ROLAND EMMERICH PRÄSENTIERT EINE CENTROPOLIS UND CLAUSSEN+WÖBKE FILMPRODUKTTON
HIGH CRUSADE Frikassee im Weltraum
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ROLAND EMMERICH PRÄSENTIERT EINE CENTROPOLIS UND CLAUSSEN+WÖBKE FILMPRODUKTTON
HIGH CRUSADE Frikassee im Weltraum
EIN KLAUS KNOESEL UND HOLGER NEUHÄUSER FILM MIT JOHN RHYS-DAVIES RICK OVERTON MICHAEL DES BARRES CATHERINE PUNCH PATRICK BRYMER DEBBIE LEE CARR1NGTON RINALDO TALAMONTI UND RAY COKES NACH DEM ROMAN VON POUL ANDERSON DREHBUCH JÜRGEN EGGER UND ROBERT G. BROWN VISUELLE EFFEKTE KARL-HEINZ CHRISTMANN UND MAGICMOVE KOSTÜME HEIKE HÜTT PRODUKTIONSLEITUNG CLAUDIA F. KNOLL MUSIK 4.STOCK SCHNITT UELI CHRISTEN KAMERA WOLFGANG AICHHOLZER PRODUKTIONSDESIGN FRANK BOLLINGER UND HARALD TURZER SFK EXECUTIVE PRODUCER ROLAND EMMERICH PRODUZENTEN UTE EMMERICH, JAKOB CLAUSSEN UND THOMAS WÖBKE REGIE HOLGER NEUHÄUSER UND KLAUS KNOESEL 1994 CENTROPOLIS/CLAUSSEN+WÖBKE. ALL RIGHTS RESERVED
Poul Anderson
HIGH CRUSADE Frikassee im Weltraum Der Roman zum Film
Ins Deutsche übertragen von Heinz Nagel
BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH Band 13.593 Erste Auflage: Juni 1994 Dieser Roman ist bereits 1982 unter dem Titel Sir Rogers himmlischer Kreuzzug< im Moewig-Verlag erschienen
© Copyright 1960 by Street & Smith Publications, Inc. All rights reserved Deutsche Lizenzausgabe 1994 by Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co. Bergisch Gladbach Originaltitel: The High Crusade Copyright © der deutschen Übersetzung 1982 by Arthur Moewig Verlag Taschenbuch GmbH, Rastatt Lektorat: Reinhard Rohn Titelillustration: Renato Casaro Umschlaggestaltung: Ouadro Grafik, Bensberg Satz: KCS GmbH, Buchholz/Hamburg Druck und Verarbeitung: Brodard & Taupin, La Fleche, Frankreich Printed in France 1SBN 3-404-13S93-8 Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Für Jens Christian und Nancy Hostrup aber auch für Per und Janne – voller Dankbarkeit und Hoffnung
PROLOG Der Kapitän blickte auf. Im Licht der Schreib tischlampe wirkte sein Gesicht, als bestünde es aus dunklen Tälern und aus gezackten Gipfeln. Ein Bullauge stand der Sommernacht einer fremden Welt offen. »Nun?« sagte er. »Ich habe es übersetzen lassen, Sir«, antwor tete der Soziotechniker. »Ich mußte von den modernen Sprachen zurück extrapolieren, des halb hat es so lange gedauert. Aber im Laufe meiner Arbeit habe ich genügend gelernt, um mit diesen... Geschöpfen sprechen zu können.« »Gut«, brummte der Kapitän. »Jetzt kriegen wir vielleicht doch noch heraus, was das Ganze soll. Donner und Blitz! Ich hab' hier draußen mit allem möglichen gerechnet, aber nicht da mit.!« »Ich weiß, wie Ihnen zumute ist, Sir. Selbst mit den ganzen greifbaren Beweisen vor Augen fiel es mir immer noch schwer, dem Bericht zu glauben.« »Schon gut, ich will ihn sofort lesen. Man be kommt ja hier doch keine Ruhe.« Der Kapitän entließ den Soziotechniker mit einem Kopf nicken.
Einen Augenblick lang saß der Kapitän unbe wegt da, sah das Dokument an, ohne es dabei wirklich zu sehen. Das Buch selbst war ein drucksvoll antik gewesen, Unzialen auf Perga ment, zwischen massiven Deckeln. Diese Über setzung hingegen war ganz prosaisch mit der Maschine geschrieben. Und doch hatte er bei nahe Angst, die Seiten umzublättern, Angst vor dem, was er vielleicht erfahren würde. Vor mehr als tausend Jahren hatte es eine schreck liche Katastrophe gegeben; das Echo ihrer Nachwirkungen war noch zu vernehmen. Der Kapitän kam sich sehr klein und einsam vor. Die Heimat war fern. Und doch... Er begann zu lesen.
KAPITEL 1 Erzbischof William, ein höchst gelehrter und heiliger Prälat, hat mir befohlen, jene großen Ereignisse, deren demütiger Zeuge ich war, in englischer Sprache niederzuschreiben. Und so ergreife ich im Namen des Herrn und meines Namenspatrons den Federkiel, vertraue dar
auf, daß sie meinen schwachen Kräften der Er zählung zu Hilfe kommen mögen, um künftiger Generationen willen, die vielleicht mit Nutzen den Bericht des Feldzugs von Sir Roger de Tourneville studieren und daraus lernen mö gen, den großen Gott zu verehren, durch den alle Dinge geschehen. Ich werde von diesen Ereignissen genauso schreiben, wie ich sie in Erinnerung habe, ohne Furcht und zu niemandes Vorteil, um so mehr, als die meisten, die es betrifft, jetzt tot sind. Ich selbst war ganz bedeutungslos, aber da es sich geziemt, den Chronisten bekanntzu machen, auf daß die Menschen sich darüber ein Urteil bilden mögen, wie vertrauenswürdig er ist, sei es mir gestattet, zuerst ein paar Wor te über ihn zu sagen. Ich wurde gut vierzig Jahre vor dem Beginn meiner Geschichte als jüngster Sohn von Wat Brown geboren. Er war ein Schmied in der klei nen Ortschaft Ansby im Nordosten der Graf schaft Lincolnshire. Die Ländereien waren dem Baron de Tourneville zu Lehen gegeben, dessen alte Burg auf einem Hügel über der Stadt stand. Auch gab es dort eine kleine Abtei des Franziskanerordens, dem ich als Knabe beitrat. Da ich mir einiges Geschick (wie ich fürchte, das einzige Geschick, das ich besitze)
im Lesen und Schreiben erworben hatte, mach te man mich oft zum Lehrer dieser Künste für die Novizen und die Kinder der Laien. Den Na men, den man mir als Knaben gab, übersetzte ich ins Lateinische und machte ihn zu meinem Ordensnamen, gleichsam eine Lektion in Be scheidenheit, und so bin ich Bruder Parvus. Denn ich bin von kleinem Wuchs und nicht von der Natur begünstigt, dafür jedoch glücklich, das Vertrauen der Kinder zu genießen. Im Jahre der Gnade 1345 sammelte Sir Roger eine Armee, um unserem mächtigen König Ed ward III. und seinem Sohn im französischen Krieg zur Seite zu stehen. Ansby war der Ver sammlungsort. Am ersten Tag des Mai war die ganze Armee versammelt. Sie bezog zwar auf der Gemeindewiese ihr Lager, verwandelte aber dennoch unsere stille Ortschaft in einen einzigen Aufruhr. Bogenschützen, Armbrust schützen, Pikenträger und Kavallerie schwärmten durch die schlammigen Straßen, trinkend, spielend, hurend, scherzend und streitend, zum Schaden ihrer Seele und unse rer schindelgedeckten Hütten. In der Tat verlo ren wir zwei Häuser an das Feuer. Und doch trugen sie ungewohnte Glut in unsere Mitte, ein Gefühl des Ruhms, von der Art, daß selbst die Sklaven wehmütig daran dachten, wie
schön es wäre, sich ihnen anzuschließen, wäre es nur möglich. Selbst ich gab mich solchen Ge danken hin. Für mich hätte es sich sogar ver wirklichen können, denn ich hatte Sir Rogers Sohn unterrichtet und auch seine Bücher in Ordnung gebracht. Der Baron sprach davon, mich zu seinem Amanuensis zum machen; doch mein Abt hegte noch Zweifel. So standen die Dinge, als das Wersgor-Schiff eintraf. Ich erinnere mich noch gut an den Tag. Ich war draußen und hatte einen Gang zu tun. Das Wetter war wieder sonnig geworden, vor her hatte es geregnet, und die Straße war knö cheltief mit Schlamm bedeckt. Ich bahnte mir durch die Soldatengruppen meinen Weg und nickte denen zu, die ich kannte. Plötzlich erhob sich großes Geschrei. Ich hob den Kopf wie die anderen. Fürwahr! Es war wie ein Wunder! Durch den Himmel senkte sich ein Schiff, das ganz aus Metall war, und es schien ungeheuerlich anzu schwellen, je näher es kam. Die Sonne spiegelte sich so grell in seinen polierten Wänden, daß ich seine Form gar nicht deutlich zu erkennen vermochte. Ein riesiger Zylinder, dachte ich, gut zweitausend Fuß lang. Und sah man vom Pfeifen des Windes ab, so bewegte es sich ohne Geräusch.
