Fabian Kracht High Yield Bonds als Ergänzung zum traditionellen Bankkredit
GABLER RESEARCH
Fabian Kracht
High Yiel...
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Fabian Kracht High Yield Bonds als Ergänzung zum traditionellen Bankkredit
GABLER RESEARCH
Fabian Kracht
High Yield Bonds als Ergänzung zum traditionellen Bankkredit Eignungsuntersuchung am finanzwirtschaftlichen Zielsystem deutscher Familienunternehmen Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Thomas Armbrüster
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Witten-Herdecke, Wirtschaftsfakultät, 2010 Diese Arbeit wurde 2010 an der Universität Witten/Herdecke gGmbH im Bereich der Wirtschaftswissenschaft als Dissertation mit dem Titel ‚Finanzierung deutscher Familienunternehmen mit High Yield Bonds als Ergänzung zum traditionellen Bankkredit: Eignungsuntersuchung am finanzwirtschaftlichen Zielsystem von Familienunternehmen‘ angenommen.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2505-3
V
Geleitwort Die Literatur über Familienunternehmen war bislang stark von verhaltenswissenschaftlichen Untersuchungen über den Einfluss von Familie auf das Unternehmen geprägt. Die BWL der Familienunternehmen setzte ihre Schwerpunkte damit auf die Themen Führung, Organisation und Governance. Am Wittener Institut für Familienunternehmen war und ist es eines unserer Anliegen, diesen verhaltenswissenschaftlichen Ansatz weiter zu vertiefen, die BWL der Familienunternehmen aber gleichzeitig breiter aufzustellen. In diesem Zusammenhang steht die Erweiterung des Themenspektrums auf Finanzierungsfragen, denen sich die vorliegende Arbeit von Herrn Kracht widmet. Herr Kracht verfolgt dabei zwei Ziele: Erstens untersucht er das „finanzwirtschaftliche Zielsystem von Familienunternehmen“, also Motive, Ziele und Entscheidungsparameter, die Familienunternehmen bei ihrer Finanzierungsstrategie anlegen. Er kommt zu dem Schluss, dass bei Familienunternehmen oft eine mangelnde Ausschöpfung bestehender Finanzierungsmöglichkeiten vorliegt. Eine nicht untypische „Finanzierungsmonokultur“ kennzeichnet sich durch eine unterdiversifizierte Nutzung bestehender Finanzierungsinstrumente, also eine Reduktion auf Innenfinanzierung und Bankkredit. In Zeiten reduzierter Kreditvolumina kann diese Strategie im günstigsten Fall wachstumshemmend, im schlimmsten Fall existenzbedrohend wirken. Daher untersucht Herr Kracht zweitens das Finanzierungsinstrument der Hochzinsanleihe (High Yield Bond) auf seine Zweckmäßigkeit zur Ergänzung der bestehenden Finanzierungsstrukturen von Familienunternehmen. Dazu erarbeitet er die zentralen Ausprägungen und Voraussetzungen dieses Instruments und ordnet diese in das Zielsystem von Familienunternehmen ein. Mit seiner detaillierten und kenntnisreichen Arbeit gelingt Herr Kracht ein überzeugender Beitrag im Bereich der Finanzierung von Familienunternehmen. Er verbindet den verhaltenswissenschaftlichen Ansatz der Führung von Familienunternehmen mit dem Bereich Corporate Finance und zeigt exemplarisch am Beispiel der Hochzinsanleihe, welche zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten bei Familienunternehmen, z.B. zur Wachstumsfinanzierung, oft unausgeschöpft bleiben. Lesenswert ist die Untersuchung nicht nur für Wissenschaftler, die sich mit Familienunternehmen im Allgemeinen oder mit deren Finanzierung im Speziellen auseinandersetzen, sondern auch für Entscheidungsträger in Familienunternehmen, da die Arbeit einen praxisrelevanten Beitrag zur Objektivierung von strategischen Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen leistet. Prof. Dr. Thomas Armbrüster
VII
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Universität Witten/Herdecke gGmbH im Bereich der Wirtschaftswissenschaft als Dissertation angenommen, die Disputation fand am 6. Mai 2010 statt. Sie entstand berufsbegleitend während meiner Zeit als externer Doktorand am dortigen Institut für Familienunternehmen. Dass ich die Arbeit zu einem erfolgreichen Abschluss führen konnte, verdanke ich zahlreichen Personen und Umständen. Danken möchte ich an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Thomas Armbrüster, für die Betreuung der Promotion. Danken möchte ich ihm ebenso für das entgegengebrachte Vertrauen, mit dem er mir große Freiräume bei der inhaltlichen Gestaltung der Arbeit ließ. Für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens möchte ich Herrn Prof. Dr. Andreas Dutzi danken. Großer Dank gilt meinen Vorgesetzten bei der Peri GmbH, welche die Durchführung der berufsbegleitenden Promotion mit Vertrauen und Flexibilität unterstützten. Besonders danken möchte ich den geschäftsführenden Gesellschaftern Alexander und Christian Schwörer – Ersterem für die Offenheit, mit der er mir bereits im Vorstellungsgespräch 2004 die Möglichkeit einer berufsbegleitenden Promotion zusagte, und Letzterem für die Unterstützung als Vorgesetzter und Freund, mit der er mich monatelang von jeglicher Ablenkung durch die Arbeit für Peri abschirmte und mir so die notwendige Konzentration auf die wissenschaftliche Arbeit ermöglichte. Ebenso möchte ich mich bei ihm für das bemerkenswerte Vertrauen bedanken, mit dem er mir freien Zugriff auf interne Daten des Familienunternehmens zur Erarbeitung der Fallstudie einräumte. Beigetragen zum Gelingen des ‚Projekts Doktorarbeit’ haben auch viele Unterstützer und Freunde. Hervorheben möchte ich hierbei Martina Wickert und Silvia Skutella, die mich bei vielen Gelegenheiten, aber insbesondere beim Transkribieren der Interviews tatkräftig unterstützt haben. Dr. Alexandra von Künsberg-Langenstadt danke ich für das ‚Ausleihen’ ihrer Hiwis bei der Besorgung von Literatur. Florian Leipacher danke ich für die hilfreichen Diskussionen über meine Ausführungen zu High Yield Bonds sowie seine Unterstützung bei der Beschaffung von Emissionsprospekten. Besonderer Dank gilt Dr. Christoph Dänzer. Mit ihm habe ich viele Stunden inhaltlich über meine Arbeit diskutiert und seine Anmerkungen haben zum Erfolg beigetragen. Darüberhinaus hat der Austausch mit ihm auch bei der Überwindung gelegentlicher Motivationstäler geholfen, da er sich zeitgleich in derselben Situation eines (externen) Doktoranden befand. Meinen Eltern Dr. Volker und Dr. Sabine Kracht danke ich für das gewohnt konstruktivkritische Korrekturlesen meiner Arbeit. Dies bildet allerdings nur ihren kleinsten Beitrag zum
VIII Gelingen der Arbeit. Der größte Beitrag liegt in ihrer lebenslangen, uneingeschränkten Unterstützung aller meiner (vielen) Ideen und Projekte, die mich stark gemacht hat. Abschließend möchte ich meiner Frau Sylvia Ströbele danken. Sie hat mich als beste Freundin, Geliebte und Seelenverwandte durchgängig und uneingeschränkt in den Jahren der Promotion unterstützt und mir immer den Rücken freigehalten. Dank dieser Unterstützung konnte ich mich ausreichend auf die Doktorarbeit konzentrieren, um diese erfolgreich und in relativ kurzer Zeit zum Abschluss zu bingen.
Vielen Dank.
Fabian Kracht
IX
Inhaltsverzeichnis Geleitwort................................................................................................................................. V Vorwort ................................................................................................................................. VII Inhaltsverzeichnis...................................................................................................................IX Abkürzungsverzeichnis........................................................................................................ XV Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... XVII Tabellenverzeichnis.............................................................................................................XIX 1. Einleitung ............................................................................................................................ 1 1.1. Die Bedeutung von Familienunternehmen................................................................... 1 1.2. Finanzierung von Familienunternehmen...................................................................... 2 1.2.1. Einflüsse auf Finanzierungsentscheidungen von Familienunternehmen ................. 3 1.2.2. Genutzte Instrumente zur Kapitalausstattung von Familienunternehmen ............... 5 1.3. Ziel der Arbeit .............................................................................................................. 7 1.4. Forschungsansatz ......................................................................................................... 8 1.5. Aufbau der Arbeit....................................................................................................... 12 2. Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen ................................................................... 15 2.1. Finanzierung............................................................................................................... 15 2.2. Familienunternehmen................................................................................................. 17 2.2.1. Begriffsbestimmung............................................................................................... 17 2.2.1.1. Bestehende Definitionen für Familienunternehmen ......................................... 17 2.2.1.2. Entwicklung einer zweckmäßigen Definition für die vorliegende Arbeit ........ 23 2.2.1.3. Abgrenzung zu kleinen und mittleren Unternehmen ........................................ 25 2.2.2. Besonderheiten im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen.............................. 26 2.2.2.1. Mehrdimensionalität und besondere Ressourcenausstattung............................ 26 2.2.2.2. Resultierende Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken............................... 29 3. Finanzierungsrealität deutscher Familienunternehmen .............................................. 32 3.1. Finanzierungssituation deutscher Familienunternehmen ........................................... 32 3.1.1. Eigenkapitalquote................................................................................................... 33 3.1.2. Nutzung verschiedener Finanzierungsinstrumente ................................................ 35 3.1.3. Charakterisierung der traditionellen Kapitalbeschaffung ...................................... 36 3.1.3.1. Innenfinanzierung ............................................................................................. 36 3.1.3.2. Bankkredit......................................................................................................... 38 3.1.3.3. Leasing.............................................................................................................. 42 3.1.4. Zufriedenheit mit dem aktuell genutzten Finanzierungsinstrumentarium ............. 43
X 3.2. Herausforderungen der vorherrschenden Finanzierungsstruktur ............................... 45 3.2.1. Beschränkung der Möglichkeiten zu Innenfinanzierung und Leasing................... 45 3.2.2. Verteuerung und erschwerter Zugang zur Kreditfinanzierung .............................. 46 3.2.2.1. Wandel des Bankensystems.............................................................................. 49 3.2.2.2. Entstehung konsolidierter, globaler Finanzmärkte ........................................... 52 3.2.2.3. Regulatorische Treiber der Differenzierung von Kreditkonditionen................ 54 3.2.2.4. Gestiegene Anforderungen an Kreditnehmer ................................................... 57 3.2.2.5. Auswirkungen der Subprime- bzw. Finanzkrise............................................... 59 3.2.3. Mangelnde Flexibilität zum Ausgleich kurzfristig entstehenden Kapitalbedarfs .. 61 3.3. Diversifizierung der Finanzierung durch alternative Instrumente ............................. 63 3.3.1. Finanzierung mit Kreditsubstituten........................................................................ 63 3.3.1.1. Factoring ........................................................................................................... 64 3.3.1.2. Asset Backed Securities.................................................................................... 66 3.3.2. Zusätzliche Instrumente der Eigenkapitalfinanzierung.......................................... 70 3.3.2.1. Private Equity.................................................................................................... 70 3.3.2.2. Börsengang ....................................................................................................... 76 3.3.3. Finanzierung mit Mezzanine-Kapital..................................................................... 80 3.3.3.1. Wandel-/Optionsanleihe ................................................................................... 83 3.3.3.2. Stille Gesellschaft ............................................................................................. 85 3.3.3.3. Genussrecht/Genussschein................................................................................ 86 3.3.3.4. Partiarisches Darlehen ...................................................................................... 88 3.3.4. Fremdkapitalfinanzierung außerhalb des bilateralen Bankkredits......................... 89 3.3.4.1. Konsortialkredit ................................................................................................ 89 3.3.4.2. Private Debt ...................................................................................................... 92 3.3.4.3. Schuldscheindarlehen ....................................................................................... 93 3.3.4.4. Corporate Bond................................................................................................. 95 3.4. Zwischenfazit ........................................................................................................... 105 4. High Yield Bonds zur Ergänzung der bestehenden Kapitalstruktur........................ 106 4.1. Finanzierungsinstrument High Yield Bond.............................................................. 106 4.1.1. Markt und Marktteilnehmer ................................................................................. 106 4.1.1.1. Entstehung des High Yield Markts in den USA ............................................. 106 4.1.1.2. Markt für High Yield Bonds deutscher Unternehmen.................................... 108 4.1.1.3. Emittenten und Investoren .............................................................................. 112 4.1.2. Verwendung der Mittel ........................................................................................ 113
XI 4.1.3. Rating als Emissionsvoraussetzung ..................................................................... 115 4.1.3.1. Notwendigkeit eines Ratings .......................................................................... 115 4.1.3.2. Erlangung eines Ratings ................................................................................. 117 4.1.3.3. Typisches Rating von Familienunternehmen.................................................. 119 4.1.3.4. Ratingvoraussetzungen, -nutzen und -grenzen ............................................... 123 4.1.4. Typische Merkmale von High Yield Bonds in den Anleihebedingungen ........... 126 4.1.4.1. Rechtswahl...................................................................................................... 126 4.1.4.2. Verzinsung, Laufzeit und Laufzeitverkürzung durch Rückkauf..................... 127 4.1.4.3. Nicht-Belastung von Realsicherheiten und Nachrangigkeit ........................... 131 4.1.4.4. Covenants und andere schuldrechtliche Sicherheiten..................................... 132 4.1.4.5. Kündigungsrechte der Gläubiger .................................................................... 137 4.1.5. Emission eines High Yield Bond ......................................................................... 139 4.1.5.1. Rechtliche Gestaltung einer typischen High Yield Emission ......................... 139 4.1.5.2. Notwendige Dokumente für den Anleihevertrieb........................................... 141 4.1.5.3. Bondvertrieb, Preisfeststellung und Platzierung............................................. 144 4.1.6. Creditor Relations ................................................................................................ 146 4.1.7. Kosten einer High Yield Bondfinanzierung......................................................... 149 4.2. Fallstudie: High Yield Bondfinanzierung der Peri GmbH....................................... 151 4.2.1. Unternehmensbeschreibung ................................................................................. 152 4.2.2. Situation des Unternehmens 2004 und Gründe für die Anleihenemission .......... 153 4.2.2.1. Bestehende Finanzierung und resultierende Problemstellung 2004 ............... 154 4.2.2.2. Alternative Finanzierungsstrukturen............................................................... 156 4.2.3. Vorbereitung und Durchführung der Anleihenemission...................................... 159 4.2.3.1. Ein zweites Rating .......................................................................................... 160 4.2.3.2. Comfort Letter ................................................................................................ 161 4.2.3.3. Due Diligence zur Erstellung des Offering Memorandum ............................. 162 4.2.3.4. Roadshow........................................................................................................ 163 4.2.3.5. Preisfeststellung und Closing.......................................................................... 164 4.2.3.6. Konsortialkredit 2004 und Mittelverwendung................................................ 165 4.2.4. Auswirkungen auf Peri......................................................................................... 167 4.2.5. Resümee aus Familiensicht .................................................................................. 170 4.3. Zwischenfazit ........................................................................................................... 171 5. Das finanzwirtschaftliche Zielsystem als Bewertungsrahmen ................................... 173 5.1. Relevante Kapitalstruktur- und Finanzierungsforschung......................................... 173
XII 5.1.1. Vorbemerkung: Der Leverage-Effekt .................................................................. 173 5.1.2. Irrelevanz der Kapitalstruktur nach Modigliani/Miller........................................ 174 5.1.3. Trade-Off Theorie ................................................................................................ 175 5.1.4. Principal-Agent Theorie....................................................................................... 177 5.1.5. Pecking Order Theorie ......................................................................................... 180 5.1.6. Determinantenforschung ...................................................................................... 183 5.1.7. Behavioral Finance............................................................................................... 186 5.1.8. Zwischenfazit ....................................................................................................... 187 5.2. Übertragbarkeit bestehender Theorien auf Familienunternehmen........................... 188 5.3. Determinanten von Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen .......... 189 5.3.1. Unternehmen als dominierende Kapitalanlage der Familienmitglieder............... 190 5.3.2. Öffentliche Identifikation der Familie mit dem Unternehmen ............................ 192 5.3.3. Koexistenz ökonomischer und nicht-ökonomischer Motive................................ 194 5.3.4. Unternehmenskulturelle und machtpolitische Einflussnahme der Familie.......... 196 5.3.5. Finanzierung als nachgeordnete Funktion ........................................................... 197 5.4. Bestimmung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems von Familienunternehmen ... 199 5.4.1. Minimierung der Finanzierungskosten bei ausreichender Liquidität................... 201 5.4.2. Minimierung externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen........ 204 5.4.3. Minimierung der Offenlegung interner Daten ..................................................... 207 5.4.4. Maximierung der Flexibilität ............................................................................... 209 5.4.5. Langfristigkeit ...................................................................................................... 211 5.4.6. Minimierung der Stellung von Sicherheiten ........................................................ 213 5.5. Inhaltliche und anwendungsbezogene Konsequenzen des Zielssystems ................. 215 5.5.1. Finanzierung als Wachstumsbeschränkung ......................................................... 215 5.5.2. Konflikte zwischen finanzwirtschaftlichen Zielen............................................... 216 5.5.3. Anwendungsbezogene Spezifika des Zielsystems ............................................... 218 5.6. Zwischenfazit ........................................................................................................... 219 6. Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen........................................ 220 6.1. Gegenüberstellung
von
High
Yield
Bond
und
Konsortialkredit
am
finanzwirtschaftlichen Zielsystem............................................................................ 220 6.1.1. Minimierung der Finanzierungskosten bei ausreichender Liquidität................... 220 6.1.2. Minimierung externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen........ 222 6.1.3. Minimierung der Offenlegung interner Daten ..................................................... 223 6.1.4. Maximierung der Flexibilität ............................................................................... 225
XIII 6.1.5. Finanzierungssicherheit durch Langfristigkeit..................................................... 227 6.1.6. Minimierung der Stellung von Sicherheiten ........................................................ 228 6.2. Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen ..................................... 229 6.2.1. Gegenüberstellung der Zielerfüllungsgrade......................................................... 229 6.2.2. Lösung der wachsenden Herausforderungen traditioneller Finanzierung ........... 232 6.2.3. Weitergehende positive Auswirkungen auf Familienunternehmen ..................... 233 6.2.4. Ergebnis................................................................................................................ 234 6.3. Voraussetzungen zum Einsatz von High Yield Bonds bei Familienunternehmen... 235 6.3.1. Wille zur Finanzierung am Fremdkapitalmarkt ................................................... 235 6.3.2. Marktseitige Akzeptanz der Credit Story............................................................. 236 6.3.2.1. Nachhaltigkeit und Transparenz von Cashflow und Erträgen ........................ 237 6.3.2.2. Unternehmens- bzw. Transaktionsgröße ........................................................ 239 6.3.2.3. Zukunftsweisende Unternehmens- bzw. Wachstumsstrategie........................ 241 6.3.2.4. Entwicklungsstand des Unternehmens ........................................................... 242 6.4. Zwischenfazit ........................................................................................................... 246 7. Eignungsuntersuchung weiterer Finanzierungsinstrumente ..................................... 247 7.1. Instrumentenkongruenz zum finanzwirtschaftlichen Zielsystem............................. 247 7.1.1. Kreditsubstitute .................................................................................................... 247 7.1.1.1. Leasing............................................................................................................ 247 7.1.1.2. Factoring ......................................................................................................... 248 7.1.1.3. Asset Backed Securities.................................................................................. 249 7.1.2. Eigenkapital.......................................................................................................... 251 7.1.2.1. Innenfinanzierung ........................................................................................... 251 7.1.2.2. Private Equity.................................................................................................. 253 7.1.2.3. Börsengang ..................................................................................................... 255 7.1.3. Mezzanine-Kapital ............................................................................................... 257 7.1.3.1. Wandel-/Optionsanleihe ................................................................................. 257 7.1.3.2. Stille Gesellschaft ........................................................................................... 259 7.1.3.3. Genussrecht/Genussschein.............................................................................. 260 7.1.3.4. Partiarisches Darlehen .................................................................................... 261 7.1.4. Fremdkapital ........................................................................................................ 262 7.1.4.1. Bankkredit....................................................................................................... 263 7.1.4.2. Schuldscheindarlehen ..................................................................................... 264 7.2. Rangreihenfolge potenzieller Finanzierungsinstrumente......................................... 265
XIV 7.2.1. Pecking Order bei Familienunternehmen aus anderen Beiträgen ........................ 266 7.2.2. Rangreihenfolge gemäß den Erkenntnissen dieser Arbeit ................................... 268 7.3. Erkenntnisse zum finanzwirtschaftlichen Zielsystem als Bewertungsrahmen ........ 271 8. Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................. 273 8.1. Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse ........................................................ 273 8.2. Anregung für Familienunternehmen ........................................................................ 277 8.3. Anregung für weitere Forschungsfelder................................................................... 277 Anhang .................................................................................................................................. 281 Quellenverzeichnis ............................................................................................................... 283 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 285
XV
Abkürzungsverzeichnis Abb.:
Abbildung
Alt.:
Alternative
ABS:
Asset Backed Securities
BDI:
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
BIP:
Bruttoinlandsprodukt
BVK:
Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V.
CDO:
Collaterized Debt Obligation
CEO:
Chief Executive Officer
CFO:
Chief Financial Officer
c.p.:
ceteris paribus
DB:
Deutsche Bank
DIW:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
DSCR:
Debt Service Cover Ratio
E&Y:
Ernst & Young
GEX:
German Entrepreneurial Index
GS:
Goldman Sachs
GuV:
Gewinn- und Verlustrechnung
IDW:
Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland
IFERA:
International Family Enterprise Research Association
IfM:
Institut für Mittelstandsforschung
IPO:
Initial Public Offering
KfW:
Kreditanstalt für Wiederaufbau
KMU:
Kleine und mittlere Unternehmen
LBBW:
Landesbank Baden-Württemberg
LBO:
Leveraged Buyout
MBI:
Management Buyin
MBO:
Management Buyout
MBS:
Mortgage Backed Security
Moody’s: Moody’s Investor Service OECD:
Organisation for Economic Co-Operation and Development
PE:
Private Equity
PWC:
Price Waterhouse Coopers
SEC:
Securities and Exchange Commission
XVI SPV:
Special Purpose Entity
S&P:
Standard & Poor’s
SYL:
Syndicated Loan (Konsortialkredit)
VC:
Venture Capital
ZEW:
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
XVII
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Aufbau der Arbeit........................................................................................................ 14 Abb. 2: Familiness zur Darstellung von Familieneinfluss auf Unternehmen .......................... 19 Abb. 3: Die F-PEC Skala des Familieneinflusses .................................................................... 22 Abb. 4: Mehrdimensionalität von Familienunternehmen ........................................................ 27 Abb. 5: Eigenkapitalquote deutscher Familienunternehmen ................................................... 34 Abb. 6: Nutzung von Finanzierungsinstrumenten durch deutsche Familienunternehmen ...... 35 Abb. 7: Entwicklung der durchschnittlichen Kreditmarge in Deutschland ............................. 47 Abb. 8: Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien im Euroraum .......................................... 47 Abb. 9: Zugang zu Krediten aus Unternehmenssicht............................................................... 48 Abb. 10: Spar- und Anlageverhalten deutscher Privathaushalte ............................................. 51 Abb. 11: Anzahl der Kreditinstitute in Deutschland ................................................................ 52 Abb. 12: Nettozinseinkommen von Banken im internationalen Vergleich ............................. 54 Abb. 13: Spreizung der Kreditmargen durch Basel II.............................................................. 56 Abb. 14: Gründe für eine Verschlechterung der Kreditaufnahme ........................................... 58 Abb. 15: Neue PE Fondsmittel nach Kapitalgebern (2003-2007 kumuliert)........................... 72 Abb. 16: Angestrebte PE Beteiligungsdauer............................................................................ 73 Abb. 17: Corporate Bonds USA und Euroraum – Volumen und Anzahl (Juni 2008)........... 109 Abb. 18: High Yield Emissionen europäischer Emittenten nach Emissionswährung ........... 110 Abb. 19: Entwicklung europäischer Fallen Angels und Rising Stars .................................... 113 Abb. 20: Mittelverwendung bei europäischen High Yield Bonds ......................................... 113 Abb. 21: Ratingprozess (schematisch) ................................................................................... 117 Abb. 22: Ratingkriterien S&P und Moody’s.......................................................................... 119 Abb. 23: Index-Spreads europäischer High Yield Bonds und Staatsanleihen ....................... 128 Abb. 24: Peri Finanzierung und Eigentumsstruktur vor der Bondemission (vereinfacht)..... 155 Abb. 25: Prozess der Anleiheemission und SYL-Refinanzierung durch Peri........................ 160 Abb. 26: Peri Finanzierung und Eigentumsstruktur nach der Refinanzierung (vereinfacht). 166 Abb. 27: Optimale Kapitalstruktur nach Jensen/Meckling .................................................... 179 Abb. 28: Herleitung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems von Familienunternehmen ..... 200 Abb. 29: Messung der Finanzierungskosten .......................................................................... 203 Abb. 30: Messung potenzieller externer Einflussnahme........................................................ 207 Abb. 31: Messung potenzieller Informationsrechte ............................................................... 209 Abb. 32: Messung der Flexibilität.......................................................................................... 211 Abb. 33: Messung der Fristigkeit........................................................................................... 213
XVIII Abb. 34: Messung der Präferenzen bei der Sicherheitenstellung........................................... 214 Abb. 35: Vergleich zwischen High Yield Bond- und Leveraged Loan Spreads ................... 221 Abb. 36: Gegenüberstellung von High Yield Bond und Konsortialkredit............................. 229 Abb. 37: Indirekte Ermittlung des EBITDA .......................................................................... 237 Abb. 38: Ermittlung des Free Cashflow................................................................................. 238 Abb. 39: Rechnerische Indikation minimaler Unternehmensgröße für High Yield Bonds ... 240 Abb. 40: Lebenszyklus und Financial Growth Cycle (schematisch) ..................................... 244 Abb. 41: Leasing im finanzwirtschaftlichen Zielsystem........................................................ 248 Abb. 42: Factoring im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ..................................................... 249 Abb. 43: Asset Backed Securities im finanzwirtschaftlichen Zielsystem.............................. 250 Abb. 44: Innenfinanzierung im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ....................................... 252 Abb. 45: Private Equity im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ............................................. 254 Abb. 46: Börsengang im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ................................................. 255 Abb. 47: Wandel-/Optionsanleihe im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ............................. 258 Abb. 48: Stille Gesellschaft im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ....................................... 260 Abb. 49: Genussrecht/Genussschein im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ......................... 261 Abb. 50: Partiarisches Darlehen im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ................................ 262 Abb. 51: Bankkredit im finanzwirtschaftlichen Zielsystem................................................... 263 Abb. 52: Schuldscheindarlehen im finanzwirtschaftlichen Zielsystem ................................. 265 Abb. 53: Theoretische Kuponentwicklung für Neuemissionen ............................................. 281 Abb. 54: Index-Spreads europäischer High Yield Bonds und Staatsanleihen ....................... 281
XIX
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Interviewpartner und Schwerpunkte der Interviews .................................................... 10 Tab. 2: In die Dokumentenanalyse eingegangene Unterlagen................................................. 11 Tab. 3: Relevante Finanzierungsinstrumente für die vorliegende Arbeit ................................ 17 Tab. 4: Mittelstandsdefinitionen gemäß IfM Bonn und EU-Kommission............................... 25 Tab. 5: SWOT-Analyse zu Familienunternehmen................................................................... 30 Tab. 6: Charakteristika von Innenfinanzierung im Überblick.................................................. 38 Tab. 7: Charakteristika eines Bankkredits im Überblick ......................................................... 41 Tab. 8: Charakteristika von Leasing im Überblick .................................................................. 43 Tab. 9: Charakteristika von Factoring im Überblick................................................................ 66 Tab. 10: Charakteristika von Asset Backed Securities im Überblick ...................................... 69 Tab. 11: Charakteristika von Private Equity im Überblick...................................................... 75 Tab. 12: Charakteristika eines Börsengangs im Überblick ...................................................... 79 Tab. 13: Charakteristika von Wandel- und Optionsanleihe im Überblick............................... 85 Tab. 14: Charakteristika von stiller Gesellschaft im Überblick ............................................... 86 Tab. 15: Charakteristika von Genussrecht bzw. Genussschein im Überblick ......................... 88 Tab. 16: Charakteristika von partiarischem Darlehen im Überblick ....................................... 89 Tab. 17: Charakteristika eines Konsortialkredits im Überblick ............................................... 91 Tab. 18: Charakteristika eines Schuldscheindarlehen im Überblick........................................ 95 Tab. 19: Ratingskala von S&P, Moody’s und zugehörige Ausfallwahrscheinlichkeiten ...... 101 Tab. 20: Moody’s Ratings Dax 30 Unternehmen (sofern Rating vorhanden, 30.12.2008) ... 120 Tab. 21: Wachstumsbeschränkende Covenants des bestehenden Syndicated Loan von Peri 155 Tab. 22: Finanzierungsalternativen für Peri 2004.................................................................. 157 Tab. 23: Roadshow Kalender der Peri Emission.................................................................... 163 Tab. 24: Konditionen der Peri Anleihen bei Emission Dezember 2004 ................................ 165 Tab. 25: Mittelherkunft und -verwendung der Refinanzierung ............................................. 166 Tab. 26: Fremdleistungskosten der High Yield Bondfinanzierung........................................ 167 Tab. 27: Zentrale Determinanten der Kapitalstruktur ............................................................ 185 Tab. 28: Gegenüberstellung aller Finanzinstrumente in allen Zieldimensionen.................... 268 Tab. 29: Pecking Order auf Basis der finanzwirtschaftlichen Zielkongruenz ....................... 270 Tab. 30: Inhaltsverzeichnis des Peri Offering Memorandum ................................................ 282
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1. Einleitung
1.1. Die Bedeutung von Familienunternehmen Auf den ersten Blick scheint es zwischen einem Sportwagen von Porsche, einem Pullover von Benetton und einem Schalungssystem von Peri kaum Übereinstimmungen zu geben. Trotzdem ist den drei Produkten gemein, dass sie von Familienunternehmen produziert und vertrieben werden. Und obwohl die kapitalmarktgeprägte Berichterstattung der Wirtschaftsnachrichten den Eindruck vermittelt, dass Unternehmen im Streubesitz die Norm sind, bilden Familienunternehmen eher die Regel als die Ausnahme.1 So weisen La Porta et al. in einer Untersuchung 27 marktwirtschaftlich geprägter Volkswirtschaften nach, dass bei der Mehrzahl der Unternehmen in diesen Staaten eine Familie den dominierenden Mehrheitsgesellschafter darstellt.2 Börsennotierte Unternehmen, deren Eigenkapital am Kapitalmarkt gehandelt wird und die mit ihren Unternehmensmeldungen die Wirtschaftsnachrichten prägen, sind lediglich eine Minderheit. Deutschland bildet hierbei keine Ausnahme. Auch hierzulande sind Familienunternehmen der häufigste Unternehmenstyp: Schätzungen gehen davon aus, dass es sich bei ca. 60% bis 80% aller deutschen Unternehmen um Familienunternehmen handelt.3 Die Schwankungsbreite der Schätzungen resultiert aus der Vielzahl unterschiedlicher Definitionen, die an den Unternehmenstypus Familienunternehmen angelegt werden. Zwar steht bei den meisten Begriffsbestimmungen der Familieneinfluss als definitorisches Kriterium im Mittelpunkt – dessen Operationalisierung ist jedoch eine bereits lange Zeit umstrittene Frage bei der Forschung zu Familienunternehmen. Inzwischen sind begrüßenswerterweise allerdings erste definitorische Konversionsbewegungen zu erkennen (siehe Abschnitt 2.2). Unabhängig von ihrem definitionsabhängigen, genauen Anteil an der Gesamtheit deutscher Firmen verfügen Familienunternehmen über eine hohe wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung. So gehen Kann/Linnemann davon aus, dass ca. 50% der Bruttowertschöpfung in Deutschland und ungefähr 60% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhält-
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Vgl. Haunschild et al. (2007), S. VIII, v. Weizsäcker/Krempel (2006), S. 4, Scherer et al. (2005), S. 1f, Kormann (2003), S. 4, Morck/Yeoung (2003), S. 368. 2 Vgl. La Porta et al. (1999). Vgl. gleichgerichtet auch die Befragungsergebnisse der International Family Enterprise Research Academy (IFERA) unter 60 Wissenschaftlern, die zu Familienunternehmen forschen: IFERA (Hrsg.) (2003). Vgl. ebenso Neubauer/Lank (1998), S. 8f, Colli (2003), S. 26f, Frey et al. (2004), Reichart (2001), S. 48. 3 Vgl. Klein (2004), S. 41ff, Klein (2000a), S. 160, Kayser et al. (2006), S. 5, Wallau et al. (2007), S. 84.
2 nisse auf Familienunternehmen zurückgehen.4 Die Autoren legen dabei eine relativ enge Definition von Familienunternehmen zugrunde, weswegen diese Zahlen sogar als eher konservative Schätzungen zu bewerten sind. Das verdeutlicht die wirtschaftliche Relevanz von Familienunternehmen. Damit einhergehend finanzieren sie über Steuern und Abgaben auch in erheblichen Umfang staatliche Leistungen.5
1.2. Finanzierung von Familienunternehmen Trotz ihrer hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung wurden Familienunternehmen lange als deutscher oder kontinentaleuropäischer Sonderweg belächelt: Der Gründer bzw. dessen Familienmitglieder bilden – häufig auch noch in nachfolgenden Generationen – den Kern des Managements. Das Eigenkapital wird i.d.R. nicht an der Börse gehandelt und nur durch wenige Eigentümer gehalten. Diese Form der Unternehmensführung galt lange nur als frühe Phase in der Unternehmensentwicklung.6 Als organisatorisches Fernziel von Familienunternehmen wurde ein Nicht-Familienunternehmen angesehen, das entsprechend dem Shareholder Value Ansatz gestaltet und geführt wird. Diese Form der Unternehmenspolitik, die auf Rappaport zurückgeht, orientiert sich primär am Wert des Unternehmens für die Eigentümer, der am Aktienkurs bemessen wird.7 Der Ansatz findet bei Aktiengesellschaften Anwendung, die sich über börsennotierters Eigenkapital finanzieren und geht i.d.R. mit hohem Streubesitz und externem Management einher. Die unterschiedliche Art der Eigenkapitalaufbringung über eine begrenzte Anzahl von Eigentümern versus über den Kapitalmarkt und die einhergehende Kumulation von Stimmrechten in der Hand weniger versus deren freie Handelbarkeit am Kapitalmarkt und entsprechende Streuung über viele Aktionäre ist ein zentraler Unterschied in der Finanzierung von Familienund Nicht-Familienunternehmen. Dieser Unterschied ist allerdings ein Symptom und keine Ursache für die Unterschiede von Familien- ggü. Nicht-Familienunternehmen. Ursache ist vielmehr ein anderes, häufig sehr industriell geprägtes Verständnis von Unternehmensfüh-
4
Vgl. Kann/Linnemann (2008), S. 4. Gleichzeitig wird Familienunternehmen auch häufig attestiert, dass sie mehr Stellen schaffen als Nicht-Familienunternehmen Vgl. beispielsweise Backes-Gellner (2001), S. 13f oder Gajo (2007). Allerdings sind beide Studien aufgrund ihrer Datenbasis nur eingeschränkt aussagekräftig und verallgemeinerbar: Erstere setzt Familienunternehmen und Mittelstand gleich, letztere bezieht sich lediglich auf die 500 größten Familienunternehmen Deutschlands. 5 Vgl. dazu auch May (2001), S. 15. 6 Vgl. Howorth et al. (2007), S. 1f. 7 Vgl. Rappaport (1986). Für Kritik an späteren Entwicklungen und insbesondere der eindimensionalen Zielsetzung vgl. Wellner (2001), S. 115f. Allerdings muss eine Unternehmensführung nach dem Shareholder Value Konzept nicht zwangsläufig zu einer einseitigen Orientierung an den Eigentümerinteressen zu Lasten anderer Interessengruppen führen. Vgl. Copeland et al. (2005), S. 11ff.
3 rung, das die meisten Familienunternehmen auszeichnet. Im Fokus der Eigentümer stehen das Produkt bzw. dessen Marktchancen, Qualität, Weiterentwicklung und zugehörige Dienstleistungen. Entsprechend zeichnet die obersten Führungskräfte auch vielfach ihre Nähe zur Technik oder Dienstleistung aus. Diese stark auf das Produkt konzentrierte Form der Führungskultur wird im Folgenden als „Industriekapitalismus“ bezeichnet. Sie prägt alle Unternehmensbereiche und hat auch Auswirkungen auf die Finanzierung. Diese kann üblicherweise als traditionell und konservativ beschrieben werden. Traditionell im Sinne der überwiegenden Nutzung bewährter Finanzierungsinstrumente und konservativ im Sinne einer Finanzierung, die bestehende Mehrheitsverhältnisse und einhergehende Entscheidungsstrukturen bewahrt. In diesem Konservatismus im ursprünglichen Wortsinn ist ein Grund für die geringe Nutzung der Aktienfinanzierung von Familienunternehmen zu vermuten. Dieser Industriekapitalismus unterscheidet sich vom „Finanzmarktkapitalismus“ von Nicht-Familienunternehmen bzw. börsennotierten Unternehmen, die durch den Shareholder Value Ansatz geprägt sind. Die Finanzierung im Rahmen dieser Unternehmenspolitik wird durch Führungskräfte mit Spezialisierung auf Unternehmensfinanzierung geprägt. Daher bestehen dort grundsätzlich keine Einschränkungen potenzieller Finanzierungsinstrumente, sondern es werden alle denkbaren Formen der Kapitalbeschaffung auf ihren Beitrag zum Ziel maximaler Wertsteigerung für die Aktionäre geprüft und bei Eignung eingesetzt. Damit unterscheidet sich der Industriekapitalismus von Familienunternehmen in zweierlei Hinsicht vom Finanzmarktkapitalismus von Nicht-Familienunternehmen: Erstens den konservativen Einflüssen auf Finanzierungsentscheidungen und zweitens der Dominanz traditioneller Finanzierungsinstrumente bei der Kapitalaustattung des Unternehmens.8
1.2.1. Einflüsse auf Finanzierungsentscheidungen von Familienunternehmen Wie bereits erläutert, stehen Führung und Finanzierung eines Unternehmens in einem engen Zusammenhang: Ziele, Werte und Entscheidungsprozesse der Unternehmensführung prägen die Finanzierungsstrukturen eines Unternehmens. Bei Familienunternehmen werden Finanzierungsentscheidungen daher typischerweise durch die Eigentümerstuktur und deren Präferenzen und Ziele determiniert – entweder unmittelbar, falls Familienmitglieder die Unterneh-
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Ein Beispiel dieser Gegensätze von Industrie- und Finanzmarktkapitalismus konnte man 2009 in der Auseinandersetzung um VW und Porsche zwischen Wendelin Wiedeking und Ferdinand Piëch beobachten. Ersterer stand mit seiner Unternehmensstrategie und der Nutzung ausgefeilter Finanzmarktkonstrukte für den Finanzmarktkapitalismus, während Ferdinand Piëch dieser Form der Unternehmensführung ablehnend gegenüber stand.
4 mensführung selber innehaben oder mittelbar über die Auswahl der Führungskräfte und deren Vorgaben durch die Eigentümer. Solche Einflüsse auf Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen bestehen mannigfaltig. Weil diese Determinanten an späterer Stelle im Detail erarbeitet werden (Abschnitt 5.3), werden hier lediglich zwei typische Muster vorgestellt: Das erste Muster betrifft die Aufnahme von Fremdkapital und rührt aus der Tatsache, dass das Unternehmen i.d.R. die dominierende Kapitalanlage der Familienmitglieder darstellt.9 Diese stark unterdiversifizierte Anlagepolitik der Eigentümer von Familienunternehmen hat Auswirkungen auf das Management von Risiken, die mit der Unternehmensfinanzierung im Zusammenhang stehen. So wird das mit zunehmender Verschuldung steigende Insolvenzrisiko mit hoher Wahrscheinlichkeit anders bewertet als in einem Unternehmen, dessen Eigentümer über eine ausreichende Risikodiversifikation ihrer Anlagen verfügen. Die Aufnahme von Fremdkapital wird bei einem Familienunternehmen ab einem bestimmten Verschuldungsgrad daher i.d.R. kritischer betrachtet als bei einem Nicht-Familienunternehmen. Die zweite exemplarische Determinante von Finanzierungsentscheidungen betrifft die Aufnahme von Eigenkapital und ergibt sich aus den unternehmensübergreifenden Zielen und Werten der Eigentümer. Typischerweise verfolgen Familienunternehmer neben dem ökonomischen Formalziel der Gewinnerzielung nämlich weitere, teilweise nicht-ökonomische Ziele.10 Beispiele für nicht-ökonomische Ziele von Familienunternehmen, die regelmäßig genannt werden, sind die Schaffung bzw. der Erhalt von Arbeitsplätzen, die Beschäftigung von Familienmitgliedern, die Beachtung moralischer, ethischer und ökologischer Grundsätze oder auch die Steigerung des gesellschaftlichen Nutzens.11 Die Koexistenz dieser nicht-ökonomischen Motive impliziert dabei allerdings nicht, dass Familienunternehmer per se altruistisch motiviert oder gar bessere Menschen als Manager von Nicht-Familienunternehmern sind. Sie verfügen vielmehr über eine anders gestaltete Nutzenfunktion, die aus der besonderen Verbindung von Familie und Unternehmen (s. Abschnitt 2.2.2.1) resultiert. Neben den ökonomischen Formalzielen begründet die enge Verbindung zur Eigentümerfamilie weitere Nutzendimensionen in den Nutzenfunktionen von Familienunternehmen. Diese um zusätzliche Aspekte ergänzte Nutzenfunktion beeinflusst konsequenterweise auch die Finanzierungsstrategie von Familienunternehmen. Denn um die Durchsetzung solch nicht-ökonomischer Ziele sicherzustellen, muss die Familie über einen ausreichenden Einfluss auf die Unternehmensstra9
Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 19, Scherer et al. (2005), S. 55, Kormann (2003), S. 17 oder Dreux IV (1990), S. 230. 10 Vgl. Hennerkes/Kirchdörfer (2008), S. 537, Westhead et al. (2002), S. 27f. 11 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 18, Astrachan/Jaskiewicz (2008), S. 139f und S. 142, Nielsen (2008), S. 383f, Riess/Heidbreder (2007), S. 17ff, Kayser/Wallau (2003), S. 84ff.
5 tegie verfügen. Dies setzt i.d.R. ein robustes Mehrheitsverhältnis im Eigenkapital voraus, was wiederum zu Beschränkungen bei der Beschaffung externen Eigenkapitals führt. Weitere Eigenkapitalgeber werden nicht bzw. nur soweit aufgenommen, wie sie die Entscheidungsfreiheit der Eigentümerfamilie nicht übermäßig beschränken. Ausgehend von diesen Einflüssen auf Finanzierungsentscheidungen zeigt sich die Neigung zum Industriekapitalismus auch in der Zahl und Vielfalt der Finanzierungsinstrumente, die Familienunternehmen typischerweise einsetzen.
1.2.2. Genutzte Instrumente zur Kapitalausstattung von Familienunternehmen Traditionell gestalten Familienunternehmen ihre Kapitalversorgung konservativ und kapitalmarktfern. Wie Abschnitt 3.1 zeigen wird, finanzieren sie sich im Wesentlichen durch die Thesaurierung von Gewinnen und die Aufnahme von Bankkrediten.12 Andere, modernere und kapitalmarktnähere Finanzierungsinstrumente werden nur wenig genutzt. Oftmals stehen Familienunternehmer mit ihrem Fokus auf Produkt, Dienstleistung und Technik alternativen Instrumenten des vermeintlichen Finanzmarktkapitalismus auch mit einer undifferenzierten Ablehnung gegenüber. Eine ergebnisoffene und detaillierte Auseinandersetzung mit ihren jeweiligen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken findet häufig nicht statt. Auf den ersten Blick war solch eine Auseinandersetzung mit alternativen Formen der Kapitalbeschaffung vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit mit einer oder mehrer Hausbanken, die den notwendigen Kreditrahmen zur Verfügung stellten, lange Zeit auch nicht notwendig.13 Seit einigen Jahren zeichnen sich allerdings zunehmende Schwierigkeiten einer solch minimalistischen Finanzierungsstrategie ab. So verändert sich das deutsche Finanzsystem zunehmend durch seine Internationalisierung und die Konsolidierung der Bankenlandschaft. Zusätzlich verändern regulatorische Eingriffe wie Basel II14 die Rahmenbedingungen im deutschen Kreditgewerbe. Infolge dieser langfristigen Trends ändert sich die Kreditvergabepraxis. Während früher Kredite mit einem vergleichsweise niedrigen Einheitszinssatz undifferenziert an Unternehmen ausgegeben wurden, stehen heute stärker risikoorientierte und differenzierte Kreditkonditionen im Vordergrund.15 Daneben ist spätestens seit der Subprime- und der an-
12
Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 27f, Redlefsen/Eiben (2006), S. 7. Warum dies nur auf den ersten Blick gilt und weswegen eine Beschäftigung mit Finanzierunsalternativen auch bei ausreichendem Kreditrahmen sinnvoll ist, wird u.a. in Abschnitt 3.2.3 erläutert. 14 Der Begriff Basel II umfasst die Gesamtheit aller Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten. Diese Regeln haben direkte Auswirkungen auf Volumina und Konditionen von Krediten, die Banken ausreichen können. Vgl. dazu detailliert Abschnitt 3.2.2.3. 15 Vgl. Rudolf (2008), S. 13, Menz (2007), S. 67ff, Herbst (2005), S. 121, Irsch (2003), S. 46ff, Polleit (2003), S. 22f, v. Tippelskirch (2001), S. 243f. 13
6 schließenden Finanzkrise deutlich, dass eine vielseitige Unternehmensfinanzierung, die auf mehreren Füßen steht, einen Wettbewerbsvorteil darstellt: Kommt es aufgrund eines externen Schocks beispielsweise zu einer Kreditklemme, sind Unternehmen mit quellen- und fristenseitig diversifizierter Finanzierung im Vorteil gegenüber Unternehmen, die auf eine „Monokultur“ aus Innenfinanzierung und Bankkredit gesetzt haben. Eine langfristige Diversifizierung der Finanzierung deutscher Familienunternehmen ist folglich sinnvoll und notwendig.16 Diese Erkenntnis scheint sich bei den zugehörigen Unternehmern in den letzten Jahren auch durchzusetzen, wie verschiedene Untersuchen zeigen.17 Zwingende Voraussetzung zur Diversifizierung ist allerdings eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit alternativen Finanzierungsformen hinsichtlich ihrer Eignung für Familienunternehmen. Dazu möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten. Ein Instrument, das in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Finanzierungsalternativen für Familienunternehmen bisher fast nicht beleuchtet wurde, ist die Unternehmensanleihe.18 Dabei handelt es sich um ein langfristiges Fremdkapitalinstrument, das in verbriefte Teilschuldverschreibungen aufgeteilt und damit durch die Gläubiger an Börsen handelbar ist. Welche ungenutzten Möglichkeiten bei der Anleihefinanzierung hierzulande bestehen, verdeutlichen folgende Zahlen: 2001 wurden in den USA 50% der externen Finanzmittel von Industrieunternehmen über Bonds aufgenommen. Im Euroraum lag der Anteil von Bonds an der Kapitalaufnahme im gleichen Zeitraum bei 10%.19 Für Familienunternehmen ist insbesondere der High Yield Bond, der auch als Hochzinsanleihe bezeichnet wird, relevant. Dabei handelt es sich um eine Unterform der Anleihe, die durch Unternehmen mit einer Bonität unterhalb des sog. Investment Grade begeben werden. Diese Anleihenklasse ist deswegen für Familienunternehmen relevant, weil für die deutliche Mehrheit deutscher Familienunternehmen die höhere Investment Grade Klasse i.d.R. nicht erreichbar ist. Die Kreditwürdigkeitsbeurteilung, die hierfür notwendig wäre, ist für typische Familienunternehmen aus verschiedenen Gründen kaum erreichbar (s. dazu detailliert Abschnitt 4.1.3.3). Als Grund für die mangelnde wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Bonds bzw. High Yield Bonds als Finanzierungsalternative für Familienunternehmen wird regelmäßig das not-
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Vgl. Rudolf (2008), S. 27, Hommel/Schneider (2003), S. 69. Vgl. die Befragungsergebnisse von Müller et al. (2005), S. 131 sowie Siemens Financial Services GmbH (Hrsg.) (2003), S. 12. 18 Vgl. Menz (2007), S. 274. In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Unternehmensanleihe, Anleihe, Corporate Bond, Bond, Industrieobligation und Schuldverschreibung synonym verwendet. Auf abweichende Verwendungen wird explizit hingewiesen. Eine variantenübergreifende Beschreibung von Anleihen erfolgt in Abschnitt 3.3.4.4. 19 Vgl. Lahusen (2004). 17
7 wendige Emissionsvolumen dieser Finanzierungsform angeführt.20 Dieses Argument greift beim größenübergreifenden Unternehmenstypus Familienunternehmen allerdings zu kurz und zeigt lediglich eine weit verbreitete und inhaltlich falsche Gleichsetzung der Begriffe Mittelstand, der ein Größenklasse von Unternehmen beschreibt, und Familienunternehmen, der auf den Einfluss einer Eigentümerfamilie abstellt. Bei großen Familienunternehmen ist das notwendige Emissionsvolumen oft leicht erreichbar. Ein anderer Grund für die geringe wissenschaftliche Auseinandersetzung mit High Yield Bonds als Finanzierungsalternative liegt in der vergleichbar geringen Historie dieses Instruments in Europa: Die erste Emission eines kontinentaleuropäischen Unternehmens erfolgte 1997 durch Geberit.21 2004 emittierte mit Peri das erste nicht börsennotierte Familienunternehmen Deutschlands einen High Yield Bond.22 Bis zum Abschluss der Untersuchungen zur vorliegenden Arbeit ist es noch immer das einzige nicht börsennotierte Familienunternehmen Deutschlands, das diesen Finanzierungsweg beschreitet. Zum einen ist somit großes Potenzial bei Anleihefinanzierungen zu vermuten, zum anderen ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit High Yield Bonds noch unterentwickelt. Vor dem Hintergrund einer notwendigen Diversifizierung der Finanzierung deutscher Familienunternehmen begründen diese Feststellungen die folgenden Zielsetzungen dieser Arbeit.
1.3. Ziel der Arbeit Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Zweckmäßigkeit der Finanzierungsform High Yield Bond für Familienunternehmen zu untersuchen. In Verbindung mit den spezifischen Besonderheiten, die sich aus dem Familieneinfluss ableiten und in Anforderungen an die Unternehmensfinanzierung manifestieren, ergeben sich folgende Einzelzielsetzungen: 1. High Yield Bonds sollen als potenzielles Finanzierungsinstrument deutscher Familienunternehmen umfassend dargestellt werden. Dies betrifft sowohl den Markt als auch die spezifischen Charakteristika dieses Instruments. 2. Anhand einer Fallstudie eines deutschen Familienunternehmens sollen der Emissionsprozess eines High Yield Bond sowie die resultierenden Stärken und Schwächen detailliert beleuchtet werden.
20 Vgl. Hennerkes (2004), S. 370, Achleitner/Fingerle (2004), S. 23 oder Böllhoff (2004), S. 224, Fischer (2001), S. 262. 21 Vgl. Hagger (1998). 22 Vgl. Goldman Sachs International (Hrsg.) (2004a), S. 12.
8 3. Zur Untersuchung, inwiefern High Yield Bonds für Familienunternehmen grundsätzlich eine relevante Finanzierungsalternative darstellen, sollen theoretische und empirische Erkenntnisse der Kapitalstrukturforschung auf ihre Übertragbarkeit auf Familienunternehmen untersucht werden. 4. Die bestehenden Konzepte der Kapitalstrukturforschung sollen um ein Modell zum typisierten finanzwirtschaftlichen Zielsystem von Familienunternehmen ergänzt werden. Dieses Modell soll spezifische Anforderungen von Familienunternehmen an ihre Finanzierung abbilden und operationalisieren, um einen Vergleich traditioneller Finanzierungsinstrumente mit High Yield Bonds zu ermöglichen. 5. Dieses Modell soll neben seiner wissenschaftlichen Verwendung als Management Tool einsetzbar sein, um der Strategiebildung deutscher Familienunternehmen im Bereich ihrer Finanzierung zu dienen und konkrete Finanzierungsentscheidungen zu strukturieren. Es soll das Verständnis von Besonderheiten aus der Kombination von Familie und Unternehmen stärken und Entscheidungen objektivieren. 6. Um den langfristigen Prozess zur Diversifizierung der Finanzierung deutscher Familienunternehmen zu erleichtern und den Unternehmen eine praktische Hilfestellung zu bieten, soll das entwickelte finanzwirtschaftliche Zielsystem neben der detaillierten Anwendung auf High Yield Bonds dazu verwendet werden, eine eventuelle Rangreihenfolge anderer Finanzierungsinstrumente anhand ihrer Eignung für Familienunternehmen zu identifizieren.
1.4. Forschungsansatz Zur Untersuchung der in den Zielsetzungen umrissenen Fragestellungen greift die vorliegende Arbeit auf drei Methoden bzw. Herangehensweisen zurück: „Experteninterview“, Dokumentenanalyse und Fallstudie, wobei es sich bei einer Fallstudie um eine Forschungsstrategie und keine Methode handelt.23 Dabei wurden die beiden Methoden „Experteninterview“ und Dokumentenanalyse jeweils zweifach eingesetzt: Zum einen wurden Interviews und Dokumentenanalysen genutzt, um eine Datenbasis für die Fallstudie zu schaffen. Zum anderen wurden die beiden Methoden fallstudienunabhängig dazu verwendet, um Aspekte, die den Gesamtmarkt für High Yield Bonds sowie die grundsätzlichen Finanzierungsanforderungen von Familienunternehmen betreffen, zu untersuchen und damit von der Fallstudie zu abstrahieren.
23 Zur Abgrenzung der Fallstudie als Forschungsstrategie bzw. -ansatz von einer Forschungsmethode vgl. Yin (2003), S. 13f, Eisenhardt (1989), S. 534, Lamnek (2005), S. 298f, Näslund (2002), S. 330f.
9 „Experteninterviews“ ermöglichen den Zugang zu spezialisiertem Wissen über nicht kodifizierte, institutionalisierte Zusammenhänge, Abläufe und Mechanismen. Mit „Experte“24 sind in diesem Zusammenhang Mitarbeiter von Institutionen gemeint, die sich beruflich intensiv mit Teilaspekten der Fragestellung bzw. des Untersuchungsobjekts auseinandersetzen und daher über sehr detailliertes Fachwissen verfügen, dessen Kenntnis bei Beantwortung der zu erforschenden Fragestellung hilfreich ist. Solche Fachleute haben im Gebiet ihrer Expertise auch eine gewisse Deutungsmacht zu Risiken, Chancen, Trends, Relevanzen und Irrelevanzen und auch der Zugang hierzu, der aufgrund der Expertenrolle wiederum Einfluss auf die erwähnten nicht kodifizierten, institutionalisierten Zusammenhänge hat, ist relevant.25 Experteninterviews wurden eingesetzt, weil genau solch nicht kodifiziertes Wissen über die Finanzierungsform High Yield Bond sowie über Beweggründe, die der Finanzierung von Familienunternehmen zugrunde liegen, erhoben werden sollten. Zur zielgerichteten Eingrenzung und Strukturierung der Fragestellungen, die beleuchtet werden sollten, wurden die Gespräche mit Hilfe eines Leitfadens durchgeführt, der den Experten vorab zur Verfügung gestellt wurde. Dieser Leitfaden wurde dazu auf die jeweilige Expertise des Gesprächspartners abgestimmt, das anschließende Interview in Form eines offenen Leitfadeninterviews geführt, wobei im Gesprächsverlauf Nach- und weiterführende Fragen eingesetzt wurden.26 Diese flexible Interviewgestaltung wurde genutzt, um auf Gesprächsentwicklungen und weitergehende, für die Fragestellung der Arbeit relevante Aspekte eingehen zu können. Die Gesamtzahl der Interviews orientierte sich an den jeweiligen Beiträgen zu den Fragestellungen der vorliegenden Arbeit, die im Rahmen der Interviews beleuchtet werden sollten. Nach acht Interviews wurde der marginale Erklärungsbeitrag so gering, dass auf weitere Gespräche verzichtet wurde. Einen Überblick über die geführten Interviews gibt Tabelle (Tab.) 1, wobei bis auf das Gespräch mit Experte 8, das Eingang in die nicht anonymisierte Fallstudie fand, alle Interviews anonymisiert wurden. Experte 1
Tätigkeit und Expertise des Experten
Schwerpunkte des Interviews
Partner einer auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung aus Stuttgart mit Schwerpunkt auf der Optimierung der Unternehmensfinanzierung. Zusätzlich: Dozent für Unternehmensfinanzierung an einer renommier-
Corporate Bonds als Finanzierungsinstrument Anforderungen von Familienunternehmen an ihre Finanzierung Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen im Vergleich zu anderen Finan-
24 Weil selbsternannten „Experten“ grundsätzlich eine gewisse Skepsis entgegengebracht werden sollte, ist hierbei sowohl die Auswahl der Gesprächspartner als auch die Validierung der Ergebnisse z.B. durch Diskussion des relevanten Aspekts mit mehreren unabhängigen „Experten“ wichtig. 25 Vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr (2008), S. 132f. 26 Zur Durchführung von offenen Leitfadeninterviews mit Experten vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr (2008), S. 142f. Zur Konzeption qualitativer Interviews vgl. auch Lamnek (2005), S. 329ff.
10
2
ten deutschen Business School. Managing Director Deutsche Bank in London, zuständig für Kapitalmärkte; vorher zuständig für Leveraged Finance in Europa.
3
Executive Director bei Goldman Sachs International in London, zuständig für Europäische Unternehmensfinanzierung, insbesondere Unternehmensanleihen.
4
Rechtsanwältin und Steuerberaterin sowie Partnerin einer auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung aus Westdeutschland. Ihre Schwerpunkte liegen auf Nachfolgeplanung und steuerlicher Optimierung. Hauptabteilungsleiter Finanzen eines sehr großen deutschen Familienunternehmens mit diversifizierten Geschäftstätigkeiten u.a. in den Bereichen Getränke, Nahrungsmittel, Finanzen und Schifffahrt, zuständig für die strategische Unternehmensfinanzierung Geschäftsbereichsleiter Deutsche Bank in Frankfurt, zuständig für Fremdkapitalfinanzierung, besondere Expertise in der Mittelstandsfinanzierung.
5
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Partner einer auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung aus Westdeutschland. Sein Schwerpunkt liegt auf der Optimierung von Finanzierungsstrukturen; frühere Tätigkeit im Management mehrerer deutscher Groß- und Genossenschaftsbanken. Christian Schwörer, geschäftsführender Gesellschafter der Peri GmbH, verantwortlich für die kaufmännischen Bereiche und 2004 verantwortlich für die Durchführung einer High Yield Bond Emission der Peri GmbH.
zierungsinstrumenten High Yield Bond Markt in Europa und durch 27
Investoren geprägte Marktstandards Rahmenbedingungen einer Emission und Anforderungen an Emittenten Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen High Yield Bond Markt in Europa und durch Investoren geprägte Marktstandards Rahmenbedingungen einer Emission und Anforderungen an Emittenten Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen Anforderungen von Familienunternehmen an ihre Finanzierung Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen im Vergleich zu anderen Finanzierungsinstrumenten Anforderungen von Familienunternehmen an ihre Finanzierung Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen im Vergleich zu anderen Finanzierungsinstrumenten Anforderungen von Familienunternehmen an ihre Finanzierung Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen im Vergleich zu anderen Finanzierungsinstrumenten Anforderungen von Familienunternehmen an ihre Finanzierung Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen im Vergleich zu anderen Finanzierungsinstrumenten Anforderungen von Familienunternehmen an ihre Finanzierung Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen im Vergleich zu anderen Finanzierungsinstrumenten Fallstudie zur Bondemission der Peri GmbH
Tab. 1: Interviewpartner und Schwerpunkte der Interviews28
Die Aussagekraft der Interviews mit den Experten von Deutscher Bank und Goldman Sachs International wird durch die führende Position der beiden Finanzinstitute bei Bondfinanzierungen belegt: Für 2006 und 2007 wird die Deutsche Bank in den Financial League Tables als 27 Die Begriffe Investor, Anleger und Gläubiger werden im Zusammenhang mit Anleihen oftmals synonym verwendet – so auch in der vorliegenden Arbeit. 28 Quelle: Eigene Darstellung.
11 führender Managing Underwriter bei „International Bonds in Euro“ sowie „Global High Yield Debt – Non US-Dollar denominated“ ausgewiesen. Goldman Sachs hingegen belegte im vierten Quartal 2007 Platz 1 bei Betreuung weltweiter High Yield Bond Emissionen.29 Zusätzlich zu den Experteninterviews wurden Dokumentenanalysen durchgeführt. Erstens wurden die Emissionsprospekte von High Yield Bonds mehrerer deutscher Emittenten analysiert: Fresenius, Gerresheimer, Grohe, Heckler&Koch, Hornbach Baumarkt und Peri. In diesen Prospekten werden die Konditionen der Anleihe sowie Strategie und Zahlen des emittierenden Unternehmens dargelegt. Der Vergleich mehrerer Emissionsprospekte deutscher Unternehmen bzgl. Aufbau, Inhalt und Art der Darstellung ermöglichten Rückschlüsse über High Yield Bond Marktstandards, unternehmensseitige Voraussetzungen und Rahmenbedingungen einer solchen Emission. Diese Analysen dienten damit auch der Validierung der in den Experteninterviews erhaltenen Informationen zu eben jenen Aspekten. Zweitens wurden Präsentationen, Briefe, Memos, Kostenaufstellungen und weitere nicht öffentlich zugängliche Dokumente untersucht, die einen detaillierten Einblick in die High Yield Bond Emission des Familienunternehmens Peri im Jahr 2004 geben. Dies diente der Erstellung der Fallstudie. Tab. 2 gibt einen Überblick über die analysierten Dokumente. Nr. 1 2 3 4 5 6
Dokument Peri Bond: Key Transaction Highlights and Key Terms Peri Briefing Notes für Investorenpräsentationen Roadshow Schedule Offering Memorandum 2003 Offering Memorandum 2006 Brief an Peri Eigentümer zur Begründung der Vorteilhaftigkeit einer Bondemission 7 Goldman Sachs International Follow up Materials for Peri regarding Financing Alternatives (interne Präsentation) 8 Goldman Sachs International Summary of Press Coverage: Peri High Yield Offering 9 Grohe Holding GmbH Offering Memorandum 2007 10 Heckler & Koch GmbH Offering Memorandum 2004 11 Hornbach Baumarkt AG Offering Memorandum 2004 12 Moody's Investors Service Analysis: Peri-Werk Artur Schwörer GmbH & Co. KG 13 Peri GmbH Offering Memorandum 2004 14 Peri GmbH Rundschreiben an Top-Management zur Bond-Ankündigung 15 Peri GmbH Rating History (Präsentationsauszug) 16 Peri GmbH EUR 330,000,000 syndicated multi-currency term loan and revolving credit facility: Amendment & Waiver Request 17 Peri GmbH Bond 2004: Third Party Expenses (Kostenaufstellung) 18 Peri GmbH Due Diligence Dokumentenliste für Data Room 19 Peri GmbH Corporate Bond Kick-Off Meeting (interne Präsentation) 20 Standard & Poor's Pressemitteilung: Ratingerteilung Peri GmbH Tab. 2: In die Dokumentenanalyse eingegangene Unterlagen30
29
Herausgeber Deutsche Bank Deutsche Bank Deutsche Bank/ Goldman Sachs International Fresenius Finance B.V. Gerresheimer Holding GmbH Goldman Sachs International
Vgl. Thomson Reuters (Hrsg.) (2008), S. 3 und S. 12f.
12 Wie bereits erwähnt, wurden Experteninterview und Dokumentenanalyse auch zur Erstellung einer Fallstudie genutzt. Diese dient der empirischen Illustration sowie der Analyse des Hintergrunds und der konkreten Ausgestaltung einer High Yield Bondemission durch ein Familienunternehmen. Die Fallstudie als empirische Forschungsstrategie konzentriert sich bewusst auf das relevante Phänomen in seinem Kontext, um anschließend auf Basis logischer Überlegungen zu abstrahieren.31 Freilich können die Erkenntnisse einer Einzelfallstudie nicht verallgemeinert werden, wie dies mit einer großzahligen Erhebung quantitativer Daten möglich ist, die zur statistischen Überprüfung von Hypothesen herangezogen werden.32 Ziel ist vielmehr die Exploration und Wiedergabe eines ganzheitlichen Bilds aller bedeutsamen Aspekte und Dimensionen des zu untersuchenden Sachverhalts, weswegen eine Fallstudie idealerweise auch multimethodisch anzulegen ist und theoretisch auf das gesamte Universum quantitativer und qualitativer Erhebungsformen zurückgreifen kann.33 Für die Fragestellung, ob High Yield Bonds zur Finanzierung von Familienunternehmen geeignet sind, erscheint aufgrund des bislang niedrigen Stands empirischer Erkenntnisse und der komplexen unternehmensinternen und -externen Zusammenhänge, die zur Beantwortung untersucht werden müssen, die empirische Illustration diesbezüglicher Überlegungen mit einer Fallstudie zielführend.34 Untersuchungsobjekt war mit dem Unternehmen Peri das bis zum bis Abschluss der Recherchearbeiten für diese Arbeit einzige nicht börsennotierten Familienunternehmen Deutschlands, das diese Finanzierungsform gewählt hat.
1.5. Aufbau der Arbeit Abgeleitet aus der Leitfrage, ob die Finanzierung über High Yield Bonds eine geeignete Alternative zur traditionellen Finanzierung von Familienunternehmen darstellen kann, ergibt sich der folgende Aufbau der Arbeit: Im Anschluss an die einleitenden Ausführungen in Kapitel 1 vermittelt Kapitel 2 das wesentliche Begriffsverständnis, das dieser Arbeit zugrunde liegt. Dazu werden die zentralen Begriffe Finanzierung und Familienunternehmen jeweils definiert und von anderen Begriffsverständnissen abgegrenzt. Kapitel 3 stellt die Finanzierungsrealität deutscher Familienunternehmen dar, was eine Untersuchung der bestehenden Finanzierungssituation sowie der Herausforderungen beinhaltet, die mit dieser Finanzierungsstruktur verbunden sind. Anschließend werden alternative Finanzie30
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Yin (2003), S. 13f, Eisenhardt (1989), S. 534. 32 Vgl. Goode/Hatt (1956), S. 310. 33 Vgl. Lamnek (2005), S. 298f und S. 303, Näslund (2002), S. 330f. 34 Zur Eignung einer Fallstudie bei wissenschaftlich wenig beleuchteten Sachverhalten vgl. Ellram (1996), S. 97. 31
13 rungsinstrumente erläutert, die zur Lösung dieser Herausforderungen in Literatur und Praxis diskutiert werden. Besonderer Fokus liegt dabei auf dem möglichen Finanzierungspotenzial von Corporate Bonds. In Kapitel 4 werden High Yield Bonds als Unterform von Corporate Bonds analysiert: Markt, konstituierende Merkmale, Emissionsprozess, Öffnung des Unternehmens gegenüber Investoren und Kosten. Zur empirischen Illustration und praktischen Auswirkungsanalyse dient eine Fallstudie zur High Yield Bondfinanzierung des deutschen Familienunternehmens Peri. Zur allgemeingültigen Bewertung, inwiefern High Yield Bonds über den Einzelfall hinaus als Finanzierungsinstrument für Familienunternehmen geeignet sind, dient die Entwicklung einer Systematik zur Eignungsbewertung in Kapitel 5. Nach Darstellung relevanter Gebiete der Kapitalstruktur- und Finanzierungsforschung wird deren Übertragbarkeit auf Familienunternehmen diskuiert. Anschließend werden Determinanten von Finanzierungsentscheidungen erörtert, die spezifisch für Familienunternehmen sind. Daraus abgeleitet wird das finanzwirtschaftliche Zielsystem von Familienunternehmen, das als Bewertungssystematik für Finanzierungsinstrumente aus Sicht eines Familienunternehmens dienen wird. Die Anwendung dieser Systematik erfolgt in Kapitel 6 im Rahmen einer Evaluierung von High Yield Bonds und volumenmäßig vergleichbarer Bankkredite. Um die Eignungsbewertung zu vervollständigen, werden anschließend die Voraussetzungen erörtert, die ein Familienunternehmen erbringen muss, bevor eine Finanzierung über High Yield Bonds in Erwägung gezogen werden kann. In Kapitel 7 wird die entwickelte Systematik zur Eignungsbewertung alternativer Finanzierungsinstrumente aus Sicht von Familienunternehmen auf andere relevante Koordinationsformen der Kapitalmobilisierung angewandt. Anschließend werden Rangreihenfolgen potenzieller Finanzinstrumente gegenübergestellt. Diese stammen aus der finanzwissenschaftlichen Theorie, anderen wissenschaftlichen Untersuchungen zu Familienunternehmen und der individuellen Evaluierung mittels des finanzwirtschaftlichen Zielsystems dieser Arbeit. Abschließend wird diskutiert, welche Schlüsse hinsichtlich der Eignung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems als Bewertungsrahmen gezogen werden können. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse erfolgt in Kapitel 8. Ebenfalls werden dort Anregungen für Familienunternehmen sowie für weiterführende wissenschaftliche Auseinandersetzungen thematisiert. Den Aufbau der Arbeit fasst Abbildung (Abb.) 1 zusammen.
14
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Einleitung Bedeutung von Familienunternehmen, Finanzierung von Familienunternehmen, Ziel der Arbeit, Forschungsansatz, Aufbau der Arbeit Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen Finanzierung, Familienunternehmen
Finanzierungsrealität von Familienunternehmen Finanzierungssituation deutscher Familienunternehmen, Herausforderungen der vorherrschenden Finanzierungsstruktur, Charakteristika alternativer Instrumente High Yield Bonds zur Ergänzung der bestehenden Kapitalstruktur Finanzierungsinstrument High Yield Bond, Fallstudie: High Yield Bond Finanzierung der Peri GmbH
Kapitel 5
Das finanzwirtschaftliche Zielsystem als Bewertungsrahmen Kapitalstruktur- und Finanzierungsforschung, Übertragbarkeit auf Familienunternehmen, Determinanten von Finanzierungsentscheidungen, finanzwirtschaftliches Zielsystem, inhaltliche und methodische Konsequenzen
Kapitel 6
Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen Erfüllung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems durch High Yield Bonds im Vergleich zu Konsortialkrediten, Voraussetzungen zum Einsatz von High Yield Bonds bei Familienunternehmen
Kapitel 7
Eignungsuntersuchung weiterer Finanzierungsinstrumente Instrumentenkongruenz zum finanzwirtschaftlichen Zielsystem, Rangreihenfolge potenzieller Finanzierungsinstrumente, Erkenntnisse zum finanzwirtschaftlichen Zielsystem als Bewertungsrahmen
Kapitel 8
Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassung, Anregungen für Familienunternehmen, Anregungen für weitere Forschungsfelder
Abb. 1: Aufbau der Arbeit35
35
Quelle: Eigene Darstellung.
15
2. Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen
2.1. Finanzierung Der traditionelle Finanzierungsbegriff Schmalenbachs orientiert sich am bilanziellen Kapital einer Unternehmung36 und betrachtet kurz- und langfristige Kapitalbeschaffung, -rückzahlung und -umschichtung im Bereich der Passiva.37 In einem erweiterten Finanzierungsbegriff nach Rössle oder Beckmann wird neben externer Kapitalaufbringung auf der Passivseite die Aktivseite der Bilanz mit einbezogen. Diese Definition beinhaltet somit auch die interne Kapitalaufbringung durch Abschreibungen, Gewinne und Mittelfreisetzungen, wobei Rössle in seine Definition neben der Kapitalbeschaffung auch die -disposition einbezieht.38 Diesen um die Finanzmitteldisposition erweiterten Finanzierungsbegriff bezeichnet Eilenberger als Finanzierung im weiteren Sinne.39 Neben den bilanziell geprägten Begriffsbestimmungen hat sich ein an monetären Zahlungsströmen orientierter Finanzierungsbegriff etabliert. Er umfasst die Gesamtheit aller Einzahlungen und Auszahlungen und beschreibt damit interne und externe Finanzmittelbeschaffung einschließlich zugehöriger Kapitalfreisetzungseffekte.40 Ähnlich umfassend, aber ohne direkte Bezugnahme auf Zahlungsströme definieren Wöhe/Bilstein Finanzierung als „alle Maßnahmen zur Deckung des Kapitalbedarfs“41. Dieser umfassenden Begriffsbestimmung folgend beinhaltet Finanzierung die Gesamtheit aller Maßnahmen von Mittelbeschaffung und -rückzahlung und damit die Gestaltung der Zahlungs-, Informations-, Kontroll- und Sicherungsbeziehung zwischen Unternehmen und Kapitalgeber. Dieser Finanzierungsbegriff liegt auch der vorliegenden Arbeit zugrunde. Neben der Bestimmung des Finanzierungsbegriffs ist eine Systematisierung unterschiedlicher Ausgestaltungsformen von Kapitalbeschaffung und -rückzahlung notwendig. Verschiedene Kriterien sind vorstellbar: Häufigkeit des Vorkommens, Fristigkeit, Rechtsstellung des Kapitalgebers oder Herkunft der Mittel.42 Weil die vorliegende Arbeit den Fokus auf unterschiedliche Arten der Finanzmittelbeschaffung aus Sicht von Familienunternehmen legt, ist eine Systematisierung von Finanzierungsformen nach ihrer Herkunft geeignet, relevante Differen-
36 Die Begriffe Unternehmen, Unternehmung, Firma, Gesellschaft werden in dieser Arbeit sofern nicht anders vermerkt synonym verwendet. 37 Vgl. Schmalenbach (1937), S. 1f sowie Schmalenbach (1966), S. 9. 38 Vgl. Rössle (1956), S. 104 sowie Beckmann (1956), S. 28. 39 Vgl. Eilenberger (2003), S. 1. 40 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 348. 41 Wöhe/Bilstein (2002), S. 11. 42 Vgl. Däumler (2002), S. 23.
16 zierungskriterien zu liefern. Entsprechend sind Außen- und Innenfinanzierung zu unterscheiden. Außenfinanzierung liegt vor, wenn finanzielle Mittel durch Einlagen bestehender Gesellschafter, Beteiligungen zusätzlicher Gesellschafter, Kredite von Gläubigern oder Subventionen zugeführt werden. Ebenfalls zur Außenfinanzierung gehört der Einsatz von Kreditsubstituten wie Factoring, Asset Backed Securities (ABS) und Leasing. Weiterhin sind mezzanine Instrumente, die ausgestaltungsseitig zwischen Eigen- und Fremdkapital liegen, der Außenfinanzierung zuzurechnen. Darunter fallen Wandelanleihe, Genussrecht, partiarisches Darlehen und stille Gesellschaft.43 Unter Innenfinanzierung können subsumiert werden: Selbstfinanzierung durch Thesaurierung von Gewinnen, Finanzierung aus Umsätzen durch Zurückhaltung von zahlungsneutralen Aufwandsgegenwerten wie Abschreibungen und Rückstellungen sowie Finanzierung durch Vermögensumschichtung.44 Neben Innen- und Außenfinanzierung werden Finanzierungsformen aufgrund ihrer Fristigkeit unterschieden. Dazu werden folgende Konventionen angelegt: Kurzfristig impliziert eine Verfügbarkeit von 90 Tagen oder weniger, während langfristige Mittel für 4 und mehr Jahre überlassen werden, mittelfristige Laufzeiten liegen dazwischen.45 Unter die Klassifizierung als kurzfristige Fremdfinanzierung fallen beispielsweise Lieferantenkredite und Kontokorrentkredite.46 High Yield Bonds als Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit gehören zu den langfristigen Fremdfinanzierungen. Innenfinanzierung ist bei Familienunternehmen traditionell stark ausgeprägt.47 Weil das Ziel der vorliegenden Arbeit in der Untersuchung alternativer Finanzierungsformen für Familienunternehmen besteht, wird der Schwerpunkt neben der Innenfinanzierung insbesondere auf verschiedener Formen der Außenfinanzierung liegen. Einlagen bestehender Gesellschaften werden davon ausgenommen, da sie aufgrund ihrer eingeschränkten Verfügbarkeit für die Kernfrage dieser Arbeit eher uninteressant sind. Zusätzlich werden Subventionen als Form der Außenfinanzierung nicht weiter betrachtet, da sie aufgrund ihrer besonderen Anforderungen und Ausgestaltung nur eingeschränkt mit anderen Finanzierungsformen vergleichbar sind.48 Weiterhin liegt der Fokus primär auf mittel- bis langfristigen Instrumenten. Tabelle 2 gibt einen Überblick, welche Finanzierungsinstrumente deshalb für die vorliegende Arbeit
43
Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 349f. Vgl. Rehkugler (2007), S. 186. 45 Vgl. Drukarczyk (2003), S. 389. 46 Für eine Übersicht kurzfristiger Fremdfinanzierungsformen vgl. Drukarczyk (2003), S. 479ff. 47 Zur ausgeprägten Nutzung von Innenfinanzierung bei Familienunternehmen vgl. Scherer et al. (2005), S. 61f und detailliert Abschnitt 3.1.2. 48 Zu Subventionen als Finanzierungsform vgl. bspw. Eilenberger (2003), S. 322ff. 44
17 relevant sind, und in welchem Abschnitt der vorliegenden Arbeit ihre Funktionsweise diskutiert werden. Innenfinanzierung Selbstfinanzierung/Gewinnthesaurierung Finanzierung aus Abschreibungen Finanzierung aus Rückstellungen Vermögensumschichtung
(Abschnitt) (3.1.3.1) (3.1.3.1) (3.1.3.1) (3.1.3.1)
Außenfinanzierung Beteiligung Private Equity Börsengang Mittel- und langfristiger Kredit Bankkredit Konsortialkredit Private Debt Schuldscheindarlehen Corporate Bond Kreditsubstitut Leasing Factoring Asset Backed Securities Mezzanine-Kapital Wandelanleihe Genussrecht Partiarisches Darlehen Stille Gesellschaft Tab. 3: Relevante Finanzierungsinstrumente für die vorliegende Arbeit49
(Abschnitt) (3.3.2.1) (3.3.2.2) (3.1.3.2) (3.3.4.1) (3.3.4.2) (3.3.4.3) (3.3.4.4) (3.1.3.3) (3.3.1.1) (3.3.1.2) (3.3.3.1) (3.3.3.2) (3.3.3.3) (3.3.3.4)
2.2. Familienunternehmen
2.2.1. Begriffsbestimmung Wie bereits einleitend in Kapitel 1 angedeutet, bestehen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Familienunternehmen sehr unterschiedliche Meinungen darüber, welche Charakteristika ein Unternehmen zu einem Familienunternehmen machen. Daher werden im Folgenden zunächst wesentliche bestehende Begriffsbestimmungen erläutert, bevor anschließend eine geeignete Definition für die vorliegende Arbeit abgeleitet wird.
2.2.1.1. Bestehende Definitionen für Familienunternehmen Für das Untersuchungsobjekt Familienunternehmen hat sich bis heute keine einheitliche Definition in der Literatur durchgesetzt. Dieses „family business definition dilemma“50 erschwert die Entstehung einer empirisch fundierten Theorie zu Familienunternehmen insofern, als bei Verwendung unterschiedlicher Definitionen empirische Untersuchungsergebnisse verschiede-
49 50
Quelle: Eigene Darstellung. Klein et al. (2005), S. 322.
18 ner Studien weder vergleichbar sind noch aufeinander aufbauen können.51 Diesbezüglich weisen Westhead/Cowling darauf hin, dass bei repräsentativen Untersuchungen zu Familienunternehmen das statistisch relevante Sample je nach Definition zwischen 15% und 81% der Grundgesamtheit schwankt.52 Familieneinfluss als Abgrenzungsmerkmal Grundsätzlich verlaufen die meisten Definitionen analog zur Begriffsbestimmung Wimmers, nach der Familienunternehmen solche Unternehmen sind, bei denen eine Familie bzw. ein Familienverband53 einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens ausübt.54 Beispielsweise lautet die Definition des Wittener Instituts für Familienunternehmen: Familienunternehmen „sind definiert über den bestimmenden Einfluss einer Familie auf die Entwicklung des Unternehmens. Aus diesem Einfluss (und nicht aus der Unternehmensgröße) erwachsen die Eigenarten dieses Unternehmenstyps“55. Dieser Familieneinfluss kann dabei über eine Vielzahl von Verknüpfungen zwischen Familie und Unternehmen wahrgenommen werden, hierzu zählen Geschäftsführung56, Aufsichtsgremium57 oder Gesellschafterversammlung.58 Die Bestimmung von Faktoren, um Familieneinfluss zu messen und damit Familienunternehmen von Nicht-Familienunternehmen abzugrenzen, ist jedoch oftmals nur qualitativ möglich, daher nicht eindeutig und bei empirischen Studien nur eingeschränkt einsetzbar.59 Ausgehend von dieser Beobachtung unterscheiden Chrisman et al. zwischen theoretischen und operationalen Definitionen von Familienunternehmen: Erstere erklären, wodurch sich Familienunternehmen konzeptionell von Nicht-Familienunternehmen unterscheiden, wohingegen Letztere beobacht- und messbare Auswirkungen dieser Unterschiede identifizieren.60
51
Vgl. Westhead/Cowling (1997), S. 30f, Handler (1989), S. 259, Lansberg et al. (1988), S. 2. Vgl. Westhead/Cowling (1998), S. 39. Die vorliegende Arbeit legt die Definition des Familienbegriffs von Klein zugrunde und versteht Familie „als Gruppe von Menschen, die in einem direkten verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander stehen und die von einer definierten Ursprungsehe abstammen, sowie deren Ehepartner“, Klein (2004), S. 11. Für eine Literaturund Definitionsübersicht zum Begriff Familie vgl. Stewart (2003). 54 Vgl. Wimmer et al. (2005), S. 6. 55 Wittener Institut für Familienunternehmen (2007). 56 Die vorliegende Arbeit verwendet Begriffe wie Geschäftsführung, Management oder Geschäftsleitung synonym für die oberste Führungsebene des Unternehmens. Eine rechtsformabhängige Unterscheidung zwischen Geschäftsführung (GmbH), Vorstand (AG) oder geschäftsführendem Gesellschafter (GbR, OH, KG) wird nicht vorgenommen. 57 Die vorliegende Arbeit versteht ein Aufsichtsgremium als gesellschaftsrechtliches Organ, das die Arbeit der Unternehmensführung beaufsichtigt, z.B. ein Aufsichtsrat gemäß §111 AktG oder die Gesellschafterversammlung einer GmbH sofern dieser die Aufsichtspflichten nicht an ein anderes Gremium übertragen hat. 58 Vgl. Scherer et al. (2005), S. 93f. 59 Vgl. Chua et al. (1999). 60 Vgl. Chrisman et al. (2003a), S. 8f. Analog auch Chua et al. (1999), S. 21. 52 53
19 Die schwierige Operationalisierbarkeit von Familieneinfluss verdeutlicht, dass der Begriff Familienunternehmen keine dichotome Variable ist. Unternehmen können i.d.R. nicht eindeutig als Familienunternehmen oder Nicht-Familienunternehmen identifiziert werden. Vielmehr handelt es sich um ein Kontinuum an Ausprägungen von Familieneinfluss.61 In diesem Zusammenhang verwenden verschiedene Autoren das Konzept der Familiness, das den Einfluss der Familie auf das Unternehmen wiedergibt und eine Funktion von Eigentum, Stimmrechten und führungsmäßiger Einflussnahme der Familie ist (vgl. Abb. 2).62 Familiness
Eigentum
Stimmrechte Einflussnahme auf Führung
weit
mittel
eng
Kapitalminderheit
Kapitalmehrheit
Eigenkapital zu 100% in Familienhand
Sperrminorität
Stimmenmehrheit
Stimmrechte zu 100% in Familienhand
Keine Einflussnahme
Überwachung
Vollständige Einflussnahme auf Führung
Abb. 2: Familiness zur Darstellung von Familieneinfluss auf Unternehmen63
Astrachan/Shanker unterscheiden diesbezüglich zwischen weiter, mittlerer und enger Definition von Familienunternehmen, was sich analog zu geringer, mittlerer und hoher Familiness verhält.64 Dieser Definition folgend genügt ein Unternehmen der engen Definition, wenn die Familie das gesamte Eigenkapital und alle Stimmrechte hält, sich aktiv in der operativen und strategischen Unternehmensführung engagiert, die obersten Führungspositionen besetzt sowie mindestens bereits die zweite Generation derselben Familie das Unternehmen kontrolliert und führt. Entsprechend der weiten Definition hingegen fällt ein Unternehmen bereits unter die Klassifikation als Familienunternehmen, wenn die Familie über eine Sperrminorität am Kapital verfügt, lediglich ihre Stimmrechte wahrnimmt, d.h. keine direkte führungsmäßige Einflussnahme ausübt und das Unternehmen sich noch in der ersten Generation befindet. Um die potenziellen Schwierigkeiten bei der empirischen Operationalisierbarkeit des graduellen Familieneinflusses zu lösen, proklamieren einige Autoren die Notwendigkeit alternativer Begriffsbestimmen. So verwenden bspw. Westhead/Cowling in empirischen Studien u.a. ein zwar operationalisierbares, aber theoretisch nicht unproblematisches Kriterium zur Identifikation von Familienunternehmen, das auf die Selbsteinschätzung von Unternehmen als Fa61
Vgl. Chua et al. (2004), S. 39. Vgl. Habbershon/Williams (1999), S. 11f, Mühlebach (2004), S. 10f, Habbershon et al. (2006), S. 74ff, Pearson et al. (2008), S. 950ff, Tokarczyk et al. (2007). 63 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Mühlebach (2004), S. 11. 64 Vgl. Mühlebach (2004), S. 13. Zu den Definitionen von Astrachan/Shanker vgl. Astrachan/Shanker (2003), S. 211f sowie Shanker/Astrachan (1996), S. 109f. 62
20 milienunternehmen abhebt.65 Problematisch daran ist, dass für die Selbsteinschätzung wiederum ein objektives Verständnis von Familienunternehmen vorliegen müsste. Somit besteht ein Zirkelschluss. Weiterhin kann diese Definition in der Praxis dazu führen, dass vergleichbare Unternehmen, die bei Anlegung anderer Kriterien jeweils klar als Familienunternehmen abgrenzbar wären, aufgrund unterschiedlicher Selbsteinschätzung teilweise zu Familienunternehmen zählen, teilweise nicht. „Essenz“ als Abgrenzungsmerkmal Andere Autoren versuchen, die „Essenz“ von Familienunternehmen als Definitionskriterium zu nutzen:66 Das Konstrukt Essenz definiert Familienunternehmen dabei über ihre Einzigartigkeit, d.h. mit Hilfe derjenigen Charakteristika, die über bloße Kapitalmehrheit und Führungseinfluss einer Familie hinausgehen. Ein Unternehmen, das mehrheitlich einer Familie gehört, aber lediglich als Portfoliobeteiligung gehalten wird, gilt gemäß dieser Essenz-Definitionen als Nicht-Familienunternehmen, wenn die Eigentümerfamilie dort keinen maßgeblichen Einfluss auf die Ziele und Strategien des Unternehmens nimmt. Beispielsweise betont Handler den Einfluss der Familie auf die Unternehmensstrategie als Essenz von Familienunternehmen.67 Anders sieht das Litz, der die Absicht zur Übergabe der eigentumsrechtlichen Kontrolle über die Firma an die nächste Generation als Essenz von Familienunternehmen identifiziert.68 Donnelley wiederum definiert Familienunternehmen als Unternehmen, die stark mit mindestens zwei Generationen einer Familie assoziiert werden und bei denen sich Familieninteressen und Unternehmensstrategie gegenseitig beeinflussen. Diese Essenz von Familienunternehmen liegt definitionsgemäß dann vor, wenn 1. die Familienzugehörigkeit ein Positivauswahlkriterium bei Nachfolgeregelungen ist, 2. Ehefrauen oder Söhne eines gegenwärtigen oder früheren Geschäftsführers in Geschäftsführung oder einem Aufsichtsgremium des Unternehmens vertreten sind, 3. die Werte des Unternehmens formal in Unternehmenspublikationen oder informell in der Unternehmenskultur mit einer Familie identifiziert werden, 4. die Aktivitäten von Familienangehörigen einen Einfluss auf das Bild des Unternehmens in der Öffentlichkeit haben, 5. die Familienmitglieder ihre Anteile am Unternehmen nicht nur aus finanziellen Gründen halten,
65 Vgl. Definition (1) bei Westhead/Cowling (1998), sowie Definitionen (2) bis (5) bei Westhead (1997), S. 132f: 66 S. Chrisman et al. (2003a), S. 8f. 67 Vgl. Handler (1989), S. 262. 68 Vgl. Litz (1995), S. 101f.
21 6. der jeweilige Gesellschafteranteil Einfluss auf die Stellung in der Familie hat und 7. Familienmitglieder ihre Beziehung zum Unternehmen definieren müssen, um ihre eigene berufliche Laufbahn planen zu können.69 Ähnlich dieser Definition von Donnelley werden vielfach multiple Abgrenzungskriterien für Begriffsbestimmungen mittels Essenz verwendet.70 Besonders häufig werden herangezogen: Kapitalanteil, Stimmenanteil und Einflussnahme der Familie auf die Unternehmensstrategie, Managementbeteiligung sowie Beteiligung mehrerer Generationen.71 Eine weitere Essenz-Definition verwenden Chua et al., wonach es sich bei Familienunternehmen um Unternehmen handelt, die durch eine dominante Koalition aus einer oder mehreren Familien mit dem Ziel kontrolliert und/oder geführt werden, eine unternehmerische Vision, die potenziell an die nächste Generation übertragbar ist, zu formen und durchzusetzen.72 Determinanten eines Familienunternehmens dieser Definition sind wiederum Eigentum, Führung und Generationenübertragung. Bei Gegenüberstellung derjenigen Definitionen, die den Familieneinfluss in den Mittelpunkt stellen und derjenigen die auf die Essenz von Familienunternehmen abheben, lässt sich festhalten, dass zwischen beiden im Wesentlichen ein philosophischer Unterschied besteht: Erstere verstehen den Familieneinfluss als hinreichende Voraussetzung zur Identifikation eines Familienunternehmens während Letztere ihn lediglich als notwendige Voraussetzung sehen und um eine definitionsspezifische Essenz als hinreichende Voraussetzung ergänzen. Dies spricht für die Möglichkeit zur Konversion der beiden Definitionsstränge, die im Sinne der Entwicklung einer allgemeinen Theorie von Familienunternehmen zu begrüßen wäre.73 F-PEC Skala zur Abgrenzung Eine Begriffsbestimmung, die sowohl den Anspruch auf theoretische Vollständigkeit als auch auf Operationalisierbarkeit verfolgt und dabei viele in anderen Definitionen verwandte Arten von Familieneinfluss integriert, ist die F-PEC Skala des Familieneinflusses nach Astrachan, Klein und Smyrnios. Die Autoren vertreten die bereits erläuterte Auffassung, dass Familieneinfluss keine dichotome Variable ist und entwerfen eine Skala, die sich aus drei Subskalen
69
Vgl. Donnelley (1964), S. 94. Vgl. Chrisman et al. (2005), S. 556. 71 Vgl. Mühlebach (2004), S. 12f, Shanker/Astrachan (1996), S. 108. 72 Vgl. Chua et al. (1999), S. 23, Chrisman et al. (2002), S. 118f. 73 Vgl. Chrisman et al. (2005), S. 556f. 70
22 zusammensetzt (vgl. Abb. 3): Macht (Power), Erfahrung (Experience) sowie Kultur (Culture). F-PEC steht somit für Familieneinfluss durch Macht, Erfahrung und Kultur.74 F-PEC Skala Machtsubskala
Erfahrungssubskala
Kultursubskala
Eigentum (direkter und indirekter Anteil am Eigenkapital)
Anzahl Generationen im Eigentum, Management und Kontrollgremium
Werteüberlappung zwischen Familie und Unternehmen
Kontrollgremium (Familienmitglieder zu externen Mitgliedern)
Anzahl der Familienmitglieder in Management und Kontrollgremium
Familienidentifikation mit Unternehmen
Management (Familienmitglieder zu externen Mitglieder)
Abb. 3: Die F-PEC Skala des Familieneinflusses75
Die Messung des Familieneinflusses innerhalb der Machtsubskala erfolgt mittels gleichgewichteter Bewertung von direktem und indirektem Familieneigentum am Eigenkapital, Familieneinfluss auf die Unternehmenskontrolle durch das Aufsichts- bzw. Kontrollgremium und Familienanteil am Management. Bei Aufsichtsgremium und Management wird neben dem unmittelbaren Einfluss durch Familienmitglieder auch der mittelbare Familieneinfluss durch Gremienmitglieder, die durch die Familie berufen bzw. besetzt wurden, anteilig berücksichtigt. Die Messergebnisse zu allen drei Determinanten des Familieneinflusses aus Macht liegen jeweils zwischen 0% und 100%. Maximal kann der Familieneinfluss aus der Machtsubskala damit bei 300% liegen. Kritisch zu beurteilen ist die Operationalisierbarkeit indirekter Einflussnahme in Management und Aufsichtsgremium, bei der die Autoren auf die schwer ermittelbare Beeinflussbarkeit familienfremder Mitglieder abheben. Die Erfahrungssubskala hebt auf den Erfahrungsschatz eines Unternehmens ab, der mit zunehmender Anzahl der Jahre im Einfluss einer dominierenden Familie zunimmt. Durch Hinzulernen bei jedem Generationswechsel, Rituale und Regeln wächst der Erfahrungsschatz je Generation. Zusätzlich steigt der Familieneinfluss mit der Anzahl der in Management und Aufsichtsrat tätigen Familienmitglieder. Bei beiden Dimensionen – Anzahl der Generationswechsel und im Unternehmen tätige Familienmitglieder – wird ein abnehmender Erfahrungszuwachs je zusätzlichem Generationswechsel bzw. Familienmitglied angenommen. Die Approximierung beider Dimensionen erfolgt mittels Messung der Anzahl an Familiengeneratio-
74 Hierzu sowie zu den folgenden Ausführungen zur F-PEC Skala vgl. Astrachan et al. (2002), Klein et al. (2005), Astrachan et al. (2002) sowie Klein (2004), S. 14ff. Für eine anwendungsorientierte Darstellung vgl. auch Jaskiewicz (2006), S. 19ff. 75 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Astrachan et al. (2002), S. 52.
23 nen in Eigentum, Aufsichtsgremium und Management sowie der Anzahl der Familienmitglieder im Unternehmen auf exponentiellen Funktionen mit abnehmendem Erfahrungszuwachs. Die Kultursubskala wird durch Übereinstimmung der Familien- und Unternehmenswerte sowie Identifikation der Familie mit dem Unternehmen determiniert. Beides wird mittels eines Fragebogens zu den Werten des Unternehmens evaluiert, der auf Aronoff/Ward zurückgeht und zwölf Variablen enthält.76 Hierin lässt sich auch die Brücke zu den genannten Definitionen über die Essenz von Familienunternehmen schlagen, da Aronoff/Ward die Meinung vertreten, dass das Wertesystem eines Familienunternehmens genau diese Essenz sei, die über die Generationen weitergegeben wird. Allerdings sind die zwölf Aussagen auf dem Fragebogen nicht überschneidungsfrei mit den anderen Skalen.77 Trotz der angesprochenen Kritik wurde die F-PEC Skala nicht nur empirisch validiert, sondern findet in der Literatur auch zunehmend Verbreitung, was darauf zurückzuführen ist, dass sie sowohl theoretisch als auch (mit genannten Einschränkungen) operationalisierbar ist.78 Das deutet – analog zu den Begriffsbestimmungen über Familieneinfluss sowie Essenz – bei operationalen und theoretischen Definitionsansätzen auf eine wünschenswerte Konversion.79
2.2.1.2. Entwicklung einer zweckmäßigen Definition für die vorliegende Arbeit Eine Definition reflektiert immer das Untersuchungsziel und ist damit weniger eine Frage der Richtigkeit, als der Zweckmäßigkeit. Nachdem bereits einige relevante Definitionen von Familienunternehmen vorgestellt wurden, wird in diesem Abschnitt eine für die vorliegende Arbeit zweckmäßige Begriffsabgrenzung von Familienunternehmen erarbeitet. Grundlage dafür ist die bereits erläuterte F-PEC Skala nach Astrachan et al., wobei auf eine frühere Version der Formel zur Messung machtbezogenen Familieneinflusses zurück gegriffen wird, die bereits in mehreren Erhebungen erfolgreich zur Identifikation von Familienunternehmen eingesetzt wurde:80 (1)
EK Fam ! 0
(2)
Familienunternehmen #
76
EK Fam KG Fam GL Fam t1 EK Ges KG Ges GLGes
Vgl. Aronoff/Ward (2001), zitiert nach Klein (2004), S. 15. Beispielsweise die unternehmensindividuell zu bewertende Aussage “Your family has influence on your business” misst eher den globalen Familieneinfluss als die Firmenkultur. Vgl. Cliff/Jennings (2005), S. 342. 78 Vgl. Klein et al. (2005). 79 Vgl. Chrisman et al. (2005), S. 557. Dem widersprechen Rutherford et al. und fordern eine stärkere Orientierung an der Essenz, was aus Sicht der vorliegenden Arbeit aufgrund der erwähnten Berücksichtigung in der Kultursubskala allerdings nicht nachvollziehbar ist. Vgl. Rutherford et al. (2008), S. 1105f. 80 Vgl. Jaskiewicz et al. (2005), S. 186, Klein (2000a), Achleitner et al. (2008a), S. 19, Klein (2000b), S. 20 sowie Klein (2004), S. 17f. 77
24 Ein Unternehmen qualifiziert sich danach als Familienunternehmen, wenn die Familie am Eigenkapital (EKFam) beteiligt ist und einen der drei Einflussfaktoren Eigenkapital, Kontrollgremium (KG) oder Geschäftsleitung (GL) dominiert. Liegen jeweils oder teilweise nur Mindereinflüsse vor, kann dies kompensiert werden, wenn in Summe über alle drei Einflussfaktoren mehr als 100% Einfluss der Familie gegeben ist. Ein Unternehmen, dessen Eigenkapital zum Beispiel zu 100% durch eine Familie gehalten wird, ist ein Familienunternehmen. Hält die Familie hingegen nur 50%, stellt aber gleichzeitig 50% der Mitglieder im Kontrollgremium und 25% der Mitglieder der Geschäftsleitung ist die Voraussetzung dominanten Familieneinflusses für die Qualifizierung zum Familienunternehmen mit insgesamt 125% erfüllt.81 Diese Definition trägt damit dem in der Praxis sehr unterschiedlich ausgeprägten Familieneinfluss Rechnung. Auch wenn die Familie nicht alle Gesellschafteranteile hält, vermag sie dies durch entsprechenden Einfluss in Management oder Aufsichtsgremium zu kompensieren, ohne dass das Unternehmen seinen Status als Familienunternehmen verliert. Wichtig ist, dass die Familie ihre Vorstellungen weiter im Unternehmen umsetzen kann.82 Familienunternehmen dieser Definition entsprechen gleichzeitig der engen Definition nach Astrachan/Shanker bzw. den Anforderungen hoher Familiness nach Habbershon/Williams.83 Nach dieser Definition fällt die BMW AG allerdings, die in einigen Studien als erfolgreiches Familienunternehmen hervorgehoben wird, nicht unter die Definition im Sinne der vorliegenden Arbeit:84 Familie Quandt hält weniger als 50% der stimmberechtigten Stammaktien, der Vorstand ist mit ausschließlich familienfremden Managern besetzt und im Aufsichtsrat gehören mit Stefan Quandt und Susanne Klatten nur 2 der 20 Aufsichtsratmitglieder zur Familie. Die Familie ist also am Eigenkapital beteiligt, was die notwendige Voraussetzung erfüllt. Der gesamte Familieneinfluss kann aber nur mit 60% und damit unterhalb der notwendigen 100%Schwelle beziffert werden.85 An der Porsche AG halten die Familien Porsche und Piëch hingegen über die Porsche Holding SE 100% der stimmberechtigten Stammaktien, sind mit 5 Familienmitgliedern im 15-köpfigen Aufsichtsrat vertreten, was einem Familieneinfluss von 33% entspricht. Der Vorstand ist allerdings ausschließlich familienfremd besetzt. Insgesamt entspricht der Familieneinfluss damit 133%, kann als dominant bezeichnet werden und klassifiziert die Porsche AG als Familienunternehmen.86
81
Vgl. Jaskiewicz (2006), S. 21, Klein (2004), S. 17. Vgl. Schürmann/Körfgen (1997), S. 7. 83 Vgl. Shanker/Astrachan (1996), S. 109f, Astrachan/Shanker (2003), S. 212, Habbershon/Williams (1999), S. 11f sowie Habbershon et al. (2003), S. 460f. 84 Für solche eine Studie vgl. bspw. Scherer et al. (2005), S. 5. 85 Vgl. BMW Group (Hrsg.) (2008). 86 Vgl. Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG (Hrsg.) (2008). 82
25 2.2.1.3. Abgrenzung zu kleinen und mittleren Unternehmen Oftmals werden Familienunternehmen mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gleichgesetzt, was allerdings falsch ist.87 Ein Großteil der Familienunternehmen gehört zwar zu KMU, eine Deckungsgleichheit der beiden Begriffe besteht aber nicht. Wie die bisherigen Erläuterungen nämlich verdeutlichen, unterscheiden Familienunternehmen sich von anderen Unternehmen nicht aufgrund der Unternehmensgröße, sondern aufgrund von Besonderheiten aus dem Zusammenspiel der beiden Systeme Familie und Unternehmen. Der Begriff KMU hingegen ist eine rein unternehmensgrößenbezogene Definition. Um einer Vermischung von Unternehmenstypus und -größe daher vorzubeugen, werden im Folgenden die häufigsten Klassifizierungen von kleinen und mittleren Unternehmen abgegrenzt. Dies ist notwendig, da – wie bereits in der Einleitung in Kapitel 1.2.2 angedeutet – Anleihen als Finanzierungsinstrument aufgrund der notwendigen Unternehmensgröße häufig als für Familienunternehmen ungeeignet abgelehnt werden. Dieses Argument mag für eine größenbezogene und nach oben begrenzte Unternehmensklasse wie den Mittelstand88 greifen, für eine größenunabhängige Klassifizierung wie Familienunternehmen gilt es nicht. Beim Begriff Mittelstand sind zwei maßgebliche Definitionen zu unterscheiden, die in Tab. 4 dargestellt werden: Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn versteht KMU als Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern sowie einem Jahresumsatz von weniger als 50 Mio. EUR. Gemäß der Begriffsbestimmung der Europäischen Kommission hingegen zählt ein Unternehmen bei selbem Maximalumsatz nur dann zum Mittelstand, wenn es weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigt und eine Bilanzsumme unter 43 Mio. EUR aufweist. Quantitative Kriterien
Definition Beschäftigte
Umsatz
Bilanzsumme
KMU nach IfM
< 500
< 50 Mio. Euro
-
KMU nach EU
< 250
< 50 Mio. Euro
< 43 Mio. Euro
Tab. 4: Mittelstandsdefinitionen gemäß IfM Bonn und EU-Kommission89
87 Für Beispiele zur Gleichsetzung von KMU und Familienunternehmen vgl. Scherer et al. (2005), S. 4, Vogler (1990), S. 36f sowie Wössner (1998), S. 19. 88 Die Begriffe Mittelstand, KMU und mittelständische Unternehmen werden in dieser Arbeit synonym verwandt, ähnlich: Segbers (2007), S. 61. Dies steht teilweise im Gegensatz zur Definition des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn, das zwischen Mittelstand und mittelständischen Unternehmen unterscheidet. Letztere bilden dabei die Familienunternehmen innerhalb des Mittelstands, vgl. IfM Bonn (Hrsg.) (2007), S. 4f. Da diese Begriffsabgrenzung jedoch aufgrund der Vermischung von Größen- und familienunternehmensspezifischen Kriterien zu Missinterpretationen führen kann, wird in der vorliegenden Arbeit explizit zwischen Mittelstand und Familienunternehmen unterschieden. Im Sinne dieser Arbeit handelt es sich bei Familienunternehmen, die unter die Größenkriterien des Mittelstands fallen somit um mittelständische Familienunternehmen. 89 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von IfM Bonn (Hrsg.) (2008) sowie Europäische Kommission (Hrsg.) (2003), S. 39, die 2005 angenommen wurde und seitdem Gültigkeit besitzt.
26 Insofern existiert für KMU – wie für Familienunternehmen – keine einheitliche Definition.90 Einigkeit besteht lediglich darüber, dass der Jahresumsatz im Mittelstand 50 Mio. EUR nicht übersteigt. Unternehmen mit höherem Jahresumsatz sind den Großunternehmen zuzurechnen. Bei vereinfachender ausschließlicher Betrachtung der Umsatzgröße und Zugrundelegung der Umsatzsteuerstatistik 2006 gehören in Deutschland somit 99,7% aller 3,1 Mio. Unternehmen zum Mittelstand. Lediglich 0,3% der deutschen Unternehmen erzielen einen Jahresumsatz von 50 Mio. EUR oder mehr und gehören damit den Großunternehmen an.91 Diese Größenkriterien machen deutlich, dass eine synonyme Verwendung der Begriffe Mittelstand und Familienunternehmen nicht nur unsauber, sondern falsch ist, da ein Familienunternehmen zweifelsfrei seine Eigenschaft als Familienunternehmen nicht dadurch verliert, dass es im Jahresumsatz über 50 Mio. EUR steigt. Anders herum muss aber auch nicht jedes mittelständische Unternehmen ein Familienunternehmen sein. Dies verdeutlicht eine Analyse von Kayser/Wallau nach der 2003 in Deutschland 106.398 Industrieunternehmen existierten, wovon 104.297 den Kriterien mittelständischer Unternehmen genügten. Allerdings entsprachen nur 88.832 dieser Industrieunternehmen den Prämissen eines Familienunternehmens.92
2.2.2. Besonderheiten im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen Nach der erfolgten definitorischen Abgrenzung von Familienunternehmen dienen die folgenden Abschnitte der Darstellung spezifischer Besonderheiten dieses Unternehmenstypus. Deren Kenntnis ist notwendig, um an späterer Stelle die spezifischen Finanzierungsanforderungen von Familienunternehmen ableiten zu können.
