich eigentlich einiges einbilden können. »Es tut mir unendlich leid, daß ich hart zu Ihnen sein mußte«, entschuldigte er sich. »Fairerweise möchte ich Ihnen aber Gele genheit zur Revanche geben.« Die jungen Mädchen zogen sich vorsichtig zurück und ver schwanden hinter einem Vorhang rechts von der Bar. Der Bar keeper hing am Telefon, doch Josuah Parker war sicher, daß er nicht mit der Polizei sprach. Der langaufgeschossene, junge Schläger fürchtete um sein An sehen. Er glaubte sich dazu verpflichtet, Parker noch mal an zugreifen. Da er seinen Muskeln aber nicht traute, zog er sein Messer, ließ die Klinge aus der Scheide hervorschnellen und schleuderte die Waffe auf Parker. Blitzschnell faltete Parker seinen Universal-Regenschirm ausein ander. Der zähe Nylonstoff, der mit Metallfäden durchsetzt war, ließ das nadelspitze Messer abprallen. Klirrend landete es auf dem Boden. Parker hob es schnell auf. In solchen Augenblicken zeigte sich, wie austrainiert und geschmeidig er war. Er wog das Messer nachdenklich in der Hand.
»Messerwerfer schätze ich nicht«, sagte er dann vorwurfsvoll. »Wie leicht kann mit solch einer Schneidware etwas passieren. Zudem muß man damit umgehen können. So zum Beispiel…!« Aus dem Handgelenk heraus schleuderte der Butler das Messer zurück. Es zischte durch die Luft und landete genau vor dem Gauner. Der Schläger sprang hoch und stolperte. Dann warf er sich nach vorn und wollte sein Messer schnell wieder an sich nehmen. Er hatte die Wucht unterschätzt, mit der Parker das Messer ge worfen hatte. Es stak tief im Holzfußboden und rührte sich nicht. Der junge Schläger mühte sich ab, bekam einen roten Kopf, doch er schaffte es nicht auf Anhieb. Erst nach einigen Versuchen ge lang es ihm, das Messer in die Hand zu bekommen. »Ich möchte doch sehr hoffen, daß unser nettes Beisammensein nicht weiter getrübt wird«, sagte Parker väterlich und wohlwol lend. »Ach, richtig, bevor ich gehe, möchte ich das hier an den Eigentümer zurückgeben.« Er hielt plötzlich einen der vier vergoldeten Kegel in der Hand und zeigte ihn den jungen Leuten, die ihn immer noch entgeistert anstarrten. Parkers Hoffnung, der Kegel würde erkannt und spontan in An spruch genommen werden, erfüllte sich leider nicht. Keiner der jungen Männer wußte mit dem Goldkegel etwas anzufangen. Sie interessierten sich überhaupt nicht für ihn, sondern rieben sich die schmerzenden Stellen am Körper und wichen langsam vor Parker zurück, der kurz grüßte und dann zurück zur Pendeltür ging. Er hielt seine alte, unförmig aussehende Taschenuhr in der Hand. Doch ihm ging es nicht darum, die Zeit abzulesen. Die In nenseite des reich verzierten Sprungdeckels war ein besonders geschliffener Spiegel, der ihm genau sagte, was sich hinter sei nem Rücken abspielte. Für den Fall eines heimtückischen Über falls wäre Parker also umgehend gewarnt worden. Die jungen Leute hatten aber die Nasen gestrichen voll. Sie ris kierten es nicht, Parker anzufallen. Ja, sie waren sogar froh, daß er ging und das Feld räumte…! Nach dem Verlassen der Eingangshalle wurde Parker gestoppt. Ein untersetzter, breitschultriger Mann von vielleicht 45 Jahren, mit leicht gekrümmten Beinen, vertrat ihm den Weg. Dieser Mann, dessen Gesicht faltig und gebräunt war, erinnerte Parker
an einen Jockey. Er war nicht allein. Schräg hinter ihm standen zwei kompakte Männer mit ausdruckslosen Gesichtern. Parker sah auf den ersten Blick, daß er es mit wirklichen Gangsters zu tun hatte. »Einen schönen guten Tag wünsche ich«, sagte Parker, lüftete höflich seine steife Melone und wollte weitergehen. »Einen Moment mal…!« Der Krummbeinige lächelte. »Was ha ben Sie da oben auf der Bahn eigentlich angestellt?« »Wir trugen eine kleine Wette aus«, antwortete Josuah Parker. »Wenn mich nicht alles täuscht, sind Sie der Eigentümer der Bow ling-Bahn. Mr. Randy Sanders, ja?« »Stimmt haargenau…! Was war da oben los?« »Sollten Sie es wirklich nicht wissen, Mr. Sanders? Ich möchte unterstellen, daß Sie bereits von Ihrem Barkeeper orientiert wor den sind.« »Natürlich, stimmt haargenau…! Und bevor Sie verschwinden, Alter, will ich sehen, was Sie angerichtet haben. Sie kommen für den Schaden auf.« »Sie trauen einem alten, verbrauchten Mann sehr viel zu«, freu te sich Parker und deutete ein Schmunzeln an. »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich trainierte mit einigen Ihrer jungen Gäste. Sehr veranlagt, würde ich sagen, doch noch ohne jede Reife, die erst die Perfektion ergibt.« »Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank!« Mr. Randy Sanders trat einen Schritt zurück und wußte nichts aus Parker zu machen. Solche Antworten kannte er einfach nicht. Er fühlte sich sogar leicht auf den Arm genommen. »Das hier fand ich auf dem Boden!« Parker bemühte erneut ei nen Goldkegel und präsentierte ihn auf seiner Handfläche. Das eben noch interessierte Gesicht des Mr. Sander wurde plötzlich ausdruckslos. Er mühte sich ehrlich ab, unbeteiligt und nicht wissend auszusehen. Doch gerade diese Anstrengungen verrieten ihn. Parker spürte es sofort, daß er endlich die richtige Adresse erreicht hatte. »Lassen Sie mal sehen«, meinte Sanders. Er griff nach dem Ke gel. Die beiden Leibwächter hinter ihm schlossen dichter auf und spielten mit den Schußhänden an den Aufschlägen ihrer Jacketts herum. Falls gewünscht, wollten sie schnell an ihre Schußwaffen in den Schulterholstern herankommen.
»Aber bitte, ich schenke Ihnen diesen Kegel«, sagte Parker. »Ich besitze ohnehin genug davon.« »Sie – Sie besitzen noch mehr davon?« »Wahrscheinlich kleine Souvenirs, wie man sie in den Kiosken kaufen kann.« »Haben Sie die anderen Kegel bei sich?« »Im Moment leider nicht.« »Könnten Sie mir die verschaffen?« »Aber natürlich, Mr. Sanders. Sie scheinen sich dafür zu inter essieren, nicht wahr?« »Vielleicht! Wann kann ich sie haben?« »Darüber müßte man sich einigen.« »Und woher haben Sie sie?« »Ich fand sie, um ehrlich zu sein, im Central Park. Ich stolperte förmlich darüber.« Josuah Parker zog einen Kugelschreiber aus der Ziertuchtasche seines schwarzen Jacketts und wies mit der Spitze des Schreibge räts auf die Gravur des Kegels. »Hier werden Sie rätselhafte Gravuren finden«, erläuterte er. »Wenn Sie näher hinsehen wollen, Mister Sanders.« »Das hat Zeit. Weshalb sind Sie hierhergekommen? Sie wollten doch nicht kegeln, oder?« Randy Sanders warf den kleinen Kegel hoch und fing ihn ge schickt wieder auf. Er ließ dabei den Butler nicht aus den Augen. »Ich suche den Besitzer eines Wagens, in dem zwei Männer da vonfuhren, nachdem sie vergeblich darauf warteten, daß ich ih nen meine Kegel übergab.« Er ließ die Katze aus dem Sack. Vielleicht mehr als leichtsinnig, vielleicht aber auch nur wieder einer der vielen Tricks des Butlers. In diesem Fall schien er sein Spiel aber überreizt zu haben. Er stand schließlich drei ausgewachsenen Männern gegenüber, die ihr Handwerk bestimmt verstanden. Diese drei Männer hatten schneller, als er ihre Waffen ziehen können. Parker konnte sich mit seinem Universal-Regenschirm kaum zur Wehr setzen. »Wie war das? Soll es mein Wagen gewesen sein, in dem zwei Leute weggefahren sind, die hinter den Kegeln her waren?« »Ich freue mich, mich deutlich genug ausgedrückt zu haben, Mister Sanders. Es tut immer wohl, einem intelligenten Menschen zu begegnen.«
»Wann war das mit dem Wagen? Sind Sie sicher, daß es meiner gewesen ist?« »Darauf kann ich, falls es gewünscht wird, einen oder auch mehrere Eide ablegen.« »Und weshalb suchen Sie nach diesen beiden Leutchen?« »Richtig, ich vergaß Ihnen zu sagen, daß ich AmateurKriminalist bin. Eine stille Leidenschaft von mir, wenngleich es manchmal recht laut dabei zugeht. Das muß man aber halt in Kauf nehmen. Sie können mir helfen, Mister Sanders? Mit einem kleinen, freundlichen Hinweis wäre mir bereits gedient.« »Momentchen mal, Sie sind hinter diesen Leuten her?« Sanders hielt den Kegel hoch und ließ ihn aufblinken. »Das entspricht den Tatsachen.« »Mann, Sie wissen nicht, was gespielt wird! Sie sind ein netter Bursche. Ich rate Ihnen, schleunigst die Finger von dieser Ge schichte zu lassen. Sie kann ins Auge gehen.« »Demnach wissen Sie mehr als ich, Mister Sanders. Sie sind al so in der Lage, mir mit einem bescheidenen Hinweis zu dienen?« »Den haben Sie bereits bekommen, Alter. Lassen Sie die Finger von dieser Sache, sonst werden Sie Ihr blaues Wunder erleben. Sie haben keine Ahnung, auf was Sie sich da einlassen wollen.« »In der Tat nicht!« »Sie werden in ein Wespennest stechen.« »In jungen Jahren beschäftigte ich mich als Gehilfe eines Im kers. Im Umgang mit solchen und ähnlichen Insekten bin ich, das darf ich ohne weiteres sagen, wohlerfahren.« »Sie sind verrückt! Aber wenn Sie nicht anders wollen, kann ich Sie ja mal einweihen. Los, Jungens, bringt ihn in mein Büro! Dort können wir uns ungestört unterhalten.« Die beiden Jungens des Jockeys traten vor und streckten ihre Arme aus. Sie wollten den Butler kurz und vielleicht auch schmerzhaft aus dem Vestibül schieben. Zu ihrem Pech übersahen sie den Kugelschreiber in Parkers Hand. Er drückte auf einen kleinen, kaum wahrnehmbaren Knopf. Daraufhin verwandelte sich der Kugelschreiber in eine Spritzdüse. Blitzartig schoß eine neblig aussehende üble Flüssigkeit aus der Spitze des Geräts und traf die Augen der drei Ehrenmänner. Sie vergaßen daraufhin den Butler, vergaßen, ihre Waffen zu ziehen und konzentrierten sich auf ein röchelndes Husten, das die Fensterscheiben klirren ließ. Sie husteten und röchelten, sie
wischten sich dicke Krokodilstränen aus den Augenwinkeln und konnten plötzlich nichts mehr sehen. Sie rannten sich gegenseitig um, verpaßten sich einige Hiebe, die eigentlich Parker zugedacht waren, und torkelten durch den Vorraum. Einer der Leibwächter landete in einem Blumenbeet, das den Vorraum zierte. Der zweite Gorilla setzte sich unter aufreizendem Knurren in eine Glasscheibe, die zum Kassenhäuschen gehörte, und der Jockey näherte sich gefährlich nahe der Treppe, die in die Kellerräume führte. Parker wollte als höflicher und mitfühlender Mensch noch eine Warnung ausstoßen, aber er schaffte es nicht mehr. Der Jockey segelte bereits mit weit ausgebreiteten Armen über die Stufen nach unten. Parker blieb interessiert stehen. Er wartete auf die Geräusche dieser Luftreise und Landung. Scheppern und Klirren kündigte die Bauchlandung an. Parker hatte den Eindruck, daß der Mann es sich zwischen abgestellten Putzeimern bequem gemacht hatte. Der Butler durfte mit dem Erfolg seiner Bemühungen zufrieden sein. Ohne Hast schritt er hinaus ins Freie, sah sich den dort ste henden Wagen genau an und erkannte die gesuchte Nummer. Es war genau der Wagen, den er nach den Pfeilschüssen gesehen hatte. Auf dem Vordersitz lag eine Bügelmappe aus Leder. Parker konnte einfach nicht widerstehen. Nach einem kurzen Kampf in ihm zwischen Moral, Ethik und Nützlichkeit unterlagen seine posi tiven Triebe. Er griff nämlich nach der Bügelmappe und lud sie zu einem kleinen Spaziergang ein. Da sie keinen Widerspruch erhob, klemmte Parker sie unter den Arm und verschwand im Gewirr der Passanten. * In einem Brauhaus in der 86. Straße, in jener Gegend, in der vor allen Dingen Deutsch-Amerikaner wohnen, belegte der Butler eine stille Nische, bestellte sich ein Bier und öffnete die Bügelta sche. Banknotenbündel, eine Pistole, Kaliber 38, Schnellhefter und Abrechnungsbogen boten sich seinen Blicken dar. Nach kurzem Studium wußte der Butler, daß die Banknoten einen Wert von
insgesamt 3200 Dollars darstellten, daß die Pistole geladen und gesichert war und daß die Abrechnungen sich auf einige Bowling bahnen auf Manhattan bezogen. Mr. Randy Sanders war der Be sitzer von insgesamt vier Bahnen. Vor seinem Gespräch mit Par ker schien er seine Filialen besucht und abkassiert zu haben. Die Ausbeute war nicht befriedigend. Parker hatte sich mehr er hofft. Jeder Hinweis auf eine verbrecherische Tätigkeit fehlte. Und doch deutete alles daraufhin, daß Randy Sanders der Chef der Goldkegel-Gang war. Aber war Sanders der Typ, der billige Schläger und Gauner in den Central Park schickte, um wehrlose und hilflose Frauen zu überfallen, zu berauben und sogar zu verschleppen? Parker ver neinte diese Frage. Mr. Sanders paßte nicht ins Bild. Er schien mit den Goldkegeln allerdings etwas anfangen zu können. Vielleicht wußte er, wer diese Gang aufgezogen hatte und führte. Oder lagen die Dinge doch wesentlich einfacher? Sollte es Par ker vielleicht gleich auf Anhieb gelungen sein, die Gang ausfindig zu machen? Warum hatten die beiden Abholer der Goldkegel Sanders’ Wagen benutzt? Einfach nur aus Bequemlichkeit, oder nur, um Sanders einen Streich zu spielen? Parker genoß das starke Bier, dachte nach und verkniff sich nur mit Mühe und Not den heißen Wunsch, sich eine seiner spezialen gefertigten schwarzen Zigarren anzuzünden. Er schloß die Tasche, prägte sich die Privatadresse des BowlingBahn-Besitzers ein und verließ das Brauhaus. Ihm ging es darum, die Tasche so schnell wie möglich dem Eigentümer zurückzuge ben. Dazu war es notwendig, Sanders in der Privatwohnung auf zusuchen. Der Mann wohnte in einem modernen Apartmenthaus in der 79. Straße östlich des Central Parks. Die Mieten hier waren recht hoch und entsprachen der Anzahl der Stockwerke der Häuser. Parker fragte in der Halle nach Mr. Sanders und wurde in den 10. Stock verwiesen. Dank seines würdevollen Aussehens wagte der Hausdiener nicht, Fragen zu stellen. Parker konnte also ungehin dert den Fahrstuhl betreten und hinauf in die 10. Etage fahren. Vor einer glatten Tür blieb er stehen und läutete. Es war wieder mal typisch für ihn, daß er sich sofort in die Höh le des Löwen wagte. Angst schien ihm ein unbekannter Begriff zu sein. Er handelte stets so wie man es, dem gesunden Menschen verstand nach zu urteilen, nie von ihm erwartete. Gerade diese
Reaktionen waren wohl der Grund für seine bisherigen Erfolge. Er verblüffte seine Gegner, zwang ihnen sein Handeln auf und ließ sie niemals zur Ruhe kommen. Sie konnten es sich einfach nicht vorstellen, daß ein Mann wie der Butler allein arbeitete. Sie glaubten stets, hinter ihm stünde eine ganze Streitmacht, die ihm den Rücken decke. Es ging ihnen einfach nicht in den Schädel, daß Parker ein Einzelgänger war, dessen Tricks und Phantasie allerdings alles Bekannte in den Schatten stellte. Selbst der Anwalt und Strafverteidiger Mike Rander, dessen Butler Josuah Parker war, wurde immer wieder überrascht. Parker ließ sich einfach nicht in ein bekanntes Schema einordnen. Es blieb Mike Rander rätselhaft, warum Parker als Butler arbei tete. Schon drüben in England, wo sie sich kennen und schätzen gelernt hatten, diente Parker in einem hochherrschaftlichen Haus. Seine Verpflanzung in die Staaten hatte ihm nicht geschadet. Er war der geblieben, der er war und bleiben wollte: ein hochherr schaftlicher Butler, voller Würde und Steifheit! Parker erst hatte Anwalt Mike Rander angestiftet, ebenfalls Amateur-Kriminalist zu werden. Dank ihrer wirtschaftlichen Un abhängigkeit konnten sie sich die Fälle aussuchen, die sie interes sierten. Oder, um genauer zu sein, die Josuah Parker für erre gend und vielversprechend hielt. Die Erfolge hatten nicht lange auf sich warten lassen. Selbst die Behörden wandten sich in verzweifelten Fällen an dieses seltsame Zweigespann. Parker und Mike Rander ließen sich nie lange bit ten. Wenn es darum ging, Gangster zu stellen, waren sie sofort zur Stelle und setzten sich voll ein. Mike Rander brauchte um seine eigentliche Arbeit als Anwalt nicht zu fürchten. Begab er sich zusammen mit seinem Butler auf den Kriegspfad, dann ging die Anwaltsarbeit weiter. Sein Büro in Chikago war sehr gut besetzt. Er konnte es sich leisten, Tage und Wochen fernzubleiben. Er arbeitete mit Parker sehr gern zusammen. Es gab dann im mer Überraschungen am laufenden Band. Daß beide Männer in zwischen Lizenzen als Privatdetektive besaßen, sei nur am Rande erwähnt. Doch Parker machte nur selten Gebrauch davon. Dank seiner skurrilen Persönlichkeit brachte er die verstocktesten Leute zum Reden.