Jemand schrie. Eine Frau kniete in einer Pfüt ze nieder und begann, Gebete herunterzulei ern. Ein Mann schrie, seine Sünden hätten ihn ereilt, und kniete neben ihr nieder. So sehr auch dieses Tun Gott wohlgefällig war, so war mir doch klar, daß in einer solchen Masse Men schen Leute zu Tode getrampelt würden, wenn es zu einer Panik kam. Und das war ohne Zwei fel nicht der Wunsch Gottes, selbst wenn Er diese Heimsuchung geschickt hatte. Kaum wissend, was ich tat, sprang ich auf eine mächtige eiserne Bombarde, deren Lafette bis zur Achse in unserer Straße versunken war. »Bleibt stehen!« rief ich. »Habt keine Angst! Bewahrt den Glauben und bleibt stehen!« Meine schwache Stimme verhallte ungehört. Dann sprang Red John Hameward, der Haupt mann der Langbogenschützen, neben mir auf die Kanone. Ein munterer Riese mit Haaren wie gesponnenes Kupfer und wilden blauen Augen, war er seit seiner Ankunft in Ansby mein Freund gewesen. »Ich weiß nicht, was jenes Ding ist«, brüllte er. Seine Stimme rollte über das allgemeine Murmeln, das langsam erstarb. »Vielleicht ein Trick der Franzosen. Aber es mag auch sein, daß es freundlich gestimmt ist, und dann wür de unsere Furcht um so dümmer wirken. Folgt
mir, jeder Soldat, wir wollen ihm entgegentre ten, wenn es landet.« »Zauberei!« schrie ein alter Mann. »Das ist Hexerei, das ist unser Untergang!« »Nein«, sagte ich. »Hexerei kann guten Chri sten nichts anhaben.« »Aber ich bin ein armseliger Sünder«, jam merte er. »Sankt Georg und König Edward!« Red John sprang vom Kanonenrohr, rannte die Straße hinunter. Ich raffte meine Kutte und keuchte hinter ihm her, versuchte, mich an die Formeln für die Teufelsaustreibung zu erinnern. Als ich mich umsah, stellte ich zu meiner Überra schung fest, daß der größte Teil der Kompanie uns folgte. Wohl weniger, weil sie sich am Bei spiel des Bogenschützen ein Herz gefaßt hat ten, als vielmehr, weil sie Angst hatten, ohne Führer allein gelassen zu werden. Aber sie folg ten uns - in ihr eigenes Lager, um sich die Waf fen zu holen, und dann auf die Gemeindewiese hinaus. Ich sah, wie die Reiter sich aufs Pferd geworfen hatten und jetzt vor der Burg hügel abwärts donnerten. Sir Roger de Tourneville, ohne Rüstung, aber mit einem Schwert an der Hüfte, führte die Reiter an. Er schrie und schlug mit seiner Lan ze um sich. Er und Red John schafften es ir
gendwie, das Pack in eine Art Schlachtordnung zu zwingen. Sie waren kaum damit fertig, als das große Schiff landete. Es sank tief in die weiche Erde ein; sein Ge wicht war ungeheuer, und ich wußte nicht, was es so leicht durch die Lüfte getragen hatte. Ich sah, daß es völlig umschlossen war. Eine glatte Schale ohne Hinterdeck oder Vorderkastell. Nicht, daß ich mit Rudern gerechnet hätte, aber etwas in mir fragte sich (ohne auf das wil de Pochen meines Herzens zu achten), weshalb es keine Segel hatte. Aber Türme entdeckte ich, aus denen Rohre ragten wie die von Bombar den. Plötzlich herrschte Schweigen. Sir Roger schob sein Pferd neben mich, wie ich so mit klappernden Zähnen dastand. »Du bist ein ge lehrter Kleriker, Bruder Parvus«, sagte er ru hig, obwohl seine Nase ganz weiß und sein Haar vom Schweiß feucht war. »Was hältst du davon?« »Wahrhaft, ich weiß es nicht, Sire«, stammel te ich. »Die alten Geschichten berichten von Zauberern - wie Merlin - , die durch die Luft fliegen.« »Könnte es göttlich sein?« Er bekreuzigte sich. »Es kommt mir nicht zu, solches zu entschei
den.« Ich blickte furchtsam himmelwärts. »Doch ich sehe keinen Engelschor.« Ein halblautes Klirren kam aus dem Schiff, übertönt von einem Stöhnen der Furcht, als sich eine kreisförmige Tür zu öffnen begann. Aber alle blieben stehen - weil sie Engländer waren oder einfach deshalb, weil sie zuviel Angst hatten, um fortzulaufen. Ich entdeckte, daß die Tür von doppelter Art war, mit einer Kammer dazwischen. Eine Ram pe aus Metall schob sich vor, wie eine Zunge, drei Ellen abwärts, bis sie die Erde berührte. Ich hob mein Kruzifix, und von meinen Lippen flossen Aves wie Hagel. Einer aus der Mannschaft trat vor. Großer Gott, wie soll ich den Schrecken jenes ersten Anblicks beschreiben? Wahrhaftig, schrillte meine Furcht, dies war ein Dämon aus den tief sten Tiefen der Hölle. Er war vielleicht fünf Fuß groß, sehr breit und kräftig und in eine Tunika von silbernem Glanz bekleidet. Seine Haut war haarlos und von tie fem Blau. Er hatte einen kurzen, dicken Schwanz. Seine Ohren zu beiden Seiten seines runden Kopfes waren lang und spitz, und aus einem stumpfschnauzigen Gesicht funkelten schmale, bernsteinfarbene Augen, aber er hat te eine hohe Stirn.
Jemand fing zu schreien an. Red John hob seinen Bogen. »Stille dort!« brüllte er. »Zum Teufel, den er sten Mann, der sich bewegt, töte ich!« Ich fand, daß dies nicht die Zeit für lästerliche Reden war. Indem ich mein Kreuz noch höher hob, zwang ich meine schlaffen Beine, mich ein paar Schritte weiter nach vorne zu tragen, wo bei ich eine Exorzismusformel murmelte. Ich war sicher, sie würde nichts verhelfen; das Ende der Welt war über uns. Wenn der Dämon nur stehengeblieben wäre, dann hätten sich bald unsere Ränge gelöst, und wir wären geflohen. Aber er hob ein Rohr, das er in der Hand hielt. Eine Flamme schoß aus ihm, blendend weiß. Ich hörte es in der Luft knistern und sah, wie ein Mann ganz in meiner Nähe getroffen wurde. Er fiel tot zu Boden, die Brust verbrannt. Drei weitere Dämonen traten hervor. Soldaten sind dazu ausgebildet zu reagieren und nicht nachzudenken, wenn solche Dinge geschehen. Der Bogen von Red John sang. Der vorderste Dämon taumelte von der Rampe, durchbohrt von einem Pfeil. Ich sah ihn Blut husten und sterben. Und als hätte der eine Schuß hundert andere ausgelöst, war der Him mel plötzlich grau von pfeifenden Pfeilen. Die
drei anderen Dämonen brachen zusammen, so dick mit Pfeilen gespickt, als wären sie Ziel scheiben. »Man kann sie töten!« brüllte Sir Roger. »Lob dem Herrn! Sankt Georg, für England!« Und er gab seinem Pferd die Sporen und preschte die Ra mpe hinauf. Er heißt, die Furcht könne unnatürlichen Mut erzeugen. Mit einem wilden Schrei rannte die ganze Armee hinter ihm her. Ich muß geste hen, auch ich heulte und rannte ins Schiff. Ich habe nur eine schwache Erinnerung an je nen Kampf, der durch alle Räume und Korri dore wütete und tobte. Irgendwo, von irgend jemanden, bekam ich eine Streitaxt. Ich bewah re in mir den verwirrten Eindruck, auf böse, blaue Gesichter einzuschlagen, die sich mir entgegenhoben, die Zähne fletschten, erinnere mich daran, wie ich im Blut ausglitt und mich erhob, um erneut zuzuschlagen. Sir Roger konnte die Schlacht nicht lenken. Seine Män ner rannten ungezügelt. Im Wissen, daß man die Dämonen töten konnte, war ihr einziger Gedanke der, zu töten und es hinter sich zu bringen. Die Mannschaft des Schiffes zählte etwa hun dert, aber nur wenige trugen Waffen. Später fanden wir alle möglichen Gerätschaften in den
Laderäumen, aber die Invasoren hatten sich darauf verlassen, Panik zu erzeugen. Da sie die Engländer nicht kannten, hatten sie nicht mit Schwierigkeiten gerechnet. Die Artillerie des Schiffs war zum Einsatz bereit, aber sobald wir im Schiffsinneren waren, wertlos. In weniger als einer Stunde hatten wir sie alle erjagt. Als ich durch die Überreste des Gemetzels ins Freie watete, weinte ich vor Freude, weil ich wieder das gesegnete Licht der Sonne auf der Haut verspürte. Sir Roger beriet sich mit seinen Hauptleuten, um unsere Verluste festzustellen, die insge samt nicht mehr als fünfzehn Mann betrugen. Während ich vor Erschöpfung zitternd da stand, kam Red John Hameward heraus. Er hatte sich einen Dämon über die Schulter ge worfen. Jetzt warf er das Geschöpf Sir Roger vor die Füße. »Den da habe ich mit der bloßen Faust gefällt, Sire«, keuchte er. »Ich dachte. Ihr wür det einen eine Weile am Leben lassen wollen, um ihn zu befragen. Oder sollte ich kein Risiko eingehen und ihm schon jetzt den häßlichen Kopf abschneiden?« Sir Roger überlegte. Er war jetzt wieder ganz ruhig; keiner von uns hatte die Ungeheuerlich
keit dessen, was wir erlebt hatten, schon ganz erfaßt. Ein grimmiges Lächeln spielte um seine Lippen. Er antwortete in Englisch, das er eben so fließend beherrschte wie das Französische der Adeligen, dem er gewöhnlich den Vorzug gab. »Wenn dies Dämonen sind«, meinte er, »dann sind es armselige Dämonen, denn sie ließen sich ebenso leicht erschlagen wie Menschen. Leichter sogar, fürwahr. Sie verstanden weni ger vom Nahkampf als meine kleine Tochter. Viel weniger, denn sie hat mich schon häufig in die Nase gezwickt. Ich glaube, man wird diesen kleinen Burschen mit Ketten fesseln können, wie Bruder Parvus?« »Ja, Mylord«, meinte ich. »Wenn es auch bes ser wäre, ein paar Heiligenreliquien und die Hostie in der Nähe zu halten.« »Nun, dann bring ihn in die Abtei und sieh zu, was ihr aus ihm herausquetschen könnt. Ich werde eine Wache mitschicken. Komm heute abend zum Essen.« »Sire«, meinte ich mit schwachem Tadel, »wir sollten eine große Dankmesse abhalten, ehe wir etwas anderes tun.« »Ja, ja«, sagte er ungeduldig. »Sprich mit dei nem Abt darüber. Tut, was euch am besten er scheint. Aber kommt zum Essen und sagt mir,
was ihr erfahren habt.« Er sah das Schiff an, und seine Augen wurden nachdenklich.