2.2.2.1. Mehrdimensionalität und besondere Ressourcenausstattung Familienunternehmen unterscheiden sich von Nicht-Familienunternehmen durch die Präsenz einer Familie, die auf das Unternehmen einwirkt. Wie bereits erläutert, findet diese Einwirkung über verschiedene Kanäle (Stimmrechte, Kontrollrechte, Führung) statt und verläuft reziprok zwischen Familie und Unternehmen. Daher werden Familienunternehmen oftmals als mehrdimensionale Systeme dargestellt.93
90
Vgl. Schuhmacher (2006), S. 1. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2008), o. S.. 92 Vgl. Kayser/Wallau (2003), S. 10. 93 Vgl. Klein (2004), S. 4f, die vier Dimensionen unterscheidet: Familie, Eigentum, Unternehmen und Führung. 91
27 Bereits in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts erschienen erste Artikel zu den Besonderheiten von Familienunternehmen.94 Darin wurde ein Modell vertreten, nach dem es sich bei Familienunternehmen um ein System mit zwei Subsystemen (Dimensionen) handelt: Familie und Unternehmen (vgl. Abb. 4 links). Gemäß dieser Vorstellung unterscheiden sich die beiden Subsysteme substantiell in ihren jeweiligen Zielen, Werten und Prinzipien. Während bei der Familie emotionale Verhaltensweisen und Personenzentriertheit vorherrschen, stehen bei Unternehmen Rationalität und Sach- bzw. Aufgabenzentriertheit im Vordergrund.95 Aus diesem Widerspruch werden familienunternehmensspezifische Phänomene wie Nepotismus96 oder familiäre Konflikte erklärt. Neben der starken Vereinfachung ist hierbei kritisch anzumerken, dass die Zuordnung gegensätzlicher Normen und Prinzipien zwischen Familie und Unternehmen nicht so eindeutig möglich ist, wie durch das Modell suggeriert. Personen sind nicht nur in der Familie sondern auch im Unternehmen zentral, ebenso ist das Familienleben zumindest teilweise auch rational determiniert. Weiterhin bleibt das Modell die Antwort auf die Frage schuldig, welche Schnittmenge bzw. Vereinigungsmenge der beiden Subsysteme in der Grafik das zu beschreibende System Familienunternehmen darstellt.97
Wachstum 4 Familie
Unternehmen
Gründung
5
Ei
Reife 1
Ju
Wende Unternehmen
ng eU n ntr tern e i tt ne hme Ge ue rf ne Ge ami ra t l ie ne ion Üb r e e rg np ation an art g n Fa sp ha ersc mi ha se lie ft
Unternehmen
7 Eignerunternehmen Eigentum
6
3
Familie 2
Geschwisterpartnerschaft Cousin-Konsortium Eigentum
Abb. 4: Mehrdimensionalität von Familienunternehmen98
Dieser erste Systematisierungsansatz erfuhr eine Weiterentwicklung durch Tagiuri/Davis, die das Modell um das Subsystem Eigentum erweiterten und damit das Drei-Kreise-Modell schufen (s. Abb. 4, Mitte).99 Durch die Überlagerungen der drei Subsysteme ergeben sich insgesamt sieben Sektoren, in denen ein zum Familienunternehmen gehörendes Individuum an94
Vgl. bspw. Donnelley (1964). Vgl. Simon et al. (2005), S. 30ff, Wimmer et al. (2005), S. 150f. Zu den Unterschieden der sozialen Systeme Familie und Unternehmen vgl. ausführlich Simon (2005), S. 17ff. Vgl. ebenso Rosenbauer (1994), S. 44f, Carlock/Ward (2001), S. 5, Baus (2007), S. 22. 96 Nepotismus liegt vor, wenn Familienmitglieder im Familienunternehmen Privilegien und Positionen erhalten, die nicht durch Leistungen und Kompetenz gerechtfertigt sind. Vgl. Lansberg (1983), S. 43. 97 Vgl. Viehl (2003), S. 14f. 98 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Einzeldarstellungen von Carlock/Ward (2001), S. 5ff, Gersick et al. (1997), S. 6 und S. 17 sowie Mühlebach (2004), S. 21. 99 Vgl. Tagiuri/Davis (1996), S. 200. 95
28 gesiedelt sein kann. Je nach Sektorenzugehörigkeit ergeben sich unterschiedliche Standpunkte und Rollen, was die Komplexität von Familienunternehmen verdeutlicht: Zum Beispiel könnte ein Familienmitglied aus Sektor zwei, das weder Anteile am Unternehmen hält noch dort arbeitet, die Meinung vertreten, dass alle Familienmitglieder ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz im Familienunternehmen haben. Ein Familienmitglied aus Sektor sieben wird diesem Anspruch in Abhängigkeit der Auslegung seiner Rollen als Verwandter, Eigentümer und Manager bzw. Gewichtung seiner verwandtschaftlichen Verpflichtungen ggü. seinem Anspruch an die Professionalität des Unternehmens nicht oder nur widerwillig zustimmen. Ein familienexterner Manager (Sektor 1) hingegen ist höchstwahrscheinlich nur bereit Familienmitglieder einzustellen, wenn diese vergleichbare Qualifikationen zu externen Bewerbern aufweisen.100 Das Drei-Kreise-Modell liefert somit einen wertvollen Beitrag zum Verständnis der Besonderheiten von Familienunternehmen, vermag wegen seiner statischen Konstruktion jedoch nur Momentaufnahmen abzubilden.101 Aus diesem Grund entwickelten Gersick et al. eine dynamische Version des Drei-Kreise-Modells: Das dreidimensionale Lebenszyklusmodell. Dieses Modell thematisiert explizit die kritischen Momente im Lebenszyklus von Familienunternehmen. Dazu gehören bspw. der Eintritt einer neuen Generation ins Management oder die Erweiterung des Gesellschafterkreises durch Vererbung oder Aufnahme familienfremder Gesellschafter. Die drei Dimensionen Familie, Unternehmen und Eigentum werden auf drei Achsen abgetragen und im Zeitverlauf dargestellt (s. Abb. 4 rechts). Auf der Unternehmensachse stehen mit Gründung, Wachstum, Reife und Wende102 die typischen Phasen im Lebenszyklus eines Unternehmens. Die Familienachse ist unterteilt in Junge Unternehmerfamilie, Eintritt der neuen Generation, Generationenpartnerschaft sowie Übergabephase und beschreibt idealtypisch die Entwicklung einer Familie und jeweilige Verantwortungsübernahme zweier Generationen im Zeitverlauf. Die Eigentumsachse mit den drei Phasen Eignerunternehmen, Geschwisterpartnerschaft und Cousinkonsortium spiegelt die Verbreiterung des Gesellschafterkreises im Zeitverlauf wider. Die Stärke des dreidimensionalen Lebenszyklusmodells liegt in seiner universellen Anwend-
100
Vgl. Gersick et al. (1997), S. 5f. Vgl. Habbershon et al. (2006), S. 69. Einige Autoren erweitern das Drei-Kreise-Modell um eine vierte Dimension. Klein bspw. ergänzt Familie, Unternehmen und Eigentum um Führung und betont damit die besonderen Herausforderungen, die auch in diesem Bereich eines Familienunternehmens auftreten; vgl. Klein (2004), S. 4ff. Aufgrund des ebenso statischen Aufbaus und der zugehörigen Defizite wird auf die detaillierte Darstellung weiterer mehrdimensionaler Modell jedoch verzichtet. 102 Angelehnt an Mühlebach wird die Wendephase aufgenommen, was eine Erweiterung des ursprünglichen Modells von Gersick et al. darstellt. Vgl. Mühlebach (2004) im Gegensatz zu Gersick et al. (1997), S. 22ff. 101
29 barkeit, da sich jedes Familienunternehmen auf einem bestimmten Abschnitt aller drei Achsen befindet und sich in seiner spezifischen Situation wieder finden kann.103 Ausgehend von diesen Erläuterungen zur Mehrdimensionalität ergibt sich die für die Auseinandersetzung mit Finanzierungsanforderungen von Familienunternehmen wichtige Frage, welche Auswirkungen diese Mehrdimensionalität auf den Unternehmenstypus Familienunternehmen hat. Habbershon et al. argumentieren diesbezüglich, dass die drei Subsysteme und die sich ergebenden Synergien einen einzigartigen Pool an Ressourcen und Fähigkeiten bilden, die in strategischen Wettbewerbsvorteilen dieses Unternehmenstypus resultieren.104 Gemäß der Ressourcentheorie105 liegen Wettbewerbsvorteile vor, wenn Ressourcen einzigartig sowie untrennbar mit dem Unternehmen verbunden sind und untereinander Synergien bestehen.106 Sirmon/Hitt identifizieren gemäß dieser Definition fünf Ressourcen bei Familienunternehmen, die Wettbewerbsvorteile ermöglichen: Human Capital (Familienmitglieder, die gleichzeitig Kollegen sind), Social Capital107 (Verbundenheit der Stakeholder mit der Firma aufgrund der engen Familieneinbindung), Survivability Capital (zusätzliche Ressourcen der Familie, die diese bereit sind, der Firma in Notzeiten zur Verfügung zu stellen, wie Arbeitskraft und -zeit, Eigenkapital, Darlehen), Patient Financial Capital (langfristig investiertes Kapital) und Governance Structure (Personalunion von Führung und Eigentum).108
2.2.2.2. Resultierende Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken Aus den erläuterten Besonderheiten und der besonderen Ressourcenausstattung von Familienunternehmen ergeben sich Wettbewerbsvorteile in Form typischer Stärken und Chancen, denen allerdings Wettbewerbsnachteile in Form typischer Schwächen und Risiken gegenüberstehen. Tab. 5 gibt diese in Form einer SWOT-Analyse109 wieder.
103
Vgl. Gersick et al. (1997), S. 15ff. Zum Umgang mit der zunehmenden Komplexität durch Verbreiterung des Gesellschafterkreises vgl. Lambrecht/Lievens (2008). Vgl. Habbershon et al. (2006), S. 74. Hungenberg definiert Ressourcen als alle materiellen und immateriellen Güter, über die ein Unternehmen verfügt. Dazu gehören neben Maschinen, Anlagen, Finanzmittel auch Knowhow der Mitarbeiter, Patente und das Image des Unternehmens. Fähigkeiten als zweite Kompetenzart hingegen beschreiben, inwiefern ein Unternehmen in der Lage ist, diese Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Sie umfassen daher Organisation, Prozesse und Führungssysteme des Unternehmens. Vgl. Hungenberg (2008), S. 147. 105 Für eine detaillierte Einordnung der Ressourcentheorie in die Forschung zu Familienunternehmen vgl. Boyd (2007), S. 40ff, Chrisman et al. (2005), S. 562ff und Chrisman et al. (2003a), S. 20ff sowie Habbershon/Williams (1999), S. 7ff. 106 Vgl. Habbershon et al. (2006) 73ff. 107 Zur besondere Bedeutung von Social Capital bei Familienunternehmen vgl. auch Salvato/Melin (2008), S. 261f und S. 264ff, Sharma (2008). 108 Vgl. Sirmon/Hitt (2003), S. 341. 109 Das Akronym SWOT leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der Analyseobjekte Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats ab. Vgl. Valentin (2001), S. 54, der die SWOT-Analyse ebenfalls im Zusammenhang mit der Ressourcentheorie einsetzt. 104
30 Stärken Kurze Entscheidungswege und höhere Flexibilität aufgrund der Vereinigung von Kapital und Führung Loyalität und Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen aufgrund ausgeprägter Unternehmenskultur Langfristige Perspektive Innovationsfähigkeit und hohe Produktqualität aufgrund über mehrere Generationen kumulierten und tradierten Produkt- und Markt-Know-hows Hohe Kundenorientierung, große Marktnähe Sparsamkeit Schwächen Probleme im Nachfolgeprozess Übertragung familiärer Konflikte auf das Unternehmen Abhängigkeit von engen Marktnischen aufgrund eines unausgewogenen Produktportfolios bzw. Fokussierung auf ein zu kleines Produktportfolio durch zu starke Ausrichtung auf einen Nischenmarkt Kapitalengpässe und Wachstumsbegrenzung durch Abneigung gegenüber familienexternen Gesellschaftern
Chancen Unabhängigkeit von externen Eigenkapitalgebern Für nicht börsennotierte Familienunternehmen: Keine Fixierung auf kurzfristige Kurssteigerungen und Analystenmeinungen Hohe Ertragspotenziale durch Fokussierung auf Nischenmärkte, ggf. mit hohen Eintrittsbarrieren
Risiken Nepotismus Mangel an mittlerem Management aufgrund der Monopolisierung von Führungsfunktionen bei Familienmitgliedern Zersplitterung des Eigentums und intransparente Beteiligungsstrukturen durch Erbfälle Strategische Starre durch ausgeprägte Kultur, die zum Wahrnehmungsfilter wird und dazu führt, dass trotz erkennbarem Niedergang an einem Markt oder Produkt festgehalten wird Liquiditätsengpässe durch finanzielle Ausgleichsverpflichtungen bei Familienkonflikten
Tab. 5: SWOT-Analyse zu Familienunternehmen110
Zusammenfassend lässt sich mit Mühlebach festhalten, dass die „Familie gleichzeitig der größte Kraftquell oder der schlimmste Störfaktor in einem Unternehmen sein“111 kann.112 Groth bezeichnet dies als Paradoxie von Familienunternehmen.113 Tagiuri/Davis beschreiben die ressourcenbasierten Besonderheiten von Familienunternehmen analog als ambivalente Attribute, die sowohl Stärke und Schwäche sein können.114 Scherer et al. bezeichnen Familienunternehmen deswegen als janusköpfig, deren Entwicklung nur selten durchschnittlich, oft aber überaus positiv oder unterdurchschnittlich verläuft.115
110
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken aus Picot (2008), S. 5 und S. 14, Bertrand/Schoar (2006), S. 74ff, Kellermanns et al. (2008), S. 2, Habbershon et al. (2006), S. 47, Simon (2005), S. 31f, Gallo/Cappuyns (2004), S. 8, Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.) (2000), S. 45, Wössner (1998), S. 20ff, Neubauer/Lank (1998), S. 17, Kaleja/Pollner (1998), Carlock/Ward (2001), S. 192ff, Zahra et al. (2004), Scherer et al. (2005), S. 12ff, Wimmer et al. (2005), S. 9, Pinkwart (2001), S. 219f, Rosenbauer (1994), S. 147ff. Für eine Gegenüberstellung unterschiedlicher Konstellationen von Familieneinfluss und die resultierenden Stärken bzw. Schwächen vgl. auch Miller/Le Breton-Miller (2006). 111 Mühlebach (2004), S. 28. 112 Ähnlich auch Eddleston/Kellermanns: „While the family can be a source of strength to a family business, it can also cause its demise.” Siehe Eddleston/Kellermanns (2007), S. 545. 113 Vgl. Groth (2008), S. 36. 114 Vgl. Tagiuri/Davis (1996), S. 200. 115 Vgl. Scherer et al. (2005), S. 98.
31 Unabhängig von der individuellen Entwicklung eines Unternehmens, die sich aus der erfolgreichen Nutzung der Stärken und Chancen bzw. der nachteiligen Durchsetzung der Schwächen und Risiken ergibt, verdeutlicht die SWOT-Analyse viele der Aspekte, die in dem einleitend in Kapitel 1 eingeführten Begriff Industriekapitalismus kumulieren: Einerseits Marktnähe, Innovationsfähigkeit und Produktqualität, andererseits aber auch Wachstumseinschränkungen aufgrund der Ablehnung externer Eigenkapitalgeber oder teilweise fehlendes Knowhow in Finanzierungsfragen durch die Monopolisierung von Führungspositionen bei Familienmitgliedern. Einer Erörterung, wie eben jene Auswirkungen der Besonderheiten von Familienunternehmen sich auf ihre Finanzierungssituation auswirken, dient das folgende Kapitel.
32
3. Finanzierungsrealität deutscher Familienunternehmen Bei deutschen Familienunternehmen handelt es sich vielfach um mittelständische Unternehmen.116 Wie bereits in Abschnitt 2.2.1.3 dargestellt, besteht jedoch keine Übereinstimmung dieser beiden Unternehmenstypen. Eine Gleichsetzung wäre somit falsch.117 Aus diesen Gründen bezieht sich die folgende Darstellung der Finanzierungssituation deutscher Familienunternehmen weitgehend auf Untersuchungsergebnisse von Studien, die sich explizit mit Familienunternehmen und deren Kapitalisierung befassen. Allerdings decken sich die Ergebnisse größtenteils mit denjenigen von Mittelstandserhebungen, die zu Vergleichszwecken herangezogen wurden.118
3.1. Finanzierungssituation deutscher Familienunternehmen Ein zentraler Unterschied zwischen der Finanzierung eines Familienunternehmens und eines Nicht-Familienunternehmens ergibt sich aus der Überschneidung der Vermögenssphären von Eigentümern und Unternehmen.119 Dies zeigt sich bspw. in Kapitalkonten der Gesellschafter, die bei den meisten Familienunternehmen existieren. Bewegungen auf diesen Konten haben direkten Einfluss auf die Liquidität des Unternehmens. Wesentliche Buchungen fallen insbesondere bei Erbschaftssteuerzahlungen aufgrund von Todesfällen im Eigentümerkreis, Auszahlungen an weichende Gesellschafter oder Scheidungen an.120 Über die reine Vermögensüberschneidung hinaus ist außerdem ein Großteil des Familienvermögens im Unternehmen investiert.121 Eine durchschnittliche Quote im Unternehmen gebundenen Kapitals von weit über 50% scheint realistisch.122 Das Unternehmen bildet somit die bei weitem wichtigste Einzelposition im Anlageportfolio der Eigentümer. Ein weiterer zentraler Unterschied zu Publikumsgesellschaften ergibt sich aus dem starken Einfluss, den die Eigentümerfamilie auf das Unternehmen ausübt. Aufgrund des beschriebenen direkten Zusammenhangs zwischen Unternehmens- und Familienvermögen wird die Ei116
Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 13 sowie Kormann (2003), S. 14. Vgl. dazu auch Scherer et al. (2005), S. 4. Zu Vergleichszwecken wurden folgende Untersuchungen zum Mittelstand einschließlich seiner Finanzierung herangezogen: Plankensteiner/Zimmermann (2008), Reize/Lo (2008), Plankensteiner/Zimmermann (2007), Wallau et al. (2007), Hansmann et al. (2007), Plattner/Plankensteiner (2006), Engel et al. (2006), Plattner (2006) und Zimmermann/Schumacher (2005). 119 Vgl. Haynes et al. (1999), S. 237. 120 Vgl. Sieger (2008), S. 361, v. Weizsäcker/Krempel (2006), S. 9. 121 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 19, Scherer et al. (2005), S. 55, Kormann (2003), S. 17 oder Dreux IV (1990), S. 230. 122 Vgl. dazu die Aussagen von Experten 1 im Interview, im Rahmen desser er sogar 80% als Quote des im Familienunternehmen gebundenen Kapitals angibt. Insofern scheint ein Anteil von über 50% recht konservativ geschätzt. Vgl. Experte 1 (2008), S. 7. 117 118
33 gentümerfamilie ihren Einfluss auf Kapitalstrukturentscheidungen des Unternehmens regelmäßig nutzen und sie mitgestalten. Wie die resultierende Finanzierung von Familienunternehmen in Ausprägung der Nutzung einzelner Finanzierungsinstrumente konkret gestaltet ist und inwiefern dies sich von Nicht-Familienunternehmen unterscheidet, soll im Folgenden untersucht werden.
3.1.1. Eigenkapitalquote Dem deutschen Mittelstand und überschneidungsbedingt damit zumindest teilweise auch deutschen Familienunternehmen wird gemeinhin eine sehr geringe Eigenkapitalquote123 attestiert.124 Zur Quantifizierung dieser Aussage dient dieser Arbeit die in der zugehörigen Literatur vorherrschende Klassifizierung, nach der eine Eigenkapitalquote unter 20% Unterkapitalisierung repräsentiert. Die zugehörige Verschuldungshöhe von über 80% ist kritisch für den Fortbestand des Unternehmens. Überkapitalisierung liegt vor bei einer Eigenkapitalquote von 70% und mehr. Diese bedroht das Unternehmen zwar nicht unmittelbar in seinem Fortbestand, die Eigenkapitalrendite ließe sich durch Aufnahme von Fremdkapital jedoch steigern.125 Langfristig vermag eine zu hohe Eigenkapitalquote allerdings auch den Unternehmensfortbestand zu bedrohen, wenn die Vermeidung von Schulden die Investitionsmittel so stark begrenzen, dass wesentliche Wachstumspotenziale des Unternehmens dauerhaft nicht genutzt werden können.126 Entsprechend dieser Definition müssten die erwähnten Aussagen, nach denen Familienunternehmen über eine sehr niedrige Eigenkapitaldecke verfügen, eine Situation durchschnittlicher Eigenkapitalquoten um 20% beschreiben. Ein solches Urteil erscheint jedoch relativ pauschal und könnte eventuell auf Auswertung unzureichender Quellen bzw. mangelnder Spezifizierung von Familienunternehmen zurückgehen.127 Bereits bei Auswertung öffentlich zugänglicher Daten wie der Bilanzanalysen der Bundesbank stellt sich nämlich folgende Ausgangslage dar: Das verarbeitende Gewerbe, das zu überwiegenden Teilen durch mittelständische und Familienunternehmen geprägt wird,128 wies in den Jahren 2004 bzw. 2005 eine durch-
123
Die Eigenkapitalquote wird definiert als Verhältnis von Eigenkapital zu Bilanzsumme. Vgl. Drukarczyk (2003), S. 269. Damit basiert die Berechnung auf Buchwerten. Das erleichtert die Ermittlung bei Familienunternehmen insofern, als Marktwerte über eine Börsennotierung o.ä. nur selten zur Verfügung stehen. 124 Vgl. exemplarisch Kruse (2006), S. 107, Schuhmacher (2006), S. 1, Plattner et al. (2005), S. 14, Paul/Stein (2005), S. 39ff, Buchmann (2003), S. 19 und v. Tippelskirch (2000), S. 112. 125 Für eine Erklärung dieses Leverage-Effekts vgl. Abschnitt 5.1.1 dieser Arbeit. 126 Für dieses Verständnis wirtschaftlicher Unter- bzw. Überkapitalisierung vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 25. 127 Vgl. Scherer et al. (2005), S. 51f. 128 Vgl. Kormann (2003), S. 1ff.
34 schnittliche Eigenkapitalquote von 27,1% bzw. 27,4% auf.129 Noch unverständlicher erscheint die Aussage zur Unterkapitalisierung, wenn man sich aktuelle Studien vor Augen führt, die sich explizit mit der Finanzierungsstruktur deutscher Familienunternehmen befassen. Die Ergebnisse zweier empirischer Studien von Redlefsen/Eiben mit Daten aus 2005 (n=297) und Achleitner et al. mit Daten aus 2007 (n=237) werden in Abb. 5 gegenübergestellt. Mit einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote von 36,3% bei Redlefsen/Eiben bzw. 44,7% (Median 39%) bei Achleitner et al. zeichnen diese Erhebungen ein anderes Bild.130 30% 25%
25%
22%
Häufigkeit .
20%
20%
20%
17%
15% 15%
12%
15% 11%
11%
10%
10% 8%
8% 5%
5% 0% 0-19%
20-29%
30-39%
40-49%
50-59%
60-69%
70-100%
Eigenkapitalquote Redlefsen/ Eiben (2006)
Achleitner et al. (2008)
Abb. 5: Eigenkapitalquote deutscher Familienunternehmen131
Diese positive Erkenntnis deckt sich dabei mit anderen Studien für einen vergleichbaren Zeitraum. Auch bei 45% der in einer Studie von Burger-Calderon et al. 2004 befragten Familienunternehmen lag die Eigenkapitalquote zwischen 30% und 40%.132 Ebenso kommt Kormann in seiner Studie von 2003 auf eine Quote von 40% bis 50% eigengebildeter Mittel.133 Interessanterweise scheint die Eigenkapitalquote von Familienunternehmen dabei nicht mit der Unternehmensgröße zu korrelieren.134 Abb. 5 zeigt also ein von der Unternehmensgröße unabhängiges Bild der Eigenkapitalquote. Der Vorwurf einer zu dünnen Eigenkapitaldecke betrifft die Mehrheit deutscher Familienunternehmen folglich nicht. Für eine Minderheit von 12% bzw. 11% der Unternehmen zeigen die Studien von Redlefsen/Eiben und Achleitner et al. allerdings doch, dass eine Unterneh129
Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2007), S. 52. Vgl. Redlefsen/Eiben (2006), S. 3, Achleitner et al. (2008a), S. 26. Quelle: Eigene Darstellung basierend auf einer Gegenüberstellung der Ergebnisse aus Redlefsen/Eiben (2006), S. 3 und Achleitner et al. (2008a), S. 26. 132 Vgl. Burger-Calderon et al. (2004), S. 9ff. Auch wenn diese nicht als repräsentativ gelten kann, da die Grundgesamtheit nur aus 24 befragten Familienunternehmen besteht, unterstreicht dies zumindest die Erkenntnisse aus den großzahligen Erhebungen. 133 Vgl. Kormann (2003), S. 16. Entsprechend internationaler Rechnungslegungsstandards bezieht er neben dem Eigenkapital allerdings auch Pensions- und andere aus dem Cashflow gebildete Rückstellungen mit ein. 134 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 26, Redlefsen/Eiben (2006), S. 3, Burger-Calderon et al. (2004), S. 9ff. 130 131
35 mensgefährdung durch eine Unterkapitalisierung gegeben ist. Ebenso weisen 10% bzw. 20% der Unternehmen Eigenkapitalquoten von 70% und mehr auf. Im Einzelfall muss für beide Gruppen folglich überprüft werden, ob und wie die Eigenkapitalquote gezielt gestärkt bzw. reduziert werden sollte – wobei im Fall der Unterkapitalisierung die Frage sich mehr auf das „wie“ und weniger auf das „ob“ konzentrieren muss.
3.1.2. Nutzung verschiedener Finanzierungsinstrumente Neben der Ausstattung mit Eigenkapital und der resultierenden Struktur von Eigen- zu Fremdkapital ist die Frage nach der Nutzung verschiedener Finanzierungsinstrumente innerhalb dieser Kapitalstruktur zentral. Dazu stellt Abb. 6 wiederum die Ergebnisse der Studien von Redlefsen/Eiben und Achleitner et al. gegenüber. Die beiden Erhebungen nehmen dabei unterschiedliche Unterteilungen der Finanzinstrumente vor. Weil aber eine studienübergreifende Vereinheitlichung möglich ist, schränkt dies die Aussagekraft nicht ein. Bankkredit 87%
83%
89%
80% 77%
Mezzanine-Kapital 19% 14% 14% 10% 8%7% 6% 6% 4% 3%1% 3%1%
G
ew
Nutzung.
92%
in nr üc ku kl rz ag fr. en Ba nk la kr ng ed fr. ite Ba nk kr ed ite Ba nk kr ed it Le as in g Fa ct M or ez in za g ni sta ne nd -K ar ap G d. ita en M l us ez s sc za h ni pr ei n ne iv eate Pr og sB ra ete m ili m gu e ng sk ap ita l A nl eih Bö e rs en ga ng
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Redlefsen/Eiben (2006)
Achleitner et al. (2008)
Abb. 6: Nutzung von Finanzierungsinstrumenten durch deutsche Familienunternehmen135
Die Finanzierung der überwiegenden Mehrheit deutscher Familienunternehmen fußt auf drei Instrumenten: Gewinnrücklagen als Element der klassischen Innenfinanzierung mit über 90% Nutzungsgrad, Bankkredite mit einer nur geringfügig niedrigeren Nutzung und Leasing mit ca. 80% Nutzungsgrad. Weitere Finanzierungsformen wie Factoring, Mezzanine-Kapital, Beteiligungskapital, Anleihe und Börsengang werden nur sehr untergeordnet eingesetzt. Auch
135
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf einer Gegenüberstellung der Ergebnisse aus Redlefsen/Eiben (2006), S. 7 und Achleitner et al. (2008a), S. 27f.
36 für große Familienunternehmen zwischen 100 Mio. und 5 Mrd. Euro Umsatz kommen Burger-Calderon et al. zu einem gleichgerichteten Ergebnis: Gewinnthesaurierung gepaart mit Bankkrediten stellt die dominante Kapitalquelle dar. Lediglich 13% nutzen alternative Instrumente – dabei handelt es sich im Wesentlichen um Leasing und Factoring.136 Validiert werden diese Erkenntnisse durch eine Erhebung von Wallau et al. von 2007: Innenfinanzierung stellt den bei weitem wichtigsten Finanzierungsbaustein für Investitionen bei Familienunternehmen dar, gefolgt von Bankkrediten und Leasing.137 Es ist zu konstatieren, dass Innenfinanzierung, Bankkredit und eventuell noch Leasing die traditionelle Finanzierung deutscher Familienunternehmen darstellen. Weil Leasing eher ein Instrument zu Begrenzung des Mittelabflusses als zur Neuaufnahme von Mitteln darstellt, ist die Beschaffung externen Kapitals damit weitgehend auf Bankkredite beschränkt.138 Eine Begründung für diese „Monokultur“ in Finanzierungsfragen liefern die befragten Unternehmen auch: Andere Instrumente werden deswegen nicht eingesetzt, weil der Bedarf zu einer Diversifizierung der Kapitalbeschaffung allgemein nicht erkannt wird, potenzielle, andere Instrumente als ungeeignet eingeschätzt werden oder in ihren jeweiligen Anforderungen, Konsequenzen sowie Vor- und Nachteilen weitgehend unbekannt sind.139 Dieses mangelnde Wissen um Zweck und Funktionsweise alternativer Finanzierungsmöglichkeiten belegt auch eine Studie von Arnsfeld/Hieb von 2004, nach der sich fast 60% der befragten mittelständischen Unternehmen diesbezüglich mittelmäßig bis schlecht informiert fühlen.140
3.1.3. Charakterisierung der traditionellen Kapitalbeschaffung Zur Einordnung der später folgenden Auseinandersetzung mit Alternativen zur traditionellen Finanzierung werden im Folgenden einige grundlegende Charakteristika von Innenfinanzierung, Bankkredit und Leasing dargestellt.
3.1.3.1. Innenfinanzierung Innenfinanzierung beschreibt eine Kapitalisierungsform ohne externe Zuführung finanzieller Mittel. Dabei sind vier grundlegende Arten der Innenfinanzierung zu unterscheiden: Selbstfi-
136
Vgl. Burger-Calderon et al. (2004), S. 9ff. Vgl. Wallau et al. (2007), S. 48f. 138 Vgl. v. Tippelskirch (2000), S. 112. 139 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 28f sowie Redlefsen/Eiben (2006), S. 7f. Die mangelnde Information zeigt auch eine Studie von 140 Vgl. Arnsfeld/Hieb (2004), S. 665. 137
37 nanzierung, Finanzierung aus Umsätzen mittels Abschreibungen, Finanzierung aus Umsätzen mittels Rückstellungen und Finanzierung durch Vermögensumschichtung.141 Bei der Selbstfinanzierung werden liquide Gewinne des Unternehmens einbehalten. Dies erfolgt entweder bilanziell ersichtlich in Form von Kapital- oder Gewinnrücklagen (offene Selbstfinanzierung) oder durch Einbehaltung nicht ausgewiesener Gewinne (stille Selbstfinanzierung). Letztere nutzt bilanzpolitische Maßnahmen wie die Unterbewertung von Aktiva oder die Überbewertung von Passiva zur Schaffung stiller Reserven. Die Finanzierung aus Umsätzen mittels Abschreibungen basiert auf dem Kapitalfreisetzungseffekt bilanzieller Abschreibungen. Diesen muss allerdings ein Umsatz in entsprechender Höhe gegenüber stehen, um damit freie Mittel zu generieren. Weiterhin dürfen die frei werdenden Mittel nicht z.B. für Reinvestitionen zweckgebunden sein. Die Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Rückstellungen funktioniert vergleichbar: Die Bildung von Rückstellungen für potenzielle Verbindlichkeiten in der Zukunft bewirkt einen Aufwand ohne zugehörige Auszahlungsposition, womit freie Mittel entstehen. Bei der Finanzierung durch Vermögensumschichtung wird Liquidität durch Veräußerung nicht betriebsnotwendiger Vermögensteile generiert. Dazu gehören auch Sale-and-lease-back Geschäfte.142 Die beschriebenen Varianten verdeutlichen, dass Innenfinanzierung auf den Liquiditätszufluss durch das operative Geschäft sowie einmalige Cash-Effekte durch Vermögensveräußerungen begrenzt ist. Eine Generierung von Finanzmitteln über bestehende Umsätze und evtl. veräußerbare Aktiva hinaus ist nicht möglich. Allerdings stellt sie eine vergleichsweise günstige Finanzierungsform dar. Fremdleistungskosten143 fallen keine an. Gewerbe- und Körperschaftssteuer sind nicht relevant, da sie sowohl bei Selbstfinanzierung als auch bei der Ausschüttung als Alternativverwendung anfallen. Eine Ausschüttung unterliegt sogar noch höheren Kosten, da hierbei je nach Unternehmensrechtsform Abgeltungs- oder Einkommenssteuer abzüglich eines Teils der Gewerbesteuer anfallen.144 Insofern sind auch die Nutzungskosten145 der Innenfinanzierung sehr niedrig.
141
Vgl. Däumler/Grabe (2008), S. 319. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 463ff sowie Däumler/Grabe (2008), S. 320ff. Zum Leasing siehe auch Abschnitt 3.1.3.3. 143 Unter Fremdleistungskosten eines Finanzierungsinstruments werden einmalig mit der Beschaffung des Kapitals verbundene Kosten subsumiert. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 456 und Herbst (2005), S. 43ff. 144 Vgl. Zantow (2007), S. 276ff. 145 Nutzungskosten stellen Kostenpositionen dar, die laufend durch die Nutzung des Finanzierungsinstruments verursacht werden. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 456 und Herbst (2005), S. 43ff. 142
38 Innenfinanzierung Abhängig von Jahresüberschuss, Abschreibungs- und Rückstellungsvolumina Unbegrenzt Thesaurierbarer Gewinn, Abschreibungen ohne Reinvestitionen in gleicher Höhe, Rückstellungsbildung, veräußerbare Aktiva Platzierungsdauer Kapitalgeber Bestehende Gesellschafter (unverändert) Stellung der Kapitalgeber Gesellschafter (unverändert) Stärken Keine zusätzlichen Gläubiger oder Gesellschafter, flexibel, einfach, relativ günstig Schwächen Ausschüttungseinschränkung, begrenzt auf Innenfinanzierungskraft aus operativem Geschäft Tab. 6: Charakteristika von Innenfinanzierung im Überblick146 Fremdleistungskosten Nutzungskosten Volumen Laufzeit Anforderungen
3.1.3.2. Bankkredit Ein Bankkredit weist acht wesentliche Gestaltungsmerkmale auf: Erstens die Höhe des Darlehens, die frei zwischen Kreditnehmer und Bank verhandelt wird.147 Zweitens bestimmt die Laufzeit einen Kredit, wobei kurzfristige von langfristigen Krediten (Darlehen) zu unterscheiden sind. Letztere stehen im Fokus dieser Arbeit, weswegen sich die weiteren Erläuterungen auf diesen Typ beziehen.148 Solche Kredite laufen über 4 oder 5 Jahre, längere Laufzeiten sind seltener.149 Drittens schreibt der Kreditvertrag die Tilgungsmodalität fest: Annuitäten-, Tilgungs- oder endfälliges Darlehen.150 Viertens werden Verzinsung und Zinszahlungstermine für den Kredit vereinbart. Die Höhe der Kreditmarge errechnet sich dabei als Summe aus Referenzzinssatz151, Verwaltungs- und Bearbeitungskostenzuschlag, Eigenkapitalkosten152, Risikokosten zur Abgeltung des individuellen Ausfallrisikos und Gewinnmarge.153 Diese Nominalverzinsung wird fix oder variabel vereinbart. Letzteres setzt eine Zinsgleitklausel zur Kopplung der Kreditmarge an einen Referenzzinssatz voraus.154 Für einen Bankkredit lagen die durchschnittlichen Kreditmargen zwischen Januar 2003 und Juli
146
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 415f. Dies liegt einerseits am relevanten Vergleich mit Unternehmensanleihen, die auch als langfristige Finanzierungsinstrumente zu klassifizieren sind (vgl. Abschnitt 3.3.4.4). Andererseits machen langfristige Unternehmenskredite mit ca. 70% den Großteil des Unternehmenskreditbestands in Deutschland aus. Vgl. Rehbock (2007), S. 4. 149 Vgl. Wöhe/Bilstein (2002), S. 208 sowie Grunow/Figgener (2006), S. 316. 150 Vgl. Zantow (2007), S. 192f. 151 Der Referenzzinssatz entspricht den fristenkongruenten Refinanzierungskosten der Bank am Kapitalmarkt. Vgl. Herbst (2005), S. 60. 152 Die Eigenkapitalkosten spiegeln die nach Bonität des Schuldners differierende Eigenkapitalbindung der Bank. Vgl. dazu die Ausführungen zu Basel II in Abschnitt 3.2.2.3. 153 Vgl. Schiller/Tytko (2001), S. 213. 154 Vgl. Wöhe/Bilstein (2002), S. 215. 147 148
39 2008 zwischen 4,7% und 5,8%.155 Fünftens wird im Kreditvertrag definiert, in welcher Währung der Kredit aufgenommen wird. Sechstens werden Kündigungsrechte für Gläubiger und Schuldner vereinbart. Dem Schuldner steht ein ordentliches Kündigungsrecht nach Ablauf der Zinsbindungsfrist bzw. mit einer Frist von 3 Monaten bei variabler Verzinsung zu. Daneben verfügt er bei berechtigtem Interesse über ein außerordentliches Kündigungsrecht. Dies besteht regelmäßig bei anderweitiger Verwertung der zur Sicherung des Darlehens überlassenen Sicherheiten.156 Ein außerordentliches Kündigungsrecht der Bank entsteht, wenn die Vermögensverhältnisse oder Sicherheiten des Kreditnehmers sich wesentlich verschlechtern, so dass die Rückzahlung des Kredits auch bei Verwertung der Sicherheiten gefährdet wäre.157 De jure ist hierzu prinzipiell eine Kündigungsfrist einzuhalten. Um diese zu umgehen, formulieren Kreditinstitute in ihren AGB regelmäßig Kündigungsrechte, die keine Kündigungsfristen bei Vorliegen wesentlicher Verschlechterungen der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers vorsehen.158 Siebtens werden im Kreditvertrag Sicherheiten definiert. Bei den Sicherheiten sind einerseits Realsicherheiten zu nennen, bei denen der Kreditnehmer dem Kreditgeber im Ersatzfall das Recht zur Befriedigung seiner Forderungen durch Verwertung dinglicher Sicherheiten überlässt. Die Fremdleistungskosten für diese Sicherheitenstellung können insgesamt mit 0,75% veranschlagt werden.159 Andererseits existieren häufig akzessorische Sicherheiten wie Bürgschaften.160 Zusätzlich finden fiduziarische Sicherheiten wie Garantien Eingang in Kreditverträge. Inhaltlich wird damit garantiert, dass die im Rahmen eines Garantievertrags vereinbarten Verpflichtungen wie Zinsen und Tilgung geleistet werden.161 Handelt es sich beim Garantiegeber um Tochter- oder Schwestergesellschaften, spricht man von Upstream- bzw. Cross-Stream-Securities. Gibt hingegen die Muttergesellschaft eine Garantie, wird dies als Downstream-Security bezeichnet.162 Eine besondere Ausprägung solch einer Downstream-Security stellt die Patronatserklärung dar, bei der die Muttergesellschaft sich zur Begleichung der Verbindlichkeiten verpflichtet.163 Neben diesen beschriebenen Sicherheiten spielt das Konzept der Sicherung durch Covenants eine wichtige Rolle bei Bankkrediten. Zur Übersetzung dieses Begriffs existiert Uneinigkeit bei deutschsprachigen Autoren, wie folgende Übersetzungen zeigen: Verpflichtungserklärun155
Für die Kreditmargenentwicklung vgl. Abschnitt 3.2.2. Vgl. §§ 489f BGB. Vgl. § 490 BGB. 158 Vgl. Schäfer (2002), S. 324. 159 Vgl. Herbst (2005), S. 218. 160 Vgl. Zantow (2007), S. 154. Zur Sicherung von Kreditverträgen, anwendbarem Recht und vertraglichen Ausgestaltungsmöglichkeiten vgl. exemplarisch Schiller/Tytko (2001), Kästle (2003) oder Lwowski (2000). 161 Vgl. Gerke/Bank (2003), S. 433. 162 Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 329. 163 Vgl. Gerke/Bank (2003), S. 433. 156 157
40 gen und Zusicherungen des Kreditnehmers164, zusätzliche vertragliche Vereinbarungen165, Vertragspflichten166, Zusicherungen167, besondere Verpflichtungen des Emittenten168, Nebenpflichten169 oder Handlungs- und Unterlassungspflichten170. Um die semantische Vielfalt nicht weiter zu vergrößern, verwendet die vorliegende Arbeit den Begriff Covenants. Es handelt sich dabei um vertragliche Zusagen des Kreditnehmers an die Bank, während der Kreditlaufzeit bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen bzw. Erfordernisse zur Sicherung der Gläubigeransprüche einzuhalten. Covenants werden zu Hauptpflichten des Vertrags und ergänzen Tilgungs- und Zinszahlungspflichten.171 Damit wollen Gläubiger u.a. verhindern, dass der Kapitalnehmer durch eine der Kreditaufnahme zeitlich nachgelagerte weitere Erhöhung der Verschuldung die Bonität des Unternehmens verschlechtert und die Insolvenzwahrscheinlichkeit erhöht. Covenants sind aber nicht auf diese Begrenzung der Verschuldungszunahme beschränkt. Z.B. sind zusätzliche Besicherungen des Anlagevermögens auch nicht im Interesse der Gläubiger und daher häufig untersagt, weil diese das potenziell verwertbare Vermögen weiter schmälern würden.172 Covenants in Bankkrediten erlauben dem Kreditgeber bereits bei einer Verschlechterung der Unternehmenssituation aktiv einzugreifen, auch wenn noch keine konkrete Insolvenzgefahr besteht.173 Achtens definiert der Kreditvertrag bestimmte Informations-, Kontroll- und Mitspracherechte des Kreditinstituts. Die Ausgestaltung erfolgt dabei individuell, die Banken lassen sich für die Kreditlaufzeit i.d.R. aber erhebliche Informations- und Kontrollrechte einräumen, die sich auf die Überprüfung der Covenants beziehen aber auch darüber hinausgehen.174 Die Geschwindigkeit, mit der ein Unternehmen einen Bankkredit erhalten kann, ist wie jede Außenfinanzierung unternehmensindividuell stark von der notwendigen Vorbereitungszeit der Beantragung abhängig. Nach der Beantragung allerdings beträgt der durchschnittliche Zeitraum bis zur Bewilligung bzw. Ablehnung eines Unternehmenskredits 9,8 Tage.175 Damit stellt der Bankkredit ein vergleichsweise schnell einsetzbares Finanzierungsinstrument dar. Eine weitere Stärke bildet die weitgehend individuelle Verhandelbarkeit der Konditionen. Auch dass Kommunikation und Informationsfluss nur mit einem einzigen Kapitalgeber koor164
Vgl. Herbst (2005), S. 63. Wöhe/Bilstein (2002), S. 204. Kusserow/Dittrich (2000), S. 745. 167 Hartwig-Jacob (2001), S. 363. 168 Siebel (1997), S. 478. 169 Heitmann (2007), S. 116. 170 Harrer/Fisher (2003), S. 784 171 Vgl. Masuch (2001), S. 29 sowie Heitmann (2007), S. 115. 172 Vgl. Brealey et al. (2006), S. 678. 173 Vgl. Wöhe/Bilstein (2002), S. 204. 174 Vgl. Herbst (2005), S. 64, Lützenrath/Schröer (2001), S. 19f sowie Heidorn et al. (2001), S. 11. 175 Vgl. Berens et al. (2005), S. 785f. 165 166
41 diniert werden müssen, vereinfacht die Aufnahme weiterer Mittel oder Verhandlungen im Krisenfall.176 Redlefsen/Eiben zeigen, dass diesen Stärken die hohe Besicherung von Bankkrediten als empfundene Schwäche entgegensteht.177 Das Anwendungsverhalten deutscher Familienunternehmen bei der Kreditfinanzierung verändert sich: Das bis vor einigen Jahren traditionelle Prinzip einer Hausbank, die das Unternehmen mit Fremdkapital versorgt,178 scheint grundsätzlich noch vorhanden zu sein. 95% der durch Redlefsen/Eiben befragten Unternehmen geben diesbezüglich an, dass sie noch über eine Hausbank verfügen.179 Allerdings erweitern die befragten Familienunternehmen ihre Hausbankbeziehung um ein Bankenportfolio: Über 88% der durch Achleitner et al. befragten Unternehmen nutzen zwei oder mehr Banken zur Kreditbeschaffung,180 nach Redlefsen/Eiben schließen Familienunternehmen durchschnittlich mit 3,2 Banken Kreditverträge. Diese Strategie scheint auch erfolgreich zu sein, denn diejenigen Familienunternehmen mit Geschäftsbeziehungen über die Hausbank hinaus sind mit ihrer Finanzierungssituation zufriedener als diejenigen mit ausschließlicher Hausbanknutzung.181 Bankkredit Fremdleistungskosten Nutzungskosten Volumen
0,75% 4,7-5,5% Keine Minimalbeschränkung, Maximum abhängig von Bonität und verfügbaren Sicherheiten Laufzeit 4-5 Jahre Anforderungen Besicherung Platzierungsdauer 9,8 Tage Kapitalgeber Banken Stellung der Kapitalgeber Gläubiger Stärken Günstig, schell, flexibel Schwächen Besicherung, strikte Covenants Tab. 7: Charakteristika eines Bankkredits im Überblick182
176
Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 152. Vgl. Redlefsen/Eiben (2006), S. 6. Zum Hausbankprinzip sowie einer ökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Begründung dessen Existenz und Funktionsweise bei mittelständischen Unternehmen und damit weitgehend auf Familienunternehmen übertragbar vgl. Segbers (2007) oder Behr/Güttler (2007). 179 Vgl. Redlefsen/Eiben (2006), S. 9. Gleichgerichtet auch die Ergebnisse der Finance-Studie. Vgl. BurgerCalderon et al. (2004), S. 14. 180 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 31. 181 Vgl. Redlefsen/Eiben (2006), S. 9f. Für die größere Kreditverfügbarkeit und geringere Wahrscheinlichkeit der Sicherheitenverwertung als empirische Vorteile von Hausbankbeziehungen vgl. Petersen/Rajan (1994), Petersen/Rajan (1995) und Harhoff/Körting (1998). Für den mit dem Informationsmonopol der Hausbank verbundenen Nachteil potenziell zu hoher Zinskosten im Zeitverlauf vgl. Sharpe (1990) oder Boot (2000), S. 17. Dessen Existenz widerlegen Elasa/Krahnen allerdings empirisch. Vgl. Elsas/Krahnen (1998), S. 1301f. 182 Quelle: Eigene Darstellung. 177 178
42 3.1.3.3. Leasing Bei kapitalintensiven Investitionen in Fuhrpark, Produktionsanlagen oder andere Maschinen kann Leasing als Alternative zur Kreditfinanzierung nützlich sein. Dazu werden die Vermögensgegenstände durch eine Leasing- bzw. Finanzierungsgesellschaft erworben und dem Leasingnehmer zeitlich begrenzt und entgeltlich überlassen. 2007 betrug das Neuinvestitionsvolumen der Leasing-Branche in Deutschland 57 Mrd. Euro, was die Relevanz von Leasing zeigt.183 Die Vorteile liegen in der Bilanzentlastung, einer kalkulierbaren Kostenbasis durch die Finanzierung über Raten sowie deren steuerlicher Absetzbarkeit.184 Weiterhin überträgt der Leasingnehmer mit dem Leasinggegenstand verbundene Risiken auf die Leasinggesellschaft und kann den Leasingvertrag je nach Vertragsgestaltung auch lösen, wenn er den Gegenstand nicht mehr benötigt (Operating Lease). Bei einem Finance Lease hingegen bezahlt der Leasingnehmer neben den Leasinggebühren die kompletten Anschaffungskosten über die Laufzeit. Nach deren Ablauf geht der Leasinggegenstand meist gegen eine geringe Abschlusszahlung in sein Eigentum über.185 Leasing vermag die mit externer Finanzierung aufzunehmenden Mittel zu reduzieren und einen bestehenden Liquiditätsspielraum zu erhalten. Das Finanzierungsinstrument ist allerdings i.d.R. auf bestimmte, drittverwendungsfähige Vermögensgegenstände ab einem Volumen um 10.000 Euro beschränkt.186 Zumeist sind dies Fahrzeuge, worauf sich auch 98% aller Leasinggesellschaften fokussieren und die ungefähr 80% aller Leasingobjekte bilden.187 Dies schränkt Leasing in seiner Anwendung ein.188 Die Laufzeit von Leasing wird durch den Leasingerlass von 1971 geregelt, der die Nutzungsdauer auf 40% bis 90% der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer festlegt.189 Bei Pkw beträgt diese gesetzlich geregelte Nutzungsdauer 6 Jahre, wodurch die Nutzungsdauer der Mehrzahl an Leasinggütern zwischen 29 und
183
Vgl. Schur (2008), S. 53. Das Wachstum geht dabei zu über 80% auf Mobilienleasing (Fahrzeuge, Maschinen, Flugzeuge etc.) zurück. Vgl. Städtler (2008), S. 12, Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (Hrsg.) (2008), S. 11. 184 Vgl. Pleisterer (2000), S. 105 sowie Schur (2008), S. 54. 185 Vgl. Arnold (2005), S. 394f, Ahrweiler/Börner (2003), S. 38. Zur unterschiedlichen bilanziellen Behandlung von Operating und Finance Lease vgl. exemplarisch Baetge et al. (2007), S. 693ff. Zur Vorteilhaftigkeit des Operating Lease und Konsequenzen auf die bilanzielle Gestaltung von Leasingverhältnissen vgl. Giersberg/Vögtle (2007). Zu den Auswirkungen der unterschiedlichen Bilanzierung auf das Unternehmen vgl. Fülbier et al. (2008). 186 Die Notwendigkeit der Drittverwendungsfähigkeit beschränkt Leasing auf solche Güter, die nicht speziell auf den Leasingnehmer zugeschnitten sind. Vgl. Gencer/Elsner (2008), S. 155. 187 Vgl. Wassermann (2007a), S. 260. 188 Natürlich gibt es dazu auch Ausnahmen, wie das Beispiel von MG Rover zeigt, wo ein komplettes Werk für über 40 Mio. Britische Pfund mit einem Sale-and-lease-back Geschäft in eine Leasingbeziehung überführt wurde. Vgl. Griffiths (2004). 189 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.) (1971).
43 64 Monaten liegt.190 Die Anberaumung einer Leasingbeziehung kann mit 4 bis 16 Wochen relativ lange dauern. Weiterhin wird Leasing durch potenzielle Kapitalgeber bilanziell häufig als Verbindlichkeit betrachtet und erhöht die wirtschaftliche Unternehmensverschuldung. Leasing stellt häufig auch eine relativ teure Finanzierung dar, weil die Leasingraten teilweise deutlich über dem Marktpreis des Wirtschaftsgutes liegen, da neben den Anschaffungskosten, der Wertverlust, die Marktgängigkeit des Leasingobjekts sowie die Bonität des Leasingnehmers einfließen.191 Kumuliert über die gesamte Nutzungsdauer liegen die Leasingraten häufig zwischen 120% und 150% der Anschaffungskosten.192 Indikativ können damit jährliche Nutzungskosten zwischen 8% bis 9% angesetzt werden.193 Darüber hinaus werden einmalig 5% der Anschaffungskosten als Abschlussgebühr fällig.194 Leasing Fremdleistungskosten Nutzungskosten
5% Abhängig von Marktpreis, -gängigkeit, Wertverlust und Bonität, ca. 20-50% über Nutzungsdauer, d.h. 8-9% p.a. Volumen Beschränkt auf leasingfähige Objekte, ab 10.000 EUR Laufzeit Vertraglich vereinbarte Nutzungsdauer des Leasingobjekts, bei Pkw (>80% aller Leasinggüter): 29-64 Monate Anforderungen Leasingfähigkeit des Gutes Platzierungsdauer 4-16 Wochen Kapitalgeber Leasinginstitute Stellung der Kapitalgeber Vertragspartner Stärken Bilanzentlastung, relativ einfach, schnell, kalkulierbare Kosten Schwächen Relativ teuer, potenzielle Kapitalgeber werten Leasing als Verbindlichkeit Tab. 8: Charakteristika von Leasing im Überblick195
3.1.4. Zufriedenheit mit dem aktuell genutzten Finanzierungsinstrumentarium Bei der grundsätzlichen Zufriedenheit von Familienunternehmen mit ihrer Finanzierungssituation herrscht ein gemischtes Bild. Zwar zeigt sich ein Großteil der Unternehmen mit der jetzigen Finanzierungssituation zufrieden. Fast 70% der durch Redlefsen/Eiben befragten Unternehmen geben ihrer jetzigen Finanzierungssituation die Schulnoten 2 oder 1. Allerdings ist insbesondere bei Bankkrediten die Zufriedenheit weniger ausgeprägt. Die traditionelle Kapitalquelle befindet sich lediglich auf dem neunten von zwölf Plätzen bei der Zufriedenheit. Die Unternehmen zeigen sich nur mit Beteiligungskapital, Working Capital Management und 190
Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.) (2003), S. 5. Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 289f. 192 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 454. 193 Diese indikative Spanne ergibt sich bei rechnerischer Umlage der kumulierten Nutzungskosten auf die durchschnittliche Nutzungsdauer. 194 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 454. 195 Quelle: Eigene Darstellung. 191
44 ABS noch unzufriedener.196 Analog lassen sich die Studienergebnisse von Achleitner et al. interpretieren: Zwar sind die Unternehmen grundsätzlich mit ihrer Finanzierung zufrieden, allerdings möchten 35% der Unternehmen ihr zukünftiges Finanzierungsverhalten ändern und intensiver innovative Instrumente verwenden.197 Ob innovative Instrumente in diesem Zusammenhang allerdings tatsächlich neuartige oder lediglich bisher ungenutzte Kapitalisierungsformen darstellen, bleibt unklar. Eine Änderung des Finanzierungsverhaltens ihrer mittelständischen Kunden erwarten auch die Banken: Gemäß einer Erhebung durch Börner/Grichnik gehen 93% der Banken davon aus, dass Veränderungen in der Finanzierungsstrategie des Mittelstands zu erwarten sind.198 Gleichgerichtet ergab eine 2007 durch Price Waterhouse Coopers (PWC) beauftragte Befragung von Familienunternehmen, dass 17% aller deutschen Familienunternehmen ihre Finanzierung als bedeutende unternehmerische Herausforderung empfinden. In Europa und weltweit liegt dieser Wert bei lediglich 12%.199 Dass diese Erschwerung der zukünftigen Finanzierung besonders stark in Deutschland wahrgenommen wird, zeigt auch eine Studie unter Finanzierungsentscheidern großer, mittelständisch geprägter Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und USA von 2003. Während 63% deutscher Entscheider zukünftig schwierigere Finanzierungsrunden erwarten, gilt das nur für 12% bzw. 23% ihrer nicht-deutschen Kollegen.200 Unterstrichen wird dies durch eine Umfrage von Fey/Kuhn von 2008, in der deutsche Mittelständler ihren Wunsch nach Unabhängigkeit von Bankkrediten und einer Diversifizierung der Kapitalbeschaffung zum Ausdruck bringen. Ein Viertel der befragten Gesellschaften zieht dafür sogar einen Börsengang in Erwägung, was einer Steigerung um 6 Prozentpunkte gegenüber einer vergleichbaren Befragung von 2003 darstellt.201 Im Gegensatz zum Kredit scheinen deutsche Unternehmen mit dem Instrument Leasing zufrieden zu sein. Auch wenn die Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Verbands Deutscher Leasingnehmer von 2007 aufgrund potenzieller Interessenskonflikte des durchführenden Marktforschungsinstituts vorsichtig zu bewerten sind, deutet die gemessene Zufriedenheit von 96% der befragten Leasingnutzer doch auf eine breite Akzeptanz.202
196
Vgl. Redlefsen/Eiben (2006), S. 8. Allerdings steht zu vermuten, dass die Zufriedenheit mit Working Capital Management nur deswegen so verhältnismäßig niedrig ausgeprägt ist, weil die studienspezifische Zusammenfassung mehrerer Instrumente wie Forderungs-, Vorrats- und Cash-Management in einem Schlagwort keine aussagekräftige Zufriedenheitsbewertung zulässt. 197 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 29ff. 198 Vgl. Börner/Grichnik (2003), S. 685f. 199 Vgl. PWC (Hrsg.) (2008), S. 28ff. 200 Vgl. Siemens Financial Services GmbH (Hrsg.) (2003), S. 11. 201 Vgl. Fey/Kuhn (2008), S. 115. 202 96% der befragten Leasingnutzer zeigten sich zufrieden, sehr zufrieden oder vollkommen zufrieden. Vgl. Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (Hrsg.) (2007)S. 23. Allerdings ist die verwendete Skala mög-
45 Zumindest bei Teilen der deutschen Familienunternehmen scheint sich also die grundlegende Erkenntnis durchzusetzen, dass die traditionelle Kapitalbeschaffung über Innenfinanzierung und Bankkredit langfristig nicht ideal ist, die zukunftsfähige Strukturierung der Passivseite eine unternehmerische Herausforderung darstellt und alternative Instrumente wie Leasing stärker genutzt werden sollten. Interessanterweise zeigt Simon in einer Untersuchung zu sogenannten Hidden Champions, bei denen es sich in der Mehrzahl um Familienunternehmen handelt, dass aus Sicht dieser sehr erfolgreichen Unternehmen Innenfinanzierung und Bankkredit in ihrer Bedeutung eher ab- und der Kapitalmarkt203 deutlich zunehmen werden.204 Eine Erörterung der Herausforderungen, die mit der traditionellen Finanzierung deutscher Familienunternehmen verbunden sind und eine Alternativensuche erforderlich machen, erfolgt im nächsten Abschnitt.
3.2. Herausforderungen der vorherrschenden Finanzierungsstruktur
3.2.1. Beschränkung der Möglichkeiten zu Innenfinanzierung und Leasing Wie erläutert, sind die Möglichkeiten zur Innenfinanzierung auf das operative Geschäft beschränkt. Insbesondere die Unternehmensrentabilität als Determinante grundsätzlich thesaurierbarer Gewinne setzt der Innenfinanzierung enge Grenzen.205 Durchschnittlich weisen deutsche Unternehmen für 2004 bzw. 2005 2,5% bzw. 2,8% Jahresüberschuss vom Umsatz aus.206 Nach Ausschüttung von Dividenden stehen damit nur sehr eingeschränkt Mittel zur Selbstfinanzierung zur Verfügung. Allerdings ist im Fall von Familienunternehmen anzumerken, dass der für Thesaurierung zur Verfügung stehende Teil des Jahresüberschusses regelmäßig weit oberhalb vergleichbarer Publikumsgesellschaften liegt. Während Dax-Gesellschaften durchschnittlich 40% ausschütten, fällt dieser Wert bei Familienunternehmen deutlich kleiner aus –
licher Antworten mit drei verschiedenen Zufriedenheitsmaßen, denen nur die beiden Angaben „weniger zufrieden“ und „unzufrieden“ entgegen stehen, unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten als kritisch zu bewerten. 203 Zur Begriffsdefinition von Kapitalmarkt: Kapital- und Geldmarkt bilden die beiden Subsysteme des Systems Finanzmarkt, in dem Angebot und Nachfrage nach Geld und Geldsubstituten aufeinander treffen. Als maßgebliches Differenzierungskriterium dient dabei die Fristigkeit der Mittelüberlassung: Kurzfristige Geldaufnahmen und -anlagen werden am Geldmarkt getätigt, während am Kapitalmarkt mittel- bis langfristige Finanzierungsmittel gehandelt werden; vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 149. 204 Vgl. Simon (2007), S. 259. 205 Grundsätzlich ist Ertragskraft zwar steigerbar, aber nur in begrenztem Umfang. Zur Erhöhung des Ertrags sowie Reduktion der Kapitalbindung, Reduktion der Cashflowvolatilität und Dividendenpolitik als weitere Steigerungspotenziale der Innenfinanzierungskraft vgl. Neubürger (2001), S. 166ff. 206 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008a), S. 20.
46 oftmals im Bereich zwischen 10% und 20%.207 Dass Familienunternehmen weniger ausschütten und mehr thesaurieren als Nicht-Familienunternehmen bestätigen die Untersuchungsergebnisse von Donckels/Fröhlich sowie Gallo et al..208 Auch die Möglichkeiten zur Innenfinanzierung über Abschreibungen sind beschränkt. Zwar weisen deutsche Unternehmen 2004 bzw. 2005 jeweils 3,4% bzw. 3,7% ihrer Umsätze als Abschreibung aus.209 Allerdings stehen diese Mittel regelmäßig nur zu einem geringen Teil zur Finanzierung zusätzlicher Vermögenswerte zur Verfügung. Ein Großteil muss reinvestiert werden, um das bestehende Umsatzpotenzial auf Basis existierender Aktiva zu erhalten. Vermögensumschichtungen oder Desinvestitionen hingegen entlasten die Bilanz und verbessern die Liquidität. Das reduziert das notwendige Kreditvolumen, gleichzeitig allerdings auch die zur Verfügung stehenden Sicherheiten für Bankkredite. Weiterhin wird Leasing als Form der Vermögensumschichtung von dritten Kapitalgebern häufig den Verbindlichkeiten zugerechnet. Zur Finanzierung von Investitionen in Anlagevermögen ist Leasing somit zwar nützlich, für andere Finanzierungsanlässe wie Expansionsstrategien, Unternehmenskäufe, Krisenfinanzierung oder Nachfolgefinanzierung hingegen eher ungeeignet.210
3.2.2. Verteuerung und erschwerter Zugang zur Kreditfinanzierung Neben der immanenten Beschränkung des Finanzierungspotenzials von Innenfinanzierung und Leasing wird auch die Finanzierung über Bankkredite für Familienunternehmen zunehmend schwieriger und teurer. Dazu werden im Folgenden einige Daten erläutert, die diesen Trend untermauern, um anschließend die zugrundeliegenden Ursachen zu diskutieren. Abb. 7 zeigt die Entwicklung des durchschnittlichen Zinssatzes für Unternehmensdarlehen in Deutschland von Januar 2003 bis Juli 2008. Damit sind die Auswirkungen der Finanzkrise ab Sommer 2008 bewusst nicht enthalten, um potenzielle Verzerrungen durch diesen exogenen Schock zu vermeiden. Deutlich ist das Ansteigen der durchschnittlichen Kreditmarge seit Herbst 2005 erkennbar. Dies impliziert eine Verteuerung der Finanzierungskosten bei Aufnahme zusätzlicher Kreditmittel oder Refinanzierung bestehender Bankkredite.
207
Vgl. Scherer et al. (2005), S. 62 sowie Dunsch (1996), der die Ausschüttungsquoten großer Familienunternehmen zusammenstellt, exemplarisch: Haniel Gruppe < 25% (S. 53), Bahlsen Gruppe < 10% (S. 118), Freudenberg Gruppe < 10% (S. 123), die damalige Eckes AG < 30% (S. 132). Gleichgerichtet auch Winkler (1997), S. 232 für die Bertelsmann AG. 208 Vgl. Donckels/Fröhlich (1991), S. 158, Gallo et al. (2004), S. 310f. 209 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008a), S. 20. 210 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 291f.
47 5,8%
6%
5%
4%
3% Jan 03 Jul 03 Jan 04 Jul 04 Jan 05 Jul 05 Jan 06 Jul 06 Jan 07 Jul 07 Jan 08 Jul 08
Abb. 7: Entwicklung der durchschnittlichen Kreditmarge in Deutschland211
Diese Verschlechterung der Kreditkonditionen aus Unternehmenssicht wird durch einen weiteren Effekt verstärkt: Eine Befragung der Banken im Euroraum durch die Europäische Zentralbank zeigt eine deutlich zunehmende Verschärfung der internen Kreditvergaberichtlinien seit Sommer 2007 (vgl. Abb. 8) – auch hier wurde aus genanntem Grund auf eine Darstellung der Entwicklung seit Sommer 2008 verzichtet. Kreditverhandlungen werden schwie-
Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien
riger, die Anforderungen an Sicherheiten und Konditionen steigen.
60%
40%
20%
0%
-20% Jan 03
Jul 03 Jan 04
Jul 04 Jan 05 Gesamt
Jul 05
Jan 06 Jul 06
Jan 07 Jul 07
Großunternehmen
Jan 08
Jul 08
KMU
Abb. 8: Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien im Euroraum212
211
Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung. Die errechnete Kreditmarge entspricht der volumengewichteten Effektivverzinsung für Neukredite mit Laufzeiten von 1 - 5 Jahren sowie über 5 Jahren: Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008b), Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008c), Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008d), Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008e), Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008f), Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008g), Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008h), Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008i). 212 Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf European Central Bank (Hrsg.) (2008a). Die abgetragene Prozentangabe stellt die Differenz dar zwischen der Summe der Prozentpunkte zu den Antworten „tightened considerably“ und „tightened somewhat“ gegenüber der Summe zu den Antworten „eased somewhat“ und „eased considerably“. Vgl. European Central Bank (Hrsg.) (2008b), S. 3.
48 Obwohl die Untersuchungsergebnisse der KfW Unternehmensbefragungen im Zeitablauf nur eingeschränkt vergleichbar sind,213 indizieren sie doch einen dritten Trend zur Verschärfung von Kreditfinanzierungen. Die darin ermittelte firmenseitige Wahrnehmung der Kreditvergabe gibt folgendes Bild (vgl. Abb. 9): Seit 2001 beschreiben durchgängig jeweils mehr als die Hälfte der Unternehmen ihren Zugang zu Unternehmenskrediten als unverändert leicht bzw. schwer. Allerdings beanstanden zwischen 22% und 45% der befragten Unternehmen eine Verschlechterung. Nach einem Rückgang bis 2007 steigt dieser Trend 2008 wieder an. 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
45%
45%
43%
42%
33%
22%
62% 56% 53%
53%
52%
51%
3%
3%
4%
7%
2001
2002 2003/04 2005
27%
62%
12%
16%
12%
2006
2007
2008
verschlechtert unverändert verbessert
Abb. 9: Zugang zu Krediten aus Unternehmenssicht214
Auch Reize kommt in seiner Erhebung zu einem gleichgerichteten Ergebnis: Der Anteil an KMU, deren Kreditwunsch abgelehnt wird, stieg 2006 um 6%-Punkte auf 37%.215 Folglich muss konstatiert werden, dass sowohl die objektive Entwicklung der Kreditmarge als auch die jeweiligen Einschätzungen von Darlehensgebern und -nehmern auf zunehmend schwierigere und teurere Kreditfinanzierungen hindeuten. Trotzdem unterstellt die vorliegende Arbeit für Deutschland noch keinesfalls die Existenz einer Kreditklemme – von kurzfristigen potenziellen Auswirkungen der Finanzkrise wird hierbei abgesehen.216 Diese läge nur vor, wenn eine generelle Störung der Funktionsfähigkeit des Bankensystems existierte und Unternehmen keine risikoadäquat bepreisten Kredite mehr erhalten könnten.217 Die
213
Trotz der breiten Datenbasis unterscheiden diese sich in ihrer Zusammensetzung unterschiedlicher Unternehmensgrößen und -branchen jährlich. Vgl. Plankensteiner/Zimmermann (2008), S. 8. Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf einer Gegenüberstellung der Ergebnisse aus Plattner (2002), S. 6, Plattner (2003), S. 10, Plattner (2004), S. 11, Zimmermann/Schumacher (2005), S. 10, Plattner/Plankensteiner (2006), S. 11, Plankensteiner/Zimmermann (2007), S. 9 sowie Plankensteiner/Zimmermann (2008), S. 10. 215 Vgl. Reize (2007), S. 91. 216 Die Existenz einer Kreditklemme verneinen ebenso Schoenwald/Rehbock (2008), S. 1, Engel et al. (2006), S. 150ff, Reize (2005), S. 51ff, Polleit (2003), S. 31, Detken et al. (2003), S. 18. 217 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2005), S. 17. Für eine modelltheoretische Analyse einer Kreditklemme und seiner Auswirkungen auf KMU vgl. Kley (2003). Zu den Auswirkungen der Finanzkrise siehe Abschnitt 3.2.2.5. 214
49 Gründe, warum der Kreditzugang in Deutschland sich tendenziell erschwert und verteuert, bzw. warum dies so empfunden wird, werden in den nächsten Absätzen erläutert.
3.2.2.1. Wandel des Bankensystems Das Finanzsystem in Deutschland war – wie in ganz Kontinentaleuropa – jahrzehntelang stark bankengeprägt. Zur Unternehmensfinanzierung dominieren in diesem System Kredite von Finanzintermediären.218 Diese treten als Zwischenhändler von Kapital auf, indem sie Geld von Investoren einkaufen und in Form von Krediten weiterleiten. Weil dieses System in der Vergangenheit gut und relativ günstig funktionierte, führte es bei ohnehin kapitalmarktaversen Familienunternehmen zur Dominanz der beschriebenen Kapitalstruktur aus Innenfinanzierung und Bankdarlehen.219 Im konkurrierenden marktbasierten System – das in angelsächsischen Länder dominiert – fungieren Banken als Arrangeure und vermitteln den direkten Kapitalfluss zwischen Investor und kapitalsuchendem Unternehmen über den Kapitalmarkt. Die Unternehmensfinanzierung wird entsprechend stark mit Aktien und Anleihen gestaltet. Mit den unterschiedlichen Finanzierungsformen gehen unterschiedliche Informations- und Kontrolleigenschaften der beiden Systeme einher. Während in einem kapitalmarktbasierten System Offenlegungspflichten und Transparenz bei Unternehmensinformationen ausgeprägt sind, dominiert im beziehungsbasierten Finanzsystem über Banken der Gläubigerschutz. Informationen werden nur privilegierten Intermediären zugänglich gemacht. Ein Markt für externe Kontrolle durch Aktienbewertungen und Übernahmen bei Fehlentwicklungen existiert nur in geringem Umfang.220 Die Prägung des deutschen und europäischen Finanzsystems durch Intermediäre verdeutlichen folgende Zahlen: 2001 vergaben Banken im Euroraum Unternehmenskredite in Höhe von 43% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In den USA betrug das Verhältnis lediglich 19%. Im Gegensatz dazu beliefen sich ausstehende Wertpapiere von Industrieunternehmen im Euroraum auf einen Wert von 7% am zugehörigen BIP, während dem in den USA beachtliche 29% gegenüberstanden.221 Die Entwicklung in Europa und Deutschland tendiert seit einigen Jahren jedoch in Richtung eines stärker marktbasierten Finanzsystems. Zwei zentrale Triebfedern dafür bilden die Prozesse der Disintermediation und Verbriefung von Schuldverhältnissen. 218
Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Hrsg.) (2005), S. 463, Rudolf (2008), S. 1f. 219 Vgl. Zimmermann/Schumacher (2005), S. 9. 220 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Hrsg.) (2005), S. 463. 221 Vgl. de Fiore/Uhlig (2005), S. 6.
50 Disintermediation und Verbriefung von Schuldverhältnissen Gemäß der neoklassischen Kapitalmarkttheorie mit der Annahme vollkommener Kapitalmärkte existiert kein Bedarf an Intermediären, weil die Marktteilnehmer jederzeit über alle Anlagemöglichkeiten und deren Zahlungsströme informiert sind.222 Sie können jederzeit beliebig Liquidität aufnehmen oder anlegen. Finanzintermediäre, die Einlagen annehmen und Kredite ausgeben, lassen sich damit nur durch unvollkommene Kapitalmärkte erklären, bei denen unvollständige Informationen und Transaktionskosten existieren.223 Weil Transaktionskosten bei großen Unternehmen mit hoher Kreditwürdigkeit und ausreichend verfügbaren Informationen am Kapitalmarkt jedoch weniger ins Gewicht fallen, können solche Unternehmen ihre Finanzierungs- und Anlageprozesse trotz unvollkommener Kapitalmärkte an Intermediären vorbeisteuern.224 Dieser als Disintermediation bezeichnete Prozess nimmt in Europa insgesamt und speziell in Deutschland zu.225 Deutlich wird das an der zunehmenden Verbriefung von Schuldverhältnissen, bei der Schuldner und Gläubiger direkt miteinander kontrahieren.226 Die Verbriefung impliziert die schrittweise Aufgabe der Transformationsfunktion der Banken und begründet einen Substitutionsprozess an den Finanzmärkten: In Buchform gekleidete Finanzierungen wie Bankkredite werden durch Emission handelbarer Forderungen wie Corporate Bonds ersetzt.227 Diese Substitution resultiert u.a. daraus, dass verbriefte Kapitalmarktinstrumente einen Sekundärmarkthandel erlauben und damit eine objektivere Preisbildung ermöglichen als das bei einem Bankkredit der Fall ist, bei dem die Verhandlungsmacht der Akteure eine Rolle spielt.228 Folge der Disintermediation ist wiederum eine Verteuerung von Bankkrediten: Wenn große Unternehmen mit höchster Bonität ihre Finanzierung vermehrt eigenständig an den Finanzmärkten realisieren, verschlechtert dies die Kreditportfolios der Banken. Zur Kompensation dieses gestiegenen Risikos muss die Rendite für die im Portfolio verbliebenen Kredite und damit deren Verzinsung steigen.229 Diese Verteuerung führt zu einer erneuten Beschleunigung der Disintermediation, denn im nächsten Schritt werden auch Schuldner mit niedrigerer Bonität ihre Finanzierung ohne Einbindung von Intermediären gestalten, um steigende Kapital-
222
Vgl. Freixas/Rochet (2008), S. 10 sowie Dewatripont/Tirole (1999), S. 3. Vgl. Allen/Santomero (2001), S. 272, Boot (2000), S. 9f. Vgl. Rudolph (2002), S. 64. 225 Vgl. Menz (2007), S. 67ff, Perridon/Steiner (2007), S. 424, van Aubel (2000), S. 83f, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Hrsg.) (2005), S. 457 sowie Rudolf (2008), S. 13. 226 Vgl. Polleit (2003), S. 22f. Die Banken nehmen dann statt der Fristen- und Volumentransformation eine emissionsbegleitende Funktion ein. Vgl. Rudolf (2008), S. 26. 227 Vgl. Rudolph (2002), S. 62. 228 Vgl. Leffers (1996), S. 347. 229 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 424. 223 224
51 kosten durch verteuerte Bankdarlehen zu vermeiden.230 Dies hingegen bewirkt den zunehmenden Rückgang des Hausbankprinzips, den Paul et al. für Deutschland nachweisen.231 Steigende Nachfrage nach kapitalmarktbasierten Produkten Der beschriebene Bankenmarktwandel führt dazu, dass das Angebot kapitalmarktbasierter Finanzierungsinstrumente und Derivate steigt.232 Diesem wachsenden Angebot steht in Deutschland auch eine zunehmende Nachfrage gegenüber: Seit Jahren wachsen sowohl die Zahl an Investmentfonds und anderen institutionellen Investoren als auch das Volumen der Wertpapiere, die diese Fonds verwalten.233 Der Nachfrageschub wird auch bei Betrachtung des Sparverhaltens deutscher Haushalte deutlich. Abb. 10 veranschaulicht den zunehmenden Bedarf an kapitalmarktbasierten Investitionsobjekten:234 Seit 1991 investierten deutsche Privathaushalte über 1,3 Bill. Euro in Investmentund Pensionsfonds, Lebensversicherungen und Wertpapiere, während sie in Sichtguthaben, Termingelder, Spareinlagen und -briefe lediglich 762 Mrd. Euro und damit 42% weniger an-
Mrd. Euro
legten.235 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0
1.336
762
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Vermögensbildung Kapitalmarkt Vermögensbildung Bank Abb. 10: Spar- und Anlageverhalten deutscher Privathaushalte 236
Der Zufluss an Finanzmitteln aus privaten Haushalten, der für Unternehmensanleihen und Aktien zur Verfügung steht, übersteigt somit deutlich denjenigen für potenzielle Bankkredite. Insofern steht dem steigenden Angebot an kapitalmarktbasierten Finanzierungsformen nicht nur eine mitwachsende Nachfrage gegenüber. Vielmehr ist zu erwarten, dass die steigende
230
Vgl. van Aubel (2000), S. 83f. Vgl. Paul et al. (2003), S. 5. 232 Vgl. Wagner (2004), S. 262. 233 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Hrsg.) (2005), S. 460. 234 Vgl. dazu auch Achleitner/Müller-Trimbusch (1999), S. 196. 235 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008j). 236 Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung, basierend auf Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008j). 231
52 Nachfrage die Transformation vom Banken- zum Kapitalmarktsystem in Zukunft noch weiter vorantreiben wird.237
3.2.2.2. Entstehung konsolidierter, globaler Finanzmärkte Die Deregulierung nationaler Finanzmärkte und Harmonisierung internationaler Rahmenbedingungen schaffen die Voraussetzungen für einen weltweit einheitlichen Finanzmarkt. Es entstehen größere und liquidere Märkte mit stärkerem Wettbewerb grenzübergreifend tätiger Banken. Für die europäischen Finanzmärkte zeigt die Einführung der europäischen Einheitswährung und die damit verbundene Strukturbereinigung europäischer Börsen und rechtliche Harmonisierung, dass der Vereinheitlichungsprozess bereits weit vorangeschritten ist.238 Eine beobachtbare Reaktion der Kreditinstitute auf diese Globalisierung der Finanzmärkte ist die Schaffung globalisierter Banken. Neben der organischen Internationalisierung individueller Institute geschieht dies insbesondere mittels Fusionen und Akquisitionen, in deren Folge die Anzahl der Banken weltweit zurückgeht.239 Ziel dieser Konsolidierung ist u.a. die Realisierung von Skaleneffekten.240 3.000
2.910
2.800
2.697 2.593
2.600
CAGR = - 3,4 3,4 % % 2.466
2.401
2.400
2.344
2.301
2.277
2005
2006
2007
2.200 2.000 2000
2001
2002
2003
2004 241
Abb. 11: Anzahl der Kreditinstitute in Deutschland
Für Deutschland verdeutlicht Abb. 11 die beschriebene Entwicklung. Seit dem Jahr 2000 nimmt die Zahl an Kreditinstituten um durchschnittlich 3,4% jährlich ab. Über die Fortset-
237
Zu den langfristigen Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf diesen Trend, kann zum Erstellungszeitpunkt der vorliegenden Arbeit Ende 2008 noch keine belastbare Aussage getroffen werden. Vgl. Stadler (2004), S. 18, Irsch (2003), S. 46. 239 Vgl. Irsch (2003), S. 48. 240 Vgl. Segbers (2007), S. 99. Zur Realisierung von Skaleneffekten durch Banken, Durchschnittskostenverläufe und der daraus ableitbaren optimalen Betriebsgröße vgl. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 50ff. Für eine literaturtheoretisch und empirische Untersuchung alternativer Gründe und Ziele der Branchenkonsolidierung bei Banken vgl. Berger et al. (1999). 241 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008k) und Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2004a). 238
53 zung der Konsolidierung herrscht weitgehende Einigkeit.242 Infolge der Subprimekrise ist eher noch eine Beschleunigung zu erwarten.243 Diese Konzentration der Banken kann dazu führen, dass gewachsene Verbindungen zwischen Unternehmen und Bank entpersonalisiert werden.244 Darüber hinausgehende Auswirkungen für die Finanzierung deutscher Familienunternehmen sind nicht eindeutig benennbar. Einerseits kann die steigende Marktmacht einzelner Institute potenziell zur Durchsetzung höherer Renditen in Form teurerer Kredite führen. Andererseits können sich größere Banken aufgrund des globalen Wettbewerbs gezwungen sehen, positive Skaleneffekte an ihre Kunden weiter zu reichen. Erfahrungen aus der Schweiz und den USA zeigen, dass eine Konsolidierung der Bankenbranche mittelfristig durchaus zu einer Verschlechterung der Finanzierungskonditionen für Unternehmen führt. Langfristig scheint dieser Effekt jedoch nicht zu bestehen.245 Allerdings führt die Globalisierung der Finanzmärkte für Deutschland in jedem Fall dazu, dass die Eigentümer insbesondere privater Kreditinstitute ihre Renditeforderungen zunehmend an den international höheren Vergleichswerten orientieren.246 Bezogen auf das Geschäft mit Krediten geben die Statistiken der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dazu einen eindeutigen Hinweis. Im internationalen Vergleich fällt die Rendite, die in Deutschland angesiedelte Kreditinstitute als Differenz zwischen der Verzinsung ver- und geliehenen Geldes (Nettozinseinkommen) erzielen, sehr niedrig aus. Mit einem Nettozinseinkommen von durchschnittlich 31% im Jahr 2005 erzielten deutsche Banken nur ungefähr die Hälfte der Rendite, die US-amerikanische Institute erzielten (vgl. Abb. 12). Auch Banken in Italien, Spanien, Kanada und der Schweiz verdienten teilweise deutlich mehr. Nur in Frankreich lag die Rendite niedriger als in Deutschland. Wie die Grafik weiterhin zeigt, konnten deutsche Banken ihr Nettozinseinkommen in den letzten Jahren leicht verbessern. Wenn die hiesigen Kreditinstitute zu den Erträgen ihrer internationalen Wettbewerber aufschließen wollen, besteht allerdings weiterer Handlungsbedarf. Zwangsläufig werden neben der Realisierung von Skaleneffekten sowie eventuell vorhandener Effizienzsteigerungen Preiserhöhungen im Kreditgeschäft notwendig werden.247
242
Vgl. Koetter et al. (2006), S. 500, Nagl (2008) oder Hommel/Schneider (2003), S. 73. Exemplarisch ist hierbei die zu erwartende Konsolidierung unter den deutschen Landesbanken als Auswirkung der Subprime- bzw. Finanzkrise zu nennen. Vgl. Köhler (2008). 244 Vgl. Harvey/Evans (1995), S. 160. 245 Vgl. Borger/Detken (2002), S. 27f. 246 Vgl. Engel et al. (2006), S. 146. 247 Vgl. Singer (2007). 243
54 80% Nettozinseinkommen .
70%
40%
61% 56% 48% 46%
30%
34% 31%
20%
18%
60% 50%
10%
USA Italien Spanien Kanada Schweiz Deutschland Frankreich
0% 1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
Abb. 12: Nettozinseinkommen von Banken im internationalen Vergleich248
3.2.2.3. Regulatorische Treiber der Differenzierung von Kreditkonditionen Die Regulierung von Finanzintermediären hat großen Einfluss auf Entwicklungen an den Finanzmärkten.249 Besondere Auswirkung auf die deutsche Bankbranche haben zwei regulatorische Treiber: Die Mindestanforderungen für das Kreditgeschäft (MaK) und der Wegfall staatlicher Haftungsgarantien für Landesbanken und Sparkassen. Beide zielen auf eine Reduktion der Gesamtrisiken und eine Vereinheitlichung des Finanzsystems.250 Bei den MaK handelt es sich um Vorschriften zu Organisation und Abläufen bei der Kreditvergabe.251 An staatlichen Haftungsgarantien für Sparkassen und Landesbanken bestanden bis vor kurzem insbesondere die Anstaltslast sowie die Gewährträgerhaftung.252 Aufgrund resultierender Wettbewerbsverzerrungen untersagte die EU-Kommission beide Haftungssysteme. Der inzwischen erfolgte Wegfall bedeutet für die betroffenen Institute eine stärkere Orientierung am Kapitalmarkt: Das Rating der öffentlich-rechtlichen Institute wird sich ceteris paribus (c.p.) aufgrund der fehlenden bonitätsverbessernden Wirkung der Garantien verschlechtern. Damit steigen die Refinanzierungskosten, die sich mittelfristig auch in höheren Margen der Unternehmensdarlehen ausdrücken müssen.253
248 Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung basierend auf OECD (Hrsg.) (2008). Das Nettozinseinkommen bezeichnet den prozentualen Deckungsbeitrag von Zinseinkünften gegenüber den zugehörigen Zinsaufwendungen und stellt eine der wichtigsten Profitabilitätskennzahlen von Banken dar. Vgl. Chen (2007), S. 69. 249 Zu mikro- und makroökonomischen Einflüssen von Regulierung vgl. Dewatripont/Tirole (1999). 250 Vgl. Irsch (2003), S. 47. 251 Zu Inhalt und Ziel der MaK vgl. Segbers (2007), S. 101ff. Wie Müller et al. belegen, zeigen sich Auswirkungen auf die Kreditvergabe maßgeblich in einer Verlängerung des Verhandlungs- und -vergabeprozesses. Vgl. Müller et al. (2005), S. 126. Für den Inhalt der vorliegenden Arbeit ist dies vernachlässigbar, weswegen die MaK nicht weiter analysiert werden. 252 Die Anstaltslast verpflichtete Länder, Städte und Gemeinden als Träger dieser öffentlichen Anstalten diese Kreditinstitute mit den notwendigen Eigenmitteln auszustatten. Die Gewährträgerhaftung implizierte, dass die Gläubiger dieser Institute einen Anspruch auf Forderungserfüllung gegenüber deren Trägern besitzen. Vgl. Wahl (2004), S. 40. 253 Vgl. Bushrod (2003), S. 4 sowie Steiner et al. (2003), S. 517.
55 Neben diesen strukturellen Anpassungen gilt insbesondere Basel II als bankenaufsichtsrechtliche Veränderung der letzten Jahre als wesentlich für die Unternehmensfinanzierung. Die Hintergründe, Ziele und Auswirkungen werden im Folgenden kurz dargestellt. Eine der wichtigsten Aufgaben von Finanzintermediären ist das professionelle Management ihrer Kredit-, Liquiditäts- und Marktrisiken. Dies ist notwendig, um eine Solvenzgefährdung zu verhindern, in deren Folge die Stabilität von Finanzmärkten potenziell gefährdet ist.254 Als diesbezügliche Minimalstandards existieren Aufsichtsregeln für Kreditinstitute. Dazu zählen insbesondere Eigenkapitalunterlegungsvorschriften. Bis einschließlich 2006 galten dazu die Eigenkapitalforderungen des Baseler Akkords von 1988 (Basel I), nach denen das Eigenkapital einer Bank ihre Risikoaufnahme begrenzt: Risikoaktiva mussten unter Einbeziehung von Marktrisiken mit mindestens 8% Eigenkapital unterlegt sein. Dabei erfolgte die Risikomessung mit pauschalen Anrechnungssätzen für gleichartige Kreditnehmer – wobei gewerbliche Unternehmen insgesamt eine solche gleichartige Kreditnehmerklasse bildeten.255 Die Formel zur Eigenkapitalunterlegung lautete damit: (3)
Kreditbetrag u Anrechnungssatz u 8%
Eigenkapitalunterlegung
Da Kredite an gewerbliche Unternehmen gemäß Basel I immer ohne unternehmensspezifische Unterscheidung mit 100% angerechnet wurden, musste eine Bank einen Kredit von 1 Mio. Euro an ein gewerbliches Familienunternehmen mit 80.000 Euro Eigenkapital unterlegen.256 Bezogen auf die mit der Eigenkapitalunterlegung entstehenden Kosten unterschieden sich Kredite an Unternehmen mit hoher oder niedriger Bonität folglich nicht. Es bestand also auch kein kostenseitiger Anreiz zur zinsbezogenen Differenzierung.257 Diese geringe Differenzierung zwischen Unternehmenskrediten („One size fits all“) entspricht jedoch nicht der betriebswirtschaftlichen Realität individueller Risiken und führte regelmäßig zu Kritik.258 U.a. vor dem Hintergrund der Asienkrise Ende der 90er-Jahre schlug der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht mit Basel II eine Überarbeitung dieser Eigenkapitalunterlegungsrichtlinie vor.259 Ziel war die Erreichung einer größeren Stabilität der Finanzmärkte durch eine risikobewusstere Handlungsweise der Banken.260 Dieses Ziel wurde mit einem 3 Säulen-Prinzip verfolgt, wobei die geänderte Eigenkapitalunterlegungsvorschrift die erste Säule bildet. Statt der relativ pauschalen Eigenkapitalunterlegung müssen kreditgebende Institute seit Inkrafttreten 254
Zu beobachten ist solch eine Fehleinschätzung von Risiken mit der Folge instabiler Finanzmärkte aktuell bei den Auswirkungen der Subprimekrise. 255 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2006), S. 70. 256 Vgl. Buchmann (2003), S. 21. 257 Vgl. Vitzthum (2008), S. 51. 258 Vgl. Schuhmacher (2006), S. 9. 259 Vgl. Buchmann (2003), S. 21f. Für die Entrwicklung von Basel I zu Basel II vgl. Broda (2003a), S. 466. 260 Vgl. Segbers (2007), S. 105f.
56 von Basel II zum 1. Januar 2007 die Höhe des notwendigen Eigenkapitalbetrags an das individuelle Risiko der Forderung und damit an die individuelle Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers koppeln: Je schlechter das Rating, desto mehr Eigenkapital muss die kreditgebende Bank hinterlegen. Zur Bonitätsbewertung verwendet die Bank entweder das Rating einer externen, aufsichtlich anerkannten Ratingagentur (Kreditrisiko-Standardansatz) oder sie ermittelt bankintern ein vergleichbares Rating (Internal Ratings-Based IRB).261 Die zweite Säule von Basel II bildet ein bankaufsichtlicher Prüfungsprozess, der Kreditinstituten eine laufende Beurteilung ihres jeweiligen Institutsrisikos und entsprechende Eigenkapitalunterlegung vorschreibt, wobei dieser Prozess kontinuierlich durch die Bankenaufsicht überprüft wird.262 Die dritte Säule sieht stärkere Offenlegungspflichten der Banken vor, damit alle Marktteilnehmer sich ein eigenes Bild über das Risikoprofil einzelner Kreditinstitute machen können.263 Die Kosten der kreditspezifischen Eigenkapitalbindung werden verursachungsgerecht weiterberechnet: Unternehmen mit hoher Bonität erhalten günstigere Kreditkonditionen, Unternehmen mit niedrigem Rating entsprechend teurere.264 Bei langfristigen Bankkrediten ist der undifferenzierte Einheitsaufschlag von einem Prozentpunkt gegenüber den Refinanzierungskosten damit Vergangenheit.265 Es kommt zu einer Spreizung der Kreditmarge (vgl. Abb. 13).266 Kreditmarge Bankkredit Basel II
Basel I
Kreditwürdigkeit hoch
niedrig
Abb. 13: Spreizung der Kreditmargen durch Basel II267
261
Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2006), S. 79f, Rikkers/Thibeault (2007), S. 7. Die wichtigsten Ratingkriterien des IRB scheinen Eigenkapitalquote und Gewinn zu sein. Vgl. Hanker (2007), S. 116. Für eine umfassende Darstellung des IRB vgl. Segbers (2007), S. 106ff. Für eine spezifische Darstellung des IRB bei unterschiedlichen Banken sowie Sparkassen vgl. Schuhmacher (2006), S. 15ff, Buchmann (2003), S. 30ff. 262 Vgl. Padberg/Swies (2007), S. 167. 263 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2006), S. 70f. Zu den Prinzipien der zweiten bzw. dritten Säule vgl. Humpert (2003), S. 83ff. 264 Vgl. Herbst (2005), S. 121. 265 Vgl. Zimmermann/Schumacher (2005), S. 9, v. Puttkamer (2002), S. 8,v. Tippelskirch (2001), S. 243f. 266 Vgl. Grundke/Spörk (2003), S. 136f. 267 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Krämer-Eis (2001), S. 29.
57 Ein Darlehen mit stark bonitätsabhängigen Konditionen ist vergleichbar mit einer unternehmensindividuellen Risikobepreisung am Kapitalmarkt. Bankkredite nähern sich also der risikoorientierten und differenzierten Bepreisung von Unternehmensanleihen an.268 Verstärkt wird diese Annäherung durch eine Basel II-induzierte Zunahme sogenannter Ratingtrigger. Dabei handelt es sich um Zinsanpassungsklauseln im Kreditvertrag, wonach Änderungen des Unternehmensratings Erhöhungen oder Reduktionen bei der Verzinsung zur Folge haben. Mit dieser Klausel reicht die Bank die Kosten der bankenseitigen Eigenkapitalunterlegung sowie deren Veränderungen weiter. Dies steht allerdings im Widerspruch zur eigentlichen Aufgabe und Leistung der Banken, die in der Fristentransformation269 besteht und dem kreditnehmenden Unternehmen laufzeitbezogene Konstanz der Finanzierungskosten sichert. Aus Sicht des Kreditnehmers verlieren Bankkredite damit eine ihrer Stärken.270 Ein anderer Effekt, der direkt auf die gestiegene Risikoorientierung der Banken zurückgeht, ist eine zunehmende Bereitschaft zum Verkauf von Unternehmenskrediten. Um solche Forderungen, die hohe Eigenkapitalunterlegung bei relativ geringer Rendite erfordern, von den eigenen Büchern zu entfernen, nutzen Banken zunehmend das Instrument der Forderungssyndizierung.271 Auch der potenzielle Gläubigerwechsel während der Laufzeit nähert den Bankkredit an kapitalmarktgehandelte Forderungssurrogate an. Basel II, Zinsanpassungsklauseln und zunehmende Forderungssyndizierung speziell verstärken also den beschriebenen Trend zur Disintermediation. Sie steigern die Attraktivität einer unmittelbaren Unternehmensfinanzierung über den Kapitalmarkt, bei der auf die Intermediärfunktion der Banken bewusst verzichtet wird.272
3.2.2.4. Gestiegene Anforderungen an Kreditnehmer Trotz der häufig als mittelstandsfeindlich dargestellten Wirkung hat Basel II in Deutschland keine Kreditklemme als umfassende Störung des Bankensystems verursacht. Das zeigen empirische Untersuchungen: 37% der in einer Studie befragten mittelständischen Unternehmer empfinden den Kreditzugang im Jahr 2006 sogar besser als im Krisenjahr 2000. 48% geben an, dass der Zugang zu Bankkrediten sich nicht verändert habe.273
268
Vgl. v. Puttkamer (2002), S. 8 sowie The Boston Consulting Group (Hrsg.) (2002), S. 29f. Zur Fristentransformation als volkswirtschaftliche Aufgabe von Finanzinstituten vgl. Thiemann (2001), S. 7. 270 Vgl. Volk (2004), S. 1258f. 271 Vgl. Terschüren (2005). 272 Vgl. Ruh (2001), S. 84ff. 273 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer e.V. (Hrsg.) (2007), S. 6f. 269
58 Die Anforderungen an die kreditnehmenden Unternehmen verändern sich allerdings. Ein Ergebnis von Basel II ist die zunehmende Bedeutung von Ratings. Eine Studie von Achleitner et al. offenbart, dass die deutliche Mehrheit deutscher Familienunternehmen sich der zunehmenden Relevanz von Ratings bei der Kreditvergabe bewusst ist. 30% der befragten Familienunternehmen verfügen demnach sogar über ein Rating einer externen Ratingagentur und fast 60% bemühen sich stark um eine Verbesserung ihres externen oder bankinternen Ratings.274 Auch Transparenzanforderungen sind deutlich gestiegen. So geben 61% der von Wallau et al. befragten Industrieunternehmen an, ihre Banken eingehender über Geschäft und Strategien informieren zu müssen.275 Familienunternehmen müssen sich also darauf einstellen, Banken mehr Informationen über ihre finanzielle Entwicklung zur Verfügung stellen zu müssen.276 In diesem Kontext muss auch das oben dargestellte Schaubild zum unternehmensseitig wahrgenommenen Zugang zu Krediten (Abb. 9) interpretiert werden. Zwar geben jeweils zwischen 22% und 45% der befragten Unternehmen an, dass ihr Zugang zu Bankkrediten sich verschlechtert habe,277 eine Zusammenstellung der Gründe für diese empfundene Verschlechterung beinhaltet aber genau solche Aspekte, die aus den gestiegenen Anforderungen an eine Risikodifferenzierung durch Basel II entstehen (vgl. Abb. 14). 90% 80% 70% 60% 50%
81,8% 79,9% 78,9% 73,9%
Anforderungen an Dokumentation mehr Sicherheiten
55,4% 47,8%
Anforderungen an Offenlegung höhere Zinsen
40% 31,0%
30% 20% 10% 0% 2002
2003/04
2005
2006
2007
langwierige Bearbeitungs-/ Entscheidungsdauer Probleme, überhaupt noch Kredit zu bekommen Klimaverschlechterung
2008
Abb. 14: Gründe für eine Verschlechterung der Kreditaufnahme278
Die drei häufigsten Gründe – von jeweils ca. 80% der befragten Unternehmen genannt – gehen direkt auf das gestiegene Risikobewusstsein der Banken zurück: Zur notwendigen Beurteilung der Kreditwürdigkeit steigt der Dokumentationsaufwand, die Unternehmen müssen 274
Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 31f. Vgl. Wallau et al. (2007), S. 45. Vgl. Paffenholz (2005), S. 51. 277 Vgl. Plattner (2002), S. 6, Plattner (2003), S. 10, Plattner (2004), S. 11, Zimmermann/Schumacher (2005), S. 10, Plattner/Plankensteiner (2006), S. 11, Plankensteiner/Zimmermann (2007), S. 9, Plankensteiner/Zimmermann (2008), S. 10. 278 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf einer Gegenüberstellung der Ergebnisse aus Plattner (2003), S. 13, Plattner (2004), S. 16, Zimmermann/Schumacher (2005), S. 15, Plattner/Plankensteiner (2006), S. 17, Plankensteiner/Zimmermann (2007), S. 15 und Plankensteiner/Zimmermann (2008), S. 15. 275 276
59 mehr Informationen offen legen und die Banken fordern mehr Sicherheiten.279 Der in der vierthäufigsten Antwort beschriebene Trend zu höheren Zinsen wurde bereits diskutiert.
3.2.2.5. Auswirkungen der Subprime- bzw. Finanzkrise Die Subprimekrise von 2007 als Kristallisationskern der anschließenden weltweiten Finanzkrise entstammt der Situation, dass in den Jahren zuvor in den USA Schuldner mit unzureichender Kreditwürdigkeit – daher der Begriff Subprime – Hypotheken für Immobilienfinanzierungen erhalten haben .Gründe für diese Kreditvergabepraxis gab es mehrere: Die Zinsen in den Jahren 2002 bis 2005 waren historisch niedrig, die Immobilienpreise stiegen kontinuierlich stark. Damit erlitten Hypotheken niedriger Bonität wenige Ausfälle, weil die steigenden Immobilienpreise Schuldnern mit Zahlungsproblemen weitere Refinanzierungsmöglichkeiten eröffneten. Zusätzlich erlebte die Verbriefung von Subprimekrediten einen bis dahin ungekannten Boom.280 Ursprünglich in Buchform vorliegende Kredite wurden in handelbare Formen, sogenannte Asset Backed Securities bzw. im Fall der Hypothekenkredite in Mortgage Backed Securities (MBS) transferiert.281 Diese MBS wurden gesammelt, wiederum in neue Wertpapiere umgepackt und als Collateralized Debt Obligations (CDO) weiter vertrieben. Die relativ hohe Verzinsung dieser CDO weckte große Nachfrage bei institutionellen Investoren. Dies vergrößerte wiederum das potenzielle Kreditvolumen für Subprimeschuldner. Um diese Nachfrage zu befriedigen und am Boom zu partizipieren, senkten die Hypothekenbanken die Kreditvergabestandards weiter. Kurz vor dem Platzen dieser Kredit- und Immobilienblase waren dadurch Schuldner niedriger Kreditwürdigkeit in der Lage, Immobilien ohne Eigenkapital und nur mit der Hoffnung auf steigende Immobilienpreise zu finanzieren.282 Als 2006 die Immobilienpreise allerdings zu stagnieren und die Zinsen zu steigen begannen, wurden die Probleme dieses Finanzierungssystems offensichtlich und im Frühjahr 2007 waren bereits 13% der Subprimekredite mehr als 60 Tage überfällig.283 Statt der eingepreisten 4% bis 7% stellten sich bis zu 25% Insolvenzen bei den Subprimekrediten ein und in der Folge fiel das gesamte System der Subprimekredite in sich zusammen.284
279
Dieses gestiegene Risikobewusstsein muss aber kein Nachteil für die Kapitalnehmer sein. Die damit verbundene zunehmende Relevanz von Ratings vermag Informationsasymmetrien zwischen Banken und Unternehmen abzubauen und kann zu besseren Finanzierungskonditionen führen, als dies ohne Rating möglich wäre. Vgl. European Central Bank (Hrsg.) (2007a), S. 75. 280 Vgl. Krinsman (2007), S. 13. 281 Vgl. Rudolph (2002), S. 62. 282 Vgl. Sandler (2007), S. 4. 283 Vgl. Krinsman (2007), S. 14. 284 Vgl. Sandler (2007), S. 5. Für eine ökonomische Ursachenanalyse der Subprimekrise auf Basis der PrincipalAgent Theorie vgl. Fejer (2008).
60 Aufgrund des weltweiten Handels der CDO waren die unmittelbaren Auswirkungen auf die internationale Bankenbranche immens: Abschreibungen in Milliarden- wenn nicht sogar Billionenhöhe, weltweite Insolvenzen und Verstaatlichung von Banken, darunter die beiden größten Immobilienfinanzierer der USA.285 Spätestens die Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 hat das internationale Finanzsystem jedoch einer existenziellen Belastungsprobe unterzogen.286 Zu Absicherung von Banken legten Regierungen weltweit daraufhin umfangreiche Rettungspakete auf. In Deutschland bietet der staatliche Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) dem Finanzsektor Garantien zur Liquiditätssicherung, legt zusätzliches Eigenkapital in Banken ein oder tauscht risikoreiche Wertpapiere gegen Schuldtitel des Bundes.287 Obwohl Ende 2008 eine erste Stabilisierung der Finanzmärkte geschafft zu sein scheint, rutscht die Weltwirtschaft in eine voraussichtlich tiefe Rezession. Eine deutliche Verschärfung der Konditionen von Unternehmenskrediten ist bereits zu beobachten.288 Kurzfristige Auswirkungen der Finanzkrise auf die Unternehmensfinanzierung dürfen für die Fragestellung dieser Arbeit allerdings nicht überbetont werden. Deutsche Familienunternehmen – wie alle Unternehmen weltweit – müssen sich dieser Herausforderung mit den aktuell zur Verfügung stehenden Mitteln stellen. Sofern sie schon erkennbar sind, müssen die langfristigen Auswirkungen hingegen Eingang finden in die Überlegungen zur sich verändernden Finanzierungssituation deutscher Familienunternehmen. Einerseits ist diesbezüglich davon auszugehen, dass immer noch steigende Wertverluste und Kapitalbedarf der Finanzinstitute die Konsolidierung der Bankenbranche weiter vorantreiben. Auch eine sich abzeichnende Zunahme von Anforderungen an das bankenrechtliche Risikomanagement und damit verbundener Fixkosten sprechen für eine weitere Konzentration der Branche.289 Führt man sich vor Augen, dass die regulatorischen Eingriffe von Basel II eine Reaktion auf die Asienkrise in den 90er-Jahren und das damals fehlende Risikobewusstsein waren, scheint eine solche Verschärfung des Risikomanagements unausweichlich. Andererseits reduzieren die Verluste sowie die zu erwartende Steigerung in der Risikoabsicherung von Krediten die zur Verfügung stehenden Finanzmittel und das unterlegbare Eigenkapital der Banken. Im Ergebnis steht weniger Kapital für Darlehen zur Verfügung. Auch die Risikobe-
285
Vgl. Bastian/Köhler (2008) sowie Maisch (2008). Vgl. Weber (2008), S. 4. 287 Vgl. Finanzmarktstabilisierungsanstalt (Hrsg.) (2008). 288 Vgl. European Central Bank (Hrsg.) (2008c), S. 9. Vgl. gleichgerichtet auch die Ergebnisse einer Umfrage von Creditreform im Mittelstand: Creditreform (Hrsg.) (2008), S. 24. 289 In der öffentlichen Meinung besteht das Mandat für eine höhere Regulierungsintensität bereits. Vgl. exemplarisch Massenberg (2008) oder Münchau (2008). 286
61 wertungen in anderen Geschäftsbereichen der Banken werden sich in Folge der Subprimekrise ändern.290 Bereits im Sommer 2008 zeigt sich, dass die Banken ihren Fremdkapitalhebel reduzieren und die Eigenkapitalunterlegung von Krediten steigern.291 All dies spricht dafür, dass die Anforderungen an Kreditnehmer sowie die Zinsen für Bankkredite steigen werden.292 Auch eine striktere Ausgestaltung von Kreditverträgen und Covenants steht zu erwarten. Banken werden in Zukunft noch bessere Vorkehrungen treffen wollen, um Kredite schnell kündigen oder verkaufen und die eigene Risikostruktur flexibel anpassen zu können. Der bereits beschriebene Trend zur stärkeren Nutzung von Forderungssyndizierungs- und Gleitzinsklauseln wird in Folge der Subprimekrise vermutlich zunehmen.293
3.2.3. Mangelnde Flexibilität zum Ausgleich kurzfristig entstehenden Kapitalbedarfs Die traditionelle Finanzierung deutscher Familienunternehmen über Innenfinanzierung, Bankkredite und Leasing beinhaltet eine weitere Herausforderung, die sich weniger aus der inhaltlichen Gestaltung, sondern mehr aus der reinen Zahl der Finanzierungsinstrumente ergibt. Wie bereits erläutert, stellen Innenfinanzierung und Leasing keine Möglichkeiten dar, zusätzliches externes Kapital in das Unternehmen einzubringen.294 Bankkredite sind das einzige Instrument, Finanzmittel zuzuführen, die nicht aus dem Vermögen des Unternehmens entstehen. Für den Fall, dass kurzfristig zusätzliches Kapital notwendig wird, kann dies Probleme hervorrufen – insbesondere, wenn bestehende Kreditlinien bereits ausgeschöpft und existierende Sicherheiten bereits beliehen sind oder die Banken eine weitere Verschuldung nicht mittragen.295 Potenzielle Anlässe für kurzfristig und unerwartet entstehenden Kapitalbedarf bei Familienunternehmen gibt es verschiedene. Einerseits besteht konstant die latente Gefahr, dass eine oder mehrere kreditgebende Banken das Unternehmen auffordern, die Verschuldung zu reduzieren. Dafür können aus Bankensicht verschiedene Gründe sprechen. Beispielsweise kann eine Änderung im bankinternen Risikomanagement dazu führen, dass in deren Folge die Ei-
290
Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2008l), S. 32. Vgl. Bastian et al. (2008). Vgl. dazu die Interviewaussage von Experte 2: Experte 2 (2008), S. 4f. Der Prozess der Verteuerung wird sich aufgrund bereits abgeschlossener langfristiger Kreditlinien jedoch nur schrittweise und kontinierlich über die nächsten Jahre hinziehen. Vgl. Hilger (2008), S. 490. 293 Vgl. Mast (2008), S. 493. 294 Die einzige Möglichkeit über Leasing externes Kapital zuzuführen besteht bei Sale-and-lease-back Geschäften. Allerdings sind diese meist auf verkehrsfähige Vermögensgegenstände begrenzt und auch für eine kurzfristige Finanzmittelerhöhung ist dies kein sehr geeignetes Instrument. 295 Vgl. die diesbezügliche Aussage von Experte 6, Geschäftsbereichsleiter der Deutschen Bank, im Interview zu dieser Arbeit: Experte 6 (2008), S. 9f. 291 292
62 genkapitalausstattung als zu gering oder das Verhältnis von Verschuldung zu Ertrag als zu hoch eingeschätzt wird. Ein anderer Grund kann sich aus der Negativbewertung einer gesamten Branche ergeben. Beispiele für solche Branchen waren in der Vergangenheit Bau, Telekommunikation oder IT. Auch eine Änderung der Geschäftsstrategie der Bank kann dazu führen, dass ein Unternehmen nicht mehr zu den Zielkunden zählt und frühere Engagements reduziert werden. Solch ein Strategiewechsel ist beispielsweise bei einer Akquisition der kreditgebenden Bank im Rahmen der Branchenkonsolidierung vorstellbar.296 Neben Ursachen, die aus der bestehenden Finanzierungsbeziehung erwachsen, bieten die Spezifika eines Familienunternehmens weiteres Potenzial zur Entstehung kurzfristigen, ungeplanten Kapitalbedarfs. So stellt der Tod eines Gesellschafters mit der resultierenden Erbschaftssteuer üblicherweise die gravierendste Steuerbelastung eines Familienunternehmens dar.297 Insbesondere die Vererbung des Unternehmens vom Gründer auf die zweite Generation stellt eine Herausforderung dar. Da der Gründer den Erfolg seines Unternehmens nicht von Beginn an einzuschätzen vermag, legt er oftmals keine Ressourcen zur Finanzierung der Erbschaftssteuer zurück. Tritt der Erfolg ein, müssen die Erben diese Mittel beschaffen.298 Wie eine diesbezügliche Untersuchung von Schlömer et al. zeigt, fällt der Kapitalbedarf, der zur Unternehmensübertragung notwendig wird, regelmäßig höher aus als ursprünglich angenommen. Gleichzeitig stellt sich die Finanzierung der Nachfolge regelmäßig schwieriger als erwartet dar.299 Aber nicht nur der Tod eines Gesellschafters, auch das Ausscheiden eines Eigentümers, der kein Interesse an seiner Gesellschafterposition hat und eine Auszahlung anstrebt, kann einen größeren Mittelabfluss bedingen.300 Außer diesen Möglichkeiten zur kurzfristigen Entstehung zusätzlichen Kapitalbedarfs, die nur geringfügig mit dem operativen Geschäft korrelieren, ergibt sich auch zunehmender Mittelbedarf aus der Geschäftstätigkeit. Der steigende Druck zur Internationalisierung, der aus den Konsolidierungs- und Konzentrationsprozessen in vielen Branchen entsteht, induziert hohen Kapitalbedarf.301 Organische Wachstumspotenziale bedürfen der Investitionen in Standorte, Produktentwicklung und Mitarbeiter. Auch die Akquisition eines Wettbewerbers oder Lieferanten wird nur selten vollständig mit bestehenden Mitteln zu finanzieren sein. Gra296
Vgl. die Aussagen von Experte 7 im Interview, der Partner einer auf Familienunternehmen spezialisierten Beratung ist und vorher viele Jahre in der Geschäftsleitung verschiedener deutscher Banken tätig war. Vgl. Experte 7 (2008), S. 5f sowie Warnholtz (2004), S. 103. Vgl. auch Haaß-Wiesegart (2005), S. 169. 297 Vgl. Hennerkes/Hund (2008), S. 264. Wie bereits in Abschnitt 3.1 diskutiert, verfügen die Gesellschafter eines Familienunternehmens in den wenigsten Fällen über ein liquides Vermögen außerhalb des Unternehmens. Daher müssen kurzfristige Liquiditätsabflüsse regelmäßig durch das Unternehmen verkraftet werden. 298 Vgl. Scherer et al. (2005), S. 64. 299 Vgl. Schlömer et al. (2008), S. 158. 300 Vgl. Warnholtz (2004), S. 103. 301 Vgl. Rudolf (2008), S. 26f.