Als er an jenem Mittag vor Randy Sanders Apartment-Tür stand, zweifelte er nicht daran, daß man ihm Informationen lie ferte. Gewiß, Sanders war wohl wegen des kleinen Zwischenfalls böse und verstimmt, doch Parker hatte, die richtigen Worte parat, um den Mann wieder zu besänftigen. Er hörte Schritte hinter der Tür und griff nach seiner steifen schwarzen Melone, um sie gleich nach dem Öffnen besonders höflich zu lüften. Eine Sperrkette wurde ausgeklinkt, Sekunden später öffnete sich die Tür. Parker war leicht verblüfft, was ihm wirklich nicht oft passierte. Mit viel Schwung und Gefühl stürzte sich eine junge Dame aus der Tür und warf sich ihm an den Hals. Parker spürte einen Kuß – und nahm ungewollt Tuchfühlung. »Ich bin angenehm enttäuscht«, sagte Parker. »Ich hatte einen anderen Empfang erwartet.« Die junge, vielleicht 22jährige Frau, stutzte, löste sich blitz schnell von dem Butler und erkannte ihren Irrtum. Doch sie war überhaupt nicht verlegen. Sie lächelte, ordnete den leichten Mor genmantel und ließ den Butler eintreten. »Ich bin gekommen, um mit Mr. Sanders zu sprechen«, erläu terte der Butler. »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie. »Er erwartet Sie. Er ist nur für einen kleinen Moment weggegangen, wird aber gleich wieder hiersein.« »Er erwartet mich?« Parker staunte. »Ich freue mich, seinen Partner endlich mal kennenzulernen«, redete sie weiter und schloß hinter Parker die Tür. »Er hat mir schon so viel von Ihnen erzählt, Mr. Lyndhurst.« »Nun denn«, antwortete Parker und war bereit, auf dieses nek kische Spiel einzugehen; das offensichtlich auf einer Verwechs lung beruhte…! * Sie hieß Muriel Stone, hatte brünettes Haar und war sehr arg los, vornehm ausgedrückt. Sie plapperte drauflos wie ein Klein kind und schöpfte keinen Verdacht. Durch geschickte Fragen holte Josuah Parker wertvolle Hinweise aus ihr heraus.
So erfuhr er, daß Sanders in früheren Jahren der Buchhalter ei ner Gang gewesen war, sich dann später selbständig machte und nun der Besitzer von vier Bowling-Bahnen war. Seit knapp einem Monat hatte er sich mit einem gewissen Henry Lyndhurst zusammengetan. Sie beide beabsichtigten, weitere Bahnen zu mieten oder zu kaufen. Lyndhurst war der Mann, der neues Kapital ins Geschäft steckte. Laut Muriel besaß er einige Altwarenläden in der Gegend der 110. Straße. Parker kam zustatten, daß Muriel schon recht viel getrunken hatte. Sie war enthemmt und mitteilungsbedürftig. Sie kam über haupt nicht auf den Gedanken, daß sie sich mit dem falschen Mr. Lyndhurst unterhielt. Was Parker hörte, klang sehr unverdächtig. Wirklich, alles sah danach aus, als sei Sanders nicht der gesuchte Gangsterboß. Um der Sache richtig auf den Grund zu gehen, holte Parker jenen Goldkegel aus der Westentasche, den er Sanders gezeigt, gege ben und schnell wieder weggenommen hatte, bevor er ihn auf die Reise zu den Putzeimern schickte. »Oh, wie reizend«, begeisterte sich Muriel, als sie den kleinen Goldkegel erblickte. »Ist das ein Andenken?« »In etwa«, meinte Parker freundlich. »Haben Sie solch einen Kegel schon mal gesehen?« »Noch nie…!« »Vielleicht wird mein guter Freund Sanders Ihnen einen schen ken«, steuerte Parker das Gespräch weiter. Er schien nicht unter Zeitdruck zu stehen, obwohl er damit rechnen mußte, daß San ders jeden Augenblick zurückkehrte. »Vorerst hat er natürlich andere Sorgen, wie ich vermute.« »Sorgen…?« Sie sah ihn aus kindlich erschreckten Augen an. »Wenn ich mich recht erinnere, erzählte er mir von einem Mann, der ihm Schwierigkeiten machen will.« »Ach, Sie meinen Mark Moore, nicht wahr?« »Richtig, Miß Stone. Hat er sich schon wieder gemeldet?« »Nein, er bleibt stur. Randy meint, Moore ließe nicht mit sich handeln. Was er gegen ihn unternehmen will, weiß ich nicht. Aber gefallen läßt er sich bestimmt nichts.« »Was auch sehr richtig ist, Miß Stone. Schmarotzer dieser Art muß man ignorieren.«
»Nun, Moore ist stark und gefährlich«, gab sie fachmännisch zu bedenken. »Wenn Randy nicht zahlt, wird er sich die BowlingBahnen vorknöpfen.« »Das liegt allerdings im Bereich der Möglichkeiten«, pflichtete Josuah Parker ihr bei. »Und wie will Randy sich schützen?« »Er läßt die Bahnen bewachen und geht zum Angriff über. Sie kennen doch Randy. Er ist einfach wunderbar. Ein richtiger Mann, wenn er auch klein ist. Er wird keinen Cent zahlen.« »Mir scheint,, er hat sich verspätet«, sagte Parker und befragte seine unförmig aussehende Taschenuhr. »Mir bleibt also Zeit, einen Irrtum richtig zu stellen.« »Einen Irrtum?« Sie verstand kein Wort. »Sie verwechseln mich mit Mr. Lyndhurst«, gestand der Butler verschämt. »Sie ahnen nicht, wie sehr ich es hasse, unter fal scher Flagge zu segeln. In diesem Fall aber waren Sie derart be zaubernd, daß ich einfach nicht reden konnte. Ich wollte diese reizende Unterhaltung möglichst lange fortführen.« »Sie… Sie sind nicht Lyndhurst?« Weit riß sie die Augen auf und erhob sich. »Parker ist mein Name, Josuah Parker, Miß Stone. Nein, bitte, Sie dürfen jetzt nicht böse sein…! Ich lasse Ihnen Mr. Sanders Tasche hier, sie wollte ich bringen. Wenn ich Ihnen einen Rat ge ben darf, so verschweigen Sie doch einfach, daß Sie sich länger mit mir unterhalten haben. Ich werde Gentleman sein und Sie nicht bloßstellen.« »Du lieber Himmel, er wird verrückt, wenn er erfährt, was ich alles ausgeplaudert habe…!« »Er braucht es ja nicht zu erfahren«, wiederholte der Butler noch mal. »Dafür haben Sie dann bitte die Freundlichkeit, mir zu sagen, wo ich Mr. Lyndhurst erreichen kann.« »Kein Wort werde ich Ihnen sagen, Sie Schnüffler! Sie haben mich aufs Kreuz gelegt.« »Aber nur im übertragenen Sinn«, stellte Parker richtig. »Unge wollt haben Sie Mr. Sanders einen Dienst erwiesen. Das wird sich später mit einiger Sicherheit herausstellen.« »Raus jetzt…! Und daß Sie den Mund halten, Sie alter Gauner!« Muriel Stone war gar nicht mehr nett zu Parker. Sie drängte ihn zur Tür und konnte es nicht erwarten, bis er endlich gegangen war. Parker fügte sich ihrem Wunsch, zumal ja auch ihm daran gelegen war, gerade jetzt nicht auf Sanders zu stoßen.
»Überreichen Sie ihm meine Karte«, sagte er und drückte Muriel seine Visitenkarte in die Hand. »Ich erlaubte mir, meine derzeiti ge New Yorker Adresse mit Kugelschreiber zu vermerken. Er kann also, falls er es wünscht, sich mit mir in Verbindung setzen.« Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. Der Butler schritt zum Fahrstuhl und gestattete sich, da er nicht beobachtet wurde, ein sattes Schmunzeln. Die Begegnung mit Muriel war für ihn sehr wertvoll gewesen. Sie hatte geholfen, kostbare Zeit zu sparen. Ohne lange Ermittlungen wußte er nun, wer der Geschäftspartner Randy Sanders war, und daß ein gewis ser Mark Moore Sanders unter Druck setzte. Die Adresse dieses Moors herauszubekommen, durfte nicht schwer sein. Dazu gab es ja Telefonbücher. Und schließlich hatte Muriel ihm mitgeteilt, daß Moore zum Angriff auf Sanders überge hen würde. Parker erreichte die vornehme Halle des Apartment-Hauses, wollte zur Glastür durchgehen, als er plötzlich Sanders entdeckte. Der krummbeinige Jockey kam gerade die wenigen Treppenstufen herauf. Er wurde von den beiden Gorillas begleitet, die Parker bereits kannte. Um die geschmackvolle Einrichtung der Halle nicht zu zerstören und den Frieden des Hauses nicht zu brechen, entschied er sich, wieder hinauf in die erste Etage zu fahren und dort zu warten, bis Sanders in seinem Apartment verschwunden war. Doch es kam alles anders… Plötzlich barsten die dicken Scheiben der Eingangstür, das häß liche Rattern einer Maschinenpistole dröhnte durch die weite Hal le. Sanders warf die Arme hoch und taumelte gegen die hohe The ke der Rezeption. Die beiden Gorillas spritzten auseinander. Einer von ihnen über schlug sich und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Der zwei te Gorilla kroch auf ein paar Kübelpalmen zu, um sich dort in Si cherheit zu bringen. Er hinterließ eine blutige Spur auf dem Bo den aus polierten Bruchsteinplatten. Vor dem Haus röhrte ein Automotor auf. Schreie auf der Straße, weitere Glassplitter, die aus dem Rahmen der Tür fielen und scharfes Bremsen vermischten sich ineinander. Josuah Parker verließ den Fahrstuhl und schritt auf Randy San ders zu.
Dem Mann war nicht mehr zu helfen. Wenigstens drei Geschos se aus der Maschinenpistole hatten seinen breiten Rücken zer fetzt. Sanders war tot. Nicht weit von ihm entfernt lag ein Gorilla. Auch er lebte nicht mehr. Der zweite Leibwächter schluchzte wie ein Kind und hielt sich die getroffene Hüfte. Parker leistete Erste Hilfe. »War es Mark Moore?« fragte er. Der Leibwächter nickte. Er stand noch unter dem Schock und konnte nicht klar denken. »Ist Moore der Boß der Kegel-Gangster?« Der Leibwächter wollte antworten, doch die Ohnmacht kam schneller als die Antwort. Der Mann fiel zurück auf den Steinbo den und scharrte mit den Beinen. Parker erhob sich und ging zum Telefon an der Theke. Der Hauswärter hatte die Flucht ergriffen. Parker zog den Tele fonapparat zu sich und rief die Einsatzpolizei an. Kurz und nüch tern teilte er mit, was sich ereignet hatte. Dann legte er auf und verließ die Halle. Aus taktischen Gründen zog er es jedoch vor, das Haus durch einen Hintereingang zu verlassen. Er wollte möglichst nicht gese hen und später beschrieben werden. Als er in einer schmalen Par allelstraße stand, hörte er die schrille Sirene eines Polizeistreifen wagens. Er dachte an die brünette Muriel, die in wenigen Minuten erfuhr, was sich mit Sanders ereignet hatte. Sie mußte vorbereitet und vielleicht auch gewarnt werden. Parker beschleunigte seine Schritte und verschwand in einem Drugstore. Von dort aus rief er in Sanders Apartment an. Es dau erte einige Sekunden, bis Muriel sich meldete. Ihre Stimme klang schrill. Sie schien auch bereits bestimmte Ahnungen zu haben. »Hier ist noch mal Ihr Besucher«, sagte er. »Josuah Parker, Miß Muriel, Sie erinnern sich vielleicht…« »Was war das gerade für eine Schießerei?« Schnell und gehetzt klang ihre Stimme. »Mr. Sanders dürfte etwas passiert sein«, antwortete Parker. »Nein, Miß Muriel, Sie sollten jetzt genau zuhören. Mit der Schie ßerei habe ich selbstverständlich nichts zu tun. Aber ich glaube, Ihnen helfen zu können. Prägen Sie sich meine Adresse auf der Karte ein und melden Sie sich telefonisch bei mir. Es geht ja
schließlich um Mr. Sanders’ Hinterlassenschaft. Moore wird versu chen, alles Geld an sich zu bringen.« »Natürlich, natürlich«, sagte sie schnell. »Vernichten Sie die Visitenkarte und rufen Sie mich gegen Abend an. Inzwischen werde ich Moore einheizen. Wo, sagten Sie, kann ich ihn finden?« »Moore wohnt in der 116. Straße, er hat dort einen Nachtklub.« Genau in diesem Augenblick hörte Parker, daß in Muriels Woh nung geklingelt wurde. Schnell legte er auf und zwang Muriel so, ebenfalls das Gespräch zu beenden… * Im Gebiet der 110. Straße, dort, wo die fast lupenreinen Italie ner und Puertoricaner wohnen, fand Josuah Parker am späten Nachmittag einen der Altwarenläden des Mr. Henry Lyndhurst. Eine steile Steintreppe führte hinunter in das Souterrain eines Mietshauses. Hinter blitzblanken Scheiben, die man so tief unter dem Straßennievau gar nicht vermutete, befand sich das Ge schäft, in dem Waren aller Art und aus zweiter Hand feilgeboten wurden. Parker kam sofort zur Sache und fragte den bejahrten Verkäu fer, wo er Mr. Lyndhurst finden könnte. »Keine Ahnung«, lautete die Antwort, »der Chef ist dauernd un terwegs. Er kommt nur zu den Wochenabrechnungen.« »Wie bedauerlich…! Ein Geschäftspartner Sanders schickt mich nämlich.« »Sanders? Nie gehört…! Hat der Chef sich ‘nen Kompagnon zu gelegt? Kaum zu glauben, umgekehrt wird vielleicht ein Schuh daraus. Unser Chef beteiligt sich an den verrücktesten Sachen. Und komischerweise geht’s niemals schief.« »Sie scheinen den Chef gut zu kennen.« »Wir kamen aus den gleichen Startlöchern, aber er war schnel ler als ich.« »Sie bedauern das nicht?« »Aber nein…! Ich bin ganz zufrieden und mache meinen Schnitt. Alle Filialleiter sind am Umsatz beteiligt. Je mehr wir arbeiten, desto mehr kassieren wir ab. Vernünftiges Prinzip…!« »Sie arbeiten schon lange für Mr. Lyndhurst?«
»Von Anfang an…!« »Haben Sie den Namen Moore schon mal gehört?« »Auch nicht. Mit mir haben Sie Pech, mein Bester. Ich kümmere mich nur ums Geschäft. Alles andere ist uninteressant.« »Ich höre, daß Sie ein versierter Fachmann sind.« Parker lächel te freundlich und musterte den Verkäufer eingehend. Er hatte einen vielleicht 48- bis 50jährigen Mann vor sich, der bieder, freundlich und gerissen zugleich aussah. »Ich glaube kaum, daß man mich in meiner Branche übers Ohr hauen kann.« »Dann prüfen Sie doch bitte mal dieses kleine Kunstwerk«, bat der Butler. Er holte den bewußten, kleinen Goldkegel aus der We stentasche und reichte ihn über die Theke. Der Filialleiter runzelte die Stirn und wurde sehr sachlich. Er nahm den Goldkegel und wog ihn auf der Handfläche. Dann lä chelte er abfällig. »Billiges Zeug«, gutachtete er. »Haben Sie sich doch nicht etwa als reines Gold andrehen las sen, oder?« »Natürlich nicht. Ich fand es im Central Park und wollte in Er fahrung bringen, ob ich es beim Fundamt abliefern muß.« »Schmeißen Sie den Kegel in den nächsten Müllkasten«, schlug der Experte vor. »Sie schaden keinem Menschen damit, auch nicht dem Verlierer.« »Ich bedanke mich für diesen gut gemeinten Vorschlag«, sagte Josuah Parker und lüftete seine Melone. »Falls ich hier in der Nä he bin, werde ich es nicht versäumen, Sie wieder zu besuchen. Es war mir ein Vergnügen.« »Falls ich den Chef sehen sollte, gibt’s da was auszurichten?« »Das kann ich nur ganz persönlich erledigen. Die Privatadresse Ihres Chefs kennen Sie wahrscheinlich auch nicht, wie?« »Sie haben es erraten. Wie gesagt, ich kümmere mich nur um die Filiale. Und das reicht mir schon dicke.« Josuah Parker verließ das Kellergeschäft und schlenderte lang sam die 110. Straße hinunter. Sein Ziel war der nahe Central Park. Er ließ sich sehr viel Zeit, um herauszubekommen, ob ihm der Filialleiter einen Beobachter nachschickte! *
Im Grunde war der Butler etwas enttäuscht, daß er unbelästigt blieb. Er gestand sich ein, daß er von dem Filialleiter mehr erwar tet hatte. Aber wahrscheinlich war der Mann doch nur naiv und nicht informiert. Parker mußte sich mit dem Gedanken befreunden, zurück in das kleine Hotel zu gehen, das er am Morgen verlassen hatte. Dort nur konnte er einen neuen Kontakt mit den Gangstern herstellen. Es war als sicher zu unterstellen, daß die Kegelgangster dort auf ihn warteten. Bevor Parker sich aber in solch ein gewagtes Treffen einließ, rief er Muriel Stone in Sanders Wohnung an. Angenehm überrascht nahm er zur Kenntnis, daß sie sich sofort meldete. »Können Sie ungestört sprechen?« fragte er. »Falls ja, dann räuspern Sie sich bitte.« Sie räusperte sich, »Ausgezeichnet«, redete Parker weiter. »Sind Sie von der Polizei verhört worden?« »Nur ganz kurz. Ich weiß ja überhaupt nicht, wie sich alles zu getragen hat. Ich weiß nur, daß Sanders und einer seiner Beglei ter tot sind.« »Hat Mr. Lyndhurst sich schon bei Ihnen gemeldet?« »Noch nicht…! Ich habe das Gefühl, daß sich kein Mensch mehr um mich kümmert. Was soll ich denn jetzt anfangen?« »Darüber werde ich mich mit Ihnen unterhalten, Miß Muriel. Können Sie die Wohnung verlassen?« »Natürlich…!« »Dann werde ich Sie abholen. Oder noch besser, wir treffen uns an der Straßenecke, vor dem Kino. Sie wissen doch, ja?« »Ich werde sofort runterkommen. Und Sie glauben wirklich, daß Sie was für mich rausschlagen werden?« »Ich bin sicher, Ihnen helfen zu können«, erklärte Parker. »In fünfzehn Minuten erwarte ich Sie, Miß Muriel!« Er legte auf, verließ den Schnellimbiß, von wo aus er angerufen hatte und mietete sich ein Taxi. Er ließ sich zum vereinbarten Kino, ganz in der Nähe des Apartment-Hauses bringen und warte te auf die junge Freundin des ermordeten Randy Sanders. Sie war sehr pünktlich. Muriel Stone hatte sich einen leichten Regenmantel übergewor fen. Sie schrak zusammen, als Parker sie durch die herunterge drehte Wagenscheibe anrief. Sie reagierte aber sofort und