KAPITEL 2 Ich kam wie befohlen, mit Billigung meines Abtes, der erkannte, daß die geistlichen und weltlichen Kräfte gemeinsam handeln mußten. Das Dorf war seltsam still, als ich mir meinen Weg durch die Straßen der Abenddämmerung bahnte. Die Leute waren in der Kirche oder hinter ihren Türen. Aus dem Lager der Solda ten konnte ich eine weitere Messe hören. Das Schiff brütete wie ein Berg über unseren winzi gen Werken. Aber ich glaube, daß wir uns beherzt fühlten, vielleicht sogar ein wenig trunken ob unseres Erfolgs über Mächte, die nicht von dieser Erde waren. Der selbstgefällige Schluß schien un ausweichlich, daß Gott unser Tun billigte. Dreifache Wachen ließen mich das Tor passie ren, und ich begab mich direkt in die große Halle. Ansby Castle war ein altes Normannen
bauwerk: finster anzusehen, kalt zu bewohnen. Die Halle war bereits dunkel, erhellt von Ker zen und einem hochlodernden Feuer, das Waf fen und Wandteppiche mit unruhigen Schatten überzog. Am Tisch saßen Edelleute und die wichtigeren Gemeinen aus Ort und Heer. Ein Stimmengewirr herrschte, Bedienstete husch ten herum, und unter den Tischen lagen die Hunde. Es war eine beruhigend vertraute Szene, und mochte auch noch soviel Spannung darunter liegen. Sir Roger winkte mich zu sich und for derte mich auf, ich solle mich zu ihm und sei ner Lady setzen, eine besondere Ehre. Es sei mir gestattet, Roger de Tourneville, Rit ter und Baron, zu beschreiben. Er war ein großer, mit Muskeln bepackter Mann von drei ßig Jahren, mit grauen Augen und einem hage ren Gesicht mit einer ausgeprägten Nase. Er trug sein blondes Haar so, wie Krieger es zu tragen pflegten, dick am Scheitel und darunter rasiert - was einem sonst erfreulich anzusehen den Antlitz Abbruch tat, hatte er doch Ohren wie die Griffe eines Kruges. Dieser sein Hei matdistrikt war arm und rückständig, und er hatte den größten Teil seiner Zeit anderswo im Kriege verbracht. Höfischer Schliff fehlte ihm daher, doch er war klug und von freundlicher
Art. Seine Frau, Lady Catherine, war eine Toch ter des Vicomte de Mornay; die meisten Leute hatten das Gefühl, sie hätte nicht nur unter ih rem Rang, sondern auch unter ihrer Lebensart geheiratet, war sie doch in Winchester inmit ten jeglicher Eleganz und modernen Raffine ments erzogen worden. Sie war sehr schön, hatte große blaue Augen und kastanienfarbe nes Haar, hatte aber etwas von einem Mann weib an sich. Sie hatten nur zwei Kinder: Ro bert, ein wackerer Knabe von sechs Jahren, der mein Schüler war, und ein dreijähriges Mäd chen namens Matilda. »Nun, Bruder Parvus«, dröhnte die Stimme meines Herrn. »Setz dich. Nimm einen Becher Wein - beim Blute des Herrn, dieser Anlaß ver langt mehr als bloß Bier!« Lady Catherines zar te Nase rümpfte sich ein wenig; dort wo sie herstammte, tranken nur die Gemeinen Bier. Als ich mich gesetzt hatte, lehnte sich Sir Roger vor und sagte eindringlich: »Was habt ihr her ausgefunden? Ist es ein Dämon, den wir gefan gen haben?« Stille senkte sich über den Tisch. Selbst die Hunde waren verstummt. Ich konnte das Herd feuer knistern und die alten Banner staubig ra scheln hören, wo sie von den Deckenbalken hingen. »Ich glaube schon, Mylord«, ant
wortete ich vorsichtig, »denn er wurde sehr är gerlich, als wir ihn mit Heiligem Wasser be spritzten.« »Aber er ist nicht in einer Rauchwolke ver schwunden? Ha! Wenn es Dämonen sind, so ähneln sie kei nen, von denen ich je gehört habe! Sie sind sterblich wie Menschen.« »Mehr als das, Sire«, erklärte einer seiner Hauptleute, »denn sie können keine Seelen ha ben.« »Ihre vermaledeiten Seelen interessieren mich nicht«, fauchte Sir Roger. »Ich will mehr über ihr Schiff wissen. Ich bin seit dem Kampf durch das Schiff gegangen. Heilige Mutter Got tes, was für ein Wal von einem Schiff! Wir kön nen ganz Ansby an Bord schaffen und hätten immer noch Platz übrig. Hast du den Dämon gefragt, wie es kommt, daß bloße hundert von ihnen soviel Platz brauchten?« »Er spricht keine der bekannten Sprachen, Mylord«, sagte ich. »Unsinn! Alle Dämonen können zumindest Latein. Er ist nur hartnäckig.« »Vielleicht eine kleine Sitzung mit Eurem Henker?« fragte der Ritter Sir Owain Montbel le lässig. »Nein«, sagte ich. »Wenn Ihr erlaubt, besser
nicht. Er scheint sehr schnell zu lernen. Er kann schon viele Worte wiederholen, die ich ihm vorgesprochen habe, also glaube ich nicht, daß er nur Unwissenheit vorschützt. Gebt mir ein paar Tage, und es mag durchaus sein, daß ich mit ihm sprechen kann.« »Ein paar Tage könnten zuviel sein«, grollte Sir Roger. Er warf den Rinderknochen, an dem er genagt hatte, den Hunden zu und leckte sich schmatzend die Finger. Lady Catherine furchte die Stirn und deutete auf die Wasserschale und das Tuch vor ihr. »Tut mir leid, meine Süße«, murmelte er. »Ich denke nie an dieses neumo dische Zeug.« Sir Owain enthob ihn der Peinlichkeit, indem er fragte: »Warum sagt Ihr, ein paar Tage könnten zu lang sein? Ihr erwartet doch sicherlich nicht ein weiteres Schiff?« »Nein. Aber die Männer werden unruhiger denn je sein. Wir waren fast bereit zur Abreise, und jetzt passiert dies!« »So? Können wir nicht in jedem Fall zu der geplanten Stunde abziehen?« »Nein, Schwachkopf!« Sir Rogers Faust lande te auf dem Tisch. Ein Becher hüpfte. »Seht Ihr denn nicht, was für eine Chance das ist? Die Heiligen selbst müssen sie uns geschenkt ha
ben!« Während wir noch wie vom Donner gerührt dasaßen, fuhr er eilig fort: »Wir können die ganze Kompanie an Bord dieses Dinges schaf fen. Pferde, Kühe, Schweine, Hühner - unsere Versorgungsprobleme sind gelöst. Frauen auch, all die Bequemlichkeiten von zu Hause! Ja wahrhaftig, warum nicht auch die Kinder? Das Getreide hier kann eine Weile allein blei ben, und es ist sicherer, alle zusammenzuhal ten, für den Fall, daß es noch einmal eine Heimsuchung gibt. Ich weiß nicht, über welche Kräfte das Schiff außer der des Fliegens verfügt, aber sein blo ßer Anblick wird so viel Schrecken verbreiten, daß wir kaum zu kämpfen brauchen. Also wer den wir damit den Kanal überqueren und den Krieg in Frankreich binnen eines Monats been den. Versteht ihr? Und dann ziehen wir weiter und befreien das Heilige Land und sind bis zur Heuernte wieder zurück!« Das lange Schweigen endete plötzlich in ei nem solchen Sturm der Begeisterung, daß mein eigener schwacher Protest übertönt wur de. Ich hielt den Plan für völlig verrückt. Und wie ich sehen konnte, taten Lady Catherine und ein paar andere das auch. Aber der Rest lachte und