63 ves/Thomas identifizieren den Zugang zu Kapital daher als Schlüsseldeterminante einer Internationalisierungsstrategie.302 Wenn ein Unternehmen sich ausschließlich auf Innenfinanzierung und Bankkredite stützt, kann dies eine unmittelbare Einschränkung des Wachstums verursachen.303
3.3. Diversifizierung der Finanzierung durch alternative Instrumente
Der vorhergehende Abschnitt schilderte unterschiedliche Herausforderungen, die mit dem Industriekapitalismus deutscher Familienunternehmen und ihrer traditionellen Finanzierung über Innenfinanzierung, Bankkredit und Leasing einhergehen. All diese Herausforderungen stellen Gründe dafür dar, warum deutsche Familienunternehmen ihre Finanzierung stärker diversifizieren müssen.304 Auch wenn das traditionelle Finanzierungssystem noch funktioniert, deutet vieles darauf hin, dass eine Kapitalisierung ausschließlich mit Innenfinanzierung, Bankkrediten und eventuell Leasing nicht zukunftssicher ist.305 Im Folgenden werden die wesentlichen, in Wissenschaft und Unternehmenspraxis diskutierten Alternativen zur traditionellen Finanzierung von Familienunternehmen dargestellt. Eine Würdigung erfolgt dabei nur bezüglich allgemeiner Stärken und Schwächen. Eine spezifische Eignungsbeurteilung bezogen auf die finanzwirtschaftlichen Anforderungen von Familienunternehmen erfolgt in einem späteren Teil der Arbeit. Diese Gesamtschau eröffnet zudem die Möglichkeit zur Einordnung von High Yield Bonds als Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit.
3.3.1. Finanzierung mit Kreditsubstituten Bei Kreditsubstituten handelt es sich um Instrumente der bilanzneutralen Finanzierung: Eine Reorganisation der Aktivseite senkt den Kapitalbedarf und schafft damit Liquidität ohne Aufnahme zusätzlichen Fremd- oder Eigenkapitals.306 Leasing als ein Kreditsubstitut wurde bereits im Rahmen der traditionellen Finanzierung von Familienunternehmen vorgestellt. Weitere, weniger verbreitete Kreditsubstitute werden im Folgenden erläutert.
302
Vgl. Graves/Thomas (2008), S. 161. Für ein Beispiel solch einer finanzierungsinduzierten Wachstumsbegrenzung vgl. exemplarisch die Fallstudie in Abschnitt 4.2 dieser Arbeit; ebenso die Aussage von Experte 5, Hauptabteilungsleiter Finanzen eines sehr großen deutschen Familienunternehmens: Experte 5 (2008), S. 4 und S. 9. 304 Vgl. Rudolf (2008), S. 27, Böllhoff (2004), S. 221f. Ein Großteil hat dies auch verstanden und strebt eine größere Diversifikation an. Vgl. Siemens Financial Services GmbH (Hrsg.) (2003), S. 12. 305 Vgl. Hommel/Schneider (2003), S. 69. Dies meinen auch 56% der durch Müller et al. befragten Unternehmen. Vgl. Müller et al. (2005), S. 131. 306 Vgl. Bigus (2000), S. 466. 303
64 3.3.1.1. Factoring Factoring bezeichnet den fortlaufenden Verkauf von Forderungen aus Lieferung und Leistung an einen Factor, wobei es sich dabei meist um spezialisierte Factoringinstitute handelt.307 Es existieren verschiedene Subformen, die sich im Umfang der Einbindung des Factors (Finanzierungsfunktion oder Dienstleistungsfunktion einschließlich Debitorenbuchhaltung), dem Zeitpunkt des Forderungsverkaufs (vor oder mit Fälligkeit), der Offenlegung der Factoringbeziehung gegenüber den Debitoren (still oder offen) sowie der Übernahme der Delkrederefunktion308 durch den Factor unterscheiden.309 Um Factoring betreiben zu können, muss das Unternehmen verschiedene Voraussetzungen erfüllen: Das Unternehmen sollte die Start-up Phase hinter sich haben, Jahresumsätze jenseits der Millionengrenze aufweisen und über ausreichende Erträge verfügen. Notwendig ist außerdem die Existenz hoher Außenstände bei gleichzeitig begrenzter Zahl an Debitoren, ohne allerdings von den wenigen Debitoren abhängig zu sein. Weiterhin bevorzugen Factoren bestimmte Branchen. Dienstleistungen gehören nur unter bestimmten Voraussetzungen, Branchen mit Voraus-, Abschlags- oder Teilzahlungen wie die Bauindustrie grundsätzlich nicht dazu.310 Darüber hinaus muss das Unternehmen zu einer vertraulichen Zusammenarbeit mit dem Factor bereit sein, denn am Beginn einer Factoringbeziehung steht eine Analyse der letzten beiden Jahresabschlüsse, des Business Plans für die nächsten Jahre, der offenen Posten bei Debitoren und Kreditoren sowie rechtlicher Dokumente im Zusammenhang mit der Umsatzerzielung und Forderungsentstehung.311 Bei entsprechender Datenlage und Vorbereitung des Unternehmens ist die Nutzung von Factoring dafür aber relativ kurzfristig möglich. Üblicherweise fließen 80% bis 90% des Forderungswerts unmittelbar nach dem Verkauf und stärken direkt die Liquidität des Forderungsverkäufers. Die Zahlung des Rests abzüglich Gebühren und Zinsen erfolgt nach Zahlung durch die Kunden. Der zentrale Nutzen von Factoring liegt somit in seiner unmittelbaren Liquiditätsverbesserung. Zusätzlich führt Factoring zu einer Verkürzung der Bilanzsumme. C.p. führt Factoring somit zu einer rechnerischen Steigerung der Eigenkapitalquote.312 Dies erhöht die Kreditwürdigkeit und verbessert das Unterneh-
307
Vgl. Reichling et al. (2005), S. 194. Delkredere bezeichnet die Haftung des Factors für teilweisen oder vollständigen Forderungsverlust durch Zahlungsunfähigkeit eines Debitors. Vgl. Müller et al. (2006), S. 257. Das Risiko von Nichtzahlungen der Debitoren aufgrund von Schlechtleistung o.ä. verbleibt allerdings beim Forderungsverkäufer. Vgl. Bette (2006), S. 53. 309 Vgl. Hermann (2006), S. 24f, Schneck (2006), S. 175 sowie Mevissen (2005), S. 24f. 310 Vgl. Hermann (2006), S. 20. 311 Vgl. Hermann (2006), S. 27, Wambach/Kirchmer (2006), S. 49 sowie Lüdtke (2006), S. 66. 312 Vgl. Karrer (2006), S. 79. 308
65 mensrating. Durch die mögliche Übertragung des Delkredererisikos auf den Factor wird dieser Effekt zusätzlich gestärkt.313 Factoringverträge scheitern allerdings häufig daran, dass Factoringgesellschaften nur bis zu dem im Factoringvertrag festgelegten Debitorenlimit vorfinanzieren. Falls dies nicht in der für das forderungsverkaufende Unternehmen relevanten Höhe möglich ist, verhindert es die erwünschte Finanzierungsfunktion, nach der automatisch 90% aller Forderungen liquiditätswirksam verkauft werden und stellt damit die fallspezifische Sinnhaltigkeit von Factoring in Frage.314 Ein weiterer Malus erwächst aus der Sichtbarkeit des Forderungsverkaufs für den Schuldner, die mit personell und eventuell auch methodisch verändertem Forderungsmanagement einhergeht. Sie kann das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Kunden belasten, wenn diese Maßnahmen nicht in eine geeignete Kommunikationsstrategie eingebunden sind.315 Gebühren und Zinsen belaufen sich i.d.R. auf bankübliche Sollzinsen für die Kreditierung der Forderungen zuzüglich 2% bis 3% der Forderungsbeträge als Bearbeitungsgebühr.316 Allerdings variieren diese Kosten in Abhängigkeit der Debitorenbonität, dem Umfang der Übernahme von Funktionen durch den Factor, der Laufzeit der Forderungen sowie der Zahl und Fluktuation der Kunden. Dadurch können sich die laufenden Kosten für Factoring auf bis zu 5% des Forderungswerts zzgl. der Verzinsung belaufen.317 Aufgrund dieses Verzichts auf einen Teil der bereits im Unternehmenseigentum befindlichen Vermögenstitel zusätzlich zur Verzinsung stellt Factoring kein besonders günstiges Finanzierungsinstrument dar und bedarf der genauen Abwägung der positiven Effekte auf Liquidität- und Bilanzkennzahlen gegenüber den niedrigen Veräußerungspreisen.318 Fremdleistungskosten entstehen beim Factoring üblicherweise nicht.319 Die vertragliche Laufzeit eines Factoringvertrags ist individuell fixierbar. Die Laufzeit der Finanzierung als Zeitspanne, für die zusätzliches Kapital zur Verfügung steht, ist zwangsläufig gering, da Factoring lediglich eine Vorfinanzierung der üblichen Forderungslaufzeit darstellt.
313
Vgl. Simmert/Niggemann (2006), S. 43f. Vgl. Lüdtke (2006), S. 67. Vgl. Pesch (2008), S. 172. 316 Vgl. Arnold (2005), S. 387. Perridon/Steiner setzen die Gebühren für die Dienstleistung mit 0,5% bis 2,5% und für die Delkrederefunktion mit 0,2% bis 1% an. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 435. Pleisterer und Grunow/Figgener veranschlagen insgesamt 0,5% bis 2,5%. Vgl. Pleisterer (2000), S. 107 sowie Grunow/Figgener (2006), S. 289. 317 Vgl. Hermann (2006), S. 35. 318 Vgl. Koop/Maurer (2006), S. 83. 319 Vgl. Loock-Weber (2006), S. 47. 314 315
66 Factoring Fremdleistungskosten Nutzungskosten
Keine Bankübliche Sollzinsen für Kreditierung der Forderungen zzgl. 2-5% des Forderungsvolumens als Gebühr Volumen Mindestforderungsvolumen 1 Mio. Euro, begrenzt auf das Volumen veräußerbarer Forderungen und Debitorenlimit des Factors Laufzeit Laufzeit des Factoringvertrags gestaltbar, Laufzeit der Finanzierung gering und auf Forderungsbestand begrenzt Anforderungen Reifes Unternehmen mit Umsätzen > 1 Mio. EUR, Hohe Außenstände, überschaubare Anzahl an Debitoren, Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen, Vertraulichkeit ggü. Factor aufgrund relativ großer Offenlegung interner Daten vor Abschluss des Factoringvertrags Platzierungsdauer Grundsätzlich relativ kurzfristig, abhängig von unternehmensseitiger Vorbereitung (s. Anforderungen) Kapitalgeber Spezialisierte Factoringinstitute Stellung der Kapitalgeber Keine Mitspracherechte, Informationspflichten vor Vertragsabschluss Stärken Liquiditäts- und Ratingverbesserung, Bilanzverkürzung, Risikoverlagerung Schwächen Relativ teuer, Debitorenlimit, nicht für alle Unternehmen gangbar, potenzielle Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kunde und Unternehmen, NettoVeräußerung von Vermögenswerten unter Buchwert Tab. 9: Charakteristika von Factoring im Überblick320
Zum deutschen Factoringmarkt ist festzustellen, dass 147 in Deutschland tätige Factoringunternehmen 2006 ein Forderungsvolumen hiesiger Unternehmen von 79 Mrd. Euro ankauften. Gemessen an der Factoringquote, die als Anteil der verkauften Forderungen am BIP gemessen wird, belegt Deutschland damit weltweit den vierten Platz nach Großbritannien, Frankreich und Italien, wächst allerdings am stärksten.321 Der durchschnittliche Umsatz von Factoringnutzern in Deutschland liegt 2006 mit ca. 10 Mio. Euro noch das fünf- bis sechsfache über Nutzern in Großbritannien, Frankreich und Italien.322
3.3.1.2. Asset Backed Securities ABS sind Wertpapiere, die aus der Umwandlung bestimmter Vermögensgegenstände in neue Rechtsformen über eigens dafür geschaffene Zweckgesellschaften (Special Purpose Vehicle SPV oder auch Conduit) entstehen.323 Üblicherweise handelt es sich bei den Vermögensgegenständen um ein bestehendes Forderungsportfolio, das vom Unternehmen (Originator) an eine rechtlich selbständige, aber zur Unternehmensgruppe gehörende SPV verkauft wird.324 Die SPV refinanziert sich wiederum durch Ausgabe der ABS in Form kurzfristiger Inhaberschuldverschreibungen oder mittel- bis langfristiger Anleihen an institutionelle Anleger wie 320
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Wassermann (2007b), S. 151. Für einen Vergleich der Entwicklung des Factoring in Europa vgl. auch Wassermann (2006). 322 Vgl. Wassermann (2007c), S. 73. 323 Vgl. Schneck (2006), S. 319. 324 Damit handelt es sich um ABS im Rahmen der vorliegenden Arbeit um ABS im engeren Sinne, im weiteren Sinne gelten auch die bereits beschriebenen CDO und MBS zu ABS. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 437f. 321
67 Versicherungen, Fondsgesellschaften und Banken.325 Durch Verbriefung werden damit in ihrer Grundform prinzipiell nicht kapitalmarktfähige Vermögenswerte am Kapitalmarkt handelbar.326 Zins und Tilgung dieser Wertpapiere erfolgen ausschließlich aus dem Zahlungsstrom der unterlegten Forderungen. Die Kreditwürdigkeit der Wertpapiere ergibt sich damit unmittelbar aus der Qualität der unterlegten Forderungen, weswegen das Forderungsportfolio bestimmten Kriterien genügen muss:327 Die Zahlungseingänge aus den Forderungen müssen bewert- und prognostizierbar, die Ausfallraten niedrig und die Diversifikation der Schuldner bzgl. Geographie, Branche und Unternehmensgröße hoch sein.328 Die Übertragung der Forderungen auf die SPV erfolgt i.d.R. als stille Zession.329 Dadurch ändert sich für den Schuldner grundsätzlich nichts und die Funktion des Forderungsmanagements verbleibt – anders als beim Factoring – beim Originator.330 Insgesamt ist der Aufwand für eine ABS Finanzierung jedoch relativ hoch, da Ausfallrisiken und ein Rating im Rahmen einer detaillierten Portfolioanalyse bestimmt, eine SPV gegründet, der Verkauf an die SPV strukturiert und die Platzierung am Kapitalmarkt organisiert werden müssen.331 Dieser Prozess wird aufgrund seiner Komplexität i.d.R. durch spezialisierte Dienstleister oder Investmentbanken begleitet.332 Zusätzlich sind externe Ratingagenturen, Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer beteiligt.333 Entsprechend hoch sind auch die Fixkosten einer ABS Finanzierung, die allerdings sehr transaktionsspezifisch ausfallen. In der Literatur werden Angaben von 0,8% bis 3% des Transaktionsvolumens oder 105.000 bis 815.000 EUR genannt.334 Dies zeigt sowohl die Streuung aber auch die absolute Höhe der Fixkosten. In Konsequenz ergibt sich ein wirtschaftliches Mindestvolumen von 15 bis 20 Mio. Euro für ABS.335 Auf den ersten Blick schränkt das die Eignung von ABS für kleine Unternehmen ein.336 Einige Banken haben allerdings sogenannte Multi-Seller Programme aufgelegt, in denen die For-
325
Vgl. Schneider/Droste (2002), S. 399. Vgl. Pesch (2008), S. 171f, Geiger (2008), S. 516f. Für eine detaillierte Darstellung des Verbriefungsprozesses vgl. Ricken (2008), S. 53ff. 327 Vgl. Hultsch (2002), S. 143. 328 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 437. 329 Vgl. Schneck (2006), S. 322. 330 Vgl. Pesch (2008), S. 172. 331 Vgl. Koop/Maurer (2006), S. 84. 332 Vgl. Schneck (2006), S. 323f. 333 Vgl. Schneider/Droste (2002), S. 395. Zum Emissionsprozesses und an der Transaktion Beteiligten vgl. Mevissen (2005), S. 27ff. 334 Vgl. Reichling et al. (2005), S. 203 oder Mevissen (2005), S. 58. 335 Vol. Schneck (2006), S. 321 sowie Grunow/Figgener (2006), S. 277. Pesch veranschlagt sogar 20-30 Mio. EUR als ökonomische Mindestgröße. Vgl. Pesch (2008), S. 173f. Reichling et al. geben 25 Mio. EUR an. Vgl. Reichling et al. (2005), S. 203. 336 Vgl. Loock-Weber (2006), S. 47. 326
68 derungen mehrerer Unternehmen gebündelt werden.337 Damit sind ABS Finanzierungen auch für kleinere Unternehmen möglich.338 Die laufenden Kosten von ABS orientieren sich meist am Euribor, der um einen Risikoaufschlag erhöht wird und sich nach dem Rating des Forderungsportfolios richtet.339 Wie bereits beschrieben, sind daher nur qualitativ werthaltige Forderungen für eine Verbriefung als ABS geeignet.340 Damit, sowie durch sogenannte Credit Enhancements in Form von Garantien Dritter oder Abschlägen auf den Forderungsbestand, können allerdings sehr gute Ratings und eine niedrige Verzinsung in Nähe des Euribor (European Interbank Offered Rate)341 erzielt werden, so dass die laufenden Finanzierungskosten von ABS als sehr günstig einzustufen sind.342 Zusätzlich entstehen laufende Kosten für die Erstellung von Investorenberichten, Verwaltung der SPV und periodische Ratingüberprüfungen.343 Von der Vorbereitung bis zur Platzierung einer ABS Finanzierung müssen ca. 3 bis 6 Monate kalkuliert werden. 344Als Laufzeit von ABS sind 3 bis 7 Jahre üblich, die durch ein rollierendes Verfahren aus Forderungsverkauf und Wertpapierunterlegung ermöglicht werden.345 Die Anforderungen, die eine ABS Finanzierung an das Unternehmen stellt, sind vielfältig. Neben der notwendigen Kreditwürdigkeit müssen die Forderungen auch diversifiziert und einzeln bewertbar sein. Darüber hinaus muss der Originator über die gesamte Laufzeit der ABS über ausreichende Forderungen entsprechend der Definition im ABS Vertrag verfügen, was Art, Streuung und Risikoprofil der Forderungen betrifft. An das Berichtswesen des Unternehmens stellen ABS auch besondere Anforderungen: Historische Daten zu Forderungsentwicklung, Geldeingängen, Diversifikation und Altersstruktur der Forderungen etc. müssen vorhanden sein. Darüber hinaus muss die buchhalterische Unterscheidung zwischen verkauften und nicht verkauften Forderungen sowie den zugehörigen Geldflüssen zwischen Debitoren, Originator und SPV sicher gestellt sein.346 Die Stärken von ABS ergeben sich aus den beschriebenen Charakteristika: Neben der Kapitalfreisetzung erreicht der Originator eine Bilanzverkürzung mit entsprechenden positiven Auswirkungen auf Bilanzrelationskennzahlen. Zusätzlich wird das Delkredererisiko auf die SPV
337
Vgl. exemplarisch Mortag/Coenen (2003), S. 331ff. Zur Gestaltung solcher Programme vgl. Geiger (2008), S. 517f. Vgl. Müller et al. (2006), S. 272f. 339 Vgl. Pesch (2008), S. 173. 340 Vgl. Reichling et al. (2005), S. 203. 341 Zum Euribor und dem vergleichbaren Libor (London Interbank Offered Rate) vgl. Borchert (2001), S. 672. 342 Vgl. Schneider/Droste (2002), S. 387 sowie Pleisterer (2000), S. 108. 343 Vgl. Schneider/Droste (2002), S. 401. 344 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 280, Dentz (2004a), S. 64. 345 Vgl. Dentz (2004a), S. 60ff, Schneider/Droste (2002), S. 388. 346 Vgl. Schneider/Droste (2002), S. 397f. 338
69 übertragen. Durch den Verkauf in Form einer stillen Zession wird die Beziehung zum Kunden nicht belastet und Unternehmen, die den Kapitalmarkt sonst nicht nutzen – wie die meisten Familienunternehmen – erlangen mit ABS einen indirekten Zugang.347 Diesen Stärken stehen jedoch auch Schwächen gegenüber: ABS sind mit vergleichsweise hohem Aufwand und entsprechend hohen Einmalkosten verbunden. Die hohen Anforderungen an Rechnungs- und Berichtswesen können zudem Investitionen in IT und Personal nach sich ziehen. ABS lohnen sich daher auch erst ab einem relativ großen Forderungsbestand, der veräußert werden kann. All dies verdeutlicht, dass ABS trotz Multi-Seller Programmen nur für relativ reife und große Unternehmen geeignet sind. Gültigkeit besitzt der bereits bei Factoring angesprochene Nachteil des Verkaufs von Vermögenswerten unter Buchwert.348 Zwar gilt wie auch beim Factoring, dass der deutsche Markt für ABS noch unterentwickelt ist, das Emissionsvolumen entwickelt sich seit einigen Jahren jedoch sehr dynamisch.349 Innerhalb Europas stellten deutsche Forderungen 2003 bis 2006 sogar den größten Anteil des Finanzierungsvolumens.350 Allerdings ist noch offen, inwiefern die Auswirkungen der Finanzkrise den Markt für ABS dauerhaft verändern werden. Bereits heute zeigen sich in Form gesunkener Nachfrage und gestiegener Mindestrenditen deutliche Auswirkungen.351 Asset Backed Securities Fremdleistungskosten Nutzungskosten Volumen
Sehr transaktionsspezifisch, aber grundsätzlich ziemlich hoch Euribor zzgl. Risikoaufschlag entsprechend Bonität des Forderungsportfolios Min. 20 Mio. EUR Forderungsvolumen, kann jedoch durch mehrere Unternehmen gemeinsam aufgebracht werden, Maximalbegrenzung ergibt sich aus Bestand qualitativ ausreichender Forderungen Laufzeit 3-7 Jahre Anforderungen Leistungsfähiges Rechnungs- und Berichtswesen, Außenstände mit hoher Kreditwürdigkeit Platzierungsdauer 3-6 Monate Kapitalgeber Institutionelle Investoren am Kapitalmarkt Stellung der Kapitalgeber Keine Mitspracherechte, Informationsrechte zur Entwicklung der im verbrieften Portfolio befindlichen Forderungen Stärken Liquiditätsverbesserung, Bilanzverkürzung, Ratingverbesserung, Risikoverlagerung, indirekter Kapitalmarktzugang Schwächen Hoher Aufwand, relativ hohe Fixkosten, nicht für alle Forderungen und Unternehmen geeignet, Netto-Veräußerung von Vermögenswerten unter Buchwert Tab. 10: Charakteristika von Asset Backed Securities im Überblick352
347
Zu den Stärken von ABS vgl. Pesch (2008), S. 176, Perridon/Steiner (2007), S. 443, Schneck (2006), S. 322 sowie Schneider/Droste (2002), S. 402ff. 348 Zu den Schwächen von ABS vgl. Pesch (2008), S. 177f, Grunow/Figgener (2006), S. 281, Mevissen (2005), S. 34ff sowie Dentz (2004b), S. 76. 349 Vgl. Brenken/Papenfuß (2007), S. 39f, Jendruschewitz/Nölling (2007), S. 10. 350 Vgl. Schmittat (2007), S. 25. 351 Vgl. Pesch (2008), S. 173. 352 Quelle: Eigene Darstellung.
70 3.3.2. Zusätzliche Instrumente der Eigenkapitalfinanzierung
3.3.2.1. Private Equity Der Begriff Private Equity (PE) ist stark durch die Finanzierungspraxis geprägt und weniger aus theoretischen Überlegungen abgeleitet.353 Nach US-amerikanischem Verständnis umschreibt PE die Bereitstellung von Eigenkapital für nicht börsennotierte Unternehmen. Dabei werden Venture Capital (VC) als Gründungs- und Wachstumskapital für junge Unternehmen und Buyouts von Unternehmen in der Reife- bzw. Sättigungsphase differenziert.354 Im europäischen Verständnis hingegen wird PE und VC häufig synonym verwendet, wobei zusätzliche Begriffsbestimmungen im engeren bzw. weiteren Sinne existieren, wenn Subkategorien ein- oder ausgeschlossen sind.355 In letzter Zeit hat sich aber auch in Europa die amerikanische Abgrenzung durchgesetzt.356 Entsprechend verwendet auch die vorliegende Arbeit PE als Oberbegriff und VC und Buyouts als Unterformen mit den Einsatzzeitpunkten in der Lebenszyklusphase als konstitutiven Abgrenzungsmerkmalen. Eine Übersetzung von PE mit dem Begriff Beteiligungskapital erfolgt dabei grundsätzlich nicht,357 da dies nicht trennscharf vom Anteilskapital eines Aktionärs (Public Equity)358 oder Eigenkapitalfinanzierung allgemein abzugrenzen ist.359 Darüber hinaus wird VC aus den weiteren Betrachtungen weitgehend ausgeklammert, weil der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf der Unternehmensfinanzierung jenseits der Gründungsphase liegt.360 Bei Buyouts im Sinne der vorliegenden Arbeit erfolgt weiterhin keine zwangsläufig vollständige Übernahme der Eigenkapitalanteile.361 Bei Buyouts sind drei Formen zu unterscheiden: Bei einem Management Buyout (MBO) übernimmt das bereits etablierte Management Gesellschafteranteile. Im Gegensatz dazu akquirieren bei einem Management Buyin (MBI) externe Führungskräfte Anteile. In beiden Fällen sind häufig PE Gesellschaften an der Finanzierung beteiligt. Erwirbt ausschließlich der PE Fonds Anteile, wird dies als Leveraged Buyout (LBO) bezeichnet, weil die Akquisitions353
Vgl. Willert (2006), S. 16. Vgl. Lopez (2008), S. 1 sowie Lerner et al. (2005) S. 2f und S. 11f. Somit unterscheidet man bei PE meist zwischen Gründungsphase (Early Stage mit Seed- und Start-up Phase), Wachstumsphase (Expansion Stage) und Reife- bzw. Sättigungsphase (Later Stages). Vgl. Engel (2003), S. 25. 355 Vgl. exemplarisch Achleitner (2001), S. 514, Schefczyk (2004), S. 19, Jesch (2004), S. 21. 356 Dies zeigt die Definition der European Private Equity & Venture Capital Association. Vgl. Bance (2004), S. 3. 357 Zu dieser Verwendung vgl. exemplarisch Jesch (2002), S. 144. 358 Vgl. Kokalj et al. (2003), S. 11. 359 Die Finanzierung mit Beteiligungskapital umfasst alle Form der Eigenkapitaleinlagen durch zusätzliche Gesellschafter. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 350. 360 Für Funktion und Ausgestaltung von VC vgl. exemplarisch Haagen (2008) sowie Weitnauer (2007). 361 Anders beispielsweise Diller, der Buyouts mit einer vollständigen Übernahme gleichsetzt. Vgl. Diller (2007), S. 24f. 354
71 finanzierung neben Eigenkapital zusätzliche Finanzierungsinstrumente vorsieht, die einen Hebeleffekt auf die Eigenkapitalrendite und einen Disziplinierungseffekt auf das Management bewirken.362 2007 entfielen 74% des in Deutschland investierten PE auf LBO Transaktionen, der deutlich kleinere Teil auf MBO- und MBI-Transaktionen.363 Ein Buyout verläuft grundsätzlich immer nach dem gleichen Schema:364 Unternehmen oder interessierte Käufer initiieren die Transaktion, worauf ein Investment Memorandum365 zur potenziellen Investition erstellt und anschließend durch Interessenten und PE Fonds analysiert wird. Darauf aufbauend wird eine Due Diligence zur Validierung des Business Plans durchgeführt.366 Sind alle Beteiligten noch an der Transaktion interessiert, wird der Übernahmepreis verhandelt und ein entsprechender Vertrag geschlossen.367 In diesem Vertrag unterscheidet PE sich deutlich von Public Equity. Während die Eigenkapitalfinanzierung von Publikumsgesellschaften vertraglich recht generisch geregelt wird, weil der Markt theoretisch alle relevanten Informationen kennt, sind PE Verträge aufgrund der Intransparenz privater Gesellschaften sehr komplex.368 PE stellt eine der teuersten Finanzierungsformen dar. Das liegt in der Natur der niedrigen Fungibilität aufgrund fehlender Börsennotierung und tagesaktueller Preise für die Beteiligung.369 Zusätzlich bedingt das komplexe Vertragswerk eine sehr intensive Einbindung externer Dienstleister, weswegen die mit PE verbundenen Fremdleistungskosten hoch ausfallen.370 Zuletzt übernimmt die Beteiligungsgesellschaft durch ihre Eigenkapitalinvestition unternehmerische Risiken. Dies drückt sich in den Renditeforderungen aus, die regelmäßig zwischen 20% und 40% liegen. Ausnahmen bilden förderorientierte Beteiligungsgesellschaften.371 Die Platzierung dauert mit 2 bis 6 Monaten relativ lange.372 Obwohl PE Finanzierungen durch spezialisierte PE Gesellschaften vorgenommen werden, stammt meist nur ein Bruchteil der investierten Mittel von der Beteiligungsgesellschaft. Den 362
Vgl. Haemmig (2003), S. 31. Zur LBO Finanzierung siehe auch Abschnitt 4.1.1.1, zum Leverage-Effekt Abschnitt 5.1.1. Zur Disziplinierungsfunktion vgl. exemplarisch Cotter/Peck (2001). Vgl. BVK e.V. (Hrsg.) (2008), S. 7 und S. 15. Kritisch an dieser Zahl ist allerdings anzumerken, dass der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V. zwar alle in Deutschland aktiven PE Fonds und damit alle LBO Transaktionen erfasst. Findet ein MBO oder MBI jedoch ohne Einbindung eines PE Fonds statt, taucht dies nicht in den Statistiken des Verbands auf. 364 Zur Anbahnung und Umsetzung der Buyout-Transaktion bei Familienunternehmen vgl. Achleitner et al. (2008b), S. 26ff. 365 Zu Struktur und Inhalt eines Investment Memorandum vgl. Betsch et al. (2000), S. 337. 366 Zur Konzeption und Zielsetzung einer Due Diligence vgl. Abschnitt 4.1.5.2 dieser Arbeit. 367 Vgl. Diller (2007), S. 48f. Zur Vorgehensweise bei einem Buyout vgl. auch S. 97ff. 368 Vgl. Berger/Udell (1998), S. 614. 369 Vgl. Anson (2007), S. 7f. 370 Vgl. Achleitner/Achleitner (2000), S. 136. 371 Vgl. Moritz (2008), S. 376, Werner/Kobabe (2007), S. 55, Achleitner et al. (2004), S. 705, Eisele et al. (2003), S. 407. 372 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 233. 363
72 Großteil verwalten sie für dritte Geldgeber.373 Die vier größten Gruppen dieser mittelbaren Investoren von 2003 bis einschließlich 2007 in Deutschland waren Pensionsfonds, Versicherungen, Kreditinstitute und Dachfonds (vgl. Abb. 15). Industrie: 2% Pensionsfonds: 20%
Private Anleger: 7% Öffentlicher Sektor: 9%
Dachfonds: 11%
Versicherungen: 14%
Kreditinstitute: 12%
Sonstige: 25% (inkl. Erträge zur Reinvestition, akademische Institutionen, Family Offices, Kapitalmarkt etc.)
Abb. 15: Neue PE Fondsmittel nach Kapitalgebern (2003-2007 kumuliert)374
PE Fonds erwirtschaften Gewinne durch absolute Wertsteigerungen ihrer Portfoliounternehmen und relative Wertsteigerung durch Fremdkapitaltilgung.375 Dazu verfügen PE Fonds über einen definierten Anlagehorizont, der i.d.R. bei 10 Jahren liegt und bis zu dessen Ablauf bei allen Beteiligungen ein Exit vollzogen sein muss.376 Meist werden allerdings noch kürzere Laufzeiten zwischen 3 und 8 Jahren angestrebt, wie Abb. 16377 verdeutlicht.378 Es gibt auch einige wenige Ausnahmen bei Beteiligungsgesellschaften, die keine vorgegebene Laufzeit ihrer Investition vorsehen.379
373
Vgl. Becker (2000), S. 30. Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung basierend auf Angaben des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) e.V.: Vgl. BVK e.V. (Hrsg.) (2008), S. 14, BVK e.V. (Hrsg.) (2007), S. 19, BVK e.V. (Hrsg.) (2006), S. 15, BVK e.V. (Hrsg.) (2005), S. 13 sowie BVK e.V. (Hrsg.) (2004), S. 13. 375 Vgl. Fleischhauer (2004), S. 404. 376 Vgl. Kreuter (2008), S. 69f, Achleitner/Achleitner (2000), S. 142f. 377 Darin abgetragen sind die Unternehmensangaben zur angestrebten Beteiligungsdauer von 23 PE Gesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. 378 Dies liegt vermutlich auch daran, dass PE Fonds nicht ihre gesamten Mittel zur Auflage eines Fonds anlegen. Vgl. ebenso Scherer et al. (2005), S. 59. 379 Vgl. Scherer et al. (2005), S. 59. Im untersuchten Jahrbuch – siehe nächste Fußnote – existiert nur eine Beteiligungsgesellschaft, für die dies gilt. Vgl. Financial Gates GmbH (Hrsg.) (2006), S. A74. 374
Anzahl der Nennungen
73
25 20 15 10 5 0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Jahre
Abb. 16: Angestrebte PE Beteiligungsdauer380
Der Exit der Beteiligungsgesellschaft stellt einen zentralen Aspekt von PE dar, weswegen dazu bereits in einer frühen Phase der Verhandlungen Diskussions- und Einigungsbedarf besteht. Der mit 25% der Volumina bedeutendste Exit von 2003 bis 2007 war die Veräußerung an einen industriellen Investor.381 Dabei handelt es sich häufig um Wettbewerber oder in der Wertschöpfungskette vor- bzw. nachgelagerte Unternehmen.382 Neben den Chancen eines am operativen Geschäft interessierten Investors birgt dieser Exit gleichzeitig auch Gefahren, denn i.d.R. muss dem Kaufinteressenten bereits vor Abschluss der Transaktion ein detaillierter Einblick in Unternehmensdaten, Strategie, Chancen und Risiken gewährt werden.383 24% aller Exitvolumina wurden an einen anderen PE Fonds oder institutionellen Investor verkauft.384 20% wurden an die Börse gebracht und bemerkenswerte 14% aller PE Volumina von 2003 bis 2007 erlitten einen Totalverlust.385 Die große Zahl an Totalverlusten zeigt, dass PE mit einem nicht zu unterschätzenden Risiko für den Fortbestand des Unternehmens einhergeht, da die Übernahme meist zu großen Teilen mit Fremdkapital finanziert wird, das anschließend aus dem laufenden Cashflow bedient werden muss. Eine grundsätzlich andere Form des Exit stellt ein Buy-Back bzw. eine Rückzahlung dar, bei denen frühere bzw. neben dem PE Fonds bestehende Gesellschafter die Unternehmensanteile kaufen.386 Finanziert wird dies meist durch Kreditaufnahme sowie aus dem Cashflow des Un-
380
Quelle: Eigene Darstellung. Die Ergebnisse basieren auf verwertbaren Unternehmensangaben von 23 PE Gesellschaften, wie sie im Jahrbuch 2006 der PE Verbände aus Deutschland, Österreich und Schweiz angegeben wurden. Angaben wie „Beteiligungszeitum: 4-6 Jahre“ der Granville Baird Capital Partners Advisers Ltd. (S. A71) wurden dazu als Nennungen von 4, 5 und 6 Jahren angestrebter Beteiligungsdauer gewertet. Vgl. Financial Gates GmbH (Hrsg.) (2006), S. A53ff. 381 Die folgenden Prozentangaben beruhen auf BVK e.V. (Hrsg.) (2008), S. 34. 382 Vgl. Jesch (2004), S. 107. 383 Vgl. Lechner (2007), S. 71f. 384 Zur Logik dieses Weiterverkaufs vgl. Golland/Heckemüller (2002a), S. 528ff, Golland/Heckemüller (2002b), Börner/Geldmacher (2001), S. 699f. 385 Der hohe Anteil von Totalverlusten geht vermutlich teilweise darauf zurück, dass die Statistik nicht zwischen VC und Buyouts differiert. Aufgrund der immanenten Risiken von Wachstumsfinanzierungen könnte ein Großteil der Totalverluste aus VC-Finanzierungen stammen. 386 Vgl. Lechner (2007), S. 69f.
74 ternehmens.387 Untersucht man diese Art des Exit für den genannten Zeitraum nicht nach Volumen sondern Häufigkeit, wird die offensichtlich häufige Verwendung dieser Exit-Strategie bei verhältnismäßig kleineren Transaktionen deutlich. Dann führt der Buy-Back als Exitvariante mit 41% vor dem Totalverlust mit 31%.388 Die erläuterten, teilweise grundlegend verschiedenen Exitstrategien legen nahe, dass verschiedene Beteiligungsgesellschaften unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. So gibt es PE Gesellschaften, die grundsätzlich eine Kapitalmehrheit an restrukturierungsbedürftigen Unternehmen anstreben, um unternehmerische Entscheidungen eigenständig treffen, das Unternehmen sanieren und anschließend gewinnbringend an der Börse platzieren zu können.389 PE wird daher häufig als geeignete Vorstufe eines Börsengangs angesehen, wenn das Unternehmen vom Kapitalmarkt noch als zu riskant eingeschätzt wird.390 Andere Beteiligungsgesellschaften hingegen sind explizit an Minderheitsbeteiligungen interessiert und wollen die bestehenden Eigentümer bei der Nutzung lukrativer Wachstumspotenziale unterstützen.391 In beiden Fällen muss dem kapitalsuchenden Familienunternehmen klar sein, dass PE eine große Einbindung externer Manager und Gesellschafter bedingt, was Kulturveränderungen und Meinungsverschiedenheiten bei strategischen Entscheidungen zur Folge haben wird.392 Allerdings kann genau diese Managementunterstützung mit spezifischem Know-how ein Vorteil sein.393 In ihrer Untersuchung sogenannter closely-held IPO weisen Astrachan/McConaughy nach, dass Unternehmen mit PE in ihren Erträgen und Börsenkursentwicklungen profitieren.394 Die Autoren führen dies maßgeblich auf eben jene externe Expertise zurück und werten PE daher als für Familienunternehmen sehr hilfreich.395
387
Vgl. Breitfeld (2008), S. 217. Schwierig ist hierbei allerdings oftmals die Kaufpreisfindung. Vgl. hierzu Hess (2007), S. 37f. An dritter Stellte folgt der Trade Sale mit 11%. Ein Börsengang hingegen dient nur in 5% aller Fälle als Ausstieg des PE Fonds. Vgl. BVK e.V. (Hrsg.) (2008), S. 34. 389 Ein Beispiel hierfür ist die Beteiligungsgesellschaft Arques Industries, die laut Unternehmensangaben grundsätzlich eine Mehrheit an Investitionsobjekten mit Restrukturierungspotenzial anstrebt. Vgl. Arques Industries AG (Hrsg.) (2008). 390 Vgl. Fenn et al. (1997), S. 27 und S. 45. 391 Vgl. Achleitner et al. (2008b), S. 36f, Schäfer (2006), S. 21. Ein Beispiel für solch eine Beteiligungsgesellschaft ist die Buchanan Capital Group, die gemäß Unternehmensangaben explizit Minderheitsbeteiligungen an deutschen Familienunternehmen anstrebt. Vgl. Buchanan Capital Group (Hrsg.) (2008). 392 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 232. 393 Vgl. Diller (2007), S. 12 sowie Achleitner/Achleitner (2000), S. 137. 394 Closely-held IPO im Sinne dieser Studie sind IPO, bei denen vor dem Börsengang durchschnittlich 88% des Eigenkapitals durch Insider gehalten wird. Vgl. Astrachan/McConaughy (2001), S. 295. Dabei handelt es sich bei mindestens 60% dieser Fälle um Familienunternehmen. Vgl. Shanker/Astrachan (1996), S. 111. 395 Vgl. Astrachan/McConaughy (2001). Dazu ist allerdings kritisch anzumerken, dass die bessere Performance mit Beteiligungskapital finanzierter Unternehmen auch auf die selektive Auswahl und gründliche Analyse potenzieller Investitionsobjekte durch Beteiligungsfirmen zurück zu führen sein könnte. Investitionen werden i.d.R. nur in solche Unternehmen erfolgen, die eine überdurchschnittliche Entwicklung erwarten lassen. 388
75 U.a. weil die Beteiligungsgesellschaft sich so stark engagiert, wird PE durch ein Phänomen geprägt, das de Bettignies/Brander als Cherry-picking bezeichnen: Die Kapitalgeber sind nur an einer Beteiligung interessiert, wenn sie sich eine überdurchschnittlichen Rendite versprechen.396 Häufig bevorzugen PE Firmen daher Marktführer mit starkem Management, hohen Markteintrittsbarrieren, großen Wachstumspotenzialen, attraktiven Margen, minimaler Zyklizität und idealerweise niedrigem Investitionsbedarf.397 Auch eine gewisse Größe scheint Voraussetzung für die Attraktivität eines Buyouts zu sein: Von insgesamt 3,3 Mrd. Euro PE Neuinvestitionen in 2007 wurden 2,7 Mrd. Euro in Unternehmen mit einem Jahresumsatz größer 100 Mio. Euro investiert. Auch das durchschnittliche Investitionsvolumen von 33 Mio. Euro bestätigt die wirtschaftliche Mindestgröße.398 Dabei ist zu beachten, dass wiederum 74% der investierten Mittel in LBO Transaktionen eingesetzt wurden,399 weswegen der gesamte Kapitalzufluss inklusive Fremdkapital mit Sicherheit deutlich über 33 Mio. Euro lag. Grundsätzlich sind Buyouts aber ab einem Volumen von 5 Mio. Euro möglich.400 Private Equity Fremdleistungskosten Nutzungskosten
Hoch Hoch: Gesteigerte Fremdkapitalkosten (LBO) und hohe Renditeforderungen zum Exit (20-40%) Volumen Minimum 5 Mio. EUR, theoretisch unbeschränkt, Ø 2007: 33 Mio. EUR Eigenkapital Laufzeit 3-8 Jahre, meist 5-6 Jahren, Abweichungen nach oben oder unten möglich Anforderungen Überdurchschnittliche Renditepotenziale: Marktführer mit Alleinstellungsmerkmalen und großen Wachstumspotenzialen oder erfolgversprechende Restrukturierungsfälle Platzierungsdauer 2-6 Monate Kapitalgeber PE Fonds, die Geld von Pensionsfonds, Versicherungen, Banken, Dachfonds etc. investieren. Stellung der Kapitalgeber Gesellschafter mit entsprechend vollständigen Einblicksrechten, direkte Einbindung in Geschäftsführung Stärken Managementunterstützung mit Know-how, sehr flexibel, Eigenkapitalstärkung, ggf. Steigerung der Kreditwürdigkeit Schwächen Nicht allen Unternehmen zugänglich: Hohe Anforderungen an Unternehmen und Rendite, Verwässerung der Eigentümerstruktur, Kosten, Risiko der Unternehmensfortführung steigt durch oftmals hohe Fremdkapitalverpflichtungen, notwendige Transparenz Tab. 11: Charakteristika von Private Equity im Überblick401
Dass im jungen deutschen PE Markt noch Potenzial besteht, zeigen folgende Zahlen:402 In den USA stellten PE Fonds 2006 ca. 275 Mrd. US-Dollar für Buyouts zur Verfügung.403 Das
396
Vgl. de Bettignies/Brander (2007), S. 809. Vgl. Marshall (2007), S. 12. Für eine empirische Untersuchung detaillierter Entscheidungskriterien von PE Gesellschaften vgl. Eisele et al. (2003). 398 Vgl. BVK e.V. (Hrsg.) (2008), S. 7 und S. 18. 399 Vgl. BVK e.V. (Hrsg.) (2008), S. 15. Zur Dominanz von LBO Transaktionen vgl. auch Achleitner/Achleitner (2000), S. 131f. 400 Vgl. Werner/Kobabe (2007), S. 56. 401 Quelle: Eigene Darstellung. 402 Zur Entstehung von PE in Deutschland vgl. Maier (2007), S. 71ff. 397
76 Fondsvolumen deutscher Beteiligungsgesellschaften, das 2007 in insgesamt 100 Buyouts investiert wurde, belief sich hingegen auf 3,3 Mrd. Euro.404 Damit bewegt Deutschland sich im europäischen Mittelfeld.405
3.3.2.2. Börsengang Ein Börsengang oder Inital Public Offering (IPO) stellt die erstmalige und zeitlich unbegrenzte Veräußerung von Aktien über organisierte Finanzmärkte dar.406 Er wird durch deutsche Unternehmen bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts genutzt.407 Auch wenn 2008 weltweit relativ wenige Börsengänge durchgeführt werden,408 wird er auch weiterhin ein zentrales Finanzierungsinstrument bleiben. Die drei häufigsten Finanzierungsanlässe für einen IPO sind laut einer Studie von Wetzel internes Wachstum, Akquisitionen oder eine Stärkung der Eigenkapitalbasis.409 Bei Familienunternehmen hingegen existieren traditionell zwei mögliche Anlässe eines Börsengangs: Entweder die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten reichen nicht mehr aus und neben der Familie werden weitere Eigentümer zur Versorgung mit Eigenkapital notwendig oder eine familieninterne Gesellschafternachfolge kommt nicht in Frage und der IPO fungiert als Lösung zum Verkauf der Anteile.410 Als vorgelagerte Stufe dieser Metamorphose von einem eignergeführten Unternehmen zu einer Publikumsgesellschaft wird dabei häufig die partielle Finanzierung über eine PE Gesellschaft unterstellt. Dass diese Reihenfolge jedoch nicht zwangsläufig ist, zeigt Mahérault in einer Untersuchung französischer Börsengänge.411 Andere tatsächlich unabdingbare gesetzliche, quantitative und qualitative Voraussetzungen eines Börsengangs können unter dem Schlagwort Börsenreife zusammengefasst werden:412 Grundsätzlich muss der
403
Vgl. Lopez (2008), S. 1. Die 3,3 Mrd. Euro beinhalten dabei auch Buyouts deutscher Unternehmen durch ausländische Beteiligungsgesellschaften. Vgl. BVK e.V. (Hrsg.) (2008), S. 15 und S. 25. 405 Vgl. Rudolf (2008), S. 21. 406 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 361. Für die Prozess- und Gestaltungsfragen eines IPO vgl. exemplarisch Bösl (2004). 407 Vgl. Deutsche Börse Group (Hrsg.) (2008a). 408 Vgl. Landgraf/Schnell (2008). 409 Vgl. Wetzel (2003), S. 33f. 410 Zur reinen Finanzierungsfunktion vgl. exemplarisch Mahérault (2000). Zum IPO als Nachfolgeregelung vgl. exemplarisch Untergrabner/Ehrenhöfer (2004), S. 212f, Koch/Wegmann (2000), S. 190f. 411 Vgl. Mahérault (2004). 412 Die Voraussetzungen können auch nach anderen Kriterien wie wirtschaftlich/organisatorisch oder subjektiv/objektv segmentiert werden. Vgl. dazu exemplarisch Koch/Wegmann (2000), S. 27. Allerdings ermöglicht die Unterteilung in quantitativ und qualitativ analog der Vorgehensweise von Schmidt (2001), S. 178 eine maximale Trennschärfe. Vgl. Rummer (2006), S. 58. 404
77 Emittent die Rechtsform einer AG oder KGaA besitzen.413 Daneben sind weitere Anforderungen zu erfüllen, um einen erfolgversprechenden Börsengang zu ermöglichen: Ein Emissionsvolumen von mehr als 15 Mio. Euro, ein Jahresumsatz größer als 50 Mio. Euro, branchenbezogen überproportionales Umsatzwachstum, nachhaltig positive Ertragskraft – indikativ mindestens 3% bis 6% Vorsteuerrendite, eine gute Wettbewerbspositionierung, Ausschüttungsfähigkeit, hoch qualifiziertes Management sowie einem der Publizitäts- und Bilanzierungsnotwendigkeit entsprechend entwickelter und ausgestatteter Finanzbereich.414 Den größten Kostenblock bei einem IPO bilden Bankprovisionen, die regelmäßig zwischen 4% und 6% der Emission betragen. Nach Einrechnung der Kosten für Platzierung, Publizitätsmaßnahmen und anderen Emissionsdienstleistungen summieren die Fremdleistungskosten sich auf beachtliche 6% bis 10%.415 Für einen deutschen Small Cap, d.h. einen Börsengang mit einem Volumen unter 100 Mio. Euro, errechnen Kaserer/Schiereck für die Jahre 1999 bis 2007 durchschnittliche Fremdleistungskosten in Höhe von 8,3%.416 Zusätzlich können indirekte Emissionskosten für sogenanntes Underpricing anfallen, die Vermögensminderungen durch Verkauf der Aktien unter ihrem tatsächlichen Wert umfassen.417 Menyah/Paudyal weisen für Großbritannien 8,0% Fremdleistungskosten und weitere 3,4% für Underpricing nach.418 Lee et al. errechnen für die USA vergleichbare 11%.419 Diese Analysen zusammenfassend werden die Emissionskosten für die vorliegende Arbeit mit 8% bis 11% taxiert. Als Nutzungskosten fallen Handelsgebühren und Kosten für andere börsenbezogene Dienstleistungen an, die Kaserer/Schiereck mit 3% errechnen.420 Darüber hinaus entstehen weitere Folgekosten: Für die Durchführung einer Hauptversammlung können ca. 130.000 Euro angesetzt werden.421 Für den jährlichen Geschäftsbericht sowie 3 Quartalsberichte pro Jahr fallen ca. 200.000 Euro an.422 Ungefähr 100.000 Euro kosten weitere Investor Relations-Maßnahmen.423 In Summe ergibt dies eine Indikation von Folgekosten von 430.000 Euro. Zusätzlich 413
Für einen Überblick zu rechtlichen Voraussetzungen vgl. Legat (2004), Hennerkes/v. Boehm-Bezing (2002), S 134f. Vgl. Singhof/Weber (2008), S. 74, Rummer (2006), S. 59ff , Carls (1996), S. 105ff, Schlick (1997), S. 98ff, Rödl/Zinser (2000), S. 123ff. Zu den Voraussetzungen ist anzumerken, dass bezüglich deren Zusammensetzung und Mindestforderungen kein fixierter Kanon existiert. Vielmehr verändern sich die Anforderungen dynamisch. Vgl. Blättchen (2001), S. 437, Rödl/Zinser (2000), S. 123. 415 Vgl. Hennerkes/v. Boehm-Bezing (2002), S. 129, Koch/Wegmann (2000), S. 23 und S. 171. 416 Vgl. Kaserer/Schiereck (2007), S. 7. Dies deckt sich mit Untersuchungsergebnis von durchschnittlich 7,8% für eine frühere Periode. Vgl. Kaserer/Kraft (2003), S. 507. 417 Vgl. Schlick (1997), S. 145. Zu weiteren diesbezüglichen Untersuchungen vgl. Färber (2005), S. 35ff. 418 Vgl. Menyah/Paudyal (2002), S. 19. 419 Vgl. Lee et al. (1996), S. 67. 420 Vgl. Kaserer/Schiereck (2007), S. 8 421 Vgl. Bürgers (2001), S. 484f. Koch/Wegmann veranschlagen mindestens 100.000 EUR. Vgl. Koch/Wegmann (2000), S. 174. 422 Vgl. Volk (2000), S. 322. 423 Vgl. Volk (2000), S. 322. 414
78 ist ein Börsengang regelmäßig mit höheren Ausschüttungen verbunden, als dies bei einem Familienunternehmen der Fall ist.424 Auch dies sind Kosten, die auf den Börsengang zurückgehen, allerdings ebenso wie ein eventuell notwendiger Personalaufbau in Rechnungswesen, Controlling und Finanzen sehr unternehmensspezifisch ausfallen und daher nur sehr schwer zu beziffern sind.425 Um keine Scheingenauigkeit zu erzeugen, soll daher auf eine Quantifizierung verzichtet werden. Der Prozess einer Erstemission muss mit ca. 6 Monaten veranschlagt werden.426 Wegen der hohen Bindungswirkung auf das Management kann ein IPO das operative Geschäft während dieser Zeit negativ beeinflussen. Dies verdeutlichen die Untersuchungsergebnisse von Burton et al. für Familienunternehmen in Großbritannien.427 Durch die Erschließung zusätzlichen Eigenkapitals hat ein IPO jedoch den bereits für PE beschriebenen Effekt auf Kreditwürdigkeit und Fremdkapitalkosten zur Folge.428 Positiv für das börsennotierte Unternehmen sind weiterhin die Öffentlichkeitswirkung und der Reputationseffekt.429 Ein Börsengang steigert potenziell die Attraktivität für externe Manager, da börsennotierte Gesellschaften Aktienoptionen in ihren Entlohnungsmodellen verwenden können.430 Weitere positive Auswirkungen sind die Möglichkeiten zum phasenweisen Ausscheiden von Gesellschaftern und zur Finanzierung von Akquisitionen über Aktien sowie die Zunahme externer Kontrolle.431 Wird das Eigenkapital eines Unternehmens erst einmal an der Börse gehandelt, beinhaltet dies grundsätzlich die Gefahr einer Übernahme. Insbesondere trifft dies bei günstigen Börsenkursen zu, weswegen börsennotierte Unternehmen neben dem originären Geschäft immer auch mit Kurspflege beschäftigt sind, die keinen Beitrag zum Erfolg des operativen Geschäfts leistet. Des Weiteren gilt bei einem Börsengang wie bei jeder Erweiterung des Gesellschafterkreises, dass mehr Eigentümer in die Unternehmensführung eingebunden werden müssen, was zwangsläufig zu Komplexitätssteigerungen in Management und Kommunikation führt.432
424
Vgl. Kormann (2003), S. 23, Donckels/Fröhlich (1991), S. 158. Zu den publizitätsbezogenen Folgepflichten eines börsennotierten Unternehmens, die diesen Personalaufbau notwendig machen vgl. Klawitter (2008), S. 888ff. 426 Vgl. Rummer (2006), S. 129, der 120 Arbeitstage für die Vorbereitung veranschlagt. Vgl. ebenso Francioni (2000), S. 170. Wenn die langfristigen Vorbereitungen zur Erlangung eines emissionsbefähigenden Rufs im Markt hinzugerechnet wird, dauert der Emissionsprozess allerdings bis zu mehreren Jahren. Vgl. Mazzola/Marchisio (2002), S. 139. Auf eine Darstellung des Emissionsprozesses wird aus Gründen untergeordneter Relevanz verzichtet. Vgl. dazu exemplarisch Singhof/Weber (2008), S. 70ff. 427 Vgl. Burton et al. (2006), S. 672 und S. 688. 428 Vgl. Hennerkes/v. Boehm-Bezing (2002), S. 129, Theissen (2002), S. 202. 429 Zur Marketingwirkung von Börsengängen vgl. Hoffjan/Nevries (2006), Fleischer (2006). 430 Vgl. Burton et al. (2006), S. 673. 431 Vgl. Marchisio (2001), S. 10, Burton et al. (2006), S. 677. 432 Vgl. Koch/Wegmann (2000), S. 22. 425
79 Börsengang Emissionskosten Nutzungskosten
8-11% 3% (bei Vorzugsaktien ggf. mehr), zusätzlich relativ hohe indirekte Kosten durch Investor Relations und Steigerung der Ausschüttungsquote Volumen Min.: 15 Mio. EUR Laufzeit Unbegrenzt Anforderungen AG oder KGaA, Umsatz > 50 Mio. EUR, überproportionales Wachstum, nachhaltig > 3-6% Vorsteuerrendite, gute Wettbewerbspositionierung, Ausschüttungsfähigkeit, qualifiziertes Management, entwickelter Finanzbereich Platzierungsdauer Ca. 6 Monate Kapitalgeber Kapitalmarkt, d.h. potenziell all Investorenklassen Stellung der Kapitalgeber Gesellschafter: Informations-, Mitsprache- und Kontrollrechte (Einschränkungen nur begrenzt möglich) Stärken Eigenkapitalstärkung, Steigerung der Kreditwürdigkeit, Öffentlichkeitswirksamkeit, Attraktivitätssteigerung für externe Manager, Managementdisziplinierung durch externe Kontrolle, leichterer Ausstieg bestehender Gesellschafter Schwächen Eigentumsverwässerung bestehender Eigentümer, Verbreiterung des Gesellschafterkreises, Komplexitätssteigerung durch Informations-, Mitsprache- und Kontrollrechte der Aktionäre, Übernahmegefahr, lange Platzierungsdauer mit negativen Auswirkungen auf operatives Geschäft Tab. 12: Charakteristika eines Börsengangs im Überblick433
Eine mögliche Alternative, um die Komplexitätssteigerung aufgrund der Verwässerung von Eigentums- und Kontrollrechten zu begrenzen, liegt in der Emission von Vorzugsaktien ohne Stimmrechte. Deren Eigentum beteiligt gegenüber anderen Aktien bevorzugt am Unternehmensgewinn, was sie teurer als Stammaktien macht, gewährt dafür jedoch keine Stimmrechte. Sie ermöglichen einem Familienunternehmen damit, die Stimmrechte in der Familie zu behalten ohne darauf zu verzichten, externes Eigenkapital über die Börse aufzunehmen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Aktien in Familienhand mit einem mehrfachen Stimmrecht auszustatten, um trotz einer eventuellen Kapitalminderheit die Stimmrechtsmehrheit zu behalten.434 Allerdings besteht ein langfristiger Trend zur sukzessiven Überführung von Vorzugsin Stammaktien, der nicht zuletzt auf die international schwer vermittelbare deutsche Unterscheidung dieser beiden Aktiengattungen zurückgeht – international sind Vorzugsaktien mit anderen Vorzugsrechten ausgestattet.435 Zusätzlich erhalten nach §140 II AktG auch stimmrechtslose Aktien zumindest so lange Stimmrechte, wie der Dividendenanspruch nicht erfüllt wird. Ansätze, den Einfluss familienfremder Aktionäre einzuschränken, sind deswegen dauerhaft nur begrenzt zielführend.436
433
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Schürmann/Körfgen (1997), S. 134ff. 435 Vgl. Hennerkes/v. Boehm-Bezing (2002), S. 131 und Fußnote 5, S. 139, Drukarczyk (2003), S. 309. 436 Vgl. Hennerkes/v. Boehm-Bezing (2002), S. 131. 434
80 Unabhängig von der Ausgestaltung des Börsengangs hat sich die Wahrnehmung von Familienunternehmen in den letzten Jahren und insbesondere unter dem Eindruck der Subprimekrise allerdings deutlich geändert.437 Der lange als deutscher Sonderweg belächelte Unternehmenstypus, der vom Shareholder Value Prinzip abweicht, gilt nicht mehr nur als frühe Phase der Unternehmensentwicklung. Der Begriff Familienunternehmen wird sogar zunehmend zu einer eigenen, positiv belegten Marke.438 Wie zur Bestätigung sucht die amerikanische Investorenlegende Warren Buffet seit dem Frühjahr 2008 aktiv nach europäischen Familienunternehmen als potenziellen Investitionszielen.439 Im Einklang damit ist auch bei anderen Investoren ein zunehmendes Interesse an Familienunternehmen als Anlageklasse festzustellen, wie die Einführung eines Performance-Index eigentümerdominierter Unternehmen (German Entrepreneurial Index GEX440) an der Frankfurter Wertpapierbörse verdeutlicht. Mangelndes Investoreninteresse sollte dem Börsengang eines Familienunternehmens also nicht im Weg stehen.
3.3.3. Finanzierung mit Mezzanine-Kapital Entsprechend der etymologischen Bedeutung des italienischen Mezzanino als Zwischengeschoss bezeichnet Mezzanine-Kapital Finanzmittel, die eine Position zwischen Eigen- und Fremdkapital einnehmen.441 Es handelt sich um Fremdkapital, das um eigenkapitaltypische Aspekte ergänzt wird. Je nach individueller Ausgestaltung vereint es eher fremdkapitalähnliche (Debt Mezzanine) oder eigenkapitalähnliche Eigenschaften (Equity Mezzanine).442 Aufgrund seiner hybriden Ausgestaltungsmöglichkeiten wird es auch als Hybridkapital bezeichnet.443 Grundsätzlich ist Mezzanine-Kapital kein Finanzierungsinstrument sondern eine Finanzierungsart.444 Daher ist auch keine einheitliche Beschreibung von Mezzanine-Kapital möglich.445 Gemeinsam sind verschiedenen Formen dieser Finanzierungsart jedoch folgende Eigenschaften: Grundsätzlich bilden schuldrechtliche Vereinbarungen mit festen Zinszahlungen für das überlassene Kapital den Kern des Finanzierungsinstruments. Die zugehörige Gläu-
437
Vgl. Hardt (2008), Frasl/Rieger (2007), S. 13. Vgl. v. Schlippe (2008), S. 30. Vgl. Milne (2008). 440 Zum GEX vgl. Kaserer et al. (2006). 441 Vgl. Werner (2006), S. 27, Plankensteiner/Rehbock (2005), S. 790, Kampmann (2001), S. 181, Eberhartinger (1996), S. 3. 442 Vgl. Brokamp et al. (2008), S. 2, Häger/Elkemann-Reusch (2007), S. 22f, Volk (2003), S. 1225f. Equity Mezzanine bildet damit wirtschaftlichen Eigenkapitalersatz. Vgl. Werner (2006), S. 28, Groh (1993), S. 1882ff. 443 Vgl. Eberhartinger (2005), S. 121. 444 Vgl. Müller-Känel (2004), S. 31, Broda (2003b), S. 977f. 445 Vgl. Kalss/Linder (2005), S. 57. 438 439
81 bigerposition ist nachrangig gestaltet, d.h. die Kapitalgeber werden im Insolvenzfall nach allen vorrangigen Fremdkapitalgebern und erst vor den Gesellschaftern bedient.446 Weiterhin sind weder die Stellung von Sicherheiten noch Kündigungsrechte der Investoren aus wirtschaftlichen Beweggründen vorgesehen.447 Um das Risiko des Geldgebers über die Verzinsung hinaus zu kompensieren, werden zusätzliche Renditekomponenten in Form sogenannter Equity Kicker vereinbart, die sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können.448 In den meisten Fällen sind Equity Kicker auch deswegen notwendig, weil eine ausschließliche Risikovergütung über Zinszahlungen aufgrund der besonderen Risikoposition der Gläubiger eine zu hohe Belastung der Unternehmens-Cashflows darstellen würde.449 Diese Form der Risikoabgeltung verdeutlicht die typische vertragsgestalterische Flexibilität von Mezzanine-Kapital.450 Mögliche Erscheinungsformen sind Call-Optionen auf oder Wandlungsrechte in Unternehmensanteile, gewinnabhängige Ausgleichszahlungen oder ein Tilgungsagio in Abhängigkeit der Unternehmenswertentwicklung.451 Unter Einrechnung des Equity Kicker sind die Finanzierungskosten mezzaniner Instrumente mit üblichen 15% bis 25% als relativ hoch zu bewerten.452 Zusätzlich ist Mezzanine-Kapital mit umfassenden und zeitnahen Informationspflichten bzgl. der finanziellen Unternehmensentwicklung ausgestattet.453 Die bereits erwähnte Zuordnung zu Debt oder Equity Mezzanine sagt nichts über die bilanzielle bzw. wirtschaftliche Behandlung mezzaniner Mittel aus. Für eine bilanzielle Zuordnung zum Eigenkapital müssen die Voraussetzungen Nachrangigkeit, Erfolgsabhängigkeit der Vergütung und Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung von 15 oder mehr Jahren kumulativ erfüllt sein. An dieser geforderten Nutzungsdauer scheitert die bilanzielle Eigenkapitalzurechnung jedoch meist.454 Unabhängig von seiner bilanziellen Klassifizierung übernehmen viele Mezzanine-Instrumente allerdings Funktionen von Eigenkapital, weswegen es in Bankenratings teilweise oder sogar vollständig dem wirtschaftlichen Eigenkapital zugerechnet wird.455
446
Vgl. Plankensteiner/Rehbock (2005), S. 790f, Rudolph (2004), S. 14. Vgl. Leitinger (2005), S. 49, Plankensteiner/Rehbock (2005), S. 791. Vgl. Kalss/Linder (2005), S. 58f, Elser/Jetter (2005), S. 625. 449 Vgl. Weitnauer (2003), S. 68. 450 Vgl. Leitinger (2005), S. 46. 451 Vgl. Leitinger (2005), S. 46. 452 Vgl. Müller-Känel (2004), S. 27, Dörscher (2004), S. 164, Landesbank Baden-Württember (LBBW) (Hrsg.) (2003a), S. 7. 453 Vgl. Hawliczek (2007), S. 645f, Enz/Ravara (2006), S. 9. 454 Vgl. Plankensteiner/Rehbock (2005). S. 790f. 455 Vgl. Laudenklos/Sester (2004), S. 2422ff. Die Kriterien für wirtschaftliches Eigenkapital entsprechen prinzipiell denjenigen für bilanzielles Eigenkapital, allerdings sind die Anforderungen an die Nutzungsdauer mit 5 bis 7 Jahren Laufzeit niedriger. Zu den Kriterien wirtschaftlichen Eigenkapitals vgl. Initiative Finanzstandort Deutschland (Hrsg.) (2008). Für einen standardisierten Ansatz zur teilweisen wirtschaftlichen Anrechnung von Mezzanine-Instrumente zum Eigen- bzw. Fremdkapital vgl. Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (Hrsg.) (2007). 447 448
82 Daraus erwächst der spezifische Nutzenaspekt von Mezzanine-Kapital: Die Zurechnung führt zu einer Steigerung der ratingrelevanten Eigenkapitalquote und hat damit positive Auswirkungen auf die Konditionen von Fremdkapital.456 Die steuerliche Beurteilung hingegen ist von der wirtschaftlichen bzw. bilanziellen Betrachtung wiederum zu differenzieren, folgt anderen Kriterien und fällt je nach Instrument unterschiedlich aus.457 In vielen Fällen wird Mezzanine-Kapital allerdings steuerrechtlich als Fremdkapital anerkannt, weswegen Zinszahlungen sich gewinnmindernd absetzen lassen.458 Die unternehmensseitigen Voraussetzungen zur Nutzung von Mezzanine-Kapital sind relativ hoch: Ein nachhaltig positiver operativer Cashflow und eine solide Finanzierung müssen vorhanden sein, zusätzlich muss es sich fast immer um ein etabliertes Unternehmen mit profunder Marktstellung und ausgeprägten Wachstumschancen handeln.459 Eine Erhebung der IKBBank kommt zu dem Ergebnis, dass mit Mezzanine-Kapital finanzierte Unternehmen stärker investieren, schneller wachsen und sich ihre Gewinne dynamischer entwickeln als nicht mit Mezzanine-Kapital finanzierte Unternehmen.460 Entgegen der im Beitrag vertretenen Interpretation, dass dies eine Auswirkung der Finanzierung ist, sollten diese Erkenntnisse als Bestätigung der genannten Auswahlkriterien von Mezzanine-Kapitalgebern gedeutet werden. Mezzanine-Kapital ist i.d.R. mit einer sogenannten Bullet Struktur ausgestattet, bei der keine laufenden Rückzahlungen fällig werden, sondern erst nach Ende der Laufzeit eine endfällige, vollständige Tilgung stattfindet.461 Von diesem Kapitalfluss ausgehende geeignete Finanzierungsanlässe für Mezzanine-Kapital sind vergleichbar mit denen von Private Equity: Typische Wachstums- oder Umstrukturierungsfinanzierung mit überdurchschnittlichem Unternehmensrisiko und Kapitalbedarf wie Expansion, Eigentümerwechsel durch M&A-Transaktionen oder Überbrückungsfinanzierungen im Vorfeld eines Börsengangs.462 Aufgrund der umfassenden Unternehmensanalyse, die Mezzanine-Kapitalgeber regelmäßig im Vorfeld einer Finanzierungszusage fordern, dauert die notwendige Vorbereitung einer Mezzanine-Finanzierung relativ lange.463 Je nach existierender Datenqualität, bestehendem Kenntnisstand des Kapitalgebers und Ausführlichkeit der Untersuchung müssen zwischen 2
456
Vgl. Elser/Jetter (2005), S. 625, LBBW (Hrsg.) (2003a), S. 11. Zur ratingbezogenen Bewertung von Mezzanine-Kapital vgl. Arnsfeld/Müller (2008). Vgl. Eberhartinger (2005), S. 122f. Zur steuerlichen Behandlung der einzelnen mezzaninen Instrumente vgl. exemplarisch Elser/Jetter (2005) oder Mihm (2008). 458 Vgl. Kruse (2006), S. 109. 459 Vgl. Enz/Ravara (2006), S. 11, Leitinger (2005), S. 52, Pütter (2005), S. 37, Dörscher (2004), S. 161f. 460 Vgl. Guthoff (2006). 461 Vgl. Weinberger (2006), S. 98. 462 Vgl. Leitinger (2005), S. 41, Dörscher (2004), S. 161, Laudenklos/Sester (2004), S. 2417f, Grabherr (2002), S. 358, Grabherr (2001), S. 29f. 463 Vgl. Plankensteiner/Rehbock (2005), S. 793 oder Enz/Ravara (2006), S. 13. 457
83 und 6 Monate veranschlagt werden.464 Als Kapitalgeber bei mezzaninen Instrumenten kommen PE Gesellschaften, Banken, Versicherungen, spezielle Mezzanine-Fonds oder vermögende Privatinvestoren in Betracht.465 In den letzten Jahren gewannen Poolingstrukturen an Beliebtheit, bei denen Mezzanine-Kapital in Fonds gepoolt und anschließend am Kapitalmarkt verbrieft wurden, um die Basis potenzieller Kapitalgeber zu verbreitern.466 Der deutsche Markt für Mezzanine-Kapital ist aufgrund seiner Vielfalt an Instrumenten nur schwer zu beziffern, aktuelle Daten liegen kaum vor.467 Einer aktuellen Erhebung zufolge wurden 2007 insgesamt ungefähr 4,8 Mrd. Euro Mezzanine-Kapital in 3.500 Unternehmen investiert. Eine durchschnittliche Finanzierungstranche lag bei 1,5 Mio. Euro, während sie insgesamt zwischen einer halben und 50 Mio. Euro variieren.468 Das jeweilige Volumen hängt von der Kreditwürdigkeit, der bestehenden Finanzierungssituation und Eigenkapitalausstattung des Unternehmens sowie den Interessen der Kapitalgeber ab. Aufgrund der konstituierenden Eigenschaft individueller Kapitalgeber – im Gegensatz zu einer Finanzierung über den Kapitalmarkt – dürften Finanzierungen am oberen Ende der genannten Spanne aber die Ausnahme darstellen. Die im Sinne Ihrer verbreiteten Nutzung wesentlichen mezzaninen Finanzierungsformen werden im Folgenden kurz erläutert: Wandel-, und Optionsanleihe, stille Gesellschaft, Genussschein sowie partiarisches Darlehen. Wie diese Aufzählung bereits verdeutlicht, handelt es sich bei Mezzanine-Kapital häufig um „alten Wein in neuen Schläuchen“, der von Finanzierungsberatern als innovative Finanzierung beworben wird. Innovativ ist allerdings meist höchstens die Zusammenfassung zu einer einheitlichen Klasse an Finanzierungsformen.469
3.3.3.1. Wandel-/Optionsanleihe Die in §221 AktG geregelte Wandelanleihe (Convertible Bond) gehört zur Klasse der Optionen (Warrants), die dem Gläubiger Call-Optionen auf weitere Finanztransaktionen mit dem Schuldner verbriefen. Beispiele sind der Bezug weiterer Bonds oder die Umwandlung eines
464
Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 207, S. 215 und S. 224. Zum Prozess der Aufnahme von Mezzanine-Kapital vgl. Beck et al. (2006), Jetter (2008). Vgl. Broda (2003b), S. 977. Für einen Überblick in Deutschland tätiger Mezzanine-Fonds vgl. Bösl (2006). 466 Vgl. Dentz (2005), S. 58. Für einen Überblick zu Standardprogrammen und damit verbundenen Stärken und Schwächen vgl. Stamm/Ries (2008), S. 552ff. 467 Vgl. Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (Hrsg.) (2007), S. 10. 468 Vgl. Fleischhauer Hoyer & Partner (Hrsg.) (2008). Die Erhebung erfasst nach eigenen Angaben nur ca. 75% des deutschen Markts. Daher wurden die Studienergebnisse von 3,6 Mrd. EUR und 2.600 Unternehmen entsprechend auf 100% hochgerechnet. 469 Vgl. Broda (2003b), S. 978. 465
84 Schuldtitels von einer Währung in eine andere zu einem vorab fixierten Wechselkurs.470 Die spezifische Call-Option von Wandelanleihen bietet statt der Nennwertrückzahlung des zur Verfügung gestellten Kapitals die Möglichkeit zur Wandlung in Aktien des ausgebenden Unternehmens zu einem vorher fixierten Preis.471 Die Rendite dieses Instruments hängt somit sowohl von der Nominalverzinsung als auch vom Aktienkurs ab.472 Bilanziell sind Wandlungsanleihen erst nach der Wandlung Eigenkapital, wirtschaftlich ggf. auch vorher, sofern ein Rangrücktritt besteht.473 Eine Optionsanleihe (Stock Warrant Bond) ist eine weitere Variante der Anleihe und zeichnet sich ähnlich der Wandelanleihe durch eine Option auf den Tausch von Obligationen in Aktien aus.474 Im Gegensatz zur Wandelanleihe ist das Bezugsrecht allerdings von der Anleihe trennbar und damit separat handelbar.475 Emittenten von Wandel- oder Optionsanleihen müssen die Rechtsform AG oder KGaA aufweisen, um die Wandlung in Aktien zu ermöglichen. Beide Anleihetypen können aber sowohl privat als auch öffentlich platziert werden.476 Das Minimalvolumen beträgt bei beiden i.d.R. 15 bis 20 Mio. Euro. Die Fremdleistungskosten liegen zwischen 2% und 5% des Emissionsvolumens.477 Die Nutzungskosten in Ausprägung üblicher Renditeforderungen belaufen sich auf 10% bis 18%. Bei Wandlung erhöhen sich diese Nutzungskosten auf 20% bis 30%.478 Übliche Laufzeiten liegen zwischen 3 und 10 Jahren.479 Die Stellung der Kapitalgeber vor der Wandlung ist die von Gläubigern, d.h. neben Informationsrechten bestehen keine oder nur sehr eingeschränkte Mitspracherechte. Nach der Wandlung hingegen nehmen die Investoren eine uneingeschränkte Gesellschafterstellung ein.480
470
Vgl. Fabozzi (2007), S. 213. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 390, Eberhartinger (2005), S. 126, Bohn (2002), S. 1. Vgl. Schlitt/Hemeling (2008), S. 196, Rudolph (2004), S. 16. Zur Renditeberechnung von Wandelanleihen unter Berücksichtigung von Aktienkurs, Konversionsbedingungen, Zinsniveau etc. vgl. Bohn (2002). 473 Vgl. Golz/Hoffelner (2003), S. 143. 474 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 395. 475 Vgl. Schlitt/Hemeling (2008), S. 296, Rudolph (2004), S. 17. 476 Vgl. Müller-Känel (2004), S. 149. Zur Vorgehensweise bei der Platzierung und anderen prozessoralen Aspekten der Finanzierung mit Wandel- und Optionsanleihen vgl. Schlitt/Hemeling (2008). 477 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 224. 478 Vgl. Häger/Elkemann-Reusch (2007), S. 25, Golz/Hoffelner (2003), S. 143. 479 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 224. 480 Vgl. Golz/Hoffelner (2003), S. 143. 471 472
85 Wandel- und Optionsanleihe Fremdleistungskosten 3-5% Nutzungskosten 10-18%, bei Optionsausübung/Wandlung: 20-30% Volumen 15-20 Mio. EUR Laufzeit 3-10 Jahre Anforderungen Etabliertes Unternehmen, Wachstum, positiver Cashflow, gute Marktposition, Rechtsform einer AG oder KGaA Platzierungsdauer 2-6 Monate Kapitalgeber Beteiligungsgesellschaften, Versicherungen, Banken Stellung der Kapitalgeber Gläubiger, bei Optionsausübung: Gesellschafter Stärken Verbesserung der Kreditwürdigkeit durch Stärkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals, steuerliche Abzugsfähigkeit durch Fremdkapitaltypisierung, vertraglich flexibel Schwächen Relativ teuer, ausgeprägte Informationspflichten, unternehmensspezifische Voraussetzungen relativ hoch Tab. 13: Charakteristika von Wandel- und Optionsanleihe im Überblick481
3.3.3.2. Stille Gesellschaft Die in §§230-237 HGB und §§705-740 BGB geregelte stille Gesellschaft ist eine Sonderform der Innengesellschaft bürgerlichen Rechts ohne Außenbeziehung, d.h. sie tritt nicht nach außen auf, sondern dient nur der Kapitalzuführung.482 Ein Investor bringt Finanz- oder Sachmittel in die Gesellschaft ein und partizipiert zusätzlich oder anstelle einer Verzinsung direkt über die Gewinne bzw. Verluste am Erfolg der Gesellschaft.483 Zu unterscheiden ist dabei die typische von der atypischen stillen Gesellschaft. Während bei Ersterer der Investor keinen Einfluss auf die Unternehmensführung ausübt und seine Einlage bilanzrechtlich als Forderung gewertet wird, ist eine atypische stille Gesellschaft anders gestaltet. Als konstituierendes Merkmal übernimmt der Kapitalgeber Mitunternehmerrisiko sowie -initiative und wird damit zum Haftungsträger und nicht Gläubiger.484 Kapitalgeber, die das Vehikel einer atypischen stillen Gesellschaft nutzen, erhalten als Mitunternehmer gesetzliche Zustimmungs- und Kontrollrechte und nähern sich der klassischen Gesellschafterposition an.485 Sie partizipieren anders als bei der typischen stillen Gesellschaft an den offenen und stillen Reserven sowie den Verlusten der Gesellschaft. Daher wird das eingebrachte Kapital sowohl bilanziell als auch wirtschaftlich als Eigenkapital anerkannt. Typische stille Gesellschaften hingegen gelten ausschließlich wirtschaftlich als Eigenkapital.486 Steuerlich verhält es sich entsprechend: Auf-
481
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Sattler et al. (2006), S. 22. 483 Vgl. Weinberger (2006), S. 102. 484 Vgl. Elser/Jetter (2005), S. 628f. 485 Vgl. Kamp/Solmecke (2005), S. 622. 486 Vgl. Golz/Hoffelner (2003), S. 143, Rudolph (2004), S. 16. 482
86 wendungen im Rahmen einer typischen Gestaltung sind steuerabzugsfähig, während eine atypische stille Gesellschaft keine Abzugsfähigkeit begründet.487 Das Finanzierungsvolumen bewegt sich i.d.R. zwischen 100.000 Euro und 5 Mio. Euro und typische Laufzeitvereinbarungen lauten auf 5 bis 10 Jahre.488 Zusätzlich zu den üblichen Geldgebern von Mezzanine-Kapital treten bei stillen Gesellschaften vermögende Privatanleger oder Geschäftspartner als Investoren auf.489 Abhängig vom individuellen Risikoprofil des Unternehmens können deren Renditeforderungen – sowohl bei einer typischen als auch einer atypischen stillen Gesellschaft – mit 12% bis 18% taxiert werden, wobei die Vergütung in Verlustjahren entfällt.490 Ebenso wie die Fremdleistungskosten für Anwälte, Berater und Vertrieb am privaten Kapitalmarkt, die ungefähr 5% ausmachen, fallen diese Kapitalkosten jedoch sehr unternehmensspezifisch aus.491 Stille Gesellschaft Fremdleistungskosten Nutzungskosten Volumen Laufzeit Anforderungen Platzierungsdauer Kapitalgeber Stellung der Kapitalgeber Stärken
Ca. 5% 12-18% 0,1-5 Mio. EUR I.d.R. 5-10 Jahre Etabliertes Unternehmen, Wachstum, positiver Cashflow, gute Marktposition 2-6 Monate Beteiligungsgesellschaften, Versicherungen, Banken, Privatinvestoren Typische stille Ges.: Gläubiger, atypische stille Ges.: Mitgesellschafter Verbesserung der Kreditwürdigkeit durch Stärkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals, vertraglich flexibel, gewinnabhängige Kapitalkosten, typische stille Ges.: steuerliche Abzugsfähigkeit durch Fremdkapitaltypisierung Schwächen Relativ teuer, ausgeprägte Informationspflichten, unternehmensspezifische Voraussetzungen relativ hoch, atypische stille Ges.: Mitsprache- und Kontrollrechte der Kapitalgeber Tab. 14: Charakteristika von stiller Gesellschaft im Überblick492
3.3.3.3. Genussrecht/Genussschein Für Genussrecht und -schein existieren weder Legaldefinition noch rechtliche Restriktionen, so dass diese Instrumente innerhalb der bereits heterogenen Klasse Mezzanine-Kapitals wiederum sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können.493 Grundsätzlich verbrieft ein Kapitalnehmer mit einem Genussschein eine schuldrechtliche Beteiligung an Gewinn und Verlust des Unternehmens. Eine Beteiligung des Investors am Stammkapital entsteht nicht, was üblicher487
Vgl. Eberhartinger (2005), S. 126f. Vgl. Oldenbourg/Preisenberger (2004), S. 141. 489 Vgl. Sattler et al. (2006), S. 24. 490 Vgl. Häger/Elkemann-Reusch (2007), S. 25, Golz/Hoffelner (2003), S. 143, Sattler et al. (2006), S. 25. 491 Vgl. Sattler et al. (2006), S. 24f 492 Quelle: Eigene Darstellung. 493 Vgl. Rudolph (2004), S. 16, Krejci/van Husen (2000), S. 54, Steinbach (1999), S. 17. 488
87 weise durch eine relativ hohe Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals kompensiert wird.494 Zusätzlich partizipiert der Genussscheininhaber i.d.R. vorrangig an Ausschüttungen.495 Über die Gläubigerposition hinausgehende Mitsprache- oder Kontrollrechte fallen i.d.R. nicht an.496 Während Genussrechte grundsätzlich nur begrenzt übertragbar sind, können standardisierte Genussscheine an der Börse gehandelt werden.497 Dazu muss das kapitalsuchende Unternehmen in Größe, Struktur, Ertragskraft und Managementqualität aber grundsätzlich börsenfähig sein.498 Als Kapitalgeber bei Genussrechten treten meist Privatinvestoren auf, wobei es auch standardisierte Genussrechtsprogramme von Banken gibt.499 Marktübliche, indikative Renditeforderungen liegen zwischen 10% und 20%.500 Diese Vergütung ist dabei als Mix aus Mindestverzinsung zzgl. Beteiligung am Jahresüberschuss individuell gestaltbar und kann theoretisch sogar ausschließlich verzinst bzw. gewinnbezogen erfolgen. Üblich ist beispielsweise eine Aufteilung von 6% bis 8% Verzinsung und 15% bis 25% vom Jahresüberschuss, wobei die gewinnabhängige Vergütung nur in Jahren mit positivem Jahresüberschuss anfällt.501 Dieses Spezifikum begründet auch die wirtschaftliche Bilanzierung als Eigenkapital.502 Steuerlich hingegen wird ein Genussschein als Fremdkapital verbucht.503 Bilanziell ist die Verbuchung der Mittel gestaltungsabhängig.504 Fremdleistungskosten einschließlich Einmalgebühren fallen in Höhe von 1% bis 2,5% an.505 Die Laufzeit beträgt typischerweise zwischen 5 und 10 Jahren, wobei 5 Jahre gleichzeitig als Minimum gelten, aber auch unbegrenzte Laufzeiten möglich sind. Das Finanzierungsvolumen kann zwischen einigen hunderttausend und 50 Mio. Euro liegen. Wie bei allen Instrumenten von Mezzanine-Kapital entstehen aufgrund von Nachrangigkeit und fehlender Sicherheiten umfangreiche Informationsrechte der Gläubiger.506
494
Vgl. Berghaus/Bardelmeier (2008), S. 355, Grunow/Figgener (2006), S. 212ff. Vgl. Rudolph (2004), S. 16. Vgl. Golz/Hoffelner (2003), S. 143. 497 Vgl. Sattler et al. (2006), S. 16, Vollmer (2000), S. 189ff. 498 Vgl. Steinbach (1999), S., 258ff. 499 Vgl. Sattler et al. (2006), S. 18. Für Genussrechtsprogramme vgl. exemplarisch Breszki (2008), KfW Bankengruppe (Hrsg.) (2008). Für einen Überblick zu Genussrechtsprogrammen vgl. Häger/Elkemann-Reusch (2007), S. 35ff. Für eine Potenzialuntersuchung standardisierter Genussscheine vgl. Steinbach (1999). 500 Vgl. Häger/Elkemann-Reusch (2007), S. 25, der sie mit 12-18% taxiert, Golz/Hoffelner (2003), S. 143. 501 Vgl. Sattler et al. (2006), S. 19f. Für verschiedene Ausschüttungsmodalitäten in Abhängigkeit des Jahresüberschusses vgl. Schäcker (1997), S. 33ff. 502 Vgl. Sattler et al. (2006), S. 17. 503 Vgl. Eberhartinger (2005), S. 124f, Elser/Jetter (2005), S. 626. Für eine Untersuchung der steuerlichen Auswirkung der Genussrechtsfinanzierung auf Unternehmens- und Investorenseite vgl. Watrin/Lühn (2006). 504 Vgl. Golz/Hoffelner (2003), S. 143. 505 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 215 und exemplarisch für ein standardisierte Genussrechtsprogramm: Breszki (2008), S. 6. 506 Vgl. Sattler et al. (2006), S. 16ff, Grunow/Figgener (2006), S. 215. 495 496
88 Genussrechte bzw. Genussschein Fremdleistungskosten 1-2,5% Nutzungskosten 10-20% (darin bis zu 25% vom Jahresüberschuss) Volumen < 1 Mio. EUR bis 50 Mio. EUR Laufzeit 5-10 Jahre üblich, theoretisch unbegrenzt möglich Anforderungen Etabliertes Unternehmen, Wachstum, positiver Cashflow, gute Marktposition, für Genussschein: Börsenreife Platzierungsdauer 2-6 Monate Kapitalgeber Beteiligungsgesellschaften, Versicherungen, Banken, Privatinvestoren Stellung der Kapitalgeber Gläubiger Stärken Verbesserung der Kreditwürdigkeit durch Stärkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals, steuerliche Abzugsfähigkeit durch Fremdkapitaltypisierung, vertraglich flexibel Schwächen Relativ teuer, ausgeprägte Informationspflichten, unternehmensspezifische Voraussetzungen relativ hoch Tab. 15: Charakteristika von Genussrecht bzw. Genussschein im Überblick507
3.3.3.4. Partiarisches Darlehen Ein partiarisches Darlehen ist ein nachrangiger und unbesicherter Kredit, der nur bei Gewinnerzielung verzinst wird. Gibt ein bestehender Gesellschafter solch ein Darlehen, wird es als partiarisches Gesellschafterdarlehen bezeichnet und durch §§ 488, 607 BGB geregelt.508 Obwohl prinzipiell sehr ähnlich, liegt der zentrale Unterschied zur stillen Gesellschaft im grundsätzlichen Ausschluss einer Verlustbeteiligung.509 Im Gegensatz zur atypischen stillen Gesellschaft, die ein Gesellschafterverhältnis begründet, qualifiziert dieser Verlustausschluss das partiarische Darlehen zu einem Gläubigerverhältnis.510 Bilanziell wird es als Fremdkapital verbucht, wirtschaftlich dagegen als Eigenkapital. Die Kapitalgeber haben auch keine über die üblichen Gläubigerrechte hinausgehenden Ansprüche an Mitsprache oder Kontrolle.511 Allerdings bestehen oftmals strenge Covenants und Vetorechte zur Sicherung der ursprünglich avisierten Cashflow-Projektion.512
507
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Weinberger (2006), S. 85, Bleis (2006), S. 101, Leitinger (2005), S. 51, Rudolph (2004), S. 15f, Bertl (2005), S. 106. 509 Vgl. Rudolph (2004), S. 16, Hoffmann/Ramke (1992), S. 89. Allerdings führt diese Abgrenzung zur stillen Gesellschaft – insbesondere wenn diese eine Verlustbeteiligung ausschließt – regelmäßig zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Vgl. Krejci/van Husen (2000), S. 62. 510 Vgl. Müller-Känel (2004), S. 228, Nelles/Klusemann (2003), S. 7. Um nicht unter die steuerrechtliche Einstufung einer versteckten Gewinnausschüttung zu fallen, müssen allerdings verschiedene Bedingungen bei Überlassungsdauer, bestehender Beteiligung etc. erfüllt sein. Zu den Kriterien vgl. Nordbruch (2004), Eberhartinger (1996), S. 47ff. 511 Vgl. Golz/Hoffelner (2003), S. 143. 512 Vgl. Häger/Elkemann-Reusch (2007), S. 25, Laudenklos/Sester (2004), S. 2419. 508
89 Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen ist gegeben und stellt einen der größten Vorteile des partiarischen Darlehens für bestehende Gesellschafter dar.513 Die gewinnabhängigen Nutzungskosten liegen regelmäßig zwischen 9% und 17%.514 Die Fremdleistungskosten variieren stark. Gibt ein bestehender Gesellschafter ein partiarisches Darlehen, fallen i.d.R. keine Fremdleistungskosten an, da er das Unternehmen und dessen finanzielle Entwicklung bereits kennt. Gibt ein externer Investor ein partiarisches Darlehen, können kostenintensive Analysen unter Einbindung externer Spezialisten notwendig werden. Eine definierte Laufzeit ist häufig nicht vorgesehen. Vielmehr erhält der Darlehensgeber ein Kündigungsrecht mit einer üblichen Kündigungsfrist von 9 oder 12 Monaten.515 Beim Volumen bestehen keine allgemein gültigen Beschränkungen oder Mindestanforderungen. Partiarisches Darlehen Fremdleistungskosten Nutzungskosten Volumen Laufzeit Anforderungen Platzierungsdauer Kapitalgeber Stellung der Kapitalgeber Stärken
Kapitalgeberabhängig: Gesellschafter 0%, extern höher 10-15% Keine Beschränkungen oder Mindestanforderungen I.d.R. unbegrenzt, Kündigungsfrist 9-12 Monate Etabliertes Unternehmen, Wachstum, positiver Cashflow, gute Marktposition 2-6 Monate Beteiligungsgesellschaften, Versicherungen, Banken, bestehende Gesellschafter Gläubiger Verbesserung der Kreditwürdigkeit durch Stärkung des wirtschaftlichen Eigenkapitals, steuerliche Abzugsfähigkeit durch Fremdkapitaltypisierung, vertraglich flexibel, gewinnabhängige Verzinsung Schwächen Relativ teuer, ausgeprägte Informationspflichten, unternehmensspezifische Voraussetzungen relativ hoch Tab. 16: Charakteristika von partiarischem Darlehen im Überblick516
3.3.4. Fremdkapitalfinanzierung außerhalb des bilateralen Bankkredits
3.3.4.1. Konsortialkredit Ein Konsortialkredit oder Syndicated Loan ist weitgehend mit einem bilateralen Bankkredit vergleichbar. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ein syndizierter Kredit mindestens zwei Banken als Kapitalgeber vorsieht. Im Gegensatz zu multiplen Bankbeziehungen definiert aber nur ein Kreditvertrag die bankenübergreifenden Konditionen.517
513
Vgl. Eberhartinger (2005), S. 127, Perridon/Steiner (2007), S. 412f. Vgl. Häger/Elkemann-Reusch (2007), S. 25, Golz/Hoffelner (2003), S. 143. 515 Vgl. Schneider et al. (2006), S. 276. Kürzere Fristen bergen die Gefahr rechtlicher Unzulässigkeit nach § 489 BGB. 516 Quelle: Eigene Darstellung. 517 Vgl. Steffen (2007), S. 6. Zu Inhalt und Gestaltung solch eines Konsortialkreditvertrags vgl. Brandt/Sonnenhol (2001). 514
90 Die Bank, die vom Unternehmen mit dem Auflegen des Konsortialkredits mandatiert wird und den Syndizierungsprozess leitet, wird als Lead Manager bezeichnet, wobei es mehrere Lead Managers geben kann. Zieht der Lead Manager weitere Kreditinstitute hinzu, die den Prozess unterstützen, spricht man von Co-Managers. Diejenigen Banken, die ausschließlich Teile des syndizierten Kreditvolumens stellen, heißen Participating Banks.518 Entsprechend der potenziellen Vielzahl teilnehmender Institute liegt der Anwendungsbereich dieser Kreditart bei größeren Kapitalsummen, die ein einzelnes Bankhaus aufgrund von Risiko-RenditeAbwägungen nicht mehr zu übernehmen bereit ist. Konsortialkredite stellen für Banken somit ein kostengünstiges Instrument zur Diversifizierung ihrer Kreditportfolios dar.519 Weiterhin reduzieren sie die Kosten für Selektion und Monitoring, da diese Aufgaben durch den Lead Manager wahrgenommen werden.520 Aufgrund hoher Qualitätsansprüche an Planung und Berichtswesen ist ein Konsortialkredit mit erheblichem Aufwand für das Unternehmen verbunden. Hierbei sind insbesondere das zur Platzierung notwendige Informationsmemorandum, die Informationsverpflichtungen gegenüber den Banken, die umfangreichen Covenants und die oftmals umfangreiche Stellung von Sicherheiten zu nennen. Ein externes Rating ist jedoch nicht notwendig.521 Die Vorteile für den Kapitalnehmer liegen auf der Hand: Die Beschaffung großer Finanzierungssummen ist einfacher möglich als mit einer Vielzahl kleinerer, bilateraler Kredite.522 Im Gegensatz zu anderen großvolumigen Finanzinstrumenten wie Börsengang oder Anleihe ist die Anzahl der Investoren überschaubar und leichter koordinierbar. Das ist bei Nachverhandlungen, Kündigungen oder vorzeitiger Rückzahlungen von Vorteil.523 Weiterhin verursachen Konsortialkredite geringere Verwaltungsaufwendungen und können zeitlich schneller und weniger öffentlichkeitswirksam als Anleihen begeben werden.524 Die durchschnittliche Platzierungsdauer beträgt 1 bis 3 Monate.525
518
Vgl. Arnold (2005), S. 409, Sufi (2007), S. 633. Für eine detaillierte Beschreibung des Syndizierungsprozesses und der Aufgabenverteilung der partizipierenden Banken vgl. Mugasha (2007), S. 99ff, Esty (2001), François/Missonier-Piera (2007). 519 Vgl. Dennis/Mullineaux (2000), S. 407f. Aufgrund dieses Aspekts der Risikoverteilung spricht man bei Kreditkonsortien auch von Gefahrengemeinschaften – im Gegensatz zum Bankenkonsortium, das eine Aktienemission begleitet, wo gemeinsame Leistungen im Vordergrund stehen und das daher als Leistungsgemeinschaft bezeichnet wird. Vgl. Schücking (2008), S. 715. 520 Vgl. Hale (2005), S. 9f. 521 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 158ff, Dennis/Mullineaux (2000), S. 408. 522 Vgl. Mischke et al. (2007), S. 191. Indikativ für diese Großvolumigkeit zeigt Steffen exemplarisch, dass das durchschnittliche Volumen eines Konsortialkredits an eine nicht börsennotierte Gesellschaft aus Großbritannien zwischen 1995 und 2006 262 Mio. US-Dollar betrug. Vgl. Steffen (2008), S. 38. 523 Vgl. Mugasha (2007), S. 86f, Eichengreen/Mody (2000), S. 11, Edwards (1986), S. 568. 524 Vgl. Mugasha (2007), S. 87, Altunbas et al. (2006), S. 690. 525 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 159.
91 Die Nutzungskosten richten sich stark nach der jeweiligen Bonität des Unternehmens. I.d.R. wird sie als Aufschlag auf einen risikolosen Referenzzinssatz wie Libor oder Euribor angegeben.526 Zur Indikation einer Größenordnung kann die empirische Untersuchung von Steffen/Wahrenburg dienen, die den Markt für Syndicated Loans in Großbritannien zwischen 1996 und 2005 untersucht haben. Durchschnittlich betrug die Verzinsung für Nicht-Finanzunternehmen 1,66% über dem US-Dollar Libor.527 Das arithmetische Mittel des auf US-Dollar lautenden Libor im selben Zeitraum lag bei 4,16%, so dass sich insgesamt durchschnittliche Nutzungskosten von 5,8% ergeben.528 Weil die Standardabweichung beim durch Steffen/Wahrburg ermittelten Aufschlag 1,41% beträgt, können übliche Nutzungskosten zwischen 4,4% und 7,2% veranschlagt werden.529 Zusätzlich fallen zwischen 0,1% und 0,4% Fremdleistungskosten in Form von Gebühren für den Lead Manager an.530 Konsortialkredit Fremdleistungskosten Nutzungskosten Volumen Laufzeit Anforderungen
0,1-0,4% 4,4-7,2% Großvolumig Analog Bankkredit: meist 4-5 Jahre Sicherheiten, Erstellung Information Memorandum, Informationspflichten, Einhaltung von Covenants, weit entwickeltes Planungs- und Berichtswesen Platzierungsdauer 1-3 Monate Kapitalgeber Bankensyndikat Stellung der Kapitalgeber Gläubiger Stärken Große Volumina, kein externes Rating notwendig, schnelle Platzierbarkeit, geringe Öffentlichkeitswirkung, gute Koordinierbarkeit aufgrund geringer Anzahl von Kreditgebern, relativ günstig Schwächen Sicherheiten, aufwändige Informationspflichten, instrumentenkonstitutive Weiterveräußerbarkeit (potenzielle Debt-Equity Swap Strategien) Tab. 17: Charakteristika eines Konsortialkredits im Überblick531
In Europa begann die Nutzung von Konsortialkrediten in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts, als die Kreditforderungen einiger Kreditnehmer zu umfangreich für einzelne Banken und deshalb durch Syndikate mehrerer Banken finanziert wurden.532 Inzwischen stellen Kon526
Zu Preisdeterminanten neben unternehmensspezifischen Risiken vgl. Steffen (2008). Vgl. Steffen/Wahrenburg (2007), S. 77. Das arithmetische Mittel basiert auf eigenen Berechnungen, die wiederum auf Tageskursen des 6-MonatsLibor fußen. Vgl. Economagic (Hrsg.) (2008). 529 Vgl. Steffen/Wahrenburg (2007), S. 92. Die tatsächlichen Kosten hängen von verschiedenen Faktoren ab – u.a. vom Lead Manager, wie Harjoto et al. nachweisen. Sie zeigen, dass die Verzinsung bei einer Investmentbank als Lead Manager regelmäßig höher ist, als wenn ein traditionelles Kreditinstitut diese Rolle übernimmt. Die empirischen Ergebnisse legen einen Zusammenhang mit der Bereitschaft zur Übernahme risikoreicherer Kredite durch Investmentbanken nahe. Vgl. Harjoto et al. (2006), S. 66ff. Weiteren Einfluss auf den Preis hat die erwartete Sekundärmarktliquidität. Vgl. Gupta et al. (2007). 530 Vgl. Dennis/Mullineaux (2000), S. 407. Zu unterschiedlichen Gebührenformen vgl. Miller (2006), S. 20f. 531 Quelle: Eigene Darstellung. 532 Vgl. v. Bernstorff (2007), S. 99. Für die seitherige Entwicklung des Markts für Konsortialkredite vgl. Altunbas et al. (2006), Wild (2004), S. 14ff. 527 528
92 sortialkredite neben Anleihen die bedeutendste Quelle finanzieller Mittel für Unternehmen dar.533 2005 betrug das weltweite Volumen über 3,5 Bill. US-Dollar.534 Allerdings sind auch bei Konsortialkreditverträgen zukünftig strengere Covenants und eine enger an die Kreditwürdigkeit angelehnte Verzinsung zu erwarten. Letzteres dient insbesondere der leichteren Weiterveräußerbarkeit durch die beteiligten Banken.535 Als potenzielle Käufer im Sekundärmarkt kommen dabei neben Banken auch Hedgefonds, PE Fonds und andere institutionelle Finanzmarktteilnehmer in Frage.536 Die Weiterveräußerbarkeit kann aus Sicht des kreditnehmenden Unternehmens als Schwäche dieser Finanzierungsform interpretiert werden. Ersichtlich wird das für den Fall, dass durch Weiterveräußerung hinzugekommene Kreditgeber bei potenziell unvorteilhaften Geschäftsentwicklungen großen Druck auf die Unternehmensleitung ausüben und eine Strategie der Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (Debt-Equity Swap) verfolgen.537
3.3.4.2. Private Debt Obwohl Private Debt als alternative Finanzierung für mittelständische und Familienunternehmen in Literatur und Praxis relativ häufig genannt wird, stellt es vergleichbar mit Mezzanine-Kapital kein spezifisches Instrument sondern vielmehr eine Gruppe von Finanzinstrumenten dar. Abhängig von ihrer jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung gehören potenziell folgende Instrumente dazu: Typische stille Beteiligung, partiarisches Darlehen, privat platzierter Bond, Schuldscheindarlehen, kreditorientiertes PE oder gemäß mancher Autoren sogar Bankkredite.538 Allen Instrumenten sind jeweils eigene Abschnitte gewidmet, weswegen sich eine individuelle Darstellung individueller Private Debt Formen an dieser Stelle erübrigt. Auch wenn der Begriff nicht trennscharf ist, hat sich in der Finanzierungspraxis eine allgemein anerkannte Begriffsabgrenzung durchgesetzt, die sich an der Bonität des Kreditnehmers, der Sekundärmarktliquidität und der Art des Kapitalgebers orientiert.539 Erstens handelt es sich um Kapitalnehmer niedriger Bonität mit einem Rating im Subinvestment Grade Be-
533
Vgl. Gadanecz (2004), S. 76. Vgl. European Central Bank (Hrsg.) (2007b), S. 62. 535 Vgl. Mast (2008), S. 493. 536 Vgl. European Central Bank (Hrsg.) (2007b), S. 63. 537 Zur Vorgehensweise bei einem Debt-Equity Swap vgl. Redeker (2007). 538 Vgl. Warnholtz (2004), S. 102, Einem/Schmid (2004), Menzel/Dobro (2004), S. 98, Wahl (2004), S. 115ff sowie Moir/Sudarsanam (2007). 539 Vgl. Menzel/Dobro (2004), S. 94, Wahl (2004), S. 111ff. 534
93 reich.540 Aufgrund der niedrigen Kreditwürdigkeit ist Private Debt Verträgen auch fast immer die Verwendung umfangreicher Covenants gemein, die aufgrund der individuellen Vertragsgestaltung wenig standardisiert sind.541 Das impliziert einerseits einen erhöhten Aufwand bei Vorbereitung, Vertragsgestaltung und Platzierung von Private Debt, andererseits besteht größere Flexibilität, um unternehmensspezifische Charakteristika zu berücksichtigen.542 Zusätzlich werden Emittenten von Private Debt regelmäßig mit umfangreichen Informationspflichten belegt.543 Dazu zeigen Mazdumar/Sengupta, dass geforderte Verzinsung und Offenlegung interner Daten negativ korrelieren.544 Zweitens zeichnet sich Private Debt durch seine Platzierung bei einer niedrigen Zahl an Investoren und einer fehlenden bzw. stark eingeschränkten Sekundärmarktliquidität aus.545 Diese Illiquidität ergibt sich aus den relativ niedrigen Volumina von Private Debt Finanzierungen, die üblicherweise im unteren Bereich der potenziell möglichen Spanne zwischen 5 Mio. Euro und 150 Mio. Euro liegen.546 Übliche Verwendungszwecke für Private Debt sind Wachstumsfinanzierungen aber auch Turnaround-Situationen.547 Drittens sind typische Kapitalgeber von Private Debt institutionelle Investoren aus dem Nicht-Banken Sektor wie Vermögensverwalter, Versicherungen oder spezielle Fonds.548
Daneben treten bei kleineren Volumina auch Privatinvestoren, Nicht-Finanz-Unternehmen oder Geschäftspartner als Kapitalgeber auf.549
3.3.4.3. Schuldscheindarlehen Ein Schuldscheindarlehen stellt eine Form von Private Debt dar. Der Schuldner stellt eine Urkunde aus, in der er dem Gläubiger eine bestimmte Leistung – wie die Rückzahlung eines bestimmten Betrags zu einem bestimmten Zeitpunkt – verspricht. Durch ein Mindestmaß an Standardisierung kann ein Schuldschein theoretisch vom Gläubiger auf einen anderen Inves-
540
Der Subinvestment Grade Bereich umfasst Moody’s Ratings von Ba1 bis D bzw. die entsprechenden BB+ bis D Ratings von Standard & Poor’s und beschreibt damit Unternehmen niedrigerer Kreditwürdigkeit. Für eine detaillierte Beschreibung der internationalen Ratingsystematik vgl. Abschnitt 3.3.4.4. 541 Diesbezüglich weisen Moir/Sudarsanam nach, dass ein Unternehmen umso weniger Covenants benötigt, je größer es ist. Vgl. Moir/Sudarsanam (2007) S. 152. 542 Vgl. Dichev/Skinner (2002), S. 1106f. Zum Ablauf einer Private Debt Platzierung vgl. Mentzel (2004). 543 Für die Anforderungen von Private Debt an das Unternehmensreporting vgl. exemplarisch Zelger/Beyer (2004). 544 Vgl. Mazumdar/Sengupta (2005), S. 88. 545 Vgl. Achleitner/Wahl (2004), S. 1323f. Wobei dies nicht bedeutet, dass Private Debt nicht außerbörslich weiterveräußert werden kann. Zur Weiterveräußerbarkeit von Private Debt vgl. bspw. Coym (1984), S. 50. 546 Vgl. Menzel/Dobro (2004), S. 95f. 547 Vgl. Schröder (2004), S. 118f. 548 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 164. 549 Vgl. Berger/Udell (1998), S. 634.