schlüpfte zu ihm in den Wagen. Parker stellte fest, daß sie doch wesentlich schneller und geschickter reagierte als noch vor weni gen Stunden. Die Angst, von der Verteilung von Sanders’ Erb masse ausgeschlossen zu werden, schärfte ihren wachen Geist. »Ich kenne ein nettes Lokal, in dem wir uns ungestört unterhal ten können«, meinte Parker warnend, als sie sofort losplappern wollte. Er wies mit dem Griff seines Regenschirms auf den Taxi fahrer. Sie verstand sofort und schwieg, wenngleich es ihr auch sehr schwer fiel. Parker ließ das Taxi vor dem Brauhaus halten, in dem er San ders’ Bügeltasche durchforscht hatte. Er wartete, bis der Wagen in der Dämmerung verschwand. Dann führte er die junge Frau in das altdeutsch eingerichtete Lokal. »Von wem kann Sanders erschossen worden sein?« begann Parker ohne Umschweife die Unterhaltung. »Nein, bitte nicht wei nen! Dazu ist später immer noch Zeit genug. Jetzt muß schnell und kühl gehandelt werden.« »Mark Moore kann es nur getan haben…!« »Was wissen Sie über ihn?« »Ich habe nur ein paar Einzelheiten aufgeschnappt, wenn Randy sich telefonisch mit Lyndhurst unterhielt.« »Versuchen Sie sich an diese Einzelheiten zu erinnern, Miß Mu riel.« »Moore wollte an den Einnahmen aus Randys Kegelbahnen be teiligt werden. Er verlangte monatliche Zahlungen, so wie ich es verstanden habe.« »Randy Sanders war nicht gewillt, diese Zahlungen zu leisten?« »Nein, natürlich nicht. Sie haben Randy nicht richtig gekannt. Freiwillig hätte er nicht einen einzigen Cent herausgerückt.« »Und welche Ansicht vertrat Lyndhurst?« »Er war ängstlicher und vorsichtiger. Er wollte zahlen und damit seine Ruhe haben.« »Er drang mit seiner Meinung nicht durch?« »Nein, Randy ließ sich nicht umstimmen. Er war sehr mutig, müssen Sie wissen. Aber wie wollen Sie mir jetzt helfen, Mr. Par ker?« »Mein Kompliment, Miß Muriel, Sie haben sich meinen Namen aber sehr gut gemerkt.« »Sie sind mein Strohhalm«, sagte sie und lachte leise auf. »An wen sollte ich mich schon halten? Die Polizei hat alles Geld be
schlagnahmt. Ich war nicht Randys Frau. Nur seine Mörder wer den was rausrücken können.« »Und Sie trauen mir zu, daß ich Ihnen dazu verhelfen kann?« »Ich lasse mich überraschen, Mr. Parker. Wenn Sie es nicht schaffen, brauche ich mir wenigstens keine Vorwürfe zu machen. Dann habe ich alles versucht.« »Sie wohnten fest in Mr. Sanders’ Wohnung?« »Ja und nein… Ich habe noch eine andere Wohnung in der 106. Straße.« »Seit wann kannten Sie Sanders?« »Seit Monaten schon… Wir lernten uns in einem Nachtclub ken nen. Ich arbeitete dort in der Garderobe.« »Werden Sie dorthin zurückkehren?« »Wahrscheinlich schmeißt man mich im hohen Bogen hinaus, wenn ich nur anfrage. Damals habe ich einfach gekündigt.« »In welchem Lokal arbeiteten Sie, Miß Muriel? Sie merken schon, ich bin ein schrecklich gründlicher Mensch. Und es ist ja kein Geheimnis, was Sie mir da verraten, oder?« »Natürlich nicht. Es war eine Bruchbude! Johnson heißt der In haber, ein schmieriger Bursche, der dauernd hinter mir her war.« »Es war nur eine Frage am Rande«, entschuldigte Parker seine Neugier. Er hatte plötzlich wieder den bewußten Goldkegel in der Hand. »Haben Sie diesen Gegenstand wirklich noch nie gesehen, Miß Muriel?« »Nie…! Ist das Ding eigentlich so wichtig?« »Randy Sanders reagierte spontan, als er den Kegel sah.« »Was tat er?« Sie sah ihn unschuldig und verständnislos an. »Mr. Sanders schien solch einen Kegel schon mal gesehen zu haben«, sagte Parker. »Möglich, aber davon hat er nie was gesagt.« »Hatte Mr. Sanders einen Vertrauten, einen Assistenten, eine rechte Hand? Sie wissen, was ich meine, ja?« »Klar, er hatte einen Geschäftsführer.« »Sie kennen ihn?« »Natürlich. Es ist Clive Delgrave gewesen.« »Wieso gewesen, wenn ich fragen darf.« »Randy schmiß ihn vor einigen Wochen raus.« »Und warum?«
»Clive, ich meine, Delgrave, hatte Geld unterschlagen. Da hät ten Sie mal Randy erleben sollen. Er hätte ihn fast umgebracht.« »Diesen Clive Delgrave würde ich sehr gern mal sprechen.« »Falls er überhaupt noch in der Stadt ist, Mr. Parker.« »Sie wissen aber, wo er gewohnt hat?« »Ja, in zwei Räumen einer von Randys Bowling-Bahnen. Da ist er aber nicht mehr.« »Nun ja, vielleicht läuft er mir noch über den Weg«, meinte Parker und beendete dieses Thema. »Werden Sie vorläufig in Mr. Sanders’ Apartment bleiben?« »Natürlich! Die Miete ist ja für ein Vierteljahr im voraus bezahlt. Glauben Sie, daß ich noch was herausbekommen werde? An und für sich habe ich doch einen Anspruch darauf, nicht wahr?« »Ich werde mich für Sie verwenden. Sollte Mr. Lyndhurst sich melden, so erzählen Sie ihm bitte von mir. Ich muß ihn unbedingt sprechen.« »Werden Sie in dem Hotel bleiben, das Sie mir aufgeschrieben haben?« »Selbstverständlich, Miß Muriel. Ich bin ein seßhafter Mensch. Es ist ein ruhiges Haus, in dem ich ungestört vom regen Leben und Treiben dieser Stadt wohnen kann.« »Wer sind Sie eigentlich?« wollte Muriel nun wissen. Schließlich war sie eine Frau, die Herkunft und Name ihres Ritters erfahren wollte. »Je weniger Sie jetzt wissen, desto besser für Sie, Miß Muriel. Ich werde Sie jetzt zurück nach Hause bringen.« »Eigentlich sind Sie ein netter Bursche«, stellte sie fest. »Ein bißchen verschroben zwar, doch das hab’ ich ganz gern. Wenn Sie ‘ne passende Begleiterin brauchen, dann…« Sie brach ab und strahlte ihn an. »Sie schmeicheln einem alten Mann«, wehrte Josuah Parker ab. »Ich könnte ja Ihr Vater sein…« »Na und? Für ältere Männer schwärme ich nun mal eben!« »Ich werde mir Ihr Angebot durch den Kopf gehen lassen«, sag te er nun würdevoll. Schweigend verließen sie das Brauhaus, betraten die Straße und hatten das Glück, gleich ein Taxi zu bekommen, das genau vor dem Eingang stand. Parker öffnete die Tür, ließ Muriel Stone in den Wagen steigen und nahm dann neben ihr Platz. Als er dem Fahrer die Adresse
sagen wollte, drehte der Mann in der Lederjacke sich blitzschnell um und ließ den Butler in die Mündung eines grundsoliden 38ers blicken… »Ich möchte fast annehmen, daß der Gegenstand in Ihrer Hand eine Schußwaffe ist«, sagte Parker, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen. »Und das Ding schießt sogar, wenn du Dummheiten machst«, antwortete der Fahrer und grinste. Er schielte noch nicht mal zur Seite, als zwei Männer neben dem Taxi auftauchten, die Türen öffneten und sich in den Wagen schoben. »Wie ein Tölpel ging er in die Falle«, sagte der angebliche Taxi fahrer zu seinen beiden Partnern. »Ihr könnt ihn jetzt überneh men. Wir hauen erst mal ab!« Parker spürte, daß Muriel Stone sich dicht an ihn preßte. Sie wagte nicht, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Parker blieb aber gelassen und gefaßt, zumal da er nicht wußte, wer ihm diese Falle gestellt hatte. Es gab auch zu viele Möglichkeiten. Innerhalb nur weniger Stunden hatte sich der Kriminalfall ganz schön ent wickelt. Parker machte erst gar nicht den Versuch, die augenblicklichen Vorzeichen zu ändern. Damit hätte er doch nur eine Schießerei ausgelöst, die zu seinen Ungunsten ausgegangen und Muriel Sto ne unnötig gefährdet hätte. Die beiden zugestiegenen Männer verhielten sich zurückhaltend. Sie drohten Parker zwar, schlugen aber nicht zu. Die Fahrt ging durch die Park Avenue und endete in Höhe der 116. Straße. Nach einer fast schwindelnden Kreuzfahrt durch kleine Querstraßen lenkte der Fahrer den Wagen auf ein Grund stück, dessen Tor sich schnell hinter ihnen schloß. Parker und Muriel Stone mußten aussteigen. Die drei Männer kümmerten sich fast ausschließlich um den Butler, den sie nach Waffen abklopften, ohne aber etwas zu finden. Um Kugelschrei ber, Regenschirm oder altertümliche Zwiebeluhr kümmerten sie sich nicht weiter. Sie waren alle ohnehin der Meinung, daß Parker kein ernsthafter Gegner sein konnte. Der Butler aber zog daraus seine ersten Schlüsse. In Kreisen der Goldkegelgangster war er eigentlich bekannt und hatte gezeigt, daß er sich zu wehren verstand. Diese Grundhal tung hätte sich also mit Sicherheit herumgesprochen und eine ganz andere Behandlung ausgelöst.
Nein, diese drei Männer wußten nicht Bescheid. Demnach konn ten sie der Goldkegelgang wohl auch nicht angehören. Aber wer legte schon Wert darauf, Parker zu entführen? Wer wollte was von dem Butler? Die drei Männer führten ihn in ein Lagergebäude, in dessen obe rem Stockwerk Parker Bürofenster erkannte. Ein Lastenaufzug, klapprig und müde, brachte sie nach oben. Muriel sagte die ganze Zeit über kein Wort. Doch besonders große Angst schien sie auch nicht zu haben. Parker konnte sich vorstellen, daß Muriel ihn un ter Umständen verraten hatte. Sicher war das allerdings nicht. Zwei weitere Männer erwarteten sie in einem großen Büroraum, der verkommen und verstaubt aussah. Sie bewachten eine Tür, die leicht angelehnt war. Sekunden später stand Parker einem breitschultrigen Kraftprotz gegenüber, der ihn an einen mittelgro ßen Kleiderschrank erinnerte. Der Mann trug einen gut geschnittenen Anzug, rauchte eine Zi garre und hielt ein gefülltes Glas in der Hand. Graue, kalte Augen musterten den Butler. Josuah Parker war auch dieser Situation gewachsen. Er ver beugte sich knapp, zog mit dem Griff des Regenschirms einen Stuhl zu sich heran und nahm Platz. »Ein alter Mann wie ich sollte möglichst wenig stehen«, verkün dete er. »Darf ich erfahren, was man von mir wünscht?« Er zog sein Zigarrenetui hervor und präparierte eine der schwarzen Zigarren. Er schien sein Gegenüber vergessen zu ha ben. Der breitschultrige Mann grinste amüsiert und setzte sich auf die Kante des Schreibtischs. Die fünf Männer standen wie Kegel an der Wand und warteten auf ihren Einsatzbefehl. Muriel Stone an der Tür hustete verlegen. Eine seltsame Span nung füllte den großen Raum. Parker brannte sich die Zigarre an. Sein Feuerzeug erinnerte an einen Flammenwerfer aus dem ersten Weltkrieg. Es spuckte Feu er in jeder Menge. Parker roch genießerisch an der nun brennen den Zigarre und stieß die erste Rauchwolke aus. »Sie wissen wohl nicht, wer ich bin?« fragte der Breitschultrige den Butler. »Sollten Sie Mr. Mark Moore sein?« antwortete Parker lächelnd. »Wie kommen Sie denn darauf?« Moore – er war es wirklich – sah Parker verblüfft an.
»Kombination und Intuition«, erläuterte der Butler. »Sie waren hinter Randy Sanders her. Sie wollen nun wissen, welche Rolle ich spiele. Miß Muriel Stone dürfte Sie auf meine bescheidene Wenig keit aufmerksam gemacht haben. Ob gewollt oder ungewollt, wa ge ich nicht zu entscheiden.« »Ich hätte niemals…!« Muriel Stone wollte sich einmischen, doch eine Handbewegung Moores ließ sie schnell wieder schwei gen. Sie hatte Angst. Parker bedauerte das naive Mädchen. Er nahm sich vor, ihm so oder so zu helfen. Schließlich war er nicht nachtragend. »Dann können wir ja sofort zur Sache kommen«, sagte Moore. »Von der Stone habe ich erfahren, daß Sie mit Sanders befreun det gewesen sind.« »Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie ihn niederschießen ließen.« »Künstlerpech für Sanders! Er wußte, daß ich nicht bluffe. Er wollte sich aber aufblasen und mausig machen.« »Sie jagen mir eine gewisse Angst ein«, gestand Josuah Parker und sog hastig an seiner schwarzen Zigarre. Die Rauchschwaden verdichteten sich und wurden dann von einem Luftzug von der Tür aus auseinandergezogen. Zwei der fünf an der Wand aufgebauten Gangster husteten leicht. Eine muntere Stubenfliege startete erschreckt vom Akten schrank und ging sicherheitshalber vor dem Fenster in Deckung. Muriel Stone schaute verblüfft auf die blauen Rauchschwaden, die Parker produzierte. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Parker«, sagte Moore. »Ich weiß, daß Sie mit Sanders und Lyndhurst befreundet gewesen sind. Sie wissen also auch, wo die beiden Partner ihr Geld anleg ten. Falls Sie schnell und richtig aussagen, werde ich Sie an dem Gewinn beteiligen. Das erspart uns allen sehr viel Ärger.« Er wollte noch etwas hinzufügen, doch nun hüstelte auch er und sah verblüfft auf seine teure Zigarre. Sie hatte ihm eben noch ausgezeichnet geschmeckt, doch jetzt hatte er das Gefühl, als habe sie sich in einen qualmenden und stinkenden Gummistrang verwandelt. »Mr. Moore, Ihr Vorschlag ehrt mich zwar, doch leider kann ich Ihnen nicht dienen.« Der Butler genoß sichtlich die schwarze Zi garre. »Leider überschätzen Sie meine Kenntnisse. Ich kannte
Sanders nur ganz flüchtig. Mr. Lyndhurst hingegen habe ich noch nie vorher gesehen.« »Wollen Sie mich bluffen?« Moore runzelte die Stirn und sog probeweise an seiner Zigarre. »Sie wissen doch, wie ich darauf reagiere! Treiben Sie es nicht auf die Spitze, Parker. Warum brachten Sie Sanders eine Tasche in die Wohnung, die mit Bank noten gefüllt war?« »Ich höre, daß Muriel Stone Sie informiert hat, Mr. Moore. Aber Sie kann schließlich nicht wissen, daß ich nur als durchaus ehrli cher Finder aufgetreten bin. Ich wollte die Tasche ihrem Eigentü mer zurückerstatten.« »Das können Sie… ahem… doch… mir nicht aufbinden…!« Moore bekam einen leichten Hustenanfall und rutschte von der Schreib tischkante herunter. Zwei der insgesamt fünf Gangster an der Wand kämpften inzwi schen mit aufkommenden Ohnmachten. Die Stubenfliege startete erneut und versuchte das Nebenzim mer zu erreichen. Sie flog aber leichtsinnigerweise durch Parkers Zigarrenschwaden, verlor die Orientierung und setzte zu einer Bruchlandung an. Mit Mühe und Not kam sie auf dem staubigen Boden an und kroch dann mit letzter Kraft durch die geöffnete Tür. »Ich sagte Ihnen die reine Wahrheit«, redete Parker inzwischen weiter. »Sie wollen… mich… reinlegen.« Moore sah teilnahmslos zu, wie die beiden angeschlagenen Gangster der Fliege ins Nebenzimmer folgten. Die anderen Gangster schnappten nach Luft und setzten sich ebenfalls vorsichtig ab. Muriel Stone saß bereits auf einem Stuhl und ließ den Kopf auf die Schulter hängen. Sie wußte nicht, warum ihr schlecht gewor den war, sie spürte nur, daß ihr die Sinne langsam schwanden. Parker aber machte der Rauch seiner Zigarre nichts aus. Er fühlte sich pudelwohl und genoß das scharfe Aroma. »Ich kam zu Mr. Sanders nur wegen dieses kleinen Goldkegels«, wechselte Parker die Gesprächsrichtung. Er hatte ihn aus der We stentasche hervorgezogen und zeigte ihn Moore. Der Gangsterboß vergaß für einen kurzen Augenblick seine Atemnot. Er starrte auf den Goldkegel und sah Parker dann über rascht an.