schrie, bis die ganze Halle dröhnte. Sir Roger sah mich mit gerötetem Gesicht an. »Es hängt von dir ab, Bruder Parvus«, sagte er. »Was die Sprache angeht, bist du der Beste von uns allen. Du mußt den Dämonen zum Reden bringen oder es ihn lehren oder was auch im mer. Er muß uns zeigen, wie man jenes Schiff segelt!« »Mein edler Lord.« begann ich zögernd. »Gut!« Sir Roger schlug mir auf den Rücken, daß ich beinahe erstickt und vom Stuhl gefallen wäre. »Ich wußte doch, daß du es schaffen wür dest. Und zur Belohnung wirst du das Privileg erhalten, mit uns zu kommen.« Es war wahrhaftig, als wären Dorf und Armee in gleicher Weise besessen. Weise wäre es ohne Zweifel gewesen, in aller Hast Botschaften zum Bischof - vielleicht nach Rom selbst - zu senden und Rat zu erbitten. Aber nein, sie alle mußten gehen, sofort. Die Frauen wollten ihre Männer nicht verlassen, Eltern ihre Kinder nicht, noch die Mädchen ihre Geliebten. Der ärmlichste Sklave blickte von seinem Acker auf und träumte davon, das Heilige Land zu befreien und unterwegs eine Kiste Goldes mitzuneh men. Was sonst soll man auch von einem Volk er warten, in dem sich das Blut von Sachsen, Dä
nen und Normannen mischt? Ich kehrte in die Abtei zurück und verbrachte die Nacht auf den Knien und betete um ein Zei chen. Aber die Heiligen blieben stumm. Nach dem Morgengebet ging ich schweren Herzens zu meinem Abt und berichtete ihm, was der Ba ron befohlen hatte. Er war ergrimmt darüber, daß man ihm nicht erlaubte, sofort mit den Kirchenbehörden in Verbindung zu treten, entschied aber, daß es am besten wäre, zunächst zu gehorchen. Ich wurde von meinen anderen Pflichten befreit, auf daß ich den Dämon studieren könne. Ich gürtete mich und ging in die Zelle hinun ter, in der er eingeschlossen war. Es war ein enger Raum, halb unter der Erde, der gewöhn lich von Büßern benutzt wurde. Bruder Thomas, unser Schmied, hatte Ringe an die Wänge geschmiedet und das Geschöpf daran angekettet. Er lag auf einer Strohschüt te, ein furchterregender Anblick im düsteren Licht. Seine Kettenglieder klirrten, als er sich bei meinem Eintritt erhob. Unsere Reliquien in ihren Kästen standen in der Nähe, gerade so weit entfernt, daß er sie nicht erreichen konn te, auf daß der Hüftknochen des heiligen Os bert und der Milchzahn des Sankt Willibald ihn daran hindern mochten, seine Bande zu spren
gen und zurück in die Hölle zu entfliehen. Wenngleich ich ganz und gar nicht traurig ge wesen wäre, hätte er dies getan. Ich bekreuzigte mich und setzte mich. Seine gelben Augen funkelten mich an. Ich hatte Pa pier, Tinte und Federkiele mitgebracht, um mein bescheidenes Zeichentalent einzusetzen. Ich skizzierte einen Menschen und sagte: »Homo«, denn es schien mir weiser, ihn Latein zu lehren, als eine Sprache zu benutzen, die sich auf eine einzige Nation beschränkte. Dann zeichnete ich einen weiteren Menschen und zeigte ihm, daß die zwei homines genannt wur den. So ging es weiter, und er erwies sich als gelehrig. Nach einer Weile bedeutete er mir, daß er Pa pier zu haben wünsche, und ich gab es ihm. Er selbst zeichnete recht geschickt und erklärte mir, sein Name sei Branithar und seine Rasse werde Wersgorix genannt. Ich konnte diese Begriffe in keiner Dämonolo gie entdecken. Aber von nun an überließ ich es ihm, unsere Studien zu lenken, denn seine Ras se hatte aus dem Erlernen neuer Sprachen eine Wissenschaft gemacht, und so kamen wir schnell vorwärts. Ich arbeitete viele lange Stunden mit ihm und sah in den nächsten paar Tagen nur wenig von
der Welt draußen. Sir Roger hielt seinen Besitz von der Außenwelt abgeschlossen. Ich glaube, seine größte Angst war es, irgendein Herzog oder Fürst könnte das Schiff für sich mit Be schlag belegen. Der Baron verbrachte mit den Kühneren unter seinen Männern viel Zeit an Bord des Schiffes und versuchte, all die Wun der zu ergründen, die er entdeckte. Binnen kurzem war Branithar imstande, sich über die Diät aus Wasser und Brot zu beklagen, die wir ihm boten, und er drohte Rache. Ich hatte immer noch Angst vor ihm, ließ mir aber nichts anmerken. Natürlich war unser Ge spräch viel langsamer, als ich es hier wiederge be, und enthielt viele Pausen, in denen wir nach Worten suchten. »Du hast dir das selbst zuzuschreiben«, er klärte ich ihm. »Ihr hättet klüger sein müssen, als Christen ohne Grund anzugreifen.« »Was sind Christen?« fragte er. Verblüfft dachte ich, er spielte diese Ignoranz nur. Um das zu ergründen, führte ich ihn durch das Paternoster. Aber er löste sich nicht in Rauch auf, was mich verblüffte. »Ich glaube, ich verstehe«, sagte er. »Du meinst damit irgendein primitives Stamme spantheon.« »Es ist nichts so Heidnisches!« sagte ich indi
gniert. Ich begann, ihm die Dreifaltigkeit zu er klären, aber ich war kaum zur Transsubstan tiation gelangt, als er eine ungeduldige Bewe gung mit seiner blauen Hand machte. Sie glich einer menschlichen Hand, sah man einmal von den dicken, scharfen Nägeln ab. »Unwichtig«, sagte er. »Sind alle Christen so wild wie deine Leute?« »Bei den Franzosen hättet ihr mehr Glück ge habt«, räumte ich ein. »Euer Unglück war es, unter Engländern zu landen.« »Ein starrköpfiges Volk«, nickte er. »Das wird euch teuer zu stehen kommen. Aber wenn du mich sofort freiläßt, werde ich versuchen, das Strafgericht zu mildem, das über euch herein brechen wird.« Die Zunge drohte mir im Mund zu erstarren, aber ich löste sie und forderte ihn kühl auf, dies näher zu erläutern. Woher er kam und was seine Absichten seien? Das brauchte ziemlich lange, bis er es erklä ren konnte, weil die Begriffe selbst fremd wa ren. Ich war überzeugt, daß er log, aber zumin dest lernte er dabei mehr Latein. Zwei Wochen nach der Landung erschien Sir Owain Montbelle in der Abtei und verlangte eine Audienz mit mir. Ich empfing ihn im Klo stergarten, wo wir eine Bank fanden und uns
setzten. Dieser Owain war der jüngste Sohn eines Duodezbaron in den Märchen, aus dessen zweiter Ehe mit einer Frau aus Wales. Ich möchte sagen, daß der uralte Konflikt zweier Nationen seltsam in seiner Brust loderte, aber da war auch der gälische Charme. Am Königs hof zuerst zum Pagen und später zum Junker eines großen Ritters gemacht, hatte der junge Owain das Herz seines Herrn gewonnen und war mit allen Privilegien eines viel höheren Ranges erzogen worden. Er war weitgereist, war zu einem Troubadour von einigem Anse hen geworden, hatte den Ritterschlag erhalten - und da war er plötzlich, ohne einen Heller. In der Hoffnung, sein Glück zu machen, war er nach Ansby gewandert, um sich den freien Kriegern anzuschließen. Obwohl ein tapferer Mann, sah er für den Geschmack der meisten zu gut aus, und es hieß, daß kein Ehemann sich wohl fühlte, wenn er um die Wege war. Das stimmte nicht ganz, denn Sir Roger hatte an dem jungen Mann Gefallen gefunden, bewun derte seine Urteils - kraft wie seine Erziehung und war glücklich, daß Lady Catherine endlich jemanden hatte, mit dem sie über die Dinge sprechen konnte, die sie am meisten interes sierten.