94 tor übertragen werden. Auch eine Aufteilung in Teilschuldscheine ist möglich. Ein Handel an der Börse ist jedoch nicht durchführbar, weil es sich nicht um ein Wertpapier sondern lediglich um ein beweiserleichterndes Dokument handelt.550 Daher wird ein Schuldschein oftmals als Vorstufe zur Kapitalmarktfinanzierung mit Anleihen bezeichnet, ist jedoch mit geringerem Aufwand und Kosten für den Emittenten verbunden.551 Ein Wertpapierprospekt beispielsweise wird i.d.R. nicht notwendig.552 Das übliche Volumen eines Schuldscheindarlehens liegt zwischen 10 Mio. Euro und 100 Mio. Euro und kann ratenweise abgerufen werden. Die Tilgung beginnt üblicherweise nach Ablauf einer gewissen tilgungsfreien Zeit, nach der auch vertraglich fixierte Kündigungsrechte des Kreditnehmers beginnen, die jedoch die Ausnahme sind. Aufgrund der eingeschränkten Fungibilität fallen die Nutzungskosten ca. 0,25 bis 0,5 Prozentpunkte teurer als bei einer Anleihe gleicher Bonität aus.553 Die Verzinsung wird durch einen Aufschlag auf einen risikolosen Zinssatz bestimmt. Eine Laufzeit von 3 bis 7 Jahren ist die Regel, aber auch längere Nutzungsdauern sind möglich.554 Die Platzierung eines Schuldscheindarlehens kann mit ungefähr 2 Wochen veranschlagt werden.555 Sie wird häufig durch Banken auf Basis interner Ratings durchgeführt. Kreditgeber sind Kapitalsammelstellen wie Versicherungen.556 Weil ein externes Rating nicht erforderlich ist, senkt das einerseits die Fremdleistungskosten, andererseits stellen die Kapitalgeber gesteigerte Anforderungen an die Informations- und Dokumentationspflichten des Emittenten, die mit Mehraufwand verbunden sind.557 Die vertragliche Ausgestaltung eines Schuldscheindarlehens erfolgt relativ individuell und schlagen mit Kosten von ca. 1% bis 3% zu Buche. Auch die Bonitätsanforderungen sind relativ hoch.558 So setzen z.B. Versicherungen als Kapitalgeber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen eine hohe Sicherheit ihrer Kredite voraus. Entsprechend muss das emittierende Unternehmen erstrangige Realsicherheiten einbringen.559
550
Schuldscheindarlehen können nur durch Abtretung übertragen werden. Ein börsenmäßiger Handel ist nicht möglich. Vgl. Hölscher (2001), S. 1379. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 406f, Mittendorfer/Samudovska (2004), S. 184. Zur Anleihe vgl. Abschnitt 3.3.4.4. 552 Vgl. Kretzler (2004), S. 543. 553 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 407, Kruse (2006), S. 110, Reichling et al. (2005), S. 175. 554 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 172, Reichling et al. (2005), S. 174, Schmitz (2003), S. 82. 555 Vgl. Niedan (2006), S. 48. Andere Autoren veranschlagen längere Platzierungsdauern von bis zu 10 Wochen. Vgl. exemplarisch Mittendorfer/Samudovska (2004), S. 187. 556 Vgl. Schmitz (2003), S. 82. 557 Vgl. Kruse (2006), S. 110, Schmitz (2003), S. 82, Grunow/Figgener (2006), S. 171. 558 Vgl. Schmitz (2003), S. 83, Perridon/Steiner (2007), S. 407. 559 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 406. 551
95 Schuldscheindarlehen Fremdleistungskosten 1-3% Nutzungskosten Geringfügig teurer als Anleihe gleicher Bonität Volumen 10-100 Mio. EUR Laufzeit 3-7 Jahre üblich Anforderungen Hohe Bonität, erstrangige Realsicherheiten Platzierungsdauer Ca. 2 Wochen Kapitalgeber Kapitalsammelstellen: Versicherungen, Pensionsfonds Stellung der Kapitalgeber Gläubiger Stärken Flexibilität, kein externes Rating, Schnelligkeit der Platzierung Schwächen Keine Sekundärmarktliquidität, hohe Anforderungen an Sicherheiten Tab. 18: Charakteristika eines Schuldscheindarlehen im Überblick560
Aktuell erfährt das Schuldscheindarlehen eine Renaissance.561 Dies erklärt sich u.a. aus der Verbuchung zu Anschaffungskosten, was in einem durch die Subprimekrise geprägten Umfeld als attraktiv gilt.562 Weil ein Schuldscheindarlehen ein weitgehend deutsches Instrument ist und sich im Wesentlichen an deutsche Kapitalgeber wendet, wird das US-amerikanische Pendant USPP (US Private Placement) immer beliebter. Damit stehen auch US-amerikanische Versicherungen oder Pensionsfonds als Kapitalgeber zur Verfügung.563 Zusätzlich sind bei ausreichender Kreditwürdigkeit auch längere Laufzeiten bis zu 30 Jahre darstellbar.564
3.3.4.4. Corporate Bond Ein Corporate Bond gehört definitorisch zu den langfristigen Kreditformen, bei denen ein Gläubiger dem Unternehmen finanzielle Mittel befristet überlässt, ein Mitspracherecht des Geldgebers jedoch nicht entsteht.565 Dafür schuldet das Unternehmen einen vom Unternehmensergebnis unabhängigen Zinssatz auf den Nominalwert des zur Verfügung gestellten Fremdkapitals sowie eine meist endfällige Tilgung.566 Anders als andere langfristige Finanzierungsinstrumente wie Schuldscheindarlehen oder langfristige Bankkredite wird eine Anleihe allerdings in Form von Teilschuldverschreibungen, die jeweils einen Teil der Anleihe verbriefen, gehandelt. Damit richtet sie sich nicht an einen speziellen Kreditgeber sondern an den
560
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. die Aussage von Experte 3 im Interview: Experte 3 (2008), S. 14. Vgl. gleichgerichtet Cünnen (2008a), Mittendorfer/Samudovska (2004), S. 184. 562 Vgl. Mast (2008), S. 493f. 563 Vgl. Hilger (2008), S. 491. Zum USPP und seiner Nutzung durch europäische Unternehmen vgl. allgemein Greenberg (2005), S. 5ff. 564 Vgl. Hänche/Hammesfahr (2007), S. 198. Zum USPP und seiner Nutzung durch europäische Unternehmen vgl. Greenberg (2005), S. 5ff. 565 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 373. 566 Vgl. Rehkugler (2007), S. 165. 561
96 anonymen567 Kapitalmarkt. Das unterscheidet sie insbesondere von Schuldscheindarlehen. Neben Unternehmen emittieren typischerweise Staat, öffentliche Körperschaften und Realkreditanstalten Schuldverschreibungen. Treten private Unternehmen als Emittenten auf, werden sie als Industrieobligationen bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Corporate Bonds im Sinne der vorliegenden Arbeit. Sie lauten auf einen Nennbetrag, der dem Teilverschreibungswert entspricht. Üblicherweise liegt der Ausgabekurs unter 100% des Nennbetrags und der Rückzahlungsbetrag bei 100%. Die Laufzeit einer Industrieobligation beträgt i.d.R. zwischen 8 und 15 Jahren. Die Verzinsung richtet sich nach der Bonität des Emittenten568 und die Zinszahlungen erfolgen viertel-, halb- oder jährlich, die Tilgung üblicherweise am Ende der Laufzeit.569 Alternative Ausgestaltungsformen eines Corporate Bond Neben der beschriebenen, klassischen Ausgestaltungsform existieren verschiedene Varianten, die alle unter dem Begriff Unternehmensanleihe subsumiert werden. Im Folgenden werden die wichtigsten, von der klassischen Anleihe abweichenden Ausgestaltungsformen skizziert:570 Wandel- und Optionsanleihen wurden bereits ausführlich in Abschnitt 3.3.3.1 erläutert. Sie beinhalten die Möglichkeit, zusätzlich oder statt der Gläubigerposition eine Gesellschafterposition zu übernehmen. Bei Gewinnschuldverschreibungen hat der Halter der Schuldverschreibung (Obligationär) entweder zusätzlich zum Anspruch auf Zinsen oder stattdessen ein Recht auf Gewinnbeteiligung. Davon unbelassen bleibt er Gläubiger und wird nicht zum Miteigentümer. Bei Nullkuponanleihen (Zerobonds) entstehen keine laufenden Zinszahlungen, sondern die Auszahlung thesaurierter Zins- und Zinseszinsen erfolgt endfällig. Anleihen mit variabler Verzinsung (Floating Rate Notes) unterscheiden sich dahingehend,
dass regelmäßig eine Neufestsetzung der Verzinsung anhand eines Referenzzinssatzes, häufig Libor oder Euribor stattfindet. Doppelwährungsanleihen (Multi-Currency Notes) differenzieren sich von der klassischen Anleihe durch Ein- bzw. Rückzahlung des Anleihenennwerts in unterschiedlichen Währungen. Eine weitere Variante stellen Hybridanleihen dar, eine
567
Vgl. Olfert/Reichel (2005), S. 322. Der Kapitalmarkt ist insofern anonym, als dass das emittierende Unternehmen aufgrund der leichten Weiterveräußerbarkeit i.d.R. nicht weiß, welche Kapitalmarktteilnehmer aktuell Teilschuldverschreibungen halten. 568 Von einer Unterscheidung zwischen dem Emittenten als rechtlicher Einheit, die die Anleihe begibt, und operativ tätiger Einheiten, die sich im Fall eines Konzerns in Form separater Schwester-, Mutter- oder Tochtergesellschaften darstellen kann, wird in der vorliegenden Arbeit grundsätzlich abstrahiert. Die Begriffe Unternehmen und Emittent finden somit synonyme Verwendung, wo nichts anders angegeben. 569 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 387ff. 570 Zu den folgenden Varianten von Industrieobligationen vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 387ff.
97 Form, die ursprünglich aus dem Intra-Bankenmarkt stammt.571 Dabei handelt es sich um Schuldverschreibungen ohne Endfälligkeit, d.h. mit prinzipiell unendlicher Laufzeit.572 Allerdings ist die Verzinsung i.d.R. auf 7 bis 10 Jahre festgeschrieben und verteuert sich danach mittels eines sogenannten Step Up so deutlich, dass eine Kündigung durch den Emittenten nach Ablauf der Festschreibung üblich ist.573 Als letzte Variante zielen Anleihen in Verbindung mit Zins- und Währungsswaps auf Zins- und/oder Währungsvorteile zwischen Emit-
tent und Gläubigern. Für vergleichbaren Kapitalbedarf in unterschiedlichen Währungen wird dazu a priori der Tausch von Kapital und/oder Zinsen in eine andere Währung festgelegt. Platzierungsformen von Corporate Bonds Bei der Emission574 von Anleihen bestehen verschiedene Durchführungsmöglichkeiten: Selbst- bzw. Fremdemission sowie öffentliche bzw. private Platzierung. Bei einer Selbstemission bringt das emittierende Unternehmen die Anleihe selbst am Kapitalmarkt unter, bei einer Fremdemission platziert ein Bankenkonsortium den Bond bei den Obligationären.575 In der
Regel erfolgt die Platzierung in Form einer Fremdemission, da das kapitalsuchende Unternehmen die Finanzmittel üblicherweise in bestimmtem Umfang zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt. Die Befriedigung zeitlich und volumenfixierten Kapitalbedarfs kann nur sichergestellt werden, wenn ein Bankenkonsortium mit der Platzierung beauftragt wird, das die Emission vorfinanziert. Weiterhin ist eine größere Anleihe ohne das Vertriebsnetz der Emissionsbanken sowie deren Spezialisten für Fragen zur Anleihenausgestaltung und Erstellung des Verkaufsprospekts für ein Unternehmen eigenständig kaum darstellbar.576 Im Fall einer Mitwirkung der Emissionsbanken sind zusätzlich zwei Konstellationen möglich: Bei einer Festübernahme (Firm Commitment Underwriting) übernimmt das Bankenkonsortium den Anleihebetrag zu einem festen Preis und bringt die Papiere anschließend auf eigenes Risiko am Markt unter. Diese Mitwirkungsform, bei der das Absatzrisiko auf die Emissionsbanken übergeht, stellt die übliche Form der Fremdemission dar. Die Emissionsbanken werden in diesem Zusammenhang als Initial Purchasers bezeichnet.577 Daneben existiert die in der Emissionspraxis seltenere Form der Absatzbemühung (Best Effort Underwriting), bei der
571
Vgl. Nölling/Jendruschewitz (2006), S. 435. Entsprechend besteht auch wenig Theoriebildung bzgl. ihrer Nutzung zur Unternehmensfinanzierung. Vgl. Nelles/Menz (2007), S. 343. Vgl. Vater (2006), S. 45. 573 Vgl. Nölling/Jendruschewitz (2006), S. 435f. 574 Der Emissionsbegriff hat wertpapierrechtlich eine dreifache Bedeutung und umfasst den tatsächlichen Absatz der Wertpapiere bei den Anlegern, die Vorbereitung und die Abwicklung dieses Geschäfts sowie die Gesamtheit der ausgegebenen Wertpapiere.Vgl. Hüffer (1996), S. 4f. 575 Vgl. Olfert/Reichel (2005), S. 324. 576 Vgl. Kümpel (2004) Rdn 9.16 sowie 9.18. 577 Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 330. 572
98 die Banken kein Platzierungsrisiko übernehmen und sich ausschließlich verpflichten, die Wertpapiere nach besten Kräften am Markt unterzubringen.578 Neben der Frage, ob die Anleiheplatzierung selbst oder mittels Banken durchgeführt wird, sind zusätzlich die adressierten Investoren zu unterscheiden. Der Anlegerkreis einer öffentlichen Platzierung (Public Placement) ist der anonyme Kapitalmarkt, der in der Regel über
eine Fremdemission adressiert wird.579 Im Rahmen einer privaten Platzierung (Private Placement) wird die Anleihe dagegen nicht am Kapitalmarkt abgesetzt, sondern vollständig an einen oder mehrere Großinvestoren ausgegeben. Damit stellt sie Private Debt dar. Das reduziert die Sekundärmarktliquidität stark, die allerdings durch eine nachträgliche Zulassung zum Sekundärmarkthandel über Börsen erreichbar ist.580 In der vorliegenden Arbeit werden Corporate Bonds grundsätzlich als sekundärmarktliquide verstanden. Nur dann sind die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen institutioneller Investoren wie Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungsunternehmen erfüllt, die wegen unbekannter zukünftiger Mittelzu- und -abflüsse eine hohe Dispositionsflexibilität der aufgelegten Wertpapierfonds anstreben. Entsprechend stellt Sekundärmarktliquidität ein zentrales Kriterium bei der Auswahl geeigneter Investitionsobjekte durch einen Großteil der institutionellen Kapitalgeber dar. Internationalisierungsgrade von Corporate Bonds Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs innerhalb der europäischen Gemeinschaft, die fortschreitende Harmonisierung nationaler rechtlicher Rahmenbedingungen und insbesondere die Einführung des Euro führten zu einem inzwischen stark integrierten europäischen Finanzmarkt.581 Somit kann man für den Euro-Raum sicherlich von einem Gesamtmarkt für internationale Unternehmensanleihen sprechen. Prinzipiell bestehen jedoch vier relevante Internationalisierungsgrade von Anleihen. Bei einer Inlandsanleihe stimmen der Sitz des emittierenden Schuldners, die Währung der Anleihe sowie der relevante Kapitalmarkt geographisch überein.582 Die Zusammensetzung des begleitenden Bankenkonsortiums sowie die Nationalität der Käufer der Teilschuldverschreibungen sind für eine Klassifizierung zur Inlandsanleihe jedoch irrelevant.583
578
Vgl. Masuch (2001), S. 34f. Vgl. Kümpel (2004) Rdn 9.18. 580 Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 21. 581 Vgl. Rudolf (2008), S. 2. 582 Vgl. Fabozzi (2007), S. 207. 583 Vgl. Siebel (1997), S. 30. 579
99 Den nächst höheren Internationalisierungsgrad bildet die klassische Auslandsanleihe. Definitionsgemäß legt der Emittent dabei eine Anleihe im Ausland in der dort gültigen Landeswährung auf.584 Als klassisch wird diese Form der Anleihenemission bezeichnet, weil sie die traditionelle Form der Kapitalbeschaffung im Ausland mittels einer Wertpapieremission bildet.585 Die Wurzeln der Kapitalbeschaffung über Auslandsanleihen reichen bis ins Mittelalter zurück. In Deutschland wurden sie im Laufe des 19. Jahrhunderts relevant.586 Die Emission erfolgt dabei auf einem einzigen nationalen Markt.587 Damit unterscheidet sie sich von der Parallelanleihe, bei der ein Emittent gleichzeitig mehrere nationale Märkte nach dem jeweils nationalen Recht und in den jeweiligen Landeswährungen in Anspruch nimmt.588 Einen höheren organisatorischen Internationalisierungsgrad im Vergleich zur klassischen Auslandsanleihe weist die Euroanleihe (Eurobond) aus.589 Deren Emission wird nicht auf die nationalen Bedürfnisse eines Landes ausgerichtet, sondern sie orientiert sich an einer Vielzahl von Ländern.590 Der Bond wird dazu mit einheitlichen Bedingungen ausgestattet und in einer Form an den Kapitalmärkten platziert, dass weder der Obligor, die Wertpapiere noch die üblicherweise international zusammengesetzten Konsortialbanken maßgeblichen nationalen Beschränkungen unterworfen sind.591 Dabei wird die Anleihe in einer einzigen, konvertiblen Währung emittiert.592 Trotz der nahe liegenden Vermutung aufgrund der Anleihenbezeichnung muss diese Währung aber nicht Euro sein, da die Euroanleihe grundsätzlich nichts mit der europäischen Gemeinschaftswährung zu tun hat.593 Weil die Anleihewährung jedoch international liquide sein muss, d.h. regelmäßig in größeren, internationalen Geld- und Kapitalmarkttransaktionen verwendet werden sollte, sind die häufigsten Währungen von Euroanleihen US-Dollar und Euro.594 Die Verwendung einer einheitlichen, internationalen Leitwährung für die Nennwertfestlegung, eine internationale Zusammensetzung des Bankenkonsortiums sowie eine gleichzeitige Platzierung auf verschiedenen Kapitalmärkten dienen dabei der Erzielung einer möglichst großen Platzierungskraft für einen Eurobond.595
584
Vgl. Fabozzi (2007), S. 207 sowie Choudhry (2003), S. 379. Vgl. Donnerstag (1973), S. 17f. Vgl. Horn (1972), S. 4. 587 Vgl. Langendorf (2006), S. 32. 588 Vgl. Siebel (1997), S. 65. 589 Vgl. Horn (1972), S. 10. 590 Vgl. Langendorf (2006), S. 33. 591 Vgl. Fabozzi (2007), S. 208 592 Vgl. Vernimmen et al. (2005), S. 495. 593 Die Vorsilbe Euro stammt noch aus den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts und bezeichnete auf US-Dollar lautende Einlagen in Kontinentaleuropa. Die Vorsilbe hat sich gehalten: Eurobonds in Sterling heißen Eurosterling Bonds, auf US-Dollar lautende Eurobonds heißen Eurodollar Bonds. Vgl. Choudhry (2003), S. 378. 594 Vgl. Hartwig-Jacob (2001), S. 29. 595 Vgl. Hartwig-Jacob (2001), S .29. 585 586
100 Die Globalanleihe als Ausprägung des theoretisch höchsten Internationalisierungsgrades von Anleihen wurde ursprünglich für den internationalen US-Dollar Anleihenmarkt entwickelt. Die Bezeichnung umschreibt Anleihen von Emittenten mit in der Regel erstklassiger Bonität, die sowohl im Land der Anleihewährung als auch international platziert werden und damit rund um die Uhr an den verschiedenen Börsenplätzen gehandelt werden können.596 Das wesentliche Unterscheidungskriterium gegenüber der Euroanleihe besteht darin, dass ein Angebot von auf US-Dollar lautenden Globalanleihen sowohl in den USA als auch in Europa gleichzeitig möglich ist. Euroanleihen hingegen müssen gemäß US Securities Acts bei der US-amerikanischen Securities and Exchange Commission (SEC) registriert werden.597 Das ist für Unternehmen außerhalb der USA prinzipiell mit relativ hohem Aufwand verbunden, kann unter Beachtung bestimmter Ausnahmetatbestände wie SEC Rule 144A jedoch vereinfacht werden.598 In der Praxis dominieren heute Euro- und Globalanleihen, was auf das Zusammenwachsen der internationalen Finanzmärkte zurückzuführen ist. Weitere Gründe sind die bessere Platzierbarkeit risikoreicher Anleihen und das höhere Aufnahmevermögen für einzelne Emissionen.599 Inlands- und Auslandsanleihen bleibt die Rolle der Nischenprodukte.600 Darüber hinaus ist die definitorische Abgrenzung von Euro- und Globalanleihen durch SEC Rule 144A praktisch bedeutungslos geworden. Daher versteht die vorliegende Arbeit unter dem Begriff Corporate Bonds grundsätzlich Euro- und Globalanleihen und differenziert zwischen beiden Anleihevarianten nicht. Unterscheidung von Investment Grade Bonds und High Yield Bonds Bonds im Sinne dieser Arbeit, d.h. in Teilschuldverschreibungen aufgeteilte, am Kapitalmarkt liquide gehandelte Euroanleihen, lassen sich eindeutig anhand ihrer individuellen Bonitätsbeurteilung in Form externer Ratings segmentieren. Denn für die Emission einer Anleihe ist die unabhängige Erstellung und Veröffentlichung eines Ratings, d.h. einer wertpapierspezifischen Bewertung der Fähigkeit zur Erfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen unabdingbar.601 Dieses Rating wird im Rahmen eines Ratingprozesses durch eine der beiden großen Ratingagen-
596
Vgl. Langendorf (2006), S. 34. Vgl. Siebel (1997), S. 32. Zu den Registrierungspflichten und diesbezüglichen Ausnahmen vgl. Abschnitt 4.1.5.1. 599 Vgl. Amira/Handorf (2004), S. 79f. 600 Vgl. Langendorf (2006), S. 35. 601 Ein Rating ist nicht mit einer Bonitätsprüfung im deutschen Sinne vergleichbar, da neben der Ausfallwahrscheinlichkeit auch Ausstattung, Schutz und Rangordnung der Verbindlichkeit Berücksichtigung finden. So werden beispielsweise Besicherungen des Wertpapiers durch das begebende Unternehmen in die Prüfung mit einbezogen und nicht als Alternative zu fehlender Bonität aufgefasst. Vgl. Serfling/Pries (1990), S. 381. Für eine detaillierte Darstellung des Ratingprozesses vgl. Abschnitt 4.1.3 597 598
101 turen Standard & Poor’s (S&P) oder Moody’s Investor Service (Moody’s) sowie gegebenenfalls durch Fitch Ratings als drittgrößte Ratingagentur wertpapierspezifisch ermittelt und als Ausprägung auf einer ordinalen Skala von Bonitätsstufen dargestellt.602 Die Ordinalität der Skala, die lediglich eine Rangfolge und keine Aussagen zu Abständen oder Verhältnissen zulässt,603 verdeutlicht, dass ein Rating immer eine komparative Bewertung alternativer Investitionsobjekte darstellt.604 Die höchste Bonität bzw. niedrigste Ausfallwahrscheinlichkeit wird dabei mit AAA (S&P) bzw. Aaa (Moody’s) angegeben, während ein Rating von C (S&P) bzw. Ca (Moody’s) die niedrigste Bonitätsstufe beschreibt, bei der noch kein Zahlungsverzug vorliegt (vgl. Tab. 19).
Subinvestment Grade bzw. High Yield
Investment Grade
605 S&P Moody’s Ausfallwahrscheinlichkeit AAA Aaa 0,7% AA+ Aa1 0,9% AA Aa2 AAAa3 A+ A1 1,9% A A2 AA3 BBB+ Baa1 5,4% BBB Baa2 BBBBaa3 BB+ Ba1 17,5% BB Ba2 BBBa3 B+ B1 30,4% B B2 BB3 CCC+ Caa1 CCC Caa2 51,8% CCCCaa3 CC Ca C C Tab. 19: Ratingskala von S&P, Moody’s und zugehörige Ausfallwahrscheinlichkeiten606
Neben den individuellen Skalenwerten gibt es eine zweite, dichotome Unterteilung der Bonitätsstufen in zwei Subkategorien: Ratings im Bereich von AAA bis BBB- werden als Investment Grade bezeichnet, während für Ratings von BB+ bis C die Begriffe High Yield, Sub602
Bei Ratings wird regelmäßig zwischen langfristigen und kurzfristigen Ratings unterschieden. Erstere dienen der Beurteilung langfristiger Schuldtitel wie Anleihen mit einer Ursprungslaufzeit über einem Jahr, während Letztere bspw. bei kurzfristigen Geldmarktpapieren mir einer üblichen Laufzeit von 30-90 Tagen Anwendung finden. Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 11. Aufgrund der Irrelevanz kurzfristiger Schuldtitel im Zusammenhang mit dem Fokus der vorliegenden Arbeit bezieht sich der Begriff Rating im Folgenden immer auf langfristige Bonitätsbeurteilungen. 603 Zu unterschiedlichen Skalenniveaus vgl. Backhaus et al. (2006), S. 4ff. Für eine Auseinandersetzung mit den Einschränkungen, die sich aus der Ordinalität der Ratingskala ergeben vgl. van Aubel (2000), S. 43ff. 604 Vgl. Harold (1938), S. 6. 605 Die Ausfallwahrscheinlichkeit basiert auf den kumulierten Ausfallraten von 1981 bis 2006 und bezieht sich auf die die Ausfallwahrscheinlichkeit binnen 10-Jahresfrist; vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 14. 606 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 11ff und Moody's Investors Service (Hrsg.) (2007), S. 10.
102 investment Grade, Hochzinsanleihe oder Junk Bond607 verwendet werden. Die Bezeichnung High Yield bringt zum Ausdruck, dass der Obligor zur Kompensation des gesteigerten Ausfallrisikos dem Obligationär eine höhere Rendite bieten muss, als dies im Investment Grade Bereich üblich ist.608 Die Bezeichnungen Investment Grade und High Yield dienen als Gattungsbegriffe für jeweils eigenständige Anlageklassen.609 Die Zugehörigkeit einer Anleihe zu einer der beiden Klassen ist jedoch nicht fixiert. Nach der Vergabe eines Erstratings führen Ratingagenturen regelmäßig sogenannte Rating Reviews durch, bei denen die Einschätzung überprüft und das Rating gegebenenfalls angepasst wird.610 Im Rahmen dieser Anpassungen mittels Up- bzw. Downgrades kann es vorkommen, dass eine zum Emissionszeitpunkt als Investment Grade eingestufte Anleihe in den High Yield Bereich heruntergestuft wird. Diese Anleihe wird dann als Fallen Angel bezeichnet.611 Bei Anleihen gegenläufiger Bewegung spricht man von Rising Stars.612 Einordnung namentlich verwandter Finanzierungsformen Zur Schaffung von Unzweideutigkeit im Sinne der vorliegenden Arbeit werden im Folgenden einige Finanzierungsinstrumente abgegrenzt, die zwar verschiedentlich als Bonds oder Anleihe bezeichnet werden, sich jedoch grundsätzlich von einem Corporate Bond als am anonymen Kapitalmarkt emittierte verbriefte Teilschuldverschreibungen unterscheiden. In Bankunterlagen für Mittelstandskunden und praxisorientierter Finanzierungsliteratur fällt regelmäßig der Begriff Mittelstandsbond.613 Bei dieser Art der Fremdfinanzierung handelt es sich um Privatplatzierungen mehrer kleiner und mittelständischer Unternehmen, die von einer Bank zu einem Gesamtportfolio gebündelt und anschließend in Form von Credit Linked No-
607
Insbesondere bei Aufkommen des Markts für High Yield Bonds wurden Anleihen in dieser Ratingklasse häufig auch als Junk Bonds bezeichnet, da es sich bei den betroffenen Emittenten zumeist um Unternehmen handelte, die in eine wirtschaftliche Schieflage geraten waren und deren Anleihen entsprechend als Junk bezeichnet wurden. Vgl. Vernimmen et al. (2005), S. 506. 608 Zum Einfluss des Ratings auf die Preisbildung bei Anleihen vgl. Bachmann (2004). Zur Unterscheidung des theoretischen und empirischen Zusammenhangs zwischen Risiko und Rendite vgl. van Aubel (2000), S. 93ff. Wichtig ist, dass es sich immer nur um eine versprochene Mehrverzinsung in Form eines Kontraktzinses handelt. Die tatsächlich realisierte Rendite muss damit nicht übereinstimmen. Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 14f. Für die Unterschiede zwischen versprochener und erwarteter Rendite vgl. van Aubel (2000), S. 156ff. 609 Vgl. Yago/Trimbath (2003), S. 18f. Die beiden Anlageklassen High Yield und Investment Grade unterscheiden sich grundsätzlich bei Sicherheiten, Garantien, Covenants, Anforderungen an den Emittenten in den Anleihebedingungen und nicht zuletzt der Rendite. Dadurch unterscheiden sich auch die Investoren grundsätzlich. Viele Kapitalgeber sind ausschließlich in einem der beiden Marktsegmente tätig. Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 273ff 610 In der Praxis werden diese Reviews durchgeführt, wenn ein weiteres Wertpapier auf den Markt gebracht werden soll oder die Ratingagentur externe oder interne Ereignisse identifiziert, die Einfluss auf die Zahlungsfähigkeit für das bewertete Wertpapier haben könnten. Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 19. 611 Zu Besonderheiten von Fallen Angels vgl. Werner (2003). 612 Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 17f. 613 Vgl. beispielsweise Investkredit (Hrsg.) (2004).
103 tes institutionellen Investoren zugänglich gemacht werden.614 Einerseits handelt es sich um Private Debt, eine Kapitalmarktfungibilität wird nur durch die unternehmensunabhängige Bündelung erzielt. Andererseits gehören Credit Linked Notes zu den Kreditderivaten, da hiermit bestimmte Kreditrisiken vom Kreditnehmer auf den Kreditgeber übertragen werden.615 Somit ist der Begriff Mittelstandsbond irreführend, da sich die damit bezeichnete Finanzierungsform grundlegend von der Industrieobligation unterscheidet. Eine weitere Finanzierungsform, die sich explizit an die Zielgruppe mittelständischer Unternehmen richtet, ist der sogenannte Minibond.616 Hinter diesem finanzmarketinggeprägten Begriff verbergen sich Inhaber-Teilschuldverschreibungen, die im Rahmen einer Selbstemission begeben werden. Damit kann der Begriff Minibond grundsätzlich unter die Klasse der Corporate Bonds subsumiert werden. Aus der Selbstemission ergeben sich jedoch wesentliche, beschriebene Konsequenzen auf Platzierungsrisiko, mögliches Emissionsvolumen, erreichbare Anleihestreuung etc., die dazu führen, dass dieses Finanzierungsinstrument im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter untersucht wird.617 Relevanz von Corporate Bonds für die vorliegende Arbeit Wie bereits einleitend in Kapitel 1 erörtert, werden Bonds – auf Mittelstand oder Familienunternehmen bezogen – in der Literatur regelmäßig relativ pauschal als ungeeignet bezeichnet. Zur Begründung wird meist das notwendige Emissionsvolumen, in einigen Fällen auch die erforderliche Transparenz, angeführt.618 Wie in Abschnitt 3.1.2 dargelegt wurde, spielen Anleihen bei deutschen Familienunternehmen auch in der praktischen Unternehmensfinanzierung seither nur eine untergeordnete Rolle. Dass diese Einschätzung zu pauschal ist und die bisher unterrepräsentierte Nutzung großes Potenzial bietet, zeigen positive Erfahrungen derjenigen Familienunternehmen, die Anleihen zur Unternehmensfinanzierung nutzen. Bätz weist nach, dass Familienunternehmen, die bereits über Anleihen finanziert sind, diesem Finanzierungsinstrument weiterhin positiv gegenüber stehen: 80% der befragten, über Obligationen kapitalisierten deutschen Familienunternehmen äußern anhaltendes großes oder sehr großes Interesse für diese Finanzierungsform.619 Weiterhin ergab eine Befragung von Familienunternehmen in 2007, dass 59% aller befragten 614
Vgl. Hartmann (2005). Für eine detaillierte Darstellung zur Funktionsweise und Risikotransformation von Credit Linked Notes vgl. Zahn/Lemke (2002). 616 Vgl. exemplarisch Beier (2007), Graf (2007). 617 Zu den Nachteilen im Direktvertrieb platzierter Anleihen ohne Einschaltung von Finanzintermediären vgl. Schöning et al. (2004), S. 754f. 618 Vgl. exemplarisch Hennerkes (2004), S. 370, Achleitner/Fingerle (2004), S. 23, Böllhoff (2004), S. 224, Schöning et al. (2004), S. 748. 619 Vgl. Bätz (1994), S. 121. 615
104 Unternehmer einen verbesserten Zugang zu Kapitalmärkten für Familienunternehmen als wichtig oder sehr wichtig erachten.620 Diese Einschätzung lässt beachtliche unrealisierte Akzeptanzpotenziale von Corporate Bonds bei Familienunternehmen vermuten. Zusätzlich verdeutlicht der bereits einleitend erwähnte internationaler Vergleich, welche ungenutzten Möglichkeiten bei Anleihefinanzierungen in Deutschland bestehen: 2001 wurden in den USA 50% der externen Finanzmittel von Industrieunternehmen über Bonds aufgenommen, während im Euroraum der Anteil von Bonds an der Kapitalaufnahme bei 10% lag.621 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen de Fiore/Uhlig in einer Zeitreihenanalyse von 1997 bis 2003, in der sie Unterschiede im Verhältnis von Bank- zu Anleihefinanzierung zwischen Europa und den USA untersuchten: In den USA errechnet sich ein Quotient von Bank- zu Anleihefinanzierung von 1997 bis 2003 von 0,74. Von 100 US-Dollar Unternehmensfinanzierung stammen folglich durchschnittlich 43 US-Dollar aus Bankkrediten und 57 US-Dollar aus Bonds. In Europa hingegen stehen beträgt dieses Verhältnis 7,3. Bei 100 Euro Unternehmensfinanzierung impliziert dies 88 Euro aus Bankkrediten und nur 12 Euro aus Anleihen. Dieses Verhältnis ist umso bemerkenswerter, da im Analysezeitraum sowohl bei den durchschnittlichen Prämien, die ein Anleiheemittent über den risikolosen Marktzins hinaus bezahlen musste, als auch bei den Ausfallraten von Bonds keine nennenswerten Unterschiede zwischen USA und Europa bestehen.622 Deutschland passt in dieses Finanzierungsbild gesamt Europas: Das Volumen ausstehender Anleihen deutscher Unternehmen entsprach 2005 35% des deutschen BIP, in den USA betrug die Vergleichskennzahl 114%.623 Sowohl die Erfahrung bereits über Anleihen finanzierter Familienunternehmen als auch das im internationalen Vergleich erkennbare Potenzial von Bonds legen eine intensivere Auseinandersetzung mit diesem Finanzierungsinstrument als Kapitalquelle für deutsche Familienunternehmen nahe. Dabei ist jedoch zu beachten, dass deutsche Familienunternehmen nur sehr selten die Bonität für Investment Grade Anleihen aufweisen. Für die deutliche Mehrheit stellen High Yield Bonds die potenzielle Finanzierungsform dar, was in Abschnitt 4.1.3.3 detailliert erläutert wird. Diese Meinung wird in der Bankenpraxis geteilt: Ein Investment Grade Rating ist nach Einschätzung der befragten Fremdkapitalmarktspezialisten von Deutscher Bank und Goldman Sachs für Familienunternehmen nur in wenigen Ausnahmefällen zu erreichen, so dass High Yield Bonds die relevante Finanzierungsalternative darstellen.624 Da-
620
PWC (Hrsg.) (2008), S. 28. Vgl. Lahusen (2004). 622 Vgl. de Fiore/Uhlig (2005), S. 30. 623 Vgl. World Bank (2008). 624 Vgl. die Aussagen in Experteninterviews dieser Arbeit: Experte 6 (2008), S. 11f und Experte 3 (2008), S. 13. In weiteren Beiträgen stimmen andere Banker dem zu. Vgl. Arndt (2007), S. 20, v. Haller (2007), S. 53. 621
105 her werden im Folgenden ausschließlich High Yield Bonds auf ihr Potenzial als Finanzierungsinstrument für Familienunternehmen untersucht. Diese Festlegung auf High Yield oder Investment Grade Bonds ist insofern wichtig, als die dichotomen Anlageklassen sich grundsätzlich bei Sicherheiten, Garantien, Covenants, Anforderungen an den Emittenten und nicht zuletzt der Rendite in den Anleihebedingungen differenzieren. Dadurch unterscheiden sich auch die Investoren grundsätzlich – viele Kapitalgeber sind ausschließlich in einem der beiden Marktsegmente tätig.625
3.4. Zwischenfazit
Deutsche Familienunternehmen mit ihrer typischen industriekapitalistischen Prägung finanzieren sich traditionell über Innenfinanzierung, Bankkredite und Leasing. Die subjektive Zufriedenheit der Unternehmen mit dieser Finanzierungsstruktur ist allerdings begrenzt. Dies geht auf wachsende Herausforderungen zurück, die mit dem bestehenden Finanzierungsinstrumentarium einhergehen und nicht zukunftssicher zu meistern sind. Zu diesen Herausforderungen gehören immanente Einschränkungen der genutzten Finanzierungsformen, eine sich abzeichnende Verteuerung von Bankkrediten sowie die eingeschränkte Flexibilität der bestehenden Finanzierung. Aber auch die Auswirkungen der internationalen Wirtschaftskrise in Folge der Subprimekrise werden in der restriktiveren Kreditvergabepraxis der Banken und Konditionengestaltung zunehmend spürbar. Folglich ist eine Diversifizierung der Instrumente zu Kapitalbeschaffung anzustreben. Dazu wurden verschiedene – in Theorie und Praxis diskutierte – Finanzierungsformen in ihren zentralen Charakteristika dargestellt. High Yield Bonds als zusätzliche Fremdkapitalquelle kommen in der aktuellen Diskussion um alternative Finanzierungsinstrumente jedoch nicht bzw. kaum vor, sind aufgrund ihres Potenzials und ihrer internationalen Bedeutung jedoch untersuchungswürdig. Daher wird dieses Instrument im nächsten Kapitel detailliert analysiert.
625
Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 273ff.
106
4. High Yield Bonds zur Ergänzung der bestehenden Kapitalstruktur
4.1. Finanzierungsinstrument High Yield Bond
Wie in Abschnitt 3.3.4.4 dargestellt, handelt es sich bei High Yield Bonds um eine Unterform der Unternehmensanleihe oder Teilschuldverschreibung. Als dichotomes Gegenstück zum Investment Grade Bond richten sich High Yield oder Subinvestment Grade Bonds an Unternehmen mit einem externen Rating von BB+ bzw. Ba1 und schlechter. Diese niedrigere Kreditwürdigkeit und das im Vergleich zu erstklassigen Anleiheemittenten einhergehend höhere Kreditrisiko der Kapitalgeber wird über höhere Renditen kompensiert – daher auch die Bezeichnung High Yield. Die folgenden Abschnitte dienen der detaillierten Darstellung dieses Finanzierungsinstruments, seines Markts, seiner Voraussetzungen und seiner typischen Gestaltung.
4.1.1. Markt und Marktteilnehmer
4.1.1.1. Entstehung des High Yield Markts in den USA Mit Beginn des Ratingsystems 1909 entstand der Markt für Subinvestment Grade Bonds. Einen ersten Höhepunkt erreichte er während der Weltwirtschaftskrise von 1932 bis 1935: 20% des damaligen Emissionsvolumens bei Anleihen entfiel auf Subinvestment Grade Bonds.626 Mit Ende der Rezession gingen High Yield Emissionen allerdings stark zurück, weil Investoren den riskanten Anleihen den Rücken kehrten. Dieser als Flight to Quality bekannte Trend dauerte bis in die 70er-Jahre an, unter dessen Einfluss fast ausschließlich Fallen Angels den High Yield Markt bevölkerten, deren Anleiheratings von ursprünglich Investment Grade auf Subinvestment Grade herabgestuft worden waren.627 Die anschließende Entwicklung des heutigen, modernen Markts für High Yield Anleihen ist in zweifacher Hinsicht untrennbar mit dem Namen Michael R. Milken verbunden: Einerseits, weil er die Nutzung dieses Finanzierungsinstruments in bis dahin ungeahntem Umfang etablierte und andererseits, weil er am anschließenden Niedergang des High Yield Marktes mitverantwortlich war, der fast dessen Erlöschen zur Folge gehabt hätte. 626
Darunter waren auch Anleihen einiger der heute bedeutendsten US-Unternehmen wie Goodyear oder IBM, die damals noch Computing-Tabulating-Recording hieß. Vgl. Madden/Balestrino (1990), S. 29. Zur Entwicklung von High Yield Bondmärkten insbesondere in den USA, aber auch in Europa, Asien und Südamerika sowie zugrunde liegender politischer und wirtschaftlicher Treiber dieser Entwicklung vgl. Yago/Trimbath (2003). 627 Vgl. Madden/Balestrino (1990), S. 31.
107 Milken baute auf früheren Analysen von Hickman und Atkinson auf und untersuchte das Verhältnis von Rendite zu Risiko bei Hochzinsanleihen.628 Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die Rendite eines diversifizierten Portfolios mit High Yield Anleihen das damit verbundene Risiko überkompensiert. Mit der Investmentbank Drexel Burnham Lambert überzeugte er seinen Arbeitgeber von diesem Gewinnpotenzial, die deshalb 1977 die erste „neue“ High Yield Emission platzierte und einen bis dahin nicht existierenden liquiden Sekundärmarkt für diesen Anleihetyp schuf.629 In der Folge wurde Drexel Burnham Lambert mit Milken zum unumstrittenen Marktführer unter den Emissionshäusern von High Yield Bonds: 1984 verfügten sie über einen Marktanteil von 69%, während der Markt über ein Volumen von über 120 Mrd. US-Dollar verfügte, was 20% des gesamten Markts für Corporate Bonds entsprach.630 Im Rekordjahr 1986 wuchs der High Yield Gesamtmarkt auf beinahe 200 Mrd. USDollar und über 1.500 Emittenten.631 High Yield Anleihen spielten dabei zunehmend eine wichtige Rolle für die Finanzierung von weitgehend fremdfinanzierten Unternehmensübernahmen. Der Anteil hierzu eingesetzter High Yield Bonds wuchs überproportional und betrug in den Jahren 1987 bis 1989 fast 50% aller Emissionen.632 Die 31 Mrd. US-Dollar schwere Übernahme von RJR Nabisco durch die auf Buyouts spezialisierte Firma Kohlberg Kravis Roberts gemeinsam mit Drexel Burnham Lambert bildete 1988 den Höhepunkt dieser Übernahmewelle.633 Gleichzeitig mit dem Erstarken des Markts für feindliche LBI Übernahmen wuchs auch die Kritik an High Yield Bonds. Die Kritik ging insbesondere auf die Verwendung dieser Finanzierungsform durch Corporate Raiders zurück, die deutlich größere Konzerne kauften, zerschlugen und die einzelnen Unternehmensteile anschließend mit Gewinn weiter veräußerten. Der politische Widerspruch gegen solche Übernahmen führte zur Umsetzung regulatorischer Eindämmungen des High Yield Markts.634 Verstärkt wurde der Niedergang von High Yield Bonds aufgrund misslungener LBO Finanzierungen von Übernahmen in ungeeigneten, weil zyklischen Branchen.635 Endgültig kollabierte der Markt zu Beginn der 90er-Jahre. Einerseits lag das am Untergang des Erfinders und Königs von High Yield Bonds Michael Milken. Er wurde wegen Insiderhandel und Aktienkursmanipulationen verurteilt und in Haft genommen, 628
Hickman und Atkinson hatten Industrieobligationen in den Zeiträumen von 1900 bis 1943 bzw. 1944 bis 1965 empirisch untersucht und dabei festgestellt, dass ein ausreichend diversifiziertes High Yield Portfolio eine bessere Wertentwicklung als ein vergleichbares Investment Grade Portfolio aufweisen. Vgl. Bruck (1988), S. 28. 629 Vgl. Blume/Keim (1987), S. 26f. 630 Vgl. Altman (1987). 631 Vgl. Bencivenga (1990), S. 6f. 632 Vgl. Paulus/Waite (1990), S. 4f. 633 Vgl. Weitnauer (2003), S. 13f. 634 Vgl. Heitmann (2007), S. 47. 635 Vgl. Brealey et al. (2008), S. 686f und S. 966, Brealey et al. (2006), S. 657.
108 was in der Folge auch zum Kollaps von Drexel Burnham Lampert beitrug.636 Andererseits schlitterten die USA mit dem Zusammenbruch der Spar- und Darlehenskassenindustrie gleichzeitig in die Rezession.637 Der US-amerikanische High Yield Markt erholte sich im Vergleich zu seinem Rückgang nach der Weltwirtschaftskrise aber verhältnismäßig schnell wieder. Er bildet inzwischen einen liquiden und stabilen Markt, dessen Volumen über dem Niveau der 80er-Jahre liegt. Zusätzlich existiert inzwischen auch in Europa ein funktionierender Markt für High Yield Anleihen, wie der nächste Abschnitt zeigt.
4.1.1.2. Markt für High Yield Bonds deutscher Unternehmen Obwohl Deutschland über den größten Anleihemarkt Europas verfügt, war dieser im Bereich der Unternehmensanleihen lange Zeit unterentwickelt. Dies geht darauf zurück, dass deutsche Unternehmensfinanzierung, wie das kontinentaleuropäische Finanzsystem insgesamt, traditionell auf einer Banken- und nicht Kapitalmarktfinanzierung fußt.638 In Konsequenz wurde der deutsche Anleihenmarkt im Wesentlichen durch Banken zur Refinanzierung sowie durch die Bundesrepublik zur Ausgabe von Staatsanleihen genutzt.639 Spätestens seit Einführung des Euro und der einhergehenden Integration und rechtlichen Harmonisierung der europäischen Kapitalmärkte hat sich diese Situation jedoch verändert. Deutsche Unternehmen können damit Finanzmittel über Anleihen nicht mehr nur national sondern auf einem europäischen Kapitalmarkt in der eigenen Währung beschaffen.640 Deutsche Unternehmen nutzten den sprunghaft gewachsenen Markt: Das im Euro-Gebiet umlaufende Volumen an Corporate Bonds deutscher Emittenten hatte sich bereits 5 Jahre nach Umsetzung der Währungsunion versechsfacht.641 Dieser Effekt ist im gesamten Euroraum zu beobachten.642
636
Vgl. Baker/Smith (1998), S. 142. Vgl. Heitmann (2007), S. 48. Vgl. Abschnitt 3.2.2.1. In Großbritannien bspw. ist die Marktorientierung des Finanzsystems schon immer ausgeprägter als in Kontinentaleuropa, weshalb der dortige Anleihemarkt auch sehr weit entwickelt ist. Vgl. Skinner (2004), S. 452. 639 Vgl. Wagner (2004), S. 245. 640 Es existieren zwar auch weiterhin Inlands- und Auslandsanleihen, Euro- bzw. Globalanleihen sind inzwischen aber die dominierenden Obligationsformen. Zur Unterscheidung vgl. Abschnitt 3.3.4.4. 641 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2004b), S. 16 642 Das Umlaufvolumen italienischer Emittenten bspw. wuchs im selben Zeitraum um das elffache, bei Anleihen französischer Nicht-Finanzunternehmen betrug das Wachstum „nur“ 144%. Dass dieses europäische Wachstum überproportional ist, zeigt das Wachstum US-amerikanischer Anleihen, das im selben Zeitraum lediglich 22% betrug. Dass das US-Gesamtumlaufvolumen auf deutlich höherem Niveau liegt, ist davon unbenommen. Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2004b), S. 16. 637 638
109 Gleichzeitig ging eine Bonitätsverbreiterung der Emissionen einher: Vor 1999 waren Anleiheemissionen in Europa im Wesentlichen Unternehmen mit Ratings von AAA oder AA vorbehalten, die zwei Drittel des Marktvolumens ausmachten. Seit 2004 stellen sie nur noch unter 20% des Gesamtmarkts. 80% des Marktvolumens bilden Bonds mit A, BBB, BB und B Ratings. Das Marktwachstum seit 1999 resultierte folglich sehr stark aus der Platzierung jener Bonds mit Rating unterhalb AA .643 Europäische Unternehmen dieser Ratings waren vor 1999 mit einem sehr kleinen und dadurch tendenziell unattraktiven europäischen Markt für ihre Anleihen konfrontiert, was sie zur Nicht-Nutzung von Bonds oder einer Platzierung auf dem US-Kapitalmarkt zwang.644 Auch die Verbreitung von Hochzinsanleihen in Europa begann erst Ende der 90er-Jahre. 1995 platzierten TeleWest und Independent Newspaper die ersten High Yield Anleihen in Großbritannien.645 1997 emittierte mit der Schweizer Gruppe Geberit das erste kontinentaleuropäische Unternehmen einen High Yield Bond in europäischer Währung.646 1.800.000 1.600.000
1.579.054
4.000
1.630.796
1.400.000
3.000 Anzahl .
Mio. EUR
1.200.000 1.000.000 800.000 600.000
3.677
3.500
2.500 2.000
1.722 1.432
1.500
435.659
1.000
400.000 87.800
200.000 0
500
189
0 USA
Euro-Raum
USA
Euro-Raum
Investment Grade High Yield
Abb. 17: Corporate Bonds USA und Euroraum – Volumen und Anzahl (Juni 2008)647
643
Vgl. European Central Bank (Hrsg.) (2007b), S. 53. Vgl. Yago/Trimbath (2003), S. 82. Vgl. Yago/Trimbath (2003), S. 84. 646 Vgl. Hagger (1998). 647 Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung. Es handelt sich um Unternehmensanleihen aus dem Euro-Raum bzw. den USA, die auf Euro bzw. US-Dollar lauten und ein Mindestvolumen von 250 Mio. EUR bzw. USD bei Investment Grade Bonds sowie 100 Mio. EUR bzw. USD bei High Yield Bonds aufweisen. Stand der Daten ist der 13.06.2008: Merrill Lynch (Hrsg.) (2008a), Merrill Lynch (Hrsg.) (2008b), Merrill Lynch (Hrsg.) (2008c) sowie Merrill Lynch (Hrsg.) (2008d). Für die Umrechnung der Volumina von USD auf EUR wurde der Wechselkurs vom 13.06.2008 mit USD:EUR von 1:0,64670 herangezogen. Die Verwendung dieses Stichtagskurses in Verbindung mit der seit mehreren Jahren zunehmenden Schwäche des US-Dollars gegenüber dem Euro führt dazu, dass die 2,44 Bill. US-Dollar an Investment Grade Anleihen bei der Umrechnung in Euro geringer ausgewiesen werden, als dies bei Berücksichtigung individueller Euro-Werte zum Emissionstag der Fall wäre. 644 645
110 Seitdem hat sich der Markt konstant entwickelt. Obwohl High Yield Bonds den Investment Grade Anleihen einerseits und dem amerikanischen Markt andererseits weiterhin nachstehen, ist die Existenz eines eigenständigen High Yield Markts im Euro-Raum inzwischen unbestreitbar (vgl. Abb. 17).648 Seit Entstehung des Marktes wurden weit über 100 Emissionen in Europa durchgeführt649 und 2007 wurde ein neuer Rekord mit ca. 27 Mrd. Euro Platzierungsvolumen von High Yield Bonds in europäischen Währungen aufgestellt (vgl. Abb. 18). Somit sind High Yield Anleihen eine relevante Finanzierungsquelle europäischer Unternehmen und eine attraktive Anlage-
Mrd. Euro
klasse in Europa geworden.650 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
1,2
0,1 1,7 6,7 16,4
2003
0,5 1,6 9,5
20,5
2004 EUR
1,2
3,4
12,7
12,8
23,2
23,5
2006 Other
2007
0,4 3,3 10,5
17,0
2005 USD GBP
Abb. 18: High Yield Emissionen europäischer Emittenten nach Emissionswährung651
Zu beachten ist allerdings die Abhängigkeit des Markts für High Yield Bonds vom Konjunkturzyklus und externen Effekten.652 So führte z.B. das Platzen der New Economy Blase im Jahr 2000 sowie die nach den Ereignissen vom 11. September 2001 einsetzende Risikoaversion zu einem deutlichen Rückgang europäischer High Yield Emissionen. Der Markt wurde in dieser Zeit im Wesentlichen durch bestehende Anleihen und Fallen Angels geprägt.653 Die in den Interviews befragten Bondmarktexperten betonten daher auch den Einfluss makroökonomischer Entwicklungen auf die Aufnahmefähigkeit des High Yield Markts. Ein exogener Schock wie die Subprimekrise führt zu einem schnellen „Austrocknen“ des Markts. So ist
648
In Anbetracht der globalen Finanzmarktkrise, die 2008 in den USA ihren Ursprung nahm und u.a. auf Mängel im Risikoamanagement zurückgeht, kann das immer noch ungleiche Emissionsverhältnis zwischen den USA und Europa vielleicht aber nicht als rückständig sondern eventuell als rational risikoaverses Abwarteverhalten europäischer Unternehmen gedeudet werden. Erst mit ausreichend Erfahrungen zu diesem Finanzierungsinstrument in den USA, „schwappt“ die Nutzung von High Yield Bonds seit Ende der 90er-Jahre mit Verzögerung nach Europa. 649 Vgl. Arnold (2005), S. 415. 650 Vgl. Uhlmann (2005), S. 110 sowie Cünnen (2006). 651 Quelle: Bloomberg. Eigene Darstellung in Anlehnung an European High Yield Association (Hrsg.) (2008), S. 7. 652 Vgl. Schneider (2000), S. 473. 653 Vgl. LBBW (Hrsg.) (2003b), S. 8f.
111 der europäische High Yield Markt nach den sehr starken Jahren 2002 bis 2007 auch durch die Finanzkrise wieder sehr eingeschränkt nutzbar. 2008 gab es keine neue Emission, wie die befragten Experten bestätigen.654 Die erste High Yield Bond Emission nach Ausbruch der Finanzkrise führte Fresenius im Januar 2009 durch, wobei die Nachfrage sogar beim zehnfachen des Emissionsvolumens lag.655 Das zeigt, dass High Yield Bonds als Finanzierungsinstrument zwar kurzfristig von Einflüssen wie der Finanzkrise beeinträchtigt werden, langfristig aber weiterhin eine relevante Finanzierungsalternative darstellen werden. Faktoren, die eine weiterhin starke Marktentwicklung erwarten lassen, sind die in Abschnitt 3.2.2 beschriebenen Veränderungsprozesse, die ebenso in den geführten Experteninterviews bestätigt wurden: Verschärfte Eigenkapitalunterlegungsregeln nach Basel II, für die in Folge der Subprime-Krise eine weitere Verstärkung zu erwarten ist sowie der steigende Konsolidierungsdruck in der europäischen Bankenbranche. Beides führt zu einem schrumpfenden Kreditangebot und macht Kreditnehmer mit größeren Risiken für Banken unattraktiver, was den Anleihemarkt als Kapitalquelle attraktiver werden lässt.656 Die zunehmende Finanzmarktorientierung der Banken und Renditeorientierung der Anleger sorgt für weiteres Kapitalangebot zur Investition in Anleihen. Verstärkt wird dies auch durch die sich durchsetzende Erkenntnis zur Notwendigkeit einer individuellen Altersvorsorge zusätzlich zur staatlichen Rente.657 Für weiteres Wachstum spricht auch, dass Banken an den lukrativen Emissionen und institutionelle Investoren an größerer Portfoliodiversifikation interessiert sind.658 Einer noch größeren Akzeptanz des High Yield Markts durch deutsche Unternehmen steht teilweise allerdings die häufig emotional geführte Debatte um die Qualität dieser Anleihen entgegen. Auch heute noch wird der unschmeichelhafte Begriff Junk Bonds in der Berichterstattung sowie teilweise in Lehrbüchern verwendet.659 Alleine die Vielzahl an Unternehmen mit teilweise klingenden Namen660, die sich für eine Finanzierung über High Yield Bonds entschieden haben, legt jedoch nahe, dass die Bezeichnung Ramsch- bzw. Schrott-Anleihe inzwischen unangebracht ist, sollte sie jemals adäquat gewesen sein.661
654
Vgl. dazu die Aussagen in Experteninterviews dieser Arbeit: Experte 2 (2008) S. 5, Experte 3 (2008), S. 12, Experte 6 (2008), S. 9 sowie LBBW (Hrsg.) (2008), S. 16, Osman (2008). Auf bereits am High Yield Markt finanzierte Unternehmen hat dies prinzipiell keine Auswirkungen. Eventuell wird der Kurs des Bond etwas nachgeben. 655 Vgl. Cünnen (2009). 656 Vgl. Experte 3 (2008), S. 6f, Experte 2 (2008) S. 4f und S. 17f. 657 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (2004b), S. 24ff sowie Menz (2007), S. 64ff. 658 Vgl. European Central Bank (Hrsg.) (2007b), S. 54, Schneider (2000), S. 470. 659 Vgl. exemplarisch Zantow (2007), S. 250ff und Cünnen (2008b). 660 Bekannte Emittenten sind bspw. Cognis, Escada, Fresenius, Gerresheimer, Grohe, Hecker&Koch, HeidelbergCement, Hornbach, Kabel Deutschland, Kamps, Messer Griesheim, Pfleiderer und Peri. 661 Klein/Coffee bezeichnen die Bezeichnung Junk Bond gleichgerichtet als „misleading“. Vgl. Klein/Coffee (2007), S. 254.
112 4.1.1.3. Emittenten und Investoren Wie bereits beschrieben, emittierte 1997 mit der schweizerischer Gruppe Geberit das erste kontinentaleuropäische Unternehmen einen High Yield Bond in europäischer Währung.662 1998 folgten mit Sirona Dental Systems, Seehafen Rostock und Deutsche Nickel die ersten deutschen Emittenten. Später folgten weitere deutsche Unternehmen mit High Yield Bonds, darunter das börsennotierte Familienunternehmen Hornbach und das nicht börsennotierte Familienunternehmen Peri.663 Europaweit ist dabei eine breite Branchendifferenzierung der Emittenten festzustellen. Gemein sind ihnen jedoch eine gewisse Größe, die Kapitalintensität ihres Geschäftsmodells und das typischerweise starke Wachstum.664 Außerdem weisen die Unternehmen Übereinstimmungen in der Kapitalstruktur auf: I.d.R. sind sie verhältnismäßig hoch verschuldet.665 Neben den Unternehmen, die bewusst den Weg einer Finanzierung über High Yield Anleihen wählen, existiert eine zweite Gruppe, die sich nicht aktiv für eine High Yield Finanzierung entschieden haben: Fallen Angels, die zum Emissionszeitpunkt über ein Investment Grade Rating verfügten, deren finanzielle Situation aufgrund schlechterer Absatzlage, unternehmerischer Fehlentscheidungen, struktureller Branchenprobleme oder anderer Gründe sich so weit verschlechtert hat, dass die Ratingagenturen einen Downgrade in den Subinvestment Bereich vorgenommen haben. In den letzten Jahren gab es jährlich zwischen 2 und 16 Herabstufungen in den High Yield Bereich, andererseits auch bis zu 7 Heraufstufungen in den Investment Grade Bereich (vgl. Abb. 19), was die grundsätzliche Durchlässigkeit von Anleihemarkt und Ratingsystem in beide Richtungen verdeutlicht. Im Jahr 2008 traf es in Deutschland beispielsweise HeidelbergCement, die von BBB- auf BB herabgestuft wurden.666 Investoren auf dem Markt für High Yield Anleihen sind vornehmlich Fonds, Pensionskassen, Banken, Beteiligungsgesellschaften und Versicherungen. Bei den Fonds dominieren spezialisierte High Yield Fonds, die sich an Fondskäufer richten, die nach Alternativen zu eher ren-
662
Geberit platzierte damals eine Anleihe mit einem B2/B+ Rating über 157,5 Mio. DM mit einer Laufzeit von 10 Jahren und einem Kupon von 10,125%, der einem Spread von 420 Basispunkten entsprach. Vgl. Hagger (1998). Zum Konzept des Spread vgl. Abschnitt 4.1.4.2. 663 Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 781 sowie Heitmann (2007), S. 49. 664 Vgl. Arnold (2005), S. 416 665 Vgl. Heitmann (2007), S. 57. 666 Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2008b). Bereits vorher wurde HeidelbergCement auf der sogenannten Creditwatch-Liste mit „negative implications“ geführt. Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2008c). In 2009 sank das Rating sogar noch tiefer auf B+. Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2009).
113 diteschwachen Staatsanleihen suchen.667 Insgesamt hat sich die Investorenbasis gegenüber
Anzahl Ratingveränderungen
den Anfängen des Markts Ende der 90er-Jahre deutlich verbreitert.668 20 15 Fallen Angels Rising Stars
10 5 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Abb. 19: Entwicklung europäischer Fallen Angels und Rising Stars669
4.1.2. Verwendung der Mittel Grundsätzlich lassen sich Mittel aus High Yield Bonds für vielfältige Unternehmenszwecke einsetzen. Traditionell dominieren aber weltweit drei Verwendungszwecke: Refinanzierung, Investitionsfinanzierung mit dem Ziel organischen Unternehmenswachstums und LBO Finanzierung. Dabei dominiert die Verwendung zur Refinanzierung die beiden anderen Anwendungen: Weltweit flossen mit Ausnahme weniger Jahre zwischen 1990 und 2007 jährlich zwischen 40% und 90% der über High Yield Anleihen aufgenommenen Mittel in die Refinanzierung bestehender Verbindlichkeiten des Unternehmens.670 100% 80%
9%
3% 14%
8% 6%
32%
17% 8%
60%
35% 14%
83%
40%
86%
59%
20% 41% 31% 14%
75%
20%
51%
45%
49%
2005
2006
2007
0% 2001
2002
2003
2004
Mittelausstattung und Refinanzierung
Organisches Wachstum
M&A, LBO
Abb. 20: Mittelverwendung bei europäischen High Yield Bonds671
667
Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 781 sowie Hoffmann/Baron (2005), S. 317. Vgl. Heitmann (2007), S. 59. 669 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Standard & Poor's (Hrsg.) (2008c). 670 Vgl. Fitch Ratings (Hrsg.) (2008), S. 25. 671 Quelle: Merrill Lynch. Eigene Darstellung in Anlehnung an European High Yield Association (Hrsg.) (2008), S. 6. 668
114 In Europa wurde mit Ausnahme von 2006 jedes Jahr mindestens die Hälfte der Emissionserlöse zur Refinanzierung bzw. Ausstattung mit zusätzlichen Finanzmitteln verwendet (vgl. Abb. 20). Die Fälligkeit bereits begebener Anleihen oder die Notwendigkeit zur Tilgung eines Bankkredits bilden dabei häufige Ausgangssituationen. Die Refinanzierung eines Bankkredits ist aber nicht zwangsläufig eine Notlösung, weil die Bank z.B. aufgrund gestiegener Bonitätsanforderungen keinen weiteren Kredit mehr geben will. High Yield Anleihen bilden vielmehr wegen längerer Laufzeiten und operativ größerer Flexibilität für das Unternehmen auch bei eventuell höheren Kapitalkosten eine attraktive Kapitalquelle zur gezielten Ablösung vorrangiger Bankkredite.672 Ergänzt wird diese Grundfinanzierung dann häufig um eine flexibel nutzbare Kreditlinie zur Sicherung zusätzlicher Liquidität, falls diese notwendig wird.673 Der zweite Anwendungsfall eines High Yield Bond ist die Finanzierung organischen Wachstums. Die Relevanz dieser Verwendung geht auf die bei der Wachstumsfinanzierung
notwendige Flexibilität zurück, die durch die Ausgestaltung von High Yield Bonds erreichbar ist. Einerseits liegt ihnen eine Bullet Struktur zu Grunde, die eine minimale Cashflow-Belastung während der Laufzeit und damit maximale Einsatzmöglichkeit der Mittel bewirkt.674 Andererseits können die Anleihebedingungen so ausgestaltet werden, dass sie die operative und finanzielle Flexibilität, die für eine Wachstumsstrategie unabdingbar ist, nur minimal einschränkt. Dabei spielen insbesondere die Bond Covenants eine große Rolle, wie in Abschnitt 4.1.4 erörtert wird. Die dritte Nutzung von High Yield Mitteln betrifft die Finanzierung von Unternehmensakquisitionen. Hierzu zählen insbesondere LBO Transaktionen, bei denen die akquirierende
Partei entweder nicht über die notwendigen eigenen Finanzmittel verfügt, um den Kaufpreis aufzubringen, oder bewusst Leverage aufnimmt.675 Beim Einsatz von High Yield Bonds zur Akquisitionsfinanzierung muss die relativ hohe Verzinsung allerdings durch eine hohe Rendite bzw. kurzfristig realisierbare Synergieeffekte der Übernahme gerechtfertigt sein.676 Die häufige Verwendung des Kapitals aus High Yield Bondemissionen zur Finanzierung sowohl organischen als auch anorganischen Wachstums bestätigt die frühere Feststellung, dass es sich bei High Yield Emittenten meistens um sehr dynamisch wachsende Unternehmen mit kapitalintensiven Geschäftsmodellen handelt. Yago/Trimbath weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Unternehmen, die eine Hochzinsanleihe emittieren, regelmäßig die
672
Zu üblichen Laufzeiten und operativer Flexibilität bei High Yield Bonds vgl. Abschnitt 4.1.4. Vgl. dazu die Interviewaussagen von Experte 6 (2008), S. 10, die in Abschnitt 4.2 dargestellte Umsetzung dieser Vorgehensweise durch die Peri Gruppe sowie Heitmann (2007), S. 52f. 674 Vgl. Weinberger (2006), S. 98, Hochgatterer et al. (2004), S. 171. 675 Zur Verwendung von High Yield Bonds zur Finanzierung eines LBO vgl. Weinberger (2006), S. 93ff. 676 Vgl. dazu die Aussagen im Interview: Experte 6 (2008), S. 9. 673
115 Branchendurchschnitte bzgl. Produktivität, Mitarbeiterwachstum und Investitionen übertreffen.677 Da diese Unternehmen aber häufig noch zu jung oder klein sind, haben sie noch nicht die Ertragsstabilität, um ein Investment Grade Rating zu erzielen. Folglich diversifizieren sie ihre Passivseite mit High Yield Anleihen und ermöglichen damit das Wachstum, das mit nur einer Kapitalquelle wie einem Bankkredit nicht möglich wäre.678 High Yield Bonds unterstützen folglich einen Transfer freier Mittel aus stark Cashflow freisetzenden, aber stagnierenden Branchen hin zu schnell wachsenden Branchen, die Mittel zur Finanzierung ihrer Expansion benötigen.679 Eine Anwendung für High Yield Bonds, die sowohl zur Refinanzierung als auch zur Wachstums- bzw. Risikofinanzierung zählt, ist die Bereitstellung von Kapital zur Unternehmensrestrukturierung. Da die Unternehmensbonität in solchen Fällen meist nicht mehr für eine Investment Grade Anleihe ausreicht, wird zur Finanzierung eine Hochzinsanleihe begeben. Bezogen auf Familienunternehmen besitzen High Yield Bonds neben den dargestellten Anwendungen zusätzliches Potenzial zur Finanzierung von Nachfolgeregelungen oder Unternehmensübertragungen.680 Zum Kauf von Unternehmensanteilen nicht an der Gesellschafterrolle interessierter Familienmitglieder oder zur Finanzierung anfallender Erbschaftssteuer bei einer Unternehmensübertragung im Todesfall kann kurzfristig relativ großer Kapitalbedarf entstehen. In diesem Fall ist ein High Yield Bond eine attraktive Alternative, um zusätzliche Finanzmittel außerhalb bestehender Finanzierungsbeziehungen zu erschließen, wie die befragten Experten im Interview betonen.681
4.1.3. Rating als Emissionsvoraussetzung
4.1.3.1. Notwendigkeit eines Ratings Mit der durch die Euroeinführung induzierten Internationalisierung des europäischen Anleihemarkts steigt die Zahl potenzieller Investitionsobjekte für Investoren. Parallel steigt das Bedürfnis nach Informationen zur finanziellen Situation dieser Emittenten. Daher verlassen sich Investoren auch in Europa inzwischen deutlich stärker als vor der Währungsunion auf das Urteil der Ratingagenturen.682 Eine zusätzliche Steigerung der Relevanz von Ratings bedingen
677
Vgl. Yago/Trimbath (2003), S. 137ff. Vgl. Heitmann (2007), S. 56. 679 Vgl. de Bondt/Marqués (2004), S. 7. 680 Vgl. hierzu auch Achleitner/Müller-Trimbusch (1999), S. 197. 681 Vgl. Experte 6 (2008), S. 9f, Experte 1 (2008), S. 3. 682 Vgl. Vernimmen et al. (2005), S. 507 sowie Everling (1991), S. 65ff. 678
116 die bereits beschriebenen Trends zur Disintermediation und Verbriefung. Das seit Jahren steigende Volumen verbriefter Forderungen impliziert eine steigende Anzahl möglicher Anlageobjekte für Investoren, während der Rückzug der Banken aus Transformationsaufgaben dazu führt, dass Anleger sich verstärkt selbst um Bonitätseinschätzungen möglicher Anlageobjekte bemühen müssen.683 Weiterhin verfolgen die beiden großen Ratingagenturen eine Unternehmenspolitik, nach der sie eine möglichst vollständige Beurteilung des Anleihemarkts anstreben. Für die USA bspw. hat S&P sich die Selbstverpflichtung auferlegt, für alle Emissionen mit einem Volumen über 100 Mio. US-Dollar ein Rating zu erstellen.684 In den nächsten Jahren ist mit einer Stärkung dieser Selbstverpflichtungen auch für den europäischen Markt zu rechnen, da die Bedeutung von Ratings für europäische Emissionen kontinuierlich zunimmt.685 Die Nachfrage nach Ratings seitens der emittierenden Unternehmen wächst durch die beschriebene, nach Basel II bestehende Notwendigkeit zur Risikobeurteilungen bei Kreditvergabe.686 Zwar muss diese Risikobeurteilung nicht von einer Ratingagentur stammen, ein externes Rating wird aber zusätzliches Vertrauen zwischen Bank und kreditnehmendem Unternehmen schaffen und kann positive Effekte auf die Konditionen haben.687 Eine aktuelle Studie von Achleitner et al. zeigt, dass bereits 30% der befragten Familienunternehmen über ein externes Rating verfügten.688 Als Beleg für diese theoretischen und praktischen Beweggründe bestätigen die geführten Experteninterviews die Existenz eines Marktstandards für europäische High Yield Bonds, der zwei unabhängige Ratings einer Emission vorsieht. Dabei sollte es sich um Ratings der beiden marktführenden Agenturen, d.h. S&P und Moody’s handeln. Zwar ist eine High Yield Anleihe theoretisch auch ohne Rating platzierbar, praktisch werden die typischen High Yield Investoren aber von einem Kauf des Papiers absehen, wenn die externen Bonitätseinschätzungen fehlen.689 Oftmals ist das sogar in den Bestimmungen der betreffenden High Yield
683
Vgl. Everling (1991), S. 67ff. Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 16. Die Ratingagenturen sprechen hierbei von Emissionsrating im Gegensatz zum Emittentenrating, wobei in die Bewertung des Ersteren u.a. spezifische Sicherheiten und Garantien, die Rangordnung der Gläubiger des jeweiligen Wertpapiers und andere Spezifika des zu bewertenden Schuldtitels einfließen. Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 10f. Auf eine Differenzierung zwischen Emittenten- und Emissionsrating wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet, da die Unterschiede geringfügig und für grundsätzliche Überlegungen zur Eignung von Anleihenfinanzierung für Familienunternehmen untergeordnet sind. 685 Zur zunehmenden Bedeutung vgl. beispielhaft Vetter (2004), S. 1701. 686 Vgl. Vernimmen et al. (2005), S. 504. 687 Vgl. Cluse/Göttgens (2007), S. 91 sowie Menz (2007), S. 74. 688 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 31. 689 Eine Ausnahme bildete eine Anleihe-Emission von TUI, die ohne Rating emittiert wurde, bei der durch die Börsennotierung und die einem Dax-Unternehmen entsprechenden Investor Relations jedoch bereits sehr viel Informationen zum Unternehmen im Markt verfügbar waren. Trotzdem wurde auch hier als vertragliche Neben684
117 Fonds vorgeschrieben.690 Wie bei fast allen einschlägigen Marktstandards, verdeutlicht auch dieser die US-amerikanische Entwicklungshistorie des High Yield Marktes. Für die Teilnahme an den dortigen Kapitalmärkten sind Ratings unabdingbare Voraussetzung.691
4.1.3.2. Erlangung eines Ratings Wie ein Ratingprozess üblicherweise abläuft und wo die Schnittstellen zwischen Ratingagentur und Unternehmen liegen, verdeutlicht Abb. 21. Ratingagentur
Emittent
1. Initiierung
Initiative aufgrund Neuemission
Informelles Vorgespräch
2. Vorbereitung Managementgespräch
Interne Vergabe (Analysten, Komitee)
Offizielle Mandaterteilung
Standardisierte Informationsbeschaffung
Hintergrundinformationen
Datenanalyse: Makroökonomisch, Branche, finanz- und emissionsspezifisch
Fragenkatalog
3. Managementgespräch 4. Urteilsbildung Ratingkomitee 5. Benachrichtigung Emittent 6. Publikation des Ratings
Ratinghauptgespräch (Managementgespräch) Nein
Bonitätsanalyse (ca. 6 Wochen) Entscheidung über Rating Aufnahme in agentureigene Ratinglisten und Veröffentlichung des Ratings
Annahme? Ja
Fortlaufende Emissionsbeobachtung und Rating-Reviews
Abb. 21: Ratingprozess (schematisch)692
Die Initiative zur Erstellung eines Ratings geht in der Regel vom Unternehmen aus, das eine Emission plant.693 Daraufhin werden in einem informellen Gespräch die Grundlagen von Ra-
bedingung zur Emission festgeschrieben, nachträglich ein Rating einzuholen. Vgl. Experte 2 (2008), S. 8. Eine andere Ausnahme stellt der High Yield Bond von Pfleiderer dar, der zwar zweifach bewertet wurde, allerdings durch Fitch statt durch S&P. 690 Vgl. dazu Experte 3 (2008), S. 10. 691 Vgl. Heitmann (2007), S. 34. 692 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die textlichen Prozessbeschreibungen bei Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 16ff, Everling (1991), S. 111ff, van Aubel (2000), S. 19f, Fitch Ratings (Hrsg.) (2006) sowie den graphischen Prozessdarstellungen bei Jäckle/Ackermann (2007), S. 396 und Serfling (2007), S. 721. 693 Die vom Emittenten ausgehende Initiative ist eine Besonderheit: Ein Rating stellt grundsätzlich eine Form der Finanzanalyse dar, d.h. eine Untersuchung von Unternehmensinformationen durch Außenstehende mit dem Ziel einer Einschätzung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. In der vom Emittenten ausgehenden Initiative allerdings unterscheidet sich ein Rating von den meisten anderen Methoden der Finanzanalyse, da die Anregung
118 tingprozess und Zusammenarbeit zwischen Ratingagentur und Emittent festgelegt. Der nächste wichtige Schritt im Prozess ist die Vorbereitung des Managementgesprächs. Basis ist eine Analyse externer Daten, die durch die Ratingagentur beschafft werden, sowie interner Daten, die das Unternehmen zur Verfügung stellt. Bei den internen Daten handelt es sich um Hintergrundinformationen, die zur Bewertung des Unternehmens wichtig sind: Die letzten fünf Jahresabschlüsse, Erläuterungen zum Geschäftsmodell, Produktbeschreibungen, quantitative Beschreibung der Wettbewerbsposition etc.. Bei der Analyse dieser Daten aufkommende bzw. unbeantwortete Fragen werden in einem Fragenkatalog zusammengestellt und dem Unternehmen übermittelt, das daraufhin eine entsprechende Unternehmenspräsentation vorbereitet, die das zentrale Element des Ratinghaupt- bzw. Managementgesprächs wird. Entgegen der sonstigen Kommunikation mit der Ratingagentur, die i.d.R. über den Chief Financial Officer (CFO) des Unternehmens kanalisiert wird, übernimmt beim Managementgespräch der Chief Executive Officer (CEO) üblicherweise die führende Rolle auf Seite des Emittenten. Dem Managementgespräch folgen die eigentliche Meinungsbildung und Bonitätsbewertung des Ratingkomitees, das aus 5 bis 7 stimmberechtigten Mitgliedern und einem Vorsitzenden besteht, die allesamt der Ratingagentur angehören. Nachdem die Mitglieder einstimmig über ein Rating entschieden haben, wird es dem Emittenten übermittelt. Das Unternehmen hat daraufhin die zeitlich begrenzte Möglichkeit, der Veröffentlichung zu widersprechen und ggf. zusätzliche Informationen und Daten mit potenziellem Ratingeinfluss zur Verfügung zu stellen. Für diesen Fall findet ein nochmaliger partieller Durchlauf des Ratingprozesses mit Managementgespräch und Komiteeentscheidung statt. Anschließend wird das resultierende Rating durch die Ratingagentur veröffentlicht.694 Danach beginnt der kontinuierliche Überwachungsprozess der Agentur, der u.a. regelmäßige Rating Reviews beinhaltet.695 Sowohl für Erst- wie auch für Folgeratings werden durch das Ratingkomitee verschiedene Kriterien an die selbst erhobenen bzw. durch das Unternehmen bereitgestellten Daten gelegt. Die wesentlichen Ratingkriterien von S&P und Moody’s gibt Abb. 22 wieder. Auch wenn diese sich auf den ersten Blick durch unterschiedliche Gliederung und Nomenklatur unter-
zu deren Erstellung in der Regel vom Investor als Adressaten ausgeht. Vgl. Gündling/Everling (1994), S. 728. Darin unterscheidet sich das Rating einer Ratingagentur auch vom Rating einer Bank, da die Ratingagentur nicht vor dem Hintergrund einer eventuellen eigenen Kreditvergabe analysiert. Vgl. van Aubel (2000), S. 7. 694 Theoretisch gibt es auch die Möglichkeit, der Veröffentlichung des Ratings zu widersprechen, wenn die Anleihe auch ohne Rating platzierbar ist und die Ratingagentur keine vollständige Abdeckung dieses Anleihemarkts anstrebt. Vgl. Everling (1991), S. 52f. Wie bereits dargestellt, wird dies aber nur in Ausnahmefällen möglich sein. Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 16 für das Beispiel einer S&P-Policy, die eine Veröffentlichung von Ratings zu US-Anleihen mit einem Volumen größer 100 Mio. US-Dollar in jedem Fall anstrebt – notfalls auch gegen den Willen des Emittenten. 695 Zum Ratingprozess vgl. Serfling (2007), S. 718, van Aubel (2000), S. 19f, Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 8 und S. 16ff, Everling (1991), S. 111ff sowie Fitch Ratings (Hrsg.) (2006).
119 scheiden, verfolgen beide Agenturen inhaltlich ein identisches Ziel. Die Risiken für Zins- und Tilgungsfähigkeit, denen ein Unternehmen bzw. dessen spezifisches Wertpapier ausgesetzt ist, sollen so umfassend wie möglich eingeschätzt werden. Dazu werden einerseits makroökonomische Faktoren wie Länder-, Branchen- und politische Risiken sowie andererseits mikroökonomische Determinanten des Ausfallrisikos wie Profitabilität im Wettbewerbsvergleich, Qualität des Managements, Corporate Governance, Unternehmensorganisation, Kapitalstruktur und Liquidität analysiert. S&P
Moody‘s
Geschäftsrisiken
Finanzielle Risiken
Branchentrends
Finanzielle Situation und Liquiditätsquellen
Länderrisiko
Governance/ Richtlinien/ Duldung von Risiken
Politische und regulatorische Umgebung
Unternehmensstruktur inkl. Nachrangigkeiten
Branchenrisiko
Rechnungswesen
Ereignisrisiken
Unterstützungsvereinbarungen der Muttergesellschaft
Wettbewerbsrisiko
Cashflow
Geschäftslage inkl. Wettbewerbspositionierung
Qualität des Managements inkl. Risikobewusstsein
Profitabilität/ Peer Group Vergleich
Kapitalstruktur
Liquidität
Abb. 22: Ratingkriterien S&P und Moody’s696
4.1.3.3. Typisches Rating von Familienunternehmen Bereits in Kapitel 1 sowie in Abschnitt 3.3.4.4 wurde angedeutet, dass deutsche Familienunternehmen typischerweise Subinvestment Grade Emittenten darstellen, weil ihre Kreditwürdigkeit bzw. die Bonität durch sie emittierter Papiere regelmäßig nicht für ein Investment Grade Rating ausreichen. Nach den Erläuterungen zu Vorgehen und Kriterien einer Ratingvergabe soll diese Feststellung im Folgenden detaillierter erörtert werden. Aufgrund des beschriebenen komparativen Charakters eines Ratings müssen sich Überlegungen zu Ratings von Familienunternehmen dabei immer auf den Vergleich zu üblicherweise als Investment Grade bewerteten Unternehmen beziehen. In jene Anlageklasse fallen in aller Regel große, börsennotierte Konzerne. Tab. 20 zeigt daher beispielhaft die Ratings der 23 Unternehmen aus dem Dax 30, die über Schuldtitel verfügen, die von Moody’s evaluiert wurden. Dabei fällt auf, dass unter den 30 größten, börsennotierten Unternehmen Deutschlands eine verhältnismäßig große Bandbreite an Ratings vertreten ist: Keine Anleihe verfügt über die höchstmögli696
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 20ff und Moody's Investors Service (Hrsg.) (1999).
120 che Kreditwürdigkeit eines Aaa Ratings. Zwar befindet sich die Mehrzahl der Anleihen im Investment Grade Bereich, 6 Unternehmen erhalten mit Baa allerdings das niedrigste noch zum Investment Grade Bereich gehörende Rating und mit Fresenius Medical Care fällt die Anleihen eines Dax 30 Konzerns sogar in den High Yield Bereich. Für die folgenden Überlegungen zum Rating eines typischen Familienunternehmens stellt dieses Bild zwar keinen direkten Maßstab dar, vermag aber Hinweise darauf zu geben, dass die Ratingagenturen hohe
Investment Grade
Anforderungen an die Kreditwürdigkeit eines Investment Grade Unternehmens stellen. Rating Aaa Aa A Baa
Dax-Unternehmen Allianz, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Postbank, Münchner Rück BASF, Bayer, BMW, Daimler, E.ON, Henkel, MAN, Merck, RWE, Siemens, Volkswagen Deutsche Post, Deutsche Telekom, K+S, Linde, Metro, ThyssenKrupp
High Yield
Ba Fresenius Medical Care B Caa Ca C Tab. 20: Moody’s Ratings Dax 30 Unternehmen (sofern Rating vorhanden, 30.12.2008)697
Im Folgenden werden einige, der in Abb. 22 dargestellten Ratingkriterien der Ratingagenturen auf ihre typische Ausprägung bei Familienunternehmen erörtert. Die Einschätzung ist insofern nur deduktiv bzw. teilweise sogar nur intuitiv möglich, da der Algorithmus zur Ratingerstellung den Kern des Geschäftsmodells der Ratingagenturen bildet und entsprechend nicht öffentlich zugänglich ist.698 Bei makroökonomischen Risikofaktoren sind Länder- und Branchenrisiken tendenziell vernachlässigbar, da deutsche Familien- und Investment Grade Unternehmen grundsätzlich denselben Länder- und Marktrisiken ausgesetzt sind. Konjunkturschwankungen, Rohstoffpreisentwicklungen und Kostenstrukturen ganzer Branchen sollten also weder zu einer besserer noch einer schlechteren Bonitätsbewertung im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen führen. Positiv für Familienunternehmen wirkt sich aus, dass diese häufig in Nischenmärkten agieren, die mit relativ hohen Markteintrittbarrieren verbunden sein können. Gleichzeitig ist die Konzentration auf Nischenmärkte allerdings riskant, da der Ausfall dieses spezifischen Markts große, teilweise existenzbedrohende Auswirkungen auf das Unternehmen haben kann. Tendenziell ist damit ein gesteigertes Ausfallrisiko für Familienunternehmen aufgrund des Branchenrisikos begründbar.
697
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Moody's Investors Service (Hrsg.) (2008a). Die folgenden Überlegungen fußen auf den eher qualitativen Beschreibungen der Ratingkriterien in Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a), S. 20ff und Moody's Investors Service (Hrsg.) (1999).
698
121 Bei der Betrachtung mikroökonomischer Risikofaktoren bei Familienunternehmen deuten einige Indikatoren auf eine Kreditwürdigkeitsbeurteilung im Subinvestment Bereich hin: Zur Messung des mit der Qualität des Managements verbundenen Risikos werden unter anderem Nachfolgeregelungen im Management analysiert. Die große Bedeutung dieses Themas bei Familienunternehmen sowie das bspw. damit verbundene Phänomen des Nepotismus deuten auf ein immanent höheres Risiko gegenüber Unternehmen mit ausschließlich externem Management hin.699 Neben der Qualität des Exekutivmanagements nehmen weiterhin Corporate Governance Strukturen Einfluss auf die Beurteilung der Ausfallrisiken. Besondere
Relevanz hat hierbei die Effektivität eines unabhängigen Aufsichtsgremiums, das Managementstandards setzt, für funktionierende interne Kontrollen sorgt und die Leistungsorientierung der Managementvergütung sicherstellt. Insbesondere die Unabhängigkeit des Aufsichtsgremiums, die durch keinerlei persönliche Beziehungen zum Unternehmen oder dort tätiger Manager außerhalb der Aufsichtsfunktion gekennzeichnet sein sollte, ist bei Familienunternehmen zu hinterfragen.700 Dort bildet der Gesellschafterkreis meist das wichtigste Aufsichtsgremium.701 Ungeachtet dessen, ob diese besondere Konstellation bei Familienunternehmen zu einer tatsächlichen Verbesserung oder Verschlechterung der Corporate Governance führt,702 wird die Personalunion bzw. enge Verbindung zwischen Führung und Aufsicht im Ratingprozess regelmäßig zu einer Steigerung des wahrgenommenen Risikos gegenüber Nicht-Familienunternehmen führen.703 Fitch Ratings weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Familienunternehmen für ihre besonderen Governance Strukturen zwar per se keinen Risikozuschlag erhalten, dass das Funktionieren einer unabhängigen Aufsicht des Managements aber anderweitig sichergestellt sein muss und speziell analysiert wird. Zusätzlich werden Mechanismen, die einer auf die Zukunft gerichteten Sicherstellung einer Konzentra-
699
Zur oftmals fehlenden Nachfolgeregelung und Nepotismus als potenzielle Schwächen von Familienunternehmen vgl. Abschnitt 2.2.2.2 dieser Arbeit. Zu den Faktoren, die für ein funktionierendes Corporate Governance System durch den Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften von besonderer Bedeutung sind, vgl. Dutzi (2005). 701 Vgl. Lange (2005), S. 2586. 702 Vgl. bspw. Carney (2005), der eine Verbesserung der Corporate Governance durch Familieneinfluss postuliert. Zentrale Elemente dieser Argumentationslinie fußen auf der finanzierungsbezogenen Anwendung der Altruismus- und Stewardship-Theorien. Vgl. dazu exemplarisch Karra et al. (2006), Zahra (2003), Schulze et al. (2003), Davis et al. (1997). Bartholomeusz/Tanewski (2006) hingegen zeigen, dass die Corporate Governance Strukturen von Familienunternehmen die Unternehmensperformance schmälern können. Shleifer/Vishny (1997) wiederum finden divergierende Indizien, ob Corporate Governance Systeme mit oder ohne dominante Investoren am effektivsten funktionieren. Zu Corporate Governance bei Familienunternehmen allgemein vgl. Iliou (2004). 703 Einige Autoren gehen soweit und vermuten mangelndes Verständnis der angloamerikanisch geprägten Ratingagenturen, das eine pauschale Abqualifizierung der für Kontinentaleuropa typischen Unternehmensstrukturen zur Folge hat. Vgl. bspw. Schöning et al. (2004), S. 749. 700
122 tion von Eigentumsrechten in der Hand weniger Gesellschafter dienen, als „particular causes of concern in family-owned companies“704 bezeichnet.705 Zur Messung von Wettbewerbs- und operativen Risiken des Unternehmens analysieren die Ratingagenturen u.a. die Unternehmensdiversifikation in unterschiedlichen Geschäftsbereichen, Märkten und Umsatzträgern. Hierzu muss festgestellt werden, dass nur die wenigsten Familienunternehmen eine Unternehmensgröße erreicht haben, bei der eine relevante Diversifikation nach Geschäftsbereichen und Märkten postuliert werden kann. Im Gegenteil: Bei einem typischen deutschen Familienunternehmen, das traditionell aus der Vermarktung einer technisch überlegenen Produktidee entstanden ist, kann in aller Regel keine Investment Grade entsprechende Diversifikation unterstellt werden. Ein weiteres, zentrales Kriterium zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit, bilden die finanzielle Situation sowie die Liquiditätsquellen des Unternehmens. I.d.R. wird Familienunterneh-
men auch in diesem Punkt ein Investment Grade Rating abzusprechen sein: Großen Wert legen die Ratingagenturen auf die finanzielle Flexibilität des Unternehmens. Diesbezüglich wird analysiert, in welchem Umfang und für welchen Zeitraum die notwendige Liquidität für Zins- und Tilgungszahlungen abgesichert sind. Unter anderem führt zu einer positiven Bewertung, wenn das Unternehmen Zugang zum Kapitalmarkt besitzt. Daneben fließt der Grad der Abhängigkeit von kurzfristigen Schulden sowie die Ausgereiftheit der Treasury Funktion eines Unternehmens in diese Bewertung mit ein. All diese Punkte sprechen bei Familienunternehmen typischerweise gegen ein Investment Grade Rating, da jene sich i.d.R. durch fehlenden Kapitalmarktzugang, einen maßgeblichen Anteil der Finanzierung über Bankkredite und das häufige Fehlen einer eigenständige Treasury Abteilung auszeichnen.706 Anhand der dargestellten mikroökonomischen Risikobeurteilungskriterien wird deutlich, dass ein Investment Grade Rating für ein Familienunternehmen nur in den seltensten Fällen erreichbar ist. Einerseits ist die Effektivität typischer Governance-Strukturen von Familienunternehmen schwer zu kommunizieren, andererseits liegt es in den meisten Fällen schlichtweg an der Unternehmensgröße, dass diese Ratingkategorie nicht erreichbar ist, da Diversifikation, Kapitalmarktzugang, professionelles Finanzmanagement, Liquiditätsreserven und Unabhängigkeit von kurzfristigen Schulden erst ab einer gewissen Unternehmensgröße erreichbar sind.
704
Fitch Ratings (Hrsg.) (2007), S. 7. Vgl. Fitch Ratings (Hrsg.) (2007). 706 Die dargestellten Untersuchungsfaktoren zur Feststellung des individuellen Ausfallrisikos sind Teil der Analyse zur Konkretisierung der Ratingkriterien aus Abb. 22 und beziehen sich (sofern nicht anders angegeben) auf Angaben der Ratingagenturen zu ihrem jeweiligen Ratingprozess. Vgl. Moody's Investors Service (Hrsg.) (1998) sowie Standard & Poor's (Hrsg.) (2008a). 705
123 Wie bereits in Abschnitt 3.3.4.4 erläutert, wird diese Meinung auch in Bankenpraxis und Literatur geteilt. Die befragten Fremdkapitalmarktspezialisten von Deutscher Bank und Goldman Sachs stimmen darin überein, dass ein Investment Grade Rating für Familienunternehmen größenbedingt nur sehr schwer zu erreichen ist.707 Auch Altman betrachtet europäische KMU aufgrund ihrer Umsatzgröße und der häufig fehlenden Ertragsstabilität als typische Emittenten für Hochzinsanleihen.708 Ebenso stellen Menzel/Dobro den Einfluss der Unternehmensgröße als Indikator für Stabilität und Wettbewerbsvorteile auf die Bonitätsbeurteilung heraus. Nach Meinung der Autoren können Unternehmen unterhalb 500 Mio. Euro Jahresumsatz faktisch nicht auf ein Investment Grade Rating hoffen.709 De Bondt/Marqués identifizieren die mangelnde Ertragsstabilität als Grund für die Dominanz von Subinvestment Grade Ratings bei KMU und Familienunternehmen,710 was indirekt wieder auf die mangelnde Unternehmensgröße zurückgeht.711 Zusammenfassend kann die frühere Festlegung bestätigt werden, dass die Mehrheit deutscher Familienunternehmen sich in der Regel lediglich für eine High Yield Anleihe qualifizieren kann. Das rechtfertigt die Fokussierung der vorliegenden Arbeit auf High Yield Anleihen.
4.1.3.4. Ratingvoraussetzungen, -nutzen und -grenzen Bis zur Erteilung eines Erstratings sind je nach Emissionswert und notwendiger Vorbereitung zwischen 90 und 100 Tagen Dauer und Kosten von 50.000 bis 100.000 Euro zu veranschlagen.712 Die jährlichen Folgekosten liegen bei ca. 20.000 Euro.713 Darüber hinaus sind weitere Anforderungen seitens des Unternehmens zu erfüllen, ohne die ein Ratingprozess nicht bzw. nur sehr schwer durchgeführt werden kann. Wie bereits in der Prozessbeschreibung in Abb. 21 ersichtlich, stellt die Erlangung einer Erstratingerteilung auf Unternehmensseite besondere Anforderungen an die Personalausstattung. Ratingagenturen sind gewohnt, einen CFO als kompetenten Ansprechpartner im Unternehmen zu haben. Organisatorisch zum CFO zugehörig muss weiterhin eine adäquate Besetzung der
707
Vgl. die Aussagen in Experteninterviews: Experte 6 (2008), S. 11f und Experte 3 (2008), S. 13. Darin stimmen auch andere mit Familienunternehmen vertraute Banker überein. Vgl. Arndt (2007), S. 20, v. Haller (2007), S. 53. 708 Vgl. Altman (1998), S. 18. 709 Menzel/Dobro (2004), S. 95f. Diese Meinung teilt auch Vernimmen und benennt Unternehmensgröße als wichtigste Determinante bei der Ratingerteilung. Vgl. Vernimmen et al. (2005), S. 503. 710 Vgl. de Bondt/Marqués (2004), S. 10. 711 Vgl. Hesseling (2007). 712 Vgl. van Aubel (2000), S. 19 sowie Hoffmann (1991), S. 66. Je nach Datenlage und -verfügbarkeit sowie der Priorität, die dem Ratingprozess unternehmensseitig eingeräumt wird, kann dieser Prozess jedoch auch langwieriger und teurer werden. Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 126f, die bis zu 6 Monate veranschlagen. 713 Vgl. Serfling et al. (1996), S. 636.
124 Aufgaben und Bereiche in Finanzwesen, Rechnungswesen und Controlling sichergestellt sein. Dies ist unerlässlich, um die für ein Rating erforderlichen Daten in der notwendigen Qualität und Historie rechtzeitig zur Verfügung stellen, diesbezügliche Nachfragen kurzfristig beantworten und erforderliche Sonderanalysen erstellen zu können. Zusätzlich zum einmaligen Aufwand für das Erstrating, in das neben den Fachabteilungen wie Rechnungswesen und Controlling insbesondere das Management des Unternehmens eingebunden ist, besteht die Erfordernis einer laufenden Betreuung der Ratingagenturen. Dies erfolgt meist durch den CFO sowie die Finanz- bzw. Treasury Abteilungen, die dazu auf die Daten aus Rechnungswesen und Controlling zurückgreifen.714 Die Existenz und Besetzung all dieser Positionen und Aufgaben setzt eine Größe und Reife der Unternehmensorganisation voraus, die in vielen mittelständisch geprägten Familienunternehmen nicht gegeben ist, wie die dazu befragten Experten bestätigen.715 Werden diese Anforderungen durch den Emittenten jedoch erfüllt, bietet die Zusammenarbeit mit den Ratingagenturen dem Unternehmen auch Nutzen über das reine Rating hinaus. Unmittelbare Nutzenaspekte sind die Senkung der Finanzierungskosten sowie eine gesteigerte Liquiditätssicherheit. Eine Senkung der Finanzierungskosten ergibt sich aus der Tatsache, dass Unternehmen ohne Rating i.d.R. keine Anleihe begeben können bzw. außerhalb der Anleihefinanzierung einen Risikozuschlag hinnehmen müssen.716 Finanzierungsinstrumente mit Rating verfügen folglich über eine größere Marktliquidität und -aufnahmefähigkeit. Ein Renditezuschlag, um die fehlende Liquidität für den Gläubiger zu kompensieren, entfällt also.717 Zusätzlich vereinfacht die Existenz eines öffentlichen Ratings die Erstellung notwendiger bankinterner Ratings für Bankkredite, was wiederum die Bindung von Managementkapazität reduziert und Kosten spart.718 Die gesteigerte Liquiditätssicherheit ergibt sich aus der Tatsache, dass ein Rating die potenzielle Investorenbasis verbreitert und damit insbesondere bei großen Volumina und langfristigen Anleihen hilft, eine Liquiditätsversorgung des Unternehmens dauerhaft sicher zu stellen.719 Neben diesen unmittelbaren Nutzenaspekten bestehen weitere positive Gesichtspunkte eines Ratings: Durch die gründliche Analyse des Unternehmens und insbesondere des Finanzbereichs werden finanzielle Probleme des Emittenten wie ein zu geringer Bestand liquider Mittel, ungenügende Eigenkapitalausstattung, zu hohe Verschuldung oder eine unzureichende
714
Vgl. Jäckle/Ackermann (2007), S. 391. Vgl. dazu die Expertenaussagen im Gespräch: Experte 2 (2008), S. 15f, Experte 1 (2008), S. 4. 716 Vgl. van Aubel (2000), S. 72. 717 Vgl. Serfling (2007), S. 725. 718 Basel II gilt deswegen auch als Beschleuniger externer Ratings. Vgl. Rödl (2006), S. 110f. 719 Vgl. Jäckle/Ackermann (2007), S. 388f. 715
125 Finanzplanung von objektiven Dritten identifiziert und benannt. Hilfreich ist dies insbesondere, da diese potenziellen und konkreten Herausforderungen durch Ratingagenturen zusätzlich zur unternehmensindividuellen Betrachtung immer auch im Branchenvergleich reflektiert werden. Das Unternehmen erhält also einen externen Blick auf den Finanzbereich. Dieser sollte dann in einen produktiven Prozess kritischer Selbstreflexion münden.720 Die Erkenntnisse aus der eingehenden Finanzanalyse des Unternehmens sowie das Wissen um die externe Bonitätswahrnehmung, das sich durchaus von der Wahrnehmung im eigenen Unternehmen unterscheiden kann, ermöglichen die Identifikation und Umsetzung zielgerichteter Verbesserungsmaßnahmen.721 Diese Verbesserung wird sich c.p. in mittel- bis langfristigen Ratingverbesserungen und damit sinkenden Kapitalkosten niederschlagen. All diese Aspekte treffen auf Unternehmen in Familienhand grundsätzlich genauso zu wie auf Unternehmen ohne Familieneinfluss. Was den positiven Nutzenaspekten im Fall von Familienunternehmen eventuell jedoch sogar noch größere Relevanz verleiht, ist der Objektivitätsaspekt des externen „Spiegels“, der dem obersten Management vorgehalten wird. Insbesondere wenn das oberste Management sehr lange im Unternehmen tätig ist und gleichzeitig eventuell noch Gesellschafterrollen wahrnimmt, ist eine unabhängige, kritische Meinung hilfreich. Dies gilt umso stärker, wenn die Familienmitglieder sich stark auf Markt, Kunden und Produkte fokussieren und ein eventuell externer kaufmännischer Leiter nicht die Akzeptanz hat, um Problemfelder wie mangelnde Finanzierungssicherheit benennen und eigenständig einer Lösung zuführen zu können. Eine häufige Sorge bei Familienunternehmen zu Ratings betrifft das negative Signal, das von einem schlechten Rating an Kunden, Mitarbeiter, bestehende Kapitalgeber und andere mit den Unternehmen verbundene Gruppen ausgeht.722 Diese Befürchtung ist jedoch unangebracht: Ratingagenturen erstellen auf Wunsch des Unternehmens auch ein sogenanntes Shadow Rating, das nur zur Positionsbestimmung des Unternehmens dient und nicht veröffentlicht wird.723 Dabei handelt es sich um eine Art Erstrating, das jedoch nur für eine potenzielle Emission, d.h. ohne konkret anstehende Platzierung erstellt wird. Mit einem Shadow Rating lässt sich auch vorab der notwendige Kupon einer potenziellen Emission abschätzen. Sollte dieses unveröffentlichte Rating zu schlecht ausfallen, kann die Idee eines Bond inkl. dann zu veröffentlichendem Rating wieder verworfen werden, ohne dass negative Auswirkungen entstehen. 720
Vgl. Everling (1991), S. 254. Vgl. Reich (2007), S. 19. 722 Vgl. Experte 7 (2008), S. 10, der dies im Expertengespräch thematisiert. 723 S&P weist darauf explizit hin, dass Ratings nur im Fall einer tatsächlichen Emission veröffentlicht werden. Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2004), S. 8. 721
126 Neben dieser entkräftbaren Befürchtung um eine schlechte Außenwirkung stehen die Ratingagenturen immer wieder in der Kritik.724 Häufig ist sie berechtigt, da sich insbesondere aus der Methodologie der Ratingermittlung Grenzen von Ratingurteilen ergeben. Diese Grenzen beziehen sich nicht nur auf spektakuläre Fehleinschätzungen wie Enron oder Worldcom, sondern betreffen alle Bonitätsbeurteilungen. Dabei handelt es sich um die bereits diskutierte Ordinalität der Ratingskala sowie den systemimmanenten Zeitverzug bei Ratinganpassungen, die Intransparenz bei Ratingkriterien und -einflussfaktoren, die mangelnde zeitliche und horizontale Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen gleichen Ratings, die unbefriedigende Vergleichbarkeit von Ratings unterschiedlicher Agenturen sowie den als fehlende Äquidistanz bezeichneten Aspekt, dass der Risiko-Rendite-Zusammenhang mit dem Rating als Risikomaßstab einen progressiv und nicht linear steigenden Verlauf aufweist. Anders ausgedrückt: Der durchschnittliche Risikoaufschlag von Anleihen gegenüber einer risikolosen Verzinsung steigt überproportional je niedrigerer die Ratingklasse ist.725 In Krisenzeiten wird das umso deutlicher, wenn die fehlende Äquidistanz sich in der Dispersion der Anleihekurse spiegelt.
4.1.4. Typische Merkmale von High Yield Bonds in den Anleihebedingungen Die Anleihebedingungen definieren die bedeutsamsten und potenziell konfliktträchtigsten Klauseln der Rechtsbeziehung zwischen Emittent und Gläubigern.726 Die zentralen Inhalte und ihre Auswirkungen werden in den folgenden Absätzen dargestellt.
4.1.4.1. Rechtswahl Die beschriebene weitgehende Integration der internationalen Anleihemärkte hat Harmonisierungseffekte bei Regeln und Praktiken zur Folge,727 die konsequenterweise auch auf die Ausgestaltung der Anleihe sowie den Emissionsprozess durchschlägt. Besonders deutlich wird das bei der Wahl des auf das schuldvertragliche Verhältnis zwischen Emittent und Gläubiger anwendbaren Rechts. Obwohl hierzu de jure der Grundsatz der Parteiautonomie gilt, nach dem die Parteien das anwendbare Recht frei wählen können,728 existiert in diesem Punkt – wie
724
Vgl. etwa Cünnen (2008c). Da die vorliegende Arbeit eine Notwendigkeit zur Erlangung von Ratings unterstellt, wenn ein High Yield Bond erfolgreich platziert werden soll, werden die zweifellos existierenden Schwächen von Ratings hier nicht weiter erörtert sondern auf die zugehörige Literatur verwiesen. Zu den Grenzen von Ratings vgl. beispielhaft van Aubel (2000), S. 43ff sowie Serfling (2007), S. 732ff. 726 Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 782. 727 Vgl. Langendorf (2006), S. 35. 728 Vgl. Heldrich (2008), Rz. 1. 725
127 bei vielen Aspekten von High Yield Bonds – ein Marktstandard, von dem Emittenten de facto nur in sehr seltenen Ausnahmefällen abweichen: High Yield Bonds werden unter dem Recht des US-Staats New York begeben (New York Law). Dass nach Aussage der befragten Experten in den letzten Jahren alle europäischen Anleihen aus dem Subinvestment Bereich unter New York Law platziert wurden, belegt die Existenz dieses Marktstandards.729 Auch die im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Emissionsprospekte (Offering Memoranda) deutscher High Yield Emissionen enthalten alle den entsprechenden Passus zur Platzierung unter New York Law.730 Der Grund für diesen Standard liegt einerseits in der Marktprägung durch US-amerikanische Investoren, deren Anforderungen an Investitionsobjekte sich international durchgesetzt haben. Durch die Orientierung an den bereits entwickelten Standards konnten für High Yield Bonds europäischer Emittenten aufnahmefähige Absatzmärkte sichergestellt werden.731 Andererseits existieren im Bereich des New York Law bereits umfassende Erfahrungswerte zur Auslegung von Anleihebedingungen.732 Ein Transfer der etablierten Standards in den Anleihebedingungen sowie der Erfahrungswerte gemäß US-Jurisdiktion unter anderes Recht wäre komplex bis unmöglich.733 Einen eigenständigen Typus von Hochzinsanleihen nach deutschem oder europäischem Recht gibt es somit aktuell und auf absehbare Zeit nicht.734
4.1.4.2. Verzinsung, Laufzeit und Laufzeitverkürzung durch Rückkauf Wie der Name bereits ausdrückt, besteht ein wesentlicher Unterschied von High Yield zu Investment Grade Bonds in ihrer Verzinsung. Das höhere Ausfallrisiko von Subinvestment Grade Anleihen muss durch eine höhere Verzinsung an die Gläubiger kompensiert werden. Diese Risikoprämie wird als Spread bezeichnet, unternehmens- bzw. wertpapierspezifisch gegenüber dem Marktzins einer risikofreien Anlage ermittelt und in Basispunkten (Bp) über diesem risikolosen Marktzins ausgedrückt (100 Bp = 1%).735 Neben dem wertpapierspezifi-
729
Vgl. die entsprechenden Interviewaussagen von Experte 2, Deutsche Bank London und Experte 3, Goldman Sachs London: Experte 2 (2008), S. 6, Experte 3 (2008), S. 8. Vgl. weiterhin Kenadjian (2004), S. 246, Harrer/Fisher (2003), S. 781. 730 Vgl. Fresenius Finance B.V. (Hrsg.) (2003), S. 6, Gerresheimer Holding GmbH (Hrsg.) (2006), S. 11, Grohe Holding GmbH (Hrsg.) (2007), S. 14, Heckler & Koch GmbH (Hrsg.) (2004), S. 19, Hornbach Baumarkt AG (Hrsg.) (2004), S. 9, Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 7. 731 Vgl. Kusserow/Dittrich (2000), S. 745 732 Vgl. Experte 2 (2008), S. 6, Harrer/Fisher (2003), S. 786. 733 Vgl. Kenadjian (2004), S. 246. 734 Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 319 sowie Heitmann (2007), S. 89. 735 Vgl. Vernimmen et al. (2005), S. 490. Neben einem hohen Spread bestehen weitere Möglichkeiten mit denen ein Emittent die Gesamtrendite für den Investor steigern kann, z.B. in Form eines Disagios der Anleihe zum Emissionszeitpunkt. Auf diese Differenzierung wird aus Gründen untergeordneter Relevanz für den Fokus der
128 schen Ausfallrisiko sind weitere Faktoren im Spread eingepreist, darunter Zinsänderungsrisiko, Inflationsrisiko, potenzielle Ratingverschlechterungen und Liquiditätsrisiko.736 Im US-amerikanischen Markt, für den aufgrund der längeren Markthistorie ausreichend statistische Daten existieren, lag der durchschnittliche Spread von High Yield Anleihen in den Jahren 1978 bis 2005 490 Bp über der jeweiligen Rendite einer Staatsanleihe mit vergleichbarer Restlaufzeit. 2005 lag der durchschnittlich Spread bei 410 Bp, der Kupon inkl. risikoloser Verzinsung damit bei 8,4%.737 Abb. 23 zeigt die Entwicklung des Spread europäischer High Yield Anleihen, differenziert nach ihrem Rating. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Ausfallrisiken bewegt sich der Spread des Index mit BB Anleihen unterhalb des Index mit B Anleihen, der wiederum unterhalb des entsprechenden Index mit C Anleihen verläuft. Zusätzlich wird die Verzinsung eines Index risikoloser deutschen Staatsanleihen vergleichbarer Laufzeit (Rating AAA) abgetragen. C
900 800 700
B
Basispunkte .
1000
600 500 400 300
BB
200 100 0 07/2006
10/2006
01/2007 04/2007
07/2007
Spread BB (Asset Swap Index) Spread C (Asset Swap Index)
10/2007
01/2008 04/2008 07/2008
Spread B (Asset Swap Index) Spread AAA (Staatsanleihen Index)
Abb. 23: Index-Spreads europäischer High Yield Bonds und Staatsanleihen738
Durch Addition von risikoloser Verzinsung und Spread je Ratingklasse ergeben sich die theoretischen Kupons für europäische High Yield Anleihen im Vergleichszeitraum.739 Es handelt sich insofern nur um theoretische Kupons, da der Markt zum jeweiligen Zeitpunkt aufnahmefähig sein muss. Wie bereits erörtert, kann dies seit Sommer 2007 nicht mehr unterstellt werden. Zusätzlich zu beachten ist, dass der Kupon eines High Yield Bond zum Emissionszeit-
vorliegenden Arbeit verzichtet. Zur Renditemessung von Bonds aus Investorsicht vgl. bspw. Fabozzi (2007), S. 34ff, Gallati (2004), S. 34ff oder Altman/Bencivenga (2002). 736 Vgl. Menz (2007), S. 24ff oder Fabozzi (2007), S. 6ff. Für eine empirische Analyse unterschiedlicher Einflussfaktoren auf den Spread einer Neuemission vgl. Menz (2007), S. 166ff sowie Fridson et al. (1999). Für eine modelltheoretische Analyse von Determinanten der Bonitätsrisikoprämie vgl. Herbst (2005), S. 160ff. 737 Vgl. Altman/Pasternack (2006), S. 17 und die dort dargestellte Tabelle 23. 738 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Merrill Lynch (Hrsg.) (2008e), Merrill Lynch (Hrsg.) (2008f), Merrill Lynch (Hrsg.) (2008g) und Merrill Lynch (Hrsg.) (2008h). 739 Dabei wird eine Pari Emission unterstellt. Für eine Darstellung der sich durch Addition von Spread und risikolosem Zinssatz ergebenden theoretischen Kupons von Anleihen mit BB, B oder C Rating vgl. Anhang A.