»So ist das…!« rang er sich dann ab und versuchte, freundlich zu lächeln. »Warum haben Sie nicht gleich gesagt, daß Sie ein Kegeljunge sind. Das ändert die Lage, Parker.« »Sie wissen mit diesem Kegel also etwas anzufangen?« »Na, und ob…! Mit euch will ich nichts zu tun haben.« Er wollte eigentlich noch mehr sagen, doch ein weiterer Hustenanfall un terbrach den Gangsterboß. Bleich im Gesicht, wankte der Breit schultrige zur Tür und schöpfte frische Luft. * Natürlich lag dem Butler daran, diese Unterhaltung fortzuset zen. Sie hatte sich bisher sehr gut angelassen. Mark Moore schien mit dem kleinen Goldkegel nicht nur etwas anfangen zu können, ja, er wußte vielleicht auch, wer diese Gang leitete. Noch husteten die Gangster im Vorraum. Parker kümmerte sich um Muriel Stone. Gewiß, sie hatte ihn an die Moore-Gangster ver raten. Aber Parker glaubte zu wissen, daß man diese kleine naive Frau unter Druck gesetzt hatte. Wie hätte sich Muriel dagegen zur Wehr setzen sollen? Parker wollte gerade eines der Bürofenster aufsperren, um fri sche Luft einzulassen, als sein Blick hinunter auf den Hofplatz fiel. Es war inzwischen fast dunkel geworden. Doch konnte er gerade noch einige Gestalten unterscheiden, die zur Mauer des Lager schuppens hinüberliefen und dann wahrscheinlich im Schuppen verschwanden. Waren es Moore-Gangster? Nun, die hätten sich bestimmt weni ger auffällig und vorsichtig benommen. Wurde ein Überfall auf die Moore-Gangster geplant? Immerhin lebte noch Sanders Partner, Henry Lyndhurst. Ging er zum Gegenangriff über? Der Butler schätzte es nicht, zwischen zwei Fronten zu geraten. Sein fein ausgebildeter Instinkt sagte ihm, daß in wenigen Minu ten eine Schießerei beginnen würde. Erneut nahm er Rücksicht auf Muriel. Sie war eine Frau, der ge holfen werden mußte. Darüber hinaus aber wollte Parker auch ein sinnloses Schlachten vermeiden. Ein redender Moore war interes santer als ein toter Moore! »Ich möchte eigentlich nicht stören«, sagte er, in die Tür zum Vorraum tretend, »doch beim Öffnen eines Fensters erkannte ich
unten im Lagerhof einige Gestalten, die wahrscheinlich ins Haus eindringen wollen.« Moore wischte sich einige Tränen aus den Augen und stierte den Butler an. Seine fünf Begleiter hingen an einem Seitenfenster und inhalierten frische Luft. »Ihnen steht ein Überfall bevor«, erläuterte der Butler näher. »An Ihrer Stelle, Mr. Moore, würde ich dagegen etwas unterneh men.« »Ein… ein Überfall?« »Richtig, Mr. Moore. Viel Zeit werden Sie ganz gewiß nicht mehr haben.« »Los, Jungens, rüber ins Treppenhaus!« Moore hatte endlich begriffen. Er scheuchte seine hustende Gang aus dem Vorzimmer und folgte den Männern. Um Parker kümmerte er sich nicht wei ter. Der Butler blieb zurück und nahm sich vor, vollkommen neu tral zu bleiben. Er wunderte sich nicht, als die ersten Schüsse zu hören waren. Die Gangster benahmen sich ziemlich ungeniert. Dank der dicken Mauern des Lagerschuppens brauchten sie nicht zu befürchten, daß die Polizei vorzeitig alarmiert wurde und auf der Bildfläche erschien. »Wie geht es Ihnen, Miß Muriel?« Parker beugte sich über die junge Frau. »Mir… mir ist schlecht«, murmelte sie. »Wo bin ich?« »Mr. Moore, der Feind Randy Sanders, lud uns zu einer Unter haltung ein.« »Mein Gott… ja…!« »Warum haben Sie mich an Moore verraten?« fragte Parker, der es immer sehr genau wissen wollte. »Ich hatte Angst«, flüsterte Sie. »Er wußte von Ihnen, Mr. Par ker. Seine Leute hatten Randys Haus bewacht und Sie gesehen. Moore will wissen, wer Sie sind.« »Nicht weinen«, bat Josuah Parker, als Muriel in Tränen ausbre chen wollte. »Im Moment ist der Zeitpunkt äußerst schlecht ge wählt, Miß Muriel. Wenn Sie genau hinhören, wird Ihrer Aufmerk samkeit nicht entgehen, daß im Treppenhaus geschossen wird. Zudem… brennt es auch.« Parker hatte sich aufgerichtet, nahm Witterung. Seine empfind liche Nase stellte Brandgeruch fest. Die angreifenden Gangster hatten wohl das Erdgeschoß des alten Lagerschuppens in Brand
gesteckt. Eine peinliche Überraschung, denn sie alle befanden sich im obersten Stockwerk. Wenn sie sich nicht beeilten, wurde ihnen der Fluchtweg abgeschnitten. Beeilten sie sich aber, dann warteten Schießeisen auf sie…! Moore und seine fünf Leute wußten inzwischen ebenfalls, daß unter ihnen bereits die Hölle tobte. Das Feuer fand Nahrung in jeder Menge. Das alte Treppenhaus verwandelte sich von Minute zu Minute immer mehr in einen, feurigen, glühenden Schacht. Moore verlor den Kopf. Er trieb seine Leute an, die Treppe zu stürmen. Er hetzte sie mit lauten Flüchen die Stufen hinunter. Als sie in einer Rauchschwade verschwanden, drehte er sich blitzschnell um und lief zurück. Er wollte die Angreifer beschäftigen und ablenken, um sich auf leisen Sohlen absetzen zu können. Die Schießerei wurde lauter. Die verfeindeten Gangster schie nen aufeinander gestoßen zu sein. Moore grinste, lief weiter und erreichte den klapprigen Lastenaufzug. Noch funktionierte der Mechanismus, noch stand der Motor un ter Strom. Moore öffnete die Tür und zögerte einen Moment. Er drehte sich plötzlich um, als fühle er sich beobachtet. Doch er sah den Butler nicht. Parker, der ihm zugesehen hatte, verschwand blitzschnell hinter der Tür. Moore riskierte es. Er wollte seine Haut retten. Er verschwand in der Kabine, schloß die Tür und schwebte nach unten. Josuah Par ker verließ seinen Beobachtungsposten und blieb vor dem ge schlossenen Drahtgitter stehen, das den offenen Schacht sicher te. Die Kabine schwebte nach unten. Moores Rechnung schien auf zugehen. Einen kurzen Augenblick lang bedauerte Parker es, nicht mitge fahren zu sein. Vielleicht hatte Moore den richtigen Weg in die Freiheit gewählt? Doch plötzlich blieb der Fahrstuhl stehen. Die Signallampen an der Anzeigetafel erloschen. Da wußte der Butler Bescheid. Die Stromversorgung des Lagerschuppens war vom Brand außer Betrieb gesetzt worden. Vielleicht hatten die angreifenden Gang ster auch nur den Strom ausgeschaltet. Wie dem auch war, Moo re saß in einer sehr bösen Falle. Er hatte keine Möglichkeit, die Kabine zu verlassen. Nach Parkers Schätzung befand er sich be
reits dicht über dem brennenden Erdgeschoß. Die Flammen muß ten ihn bald erreichen. Noch rührte Moore sich nicht. Doch dann – als im aufging, in welch einer Falle er steckte, brüllte er laut um Hilfe. Die Schüsse im brennenden Treppenhaus überdröhnten alles. Nur Parker allein hörte die Schreie des entsetzten und ratlosen Gangsters. »Es brennt…!« Muriel war ihm nachgekommen. Sie deutete auf das rauchgefüllte Treppenhaus und klammerte sich an Parker. »Wir werden verbrennen…! Bitte, bringen Sie mich hier her aus…!« »Wenn Sie erlauben, Miß Muriel, werde ich feststellen, ob es ei nen standesgemäßen und passenden Fluchtweg gibt.« Sie war von seiner Ruhe und Gelassenheit derart überrascht, daß sie seinen Oberarm losließ und ihn nachdenklich ansah. »Das Haus, in dem wir uns befinden, steht nicht frei«, redete Parker weiter. »Wenn mich nicht alles täuscht, werde ich Sie zu einer kleinen Dachwanderung einladen müssen, Miß Muriel…!« »Schnell, bitte…!« sagte sie. »Zuerst muß ich mich noch um Mr. Moore kümmern«, erklärte der Butler. »Er ist zwar ein Gangster, doch kann ich, ihn unmög lich verbrennen lassen. Wenn Sie sich also noch einen Moment gedulden wollen, Miß Muriel.« »Was… was haben Sie vor…?« Sie glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen, als Parker dicht an den Schacht herantrat, das Sicherheitsgitter aushakte und dann ein dünnes, aber sehr zähes und reißfestes Nylonseil aus dem Universal-Regenschirm hervor zauberte. Wenn er etwas für Moore tun wollte, mußte der Butler sich sehr beeilen. Auch der Fahrstuhlschacht füllte sich inzwischen mit Rauch. Der Butler hakte den Schirmgriff im Gitter ein und ließ sich dann wie ein Kaminkletterer aus dem Hochgebirge nach unten. Es war frappierend, wie schnell und sicher er abstieg. Der Qualm im Schacht schien ihm nichts auszumachen, kein Wunder übrigens, wenn man an die Zigarren dachte, die Parker rauchte. Seine Lun gen waren gebeizt und konnten sehr viel vertragen. Wie ein junger, durchtrainierter Mann seilte Parker sich bis auf die Fahrstuhlkabine ab. Er schaffte es innerhalb weniger Minuten.
Von Meter zu Meter, die er nach unten kletterte, verstärkte sich der Lärm der Schießerei. Parker landete auf der Kabine, suchte nach dem viereckigen Einschnitt, durch den die Rollen des Fahrstuhl gewartet werden konnten, fand die Klappe und öffnete sie. Er brauchte einige Sekunden, bis seine Augen sich an die Licht verhältnisse gewöhnt hatten, dann aber erkannte er Mark Moore. Der Gangsterchef, dessen Leute Randy Sanders umgebracht hat ten, lag in verkrümmter Haltung auf dem Boden des Lastenaufzu ges. Die Tür zu einem der unteren Stockwerke war weit geöffnet. Moore war erschossen worden. Er schien von einer GeschoßSerie aus einer Maschinenpistole getroffen worden zu sein. Sein vornem weißes Nylonhemd war zerrissen und hatte sich blutig gefärbt. Parker rührte sich nicht, als zwei Männer im Eingang zum Fahr stuhl auftauchten. Sie zerrten und schleiften Moore aus der Kabi ne. Dann brach die Schießerei urplötzlich ab. Es herrschte eine unheimliche Stille, die nur vom Prasseln des Brandes durchbro chen wurde…! * Parker wollte gerade wieder nach oben klettern, als er einen entsetzten Aufschrei hörte. Sofort richtete er sich auf, sah nach oben. Muriel Stone mußte so laut geschrien haben! Was war oben passiert? Der Butler hangelte sich nach oben. Er stemmte die Beine ge gen den Schacht und war blitzschnell am Ziel angelangt. Ein Ar tist hätte nicht schneller sein können. Muriel Stone war verschwunden…! Parker suchte sie in den beiden Räumen. Sie blieb verschwun den. Parker sah sich auch die übrigen Büroräume an. Doch Muriel Stone schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Bis Parker eine Tür entdeckte, die mit dünnem Eisenblech beschlagen war. Sie war halb geöffnet. Hinter ihr führte eine Treppe aus Beton nach un ten. Sollte Muriel von den Gangstern überrascht und entführt wor den sein? Dann konnte er von Glück sagen, daß sie ihn nicht im
Fahrstuhlschacht entdeckt hatten. Als Ziel wäre er dann nicht zu übersehen gewesen. Er schritt die Treppe hinunter. Der Rauch war hier weniger dicht. Er befand sich auf einer Feuertreppe, die im Schuppen selbst eingebaut war. Dicke Brandmauern hielten das nagende Feuer zurück. Warum Moore und seine Leute nicht diese Treppe gewählt hat ten, blieb dem Butler schleierhaft. Hatten sie im allgemeinen Tru bel den Kopf verloren? Oder kannten sie sich in diesem Bau viel leicht gar nicht aus? Parker erreichte einen Treppenabsatz. Die Treppe führte nicht weiter nach unten, doch es gab eine zweite Tür, die hinaus ins Freie führte. Sie war der Zugang zu der Bühne einer eisernen Feuerleiter, die an der Außenseite des Lagerschuppens ange bracht war. Von hier aus war das ganze Feuer gut zu übersehen. Der Lagerschuppen stieß dichte schwarze Rauchwolken aus. Er schien aus allen Fugen und Nähten zu qualmen. Lange Feuerzun gen leckten aus den Fensterhöhlen. Es war eine tobende, glühende Hölle. Parker sah nach unten in den Hof. Im gleichen Moment wurde auch er entdeckt. Zehn Meter vom Ende der Feuerleiter entfernt, schleppten zwei Männer die junge brünette Frau weg. Sie hielten auf einen Wagen zu, der im geöffneten Tor stand. Zwei andere Männer erkannten Parker und rissen sofort ihre Maschinenpistolen hoch. Parker sah sich daraufhin veranlaßt, zurück ins Haus zu treten. Kaum getan, da prasselten bereits die Geschosse gegen die Tür, gegen die Eisenstufen der Feuertreppe und gegen die Mauer des Schuppens. Doch viel vermochten die Gangster nicht mehr auszu richten. Dazu hatten sie schon vorher zu viel Krach verursacht. Sie mußten sich schleunigst absetzen, wenn sie der Polizei entwi schen wollten. Als Parker einen ersten Blick nach draußen und nach unten in den Hof riskierte, war der Wagen schon nicht mehr zu sehen. Die Gangster hatten das Feld geräumt und verzichteten vorerst frei willig auf den Butler. Das Geheul näher kommender Streifen- und Löschwagen dröhn te dem Butler in den Ohren. Er hielt es für angebracht, sich nun
auch schleunigst zu empfehlen. Er wollte Fragen aus dem Weg gehen und sein Inkognito gewahrt wissen. Er schaffte es mit Ruhe und Würde. Während die ersten Löschfahrzeuge in den Hof preschten, schritt Parker gemessen an ihnen vorbei und erreichte die Straße. Dann baute er sich in den dichten Reihen der neugierigen Zu schauer auf und begutachtete die Löscharbeiten. Die Männer der Feuerpolizei arbeiteten schnell und erfolgreich. Aus dicken Schläuchen ließen sie tonnenweise das Wasser durch die Fensterhöhlen fallen. Nach knapp einer Stunde hatten sie es geschafft. Der Brand war gelöscht und erstickt worden. Danach erfolgte die Bergung der Gangster. Parker stand hart am Tor und konnte alles sehr gut überblicken. Zu seiner Überraschung lebte Moore. Ein Arzt schritt neben der Trage, auf der Moore zum Rettungswagen gebracht wurde. Moore bekam eine Bluttransfusion. Sie allein schon war der Beweis da für, daß der Gangsterchef, der Sanders’ Ermordung veranlaßt hatte, die Schüsse überstanden hatte. Anschließend folgten drei Bahren, die zugedeckt waren. Es wa ren die Toten, die beim Schußwechsel zurückgeblieben waren. Danach mühten sich weitere vier Gangster ab, zum Rettungswa gen zu kommen. Sie waren mehr oder weniger schwer ange schossen worden. Parker nahm eine kleine Addition vor. Acht Gangster waren aus dem brennenden Haus geborgen wor den. Wenigstens zwei von ihnen mußten zu den Angreifern gehö ren. Es stand also zu erwarten, daß die Zeitungen bald mitteilten, zu welcher Gang die Angreifer gehört hatten. Hatte Lyndhurst den Tod seines Partners Sanders rächen wol len? So, wie Lyndhurst ihm von dem bewußten Filialleiter geschildert worden war, paßte es nicht zu ihm. Lyndhurst schien ein schlauer und gerissener Fuchs zu sein, der unnötig nichts riskierte. Falls diese Schilderung aber zutraf, wer mochte dann Moore an gegriffen haben? Ging es gar nicht um Moore? Hatte man ver sucht, ihn, Josuah Parker, aus dem Lagerschuppen zu holen? Dann, falls es zutraf – konnten die Angreifer nur Gangster der Kegel-Gang sein. Verständlicherweise fragte sich Parker, woher die KegelGangster dann wußten, daß man ihn verschleppt und hier ins La
gerhaus gebracht hatte. Wer mochte ihnen diesen Tip gegeben haben? Sollte die brünette, naive Muriel wieder mal geplaudert haben? Oder gab es noch eine andere Möglichkeit? Es gab sie, doch Parker war im Moment außerstande, diese Möglichkeit zu erkennen. Er hatte die Lösung, wie man so tref fend sagt, auf der Zunge liegen, doch sie ließ sich zu seinem Leidwesen nicht formulieren…! * Parker sorgte sich um Muriel Stone. Er fühlte sich für die junge Frau verantwortlich. Genau sah er die Szene vor sich, als sie von zwei Gangstern in einen Wagen gezerrt worden war. Im Moment konnte er nichts für sie tun. Er wußte nicht, wo er sie suchen sollte. Er kam zu dem Schluß, daß es wohl am besten war, zurück in das kleine Hotel zu gehen und dort auf eine telefo nische Meldung der Gangster zu warten. Wenn er gedacht hatte, daß dort im Hotel Gangster auf ihn war teten, so wurde er enttäuscht. Alles war in bester Ordnung. Die Gangster schienen sich vollkommen zurückgezogen haben. Aber das brauchte nicht so zu bleiben. Die Goldkegel-Gangster, aber auch die Gangster um Sanders und Lyndhurst wußten, wo Parker abgestiegen war. Der Butler rechnete fest damit, daß seine Geg ner sich meldeten. Sein Warten dauerte bis zum anderen Morgen. Die Gangster meldeten sich aber nicht. Sie schienen den Butler inzwischen ver gessen zu haben. Vielleicht wollten sie ihn aber auch nur in Si cherheit wiegen und zu Unvorsichtigkeiten verleiten. Parker blieb auf der Hut. Er kannte schließlich die Mentalität der Unterwelt. Zuviel und zu oft hatte er sich mit solchen Leuten schon herum geschlagen. Da in kleineren amerikanischen Hotels kein Frühstück gereicht wird, sah Parker sich etwa gegen 9.00 Uhr genötigt, einen Schnellimbiß aufzusuchen. Er wollte heißen Kaffee trinken und ein paar Sandwiches essen. Als er mit aller gebotenen Vorsicht durch die Halle schritt, hörte er seinen Namen. Hinter einigen Kübelpflanzen ging er in Deckung und musterte den Mann vor der Rezeption, der sich nach ihm erkundigte. Die
ser Besucher war mittelgroß, schlank und trug einen grauen An zug, der von der Stange gekauft war. Als der Mann sich halb um wandte, konnte der Butler auch das Gesicht gut erkennen. Hagere, scharfe Züge prägten dieses Gesicht. Wache hellblaue Augen ließen auf eine gehörige Portion Intelligenz schließen. Der Mund war breit und schmal. Dieser Mann wußte genau, was er wollte. Er gab sich bestimmt niemals sinnlosen Träumereien oder Illusionen hin. »Ich hörte zufällig, daß Sie mich aufzusuchen wünschen«, mel dete Parker sich zu Wort und trat aus dem Versteck. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker.« »Henry Lyndhurst«, stellte der Mann sich ebenfalls vor. »Mr. Parker, ich muß unbedingt mit Ihnen sprechen.« »Ich bin erfreut, Sie zu sehen. Es war mein glühender Wunsch, Sie kennenzulernen.« »Mich…?« »Nun ja, Sie waren doch Mr. Randy Sanders’ Kompagnon, nicht wahr?« »Waren, das stimmt…! Wo können wir uns ungestört unterhal ten?« »Wenn ich vorschlagen darf, würde ich die kleine Hotelbar emp fehlen«, sagte Parker. »Dort werden wir relativ ungestört sein.« Parker ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Woher wußte Lyndhurst, wo er zu finden war? Wer hatte ihm diese Ho teladresse besorgt? Er stellte diese Frage, als sie in einer kleinen Nische saßen. Parker hatte sich so gesetzt, daß er den einzigen Zugang zur Bar vollständig überblicken konnte. Falls Überra schungen eintreten sollten, war Parker also gewarnt. »Miß Stone besorgte mir Ihre Adresse«, rückte Lyndhurst mit der Sprache heraus. Seine Stimme klang verbindlich, doch die Härte dahinter war nicht zu überhören. »Wann tat sie es, Mr. Lyndhurst?« »Ist das so wichtig?« »In der Tat, ja…!« »Nach Sanders’ Ermordung rief sie mich an. Ich hatte mich ver spätet, deshalb entging ich der Schießerei. Muriel erzählte mir von Ihnen. Ich kannte sie nicht, Mr. Parker, aber ich ließ mir si cherheitshalber Ihre Adresse geben. Sie haben Miß Stone eine Visitenkarte überreicht, war es nicht so?«