»Ich komme von meinem Herrn, Bruder Par vus«, begann Sir Owain. »Er begehrt zu wissen, wie lange du noch brauchen wirst, um dieses Tier zu zähmen.« »Oh. er spricht jetzt ganz flüssig«, antwortete ich. »Aber er hält mit solcher Hartnäckigkeit an eindeutigen Irrtümern fest, daß ich es bis jetzt noch nicht für der Mühe wert gehalten habe zu berichten.« »Sir Roger wird höchst ungeduldig, und die Männer sind kaum mehr zu halten. Sie essen ihn um Haus und Hof, und es vergeht kaum eine Nacht ohne eine Prügelei oder einen Mord. Wir müssen bald aufbrechen - oder überhaupt nicht mehr.« »Dann bitte ich Euch, nicht zu gehen«, sagte ich. »Nicht in jenem Schiff, das aus der Hölle stammt.« Ich konnte hinter den Mauern der Abtei den atemberaubend hohen Turm sehen, um dessen Nase tiefhängende Wolken kreisten. Er erschreckte mich. »Nun«, herrschte Sir Owain mich an. »Was hat das Monstrum dir gesagt?« »Er besitzt die Unverschämtheit zu behaup ten, er käme nicht von unten, sondern von oben, vom Himmel selbst!« »Er… ein Engel?« »Nein. Er behauptet, er sei weder Engel noch
Dämon, sondern ein Angehöriger einer ande ren sterblichen Rasse.« Sir Owain strich sich mit der Hand über das glattrasierte Kinn. »Das könnte sein«, sinnierte er. »Schließlich, wenn es Einhörner und Zentauren und andere monströse Geschöpfe gibt, weshalb dann nicht diese untersetzten Blauhäuter?« »Ich weiß. Es wäre vernünftig genug, behaup tete er nicht, im Himmel zu wohnen.« »Sag mir ganz genau, was er gesagt hat.« »Wie Ihr wünscht, Sir Owain, aber erinnert Euch, daß diese Ketzereien nicht die meinen sind. Dieser Branithar besteht darauf, daß die Erde nicht flach sei, sondern eine Sphäre, die im Weltraum hängt. Wahrhaftig, er geht sogar noch weiter und behauptet, die Erde bewege sich um die Sonne! Einige der gelehrten Alten hatten eine ähnliche Meinung, aber ich kann einfach nicht verstehen, was die Ozeane dann davon abhalten würde, sich in den Weltraum zu ergießen oder...« »Bitte, erzähle weiter, Bruder Parvus.« »Nun, Branithar sagt, die Sterne seien Son nen wie die unsrige, nur sehr weit entfernt, und sie hätten Welten, die um sie kreisten so wie unsere eigene. Nicht einmal die Griechen hätten soviel Absurdes geschluckt. Für was für
dumme Bauernlümmeln hält uns dieses Ge schöpf eigentlich? Aber wie dem auch sein mag, Branithar behauptet, sein Volk, die Wers gorix, kämen von einer jener anderen Welten, von denen eine unserer Erde sehr ähnlich ist. Er brüstet sich ihrer Hexenkunst - « »Soviel ist nicht gelogen«, sagte Sir Owain. »Wir haben einige jener Handwaffen auspro biert. Wir haben drei Häuser niedergebrannt, ein Schwein und einen Sklaven, ehe wir lern ten, wie man sie unter Kontrolle hält.« Ich schluckte, fuhr aber fort: »Diese Wersgo rix haben Schiffe, die zwischen den Sternen fliegen können. Sie haben viele Welten besiegt. Ihre Methode besteht darin, alle rückständigen Eingeborenen, die sie etwa auffinden, zu unter drücken oder zu vernichten. Und dann besie deln sie die ganze Welt, und jeder Wersgor nimmt sich Hunderttausende von Morgen. Ihre Zahl wächst so schnell, und es ist ihnen so zu wider, eng beieinander zu leben, daß sie stets neue Welten suchen müssen. Dieses Schiff, das wir erobert haben, war ein Späher auf der Suche nach einem neuen Ort zur Eroberung. Nachdem sie unsere Erde von oben beobachtet hatten, beschlossen sie, daß sie für ihre Zwecke geeignet sei, und stiegen herab. Ihr Plan war der übliche, ein Plan, der
sie bisher noch nie im Stich gelassen hatte. Sie wollten uns terrorisieren, unser Dorf als Stütz punkt benutzen, herumziehen und Muster exemplare von Pflanzen, Tieren und Minerali en sammeln. Dies ist der Grund, weshalb ihr Schiff so groß ist und soviel Platz hat. Nach ih rer Rückkehr nach Hause und einem Bericht über ihre Entdeckungen sollte eine Flotte aus geschickt werden und die ganze Menschheit angreifen.« »Mhm«, sagte Sir Owain. »Das haben wir zu mindest verhindert.« Vor der schrecklichen Vision, wie unser Volk von Unmenschen gepeinigt, vernichtet oder versklavt wurde, waren wir geschützt, weil kei ner von uns das wirklich glaubte. Ich hatte für mich entschieden, daß Branithar aus einem fernen Teil der Welt kam, vielleicht noch femer als Cathay, und uns diese Lügen nur auftischte in der Hoffnung, uns so einzuschüchtern, daß wir ihn ziehen ließen. Sir Owain stimmte mei ner Theorie zu. »Nichtsdestoweniger«, fügte der Ritter hinzu, »müssen wir ganz sicher lernen, mit diesem Schiff umzugehen, auf das nicht mehr von ih nen eintreffen. Und wie könnten wir es besser lernen, als indem wir es nach Frankreich und Jerusalem führten? Wie mein Herr es gesagt
hat - in jenem Fall wäre es ebenso klug wie be quem, Frauen, Kinder, Bauern und Städter mitzunehmen. Hast du das Tier gefragt, welche Zaubersprüche man sprechen muß, um das Schiff zu bewegen?« »Ja«, antwortete ich. »Das Ruder sei sehr ein fach.« »Und hast du ihm gesagt, was geschehen wird, wenn er uns nicht getreulich lenkt?« »Ich habe es angedeutet. Er sagt, er würde ge horchen.« »Gut! Dann können wir in ein oder zwei Ta gen aufbrechen!« Sir Owain lehnte sich zurück, die Augen verträumt halb geschlossen. »Am Ende müssen wir uns überlegen, wie wir Ver bindung mit seinem Volk aufnehmen. Man könnte mit seinem Lösegeld viel Wein kaufen und viele schöne Frauen erfreuen.« KAPITEL 3 Und so brachen wir auf. Noch fremdartiger als selbst das Schiff und seine Ankunft war, wie wir uns einschifften. Dort ragte das Ding auf wie eine stählerne Klip pe, von einem Zauberer zu einem scheußlichen
Zweck geschmiedet. Auf der anderen Seite der Dorfwiese lag Ansby, schindelgedeckte Hütten und ausgefahrene Straßen, grüne Felder unter dem fahlen englischen Himmel. Das Schloß selbst, einst die ganze Szene beherrschend, wirkte eingeschrumpft und grau. Und über die Rampen, die wir von weit oben heruntergelassen hatten, hinein in die schim mernde Säule, drängte sich unser rotgesichti ges. schwitzendes Volk. Hier grölte John Hameward, den Bogen über der einen Schulter und eine Kneipendirne ki chernd an der anderen. Dort schritt ein Frei bauer, bewaffnet mit einer rostigen Axt, die vielleicht schon bei Hastings geschwungen worden war, in geflicktes Baumwolltuch geklei det, vor einer keifenden Frau her, die ihr Bett zeug und den Kochtopf trug und an deren Röcken sich ein halbes Dutzend Kinder fest klammerten. Hier versuchte ein Armbrust schütze ein starrsinniges Maultier dazu zu bringen, die Gangway hinaufzuklettern, und die Flüche, die er ausstieß, trugen seinem Kon to so manches Jahr im Fegefeuer ein. Dort trieb ein junger Bursche ein Schwein, das sich irgendwie befreit hatte. Hier scherzte ein prunkvoll gekleideter Ritter mit einer schönen Lady. die einen Falken mit Kappe auf dem
Handgelenk trug. Dort zählte ein Priester die Perlen an seinem Rosenkranz, während er zweifelnd in den eisernen Schlund trat. Hier muhte eine Kuh, dort blökte ein Schaf, hier schüttelte eine Ziege die Hörner, und dort gackerte eine Henne. Alles zusammengezählt gingen etwa zweitausend Seelen an Bord. Das Schiff nahm alle spielend auf. Jeder wich tige Mann konnte eine Kabine für sich und sei ne Lady bekommen - denn einige hatten Frau en oder Buhlerinnen nach Ansby Castle mitgebracht, um aus ihrer Abreise nach Frank reich einen eher gesellschaftlichen Anlaß zu machen. Das gemeine Volk breitete sich in den leeren Laderäumen Strohsäcke aus. Das arme Ansby blieb fast völlig verlassen zurück, und ich frage mich oft, ob es noch existiert. Sir Roger hatte Branithar das Schiff bei eini gen Probeflügen bedienen lassen. Es hatte sich glatt und lautlos in den Himmel erhoben, als er an den Rädern, Hebeln und Knöpfen im Kon trollturm hantierte. Die Steuerung war kin disch einfach, obwohl wir gewissen Scheiben mit heidnischen Inschriften, über die Nadeln zuckten, keinen Sinn entnehmen konnten. Durch mich erklärte Branithar Sir Roger, daß das Schiff seine Antriebskraft von der Zer störung von Materie bezog, eine wahrhaft ab
scheuliche Vorstellung, und daß seine Motoren es hoben und antrieben, indem sie die Anzie hung der Erde in ausgewählten Richtungen auflösten. Das war sinnlos - Aristoteles hat sehr klar dargelegt, wie die Dinge zu Boden fal len, weil es ihre Natur ist zu fa llen, und ich halte nichts von unlogischen Ideen, denen sich Wirrköpfe so leicht hingeben. Trotz seiner Vorbehalte schloß sich der Abt, Pater Simon, an und segnete das Schiff. Wir nannten es Kreuzfahrer. Obwohl wir nur zwei Kaplane mitnahmen, hatten wir uns auch eine Locke vom Haar des heiligen Benedikt ausge borgt, und alle, die wir uns einschifften, hatten die Beichte abgelegt und Absolution erhalten. So nahm man allgemein an, daß wir vor geistli cher Gefahr sicher waren, wenn ich auch daran meine Zweifel hatte. Man wies mir eine kleine Kabine neben der Flucht zu, in der Sir Roger mit seiner Lady und ihren Kindern wohnte. Branithar wurde in ei nem nahe liegenden Raum bewacht. Meine Pflicht bestand darin, zu übersetzen und die Unterweisung des Gefangenen im Lateinischen ebenso wie die Erziehung des jungen Robert fortzuführen und daneben als Amanuensis meines Herrn tätig zu sein. Doch bei der Abreise befanden sich Sir Roger,