129 punkt im Anleihevertrag fixiert wird – entweder absolut in Prozent (fixed) oder in Basispunkten über einer risikolosen Anlage (Floater). Zu unterscheiden ist der Kupon damit grundsätzlich vom gehandelten Spread auf dem Sekundärmarkt - Letzterer ändert sich im Zeitverlauf und gibt die aktuell vom Markt erwartete Risikoprämie wieder.740 Die Zinszahlungen des Emittenten fallen dabei grundsätzlich in Höhe des vereinbarten Kupons an. Preisschwankungen am Sekundärmarkt sind aus Sicht des Emittenten somit unmaßgeblich und haben nur in Ausnahmefällen wie bspw. bei Anleiherückkäufen über den Markt finanzielle Auswirkungen. Neben den höheren Kuponzahlungen stellt deren Auszahlungsmodus ein weiteres Spezifikum von High Yield Bonds dar. Deren Zinszahlungsansprüche werden i.d.R. halbjährlich fällig,741 während Investment Grade Eurobonds nur einmalig pro Jahr ausschütten.742 High Yield Anleihen haben i.d.R. eine Laufzeit zwischen 7 und 10 Jahren.743 Damit gehören sie zu den Intermediate Term Bonds.744 Ein anderer gängiger Begriff für Bonds mit einer Laufzeit unter 10 Jahren lautet Notes und bezieht sich sowohl auf High Yield als auch auf Investment Grade Anleihen.745 Die im Vergleich zur durchschnittlichen Laufzeit aller Industrieobligationen von 8 bis 15 Jahre kürzere Laufzeit,746 ist ein typisches High Yield Merkmal und erklärt sich aus dem mit der Laufzeitdauer zunehmenden Ausfallrisiko für die Anleger. Gleichzeitig begrenzen auch die Emittenten die Laufzeit auf 10 Jahre oder weniger, weil sie auf eine zinsgünstigere Refinanzierung in der Zukunft spekulieren.747 Diese kann sich aufgrund eines veränderten Zinsumfeldes, eines während der Laufzeit erfolgenden Rating Upgrades oder die zukünftige Möglichkeit zur Verwendung anderer, günstigerer Finanzierungsinstrumente ergeben. Die untersuchten Offering Memoranda deutscher High Yield Emittenten weisen Laufzeiten zwischen 5 und 10 Jahren aus. Der Durchschnitt der sieben betrachteten Bonds liegt bei 7,3 Jahren.748 Grundsätzlich wird der Nominalbetrag der Anleihe in Form eines Bullet Repayment am Ende der Laufzeit vollständig zurückbezahlt.749 Die Möglichkeiten des Unternehmens, die Laufzeit einer bereits platzierten Anleihe zu verkürzen, sind begrenzt. Neben dem Rückkauf am 740
Vgl. Vernimmen et al. (2005), S. 490. Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 781. Übliche Zahlungstermine sind 15. Januar und 15. Juli. Vgl. Fabozzi (2005), S. 5f. 743 Vgl. Experte 3 (2008), S. 4 sowie Heitmann (2007), S. 34. 744 Vgl. Hansen (1991), S. 51. 745 Vgl. Fabozzi (2007), S. 157. 746 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 388. 747 Vgl. Heitmann (2007), S. 34. 748 Die Laufzeiten im Detail: Fresenius 6 Jahre, Gerresheimer 9 Jahre, Grohe 7 Jahre, Heckler&Koch 7 Jahre, Hornbach 10 Jahre, Peri 5 und 7 Jahre. Vgl. Fresenius Finance B.V. (Hrsg.) (2003), Gerresheimer Holding GmbH (Hrsg.) (2006), Grohe Holding GmbH (Hrsg.) (2007), Heckler & Koch GmbH (Hrsg.) (2004), Hornbach Baumarkt AG (Hrsg.) (2004), Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), jeweils Vorderseite des Offering Memorandums. 749 Vgl. Stadler (2004), S. 20. Bei einer Anleiheemission über pari ist dieses Auszahlungsagio nach § 250 II HGB passiv abzugrenzen und über die Laufzeit ertragswirksam aufzulösen. Vgl. Scherrer (1999), S. 1208. 741 742
130 Markt kann der Emittent eine Anleihe jedoch unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig kündigen und das ausstehende Fremdkapital an die Investoren zurückzahlen: Einerseits steht ihm ein herkömmliches Kündigungsrecht zu. Dies greift im Allgemeinen jedoch nur, wenn der Emittent aufgrund einer Veränderung der Rechtslage zur Zahlung zusätzlicher oder höherer Quellensteuer verpflichtet ist.750 Andererseits können Emittent und Gläubiger in den Anleihebedingungen besondere Rückzahlungsrechte (Call Optionen) vereinbaren.751 Dazu werden potenzielle Rückkaufstermine und -kurse bestimmt, zu denen der Emittent eine teilweise oder vollständige Kündigung vor Ende der regulären Laufzeit durchführen kann. Bei High Yield Anleihen ist üblicherweise jedoch eine sogenannte No-Call Period von 4 oder 5 Jahren vorgesehen, während derer die Anleihe nicht zurückgekauft werden kann.752 Nach Ablauf dieser Zeit liegt der vertraglich vereinbarte Rückzahlungspreis i.d.R. über dem Nennwert der Anleihe, um die Gläubiger für den Renditeverlust zu entschädigen. Mit kürzer werdender Restlaufzeit nähert sich der Rückzahlungspreis dem Nennwert an.753 Die Bullet Struktur muss allerdings bei der Finanzplanung berücksichtigt werden. Einerseits begründet sie einen minimalen Kapitalabfluss während der Laufzeit – anders als bei einem Kredit mit regelmäßigen Tilgungen – andererseits muss nach Ablauf der Laufzeit jedoch ein entsprechender Mittelbestand vorhanden sein, um die Anleihe voll zurückzuzahlen. Das Cashflowprofil des Unternehmens bzw. die mit der Anleihe zu finanzierenden Aktiva müssen eine solche Finanzierungsstruktur erlauben.754 Auch hierbei zeigt sich wieder die Eignung für stark wachsende Unternehmen: Diese benötigen über mehrere Jahre möglichst viel freie Mittel für Investitionen und Wachstumsfinanzierung. Nach einigen Jahren können sie dann die Rendite aus diesen Investitionen nutzen, um die Tilgungsansprüche der Gläubiger zu befriedigen. Im Vergleich zu Bankkrediten bieten High Yield Bonds längere Laufzeiten und ermöglichen dem Emittenten einen sogenannten Term-Out, d.h. eine Verlängerung seines Fristigkeitenprofils.755 Mit einer Hochzinsanleihe lässt sich somit eine größere Finanzierungssicherheit erreichen, als mit Bankkrediten. Insbesondere zur Finanzierung des dauerhaften Kapitalbedarfs eignen sich High Yield Bonds sehr gut, da mit ihnen Fristenkongruenz zwischen dauerhaften Vermögenswerten auf der Aktiv- und langfristigen Anleiheverbindlichkeiten auf der Passivseite erzielen lässt.756 750
Vgl. Kusserow/Dittrich (2000), S. 748. Vgl. Brealey et al. (2006), S. 676f. 752 Vgl. Heitmann (2007), S. 106 sowie Experte 3 (2008), S. 5 im Interview. 753 Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 787f. 754 Vgl. Experte 3 (2008), S. 5. 755 Vgl. Experte 3 (2008), S. 4. 756 Zur goldenen Finanzierungsregel, die das Ziel der Fristenkongruenz operationalisiert, vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 543f, Ehringer et al. (2004), S. 62. 751
131 4.1.4.3. Nicht-Belastung von Realsicherheiten und Nachrangigkeit Grundsätzlich haben Gläubiger ein Recht auf Verzinsung und Tilgung ihrer zur Verfügung gestellten Finanzmittel. Zur Sicherung dieses Rechts bestehen Banken i.d.R. auf dingliche Sicherheiten. Bei Bankkrediten muss das kreditnehmende Unternehmen daher für den Insolvenzfall häufig Verwertungsrechte auf operative Vermögenswerte einräumen (Secured Debt).757 Während diese dingliche Form der Besicherung bei Investment Grade Obligationen von Industrieunternehmen noch gelegentlich eingesetzt wird, bestehen bei High Yield Bonds grundsätzlich fast nie Besicherungen des operativen Vermögens (Unsecured Debt).758 Zusätzlich zur fehlenden Besicherung sind die Gläubigeransprüche aus High Yield Bonds prinzipiell nachrangig. Damit werden sie im Insolvenzfall erst berücksichtigt, wenn alle vorrangigen Verpflichtungen gegenüber Kreditgebern oder Gläubigern früherer Anleihen befriedigt wurden.759 Die Ansprüche von High Yield Bond Gläubigern sind ausschließlich gegenüber Eigenkapitalgebern vorrangig und bleiben damit im Zweifelsfall bei einer Unternehmensliquidierung unbefriedigt.760 Entsprechend liegen die durchschnittlichen Verwertungsraten (Recovery Rates) nachrangiger Bonds in Europa zwischen 31% und 33%, d.h. im Insolvenzfall erhalten die Kapitalgeber nur ca. ein Drittel ihrer Mittel zurück.761 Diese Nachrangigkeit (Subordination) kann prinzipiell auf zwei Arten hergestellt werden. Entweder wird die Nachrangigkeit vertraglich vereinbart oder strukturell bzw. gesellschaftsrechtlich umgesetzt. Bei der – in den USA üblichen –vertraglichen Nachrangigkeit vereinbaren Emittent und Gläubiger, dass die Tilgung des Bond erst nachrangig nach vollständiger Befriedigung vorrangiger Gläubiger erfolgt. Bei europäischen High Yield Anleihen hingegen – und damit modus operandi für deutsche Unternehmen – wird der Bond häufig nicht durch eine operative Gesellschaft platziert, sondern eine von den operativen Gesellschaften getrennte Einheit ohne eigenes Geschäft fungiert als Emittentin.762 Meist handelt es sich dabei um eine Muttergesellschaft mit Holdingfunktion, die das Kapital dann über einen konzerninternen Kredit an die operative Gesellschaft weiterreicht.763 Damit sind die von strukturellen Subordination betroffenen Anleihegläubiger mindestens eine Gesellschaftsebene weiter vom verwertbaren Vermögen entfernt als Kreditgläubiger, die ihre Kreditverträge direkt mit den
757
Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 328. Vgl. Brealey et al. (2006), S. 673, Hoffmann/Baron (2005), S. 317 sowie Hansen (1991), S. 51. 759 Vgl. Schrell/Kirchner (2004), S. 212, Kusserow/Dittrich (2000), S. 747f, Harrer/Fisher (2003), S. 781. 760 Vgl. Heitmann (2007), S. 95. 761 Vgl. Moody's Investors Service (Hrsg.) (2008b), S. 16. 762 Vgl. Schrell/Kirchner (2004), Harrer/Fisher (2003), S. 781 sowie Wood (2007), S. 185ff. 763 Vgl. Heitmann (2007), S. 97. 758
132 operativen Einheiten schließen.764 Neben dieser grundsätzlichen Nachrangigkeit von High Yield Bonds besteht auch innerhalb nachrangiger Verbindlichkeiten – z.B. bei mehreren High Yield Anleihen – eine Rangreihefolge der Gläubigeransprüche, die für den Zweck dieser Arbeit jedoch untergeordnete Relevanz besitzt und daher nicht weiter erörtert wird.765 Für das emittierende Unternehmen ist diese rechtliche Ausgangsposition von High Yield Gläubigern grundsätzlich positiv, da keine Realsicherheiten zu leisten sind. Das Potenzial zur Kapitalaufnahme wird damit durch einen High Yield Bond vergrößert. Denn zur Besicherung von Bankkrediten stehen dieselben unbelasteten Realsicherheiten wie ohne High Yield Bond zur Verfügung und die Tilgungsansprüche der Anleihegläubiger sind nachrangig. Damit wird das potenzielle Bankkreditvolumen nicht reduziert, sondern das potenzielle High Yield Volumen kommt – zumindest teilweise766 – als zusätzliches Kapital hinzu.
4.1.4.4. Covenants und andere schuldrechtliche Sicherheiten Die rechtliche Ausgangslage von High Yield Gläubigern ist also durch fehlende Realsicherheiten und Nachrangigkeit ihrer Ansprüche gekennzeichnet. Um diese Nachteile wenigstens teilweisen zu überwinden, ist es üblich, dass die operativ tätigen Gesellschaften den Gläubigern der emittierenden Gesellschaft vertragliche Zusicherungen in Form schuldrechtlicher Sicherheiten zugestehen.767 Dazu gehören insbesondere Garantien und Covenants. Die bereits für Bankkredite beschriebenen Garantien dienen bei – in Europa üblichen – strukturell nachrangigen Anleihen dazu, der emittierenden Gesellschaft eine höhere Kreditwürdigkeit zu verschaffen.768 Werthaltigkeit und ökonomischer Nutzen dieser Sicherheiten sind zwar umstritten, die theoretische Annäherung der Anleihegläubiger an die Vermögenswerte gilt bei High Yield Bonds aber als faktisch unverzichtbar.769 Zusätzlich zu Garantien können auch Patronatserklärungen dazu dienen, den Anleihegläubigern ein „besseres Gefühl“ bzgl. der Besicherung ihrer Investition zu geben. Da Patronatserklärungen und Garantien in 764
Vgl. Reuter (2001), S. 394. Aus der Abtretung oder Übereignung der zur Sicherung des Secured Debt eingesetzten Vermögenswerte nach dessen Rückzahlung an nachrangige Gläubiger begründet sich eine unterschiedliche Seniorität innerhalb der nachrangigen Gläubiger für den Insolvenzfall: Senior, Senior Subordinated, Junior, Junior Subordinated. Zur Rangreihenfolge innerhalb nachrangigen Fremdkapitals und deren Werthaltigkeit im Liquidierungsfall vgl. Wood (2007), S. 177ff, Brealey et al. (2006), S. 674, van Aubel (2000), S. 36 sowie Frommann (1992), S. 127. Zur Abtretung von Rückgewähransprüchen vgl. Zantow (2007), S. 178 sowie Lwowski (2000), S. 217ff 766 Einer Erhöhung des potenziellen Kreditvolumens in voller Höhe der über den Bond aufgenommenen Mittel steht eine etwaige Bonitätsreduktion aufgrund der gestiegenen Fremdkapitalvolumina entgegen. 767 Für einen Überblick zu Funktionsweise und rechtlichen Grundlagen potenzieller Zusicherungen vgl. HartwigJacob (2001), S. 469ff. 768 Vgl. Horn (1972), S. 289 sowie Siebel (1997), S. 443. 769 Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 329. Zur Ausgestaltung von Garantien bei Anleihen vgl. Siebel (1997), S. 443ff sowie Hartwig-Jacob (2001), S. 368ff. 765
133 ihrer Funktion und Ausgestaltung jedoch kein Spezifikum von High Yield Anleihen darstellen, wird auf ihre weitere Erörterung in der vorliegenden Arbeit verzichtet.770 Eine besondere Bedeutung bei High Yield Anleihen hingegen besitzen Covenants. Wie bereits in Abschnitt 3.1.3.2 erläutert, existiert das Covenant-Konzept nominell sowohl in Kreditals auch in Anleiheverträgen. Der Kreditnehmer bzw. Emittent sagt damit vertraglich zu, während der Kredit- bzw. Anleihelaufzeit bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen bzw. andere Erfordernisse zur Sicherung der Gläubigeransprüche einzuhalten.771 Entgegen der nominell gleichgerichteten Verwendung des Begriffs Covenant in Bankkreditund Anleiheverträgen unterscheidet sich die jeweilige Ausgestaltung deutlich. Bei Bankkrediten sind sogenannte Maintenance Covenants üblich, bei denen ergebnisorientierte Wertgrenzen in Form von Kennzahlen während der gesamten Laufzeit eingehalten werden müssen. Ein Unterschreiten dieser Mindestkennzahlen löst ein sofortiges Kündigungsrecht der Banken aus. High Yield Anleihen hingegen sind üblicherweise mit Incurrence Covenants ausgestattet. Dabei handelt es sich zwar auch um Kennzahlen, deren Einhaltung ist jedoch nur zu bestimmten Stichtagen (i.d.R. 31.07. und 31.12.) nachzuweisen. Unabhängig von diesen Stichtagen müssen die vereinbarten Grenzwerte nur eingehalten werden, wenn das Unternehmen eine Maßnahme durchführt, die qua Anleihevertrag diesen Test auslöst – üblicherweise die Aufnahme zusätzlicher Verschuldung. Ein ereignisunabhängiger Bruch eines Incurrence Covenant berechtigt nicht zur sofortigen Fälligstellung der Anleihe. Lediglich die Aufnahme weiterer Verschuldung wird untersagt.772 Dies stellt einen sehr bedeutenden Unterschied zu Maintenance Covenants bei Bankkrediten dar und kann in seinen Auswirkungen auf die tägliche Unternehmenspraxis nicht hoch genug eingeschätzt werden, wie die befragten Kapitalmarktexperten versichern.773 Dieser wesentliche konzeptionelle Unterschied verdeutlicht, dass sich die Ziele von Covenants bei Bankkredit und High Yield Bond grundlegend unterscheiden. Kreditgläubiger wollen das Schuldnervermögen in Umfang und Struktur stabil halten und sie wollen die Finanzund Investitionspolitik des Unternehmens kontrollieren und direkt beeinflussen.774 Dieser
770
Zur Garantie und Patronatserklärung, ihrer jeweiligen Funktion, Werthaltigkeit und rechtlichen Ausgestaltung vgl. Zantow (2007), S. 157ff, Hartwig-Jacob (2001), S. 403ff, Siebel (1997), S. 452ff. Vgl. Herbst (2005), S. 63. Damit stellen Covenants einen Wert für Investoren dar, der sich folglich in besserer Platzierbarkeit und niedrigerem Kupon niederschlägt. 772 Zur Unterscheidung von Maintenance und Incurrence Covenants vgl. Experte 3 (2008), S. 3f, Experte 2 (2008), S. 12, Hutter (2008), S. 454, Heitmann (2007), S. 122, Harrer/Fisher (2003), S. 782, Kästle (2003), S. 65f sowie Darrow et al. (2005), S. 20f. 773 Vgl. Experte 3 (2008), S. 3f, Experte 2 (2008), S. 12. 774 Vgl. Hutter (2008), S. 453. Die Verwendung von Maintenance Covenants dient explizit der Steuerung von Managemententscheidungen zur Verhinderung einer aus Bankensicht riskanten Finanzpolitik. Vgl. Kühbacher (1993), S. 192. 771
134 Wunsch nach Einfluss und Steuerung wird daran deutlich, dass in internationalen Kreditverträgen viele verschiedene Bilanzrelationsklauseln üblich sind, die sämtlich einzuhalten sind. Differenzierte Kennzahlen für Umlaufvermögen, Verschuldung, Schuldendienst, Reinvermögen, Dividendenzahlungen und Eigenkapital sind keine Ausnahme.775 Dieser Vielzahl an kontinuierlich einzuhaltenden Financial Covenants wird folgerichtig auch ein eigener Abschnitt im Kreditvertrag zugestanden. Covenants bei High Yield Bonds hingegen verfolgen das Ziel, den Emittenten in seiner operativen Handlungsfreiheit so wenig wie möglich einzuschränken, ihn aber bzgl. der Verwendung der erwirtschafteten Erträge aus dem operativ Geschäft zu binden. Sie sollen durch Reinvestition möglichst im Unternehmen belassen werden.776 Eine einheitliche Systematisierung von High Yield Covenants hat sich in der Literatur noch nicht durchgesetzt.777 In der Praxis werden in Offering Memorandum und Anleihevertrag einer High Yield Anleihe die Covenants auch lediglich unter der Überschrift „Certain Covenants“ aufgezählt und nicht weiter systematisiert.778 Daher verwendet die vorliegende Arbeit folgende Dreiteilung zur Darstellung typischer Covenants einer High Yield Anleihe, die auf den geführten Interviews mit High Yield Marktexperten779 sowie dem Grad der High Yield „Exklusivität“ der Covenants basiert: Financial Covenant(s), General Covenants und High Yield-unabhängige Standardklauseln mit Covenant-ähnlichen Funktionen.780 Financial Covenant(s): Der häufig einzige Covenant bei High Yield Anleihen in Form einer
Bilanzrelation Kennzahl, hat die Beschränkung weiterer Verbindlichkeiten zum Inhalt. In der Regel bildet die sogenannte Fixed Charge Cover (häufig auch Fixed Charge Cover Ratio) den zentralen Financial Covenant. Die Kennzahl bildet die Fähigkeit des Unternehmens ab, den Schuldendienst aus den operativen Erträgen zu leisten. Dabei wird häufig eine Mindestdeckung der Zinszahlungen durch das 2,0- oder 2,5-fache an operativen Erträgen verlangt – so auch in den untersuchten Offering Memoranda deutscher Emittenten.781 Weiter Schulden dür775
Vgl. Fahrholz et al. (2007), S. 87f, Kästle (2003), S. 66ff. Die Vielzahl an Kennzahlen soll insbesondere bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens einen direkten Steuerungseinfluss der Banken ermöglichen, da diese Bilanzrelationsklauseln dann als Druckmittel eingesetzt werden können. Vgl. Kühbacher (1993), S. 192. 776 Vgl. die Interviewaussage von Experte 2 (2008) S. 12f. 777 Vgl. Heitmann (2007), S. 132. 778 Vgl. Fresenius Finance B.V. (Hrsg.) (2003), S. 114, Gerresheimer Holding GmbH (Hrsg.) (2006), S. 125, Grohe Holding GmbH (Hrsg.) (2007), S. 194, Heckler & Koch GmbH (Hrsg.) (2004), S. 118, Hornbach Baumarkt AG (Hrsg.) (2004), S. 104, Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 91. 779 Vgl. Experte 2 (2008) S. 11ff und Experte 3 (2008), S. 12. 780 Die folgende Darstellung der häufigsten Covenants basiert auf der Analyse einer individuelle Zusammenstellung wesentlicher Covenants 49 aktueller europäischen High Yield Anleihen durch UniCredit Global Credit Research (Hrsg.) (2008) sowie einer Literaturanalyse von Darrow et al. (2005), S. 21ff, Kusserow/Dittrich (2000), S. 749ff, Hoffmann/Baron (2005), S. 333, Harrer/Fisher (2003), S. 785f, Kricheff/Strenk (1999), S. 15f und Shenkman (1999), S. 225ff. Für eine detaillierte inhaltliche Diskussion einzelner High Yield Covenants vgl. Heitmann (2007), S. 148ff. 781 In den untersuchten Offering Memoranda sind folgende Fixed Charge Covers festgeschrieben: Fresenius 2,5, Gerresheimer 2,0, Grohe 2,0, Heckler & Koch 2,5, Hornbach Baumarkt 2,25, Peri 2,5. Vgl. Fresenius Finance
135 fen damit nur aufgenommen werden, wenn die Erträge die Zinszahlungen um diesen Faktor übertreffen. Gelegentlich wird dieser Covenant um einen Leverage Covenant wie Gesamtoder Nettoverschuldung im Verhältnis zum EBITDA ergänzt. Meist bildet die Fixed Charge Cover jedoch den einzigen Financial Covenant, dem auch kein eigener Abschnitt im Anleihevertrag zugestanden wird.782 General Covenants: Diese Covenants, die nicht auf Bilanzrelationskennzahlen aufbauen,
dienen dazu, den Mittelabfluss in Richtung der Gesellschafter und Dritter zu kontrollieren, das Nettovermögen des Unternehmens zu konservieren, den Zahlungsfluss in Richtung der Anleger zu gewährleisten oder ausreichende Information der Anleger sicher zu stellen. Dazu zählen insbesondere:
Beschränkung von Dividendenzahlungen,
Beschränkung der Zahlung von Dividenden und anderer Auszahlungen an andere Empfänger als der in den Anleihevertrag einbezogenen Gesellschaften,783
Beschränkung des Verkaufs von Vermögenswerten und der Verwendung hieraus frei werdender Mittel – i.d.R. müssen Veräußerungserlöse wieder im Unternehmen investiert werden oder zur Rückzahlungen von Verbindlichkeiten verwendet werden,
Beschränkung der Bestellung von Sicherheiten,
Beschränkung der Abgabe von Garantien durch in den Anleihevertrag einbezogene Gesellschaften,
Beschränkung von Sale-and-lease-back Geschäften,
Beschränkung von Geschäften mit verbundenen Unternehmen,
Beschränkung einer gesellschaftsrechtlichen Fusion des Emittenten,
Beschränkung der Verwendung der aufgenommenen Mittel,
Beschränkung hinsichtlich der Veränderung und Neuaufnahme von Geschäftsfeldern und -modellen,
Definition von Informations- und Berichtspflichten („Reports to Holders“),
Bestimmungen zum möglichen Wegfall von Covenants, z.B. bei Erreichen eines Investment Grade Ratings.
B.V. (Hrsg.) (2003), S. 114, Gerresheimer Holding GmbH (Hrsg.) (2006), S. 130, Grohe Holding GmbH (Hrsg.) (2007), S. 194, Heckler & Koch GmbH (Hrsg.) (2004), S. 118, Hornbach Baumarkt AG (Hrsg.) (2004), S. 104, Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 91. Mit Ausnahme des Bonds von Hornbach wurden keine weiteren Financial Covenants vereinbart. 782 Vgl. Experte 3 (2008), S. 12f, Experte 2 (2008), S. 13 sowie Hutter (2008), S. 454. 783 Rechtlich betrachtet gelten Anleihebedingungen und damit auch Covenants ausschließlich für die emittierende Gesellschaft. Um im Fall von Konzernstrukturen diese Regelungen auf für die Zahlungssicherheit relevante Gesellschaften auszuweiten, werden in den Anleihebedingungen Restricted Subsidiaries definiert, die in die Anleihebedingungen mit einbezogen werden. Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 329.
136 Neben den beschriebenen Covenants beinhalten High Yield Anleiheverträge weitere Klauseln, die zwar den Charakter von Covenants aufweisen, indem sie bestimmte Handlungen oder Unterlassungen vorschreiben, die aber nicht spezifisch für Anleiheverträge sind (Standardklauseln mit Covenant-ähnlichen Funktionen). Dabei handelt es sich insbesondere um
Regelungen wie pari passu-, Negativ-, Change of Control- oder Drittverzugsklausel, die den Gläubigern die Gleichwertigkeit von Verpflichtungen desselben Rangs zusichern,784 dem Emittent die Besicherung weiterer Verbindlichkeiten untersagen,785 den Gläubigern ein Kündigungsrecht im Fall einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse am Emittenten einräumen786 oder Kündigungsrechte im Fall der Fälligstellung anderer Verbindlichkeiten zusichern.787 Da diese Regelungen in der Literatur zu Kreditverträgen bereits ausreichend erörtert werden, wird an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet.788 Die obige Zusammenstellung gibt übliche Covenants bei europäischen High Yield Anleihen wieder.789 Sie ist zwar keine abschließende Liste, vermittelt jedoch einen Überblick, welche vertraglichen Zusicherungen standardmäßig in einen Anleihevertrag aufgenommen werden, um die Platzierung am Kapitalmarkt zu ermöglichen.790 Unbenommen der grundsätzlich standardisierten Liste an Regelungen erfolgt die inhaltliche Ausgestaltung der Covenants anleihespezifisch und ist individuell auf die Ausgangslage des Emittenten abgestimmt. Insbesondere die Definition sogenannter Carve-Outs oder Baskets zu den einzelnen Covenants erfolgt sehr individuell. Sie spiegeln die individuelle Situation des emittierenden Unternehmens wider, indem sie definierte Ausnahmen zu den einzelnen Covenants festlegen. Beispielsweise werden im Rahmen von Carve-Outs bestehende und zusätzliche Kreditlinien von verbundenen Gesellschaften in Höhe eines bestimmten Betrags aus der Beschränkung weiterer Verbindlichkeiten ausgerechnet, Dividendenzahlungen in Abhängigkeit des Jahresüberschusses zugelassen oder jährliche Verkäufe von Vermögensgegenständen bis zu einem definierten Anteil am Anlagevermögen gebilligt.791 Diese unternehmensspezifische Ausgestaltung verdeutlicht eine der großen Stärken von High Yield Anleihen. Die Vertragsgestaltung ist zwar in Erscheinung und Inhalt durch internationale Marktstandards stark vorgegeben, die Ausgestaltung erfolgt aber sehr flexibel und be-
784
Zur pari passu-Klausel vgl. Hartwig-Jacob (2001), S. 511ff. Zur Negativklausel vgl. Hartwig-Jacob (2001), S. 477ff. Zur Change of Control-Klausel vgl. Hartwig-Jacob (2001), S. 526ff. 787 Zur Drittverzugsklausel vgl. Hartwig-Jacob (2001), S. 532ff und Meier-Reimer (1998), S. 526 788 Für einen Überblick zu Standardregeln in Kreditverträgen vgl. bspw. Kästle (2003), S. 51ff oder Kühbacher (1993). 789 Vgl. Heitmann (2007), S. 118. 790 Vgl. Hutter (2008), S. 446, Hoffmann/Baron (2005), S. 317 und S. 329, Kusserow/Dittrich (2000), S. 745. 791 Für einen guten Überblick häufiger Carve-Outs vgl. UniCredit Global Credit Research (Hrsg.) (2008). 785 786
137 rücksichtigt explizit die Anforderungen des emittierenden Unternehmens. Bezieht man in die Bewertung des Finanzierungsinstruments weiterhin die Incurrence-Konzeption der Covenants mit ein, wird um so deutlicher, dass die vertraglichen Einschränkungen des Unternehmens bei Hochzinsanleihen deutlich weniger streng und weitreichend als bei Bankkrediten sind und den Gestaltungsspielraum der Unternehmensleitung weit weniger einschränken.792 Für Familienunternehmen als potenzielle Emittenten besonders hervorzuhebende Covenants sind die Beschränkung der Dividenden sowie „Reports to Holders“. Ersterer schränkt die Ausschüttung von Unternehmensgewinnen ein, was bei privat gehaltene Unternehmen grundsätzlich störend sein kann, da Familieneigner meist den Großteil ihres Vermögens im Unternehmen gebunden haben und theoretisch auf Gewinnausschüttungen angewiesen sein können.793 Allerdings ist diese Einschränkung meist nur auf 50% des Jahresüberschuss begrenzt, d.h. der zugehörige Carve-Out ermöglicht eine jährliche, hälftige Ausschüttung des Unternehmensgewinns. Diese Ausschüttungsbeschränkung findet sich in allen untersuchten Offering Memoranda deutscher Emittenten.794 Zusätzlich kumulieren diese 50%, d.h. wenn in einem Jahr nicht ausgeschüttet wird, erhöht sich der Carve-Out im nächsten Jahr um den entsprechenden Vorjahresbetrag. Insofern dürfte dieser Covenant nur in Ausnahmefällen gegen einen High Yield Bond von Familienunternehmen sprechen. Der „Reports to Holders“ Covenant hingegen wirft eine grundsätzliche Frage nach der Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen auf: Wie viel Publizität ist die Eigentümerfamilie bereit zu akzeptieren? Denn dieser Covenant definiert Anforderungen der Gläubiger an Umfang und Turnus offen zulegender Unternehmensdaten. Der Inhalt dieser Publizitätspflicht wird in den Abschnitten 4.1.5 und 4.1.6 diskutiert. Die Frage, inwiefern High Yield Anleihen für Familienunternehmen aufgrund dieser Transparenzanforderungen grundsätzlich geeignet sind, wird detailliert in den Kapiteln 5 und 6 diskutiert. Daher kann an dieser Stelle auf eine weitergehende Erörterung verzichtet werden.
4.1.4.5. Kündigungsrechte der Gläubiger Neben den Kündigungsrechten des Emittenten, die bereits in Abschnitt 4.1.4 2 erläutert wurden, legen die Anleihebedingungen auch Sachverhalte fest, die ein Recht zur Kündung und
792
Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 782, Müller-Känel (2004), S. 163 sowie Cornish (1990), S. 31. Vgl. exemplarisch Experte 1 (2008), S. 7 und Achleitner et al. (2008a), S. 19. 794 Vgl. Fresenius Finance B.V. (Hrsg.) (2003), S. 115, Gerresheimer Holding GmbH (Hrsg.) (2006), S. 126, Grohe Holding GmbH (Hrsg.) (2007), S. 198, Heckler & Koch GmbH (Hrsg.) (2004), S. 121, Hornbach Baumarkt AG (Hrsg.) (2004), S. 108, Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 93. 793
138 Fälligstellung der Anleihe durch die Gläubiger zur Folge haben.795 Eine Ausübung dieses Kündigungsrechts zieht eine sofortige Verpflichtung zur Rückzahlung der Anleihe zu einem Kurs über 100% (regelmäßig 101%) nach sich.796 Kündigungsvoraussetzungen oder Events of Default sind die Nichteinhaltung von verpflichtenden Anleihebedingungen oder eine wesentliche wirtschaftliche Verschlechterung der Unternehmenslage.797 Typischerweise sehen Anleiheverträge folgende Events of Default vor: Die Insolvenz des Emittenten oder operativer Tochtergesellschaften, die für den Schuldendienst relevant sind. Kommt der Emittent bzgl. Kupon oder Tilgung in Zahlungsverzug stellt das einen weiteren Kündigungsgrund dar.798 Aufgrund der Härte der Konsequenz einer Fälligstellung wird für einen Default aufgrund von Zahlungsverzug meist ein Verzug von mindestens 30 Tagen vorausgesetzt (Grace Period).799 Eine High Yield Anleihe wird auch dann rückkaufspflichtig, wenn Drittverzug eintritt, d.h. wenn der Emittent bei einer anderen Verbindlichkeit in Verzug gerät.800 Weiterhin bedingt die Change of Control-Klausel ein Kündigungsrecht der Gläubiger bei einem Wechsel in der
Unternehmensbeherrschung.801 Die Change of Control-Klausel erweist sich häufig als übernahmefeindlich und bietet einen gewissen Schutz gegen ungewollte Änderungen der Gesellschafterstruktur.802 Die Verletzung definierter Covenants bildet einen weiteren Tatbestand, der eine Rückzahlungspflicht auslöst.803 Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass üblicherweise nicht die Verletzung jedes Covenant einen Default auszulösen vermag. Vielmehr wird im Anleihevertrag definiert, welche Covenant Brüche ein Kündigungsrecht der Gläubiger zur Folge haben und welche Beseitigungsfristen nach Verletzung des Covenant bestehen. Typischerweise lösen Verstöße gegen Vertragspflichten, die Verschmelzungen und Verkäufe von Tochtergesellschaften oder anderer wesentlicher Vermögenswerte untersagen, ein sofortiges Kündigungsrecht aus. Verstöße gegen andere Covenants begründen einen Default üblicherweise erst nach Ablauf bestimmter Fristen und Zugang notwendiger Benachrichtigungen durch Gläubiger.804 Ein Kündigungsrecht aufgrund von Verstößen gegen Covenants stellt dabei kein High Yield Spezifikum dar, vergleichbare Bestimmungen sind auch bei Bankkredi-
795
Dabei handelt es sich um ein außerordentliches Kündigungsrecht. Ein ordentliches Kündigungsrecht existiert nicht, da dies dem wirtschaftlichen Konzept der Anleihe sowie dem Interesse des Unternehmens an langfristiger Finanzierung diametral entgegenstünde. Vgl. Horn (1972), S. 251. 796 Vgl. Heitmann (2007), S. 109. 797 Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 788 sowie Kusserow/Dittrich (2000), S. 748. 798 Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 788. 799 Vgl. Heitmann (2007), S. 110. 800 Vgl. Heitmann (2007), S. 111f. 801 Vgl. Heitmann (2007), S. 109 sowie Kusserow/Dittrich (2000), S. 748. 802 Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 787. 803 Vgl. Kusserow/Dittrich (2000), S. 748. 804 Vgl. Heitmann (2007), S. 110f sowie Kusserow/Dittrich (2000), S. 748.
139 ten üblich.805 Aufgrund der erläuterten Kündigungsfristen und vergleichbaren Regelungen in üblichen Verträgen von Bankkrediten begründen die Kündigungsrechte der Gläubiger keine spezifischen Gründe für oder gegen eine Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen.
4.1.5. Emission eines High Yield Bond
4.1.5.1. Rechtliche Gestaltung einer typischen High Yield Emission Trotz national unterschiedlicher Rechtsgestaltung unterliegen öffentliche Emissionen806 rechtsordnungsübergreifend grundsätzlich einer Prospekt- und Registrierungspflicht.807 Mit Prospekterstellung und Registrierung sind jedoch einerseits erhebliche Kosten verbunden, andererseits prolongiert der zugehörige Verwaltungsaufwand die Dauer des Emissionsprozesses spürbar.808 Beides scheuen potenzielle Emittenten von High Yield Anleihen. Gleichzeitig wünschen sie eine flexiblere Gestaltung der Anleihebedingungen als bei öffentlichen Platzierungen möglich.809 Beides spricht für eine Privatplatzierung. Allerdings streben die Emittenten auch eine möglichst breite Investorenansprache und einen liquiden Sekundärmarkthandel an, was wiederum eine öffentliche Platzierung voraussetzt. Die gängigste Platzierungsmethode, um diese unterschiedlichen Anforderungen zu erfüllen, ist eine Privatplatzierung bei institutionellen Investoren einschließlich Notierung an den Wertpapierbörsen in Irland oder Luxemburg.810 Bei High Yield Bonds europäischer bzw. deutscher Unternehmen stellt dies die bei weitem üblichste Vorgehensweise dar.811 Die Grundlage dieser Privatplatzierungen bildet dabei das US-Kapitalmarktrecht, selbst wenn eine Platzierung im US-Markt nicht vorgesehen ist. Auch für die Emission gilt, was bereits zur Rechtswahl der Anleihebedingungen festgestellt wurde: Einen europäischen oder deutschen Typ von High Yield Anleihen gibt es nicht.812 Das amerikanische Primärkapitalmarkrecht wird durch den Securities Act von 1933 grundlegend geregelt und durch Rules und Regulations der Securities and Exchange Comission
805
Vgl. Kästle (2003), S. 75f. Zur Unterscheidung von öffentlicher und privater Emissionen vgl. Abschnitt 3.3.4.4. Für Deutschland ergibt sich die Registrierungs- und Prospektpflicht gemäß §3 I WpPG, in den USA gemäß Sec. 5 Securities Act. 808 Vgl. Achleitner (2002), S. 493. 809 Vgl. Klein/Coffee (2007), S. 253. 810 Zur Notierung in Luxemburg oder Irland vgl. Abschnitt 4.1.5.3. 811 Vgl. Livingston/Zhou (2002), S. 7f sowie Antin/Haas (1999), S. 533. 812 Vgl. Abschnitt 4.1.4.1 sowie Hoffmann/Baron (2005), S. 319. 806 807
140 (SEC) ausgestaltet. Gemäß §5 (a) des Securities Act muss jede Emission von Wertpapieren auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt registriert werden. Diese Verpflichtung entfällt ausschließlich im Fall von Privatplatzierungen.813 Um eine High Yield Emission so zu gestalten, dass sie keine Registrierungspflicht auslöst und trotzdem einem breiten Investorenkreis angeboten werden kann, hat die SEC mehrere Ausnahmeregelungen geschaffen, sogenannte Safe Harbors: Die erste Ausnahmeregel – den Issuer Safe Harbor – bildet Rule 506 und gibt Kriterien vor, wie eine Privatplatzierung zu gestalten ist, so dass der Sachverhalt der Privatplatzierung Bestand hat, die Anleihe mit sogenannten Accredited und Non-Accredited Investors aber trotzdem einer breiten Investorenbasis angeboten werden kann.814 Mit Rule 144 als zweitem, sogenannten Resale Safe Harbor ermöglicht die SEC im Rahmen bestimmter Kriterien den Handel mit Wertpapieren, die im Rahmen einer Privatplatzierung gemäß Rule 506 erworben wurden (Restricted Securities) ohne eine nachträgliche Registrierungspflicht auszulösen.815 Um verbleibende Unklarheiten bei den einzuhaltenden Handelsbedingungen zu klären, wurde der Resale Safe Harbor mit Rule 144A weiter detailliert. Danach sind Restricted Securities uneingeschränkt handelbar, wenn der Verkäufer die in Rule 144A genannten Voraussetzungen erfüllt. Die wichtigste Regel ist dabei, dass ein Weiterverkauf ausschließlich an sogenannte Qualified Institutional Investors erfolgen darf. Darunter fallen institutionelle Investoren, die Erfahrung im Handel mit Wertpapieren besitzen und im Gegensatz zu „widow and orphan investors“816 nicht durch eine unabhängige Institution wie der SEC vor Wertpapierbetrug geschützt werden müssen. Im Grundsatz handelt es sich dabei um Anleger, die weisungsunabhängig mindestens 100 Mio. US-Dollar in Wertpapiere Dritter investieren.817 Mit der zunehmenden Verflechtung internationaler Kapitalmärkte stellt sich bzgl. der Registrierungspflicht nach US-amerikanischen Börsenrecht zusätzlich die Frage, wie Wertpapieremissionen dahingehend abgegrenzt werden können, ob sie für den US-amerikanischen Kapitalmarkt bestimmt sind oder nicht. Gäbe es bspw. die Möglichkeit, dass die High Yield Anleihe eines deutschen Unternehmens beim Kauf durch einen amerikanischen Investor an einer Börse außerhalb der USA als für den amerikanischen Kapitalmarkt bestimmt gälte, entstünde dadurch eine US-amerikanische Registrierungspflicht. Um dies zu verhindern, stellte die SEC zuletzt 1998 mit der Regulation S klar, unter welchen Voraussetzungen ein Wertpapier nicht
813
Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 319. Vgl. SEC Rule 506 (a) sowie SEC Rule 506 (b) (2) (i) i.V.m. SEC Rule 501 (e) (1) (iv). 815 Vgl. SEC Rule 144. Zu den unterschiedlichen Haltedauern und Handelsvorschriften vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 320. 816 Livingston/Zhou (2002), S. 7. 817 Vgl. SEC Rule 144A. Zu den weiteren Voraussetzungen bei Berufung auf Rule 144A vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 320f. 814
141 als in den amerikanischen Kapitalmarkt eingegangen gilt. Im Wesentlichen wird dies erreicht, indem keine Verkaufsangebote an Personen auf US-Territorium erfolgen und seitens des begebenden Unternehmens Verkaufsbemühungen untersagt werden, die dazu geeignet sind, Einfluss auf den US-Kapitalmarkt zu nehmen.818 Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtslage zum US-amerikanischen Kapitalmarkt werden High Yield Bond Emissionen europäischer Unternehmen regelmäßig folgendermaßen strukturiert: Der Emittent verkauft die Anleihe unter Rückgriff auf Regulation S als Private Placement an die Initial Purchasers.819 Diese vertreiben die Anleihe an Investoren weiter. Dazu berufen sie sich entweder auf Rule 144A und vertreiben in den USA lediglich an Qualified Institutional Investors oder sie greifen auf Regulation S zurück und verkaufen die Teilschuldverschreibungen ausschließlich an Personen außerhalb der USA.820 Alle untersuchten Offering Memoranda deutscher Emittenten weisen diese Platzierungsform auf.821 Durch die damit erzielte Sekundärmarktliquidität, die eine großvolumige Emission ermöglicht, handelt es sich bei diesen Privatplatzierungen folglich nicht um Private Debt im Sinne von Abschnitt 3.3.4.2. Die Konsequenzen dieser Vorgehensweise für das emittierende Unternehmen ergeben sich aus der Internationalität der Rechtsgrundlage. Zwar übernehmen die mit der Emission betreuten Dienstleister – Banken, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer – die Detailarbeit bei der Ausgestaltung der Anleiheverträge, allerdings müssen die an der Anleiheemission beteiligten Unternehmensvertreter sich auf diese Internationalität einlassen. Der Wille zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Konsequenzen dieser internationalen Rechtswahl auf das Unternehmen und entsprechende Englischkenntnisse sind zwei Beispiele für notwendige Voraussetzungen.
4.1.5.2. Notwendige Dokumente für den Anleihevertrieb Zur Emission einer Subinvestment Grade Anleihe ist ein Prospekt für den Bondvertrieb erforderlich. Aufgrund der beschriebenen üblichen Gestaltung als Privatplatzierung nach US-Ka-
818
Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 321ff. Die Initial Purchasers sind i.d.R. das Bankenkonsortium, das die Emission betreut und dem Emittenten mit dem initialen Ankauf der Anleihe Finanzierungs- und Liquiditätssicherheit gibt. Vgl. Abschnitt 3.3.4.4. 820 Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 323. 821 Vgl. Fresenius Finance B.V. (Hrsg.) (2003), S. i, Gerresheimer Holding GmbH (Hrsg.) (2006), auf dem Umschlag, Heckler & Koch GmbH (Hrsg.) (2004), S. 1, Hornbach Baumarkt AG (Hrsg.) (2004), S. i, Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. i. Auch die Bonds von Escada und Cognis wurden auf diese Weise platziert. Vgl. Heitmann (2007), S. 63. 819
142 pitalmarkrecht handelt es sich dabei um ein de jure freiwilliges Informationsmemorandum.822 Diese Freiwilligkeit kann jedoch als theoretische Freiwilligkeit betrachtet werden, da de facto eine zwingende Notwendigkeit zur Erstellung eines Offering Memorandum (auch Offering Circular) besteht. Diese Notwendigkeit ergibt sich wiederum aus einem Marktstandard für High Yield Bonds, der die Platzierung eines High Yield Bond ohne entsprechendes Offering Memorandum unmöglich machen würde. Zusätzlich zur grundsätzlichen Notwendigkeit sind auch Inhalt und Aufbau dieses Dokuments stark standardisiert. Abweichungen von diesen Standards nähmen potenzielle Investoren wiederum sehr kritisch auf, was eine Platzierung ebenso erschweren würde, wie die befragten Kapitalmarktexperten betonen.823 Das Offering Memorandum stellt das zentrale Dokument der Emission dar und definiert mit den Anleihebedingungen alle für Emittent und Investor relevanten Fragestellungen.824 Der standardisierte Aufbau sieht dabei folgende Inhalte vor:825 Nach einigen einleitenden Hinweisen beginnen Offering Memoranda mit der sogenannten Box Summary. Dabei handelt es sich um die ersten 6 bis 10 Seiten, die mit einem schwarzen Rahmen umrandet sind und die wesentlichen Fakten zu Emittent und Anleihe zusammenfassen:826 Geschäftsmodell, Stärken, Strategie, Konzern- und Finanzstruktur des Emittenten, Anleihebedingungen einschließlich Covenants und historische Kennzahlen aus Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) sowie Bilanz und Kapitalflussrechnung. Daran anschließend werden die spezifischen Risikofaktoren des Emittenten mit potenziellen Auswirkungen auf seine Zahlungsfähigkeit dargestellt.827 Inhalt der folgenden Seiten sind zukünftige Verwendung der aufgenommenen Finanzmittel sowie aktuelle Kapitalstruktur und ausgewählte Finanzdaten des Emittenten. Einen weiteren Schwerpunkt von Offering Memoranda bildet die anschließende Management Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations (MD&A). Hierin wird das Unter822
Die Entstehung einer Pflicht zur Erstellung eines Verkaufsprospekts gemäß §1 VerkProspG oder eines Börsenzulassungsprospekts gemäß §§13ff BörsZulV wird i.d.R. durch die Gestaltung als Private Placement vermieden. Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 331f. 823 Vgl. Experte 2 (2008), S. 6ff, Experte 3 (2008), S. 10f. Vgl. außerdem Hoffmann/Baron (2005) S. 331. 824 Vgl. Heitmann (2007), S. 71, Tresnowski/Nowak (2004), S. 20. Zusätzlich zum Offering Memorandum besteht ein Anleihevertrag (Indenture), der die Anleihebedingungen detailliert definiert und der zwischen Emittent, möglichen Garantiegebern und in Vertretung der Gläubiger durch eine Treuhandgesellschaft (Trustee) geschlossen wird. Weil die Unterschiede zwischen Offering Memorandum und Indenture für den Zweck dieser Arbeit vernachlässigbar sind, das Offering Memorandum das zentrale Dokument bei Verhandlung der Emissionsbedingungen und im Vertrieb der Anleihe darstellt und alle wesentlichen Inhalte des Indenture enthält (z.B. alle Covenants), wird auf eine weitere Differenzierung zwischen Indenture und Offering Memorandum verzichtet und lediglich Letzteres beschrieben. Zum Inhalt des Indenture und Abgrenzung zum Offering Memorandum vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 332ff. 825 Aufbau und Inhalt orientieren sich dabei stark an registrierten Prospekten nach amerikanischem Kapitalmarktrecht. Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 331. Für die folgenden Ausführungen vgl. Heitmann (2007), S. 72f. 826 Vgl. Experte 3 (2008), S. 11. 827 Vgl. Item 503 (c) der SEC Regulation S-K, die diese Risikobeschreibung für registrierungspflichtige Emissionen vorgibt und als Marktstandard fast vollständig auch bei nicht registrierungspflichtigen Anleihen angewendet wird.
143 nehmen mit Geschäftsmodellen und -bereichen, geographischer Aufteilung, Managementteam, Eigentümern, Liquidität und sonstiger Finanzierung sehr detailliert beschrieben. Auf diese Analyse des Unternehmens folgt die Beschreibung der eigentlichen Emission (Description of the Notes) inkl. detaillierter Darstellung der Covenants und zugehöriger Carve-Outs. Der Textteil des Offering Memorandum endet mit Hinweisen zu Platzierung, Besteuerung, Haftung828 und Gerichtsstand. Mit dem Anhang folgt der Datenteil des Offering Memorandum, in dem die Finanzdaten und Bestätigungsvermerke der letzten Jahresabschlüsse dargestellt werden. Dieser standardisierte Aufbau liegt allen im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Offering Memoranda deutscher Emittenten zugrunde.829 Flankiert wird das Offering Memorandum durch eine gutachterliche Stellungnahme vom Wirtschaftsprüfer des Emittenten (Comfort Letter830), zu dessen Beauftragung auf eigene Rechnung der Emittent durch die begleitenden Emissionsbanken regelmäßig verpflichtet wird. Darin bestätigt der Abschlussprüfer die im Finanzteil des Emissionsprospekts enthaltenen Angaben.831 Die drei Kernfunktionen des Comfort Letter sind Entlastungsfunktion, Eigeninformation und Risikoabwälzung. Erstens möchten die Emissionsbanken sich gegenüber den Anlegern bzgl. der Informationsqualität der Finanzangaben im Emissionsprospekt absichern und eigene grobe Fahrlässigkeit ausschließen. Mit dem Comfort Letter bestätigt der Wirtschaftsprüfer dazu, dass zwischen der Erteilung des letzten Testats und dem Zeitpunkt der Emission keine wesentlichen Veränderungen der Finanzlage eingetreten sind, die gegen die Erteilung des letzten Bestätigungsvermerks gesprochen hätten. Zweitens möchten die Emissionsbanken das Risiko reduzieren, unzureichend über den Emittenten informiert zu sein. Der Comfort Letter dient somit der externen, fachlich versierten Bestätigung der eigenen Analysen. Gleichzeitig erzeugt das Wissen um eine anstehende Analyse des Wirtschaftsprüfers einen gewissen Druck auf den Emittenten, eventuell negative Aspekte der Finanzlage bereits zu Beginn des Emissionsprozesses offen zu legen, da ein späteres Aufdecken ohnehin zu befürchten ist. Drittens dient der Comfort Letter dazu, das Risiko späterer Regresspflichten aufgrund von Fehlern im Offering Memorandum zumindest teilweise auf den Wirtschaftsprüfer abzuwälzen. Zu Inhalt und Vorgehensweise der zugrunde liegenden Prüfungshandlungen so828
Für eine detaillierte Einordnung und Analyse von Haftungsfragen bei internationalen Anleihen vgl. beispielhaft Langendorf (2006), Siebel (1997) oder Hartwig-Jacob (2001). Im Zusammenhang mit Haftungsfragen nach deutschem Recht wird regelmäßig auch die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf Anleihebedingungen diskutiert, was allerdings außerhalb des Fokus dieser Arbeit liegt. Vgl. hierzu Masuch (2001), Assmann (2005). 829 Vgl. Fresenius Finance B.V. (Hrsg.) (2003), Gerresheimer Holding GmbH (Hrsg.) (2006), Grohe Holding GmbH (Hrsg.) (2007), Heckler & Koch GmbH (Hrsg.) (2004), Hornbach Baumarkt AG (Hrsg.) (2004), Peri GmbH (Hrsg.) (2004a). 830 Ein Comfort Letter ist inhaltlich von einem Letter of Comfort zu unterscheiden, der eine Patronatserklärung darstellt. Zur Patronatserklärung vgl. Abschnitt 3.1.3.2. 831 Vgl. Langendorf (2006), S. 50.
144 wie bei der formellen Gestaltung des Comfort Letter haben sich auch hier inzwischen bestimmte Marktstandards etabliert.832 Bei Definition der Anleihebedingungen und der zugehörigen Erstellung von Rating, Offering Memorandum und Comfort Letter ist es notwendig, dass alle beteiligten Parteien – Emissionsbanken und deren Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Ratingagenturen – sich intensiv und detailliert mit der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens auseinandersetzen und im Rahmen einer Due Diligence bestehende Informationsasymmetrien überwinden.833 Da es sich bei typischen High Yield Emittenten um schnell wachsende, aufstrebende Unternehmen handelt, hilft diese Analyse auch dem Emittenten. Denn aus der Schnelligkeit des Wachstums können sich für den Emittent und folglich auch für den Anleger wirtschaftliche und rechtliche Risiken ergeben. Die Due Diligence zur Emissionsvorbereitung hilft dabei, diese potenziellen und existierenden Risiken zu identifizieren, wenn möglich zu beseitigen aber mindestens in den Emissionsdokumenten transparent zu machen und zukünftig im Blick zu behalten.834 Für den Emittenten bedeutet dies, dass er alle relevanten Daten für die umfassende Analyse des Unternehmens in einem sogenannten Data Room bereit stellen und den am Emissionsprozess beteiligten Banken, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Ratinganalysten offen legen muss. Selbst wenn die Bereitschaft zur Offenlegung vorhanden ist, wovon bei vielen Familienunternehmen nicht selbstverständlich auszugehen ist, setzt dies eine Reife und einen Ausbaugrad im Finanz- und Controllingbereich voraus, die bei einem typischen, mittelständisch geprägten Familienunternehmen gegebenenfalls erst aufgebaut werden müssen. Verfügbarkeit, Qualität und Aktualität der notwendigen Daten werden bei einem privaten Unternehmen ohne bisherigen Kontakt zu externen Analysten nicht grundsätzlich gegeben sein.
4.1.5.3. Bondvertrieb, Preisfeststellung und Platzierung Der Vertrieb eines europäischen High Yield Bond funktioniert über eine mehrtägige Roadshow, im Rahmen derer Vertreter von Emittent und Emissionsbanken die wichtigsten Finanz-
832
Diese Marktstandards werden weitgehend durch einen Prüfungsstandard des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) abgebildet, der die Ausgestaltung eines Comfort Letter beschreibt. Vgl. IDW Prüfungsstandard 910 sowie IDW (Hrsg.) (2007), S. 2473. Zur inhaltlichen Ausgestaltung des Comfort Letter vgl. Langendorf (2006) S .137ff. Zu den Funktionen eines Comfort Letter vgl. Meyer (2003), S. 1746, Langendorf (2006), S. 132ff, Kunold (2008), S. 761ff. 833 Zu Begriff und Durchführung einer Due Diligence vgl. Berens/Strauch (2008), Berens et al. (2008), Westermann (2005) und Hemeling (2005), die zwar teilweise einen über die Emission von Schuldverschreibungen hinausgehenden Due Diligence Begriff verwenden, deren Erkenntnisse aber weitgehend übertragbar sind. 834 Vgl. Nägele (2008), S. 738, Kusserow/Dittrich (2000), S. 747.
145 zentren Europas835 bereisen, potenziellen Investoren das Wertpapier vorstellen und Vertrauensbildung zwischen Investoren und Unternehmensvertreten betreiben.836 Dies geschieht entweder bei Präsentationen für mehrere Investoren gleichzeitig oder individuell im Rahmen von Einzelgesprächen. Mit diesen Investorentreffen während der Roadshow testen die Emissionsbanken die Akzeptanz des Bond. Das ist wichtig, da während der Roadshow der endgültige Kupon noch nicht feststeht und lediglich ein ungefährer Emissionspreis errechnet ist.837 Nach einigen Tagen Roadshow mit Feedback potenzieller Käufer zu Anleihe und Preis beginnt das Bookbuilding, bei denen die Investoren indikative Ordervolumina und -preise in das Orderbuch der Emissionsbanken abgeben. Exemplarisch könnte eine diesbezügliche Aussage eines Investors folgendermaßen lauten: „I care for […] 50 million at seven percent and ten million at six and a half percent“.838 Aus diesen indikativen Angaben ergibt sich eine Preisspanne auf deren Basis die eigentliche Preissetzung durchgeführt wird, bei der die Investoren konkrete Orders innerhalb dieser Preisspanne abgeben. Anhand der konkreten Kaufaufträge definiert die führende Emissionsbank dann den endgültigen Kupon.839 Als Nebenbedingungen zur Preismaximierung bei vollständiger Emissionsplatzierung streben die Emissionsbanken eine möglichst breite und langfristig orientierte Investorenbasis an.840 Im abschließenden Closing unterzeichnen Emittent und Bankenkonsortium die verbleibenden Dokumente. Dazu gehört insbesondere der Übernahmevertrag,841 der die Übernahme der vollständigen Emission durch das Emissionskonsortium als Initial Purchasers regelt.842 Diese wiederum verkaufen das Papier an die Investoren weiter. Dazu hat sich in Europa vor allem eine Notierung an den Wertpapierbörsen in Luxemburg oder Irland durchgesetzt – so auch bei allen untersuchten High Yield Bonds deutscher Emittenten.843 Ausschlaggebend für die Be-
835
Wesentlich sind London, wo die Mehrzahl von High Yield Fonds ihren Sitz haben und Frankfurt mit ca. zehn Fonds. Eher sekundär sind andere kontinentaleuropäische Finanzplätze wie Zürich, Amsterdam und Edinburgh. Vgl. Experte 2 (2008), S. 9 im Experteninterview 836 Vgl. Duffé (2005), S. 122. 837 Das Offering Memorandum, das während der Roadshow verwendet wird, enthält noch keinen Kupon, sondern lediglich Emissionsvolumen und die pro forma Berechnungen der Kennzahl Fixed Charge Cover, woraus sich ein impliziter Zinssatz ergibt, der jedoch lediglich einen Ansatzpunkt für das spätere Pricing bietet. Aufgrund dieser Einschränkung steht auf der Titelseite des Offering Memorandum der Vermerk Preliminary in rot, weswegen dieses Preliminary Offering Memorandum auch als Red bezeichnet wird. Vgl. Experte 2 (2008), S. 10. 838 Experte 2 (2008), S. 10. 839 Zu Roadshow, Bookbuilding und Preisfeststellung vgl. Experte 2 (2008), S. 10f. 840 Vgl. Saß/Zurek (2003), S. 238. Typischerweise werden sogenannte „real money accounts“ gegenüber Hedgefonds bevorzugt. 841 Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 783. Zum Übernahmevertrag vgl. Hartwig-Jacob (2001), S. 196 oder Hoffmann/Baron (2005), S. 334f. 842 Vgl. Abschnitt 3.3.4.4. zu dieser bei High Yield Bonds üblichen Platzierungsform. 843 Während Grohe und Hornbach ihre Bonds an der irischen Börse notierten, wählten Fresenius, Gerresheimer, Heckler & Koch sowie Peri die Börse Luxemburg. Vgl. Fresenius Finance B.V. (Hrsg.) (2003), Gerresheimer
146 deutung dieser beiden Börsen bei High Yield Bonds ist deren Pragmatismus und Schnelligkeit.844 Insbesondere sind dort notierte und gemäß Rule 144A ausgestaltete High Yield Privatplatzierungen deutscher Unternehmen von der Prospektregistrierungspflicht in Deutschland befreit.845 Der Vertrieb der Anleihe wird im Wesentlichen durch die begleitenden Banken geleistet, der Emittent ist maßgeblich nur in die Roadshow eingebunden. Diese fordert dem Unternehmen jedoch insofern viel ab, als i.d.R. der CFO und bei einer Erstemission zusätzlich häufig auch der CEO das Unternehmen gegenüber den interessierten Investoren vertreten. Dazu gehört einerseits die notwendige Offenheit gegenüber Analysten, mit diesen über Details des Unternehmens zu diskutieren und sich evtl. auch kritischen Fragen zu stellen. Dies kann im Fall eines Familienunternehmens bei einem geschäftsführenden Gesellschafter, der sich ungewohnt kritischen Fragen von Analysten gegenüber sieht, die das Unternehmen nicht kennen und es auch in seiner Detailtiefe nicht vollständig verstehen werden, Unverständnis und evtl. Verärgerung hervorrufen. Diese potenzielle Verärgerung bringt folgender Satz eines Unternehmers gut zum Ausdruck, den die Autoren einer Studie zur Finanzierung großer deutscher Familienunternehmen zitieren: „Ich bin Unternehmer und kein Roadshow-Clown!“846. Sofern solch eine emotionale Distanz zu Analysten und Investoren besteht, darf diese jedoch keine Auswirkungen auf die professionelle Präsentation des Unternehmens und Werbung für die Anleihe haben. Dazu gehört neben dem offenen Umgang mit Analysten erneut ein personell und methodisch professionell aufgestellter Finanzbereich. Im Rahmen der Roadshow müssen die Unternehmensvertreter in der Lage sein, alle potenziellen Fragen zur historischen und geplanten Entwicklung wesentlicher Kennzahlen auf Englisch zu beantworten.
4.1.6. Creditor Relations Investor Relations als an Kapitalgeber gerichtete Kommunikationspolitik wird im Bereich der Anleihefinanzierung als Creditor Relations bezeichnet und umfasst alle freiwilligen Maßnahmen anleihebezogener Kommunikation.847 Pflichtpublizität aufgrund gesetzlicher Bestimmun-
Holding GmbH (Hrsg.) (2006), Grohe Holding GmbH (Hrsg.) (2007), Heckler & Koch GmbH (Hrsg.) (2004), Hornbach Baumarkt AG (Hrsg.) (2004), Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), jeweils auf der Vorderseite. 844 Vgl. Kremer (2008), S. 1059. 845 Zu dieser für europäische High Yield Bonds typischen Vorgehensweise der Initial Purchasers bei Vertrieb und Platzierung vgl. Heitmann (2007), S. 69, Hoffmann/Baron (2005), S. 324f, Bruski (2003), S. 18 sowie Harrer/Fisher (2003), S. 788. 846 Burger-Calderon et al. (2004), S. 17. 847 Vgl. Böhm (2004), S. 6, Lingenfelder/Walz (1988), S. 467 sowie Bittner (1996), S. 6.
147 gen ist somit nicht Gegenstand von Creditor Relations.848 Durch die starken Überschneidungen in Maßnahmen, Zielgruppen, Zielsetzungen und Inhalten der Kommunikation lassen sich die grundsätzlichen Erkenntnisse zu Investor Relations auf Creditor Relations übertragen. Allerdings unterscheiden sich die Informationsbedürfnisse von Gläubigern und Eigenkapitalgebern ausdrücklich.849 Bei Anleihegläubigern stehen aufgrund ihres auf Zins und Tilgung begrenzten Gewinnpotenzials das Ausfallrisiko und die Kreditwürdigkeit des Emittenten im Mittelpunkt des Interesses. Die resultierende Sensibilität und Fokussierung auf negative Cashflowentwicklungen und Refinanzierungsschwächen muss explizit durch Creditor Relations adressiert werden.850 Entsprechend haben Creditor Relations das dezidierte Ziel, potenzielle Principal-Agent Konflikte851 zwischen Management und Bondholdern durch regelmäßige und ausführliche Berichterstattung zu minimieren. Eine transparente Unternehmensdarstellung, die den Anleihegläubigern Funktionsweise und Entwicklungen im Unternehmen verständlich macht, reduziert die Unsicherheit der Gläubiger bzgl. ihrer Risikoposition. Je geringer die Unsicherheit bzgl. der Unternehmensrisiken mit Einfluss auf die Zahlungsfähigkeit ist, desto niedriger fällt die Risikoprämie zur Kompensation dieser Unsicherheit aus.852 Um diese Unsicherheitsreduktion zu erreichen, bildet die sogenannte Credit Story den Kern der Creditor Relations. Sie dient der Vermittlung einer objektiven sowie einer subjektiven Zahlungsfähigkeit des Emittenten und adressiert folgende Fragestellungen der Gläubiger: Funktioniert das Geschäftsmodell grundsätzlich und dauerhaft? Welche exogenen Faktoren beeinflussen den Erfolg des Geschäftsmodells? Welche unternehmensinternen Entwicklungen und Faktoren erhöhen bzw. reduzieren die Wahrscheinlichkeit der Nichtleistung von Schuldnerpflichten?853 Neben den Gläubigern als primäre Zielgruppe richten sich Creditor Relations weiterhin an die Ratingagenturen bei deren kontinuierlicher Emissionsbeobachtung.854 Die Instrumente von Creditor Relations zum Aufbau der Credit Story lassen sich in persönliche und unpersönliche Instrumente unterteilen. Zu Ersteren gehören Einzelgespräche (Oneon-Ones) sowie Gruppengespräche und -präsentationen bspw. während der Roadshow aber auch bei unternehmensunabhängigen Investorentreffen wie High Yield Konferenzen. Zu den unpersönlichen Instrumenten von Creditor Relations zählen mit Jahres- und Zwischenberichten die wahrscheinlich wichtigsten Kommunikationsinstrumente. Deren Inhalte gehen dabei
848
Vgl. Allendorf (1996), S. 7f. Vgl. Böhm (2004), S. 10f. 850 Vgl. Mast (2005), S. 449. 851 Zur Principal-Agent Theorie vgl. Abschnitt 5.1.4. 852 Vgl. Huber (2003), S. 222f. 853 Vgl. Mast (2005), S. 450. 854 Zur Zusammenarbeit mit den Ratingagenturen nach Erstellung des Erstratings vgl. Abschnitt 4.1.3.2. 849
148 über die Pflichtpublizität hinaus und sollten über den Internetauftritt des Unternehmens veröffentlicht und ggf. in Telefonkonferenzen mit Analysten und Investoren kommentiert werden. Andere unpersönliche Instrumente sind Pressemitteilungen zur Kommunikation von Hintergrundinformationen und aktuellen Unternehmensnachrichten sowie ein Internetauftritt mit Geschäftsberichten der letzten Jahre, Finanzkalender und Pressearchiv.855 Die Inhalte, die via Credit Relations zu Gläubigern und anderen Zielgruppen transportiert werden sollen, müssen auf die Kommunikationsziele ausgerichtet sein: Vertrauen in das Geschäftsmodell des Unternehmens aufbauen und Unsicherheiten bzgl. der zukünftigen Befriedigung berechtigter Zahlungsansprüche der Gläubiger abbauen. Dazu werden i.d.R. Kennzahlen zu verschiedenen Bereichen verwendet: Profitabilität, Deckung der Gesamt- und Nettoverschuldung856 und Schuldendienstfähigkeit des Unternehmens.857 Eine andere wesentliche Kennzahl, deren Beachtung üblicherweise auch durch einen entsprechenden Covenant vorgeschrieben ist, bildet die bereits erörterte Fixed Charge Cover.858 Dieser Bezug zu den in den Anleihebedingungen definierten Covenants spielt für Creditor Relations bei High Yield Bonds eine weitere Rolle. Wie bereits erörtert, findet sich bei High Yield Anleihen regelmäßig ein Covenant „Reports to Holders“, der dezidiert festlegt, innerhalb welcher Fristen welche Inhalte den Gläubigern gegenüber offen zu legen sind.859 Der Emittent sollte diese Offenlegungspflichten jedoch nicht als notwendiges Übel betrachten, das mit Emission einer High Yield Anleihe zwangsläufig einhergeht. Creditor Relations dienen – ebenso wie Investor Relations – der Reduktion von Risikokosten der Kapitalisierung, d.h. der Risikoreduktion des plötzlichen Kapitalentzugs durch die Anleihegläubiger.860 Und wenn aufgrund guter Creditor Relations Informationsdefizite zwischen Ratingagentur und Unternehmen abgebaut werden können, in Folge dessen die Ratingagentur ein Rating Upgrade ausspricht, haben sich die Kosten für die Kapitalmarktkommunikation i.d.R. mehr als amortisiert. Bei der nächsten Finanzierungsrunde auf Basis des verbesserten Ratings können dann c.p. günstigere Konditionen erzielt werden. Dies gilt analog auch für Finanzierungsbeziehungen außerhalb des Kapitalmarkts. Unternehmen, die am Fremdkapitalmarkt erfolgreich finanziert sind, finden auch in Banken aufgeschlossenere Gesprächspartner als dies bei einer reinen Bankfinanzierung der Fall wäre. Zusätzlich helfen gute Creditor Relations dabei, wei855
Vgl. Mast (2005), S. 454ff sowie Lingenfelder/Walz (1988), S. 467. Nettoverschuldung (Net Debt) entspricht der Gesamtverschuldung des Unternehmens abzüglich nicht operativer Kassenbestände und marktgängiger Wertpapiere. 857 Vgl. Mast (2005), S. 455f. 858 Vgl. Abschnitt 4.1.4.4. 859 Neben den genannten Kennzahlen beinhaltet dies auch die zugrundeliegenden Bilanz- und GuV-Daten, da Analysten die Kennzahlen in ihren eigenen Modellen überprüfen und justieren wollen. 860 Vgl. Klein/Claussen (2000), S. 148. 856
149 tere Kapitalisierungsschritte auch in schlechten Marktzeiten zu ermöglichen.861 Denn wenn Unternehmen und Credit Story im Markt anerkannt sind und bisherige Zahlungsverpflichtungen immer problemlos erfüllt wurden, finden sich auch in einem schwierigen Marktumfeld deutlich leichter Investoren, die bereit sind, frisches Kapital zur Verfügung zu stellen, wie der befragte Kapitalmarktexperte der Deutschen Bank betont: „Das Unternehmen ist bereits ein Name im Markt. Das heißt, wenn ich jetzt zu Investoren gehe, die schon einen Bond des Unternehmens halten, […] kann mit einer gewissen Erwartungshaltung gesagt werden, dass diese Leute auch in einen neuen Bond wieder reingehen. Das ist einfach dann eine Frage des Pricings.“862 Die Voraussetzungen, die ein Familienunternehmen im Rahmen der Creditor Relations für eine High Yield Bondfinanzierung erfüllen muss, entsprechen den Notwendigkeiten, die bereits für Roadshow und Anleihevertrieb diskutiert wurden. Durch den Aspekt der dauerhaften Aufgabe kommt allerdings hinzu, dass der im Rahmen der Emission anfallende Einmalaufwand bei Betreuung von Investoren und Ratingagenturen nach der Emission – zwar reduziert, aber nicht desto trotz – kontinuierlich erbracht werden muss. Dies verdeutlicht die bereits diskutierte Erfordernis einer eigenständigen Treasury Abteilung oder einer anderen vollwertigen organisatorischen Verankerung der dauerhaften Betreuungsleistung.
4.1.7. Kosten einer High Yield Bondfinanzierung Ein wesentlicher Teil der Fremdleistungskosten einer High Yield Bond Emission stammt aus Gebühren für die Übernahmegarantie der Emissionsbank bzw. -banken (Underwriting Fee), die sich am Emissionsvolumen orientieren und in ihrer Höhe unabhängig von der Anzahl der begleitenden Banken sind.863 Bloomberg gibt die durchschnittliche Underwriting Fee für 2006 und die USA mit 1,5% des Emissionsvolumens an.864 Das deckt sich mit Angaben von Thomson Financial, nach denen die weltweit eingenommenen Gebühren durch Investmentbanken für die Emission von High Yield Bonds zum zugehörigen weltweiten Emissionsvolumen für die Jahre 2006 und 2007 jeweils ca. 1,5% betrugen.865 Historisch gesehen ist das relativ niedrig, in den 70er- und 80er-Jahren lagen die Gebühren bei ca. 4%. Zu Zeiten mit geringeren Marktvolumina wie bspw. Ende der 90er-Jahre kostete die Übernahmegarantie
861
Vgl. Huber (2003), S. 223. Experte 2 (2008), S. 5. 863 Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 197, Experte 3 (2008), S. 8. 864 Vgl. Cresci (2006). 865 Vgl. Thomson Reuters (Hrsg.) (2008), S. 2. 862
150 sogar bis zu 4,5%.866 Dies verdeutlicht die Marktabhängigkeit der Underwriting Fee: Je üblicher High Yield Bonds sind und damit zu einer Art Massenware des Finanzmarkts werden, desto niedriger fallen die Gebühren aus.867 Zusätzliche Fremdleistungskosten fallen für Rechtsanwälte, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer, Emissionsberatung durch die Banken, Versicherung des Wirtschaftsprüfers gegen Regressansprüche aus dem Comfort Letter,868 Druck des Offering Memorandum, Roadshow und Börsennotierung an. In Summe kann hierfür ein niedriger einstelliger Euro-Millionenbetrag veranschlagt werden. Dabei handelt es sich größtenteils um fixe Kosten.869 Die maßgeblichen Nutzungskosten, die bei einer Unternehmensfinanzierung unter Verwendung von High Yield Bonds anfallen, ist die Kapitalverzinsung in Form des Kupons. Wie bereits in Abschnitt 4.1.4.2 erläutert, ist dieser abhängig vom Ausfallrisiko der Anleihe sowie den aktuellen Marktkonditionen. In den Jahren 2006 bis 2008 lag der durchschnittliche Kupon je nach Emissionszeitpunkt für eine Anleihe mit BB Rating ungefähr zwischen 5% und 9%, bei einem B Rating zwischen knapp unter 6% und 12% und für einen Bond mit C Rating zwischen 7% und fast 14% (vgl. Anhang A). Zusätzliche mittelbare Nutzungskosten fallen in der kaufmännischen Organisation des Unternehmens an und gehen auf die Anforderung der regelmäßigen Berichterstattung bestimmter Kennzahlen an die Gläubiger zurück. Dazu müssen Geschwindigkeit, Transparenz und Qualität bei der Erhebung der relevanten Unternehmensdaten sichergestellt werden. Dieser Aufwand lässt sich allerdings nur schwer beziffern, da er stark von der Situation vor der Bondfinanzierung abhängig ist. Andererseits ist zu hinterfragen, inwiefern diese Kosten verursachungsgerecht der Bondfinanzierung zuzurechnen sind. Denn ein Unternehmen, das die entsprechende Datenqualität und Professionalität im Finanzbereich zum Zweck einer Anleiheemission aufgebaut hat, wird diese kaum wieder bewusst einschränken bzw. „rückbauen“, sollte es den Fremdkapitalmarkt wieder verlassen. Unabhängig von dieser Position der „Professionalisierungskosten“ im Finanzbereich des Unternehmens, erscheint eine Finanzierung mit High Yield Bonds auf den ersten Blick häufig teurer als eine übliche Finanzierung mit Bankkrediten. Wenn ein Familienunternehmen den Weg einer High Yield Erstemission jedoch geht, hat es einen dauerhaften Zugang zum Fremdkapitalmarkt. Dies betrifft nicht nur zukünftige Emissionen weiterer Anleihen. Auch die Erhöhung eines ausstehenden Bond ist während dessen Laufzeit jederzeit zu denselben Bedingungen wie zum Emissionszeitpunkt möglich und relativ günstig, da die administrativen 866
Vgl. Weinberger (2006), S. 96. Vgl. Cresci (2006). 868 Der Abschluss einer solchen Versicherung ist Marktstandard und wird dem Emittenten in Rechnung gestellt. 869 Vgl. dazu auch Blackwell/Kidwell (1988), S. 255 sowie Krigman et al. (2001), S. 256, die dies analog für einen IPO nachweisen. 867
151 Kosten für Banken, Anwälte, Wirtschaftsprüfer etc. deutlich geringer ausfallen werden. Der Ausgabepreis orientiert sich am aktuellen Marktpreis des bereits gehandelten Bond.870 Zusätzlich bietet eine High Yield Anleihe verschiedene Vorteile gegenüber Bankkrediten, die zur Kompensation der evtl. höheren Finanzierungskosten beitragen: Längere Laufzeiten, keine Besicherung, sehr eingeschränkte Kündigungsrechte der Gläubiger und flexible Covenants mit einem geringeren Risiko der Fälligstellung gegenüber Bankkrediten. Bevor diese Überlegungen in die Überprüfung von High Yield Bonds auf ihre Eignung für Familienunternehmen einfließen – wobei die Finanzierungskosten ein wichtiges Bewertungskriterium darstellen – illustriert der nächste Abschnitt die praktische Durchführung und die Auswirkungen solch einer Finanzierung bei einem deutschen Familienunternehmen empirisch.
4.2. Fallstudie: High Yield Bondfinanzierung der Peri GmbH
Im vorangegangenen Abschnitt wurden High Yield Markt, Mittelverwendung, Ratingprozess, zentrale Anleihebedingungen, Emissionsprozess und Creditor Relations sowie die jeweiligen Kosten und Auswirkungen auf den Emittenten allgemein beschrieben. Die konkrete Ausgestaltung einer Anleihe sowie deren Vertrieb und Platzierung am Markt erfolgt allerdings sehr unternehmensspezifisch. Um diesen zwangsläufig individuell geprägten Prozess und seine Auswirkungen auf ein Familienunternehmen zu beleuchten, eignet sich eine Fallstudie. Zusätzlich vermag eine Fallstudie den prozessoralen Aspekt einer Emission zu verdeutlichen und einen Eindruck zu Dauer und Aufwand der einzelnen Prozessschritte zu vermitteln. Aus diesem Grund wird im Folgenden die Emission zweier High Yield Anleihen durch das Familienunternehmen Peri GmbH im Jahr 2004 dargestellt. Basierend auf einem detaillierten Interview mit einem geschäftsführenden Gesellschafter und verschiedenen internen Dokumenten aus dem Zeitraum vor und während der Emission wie Briefen zwischen den betreuenden Banken und Peri, Investorenpräsentationen oder Kostenaufstellungen bietet die Fallstudie einen detaillierten Einblick sowohl in den Emissionsprozess, als auch in die zugehörigen Überlegungen der Unternehmerfamilie bei der Wahl des Finanzierungsinstruments. Abgerundet wird die Fallstudie durch ein Resümee des geschäftsführenden Gesellschafters vier Jahre nach der Emission.
870
Vgl. Vernimmen et al. (2005), S. 492.
152 4.2.1. Unternehmensbeschreibung 1969 gründete der Ingenieur für Holztechnik und gelernte Schreiner Artur Schwörer das Unternehmen Peri871 in Weißenhorn bei Ulm. Zu diesem Zeitpunkt hatte er 17 Jahre in verschiedenen Betrieben der elterlichen Hans Schwörer KG gearbeitet, u.a. im Aufbau mehrerer Werke für Baustoffe und bei der Entwicklung des Schwörer-Hauses sowie dem Aufbau der zugehörigen Firma.872 Aufbauend auf diesen Erfahrungen in der Baubranche identifizierte Artur Schwörer Rationalisierungspotenzial beim Bauen mit Beton und der zugehörigen Betonschalungstechnik. Betonschalungen bilden die Gussformen, die Frischbeton auf der Baustelle in die gewünschte Form bringen. Sie geben Bauwerken aus Beton ihre Form und ermöglichen die individuelle Gestaltung von Wänden, Decken und Stützen hinsichtlich Dimensionierung und Oberflächengestaltung. Wenn der Beton ausreichend ausgehärtet ist und eine ausreichende Eigenfestigkeit aufweist, wird die Schalung wieder entfernt. Die damals dominierende Schalungstechnik, bei der Schalung baustellenindividuell aus Kanthölzern und Brettern gezimmert wurde, bot aufgrund ihrer Material- und Lohnkostenintensität erhebliches Rationalisierungspotenzial für Bauunternehmen. Artur Schwörer entwickelte einen Holzträger, der im Vergleich zu den damaligen Wettbewerbsprodukten Vorteile in der Tragfähigkeit aufwies, dadurch Material einsparte und flexibler einsetzbar war. Der Markterfolg dieses Produkts bildete die Basis weiterer Entwicklungen mit dem Ziel, Kosteneinsparungen für Bauunternehmen zu ermöglichen. Aus der traditionellen Schalung mit Kantholz und Brett entwickelte sich die Systemschalungstechnik, die sich durch ihren modularen Aufbau auszeichnet und variable Kombinationsmöglichkeiten einzelner Elemente eröffnet. Diese Flexibilität und Wiederverwendbarkeit begründet den Rationalisierungseffekt: Statt vieler Arbeitskräfte und baustellenspezifisch gefertigter Schalung werden Standardteile mit weniger Bauarbeitern unter Zuhilfenahme eines Krans eingesetzt. Neben der Effizienzsteigerung bietet Systemschalung mit standardisierten Sicherheitselementen wie Geländern und Arbeitsbühnen zusätzlich erhöhte Sicherheit auf der Baustelle.873 In den Jahren nach 1969 folgten weitere Produktentwicklungen wie eine Rahmentafelwandschalung aus Stahl, eine selbst kletternde, hydraulische Wandschalung, eine Deckenschalung aus Aluminium und zuletzt eine einseitig montierbare Wandschalung, die einen zweiten Bauarbeiter auf der Gegenseite bei Auf- und Abbau der Schalung überflüssig macht.874 Ergänzt
871
Der Firmenname leitet sich aus der griechischen Präposition peri- () ab, die „um etwas herum“ oder „umgebend“ bedeutet. Weil Schalung um Beton herum eingesetzt wird, schien dies ein geeigneter Name zu sein. 872 Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 79. 873 Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2008a). 874 Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2008b).
153 wird die Systemschalung seit 1998 durch Systemgerüste, die schalungsbezogen als Traggerüst oder schalungsunabhängig als Industrie- oder Fassadengerüst eingesetzt werden. Produktbezogene Dienstleitungen wie technische Einsatzplanung, Miete als Alternative zum Kauf der Produkte, Reinigung und Reparatur des Mietgeräts nach der Verwendung, CAD-Software zur eigenständigen Planung technischer Lösungen mit Peri-Produkten, Baustelleneinweisung, Kundentraining und kundenspezifische Sonderschalungsherstellung vervollständigen das Produktportfolio.875 2007 belieferte Peri weltweit ca. 30.000 Kunden in 65 Ländern mit 47 Tochtergesellschaften. Mit über 5.000 Mitarbeitern erzielte die Gruppe einen Gesamtumsatz von 1,1 Mrd. Euro. Dieser entfiel zu 51% auf Verkaufsgeschäfte, 49% resultierten aus der Vermietung der Produkte. Peri verfügte 2007 über Mietmaterial von mehreren Mrd. Euro Marktwert in über 80 Lagerstandorten weltweit. 90% des Umsatzes wurden im Ausland erzielt, 10% entfielen auf Deutschland. Im Gegensatz zur Internationalisierung der Umsätze wurden 2007 über 90% des Produktionsausstoßes im bayrischen Weißenhorn hergestellt, was sich laut dem befragten geschäftsführenden Gesellschafter mit Skaleneffekten, Spezialisierungsvorteilen, eng angebundenen Lieferanten und weitgehender Automatisierung begründet.876 Das Unternehmen qualifiziert sich gemäß der Definition der vorliegenden Arbeit als Familienunternehmen: Die Stimmrechte liegen zu 100% in Familienhand. 2008 wurde ein bis dahin bestehender Beirat in einen Gesellschafterausschuss mit externer Beteiligung überführt, der wesentliche Mitbestimmungs- und Kontrollrechte wahrnimmt und u.a. die Geschäftsführung ernennt. Die Familie stellt mit 4 von 7 Mitgliedern die Mehrheit im Gesellschafterausschuss – der kontrollinduzierte Familieneinfluss liegt somit bei 57%. Da seit 2003 bzw. 2006 neben dem Gründer und dem externen CFO die beiden Söhne Alexander und Christian Schwörer in der Geschäftsführung tätig sind, liegt die direkte führungsmäßige Einflussnahme der Familie bei 75%.877 Insgesamt besteht mit 232% damit ein dominanter Familieneinfluss.878
4.2.2. Situation des Unternehmens 2004 und Gründe für die Anleihenemission Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 waren die beiden Folgejahre für Peri durch ein weltweit schwieriges Marktumfeld geprägt. Der Gruppenumsatz konnte 2003 zwar um 2%
875
Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2008c). Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2008d) sowie Schwörer, C. (2008), S. 4. 877 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 4f. 878 Auch zum Zeitpunkt der Bondemission war der Familieneinfluss dominant. 2004 bestand zwar eine externe Minderheitsbetiligung von 10% am Eigenkapital, andererseits bestand das Kontrollgremium damals noch ausschließlich aus Familienmitgliedern. 876
154 gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden und lag Ende 2003 bei 538 Mio. Euro mit einer Vorsteuerrendite von knapp 6%. Damit entwickelten sich sowohl Umsatzwachstum als auch Vorsteuerrendite im Vergleich zu den Vorjahren aber rückläufig. Gleichzeitig stieg die Verschuldung 2003 auf 438 Mio. Euro. Ende 2003, verstärkt ab Beginn des Jahres 2004 zeichnete sich allerdings eine sehr positive Entwicklung der weltweiten Baukonjunktur ab, die große Wachstumspotenziale für Peri eröffnete: Nach Unternehmensangaben meldeten die zu diesem Zeitpunkt bestehenden 41 internationalen Vertriebsgesellschaften fast alle steigende Auftragseingänge – sowohl im Verkaufs- als auch im Vermietgeschäft.879 Aufgrund des kapitalintensiven Vermietgeschäfts zieht eine steigende weltweite Kundennachfrage bei Peri jedoch zwangsläufig auch weitere Investitionen nach sich – mit dem Wachstum nimmt auch der Kapitalbedarf der Gruppe weiter zu wie der Gründer in einem internen Schreiben erklärt: „Da PERI in diesem sehr erfolgreichen Jahr 2004 weitaus stärker gewachsen ist als geplant (Auftragseingang ca. 35 % über Vorjahr), ist auch unser Kapitalbedarf weiter gestiegen. Wir wollen unsere Wachstumschancen weiterhin nutzen […]. Dazu sind neue Investitionen – vor allem in den Mietpark – notwendig, mehr als letztes Jahr geplant.“880 Die Befriedigung dieses wachstumsbedingt zunehmenden Kapitalbedarfs war mit der bestehenden Finanzierung im Jahr 2004 jedoch nicht vereinbar, wie der folgende Abschnitt zeigt.881
4.2.2.1. Bestehende Finanzierung und resultierende Problemstellung 2004 Neben bilateralen Bankverbindlichkeiten der Tochtergesellschaften wurde der Hauptteil der Finanzierung der Peri Gruppe seit 2003 durch einen Konsortialkredit882 (SYL) in Höhe von 330 Mio. Euro auf Ebene der Peri-Werk Artur Schwörer GmbH & Co. KG (Peri KG) gewährleistet. Zusätzlich bestand eine Minderheitsbeteiligung mit 10% durch einen familienexternen Gesellschafter (vgl. Abb. 24).
879
Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 40, Peri GmbH (Hrsg.) (2004b), S. 6ff, Schwörer, A. (2004), S. 1f. Schwörer, A. (2004), S. 1. 881 Vgl. Schwörer, C. (2008), S .6. 882 Zur Struktur und Funktionsweise eines Konsortialkredits vgl. Abschnitt 3.3.4.1. 880
155
Familie Schwörer
Deborah 2000 Vermögensverwaltungs GmbH
90% SYL 03: 330 Mio. EUR
10%
PERI Werk Artur Schwörer GmbH & Co. KG
100%
100% ACS Immobilien GmbH & Co. KG
PERI GmbH
Abb. 24: Peri Finanzierung und Eigentumsstruktur vor der Bondemission (vereinfacht)883
Der Konsortialkredit beinhaltete einige relativ restriktive Covenants, wobei insbesondere zwei dieser Klauseln die Verfolgung einer Wachstumsstrategie faktisch unterbanden: Erstens musste das als Debt Service Cover Ratio (DSCR) bezeichnete Verhältnis von Free Cashflow zu Zins- und Tilgungszahlungen zu jedem Zeitpunkt über dem Wert 1,0 liegen.884 Zweitens durften die Gesamtinvestitionen, die sogenannten Capital Expenditures (Capex), der Gruppe einen Maximalwert von 120 Mio. Euro nicht übersteigen (vgl. Tab. 21).885 Covenant Debt Service Cover Ratio (Free Cashflow/Total Debt Service)
Klausel
Capex
d 120 Mio. EUR
! 1,0
Tab. 21: Wachstumsbeschränkende Covenants des bestehenden Syndicated Loan von Peri886
Die Schuldendienstquote DSCR impliziert, dass ein negativer Cashflow, wie er durch umfangreiche Investitionen verursacht würde, einen Covenant Bruch und damit die Nichteinhaltung des Kreditvertrags darstellt. Darüber hinaus sah der Konsortialkredit jährliche Tilgungen vor, weil er auf einem Businessplan von 2003 beruhte, bei dessen Erstellung die großen Wachstumspotenziale nach Unternehmensangaben noch nicht ersichtlich gewesen waren und der eine langfristige Konsolidierungs- und Entschuldungsstrategie vorsah. Mit der Verbesserung der Marktsituation und den zugehörigen steigenden Investitionen der Tochtergesellschaften in Vermietmaterial ab Ende 2003 wurde deutlich, dass ein Bruch der genannten Covenants zum Jahresende 2004 nur noch mit einem radikalen Strategiewechsel verhindert werden konnte. Die angestrebte Strategie organischen Wachstums war mit dem Kreditvertrag, der Peri in eine Konsolidierungsstrategie zwang, nicht vereinbar. Das Wachstum würde ein gruppenwei883
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Peri GmbH (Hrsg.) (2004b), S. 15. Zum DSCR allgemein vgl. Ehringer et al. (2004), S. 68. 885 Der Capex Covenant war insofern auf das das Fixed Charge Cover abgestimmt, als Investitionen über ca. 120. Mio. Euro gemäß damaliger Planungdiese einen negativen Free Cashflow und damit eine Verletzung des DSCR verursachen würden. Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 6. 886 Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Interviews mit Hrn. Schwörer. Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 6. 884
156 tes Investitionsvolumen über der Capex Begrenzung bedingen, Tilgungen unmöglich machen und einen Bruch des DSCR Covenant verursachen. Management und Eigentümer von Peri mussten sich im Sommer 2004 angesichts des drohenden Bruchs des Kreditvertrags die Frage stellen, ob das Wachstum gestoppt und evtl. sogar Vermögensgegenstände verkauft werden sollten, um Kredite tilgen und die Klauseln einhalten zu können, und welche Alternativen zu diesem Szenario existierten. Die einzige Alternative war eine weitgehende Re- bzw. Umfinanzierung, um die faktische Wachstumsblockade durch die bestehende Bankenfinanzierung aufzulösen. Angesichts des bisherigen Wachstumspfads, den Peri seit der Internationalisierung 1974 mit einer jährlichen Wachstumsrate von fast 16% verfolgt hatte, war die Antwort schnell gefunden: Die Peri Gruppe sollte in einer Form refinanziert werden, bei der die Unternehmer und nicht die Kapitalgeber die Geschwindigkeit des weiteren Aufbaus bestimmen konnten.887
4.2.2.2. Alternative Finanzierungsstrukturen Früh wurden gemeinsam mit den beteiligten Banken drei Finanzierungsalternativen für die angestrebte Eliminierung der restriktiven Schuldendienstquote sowie der Gesamtinvestitionsbeschränkung identifiziert (vgl. Tab. 22): Alternative 1 (Alt. 1) sah die Beibehaltung des bestehenden SYL vor. Die beiden kritischen Kreditvereinbarungen (DSCR und Capex) müssten dabei durch einen Waiver888 der Konsortialbanken außer Kraft gesetzt werden. Mit einer solchen Verzichtserklärung gestehen die Banken dem kreditnehmenden Unternehmen zu, die Nicht-Einhaltung bestimmter Vertragsklauseln bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu sanktionieren. Diese mögliche Lösung des Finanzierungsdilemmas hätte sich zwar potenziell schnell umsetzen lassen, wies jedoch zahlreiche Nachteile auf: Der Waiver hätte jedes Jahr neu verhandelt werden müssen, das Wachstum wäre aufgrund fehlender zusätzlicher Finanzierungsquellen weiterhin eingeschränkt gewesen und die Abhängigkeit vom bestehenden Bankenkonsortium hätte weiterhin bestanden: „Es war also mehr oder weniger ein Flickwerk und keine befriedigende Gesamtlösung“889 wie der befragte geschäftsführende Gesellschafter feststellt.
887
Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 7. Zur Funktion eines Waiver vgl. Wöhe/Bilstein (2002), S. 206. 889 Schwörer, C. (2008), S. 7. 888
157
Finanzierung
Vorteile
Alt. 1: SYL (status quo) und Waiver Bestehender SYL Jährliche Waiver zu DSCR und Capex Covenants
Umsetzungsgeschwindigkeit
Alt. 2: SYL (verbessert) und High Yield Bond Rückführung SYL und Lockerung der Covenants bzw. vollständige Rückzahlung und Aufnahme eines neuen SYL mit besseren Konditionen High Yield Bond Operative Flexibilität Zusätzliche Kapitalquelle Höhere Kreditkapazität Einmaliger Zeitbedarf Potenziell höhere Nutzungskosten Relativ hohe Einmalkosten
Jährliche Neuverhandlung der Waiver Nachteile Wachstumseinschränkung Bankenabhängigkeit Tab. 22: Finanzierungsalternativen für Peri 2004890
Alt. 3: Reine Anleihenfinanzierung Vollständige Rückzahlung des bestehenden SYL Finanzierung ausschließlich über Fremdkapitalmarkt
Operative Flexibilität Zusätzliche Kapitalquelle Höhere Kreditkapazität Einmaliger Zeitbedarf Relativ hohe Kosten Verlust einer etablierten Kapitalquelle und Verschlechterung der Bankbeziehungen
Bei Alternative 2 sollte der bestehende SYL teilweise oder vollständig zurückgeführt und die kritischen Financial Covenants des Konsortialvertrags abgeschwächt bzw. vollständig eliminiert werden. Zur Schließung der entstehenden Finanzierungslücke war die Nutzung zusätzlicher Kapitalquellen vorgesehen. Dazu kam neben einem neuen SYL mit verbesserten Konditionen eine High Yield Anleihe in Frage – basierend auf dem bereits seit 2000 bestehenden und bis dahin unveröffentlichten BB Rating von S&P. Die wesentlichen Vorteile lagen in der Rückerlangung operativer Flexibilität durch Wegfall der wachstumsbeschränkenden Kreditklauseln, dem Zugang zu einer weiteren Kapitalquelle sowie der steigenden bankenseitigen Kreditkapazität durch Rückführung des Konsortialkredits. Die Nachteile ergaben sich aus dem höheren Zeitbedarf zur Vorbereitung einer Bondemission, potenziell höheren Nutzungskosten sowie den damit verbundenen einmaligen Kosten. Die dritte Finanzierungsalternative sah eine vollständige Kapitalmarktfinanzierung über eine oder mehrere High Yield Anleihen vor. Hierbei waren die Vorteile weitgehend mit denjenigen von Alternative 2 identisch. Der wesentliche Unterschied bestand im vollständigen Wegfall der Kreditbeziehung zum Bankenkonsortium. Neben den höheren Gesamtfinanzierungskosten drohten hierbei der Verlust einer etablierten Finanzierungsquelle und eine nachhaltige Verstimmung in den Bankbeziehungen.891
890
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Goldman Sachs International (Hrsg.) (2004b), S. 4. Zwischenzeitlich wurde auch die Aufnahme von Mezzanine-Kapital zur Finanzierung der Tilgungen unter dem bestehenden Konsortialkredit diskutiert. Aufgrund der relativ hohen Kosten solcher Finanzierungsinstrumente wurde diese Alternative jedoch wieder verworfen. Noch schneller wurde die Möglichkeit eines Börsengangs ausgeschlossen, da dieser dem Unabhängigkeitsziel der Eigentümer diametral entgegengestanden hätte.
891
158 Management und Eigentümer von Peri standen einer Anleihenfinanzierung positiv gegenüber, da diese neben der Lösung des aktuellen Dilemmas eine größere Unabhängigkeit von Banken implizierte. Vor der Entscheidung für eine Finanzierung über den Fremdkapitalmarkt wurden insbesondere die Detailtiefe notwendiger Investorenberichterstattung sowie die vorgeschriebene Frequenz von Erstellung und Veröffentlichung derselben intensiv diskutiert. Wie viele Unternehmerfamilien stand auch Familie Schwörer einer Öffnung des Unternehmens für Investoren und Analysten kritisch gegenüber, wie der geschäftsführende Gesellschafter erläutert. Allerdings sei eine mögliche Finanzierung über Anleihen bereits 2000 schon einmal diskutiert worden, so dass die damit verbundene Transparenz keine vollkommen neue Gedankenwelt bildete. Letztendlich wurde die Nutzung der bestehenden Wachstumschancen höher gewichtet und die steigende Transparenz akzeptiert: „er [A. Schwörer, Anm. d. V.] war sicherlich nicht darüber erfreut, aber […] die Tatsache, dass wir mit dieser Transparenz, die wir in Kauf nehmen mussten, eine Lösung gefunden hätten, die das weitere Wachstum ermöglich hat, hat ihn letztendlich überzeugt, so dass er die notwendige Transparenz dann eben auch in Kauf genommen hat.“892 Der durch den Fremdkapitalmarkt entstehende Druck auf Transparenz, Abschlussgeschwindigkeit und -frequenz wurde zudem als mit Peri und seiner Kultur vereinbar eingeschätzt. Weiterhin wurden die Alternativen als nicht gangbar erachtet, da Alternative 1 kein ausreichendes Wachstum ermöglicht hätte und der vollständige Verzicht auf Bankfinanzierung bei Alternative 3 hauptsächlich als Verhandlungsszenario genutzt wurde. Neben den bereits in Tab. 22 genannten Vorteilen hatte Alternative 2 als Mischfinanzierung aus Anleihe und SYL aus Sicht der Gesellschafter weitere Stärken: Mit einer angestrebten Laufzeit von 5 bzw. 7 Jahren und ihrer Endfälligkeit boten die Bonds die Möglichkeit einer relativ langfristigen Kapitalbeschaffung, die sich kongruent zur langfristigen Wachstumsperspektive des Unternehmens verhielt. Außerdem passte die Bullet Struktur zu den Investitionsplänen von Peri und der High Yield Markt bot 2004 historisch attraktive Emissionsbedingungen: Erstens lag der durchschnittliche Spread von Anleihen mit einem (avisierten) BB Rating gegenüber Bundesanleihen bei günstigen 200 Basispunkten – im Sommer 2002 hatte er noch bei 700 Basispunkten gelegen. Zweitens lag die Rendite deutscher Bundesanleihen nahe ihrem historischen Tiefstand. 893 Die Entscheidung fiel daher auf Alternative 2 und Peri wollte noch im Jahr 2004 eine variabel- sowie eine festverzinsliche High Yield Anleihe mit einem Gesamtvolumen von ca. 225 Mio. Euro emittieren. Die Ausgabe eines kürzer laufenden variabel verzinsten und eines län-
892 893
Schwörer, C. (2008), S. 7. Vgl. Goldman Sachs International (Hrsg.) (2004c).
159 ger laufenden fix verzinsten Bonds entstand aus Zinsstrukturüberlegungen.894 Als begleitende Investmentbanken wurden Deutsche Bank und Goldman Sachs International mandatiert. Zusätzlich sollte der bestehende Syndicated Loan von 330 Mio. Euro auf 180 Mio. Euro zurückgeführt und die kritischen DSCR und Capex Covenants ersatzlos gestrichen werden.895 Der Grund für die Mandatierung zweier Investmentbanken als Joint Book-Running Lead Managers lag nach Aussage von C. Schwöerer im Wunsch nach maximaler Akzeptanz und möglichst hoher Überzeichnung der Bonds, um für Peri minimale Finanzierungskosten zu erzielen. Die Deutsche Bank als bestehender Kreditgeber und Hausbank habe dazu gedient, dem deutschen Kreditmarkt Konstanz zu signalisieren und Vertrauen zu schaffen. Goldman Sachs International ohne bestehende Kreditbeziehung andererseits habe eine unabhängige Stimme zum Markt896 dargestellt und habe als damaliger Markführer bei High Yield Bondemissionen über entsprechendes Gewicht verfügt, um eine große Nachfrage nach Peri-Anleihen zu erzeugen. Die Beauftragung von zwei im High Yield Bereich sehr erfahrenen Finanzinstituten sei auch dem Wunsch nach professioneller Begleitung des Unternehmens bei der Erstemission eines Kapitalmarktinstruments entsprungen. Zusätzlich habe Peri einen Wettbewerb der beiden Banken erreichen wollen, um möglichst große Anstrengungen bei Verhandlung der Bond Konditionen und Vertrieb der Anleihen herbeizuführen. Dieses Ziel wurde durch eine Incentive Fee unterstützt, die zusätzlich zur fixen Vergütung der beiden Banken in Abhängigkeit von der Zufriedenheit Peris mit der gesamten Transaktion zur Auszahlung kommen sollte.897
4.2.3. Vorbereitung und Durchführung der Anleihenemission Mit einem Brief Artur Schwörers an die Geschäftsführer der Peri Tochtergesellschaften, in dem er die Bondemission ankündigte und um die volle Unterstützung der Vertriebsgesellschaften bei der Durchführung warb, sowie einem offiziellen Kick-Off Meeting mit beiden begleitenden Banken begannen im September 2004 die Emissionsvorbereitungen.898 Ziel dieses Prozesses war die Erstellung des notwendigen Offering Memorandum. Dazu mussten Pe-
894
Peri verfolgt eine Strategie zur Reduktion des Risikos von Zinsänderungen, wonach bei jeweils ca. 50% der gruppenweiten Verbindlichkeiten eine flexible bzw. fixe Verzinsung angestrebt wird. Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 7. 895 Vgl. Goldman Sachs International (Hrsg.) (2004b), S. 4 sowie Schwörer, C. (2008), S. 7. 896 Banken mit gleichzeitiger Funktion als Emissions- und Kreditbank sind einem potenziellen Interessenskonflikt ausgesetzt, der zu suboptimalen Emissionskonditionen für den Emittenten führen kann: Um eine angestrebte Reduktion des eigenen Kreditengagements zu ermöglichen hat die Bank Interesse an einer konservativen und investorenfreundlichen Gestaltung der Anleihe. Eine Gestaltung der Anleihekonditionen im Interesse des Emittenten hingegen könnte zu weniger Nachfrage und damit geringerer Kreditreduktion der Bank führen. 897 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 8. 898 Vgl. Schwörer, A. (2004), Peri GmbH (Hrsg.) (2004b).
160 ris Geschäftsmodell, inhärente Risiken und weitere notwendige Informationen für zukünftige Investoren detailliert aufbereitet werden. Zusätzlich wurden ein zweites externes Rating sowie ein Comfort Letter der Wirtschaftsprüfer notwendig. Gleichzeitig musste der bestehende SYL mit den Konsortialbanken in einen neuen SYL überführt werden. Denn nach Einschätzung aller Beteiligten war das Ziel einer vollständigen Refinanzierung in den drei verbleibenden Monaten bis Jahresende nur mit der parallelen Bearbeitung aller Finanzierungsprozesse realistisch verfolgbar. Abb. 25 stellt den Gesamtprozess der Refinanzierung im Überblick dar. 08.2004
28.09.
Verstoß gegen DSCR Covenant zum Jahresende wird absehbar Erste Überlegungen zu alternativen Vorgehensweisen: Wachstumsstopp oder Refinanzierung
29.09.
01.10.
12.10.
14.10.
Mandatserteilung: DB und GS als Joint Book-Running Managers
29.10.
03.11.
08.11.
Amendment und Waiver Request an SYL-Banken
MandatsKick-Off mit Moody‘s: erteilung Moody‘s Banken: Management Deutsche Bank Meeting London (DB) Goldman Sachs International (GS) Due Diligence (ca. 3 Wochen) Geschäftsmodell Markt Brief an Geschäftsführer Finanzen der Landesgesellschaften: Juristisch Bond-Ankündigung Prüfende Banken Ratingagenturen Wirtschaftsprüfer
24.11.
29.11.
30.11.
Beauftragung Comfort Letter bei Ernst&Young (E&Y)
01.12.
03.12.
Unterzeichnung SYL04: 180 Mio. Eur
Vorläufiges Offering Memorandum S&P-Rating: Emittent: BB+ Bond: BB Moody‘s-Rating: Emittent: Ba2 Bond: Ba3
10.12.04 Closing Unterzeichnung Indenture Erstnotiz
Endgültiges Offering Memorandum: 150 Mio. Eur fixed 100 Mio. Eur Floater Comfort Letter von E&Y DB und GS kaufen Anleihen Preisfeststellung
Roadshow (1 Woche)
Abb. 25: Prozess der Anleiheemission und SYL-Refinanzierung durch Peri899
4.2.3.1. Ein zweites Rating Wie in Abschnitt 4.1.3.1 dargestellt, sind für die Emission von High Yield Bonds Ratings beider führenden Ratingagenturen notwendig. Peri unterhielt bereits seit 2000 eine Ratingbeziehung zu S&P – allerdings ohne das Rating zu veröffentlichen – und beauftragte am 12. Oktober 2004 Moody’s mit der Erstellung der zweiten Ratingbeurteilung. Wie in Abschnitt 4.1.3.2 beschrieben, bildet das Managementmeeting einen zentralen Bestandteil des Ratingprozesses. Gleichzeitig stellt es i.d.R. auch den einzigen Anlass dar, zu dem Ratingagentur und Unternehmensleitung zusammentreffen und die mit Erteilung des Erstratings verbundenen Fragestellungen persönlich erörtern. So auch bei Peri: Vor- und nachher anstehende Fragen der Ratinganalysten wurden direkt durch die Finanzabteilung beantwortet. Das Managementmeeting fand am 3. November statt und die Geschäftsleitung informierte in einer umfassenden Präsentation detailliert über Peri und die geplante Finanztransaktion.900 Aufgrund der unüblichen Situation einer Bondemission durch ein Familienunternehmen waren neben den
899 900
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2004b).
161 üblichen Fragestellungen zu Chancen und Risiken für Emittent bzw. zukünftigen Investor insbesondere folgende Punkte für die Ratingagentur relevant, wie die analysierten Vorbereitungsunterlagen der Investmentbanken zeigen:901
Wie wird eine funktionierende Corporate Governance bei Peri sichergestellt?
Wie können etwaige Interessenskonflikte zwischen Bondhaltern und Familie Schwörer gelöst werden?
Wie sieht die langfristige Dividendenpolitik der Eigentümerfamilie aus?
Wie werden Ausschüttungen bemessen?
Gibt es eine geforderte Minimalausschüttung pro Jahr?
Wie könnten zukünftige Entwicklungen in der Unternehmensfinanzierung aussehen?
Wie ist der Stand der Nachfolgeplanung für den Unternehmensgründer?
Wie ist die Einstellung der Gesellschafter gegenüber externem Eigenkapital?
Welche aus dem Familieneigentum resultierenden Wachstumseinschränkungen bestehen in der Zukunft?
Ergebnis der Ratinganalysen und des beschriebenen Managementmeetings waren zwei Ratings, die Moody’s am 30. November veröffentlichte, also während die Roadshow bereits lief: Ba2 für die emittierende Peri GmbH und die Muttergesellschaft Peri KG sowie Ba3 für die Anleihe.902 Einen Tag zuvor am 29. November hatte S&P bereits sein Rating für Peri GmbH und Peri KG bei BB+ bestätigt sowie ein BB Rating für den Bond vergeben.903 Aufgrund der bereits bestehenden Ratingbeziehung war dieser Prozess relativ reibungslos verlaufen und für Peri lediglich mit einem Managementmeeting am 4. November verbunden.
4.2.3.2. Comfort Letter Wie bei High Yield Anleihen üblich, sollten die Peri Bonds durch die beiden begleitenden Investmentbanken als Initial Purchasers in Form einer Festübernahme platziert werden. Weil die letzte Jahresabschlussprüfung sich allerdings auf den 31. Dezember des Vorjahres bezog, war der Stand geprüfter Finanzdaten zum Zeitpunkt der Emission bereits fast ein Jahr alt. Dadurch würde das Offering Memorandum sich bei allen Angaben zum laufenden Jahr auf nicht durch den Wirtschaftsprüfer geprüftes Datenmaterial beziehen. Für den Fall, dass nach der Emission bis dahin unbekannte Risiken auf Peris finanzielle Entwicklung durchschlagen würden, wäre nicht nur das Renommee der Banken in Gefahr, sondern es bestünde auch konkre-
901
Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 8f und Deutsche Bank (Hrsg.) (2004a). Vgl. Moody's Investors Service (Hrsg.) (2004). 903 Vgl. Standard & Poor's (Hrsg.) (2004) und Peri GmbH (Hrsg.) (2007). 902
162 tes Klagepotenzial durch Investoren aufgrund unzureichender bzw. fehlerhafter Informationen durch die Emissionsbanken. Zusätzlich bestand für die Banken durch ihre Funktion als Initial Purchaser das Risiko, Anleihen in die eigenen Bücher zu übernehmen und im Fall unzureichenden Käuferinteresses diese auch mittelfristig halten zu müssen. Um diese Risiken für Deutsche Bank und Goldman Sachs zu minimieren, wurde Ernst&Young als mandatierter Wirtschaftsprüfer der Peri Gruppe mit der Erstellung des Comfort Letter beauftragt. Dazu führten die Wirtschaftsprüfer eine mit der Jahresabschlussprüfung vergleichbare Untersuchung der drei im Jahr 2004 bis dahin erfolgten Quartalsabschlüsse durch. Weil mit Erteilung des Comfort Letter der Wirtschaftsprüfer eine unbegrenzte Haftung für Schäden aufgrund von Fahrlässigkeit gegenüber den Initial Purchasers übernimmt, ließ Ernst&Young sich dieses Risiko durch eine auf 50 Mio. Euro begrenzte und durch Peri abgeschlossene Haftpflichtversicherung begrenzen.904
4.2.3.3. Due Diligence zur Erstellung des Offering Memorandum Zur Bereitstellung aller notwendigen Informationen für die Erarbeitung des Offering Memorandums wurde seit Anfang Oktober ein detaillierter Data Room vorbereitet. Dieser diente den beteiligten Investmentbanken und ihren Anwälten zur Analyse des Geschäftsmodells, potenzieller Risiken sowie der Finanzdaten des Unternehmens im Rahmen einer umfassenden Business, Legal und Financial Due Diligence.905 Der Data Room beinhaltete Jahres- und Quartalsabschlüsse konsolidiert für die Gruppe sowie auf Einzelgesellschaftsebene für alle Tochtergesellschaften, aktuelle Organigramme aller Gesellschaften, detaillierte Analysen zu Chancen und Risiken des Peri-Geschäftsmodells weltweit sowie individuell für die zehn wichtigsten Einzelmärkte, Lebensläufe des Management-Teams, Gesellschafterbeschlüsse, Satzungen aller Einzelgesellschaften und zugehörige Handelsregisterauszüge, aktuelle Verkaufs- und Vermietverträge mit Kunden, Patente, Dokumentation von Grundschulden und anderen Belastungen, Kreditverträge, Garantien, Garantieverpflichtungen, Geschäftsführerverträge, Gehaltsstrukturen und Steuerdokumentationen – vieles davon in Deutsch und Englisch. Insgesamt beinhaltete der Data Room ca. 220 verschiedene Dokumententypen und über 1.000 Einzeldokumente. Die jeweiligen Dokumente mussten von allen Peri Landesgesellschaften bis zum 15. Oktober zur Verfügung gestellt werden.906
904
Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 9f. Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 9. 906 Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2004c). 905
163 Basierend auf dieser Due Diligence wurde am 29. November das Preliminary Offering Memorandum907 gedruckt. Damit stellte das Familienunternehmen Peri seine finanziellen und rechtlichen Belange erstmals und in bis dahin ungekannten Umfang einer Öffentlichkeit potenzieller Investoren und interessierter Analysten offen. Von den 179 Seiten des Preliminary Offering Memorandum entfielen nach Abzug der Box Summary 114 Seiten auf die Beschreibung des Familienunternehmens und seiner Finanzdaten. Auf weiteren 51 Seiten wurden die geplante Transaktion sowie die zu emittierenden Schuldtitel thematisiert (vgl. Anhang B).