»Das trifft zu…! Und was kann ich im Moment für Sie tun, Mr. Lyndhurst?« »Ich will wissen, was eigentlich gespielt wird…! Um offen zu sein, Mr. Parker, ich halte Sie für den Repräsentanten einer Gang. Ärger liegt mir nicht. Bevor es zu Schießereien kommt, möchte ich mich lieber vergleichen.« »Woher rührt Ihre Sorge, Mr. Lyndhurst?« »Sanders ist niedergeschossen worden. Die Gründe hierfür ken ne ich in etwa…! Er war dickköpfig und wollte nicht zahlen. Ich habe ihn gewarnt, er wollte nicht auf mich hören. Als Inhaber der Bowling-Bahnen möchte ich mich friedlich vergleichen, verstehen Sie?« »Mit anderen Worten, Sie wollen also zahlen?« »Stimmt. Ich werde zahlen, aber die Wochengelder müssen sich im Rahmen halten.« »Wieso sind Sie denn nach Sanders’ Tod der Inhaber der Bow ling-Bahnen?« »Das war vertraglich so abgemacht. Nach dem Tode Sanders’ fallen die Bahnen an mich. Ich war immerhin mit 51 Prozent be teiligt.« »Sie wissen, Mr. Lyndhurst, von wem Ihr Partner Sanders er schossen wurde?« »Mark Moore…!« »Sie wollen sich ihm also unterwerfen?« »Das ist besser, als sich mit ihm herumzuschießen.« »Ich möchte annehmen, daß Mr. Moore Ihnen nicht mehr ge fährlich werden wird.« »Sie sagen das so eigenartig. Was ist passiert?« »Mr. Moore ist seinerseits angeschossen worden. Es passierte in der vergange nen Nacht. Ich war unmittelbar beteiligt und wurde Augen- und Ohrenzeuge dieses dramatischen Vorfalls.« »Donnerwetter, was Sie nicht sagen…! Und wer hat Moore au ßer Gefecht gesetzt?« »Etwa Sie, Mr. Lyndhurst?« »Sie sind auf dem Holzweg, Mr. Parker. Ich habe keine Gang, die ich auf die Straße schicken kann. Stimmt es wirklich, daß Moore angeschossen wurde?« »Ich verbürge mich für diese Nachricht. Mit ihm wurden fast alle Mitglieder der Gang außer Gefecht gesetzt, angeschossen oder verhaftet.«
»Ich kann es einfach nicht glauben.« Henry Lyndhurst lächelte dünn und sah den Butler prüfend an. »Sie wollen mir doch nicht eine Falle stellen, oder?« »Mitnichten, Mr. Lyndhurst. Meine Angaben entsprechen der ab soluten Wahrheit.« »Ja, und wer sind dann Sie… Ich meine, welche Rolle spielen Sie denn?« »Ich bin ein Außenseiter. Ja, das dürfte die richtige und korrek te Umschreibung sein. Ich versuchte übrigens schon, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen.« »So, wann denn…? Davon ist mir nichts bekannt!« »Ich war in Ihrer Altwarenfiliale in der 110. Straße.« »Aha, bei Ed Shelvers. Komisch, er sagte mir kein Wort.« »Er wußte überhaupt sehr wenig…! Er weigerte sich rundheraus, mir Ihre Privatadresse zu nennen.« »Der gute Ed Shelvers…!« Lyndhurst schmunzelte. »Er ist sehr vorsichtig und mißtrauisch. Sie dürfen es ihm nicht verübeln, daß er schwieg.« »Soll ich daraus folgern, daß Sie Feinde haben?« »Wie jeder Mann, der erfolgreich ist. Darum möchte ich mich ja auch mit Moore vergleichen. Das heißt, mit ihm wird es nicht mehr notwendig sein. Aber vielleicht vertreten Sie eine Gruppe, die ich noch nicht kenne, Mr. Parker.« »Kennen Sie diesen kleinen Gegenstand?« erkundigte sich Par ker und zeigte wieder mal den Goldkegel. »Nein… nein, wirklich…! Was soll das darstellen? Daß es ein Ke gel ist, sehe ich, aber dahinter steckt doch noch mehr, wie?« »Hat Sanders mit Ihnen darüber niemals gesprochen?« »Auf keinen Fall…!« »Das ist das geheime Erkennungszeichen einer Gang.« »Der Sie angehören?« Lyndhurst sah sehr aufmerksam aus. »Das zwar gerade nicht, doch es gibt Interessen, die die Gang und mich berühren.« Parker drückte sich vorsichtig aus. »Ich möchte festhalten, daß sowohl Sanders als auch Moore diesen Goldkegel kannten…! In einschlägigen Kreisen muß sich dieses Symbol herumgesprochen haben.« »Bei mir aber nicht, Mr. Parker.« »Oh, das schadet gar nichts. Ich plane ohnehin, die Behörden zu verständigen, und dann, die insgesamt vier Goldkegel zu übergeben. Die Polizei sucht ja nach einer Killer-Gang, die den
Central Park und dessen nähere Umgebung unsicher macht. Da von werden Sie in den Zeitungen aber bestimmt schon gelesen haben.« »Sie meinen diese Verbrecher gehören dieser Gang an?« »Ich weiß es ganz sicher, Mr. Lyndhurst.« »Nun ja, das sind Ihre Sorgen. Wissen Sie, ich verstehe nicht, warum diese Killer vom Central Park sich mit solch kleinen Dingen beschäftigen.« »Oh, Mr. Lyndhurst, Sie sollten Ihre Gedanken etwas ausführli cher darlegen.« Parker sah sein Gegenüber interessiert und nach denklich an. »Nun, was rauben und erbeuten diese Burschen schon? Doch nur Kleinigkeiten. Dort eine Handtasche, dort eine Rolle Bankno ten, dann vielleicht mal einen billigen Waschpelz. Davon kann eine Gang doch niemals existieren. Und das Kidnappen von Frauen zahlt sich ebenfalls nicht aus. In keinem Fall sind Erpressun gen oder die Zahlung von Lösegeldern bekannt geworden.« »Mr. Lyndhurst, ich habe allen Anlaß, mich bei Ihnen sehr, sehr herzlich zu bedanken«, gestand Josuah Parker. »Sie haben, um es deutlich zu sagen, eine Bresche in meine Gedanken geschla gen. Plötzlich sehe ich Licht in diesem Fall.« »Wieso, ich verstehe nicht…! Ich habe doch überhaupt nichts gesagt.« Lyndhurst war verwirrt. »Bei späterer Gelegenheit werde ich mich dazu noch ausführlich äußern«, beendete Josuah Parker die Unterhaltung. Auch Lynd hurst hatte nichts mehr zu sagen. Ihm war deutlich anzusehen, daß er mit diesem Gespräch nicht sonderlich zufrieden war. Er hatte sich mehr davon versprochen. Als höflicher Gastgeber brachte Parker seinen Besucher in die Hotelhalle. Gemeinsam schritten sie zur Tür. Es war ein ruhiger und friedlicher Morgen, die Sonne schien und Parker war plötzlich bester Laune. Plötzlich aber witterte er Gefahr. Er schaute durch die Scheibe hinaus auf die Straße. Verdächti ges war eigentlich nicht zu sehen. Die Gehsteigkanten wurden von parkenden Autos gesäumt. Der Fußgängerverkehr floß’ nor mal durch die breite Straße. Und doch, spürte der Butler, daß eine tödliche Gefahr in der Luft war.
»Sind Sie allein gekommen?« fragte er Lyndhurst und blieb ste hen. »Ja, natürlich…!« »Sind Sie vielleicht verfolgt worden? Weiß einer Ihrer Angestell ten, wohin Sie fahren wollten?« Bevor Lyndhurst antworten konnte, entlud sich die Drohung, die der Butler gewittert hatte. Ein Gewehrschuß peitschte auf. Das Geschoß jaulte dicht an Lyndhursts Kopf vorbei und zertrümmerte dann einen nicht gera de billigen Kristallspiegel. Bevor ein zweiter Schuß abgefeuert werden konnte, warf Parker seinen Gast in die Kübelpflanzen, die zusammen mit Lyndhurst umstürzten und ein scheinbar unlösbares Knäuel bildeten…! * Kreidebleich war Lyndhurst, als Josuah Parker ihm wieder hoch half. Er mußte sich gegen einen Pfeiler lehnen und schnappte kurzatmig nach Luft. »Was… was sagen Sie dazu…?« keuchte er und griff nach sei nem Herzen. »Man müßte wissen, wem der Schuß nun wirklich gegolten hat«, antwortete der Butler. »Ihnen oder meiner bescheidenen Wenigkeit…!« »Wer… wer sollte auf mich schießen?« rang der Mann sich müh sam ab. »Irgendeiner, der Sie haßt, oder aber eine Person, die an Ihrem Tod verdient.« »Nein, nein, das kann ich mir nicht erklären«, sagte Lyndhurst hastig. »Hören Sie, ich möchte von der Polizei nicht verhört wer den.« »Dann müssen Sie sich aber beeilen«, klärte Parker seinen Be such auf. »Auf der Straße versammeln sich bereits die ersten Neugierigen. Die Polizei wird gleich eintreffen. Wie und wo kann ich Sie erreichen, Mr. Lyndhurst?« »Ed Shelvers wird es Ihnen sagen. Ich verschwinde jetzt, Mr. Parker. Binden Sie der Polizei irgend etwas auf! Ich werde mich dafür erkenntlich zeigen!«
»Ich bin schon rein körperlich gesehen nicht in der Lage, Sie auf- oder festzuhalten«, meinte Parker phlegmatisch. »Ich möch te Sie zwar nicht antreiben, doch ich hörte bereits die erste Poli zeisirene.« Henry Lyndhurst zuckte zusammen und lief zurück in die Halle, ohne sich von Parker zu verabschieden. Der Butler sah dem Inha ber einiger Altwarenhandlungen nach. Lyndhurst verschwand ge rade hinter der Biegung des Korridors. Ein recht undurchschaubarer und seltsamer Mensch, dachte Parker. Seine Verhandlungsbereitschaft dürfte kaum gespielt sein. Und doch darf sein Gehabe nicht darüber hinwegtäuschen, daß er sehr geschäftstüchtig und vielleicht auch brutal ist. Er weiß seinen Vorteil zu wahren und dürfte seine Mitmenschen nicht gerade mit Glacehandschuhen anfassen, wenn er sich überlegen fühlt. Das Sirenengeheul näherte sich sehr schnell. Die neugierigen Passanten traten unwillig auseinander, als der erste Streifenwa gen der Polizei vor dem Hotel erschien. Parker sammelte sich und hoffte, mit nichtssagenden Antworten davonkommen zu können. Der erste uniformierte Polizist hatte die Halle noch nicht ganz betreten, da hörte Parker Schüsse. Für Bruchteile von Sekunden blieb er vollkommen starr und steif stehen. Dann aber begriff er, wandte sich um und folgte Lynd hurst. Schon im voraus wußte der Butler, was sich ereignet hatte. Trotz aller Vorsicht war Lyndhurst seinen Mördern wohl nicht ent kommen. Sie hatten ihm auf der Rückseite des Hotels aufgelauert und ihn wahrscheinlich endgültig erwischt. Leider erwies sich Parkers Prognose als richtig. Lyndhurst lag am Fuß einer niedrigen Treppe, die in einen Garagenhof führte. Schüsse, aus nächster Nähe abgefeuert, hatten seine Brust durchbohrt. Neben dem Toten aber entdeckte Parker einen kleinen Goldke gel, den die Mörder ganz bewußt am Tatort zurückgelassen hat ten…! * Ed Shelvers, der knapp fünfzigjährige Filialleiter, lächelte Parker freundlich und höflich an. Er stand hinter der kleinen Theke und polierte einen altrussischen Samowar auf.
»Ich komme, um es gleich zu sagen, als der Überbringer schlechter Nachrichten«, sagte Parker und lüftete höflich seine schwarze, steife Melone. »Schlechte Nachrichten? Gibt’s denn überhaupt so was?« Ed Shelvers setzte den Samowar auf die Theke und wischte sich die Hände an einer grünen Schürze ab. »Nehmen Sie es mannhaft auf«, redete Parker weiter. »Ihr ver ehrter Chef, Henry Lyndhurst, wurde vor etwa einer Stunde von unbekannten Tätern erschossen!« »Machen Sie keinen Unsinn…!« Ed Shelvers schluckte und band sich dann die Schürze lös. »Henry soll erschossen worden sein. Das ist doch nicht drin.« »Leider entspricht es den Tatsachen. Nach einem, vergeblichen Anschlag wurde er dann aus nächster Nähe erschossen, Mr. Shel vers. Der oder die Täter ließen diesen Goldkegel am Tatort zu rück. Im Gegensatz zu den vier kleinen Kegeln, die ich besitze, weist dieser Gegenstand aber keine Zahlengravur auf der Unter seite auf.« »Lassen Sie das verdammte Ding mal sehen…!« Er nahm den Goldkegel aus Parkers Hand, wendete ihn und ließ ihn dann auf die Theke fallen. »Hat die Polizei wenigstens was herausbekom men?« »Bedauerlicherweise nicht…!« »Was ist eigentlich mit diesen ulkigen Kegeln los?« Shelvers nahm den Kegel wieder in die Hand. »Sind Sie nicht hinter Leuten her, die diese Kegel tragen?« »Sie sind das Erkennungszeichen einer Gang. Killer vom Central Park werden sie von den Zeitungen genannt. Eine Umschreibung, die meiner Ansicht nach übrigens nicht den tatsächlichen Gege benheiten entspricht. Bisher hatten diese Gangster nicht gemor det. Nun aber entfalten sie eine bestürzende Aktivität.« »Wieso?« »Nun, zuerst wurde Mr. Sanders erschossen, dann folgte Mr. Moore, und nun mußte auch Ihr Chef, Mr. Lyndhurst daran glau ben.« »Daraus werde ich einfach nicht klug.« »In der Tat, recht verwirrend, zumal da man keinen General nenner finden kann. Inzwischen glaube ich aber, daß in diesen Morden doch eine gewisse Gesetzmäßigkeit steckt.« »Und die wäre…?«
»Oh, lassen Sie mich bitte schweigen«, antwortete Parker. »Ich möchte meine unausgegorenen Gedanken nicht preisgeben. Ich möchte einen Fehler richtigstellen. Mr. Moore wurde nur schwer verwundet. Ob er aber inzwischen ebenfalls verschieden ist, ent zieht sich meiner Kenntnis.« »Was mich das schon interessiert.« Shelvers Finger spielten mit dem kleinen Goldkegel. »Ich kann’s einfach nicht glauben, daß der Chef tot sein soll.« »Ich verbürge mich dafür, Mr. Shelvers.« »Aber warum ist er wohl erschossen worden? Lyndhurst ging doch stets jedem Streit aus dem Weg.« »Wissen Sie das so genau?« »Nun ja, wir unterhielten uns oft miteinander. Es kann ja sein, daß er Feinde hatte, von denen er nicht sprach.« »Sie müßten außerhalb seiner Altwarengeschäfte zu finden sein, Mr. Shelvers. An welchen Unternehmungen war er eigentlich noch beteiligt?« »Darum habe ich mich niemals gekümmert. Ich habe auch nie mals Fragen gestellt. Er war schließlich mein Chef.« »Sie deuteten in unserem ersten Gespräch an, daß er eine ge schickte Hand hat. Daraus muß ich folgern, daß er auf vielen Ge bieten tätig gewesen ist. Aber das werden die polizeilichen Ermitt lungen ja ergeben. Nach der Durchsuchung von Mr. Lyndhursts Wohnung werden sich ja Unterlagen und Akten finden.« »Eben…!« antwortete Shelvers zurückhaltend. »An wen werden die Besitztümer jetzt wohl fallen?« erkundigte sich Parker weiter. »Sind Angehörige oder Erben vorhanden?« »Das weiß ich doch nicht.« Shelvers wurde ungehalten. »Aber das geschieht doch nur in Ihrem eigenen Interesse«, beschwichtigte Parker den Filialleiter. »Ich könnte mir nämlich vorstellen, daß die Killer vom Central Park es darauf absehen, nun die Filialleiter der Reihe nach umzubringen. Wer weiß, welche Gesetzmäßigkeit diesem Fall innewohnt.« »Malen Sie bloß nicht den Teufel an die Wand, Mr. Parker.« Shelvers faßte sich an den Kragen und gab den Goldkegel endgül tig an Parker zurück. »Wollen Sie den Kegel nicht besser der Poli zei übergeben? Sie fanden ihn doch neben Lyndhurst, oder?« »Ich weiß nicht recht, ob ich das tun werde.« Parker steckte den kleinen Goldkegel zurück in die Westentasche. »Ich möchte diesen Fall so gut wie möglich lösen. Die Nachforschungen der
Polizei würden durch die Übergabe des Kegels vielleicht in die falsche Richtung gelenkt.« »Ich verstehe kein Wort. Was wollen Sie denn damit andeu ten?« »Nichts, wirklich nichts.« Parker lächelte entschuldigend. »Zu dem habe ich auch ganz andere Sorgen. Eine junge Dame, die Freundin von Mr. Sanders, ist von Gangstern entführt worden. Ich möchte unterstellen, daß sie sich in der Gewalt der Killer vom Central Park befindet.« »Und wenn es stimmt, was könnten Sie denn dagegen unter nehmen?« »Ich müßte mich um sie kümmern«, erläuterte Parker seine Ab sichten. »Dazu bin ich moralisch verpflichtet, denke ich. Wenn ich nur wüßte, wohin man Miß Stone verschleppt hat.« »So, wie ich Sie inzwischen einschätzte, würden Sie schnur stracks bei den Gangstern auftauchen und die Frau zurückfor dern, nicht wahr?« »Ihre Einfühlungsgabe ist erstaunlich«, stimmte Parker zu. »Selbstverständlich würde ich alles daran setzen, Miß Stone zu befreien. Aber nun möchte ich nicht länger stören. Nach dem To de Ihres Chefs, Mr. Shelvers, werden Sie noch sehr viel zu tun haben.« »Mal sehen, was die Zukunft bringt!« meinte der Filialleiter. »Mich kann kaum etwas erschüttern. Ich nehm’s, wie’s kommt!« »Passen Sie auf sich auf«, warnte Parker, bevor er die schwarze steife Melone aufsetzte, um darin das Kellergeschäft zu verlas sen…! * Parker war froh, dem Tomaten-Ketchup, dem Ahornsirup, dem süßen Bratfleisch, den Hamburgern und Frankfurtern entgehen zu können. Er hatte in einer stillen Seitenstraße von Manhattan ein französisches Restaurant ausfindig gemacht. Hier speiste er aus giebig und erinnerte sich der Jahre, die er einst in Frankreich zu gebracht hatte. Nach dem Essen, bei einem richtigen, starken Mokka, studierte er die Nachmittagsausgaben der großen Zeitungen. In großer Aufmachung berichteten sie alle von dem Bandenkampf im alten
Lagerschuppen, von dem Großbrand und schließlich auch von dem Mord an Lyndhurst. Findige Journalisten hatten ihre Beziehungen spielen lassen, Kenntnisse aus der Unterwelt ausgegraben und Archive durch wühlt. Für die Öffentlichkeit war es nun kein Geheimnis mehr, daß der frühere Gangster Randy Sanders der Teilhaber des er mordeten Lyndhurst gewesen war. Auch über Lyndhurst bekam Parker einige Informationen vorge setzt, die er bisher noch nicht gekannt hatte. Danach war Lynd hurst alles andere als ein unbeschriebenes Blatt gewesen. Stationen seines Lebens waren die Städte Chikago, Fort Worth, Jersey City und dann New York gewesen. Lyndhurst war in diesen Städten als Hehler erwischt und bestraft worden. Die Kommenta toren in den Zeitungen ließen durchblicken, daß Lyndhurst auch noch bis zu seinem Tod in dieser Branche gearbeitet hatte. Er galt als unverheiratet. Von Angehörigen wußten die Zeitun gen nichts zu berichten. Ganz, wie Parker es erwartet hatte, waren sich alle Zeitungen darüber klar, daß zwischen der Gruppe Sanders-Lyndhurst einer seits und Moore andererseits ein Bandenkrieg stattgefunden hat te, um sich Märkte auf Manhattan zu erschließen. Der Gangster Mark Moore lebte noch, war aber nicht verneh mungsfähig. Die Ärzte bezweifelten, daß Moore seine Verletzun gen überstand. Er war von zwei Schüssen in der Brust getroffen worden. Von den Killern des Central Parks wurde kein Wort gesagt. Auch die bewußten Goldkegel wurden verständlicherweise nicht er wähnt. Solch einen Zusammenhang hatten die Zeitungsleute noch nicht erkannt, was Parker übrigens nicht wunderte. Er hatte ja schließlich bisher vollkommen dichtgehalten und sogar ein wichti ges Hinweisstück neben Lyndhursts Leiche verschwinden lassen. Der Butler nutzte die Pause, um einige Telefongespräche zu füh ren. Zuerst fragte er in seinem Hotel an, ob Anrufe für ihn vorlä gen. Das war nicht der Fall. Anschließend redete er sehr kurz, aber präzise mit dem Inhaber einer Privatdetektei, mit dem er einen ganz speziellen Auftrag vereinbarte. Natürlich blieb Parker anonym, wie es seiner Arbeit hier auf Manhattan entsprach. Um seinem Wunsch aber den richtigen Nachdruck zu verleihen, ver einbarte er eine telegrafische Geldüberweisung, die er innerhalb von zwei Stunden erledigen wollte.