Sir Owain, Branithar und ich im Kontrollturm. Er war fensterlos wie das ganze Schiff, aber er enthielt Glasscheiben, auf denen Bilder der Erde unter uns und des Himmels, der uns um gab, erschienen. Ich schauderte und betete meinen Rosenkranz, denn Christenmenschen ist es verboten, in die Kristallkugeln indischer Zauberer zu sehen. »Nun denn«, sagte Sir Roger, und sein haken nasiges Gesicht lachte mich an, »hinweg denn! Wir werden binnen einer Stunde in Frankreich sein!« Er setzte sich vor das Brett mit den Hebel und Rädern. Branithar sagte schnell zu mir: »Die Probeflüge reichten nur für ein paar Meilen weit. Sag deinem Meister, daß für eine Reise dieser Länge gewisse Sondervorbereitungen getroffen werden müssen.« Sir Roger nickte, als ich das weitergab. »Wohlan denn, dann soll er sie treffen.« Sein Schwert glitt aus der Scheide. »Aber ich werde unseren Kurs auf den Scheiben beobachten. Beim ersten Anzeichen von Verrat.« Sir Owain runzelte die Stirn. »Ist das weise, Mylord?« fragte er. »Das Tier…« »...Ist unser Gefangener. Ihr seid zu voll mit keltischem Aberglauben, Owain. Laßt ihn be ginnen.«
Branithar setzte sich. Das Mobiliar des Schiffs, Stühle und Tische, Betten und Schrän ke waren für uns Menschen etwas klein - und schlecht entworfen, ohne auch nur einen einzi gen geschnitzten Drachen als Ornament. Aber wir kamen mit ihnen zurecht. Ich beobachtete den Gefangenen aufmerksam, als seine blauen Hände über das Brett huschten. Ein tiefes Brummen durchlief das Schiff. Ich spürte nichts, aber der Boden auf den unteren Scheiben schrumpfte plötzlich zusammen. Das war Hexerei; viel lieber wäre mir der übliche Stoß nach hinten gewesen, wie man ihn in Fahrzeugen spürt, wenn sie sich in Bewegung setzen. Ich kämpfte gegen meinen Magen an und starrte in das Abbild des Himmels, das sich in den Scheiben widerspiegelte. Es dauerte nicht lange, und wir flogen zwischen den Wol ken, die sich als hochfliegender Nebel erwie sen. Dies zeigt ganz klar die wundersame Kraft Gottes, denn es ist bekannt, daß die Engel häu fig auf den Wolken sitzen und dabei nicht naß werden. »Jetzt südwärts«, befahl Sir Roger. Branithar brummte, drehte an einer Scheibe und legte eine Stange um. Ich hörte das Klicken eines Schlosses. Die Stange blieb unten. Höllischer Triumph funkelte in den gelben
Augen. Branithar sprang von seinem Sitz und knurrte mich an: »Consumati estis!« Sein Latein war sehr schlecht. »Ihr seid erledigt! Ich habe euch gera de in den Tod geschickt!« »Was?« rief ich. Sir Roger fluchte, er hatte halb verstanden und warf sich auf den Wersgor. Aber der An blick, der sich ihm auf den Scheiben bot, ließ ihn innehalten. Das Schwert entfiel klirrend seiner Hand, und Schweißtropfen traten ihm auf die Stirn. Es war wahrhaft schrecklich. Die Erde schrumpfte unter uns zusammen, als stürze sie in einen großen Brunnen. Über uns wurde der blaue Himmel dunkel, die Sterne funkelten. Und doch war die Nacht noch nicht angebro chen, denn in einer Scheibe leuchtete die Son ne, heller denn je! Sir Owain schrie etwas auf walisisch. Ich fiel auf die Knie. Branithar schoß auf die Tür zu. Sir Roger wir belte herum und packte ihn an seinem Um hang. Sie fielen beide zu Boden. Sir Owain war vom Schrecken wie gelähmt, und ich konnte den Blick nicht von der schrecklichen Schön heit des Schauspiels reißen, das uns umgab. Die Erde schrumpfte so winzig zusammen, daß sie nur eine Scheibe füllte. Sie war blau, von
Bändern umgeben, mit dunklen Flecken und rund. Rund! Eine neue und tiefere Note mischte sich in das dumpfe Dröhnen. Neue Nadeln an dem Kon trollbrett erwachten ruckend zum Leben. Plötzlich bewegten wir uns, unsere Geschwin digkeit nahm ungeheuer schnell zu. Eine völlig andere Gruppe von Maschinen, die nach völlig unbekannten Prinzipien funktionierten, war angelaufen. Ich sah den Mond vor uns anschwellen. Und während ich noch hinstarrte, passierten wir ihn so nahe, daß ich Berge und Pockennarben auf ihm sehen konnte, gesäumt von ihren eige nen Schatten. Aber das war unvorstellbar! Alle wußten, daß der Mond ein perfekter Kreis war. Schluchzend versuchte ich, diesen Lügner von einer Sichtscheibe zu zerbrechen, konnte es aber nicht. Sir Roger überwältigte Branithar und streckte ihn halb bewußtlos auf dem Deck aus. Der Rit ter erhob sich schwer atmend. »Wo sind wir?« keuchte er. »Was ist geschehen?« »Wir steigen hinauf«, stöhnte ich. »Immer hö her und höher.« Ich hielt mir die Ohren zu, um nicht das Gehör zu verlieren, wenn wir gegen die erste der Kristallsphären prallten. Nach einer Weile, als nichts passiert war,
schlug ich die Augen wieder auf und sah erneut hin. Erde und Mond wichen jetzt beide nach hinten zurück, nicht viel mehr als ein Doppel stern, blau und golden. Die echten Sterne flammten hart und starr vor einem Hinter grund aus unendlicher Schwärze. Mir schien es, als nähme unsere Geschwindigkeit immer noch zu. Sir Roger unterbrach meine Gebete mit einem Fluch. »Zuerst müssen wir uns um diesen Ver räter kümmern!« Er trat Branithar in die Rip pen. Der Wersgor richtete sich auf und funkel te ihn herausfordernd an. Ich nahm meinen ganzen Witz zusammen und sagte auf lateinisch zu ihm: »Was hast du ge tan? Wenn du uns nicht sofort zurückbringst, wirst du unter der Folter sterben.« Er richtete sich auf, verschränkte die Arme und musterte uns mit bitterem Stolz. »Hast du denn gedacht, ihr Barbaren wäret einem zivilisierten Geist gewachsen?« antwor tete er. »Macht mit mir, was ihr wollt. Die Ra che wird über euch kommen, wenn ihr das Ende der Reise erreicht.« »Aber was hast du getan?« Sein etwas verschrammter Mund grinste. »Ich habe das Schiff der Kontrolle seines Automa tenpiloten unterworfen. Es steuert sich jetzt
selbst. Alles ist automatisch - das Verlassen der Atmosphäre, das Umschalten in TranslichtQuasigeschwindigkeit, der Ausgleich der opti schen Effekte, die Aufrechterhaltung künstli cher Schwerkraft und andere Umweltfakto ren.« »Nun, dann schalte die Maschine ab!« »Das kann niemand. Ich könnte es jetzt selbst nicht tun, jetzt, da die Stange verriegelt ist. Sie wird unten bleiben, bis wir Tharixan erreichen. Und das ist die nächste von meinem Volk besie delte Welt!« Ich versuchte vorsichtig, die Kontrollen zu be wegen. Das war nicht möglich. Als ich es den Rittern sagte, stöhnte Sir Owain laut. Aber Sir Roger sagte grimmig: »Wir werden herausfinden, ob das die Wahr heit ist oder nicht. Zumindest wird das Verhör Strafe für seinen Verrat sein!« Durch mich antwortete Branithar voll Verach tung: »Laßt euren Groll an mir aus, wenn ihr müßt. Ich habe keine Angst vor euch. Aber ich sage, selbst wenn ihr meinen Willen brecht, wäre es nutzlos. Die Rudereinstellung kann jetzt weder verändert noch das Schiff angehal ten werden. Die Verriegelung ist für Situatio nen bestimmt, in denen man ein Schiff ohne je manden an Bord irgendwohin schicken muß.«
Nach einem Augenblick fügte er ernsthaft hin zu: »Ihr müßt aber begreifen, daß ich keinen Groll gegen euch hege. Ihr seid unvernünftig, aber ich könnte fast die Tatsache bedauern, daß wir eure Welt für uns brauchen. Wenn ihr mich verschont, werde ich Fürsprache für euch einlegen, wenn wir nach Tharixan kommen. Vielleicht schenkt man euch zumindest euer Leben.« Sir Roger strich sich nachdenklich über das Kinn. Ich hörte das Knistern seiner Stoppeln, obwohl er sich erst am letzten Donnerstag ra siert hatte. »Ich nehme an, das Schiff wird sich wieder steuern lassen, wenn wir diesen Zielort erreichen«, sagte er. Ich war erstaunt, wie kühl er das nach dem ersten Schock hinnahm. »Könnten wir dann nicht umkehren und nach Hause zurückkehren?« »Ich werde euch niemals führen!« antwortete Branithar darauf. »Und alleine, unfähig, unse re Navigationsbücher zu lesen, würdet ihr den Weg nie finden. Wir werden weiter von eurer Welt entfernt sein, als das Licht in tausend eu rer Jahre durchmessen kann.« »Du könntest wenigstens so höflich sein, un sere Intelligenz nicht zu beleidigen«, ereiferte ich mich. »Ich weiß genausogut wie du, daß das Licht unendliche Geschwindigkeit besitzt.«