4.2.3.4. Roadshow Um eine möglichst große Zahl an Marktteilnehmern zu erreichen und das Interesse an den Anleihen zu maximieren, wurde vom 29. November bis zum 2. Dezember eine 1-wöchige Roadshow durchgeführt. Teilnehmer waren neben Vertretern beider Banken auch Artur, Alexander und Christian Schwörer sowie der damalige familienexterne CFO. Bei insgesamt neun Präsentationen und fast zwanzig One-on-One Meetings mit Vertretern von Fondsanbietern und Vermögensverwaltern in vier europäischen Ländern sollten Analysten und Investoren von der Qualität der Peri Anleihen überzeugt werden (vgl. Tab. 23).908 Datum 29.11.04
30.11.04
01.12.04
02.12.04
Zeit Vormittag Mittag Nachmittag Vormittag Mittag Nachmittag Vormittag Mittag Nachmittag Vormittag Mittag Nachmittag
Ort München Frankfurt Düsseldorf Amsterdam Paris London
London
Tätigkeit Breakfast Präsentation, One-on-One Meetings Lunch Präsentation, One-on-One Meetings Präsentation Breakfast Präsentation Lunch Präsentation, One-on-One Meetings One-on-One Meetings Breakfast Präsentation, One-on-One Meetings Lunch Präsentation One-on-One Meetings Breakfast Präsentation, One-on-One Meetings One-on-One Meetings One-on-One Meetings
03.12.04 Vormittag London Preisfeststellung Tab. 23: Roadshow Kalender der Peri Emission909
Die Tatsache, dass mit der Hornbach AG im November 2004 bereits ein anderes deutsches Familienunternehmen910 – im Gegensatz zu Peri allerdings börsennotiert – erfolgreich einen
907
Da die endgültigen Kupons einer Anleihe erst nach Abschluss von Roadshow und anschließender Preisfestlegung des Bond feststehen, wird zuerst ein Preliminary Offering Memorandum erstellt. Vgl. Abschnitt 4.1.5.3. Im Fall der Peri Emission wurden zusätzlich die Einschätzungen der Ratingagenturen erst während der Roadshow veröffentlicht und fanden daher nur Eingang in das Final Offering Memorandum. 908 Vgl. Deutsche Bank/Goldman Sachs International (Hrsg.) (2004), S. 7ff. 909 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Deutsche Bank/Goldman Sachs International (Hrsg.) (2004), S. 2.
164 High Yield Bond von 250 Mio. Euro zu sehr guten Konditionen platziert hatte, schuf nach Aussage des geschäftsführenden Gesellschafters Zuversicht, dass der Kapitalmarkt die Anleihen deutscher Familienunternehmen mit passender Credit Story aktuell grundsätzlich goutiere.911 Im Experteninterview beschrieb er, dass sich die Fragen während der Präsentationen sowie den Einzelgesprächen im Wesentlichen auf das Geschäftsmodell, die zukünftige finanzielle Entwicklung sowie Chancen und Risiken für Peri in unterschiedlichen Marktszenarien bezogen hätten. Zusätzlich seien Antworten zu verschiedenen potenziellen Fragen der Investoren und Analysten vorbereitet gewesen, darunter auch solche zu Besonderheiten eines Familienunternehmens als Emittent:
Wann wird die Übergabe der Geschäftsführung vom Gründer an seine Kinder erfolgen?
Besteht das grundsätzliche Potenzial eines Börsengangs oder Unternehmensverkaufs durch die Familie?
In welcher Höhe werden zukünftige Dividendenausschüttungen ausfallen?
Welche Kontrollaufgaben nimmt der Beirat wahr?
Allerdings sei keine dieser Fragestellungen durch die Investoren thematisiert worden. Im Zentrum der Diskussionen habe immer die Frage nach dem Geschäftsmodell und damit verbundenen Chancen und Risiken gestanden.912 Grundsätzlich scheint der Kapitalmarkt also keine Scheu vor Familienunternehmen zu haben. Die Nachfrage nach der Anleihe und damit die Fähigkeit, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren, ergibt sich offensichtlich ausschließlich aus einer Abwägung von Rendite und Risiko.
4.2.3.5. Preisfeststellung und Closing Eben diese risikoadäquate Rendite zu ermitteln, war neben dem Informationszweck eine zweite Funktion der Roadshow. Investoren, die Peri Anleihen kaufen wollten, mussten gegen Ende der Roadshow jeweils gewünschte Stückzahlen und zugehörige Preise abgeben. Daraus ergab sich eine Preisspanne zwischen 5,625% und 5,875% bzw. 175 bis 200 Basispunkte über
910
Gemäß der Definition dieser Arbeit handelt es sich bei Hornbach um ein Familienunternehmen: 75% der stimmrechtsgewährenden Stammaktien in Familienbesitz, 2 von 7 Mitgliedern im Aufsichtsrat Familienmitglieder und der Vorsitz des 3 Mitglieder starken Vorstands in Familienhand führen zu einem dominanten Familieneinfluss von 137%. Vgl. Hornbach Holding AG Konzern (Hrsg.) (2008), S. 3 und S. 81. 911 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 12. 912 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 12f.
165 Euribor.913 Im Rahmen der Preisfeststellung am letzten Tag der Roadshow wurden die endgültigen Kupons der beiden Anleihen basierend auf der Nachfrage festgelegt. Zur Freude des Emittenten war die festverzinsliche Anleihe dreifach überzeichnet, der variabel verzinste Bond fast zweifach.914 Diese große Nachfrage erlaubte die Kuponfestlegung für beide Anleihen am jeweils unteren Ende der Preisspanne: Für die Fixed Note bei 5,625%, für den Floater bei 175 Basispunkten über Euribor (vgl. Tab. 24). Damit erzielte Peri den zum damaligen Zeitpunkt besten jemals erreichten Zinssatz für die Erstemission einer High Yield Anleihe, wie ein Pressespiegel der Deutschen Bank belegt.915 Eine Woche nach der sehr erfolgreichen Preisfeststellung fand als letzter Prozessschritt das sogenannte Closing statt, im Rahmen dessen in London der Anleihevertrag unterzeichnet und in Luxemburg die Erstnotiz der Anleihe durchgeführt wurde. Senior Fixed Rate Note Senior Floating Rate Notes Peri GmbH Peri GmbH Emittent A0DRF1 A0DRF3 WKN 150 Mio. EUR 100 Mio. EUR Volumen Euro Euro Währung 7 Jahre bis zum 15.12.2011 5 Jahre bis zum 15.12.2009 Laufzeit 5,625% p.a. 6M-Euribor + 1,75% Kupon Ba3 /BB Ba3 /BB Rating Luxembourg Stock Exchange Luxembourg Stock Exchange Listung Tab. 24: Konditionen der Peri Anleihen bei Emission Dezember 2004916
4.2.3.6. Konsortialkredit 2004 und Mittelverwendung Wie in Abschnitt 4.2.2.1 beschrieben, resultierte die Motivation zur Bondemission aus dem Wunsch, den bestehenden und das Wachstum stark einschränkenden Konsortialkredit abzulösen. Parallel zum Bondprozess mussten die kreditgebenden Banken folglich von der Rückführung des SYL03 und der Auflage eines neuen SYL04 mit kleinerem Volumen und für Peri besseren Konditionen überzeugt werden. Dazu wurde am 29. Oktober ein „Amendment and Waiver Request“ an die Konsortialbanken verschickt. Darin waren die Banken aufgefordert, entweder lediglich einen Waiver bzgl. des DSCR Covenant zu erteilen und damit einer Nicht-Prüfung dieser Kreditklausel für die geplante vorfällige Rückzahlung zuzustimmen oder zusätzlich zum Waiver einem Änderungsvertrag (Amendment) zuzustimmen. Dieser Änderungsvertrag sah eine Beteiligung am neu 913
Diese Preisbänder orientierten sich neben den Preisangaben potenzieller Investoren dabei unterhalb des kurz zuvor emittierten Hornbach Bond. 914 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 12. 915 Vgl. Deutsche Bank (Hrsg.) (2004b). Vgl. ebenso v. Haller (2007), S. 52. 916 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 5ff.
166 aufzulegenden Konsortialkredit mit einem Gesamtvolumen von 180 Mio. Euro im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung am bestehenden 330 Mio. Euro Konsortialkredit vor. Als Kompensation erhielten die Banken 5 Basispunkte als Waiver Gebühr, weitere 5 Basispunkte für eine schnelle Bearbeitung der Anfrage sowie 20 Basispunkte bei Zustimmung zum Änderungsvertrag.917 Mit Ausnahme einer Bank erteilten alle Finanzinstitute den Waiver und fast alle Banken beteiligten sich am neuen Konsortialkredit, so dass der neue Kreditvertrag am 1. Dezember unterzeichnet werden konnte und damit rechtzeitig zur Unterzeichnung des Anleihevertrags vorlag. Nach 3 Monaten war somit die vollständige Refinanzierung der Peri Gruppe erfolgreich abgeschlossen. Dies beinhaltete auch einen Rückkauf der familienfremden Beteiligung durch die Deborah 2000 Vermögensverwaltungs GmbH mit den neuen Mitteln, womit Peri wieder vollständig in Familienhand war. Die veränderte Finanzierung der Peri Gruppe Ende 2004 ist in Abb. 26 dargestellt. Um die Finanzierung direkt an die cashflowgenerierende Einheit anzubinden und u.a. kein strukturelles Subordinationspotenzial aufzubauen,918 wurden sowohl Bond als auch Konsortialkredit direkt durch die Peri GmbH begeben. Familie Schwörer 100%
PERI Werk Artur Schwörer GmbH & Co. KG
100%
100%
SYL 04: 180 Mio. EUR Bond: 250 Mio. EUR
PERI GmbH
ACS Immobilien GmbH & Co. KG
Abb. 26: Peri Finanzierung und Eigentumsstruktur nach der Refinanzierung (vereinfacht)919
Tab. 25 zeigt Herkunft und Verwendung der Mittel aus der Refinanzierung. Mittelherkunft Anleihe festverzinslich Anleihe variabel verzinslich SYL 04
Mittelverwendung Rückzahlung SYL 03 Anteilskauf Deborah 2000 Kosten Refinanzierung Freie Mittel Gesamt 430 Mio. EUR Gesamt Tab. 25: Mittelherkunft und -verwendung der Refinanzierung920
917
150 Mio. EUR 100 Mio. EUR 180 Mio. EUR
Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2004e). Zur strukturellen Subordination vgl. Abschnitt 4.1.4.3. 919 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Peri GmbH (Hrsg.) (2004b), S. 16. 920 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Schwörer, C. (2008), S. 13. 918
330 Mio. EUR 30 Mio. EUR 10 Mio. EUR 60 Mio. EUR 430 Mio. EUR
167 Insgesamt erhielt die Gruppe Mittelzuflüsse in Höhe von 430 Mio. Euro aus der Emission der beiden Anleihen sowie der Neuauflage des Konsortialkredits. Verwendet wurden die Mittel in erster Linie, um den bestehenden syndizierten Kredit zurückzuzahlen und sich damit von den einschränkenden Kreditkonditionen zu befreien. Zusätzlich wurde die erwähnte familienfremde Beteiligung für 30 Mio. Euro zurückgekauft. Weitere 10 Mio. Euro hatte die Refinanzierung inkl. aller Gebühren und Honorare für Banken, Wirtschaftsprüfer, Ratingagenturen etc. gekostet. Somit verblieben 60 Mio. Euro als zusätzliche Liquidität zur Wachstumsfinanzierung über die aus dem operativen Geschäft frei werdenden Mittel hinaus.921 Von den Refinanzierungskosten entfielen 9,3 Mio. Euro auf den High Yield Bond. Tab. 26 vermittelt einen Überblick über die einzelnen Kostenbestandteile. Insgesamt lagen die Kosten oberhalb der in Abschnitt 4.1.7 genannten üblichen Spannen. Im Wesentlichen führt der geschäftsführende Gesellschafter dies im Interview auf die Geschwindigkeit zurück, mit der die Refinanzierung unter dem Eindruck der drohenden Covenant Verletzung durchgeführt worden sei. Um schnell eine Lösung zu erzielen, sei an verschiedenen Stellen im Prozess sehr viel externe Unterstützung durch Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer hinzugezogen worden. Mit längerer Vorbereitungszeit habe die Emission günstiger ausfallen können. Zusätzlich hätte mit mehr Zeit die Möglichkeit zur Durchführung eines stärkeren Preiswettbewerbs bestanden.922 Kostenpositionen Emissionsbanken 5.600.000 EUR Rechtsanwälte 1.650.000 EUR Wirtschaftsprüfer 1.150.000 EUR Haftpflichtversicherung für Comfort Letter 440.000 EUR Ratingagenturen 200.000 EUR Roadshow 80.000 EUR Druckkosten (Offering Memorandum etc.) 160.000 EUR Listing Börse Luxemburg 10.000 EUR Diverse 10.000 EUR Gesamt 9.300.000 EUR Tab. 26: Fremdleistungskosten der High Yield Bondfinanzierung923
4.2.4. Auswirkungen auf Peri Eine sehr grundsätzliche Auswirkung auf Peri besteht in der Erweiterung des Spektrums an Finanzierungsinstrumenten, das der Peri Gruppe zur Verfügung steht und sie von einzelnen Kapitalquellen unabhängiger macht. Hr. Schwörer betont, dass die bisherige und zukünftige Deckung weiteren Finanzierungsbedarfs dadurch vereinfacht worden sei. Nachfolgende Fi921
Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 13. Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 16. 923 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Peri GmbH (Hrsg.) (2004d). 922
168 nanzierungsrunden nach 2004 seien relativ reibungslos verlaufen. Mit Peris Kapitalmarkterfahrung, vorhandenen Ratings der beiden größten Agenturen sowie einer fortgesetzt guten Unternehmensentwicklung habe man 2006 problemlos eine Erhöhung der Fixkuponanleihe um 100 Mio. Euro sowie 2006 und 2007 weitere Konsortialkredite begeben können. Eine andere, direkte und zeitnahe Auswirkung des zusätzlichen Finanzierungsinstruments war die organisatorische und inhaltliche Realisierung dauerhafter Creditor Relations. Dies wurde notwendig, um den veränderten Transparenzanforderungen Rechnung zu tragen, die sich aus dem zugehörigen „Reports to Holders“ Covenant ergeben. Dieser schreibt vor, dass der geprüfte Jahresabschluss in vergleichbarer Detailtiefe zum Offering Memorandum bis spätestens 120 Tage nach Abschluss des Finanzjahres den jeweiligen Haltern der Teilschuldverschreibungen zugänglich gemacht werden muss. Weiterhin sind bis jeweils 60 Tage nach Ende des ersten, zweiten und dritten Quartals ungeprüfte GuV, Bilanz und Kapitalflussrechnung sowie eine schriftliche Erörterung zur finanziellen Lage des Unternehmens, diesbezüglicher Entwicklungen sowie materieller Entwicklungen im operativen Geschäft zu veröffentlichen.924 So wurden erstmalig mit dem Jahresabschluss 2004 und seitdem kontinuierlich Investoren und Analysten Quartals- und Jahresabschlüsse zur Verfügung gestellt. Über die bloße Bereitstellung hinaus führt Peri zusätzlich vierteljährliche Telefonkonferenzen durch, in deren Rahmen die wichtigsten Kennzahlen und Entwicklungen vorgestellt und ggf. diskutiert werden.925 Weiterhin wurde im Internetauftritt von Peri eine separate Seite für Creditor Relations eingerichtet, auf der ein Finanzkalender, Presseerklärungen, aktuelle und frühere Quartalssowie Jahresabschlüsse und aktuelle Bonitätsbewertungen durch Ratingagenturen eingesehen werden können.926 Ziel ist neben der Erfüllung des betreffenden Covenant die in Abschnitt 4.1.6 beschriebene Vermittlung von Sicherheit an investierte Fonds, Banken und Versicherungsunternehmen bzgl. ihres zur Verfügung gestellten Kapitals. Mit den Telefonkonferenzen unterwirft Peri sich der anleiheninduzierten Transparenz sogar über das qua Covenant geforderte Minimalmaß veröffentlichter und kommentierter Quartalsabschlüsse hinaus. Für ein Familienunternehmen, dessen Archetypus als eher verschwiegen und zurückhaltend mit Informationen zur Geschäftsentwicklung gilt, stellt dies eine untypische Verhaltensweise dar. Allerdings fand das Familienunternehmen Peri eine interessante Lösung des Konflikts zwischen notwendiger Öffnung gegenüber Investoren und dem Wunsch nach Diskretion bzgl. interner Daten gegenüber Kunden, Wettbewerbern, Lieferanten, Mitarbeitern und anderen Stakeholdern, denen aus Sicht der Eigentümer kein Zugriff auf solch zentrale Daten zu Peri 924
Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 101f. Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 14f. 926 Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2008e). 925
169 gewährt werden soll. Interessenten, die veröffentlichte Präsentationen oder Finanzberichte auf der zugehörigen Internetseite einsehen möchten, müssen vorab eine Zugangserlaubnis beantragen.927 Für jede dieser Registrierungsanforderung wird durch einen geschäftsführenden Gesellschafter entschieden, ob der Interessent Zugriff erhält oder nicht. Bei positiver Entscheidung wird ein Passwort für den Bereich Creditor Relations zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus verlieren erteilte Passwörter regelmäßig ihre Gültigkeit.928 Die erste Präsentation zum Jahresabschluss 2004 führte mit Alexander Schwörer noch ein Familienmitglied durch, seither leite laut Hrn. Schwörer der familienexterne CFO die Telefonkonferenzen. Ebenso wie bei der Präsentation der Finanzergebnisse sei auch bei der Erstellung der zugehörigen Unterlagen die Einbindung der Gesellschafter seit den ersten Investorenkonferenzen und Quartalsabschlüssen immer weiter zurückgegangen. Inzwischen ließe sich im Bereich der externen Berichterstattung eine Bond Routine konstatieren, die nur noch eine minimale Einbindung der Gesellschafter vorsehe. Neben dem Bereich der externen Berichterstattung habe die Anleihenemission auch im Bereich der Finanzplanung, des Rechnungswesens und des internen Berichtswesens zu einer Professionalisierung geführt, die nach Angaben des geschäftsführenden Gesellschafters ohne Kapitalmarktfinanzierung heute noch nicht erreicht worden wäre.929 Dies gehe neben der unmittelbaren Notwendigkeit zur zeitnahen Veröffentlichung der Quartals- bzw. Jahresabschlüsse auch auf die anderen Covenants zurück, deren Einhaltung sichergestellt werden muss. Dafür ist eine entsprechende Datenverfügbarkeit und -qualität unabdingbar. Dies gilt bspw. für die Beschränkung weiterer Verschuldung, nach der ein Maximalwert von 2,5 der Fixed Charge Cover nicht überschritten werden darf, wenn zusätzliche Verschuldung durch Peri aufgenommen werden soll.930 Um die theoretische Situation einer Überschreitung dieses Covenant grundsätzlich zu vermeiden – auch wenn das neben dem Verbot, weitere Verschuldung aufzunehmen, keine sofortigen Auswirkungen hätte – muss diese Kennzahl kontinuierlich ermittelt und überprüft werden. Da begleitend zu diesem Covenant verschiedene Carve-Outs vorgesehen sind – z.B. zum Zeitpunkt der Emission bestehende Verbindlichkeiten und Banklinien – muss die zentrale Treasury Abteilung auch immer über genutzte und ungenutzte Banklinien der Tochtergesellschaften informiert sein. Ein letztes darstellungswürdiges Detail des Anleihevertrags sind die darin definierten Events of Default, da diese bestätigen, was im unternehmensübergreifenden Teil zur High Yield
927
Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2008f). Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 15. 929 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 14f. 930 Vgl. Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), S. 91. 928
170 Bondfinanzierung bereits erörtert wurde: Die Fälligstellung einer High Yield Anleihe ist schwieriger und nicht so unmittelbar möglich wie bei einem Bankkredit. Eine vorzeitige Kündigung der Peri Bonds droht nur, wenn Zinszahlungen 30 Tage nach Fälligkeit noch nicht erfolgt sind oder der Nennwert am Laufzeitende nicht zurückbezahlt wird. Eine Verletzung von Covenants führt nur dann zur Fälligstellung, wenn Gläubiger, die mindestens 25% der ausstehenden Anleihe besitzen, Peri von dieser Verletzung in Kenntnis setzen und diese Verletzung danach weitere 45 Tage andauert. Die langfristigen Auswirkungen daraus sind folglich, dass die Anforderung weitgehender Unabhängigkeit des Unternehmens gewährleistet ist, weil die Risiken einer vorzeitigen Rückzahlungsverpflichtung überschaubar und direkt durch den Emittenten beeinflussbar sind.
4.2.5. Resümee aus Familiensicht In dem für diese Fallstudie im Sommer 2008 durchgeführten Interview bewertete der befragte geschäftsführende Gesellschafter den von Peri beschrittenen Weg einer High Yield Bondfinanzierung als durchweg positiv und überaus erfolgreich: Die Liquidität und Finanzsituation des Unternehmens habe sich mit der Emission deutlich verbessert. Das beträfe nicht nur die neue Kapitalquelle, sondern auch folgende Bankverhandlungen, da die Banken sich auch noch vier Jahre nach der Erstemission beeindruckt von der Finanzierungsprofessionalität des Unternehmens zeigten. Darüber hinaus seien die Konditionen des High Yield Bond mit unter 6% Zinskosten besser als ursprünglich erwartet ausgefallen. Diese Zufriedenheit mit der High Yield Anleihefinanzierung zeigt sich auch an der erfolgten Bond Erhöhung im Jahr 2006. Zusätzlich habe die Bondfinanzierung eine Professionalisierung des Finanzbereichs und der Unternehmenssteuerung bewirkt. Heute orientiere sich das Management stärker am Cashflow und anderen für den finanziellen Erfolg wesentlichen Steuerungsgrößen. Negativ an der Bondfinanzierung aus Eigentümersicht seien die höheren Kosten im Vergleich zu einer reinen Bankfinanzierung, was einerseits auf die höheren Fremdleistungs- aber auch die Nutzungskosten zurückgehe. Peris Konsortialkredite sind niedriger verzinst als die Bonds, was finanzierungsformimmanent – wegen der Nachrangigkeit und fehlenden Besicherung der Bonds – so sein muss. Nicht als besonders negativ hingegen würde die zusätzliche Transparenz empfunden. Einerseits gehe das auf die mit den Bonds erlangte Unabhängigkeit zurück, andererseits werden ausschließlich Vergangenheitsdaten an die Investoren berichtet. Eine Veröffentlichung von Plandaten erfolgt nicht. Gleichzeitig führt der Geschäftsführer an, dass der Veröffentlichungsdruck auch den Unternehmern helfe. Die Notwendigkeit, vierteljährlich die Perspektive der Investoren einzunehmen, unterstütze bei der regelmäßigen kritischen
171 Überprüfung des Geschäftsmodells und der eigenen Entscheidungen. Diese Aussage des geschäftsführenden Gesellschafters ist überaschend, da er doch selbst Investor ist und diese Perspektive daher zwangsläufig laufend innehaben müsste. An dieser Aussage zeigt sich jedoch, dass sich die Perspektive eines Unternehmers in der eigenen Wahrnehmung aufgrund spezifischer Einflüsse durchaus von der eines externen Investors unterscheiden kann. Solche Spezifika könnten beispielsweise die Langfristigkeit der eigenen Perspektive oder unternehmenshistorischen Verpflichtungen darstellen. Andererseits unterscheidet sich die Perspektive gegenüber externen Bondinvestoren auch darin, dass jene lediglich Fremdkapital zur Verfügung stellen und damit zwangsläufig Risiken anders wahrnehmen und bewerten als Eigenkapitalinvestoren. Besonderheiten, die sich aus dem Spezifikum eines Familienunternehmens als Emittent ergeben, bestanden nach Meinung des geschäftsführenden Gesellschafters nur wenige: Erstens die traditionell kurzen Entscheidungswege, die bei der damals notwendigen Schnelligkeit des Prozesses geholfen hätten. Zweitens entstünden der Enthusiasmus und die Intensität der Anstrengungen, einen High Yield Bond in dieser kurzen Zeit zu platzieren, sicherlich auch aus der für Familienunternehmen typischen besonderen Identifikation von Mitarbeitern und Management mit dem Unternehmen. Dem stünde allerdings eine mangelnde Professionalität in gewissen Punkten entgegen. Dies sei bei der Zusammenstellung des Data Room deutlich geworden, wenn z.B. Gesellschafterbeschlüsse nicht alle in schriftlicher Form vorgelegen hätten. Auf das Ergebnis des Emissionsprozesses hätten diese Besonderheiten jedoch keine Auswirkungen gehabt und der befragte Gesellschafter würde einem Unternehmen in ähnlicher Situation, das sich trotz guter Ergebnisse durch eine bestehende Bankfinanzierung eingeschränkt fühle, jederzeit eine Finanzierung über High Yield Bonds empfehlen. Seiner Meinung nach könne der Kapitalmarkt Unternehmenskennzahlen besser beurteilen als kreditgebende Banken und zeige grundsätzlich weniger Bedenken gegenüber Verschuldung, was auf die übliche Verwendung von High Yield Bonds in LBO Finanzierungen zurück gehe.931
4.3. Zwischenfazit
Die vorangegangen Ausarbeitungen sowohl theoretischer als auch praktischer Natur verdeutlichen, dass High Yield Bonds durchaus eine relevante Alternative oder Ergänzung zur traditionellen Kreditfinanzierung von Familienunternehmen darstellen. Zwar teurer in ihren Finanzierungskosten und in ihren Offenlegungspflichten sehr viel ausgeprägter, bieten sie gegen-
931
Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 15ff.
172 über Bankkrediten auch einige Vorteile. Dazu gehören längere Laufzeiten, eine flexible und unternehmensindividuelle Konditionengestaltung, die fehlende Besicherung von Sachwerten und eine unternehmensfreundlichere Gestaltung der Covenants. Auch die Diversifizierung der Passivseite ist für sich genommen bereits als Vorteil zu sehen. Zusätzlich leistet die Kapitalmarktfinanzierung einen Beitrag zur Professionalisierung des Unternehmens. Aber wiegen diese Vorteile die genannten Nachteile für Familienunternehmen auf? Für Peri mag die Bondfinanzierung geeignet gewesen sein, aber ist sie das auch für andere Familienunternehmen? Zur Beantwortung dieser Fragen ist ein Bezugsrahmen notwendig, in dem alternative Finanzierungsinstrumente auf ihre Eignung für ein typisches Familienunternehmen diskutiert und bewertet werden können. Dieser Bewertungsrahmen individueller Finanzierungsinstrumente wird im nächsten Kapitel entwickelt.
173
5. Das finanzwirtschaftliche Zielsystem als Bewertungsrahmen Nachdem im letzten Kapitel High Yield Bonds als Finanzierungsinstrument allgemein und konkret anhand einer Fallstudie dargestellt wurden, dient Kapitel 5 der Entwicklung eines Maßstabs zur Bewertung der Attraktivität von Unternehmensanleihen als Finanzierungsinstrument für Familienunternehmen. Zur theoretischen Einordnung stellt 5.1 relevante Gebiete der Kapitalstruktur- und Finanzierungsforschung dar. Dieser wissenschaftliche Kanon der Kapitalstruktur- und Finanzierungsdiskussion wird daraufhin untersucht, ob daraus Empfehlungen für konkrete Finanzierungsentscheidungen sowie Bewertungen konkreter Finanzierungsalternativen ableitbar sind. Anschließend wird in 5.2 die Relevanz dieser Forschungsstränge für Familienunternehmen untersucht. 5.3 beginnt mit der Erörterung grundsätzlicher Anforderungen eines Familienunternehmens an seine Finanzierung, die anschließend in ein finanzwirtschaftliches Zielsystem typisierter Familienunternehmen überführt und operationalisiert werden. Dieses Zielsystem bildet dann ein systematisches Begründungsmuster für die Wahl oder Ablehnung bestimmter Koordinationsformen der Kapitalmobilisierung durch Familienunternehmen.
5.1. Relevante Kapitalstruktur- und Finanzierungsforschung
5.1.1. Vorbemerkung: Der Leverage-Effekt Ein zentraler Aspekt der Forschung zur optimalen Kapitalstruktur ist der Leverage-Effekt. Er beschreibt die Abhängigkeit der Eigenkapitalrentabilität vom Verschuldungsgrad des Unternehmens. Da Fremdkapitalgeber vor der Ermittlung des an die Eigentümer ausschüttbaren Gewinns zu bedienen sind, ergibt sich die Eigenkapitalrendite (rEK) als Verzinsung des investierten Eigenkapitals (EK) bezogen auf die Residualgröße von Periodenüberschüssen (x) und abzuziehenden Zinsen (i) für Fremdkapital (FK). Weitere relevante Größen zur Erklärung des Leverage-Effekts sind die Gesamtkapitalrendite (rGK) und der Verschuldungsgrad (V): (4) (5) (6) (7) (8)
V
EK FK
x EK FK FK i EK rEK rGK EK FK rEK EK rGK ( EK FK ) i FK EK FK FK )i rEK rGK ( EK EK EK rGK
174
(9)
rEK
rGK rGK
FK FK i EK EK
FK (rGK i ) EK V (rGK i )
(10) rEK
rGK
(11) rEK
rGK
Theoretisch lässt sich die Eigenkapitalrendite damit durch zunehmende Verschuldung steigern, solange die Gesamtkapitalrendite größer als der Fremdkapitalzinssatz ist.932
5.1.2. Irrelevanz der Kapitalstruktur nach Modigliani/Miller Die moderne Forschung zur Kapitalstruktur beginnt 1958 mit dem Irrelevanztheorem von Miller/Modigliani.933 Die Autoren unterstellen in ihrem wegweisenden Modell,934 dass einem Unternehmen bestimmte und bekannte Cashflows zur Verfügung stehen. Durch die Wahl von Eigen- oder Fremdkapital zur Finanzierung von Investitionen teilt das Unternehmen diese Cashflows zwischen Gläubigern und Aktionären auf.935 Unter der Annahme, dass Investoren unbeschränkten Zugang zum Kapitalmarkt haben, können sie ihre jeweilige Leverage unabhängig vom Unternehmen gestalten: Durch Aufnahme von Fremdkapital und Investition desselben als Eigenkapital kann Leverage gesteigert werden, durch Desinvestition aus einem Unternehmen mit hoher Verschuldung und Investition in ein anderes Unternehmen mit einem geringeren Verschuldungsgrad, kann Leverage reduziert werden. Der annahmegemäß transaktionskostenfreie Handel von Unternehmensanteilen verhindert deswegen dauerhafte Veränderungen im Unternehmenswert, die lediglich auf eine Veränderung der Leverage zurückgehen. Denn existierten diese Wertunterschiede, würden Marktteilnehmer diese sofort nutzen, um risikofreie Arbitragegewinne zu erzielen.936 Somit demonstrieren Modigliani/Miller, dass der Wert eines Unternehmens in Abwesenheit von Insolvenz-, Transaktionskosten und Steuern unabhängig von seiner Kapitalstruktur ist. Folglich gibt es keine optimale Kapitalstruktur. Weiterhin verdeutlichen Modigliani/Miller, dass jedem Unternehmen ein spezifisches, durch das jeweilige Geschäftsmodell begründetes Risiko innewohnt. Dieses Risiko der Kapitalgeber wird mit einer Risikoprämie honoriert, die 932
Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 483, Bitz (2000), S. 10. Allerdings wird die erhöhte erwartete Eigenkapitalrendite mit einer erhöhten Streuung derselben erkauft, so dass die Vorteilhaftigkeit der Steigerung der Renditeerwartung a priori nicht klar ist. Vgl. dazu Breuer (2008), S. 91f. 933 Vgl. Frank/Goyal (2008), S. 140. 934 Das Irrelevanztheorem wird in der Literatur als fundamentaler Bestandteil der Neoklassischen Kapitalmarkttheorie angesehen. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 20 oder Schmidt/Terberger (2003), S. 62f und S. 252ff. 935 Neben der Aufteilung in Zinszahlungen und Dividenden unterstellen die Autoren, dass die Thesaurierung von Gewinnen (als dritte Möglichkeit der Aufteilung freier Mittel) einer vollständig gezeichneten Kapitalerhöhung mit Vorkaufsrechten entspricht und damit auch den Aktionären zu Gute kommt. 936 Vgl. Modigliani/Miller (1958).
175 wiederum unternehmensspezifisch und konstant ist, d.h. Kapitalstrukturveränderungen führen lediglich zu einer Variation der Prämienallokation zwischen Fremd- und Eigenkapitalgebern, die Gesamthöhe zu verändern vermögen sie nicht.937 Aufgrund der stark einschränkenden Prämissen stellt das Modell von Modigliani/Miller keine normative Theorie dar, da es keine tatsächlichen Finanzstrukturmaßnahmen zu bewerten oder Handlungsempfehlungen zu generieren vermag.938 Die andauernde Bedeutung des Irrelevanztheorems für die Theoriebildung in der betrieblichen Finanzwirtschaft bleibt davon unbenommen.939
5.1.3. Trade-Off Theorie Die Bezeichnung Trade-Off Theorie dient der Beschreibung einer Gruppe verwandter Theorien, die auf einer Erweiterung des Irrelevanztheorems durch Modigliani/Miller fußen. Wie der Term Trade-Off impliziert, wird darin der Nutzen von Leverage gegen die zugehörigen Kosten abgewogen. Dabei wird die Existenz eines theoretisch optimalen Verschuldungsgrades unterstellt, der im Bereich der Äquivalenz von marginalen Kosten- und Nutzeneffekten des Fremdkapitals liegt. Indem Modigliani/Miller 1963 in ein Modell, das die Irrelevanztheorie weiterentwickelt, Unternehmenssteuern aufnehmen, verschaffen sie Fremdkapital einen Vorteil gegenüber Eigenkapital: Die Vorsteuerabzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen begründet ein Tax Shield, das Gewinne teilweise gegen Steuern abschirmt.940 Da Modigliani/Miller diesem Nutzen von Verschuldung keine zugehörigen Kosten gegenüberstellen, besteht die modell-theoretisch optimale Kapitalstruktur folglich in einem Maximum aus Fremdkapital und resultierendem Tax Shield. Analog nimmt der Wert eines Unternehmens mit steigender Verschuldung linear zu.941 Eine offensichtliche Risikoposition, die den Vorteil der Steuerabzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen allerdings relativiert, bildet das Insolvenzrisiko, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit mit zunehmender Verschuldung steigt. Da parallel zum Insolvenzrisiko die Gefahr von Zah-
937
Vgl. v. Nitzsch et al. (2005), S. 411. Dies lag vermutlich auch nicht im Interesse der Autoren. Obwohl viele empirisch beobachtbare Phänomene des Kapitalmarkts mit dem Irrelevanztheorem nicht erklärt werden können, bleibt die Gültigkeit der Ergebnisse des Modells von Miller/Modigliani unter den Modellprämissen unangefochten. Gerade die Auseinandersetzung mit diesen Modellprämissen bildet aber die Ausgangsbasis weiterer Modelle und Ergebnisse, wovon einige in den nächsten Abschnitten diskutiert werden. 940 Vgl. Modigliani/Miller (1963). 941 Wobei die Autoren selbst davon abraten, diese theoretisch optimale Kapitalstruktur in der Realität abzubilden. Sie begründen das mit evtl. die Unternehmenssteuer übersteigenden individuellen Einkommenssteuern der Aktionäre sowie der Notwendigkeit, finanzielle Flexibilität und damit zukünftige Verschuldungskapazität zu wahren. Vgl. Modigliani/Miller (1963), S. 442. 938 939
176 lungsausfällen für die Gläubiger wächst, werden auch die Renditeforderungen der Fremdkapitalgeber steigen. Diesem Sachverhalt tragen Kraus/Litzenberger 1973 mit ihrem Trade-Off Modell Rechnung, das optimale Leverage im Gleichgewicht von Steuergewinnen und potenziellen Insolvenzkosten lokalisiert. Der Wert des Unternehmens ergibt sich demnach als Marktwert des unverschuldeten Unternehmens zuzüglich des steuersatzadjustierten Fremdkapitalmarktwerts abzüglich steuersatzadjustierter und diskontierter Insolvenzkosten.942 Darauf aufbauend formuliert Myers 1984, dass Unternehmen sich ein Ziel im Verhältnis von Fremdkapital zu Unternehmenswert setzen und dieses graduell zu erreichen suchen.943 Er verdeutlicht damit, dass Kapitalstrukturoptimierung keine einmalige Maßnahme ist. Diesem gedanklichen Ansatz Rechnung tragend, wird zwischen zwei Trade-Off Theorien unterschieden: Der statischen Trade-Off Theorie, bei der die anzustrebende Verschuldung durch einen einperiodischen Ausgleich von Steuervorteilen und Insolvenzrisiko ermittelt wird, sowie der dynamischen Trade-Off Theorie, bei der Abweichungen von einem Zielverschuldungsgrad über längere Zeit abgebaut werden.944 Die statische Trade-Off Theorie kann aufgrund ihrer Einschränkungen bei der Erklärung tatsächlicher Finanzierungsentscheidungen als inzwischen überholt betrachtet werden.945 Die dynamische Trade-Off Theorie hingegen wird auch heute noch weiter entwickelt:946 Die Einführung von Transaktionskosten durch Fischer et al. führte 1989 zur Erklärung, warum empirisch untersuchte Kapitalstrukturen scheinbar eher „treiben“ als kontinuierlichen Anpassungen zu unterliegen. Die Begründung ergibt sich aus der Kostenintensität von Kapitalstrukturanpassungen, weswegen diese lediglich am oberen und unteren Ende eines definierten Zielbereichs der Unternehmensverschuldung durchgeführt werden. So lange die Leverage sich in diesem Zielkorridor befindet, nutzen Unternehmen laufende Gewinne, um Fremdkapital zurückzuzahlen. Erst wenn eine definierte Minimalverschuldung unterschritten wird, führt dies zur Aufnahme neuen Fremdkapitals. Das erklärt auch die empirische Beobachtung, warum Profitabilität und Verschuldung negativ korrelieren.947 Auch heute wird die Trade-Off
942
Vgl. Kraus/Litzenberger (1973). Miller hingegen relativiert diesen Abgleich in Weiterführung seiner und Modiglianis Arbeit und entgegnet, dass die Zinsabzugsfähigkeit als Fremdkapitalvorteil die Nachteile bei weitem übertrifft und der Unternehmenswert maßgeblich durch den Tax Shield und nur minimal durch die diskontierten Insolvenzkosten determiniert wird. Vgl. Miller (1977). 943 Vgl. Myers (1984). 944 Vgl. Frank/Goyal (2008), S. 142. Zur statischen Trade-Off Theorie vgl. exemplarisch Deeley (2004). 945 Insbesondere zwei beobachtbare Aspekte bei empirischen Untersuchungen sind aufgrund der einperiodischen Betrachtungsweise nicht interpretierbar: Gewinnthesaurierung und die stochastische Tendenz zum langfristigen Mittelwert (Mean Reversion Effekt). Vgl. Frank/Goyal (2008), S. 145. 946 Die folgenden Aufzählungen einiger Weiterentwicklungen der dynamischen Trade-Off Theorie sind lediglich illustrativ und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für einen Überblick zu aktuellen Trends der Weiterentwicklung dynamischer Trade-Off Modelle vgl. Frank/Goyal (2008), S. 148f. 947 Vgl. Fischer et al. (1989).
177 Theorie noch weiter entwickelt: Titman/Tsyplakov bspw. berücksichtigen explizit Investitionsentscheidungen bei der Analyse von Finanzierungsentscheidungen und revidieren damit die bisherige Hypothese exogener Cashflows.948 Hennessy/Whited definieren zusätzlich Ausschüttungen als endogene Variable des Modells, was die Modellierung unterschiedlicher Thesaurierungs- und Dividendenstrategien erlaubt.949 Lewellen/Lewellen hingegen unterscheiden zwischen internem und externem Eigenkapital und beziehen Überlegungen zur Versteuerung von Kursgewinnen durch Aktienrückkaufprogramme mit ein. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die optimale Finanzierungspolitik eines Unternehmens sich auch an der Fristigkeit ihrer Aktionäre orientieren muss.950 Abschließend lässt sich konstatieren, dass die Trade-Off Theorie intuitiv plausibel und anschaulich ist. Sie vermag weiterhin einige empirisch beobachtbare Phänomene zu begründen. Die Existenz branchenübergreifender und internationaler Unterschiede in Kapitalstrukturen kann sie jedoch nicht abschließend erklären. Auch die praktische Anwendbarkeit zur Entscheidungsfindung im Rahmen einer unternehmensspezifischen Kapitalstrukturoptimierung wird durch die fehlende Operationalisierbarkeit bei der Berechnung potenzieller Insolvenzkosten erschwert. Wie dargestellt, ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung aber noch nicht abgeschlossen.
5.1.4. Principal-Agent Theorie Die Principal-Agent Theorie fußt auf folgenden modellimmanenten Konstrukten der Agency Theorie und der Property Rights Theorie: Individuelle Nutzenmaximierung, Unternehmen als Netz individueller Verträge, Delegationsprinzip und Entscheidungsspielraum des Agenten bei Erledigung durch den Prinzipal delegierter Tätigkeiten. Aus dieser Konstellation ergeben sich Informationsasymmetrien, Divergenzen der Akteure in ihren Zielen und den Maßnahmen zu deren Erreichung.951 Bezogen auf Kapitalstrukturentscheidungen sind zwei Typen von Interessenkonflikten zwischen Prinzipal und Agent zu unterscheiden: Fremdkapitalinduzierte Agency Probleme zwischen Kapitalgeber und -nehmer sowie das eigenkapitalinduzierte Anreizproblem zwischen Eigentümer und Management.952
948
Vgl. Titman/Tsyplakov (2007). Vgl. Hennessy/Whited (2005). 950 Vgl. Levellen/Levellen (2006). 951 Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 307f. Zur Property Rights Theorie vgl. Demsetz (1967), Alchian/Demsetz (1973). 952 Vgl. Nemec (1999), S. 13ff. 949
178 Ein erstes Konfliktpotenzial zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer besteht im Potenzial der Risikoverlagerung von Eigentümern zu Lasten der Gläubiger. Ein Anreiz dazu entsteht durch die unterschiedlichen Risiko- und Gewinnpotenziale, denen Eigen- und Fremdkapitalgeber ausgesetzt sind.953 Investitionen mit höheren Chancen und Risiken begünstigen den Eigentümer daher ungleich gegenüber dem Gläubiger.954 Der Eigentümer wird aus zwei alternativen Investitionen diejenige mit demselben oder sogar niedrigeren Barwert wählen, wenn die Varianz der Erträge höher ist, denn damit maximiert er den Barwert seines Kapitaleinsatzes.955 Da der Kapitalgeber dies antizipiert, wird er versuchen, die Kreditkonditionen entsprechend anzupassen bzw. das Darlehen nicht gewähren.956 Im Gegensatz zu diesen fremdkapitalinduzierten Interessenskonflikten zwischen Kapitalgeber und -nehmer gehen eigenkapitalinduzierte Interessenskonflikte auf die Interessensasymmetrie zwischen Eigentümer und Manager zurück: Der Eigentümer ist an der Wertmaximie-
rung seines Anteils am Unternehmen interessiert, d.h. am Barwert zukünftiger Dividenden und Aktienkurssteigerungen. Der Manager hingegen zieht seinen Nutzen aus dem Gehalt und sonstigen monetären sowie nicht-monetären Vergütungen, wozu Image, Reputation, ein Firmenfahrzeug oder exklusive Büroausstattung gehören. Aus diesem durch unterschiedliche Nutzenfunktionen erwachsenden Anreizproblem können verschiedene Interessenskonflikte entstehen. Beispiele sind eine Verringerung des Arbeitseinsatzes durch den Manager oder eine Reduktion des Unternehmenswerts durch eine überproportionale Vergütung des Managements,957 Tätigung von Investitionen mit einem negativen Barwert aufgrund subjektiver Nutzenzuwächse des Agenten,958 überproportionale Gewinnthesaurierung zu Lasten der Dividende, suboptimale Verschuldung oder Unterinvestition aufgrund der Risikoaversion des Managers.959 Sowohl fremd- als auch eigenkapitalinduzierten Interessenskonflikten ist gemein, dass sie Opportunitätskosten in Form teurerer Kreditkonditionen, Aktienkursverschlechterungen oder kostenintensiver Kontrollmechanismen verursachen. Diese Kosten werden als Agency Kosten bezeichnet und gehen darauf zurück, dass in der wirtschaftswissenschaftlichen Realität
first-best Lösungen häufig nicht erreichbar sind sondern nur beschränkt pareto-optimale se953
Gläubigern stehen nur Zinsen zu, während Eigentümer über ein unbegrenztes Gewinnpotenzial verfügen. Der Grund liegt in der Optionspreistheorie von Black-Scholes, nach der die Varianzerhöhung eines Cashflows eine Wertsteigerung des Unternehmens zur Folge hat, das den Cashflow erzeugt. Vgl. Black/Scholes (1973). 955 Für ein anschauliches Rechenbeispiel vgl. Schmidt/Terberger (2003), S. 416f. 956 Vgl. Nemec (1999), S. 48. 957 Vgl. Nemec (1999), S. 44f. 958 Vgl. Denis et al. (1997) für eine Untersuchung unternehmenswertmindernder Diversifikation als Beispiel für subjektive Nutzenzuwächse des Managements. 959 Vgl. Jensen/Smith (1985), S. 103f, Myers (1977), S. 153f. 954
179 cond-best Lösungen erzielt werden können. Agency Kosten bilden die Differenz beider Lösungen und sind als Kosten für die Verhaltensteuerung des Agenten zu interpretieren. Die agency-theoretische second-best Lösung eines Kooperationsverhältnisses ist damit diejenige Vertragsbeziehung mit den minimalen Agency Kosten.960 Zur Frage, wie die Erkenntnisse der Agency Theorie zur Definition einer optimalen Kapitalstruktur beitragen können, existieren verschiedene Modelle.961 Alle stimmen darin überein, dass Kapitalstrukturanpassungen sowie deren Auswirkungen auf das Management dazu dienen, die Interessen des Agenten mit denen des Prinzipals in Einklang zu bringen. In ihrem Beitrag, der den finanzwirtschaftlichen Zweig der Agency Theorie begründet, postulieren Jensen/Meckling 1976 daher, dass die Güte einer Kapitalstruktur sich daran messen lassen muss, in wie weit sie den nicht bzw. nicht im selben Ausmaß wie die Eigentümer am Unternehmen beteiligten Manager motiviert, im Sinne des Eigentümers zur agieren. Dazu werden eigenkapitalinduzierte Agency Kosten (AKEK) in Relation zu fremdkapitalinduzierten Agency Kosten (AKFK) gesetzt. Die optimale Kapitalstruktur mit insgesamt minimalen Gesamt Agency Kosten (AKGK) befindet sich im Schnittpunkt der Agency Kostenverläufe von Eigen- und Fremdkapital (vgl. Abb. 27).962 AK
AKFK
AKGK
AKEK
EK*
EK
Abb. 27: Optimale Kapitalstruktur nach Jensen/Meckling963
In Ergänzung des Optimierungsgedankens verwendet Jensen folgende Argumentationslinie: Da Fremdkapital in bar zurückgezahlt werden muss, reduziert es den Free Cashflow, den das Management anderweitig nutzen kann. Die Aufnahme von Fremdkapital führt folglich zu einer disziplinierenden Einschränkung des Managements in seinen Möglichkeiten zur unter-
960
Vgl. Nemec (1999), S. 20, Spremann (1989), S. 8. Im Folgenden wird lediglich eine Auswahl finanzwirtschaftlicher Agency Modelle dargestellt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. 962 Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 344ff. 963 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Jensen/Meckling (1976), S. 344. 961
180 nehmenswertneutralen oder -reduzierenden Verwendung freier Mittel.964 Auch Harris/Raviv argumentieren mit der disziplinierenden Funktion von Fremdkapital und fokussieren auf dessen Funktion als Informationsquelle für Gläubiger sowie externe Eigenkapitalinvestoren. Nicht termingerechte Zinszahlungen für Kredite bspw. dienen als Indiz für operative Probleme im Unternehmen. Ausgehend davon können die Eigentümer Restrukturierungsmaßnahmen o.ä. anstoßen und ihre Rendite verbessern bzw. einen Verlust durch zukünftige Insolvenz des Unternehmens vermeiden. Die optimale Verschuldung befindet sich in diesem Modell im Schnittpunkt vermiedener Fortführungskosten (Erträge) und notwendiger Informations- und Kontrollkosten des Fremdkapitals (Kosten).965 Ein anderes Agency Modell von Stulz stellt die Lösung des eigenkapitalinduzierten Überinvestitionsproblems in den Vordergrund bei der Identifikation der optimalen Kapitalstruktur. Zins- und Tilgungszahlungen reduzieren die freien Mittel, die das Management in rentable sowie unrentable Projekte investieren kann. Auch hier ergibt sich die optimale Kapitalstruktur im Schnittpunkt aus Nutzen und Kosten der Verschuldung. Den Verschuldungsnutzen bilden Ersparnisse aus nicht durchgeführten Investitionen mit negativem Kapitalwert. Die Kosten drücken sich in nicht durchgeführten Investitionen mit einem positiven Kapitalwert aus.966 Insgesamt muss allerdings konstatiert werden, dass auch die Agency Theorie keine normativen Aussagen hervorbringt, die einen Finanzmanager bei der Optimierung der Kapitalstruktur seines Unternehmens ausreichend unterstützen. Zwar vermögen einige Agency Modelle auf Basis eines Abgleichs von Nutzen und Kosten der Verschuldung ein theoretisches Optimum zu identifizieren, die Operationalisierbarkeit dieser Modelle insbesondere bei der Ermittlung konkreter Kosten- und Ertragsfunktionen muss jedoch in Frage gestellt werden.
5.1.5. Pecking Order Theorie Basis der Pecking Order Theorie ist wiederum die Existenz einer asymmetrischen Informationsverteilung, in diesem Fall zwischen Unternehmensinsidern (Management, Eigentümer, bestehende Gläubiger) und -outsidern (potenzielle, bisher unbeteiligte Investoren und Gläubiger). Diese Informationsasymmetrie führt modellimmanent zu unerwünschten Ergebnissen bei zusätzlicher Kapitalaufnahme durch negative Risikoauslese (adverse Selektion). Diese nega-
964
Vgl. Jensen (1986), S. 324. Gleichgerichtet auch Grossman/Hart (1982) oder Kale et al. (2008), die positive Auswirkungen von Verschuldung auf die Mitarbeiterproduktivität nachweisen. 965 Vgl. Harris/Raviv (1990). 966 Vgl. Stulz (1990).
181 tive Risikoauslese lässt sich mit dem Konstrukt Signaling erklären.967 Demzufolge wird das bestehende Informationsdefizit der Unternehmensumwelt mittels Signalen des Unternehmens abgebaut. Im Rahmen der Pecking Order Theorie bildet die Kapitalstruktur das Vehikel dieser Signale:968 Wenn Firmeninsider gegenüber Investoren einen Informationsvorsprung haben, kennen nur sie den wahren Wert des Unternehmens. Tritt das Unternehmen zur Finanzierung einer Investition an externe Eigenkapitalinvestoren heran, versuchen diese zu verstehen, warum das Unternehmen speziell Eigenkapital und kein Fremdkapital aufnehmen will. Eine gängige Interpretation dazu lautet, dass das Management bereitwillig neue Aktien emittiert, wenn der aktuelle Aktienkurs des Unternehmens überbewertet ist. Im Fall einer Unterbewertung wird von einer Aktienemission abgesehen, weil die Finanzierung einer Investition mit neuem externen Eigenkapital bei einer Unterbewertung des Unternehmens an der Börse dazu führt, dass die neuen Aktionäre mehr als den Kapitalwert der mit den Aktien zu finanzierenden Investition erhalten. Es findet folglich ein Werttransfer von alten an neue Aktionäre statt. Da das Management jedoch im Interesse der bestehenden Aktionäre agiert, wird es diesen Werttransfer nicht herbeiführen und infolgedessen werden nur solche Unternehmen, die an der Börse überbewertet sind, eine Aktienemission zur Finanzierung neuer Investitionen durchführen.969 Da der Markt das antizipiert, führt eine Emission neuer Aktien regelmäßig zu fallenden Aktienkursen.970 Unternehmen versuchen diese aus Informationsasymmetrie entstehende negative Risikoauslese zu vermeiden und wählen eine Hierarchie von Finanzierungspräferenzen, die sequentiell abgearbeitet wird, wenn die bestehenden Mittel nicht mehr ausreichen: Interne Finanzierung aus Cashflows, risikoarmes Fremdkapital, risikoreiches Fremdkapital, externes Eigenkapital. Gemäß der Pecking Order Theorie existiert folglich keine optimale Kapitalstruktur. Sie ist vielmehr das Resultat des kumulierten Finanzierungsbedarfs eines Unternehmens und ihre Zusammensetzung ergibt sich aus der Informationsasymmetrie zwischen Unternehmensinund -outsidern sowie daraus folgenden unerwünschten Signalwirkungen.971 Kritisch an der Pecking Order Theorie ist anzumerken, dass sie bereits in ihrer ursprünglichen Definition offene Fragen lässt. Die Aussage „[a] firm prefers internal to external financing,
967
Zum Konstrukt Signaling vgl. bspw. Ross (1977). Für einen Literaturüberblick zu Signaling Modellen vgl. Chen/Hammes (2004), S. 122f. 968 Vgl. Myers (1984) sowie Myers/Majluf (1984). 969 Für eine spieltheoretische Modellierung dieses Phänomens vgl. Cadsby et al. (1990) sowie Cadsby et al. (1998), wobei Letztere explizit Signaling des Emittenten in ihre Modellierung aufnehmen. 970 Für einen Überblick empirischer Belege für sinkende Kurse bei Ankündigung neuer Aktienemissionen vgl. Harris/Raviv (1991), S. 346. 971 Vgl. Myers (1984), S. 575 sowie Myers/Majluf (1984), S. 219f.
182 and debt to equity if it issues securities”972 ist nicht eindeutig: Impliziert die Präferenz, dass ein Unternehmen seine Fremdkapitalkapazität (Debt Capacity)973 erst vollständig ausnutzt bevor es externes Eigenkapital emittiert, auch wenn dies schlechtere Konditionen gegenüber Eigenkapital bedeuten kann, oder gilt die Präferenz c.p.? Falls Letzteres zutrifft, schränkt das die empirische Überprüfbarkeit ein, da die jeweiligen Ergebnisse stark von der Definition derjenigen Konditionen abhängen, die gleich sein müssen. Inzwischen scheint sich trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten jedoch die c.p. Interpretation durchzusetzen.974 Weiterhin stellen Halov/Heider fest, dass die ursprüngliche Pecking Order nach Myers nur einen spezifischen Fall negativer Risikoauslese darstellt, der auf einem Informationsvorsprung des Managements bzgl. des wahren Werts des Unternehmens beruht. Sind hingegen die Informationen zum Insolvenzrisiko ungleich verteilt, können die Argumente der adversen Selektion auf Fremdkapital bzw. Gläubiger übertragen werden, wodurch Unternehmen externes Eigen- gegenüber Fremdkapital bevorzugen. Das würde die Pecking Order umkehren.975 Auch empirisch widersprechen mehrere Beobachtungen dem Erklärungspotenzial der Pecking Order Theorie: Bildete die Theorie die Realität ab, würden Unternehmen bezogen auf ihr Eigenkapital einerseits zu viel und andererseits zum falschen Zeitpunkt emittieren, wie Frank/Goyal bzw. Fama/French und Leary/Roberts nachweisen.976 Weiterhin ist gemäß der Pecking Order eine entstehende Finanzmittelknappheit der theoretische Grund für eine Kreditaufnahme, empirisch ist jener Zusammenhang nur teilweise nachweisbar.977 Daher fokussieren Vertreter der Pecking Order Theorie aktuell auf Weiterentwicklungen der Theorie zur Erklärung dieser Phänomene: So erweitern Eckbo/Masulis das traditionelle Modell der negativen Risikoauslese um eine Untersuchung unterschiedlicher Kapitalerhöhungsprinzipien. Ein Zeichnungsangebot an bestehende Aktionäre verursacht dabei regelmäßig höhere Opportunitätskosten als der vollständige Verkauf an eine Emissionsbank.978 Lemmon/Zender ande972
Myers (1984), S. 576. Myers (1977) bspw. definiert Fremdkapitalkapazität als das Potenzial eines Unternehmens, Fremdkapital aufzunehmen bis der Marktwert des Unternehmens durch weitere Verschuldung sinkt. Alternativ beschreiben Chirinko/Singha die Fremdkapitalkapazität als ausgeschöpft, wenn ein ausreichend hoher Verschuldungsquotient erreicht ist und stützen sich damit auf den Gedanken der Trade-Off Theorie, der eine Beschränkung der Fremdkapitalaufnahme durch die drohenden Kosten einer Insolvenz vorsieht. Vgl. Chirinko/Singha (2000), S. 419. 974 Vgl. Frank/Goyal (2008), S. 150f. 975 Vgl. Halov/Heider (2005). 976 Vgl. Frank/Goyal (2003), S. 230, Fama/French (2005) 579f sowie Leary/Roberts (2007), S. 20ff. 977 Zum Beispiel zeigen Frank/Goyal, dass die Vorhersagegüte der Pecking Order stark positiv mit der Firmengröße korreliert. Bei kleinen Unternehmen, bei denen adverse Selektion theoretisch stärker ausgeprägt sein sollte besitzt die Pecking Order empirisch weniger Erklärungspotenzial. Vgl. Frank/Goyal (2003), S. 236f. 978 Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass eine Kapitalerhöhung mittels Zeichnung ein Risiko der adversen Selektion birgt, da eine Nicht-Nutzung des Zeichnungsangebots durch Altaktionäre einem Aktienverkauf gleichkommt und vom Markt entsprechend interpretiert wird. Die entstehenden Opportunitätskosten durch Kursverluste können durch einen Exklusivverkauf an eine Emissionsbank vermieden werden. Vgl. Eckbo/Masulis (1992). 973
183 rerseits untersuchen das Konstrukt Fremdkapitalkapazität im Detail, zu der sich bisher kein einheitliches Verständnis durchgesetzt hat. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass das Potenzial, weiteres Fremdkapital aufzunehmen, die Pecking Order insofern beeinflusst, als sie maßgeblich für solche Unternehmen gilt, deren Fremdkapitalkapazität nicht ausgenutzt ist und sie bei der Kapitalbeschaffung folglich nicht einschränkt.979 Weiterhin zeigen Lemmon/Zender, dass Unternehmen profitable Wachstumszeiten dazu verwenden, ihr Schuldenpotenzial durch Verschuldungsabbau zu erhöhen. Das allerdings widerspricht der Trade-Off Theorie.980 Es bleibt festzuhalten, dass auch die Pecking Order tatsächliche Finanzierungsentscheidungen nicht vollständig erklären kann.981 Myers selber gesteht ein, dass die Theoriebildung zur optimalen Kapitalstruktur mit der Pecking Order Theorie noch nicht abgeschlossen ist.982
5.1.6. Determinantenforschung Ausgangspunkt der Determinantenforschung sind empirische Überprüfungen der oben dargestellten theoretischen Kapitalstrukturmodelle, auf deren teilweise widersprüchliche Ergebnisse bereits in den jeweiligen Abschnitten hingewiesen wurde. Unabhängig von Untersuchungsergebnissen zu einzelnen Modellen, liegt der Mehrwert dieser Studien in ihrer partialanalytischen Identifikation von Unternehmensspezifika und anderen Charakteristika, welche die Kapitalstruktur eines Unternehmens beeinflussen. Untersuchungsgegenstand der finanzwirtschaftlichen Determinantenforschung ist damit der Einfluss spezifischer Variablen auf den Verschuldungsgrad von Unternehmen. Im Gegensatz zu den theoretischen Modellen, bei denen die Ableitung normativer Handlungsempfehlungen wie erläutert nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ist, ermöglicht die Determinantenforschung auf Basis einer breiten Empirie die Identifikation von Best Practices zur Nutzung von Fremdkapital in Abhängigkeit spezifischer Variablenausprägungen.983 Tab. 27 fasst einige zentrale Determinanten zusammen.
979
Dies klärt allerdings nicht abschließend, ob die Wahl eines Finanzierungsinstruments gemäß der Pecking Order der diskutieren c.p. Kondition unterliegt oder nicht. Tendenziell scheint die empirische Untersuchung von Lemmon/Zender jedoch auf deren Gültigkeit hinzuweisen. 980 Vgl. Lemmon/Zender (2002). Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 5.1.3 bzgl. der Transaktionskosten im Modell von Fischer et al.. Die Ergebnisse bieten auch hier Erklärungspotenzial. 981 Auch in der wissenschaftlichen Literatur herrscht nach über 20 Jahren Auseinandersetzen mit der Pecking Order kein Konsens, ob die Theorie tatsächliche Finanzierungsentscheidungen zu erklären vermag oder nicht, Vgl. Leary/Roberts (2007), S. 1f für eine Gegenüberstellung gegenteiliger Untersuchungsergebnisse. 982 Vgl. Myers (1984), S. 575. 983 Vgl. Wahl (2004), S. 97f.
184 Determinante Unternehmensrentabilität
Korrelation zur Verschuldung Negativ
Qualitative Begründung
Empirie
Je rentabler ein Unternehmen ist, desto stärker können selbst generierte Mittel zur Finanzierung herangezogen werden. Dies entspricht der Pecking Order Logik.
Weitgehende Bestätigung der negativen Korrelation, bspw. durch Shyam-Sunder/Myers984 oder Rajan/Zingales985, die jedoch für Deutschland keine Korrelation feststellen. Grundsätzlich bestätigen viele Untersuchungen diesen Größeneffekt,986 für Deutschland zeigen einige Analysen jedoch bei großen Unternehmen geringere Leverage als bei kleinen.987 Einen Überblick geben Barbosa/ Moraes.988 Untersuchungen zu Deutschland führten bspw. Rivaud-Danset et al.989 durch. Gemischt, negative Korrelation selten signifikant und wenig einheitlich. Einen Überblick geben Schäfer et al. 990 sowie Barbosa/Moraes.991
Unternehmensgröße
Positiv
Die Gewinne größerer Unternehmen sind aufgrund größerer Diversifikation weniger volatil als die Gewinne kleiner Unternehmen. Dies bedingt eine höhere Fremdkapitalkapazität.
Unternehmensrisiko
Negativ
Tangibilität der Vermögensgegenstände
Positiv
Eine Erhöhung des Verschuldungsgrades steigert die Insolvenzwahrscheinlichkeit und führt zu steigenden Renditeerwartungen der Fremdkapitalgeber. Bei gesteigertem Unternehmensrisiko ist die Risikokompensation ohnehin bereits kostenintensiver, eine Fremdkapitalfinanzierung wird noch teurer. Unternehmen mit einem hohen Anteil materieller Vermögensgegenstände können diese zur Besicherung von Fremdkapital nutzen.
984
Gemischt, zahlenmäßig jedoch mehr Untersuchungen, die die Existenz einer positiven Korrelation subsumieren.992 Chen/ Hammes bestätigen die positive Korrelation und führen länderspezifische Abweichungen auf Unterschiede in Rechnungslegung, Steuer- und Insolvenzrecht zurück.993
Vgl. Shyam-Sunder/Myers (1999), S. 241. Vgl. Rajan/Zingales (1995), S. 1457. Vgl. exemplarisch Sogorb-Mira (2005), der Unternehmensgröße als Verschuldungsdeterminante für KMU in Spanien nachweist. 987 Beispielsweise kommen Rajan/Zingales in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass in Deutschland als einzigem G7-Land die Größe nicht positiv sondern negativ mit der Verschuldung eines Unternehmens korreliert. Vgl. Rajan/Zingales (1995), S. 1457. Eine Begründung dafür liefern sie jedoch nicht. 988 Vgl. Barbosa/de Castro Moraes (2003), S. 6ff. 989 Vgl. Rivaud-Danset et al. (1998), S. 32f. 990 Vgl. Schäfer et al. (2004), S. 4ff. 991 Vgl. Barbosa/de Castro Moraes (2003), S. 3ff. 992 Vgl. Wahl (2004), S. 101. 993 Vgl. Chen/Hammes (2004), S. 137ff. 985 986
185 Determinante Unternehmensbranche
Korrelation zur Verschuldung Positiv
Unternehmensalter
Positiv
Rahmenbedingungen
Positiv oder negativ
Qualitative Begründung
Empirie
Unternehmen derselben Branche weisen ein ähnliches Risikoprofil und damit ähnliche Volatilität der Gewinne auf (vgl. Ausführungen zur Determinante Unternehmensrisiko).
Weitgehende Bestätigung der positiven Korrelation, bspw. durch Barbosa/Moraes.994 Die Feststellung von Bradley et al., dass die Varianz der durchschnittlichen inter-Branchen Leverage die der intra-Branche übersteigt, unterstreicht die positive Korrelation.995 Barbosa/Moraes996 und CardoneRiportella/Cazorla-Papis997 finden keinen Beleg für eine positive oder negative Korrelation. Bisher relativ wenig Untersuchungen,998 Rajan/Zingales999 können keinen Zusammenhang zwischen Markt- bzw. Bankorientierung und Unternehmensfinanzierung belegen, weisen jedoch auf die schwierige Operationalisierbarkeit hin.
Alter als Indikator für Abnahme von Risiko und Gewinnvolatilität gibt älteren Unternehmen eine größere Fremdkapitalkapazität. Rahmenbedingungen wie Steuergesetzgebung, Bank- vs. Marktorientierung des Finanzsystems etc. lassen einen Einfluss auf die Verschuldung von Unternehmen vermuten.
Tab. 27: Zentrale Determinanten der Kapitalstruktur1000
Auch Untersuchungen im Grenzgebiet zwischen Strategischem Management und Kapitalstrukturforschung sind im Bereich der Determinantenforschung anzusiedeln. So weisen bspw. Simerly/Li nach, dass der Effekt von Leverage auf die Unternehmensperformance in starkem Maße von der Dynamik des Unternehmensumfeldes abhängt: Ein hoher Verschuldungsgrad hat einen positiven Einfluss auf die Leistung des Unternehmens, wenn die Unternehmensumwelt als stabil charakterisiert werden kann. Die Autoren führen das auf die steigende Einflussnahme der Gläubiger zurück, die eine engere Kontrolle des Managements bedingen und damit opportunistisches Verhalten reduzieren.1001 Grundsätzlich ist an der Determinantenforschung zu begrüßen, dass sie aufgrund ihrer empirischen Basierung dem Anspruch praxisnaher Operationalisierbarkeit weitgehend genügt. Allerdings führt die Vielschichtigkeit der Untersuchungen bzgl. Variablen, Ländern, Branchen, Unternehmensgrößen etc. zu teilweise widersprüchlichen Ergebnissen. Aussagekräftige, all-
994
Vgl. Barbosa/de Castro Moraes (2003), S. 53ff. Vgl. Bradley et al. (1984), S. 869. 996 Vgl. Barbosa/de Castro Moraes (2003), S. 59f. 997 Vgl. Cardone-Riportella/Cazorla-Papis (2001), S. 13. 998 Vgl. Wahl (2004), S. 107. 999 Vgl. Rajan/Zingales (1995), S. 1445. 1000 Quelle: Eigene Zusammenstellung. 1001 Vgl. Simerly/Li (2000). 995
186 gemeingültige Empfehlungen lassen sich bisher kaum ableiten.1002 Weiterhin zeichnet sich eine Entscheidungssituation zur Unternehmensfinanzierung in Realität üblicherweise durch Komplexität und Mehrdimensionalität aus, so dass die meist eindimensionalen Untersuchungen nur eine eingeschränkt unterstützende Indikation zu geben vermögen. Es bleibt festzuhalten, dass die Determinantenforschung einer Entscheidungsunterstützung bereits näher kommt, als dies den in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung dominierenden Kapitalstrukturtheorien gelingt, eine normative Entscheidungsunterstützung von Unternehmenslenkern leistet sie jedoch nur sehr eingeschränkt.
5.1.7. Behavioral Finance Einen allgemeingültigeren Ansatz als die Determinantenforschung verfolgt die Forschungsrichtung Behavioral Finance. Sie ersetzt die in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Corporate Finance traditionelle Prämisse rationalen Verhaltens durch realistischere Annahmen. Davon ausgehend untersucht sie das resultierende Erklärungspotenzial in Realität beobachtbarer Phänomene der Unternehmensfinanzierung. Die zugehörige Theoriebildung lässt sich anhand ihrer Untersuchungsobjekte in zwei Forschungsstränge unterteilen: Erstens die Untersuchung irrationalen Verhaltens von Investoren, das sich in Ineffizienzen des Marktes wie Blasenbildung, gefolgt von Preiseinbrüchen in Wachstumsmärkten, Januareffekt1003, Einfluss von Handelszeiten auf Preisvolatilitäten oder verzögerten Preisreaktionen auf Unternehmensankündigungen ausdrückt.1004 Der zweite Forschungsstrang stellt irrationales Verhalten von Managern in das Zentrum der Analyse. Dies äußert sich bspw. in übermäßigem Selbstvertrauen und führt zu einem Verhalten, das der Manager für nutzenmaximierend im Sinne des Unternehmens hält, damit jedoch von rational optimalen Entscheidungen abweicht.1005 Die zugehörigen Modelle fußen größtenteils auf denselben Voraussetzungen wie die Prinicipal-Agent Theorie. Auch die Ergebnisse tendieren stark in Richtung existierender Theorien wie der bereits dargestellten Pecking Order.1006 Die Forschungsbeiträge der noch jungen Behavioral Finance Theorie beziehen sich auf die Erklärung des irrationalen Verhaltens von Investoren und Managern. Normative Erkenntnisse zu
1002
Vgl. Wahl (2004), S. 108. Der Januareffekt beschreibt das empirisch umstrittene Phänomen, dass im Januar jeden Jahres insbesondere Nebenwerte am Aktienmarkt besonders gut abschneiden. Vgl. Haug/Hirschey (2006). 1004 Vgl. Baker et al. (2007), S. 148f. Für eine Analyse solcher Marktineffizienzen, zugrunde liegenden Verhaltens und einen Literaturüberblick zu Behavioral Finance vgl. exemplarisch Barberis/Thaler (2003). 1005 Vgl. Baker et al. (2007), S. 168. Zur Modellierung von übermäßigem Selbstvertrauen und dessen Integration in bestehende Corporate Finance Modelle vgl. Glaser et al. (2007), S. 535ff. 1006 Vgl. Baker/Smith (1998), S. 148. 1003
187 optimalen Kapitalstrukturentscheidungen oder der unternehmensspezifischen Wahl geeigneter Finanzierungsinstrumente vermittelt sie nicht.
5.1.8. Zwischenfazit Trade-Off, Pecking Order- und finanzwirtschaftliche Agency Theorie stehen für unterschiedliche Perspektiven in der Kapitalstrukturforschung und beschreiben grundsätzliche Sichtweisen der Analyse von Unternehmensverschuldung. Wie bereits in den jeweiligen Abschnitten dargestellt, weisen die Autoren teilweise selbst darauf hin, dass ihre Modelle keinesfalls konkrete Regeln für Finanzmanager eines Unternehmens bereitstellen können, wie eine unternehmensspezifische Kapitalstruktur konkret zu gestalten ist. Wie dargestellt, werden die verschiedenen Theorien bis heute weiterentwickelt und sowohl dynamische Trade-Off, wie auch Principal-Agent und Pecking Order Theorie haben ihre Anhänger. Obwohl inzwischen auch Untersuchungen angestellt werden, inwiefern sich bspw. Pecking Order und Trade-Off Theorie ergänzen und unter verschiedenen Rahmenbedingungen eine Unternehmensverschuldung gemeinsam zu erklären vermögen,1007 ist eine Konsolidierung der theoretischen Kapitalmarktforschung noch nicht zu beobachten. Das wird auch durch die auf empirischen Beobachtungen und Messungen basierende Determinantenforschung nicht gelöst. Aufgrund der Unterschiedlichkeit von Variablen, länderspezifischen Rahmenbedingungen, Betrachtungszeitraum sowie ihrer ausschließlichen Vergangenheitsbetrachtung unterstützen die deterministischen Beiträge zwar das Verständnis von Kapitalstrukturen, können eine umfassende Theorie aber nicht ersetzen. Auch die Behavioral Finance Theorie, die traditionelle Annahmen rationalen Verhaltens durch realistischere Annahmen ersetzt, vermag diese Lücke nicht zu schließen. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn Myers als Lieferant wesentlicher Beiträge zur Kapitalstrukturforschung feststellt, dass wir von der Bildung eines ganzheitlichen Erklärungsmodells von Kapitalstrukturen noch Jahre entfernt sind.1008 Nichtsdestotrotz bilden die existierenden Theorien das aktuell gültige Fundament, auf dem Untersuchungen zur optimalen Kapitalisierung von Unternehmen aufgebaut werden müssen. Bevor in der vorliegenden Arbeit Überlegungen zu Finanzierungsentscheidungen von Familienunternehmen thematisiert werden, bedarf es deswegen der Verhältnisbestimmung eigener Überlegungen zum herrschenden Theoriefundament. Deswegen wird im Folgenden die Übertragbarkeit der bestehenden Theorien auf Familienunternehmen überprüft.
1007 1008
Vgl. exemplarisch Myers (2003). Vgl. Myers (2003), S. 217 sowie auch Myers (2001), S. 82.
188 5.2. Übertragbarkeit bestehender Theorien auf Familienunternehmen
Gegen die Übertragbarkeit der im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Kapitalstrukturtheorien auf Familienunternehmen spricht die jeweils unterstellte Wahlmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Koordinationsformen zur Kapitalmobilisierung. Die Trade-Off Theorie impliziert in ihrem neoklassischen Optimierungsanspruch eine Zielkapitalstruktur, bei der Kosten und Nutzen von Leverage ausgeglichen sind. Setzt man dazu voraus, dass das betrachtete Unternehmen bereits gegründet und wirtschaftlich aktiv ist, muss folglich auch bereits eine (eventuell suboptimale) Kapitalstruktur bestehen. Um ausgehend von dieser IstKapitalstruktur eine definierte Ziel-Kapitalstruktur zu erreichen, muss entweder Eigen- durch Fremd- oder Fremd- durch Eigenkapital substituiert werden. Das setzt wiederum voraus, dass zu beiden Kapitalformen ausreichend Zugang besteht. Auf der Fremdkapitalseite kann dies bspw. über Bankkredite gewährleistet werden, bezogen auf das Eigenkapital impliziert die Trade-Off Theorie eine Börsennotierung. Principal-Agent und Pecking Order Theorie sind der Neuen Institutionenökonomik zuzurechnen, die denjenigen Unternehmenstypus zum Untersuchungsobjekt erhebt, bei dem Eigentum und Verfügungsrechte auseinander fallen. Die sich daraus ergebenden Informationsasymmetrien, Ermessenspielräume und Transaktionskosten münden bspw. in die Entwicklung der Agency sowie der Signaling Theorie.1009 Diese Trennung von Eigentum und Management setzt indes in den meisten Fällen eine Börsennotierung des Unternehmens voraus. Denn ohne die über die Börse entstehende Fungibilität der Unternehmensanteile ist die Trennung von Prinzipal und Agent nur in Ausnahmen erreichbar. Analog gilt ebenso für die Pecking Order, dass sie sich auf börsennotierte Unternehmungen bezieht: Ohne die Voraussetzung einer Börsennotierung verlöre das Konstrukt Signaling seine Grundlage. Dies nähme der negativen Risikoauslese und damit der gesamten Theorie seine Begründung. Auch die Behavioral Finance Theorie unterstellt bei ihren Untersuchungen irrationaler Phänomene am Kapitalmarkt die Prämissen Kapitalmarktzugang sowie Trennung von Eigentums- und Verfügungsrechten. Allen maßgeblichen und heute relevanten Modellen der Kapitalstrukturforschung ist somit gemein, dass sie sich auf Unternehmen beziehen, denen prinzipiell sämtliche Quellen und Instrumente zur Finanzierung offen stehen. Genau dieser Zugang zu allen Kapitalformen ist bei Familienunternehmen jedoch regelmäßig nicht gegeben – dies gilt insbesondere für externes Eigenkapital: In einer aktuellen Befragung deutscher Familienunternehmen geben lediglich 7,4% der Unternehmen an, Eigenkapital über private Beteiligungen oder die Börse zu
1009
Vgl. Erlei et al. (2007), S. 49 sowie 69ff.
189 beziehen.1010 Aus diesem bewusst abgelehnten Zugang zu externem Eigenkapital für eine große Mehrheit der Familienunternehmen ist der Schluss zu ziehen, dass eine unangepasste Erkenntnisübertragung der dominanten Kapitalstrukturforschungsgebiete auf Familienunternehmen zu negieren ist. Hinzu kommt, dass auch die in der Neuen Institutionenökonomik unterstellte Trennung von Eigentum und Management gegen die unangepasste Übertragbarkeit spricht. Denn genau das Gegenteil der Trennung, nämlich die Vereinigung von Eigentum und Management in den Händen weniger, stellt ein Konstituens von Familienunternehmen dar.1011 Weiterhin greift die klassische Agency Theorie deswegen bei Familienunternehmen zu kurz, weil bei diesem Unternehmenstyp Entscheider mit anderen Nutzenfunktionen als der in Kapitalmarktmodellen unterstellte selbstoptimierende Entscheidungsträger wesentlichen Einfluss auf Entscheidungen nimmt.1012 Eine zusätzliche Variable in diesen Nutzenfunktionen ist beispielsweise die öffentliche Identifikation der Familie mit dem Unternehmen. Trotz der Gründe, die gegen eine uninterpretierte Übertragbarkeit existierender Kapitalstrukturerkenntnisse auf Familienunternehmen sprechen, impliziert das nicht automatisch, dass Familienunternehmen keine Pecking Order aufweisen können oder Kosten und Nutzen von Leverage abwägen. Die zugrunde liegende Motivation einer Präferenzhierarchie bzw. Abwägungslogik muss für Familienunternehmen jedoch unterschiedliche Wurzeln haben. Analog zum Nachweis von Vos, dass finanzwirtschaftliche Kennzahlen zur Performancemessung nicht von Publikumsgesellschaften auf privat gehaltene Unternehmen übertragen werden können, sind auch die Modelle der Kapitalstrukturforschung zur Finanzierung nicht unangepasst übertragbar.1013 Deshalb sind die folgenden Abschnitte den besonderen Anforderungen eines Familienunternehmens an seine Finanzierung gewidmet.
5.3. Determinanten von Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen
Eine Vielzahl empirischer Studien, bspw. durch Cochet at al., Balakrsihnan/Fox oder Barton/Gordon belegt, dass Unternehmertum Einfluss auf die Kapitalstruktur eines Unterneh-
1010
Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 27. Vgl. Fiori et al. (2007), S. 3. Dies schmälert die Beiträge der Neuen Institutionenökonomik zur Forschung über Familienunternehmen nicht. Insbesondere die Auseinandersetzung mit der Principal-Agent Theorie und ihrer Übertragbarkeit auf Familienunternehmen nimmt einen großen Teil aktueller Studien zu Familienunternehmen ein. Zur diesbezüglichen Diskussion und einem zugehörigen Literaturüberblick vgl. Chrisman et al. (2004) und Chrisman et al. (2003a), S. 14ff sowie Schulze et al. (2003), die Altruismus bei Familienunternehmen als Ergänzung zur Agency Theorie thematisieren. 1012 Vgl. Schulze et al. (2003). 1013 Vgl. Vos (1992). 1011
190 mens hat.1014 Die Autoren zeigen empirische Zusammenhänge zwischen der strategischen Orientierung eines Unternehmens und seiner Kapitalstruktur und weisen nach, dass eine Kapitalstruktur nicht ausschließlich auf Finanzierungskosten und Risikoabwägungen basiert, sondern immer auch durch unternehmerische Abwägungen und Präferenzen beeinflusst wird.1015 Indem sie diesen Gedanken weiterführen, stellen Romano/Smyrnios und Pettit/Singer fest, dass die Erklärung von Kapitalstrukturentscheidungen bei Familienunternehmen weniger von einer Verschuldungsoptimierung als Ergebnis einer zugehörigen Kosten-/ Nutzenabwägung ausgehen darf, sondern sich stärker an Auswirkungen von Eigentümerpräferenzen und -werten orientieren muss.1016 In diesem Sinne stellen die folgenden Abschnitte einen Zusammenhang zwischen den genuinen Besonderheiten eines Familienunternehmens und den resultierenden Präferenzen und Werten als Finanzierungsdeterminanten her.
5.3.1. Unternehmen als dominierende Kapitalanlage der Familienmitglieder Wie bereits in der Einleitung in Kapitel 1 erwähnt, resultiert eine erste Besonderheit bei Familienunternehmen mit Einfluss auf Finanzierungsentscheidungen aus der Kapitalanlagepolitik der Privatpersonen, die das Familienunternehmen besitzen, führen und prägen. Nach herrschender Literaturmeinung stellt das Unternehmen bei Gesellschaftern eines Familienunternehmens in den häufigsten Fällen die dominante Kapitalanlage dar.1017 Eine übliche Anlagequote von weit über 50% des persönlichen Vermögens im Unternehmen scheint realistisch, wie Experte 1 im Interview bestätigt.1018 Ein Grund dafür könnte sein, dass Dividenden und Gehälter von im Unternehmen aktiven Familienmitgliedern nur so hoch ausfallen, wie angemessene Lebenshaltungskosten dies diktieren. Eine höher als notwendig erscheinende finanzielle Belastung des Unternehmens soll vermieden werden. Ergebnis dieser Ausschüttungsund Vergütungspolitik ist jedoch, dass gleich gewichtete Anlagen in andere Anlageklassen
1014
Vgl. exemplarisch Cochet et al. (2005), S. 441ff, Balakrishnan/Fox (1993), S. 11, Barton/Gordon (1988), S. 629f. Diese Vielzahl finanzwirtschaftlicher Ziele über Kosten und Risiko hinaus betonen auch McMahon/Stanger. Vgl. McMahon/Stanger (1995), S. 22. Letztendlich ist dies Ausdruck der Tatsache, dass Entscheidungen für oder gegen Finanzinstrumente bzw. eine bestimmte Kapitalstruktur wie alle Unternehmensentscheidungen auf den grundlegenden Zielen des Unternehmens fußen. Vgl. Welge/Al-Laham (2008), S. 199f. 1016 Vgl. Romano et al. (2000), S. 290, Pettit/Singer (1985), S. 50. Andere potenzielle Determinanten wie Unternehmensgröße, -alter, oder -branche werden in dieser Arbeit nicht explizit berücksichtigt, weil sie keine typisierten familienunternehmensspezifischen Einflussfaktoren darstellen. 1017 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 19, Scherer et al. (2005), S. 55, Kormann (2003), S. 17, Leopold et al. (2003), S. 195, Dreux IV (1990), S. 230. 1018 Im Interview gab Experte 1 sogar 80% als Quote des im Familienunternehmen gebundenen Kapitals an. Vgl. Experte 1 (2008), S. 7. Moskowitz/Vissing-Jørgensen geben für die USA eine vergleichbare Anlagequote von über 70% an. Vgl. Moskowitz/Vissing-Jørgensen (2002), S. 745. 1015
191 wie ein Wertpapierportfolio verhindert werden. Eine angemessene Risikodiversifizierung ist nicht erreichbar. Zur typischen Reaktion auf diese risikobezogene Unterdiversifizierung existieren verschiedene Interpretationsansätze. Einerseits könnte das höhere Risiko der privaten Investitionspolitik ein risikoaverses Verhalten der Unternehmenseigner in der Unternehmensführung zur Folge haben.1019 Dies weisen beispielsweise Wright et al. nach.1020 Bezogen auf die Kapitalstruktur bedeutete dies eine Vermeidung hoher Verschuldung, um das mit der steigenden Verschuldung zunehmende Insolvenzrisiko zu vermeiden. Dieses Verhalten der Risikokompensation in Familienunternehmen weisen bspw. Lyagoubi, Mishra/McConaughy und Gallo et al. nach.1021 Einer anderen Argumentationslinie folgt Müller und vertritt eine These, die dieser Logik diametral entgegensteht. Demnach muss die risikobezogene Unterdiversifizierung von Familienunternehmern eine höhere Unternehmensverschuldung zur Folge haben. Der Grund dafür liegt im gestiegenen Risiko der Investoren, das kapitaltheoretisch zu gestiegenen Kompensationsansprüchen führt. Diese höheren Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber übersetzen sich in höhere Eigenkapitalkosten des Unternehmens. Dieser Logik folgend wird mit der Verteuerung des Eigenkapitals eine Finanzierung mit günstigerem Fremdkapital attraktiver und müsste zu einer steigenden Verschuldung des Unternehmens führen.1022 Gegen diese Logik spricht allerdings der selbstbeschleunigende Effekt, den solch ein Verhalten hätte. Mit steigender Verschuldung würde das Insolvenzrisiko und damit sowohl das Ausfallrisiko der Fremdkapitalgeber als auch das Anlagerisiko der Eigentümer steigen, was in derselben Risikokompensationslogik steigende Fremd- und Eigenkapitalkosten zur Folge hätte. Insofern erscheint die These, dass eine hohe Anlagequote zu niedrigerer Verschuldung führt, schlüssiger. Die Ambivalenz des Unternehmens als Arbeitgeber und Kapitalanlage hat ohne Zweifel aber auch Auswirkungen auf die Wahl von Finanzierungsinstrumenten. Denn insbesondere etwaige Einschränkungen der Kontrollrechte oder eine direkte Einflussnahme auf das Unternehmen und – damit einhergehend – auf das Familienvermögen können aus Familiensicht nicht erwünscht ein.1023
1019
Vgl. Börner et al. (2008), S. 3, Pettit/Singer (1985), S. 50. Die Autoren zeigen, dass die Risikobereitschaft der Gesellschafter eines Unternehmens mit zunehmendem Eigenkapitalanteil am Unternehmen sinkt. Vgl. Wright et al. (1996), S. 453. 1021 Vgl. Lyagoubi (2006), S. 538ff, Mishra/McConaughy (1999), Gallo et al. (2004), S. 310. 1022 Vgl. Müller (2005a), die den empirischen Nachweis dieses Zusammenhangs lediglich partiell in Form einer gestiegenen unternehmensseitigen Nachfrage nach Fremdkapital zeigt, der allerdings angebotsseitig nicht entsprochen wird. 1023 Vgl. Experte 1 (2008), S. 6f. 1020
192 5.3.2. Öffentliche Identifikation der Familie mit dem Unternehmen Eine weitere Finanzierungsdeterminante mit Bezug zu Verschuldungsrisiken ergibt sich aus der Identifikation der Gesellschafter mit ihrem Familienunternehmen. Diese Identifikation ist dabei nicht auf die Familienmitglieder beschränkt, sondern besteht auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Ein Blick in die Listen der 500 größten oder 100 wertvollsten Familienunternehmen Deutschlands zeigt für die darin vertretenen Familien wie Boehringer, Deichmann, Haniel, Henkel, Liebherr, Oetker, Otto oder Würth die häufige Identität von Familien- und Unternehmensnamen.1024 Die öffentliche Identifikation der Gesellschafter mit ihrem Unternehmen ist offenkundig. Dieses Phänomen ist dabei nicht auf überregional bekannte Unternehmerfamilien beschränkt, bei kleineren Unternehmen in Familienhand ist die öffentliche Identifikation zwar regional begrenzt, aber dennoch ebenso stark ausgeprägt. Ein erfolgreiches Unternehmen begründet Prestige und Ansehen der Unternehmerfamilie.1025 Wimmer stellt hierzu fest, dass das „Image des Unternehmens und der gute Ruf der Unternehmerfamilie […] ‚kommunizierende Röhren’“1026 seien. Weil die Eigentümer von Familienunternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung sehr viel stärker mit ihrem Unternehmen verbunden werden, als dies bei „anonymen“ Publikumsgesellschaften der Fall ist, haben positive oder negative Unternehmensentwicklungen neben den finanziellen auch nicht-finanzielle Auswirkungen auf die Gesellschafter. Die regionale Verankerung und die empfundene gesellschaftliche Verpflichtung von Familienunternehmen verstärken diesen Effekt noch:1027 Wirtschaftliche Erfolge und die Schaffung von Arbeitsplätzen werden direkt als Erfolge des Unternehmers anerkannt, wie Experte 1 erläutert.1028 Misserfolge schlagen unmittelbar auf das Ansehen der Familie durch. Eine Insolvenz beispielsweise wird durch die Unternehmer über den ökonomischen Schaden hinaus auch als persönliche Demütigung empfunden. Denn über den persönlichen Misserfolg hinaus empfinden Familienunternehmer sehr häufig auch eine Verpflichtung ihren Mitarbeitern und der Gesellschaft gegenüber, wie Kayser/Wallau in einer empirischen Untersuchung nachweisen.1029 Auch Sonnenfeld/Spence zeigen diese enge Identifikation zwischen Unternehmer und Unternehmen.1030 Gegenüber Ward bezeichneten Familienunternehmer diese Visibilität und öffentliche Identifi-
1024
Vgl. Haunschild et al. (2007), S. 35f oder Prudent/Widrat (2005). Vgl. Brackschulze (2005), S. 144. 1026 Wimmer (2008), S. 110. 1027 Vgl. Weissmann/Artmann (2007), S. 25. 1028 Experte 1 bezeichnete diese Besonderheit der sozialen Reputation im Experteninterview als nicht-monetären Vorteil des Unternehmenseigentums. Vgl. Experte 1 (2008), S. 6. 1029 Vgl. Kayser/Wallau (2003), S. 84. Vgl. ebenso McMahon/Stanger (1995), S. 28 1030 Vgl. Sonnenfeld/Spence (1989), S. 365f. 1025
193 kation als eine der größten Nachteile, die mit dem Eigentum an einem Familienunternehmen verbunden sind.1031 Diese Besonderheit hat auch Auswirkungen auf das Verhalten der Eigentümer in Finanzierungsfragen. Das Insolvenzrisiko, das mit steigender Unternehmensverschuldung einhergeht, wird durch Familienunternehmen aufgrund der damit verbundenen persönlichen negativen Auswirkungen stärker bewertet als bei Nicht-Familienunternehmen. Ebenso wie aufgrund der hohen Anlagequote ist bezogen auf die Unternehmensverschuldung eine überproportionale Risikoaversion zu vermuten.1032 Empirische Untersuchungen bestätigen diese Vermutung: Lyagoubi weist für französische Familienunternehmen eine niedrigere Verschuldung nach.1033 Für Unternehmen aus Ghana zeigt Abor eine negative Korrelation zwischen Verschuldung und konzentrierten Gesellschafterrechten mit führungsbezogener Einflussnahme, wie es für Familienunternehmen typisch ist. Auch hier führt der Autor dies auf eine höhere Aversion gegen Insolvenz- und Kontrollverlustrisiken zurück.1034 Für Spanien weisen Gallo/Vilaseca diesen Zusammenhang zwischen persönlicher Identifikation mit dem Unternehmen und reduzierter Verschuldung nach.1035 Auch Achleitner et al. identifizieren in ihrer Untersuchung deutscher Familienunternehmen Risikominimierung als wesentliches Unternehmensziel.1036 Gleichgerichtet stellen Donckes/Fröhlich eine gesteigerte Risikoaversion fest.1037 Kormann konstatiert eine nach Lebensphase des Unternehmens differenzierte Risikobereitschaft: In der Gründungs- und Aufbauphase noch sehr ausgeprägt, nimmt sie mit fortlaufender Unternehmensentwicklung ab. Unterproportionale Insolvenzraten nach der Gründungsphase von Familienunternehmen gegenüber Nicht-Familienunternehmen bestätigen die zunehmende Risikoaversion.1038 Dies deckt sich mit den Ergebnissen der durchgeführten Experteninterviews. Sowohl finanzierungsverantwortliche Eigentümer und Manager als auch auf Familienunternehmen spezialisierte Berater bestätigen diese zunehmende Risikoaversion bei der Unternehmensfinanzierung nach der Gründergeneration.1039 Außer dem Streben nach geringer Verschuldung ergeben sich noch anders gelagerte Auswirkungen aus der öffentlichen wahrgenommenen Identifikation von Familie und Unternehmen: Ansprüche und Forderungen werden aus diversen Richtungen an die Eigentümer gerichtet.
1031
Vgl. Ward (2004), S. 22. Vgl. Brackschulze (2005), S. 144. Vgl. Lyagoubi (2006), S. 538ff. 1034 Vgl. Abor (2008), S. 188. 1035 Vgl. Gallo/Vilaseca (1996), S. 342. 1036 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 18. 1037 Vgl. Donckels/Fröhlich (1991), S. 159. 1038 Vgl. Kormann (2003), S. 37. 1039 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 23, Experte 5 (2008), S. 4, Experte 4 (2008), S. 5f, Experte 7 (2008), S. 8f. 1032 1033
194 Dazu zählen gut gemeinte, jedoch kumulativ nicht erfüllbare Unterstützungsaufrufe, aber auch persönliche Risiken und kriminelle Forderungen. Dies sind Gründe, warum Familienunternehmen tendenziell nur wenig Zahlenmaterial zum Unternehmen veröffentlichen.1040
5.3.3. Koexistenz ökonomischer und nicht-ökonomischer Motive Eine weitere Besonderheit, die bei Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen Berücksichtigung findet und auch bereits in Kapitel 1 angesprochen wurde, bezieht sich auf die grundsätzliche Zielhierarchie in Familienunternehmen und geht auf die in Abschnitt 2.2.2.1 diskutierte Verbindung von Familie und Unternehmen zurück.1041 Die Mehrdimensionalität eines Familienunternehmens führt dazu, dass Motive der Eigentümer die Zielsetzungen des Unternehmens beeinflussen.1042 Neben dem wirtschaftlichen Formalziel der Gewinnerzielung unter der finanzwirtschaftlichen Nebenbedingung der Liquidität entstehen aus dieser Verbindung von Familien und Unternehmen weitere nicht-ökonomische Ziele.1043 Beispiele für nicht-ökonomische Ziele von Familienunternehmen sind die Schaffung bzw. der Erhalt von Arbeitsplätzen, die Beschäftigung von Familienmitgliedern, die Beachtung moralischer, ethischer und ökologischer Grundsätze, die Steigerung des gesellschaftlichen Nutzens, aber auch die Kontrolle über das Unternehmen in Familienhand zu halten.1044 Letzteres zeigt sich beispielsweise bei Desinvestitionsprozessen, der in Familienunternehmen auch nach Erkenntnis der Notwendigkeit zum Verkauf von Unternehmensteilen deutlich länger dauert als bei Nicht-Familienunternehmen.1045 Wie bereits in der Einleitung thematisiert, impliziert diese paralle Verfolgung ökonomischer und nicht-ökonomischer Ziele allerdings kein altruistisches „Gut-Mensch“ Verhalten von Familienunternehmern zum Selbstzweck. Vielmehr bedingt die besondere Verbindung von Familie und Unternehmen die Aufnahme weiterer Nutzenaspekte in die Nutzenfunktion eines typischen Familienunternehmers. Nutzen wird nicht nur aus dem Unternehmensgewinn gezo-
1040
Vgl. die diesbezüglichen Aussagen der Experten 4 und 5 im jeweiligen Interview: Experte 5 (2008), S. 6f, Experte 4 (2008), S. 12. Vgl. ebenso Frasl (2007), S. 272. Vgl. Sharma et al. (1997), S. 5. 1042 Vgl. Naffziger et al. (1994), S. 34f. 1043 Vgl. Hennerkes/Kirchdörfer (2008), S. 537, Westhead et al. (2002), S. 27f. Zu den wirtschaftlichen Formalzielen bei Finanzierungsentscheidungen vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 9 oder Bieg/Kußmaul (2000), S. 5ff. Die besondere Bedeutung der beiden weiteren Nebenbedingungen Unabhängigkeit und Sicherheit stellt der nächste Abschnitt heraus. 1044 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 18, Astrachan/Jaskiewicz (2008), S. 139f und S. 142, Nielsen (2008), S. 383f, Riess/Heidbreder (2007), S. 17ff, Kayser/Wallau (2003), S. 84ff. 1045 Vgl. Sharma/Manikutty (2005), S. 300. Zellweger/Astrachan stellen die Hypothese auf, dass die Begründung solcher Phänomene in den emotionalen Werten des Unternehmens für die Unternehmerfamilie liegt und erklären dies mit der Willingness to Accept Theorie. Vgl. Zellweger/Astrachan (2008). 1041
195 gen, sondern auch aus der Verfolgung anderer, familiär geprägter Ziele. Ein Familienunternehmer ist beispielsweise eben nicht nur Geschäftsführer sondern in derselben Funktion auch Sohn, Cousin und in der Heimatstadt bekannter und namentlich erkennbarer Nachfahre des Gründers. Und teilweise fließen auch Ziele und Werte aus diesen Rollen in die Nutzenfunktion des Unternehmers und damit des Unternehmens mit ein. Bis zu einem bestimmten Maß sind Familienunternehmen deswegen dazu bereit, ökonomischen gegen nicht-ökonomischen Nutzen einzutauschen, wie Chrisman et al. konstatieren.1046 In einem anderen Beitrag argumentieren Chrisman et al. weiterhin, dass das oberste Ziel von Familienunternehmen in der Schaffung von Werten1047 besteht und Vermögensbildung lediglich einen von mehreren Einflussfaktoren auf die Wertgenerierung bildet. Sie erheben nichtökonomische Nutzenschaffung explizit zur gleichberechtigten Kodeterminante. Nichtökonomischer Nutzen sowie Vermögensbildung tragen damit beide zur Schaffung von Werten als Unternehmensziel bei, eine Gewichtung der beiden Determinanten erfolgt individuell je Familienunternehmen.1048 LeComu et al. sprechen diesbezüglich von der Nutzenfunktion des Owner-Managers, die neben finanzieller Rendite und systematischem Risiko auch unsystematisches Risiko und nicht-finanzielle Rendite berücksichtigt.1049 Zellweger et al. begründen die Existenz nicht-finanzieller Rendite mit dem spezifischen Ziel von Familienunternehmen, Reputation für das Unternehmen aufzubauen, die sich für eine Vielzahl an Stakeholdern zusätzlich zu pekuniären Erfolgen eben insbesondere aus nicht-pekuniären Aspekten aufbaut.1050 Folglich muss die Finanzierungsstrategie von Familienunternehmen neben ökonomischen Gesichtspunkten auch nicht-ökonomischen Anforderungen gerecht werden. Grund ist die Ausrichtung der Finanzierungsstrategie an der übergeordneten Unternehmensstrategie, die wiederum final der Erreichung des jeweiligen Unternehmensziels dient.1051 Zahra weist darauf hin, dass es im Rahmen der Finanzierungsstrategie deswegen zu Konflikten zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Zielen des Unternehmens kommen kann.1052 Die notwendige Abwägung konfligierender Zielsetzungen erfolgt individuell je Eigentümerfamilie.1053 Im
1046
Vgl. Chrisman et al. (2003a), S. 29 sowie Chrisman et al. (2005), S. 569. Wert ist dabei nicht mit Unternehmenswert gleichzusetzen, wie die folgenden Ausführungen zeigen. Vgl. Chrisman et al. (2003b), S. 468f. Eine Antwort auf die Frage, ob ökonomische und nicht-ökonomische Ziele sich limitational oder bis zu einem gewissen Grad substitutiv zueinander verhalten, bleiben Chrisman et al. schuldig, auch wenn sie Letzteres teilweise implizieren. 1049 Vgl. LeComu et al. (1996), S. 3. 1050 Vgl. Zellweger et al. (2008), S. 12ff. 1051 Vgl. Ehringer/Öhlinger (2004), S. 44, Gugglberger et al. (2004), S. 28f. 1052 Vgl. Zahra (2003), S. 498. 1053 In der Praxis wird in einem Familienunternehmen vermutlich immer eine Mischung von ökonomischen Unternehmenszielen und nicht-ökonomischen Familienzielen vorzufinden sein. Die vorliegende Arbeit unter1047 1048
196 Interview gab Experte an, dass bei seinem Arbeitgeber beispielsweise Unternehmensinteressen immer vor Familieninteressen kommen: „Für mich ist das Wesentliche, dass Familiengesellschafter Unternehmensinteressen vor Familieninteressen setzen. […] Ja, so sehe ich es hier bei uns im Unternehmen, da ist es das Wichtigste. Unternehmensinteressen gehen vor.“1054 Dies ginge sogar soweit, dass gegenüber Familienmitgliedern die Einstellung bestünde: „wenn Du Geld brauchst, geh arbeiten, hier wird nichts entnommen.“1055 Für andere Familienunternehmen kann dies weniger eindeutig ausfallen. Um diese familienspezifische Festlegung aber überhaupt zu ermöglichen, muss die Finanzierungsstrategie entsprechende Mehrheits- bzw. Machtverhältnisse der Familie sicherstellen.
5.3.4. Unternehmenskulturelle und machtpolitische Einflussnahme der Familie Ein zentrales Charakteristikum mit Einfluss auf Finanzierungsentscheidungen wird in der FPEC Begriffsbestimmung von Familienunternehmen in der Kultursubskala benannt:1056 Der explizite Wille, die Firma auch zukünftig in Familienhand zu halten. Der Wunsch der Eigentümerfamilie nach einer Weitergabe der Kapitalmehrheit an die nächste Generation ist definitorische Voraussetzung für die Qualifizierung als Familienunternehmen. Mit dieser Festlegung werden weitgehende Einschränkungen im Bereich der Finanzierung vorgenommen. Die Aufnahme weiterer Gesellschafter und/oder partielle Kontrollverluste sind unter dieser Voraussetzung tendenziell abzulehnen. Auch das zweite Definitionskriterium der Kultursubskala ist eindeutig. Die Werteüberlappung zwischen Familie und Unternehmen ist stark ausgeprägt, das Unternehmen wird als Teil der Familie betrachtet. Somit hat die Familie ein starkes Interesse daran, die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten. Einschränkungen im Führungsanspruch sind unerwünscht, weil damit auch die Werteprägung nicht mehr ausschließlich durch die Familie erfolgen könnte. Langfristig könnte eine Wertekluft zwischen Familie und Unternehmen drohen. Mit der Machtsubskala stellt eine andere Skala der F-PEC Definition die Macht der Familie in den Mittelpunkt: Die kumulierte Einflussnahme durch Stimmrechte, Posten im Aufsichtsgremium und ggf. direkter Mitarbeit auf oberster Führungsebene – mit dem Ergebnis maßgeblicher Kontrolle über das Unternehmen – ist Voraussetzung für die Klassifizierung als Familienunternehmen. Externe Einflussnahme und Kontrolleinschränkungen, die mit bestimmten stellt daher eine spezifische Ausprügung je Familienunternehmen bzgl. der Limitation bzw. Substituierbarkeit unterschiedlicher Ziele der Zielhierarchie. 1054 Experte 5 (2008), S. 2. 1055 Experte 5 (2008), S. 2f. 1056 Vgl. dazu die in Abschnitt 2.2.1.2 erläuterte F-PEC Skala zur Definition von Familienunternehmen.
197 Finanzierungsinstrumenten einhergehen, schränken diese ein, widersprechen dem Machtanspruch der Familie und sind daher prinzipiell unerwünscht.
5.3.5. Finanzierung als nachgeordnete Funktion Familienunternehmen häufig attestierte Stärken wie Marktnähe, Produktqualität und Innovationskraft entstehen aus der typischen Entwicklung von Familienunternehmen: Ein Unternehmer identifiziert eine Marktchance, entwickelt ein Produkt, befriedigt die Kundenbedürfnisse erfolgreich und baut darauf ein Unternehmen auf.1057 Diese starke Produkt- und Marktfokussierung prägt vielfach auch die nachfolgenden Generationen, die sich häufig weiterhin durch ihre Nähe zu Vertrieb und Technik auszeichnen. Unternehmerpersönlichkeiten sind stark auf das operative Geschäft konzentriert. Dies betrifft sowohl ihre Qualifikationen als auch den Großteil ihrer Arbeitszeit.1058 Entsprechend ist technische Leistungsfähigkeit in einer Erhebung unter Familienunternehmen durch PWC mit 42% auch die mit Abstand häufigste Antwort auf die Frage nach der größten Unternehmensstärke.1059 Diese Fokussierung auf technologische Stärken und Markterfolge geht jedoch häufig mit einer eher nachlässigen Auseinandersetzung mit der Finanzierungsstrategie des Unternehmens einher. Die spezifische Beschäftigung mit der Beschaffung finanzieller Ressourcen für Produktentwicklung, Produktion und Markterschließung steht eher im Hintergrund, die explizite Festlegung und Verfolgung einer Finanzierungsstrategie wird zur nachgeordneten Aufgabe.1060 Experte 4 fasst dies im Interview treffend zusammen: „Ich habe noch keinen einzigen Unternehmer gehabt, der sich bei mir gemeldet und […] von seiner Finanzierung erzählt hat.“1061 Finanzierung bildet also eine nachgeordnete Funktion in Familienunternehmen. Nominell entspricht dies dem Prozessverständnis nach Porter, der Unternehmensaktivitäten in Primärund Unterstützungs- oder Sekundärprozesse einteilt. Erstere bilden dabei wertschöpfende Tätigkeiten mit unmittelbarem Bezug zum Produkt, Sekundärprozesse unterstützen die Primärprozesse entlang der Wertschöpfungskette und sind für den Kunden nicht sichtbar, weshalb Finanzierung einen solchen Sekundärprozess darstellt.1062 Im Gegensatz zur Wahrnehmung in Familienunternehmen vertritt die Prozesstheorie jedoch den Standpunkt, dass Sekundärpro-
1057
Vgl. McConaughy/Phillips (1999), S. 130. Vgl. Engel et al. (2006), S. 145. 1059 Vgl. PWC (Hrsg.) (2008), S. 20. 1060 Vgl. Paffenholz (2005), S. 48. 1061 Experte 4 (2008), S. 9. 1062 Vgl. Porter (2000), S. 69 und S. 74, Becker/Kahn (2002), S. 7. 1058
198 zesse essentiell notwendig sind, um wertschöpfende Tätigkeiten durchführen zu können.1063 Diese Erkenntnis ist in vielen Familienunternehmen allerdings noch nicht konsequent mit einer Finanzierungsstrategiebildung umgesetzt. Filbeck/Lee bestätigen diesen Produkt- und Marktfokus in einer empirischen Studie und zeigen, dass Familienunternehmen im Finanzmanagement tendenziell weniger professionell organisiert sind als vergleichbare Nicht-Familienunternehmen. Dieser Unterschied nimmt erst mit zunehmender Unternehmensgröße ab.1064 Eine Erhebung von Achleitner et al. zeigt weiterhin, dass fast 16% aller deutschen Familienunternehmen keinen Finanzplan haben. Gleichzeitig verfügen 31% der Finanzierungsverantwortlichen in Familienunternehmen über keine Fachkenntnis oder nur geringe Erfahrung von 1 bis 5 Jahre. Stellt man dies in einen Zusammenhang mit dem Studienergebnis, dass 61% der Entscheidungsträger in Finanzfragen gleichzeitig auch Gesellschafter und Geschäftsführer sind, ergibt sich folgendes Bild:1065 Die Finanzierungsverantwortung liegt häufig in der Hand eines Mitglieds der Eigentümerfamilie. Dieser erfüllt allerdings gleichzeitig viele andere Funktionen, die häufig im Bereich Technik oder Vertrieb liegen, und verfügt nicht selten weder über ausreichend Erfahrung im Finanzbereich noch über die Instrumente eines professionellen Finanzmanagements. Zudem fehlt vielfach der personelle Unterbau.1066 Diese Schwäche von Familienunternehmen im Bereich der Finanzierung verdeutlicht auch die Erhebung von Redlefsen/Eiben. Zusätzlich zeigen die erfragten Ziele der Finanzierung sehr deutlich eine mangelnde Priorisierung. Niedrige Finanzierungskosten sind das wichtigste Ziel, allerdings liegen geringe Mitspracherechte der Kapitalgeber, keine Sicherheitenstellung, Sicherheit der Finanzierung und Flexibilität fast gleichauf.1067 Diese oftmals fehlende Definition einer Finanzierungsstrategie, die sich in der mangelnden Priorisierung der Finanzierungsziele oder der als niedrig wahrgenommenen Wichtigkeit einer Finanzierungsstrategie offenbart, wird in den geführten Experteninterviews bestätigt.1068 Die Konsequenz kommt in der Fokussierung auf die scheinbar günstigste Finanzierung in Form des Bankkredits und deren bereits beschriebener Dominanz zum Ausdruck. Auch die einfache Verfügbarkeit der beiden zentralen Finanzinstrumente Innenfinanzierung und Bankkredit kann deren hohe Relevanz bei Familienunternehmen erklären, weil ihre ver-
1063
Vgl. Freund/Ebers (2008), S. 7. Vgl. Filbeck/Lee (2000), S. 213. 1065 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 22f. 1066 Vgl. Engel et al. (2006), S. 145. 1067 Vgl. Redlefsen/Eiben (2006), S. 4f. 1068 Vgl. Experte 1 (2008), S. 6 und S. 8, Experte 4 (2008), S. 2f und S. 4, Experte 5 (2008), S. 3, Schwörer, C. (2008), S. 22, Experte 6 (2008), S. 4f, Experte 7 (2008), S. 4f. 1064
199 hältnismäßig einfache Umsetzung den fehlenden personellen und strategischen Unterbau des Finanzbereichs zu kompensieren vermag. Dieser relativ einfache Ausweg darf indes nicht darüber hinweg täuschen, dass die explizite Auseinandersetzung mit Finanzierung ein zentrales Erfolgskriterium ist. Die Festlegung einer Finanzierungsstrategie und deren konsequente Umsetzung muss die Stärke im Vertriebs- und Technikbereich ergänzen.1069 Auch die genannten anderen Anforderungen, als da sind geringe Mitspracherechte, möglichst geringe Sicherheitenstellung, langfristige Sicherheit und Flexibilität sollten in eine Finanzierungsstrategie Eingang finden. Nur dann kann eine unternehmensindividuelle Priorisierung vorgenommen werden, da eine simultane Erfüllung aller Anforderungen i.d.R. nicht möglich ist. Und nur dann kann eine langfristige Unternehmensfinanzierung im Sinne der Eigentümer sichergestellt werden.