Der Auftrag wurde angenommen, mit dem nachdrücklichen Hinweis allerdings, daß erst nach Eintreffen der vereinbarten Zah lung die Arbeit in Angriff genommen würde. Der dritte Anruf galt Mike Rander in Chikago. Der Strafverteidiger freute sich, als Parker sich meldete. »Wie lange werden Sie noch bleiben?« fragte er seinen Butler. »Ich hoffe, Sir, morgen bereits schon die Rückreise antreten zu können.« »Sie haben Ihren Fall also gelöst?« »Das möchte ich nicht sagen, Sir«, antwortete Parker. »Ich be finde mich aber im Endstadium, wenn ich so sagen darf. Um den Abschluß beschleunigen zu können, benötige ich einige Informa tionen, die ich mir aus Zeitgründen nicht selbst beschaffen kann.« »Ich habe verstanden. Sie brauchen einige Tips!« »Ich bin gewiß, Sir, daß Sie sie mir in kürzester Zeit beschaffen können.« »Dann legen Sie los, Parker.« »Ich möchte mich in aller Bescheidenheit über folgende Perso nen informieren, die sehr wahrscheinlich in Chikago gewirkt und gearbeitet haben. Es sind die Herren Lyndhurst und Shelvers. Ich werde die Namen gleich genau buchstabieren. Sie dürften als Hehler gearbeitete haben und deswegen auch verurteilt worden sein.« »Das erleichtert natürlich die Nachforschungen.« »Etwas schwieriger wird es schon sein, von Chikago aus festzu stellen, wo sich ein gewisser Clive Delgrave hier in New York auf hält, Sir. Ich bin mir durchaus bewußt, Sir, daß ich Ihnen gerade damit sehr viel zumute, etwas, was ich sonst niemals tun würde. Sie können versichert sein, daß ich…« »Stop, Parker, das Gespräch wird zu teuer.« Mike Rander lachte auf. »Ich kenne Ihre Entschuldigungen. Mich fangen Sie damit schon lange nicht mehr.« »Sir, Sie beschämen mich schon wieder mal!« Parker kam an schließend zur Sache und präzisierte seine Wünsche. * »Selbstverständlich – ich kann Sie außerordentlich gut verste hen«, sagte Parker. »Von wo aus rufen Sie an, Miß Muriel?«
»Das – das darf ich nicht sagen«, antwortete Muriel Stone mit leiser und ängstlicher Stimme. »Ich soll Ihnen nur ausrichten, daß ich den kommenden Morgen nicht mehr erleben werde, falls Sie nicht kommen.« »Das hört sich aber sehr böse an«, meinte Parker. »Wo könnte ich Sie denn erreichen?« »Sie werden vor dem Hotel abgeholt. Der Wagen bringt Sie dann hierher. Bitte, Mister Parker, kommen Sie! Ich habe so schreckliche Angst. Lassen Sie mich nicht sitzen!« »Wer wünscht mich denn so dringend zu sprechen?« »Die Leute, denen Sie die Goldkegel weggenommen haben. Mehr weiß ich auch nicht. Werden Sie kommen?« »Ich denke doch. Einer Dame kann ich kaum einen Wunsch ab schlagen. Wann wird der Wagen vor dem Hotel stehen?« »In zehn Minuten schon. Ich soll Ihnen auch sagen, daß man mich sofort umbringen wird, falls Sie die Polizei verständigen.« »Ihre Gastgeber können beruhigt sein. Sie übrigens auch, Miß Muriel, wenn ich Sie beim Vornamen nennen darf. Ich werde kommen und die bewußten Kegel mitbringen.« »Bitte, kommen Sie!« Muriel Stone schluchzte auf, dann wurde es still. Doch auf der Gegenseite wurde nicht eingehängt. Eine zweite Stimme meldete sich. Sie war identisch mit der des Anru fers, der Parker befohlen hatte, die Stadt augenblicklich zu ver lassen. Sie klang kühl und beherrscht und war nicht zu verwech seln. »Haben Sie gehört, was die Kleine gesagt hat?« fragte diese Stimme. »Sie weiß, daß wir nicht bluffen. Wir bringen sie um, wenn Sie nicht umgehend erscheinen und die Kegel abliefern.« »Sie appellieren an meine Hilfsbereitschaft. Ich werde Sie nicht enttäuschen. Sie können schon die Empfangsvorbereitungen tref fen. Sie nehmen es mir doch nicht übel, daß ich den bewußten fünften Goldkegel, der neben Lyndhursts Leiche lag, entfernte, nein?« »Kaum!« »Ich werde mich nun ausgehfertig machen«, sagte Parker. »Darf ich Sie bitten, das Fahrzeug pünktlich vor dem Hotel er scheinen zu lassen?« Bevor die Gegenseite noch antworten konnte, legte Parker auf. Er trat an das Fenster und sah auf die Straße hinunter. Nach dem Essen und den wichtigen Telefongesprächen war er ins Hotel zu
rückgekehrt, um auf diesen Anruf zu warten. Er hatte damit ge rechnet. Dieser Anruf mußte erfolgen, wenn seine Theorie richtig war. Parker setzte sich an den kleinen Wandschreibtisch und schrieb einige Stichworte nieder. Sie waren für Mike Rander in Chikago bestimmt. Er erfuhr darin, wen Parker für den Boß der GoldkegelGang hielt, warum er zu diesem Schluß gekommen war und wel che Beweise er dafür anführen konnte. Parker war sich vollkommen darüber klar, daß dieser Besuch seinen Tod bedeuten konnte. Die Gangster warteten ja darauf, ihn endlich auszuschalten. Zu viel Ärger hatte er ihnen bisher bereitet… Der Hinweis auf Muriel Stone, die Drohung, sie zu ermorden, nahm er nicht auf die leichte Schulter. Nur zu gern hatte er jetzt schon gewußt, wie die Ermittlungen seines jungen Herrn in Chikago verlaufen waren. Aber um diese Zeit war mit einem Anruf nicht zu rechnen. Auch der von Parker beauftragte Privatdetektiv konnte noch nichts herausbekommen haben. Parker mußte sich in Geduld fassen. Nach genau zehn Minuten stand er vor dem Hotel und wartete auf den angekündigten Wagen. Kurz danach sah er zwei bekannte Gesichter. Sie gehörten zu den beiden Gangstern, die Parker mit einem Sandsack hatten niederschlagen wollen. Sie grienten, als Parker zu ihnen in den Wagen stieg. Sie sahen den Zeitpunkt gekommen, dem Butler ihre Rechnung zu präsentieren. Sie begannen sofort damit und benutzten tatsächlich wieder einen Sandsack. Er donnerte auf Parkers Kopfbedeckung herunter, die sich tief in seine Stirn schob. Parker verdrehte erstaunt die Augen, stieß einen würdevollen Seufzer aus und blieb schief in den Polstern hängen. * Muriel Stone sah böse zugerichtet aus. Sie saß auf einem harten Stuhl, auf dem man sie festgebunden hatte. Ihr Gesicht zeigte Spuren von Schlägen. Wimperntusche und Rouge waren durch Tränen zu einer scheußlichen Kompositi
on vermischt worden. Ihr Kleid war an verschiedenen Stellen ein gerissen. Sie war bei Bewußtsein, sah Parker und strahlte ihn hoffnungs freudig an. Als sie aber merkte, daß Parker nicht ging, sondern von den beiden Schlägern in den Raum geschleppt wurde, strahl te sie schon nicht mehr. Die beiden Gangster ließen Parker los. Der Butler blieb regungslos auf dem Betonfußboden liegen. »Ist der Chef schon da?« fragte einer der beiden Schläger den Mann, der sich vor Muriel aufgebaut hatte und eine Zigarette rauchte. »Kommt gleich! Was is’ mit ihm los?« Er wies mit dem Kinn nach Parker, dessen Melone noch immer tief in der Stirn und schief saß. »Mal kurz weggetreten«, sagte der Schläger und lachte grölend auf. »Wo ich hinhaue, wächst kein Gras mehr.« »Habt ihr ihn nach Waffen durchsucht?« »Alles über die Bühne gegangen. Er hatte ‘nen alten Colt bei sich. Wenn du mich fragst, so sage ich, daß er ‘nen mächtigen Klaps hat. Der ist nicht ganz richtig im Kopf. Ich möchte bloß mal wissen, welche Chancen er sich gegen uns ausrechnet.« »Wir werden ihn gleich mal danach fragen!« Muriel Stones Enttäuschung war nun grenzenlos. Von Parker hatte sie sich Rettung erhofft. Doch daran war jetzt wohl nicht mehr zu denken. Verzweifelt starrte sie den Mann an, der alt, gebrochen und hilflos auf dem harten Boden lag und sich nicht rührte. Plötzlich aber konnte Muriel gar nicht mehr verstehen, wieso sie sich derart viel von Parker versprochen hatte. Sie nahm den Kopf herum, als Schritte zu hören waren. Eine angelehnte Tür wurde aufgestoßen. Ein junger Mann von viel leicht 35 bis 38 Jahren betrat den Raum, der früher mal als Tief garage gedient haben mochte. »Bitte, Clive, laß es genug sein«, sagte sie mit erstickter Stim me. »Ich habe euch doch nichts getan! Warum werde ich ge quält?« »Nur nicht durchdrehen, Süße.« Der Mann, der mit Clive ange redet worden war, stieß mit der Schuhspitze nach Parker. Dann wandte er sich an die beiden Schläger. »So besonders fest haben wir ja gar nicht zugelangt«, sagte ei ner der Schläger.
»Bringt ihn wieder zu sich! Ein Guß Wasser müßte eigentlich genügen.« »Clive, bindet mich los«, schaltete sich Muriel Stone wieder ein. »Mir sterben die Hände ab!« »Halt den Mund, Süße, sonst werde ich grob!« »Er ist doch da. Du hast mir versprochen, mich dann gehen zu lassen.« »Bringt sie raus«, befahl Clive den beiden Schlägern. Sie lach ten, packten den Stuhl, auf dem Muriel Stone saß, und trugen ihn durch die Tür in einen Nebenraum. Clive, wie der junge Mann mit der kühlen, beherrschten Stimme hieß, blieb zusammen mit dem Mann zurück. Sie sahen auf Parker herunter, der sich selbst während seiner Ohnmacht nicht von sei nem Universal-Regenschirm getrennt hatte. »Warum lassen wir ihn nicht sofort verschwinden, Chef?« Der Mann zog ein verächtliches Gesicht. »Erst muß ich rausbekommen, was mit ihm los ist.« »Der ist doch bekloppt, Chef.« »Oder sehr gerissen, doch das werden wir bald wissen.« Sie erfuhren es umgehend…! Parker, der gerade noch auf dem Boden gewesen war, stand plötzlich auf seinen Beinen. Und er wurde so ganz nebenbei sehr aktiv. Weder der Gangster noch Clive hatten eine Möglichkeit, dagegen etwas zu unternehmen. Josuah Parkers Regenschirm wirbelte durch die Luft und fällte zuerst mal den einen Mann, dann folgte Clive. Beide Gangster kamen nicht mehr dazu, nach ihren Waffen zu greifen. Doch Parker hatte es noch nicht ganz geschafft. Die beiden muskelstarken Gangster im Nebenraum waren nicht zu unter schätzen. Parker hastete zur Tür und baute sich hart an der Wand auf. Das Niederfallen der Gangster und der dadurch entstehende Krach lockte sofort die beiden anderen Burschen herbei. Der Reihe nach brausten sie durch die Tür. Und der Reihe nach säbelte der Butler sie mit gezielten und wohldosierten Schlägen nieder. Sang- und klanglos nahmen auch sie auf dem Boden Platz. »Miß Stone…?« rief er in den Nebenraum. Sie meldete sich sofort. »Ich werde sofort bei Ihnen sein«, beruhigte Parker sie. »Ich habe noch eine kleine Taschenvisitation vorzunehmen.«
Er interessierte sich für Clive, dessen Taschen er nach außen stülpte. Und prompt fand Parker einen sechsten Kegel. Er drehte ihn um und fand auf der breiten Unterseite die Zahl 1 eingraviert. »Ich komme…!« rief Parker, packte den jungen Mann, der wohl am leichtesten war und stellte ihn hoch. Dann benutzte er ihn als Schutzschild und trug ihn durch die Tür. Schüsse peitschten, der junge Mann in Parkers Armen erhielt einige harte Schläge und wurde schlaff und weich in Parkers Ar men. Dann ertönten schnelle Schritte, die sich in der Dunkelheit der Keller verliefen. Parker sah sich veranlaßt, ein sehr echtes Stöhnen zu produzieren. Dann ließ er den jungen Mann sanft zu Boden gleiten und betrat wirklich den Nebenraum. Muriel Stone war vor Angst ohnmächtig geworden. Sie war noch immer am Stuhl gefesselt. Parker durchschnitt die Stricke mit dem Degen der seinem Universal-Regenschirm entsprang und trug Muriel zurück in den Raum. Der junge Mann war getroffen worden. Er lebte aber noch. Blut sickerte aus seinem linken Mundwinkel. Parker kümmerte sich sofort um diesen Mann. Grausamkeit war ihm fremd. Ein verwundeter und hilfloser Gegner war kein Gegner mehr für ihn. Da er stets gut ausgerüstet war, konnte er einen gekonnten Notverband anlegen. Parker beeilte sich. Der Schuß aus dem Nebenraum hatte ihn gewarnt. In diesen Kellern mußten sich noch andere Gangster befinden. Wann traten sie zum Angriff an? Muriel Stone kam langsam wieder zu sich. Zuerst begriff sie nicht, was geschehen war. Dann aber, als ihr ein Licht aufging, brach sie in Tränen aus. »Schließen Sie bitte die Tür, Miß Muriel«, rief er ihr zu, »aber bleiben Sie in Deckung der Wand.« Sie verstand, erhob sich, taumelte etwas und schaffte es tat sächlich die Tür zum Nebenkeller zuzuwerfen. Nun konnte Parker eine Bestandsaufnahme vornehmen. Außer Muriel und ihm befanden sich noch vier Gangster in die sem Kellerraum. Der Gangsterboß und seine beiden Schläger mußten bald wieder zu sich kommen und zu einer Gefahr werden. Der vierte Gangster, angeschossen und ohnmächtig, brauchte kaum mitgerechnet zu werden.