Er zuckte die Achseln. In Sir Rogers Auge blitzte es auf. »Wann wer den wir eintreffen?« fragte er. »In zehn Tagen«, informierte uns Branithar. »Es liegt nicht an den Entfernungen zwischen den Sternen, so groß sie auch sind, daß wir eure Welt erst so spät erreicht haben, denn wir haben uns seit zwei Jahrhunderten aus gedehnt. Es liegt an der schieren Zahl der Son nen.« »Mhm. Wenn wir eintreffen, steht uns dieses schöne Schiff zur Verfügung, mit seinen Bom bardon und den Handwaffen. Die Wersgorix könnten unseren Besuch bedauern!« Ich übersetzte das für Branithar, worauf die ser antwortete: »Ich rate euch aufrichtig, euch sofort zu ergeben. Zugegeben, diese Feuer strahler, die wir haben, können einen Mann tö ten oder eine Stadt in Schutt und Asche legen. Aber ihr werdet sie nicht benutzen können, weil wir Schirme aus schierer Energie haben, die jeden Strahl dieser Art aufhalten. Das Schiff ist nicht so geschützt, da die Generato ren eines Kraftfeldes dafür zu schwer sind. So können die Kanonen der Festung nach oben schießen und euch zerstören.« Als Sir Roger das hörte, meinte er nur: »Nun, wir haben zehn Tage Zeit, um darüber nachzu
denken. Wir wollen das geheimhalten. Nie mand kann aus dem Schiff heraussehen, außer von diesem Ort aus. Ich werde mir irgendeine Geschichte einfallen lassen, die die Leute nicht zu sehr beunruhigt.« Er ging hinaus, und sein Umhang flatterte hinter ihm wie mächtige Schwingen. KAPITEL 4 Ich war der letzte unserer Truppe, und vieles war geschehen, woran ich keinen Anteil gehabt hatte. Und doch will ich es so ausführlich wie möglich niederschreiben, und an den Stellen, wo mein Wissen lückenhaft ist, Vermutungen einsetzen. Die Kaplane hörten viel bei der Beichte und gaben sich alle Mühe, falsche Ein drücke richtigzustellen, ohne das Be ichtge heimnis zu verletzen. Ich glaube deshalb, daß Sir Roger Catherine, seine Lady, beiseite nahm und ihr sagte, wie die Dinge standen. Er hatte sich von ihr Ruhe und Mut erhofft, aber sie zürnte. »Fluch über den Tag, an dem ich Euch heira tete!« schrie sie. Ihr liebliches Gesicht wurde zuerst rot, dann weiß, und sie stampfte mit
dem kleinen Fuß auf das stählerne Deck. »Schlimm genug, daß Eure Tollpatschigkeit mich vor dem König und dem ganzen Hof de mütigt und mich dazu verdammt, mein Leben in dieser Bärenhöhle zu fristen, das Ihr ein Schloß nennt. Jetzt setzt Ihr das Leben und die Seele meiner Kinder Gefahren aus!« »Aber Liebste«, stammelte er. »Ich konnte nicht wissen.« »Nein, Ihr wart zu dumm! Nicht genug damit, auf Raub und Hurerei nach Frankreich zu zie hen. Ihr mußtet es ja in diesem Sarg der Lüfte tun. Eure Arroganz sagte Euch, daß der Dämon solche Angst vor Euch hätte, daß er ein gehor samer Sklave sein würde. Heilige Maria, hab Mitleid mit uns Frauen!« Sie wirbelte herum, schluchzte und rannte da von. Sir Roger starrte ihr nach, bis sie hinter der nächsten Biegung des langen Korridors ver schwunden war. Dann machte er sich schweren Herzens auf, seine Soldaten zu besuchen. Er fand sie in dem achtern liegenden Lade raum, wo sie ihre Abendmahlzeit kochten. Die Luft blieb trotz aller Feuer, die wir entzünde ten, süß. Branithar erklärte mir, das Schiff ent hielte ein System zur Erneuerung der lebens
wichtigen Geister der Atmosphäre. Es ging mir etwas auf die Nerven, daß die Wände stets leuchteten, so daß man den Tag nicht von der Nacht unterscheiden konnte. Aber die gemei nen Soldaten saßen herum, stemmten Bierkrü ge, schnitten auf, würfelten und knackten Flö he, eine wilde, gottlose Mannschaft, die nichtsdestoweniger ihren Herrn mit echter Zu neigung bejubelte. Sir Roger gab Red John Hameward ein Zei chen, dessen mächtige Gestalt jetzt in einer kleinen Kammer zu ihm trat. »Nun, Sire«, bemerkte er, »der Weg nach Frankreich scheint doch ziemlich lang zu sein.« »Die Pläne sind, äh, geändert worden«, er klärte Sir Roger vorsichtig. »Anscheinend gibt es in der Heimat dieses Schiffes seltene Beute zu machen. Damit könnten wir eine Armee aus rüsten, die groß genug wäre, unsere Eroberun gen nicht nur einzunehmen, sondern auch zu behalten und zu besiedeln.« Red John rülpste und kratzte sich unter der Weste. »Wenn wir nur nicht auf mehr stoßen, als wir bewältigen können, Sire.« »Ich glaube nicht. Aber Ihr müßt Eure Män ner auf diesen neuen Plan vorbereiten und ihre Angst besänftigen, falls sie welche haben.« »Das wird nicht leicht sein, Sire.«
»Warum nicht? Ich sagte doch, es wird viel zu plündern geben.« »Nun, Mylord, wenn Ihr die ehrliche Wahr heit hören wollte, es verhält sich so: Seht Ihr, obwohl wir die meisten Frauen von Ansby mit genommen haben und viele von ihnen unver heiratet sind und äh, freundlich gestimmt. den noch, Mylord, bleibt die Tatsache, seht ihr, wir sind doppelt so viele Männer wie Frauen. Die Mädchen in Frankreich sind nun hübsch und würden in der Not ebenso genügen wie die Sa razenenweiber - es heißt sogar, sie hätten viel für sich - aber wenn man nach den Blauhäuten schließt, die wir überwältigt haben… nun, ihre Frauen sind nicht so hübsch.« »Woher wißt Ihr denn, daß sie nicht schöne Prinzessinnen gefangenhalten, die sich nach ei nem ehrlichen, Engländergesicht sehnen?« »Das wäre gut, Mylord. Das wäre durchaus möglich.« »Dann seht zu, daß die Bogenschützen kampf bereit sind, wenn wir eintreffen.« Sir Roger schlug dem Riesen auf die Schulter und ging hinaus, um seinen anderen Hauptleuten Ähnli ches mitzuteilen. Mir gegenüber erwähnte er diese Frage der Frauen etwas später, und ich war erschüttert. »Gott sei gelobt, daß Er die Wersgorix so unat
traktiv gemacht hat, wenn sie einer anderen Spezies angehören!« rief ich aus. »Groß ist Sei ne Weisheit!« »Bist du sicher, daß es keine Menschen sind?« fragte der Baron. »Wolle Gott, daß ich das weiß, Sire«, antwor tete ich, nachdem ich darüber nachgedacht hatte. »Sie ähneln nichts auf der Erde. Und doch gehen sie auf zwei Beinen, haben Hände, können reden und besitzen die Gabe der Ver nunft.« »Das hat wenig zu bedeuten«, entschied er. »Oh, es hat viel zu bedeuten, Sire!« erklärte ich ihm. »Denn seht, wenn sie eine Seele ha ben, dann ist es unsere Pflicht, sie für den wah ren Glauben zu gewinnen. Wenn nicht, wäre es Blasphemie, ihnen die Sakramente zu geben.« »Das kannst du ja herausfinden«, sagte er gleichgültig. Ich eilte straks in Branithars Kabine, die von zwei Speerträgem bewacht wurde. »Was willst du?« fragte er, als ich mich setzte. »Hast du eine Seele?« erkundigte ich mich. »Eine was?« Ich erklärte ihm, was Spiritus bedeutete. Er konnte damit immer noch nichts anfangen. »Glaubt ihr denn wirklich, daß eine Miniatur ausgabe von euch selbst in eurem Kopf
wohnt?« fragte er. »O nein. Die Seele ist nicht materiell. Sie ist es, die das Leben gibt... nun, das nicht gerade, da es schließlich Tiere gibt, die leben. der Wil le, daß ich.« »Ich verstehe. Das Gehirn.« »Nein, nein, nein! Die Seele ist, nun, sie ist das, was weiterlebt, sobald der Körper tot ist, und sich dem Urteil über seine Taten während des Lebens stellt.« »Ah. Ihr glaubt also, daß die Persönlichkeit nach dem Tode überlebt. Ein interessantes Problem. Wenn Persönlichkeit ein Muster an statt eines materiellen Gegenstandes ist, wie es vernünftig scheint, dann ist es theoretisch möglich, daß dieses Muster auf etwas anderes transferiert wird, auf dasselbe System von Be ziehungen, aber in einer anderen physischen Matrix.« »Hör auf damit!« herrschte ich ihn ungedul dig an. »Ihr seid ja schlimmer als ein Albigen ser. Sag mir einmal mit ganz normalen Worte: Hast du eine Seele oder hast du keine?« »Unsere Wissenschaftler haben die Probleme untersucht, die in dem Konzept von Persön lichkeitsmustern liegen, aber soweit es mir be kannt ist, fehlen noch Daten, auf denen man einen Schluß aufbauen könnte.«
»Da haben wir es wieder«, seufzte ich. »Kannst du mir keine einfache Antwort geben? Sag mir einfach, ob du eine Seele hast oder nicht.« »Ich weiß nicht.« »Du bist wirklich eine große Hilfe«, schalt ich ihn und ging weg. Meine Brüder und ich debattierten lange über das Problem aber abgesehen von der offen sichtlichen Tatsache, daß jedem Nichtmen schen, der sich dafür interessierte, die Taufe gespendet werden durfte, war keine Lösung zu finden. Es war eine Angelegenheit, die Rom klären mußte, vielleicht sogar ein ökumeni sches Konzil. Während sich all das begab, hatte Lady Cathe rine ihre Tränen getrocknet und schwebte jetzt hochmütig einen Korridor herunter, bemüht, ihren inneren Aufruhr durch Bewegung zu dämpfen. In dem langen Raum, wo die Haupt leute speisten, fand sie Sir Owain, der seine Harfe schlug. Er sprang auf und verbeugte sich. »Mylady! Wie angenehm. ich könnte auch sa gen atemberaubend. ich bin wirklich über rascht.« Sie setzte sich auf eine Bank. »Wo sind wir jetzt?« fragte sie und gab damit ihrer Müdig keit nach.