5.4. Bestimmung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems von Familienunternehmen
Abb. 28 stellt die oben beschriebenen Charakteristika von Familienunternehmen und ihre Auswirkungen auf Finanzierungsentscheidungen gesammelt dar. Gleichzeitig zeigt die Darstellung, wie die Charakteristika und deren Auswirkungen auf Finanzierungsentscheidungen in sechs Ziele überführt werden können, die gemeinsam das finanzwirtschaftliche Zielsystem von Familienunternehmen im Verständnis der vorliegenden Arbeit wiedergeben. Hierbei wird keine eindeutige Überführung einzelner finanzierungsbezogener Auswirkungen (mittlerer Block in Abb. 28) in einzelne finanzwirtschaftliche Ziele (rechter Block in Abb. 28) angestrebt. Vielmehr wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, die Gesamtheit sich gegenseitig überschneidender und überlagernder Auswirkungen in ein Zielsystem mit individuell definier- und operationalisierbaren Einzelzielen zu überführen. Zusätzlich erhebt die vorliegende Arbeit den Anspruch, mit der Festlegung dieser sechs Ziele einen Detaillierungsgrad über das generische Erklärungspotenzial der existierenden Kapitalstruktur- und Finanzierungsforschung hinaus zu untersuchen.1070 Das Zielsystem soll nicht nur zu erklären helfen, welchen Grad an Verschuldung Familienunternehmen anstreben, bzw. warum sie sich für oder gegen Eigen- bzw. Fremdkapital entscheiden. Die Bestimmung eines dezidierten Zielsystems soll auch innerhalb dieser Kategorien eine Abwägung einzelner Finanzierungsinstrumente gegeneinander sowie eine individuelle 1069
Vgl die Aussagen der dazu befragten Experten: Experte 6 (2008), S. 4f, Experte 7 (2008), S. 4f. Vgl. ebenso Grichnik (2003), S. 108f. 1070 Für einen Überblick wesentlicher Gebiete der Kapitalstruktur- und Finanzierungsforschung vgl. Abschnitt 5.1. Dass diese keine instrumentenspezifische Analyse über die Ebene Fremd- oder Eigenkapital hinaus vornehmen, bestätigen Hackbarth et al. Vgl. Hackbarth et al. (2005), S. 1.
200 Analyse ihrer Anforderungskongruenz ermöglichen. Dazu werden die einzelnen Ziele in den folgenden Abschnitten detailliert erläutert und operationalisiert. Charakteristika von Familienunternehmen
Unternehmen als dominierende Kapitalanlage der Familienmitglieder
Öffentliche Identifikation der Familie mit dem Unternehmen
Koexistenz nicht-ökonomischer Motive
Unternehmenskulturelle und machtpolitische Einflussnahme der Familie
Finanzierung als nachgeordnete Funktion
Auswirkungen auf Finanzierungsentscheidungen
Finanzwirtschaftliches Zielsystem
Unternehmensrisiko hat maßgeblichen Einfluss auf persönliche Anlagerisiken
Minimierung der Finanzierungskosten bei ausreichender Liquidität
Fremde Kontrolle über Unternehmen unerwünscht
Minimierung externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen
Risikoaversion bzgl. Unternehmensverschuldung der Post-Gründergenerationen
Minimierung der Offenlegung interner Daten
Transparenz über finanzielle Unternehmensentwicklung in breiter Öffentlichkeit unerwünscht
Maximierung der Flexibilität
Machteinschränkungen der Familie unerwünscht
Langfristigkeit
Keine Priorisierung widersprüchlicher Finanzierungsziele (niedrige Kosten, Sicherheit, Flexibilität etc.)
Minimierung der Stellung von Sicherheiten
Abb. 28: Herleitung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems von Familienunternehmen1071
Alle Ziele und zugehörigen Dimensionen des finanzwirtschaftlichen Zielsystems werden dazu in einer ganzheitlichen Bewertungssystematik in Form einer Netzgrafik1072 dargestellt. Durch Bewertung der einzelnen Dimensionen für ein spezifisches Finanzierungsinstrument lässt sich damit abschätzen, ob diese Kapitalisierungsform grundsätzlich bzw. unter Berücksichtigung welcher Einschränkungen für ein Familienunternehmen geeignet ist. Weiterhin lassen sich auch Eignungsvergleiche zwischen verschiedenen Instrumenten anstellen. Auch um diese Abwägung zu veranschaulichen, wird in den folgenden Abschnitten jene neue, ganzheitliche Bewertungssystematik in ihren einzelnen Dimensionen sukzessive entwickelt. Die Gesamtheit aller sechs Ziele bzw. zugehörigen Zieldimensionen ergibt dann die vollständige Bewertungssystematik und Veranschaulichung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems in Form der Netzgrafik. Das Optimum liegt dabei jeweils im Schnittpunkt aller Dimensionen bzw. Achsen, so dass ein aus Sicht eines Familienunternehmens optimal ausgeprägtes Instrument keine Fläche einnimmt.
1071
Quelle: Eigene Darstellung. Zum wissenschaftlichen Einsatz einer Netzgrafik zur Darstellung unterschiedlicher multidimensionaler Zielerreichungsgrade mehrerer Alternativen vgl. Krausz (2002), S. 178, Gareis (2002), S. 4f.
1072
201 5.4.1. Minimierung der Finanzierungskosten bei ausreichender Liquidität Unter Finanzierungskosten subsumiert man Fremdleistungskosten, die i.d.R. einmalig mit der Beschaffung des Kapitals verbunden sind, Nutzungskosten, die durch das Finanzierungsinstrument laufend verursacht werden sowie induzierte Auswirkungen auf die Steuerschuld des Unternehmens. Die Steuerwirkung ergibt sich maßgeblich aus der Anrechenbarkeit der laufenden Kosten auf den zu versteuernden Gewinn.1073 Das Ziel der Minimierung dieser Finanzierungskosten leitet sich unmittelbar aus dem unternehmerischen Oberziel der Vermögensmaximierung der Eigentümer ab, da die Auszahlungen zur Begleichung der Finanzierungskosten den Nettozahlungsstrom und damit den Unternehmensbarwert reduzieren.1074 Als Nebenbedingung des Ziels minimaler Finanzierungskosten muss allerdings die Erhaltung ausreichender Liquidität stehen, damit das Unternehmen allen Zahlungsverpflichtungen termingerecht und betragsgenau nachkommen kann. Ansonsten drohen Illiquidität und Insolvenz.1075 Dass möglichst niedrige Finanzierungskosten ein explizites Ziel von Familienunternehmen sind, darüber bestand Einigkeit unter den für die vorliegende Arbeit interviewten Experten.1076 Der Operationalisierung dieses Ziels dient die eindimensionale Messung in Form des Kapitalwerts KWj eines mit einem definierten Finanzierungsinstrument auszuführenden Finanzierungsvorhabens j als Zahlungsreihe Zj mit T+1 Komponenten Zj,t, wobei T den Zeitpunkt der letzten Zahlung bezeichnet. Definitionsgemäß fällt die erste Zahlung der Reihe in t=0 an. (12) Z j ,t
( Z j , 0 , Z j ,1 ,..., Z j ,T )
Der Kapitalwert KWj ergibt sich entsprechend folgender Gleichung: (13) KW j
Z j ,0 BW j .
Die Anfangszahlung Zj,0 entspricht der Differenz aus der Einzahlung des Nominalwerts Nomj,0 und den zahlungswirksamen Fremdleistungskosten Flkj,0 für das Finanzierungsvorhaben j in Periode t=0.1077 (14) Z j , 0
Nom j ,0 Flk j ,0
Der Barwert BWj der Zahlungsreihe Zj,t ist die Differenz aus der Summe der mit dem Kalkulationszinssatz qj auf t=0 diskontierten Einzahlungen EZj,t und Auszahlungen AZj,t, der Perio-
1073
Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 456 sowie Herbst (2005), S. 43ff. Vgl. Brackschulze (2005), S. 142, Gerke/Bank (2003), S. 30f. 1075 Vgl. Drukarczyk (2003), S. 23. 1076 Vgl. Experte 6 (2008), S. 8f, Schwörer, C. (2008), S. 21. Interessanterweise stehen die Zinskosten einer Finanzierung gemäß der langjährigen Erfahrungen von Experte 7 bei deutschen Familienunternehmen südlich des Mains sogar noch stärker im Fokus als nördlich desselben. Vgl. Experte 7 (2008), S. 9. 1077 Zahlungswirksame Erhöhungen oder Reduktionen des Nominalwerts in Form von Agio oder Disagio sind dabei sowohl in Nomj,0 als auch in den Auszahlungen der letzten Periode AZj,T zu berücksichtigen. 1074
202 den t=1 bis T. Für qj wird dabei der risikolose Zins einer 10-jährigen Bundesanleihe angenommen.1078 T
(15) BW j
¦
EZ j ,t AZ j ,t
t 1
(1 q j ) t
Damit ergibt sich aus Sicht des Familienunternehmens ein zu maximierender Kapitalwert KWj der Finanzierungj: T
(16) KW j
Nom j , 0 Flk j ,0 ¦ t 1
EZ j ,t AZ j ,t (1 q j ,t ) t
.
Dieser Kapitalwert KWj bildet ein geeignetes Kriterium zur Beurteilung der Kosten eines Finanzierungsinstruments und zum Vergleich mehrer Finanzierungsalternativen aus Sicht eines Kapitalnehmers.1079 Zur Messung der Zielerreichung minimaler Finanzierungskosten für ein spezifisches Familienunternehmen ist Formel (16) daher der theoretisch richtige Ansatz. Die periodischen Auszahlungen AZj,t werden allerdings unternehmensspezifisch durch die nominelle Verzinsung des aufgenommenen Kapitals festgelegt, die wiederum weitgehend durch die spezifische Risikobeurteilung des Unternehmens determiniert ist. Auch der Nominalwert Nomj ergibt sich individuell aus einem projektspezifischen Kapitalbedarf und eventuell bestehender Liquiditätsspielräume. Daher muss eine Berechnung des Kapitalwerts KWj einer definierten Finanzierungj immer unternehmensspezifisch vorgenommen werden. Eine allgemeingültige, unternehmensübergreifende Berechnung der Finanzierungskosten einer bestimmten Koordinationsform der Kapitalmobilisierung ist nicht leistbar. Um trotzdem einen indikativen Vergleich der Finanzierungskosten verschiedener Instrumente zu ermöglichen, wird die folgende, vereinfachend ordinal skalierte1080 Systematisierung mit Kostenintervallen vorgenommen und auf der ersten Dimension der Netzgrafik veranschaulicht: Niedrige Finanzierungskosten unter 3% p.a., mittlere Finanzierungskosten zwischen 3% und 7% p.a., hohe Finanzierungskosten zwischen 7% und 15% p.a. und sehr hohe Finanzierungskosten mit 15% p.a. oder höher (vgl. Abb. 29).1081 1078
Als risikoloser Zinssatz bei Finanzierungsvorhaben in Deutschland ist die 10-jährige Bundesanleihe üblich. Vgl. Wiehle et al. (2004), S. 22. Die Annahme des risikolosen Zinses erfolgt, weil die Risikobewertung durch das Familienunternehmen annahmegemäß qualitativ vor der Entscheidung für oder gegen das jeweilige Finanzierungsprojekt erfolgt. Soll diese Risikobeurteilung miteinbezogen werden, ist die Verwendung eines risikoadjustierten Zinssatzes notwendig. Zu unterschiedlichen Möglichkeiten der Risikoadjustierung mithilfe des Capital Asset Pricing Models oder der Sharpe Ratio vgl. exemplarisch Brealey et al. (2006), S. 120f, Duffie/Singleton (2003), S. 120f, Cochrane (2005), S. 20f. Zur Ermittlung von Kapitalkosten explizit für Familienunternehmen vgl. McConaughy (1999), S. 354ff. 1079 Vgl. Herbst (2005), S. 46. 1080 Zur Ordinalskalierung gelten die in Abschnitt 3.3.4.4 in Bezug auf Ratings erläuterten Besonderheiten dieses Skalenniveaus. Für daraus resultierende Spezifika im Zusammenhang mit dem finanzwirtschaftlichen Zielsystem der vorliegenden Arbeit vgl. Abschnitt 5.5.3. 1081 Hierbei wird eine vereinfachte Gesamtbetrachtung der Finanzierungskosten aus Fremdleistungs- und Nutzungskosten unterstellt.
203
Abb. 29: Messung der Finanzierungskosten1082
Auch bei der Zuordnung unternehmensspezifischer Finanzierungen in diese Intervalle werden im Einzelfall Diskrepanzen zwischen unterschiedlichen Unternehmen bestehen. Eine Zuordnung mit Gültigkeit für einen Großteil der deutschen Familienunternehmen ist damit jedoch möglich. Außerdem steht zu vermuten, dass unternehmensindividuelle Auf- oder Abschläge im Vergleich zu den genannten Korridoren der vorliegenden Arbeit weitgehend instrumentenübergreifend auftreten. Aus Sicht des einzelnen Familienunternehmens sind die Unterschiede zur allgemeinen Darstellung damit beim Vergleich mehrerer Finanzierungsalternativen nicht entscheidungsrelevant. Die Nebenbedingung ausreichender Liquidität wird als erfüllt angenommen. Zur Rechtfertigung dieser Annahme ist – ausgehend von einem konkreten Finanzierungsbedarf – grundsätzlich eine volumenspezifische Betrachtung mehrerer Instrumente notwendig. Die Finanzierungskosten müssen immer für ein definiertes, gefordertes Finanzierungsvolumen ermittelt werden bzw. es können nur solche Finanzierungsformen auf Basis historischer Finanzierungskosten verglichen werden, die das geforderte Volumen aufzubringen vermögen.1083
1082 1083
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 5.5.3.
204 5.4.2. Minimierung externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen Die Frage der Kontrollausübung ist grundsätzlich eine Kernfrage für jedes Unternehmen. Die Entscheidung über die Verwendung von Mitteln entweder im Unternehmen oder als Dividende für die Gesellschafter beeinflusst direkt die zukünftige Unternehmensstrategie und wird durch die Kontrollinhaber getroffen.1084 Bei Familienunternehmen ist jede faktische externe Einflussnahme – durch Kontroll- oder Mitspracherechte – unerwünscht.1085 Diese Ablehnung ergibt sich aus dem erläuterten Streben nach Unabhängigkeit, das bei Familienunternehmen und mittelständisch geprägten Unternehmen allgemein stark ausgebildet ist.1086 Für alle, in einer Erhebung von Burger-Calderon et al. befragten, großen Familienunternehmen bildet Unabhängigkeit ein strategisches Ziel. Die Hälfte der Befragten stellt dieses Ziel sogar über Ertrags- und Umsatzwachstum.1087 Auch Zellweger zeigt, dass Familienunternehmen Unabhängigkeit Rendite vorziehen.1088 Diese Unabhängigkeit stellt dabei eine notwendige Voraussetzung für Dispositionsfreiheit und Flexibilität des Unternehmens dar.1089 Der Wunsch nach Unabhängigkeit und uneingeschränkter Kontrolle hat direkte Auswirkungen auf die Finanzierungsstrategie. Denn mit der Aufnahme zusätzlichen Kapitals sind unterschiedliche Einschränkungen der unternehmerischen Unabhängigkeit in Form von Kontrolloder Mitspracherechten der Kapitalgeber verbunden. Externes Eigenkapital ist fast immer mit Kontroll- und Mitspracherechten verbunden. Je nach Marktmacht des Kapitalgebers und zugeführten Volumina kann aber auch eine Fremdkapitalfinanzierung erhebliche Einschränkungen der Dispositionsfreiheit zur Folge haben.1090 Dies ist dann der Fall, wenn der Kapitalgeber zusätzlich zur Verzinsung und eventuellen Besicherung Mitspracherechte bei der Mittelverwendung einfordert – bereits im Rahmen der üblichen Nutzung, oder falls es aufgrund wirtschaftlich nachteiliger Entwicklungen zu Problemen bei der Rückzahlung kommt. Familienunternehmen streben bei Ihrer Finanzierung nach minimaler externer Einflussnahme und wollen die Kontrollmehrheit in Familienhand halten.1091 Das wurde ausnahmslos durch alle im Rahmen dieser Arbeit dazu befragten Gesprächspartner bestätigt.1092 Zur Ablehnung externer Einflussnahme und Aufgabe von Kontrollrechten gibt es vielfache empirische Be-
1084
Vgl. Dreux IV (1990), S. 230. Vgl. Böllhoff (2004), S. 221f, v. Tippelskirch (2000), S. 113, Matthews et al. (1994), S. 358f. Vgl. Engel et al. (2006), S. 145, Müller et al. (2006), S. 190. 1087 Vgl. Burger-Calderon et al. (2004), S. 9f und S. 16. 1088 Vgl. Zellweger (2005), S. 104f. 1089 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 9. 1090 Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 10. 1091 Vgl. Reimers (2004), S. 14, Westhead et al. (2001), S. 380, Dreux IV (1990), S. 229ff. 1092 Vgl. Experte 7 (2008), S. 7, Experte 1 (2008), S. 7, Experte 4 (2008), S. 4f, Experte 5 (2008), S. 3, Experte 6 (2008), S. 5f, Schwörer, C. (2008), S. 22. 1085 1086
205 lege: Für Deutschland zeigen Kayser et al., dass über 69% der Unternehmen, die vollständig durch eine Familie gehalten werden, eine Investorenbeteiligung prinzipiell ablehnen.1093 Die Abneigung gegenüber anderen Teilhabern stellt gemäß Untersuchungsergebnissen von Wetzel den mit 50% wichtigsten Grund gegen einen Börsengang dar.1094 Aber auch gegen PE sprechen aus der Perspektive eines deutschen Familienunternehmens insbesondere die hohen Anforderungen an Mitsprache, wie Achleitner et al. feststellen.1095 Für Großbritannien bspw. weist Poutziouris für Familienunternehmen eine starke Abneigung gegenüber externem Eigenkapital nach.1096 Geht ein britisches Familienunternehmen trotzdem an die Börse, stellen die Kulturänderungen, die mit der Abgabe von Kontrolle und der Einflussnahme durch externe Gesellschafter verbunden sind, eine der größten Herausforderungen für Familienunternehmen dar, wie Burton et al. nachweisen.1097 Für kanadische Familienunternehmen zeigen Wu et al., dass Familieneinfluss negativ mit der Finanzierung über PE oder Börsengang korreliert.1098 Repräsentativ für Schottland und Nordirland haben Dunn/Hughes diese Fragestellung untersucht. Jeweils weit mehr als die Hälfte der befragten Familienunternehmen drücken dazu ihren Wunsch nach weiterhin in Familienhand verbleibendem Unternehmenseigentum und ihre Ablehnung einer Verwässerung der Kontrollrechte aus.1099 Dass dies auch für Deutschland gilt, zeigt das Verhältnis von 259.302 Familienunternehmen1100 und lediglich 10.230 börsennotierten Gesellschaften1101. Wäre der Verkauf von Kontrollrechten eine erstrebenswerte Alternative, müsste dieses Verhältnis anders ausfallen.1102 Neben der unmittelbaren Aufnahme zusätzlicher Gesellschafter stehen Familienunternehmen aber auch dem bloßen Potenzial zusätzlicher Mitspracheberechtigter sehr kritisch gegenüber. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass der Handel mit Unternehmenskrediten, den deutsche Finanzinstitute als Innovation begrüßen, durch Familienunternehmen sehr skeptisch gesehen wird. Im Vordergrund steht dabei die Sorge vor solchen Investoren, die nach dem Kreditkauf Einfluss auf das operative Geschäft nehmen wollen oder sogar eine Debt-Equity Swap Strategie verfolgen.1103 Dass diese Sorge bei Familienunternehmen relativ weit verbreitet ist,
1093
Vgl. Kayser et al. (2005), S. 47. Vgl. Wetzel (2003), S. 35. Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 29. 1096 Vgl. Poutziouris (2001), S. 283. 1097 Vgl. Burton et al. (2006), S. 688. 1098 Vgl. Wu et al. (2007), S. 893. 1099 Vgl. Dunn/Hughes (1995), S. 277. 1100 Stand 2000. Vgl. Klein (2004), S. 42. 1101 Stand 2008. Vgl. Deutsche Börse Group (Hrsg.) (2008b), S. 1. 1102 Vgl. dazu auch Dreux IV (1990), S. 234. 1103 Vgl. Funk/Goeke (2008), S. 27f. 1094 1095
206 bestätigt auch das Experteninterview mit Experte 7, der seit Jahren eine Vielzahl von Familienunternehmen bei Entwicklung und Umsetzung ihrer Finanzierungsstrategie unterstützt.1104 Um für alternative Koordinationsformen der Kapitalmobilisierung eine Überprüfung der jeweiligen Anforderungskongruenz mit dem Ziel minimaler externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen zu ermöglichen, dient das in Abb. 30 dargestellte Ausgestaltungsspektrum potenzieller Einflussnahme. Darin werden drei ordinal skalierte Dimensionen der Einflussnahme unterschieden:1105 Umfang und Häufigkeit der Einflussnahme sowie Anzahl der Mitspracheberechtigten. Entsprechend dem formulierten Ziel wird ein Familienunternehmen ein Finanzierungsinstrument umso stärker präferieren, je schwächer die Einflussnahme in den einzelnen Dimensionen ausgeprägt ist. Beim Umfang der externen Einflussnahme werden drei Stufen unterschieden: Erstens keine externe Einflussnahme, worunter auch übliche Kündigungsrechte von Kapitalgebern und vertraglich vereinbarte Einschränkungen der Kapitalnutzung fallen, weil diese bereits bei Vertragsabschluss fest stehen; zweitens kapitalbezogene Mitspracherechte, die sich aus einer starken Gläubigerposition ergeben und insbesondere faktische Mitsprache- oder Vetorechte im Rahmen der laufenden Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel beinhalten sowie drittens Gesellschafterrechte, die weitgehende Kontrollund Mitspracherechte beinhalten. Typischerweise entstehen bei kapitalmarktgehandelten Fremdkapitalprodukten keine externen Mitspracherechte, weil dies aufgrund der Vielzahl an Gläubigern technisch auch kaum möglich wäre. Eigenkapitalinstrumente als anderes Extrem auf der Skala externer Einflussnahme hingegen sind üblicherweise mit Gesellschafterrechten verbunden.
1104
Vgl. Experte 7 (2008), S. 6. Zur unterschiedlichen Anzahl der Dimensionen je Ziel und daraus entstehenden Konsequenzen für die Anwendung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems vgl. Abschnitt 5.5.3.
1105
207
Abb. 30: Messung potenzieller externer Einflussnahme1106
5.4.3. Minimierung der Offenlegung interner Daten Informationsrechte für Kapitalgeber stellen eine weitere, wenn auch geringere Form der Einschränkung der von Familienunternehmen angestrebten Unabhängigkeit dar.1107 Entsprechend benennen Börner/Grichnik eben dieses grundsätzliche Autonomiestreben mittelständisch geprägter Unternehmen auch als maßgebliches Motiv, Informations- und Transparenzverpflichtungen bei der Unternehmensfinanzierung weitgehend auszuschließen.1108 Ökonomisch lässt sich der Wunsch nach Intransparenz mit der Vermeidung von Transaktionskosten zur Reduktion von Informationsasymmetrien interpretieren.1109 Eine andere Begründung zur Ablehnung der Bereitstellung interner Unternehmensinformationen über den engsten Kreis an Führungskräften hinaus kann im bewussten Wunsch nach Intransparenz liegen, mit der die bereits erläuterte Entstehung von Begehrlichkeiten externer Stakeholder verhindert werden soll.1110 Eine Anspruchshaltung soll dabei nicht nur bei Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und poten1106
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Weissmann/Artmann (2007), S. 26f, Herbst (2005), S. 52. 1108 Vgl. Börner/Grichnik (2003), S. 681. 1109 Vgl. Börner et al. (2008), S. 2. 1110 Vgl. Experte 5 (2008), 6f, Experte 4 (2008), S. 12, Müller et al. (2006), S. 191. 1107
208 ziellen Neidern in der Öffentlichkeit verhindert werden, sondern teilweise sogar innerhalb der Eigentümerfamilie.1111 Auch Wettbewerbern soll der Zugang zu Informationen verwehrt werden, um keine strategischen Vorteile aufzugeben oder Nachteile entstehen zu lassen. Mit der eindeutigen Zustimmung aller interviewten Experten lässt sich festhalten, dass Familienunternehmen Publizitätspflichten scheuen, bei denen Wettbewerber, Kunden oder andere Interessierte Einblicke in das Unternehmen erhalten.1112 Folglich müssen potenzielle Finanzierungsinstrumente für Familienunternehmen sich daran messen lassen, wie oft welche Informationen wem zur Verfügung zu stellen sind. Familienunternehmen werden dabei immer eine Kapitalisierung anstreben, die möglichst minimale Informationsrechte auslöst. Grundsätzlich sind die mit einer Finanzierungsform entstehenden Informationsrechte allerdings nicht von der Positionierung der Kapitalgeber als Gesellschafter oder Gläubiger abhängig, sondern häufig ist die Verhandlungsposition des Kapitalgebers dafür ausschlaggebend, welche Informationsrechte er durchsetzen kann.1113 Die Messung potenzieller Informationsrechte erfolgt im Rahmen der vorliegenden Arbeit anhand von drei ordinal skalierten Dimensionen: Umfang und Häufigkeit der Informationspflichten sowie die Anzahl derjenigen, die diese Informationen einsehen können (vgl. Abb. 31). Beispielhaft werden diese Dimensionen an folgendem Informationsrecht erläutert: Deutsche Kapitalgesellschaften müssen seit 1985 ihre Jahresabschlüsse bei Amts- und Registergerichten einreichen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes über elektronische Handels- und Genossenschafts- sowie Unternehmensregister (EHUG) 2007 müssen die Abschlüsse via Internet beim elektronischen Bundesanzeiger eingereicht werden, was sehr genau kontrolliert wird. Bei Nicht-Einreichen sind Strafen bis zu 25.000 Euro fällig.1114 Dass dies bereits Wirkung zeigt, bestätigt das BDI-Mittelstandspanel. Danach haben 92% der davon betroffenen Industrieunternehmen1115 ihre Jahresabschlüsse für 2006 bis Ende 2007 eingereicht.1116 Und der Publizitätsdruck wird weiter erhöht. Nach Angaben des Bundesamts für Justiz werden 2008 fast 500.000 deutsche Unternehmen Androhungsschreiben bzgl. der Strafzahlung bei NichtEinreichen erhalten.1117
1111
Vgl. Frasl (2007), S. 272, Kaleja/Pollner (1998), S. 62. Vgl. Experte 1 (2008), S. 7, Experte 4 (2008), S. 2, Experte 2 (2008), S. 3f, Experte 5 (2008), S. 3 und S. 6, Experte 6 (2008), S. 6, Experte 7 (2008), S. 7, Schwörer, C. (2008), S. 22. Vgl. auch Achleitner/Achleitner (2000), S. 136. 1113 Vgl. Volk (2003), S. 1225. 1114 Vgl. Mönnighoff (2008), S. 22. 1115 Ca. 80% aller deutschen Industrieunternehmen fallen unter das EHUG. Vgl. Hoffmann et al. (2008), S. 28. 1116 Vgl. Hoffmann et al. (2008), S. 28. 1117 Vgl. Müller (2008). 1112
209 Diese Stufe der Informationspflicht ist bereits als relativ hoch zu bewerten: Es handelt sich um eine regelmäßige Bereitstellung (Häufigkeit 3) des Jahresabschlusses und damit um Vergangenheitsdaten (Umfang 1). Mit dem Registergericht ist der primäre Adressatenkreis zwar unmittelbar sehr stark eingegrenzt, allerdings kann jeder Interessent dort Einblick in die hinterlegten Daten nehmen (Anzahl 3).
Abb. 31: Messung potenzieller Informationsrechte1118
5.4.4. Maximierung der Flexibilität Die Erörterung eines idealen Niveaus an Flexibilität wird häufig vor dem Hintergrund der Wahl der institutionellen Form der Kapitalbereitstellung geführt.1119 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit und mit Bezug auf Familienunternehmen stehen beim Flexibilitätsbegriff da-
1118
Quelle: Eigene Darstellung, Dimensionen und Skalierung von Informationspflichten in Anlehnung an Arnold (1989), S. 232 sowie Herbst (2005), S. 53. 1119 Zur Vorteilhaftigkeit indirekter bzw. direkter Finanzierung über Intermediäre bzw. Kapitalmarkt vor dem Hintergrund finanzwirtschaftlicher Flexibilität vgl. exemplarisch Chemmanur/Fulghieri (1994).
210 gegen die Liquiditätsausstattung des Unternehmens sowie die vertragsgestalterische Flexibilität im Vordergrund. Liquidität beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, seinen Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt zu jedem Zeitpunkt nachkommen zu können. Als Ausdruck der Zahlungsfähigkeit bildet Liquidität dabei eine binäre Variable: Sie ist erfüllt oder nicht erfüllt. Über- oder Unterliquidität sind keine sinnvollen Bezeichnungen.1120 Daher impliziert die Forderung nach „ausreichender“ Liquidität auch kein Maximierungsziel des Zahlungsmittelbestandes. Vielmehr beträgt der unter Rentabilitätsaspekten optimale Zahlungsmittelbestand zu einem Zeitpunkt ohne Auszahlungsverpflichtung null, denn ein Liquiditätsbestand über die Verpflichtungen hinaus ist unwirtschaftlich.1121 Wenn Familienunternehmen nach maximaler Flexibilität ihrer Finanzierung streben, bedeutet das entsprechend, dass genutzte Finanzinstrumente möglichst flexibel in ihrer Zurverfügungstellung von Liquidität sein sollten. Familienunternehmen streben nach dauerhaftem Zugang zu Kapital, der jedoch möglichst variabel nutzbar sein sollte. Zugesagte Finanzmittel kurzfristig abzurufen, wenn Auszahlungen anstehen und andernfalls die Mittel nicht auf der eigenen Bilanz zu haben, stellt das theoretische Optimum dar.1122 Diesen Wunsch nach Flexibilität bestätigten alle im Rahmen dieser Arbeit befragten Experten.1123 Ein weiterer Aspekt, den Familienunternehmen mit ihrer Forderung nach Flexibilität verbinden, bezieht sich auf die Möglichkeit der individuellen Gestaltbarkeit von Finanzierungsverträgen.1124 Hierbei streben Familienunternehmen nach möglichst großer Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Vertragsverhandlungen, um die Berücksichtigung spezifischer Interessenlagen des Unternehmens gewährleisten zu können. Entsprechend erfolgt die Messung der instrumentenspezifischen Flexibilität in zwei ordinal skalierten Dimensionen: vertragliche Flexibilität und Flexibilität des Zahlungsstrom. Die zugehörigen Dimensionen in Abb. 32 werden dabei – analog zu den anderen Dimensionen – mit „vertragliche Inflexibilität“ und „Inflexibilität Zahlungsstrom“ überschrieben, um das angestrebte Ziel im Nullpunkt und negative Abweichungen nach außen abtragen zu können.
1120
Vgl. Witte (1963), S. 14f. Vgl. Perridon/Steiner (2007), S. 11. Hierbei kann von einer Shiftability der Finanzmittel analog zur Shiftability Theorie von Vermögensgegenständen gesprochen werden. Zur Shiftability Theorie vgl. Stützel (1959), S. 622f. Größtmögliche Flexbilität impliziert daher einen unbeschränkten und jederzeit möglichen Zugang zu zusätzlichem Kapital zur Finanzierung zusätzlicher rentabler Investitionen. Vgl. Higgins (2007), S. 217f. Auch im Hinblick auf eventuelle Krisenzeiten ist die Beschaffung und Optimierung finanzieller Flexibilität eine Voraussetzung erfolgreicher Unternehmensführung. Vgl. Donaldson (1969), S. 71ff. 1123 Vgl. Experte 5 (2008), S. 3, Experte 6 (2008), S. 7, Experte 7 (2008), S. 8. 1124 Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 204f. 1121 1122
211
Abb. 32: Messung der Flexibilität1125
5.4.5. Langfristigkeit Die Fristigkeit einer Finanzierung als Zeitspanne, in der Finanzmittel zur Verfügung stehen, sollte sich grundsätzlich an der Mittelverwendung orientieren. Idealerweise stimmen Fristigkeit sowie eventuelle Tilgungsvereinbarungen mit Investitionsdauer und eventuellen investitionsbezogenen Einzahlungen überein, so dass Fristenkongruenz vorliegt.1126 Scheinbar widersprüchlich zu diesen theoretischen Überlegungen zur Fristenkongruenz streben Familienunternehmen grundsätzlich nach einer möglichst langfristigen Finanzierung. Diese Forderung nach Langfristigkeit bzw. langfristiger Refinanzierbarkeit bestätigen alle dazu befragten Experten aus Erfahrungen in ihrer täglichen Arbeit sowie eine Untersuchung von Siemens Financial Services.1127 Eine hohe Fristigkeit wird dabei als Indikator für Zuver-
1125
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Drukarczyk (2003), S. 31. 1127 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 23, Experte 5 (2008), S. 3f, Experte 6 (2008), S. 7, Experte 7 (2008), S. 8, Experte 1 (2008), S. 7. Vgl. ebenso die Studienergebnisse von Siemens Financial Services GmbH (Hrsg.) (2003), S. 16. Für mittelständisch geprägte Unternehmen bestätigt dies ebenfalls Müller et al. (2006), S. 193. 1126
212 lässigkeit und Sicherheit der Finanzierung gesehen. Familienunternehmen verbinden mit langfristiger Finanzierung die Gewissheit, dass finanzielle Mittel nicht kurzfristig zurück gefordert oder Konditionen geändert werden können.1128 Versteht man in diesem Sinne das gesamte Unternehmen als Investitionsobjekt ohne zwischen einzelnen Anlagen zu differenzieren, löst sich der scheinbare Widerspruch zur theoretisch optimalen Fristenkongruenz auf.1129 Dann kann eine langfristige Finanzierung als fristenkongruent mit der langfristigen Unternehmensstrategie und Geschäftsperspektive von Familienunternehmen betrachtet werden.1130 Die Betrachtung des Familienunternehmens als Gesamtinvestition ergibt sich auch aus der in Abschnitt 5.3.1 erläuterten, üblicherweise hohen Anlagequote der Gesellschafter. Für die Bewertung einzelner Finanzinstrumente wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine eindimensionale, rational skalierte1131 Messung der Fristigkeit in Form der Zahl üblicher Nutzungsjahre vorgenommen (Abb. 33). Je länger eine Finanzierung zur Verfügung steht, desto zielkongruenter ist sie. Das Optimum stellt dabei eine Ausprägung mit einer Nutzungsdauer von mehr als 10 Jahren dar und wird zur kongruenten Darstellung mit den anderen Zielen im Schnittpunkt aller Dimensionen mit dem Wert 0 abgebildet. Der schlechteste Wert dieser Skala beträgt 10 und repräsentierte eine Nutzungsdauer von unter einem Jahr. Die zugehörige Dimension der Abbildung wird daher auch mit „Kurzfristigkeit“ überschrieben, um die zunehmende Abweichung vom Optimum zu spiegeln, die eine Finanzierung aufweist, je weiter außen sie sich auf der Skala befindet.
1128
Vgl. die Erhebungen von Achleitner et al. bzw. Relefsen/Eiben in denen „Zuverlässigkeit/Langfristigkeit“ respektive „Sicherheit/Langfristigkeit“ seitens Familienunternehmen als Finanzierungsziele gefordert wurden: Achleitner et al. (2008a), S. 18f, Redlefsen/Eiben (2006), S. 5. 1129 Zur langfristigen Perspektive der Unternehmerfamilie vgl. Hennerkes/Kirchdörfer (2008), S. 543 sowie Block/Thams (2008), S. 22, die nachweisen, dass insbesondere Familienunternehmen mit Familienmitgliedern im Management eine langfristige Perspektive aufweisen. 1130 Illustrativ lassen darauf die Aussagen von Experte 5 sowie von Hrn. Schwörer von Peri schließen. Vgl. Experte 5 (2008), S. 3 und S. 9 sowie Schwörer, C. (2008), S. 23. Zu Auswirkungen der langfristigen Perspektive auf das Finanzmanagement von Familienunternehmen vgl. auch Prencipe et al. (2008), S. 84. 1131 Ratio- oder Verhältnisskalen besitzen das höchste Skalenniveau. Sie beziehen sich auf eine metrische Skala und erlauben Multiplikation und Division. Zu unterschiedlichen Skalenniveaus vgl. Backhaus et al. (2006), S. 4ff.
213
Abb. 33: Messung der Fristigkeit1132
5.4.6. Minimierung der Stellung von Sicherheiten Bei den meisten Fremdkapitalinstrumenten besteht der Kapitalgeber auf der Stellung von Sicherheiten zur Absicherung des zur Verfügung gestellten Kapitals. Dabei werden üblicherweise Personal- und Realsicherheiten unterschieden. Während bei Personalsicherheiten – wie Garantien oder Bürgschaften – natürliche oder juristische Personen für den Kredit haftbar gemacht werden, sind Realsicherheiten sachbezogen. Dazu werden bewegliche und verwertbare Vermögensgegenstände oder Grundpfandrechte als Sicherheiten eingesetzt.1133 Kreditnehmer allgemein – und so auch Familienunternehmen – haben verständlicherweise kein Interesse an der Stellung von Sicherheiten, weder von Betriebs- oder Privatvermögen noch via persönlicher Haftung.1134 Hinsichtlich der Präferenzreihenfolge von Familienunter-
1132
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Gerke/Bank (2003), S. 430f sowie Wöhe/Bilstein (2002), S. 187. 1134 Vgl. gleichgerichtet die Erhebungsergebnisse von Achleitner et al. (2008a), S. 19 und Redlefsen/Eiben (2006), S. 5. 1133
214 nehmen zu den unterschiedlichen Sicherungskonzepten wird auf folgende Arbeitshypothese zurückgegriffen: Den Gesellschaftern von Familienunternehmen liegt das eigene Vermögen näher als das Betriebsvermögen des Unternehmens – eine Besicherung ist entsprechend unerwünscht. Beides wird in der Präferenzreihenfolge vermutlich allerdings jeweils nach Personalsicherheiten durch das kapitalsuchende oder damit verbundende Unternehmen sowie den Eigentümer selbst rangieren. Der Grund liegt in der unterbleibenden Belastung des Vermögens, das damit für andere Finanzinstrumente als Besicherungspotenzial zur Verfügung steht. Daher ergibt sich folgende in Abb. 34 dargestellte abnehmende Präferenzreihenfolge und damit gleichzeitig ordinal skalierte Bewertungssystematik der potenziellen Sicherheitenstellung bei Finanzierungsinstrumenten aus Sicht eines Familienunternehmens: Keine Sicherheiten, Personalsicherheiten des kapitalsuchenden oder damit verbundender Unternehmen, Realsicherheiten des kapitalsuchenden oder damit verbundender Unternehmen, Personalsicherheiten des Gesellschafters, Realsicherheiten des Gesellschafters.
Abb. 34: Messung der Präferenzen bei der Sicherheitenstellung1135
1135
Quelle: Eigene Darstellung.
215 Mit Darstellung der letzten Dimension Sicherheiten ist das finanzwirtschaftliche Zielsystem von Familienunternehmen als zentraler Bewertungsrahmen unterschiedlicher Finanzierungsformen der vorliegenden Arbeit fertig gestellt.
5.5. Inhaltliche und anwendungsbezogene Konsequenzen des Zielssystems
In den obigen Abschnitten wurde das finanzwirtschaftliche Zielsystem von Familienunternehmen als Bewertungsrahmen zur Überprüfung unterschiedlicher Finanzierungsformen auf ihre Eignung für diesen Unternehmenstyp entwickelt. Die folgenden Abschnitte dienen nun der Diskussion von Konsequenzen, die sich aus dieser Bewertungssystematik ergeben. Dies betrifft sowohl inhaltliche Erkenntnisse als auch Spezifika, die bei der Anwendung des Zielsystems zum Vergleich mehrerer Finanzierungsformen zu berücksichtigen sind.
5.5.1. Finanzierung als Wachstumsbeschränkung Führt man sich die Vielfältigkeit des oben erläuterten finanzwirtschaftlichen Zielsystems typisierter Familienunternehmen vor Augen, wird ein Phänomen deutlich, dass Böllhoff als Dilemma von Familienunternehmen bezeichnet: Insbesondere die geforderte Unabhängigkeit mit den beiden resultierenden Zielen minimaler externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen sowie minimaler Offenlegung interner Daten führt dazu, dass potenzielles Unternehmenswachstum an einer unzureichender Finanzierung scheitern kann.1136 Müller weist diese negative Korrelation zwischen Wachstum und Wunsch nach uneingeschränkter Kontrolle empirisch nach.1137 Auch Poutziouris stellt fest, dass viele Familienunternehmen die Wahrung von Kontrollrechten über die Erschließung von Wachstumspotenzialen stellen. Weil externes Eigenkapital wegen der Eigentumsverwässerung und dem Kontrollverlust nur in seltenen Fällen eine Alternative darstellt, hat das beschriebene finanzwirtschaftliche Zielsystem zur Folge, dass eine Optimierung der Kapitalstruktur nicht konsequent möglich ist, weil oftmals nur Fremdkapitalinstrumente aufgenommen werden.1138 Eine eventuell angestrebte Erhöhung der Eigenkapitalquote ist somit nur durch Innenfinanzierung bei insgesamt zurückhaltender Nutzung externer Finanzierung möglich. Dazu geben 25% der durch Burger-Calderon et al. befragten Familienunternehmen an, durch Finanzierungsrestriktionen bereits im Wachstum begrenzt worden zu sein. Weitere 12% ha-
1136
Vgl. Böllhoff (2006), S. 126. Vgl. Müller (2005b), S. 22ff. 1138 Vgl. Poutziouris (2002), S. 116. 1137
216 ben ihr Wachstum der Ertragskraft des Unternehmens angepasst. 63% geben zwar an, ihr Wachstum würde nicht durch Finanzierungsrestriktionen begrenzt, allerdings ist zu hinterfragen, ob diese Unternehmen ihr Wachstum nicht auch implizit an ihr mit dem Umsatzwachstum zunehmendes Innenfinanzierungspotenzial angleichen.1139 Auch die in den Experteninterviews Befragten bestätigten, dass das Finanzierungsverhalten von Familienunternehmen zu Wachstumsbeschränkungen führen kann.1140 Insofern besteht die Gefahr, dass Familienunternehmen tendenziell eher Objekt von Branchenkonsolidierungen werden, als dass sie diese aktiv vorantreiben.1141 Die Strategie, das Unternehmenswachstum über die Ertragskraft des Unternehmens zu definieren, birgt daher nicht nur das Risiko verpasster Wachstumschancen, sondern auch das immanente Risiko einer Gefährdung der Unternehmensfortführung.
5.5.2. Konflikte zwischen finanzwirtschaftlichen Zielen Entsprechend der erläuterten Herausforderungen bei der Wachstumsfinanzierung kann eine uneingeschränkte Erfüllung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems nicht im Sinne des Familienunternehmens sein. I.d.R. ist dies auch nicht möglich, da zwischen einzelnen Zielen Konflikte bestehen. So lassen sich beispielsweise Kapitalgeber zahlungsstrombezogene Flexibilität in Form jederzeit abrufbarer Finanzmittel durch entsprechende Bereitstellungsgebühren kompensieren. Damit besteht zwischen den Anforderungen maximaler Flexibilität und minimaler Finanzierungskosten ein Zielkonflikt. Diesen Zielkonflikt entschärfend kann der Finanzierungsbedarf der meisten Unternehmen allerdings in verschiedene Schichten aufgeteilt werden. Ein Bedarf an dauerhaften Finanzmitteln bspw. zur Working Capital Finanzierung wird i.d.R. dauerhaft bestehen, so dass ein dafür geeignetes Instrument über eine geringere Flexibilität verfügen muss als eine Kapitalquelle, die explizit für die Deckung zeitlich begrenzter Kapitalbedarfsspitzen vorgesehen ist. Der Zielkonflikt bezieht sich somit nur auf diejenigen Finanzmittel, die zur Deckung von Bedarfsspitzen bereit gehalten werden. Auch zwischen Langfristigkeit und zahlungsstrombezogener Flexibilität bestehen potenziell Konflikte, da Kapitalgeber bei einer langfristigen Mittelbereitstellung Planungssicherheit bzgl. zukünftiger Zahlungsströme und ihrer eigenen Kapitaldisposition anstreben werden.
1139
Vgl. Burger-Calderon et al. (2004), S. 12. Vgl. Experte 4 (2008), S. 3f, Experte 6 (2008), S. 5f, Experte 5 (2008), S. 4 und S. 9. 1141 Vgl. Burger-Calderon et al. (2004), S. 26. Aufsehenerregende Ausnahmen wie die Übernahme von Conti durch Schaeffler sind vermutlich auch deswegen so aufsehenerregend. 1140
217 Weiterhin besteht ein Zielkonflikt zwischen dem Wunsch nach minimaler Sicherheitenstellung und minimalen Finanzierungskosten. Wie die Ausführungen zum High Yield Bond in Abschnitt 4.1.4.2 zur Verzinsung verdeutlichen, fordern Kapitalgeber eine Vergütung für Risiken aus minimaler Sicherheitenstellung. Die Lösung dieser Zielkonflikte kann nur unternehmens- bzw. gesellschafterspezifisch erfolgen. Dazu ist die Definition einer unternehmensindividuellen Finanzierungsstrategie notwendig, die wiederum auf der umfassenderen Unternehmensstrategie aufgebaut sein muss. Im Rahmen der zu definierenden Finanzierungsstrategie ist dabei eine eigentümerspezifische Priorisierung der finanzwirtschaftlichen Ziele notwendig.1142 Das individuelle Familienunternehmen bzw. dessen Gesellschafter müssen die einzelnen Kriterien in eine Rangfolge bringen, die ihre Präferenzen widerspiegelt. Sind die Finanzierungskosten das ausschlaggebende Kriterium, wird eine Präferenzreihenfolge alternativer Instrumente entsprechend anders ausfallen, als wenn minimale externe Einflussnahme die uneingeschränkte Priorität darstellt.1143 Wie Romano et al. nachweisen, findet diese Priorisierung statt: Je wachstumsaffiner ein Familienunternehmen z.B. ist, desto offener ist es auch für externes Eigenkapital.1144 Auch die für Finanzierung in Familienunternehmen verantwortlichen Gesprächspartner Schwörer und Experte 5 erklärten implizit, dass diese Priorisierung erfolgt. Beide gewichteten die geforderte Langfristigkeit einer Finanzierung höher als die kurzfristige Flexibilität.1145 Indikator für eine unternehmensspezifische Priorisierung der finanzwirtschaftlichen Ziele sind auch die angeführten Studien von Achleitner et al. und Redlefsen/Eiben. Obwohl beide Studien im Vergleich untereinander und zur vorliegenden Arbeit weitgehend deckungsgleiche Finanzierungsziele identifizieren, unterscheiden sich die Zielrangfolgen deutlich. Während Flexibilität z.B. bei Achleitner et al. das wichtigste, und geringe Kapitalkosten nur das fünftwichtigste Ziel bildet, verhält es sich bei den Ergebnissen von Redlefsen/Eiben genau anders herum. Dort sind niedrige Finanzierungskosten das wichtigste Ziel und Flexibilität liegt an fünfter Stelle.1146 Dies verdeutlicht, dass das erläuterte Zielsystem zur Finanzierung von Familienunternehmen keine Schablone ist, die problemlos geeignete von ungeeigneten Finanzierungsinstrumenten zu unterscheiden vermag. Vielmehr ist es eine Sammlung hoher Anforderungen, die im Einzelfall durch das betroffene Unternehmen abgewogen werden müssen.
1142
Die Notwendigkeit zur unternehmensspezifischen Gewichtung der Determinanten bzw. Anforderungen betont auch Experte 6 im Interview: Vgl. Experte 6 (2008), S. 10. 1143 Vgl. Müller et al. (2006), S. 277. 1144 Vgl. Romano et al. (2000), S. 303. 1145 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 23, Experte 5 (2008), S. 3f. 1146 Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 18 und Redlefsen/Eiben (2006), S. 5.
218 5.5.3. Anwendungsbezogene Spezifika des Zielsystems Neben den genannten inhaltlichen Konsequenzen potenzieller Wachstumsbeschränkungen aufgrund der Zielvielfalt bzw. der notwendigen Zielpriorisierung bestehen auch Konsequenzen für die Anwendung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems zur Bewertung verschiedener Finanzierungsformen, die sich aus seiner gestalterischen Umsetzung ergeben. Wie bereits bei den Ausführungen zum Ziel minimaler Finanzierungskosten in Abschnitt 5.4.1 erläutert, muss die volumenspezifische Anwendung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems sichergestellt sein, um einen aussagekräftigen Vergleich mehrerer Instrumente zu ermöglichen. Eine Bewertung alternativer Finanzierungsformen ist nur sinnvoll, wenn vergleichbare volumenbezogene Anforderungen an die Instrumente bestehen. Soll ein bestimmtes Volumen finanziert werden, muss sichergestellt sein, dass nur potenzielle Instrumente gegenübergestellt werden, mit denen das geforderte Volumen auch aufgebracht werden kann. Es spricht allerdings nichts dagegen, mehrere Instrumente zur Aufbringung eines definierten Volumens theoretisch zu kombinieren und einem anderen Instrument gegenüber zu stellen, um die Entscheidung für oder gegen eine Finanzierung fundiert treffen zu können. Diese Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz des finanzwirtschaftlichen Zielsystems kann bei Vorliegen eines konkreten Finanzierungsprojekts i.d.R. jedoch als erfüllt betrachtet werden. Eine andere Besonderheit, die für einen zieladäquaten Einsatz des finanzwirtschaftlichen Zielsystems berücksichtigt werden muss, ergibt sich aus der unterschiedlichen Anzahl der Dimensionen je Ziel. Wie bereits in Abschnitt 5.5.2 erläutert, machen die Zielkonflikte zwi-
schen verschiedenen finanzwirtschaftlichen Anforderungen eine unternehmensspezifische Gewichtung der einzelnen Ziele notwendig. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die unterschiedliche Anzahl der Dimensionen, die für einzelne Ziele definiert wurde, noch keine Gewichtung darstellt. Auch wenn Finanzierungskosten eindimensional und externe Einflussnahme anhand dreier Dimensionen gemessen werden, impliziert das keine systemimmanent höhere Gewichtung des Ziels externer Einflussnahme. Die unterschiedliche Anzahl an Dimensionen je Ziel ergibt sich lediglich aus den zu differenzierenden Aspekten, die bei der Bewertung des Ziels berücksichtigt werden müssen. Der letzte Aspekt, auf den hingewiesen werden muss, betrifft die Ordinalskalierung der meisten Zieldimensionen. Die Einschränkungen dieses Skalenniveaus ermöglichen lediglich
Aussagen über Rangordnungen von Merkmalsausprägungen im Sinne von „höher“ oder „niedriger“ bzw. „besser“ oder „schlechter“. Der Abstand zweier Merkmalsausprägungen
219 kann nicht bewertet werden.1147 Aufgrund der spezifischen Fragstellung, welche Finanzierungsform von mehreren Alternativen besser zur Finanzierung von Familienunternehmen geeignet ist, stellt dies jedoch i.d.R. keine Einschränkung dar. Aussagen, dass eine bestimmte Finanzierungsform doppelt oder halb so gut wie eine andere ist, sind nicht erforderlich.
5.6. Zwischenfazit
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung existieren verschiedene Forschungsrichtungen zur optimalen Kapitalstruktur, wobei Trade-Off Theorie, Pecking Order Theorie, Determinantenforschung und Behavioral Finance die zentralen Forschungsrichtungen bilden. Für alle gilt, dass ihre Erkenntnisse nicht oder nur eingeschränkt auf Finanzierungsentscheidungen in Familienunternehmen übertragbar sind: Erstens implizieren alle Forschungsrichtungen uneingeschränkten Zugang zu Fremd- und Eigenkapital, was i.d.R. eine Börsennotierung voraussetzt. Zweitens unterstellt die Neue Institutionenökonomik, der Principal-Agent und Pecking Order Theorie zuzurechnen sind, die Trennung von Eigentum und Führung. Beide Annahmen – Börsennotierung und Trennung von Eigentum und Führung – sind bei Familienunternehmen i.d.R. nicht erfüllt. Daher wurden spezifische Charakteristika dieses Unternehmenstyps identifiziert und in ein finanzwirtschaftliches Zielsystem überführt. Auch wenn die Priorisierung der Ziele unternehmensspezifisch erfolgen muss, wurde damit das Ziel erreicht, unterschiedliche Finanzinstrumente anhand operationalisierter Ziele bzw. Kriterien auf ihre Eignung für Familienunternehmen überprüfen zu können. Dabei muss der Vergleich allerdings volumenspezifisch erfolgen, um eine belastbare Aussage zu ermöglichen. Im nächsten Kapitel wird die entwickelte Systematik zur Eignungsüberprüfung auf High Yield Bonds angewandt.
1147
Zu unterschiedlichen Skalenniveaus vgl. Backhaus et al. (2006), S. 4ff.
220
6. Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen
6.1. Gegenüberstellung von High Yield Bond und Konsortialkredit am finanzwirtschaftlichen Zielsystem
Zur Beantwortung der grundlegenden Frage dieser Arbeit, inwiefern High Yield Bonds Bankkredite bei der Finanzierung von Familienunternehmen ergänzen oder ersetzen können, wird im Folgenden die Erfüllung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems durch eine Hochzinsanleihe mit derjenigen durch Bankdarlehen verglichen. Aufgrund des Mindestvolumens von ca. 100 Mio. Euro, ab der eine erfolgreiche Platzierung eines High Yield Bond möglich ist, erfolgt der Vergleich mit einem syndizierten Kredit als Alternative bei derartigen Volumina.1148 Dazu wird auf die Erläuterungen zu High Yield Bonds aus Kapitel 4 sowie zu Konsortialkrediten aus Abschnitt 3.3.4.1 dieser Arbeit zurückgegriffen.
6.1.1. Minimierung der Finanzierungskosten bei ausreichender Liquidität Die Kosten einer High Yield Bondfinanzierung bei einem gegebenen Kapitalnehmer mit bestehender Verschuldung und bilanzieller Ausstattung mit tangiblen Vermögenswerten sowie definierten landes-, branchen- und Unternehmensrisiken liegen regelmäßig über denjenigen eines Konsortialkredits. Dies ergibt sich durch die fehlende Besicherung und zugrundeliegende Nachrangigkeit. Das höhere Risiko der Kapitalgeber muss durch eine entsprechend höhere Rendite kompensiert werden.1149 Die höheren Finanzierungskosten von High Yield Bonds im Gegensatz zu Konsortialkrediten an Subinvestment Grade Unternehmen, sogenannten Leveraged Loans, verdeutlicht auch die Gegenüberstellung der jeweiligen SpreadEntwicklung von 2003 bis 2008 in Abb. 35. Mit Ausnahme weniger Zeitpunkte lagen die High Yield Bond Spreads immer oberhalb derjenigen von Leveraged Loans. Der notwendige Einbezug von Fremdleistungskosten verstärkt dieses Ergebnis, da jene Kosten bei High Yield Bonds aufgrund der intensiveren Einbindung externer Dienstleister höher ausfallen als bei Konsortialkrediten.1150
1148
Zum Mindestvolumen eines High Yield Bond vgl. die Ausführungen in Abschnitt 6.3.2.2. Vgl. Herbst (2005), S. 272. 1150 Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 4.1.7 bzw. Abschnitt 3.3.4.1. 1149
221 1000
Basispunkte .
800 600 400 200 0 Jan 03 Jul 03 Jan 04 Jul 04 Jan 05 Jul 05 Jan 06 Jul 06 Jan 07 Jul 07 Jan 08 Jul 08 European Loan Spreads
European High Yield Asset Swap Margin
Abb. 35: Vergleich zwischen High Yield Bond- und Leveraged Loan Spreads 1151
Zwar kommt Herbst in ihrer Vergleichsbetrachtung empirischer Finanzierungskosten von Kredit und Anleihen zu einem anderen Ergebnis: Ihren Berechnungen nach waren die Finanzierungskosten einer Anleihe mit 200 Mio. Euro Volumen im Betrachtungszeitraum 1991 bis 2002 niedriger als diejenigen eines entsprechenden Darlehens.1152 Allerdings nimmt die Autorin keine Differenzierung nach Rating vor, so dass eine Bewertung von High Yield Anleihen nicht ableitbar ist. Eine Betrachtung der jeweiligen Steuerwirkung ist zum Vergleich der Finanzierungskosten nicht erforderlich, da die Kosten in beiden Fällen steuerlich geltend gemacht werden können.1153 Auch bei Berücksichtigung des Zeitwerts entstehender Tax Shields wird die Steuerbetrachtung nicht dazu führen, dass ein High Yield Bond günstiger als ein Kredit wird. Es gibt jedoch Argumente, die für eine preisliche Annäherung der Instrumente sprechen. Die kombinierten Effekte der bereits in Abschnitt 3.2.2 erläuterten Trends mit Disintermediation, Bonitätsdifferenzierung bei Bankkrediten, steigendem Wettbewerbs- und Renditedruck auf die Banken sowie Auswirkungen der Subprimekrise sollten langfristig zu einer Annäherung der Preise beider Instrumente führen. Theoretisch müsste die Disintermediation aufgrund entfallender Transaktionskosten der Banken c.p. sogar zu Kapitalmarktzinsen unterhalb der Kreditzinsen führen.1154 Abb. 35 scheint diese Annäherung bei europäischen Subinvestment Grade Unternehmen zu bestätigen: Von Mitte 2003 bis Ende 2005 fand eine Annäherung der beiden Kurven statt, die seither relativ eng parallel verlaufen. Ebenso müssen mögliche Opportunitätskosten der Realsicherheitenbelastung durch Kredite gegenüber High Yield Bonds
1151
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf S&P Leveraged Commentary & Data, Markit, Morgan Stanley Research. 1152 Vgl. Herbst (2005), S. 235. 1153 Vgl. Finanzplatz e.V. (Hrsg.) (2000), S. 16. 1154 Vgl. Koch/Kuhn (2005), S. 54f.
222 berücksichtigt werden. Dazu muss allerdings eine alternative Nutzungsmöglichkeit der Sicherheiten mit daraus entstehenden Erträgen oder Kosteneinsparungen bestehen. Auf Ebene des Einzelunternehmens kann dies durchaus in die Betrachtung mit einfließen, auf Ebene des Unternehmenstyps Familienunternehmen ist diese Betrachtung allerdings nicht möglich. Für Familienunternehmen weisen Anderson et al. jedoch einen anderen Effekt nach, der dazu führt, dass Schuldverschreibungen günstiger sind, als für vergleichbare Nicht-Familienunternehmen. Die Autoren zeigen, dass Bondinvestoren eine Eigentümerfamilie mit dominierendem Anteilsbesitz als Investitionsschutz verstehen, der das zur Verfügung gestellte Kapital risikoaverser einsetzt als ein besser diversifizierter Gesellschafter.1155 Insofern sollte der Preisunterschied zwischen Konsortialkredit und High Yield Bond für Familienunternehmen geringer ausfallen als im Marktdurchschnitt. Die zu ihrem Emissionszeitpunkt zu historisch günstigen Preisen emittierten High Yield Bonds der beiden Familienunternehmen Hornbach und Peri belegen dies anekdotisch.1156 Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass eine Hochzinsanleihe immer teurer als ein syndizierter Kredit ausfallen wird. Selbst wenn die Nutzungskosten in Form des Spread über der risikolosen Anlage für ein gegebenes Unternehmen in Zukunft gleich ausfallen, führen die deutlich höheren Fremdleistungskosten der Anleihe zu einer preislichen Schlechterstellung. Das Ziel minimaler Finanzierungskosten ist mit einem High Yield Bond folglich nicht zu erfüllen.
6.1.2. Minimierung externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen Externe Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen sind bei einer High Yield Bondfinanzierung vernachlässigbar. Wie in Abschnitt 4.1 beschrieben, verfügen Bondinvestoren über keinerlei bedeutsame Mitspracherechte nach der Bondemission. Im Offering Memorandum bzw. im späteren Anleihevertrag werden bereits vor der Emission alle potenziell relevanten Themen wie Verwendung der Mittel, Verhalten bei Unterschreitung von Rentabilitätskennzahlen etc. geklärt. Kauft der Investor dann Anteilsscheine, akzeptiert er implizit auch das Vertragswerk und verzichtet damit auf Rechte zur direkten Einflussnahme. Bereits durch die Stückelung der Schuldverschreibung und die einhergehende Vielzahl an Investoren wäre 1155
Vgl. Anderson et al. (2003), S. 279. Im Rahmen der Untersuchung wurde eine durchschnittliche Differenz von 32 Basispunkten zwischen Familien- und Nicht-Familienunternehmen im S&P 500 ermittelt. Diese Differenz wird mit niedrigen fremdkapitalinduzierten Agency Kosten erklärt: Die Unterdiversifizierung der Familie als Gesellschafter führt zu einer risikoaverseren Investitionstätigkeit des Unternehmens als dies gut diversifizierte Eigentümer anstreben würden, welche bei Erfolg hohe Renditen für den Eigenkapital- und bei Misserfolg Verluste hauptsächlich zu Lasten der Fremdkapitalgeber zur Folge hat. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.1.4. 1156 Vgl. die Ausführungen zu den High Yield Bonds der beiden Familienunternehmen in Abschnitt 4.2.3.5.
223 eine konsequente Einflussnahme auch administrativ kaum möglich, was die Abhängigkeit des Unternehmens von High Yield Gläubigern stark reduziert.1157 Anders hingegen verhält es sich beim Konsortialkredit. Hierbei wird in der Logik des im Rahmen der Zieldefinition dargestellten Spektrums an Einflussnahmemöglichkeiten ein Potenzial faktischer Kontrollrechtseinschränkungen deutlich. Aufgrund des meist substantiellen Anteils der kreditgebenden Finanzinstitute an der Unternehmenskapitalisierung, stattet dies die Banken mit de facto Mitspracherechten aus. Mindestens kann der Konsortialführer unregelmäßig versuchen, auf die Unternehmensführung Einfluss zu nehmen. Darüber hinaus besteht bei Konsortialkrediten fast immer die Möglichkeit zur Weiterveräußerung des jeweiligen Teils am syndizierten Kredit durch den Kreditgeber. Wie beschrieben ist dies mit dem Risiko neuer Gläubiger mit evtl. gesteigertem Interesse an Einflussnahme oder evtl. sogar einem Debt-Equity Swap verbunden. Beim Bond hingegen ist dieses Risiko aufgrund der Stückelung weitaus geringer. Zusätzlich reduziert der Zugang zum Fremdkapitalmarkt durch den umfassenden Kapitalzugang sogar langfristig den Druck weitere Eigenkapitalgeber aufzunehmen.1158 Insofern ist festzuhalten, dass ein High Yield Bond das Ziel der Minimierung externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen erfüllt. Die Unternehmen-
sunabhängigkeit lässt sich besser erhalten als mit Krediten.
6.1.3. Minimierung der Offenlegung interner Daten Eine Bondemission wird auch als Debt IPO bezeichnet, weil sie mit einer relativ starken Öffnung des Unternehmens verbunden ist, die analog zum IPO als informationsbezogener Going Public bezeichnet werden kann.1159 Bei Anwendung der zur Messung der finanzwirtschaftlichen Zielerfüllung eingeführten ersten beiden Dimensionen Umfang und Häufigkeit der Informationspflicht wird allerdings deutlich, dass das mit einem High Yield Bond verbundene Niveau an notwendiger Transparenz einem selbstbewussten Unternehmer keine allzu großen Sorgen bereiten muss. Wie in Kapitel 4 ausführlich beschrieben, öffnet ein Emittent den Ratingagenturen vor der Emission die Bücher und veröffentlicht nach der Emission regelmäßig – üblicherweise quartalsweise – seinen Geschäfts- bzw. Quartalsbericht inklusive MD&A. Gemäß der Zieldefinition widerstrebt das einem Familienunternehmen. Allerdings betrifft diese regelmäßige Offenlegungspflicht ausschließlich Vergangenheitsdaten. Eine Publizierung von Planzahlen, Expansionsplänen oder beabsichtigten Investitionen erfolgt nicht, was den
1157
Vgl. Herbst (2005), S. 266. Vgl. dazu auch Jäckle/Ackermann (2007), S. 389. 1159 Vgl. Experte 3 (2008), S. 4f. 1158
224 Fremdkapitalmarkt sehr stark vom Eigenkapitalmarkt unterscheidet. Dass diese Form der Publizität de facto tatsächlich keine nennenswerten Auswirkungen auf die strategische Wettbewerbspositionierung des Unternehmens hat, bestätigen deutsche Unternehmen selber. Im Rahmen des BDI-Mittelstandspanels wurden Unternehmen zu den Auswirkungen der Veröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse gemäß EHUG befragt. Über 90% der Unternehmen geben an, keine Veränderungen im Unternehmensumfeld auf Grund der Veröffentlichung der Jahresabschlusszahlen zu spüren.1160 Auch die letzte Dimension – die Anzahl der Informationsberechtigten – verdeutlicht den Unterschied zwischen Börsengang und Bondemission. Bondemittenten müssen ausschließlich den Investoren ihrer Bonds Zugang zu Unternehmensdaten geben. Ein Zugang der breiten Öffentlichkeit ist nicht erforderlich. Wie die Fallstudie der Peri GmbH mit passwortgeschütztem Investorenbereich und persönlicher Passwortfreigabe durch einen Gesellschafter zeigt, ist diese Begrenzung der Transparenzverpflichtung auch in der Praxis weitgehend umsetzbar. Zwar kann nicht abschließend verhindert werden, dass ein Wettbewerber oder Lieferant auf Umwegen über seine Bank oder einen institutionellen Investor Zugang erhält, aber dazu stellen sich die grundsätzlichen Fragen, ob der Wettbewerber diese Informationen erstens nicht eventuell auch ohne den High Yield Bond z.B. über abgeworbene Mitarbeiter hätte beschaffen können und zweitens ob der Mehrwert von Vergangenheitsdaten wirklich so groß ist, dass davon eine existenzielle Gefahr für das Unternehmen ausgeht. Das schätzt auch der geschäftsführende Gesellschafter von Peri so ein.1161 Ebenso sind die bereits beschriebenen – seit 2007 mit Strafen bei Missachtung verschärften – Hinterlegungspflichten der Jahresabschlüsse nach EHUG in diesem Zusammenhang zu beachten. Auch hierüber lassen sich die Vergangenheitsdaten beziehen, eventuell nicht so zeitnah und investorenkonform aufbereitet, aber grundsätzlich in vergleichbarer Qualität. Nichts desto trotz werden die Transparenzanforderungen eines High Yield Bond als sehr hoch wahrgenommen. Ein Vergleich mit den Offenlegungspflichten bei einem Kredit relativiert dieses Bild jedoch etwas.1162 Bzgl. der Häufigkeit der Informationspflicht werden die kreditgebenden Finanzinstitute bzw. der Konsortialführer i.d.R. einmalig bei der Kreditvergabe Einblick in die Unternehmensdaten nehmen und dann jährlich, bzw. wenn besondere Ereignisse wie Verschlechterungen der wirtschaftlichen Verhältnisse dies erfordern. Damit liegen High Yield Bond und Bankkredit beide auf der höchsten Stufe der Häufigkeitsskala. Im
Rahmen der Einblicknahme fordern Banken aber oft auch eine zukunftsbezogene Transparenz 1160
Vgl. Hoffmann et al. (2008), S. 28. Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 15. 1162 Für die Informationsrechte von Banken als Gläubiger vgl. Herbst (2005), S. 266f. 1161
225 und lassen sich einen Businessplan vorlegen. Beim Umfang der Informationspflichten weist das Darlehen folglich einen schlechteren Wert als der High Yield Bond auf. Die
dritte Dimension der Anzahl an Informationsberechtigten stellt vermutlich den Grund für die subjektiv empfundene größere Transparenz bei Anleihen dar. Konsortialbanken als zahlenmäßig überschaubare Kapitalgeber werden mit dem Ziel minimaler Informationspflichten konformer wahrgenommen als eine weitgehend anonyme Gruppe von Investoren. Die Zahl kreditgebender Banken bei einem Konsortialkredit wird auch deswegen weniger als Einschränkung wahrgenommen, da diese dem Kapitalnehmer namentlich bekannt sind. Bei einem fungiblen Wertpapier wie einem Bond ist dieser Kenntnisgewinn aber nicht mit vertretbarem Aufwand möglich. Trotzdem ist auch beim High Yield Bond die Zahl der Informationsberechtigen Gläubiger eingrenzbar und keinesfalls mit der Öffentlichkeit gleichzusetzen. Objektiv betrachtet liegen beide Instrumente bei der Anzahl an Informationsberechtigen daher auf derselben Stufe.
6.1.4. Maximierung der Flexibilität Bezogen auf ihre vertraglich-gestalterische Flexibilität bei der Umsetzung spezifischer Finanzierungsanforderungen galten High Yield Bonds Ende der 90er-Jahre teilweise noch als unflexibel, weil mit diesem Finanzierungsinstrument ein hoher Grad an Standardisierung verbunden war.1163 Diese Standardisierung zur Erfüllung gängiger Marktstandards ist auch heute noch üblich, wie die Ausführungen zur Gestaltung von High Yield Emissionen dieser Arbeit bestätigen. Allerdings ist diese Standardisierung weitestgehend auf die Form des Vertragwerks und den Ablauf des Emissionsprozesses beschränkt. Bei der inhaltlichen Gestaltung des Anleihevertrags in Bezug auf Mittelverwendung, Covenants und Carve-Outs hingegen bestehen große gestalterische Freiräume. Art und Anzahl von Incurrence Covenants im Gegensatz zu Maintenance Covenants zeigen nach Meinung der dazu befragten Experten, dass High Yield Bonds in ihrer vertraglichen Gestaltung deutlich flexibler sind als Bankkredite.1164 Gilson/Warner bestätigen diese Stärke von High Yield Bonds gegenüber Darlehen in ihrer groß angelegten empirischen Untersuchung. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass diese vertragliche Flexibilität sogar den Hauptgrund bildet, weswegen High Yield Bonds zur Un-
1163 1164
Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 205. Vgl. dazu Experte 3 (2008), S. 3f, Experte 2 (2008), S. 12ff.
226 ternehmensfinanzierung verwendet werden.1165 Auch Nash et al. weisen in ihrer Untersuchung große inhaltliche Flexibilität bei der Gestaltung von Bondverträgen nach.1166 Die Zahlungsströme eines High Yield Bond sind hingegen nur eingeschränkt flexibel gestaltbar. Nach der Emission stehen die Mittel abzüglich zu zahlender Gebühren unmittelbar und uneingeschränkt zur Verfügung. Die charakteristische Bullet Struktur dieses Instruments widerspricht Tilgungszahlen während der Laufzeit. Zwar besteht prinzipiell die Möglichkeit, Call Optionen des Emittenten für eine vorfällige Rückzahlung der Anleihe vorzusehen. Diese sind allerdings relativ kostspielig und in den ersten Jahren der Laufzeit meist vollständig ausgeschlossen.1167 Im Gegensatz zur Reduktion ist die Erhöhung eines laufenden Bond dagegen jederzeit zu den bestehenden Vertragskonditionen und dem aktuellen Marktpreis möglich. Da solch eine Erhöhung jedoch mit höherem administrativem Aufwand verbunden ist als bei einem Konsortialkredit, bietet der High Yield Bond insgesamt keine vergleichbare Flexibilität zur Befriedigung sinkenden oder zunehmenden Kapitalbedarfs. Eine andere Art der finanziellen Flexibilität bieten Bonds jedoch insbesondere dann, wenn sie in Ergänzung zu Bankkrediten genutzt werden: Begibt ein Unternehmen einen Bond, erhält es damit Zugang zum Fremdkapitalmarkt und erschließt einen zweiten, vom Geldmarkt unabhängigen Zugang zu Fremdkapital. Diese simultane Diversifizierung von Finanzierungsportfolio und zugänglichen Kapitalquellen kreiert per se eine größere Flexibilität.1168 Durch die unterschiedliche Sicherheitengestaltung führt die Diversifizierung zusätzlich zu einer Erweiterung des Fremdkapitalpotenzials, den kein Kannibalisierungseffekt egalisiert.1169 Im Gegenteil: Die unternehmensseitige Professionalisierung im Finanzbereich, die mit einer Kapitalmarktfinanzierung und externen Ratings verbunden ist, wird durch Banken mit größerem Vertrauen belohnt, das sich wiederum in einfacheren Verhandlungen und besseren Konditionen ausdrücken kann.1170 Gleichzeitig erstreckt sich die Diversifizierung nicht nur auf die Quellen sondern auch auf die Fristigkeit der Finanzierung. Wird bspw. einem Kredit mit 5 Jahren Laufzeit ein High Yield Bond mit 8 Jahren Laufzeit zur Seite gestellt, bedingt dieser TermOut eine Zunahme der Finanzierungsflexibilität, weil nicht alle Mittel gleichzeitig zur Tilgung fällig werden und das den Handlungsspielraum des Unternehmens erhöht.1171 In finanzwirtschaftlich unsicheren Zeiten nach externen Schocks wie der Subprimekrise, in denen Re1165
Vgl. Gilson/Warner (1997), S. 4. Vgl. Nash et al. (2003), S. 202. 1167 Vgl. Müller-Trimbusch (1999), S. 205. 1168 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 218. 1169 Vgl. Bätz (1994), S. 35. Dazu auch Experte 2 (2008), S. 17f. 1170 Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 182. Anekdotisch zeigt dies zumindest das Fallbeispiel Peri. Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 15. 1171 Vgl. Experte 3 (2008), S. 4. 1166
227 finanzierungsrisiken
steigen,
kann
solch
eine
fristenbezogene
Flexibilität
überle-
1172
benslebenswichtig sein.
Die Überlegungen zur Flexibilität erlauben in Summe also keine eindeutige Präferenzhierarchie zwischen syndiziertem Kredit und High Yield Bond. Vertraglich bietet die Anleihe die größere Flexibilität, zahlungsstrombezogen der Kredit. Daher schließt sich
die vorliegende Arbeit der Meinung von Experte 6, Leiter des Geschäftsbereichs Debt Finance der Deutschen Bank an, der im Experteninterview äußert, dass eine Kombination beider Instrumente unter Flexibilitätsgesichtspunkten optimal sei. Eine Basisfinanzierung zur
Befriedigung dauerhaften Kapitalbedarfs über High Yield Bonds in Verbindung mit Bankkrediten, die zur Befriedigung von Finanzbedarfsspitzen herangezogen werden, vereint die jeweiligen Stärken beider Instrumente und kompensiert deren Schwächen.1173
6.1.5. Finanzierungssicherheit durch Langfristigkeit Die Anforderung möglichst hoher Fristigkeit wird durch High Yield Bonds deutlich besser erfüllt als durch Konsortialkredite. So weisen Gilson/Warner nach, dass High Yield
Bonds über höhere Laufzeiten als Bankkredite verfügen.1174 In Deutschland betragen die Laufzeiten von Konsortialkrediten üblicherweise unter 5 Jahren. High Yield Bonds hingegen laufen 7 bis 10 Jahre. Damit sind Letztere zur Finanzierung langfristiger Investitionen geeignet und entsprechen der langfristigen Geschäftsperspektive von Familienunternehmen besser als Darlehen.1175 Eine ergänzende Bondfinanzierung führt damit zum erläuterten Term-Out, d.h. einer Verlängerung des Fristigkeitenprofils gegenüber einer bestehenden Bankkreditfinanzierung.1176 Nicht nur die Langfristigkeit von Bonds kommt Familienunternehmen in ihrem Streben nach einer sicheren Finanzierung entgegen, zusätzlich macht auch ihre Natur als Forderungssurrogat einen Gläubigerwechsel ohne Liquiditätsauswirkungen möglich, da der potenzielle Kündigungsbedarf eines Gläubigers durch Übertragung auf einen anderen Gläubiger gelöst werden kann.1177 Sorgen vor frühzeitiger Kündigung können also entkräftet werden. Die Existenz solcher Sorgen bzw. die Wahrnehmung der hohen Kündigungssicherheit bei High Yield Bonds als Stärke zeigt exemplarisch die Interviewaussage von Experte 5, der für
1172
Für die Entwicklung der Refinanzierungsrisiken bei High Yield Bonds vgl. exemplarisch LBBW (Hrsg.) (2008), S. 18. 1173 Vgl. Experte 6 (2008), S. 7f und S. 9f. 1174 Vgl. Gilson/Warner (1997), S. 4. 1175 Vgl. exemplarisch Barclay/Smith (1995), S. 611. 1176 Vgl. Experte 3 (2008), S. 4. 1177 Herbst (2005), S. 49f sowie Arnold (1989), S. 173.
228 die strategische Finanzierung eines sehr großen deutschen Familienunternehmens zuständig ist.1178
6.1.6. Minimierung der Stellung von Sicherheiten Die Bewertung der relativen Vorteilhaftigkeit von High Yield Bond und Darlehen bzgl. ihrer jeweiligen Anforderungen an Sicherheiten fällt eindeutig aus: High Yield Bonds sind nachrangig und ohne Sicherheitenstellung an operativen Vermögenswerten oder dem Vermögen der Gesellschafter gestaltet. Es werden meist nur Garantien oder Patronatserklärungen als Personalsicherheiten des Unternehmens gewährt und durch Covenants ergänzt. Beim Darlehen hingegen fordern die kreditgebenden Finanzinstitute fast immer Realsicherheiten des Unternehmens. Bei zu geringem Niveau unbelasteter Sicherheiten ist sogar die bankenseitige Forderung nach der Stellung von Real- oder Personalsicherheiten der Gesellschafter üblich, allerdings gilt das rein volumenmäßig eher beim Kredit mit einem individuellen Finanzinstitut als beim Konsortialkredit. Letzterer wird bei mangelnden Realsicherheiten des Unternehmens tendenziell eher grundsätzlich scheitern. Wie bereits beschrieben, sind auch beim syndizierten Kredit zusätzlich Covenants üblich, wobei hier wiederum auf die für das Unternehmen stärker einschränkende Ausgestaltung als Maintenance Covenants hinzuweisen sind. Insofern ist zu konstatieren, dass High Yield Bonds das Finanzierungsziel minimaler Sicherheitenstellung wesentlich besser erfüllen als Kredite. Die Verwendung von High
Yield Bonds mit ihren flexiblen Incurrence Covenants und den entfallenden Realsicherheiten stellt aus Sicht des Familienunternehmens ein De-Risking der Kapitalstruktur dar.1179 Bei der Fragestellung, ob Bonds als Ersatz oder Ergänzung zur traditionellen Finanzierungsstruktur geeignet sind, wird auch in Bezug auf die Sicherheitenstellung erneut die Stärke einer parallelen Verwendung von Bond und Kredit deutlich: Da Sicherheiten am Vermögen des Unternehmens bei High Yield Bonds nicht üblich sind, erhöhen Hochzinsanleihen die sicherheiteninduzierte Fremdkapitalkapazität eines Unternehmens. Die unbelasteten Vermögenswerte können als Kreditsicherheiten flexibel zur Besicherung und Erlangung kurzfristiger und variabler Fremdkapitalmittel eingesetzt werden.1180 Wiederum erscheint eine Grundfinanzierung mit Anleihen in Kombination mit einer Deckung von Kapitalbedarfsspitzen durch Bankkredite eine aus Familienunternehmenssicht sehr gute Strategie.
1178
Vgl. Experte 5 (2008), S. 6. Vgl. Experte 3 (2008), S. 4. 1180 Vgl. Hoffmann/Baron (2005), S. 317. 1179
229 6.2. Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen
6.2.1. Gegenüberstellung der Zielerfüllungsgrade In den vorangegangenen Abschnitten wurden die jeweiligen Erfüllungsgrade der typisierten Finanzierungsziele von Familienunternehmen durch High Yield Bonds und Bankkredite diskutiert. Abb. 36 stellt die Ergebnisse dieser Überlegungen für alle Zieldimensionen und beide Instrumente gegenüber.
Abb. 36: Gegenüberstellung von High Yield Bond und Konsortialkredit1181
Die Gegenüberstellung verdeutlicht folgende Sachverhalte: Weder Konsortialkredit noch High Yield Bond vermögen alle Finanzierungsziele von Familienunternehmen zu erfüllen.1182 Allerdings erfüllen beide Finanzierungsformen mehrere Einzelziele. High Yield Bonds entsprechen der Forderung nach minimaler externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen in allen drei Dimensionen. Das Ziel maximaler Flexibilität können Bonds nur im Rahmen der vertragsgestalterischen Flexibilität erfüllen. Nah an das Optimum aus Famili1181
Quelle: Eigene Darstellung. Zur Erinnerung: Graphisch sind Ziele als erfüllt anzusehen, wenn der jeweilige Erfüllungsgrad mit dem Schnittpunkt der Achsen zusammenfällt, wo das Optimum aus Sicht des typisierten Familienunternehmens liegt.
1182
230 ensicht kommen sie bei der Suche nach Langfristigkeit und in der Forderung nach minimaler Belastung des Unternehmens durch Sicherheitenstellung. Bzgl. der Entstehung von Informationspflichten schneiden Bonds überraschend geringfügig besser als Kredite ab, was sich mit dem ausschließlichen Vergangenheitsbezug der offenzulegenden Daten erklärt. Beide Finanzierungsformen zeigen in allen drei Zieldimension entstehender Informationspflichten allerdings suboptimale Ausprägungen. Kredite hingegen erfüllen vollständig das Ziel maximaler Flexibilität in der Ausprägung zahlungsstrombezogenen Handlungsspielraums. Ebenfalls besser als High Yield Bonds schneiden Bankkredite im Ziel minimaler Finanzierungskosten ab. Hierbei gelten die bereits in Abschnitt 6.1.1 erläuterten preislichen Annäherungstendenzen beider Kapitalmobilisierungsformen. Beide Finanzierungsinstrumente weisen also unterschiedliche Stärken und Schwächen auf. Eine präferenzhierarchische Dominanz kann ohne Gewichtung einzelner Ziele nicht konstatiert werden. Ohne eine solche unternehmens- bzw. eigentümerspezifische Gewichtung kann die Erfüllung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems aber vermutlich durch kein einzelnes Finanzierungsinstrument gewährleistet werden.1183 Eben diese unterschiedlichen Stärken und Schwächen zeigen aber, dass die zentrale Frage der vorliegenden Arbeit, ob High Yield Bonds als Ergänzung zur traditionellen Finanzierung von Familienunternehmen über Bankkredite geeignet sind, nach Überprüfung mit dem entwickelten finanzwirtschaftlichen Zielsystem positiv beantwortet werden kann. Unter der Voraussetzung, dass ein High Yield Bond eine gangbare Finanzierungsalternative ist,1184 bringt eine intelligente Kombination beider Instrumente Familienunternehmen der Erfüllung ihrer finanzwirtschaftlichen Ziele näher als die isolierte Nutzung nur eines der beiden Instrumente. Wie bereits angesprochen, eignet sich dazu
eine Finanzierungsstruktur, bei der die Mittel aus dem High Yield Bond zur langfristigen Finanzierung dauerhaften Kapitalbedarfs verwendet werden. Darüber hinaus sollten Kreditlinien eingesetzt werden, um erforderliche Finanzmittel jenseits der Basisfinanzierung zur Verfügung zu stellen. Dies wird auch durch die befragten Experten so eingeschätzt.1185 Die dominierende Nutzung über High Yield Bonds aufgenommener Mittel zur Refinanzierung bestehender Bankverbindlichkeiten, die Gilson/Warner für US-amerikanische Unternehmen nachweisen, deutet auf Relevanz und praktische Umsetzung dieser Finanzierungsstrategie hin.1186
1183
Zur Kongruenz anderer in Abschnitt 3.3 diskutierter alternativer Kapitalisierungsformen mit dem finanzwirtschaftlichen Zielsystem von Familienunternehmen vgl. Abschnitt 7.1. 1184 Diese Voraussetzung wird im folgenden Abschnitt 6.3 konkretisiert. 1185 Vgl. Experte 2 (2008), S. 5 und S. 14f sowie Experte 6 (2008), S. 7f und S. 9f. 1186 Vgl. Gilson/Warner (1997), S. 3.
231 Wird diese Strategie zur Aufbringung erforderlichen Fremdkapitals genutzt,1187 sind allerdings zwei der sechs Finanzierungsziele nicht erfüllbar. Die Finanzierungskosten einer traditionellen Finanzierung mit ihrem Schwerpunkt auf historisch günstigen Bankkrediten werden i.d.R. niedriger ausfallen, als wenn ein Teil dieser Darlehen durch eine Hochzinsanleihe mit ihrer spezifischen, renditeintensiven Ausgestaltung ersetzt wird. Auch beim Ziel minimaler Offenlegungspflichten tritt mit Nutzung eines Bond eine suboptimale Zielerreichung auf. Über die bestehenden Informationspflichten gegenüber kapitalgebenden Banken hinaus, entstehen Offenlegungspflichten gegenüber anonymen Kapitalgebern am Fremdkapitalmarkt. Zwar lassen diese sich in der Unternehmenspraxis wie beschrieben weitgehend auf die Investoren und Vergangenheits-, d.h. keine Planzahlen beschränken, eine Öffnung des Unternehmens kann jedoch nicht negiert werden. Diesen beiden nicht erfüllten Aspekten des finanzwirtschaftlichen Zielsystems von Familienunternehmen stehen vier Ziele gegenüber, die vollständig oder zumindest besser als mit der traditionellen Finanzierung erfüllt sind. Der Anspruch maximaler finanzieller Flexibilität kann mit einer Kombination aus Bankkredit und High Yield Bond erreicht werden. Einerseits lassen sich unternehmensspezifische Besonderheiten bei Gestaltung der High Yield Bondemission vertragsrechtlich berücksichtigen. Andererseits bieten die Mittel aus Darlehen die gewünschte zahlungsstrombezogene Flexibilität. Eine weitere Forderung, die eine Kombination aus Darlehen und Bond besser als die traditionelle Finanzierungsstruktur erfüllt, ist das Ziel minimaler Sicherheitenstellung. Wird ein Großteil der Finanzierung mit High Yield Bonds gestaltet, reduziert dies den Anteil des Unternehmensvermögens, den der Unternehmer an Kreditgeber verpfänden muss, deutlich.1188 Im Vergleich zur traditionellen Finanzierung werden Sicherheiten reduziert. Das Ziel der Minimierung externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen wird mit einer um Bankkredite ergänzenden Bondfinanzierung lediglich tendenziell erfüllt. Einerseits geht vom zusätzlichen Instrument keine externe Einflussnahme aus. Andererseits vermag die Hochzinsanleihe die aufgrund existierender Darlehen bestehende de facto Einflussnahme von Banken nicht aufzuheben. Durch die Rückführung der Kredite kann der Einfluss i.d.R. allerdings etwas zurück gedrängt werden, indem der Anteil der durch die Banken gewährten Mittel am gesamten Kapital reduziert wird. In jedem Fall tritt eher eine Verbesserung als eine Verschlechterung der Zielkongruenz mit der neuen Kapitalstruktur auf.
1187
Selbstverständlich betrifft diese Kombination nur die Fremdkapitalfinanzierung, eine ausreichende Eigenkapitalversorgung des Unternehmens muss ebenso sicher gestellt sein. 1188 Dies ist einer der Gründe, warum Experte 7 High Yield Bonds als für Familienunternehmen potenziell geeignet bezeichnet. Vgl. Experte 7 (2008), S. 11.
232 Auch dem Ziel einer langfristigen, mit der dauerhaften Unternehmerperspektive übereinstimmenden Unternehmenskapitalisierung kommt eine um Bonds ergänzte Finanzierung näher als die traditionelle Finanzmittelausstattung. C.p. erhöht der Ersatz eines Teils bestehender Bankkredite durch Mittel aus einer Bondemission die Fristigkeit der Finanzierung. Dieser TermOut, ebenso wie die erreichte Diversifikation von Fristen und Kapitalquellen, erfüllt die Motivation der Finanzierungssicherheit, die der angestrebten Langfristigkeit zugrunde liegt.
6.2.2. Lösung der wachsenden Herausforderungen traditioneller Finanzierung Neben der Frage nach der Erfüllung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems von Familienunternehmen ist für die Beantwortung der Ausgangsfrage dieser Arbeit weiterhin relevant, inwiefern die in Abschnitt 3.2 dargestellten Herausforderungen der dominanten Unternehmensfinanzierung über Innenfinanzierung, Bankkredit und Leasing durch eine Ergänzung um High Yield Bonds gelöst werden können. Einerseits existieren Herausforderungen, die aus dem strukturellen Wandel des bankorientierten Systems zum Kapitalmarktsystem erwachsen und sich insbesondere in einer bereits erkennbaren Verteuerung und einem erschwerten Zugang zu Bankkrediten äußern. Die Emission eines High Yield Bond ist sehr geeignet, diese Herausforderungen zu lösen. Die Abhängigkeit von wenigen Banken wird durchbrochen, das Familienunternehmen diversifiziert seine Kapitalgeber und macht sich aufgrund der Verlängerung seines Fristigkeitenprofils unabhängiger von kurzfristigen Entwicklungen der Kreditzinsen.1189 Andererseits bestehen Herausforderungen in Form unzureichender Flexibilität bei kurzfristig auftretendem, ungeplantem Kapitalbedarf. Auch diese Situation wird mit einer High Yield Bondfinanzierung stark verbessert. Der zusätzliche Zugang zum Fremdkapitalmarkt eröffnet eine vollkommen neue Quelle zur Mittelbeschaffung und die beschriebene Sicherheitenreduktion erhöht darüber hinaus den Kreditrahmen des Unternehmens.1190 Eine dritte Herausforderung kann potenziell aus den Folgen der Subprimekrise entstehen. Unabhängig von der speziellen Krise ist die Ergänzung der Kapitalstruktur eines Familienunternehmens um High Yield Bonds in der Lage, die Auswirkungen exogener Schocks zumindest zu reduzieren. Dies liegt sowohl an der Diversifizierung der Fristigkeiten, die bei intelligenter Nutzung eine notwendige gleichzeitige Refinanzierung mehrerer Kapitalquellen verhindern kann als auch an der Diversifizierung der
1189 1190
Vgl. auch Herbst (2005), S. 272. Vgl. dazu auch Bätz (1994), S. 35.
233 Instrumente. Wird der Einsatz eines Instruments zunehmend schwieriger oder teurer, besteht eventuell noch die Möglichkeit, die Nutzung des anderen Instruments auszubauen.
6.2.3. Weitergehende positive Auswirkungen auf Familienunternehmen Verlässt man die Betrachtungsebenen des finanzwirtschaftlichen Zielsystems und bestehender Herausforderungen der traditionellen Finanzierung, werden für Familienunternehmen weitere Chancen einer Nutzung von High Yield Bonds deutlich. Einerseits ist dabei die Professionalisierung des Unternehmens zu nennen. Dieser Prozess bezieht sich konsequenterweise auf den Finanzbereich des Unternehmens, womit sich die meisten Familienunternehmen – wenn überhaupt – erst in den letzten Jahren stärker befassen.1191 Die Professionalisierung des Finanzmanagements identifiziert Rosenbauer als kritischen Erfolgsfaktor eines Familienunternehmens in der Wachstumsphase.1192 Sie ist insofern ein zentraler Faktor als die Expansion eines Unternehmens ohne die kapitalseitigen Voraussetzungen einerseits und organisatorischen sowie prozessoralen Strukturen bei Beschaffung und Management der Finanzmittel andererseits zu einer Gefahr für das Fortbestehen des Familienunternehmens werden kann. Durch eine geeignete Finanzplanung und -kontrolle müssen Finanzstruktur, Liquidität und Rentabilität des Unternehmens kontinuierlich überwacht werden, um bei unvorteilhaften Entwicklungen geeignete Gegenmaßnahmen einleiten zu können.1193 Die Professionalisierung geht dabei aber über diesen naheliegenden Bereich hinaus. Bereits das externe Rating deckt Verbesserungspotenziale ungeschönt und in allen Unternehmensbereichen auf.1194 Daneben baut der Kapitalmarktzugang einen heilsamen Zwang zu Versachlichung von Entscheidungen bei Familienunternehmen auf. Die Öffnung des Unternehmens führt zu einer wachsamen Kulisse aus Publizitätsnotwendigkeit, externen Analysen und Investorenaufmerksamkeit, die dabei hilft, grundsätzliche Fehlentwicklungen früher zu identifizieren und zu vermeiden.1195 Der geschäftsführende Gesellschafter von Peri gab im Interview an, dass er die mit der Bondfinanzierung einhergehende Professionalisierung des Unternehmens als große Stärke dieses Instruments sehe: Eigentümer und Management des Familienunternehmens müssten sich regelmäßig in die Perspektive eines externen Fremdkapitalinvestors 1191
Vgl. Experte 6 (2008), S. 3. Vgl. Rosenbauer (1994), S. 154, der vier Lebenszyklusphasen eines Familienunternehmens unterscheidet: Pionier-, Wachstums-, Reife- und Wendephase. 1193 Vgl. Rosenbauer (1994), S. 165f. 1194 Vgl. Rödl (2006), S. 119ff. 1195 Vgl. Schürmann/Körfgen (1997), S. 106, dessen Erläuterungen sich zwar auf den Börsengang von Familienunternehmen beziehen, auf eine Anleihenemission jedoch übertragbar sind. 1192
234 hineinversetzen, was zu einer stärkeren Orientierung der Unternehmensleitung an Größen wie Cashflow und EBITDA führe. Der Umsatz stehe nicht mehr als alleinige Kenngröße im Vordergrund. Weil eben jene Größen jenseits vom Umsatz aber sehr deutlich den finanziellen Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens zeigten, sei ihre stärkere Fokussierung gesund.1196 Neben der Professionalisierung kann weiterhin auch die prinzipiell unerwünschte Öffentlichkeitswirksamkeit eine Chance für Familienunternehmen darstellen, um überregionale Bekanntheit zu erzielen.1197 Denn auch Öffentlichkeitsarbeit kann einen Wettbewerbsvorteil bilden und die Öffentlichkeitsarbeit vieler Familienunternehmen ist verbesserungsfähig, wie 54% aller diesbezüglich befragten mittelständischen Unternehmer eingestehen.1198 Größere Bekanntheit bspw. durch einen High Yield Bond kann einen Werbeeffekt auf den Absatzmarkt begründen, kann aber auch positive Auswirkungen kann er aber auch auf dem Personalmarkt und bei den eigenen Mitarbeitern haben.1199 Außerdem ermöglicht er die Sammlung von Erfahrungen im Umgang mit externen Investoren und den Aufbau einer Credit Story. Beides ist nach Bestätigung von Kapitalmarktexperten ungemein hilfreich, sollten später andere kapitalmarktorientierte Finanzierungsformen oder die Zusammenarbeit mit einem Private Equity Investor angestrebt werden.1200
6.2.4. Ergebnis Die Ausführungen zur Erfüllung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems durch Bond bzw. Kredit verdeutlichen, dass die bereits in Abschnitt 5.5.2 geforderte unternehmens- bzw. eigentümerspezifische Priorisierung der Finanzierungsziele notwendig ist. Werden kurzfristig minimale Finanzierungskosten und minimale Informationspflichten überproportional stark gewichtet und stellen sie damit das wesentliche Auswahlkriterium jeder Finanzierung dar, ist die Emission von High Yield Bonds vermutlich nicht die richtige Finanzierungsstrategie. Werden allerdings die Ziele unternehmerischer Unabhängigkeit, Flexibilität, Langfristigkeit und minimaler Sicherheitenstellung in die Betrachtung mit einbezogen, so stellen High Yield Bonds eine geeignete Ergänzung der bestehenden Kapitalstruktur dar. Zusätzlich lösen Bonds einige der wachsenden Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit der traditionellen Kapitalisierung über Innenfinanzierung, Kredit und Leasing ergeben. Das Unternehmen erhält ein stabileres Finanzierungsfundament und wird unabhängiger von Banken. Zuletzt bietet das 1196
Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 14f. Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 183. 1198 Vgl. Tödtmann (2008), Initiative UnternehmensKultur (Hrsg.) (2008), S. 6. 1199 Vgl. Buda (2005), S. 15, Bätz (1994), S. 37f. 1200 Vgl. exemplarisch Experte 3 (2008), S. 6. 1197
235 Instrument mit der einhergehenden Professionalisierung und Öffentlichkeitswirkung auch Chancen, die in die Eignungsbewertung mit einfließen sollten. Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass High Yield Bonds als Finanzierungsinstrument für Familienunternehmen geeignet sind und eine sehr gute Ergänzung zur bestehenden Monokultur aus Innenfinanzierung, Kredit und Leasing darstellen. Welche spezifischen Voraussetzungen ein Familienunternehmen allerdings über die in Kapitel 4 erläuterten Anforderungen hinaus erfüllen muss, um dieses Instrument überhaupt nutzen zu können, wird im folgenden Abschnitt diskutiert.
6.3. Voraussetzungen zum Einsatz von High Yield Bonds bei Familienunternehmen
Dass der Unternehmenstypus Familienunternehmen per se kein Hindernis für eine High Yield Bondfinanzierung ist, zeigen die erfolgreichen Emissionen von Hornbach oder Peri. Im Eindruck von Herrn Schwörer nach der Peri Emission liegt der Fokus von Investoren am Kapitalmarkt auf der Credit Story, d.h. auf die Frage, ob ein Unternehmen zukünftig in der Lage sein wird, Zins und Tilgung rechtzeitig und in vollem Umfang zu leisten. Ob dieses Unternehmen börsennotiert, von einer Familie oder auch von einer PE Gesellschaft gehalten wird, ist sekundär.1201 Dieser Meinung ist auch der interviewte Fremdkapitalmarktexperte von Goldman Sachs.1202 Das bedeutet allerdings nicht, dass jedes Familienunternehmen für High Yield Emissionen geeignet ist. Der Kapitalnehmer muss vielmehr verschiedene Voraussetzungen erfüllen, damit ein marktlicher Ausgleich von Kapitalnachfrage und -angebot zustande kommen kann. Für eine erfolgreiche High Yield Bondemission muss ein Fit zwischen Investoren und Kapitalmarkt einerseits und dem Unternehmen, dessen Management und Ressourcenausstattung andererseits bestehen.1203 Im Folgenden wird zwischen zwei notwendigen Voraussetzungen unterschieden: Dem unternehmensseitigen Willen zur Finanzierung am Fremdkapitalmarkt und der marktseitigen Akzeptanz der Credit Story.
6.3.1. Wille zur Finanzierung am Fremdkapitalmarkt Der unternehmensseitige Wille zur Finanzierung des Familienunternehmens am Fremdkapitalmarkt mit allen diskutierten Konsequenzen, Chancen und Risiken ist eine notwendige Vor-
1201
Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 10 und S. 12f. Vgl. Experte 3 (2008), S. 12f. 1203 Zum vergleichbaren „concept of fit“ vgl. Sahlman (1999), S. 174, Engel (2003), S. 241. 1202
236 aussetzung für eine High Yield Bondemission.1204 Es muss auch schlicht der Wille zur Professionalisierung des Finanzbereichs vorhanden sein. Ohne die Bereitschaft, sich einer externen Ratingagentur oder der Beratung von Investmentbanken gegenüber zu öffnen, ist eine High Yield Bond Finanzierung nicht vorstellbar. Dieser Wille der Gesellschafter zur Finanzierung mittels High Yield Bond kann anhand des finanzwirtschaftlichen Finanzsystems typisierter Familienunternehmen folgendermaßen interpretiert werden: Die unternehmens- bzw. familienspezifische Priorisierung der einzelnen Ziele muss in einer Art erfolgen, dass die instrumentspezifischen Abweichungen vom Finanzierungsoptimum durch die instrumentspezifischen Nutzenkomponenten überkompensiert werden. Dann wird der Nutzen einer Bondfinanzierung die zugehörigen Kosten übertreffen. Diese Bereitschaft wird allerdings auch in gewissen Maßen von den aktuellen Marktbedingungen abhängen. Der am Markt erzielbare Kupon muss aus Unternehmenssicht wettbewerbsfähig zu anderen Finanzierungsinstrumenten sein, sonst wird er schlicht unattraktiv.1205 Zwischenzeitliche Friktionen am Kapitalmarkt können insofern – trotz grundsätzlichem Willen zur Fremdkapitalmarktfinanzierung – einem solchen Schritt entgegenstehen.1206
6.3.2. Marktseitige Akzeptanz der Credit Story Dem Willen des Unternehmens zu einer Bondfinanzierung muss eine entsprechende Bereitschaft des Kapitalmarkts zur Bereitstellung der finanziellen Mittel gegenüberstehen. Allgemein formuliert muss das Unternehmen über die notwendige Kreditwürdigkeit und Credit Story verfügen, wie Denis/Mohov nachweisen.1207 Dies äußert sich in entsprechender Ertragskraft, Größe, zukunftsweisender Strategie sowie kompetentem Management und ist mit den Kriterien der Börsenfähigkeit von Familienunternehmen nach Schürmann/Körfgen vergleichbar.1208 Aufgrund der asymmetrischen Risikoverteilung zwischen Eigentümern und Gläubigern fallen die Anforderungen bei einer Hochzinsanleihe teilweise jedoch höher aus als bei einem Börsengang. Dies betrifft insbesondere die Größe und den Reifegrad des Unternehmens. Im Folgenden werden die Anforderungen des Kapitalmarkts einzeln erläutert.
1204 1205
Vgl. Bätz (1994), S. 124ff. Vgl. dazu auch die Interviewaussagen des Fremdkapitalexperten der Deutschen Bank: Experte 6 (2008), S.
10. 1206
Vgl. Wahl (2004), S. 201. Vgl. Denis/Mihov (2003), ebenso Bätz (1994), S. 126ff. 1208 Vgl. Schürmann/Körfgen (1997), S. 182ff. 1207
237 6.3.2.1. Nachhaltigkeit und Transparenz von Cashflow und Erträgen Die Güte beobachtbarer, prognostizierbarer Cashflows eines Unternehmens bildet ein zentrales Bewertungskriterium bei der Frage, ob ein Unternehmen in der Lage ist, ausreichend Interesse an einer Bondemission zu generieren. Der Grund liegt darin, dass sich auf Basis der Cashflows sowohl erfolgswirtschaftliche Überschüsse und damit die Ertragskraft als auch finanzwirtschaftliche Überschüsse und damit die Innenfinanzierungskraft eines Unternehmens abschätzen lassen.1209 In Kombination ermöglicht das den Bondinvestoren Rückschlüsse auf die für sie zentrale Liquiditäts- und Schuldentilgungsfähigkeit des Unternehmens. Zwei Aspekte der Cashflowbetrachtung stehen dabei im Vordergrund: Nachhaltigkeit und Transparenz der Cashflows. Als Kennzahl zur Bewertung der Nachhaltigkeit wird i.d.R. der operative Cashflow vor Steuern, der EBITDA, verwendet, weil dieser außerordentliche Effekte nicht berücksichtigt und das operative Geschäft relativ gut wiedergibt (vgl. Abb. 37). + ./. = + ./. + ./. = + ./. = =
Jahresüberschuss Steueraufwand Steuererträge EBT Zinsaufwand Zinserträge außerordentlicher Aufwand außerordentliche Erträge EBIT Abschreibungen Anlagevermögen Zuschreibungen Anlagevermögen EBITDA Operativer Cashflow vor Steuern
Abb. 37: Indirekte Ermittlung des EBITDA1210
Der EBITDA bzw. Cashflow wird dann als nachhaltig bezeichnet, wenn über mehrere Jahre keine unerwarteten wesentlichen Schwankungen auftreten.1211 Diese Nachhaltigkeit ist wichtig, weil unerwartete Schwankungen die Liquidität sowie die Zins- und Tilgungsfähigkeit des Unternehmens und damit unmittelbar die Risikoexposition der Gläubiger determinieren. Um solche Schwankungen prognostizieren zu können und damit Nachhaltigkeit zu schaffen, wird der zweite Aspekt relevant – die Transparenz der Cashflows. Darunter versteht man das Wissen, wo Cashflows im Unternehmen generiert werden, welche Einflussfaktoren in welcher Form auf Höhe und Anfall der Cashflows wirken und welche Möglichkeiten zur Steuerung und Kontrolle der Cashflows seitens des Unternehmens existieren.1212 Einen wichtigen Faktor hierbei stellen die Investitionen in das Anlagevermögen dar. Um die Nachhaltigkeit der Cash-
1209
Vgl. Coenenberg (2005), S. 1012, Perridon/Steiner (2007), S. 555. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gerke/Bank (2003), S. 10. 1211 Vgl. Wahl (2004), S. 205f. 1212 Vgl. Wahl (2004), S. 208. 1210
238 flows zu sichern, müssen einerseits Ersatz- bzw. Erhaltungsinvestitionen getätigt werden, die den bestehenden Anlagebestand sichern. Andererseits tätigt ein Unternehmen darüber hinaus zusätzliche Investitionen in Anlagen, Firmenbeteiligungen etc. von denen es sich zukünftiges Wachstum erhofft.1213 Die Kenntnis beider Größen stellt einen zentralen Aspekt bei der Herstellung von Cashflowtransparenz dar, wie Abb. 38 verdeutlicht. Betriebliche Auszahlungen Ersatzinvestitionen Betriebliche Einzahlungen
Desinvestitionen
Steuerzahlungen
Wachstumsinvestitionen
EBITDA/ Operativer Cashflow vor Steuern
Zinsen Free Cashflow
Dividenden Liquidität
Abb. 38: Ermittlung des Free Cashflow1214
Während Ersatzinvestitionen bereits in den operativen Cashflow mit einfließen, werden Wachstumsinvestitionen davon abgezogen, um den Free Cashflow zu errechnen, der für Zinszahlungen, Dividenden oder Liquiditätsaufbau zur Verfügung steht.1215 Für den Fall eines negativen Free Cashflow, wie ihn Unternehmen in Krisen- aber auch in starken Wachstumsphasen aufweisen, sind die Investoren daher speziell an dieser Aufteilung in Ersatz- und Wachstumsinvestitionen interessiert. Während Erstere unabdingbar sind, um die Anlagebasis und damit das Ertragspotenzial nicht dauerhaft zu reduzieren, können Letztere gegebenenfalls ausgesetzt werden, um Zins- und Tilgungsforderungen von Gläubigern zu bedienen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Beobachtung zu interpretieren, dass High Yield Investoren nicht unbedingt einen positiven Free Cashflow erwarten. Bei Wachstumsunternehmen als typischen High Yield Emittenten ist ein negativer Free Cashflow sogar nicht untypisch. Auf einen positiven operativen Cashflow einschließlich Ersatzinvestitionen hingegen legen die Investoren großen Wert.1216 Fällt dieser negativ aus, deutet das auf eine fehlende Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells hin. Dann wird eine Emission nicht bzw. nur mit einer sehr großen Risikokompensation in Form hoher Renditen möglich sein.1217 Ein anderer Aspekt, der die Transparenz der Cashflows erforderlich macht, ist die endfällige Bullet Struktur einer Anleihe. Weil eine Prolongation des Bond i.d.R. nicht möglich ist, muss 1213
Vgl. Trost (2008). Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gerke/Bank (2003), S. 15. 1215 Vgl. Gerke/Bank (2003), S. 14f. 1216 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 20f. 1217 Vgl. die gleichgerichteten Aussagen mit Experteninterview mit Experte 1; Experte 1 (2008), S. 4f. 1214
239 das Cashflowprofil des Emittenten zu dieser Finanzierungsform passen oder zumindest kontrollier- und entsprechend steuerbar sein, wie die Experten 3 und 7 im jeweiligen Interview betonen.1218 Die Steuerbarkeit impliziert dabei nicht, dass die vollständige Tilgung zum Ende der Laufzeit aus dem operativen Geschäft heraus erfolgen muss. Das Unternehmen muss im Vorhinein aber abschätzen können, wie die Cashflows sich bis dahin verhalten, um Liquiditätsunterdeckungen bei der Tilgung mit entsprechenden Refinanzierungsmaßnahmen vorbeugen zu können. Eine Voraussetzung für Familienunternehmen, die einen High Yield Bond emittieren möchten, sind folglich ein über mehrere Jahre positiver EBITDA, ausreichende Transparenz der Cashflows und Kenntnis über die wesentlichen Treiber zu dessen Beeinflussung. Ein negativer Free Cashflow ist kein Ausschlusskriterium, falls die negativen Zahlungsflüsse auf identifizierbare und steuerbare Wachstumsinvestitionen zurück gehen.