Parker rüstete die Gegner ab, entwaffnete sie und fand so auch seinen vorsintflutlichen Colt, den er fast liebevoll betrachtete, bevor er ihn unter seinem Jackett verschwinden ließ. Mit Leibriemen und zerrissenen Hemden fesselte er die drei Gangster und machte sie bewegungsunfähig. Das geschah inner halb weniger Minuten. Wenn es sein mußte, konnte Parker sehr zielstrebig und schnell, ohne jeden Schnörkel, perfekt arbeiten. »Miß Stone, Sie kennen diesen Clive?« Er deutete auf den Gangsterboß, der den Kegel Nr.1 getragen hatte. Der Mann war zu sich gekommen und sah Parker mit haßerfüllten Blicken an. »Das ist… ist…!« »Clive Delgrave, nicht wahr?« unterbrach Parker die junge Frau. »Der Geschäftsführer, der von Sanders entlassen wurde, nicht?« Muriel Stone nickte. »Demnach hätten wir dann also den Chef der Kegel-Gang«, re dete der Butler weiter. »Ich muß gestehen, daß ich einigermaßen überrascht bin. Mit diesem Ergebnis hätte ich nun wirklich nicht gerechnet.« »Sie werden sich noch wundern«, schaltete sich Clive Delgrave ein. »Sie sitzen längst in der Falle, aber Sie wissen es noch nicht.« »Ich bedanke mich für diesen netten Hinweis«, meinte Parker, ohne Erschrecken zu zeigen. »Falls Miß Muriel und ich uns wirklich in einer Falle befinden, werden wir schon den richtigen Weg fin den, um sie wieder zu verlassen.« In diesem Augenblick schrie Muriel entsetzt auf. Parker warf sich instinktiv zur Seite. Nur so entging er einem Schuß, der dicht an seinem Körper vorbeizischte und… Delgrave traf. Bevor der unsichtbare Gegner einen zweiten Schuß abfeuern konnte, hatte der Butler bereits seinen vorsintflutlichen Colt in der Hand. Dröhnend feuerte er zwei Schüsse auf die Tür ab, die durch die Gewalt der Einschläge fest ins Schloß geworfen wurde. Doch hatte der Schuß wirklich Parker gegolten? Parker revidierte seine Ansicht. Delgrave war genau unterhalb des Herzens getroffen worden. Er lehnte gegen die Wand und rührte sich nicht mehr. War versucht worden, nur Delgrave zu töten? Falls ja, dann mußte es über Delgrave hinaus noch eine Person geben, die alle Fäden fest in der Hand hielt. Dann war Delgrave nur ein Stroh
mann, der für den eigentlichen Gangsterchef den Namen her gab…! * Es war ein mehr als heikles Unternehmen, den Keller zu verlas sen. Durch den Schuß auf Delgrave wußte Parker, daß weitere Gangster nur darauf warteten, daß er den Keller verließ. Es gab nur diese eine Tür, ein anderer Fluchtweg stand leider nicht zur Verfügung. Parker mußte auf Muriel Stone Rücksicht nehmen. Allein auf sich gestellt, hätte er vielleicht einen seiner berühmtberüchtigten Ausfälle riskiert. Nun aber waren ihm die Hände gebunden. Zu lange durfte er hier in dem Kellerraum aber auch nicht war ten. Die Gangster würden sicher nicht untätig bleiben und alles daran setzen, ihn zu vernichten. Die Lage war recht günstig. Die Schüsse konnten kaum gehört werden. Man hatte Parker in tiefe Gewölbe hinuntergetragen, die an ein Labyrinth erinnerten. »Parker, kommen Sie raus, Sie haben keine Chance…!« Die Gangster meldeten sich. Eine kalte Stimme, ohne jede Gefühlsregung, war laut genug, die geschlossene Tür zu durchdringen. »Denken Sie an die Frau. Sie wird zusammen mit Ihnen draufgehen, wenn Sie nicht sofort herauskommen!« »Mit mir werden dann aber Ihre Leute sterben.« Parker blieb seitlich neben der Tür stehen, um sich besser verständlich ma chen zu können. Er wußte, daß die beiden stämmigen Gangster ihm zuhörten. Der andere angeschossene Mann reagierte nicht. Und Delgrave war tot. »Zum Teufel mit den Strolchen«, kam die prompte Antwort. »Darauf nehme ich keine Rücksicht, Parker! Ich dresche kein lee res Stroh. Ich gebe Ihnen drei Minuten, sich den Fall genau zu überlegen!« »Ich danke Ihnen für diese Frist«, antwortete Parker mit völlig normaler Stimme. Muriel Stone stand an der Wand und sah ihn aus großen, ängstlichen Augen an. Die beiden Gangster hatten sich aufgesetzt und tuschelten leise miteinander.
»Sie haben gehört, meine Herren, was uns erwartet«, wandte Parker sich leise an sie. »Wir sitzen, wie es so richtig und treffend heißt, in einem Boot.« »Zum Henker mit Ihnen…!« murmelte einer der Schläger. »Später wird immer noch Gelegenheit sein, auf mich zu schimp fen«, meinte Parker. »Im Augenblick aber sollten wir uns genau überlegen, ob wir es nur mit einem Bluff zu tun haben.« »Die bluffen nicht«, antwortete einer der Gangster. »Sie kennen den Mann, der mir das Ultimatum gestellt hat?« »No, keine Ahnung.« »War Delgrave der Chef?« »Natürlich…!« »Sind Sie sicher?« »Natürlich, er zahlte uns aus, ihm lieferten wir die Beute aus. Delgrave war unser Boß.« »Dann sind Sie belogen worden«, stellte Parker fest. »Draußen vor der Tür dürfte der wirkliche Chef der Goldkegel-Gang ste hen.« »Na und…? Wie kommen wir raus?« »Vielleicht könnten wir so etwas wie eine Notgemeinschaft bil den«, schlug Parker vor. »Sobald wir wieder frei sind, steht es Ihnen frei, mich erneut zu bekämpfen.« »Und wie stellen…!« Weiter kam der Mann nicht. Er hielt sofort den Mund, als der Mann auf der anderen Seite der Tür sich wieder meldete. Er ver kündete, eine Minute sei bereits verstrichen. Muriel schrie leise auf, als das Licht an der Decke verlosch. Die Gangster vor der Tür sorgten damit für zusätzliche Unsicherheit. Sie wußten genau, daß alle Trümpfe in ihrer Hand waren. Sie konnten den Ausgang genau überwachen. »Da, Parker, Licht…!« Einer der Schläger zeigte mit dem Kinn auf die untere Türhälfte. Helles grelles Licht kroch über die Schwelle in den dunklen Raum hinein. Die Gangster strahlten nun auch noch die Tür an. Ein raf finierter Trick. Falls Parker einen Ausfall riskierte, wurde er sofort erkannt und auch geblendet. Er hätte seine Gegner gar nicht se hen können. »Ich bitte um strikte Einhaltung der Ruhe«, sagte Parker leise zu seinen Gästen. »Ich werde meinerseits einen Bluff versuchen. Beten Sie zu Gott, daß er wirkt!«
Er blieb dicht neben Muriel Stone stehen, damit sie keine Dummheiten machte. Dann nahm er den schweren Colt in die Hand und feuerte einige Schüsse auf den Stuhl ab. Um einen Ku gelwechsel vorzutäuschen, ließ Parker auch eine erbeutete Gang sterwaffe aufdröhnen. Dann drückte er Muriel Stones Oberarm und zeigte ihr damit an, daß sie unbedingt ruhig sein sollte. Es war eine Frage der Nerven, wer zuerst neugierig wurde und die Tür öffnete. Einer der Gangster durchbrach das Schweigen, Parker glaubte schon an Verrat, doch dann nickte er beifällig. Der Schläger, mit dem er sich unterhalten hatte, weitete den Bluff nicht ungeschickt aus. Er stöhnte und röchelte derart gekonnt, daß Parker ihm sei ne Anerkennung nicht versagen konnte. Vor der geschlossenen Tür war Bewegung zu vernehmen. Par ker glaubte schon, jetzt würde die Tür aufgedrückt, doch das war nicht der Fall. Es wurde wieder ruhig. Die Sekunden vertropften, wie es so schön und treffend heißt. Sie dehnten sich zu kleinen Ewigkeiten aus. Es war klar, daß der Schütze auf der anderen Türseite ebenfalls wartete und Nerven behielt. Oder hatte der Mann sich nach dem initiierten Feuer wechsel davongemacht? Nein, Parker dachte nicht daran, als erster die Tür zu öffnen. Wer dieser Gegner auch sein mochte, er ließ sich diese günstige Gelegenheit bestimmt nicht entgehen, Parker aus dem Weg zu räumen. Muriel Stone zuckte plötzlich zusammen. Warnend berührte Parker ihren Oberarm. Da verlor einer der beiden Schläger doch die Nerven. »Es brennt…!« schrie er gellend und schlug mit den Absätzen seiner Schuhe einen donnernden Wirbel auf den Betonboden. Parker verließ die Wand und konnte den intensiven Brandgeruch nun ebenfalls aufnehmen. Muriel Stone schrie entsetzt auf. Ihre Nerven drehten durch. Der zweite Schläger brüllte unverständliche Worte. Auch seine Nerven machten sich selbständig. Bevor Parker es verhindern konnte, rannte Muriel zur Tür und riß sie auf. »Bleiben Sie stehen…!« rief er Muriel zu. Doch sie ließ sich nicht mehr aufhalten. Von panischer Furcht gehetzt rannte sie in das
grelle Licht hinein. Parker sah dicht vor der Türschwelle einige kleinere Ballen Holzwolle, die der Gegner in Brand gesetzt hatte. Muriel stolperte und fiel förmlich in das Licht hinein. Jeden Au genblick mußte der erste Schuß fallen…! * »Wenn Sie erlauben, Miß Stone, werde ich Ihnen bei passender Gelegenheit ein Paar neue Strümpfe kaufen«, sagte Parker wenig später zu Muriel Stone. Mehr als zerrissene Strümpfe hatte es nämlich nicht gegeben. »Ich möchte weg…!« schluchzte Muriel. »Sie haben es überstanden. Sie sind außerhalb jeder Gefahr.« Parker führte sie über den weiten Fabrikhof. Der Keller lag hinter ihnen. Sie hatten ihn nach dem Aufreißen der Tür ohne jeden Zwischenfall verlassen können. Der Brandstifter hatte es vorge zogen, sich zu empfehlen. Seine Nerven waren im Grund schwä cher gewesen als die des Butlers. Im Keller lagen aber noch der tote Delgrave, der angeschossene Gangster und die beiden breitschultrigen Schläger. Parker hatte sie zurückgelassen. Es ging ihm darum, erst mal Muriel Stone in Sicherheit zu bringen. Es blieb dem Butler rätselhaft, warum der Gegner sich nach dem Legen des kleinen Brandes zurückgezogen hatte. Damit hat te der Mann sich doch um alle Chancen gebracht. Oder waren seine Pläne vielleicht gestört worden? Inzwischen war Parker zu dem Schluß gekommen, daß er es ei gentlich nur mit einem einzigen Gegner zu tun gehabt hatte. Nur so ließ sich der Fehler erklären. Hinzu kam die Aussage der bei den Schläger. Für sie war Delgrave der Chef gewesen. Delgrave konnte also durchaus der Strohmann des wirklichen Bandenchefs gewesen sein. Und dieser Mann hatte es vorgezogen, unerkannt zu bleiben. Er wollte wohl durch einen dummen Zufall nicht er kannt werden. Parker brachte Muriel auf die Straße und hatte Glück, ein Taxi abwinken zu können. »In Ihrer Privatwohnung in der 106. Straße wird Ihnen nichts passieren«, sagte er zu Muriel. »Ich werde mich dort melden, um
das Erbe Ihres Freundes Sanders mit Ihnen zu klären. Sie müs sen dort auf mich warten, Miß Stone.« »Glauben Sie wirklich, daß mir nichts mehr passieren wird?« »Falls Sie mir nichts verschwiegen haben, ganz gewiß, Miß Sto ne.« »Ich habe nichts verschwiegen«, sagte sie hastig. »Darf ich jetzt fahren?« »Nehmen Sie das als eine erste bescheidene Wegzehrung.« Parker drückte ihr einige Banknoten in die Hand, wartete, bis sie im Wagen saß und schritt dann weitgreifend zur nächsten Bier bar, um von dort aus die Polizei zu verständigen. Er hielt in der Nähe der abbruchreifen Fabrik aus, bis zwei Strei fenwagen der Polizei eintrafen und die Männer im Fabrikgebäude verschwanden. Es dauerte nur. knapp zehn Minuten, bis sie mit den Gangstern wieder erschienen. Rettungswagen waren inzwi schen hinzugekommen. Die Wagenscheinwerfer erhellten die Szenerie. Parker zählte die Gangster durch. Ja, es stimmte, vier Männer wurden von den Polizisten über den Hof getragen oder geführt. Dieses Kapitel konnte abgeschlossen werden. Josuah Parker hatte so ganz nebenbei drei Gangs aufgerollt. Die San ders-Gruppe existierte nicht mehr, Moore und seine Leute hatten ausgespielt und nun waren auch die Kegel-Gangster hart ange schlagen worden. Mit der Ermordung Delgraves – daß es Mord war, glaubte Parker inzwischen zu wissen – würden sich im Cen tral Park keine organisierten Gangster mehr herumtreiben. Es blieb nur noch der Schütze vor der Tür. Dieser Mann, der Delgrave wohl absichtlich erschossen hatte, war der eigentliche Drahtzieher. Dieser Mann hatte eine Gang aufgezogen, deren Ar beitsweise und Methoden im Grunde ein Nonsens waren. Lynd hurst hatte das schon vollkommen richtig gesehen. Organisierte Gangster wie die Killer vom Central Park begnügten sich niemals mit Handtaschen und schmalen Geldbörsen. Sie legten kaum Wert darauf, Frauen zu überfallen und sie zu quälen. Nein, der Hintergrund all dieser Handlungen wurde immer deut licher. Die Killer vom Central Park, wie die Zeitungen sie genannt hatten, waren organisiert und mit den kleinen Goldkegeln ausge rüstet worden, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Behörden abzulenken.
Parker war gespannt darauf, was sein junger Herr, Mike Rander, inzwischen erfahren hatte. Vielleicht brachten diese Hinweise Licht ins Dunkel… * Sorgfältig studierte Josuah Parker die Morgenausgaben der Zei tungen. Seit der Festnahme der Gangster waren die Nachtstun den vergangen. Parker, glatt rasiert und korrekt gekleidet, hatte in einem Schnellimbiß gespeist und sich mit einem dicken Packen Zeitungen in die kleine Hotelbar gesetzt. Hier konnte er in aller Ruhe lesen. Die Schlagzeilen fast aller Zeitungen schienen genormt zu sein. Rätsel um Miniaturkegel in Gangstertaschen? hieß es. Hat Man hattan eine Gang bekommen? Parker sah die Abbildungen, die die Zeitungen brachten. Die Po lizei hatte das Fotografieren der kleinen, vergoldeten Kegel er laubt. In Großaufnahmen wurden die Gravuren auf der Unterseite der Kegel gezeigt. Nun erfuhr die Öffentlichkeit, wie die Polizei an diese kleinen Goldkegel gekommen war. Man hatte sie in den Taschen von Gangstern gefunden, die bei zwei Einsätzen der Polizei festgenommen werden konnten. Es handelte sich in beiden Fällen um Alarme, die Parker ausgelöst hatte. Der Butler nickte beifällig, als er darüber Näheres las. Bei dem Feuergefecht im Lagerschuppen, in dessen Verlauf Moore schwer verletzt worden war, und später im Keller der abbruchrei fen Fabrik, waren Goldkegel in den Taschen der Gangster ent deckt worden. Schlagartig wurde ein neuer Begriff geprägt. Die Goldkegel-Gang beunruhigte die Gemüter. Die Behörden wurden von den Kommentatoren in üblicher Weise gefragt, was sie gegen diese neue Gang zu unternehmen gedachten. Eine Formel übri gens, die kaum noch ernstgenommen werden konnte. Selbstver ständlich taten die Behörden alles, um dieses Geheimnis zu lüf ten. Dazu bedurfte es keiner theoretischen Fragen. Parker dachte an den Schützen im Keller. Nun hatte der Mann ja endlich erreicht, was er wohl die ganze Zeit über geplant hatte. Die Öffentlichkeit sprach von den Gold kegel-Gangstern. Aber wovon wollte dieser geheimnisvolle Mann ablenken? Welche Taten sollten verschleiert werden?