Er begriff, daß sie die Wahrheit kannte, und erwiderte: »Ich weiß nicht. Die Sonne ist be reits so zusammengeschrumpft, daß wir sie zwischen den Sternen verloren haben.« Ein kleines Lächeln ließ sein finsteres Gesicht auf leuchten. »Und doch ist in dieser Kammer genügend Sonne.« Catherine spürte, wie ihr das Blut in die Wan gen schoß. Sie sah auf ihre Fußspitzen. Ihre ei genen Lippen schoben sich, ohne daß sie das wollte, nach oben. »Wir sind auf der einsamsten Reise, die je ein Mensch unternommen hat«, sagte Sir Owain. »Wenn Mylady gestatten, werde ich versuchen, eine Stunde davon mit einem Liederkranz zu vertreiben, der Eurem Zauber gewidmet ist.« Sie lehnte nur einmal ab. Seine Stimme hob sich, bis sie den ganzen Raum erfüllte. KAPITEL 5 Von der Reise nach draußen gibt es wenig zu berichten. Bald lastete der Überdruß, den sie uns bereitete, schwerer auf uns als irgendwel che Gefahren. Ritter tauschten zornige Worte,
und John Hameward mußte mehr als einmal ein paar Köpfe gegeneinanderschlagen, um Ruhe und Ordnung unter seinen Bogenschüt zen zu bewahren. Die Sklaven trugen es noch am besten; wenn sie nicht für das Vieh sorgten oder aßen, schliefen sie einfach. Ich stellte fest, daß Lady Catherine häufig mit Sir Owain sprach und daß ihr Ehemann dar über schon lange nicht mehr erfreut war. Aber er war immer mit irgendwelchen Plänen oder Vorbereitungen beschäftigt, und der jüngere Ritter verschaffte ihr Stunden der Ablenkung, ja manchmal der Freude. Sir Roger und ich verbrachten viel Zeit mit Branithar, der uns bereitwillig von seiner Ras se und ihrem Reich erzählte. Mit der Zeit be gann ich, wenn auch widerstrebend, seinen Be hauptungen Glauben zu schenken. Seltsam, daß eine so häßliche Brut eine Sphäre bewohn te, die ich für den dritten Himmel hielt, aber die Tatsache ließ sich nicht leugnen. Fürwahr, so dachte ich, wenn die Schrift die vier Ecken der Welt erwähnte, meinte sie gar nicht unse ren Planeten Terra, sondern bezog sich auf ein würfelförmiges Universum. Und jenseits davon mußte das Reich der Gesegneten liegen, wenn auch Branithars Hinweis auf das glutflüssige Innere der Erde ohne Zweifel mit den propheti
schen Visionen der Hölle in Einklang stand. Branithar erklärte uns, daß es im WersgorImperium etwa hundert Welten wie die unsere gab. Sie umkreisten ebenso viele einzelne Ster ne, denn keine Sonne nannte mehr als einen bewohnbaren Planeten ihr eigen. Jede dieser Welten war das Zuhause von ein paar Millio nen Wersgorix, die gerne viel Raum hatten. Ab gesehen vom Hauptplaneten Wersgorixan tru gen sie keine Städte. Aber jene Planeten an den Grenzen des Imperiums, wie zum Beispiel Tha rixan, unser Ziel, besaßen Festungen, die zu gleich Stützpunkte der Raummarine waren. Branithar hob die Feuerkraft und die Undurch dringlichkeit jener Burgen hervor. Wenn ein brauchbarer Planet intelligente Ein geborene besaß, wurden diese entweder ausge tilgt oder versklavt. Die Wersgorix verrichteten keine untergeordneten Arbeiten und überlie ßen diese Heloten oder Automaten. Sie selbst waren Soldaten, Verwalter ihrer riesigen Län dereien, Händler, Besitzer von Manufakturen, Politiker, Höflinge. Da die versklavten Natio nen unbewaffnet waren, hatten sie nicht die leiseste Hoffnung, sich gegen die relativ gerin ge Zahl fremder Herren aufzulehnen. Sir Roger murmelte etwas, daß man ja an diese unter drückten Geschöpfe Waffen verteilen könne,
wenn wir anlangten, aber Branithar ahnte sei ne Absicht, lachte und sagte, Tharixan sei nie bewohnt gewesen, und so gäbe es auf dem gan zen Planeten nur ein paar hundert Sklaven. Dieses Reich der Wersgorix erfüllte etwa eine Kugel im Weltraum, die an die zweitausend Lichtjahre durchmaß. (Ein Lichtjahr ist die un glaubliche Distanz, die das Licht in einem Wersgorjahr durchmißt, von dem Branithar behauptete, daß es etwa zehn Prozent länger als die entsprechende terrestrische Periode wäre.) Es umschloß Millionen von Sonnen mit ihren Welten. Aber die meisten davon waren wegen giftiger Luft oder giftiger Lebensformen oder anderer Dinge für die Wersgorix nutzlos und wurden daher ignoriert. Sir Roger fragte, ob sie die einzige Nation sei en, die es gelernt hatte, zwischen den Sternen zu fliegen. Branithar zuckte verächtlich die Achseln. »Wir sind drei weiteren Rassen begegnet, die unabhängig voneinander diese Kunst ent wickelt haben«, sagte er. »Sie leben innerhalb unseres Imperiums, aber bis jetzt haben wir sie noch nicht unterworfen. Es war nicht der Mühe wert - primitive Planeten sind soviel leichtere Beute. Wir erlauben es diesen drei Rassen, zwi schen den Sternen zu verkehren und die kleine
Zahl von Kolonien zu behalten, die sie bereits in anderen Planetensystemen eingerichtet ha ben. Aber wir haben es ihnen nicht erlaubt, ihre Ausdehnung fortzusetzen. Das ist in ein paar kleineren Kreisen entschieden worden. Sie empfinden keine Liebe für uns und wissen, daß wir sie eines Tages vernichten werden, wenn es uns paßt, aber angesichts unserer überwältigenden Macht sind sie hilflos.« »Ich verstehe«, nickte der Baron. Er wies mich an, damit anzufangen, die Wers gorsprache zu lernen. Branithar fand Spaß dar an, mich zu lehren, und ich konnte meine eige nen Ängste durch harte Arbeit zurückdrängen, und so ging es recht schnell. Ihre Sprache war barbarisch, ganz ohne das Edle, das dem Latei nischen anhaftet, aber deshalb nicht schwer zu meistern. Im Kontrollturm fand ich Schubladen voll Karten und Nummerntafeln. Alles Geschriebe ne war auf sehr schöne Art exakt; ich fand, sie mußten Schreiber haben, daß es geradezu eine Schande war, die Blätter nicht zu illuminieren. Während ich über den gefundenen Schriften brütete und das wenige bedachte, das ich von der Sprache und dem Alphabet von Wersgor bereits gelernt hatte, schloß ich, daß dies Navi gationshinweise sein mußten.
Ich fand auch eine regelrechte Karte des Pla neten Tharixan, da dies der Heimatstützpunkt der Expedition gewesen war. Ich übersetzte die Symbole für Land, See, Fluß, Festung und so weiter. Sir Roger brütete viele Stunden dar über. Selbst die sarazenische Karte, die sein Großvater aus dem Heiligen Land zurückge bracht hatte, war damit verglichen grob und primitiv, obwohl andererseits die Wersgorix einen Mangel an Kultur zeigten, indem sie Bil der von Meerjungfrauen, die vier Winde, Grei fen und ähnlichen Schmuck einfach wegließen. Ich entzifferte auch die Legenden auf einigen der Instrumente des Kontrollbretts. Skalen wie jene, die der Messung der Höhe und der Ge schwindigkeit dienten, waren leicht zu mei stern. Aber was bedeutete > Treibstoff-Fluß