6.3.2.2. Unternehmens- bzw. Transaktionsgröße Verschiedene empirische Untersuchungen belegen, dass die Unternehmensgröße positiv mit der Fremdkapitalaufnahme eines Unternehmens korreliert – sowohl bezogen auf das absolute Volumen als auch auf die Anzahl der genutzten Fremdkapitalinstrumente: Für deutsche KMU weisen Börner et al. diese positive Korrelation nach, für US-amerikanische Familienunternehmen zeigen das Coleman/Carsky und Gallo/Vilaseca belegen es für spanische Familienunternehmen.1219 In Konsequenz dieser Erkenntnis stellt sich die Frage, ab welcher Unternehmensgröße ein High Yield Bond ein relevantes Finanzierungsinstrument für Familienunternehmen darstellt. Die Antwort auf diese Frage leitet sich aus der volumenmäßigen Untergrenze von High Yield Transaktionen ab, da die zusätzlichen Mittel in einem gesunden Verhältnis zur Größe des Unternehmens stehen müssen. Zu dieser Transaktionsuntergrenze existieren sehr viele und unterschiedliche Aussagen in Theorie und Praxis, die von 5 Mio. Euro bis zu 100 Mio. Euro lauten.1220 Dieser großen Bandbreite an Mindestvolumina liegen teilweise unterschiedliche Begriffsverständnisse von High Yield Bond zugrunde, so dass teilweise z.B. Private Debt Platzierungen eingeschlossen werden. Sehr niedrige Transaktionsuntergrenzen gehen jedoch meist
1218
Vgl. Experte 3 (2008), S. 5, Experte 7 (2008), S. 12. Vgl. Börner et al. (2008), S. 21 und S. 24, Coleman/Carsky (1999), S. 82, Gallo/Vilaseca (1996), S. 388. 1220 Exemplarisch geben Olfert/Reichel 5 Mio. EUR als Untergrenze an, Experte 7 bezeichnet 25 bis 50 Mio. EUR als kleinste, noch mögliche Größe, v. Haller nennt 50 bis 75 Mio. EUR als Minimum und Grunow/Figgener setzen 100 Milllionen als Mindestvolumen an. Vgl. Olfert/Reichel (2005), S. 324, Experte 7 (2008), S. 11f, , S. 52, Grunow/Figgener (2006), S. 181. 1219
240 auf eine falsche Interpretation des Mindestvolumens zurück. Tatsächlich ergibt sich die faktische Mindestgröße einer High Yield Bond Transaktion aus zwei unterschiedlichen Faktoren auf der Kapitalnachfrage- und -angebotsseite. Auf der Emittenten-, d.h. der Nachfrageseite geht die Transaktionsuntergrenze auf die mit einem Bond verbundenen Fremdleistungskosten zurück. Da diese mit mehreren Millionen Euro relativ hoch ausfallen, verbieten sich zu niedrige Emissionsvolumina ökonomisch.1221 Auf der Investoren-, d.h. der Angebotsseite bestehen gewisse Forderungen an die Sekundärmarktliquidität des Bond. Eine ausreichende Fungibilität der Teilschuldverschreibungen kann nach einhelliger Meinung aller dazu befragten Experten erst ab einem Mindestvolumen von 100 bis 150 Mio. Euro erreicht werden.1222 Somit lässt sich das ökonomische Mindestvolumen als notwendige Voraussetzung, das fungibilitätserzeugende Volumen als hinreichende Voraussetzung einer High Yield Bondemission interpretieren. Zur Verdeutlichung der Konsequenzen dieses minimalen Transaktionsvolumens auf die erforderliche Größe des Unternehmens dient die in Abb. 39 dargestellte Rechnung. Annahmen (Buchwerte): Emissionsvolumen High Yield Bond: Anteil High Yield Bond an Netto-Fremdkapital: Eigenkapitalquote: Verhältnis Net debt/ EBITDA bei BB-Rating:
100 Mio. EUR 50% 30% 3 bis 4 x
Bilanzsumme Anteil High Yield Bond an Bilanzsumme = 70% * 50% = 35% 35% = 100 Mio. EUR Î 100% 286 Mio. EUR Mindestbilanzsumme = 286 Mio. EUR Ertrag Net debt High Yield Bond + sonstiges Fremdkapital = 200 Mio. EUR a) 200 Mio. EUR/ EBITDA = 3 Î EBITDA = 67 Mio. EUR b) 200 Mio. EUR/ EBITDA = 4 Î EBITDA = 50 Mio. EUR Mindest-EBITDA ca. 50 bis 67 Mio. EUR Umsatz a) EBITDA-Marge 8% Î Umsatz ca. 625 Mio. EUR bis 833 Mio. EUR b) EBITDA-Marge 10% Î Umsatz ca. 500 Mio. EUR bis 667 Mio. EUR c) EBITDA-Marge 12% Î Umsatz ca. 417 Mio. EUR bis 556 Mio. EUR Mindestumsatz ca. 417 Mio. EUR bis 833 Mio. EUR
Abb. 39: Rechnerische Indikation minimaler Unternehmensgröße für High Yield Bonds1223
1221
Zu den Fremdleistungskosten einer High Yield Bondemission vgl. Abschnitt 4.1.7. Vgl. die Aussagen in Interviews des Verfassers mit Experten: Experte 6 (2008), S. 10f, Experte 3 (2008), S. 11, Experte 2 (2008), S. 11 und Experte 1 (2008), S. 4. 1223 Quelle: Eigene Berechnung und Darstellung angelehnt an Aussagen in Expertengesprächen. Vgl. Experte 2 (2008), S. 14f, Experte 1 (2008), S. 4, Experte 3 (2008), S. 11f, Experte 6 (2008), S. 12f. Die EBITDA-Marge orientiert sich am Durchschnitt mittelständischer Industrieunternehmen Deutschlands von 10,0% in 2006 wie in einer Erhebung der IKB ausgewiesen. Vgl. IKB Deutsche Industriebank AG (Hrsg.) (2007), S. 6. 1222
241 Auch wenn diese Näherungsrechnung keine definitive Mindestgröße zu ermitteln vermag, gibt sie eine exemplarische Größenordnung vor. Im Ergebnis sollte ein emissionsfähiges Unternehmen über eine minimale Bilanzsumme knapp unterhalb von 300 Mio. Euro verfügen, einen EBITDA zwischen 50 und 70 Mio. Euro sowie einen Jahresumsatz von mindestens 420 Mio. Euro – eher mehr – aufweisen. In diesem Bereich kann man nicht mehr von KMU sprechen. Hochzinsanleihen sind also nur als Alternative für größere Familienunternehmen geeignet, die zwar noch mittelständisch geprägt sein können, aber meist nicht mehr unter die klassischen Definitionen von KMU fallen.1224 Eine Maximalbegrenzung des Bondvolumens existiert marktseitig theoretisch nicht bzw. erst ab Volumina, bei denen unternehmensseitige Einschränkungen bereits vorher greifen. Diese unternehmensseitige Beschränkung einer Bondemission ergibt sich aus dem Zinsund Tilgungspotenzial und damit der Leverage der Unternehmenserträge bzw. Cashflows, die Investoren noch zu akzeptieren bereit sind. I.d.R. wird diese Grenze bei dem vier- bis fünffachen des operativen Cashflows liegen.1225
6.3.2.3. Zukunftsweisende Unternehmens- bzw. Wachstumsstrategie Die im letzten Abschnitt diskutierte minimale Größe eines High Yield Bond von 100 Mio. Euro birgt neben den Auswirkungen auf die notwendige Größe des Emittenten auch Konsequenzen für die zugrundeliegende Unternehmensstrategie. Die Investoren müssen davon überzeugt sein, dass die Verwendung der zusätzlichen Mittel dazu geeignet ist, die Fähigkeit zukünftiger Zins- und Tilgungszahlungen zu stärken. So wird beispielsweise ein Dividend Deal, bei dem die Mittel nur zur Finanzierung von Ausschüttungen an Eigentümer aufgenommen werden, nur in den wenigsten Fällen mit einer Teilschuldverschreibung darstellbar sein.1226 Experte 6 betont im Interview diesbezüglich, dass im Rahmen der Roadshow eine klar definierte Unternehmensstrategie präsentiert werden muss, die aufzeigt, wofür die umfangreichen neuen Mittel eingesetzt werden sollen.1227 Grundsätzlich bestehen außer der genannten wenig Einschränkungen zur Nutzung der über einen High Yield Bond aufgenommenen Mittel. Allerdings prädestiniert sie bereits das reine Finanzierungsvolumen zu einer Verwendung im Rahmen einer Wachstumsstrategie mit gro-
1224
Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 177. Zu den Definitionskriterien vgl. Abschnitt 2.2.1.3. Einige Autoren bezeichnen diese Unternehmen, die umsatzbezogen zwischen KMU und großen Publikumsgesellschaften liegen, als Middle-Market Companies. Vgl. Wahl (2004), S. 25, Fenn et al. (1995), S. 3. 1225 Vgl. die Interviewaussage von Experte 1: Experte 1 (2008), S. 4. 1226 Vgl. Schwörer, C. (2008), S. 20. 1227 Vgl. Experte 6 (2008), S. 13f.
242 ßem Kapitalbedarf: Akquisitionen, internationale Expansion, wachstumsinduzierte Betriebsmittelaufstockung, MBO oder Entwicklungs- bzw. Innovationsfinanzierung. Auch eine umfassende Unternehmensrestrukturierung ist möglich.1228 Wie in Abschnitt 4.1.2 erläutert, stellt auch die Umschichtung bestehender Verbindlichkeiten eine häufige Nutzung von High Yield Mitteln dar.1229 In ihrer empirischen Untersuchung stellen Gilson/Warner sogar fest, dass die dominierende Nutzung der Mittel aus High Yield Bondemissionen in der Rückzahlung bestehender Bankkredite liegt. Die Refinanzierung mit Sicherheiten ausgestatteter Bankkredite durch nachrangige Bonds unterstützt auch eine Wachstumsstrategie, da durch die Reduktion der mit Sicherheiten belasteten Vermögensteile zusätzliche Fremdkapitalkapazität geschaffen wird. Folgerichtig weisen die Autoren in derselben Studie nach, dass alle Emittenten sehr stark wachsende Umsätze aufweisen, die sich in einer entsprechenden Zunahme materieller Vermögensgegenstände spiegeln.1230 Durch ihre endfällige Rückzahlung unterstützt eine Anleihe eine Wachstumsstrategie sogar besser als Bankkredite mit laufenden Tilgungen.1231 Der Mittelabfluss während der Laufzeit ist geringer, die aufgenommenen Mittel können langfristiger investiert werden. Zusätzlich bedingen die relativ hohen Kosten einer High Yield Finanzierung, dass die Mittel renditestark investiert werden müssen.1232 Auch dazu ist eine Wachstumsstrategie geeignet. Entsprechend sind High Yield Bonds insbesondere für Unternehmen in kapitalintensiven Branchen geeignet, die über gute Wachstumsaussichten verfügen.1233
6.3.2.4. Entwicklungsstand des Unternehmens Die angestellten Überlegungen zur erforderlichen Unternehmensgröße eines High Yield Emittenten leiten direkt zu den Untersuchungsergebnissen von Gregory et al. über. Die Autoren weisen darin nach, dass die Unternehmensgröße als Ausprägung des Lebenszyklus eines Unternehmens sich in Form des Financial Growth Cycle ebenfalls in seiner Finanzierung niederschlägt:1234 Je reifer ein Unternehmen ist, wobei die Anzahl der Mitarbeiter als Indikator für die Reife des Unternehmens valide zu sein scheint, desto mehr Finanzierungsoptionen
1228
Vgl. Grunow/Figgener (2006), S. 62f und S. 184f sowie de Bondt/Marqués (2004), S. 7. Anekdotisch wird das auch mit der Fallstudie belegt. Peri nutzte den überwiegenden Teil der der High Yield Bond Mittel zur Refinanzierung. Vgl. Abschnitt 4.2.3.6. 1230 Vgl. Gilson/Warner (1997), S. 3. 1231 Vgl. Harrer/Fisher (2003), S. 791. 1232 Vgl. dazu die Interviewaussagen des Fremdkapitalexperten: Experte 6 (2008), S. 9. 1233 Vgl. Heitmann (2007), S. 57. Dies betont auch der Kapitalmarktexperte der Deutschen Bank im Interview. Vgl. Experte 2 (2008), S. 17. 1234 Das Modell des Financial Growth Cycle geht ursprünglich auf Berger/Udell zurück. Vgl. Berger/Udell (1998), S. 623. Aber auch James unterscheidet in seinem frühen Beitrag zum Unternehmenslebenszyklus bereits verschiedene Finanzierungsphasen. Vgl. James (1974). 1229
243 bieten sich. Die Beschaffung von Eigen- oder Fremdkapital über den Kapitalmarkt ist demnach erst in den späteren Phasen des Financial Growth Cycle möglich.1235 Das Untersuchungsergebnis von Börner et al., nach dem das Unternehmensalter positiv mit der Aufnahme von Fremdkapital korreliert, unterstützt diese Erkenntnis.1236 Erst mit der Positionierung im fortgeschrittenen Bereich des Lebenszyklus bzw. Financial Growth Cycle verfügen Unternehmen einerseits über die notwendige Größe, andererseits über die unentbehrlichen internen Strukturen zur Erfüllung der organisatorischen Anforderungen. Achleitner/Fingerle bezeichnen diese Unternehmen als etablierte Unternehmen.1237 Diamond begründet diesen zeitlich verzögerten Übergang von der Kredit- zur Kapitalmarktfinanzierung mit der Notwendigkeit eines Unternehmens, eine Reputation durch Aufnahme und vertragskonforme Rückzahlung von Kapital, das einer kontinuierlichen Überwachung durch Finanzintermediäre unterliegt, aufzubauen. Erst mit dieser Reputation ist eine preislich wettbewerbsfähige, direkte Kapitalaufnahme am Kapitalmarkt möglich.1238 Abb. 40 veranschaulicht diese Zusammenhänge am Lebenszyklus eines Familienunternehmens.1239
1235
Vgl. Gregory et al. (2005), S. 390. Vgl. Börner et al. (2008), S. 21. Zur Unterscheidung etablierter und neuer Unternehmen vgl. Achleitner/Fingerle (2004), S. 10f. 1238 Vgl. Diamond (1991), S. 716. 1239 Spezifische Lebenszyklusmodelle für Familienunternehmen existieren von Rosenbauer, der wiederum auf das Modell von Pümpin/Prange aufbaut, sowie von Goehler auf Basis des Krisenmodells von Argenti. Vgl. Rosenbauer (1994), S. 99, Pümpin/Prange (1991), S. 135, Goehler (1993), S. 84, Argenti (1976), S. 149f. Allerdings ist die modellinhärente Konzentration auf Entwicklungen in der Eigentümerfamilie von nachgelagerter Relevanz für die hier thematisierten lebenszyklusinduzierten Reifeprozesse im Unternehmen. Daher wird auf die Verwendung familienunternehmensspezifischer Lebenszyklusmodelle verzichtet. 1236 1237
244 Umsatz
Gründung
Wachstum
Reife
Sättigung bzw. Restrukturierung
Zeit Unternehmensgröße Unternehmensalter Informationsverfügbarkeit Organisationsentwicklung Verfügbarkeit ausgewählter Finanzinstrumente (schematisch) Eigenkapital Einlage
Venture Capital
Börsengang Private Equity
Fremdkapital Bankkredit
Private Debt
High Yield Bond
Abb. 40: Lebenszyklus und Financial Growth Cycle (schematisch)1240
Insbesondere junge Unternehmen in oder kurz nach der Gründung sind maßgeblich auf Fördermittel, Bankkredite, Mezzanine Finanzierung und ähnliche Gründungsfinanzierung angewiesen und werden alleine aus personell-organisatorischen Gründen keine Schuldobligation am Bondmarkt platzieren können.1241 Erst gegen Ende der Wachstumsphase bzw. in der Reifephase ist die Finanzierung über den Fremdkapitalmarkt mittels High Yield Bonds möglich, weil erst dann die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Nach übereinstimmender Meinung aller diesbezüglich befragten Experten handelt es sich bei diesen Voraussetzungen um ein relativ weit entwickeltes Planungs-, Rechnungs- und Berichtswesen des Emittenten. Die Emissionsvorbereitung stellt hohe Anforderungen an eine schnelle, transparente und qualitativ hochwertige Bereitstellung interner Daten gegenüber Emissionsbanken, Ratingagenturen, am Prozess beteiligten Rechtsanwälten sowie Wirtschaftsprüfern. Auch im Rahmen der anschließenden regelmäßigen Informationsbereitstellung an Investoren sind eine breite, strukturierte Datenbasis, ausgeklügelte Informationssysteme sowie entsprechend qualifiziertes Personal in den Funktionen Rechnungswesen, Controlling und Finanzmanagement unabdingbar. Dieser Entwicklungsstand muss zusätzlich bereits seit
1240
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Müller-Trimbusch (1999), S. 27, Berger/Udell (1998), S. 623, Mueller (1972). 1241 Vgl. Koch/Kuhn (2005), S. 53f.
245 mehreren Jahren erreicht sein, da im Offering Memorandum und auch in den anschließenden Berichten immer Vergangenheitswerte mindestens der letzten 3 Jahre darzustellen sind.1242 Zu dieser notwendigen Professionalisierung im Finanzbereich des Unternehmens gehört weiterhin auch ein dezidierter CFO, der „sattelfest“ bzgl. der Darstellung finanzieller Entwicklungen beim Emittenten sein muss. Er muss in der Lage sein, mit Analysten und Investoren auf Augenhöhe zu diskutieren, wozu die entsprechende fachliche Qualifikation sowie fundierte Englischkenntnisse unabdingbar sind.1243 Ein solcher, tendenziell familienfremder CFO ist in einem Familienunternehmen üblicherweise aber erst ab einer gewissen Unternehmensreife vorhanden, wie Chrisman et al. nachweisen.1244 Dass ein solcher, externer CFO signifikant zur Professionalisierung und Performancesteigerung von Familienunternehmen beiträgt, zeigen Caselli/di Giuli für italienische Familienunternehmen.1245 Die Existenz eines solchen CFO spricht gleichzeitig für das Vorhandensein einer zentralen Finanzierungsstrategie und -struktur, die einen weiteren Aspekt im Entwicklungsstand der Unternehmensfinanzierung darstellt, der im Vorfeld einer High Yield Bondemission erreicht sein muss, wie Schwörer im Interview aus erster Hand berichtet.1246 Die Erstellung und Umsetzung der Finanzierungsstrategie muss durch die Muttergesellschaft oder eine andere zentrale Gesellschaft für die gesamte Gruppe übernommen werden. Andernfalls kann die Einhaltung von High Yield Covenants, die sich auf die gesamte Gruppe beziehen, nicht sichergestellt werden. Auch mit Bezug auf die geforderte Nachhaltigkeit der Cashflows ist eine zentrale Finanzierungs- und Liquiditätssteuerung notwendig.1247 Die Anleihegläubiger werden in einer Situation, bei der ein High Yield Bond durch eine zentrale Holding begeben wird, der Cashflow aber in dezentralen Tochtergesellschaften mit eigenen Finanzierungsbeziehungen erwirtschaftet wird, das Zugriffspotenzial auf diese Cashflows sehr kritisch hinterfragen. Falls auf Tochtergesellschaftsebene nämlich bilaterale Kreditverträge existieren, werden Ansprüche der Banken in der Regel Vorrang vor Ansprüchen der Anleihegläubiger besitzen.1248 Zusammengefasst zeigen diese Ausführungen, dass die Emission eines High Yield Bond zu den anspruchsvollsten Fremdkapitalinstrumenten gehört. Ohne einen entsprechenden Ent-
1242
Vgl. die diesbezüglichen Interviewaussagen: Experte 1 (2008), S. 4f, Experte 2 (2008), S. 15f, Schwörer, C. (2008), S. 20. Analog sind auch die Ausführungen von Zelger/Beyer zu verstehen, die sich zwar auf Private Debt beziehen, aber auf High Yield Bonds übertragbar sind. Vgl. Zelger/Beyer (2004). 1243 Vgl. die zugehörigen Erfahrungen und Bestärkungen in Interviewaussagen: Experte 1 (2008), S. 5, Experte 2 (2008), S. 16, Schwörer, C. (2008), S. 20. 1244 Vgl. Chrisman et al. (1998), S. 37ff. 1245 Vgl. Caselli/di Giuli (2008), S. 25f und ähnlich bereits in einer früheren Studie: Caselli et al. (2007), S. 21f. 1246 Vgl. dazu die Interviewaussage von Hrn. Schwörer: Schwörer, C. (2008), S. 18. 1247 Vgl. Ceglarek/Zehnder (2007), S. 30f. 1248 Vgl. Wahl (2004), S. 207f.
246 wicklungsstand in Größe und Organisation wird ein Familienunternehmen nicht erfolgreich an den Fremdkapitalmarkt gehen können.
6.4. Zwischenfazit
High Yield Bonds sind für Familienunternehmen zur Ergänzung der traditionellen Finanzierungsstruktur grundsätzlich geeignet. Dazu müssen allerdings gewisse Bedingungen erfüllt sein: Erstens ist die Eignung von High Yield Bonds als Finanzierungsinstrument für Familienunternehmen abhängig von der Gewichtung der finanzwirtschaftlichen Ziele, die unternehmens- bzw. eigentümerspezifisch ausfallen. Der Nutzen durch unternehmerische Unabhängigkeit, Flexibilität, Langfristigkeit und minimale Sicherheitenstellung der Finanzierung muss die Nachteile höherer Finanzierungskosten und Informationspflichten in der Perspektive der Eigentümer übersteigen. Zweitens müssen die Marktbedingungen eine Emission zu vertretbaren Konditionen zulassen. Drittens muss das Unternehmen gewisse Voraussetzungen bei der Nachhaltigkeit und Transparenz seiner Cashflows erfüllen, eine ausreichende Unternehmensgröße und -reife erreicht haben sowie über eine für Investoren attraktive und glaubhafte unternehmerische Strategie verfügen. Sind all diese Voraussetzungen gegeben, kann die zentrale Fragestellung dieser Arbeit grundsätzlich positiv beantwortet werden: Ein High Yield Bond stellt ein attraktives Instrument zur Ergänzung der traditionellen Finanzierungsstruktur mit Innenfinanzierung, Bankkredit und Leasing dar.
247
7. Eignungsuntersuchung weiterer Finanzierungsinstrumente Neben dem inhaltlichen Ergebnis, dass High Yield Bonds bei Erfüllung der erläuterten Voraussetzung ein attraktives Finanzierungsinstrument für Familienunternehmen darstellen, hat Kapitel 6 auch gezeigt, dass das erarbeitete finanzwirtschaftliche Zielsystem zur Überprüfung eines Finanzierungsinstruments auf seine Eignung für Familienunternehmen zweckmäßig ist. Daher werden im Folgenden sowohl die traditionellen Instrumente Innenfinanzierung, Bankkredit und Leasing als auch die in Kapitel 3 erläuterten alternativen Formen der Kapitalmobilisierung in dieser Bewertungssystematik dargestellt. Eine Gegenüberstellung der Ergebnisse ermöglicht eine Aussage, ob die in Literatur und Praxis thematisierten Finanzierungsalternativen tatsächliche Alternativen aus Sicht des Familienunternehmens darstellen.
7.1. Instrumentenkongruenz zum finanzwirtschaftlichen Zielsystem
7.1.1. Kreditsubstitute
7.1.1.1. Leasing Aufgrund der Natur von Leasing ist der Vergleich mit anderen in dieser Arbeit diskutierten Instrumenten schwierig: Leasing dient der Bilanzentlastung und nicht der Aufnahme zusätzlicher Mittel und seine Anwendung ist auf spezifische, leasingfähige Vermögensgegenstände beschränkt. Trotz dieser Einschränkungen stellt Abb. 41 die in Abschnitt 3.1.3.3 erörterten Leasing-Charakteristika im finanzwirtschaftlichen Zielsystem von Familienunternehmen dar. Die Nutzungsdauer bezieht sich dabei auf Pkw, die mehr als 80% als Leasinggüter ausmachen und auf die sich 98% aller Leasinggesellschaften konzentrieren.1249 Auffallend ist die große Zielkongruenz im Bereich externer Einflussnahme und entstehender Informationspflichten, die sich aus der Positionierung der Kapitalgeber als Vertragspartner ergibt. Auch die suboptimalen Ausprägungen im Bereich der Flexibilität und Sicherheitenstellung sind verhältnismäßig nah an der Zielvorstellung von Familienunternehmen. Die relativ kurze Laufzeit und insbesondere die relativ hohen Kosten von Leasing verdeutlichen mit ihrer niedrigen Zielkonvergenz Schwächen des Instruments. Aus dieser insgesamt trotzdem hohen Zielkonvergenz lassen sich auch die Untersuchungsergebnisse von Haunschild
1249
Vgl. Wassermann (2007a), S. 260.
248 erklären, die feststellt, dass Leasing bei deutschen Familienunternehmen eine signifikant höhere Bedeutung als bei vergleichbaren Nicht-Familienunternehmen hat.1250
Abb. 41: Leasing im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1251
7.1.1.2. Factoring Abb. 42 trägt die in Abschnitt 3.3.1.1 erläuterten Eigenschaften von Factoring auf den Dimensionen des finanzwirtschaftlichen Zielsystems ab. Analog zu Leasing als vorhergehendem Instrument zur Bilanzverkürzung entspricht Factoring der Idealvorstellung in Bezug auf externe Einflussnahme. Aufgrund der detaillierten Vorabanalysen durch das Factoringinstitut stellen die Ausprägungen im Bereich der Informationspflichten jedoch einen Malus dieses Instruments dar, wobei Häufigkeit der Offenlegung und Anzahl der Informationsberechtigten wiederum nur eine Stufe unter dem Optimum liegen. Auffallend ist die schlechte Erfüllung des Fristigkeitsziels. Sie erklärt sich aus der Besonderheit, dass Factoring lediglich eine relativ kurze Vorfinanzierung von Mitteln übernimmt, die dem Unternehmen ohnehin zufließen. Aus diesem Grund fallen die Kosten der Finanzierung auch relativ hoch und die zugehörige Zielkongruenz niedrig aus.
1250 1251
Vgl. Haunschild (2008), S. 62f. Quelle: Eigene Darstellung.
249 Insgesamt stehen Familienunternehmen Factoring aufgeschlossen gegenüber, wie Brackschulze nachweist. Für kleine Familienunternehmen ist Factoring hingegen weniger relevant, was sich aus einer wirtschaftlichen Mindestgröße aufgrund der Anforderungen an Unternehmensreife und Forderungsvolumen erklärt.1252
Abb. 42: Factoring im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1253
7.1.1.3. Asset Backed Securities Die in Abschnitt 3.3.1.2 erläuterten Charakteristika von ABS liefern ein gemischtes Bild, wenn sie in das finanzwirtschaftliche Zielsystem überführt werden (vgl. Abb. 43): Die Finanzierungskosten liegen auf gleicher Höhe wie bei einer Anleihe gleicher Bonität und entsprechen den Anforderungen von Familienunternehmen damit lediglich mittelmäßig. Dies geht insbesondere auf die hohen Fremdleistungskosten zur Strukturierung der Transaktion zurück. Wie bei den anderen Kreditsubstituten auch, stimmt die unterbleibende externe Einflussnahme bei ABS vollständig mit den Finanzierungsanforderungen von Familienunternehmen überein. Noch schwächer als beim Factoring hingegen ist die Zielkonvergenz in der Dimension entstehender Informationspflichten ausgeprägt. Neben der einmaligen Einsichtnahme im Rahmen der Strukturierung wird dies durch die regelmäßigen Berichtsanforderun1252
Vgl. Brackschulze (2005), S. 149. Zur wirtschaftlichen Mindestgröße vgl. Just/Keller (2007), S. 743, Bette (1999), S. 114f 1253 Quelle: Eigene Darstellung.
250 gen zur Entwicklung der unterliegenden Forderungen determiniert. Die Flexibilität einer ABS Finanzierung ist wiederum mittelmäßig bis niedrig zu bewerten. Die Fristigkeit ist mit maximal 7 Jahren bereits konformer zu den Zielvorstellungen als die der anderen Kreditsubstitute, vom Ideal einer wirklich langfristigen Finanzierung aber noch entfernt. Bei den Sicherheiten entsprechen die Forderungen in ihrer Funktion als Quasi-Sicherheiten nicht vollständig der Idealvorstellung eines Familienunternehmens und werden mit Stufe 2 bewertet.
Abb. 43: Asset Backed Securities im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1254
Große mittelständische Unternehmen, die ABS Finanzierungen durchgeführt haben, nennen in einer Untersuchung durch Schmittat neben den vertretbaren Finanzierungskosten insbesondere die Effekte Finanzierungsdiversifikation und Bilanzverkürzung als Motivation zur Nutzung dieses Instruments. Langfristige Finanzierungssicherheit bildet ein eher nachgeordnetes Motiv.1255 Somit bestätigen die Untersuchungsergebnisse indirekt die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit: Die unmittelbaren Finanzierungskosten stellen keinen Beweggrund zur Nutzung dar, auch eine hohe Fristigkeit bildet ein schwächer ausgeprägtes Motiv, da diese mit ABS nur eingeschränkt erreichbar ist.
1254 1255
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Schmittat (2007), S. 342.
251 7.1.2. Eigenkapital Nach der Eignungsanalyse der verschiedenen Kreditsubstitute folgt eine Einordnung der erörterten Eigenkapitalinstrumente in das finanzwirtschaftliche Zielsystem. Wie bereits diskutiert, sind Familienunternehmen durch die Absicht geprägt, die Kontrollmehrheit in der Familie zu behalten.1256 Dieser Wunsch hat direkte Auswirkungen auf die Wahl möglicher Finanzierungsoptionen und zeigt sich durch die weitverbreitete Ablehnung und Marktfriktionen externen Eigenkapitals von Familienunternehmen.1257 Innenfinanzierung wiederum ist das meist genutzte Finanzierungsinstrument deutscher Familienunternehmen. Ob die Erklärungssystematik dieser Arbeit eine Begründung zu liefern vermag, zeigen die nächsten Abschnitte.
7.1.2.1. Innenfinanzierung Abb. 44 gibt die in Abschnitt 3.1.3.1 erörterten Charakteristika von Innenfinanzierung wieder und trägt diese in der bekannten Netzgrafik ab.
1256
Vgl. Reimers (2004), S. 14 sowie Dreux IV (1990), S. 229ff. Vgl. dazu die bereits in Abschnitt 5.4.2 angeführten deutschen und internationalen Beiträge, deren Ergebnisse dies belegen: Achleitner et al. (2008a), S. 29, Wu et al. (2007), S. 893, Müller (2005b), S. 15ff, Wahl (2004), S. 1f, Romano et al. (2000), Dunn/Hughes (1995), S. 277.
1257
252
Abb. 44: Innenfinanzierung im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1258
Abb. 44 zeigt graphisch sehr deutlich, dass Innenfinanzierung fast ideal geeignet ist, die finanzierungsbezogenen Präferenzen von Familienunternehmen zu erfüllen: Es entsteht keine Einflussnahme weiterer Gesellschafter, analog werden keine Informationspflichten geschaffen. Die vertragliche Inflexibilität ist minimal, da eine vertragliche Regelung nicht notwendig ist. Finanzierungs- und Transaktionskosten sind minimal,1259 die Nutzungsdauer maximal. Einzig eine flexible Gestaltung des Zahlungsstroms ist kaum möglich, da die zusätzlichen Mittel in Abhängigkeit vom operativen Geschäft anfallen. Lediglich im begrenzten legalen Rahmen der Abschreibungs- und Aufwandsgestaltung besteht eine gewisse Möglichkeit zur Steuerung. Diese fast maximale Anspruchserfüllung erklärt die herausragende Wichtigkeit von Innenfinanzierung bei Familienunternehmen, die durch die in Abschnitt 3.1.2 dargestellte dominante Nutzung des Instruments belegt wird. Brackschulze weist das ebenfalls empirisch nach: In einer erfragten Präferenzordnung liegt Innenfinanzierung weit vor den anderen abgefragten
1258
Quelle: Eigene Darstellung. Von einer Betrachtung theorethischer Eigenkapitalkosten wird abgesehen, da diese sehr fallspezifisch vom Unternehmensrisiko, Branchenrisiko, Anteil des im Unternehmen gebundenen Kapitals etc. abhängen.
1259
253 Möglichkeiten Factoring, PE, neuer Gesellschafter oder Einlagen bestehender Gesellschafter.1260
7.1.2.2. Private Equity Wie bereits in Abschnitt 3.3.2.1 dargestellt, verfolgen Beteiligungsgesellschaften unterschiedliche Strategien mit ihrer Beteiligung. Nicht jede Gesellschaft strebt nach Kapitalmehrheit und starker Einflussnahme. Und mit solchen Investoren, die eher als strategischer Partner mit einer Minderheitsbeteiligung auftreten, sind davon betroffene Familienunternehmen häufig zufrieden.1261 Dieser Investorentyp stellt allerdings eine Minderheit dar, weswegen sich die folgende Darstellung auf diejenigen Gesellschaften mit Forderung nach starker Kapitalbeteiligung und Einflussnahme beziehen. Die finanzierungszielrelevanten Eigenschaften von PE verdeutlichen – nach ihrer Darstellung in einer Netzgrafik (vgl. Abb. 45) – eine insgesamt niedrige Zielkongruenz der entscheidungsrelevanten Charakteristika. Speziell die hohen Finanzierungskosten, die ausgeprägte Einflussnahme und die entstehenden Informationspflichten sind sehr weit von den typisierten Idealvorstellungen von Familienunternehmen entfernt. Bei Letzteren nähert sich lediglich die Anzahl an Informationsberechtigten der Wunschvorstellung an. Die Flexibilität des Instruments ist zwar bzgl. der Vertragsgestaltung zielkonform, bei der Zahlungsstromgestaltung hingegen nicht. Auch die Fristigkeit entspricht weitgehend nicht den Anforderungen. Die Nachrangigkeit der Eigenkapitalgeber mit der verbundenen fehlenden Sicherheitenstellung liegt dagegen im Optimum aus Familienunternehmenssicht. Die durch einige Autoren als Stärke interpretierte rechnerische Steigerung der Eigenkapitalrendite durch parallele Aufnahme überproportionaler Fremdkapitalvolumina, wird aus Sicht der meisten Familienunternehmen keine Stärke darstellen.1262 Eine Erhöhung der absoluten Verschuldung wird vielmehr als Schwäche angesehen werden. Als Lösung einer Nachfolgeproblematik oder bei Ausscheiden eines Gesellschafters hingegen kann PE jedoch durchaus geeignet sein. Insbesondere die mit solch einem Verkauf verbundene Diskretion bzgl. des Kaufpreises ist eine Stärke, die Familienunternehmen entgegen kommt.1263
1260
Vgl. Brackschulze (2005), S. 148f. Der Nachweis ist lediglich partiell im Sinne der vorliegenden Arbeit, weil Brackschulze nicht alle in der vorliegenden Arbeit untersuchten Instrumente abfragt. 1261 Vgl. Achleitner et al. (2008b), S. 83f. 1262 Zur rechnerischen Steigerung der Eigenkapitalquote als Stärke vgl. exemplarisch Lopez (2008), S. 2. Zum Leverage-Effekt siehe Abschnitt 5.1.1. 1263 Vgl. Lobel (2008), S. 16.
254
Abb. 45: Private Equity im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1264
Allerdings scheinen die Schwächen und die insgesamt niedrige Konformität von PE mit den finanzwirtschaftlichen Zielen von Familienunternehmen in der Wahrnehmung zu überwiegen, wie empirische Untersuchungen bestätigen.1265 Achleitner et al. beispielsweise belegen, dass genau jene Schwächen von PE in Form niedriger Zielkongruenz diejenigen Gründe sind, die aus Sicht von Familienunternehmen gegen solch eine Finanzierung sprechen: Hohe Renditeerwartungen, geforderte Mitspracherechte, Kurzfristigkeit und Veräußerung an Dritte als Exitstrategie sowie gesteigerte Informations- und Berichtspflichten.1266 In einer anderen, weltweiten Studie zu Familienunternehmen gaben in Deutschland lediglich 13% der befragten Unternehmer an, einen Verkauf an einen PE Investor als Alternative der Unternehmensnachfolge in Betracht zu ziehen. Bezogen auf Europa lag dieser Wert bei 22%, weltweit bei 20%.1267 Insgesamt lässt sich also konstatieren, dass die im finanzwirtschaftlichen Zielsystem erkennbaren psychologischen Barrieren parallel zur schwachen Nutzung von PE in Deutschland verlaufen und diese vermutlich begründen.1268
1264
Quelle: Eigene Darstellung. Poech et al. legen in ihrer Untersuchung nahe, dass Familienunternehmen aufgrund selektiver Wahrnehmung insbesondere die Nachteile von PE betonen. Vgl. Poech et al. (2005), S. 292f. 1266 Vgl. Achleitner et al. (2008b), S. 25, Achleitner et al. (2005), S. 13ff. 1267 Vgl. PWC (Hrsg.) (2008) 1268 Vgl. Achleitner/Poech (2004), Scherer et al. (2005), S. 59f, Wahl (2004), S. 56, Grunow/Figgener (2006), S. 232, Burger-Calderon et al. (2004), S. 18f, Achleitner et al. (2008a), S. 29. 1265
255 7.1.2.3. Börsengang Die Darstellung der Charakteristika eines Börsengangs aus Abschnitt 3.3.2.2 in Abb. 46 verdeutlicht die Schwächen dieser Finanzierungsform aus Sicht eines Familienunternehmens.
Abb. 46: Börsengang im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1269
Die Kosten sind zwar grundsätzlich relativ niedrig, können aufgrund höherer Ausschüttungsquoten und zusätzlicher Aufwendungen für Investor Relations bzw. Corporate Governance Strukturen allerdings höher als dargestellt ausfallen. Randoey/Goel argumentieren diesbezüglich, dass die mit fremdem Eigenkapital verbundenen Corporate Governance Strukturen in Kosten münden, denen bei Familienunternehmen kein Nutzen gegenüber steht, weil deren besondere Eigentümer-Manager-Struktur in niedrige Agency Kosten mündet, die keine zusätzlichen Corporate Governance-Strukturen rechtfertigen. Diese aus Familiensicht redundanten Strukturen und Kosten führen damit zu einer Leistungsschmälerung.1270 Schiereck et al. weisen darüber hinaus empirisch nach, dass börsennotierte Familienunternehmen langfristig eine negative Überrendite und damit zusätzlich erhöhte Kapitalkosten aufweisen.1271 Eine weitere große Schwäche ist die stark ausgeprägte externe Einflussnahme. Der einzige Faktor, der diesen Malus relativiert, ist die große Zahl mitsprachberechtigter Aktionären. Die1269
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Randoy/Goel (2003), S. 633f. 1271 Vgl. Schiereck et al. (2008). Dies deckt sich mit früheren Erkenntnissen anderer Untersuchungen. Vgl. exemplarisch Kuklinski et al. (2004), S. 457. 1270
256 se Relativierung kann jedoch jederzeit durch Kumulation von Mitspracherechten in der Hand weniger aufgehoben werden. Dann wird dieser mildernde Aspekt zu einer expliziten Schwäche. Weiterhin ist die Zielkongruenz des Börsengangs im Bereich der Informationspflichten maximal von den Anforderungen eines Familienunternehmens entfernt. Das Instrument ist in beiden Dimensionen nicht bzw. nur auf sehr niedrigem Niveau flexibel, was sich aus gesetzlichen Regelungen und der zahlungsstrombezogenen Struktur erklärt. Stärken aus Sicht des Familienunternehmens sind einzig die Fristigkeit sowie die Sicherheitengestaltung mit der nachrangigen Positionierung der Aktionäre. Entsprechend dieser Auswertung stellt ein Börsengang keine erstrebenswerte Finanzierungsform aus Sicht eines Familienunternehmens dar. Anekdotisch belegen dies die Aussagen der dazu befragten Experten.1272 Wetzel hat diese Abneigung empirisch für deutsche, nicht börsennotierte Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 35 Mio. Euro nachgewiesen: Eine dominierende Mehrheit von 82% gab an, dass ein Börsengang grundsätzlich nicht vorstellbar sei. Weitere 9% halten diesbezügliche Überlegungen lediglich für grundsätzlich möglich. Nur 8% erachten einen IPO für vorstellbar und 2% streben einen Börsengang tatsächlich an.1273 Gemessen an der Grundgesamtheit deutscher Familienunternehmen existieren auch nur wenige börsennotierte Vertreter dieses Unternehmenstyps.1274 Diese Zahlen von Wetzel bestätigen die richtige Auswahl entscheidungsrelevanter Dimensionen bei der Gestaltung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems von Familienunternehmen im Rahmen dieser Arbeit. Denn einige Autoren weisen durchaus auf Stärken einer Börsennotierung für Familienunternehmen hin. Dazu gehört die Attraktivität für Fremdmanager, die Möglichkeit einer direkten Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg, externe Disziplinierung der Familie im Streitfall, Finanzierung von Akquisitionen über Aktien sowie größere Flexibilität bei Kauf und Verkauf von Anteilen.1275 Marchisio/Ravasi bzw. Burton stellen in ihrer Untersuchung sogar fest, dass diese Gründe und kein akuter Finanzierungsbedarf die zentralen Motive vieler Börsengänge italienischer bzw. britischer Familienunternehmen darstellen.1276 Insofern scheint ein Börsengang über die Funktion eines Finanzierungsinstruments hinauszugehen und wird daher nur in solchen Sonderfällen durchgeführt, wenn neben dem 1272
Vgl. Experte 4 (2008), S. 9f, Schwörer, C. (2008), S. 5f. Vgl. Wetzel (2003), S. 18f. Damit widerspricht die vorliegende Arbeit zumindest teilweise Autoren wie beispielsweise Faccio/Lang, die proklamieren, dass 54% aller börsennotierten Unternehmen Deutschlands Familienunternehmen sind. Deren hohe Zahl geht auf die definitorisch niedrigen Anforderungen an ein Familienunternehmen zurück: Eine Minderheitsbeteiligung von 20% ohne Anforderungen an sonstige Einflussmöglichkeiten reichte im Rahmen der Studie bereits aus. Vgl. Faccio/Lang (2002). 1275 Vgl. exemplarisch Schürmann/Körfgen (1997), S. 92ff, Astrachan/McConaughy (2001), S. 310, Brenner/Schroff (2004). 1276 Vgl. Marchisio (2001), S. 10 für Italien sowie Burton et al. (2006), S. 677 für Großbritannien. 1273 1274
257 Kapitalbedarf andere Notwendigkeiten im Vordergrund stehen. Das bestätigt die Auswahl typischer Finanzierungsanforderungen der vorliegenden Arbeit, deren Erfüllung durch einen Börsengang zu reinen Finanzierungszwecken nur schlecht erfüllt wird.
7.1.3. Mezzanine-Kapital Nach den Eigenkapitalinstrumenten folgt die Untersuchung der verschiedenen in Abschnitt 3.3.3 erläuterten mezzaninen Instrumente auf ihre Eignung für Familienunternehmen. Diesbezüglich kommen Kamp/Solmecke auf Basis theoretischer Überlegungen zu den Anforderungen von Mezzanine-Kapitalgebern einerseits und den Spezifika von KMU andererseits zum Ergebnis, dass die Differenzen zwischen beiden zu groß sind, als dass mezzanine Instrumente für die Mehrheit der KMU eine realistische Finanzierungsalternative sein könnten.1277 Damit widersprechen sie anderen Autoren, die Mezzanine Kapital als geeignet für KMU sehen.1278 Die vorliegende Arbeit widerspricht beiden Lagern und vertritt die Ansicht, dass eine allgemeingültige Bewertung aller Mezzanine-Instrumente nicht möglich ist. Gemein sind allen Instrumenten lediglich eine große vertragsgestalterische und eine minimale zahlungsstrombezogene Flexibilität sowie eine aus Familienunternehmenssicht optimale Sicherheitenstellung.1279 Ebenfalls gemein ist allen Instrumenten die niedrige Zielerfüllung im Bereich der Finanzierungskosten.1280 Die Ausprägungen in den anderen Zieldimensionen unterscheiden sich allerdings instrumentenspezifisch, weswegen die Instrumente in den folgenden Absätzen einzeln gewürdigt werden.
7.1.3.1. Wandel-/Optionsanleihe Bei der Darstellung von Wandel- bzw. Optionsanleihen (vgl. Abschnitt 3.3.3.1) müssen die Ausprägungen in den einzelnen Zieldimensionen vor und nach der Wandlung bzw. Optionsausübung differenziert werden (vgl. Abb. 47).
1277
Vgl. Kamp/Solmecke (2005), S. 624f. Vgl. Dörscher/Hinz (2003), S. 610. 1279 Die vertragsgestalterische Flexibilität birgt allerdings auch Tücken für das kapitalnehmende Unternehmen: Nur wer sich intensiv mit den Konditionen und dabei insbesondere mit dem Equity Kicker befasst kann die Interessen der Kapitalgeber mit denen des Unternehmens in Einklag bringen. Vgl. Hägele (2005), S. 34. Eine zahlungsstrombezogene Flexibilität besteht hingegen nur insofern relativ minimal, als in Verlustjahren Zins- und Tilgungszahlungen entfallen. Vgl. Leitinger (2005), S. 46 und S. 51. 1280 Vgl. Everling/Trieu (2006), S. 100. 1278
258
Abb. 47: Wandel-/Optionsanleihe im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1281
Wie bereits einleitend festgehalten, ist die vertragliche Inflexibilität von Mezzanine Kapital minimal und entspricht den Anforderungen von Familienunternehmen. Dies gilt auch für die Wandel- bzw. Optionsanleihe vor der Wandlung. Mit potenziellen Laufzeiten von bis zu 10 Jahren erfüllt auch deren Fristigkeit in hohem Maße die Erwartungen. Mit einer unterstellten Realsicherheitenstellung durch das Unternehmen ist diese Zieldimension lediglich mittelmäßig ausgeprägt. Allerdings können hierzu aufgrund der vertraglichen Flexibilität mit dem jeweiligen Gläubiger auch andersartige Sicherheiten vereinbart werden – in beide Richtungen. Eine mittlere Zielerreichung ist ebenso bei Finanzierungskosten, Umfang und Häufigkeit der externen Einflussnahme sowie Umfang der Informationspflicht und Anzahl der Informationsberechtigten zu konstatieren. Stark negativ fällt lediglich die Evaluierung der Anzahl an Mitspracheberechtigten und Häufigkeit der Informationspflicht aus. Somit entspricht die Wandelbzw. Optionsanleihe vor Wandlung bzw. Optionsausübung weitgehend mittelmäßig den Anforderungen eines Familienunternehmens und weist wenig besonders positive oder negative Ausschläge auf. Dies ändert sich allerdings deutlich bei Betrachtung des Instruments nach Wandlung bzw. Optionsausübung. Durch die damit entstehenden Eigentumsrechte stellt sich das Instrument in vielen Dimensionen schlechter – insbesondere bei den Kosten, der externen Einflussnahme und den Informationspflichten. Lediglich die Ziele Fristigkeit und Sicherheitenstellung werden nachher besser erfüllt als vor Wandlung bzw. Optionsausübung. 1281
Quelle: Eigene Darstellung.
259 Da das Wandel- bzw. Optionsrecht bei der Wandel- bzw. Optionsanleihe allerdings ein Recht des Kapitalgebers ist, muss aus Familiensicht im Sinne eines worst-case Szenarios immer die Ausübung der Call-Option unterstellt werden. Die dann zutreffenden Zielerreichungsgrade sprechen zu großen Teilen gegen die Finanzierung mit einer Wandel- oder Optionsanleihe.
7.1.3.2. Stille Gesellschaft Wie in Abschnitt 3.3.3.2 erläutert, existieren zwei Gestaltungsformen einer stillen Gesellschaft – typisch und atypisch. Aufgrund der unterschiedlichen Positionierung der Kapitalgeber als Gläubiger bzw. Eigentümer je nach Ausgestaltungsform nimmt Abb. 48 eine entsprechende Differenzierung vor. Unabhängig von ihrer typischen oder atypischen Gestaltung erfüllt die stille Gesellschaft die Zieldimension Finanzierungskosten mit 12% bis 18% Nutzungskosten nur schlecht. Damit liegt dieses Instrument im Bereich der Wertungen 2 und 3, wird aufgrund der hohen Fremdleistungskosten jedoch mit 3 evaluiert. Bei der Sicherheitenstellung und im Punkt vertraglicher Flexibilität erreicht die stille Gesellschaft eine Optimalbewertung. Die Inflexibilität des Zahlungsstroms und die entsprechende Bewertung hingegen sind im mittleren Bereich. Bei der Fristigkeit erreicht sie mit ihren potenziell relativ langen Laufzeiten aus Sicht eines Familienunternehmens eine gute Bewertung. Bei den Zieldimensionen externer Einflussnahme und entstehender Informationspflichten ist eine Unterscheidung in typische und atypische stille Gesellschaft notwendig. Während Erstere mit Ausnahme der Anzahl an Mitspracheberechtigten und der Häufigkeit der Informationspflicht mittlere Bewertungen erhält, liegt die atypische Beteiligung in allen Dimensionen am jeweils negativen Ende der Skala. Dies entstammt der angesprochenen Entstehung originärer Gesellschafterrechte. Insgesamt zeigt die Bewertung, dass sich die finanzwirtschaftlichen Ziele eines Familienunternehmen teilweise recht gut, teilweise weniger gut über eine stille Gesellschaft erfüllen lassen. Eine atypische stille Gesellschaft ist aus Familiensicht aber in jedem Fall unattraktiver als eine typische stille Gesellschaft.
260
Abb. 48: Stille Gesellschaft im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1282
Zur stillen Gesellschaft zeigt Brackschulze empirisch, dass Familienunternehmen ein größeres Interesse an dieser Finanzierungsform aufweisen als vergleichbare Nicht-Familienunternehmen. Er begründet dies mit der hohen Kongruenz zu spezifischen Finanzierungszielen von Familienunternehmen.1283 Diese Aussage kann sich dabei nur auf die erörterten, weitgehend erfüllten Finanzierungsziele typischer stiller Gesellschaften beziehen. Bei einer atypischen stillen Gesellschaft kann von dieser hohen Zielkongruenz nur ausgegangen werden, wenn es sich bei dem Kapitalgeber um einen aus Sicht des Unternehmens „angenehmen“ Investor handelt, bei dem davon auszugehen ist, dass er seine Gesellschafterrechte im Sinne der Altgesellschafter ausübt.
7.1.3.3. Genussrecht/Genussschein Überprüft man die Charakteristika von Genussrechten bzw. Genussscheinen, wie sie in Abschnitt 3.3.3.3 diskutiert wurden, mit Hilfe des verbildlichten Zielsystems (vgl. Abb. 49) wird Folgendes deutlich: Die Zielerreichungsgrade in den einzelnen Dimensionen entsprechen denjenigen der typischen stillen Gesellschaft. Bei den Finanzierungskosten mit Nutzungskosten zwischen 10% und 20% und damit im Bereich von 2 und 3 erfolgt der gleiche Ansatz wie bei der stillen Gesellschaft. 1282 1283
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Brackschulze (2005), S. 150.
261
Abb. 49: Genussrecht/Genussschein im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1284
Obwohl bereits lange bekannt, sind Genussscheine in den letzten Jahren bei Familienunternehmen wieder gebräuchlicher.1285 Das lässt vermuten, dass die positiven Effekte auf das wirtschaftliche Eigenkapital des Unternehmens die negativen Aspekte relativ hoher Kosten und Informationspflichten überstrahlen. Eventuell haben aber auch Verkaufsbemühungen von Hausbanken einen positiven Absatzeffekt.
7.1.3.4. Partiarisches Darlehen Abb. 50 gibt die Charakteristika des in Abschnitt 3.3.3.4 erläuterten partiarischen Darlehens wieder. In Bezug auf Fristigkeit, Sicherheitenstellung und Flexibilität entspricht es dabei vollständig den Anforderungen eines Familienunternehmens. Im Bereich der Finanzierungskosten, externer Einflussnahme und Informationspflichten liegen die Ausprägungen nicht im Optimum, sind mit Ausnahme zweier Dimensionen aber auch nicht maximal davon entfernt. Bei der Veranschaulichung ist zu berücksichtigen, dass der Umfang der Informationspflichten individuelle Verhandlungssache zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer ist, insofern gibt die Abbildung lediglich eine typische Ausprägung wieder. Darlehensspezifisch kann sie jedoch auch höher oder niedriger ausfallen. Weiterhin ist festzuhalten, dass ein partiarisches
1284 1285
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Siebel (1997), S. 54, Brackschulze (2005), S. 150 sowie Sattler et al. (2006), S. 16f.
262 Darlehen, das ein bestehender Gesellschafter gibt, aus Sicht der bestehenden Gesellschafter sicherlich anders bewertet werden wird, als in Abb. 50 dargestellt. Da hierbei keine neuen Informations- und Einflussnahmeberechtigungen entstehen, fällt die Evaluierung des Instruments sicherlich besser aus.
Abb. 50: Partiarisches Darlehen im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1286
Diese Feststellung geht einher mit dem Nachweis Brackschulzes, dass das Interesse von Familienunternehmen an einer Finanzierung über nachrangige Darlehen größer ist als dasjenige von Nicht-Familienunternehmen.1287
7.1.4. Fremdkapital In den folgenden Absätzen werden verschiedene Fremdkapitalinstrumente auf ihre jeweilige Übereinstimmung mit dem finanzwirtschaftlichen Zielsystem von Familienunternehmen untersucht. Aufgrund der bereits in Abschnitt 3.3.4.2 erläuterten Besonderheit von Private Debt, kein spezifisches sondern vielmehr eine Gruppe von Finanzierungsinstrumenten zu repräsentieren, erfolgt keine separate Darstellung. Weiterhin wurden Konsortialkredite und High Yield Bonds dem Zielsystem bereits im direkten Vergleich in den Abschnitten 6.1 und 6.2 gegenübergestellt, eine nochmalige Darstellung entfällt. 1286 1287
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Brackschulze (2005), S. 150.
263 7.1.4.1. Bankkredit Die wesentlichen Charakteristika des Bankkredits wurden in Abschnitt 3.1.3.2 erläutert. Abb. 51 ordnet diesen Zielerreichungsgrade typisierter Finanzierungsanforderungen zu.
Abb. 51: Bankkredit im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1288
Die Darstellung verdeutlicht die große Übereinstimmung von Konsortial- und Bankkrediten in ihrer jeweiligen Zielerreichung. Eine Abweichung liegt lediglich bei der Zahl an Informations- und Mitspracheberechtigten vor. Die Informationsverpflichtung fallen aus Sicht des Familienunternehmens positiver aus als beim syndizierten Kredit, weil nur ein Kapitalgeber zu informieren ist. Weil die Finanzierung über einen Intermediär erfolgt, ist nur eine adressatenbezogen minimale Informationsweitergabe notwendig.1289 Andererseits entspricht die Offenlegungspflicht in Umfang und Häufigkeit keinesfalls den Anforderungen eines Familienunternehmens. Aufgrund der Reduktion der Anzahl an kapitalbezogenen Mitspracheberechtigten erreicht der Bankkredit in dieser Zieldimension eine schlechtere Ausprägung als ein Konsortialkredit. Klein spricht in diesem Zusammenhang von einem de facto Mitspracherecht der Bank bei Bankkrediten.1290
1288
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. Campbell (1979), S. 920ff. 1290 Vgl. Klein (2004), S. 120. 1289
264 Die Gesamtschau aller Zieldimensionen verdeutlicht, dass Bankkredite aus Sicht eines Familienunternehmens keinesfalls ideal sind. Dieses Ergebnis ist auf den ersten Blick verwunderlich, da der traditionell dominierenden Außenfinanzierungsform damit eine dominierende Eignung abgesprochen wird. Erklärt werden kann die trotzdem hohe Nutzung eventuell mit den niedrigen Kosten dieser Finanzierungsform, die allerdings nur über eine Quersubventionierung aus anderen Bankbereichen funktioniert und nach Aussage von Experte 6, Geschäftsbereichsleiter der Deutschen Bank und zuständig für Fremdkapitalfinanzierung, vor der Finanzkrise auch teilweise ungesunde Züge angenommen hatte: „der Wettbewerb […] findet […] auf einem Niveau statt, wo ich mir nicht mehr vorstellen kann, dass das bleiben kann. Es sei denn, es wird Institute geben, die bereit sind ihr Kreditgeschäft insgesamt in tief roten Zahlen zu sehen und es aus anderen Bereichen heraus zu subventionieren. […] Im Moment haben wir ein signifikantes gap zwischen Kapitalmarktrefinanzierung […] und den Konditionen im Firmenkundengeschäft.“1291 Auch die schnelle und einfache Mobilisierung von Kapital über die Hausbank, bei der eventuell bereits ein privates Konto des Unternehmenseigners besteht, trägt vermutlich zur Dominanz dieses Instruments bei. Nichts desto trotz zeigen die bereits in Abschnitt 3.1.4 zitierten Erhebungen zur Finanzierung von Familienunternehmen eine der Anwendungsverbreitung entgegenstehende niedrige Zufriedenheit mit Bankkrediten.1292 Dies deutet darauf hin, dass Familienunternehmen sehr wohl die in Abb. 51 erkennbare mangelnde finanzwirtschaftliche Zielerreichung von Bankkrediten – bewusst oder unterbewusst – wahrnehmen. Eine direkte Auswirkung auf das Finanzierungsverhalten der breiten Masse an Familienunternehmen besteht allerdings noch nicht.
7.1.4.2. Schuldscheindarlehen In Abb. 52 werden die in Abschnitt 3.3.4.3 beschriebenen Charakteristika eines Schuldscheindarlehens auf das finanzwirtschaftliche Zielsystem übertragen. Aufgrund der vertraglichen Flexibilität und individuellen Ausgestaltung von Schuldscheinen mussten dazu bei den Dimensionen Informationspflicht und Einflussnahme Annahmen getroffen werden. Ausgehend von den instrumentenkonstitutiv hohen Anforderungen an die Bonität des Kreditnehmers scheinen stark ausgeprägte Informationspflichten in Verbindung mit minimaler Einflussnahme repräsentativ.
1291 1292
Experte 6 (2008), S. 3f. Vgl. Achleitner et al. (2008a), S. 29ff, Redlefsen/Eiben (2006), S. 8, Börner/Grichnik (2003), S 685f.
265 Die mittlere Zielerreichung im Bereich der Finanzierungskosten ist auf die fehlende Fungibilität des Schuldscheins zurück zu führen. Daher fallen die Nutzungskosten leicht über denjenigen einer Anleihe mit vergleichbarer Bonität – einer High Yield Anleihe – aus. Aufgrund der hinterlegten Kostenspanne in der Bewertungssystematik dieser Arbeit entspricht dies allerdings derselben Bewertung. Bei Informationspflichten, Fristigkeit und Sicherheiten ist der Schuldschein teilweise deutlich vom Optimum entfernt. In Bezug auf Flexibilität und externe Einflussnahme erfüllt der Schuldschein hingegen vollständig die Forderungen von Familienunternehmen.
Abb. 52: Schuldscheindarlehen im finanzwirtschaftlichen Zielsystem1293
7.2. Rangreihenfolge potenzieller Finanzierungsinstrumente
Nach der Untersuchung relevanter Finanzierungsalternativen auf ihre Kongruenz mit dem finanzwirtschaftlichen Zielsystem typisierter Familienunternehmen wird in den folgenden Abschnitten analysiert, inwiefern sich die individuelle Eignungsbewertung in eine Rangreihenfolge der Instrumente überführen lässt. Dazu werden zuerst empirische Erkenntnisse zur Pecking Order Theorie bei Familienunternehmen skizziert.
1293
Quelle: Eigene Darstellung.
266 7.2.1. Pecking Order bei Familienunternehmen aus anderen Beiträgen In den Abschnitten 5.1.2 und 5.2 wurde die Pecking Order als informationsökonomische Kapitalstrukturtheorie allgemein sowie ihre Übertragbarkeit auf Familienunternehmen erörtert. Die modellkonstitutiven Annahmen wie die Trennung von Führung und Eigentum führten dazu, eine unangepasste Übertragbarkeit abzulehnen. Explizit ausgenommen von der Ablehnung wurde die grundsätzliche Möglichkeit einer Pecking Order auch für Familienunternehmen. Die entscheidungsbegründende Informationsasymmetrie muss jedoch anders ausgeprägt oder um zusätzliche Determinanten erweitert sein, als in der traditionellen Pecking Order Theorie dargelegt.1294 Zu dieser Frage, ob Familienunternehmen bzw. KMU eine Rangreihenfolge entsprechend der Pecking Order Theorie aufweisen, existieren viele internationale Studien: López-Gracia/Sánchez-Andújar sowie Sogorb-Mira/Lopéz-Gracia untersuchen die Gültigkeit der Pecking Order Theorie für spanische KMU und kommen zum Ergebnis, dass sie Erklärungspotenzial empirischer Daten aufweist, dass die Trade-Off Theorie tatsächliche Kapitalstrukturen jedoch noch besser zu erklären vermag.1295 Bezogen auf portugiesische KMU widersprechen Ramalho/da Silva diesem Ergebnis: Profitabilität und Liquiditätsreserven sind negativ, Wachstum positiv mit der Verwendung langfristiger Fremdfinanzierung verbunden. Beides belegt die Gültigkeit der Pecking Order Theorie für portugiesische KMU.1296 Sonfield/Lussier weisen nach, dass US-amerikanische Familienunternehmen in erster Generation gegenüber späteren Generationen den niedrigsten Verschuldungsgrad aufweisen.1297 Auch dieser wachstumsinduzierte Aufbau von Verschuldung lässt sich mit der Pecking Order Theorie erklären.1298 Romano et al. untersuchen verschiedene Aspekte auf ihren Einfluss auf Kapitalstrukturen bei mehrheitlich australischen Familienunternehmen und kommen zu dem Ergebnis, dass die Pecking Order Theorie zur Erklärung von Finanzierungsentscheidungen bei Familienunternehmen beiträgt.1299 Poutziouris weist nach, dass kleine Familienunternehmen aus Großbritannien sich weitgehend parallel zur Pecking Order Theorie verhalten: Die Aufnahme externen Eigenkapitals als dritte und letzte Präferenzhierarchieebene spielt allerdings nur in
1294
Vgl. exemplarisch Weinberg (1994), S. 25ff, der sich von den modelltheoretischen Voraussetzungen der Pecking Order löst und Informationsasymmetrien als Finanzierungsdeterminante untersucht. Vgl. López-Gracia/Sánchez-Andújar (2007), S. 281f, Sogorb-Mira/López-Gracia (2003), S. 29. 1296 Vgl. Ramalho/da Silva (2006), S. 17f. 1297 Vgl. Sonfield/Lussier (2004), S. 199. 1298 Trotz des Aufbaus von Verschuldung mit steigendem Unternehmensalter, weisen Famililienunternehmen insgesamt niedrigere Verschuldungsquoten als Nicht-Familienunternehmen auf. Vgl. dazu die Abschnitte 5.3.1 und 5.3.2 zur höheren Risikoaversion von Familienunternehmen. 1299 Vgl. Romano et al. (2000). 1295
267 Ausnahmen eine Rolle.1300 Für KMU aus Großbritannien belegen ebenfalls Michaelas et al. das Erklärungspotenzial der Pecking Order Theorie.1301 Auch Watson/Wilson weisen für die Finanzierungsentscheidungen eignergeführter Unternehmen in Großbritannien ein großes Erklärungspotenzial der Pecking Order nach und erklären dies mit der besonderen Verbindung aus Management und Eigenkapitalgeber in Person des Eigentümers. Aufgrund der Bündelung beider Funktionen kann eine zwingende Erfüllung jener Modellannahme unterstellt werden, nach der das Management im Sinne der aktuellen Eigentümer handelt. Entsprechend werden potenzielle externe Kapitalgeber starke Auswirkungen von Informationsasymmetrien zu ihren Lasten erwarten.1302 Die Autoren postulieren damit eine über die traditionelle Pecking Order Theorie nach Myers hinausgehende Begründung für deren Gültigkeit bei Familienunternehmen – wie einleitend gefordert. Auch Wu et al. stellen die besonderen Anforderungen des Familienunternehmens in den Vordergrund, wenn sie postulieren, dass Familienunternehmen eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen oder Wachstum begrenzen, um die Aufnahme externer Gesellschafter zu verhindern.1303 Dieses Verhalten ist mit der Pecking Order Theorie vereinbar. Für Deutschland weisen Börner et al. nach, dass die Pecking Order einen bedeutenden Ausgangspunkt zur Erklärung existierender Kapitalstrukturen bei mittelständischen Unternehmen darstellt. Allerdings haben andere Effekte – wie die deutsche Steuersystematik – Einfluss auf die Erklärungsgüte.1304 Dies deckt sich mit den Ergebnisse einer früheren Untersuchung durch Börner/Grichnik: Die Fremdfinanzierung durch Bank- und Lieferantenkredite folgt der Innenfinanzierung mittels einbehaltener Gewinne. Nur in Ausnahmefällen als sogenanntes Last Resort wird externe Eigenkapitalfinanzierung genutzt.1305 Ebenso postulieren Achleitner et al. die Gültigkeit der Präferenzreihenfolge gemäß der Pecking Order Theorie für den deutschen Mittelstand.1306 Für den großen Mittelstand in Deutschland weist Schulte nach, dass die Kapitalstruktur profitabler und solcher Unternehmen mit hohem Cashflow mit den Erkenntnissen der Pecking Order übereinstimmen.1307 Gleichgerichtet sieht Brackschulze eine der Pecking Order Theorie entsprechende Präferenzordnung bei deutschen Familienunternehmen empirisch stärker ausgeprägt als bei Nicht-Familienunternehmen.1308
1300
Vgl. Poutziouris (2002), Poutziouris (2001). Vgl. Michaelas et al. (1999), S. 121f. Vgl. Watson/Wilson (2002). 1303 Vgl. Wu et al. (2007), S. 893. 1304 Vgl. Börner et al. (2008). 1305 Vgl. Börner/Grichnik (2003), S. 682. 1306 Vgl. Achleitner et al. (2005), S. 1. 1307 Vgl. Schulte (2007), S. 175. 1308 Vgl. Brackschulze (2005), S. 150. 1301 1302
268 7.2.2. Rangreihenfolge gemäß den Erkenntnissen dieser Arbeit Die Vielzahl der zitierten empirischen Belege legt die Existenz einer Pecking Order bei Familienunternehmen nahe. Daher ist untersuchungswürdig, inwiefern die bisherigen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit weitere dahingehende Interpretationsansätze bieten. Interessant ist dabei insbesondere der Detaillierungsgrad potenzieller Erkenntnisse. Denn mit der Betrachtung einzelner Instrumente geht die vorliegende Arbeit über die Metaebene der Pecking Order Theorie mit ihren vier Kategorien internen und externen Eigen- bzw. Fremdkapitals hinaus. Die Individualanalyse der Instrumente hat gezeigt, dass kein Instrument existiert, das den Optimalvorstellungen eines Familienunternehmens in allen Zieldimensionen entspricht. Dies
0 0 3 1 1 2 0 0 0 0 0 0 2 2 0 0
2 2 2 2 2 3 2 2 2 2 2 0 0 0 0 2
Sicherheiten
Finanzierungskosten
Die Bewertungen 0-3 (bzw. 0-4 in der Zieldimension Sicherheit und 0-10 bei Fristigkeit), die den einzelnen Finanzierungsinstrumente je Zieldimension zugewiesen werden, geben die Erfüllung der jeweiligen Zieldimension aus Sicht eines tpyisierten Familienunternehmens wieder, wobei 0 das Optimum und 3 (bzw. 4 und 10) den schlechtesten Wert darstellt. 0 0 0 0 0 0 0 Innenfinanzierung 3 2 3 3 3 3 1 Private Equity 1 2 3 1 3 3 3 Börsengang 2 0 0 0 0 0 0 Leasing 2 0 0 0 3 1 1 Factoring 2 0 0 0 2 3 2 Asset Backed Securities 2 1 2 3 2 3 1 Wandel-/Optionsanleihe vor Wandlung 3 2 3 3 3 3 1 Wandel-/Optionsanleihe nach Wandlung 3 1 2 3 2 3 1 Typische stille Gesellschaft 3 2 3 3 3 3 1 Atypische stille Gesellschaft 3 1 2 3 2 3 1 Genussrecht /-schein 2 1 2 3 2 3 1 Partiarisches Darlehen 1 1 2 3 3 3 1 Bankkredit 1 1 2 2 3 3 2 Konsortialkredit 2 1 2 2 3 3 2 Schuldscheindarlehen 2 0 0 0 2 3 2 High Yield Bond Tab. 28: Gegenüberstellung aller Finanzinstrumente in allen Zieldimensionen1309
Fristigkeit
Umfang ext. Einflussnahme Häufigkeit ext. Einflussnahme Anzahl Mitsprache berechtigter Umfang Informationspflichten Häufigkeit Informationspflichten Anzahl Informationsberechtiger Vertragliche Flexibilität Flexibilität Zahlungsstrom
verdeutlicht nochmals Tab. 28, die alle Instrumente gegenüberstellt.
0 5 0 6 10 4 1 0 1 1 1 0 6 6 4 1
0 0 0 2 2 2 2 0 0 0 0 0 4 4 2 1
Insofern hängt die Präferenzreihenfolge alternativer Instrumente von der individuellen Präferenzhierarchie der Gesellschafter bezogen auf die unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Ziele ab.1310 Eine dominante Alternative existiert nicht.1311 Messen die Gesellschafter eines Familienunternehmens beispielsweise minimalen Finanzierungskosten die höchste Priorität 1309
Quelle: Eigene Darstellung. Vgl. dazu auch Müller et al. (2006), S. 277. 1311 Eine dominante Alternative müsste auch ohne Kenntnis der Präferenzen individueller Gesellschafter allen anderen Alternativen in jeder Dimension überlegen oder zumindest gleich gestellt sein. Zum Konzept der Dominanz vgl. Eisenführ/Weber (2003), S. 12. 1310
269 bei, stellt Innenfinanzierung die präferierte Alternative dar. Anschließend folgen Bankkredit, Konsortialkredit und Börsengang. Soll maximale Unabhängigkeit im Sinne minimaler externer Einflussnahme erreicht werden, bilden Innenfinanzierung, Leasing, Factoring, ABS und High Yield Bonds geeignete Kapitalquellen. Auffallend ist, dass Innenfinanzierung – mit Ausnahme zahlungsstrombezogener Flexibilität – in allen Dimensionen die beste Ausprägung aufweist und gleichzeitig den Idealvorstellungen (Ausprägung 0) entspricht. Dies erklärt die zentrale Rolle dieser Finanzierungsform bei der bestehenden Kapitalbeschaffung deutscher Familienunternehmen – 92% aller deutschen Familienunternehmen nutzen Innenfinanzierung.1312 Die praktische Dominanz von Bankfinanzierung nach der Innenfinanzierung – über 80% Nutzung – deutet darauf hin, dass Finanzierungskosten tatsächlich eine stark gewichtete Zieldimension in der finanzwirtschaftlichen Präferenzhierarchie der meisten Familienunternehmen darstellen. Die geringe Nutzung des Börsengangs als dritte Alternative mit niedrigen Kosten – unter 5% aller Familienunternehmen – könnte darauf hindeuten, dass der Anspruch minimaler Finanzierungskosten den Nebenbedingungen minimaler externer Einflussnahme und Informationsverpflichtungen unterworfen wird, denn in diesen finanzwirtschaftlichen Zieldimensionen weist der Börsengang sehr schlechte Werte auf. Noch zwei weitere Ausschnitte der in Realität zu beobachtenden Präferenzhierarchie lassen sich mit dem Untersuchungsansatz dieser Arbeit erklären: Vergleicht man ausschließlich die Zielkongruenz der beiden Alternativen Leasing und Factoring, kann eine Dominanz von Leasing konstatiert werden. Die effektive Nutzung durch deutsche Familienunternehmen von ca. 80% bei Leasing und unter 20% bei Factoring bestätigt diese theoretisch abgeleitete Dominanz empirisch. Der deutliche Nutzungsabstand der beiden Instrumente kann im finanzwirtschaftlichen Zielsystem entweder auf die entstehenden Informationspflichten oder die niedrige Nutzungsdauer von Factoring zurückgeführt werden – vermutlich beide Aspekte gemeinsam. Auch die in Realität beobachtbare geringe Anwendung von Mezzanine- und PE Finanzierungen – unter 15% bzw. unter 10% – verläuft analog zu ihrer multidimensional niedrigen Anforderungskongruenz. Diese Übereinstimmungen zwischen praktischer Nutzung und theoretisch deduzierter Präferenz verdeutlichen das Erklärungspotenzial der Bewertungssystematik, die in der vorliegenden Arbeit entwickelt wurde. Eine in der tatsächlichen Nutzung ausgedrückte Präferenz vermag die alleinige Betrachtung des Untersuchungsmodells finanzwirtschaftlicher Ziele jedoch nicht zu belegen: Bei ausschließlicher Betrachtung der Zielkongruenzen müssten High Yield 1312
Zu den Prozentangaben der instrumentenspezifischen Nutzung vgl. Abschnitt 3.1.2.
270 Bonds wesentlich häufiger durch deutsche Familienunternehmen emittiert werden, als die Nutzung von deutlich unter 5% dies belegt. Allerdings sind in diese Überlegungen die in Abschnitt 6.3 erläuterten Voraussetzungen zur Bondemission mit einzubeziehen – und dabei insbesondere die notwendige Unternehmensgröße, über die nur ein kleiner Teil der deutschen Familienunternehmen verfügt. Dies verdeutlicht, dass die Untersuchungssystematik dieser Arbeit immer im Zusammenhang mit den instrumentenspezifischen Voraussetzungen betrachtet werden muss. Bezogen auf die Pecking Order Theorie und ihre familienunternehmensbezogene Anwendung deutet das entwickelte finanzwirtschaftliche Zielsystem grundsätzlich in dieselbe Richtung, wenn entsprechende zielbezogene Präferenzen der Gesellschafter unterstellt werden. Dominieren Finanzierungskosten, externe Einflussnahme und Informationspflichten bei der Auswahl eines Finanzierungsinstruments ergibt sich in Tab. 29 für die in der Pecking Order Theorie betrachteten Instrumente exakt die in der Theorie unterstellte Rangreihenfolge: Internes Eigenkapital (Innenfinanzierung), internes Fremdkapital (Bankkredit, Konsortialkredit),
Fristigkeit
Sicherheiten
0 1 2 2 3 1
Flexibilität Zahlungsstrom
Finanzierungskosten
Die Bewertungen 0-3 (bzw. 0-4 in der Zieldimension Sicherheit und 0-10 bei Fristigkeit), die den einzelnen Finanzierungsinstrumente je Zieldimension zugewiesen werden, geben die Erfüllung der jeweiligen Zieldimension aus Sicht eines tpyisierten Familienunternehmens wieder, wobei 0 das Optimum und 3 (bzw. 4 und 10) den schlechtesten Wert darstellt. Innenfinanzierung 0 0 0 0 0 0 Bankkredit 1 1 2 3 3 3 Konsortialkredit 1 1 2 2 3 3 High Yield Bond 2 0 0 0 2 3 Börsengang 1 2 3 1 3 3 Private Equity 3 2 3 3 3 3 Tab. 29: Pecking Order auf Basis der finanzwirtschaftlichen Zielkongruenz1313
Vertragliche Flexibilität
Umfang ext. Einflussnahme Häufigkeit ext. Einflussnahme Anzahl Mitspracheberechtigter Umfang Informationspflichten Häufigkeit Informationspflichten Anzahl Informationsberechtiger
externes Fremdkapital (High Yield Bond), externes Eigenkapital (Börsengang, PE).
0 2 2 0 3 0
2 0 0 2 2 2
0 6 6 1 0 5
0 4 4 1 0 0
Damit bietet das finanzwirtschaftliche Zielsystem eine Erklärungssystematik für die Gültigkeit der Pecking Order bei Familienunternehmen. Die Logik der vorliegenden Arbeit vermag damit die traditionellen Modellannahmen wie die Trennung zwischen Führung und Eigentum, die bei Familienunternehmen nicht bzw. nur sehr eingeschränkt gelten, zu ergänzen oder sogar zu ersetzen.1314 Das deutet darauf hin, dass entscheidungsorientierte Finanzierungsziele und -präferenzen die Forderung nach einem theoretischen Modellfundament, das für Famili-
1313
Quelle: Eigene Darstellung. Zur mangelnden Übertragbarkeit der Pecking Order Theorie auf Familienunternehmen aufgrund nicht erfüllter Voraussetzungen vgl. Abschnitt 5.2. 1314
271 enunternehmen anders ausfallen muss als in der ursprünglichen Pecking Order Theorie nach Myers dargelegt, erfüllen kann. Aber auch solch eine modifizierte Pecking Order Theorie liefert nur eingeschränkte Erkenntnisse zur Präferenzreihenfolge individueller Finanzierungsinstrumente: Kreditsubstitute und Mezzanine-Kapital werden nicht behandelt, eine Reihung einzelner Instrumente innerhalb der Kategorien internen bzw. externen Fremd- und Eigenkapitals erfolgt nicht. Diesbezüglich zeigten sich die im Rahmen dieser Arbeit befragten Experten davon überzeugt, dass sich Kreditsubstitute an dritter Stelle nach Innenfinanzierung und Bank- bzw. Konsortialkrediten in die Präferenzrangfolge deutscher Familienunternehmen einreihen.1315 Darauf folgen mezzanine Instrumente, die wiederum gegenüber externem Eigenkapital bevorzugt werden. Mit Experte 5 sieht lediglich ein Experte Substitute sogar noch vor Bankkrediten. Innerhalb externen Eigenkapitals waren sich die Experten 1, 4 und 6 einig, dass PE einem Börsengang bevorzugt wird. Alle Experten stimmten allerdings überein, dass jedes Familienunternehmen eine individuelle Grenze bzgl. der Akzeptanz zusätzlicher Finanzierungsinstrumente hat. Statt diese Grenze zu überschreiten und ein Instrument jenseits dieser selbst gesetzten Minimalpräferenz zu verwenden, nimmt das Unternehmen Wachstumseinschränkungen in Kauf. Keine Einigkeit bestand hingegen über die Positionierung dieser Grenze. Während Experte 1 diese erst für externes Eigenkapital überschritten sieht, zählen laut Experte 6 ebenso Anleihe und Private Debt zu den Instrumenten jenseits der erforderlichen Minimalakzeptanz. Die Experten 4, 5 und 7 ziehen die Grenze bereits nach Innenfinanzierung, Bank- bzw. Konsortialkredit und Kreditsubstituten. Schwörer sieht zusätzlich Schuldschein und stille Gesellschaft als Instrumente, deren Anwendung seitens des Gros deutscher Familienunternehmen noch ernsthaft erwogen wird.1316
7.3. Erkenntnisse zum finanzwirtschaftlichen Zielsystem als Bewertungsrahmen
Das im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelte finanzwirtschaftliche Zielsystem wurde ausführlich zur Bewertung der Eignung von High Yield Bonds für Familienunternehmen eingesetzt. Zusätzlich wurden überblickartig andere relevante Finanzierungsformen mit diesem Bewertungsrahmen hinsichtlich ihrer Zielkongruenz zu den finanzwirtschaftlichen Zielen von
1315
Dies bestätigt Börner auch für den deutschen Mittelstand. Vgl. Börner et al. (2008), S. 28. Zu den Interviewaussagen zu Präferenzreihenfolgen von Familienunternehmen vgl. Experte 6 (2008), S. 16f, Experte 7 (2008), S. 13f, Experte 5 (2008), S. 8f, Experte 4 (2008), S. 9f, Schwörer, C. (2008), S. 24f, Experte 1 (2008), S. 9.
1316
272 Familienunternehmen evaluiert. Unter Berücksichtigung der in Abschnitt 5.5.3 erläuterten Spezifika wie der notwendigen volumenspezifischen Anwendung und der Ordinalskalierung der meisten Zieldimensionen bleibt festzuhalten, dass die Systematik ihre Funktion als Bewertungsrahmen erfüllt. Die Ausgangsfrage der vorliegenden Arbeit konnte damit beantwortet werden. Zusätzlich liefert die Systematik weitere Anhaltspunkte bei der Untersuchung einer typischen Pecking Order von Familienunternehmen und kann die auf diesen Unternehmenstyp nicht übertragbare ursprüngliche Modellbegründung von Myers potenziell ergänzen oder eventuell sogar ersetzen. Die erfolgreiche Nutzung im wissenschaftlichen Kontext wirft die Frage auf, ob das finanzwirtschaftliche Zielsystem auch in der Unternehmenspraxis einsetzbar ist. Diese Frage ist positiv zu beantworten. Wie in Abschnitt 5.3.5 erläutert, bedarf der Finanzierungsbereich im typischen deutschen Familienunternehmen der Professionalisierung. Insbesondere aufgrund der erläuterten Notwendigkeit zur Priorisierung der finanzwirtschaftlichen Ziele kann das erarbeitete finanzwirtschaftliche Zielsystem als Management Tool dazu beitragen. Die unmittelbare Auseinandersetzung mit den unternehmens- bzw. eigentümerspezifischen Anforderungen an die Unternehmensfinanzierung kann den Startpunkt für einen Prozesses zur Entwicklung einer umfassenden Finanzierungsstrategie bilden. Weiterhin kann das finanzwirtschaftliche Zielsystem auf Basis der unternehmensindividuellen Priorisierung als Management Tool zur strukturierten Entscheidungsfindung bei konkreten Finanzierungsentscheidungen eingesetzt werden. Mit dieser individuellen Anpassbarkeit trägt es gleichzeitig der Heterogenität innerhalb der Klasse Familienunternehmen Rechnung. Die Eigentümer können Finanzierungsalternativen und resultierende Konsequenzen untersuchen und emotionale Faktoren in rationale Entscheidungskriterien überführen.
273
8. Zusammenfassung und Ausblick
8.1. Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Fragestellung, inwiefern High Yield Bonds ein geeignetes Instrument zur Ergänzung der traditionellen Finanzierung deutscher Familienunternehmen darstellen. Die zentralen Untersuchungsschritte zur Klärung dieser Frage und die daraus abgeleiteten Erkenntnisse können wie folgt zusammengefasst werden. 1. Die Finanzierungssituation deutscher Familienunternehmen ist durch den Einsatz einer geringen Zahl an Finanzierungsinstrumenten geprägt: Innenfinanzierung, die mehr als 92% aller Unternehmen nutzen, Bankkredite mit einer Nutzung von über 80% und Leasing, das von ca. 80% aller deutschen Familienunternehmen eingesetzt wird. Andere Instrumente spielen stark untergeordnete Rollen. 2. Aus dieser Finanzierungsstrategie erwachsen mehrere Herausforderungen: Erstens sind die Möglichkeiten zu Innenfinanzierung und Leasing instrumentenkonstitutiv begrenzt. Zweitens wird der Zugang zu Bankkrediten schwieriger und die Konditionen verteuern sich. Dies geht auf den Strukturwandel vom Banken- zum Kapitalmarktsystem in Deutschland zurück, der sich in zunehmender Disintermediation und Verbriefung von Schuldverhältnissen äußert. Weitere Gründe sind die Internationalisierung und Konzentration der Bankenlandschaft, veränderte regulatorische Rahmenbedingungen, die zu einer Differenzierung der Kreditkonditionen führen, steigende Anforderungen an Kreditnehmer sowie langfristige Auswirkungen der Subprime- bzw. Finanzmarktkrise. Drittens bietet die schlecht diversifizierte Kapitalstruktur deutscher Familienunternehmen keine ausreichende Flexibilität zum Ausgleich kurzfristig entstehenden Kapitalbedarfs. 3. Deutsche Familienunternehmen sind sich dieser Herausforderungen großteils bewusst. Das äußert sich in wachsender Unzufriedenheit mit der aktuellen Finanzierungssituation und einer Bewusstseinsbildung über die Notwendigkeit zur finanzierungsbezogenen Diversifikation. Dazu wurden relevante Kreditsubstitute, Eigenkapital-, Mezzanine- und Fremdkapitalinstrumente charakterisiert. Alle Instrumente weisen spezifische Stärken und Schwächen auf, keines stellt ohne Prüfung der situativen Rahmenbedingungen eine sofort erkennbare Ideallösung dar. Allerdings finden Corporate Bonds in der Diskussion potenzieller Finanzierungsalternativen im Verhältnis zu ihrer international ausgeprägten Bedeutung noch zu wenig Raum. Wie in Abschnitt 4.1.3.3 ausführlich hergeleitet, kommen für
274 typische deutsche Familienunternehmen aufgrund ihrer Größe und Spezifika dabei fast ausschließlich High Yield Bonds in Frage. 4. Von aktuellen Auswirkungen der Finanzkrise abgesehen wächst der europäische Markt für High Yield Bonds und seit einigen Jahren nutzen ihn auch deutsche Unternehmen, darunter allerdings sehr wenige Familienunternehmen – ohne parallel börsennotiertes Eigenkapital sogar nur ein einziges. Zugangsvoraussetzung zu diesem Markt sind zwei externe Ratings. Liegen diese vor, kann ein High Yield Bond emittiert werden, der sich durch Nachrangigkeit, unterbleibende Belastung von Sicherheiten, unternehmerfreundliche Incurrence Covenants, minimale Kündigungsrechte der Gläubiger und relativ lange Laufzeiten auszeichnet. Diesen Stärken stehen ein relativ aufwändiger Emissionsprozess, notwendige aber weitgehend auf den Investorenkreis beschränkbare Creditor Relations und relativ hohe Kosten gegenüber, die sich aus umfangreichen Einmalkosten für Fremdleistungen und der Ausgestaltung angemessenen Nutzungskosten ergeben. 5. Eine detaillierte Fallstudie zum Emissionsprozess eines High Yield Bond 2004 und den langfristigen Folgen für das nicht börsennotierte Familienunternehmen Peri sowie das positive Resümee der Eigentümer legen nahe, dass High Yield Bonds unter bestimmten Rahmenbedingungen eine attraktive Alternative zur bestehenden Finanzierungsstruktur deutscher Familienunternehmen darstellen können. 6. Zur Überprüfung, inwiefern dieser anekdotische Beleg auf die praktische Relevanz von High Yield Bonds für Familienunternehmen allgemein schließen lässt, bedarf es eines vom Einzelfall abstrahierenden Bezugsrahmens. Dazu wurden relevante Gebiete der Kapitalstruktur- und Finanzierungsforschung mit Irrelevanztheorem, Trade-Off-, PrincipalAgent und Pecking Order Theorie sowie Determinantenforschung und Behavioral Finance dargestellt und auf ihre Nutzbarkeit als Bezugsrahmen bewertet. Aufgrund modellimmanenter Voraussetzungen der verschiedenen Theorien bzw. der mangelnden Übertragbarkeit der deterministischen Beiträge ist die geforderte Nutzbarkeit als Bezugsrahmen ohne zusätzliche Interpretation in Richtung Familienunternehmen allerdings zu negieren. 7. Soll die Finanzierungsstrategie von Familienunternehmen sowie deren Fit zu einer bestimmten Koordinationsform der Kapitalmobilisierung untersucht werden, sind familienunternehmensspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen: Das Unternehmen ist die dominierende Kapitalanlage der Familienmitglieder, in der öffentlichen Wahrnehmung besteht eine weitgehende Identität von Familie und Unternehmen, es koexistieren ökonomische und nicht-ökonomische Motive, das Unternehmen und dessen Strategie wird durch die Unternehmerfamilie mittels kultureller und machtpolitischer Einflussnahme geprägt
275 und in der Wahrnehmung der Eigentümer ist Finanzierung eine Aufgabe nachgelagerter Relevanz gegenüber den Funktionen Vertrieb und Marketing. 8. Überführt man diese Determinanten in ein finanzwirtschaftliches Zielsystem typischer Familienunternehmen, müssen 6 Ziele mit 11 Zieldimensionen unterschieden werden (siehe Abb. 29 bis 34 zur grafischen Darstellung der Zieldimensionen): a) Minimierung der Finanzierungskosten bei ausreichender Liquidität, b) Minimierung von externer Einflussnahme und Kontrollrechtseinschränkungen mit den Dimensionen Umfang und Häufigkeit der Einflussnahme sowie Anzahl der Einflussnahmeberechtigten, c) Minimierung der Offenlegung interner Daten mit den Dimensionen Umfang und Häufigkeit der Offenlegung sowie Anzahl der Informationsberechtigten, d) Maximierung der Flexibilität mit den Dimensionen vertraglicher und zahlungsstrombezogener Flexibilität, e) Langfristigkeit und f) Minimierung der Stellung von Sicherheiten. 9. In Konsequenz führt dieses anspruchsvolle finanzwirtschaftliche Zielsystem zu einer in Realität beobachtbaren Wachstumsbeschränkung, weil nicht ausreichend finanzielle Ressourcen zur Realisierung aller barwertpositiven Investitionen zur Verfügung stehen. Entsprechend der individuell verschiedenen Gewichtung der einzelnen Ziele fallen diese selbstgesetzten Wachstumsbeschränkungen jedoch unterschiedlich restriktiv aus. 10. Ein Vergleich von High Yield Bonds mit Darlehen in Form von Konsortialkrediten verdeutlicht nochmals, dass beide Instrumente unterschiedliche Stärken und Schwächen aufweisen und zeigt, dass in Bezug auf das finanzwirtschaftliche Zielsystem von Familienunternehmen keine präferenzhierarchische Dominanz besteht. Intelligent kombiniert erfüllen High Yield Bonds und Bankkredite das finanzwirtschaftliche Zielsystem allerdings besser als bei isolierter Nutzung oder ausschließlicher Verwendung von Bankfinanzierungen. Konkret erfüllt die Emission von High Yield Bonds zur Befriedigung dauerhaften Kapitalbedarfs in Verbindung mit der Aufnahme von Krediten zur Finanzierung kurzfristiger Kapitalbedarfsspitzen 4 von 6 der finanzwirtschaftlichen Ziele von Familienunternehmen besser als die traditionelle Finanzierung: Maximale Flexibilität, minimale Sicherheitenstellung, Fristigkeit und minimale Kontrollrechtseinschränkungen. Lediglich bei den Zielen minimaler Finanzierungskosten und Offenlegung interner Daten kann die Kombination beider Instrumente keine Verbesserung gegenüber der traditionellen Kapitalstruktur erreichen. Über diese Zielkongruenzanalyse hinaus vermag die Kombination
276 von Bond und Kredit zusätzlich mehrere der Herausforderungen zu lösen, denen traditionell finanzierte Familienunternehmen gegenüber stehen. Der langfristige Wandel vom Bank- zum Kapitalmarktsystem wird aktiv genutzt und Flexibilität zur Befriedigung kurzfristig entstehenden Kapitalbedarfs wird durch die Erschließung einer neuen, ergiebigen Kapitalquelle geschaffen. Zusätzlich werden die potenziellen Auswirkungen exogener Schocks durch eine Diversifizierung der Finanzierung in Bezug auf Fristigkeit und Anzahl der Instrumente reduziert. Zuletzt dient die Emission eines High Yield Bond auch der Professionalisierung des Familienunternehmens – im Finanzbereich und darüber hinaus. Zusammenfassend kann die Frage, ob ein High Yield Bond als Ergänzung zum traditionellen Bankkredit geeignet ist, positiv beantwortet werden. 11. Allerdings muss ein Familienunternehmen gewisse Anforderungen erfüllen, wenn es High Yield Bonds nutzen möchte. Der grundsätzliche Wille zur Finanzierung am Fremdkapitalmarkt muss bestehen und zusätzlich müssen konkrete Voraussetzungen in Bezug auf Cashflows, Unternehmensgröße, Unternehmensstrategie und Reifegrad gegeben sein. 12. Zuletzt wurde die Erfüllung des finanzwirtschaftlichen Zielsystems durch andere, relevante Kreditsubstitute, Eigenkapital-, Mezzanine- und Fremdkapitalinstrumente untersucht (Abb. 41 bis 52), um sie anschließend den Ergebnissen zur Forschung der Pecking Order Theorie bei Familienunternehmen gegenüberzustellen. Verglichen mit den in der ursprünglichen Theorie enthaltenen Instrumenten kommt die Untersuchungssystematik der vorliegenden Arbeit weitgehend zur selben Rangreihenfolge: Innenfinanzierung vor Kredit, Kapitalmarktanleihe und externem Eigenkapital. Bezieht man zusätzlich die anderen relevanten Instrumente aus Mezzanine-Kapital und Kreditsubstituten in die Rangreihenfolge mit ein, zeigt sich, dass eine Pecking Order immer von der individuellen Priorisierung der einzelnen finanzwirtschaftlichen Ziele durch das einzelne Familienunternehmen abhängt. Aus der praktischen Nutzung unterschiedlicher Finanzierungsinstrumente ableitbare Präferenzen stimmen mit den Erkenntnissen dieser Arbeit überein. 13. Das entwickelte finanzwirtschaftliche Zielsystem stellt eine geeignete Systematik dar, um unterschiedliche Finanzierungsformen bzgl. ihrer Eignung für Familienunternehmen zu bewerten. Seine Nutzbarkeit im wissenschaftlichen Kontext hat die vorliegende Arbeit verdeutlicht. Darüber hinaus kann es als Management Tool in der Unternehmenspraxis eingesetzt werden. Nach einer unternehmensindividuellen Priorisierung der unterschiedlichen finanzwirtschaftlichen Ziele trägt es zur strukturierten Entscheidungsfindung bei und liefert einen Baustein zur notwendigen Professionalisierung des Finanzbereichs in deutschen Familienunternehmen.
277 8.2. Anregung für Familienunternehmen
Was können Familienunternehmen „mitnehmen“ von den Erkenntnissen dieser Arbeit? Als erste Anregung sollten Familienunternehmer sich ebenso aktiv und strategisch mit der Finanzierung ihres Unternehmens auseinandersetzen, wie sie Marktchancen und Kundenbedürfnisse analysieren. Das ist notwendig, weil die traditionelle Kapitalbeschaffung über Innenfinanzierung, Bankkredit und Leasing nicht zukunftssicher ist. Um diese Auseinandersetzung zu ermöglichen, müssen Familienunternehmer sich allerdings über ihre individuelle Zielpriorisierung Klarheit verschaffen. Anhand des in der vorliegenden Arbeit entwickelten finanzwirtschaftlichen Zielsystems kann diese Priorisierung strukturiert durchgeführt werden. Auf Basis des dann individualisierten und auf die spezifischen Rahmenbedingungen des Unternehmens angepassten finanzwirtschaftlichen Zielsystems können anschließend unterschiedliche Instrumente auf ihren spezifischen Fit untersucht und geeignete Finanzierungsstrukturen identifiziert werden. Als zweite Anregung sollten Familienunternehmen eine Finanzierung über den Fremdkapitalmarkt nicht grundsätzlich ausschließen. Wie die in der vorliegenden Arbeit enthaltene Fallstudie zeigt, gibt es Finanzierungsanlässe, bei denen eine Diversifizierung über High Yield Bonds sehr attraktiv ist.1317 Allerdings müssen auch die jeweils aktuellen Finanzmarktgegebenheiten in diese Überlegungen einbezogen werden. In Marktsituationen wie während der Subprimekrise kann eine High Yield Bondfinanzierung preislich unattraktiv oder gar nicht verfügbar sein.1318 Besteht marktseitig allerdings die Möglichkeit zur Emission, bieten ein High Yield Bond und die notwendigen externen Ratings einige Potenziale für Familienunternehmen, die über die reine Finanzierungsfunktion hinaus gehen.
8.3. Anregung für weitere Forschungsfelder
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde mit dem finanzwirtschaftlichen Zielsystem von Familienunternehmen eine eigene Bewertungssystematik zur Attraktivitätsbewertung von Finanzierungsinstrumenten allgemein und High Yield Bonds im Speziellen entwickelt. Zur Beantwortung der zentralen Fragestellung dieser Arbeit reicht dieses Instrument in der erarbeiteten theoretischen und empirischen Tiefe aus. Trotzdem bieten die gewonnenen Erkenntnisse Raum für weitere Forschung zur finanzwirtschaftlichen Meinungs- und Entscheidungs-
1317 1318
Vgl. die Ausführungen zur Fallstudie in Abschnitt 4.2. Vgl. Experte 6 (2008), S. 9.
278 bildung von Familienunternehmen. Die Erfüllung folgender Desiderata an zukünftige Forschungsarbeiten erscheint besonders vielversprechend. Bezogen auf das finanzwirtschaftliche Zielsystem von Familienunternehmen wäre eine Hinterlegung mit detailliert operational messbaren Kriterien wünschenswert, um die Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit einer empirischen Überprüfung zuzuführen. Diese Überprüfung könnte sich darauf beziehen, ob bzw. welchen Anteil empirisch beobachtbarer Finanzierungsentscheidungen die entwickelten Ziele und Zieldimensionen zu erklären vermögen. Hierbei böte sich eine großzahlige Erhebung bei Familienunternehmen an, die einerseits die Gewichtung der Finanzierungsziele und andererseits die tatsächliche Nutzung unterschiedlicher Finanzierungsinstrumente ermittelt. In der Gegenüberstellung dieser Ergebnisse mit den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit kann der empirische Erklärungsgehalt des finanzwirtschaftlichen Zielsystems für tatsächliche Finanzierungsentscheidungen bewertet werden. Um Verzerrungen zu vermeiden, müssten im Rahmen der Gegenüberstellung von Finanzierungszielen und -instrumenten zusätzlich etwaige Abweichungen zwischen Finanzierungsanspruch und -realität bei den befragten Unternehmen berücksichtigt werden. Dazu wäre eine Erfragung der Zufriedenheit mit der aktuellen Finanzierungssituation des Unternehmens entlang der Dimensionen des finanzwirtschaftlichen Zielsystems sinnvoll. Idealerweise würde die gesamte Erhebung nicht nur einmalig sondern mehrfach nach Ablauf zu definierender Fristen erfolgen, um Veränderungen und langfristige Entwicklungen bei Zielen, genutzten Finanzierungsformen und der Zufriedenheit damit in die Analyse mit einfließen zu lassen. Ein weiterer potenzieller Forschungsansatz mit Bezug zum finanzwirtschaftlichen Zielsystem wäre eine repräsentative Erhebung bei deutschen Familienunternehmen, die gezielt untersucht, ob erkennbare Muster in der Priorisierung der sechs finanzwirtschaftlichen Ziele bestehen und wenn ja, ob diese Muster sich in einer unterschiedlichen Nutzung von Finanzierungsinstrumenten äußern. Auch hierzu müssten die Gewichtung der Finanzierungsziele sowie die jeweils genutzten Finanzierungsinstrumente im Rahmen einer großzahligen Erhebung bei Familienunternehmen erfragt werden. In Kombination mit der Erhebung beschreibender Variablen wie Jahresumsatz, Anzahl der Mitarbeiter, Unternehmensalter, Branche etc. könnte eine Analyse zeigen, ob beispielsweise das Alter oder die Größe des Unternehmens Einfluss auf die Gewichtung unterschiedlicher Finanzierungsziele hat. Auch die Frage, ob etwa das Vorhandensein eines familienexternen CFO Einfluss auf die Gewichtung der Ziele hat, wäre untersuchungswürdig. Gleichzeitig sollte auch zwischen den genutzten Instrumenten und den beschreibenden Variablen nach Mustern bzw. bestimmten Unternehmenstypen gesucht werden. In einem zweiten Schritt könnten die tatsächlich genutzten Instrumente für die identifi-
279 zierten Gruppen bzw. Typen von Unternehmen den gewichteten Zielen des finanzwirtschaftlichen Zielsystems und resultierenden Rangreihenfolgen an Finanzierungsformen gemäß den Erkennissen der vorliegenden Arbeit gegenübergestellt werden, zu deren empirischer Validierung dies wiederum beitragen würde. Ein dritter weiterführender Forschungsansatz ergibt sich aus dem Ergebnis der vorliegenden Arbeit, dass ein Bankkredit keineswegs eine ideale Finanzierung für Familienunternehmen darstellt und trotzdem nach der Innenfinanzierung noch immer das dominierende Finanzierungsinstrument bildet. In diesem Zusammenhang wäre eine Untersuchung zu den Gründen für diese Dominanz trotz der teilweise schwachen Erfüllung der finanzwirtschaftlichen Ziele erstrebenswert. Potenzielle Erklärungsansätze könnten auf der bestehenden Geschäftsbeziehung zwischen Banken und Gesellschaftern im Rahmen der privaten Kontoführung, einem vereinfachenden und etwas kurzsichtigen Fokus auf Finanzierungskosten unter Ausblendung anderer Faktoren oder der erfolgreichen Lobbyarbeit von Banken fußen. Nach einer Hypothesenbildung zu den Gründen wären diese beispielsweise in einer großzahligen Erhebung bei Familienunternehmen zu untersuchen. Ein vierter Aspekt, dessen weitergehende Untersuchung interessant wäre, betrifft die Eingangs der Arbeit angesprochene Unterscheidung zwischen dem Industriekapitalismus von Familienunternehmen und dem Finanzmarktkapitalismus von Nicht-Familienunternehmen. Wie ausführlich erläutert, ist die typische Finanzierung eines Familienunternehmens Resultat dieses unternehmerischen Paradigmas. Die vorliegende Arbeit hat allerdings gezeigt, dass der Einsatz innovativer Finanzierungsinstrumenten jenseits des Bankkredits keinesfalls eine paradigmatische Entscheidung für den Finanzmarktkapitalismus darstellt. Vielmehr ist eine finanzierungsseitige Diversifizierung industriekapitalistisch geprägter Familienunternehmen aus vielerlei Gründen sinnvoll und erstrebenswert und impliziert keine Wandlung vom Familienzum Nicht-Familienunternehmen. Der zugrundeliegende Prozess der Annäherung von Familienunternehmen an den „gefühlten“ Finanzmarktkapitalismus hat jedoch erst begonnen. Um diesen Prozess besser zu verstehen, wäre eine wirtschaftssoziologische Untersuchung des zugrundeliegenden unternehmerischen Paradigmas erstrebenswert. In den Medien ist die Unterscheidung zwischen Industrie- und Finanzmarktkapitalismus bereits sichtbar. So beschreibt beispielsweise Amann Ferdinand Piëch als Firmenpatriarch mit ausgeprägtem Fokus auf Produkt und Technik und damit als Paradebeispiel für einen Industriekapitalist, der eine Abneigung hegt gegen die Methoden des externen, finanzmarktkapitalistisch geprägten Managers Wendelin Wiedeking, der komplizierte Finanzmarktinstrumente nutzt, um seine Strategie zu
280 verfolgen.1319 Dezidierte wirtschaftssoziologische Forschung zu den unternehmenskulturellen Ausprägungen und Motiven des Industriekapitalismus von Familienunternehmen einerseits und dem Finanzmarktkapitalismus von Nicht-Familienunternehmen andererseits findet allerdings noch nicht statt. Deren Erkenntnisse wären aber sehr hilfreich für ein besseres Verständnis der Unternehmenskultur von Familienunternehmen.
1319
Vgl. Amann (2009).
281
Anhang Anhang A: Theoretische Kuponentwicklung von High Yield Bonds
In Ergänzung zu den Ausführungen in Abschnitt 4.1.7 stellt Abb. 53 den theoretisch geforderten Kupon einer Neuemission zu pari dar. Dieser ergibt sich für jeden dargestellten Zeitpunkt durch Addition von Spread (BB, B oder C) und risikolosem Zinssatz (AAA) aus Abb. 54, die als Abb. 23 im genannten Abschnitt dargestellt ist. Die Indexentwicklungen ab Sommer 2008 werden bewusst nicht in die Betrachtung einbezogen, da die Spread-Entwicklungen hier bereits die Finanzkrise abbilden und eine Emission nicht mehr möglich war. C
14%
B
12%
Kupon
10%
BB
8% 6% 4% 2% 0% 07/2006 10/2006 01/2007 04/2007 07/2007 10/2007 01/2008 04/2008 07/2008 theoretischer Kupon BB Anleihe theoretischer Kupon C Anleihe
theoretischer Kupon B Anleihe
Abb. 53: Theoretische Kuponentwicklung für Neuemissionen1320 C
900 800 700
B
Basispunkte .
1000
600 500 400 300
BB
200 100 0 07/2006
10/2006
01/2007 04/2007 07/2007
Spread BB (Asset Swap Index) Spread C (Asset Swap Index)
10/2007 01/2008
04/2008
07/2008
Spread B (Asset Swap Index) Spread AAA (Staatsanleihen Index)
Abb. 54: Index-Spreads europäischer High Yield Bonds und Staatsanleihen1321
1320 Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung basierend auf Merrill Lynch (Hrsg.) (2008e), Merrill Lynch (Hrsg.) (2008f), Merrill Lynch (Hrsg.) (2008g) und Merrill Lynch (Hrsg.) (2008h).
282 Anhang B: Inhaltsverzeichnis des Peri Offering Memorandum
Tab. 29 zeigt das in Abschnitt 4.2.3.3 thematisierte Verhältnis der im Peri Offering Memorandum enthaltenen Daten, die sich einerseits auf das Unternehmen und andererseits auf die konkrete Gestaltung des High Yield Bond beziehen. Inhalt Sei Summary 1 Risk Factors 12 Use of Proceeds 21 Capitalization 22 Selected Financial Data 23 Management’s Discussion and Analysis of Financial 27 Condition and Results of Operation Summary of Significant Differences between German 57 GAAP, IFRS/IAS and U.S. GAAP Industry Overview 61 Business 64 Management 79 Principal Shareholders 81 Related Party Transactions 82 Description of Other Indebtedness 83 Description of the Notes 85 Book-Entry, Delivery and Form 121 Plan of Distribution 125 Notice to Investors 127 Service of Process and Enforcement of Civil Liabilities 130 Taxation Considerations 131 Legal Matters 135 Where You Can Find Other Information 135 Independent Auditors 135 Listing and General Information 136 Index to Consolidated Financial Statements F-1 Tab. 30: Inhaltsverzeichnis des Peri Offering Memorandum1322
Bezug Unternehmen und Anleihe: 12 Seiten
Unternehmen: 71 Seiten
Bond und Emissionsprozess: 51 Seiten
Finanzdaten Unternehmen: 43 Seiten
1321 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Merrill Lynch (Hrsg.) (2008e), Merrill Lynch (Hrsg.) (2008f), Merrill Lynch (Hrsg.) (2008g) und Merrill Lynch (Hrsg.) (2008h). 1322 Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Peri GmbH (Hrsg.) (2004a), Rückseite.
283
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Experte 3 (2008): Finanzierung von Familienunternehmen, Telefonisches Interview, geführt vom Verfasser, Ulm, 27.05.2008.
Experte 4 (2008): Finanzierung von Familienunternehmen, Telefonisches Interview, geführt vom Verfasser, Ulm, 10.06.2008.
Experte 5 (2008): Finanzierung von Familienunternehmen, Telefonisches Interview, geführt vom Verfasser, Ulm, 17.06.2008.
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