Von seinem Hotelzimmer aus rief Parker Chikago an. Mike Rander schien darauf nur gewartet zu haben. Er meldete sich umge hend. Mit höflichen Worten, immer wieder versichernd, daß er auf keinen Fall stören wolle, fragte Parker an, ob es Neuigkeiten für ihn gäbe. Mike Rander hatte Neuigkeiten zu bieten, und Josuah Parker hörte sehr konzentriert und aufmerksam zu. Das Gespräch dauer te lange und war dementsprechend teuer, doch es lohnte sich. Wenngleich Henry Lyndhurst inzwischen auch nicht mehr lebte, so waren die Angaben über ihn auch nachträglich noch interes sant. Lyndhurst hatte sich tatsächlich als Hehler betätigt und war verschiedentlich bestraft worden. In Chikago hatte er ebenfalls Altwarenläden betrieben. Auch damals schon war Ed Shelvers sein engster Mitarbeiter gewesen. Streitigkeiten mit Gangs schien Lyndhurst aber nie gehabt zu haben. Er mußte es verstanden haben, sich überall geschickt durchzulavieren. Die Polizei von Chikago war der Ansicht, daß Lyndhurst ein Vermögen verdient hatte. Es war eigentlich niemals zutage gekommen. Der Hehler hatte es verstanden, sein Geld vor dem Zugriff der Polizei zu bewahren. Auch in New York war es den Behörden durchaus bekannt, daß Lyndhurst sein Metier nicht aufgegeben hatte. Lyndhurst war al lerdings vorsichtiger geworden und hatte alle Komplikationen vermieden. Direkten Kontakt zu größeren Gangs sollte es auch hier nicht gegeben haben. Doch in dieser Hinsicht konnte Anwalt Mike Rander leider nicht mit genauen Nachrichten dienen. »Hoffentlich habe ich Ihnen helfen können, Parker«, beendete Mike Rander das Gespräch. »Haben Sie schon einen bestimmten Verdacht, wer der Gesuchte sein könnte?« »Ich denke doch, Sir. Gleich nach meiner Ankunft in Chikago werde ich mir erlauben, Ihnen einen detaillierten Bericht zu er statten.« »Ich höre schon heraus, daß Sie wieder mal den Geheimnis krämer spielen, Parker. Passen Sie auf sich auf!« »Ich habe mir bisher wirklich alle Mühe gegeben, Sir.« »Ist es zu Schießereien gekommen?« Mike Randers Stimme klang besorgt. »Das auch, Sir, doch ich hatte Glück und konnte den Geschos sen ausweichen.« »Haben Sie sich betätigt?«
»Nur ganz am Rande«, bemerkte der Butler. »Ich hielt mich au ßerordentlich zurück und vermied jeden Streit.« »Hoffentlich stellt sich das auch als richtig heraus«, zweifelte Mike Rander, der seinen Butler Parker schließlich nur zu genau kannte. »Bemühen Sie sich, New York nicht auf den Kopf zu stel len.« Parker legte auf und leistete sich eine seiner spezialangefertig ten schwarzen Zigarren. Er gab sich diesem Genuß völlig hin, zu mal nicht zu befürchten war, daß er harmlose Bürger störte oder gesundheitlich schädigte. Während Parker sich erfolgreich einnebelte, zog er eine Rohbi lanz. Er wog die einzelnen Tatsachen gegeneinander ab und war sich klar darüber, daß die Schießereien zwischen Sanders und Moore nicht den eigentlichen Mittelpunkt dieses Falles bildeten. Hier ging es um andere Dinge. So etwa um sehr viel Geld, das ein gewisser Mr. Lyndhurst bisher erfolgreich versteckt hatte. Ein Mann wie Lyndhurst konnte sich niemals mit einem Gang ster wie Moore verbunden haben, um seinen Geschäftspartner Sanders auszuschalten. Dieser Verdacht lag zwar nahe, da Lynd hurst nach Sanders Tod der alleinige Inhaber der Bowling-Bahnen geworden war. Doch ein Lyndhurst hatte andere Mittel, um diese an sich doch nicht sehr wirtschaftlich starken Kegelbahnen an sich zu bringen. Eine andere Frage war, warum ein ausgekochter Gangster wie Moore sich ausgerechnet an Sanders gewandt hatte und ihn zwingen wollte, Schutzgelder an ihn zu zahlen. Auch dieses unbe deutende Geschäft paßte nicht zum Stil Moores. Dieser Gangster hätte sich wahrscheinlich für viel dickere und fettere Fische inter essiert. Wer also mochte der Drahtzieher des Bandenkampfes sein? Welche Ziele wurden damit verfolgt? Wer verdiente, direkt oder indirekt, daran? Parker erinnerte sich sehr genau, daß Moore beim Anblick eines der Goldkegel sofort umschwenkte und friedlich wurde. Er also mußte wissen, was dieser Kegel bedeutete und wer hinter der Gang stand. Doch auch Sanders hatte sich für den Goldkegel sehr interessiert und erwärmt. Das Bindeglied schien Clive Delgrave gewesen zu sein. Er hatte nach äußern hin die Goldkegel-Gang geführt. Doch er war er schossen worden. Und sehr wahrscheinlich durch einen genau
gezielten Schuß. Der Drahtzieher hatte verhindern wollen, daß Delgrave redete und die Karten auf den Tisch legte. Schließlich gab es ein wichtiges Indiz. Und das waren die klei nen vergoldeten Kegel. Sie deuteten doch auf eine Gang hin, die zumindest engeren Kontakt zu einer Bowling-Bahn haben mußte. Wem hatte der Wagen gehört, den Parker schließlich vor Sanders Bowling-Bahn gefunden hatte? Eben doch Sanders…! Hier mußte ein intimer Kenner der einzelnen Gangs am Werke sein, der absichtlich Spuren auslegte, der es darauf angelegt hat te – wie im Falle Lyndhurst, Kegel am Tatort zurückzulassen. Was sollte verschleiert werden? Parker, der seit vielen Stunden nach dem erlösenden Wort ge sucht hatte, das ihm auf der Zunge lag, fand es endlich. Zwin gend und logisch wiesen alle Fakten auf eine ganz bestimmte Person hin. * Ed Shelvers, der Filialleiter einer der LyndhurstAltwarengeschäfte, lächelte freundlich, als Parker wieder im Kel lergeschäft erschien. Es war inzwischen dunkel geworden. Parker hatte sich ausgiebig mit dem von ihm beauftragten Privatdetektiv unterhalten und wußte, wo er den Hebel anzusetzen hatte. »Sie können sich von mir wohl nicht trennen, wie?« fragte Shel vers. Er stellte eine gebrauchte Klarinette in ein Regal zurück und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. »In der Tat, Mr. Shelvers.« Parker ließ sich auf einem Hocker nieder und sah sehr alt und müde aus, »Ich bin vorbeigekommen, um vor meiner Abreise einen Schlußbericht zu erstatten.« »Mir etwa…?« »Ja, als alter Freund und Mitarbeiter des ermordeten Lyndhurst möchten Sie doch sicher gern erfahren, wer sein Mörder gewesen ist, nicht wahr?« »Na klar…! Weiß es die Polizei inzwischen auch schon?« »Natürlich, Mr. Shelvers.« »Spannen Sie mich nur nicht auf die Folter, Mr. Parker. Wer hat’s also getan?« »Ein gewisser Clive Delgrave. Ein noch recht junger Mann, der für Mr. Sanders gearbeitet hat. Er wurde wegen gewisser Unre
gelmäßigkeiten entlassen und rächte sich. Er verband sich mit der Moore-Gang und schoß nacheinander seinen früheren Chef San ders und dann Lyndhurst als dessen Kompagnon nieder.« »Delgrave…? Nie gehört…! Sitzt der Kerl wenigstens?« »Nein, er lebt nicht mehr. Dem irdischen Richter hat er sich notgedrungen entzogen.« »Wie soll ich das verstehen?« »Er wurde versehentlich niedergeschossen, als ich mich mit den Gangstern herumschlug, die die bewußten Goldkegel als Erken nungszeichen bevorzugten.« »Ja, und jetzt? Was soll jetzt werden?« »Der Fall ist beendet. Die Jagd kann abgeblasen werden, Mr. Shelvers. Gangster, die noch frei herumlaufen, stellen keine öf fentliche Gefahr mehr dar. Ohne Führung werden sie sich vorerst mal zurückziehen. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu wissen, daß Mr. Delgrave ebenfalls einen Goldkegel in der Tasche trug. Sie werden kaum erstaunt sein, wenn ich Ihnen sage, daß dieser Kegel die Gravur Nr. 1 aufwies. Auch das ist ein Beweis dafür, daß Delgrave der gesuchte Mörder gewesen ist.« »Das sind Überraschungen«, meinte Shelvers und zündete sich eine neue Zigarette an. »Sie wissen also Bescheid, aber wird auch die Polizei dahinterkommen?« »Im Falle Delgrave wohl nicht, denn ich besitze den bewußten Goldkegel mit der eingravierten Nr. 1.« »Sie werden ihn der Polizei übergeben?« »Erst, wenn ich die Stadt verlassen habe. Sie werden verste hen, daß ich allen Fragen und Verhören tunlichst aus dem Wege gehen will. Das ist nichts für einen alten Mann.« »Na, na, so alt sind Sie nun auch wieder nicht.« Shelvers lachte auf. »Zum Beispiel werden Sie noch genügend Kraft haben, die Hände hochzunehmen…!« »Wie bitte…?« Parker richtete sich steil auf und sah auf die Schußwaffe, die Shelvers in der Hand hielt. Er hatte sie blitz schnell aus der Kassenschublade hervorgeholt. »Hoch die Hände!« Shelvers grinste nicht mehr freundlich, son dern sah gefährlich aus. »Sie Trottel schaffen es noch, meinen ganzen Plan auf den Kopf zu stellen.« »Ihren Plan…? Ich verstehe kaum ein Wort?«
Shelvers drückte auf einen Knopf. Rasselnd fielen daraufhin Ja lousien aus dickem Stahlblech vor Fenster und Tür. Die Außen welt war abgeschlossen. Parker war mit Shelvers ganz allein. »Würden Sie bitte die Güte haben, mir zu erklären, was eigent lich gespielt wird?« Parker ignorierte die Schußwaffe. »Nicht Delgrave ist der gesuchte Mann, sondern ich.« Shelvers blieb vor der Kasse stehen und rauchte seine Zigarette. »Ich habe diesen ganzen Kegelrummel aufgezogen. Und wissen Sie auch warum?« »Ich warte auf Ihre Erklärung, Mr. Shelvers!« »Zum Teufel mit allen Erklärungen. Los, kommen Sie, Parker. Ich kenne einen netten Platz, an dem wir noch ungestörter sind.« »Sie wollen mir doch nichts Böses antun, Mr. Shelvers?!« »Und ob ich will. Sie haben auf meinen Nerven herumgetram pelt. Um ein Haar hätten Sie meinen ganzen Plan in die Pfanne gehauen. Gut, daß ich schneller war als Sie.« »Das möchte ich doch sehr bezweifeln.« »Zuletzt lache ich«, behauptete Shelvers. »Und wenn Sie erst mal aus dem Weg geräumt sind, Parker, kann ich mir endlich das Geld unter den Nagel reißen.« »Geld… Etwa Mr. Lyndhursts Vermögen?« »Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Jahrelang habe ich bei ihm die zweite Geige gespielt. Er scheffelte das Geld, aber die Ver antwortung mußte ich tragen. Wegen Lyndhurst bin ich ein paar mal eingebuchtet worden. Schön, ich hab’s ertragen und mitge macht. Aber die ganze Zeit über wußte ich, daß mein Zahltag auch noch mal kommen würde!« »Sie haben Mr. Lyndhursts Ermordung von langer Hand vorge plant?« Parker schien fassungslos zu sein. »Natürlich, was dachten denn Sie? Ich legte es darauf an, alle Spuren zu verwischen. Darum zog ich die Gang mit den Goldke geln auf. Delgrave, dieser Idiot, fühlte sich geschmeichelt, als ich ihm die Leitung der Gang anbot. Auch er dachte, viel Geld zu ver dienen. Wie Moore zum Beispiel, den ich auf Sanders hetzte. Ich redete ihm ein, über Sanders käme er an den stinkreichen Lynd hurst heran. Sie alle spielten begeistert mit. Sie ließen sich nach allen Regeln der Kunst auf den Leim führen. Und keiner hatte eine Ahnung davon, daß ich meine eigene Suppe kochte!«
»Es ist, wenn ich so sagen darf, kaum zu glauben«, antwortete Josuah Parker andächtig. »Aber es stimmt, Parker.« »Wieso hätte ich dann Ihre Pläne stören können?« »Mir ging es darum, der Öffentlichkeit und den Behörden eine Gang zu präsentieren, der ich dann später die Ermordung Lynd hursts in die Schuhe schieben konnte. Kein Verdacht wäre auf mich gefallen. Sie Trottel aber mußten sich die ersten Goldkegel auf die Seite schaffen. Sie wurden zu neugierig und hätten San ders und Lyndhurst ungewollt warnen können. Sie gingen mit den Kegeln doch regelrecht hausieren. Ich mußte zu früh losschlagen und Sanders töten lassen. Dann hätte ich am liebsten schon Lyndhurst vorgenommen, doch das wäre vielleicht zu auffällig geworden. Also ließ ich Moore im La gerschuppen angreifen. Wieder verwirrten Sie alles. Normalerweise wäre alles wie am Schnürchen gegangen. Doch Sie brachten meine Leute durchein ander.« »Moore lebt noch!« »Ich weiß, aber das kann mich jetzt nicht mehr stören. Die Zei tungen berichten ja durchweg von den Goldkegel-Gangstern. An mich wird kein Mensch denken.« »Glauben Sie wirklich, Mr. Shelvers? Man wird sich dafür inter essieren, wer das Vermögen des Mr. Lyndhurst erben wird.« »Es wird kein Vermögen mehr da sein, Parker. Nur ich allein weiß, wo es steckt. Und dort werde ich es mir abholen, sobald ich es riskieren kann.« »Darf ich eine Frage stellen, zumal da wir uns jetzt richtig un terhalten.« »Machen Sie’s aber schnell!« »Moore kannte den Goldkegel, den ich ihm. zeigte. Er wußte damit etwas anzufangen.« »Natürlich, Delgrave hatte sich ja hinter ihn gesteckt und ihn auf Sanders gehetzt.« »Das klingt überzeugend. Und warum reagierte Sanders so ei genartig, als ich ihm einen der erbeuteten Kegel zeigte?« »Delgrave teilte ihm in meinem Auftrag mit, er sei zu der Ke gelgang übergetreten. Sanders hielt das zwar für einen Witz, doch als er den Goldkegel sah, ging ihm wohl ein Licht auf. Mann,
ich habe sie alle durcheinandergewirbelt und einen gegen den anderen ausgespielt. Es hat sich gelohnt.« »Sie werden demnach sehr reich sein, nicht wahr?« »Ich bin es eigentlich schon. Ich weiß, wo Lyndhurst sein Geld verborgen hielt.« »Haben Sie es bereits an sich genommen?« »So dumm bin ich nicht. Ich könnte ja beschattet werden. Wer weiß, welches Unheil Sie sonst noch angerichtet haben, Parker. Nein, nein, ich werde warten, bis meine Zeit gekommen ist.« »Wie im Falle Delgrave, den Sie im Keller erschossen, wie?« »Auch richtig. Er hatte seine Arbeit getan. Ich brauchte ihn nicht mehr. Es reichte leider nicht mehr, auch Sie umzulegen. Aber das werde ich nachholen.« »Gönnen Sie mir noch einen kleinen Moment«, .bat Parker. »Sie nannten mich bedauerlicherweise einen Trottel. Darf ich bewei sen, daß Sie sich irren?« »Wie wollen Sie denn das schaffen?« »In meiner Rocktasche befindet sich ein Miniaturtonbandgerät, Mr. Shelvers. Wenn Sie das Band abspielen, werden Sie meine Stimme hören. Ich habe einen Bericht auf das Band gesprochen und den Fall theoretisch gelöst. Von unwichtigen Einzelheiten ab gesehen, dürfte ich Ihre Hinweise und Erklärungen vorausgeahnt haben. Sie sind die Frucht logischen Denkens.« »Sie wollen… Sie wollen gewußt haben, daß ich der Mann bin, der alles inszeniert hat?« »Wenn Sie sich das Band anhören, werden Sie es erfahren!« »Das glaube ich nicht. Das soll doch nur ein Bluff sein. Sie wol len Zeit herausschinden.« »Sie werden gleich erfahren, daß ich den Fall richtig beurteilt habe. Aber vielleicht verletzt das Ihre Eitelkeit. Ich möchte nicht darauf bestehen, daß Sie sich das Band anhören.« »Ich und eitel…? Sie sind verrückt! Darüber bin ich längst hin aus. Schön, holen Sie das Band aus der Tasche, aber keine fal sche Bewegung, sonst werde ich sofort schießen.« »Ich werde nur das Tonbandgerät aus der Tasche holen.« Parker bewegte seine Hand nur sehr vorsichtig. Er wollte ja nicht vorzeitig angegriffen werden. Er stellte das Gerät, das die Größe einer normalen Zigarettenkiste hatte, auf die Theke und setzte es in Bewegung.
Shelvers hörte fasziniert zu. Parkers Behauptung wurde bestä tigt. Abgesehen von geringfügigen Kleinigkeiten hatte der Butler den Fall in allen seinen Verwicklungen sehr genau und richtig ge sehen. Shelvers war beeindruckt. Wiederholt sah er hoch, wenn Parkers Stimme sich hob, um ei nen bestimmten Punkt besonders zu unterstreichen. Während Parkers Stimme dozierte und erklärte, saß der Butler schweigend auf dem Stuhl und hörte zu. Sein Bericht näherte sich dem Ende zu. Shelvers hatte sich aufgerichtet und hob langsam sein Schießei sen. Er wollte Schluß machen, das war deutlich zu erkennen. Er wußte wohl jetzt erst richtig, wie gefährlich dieser Butler Parker als Gegner war. Noch redete Parkers Stimme, noch lief das Band. Shelvers war tete noch einen Moment. Er wollte sich jetzt auch den Schluß an hören. Doch mitten in Parkers Bericht geschah etwas Überra schendes. Das Tonbandgerät platzte mit einem lauten Knall auseinander. Kleine Teile wirbelten durch die Luft. Eine weißgelbe Rauchwolke stieg hoch und breitete sich sehr rasch im Kellerladen aus. Shelvers wurde vollkommen überrascht. Beim Auseinanderplatzen des Tonbandgeräts duckte er sich na türlich instinktiv ab. Blech- und Kunststoffteilchen wirbelten ihm um die Ohren. Als er sich schnell wieder aufrichtete, um Parker zu erschießen, sah er vor sich nur eine undurchsichtige Nebelwolke, die die Augen reizte und zur schnellen Produktion von Tränen veranlaßte. Durch diesen Nebel stieß die Spitze von Parkers Universalregen schirm und traf den schußbereiten Revolver. Die Waffe landete auf dem Boden und war für Shelvers unerreichbar. Mit einem wütenden Aufschrei stürzte sich der ertappte Gang ster auf den Butler. Oder besser gesagt in die Richtung, in der er den Butler vermutete. Es wurde nichts daraus. Parker stand nämlich bereits dicht neben ihm und brachte einen seiner gefürchteten Handkantenschläge an. Wie vom Blitz getroffen, brach Shelvers in sich zusammen. Dann schritt Parker zur Tür und ließ die Jalousie wieder nach oben rollen. Die Tür wurde frei. Einige Zivilisten, die sich später
als Polizeidetektive entpuppten, betraten den Laden und kümmer ten sich um Shelvers. »Was ist denn mit dem Tonbandgerät los?« rief einer der Män ner unangenehm überrascht. »Das Ding ist ja nicht mehr zu ge brauchen, Mr. Parker.« »Dieses Gerät bestimmt nicht mehr. Es war eine Sonderanferti gung von mir. Bedienen Sie sich aber bitte dieses Gerätes hier.« Parker zog ein zweites Minifon aus der anderen Rocktasche. »Es enthält das Geständnis Mr. Shelvers. Er war sehr ausführlich und dürfte kaum ein Detail seiner verbrecherischen Pläne ausgelassen haben. Ach, richtig, noch etwas, meine Herren, sobald Mr. Shel vers wieder zu sich gekommen ist, versäumen Sie bitte nicht, ihm mitzuteilen, daß sein Geldversteck bekannt ist. Falls er das nicht begreifen kann, so klären Sie ihn darüber auf, daß ein von mir engagierter Privatdetektiv die geheime Wohnung Mr. Lyndhursts ausfindig machen konnte. Er brauchte sich dazu nur an die Fersen Shelvers zu heften, der, von Neugier getrieben, diese Wohnung aufsuchte, um den Panzerschrank zu besichtigen, der das Geld enthält. Die genaue Adresse finden Sie auf dem Tonband. Sie ist am Anfang des Bandes zu hören. Erst dann folgt Mr. Shelvers Geständnis.« Parker hakte sich den Regenschirm über den linken Unterarm, grüßte mit der schwarzen, steifen Melone und schritt zum Aus gang. »Verzeihen Sie meine Eile«, fügte er abschließend hinzu. »Ich möchte das Flugzeug nach Chikago nicht versäumen. Wie ich vermute, werde ich dort dringend gebraucht. Mr. Randers infor mierte Sie ja, wer ich bin. Sie werden also auch wissen, wo Sie mich erreichen können.« Die Polizeidetektive waren damit nicht einverstanden. Sie liefen Parker nach, der im gelbweißen Nebel verschwand. Sie beeilten sich sehr, doch als sie die Schwaden hinter sich gelassen hatten und auf der Straße standen, war Josuah Parker schon nicht mehr zu sehen. Der Erdboden schien diesen rätselhaften Mann ver schluckt zu haben. -ENDE-