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O
h-->O
ddx sinx
= lim -hI [sin(x + h) -
sinx]
h-->O
= h-->O lim -hI [ sin x cos h + cos x sin h . [. cos h =l~ SIllX h
1
sin x]
sin h ]
+ cosxh-
= cosx
.
b) analog; c) und d) mit der Quotientenregel. Beispiel. [(x 2 + 5 sinx) cosx]' 2x cos x - x 2 sin x + 5 cos 2x .
D
=(2x + 5 cosx) cosx -
(x 2 + 5 sinx) sin x
= D
1.9 Die Kettenregel. Die Komposition x f--+ f (g(x)) zweier differenzierbarer Funktionen ist ebenfalls differenzierbar und es gilt (8)
:x f(g(x))
= f'(g(x)) . g'(x).
Beweis.
~f(g(x)) ~x
= ~f(g(x)) . ~g(x) ~g(x)
~x
-+
f'( ( )) '( ) g x g x .
D
§ 1. Die Ableitung einer differenzierbaren Funktion
117
Bemerkung. In f (g(x)) heiBt f die auBere, g die innere Funktion. Dementspreehend liest man die reehte Seite von (8) als "Ableitung der auJ3eren Funktion an der Stelle g(x) multipliziert mit der Ableitung gl (x) der inneren Funktion".
Die Differentiation einer "gesehaehtelten" Funktion x 1-+ hex) gesehieht demnaeh in mehreren Sehritten: 1. Schritt: Das Erkennen der auBeren Funktion fund der inneren Funktion g, so daB hex) = f(g(x)). 2. Schritt: Die Differentiation von f an der Stelle g(x); d.h., man bildet f'(X) und ersetzt x dureh g(x). 3. Schritt: Das Nachdifferenzieren. Darunter versteht man die Multiplikation von f' (g(x)) mit der Ableitung gl der inneren Funktion. Insgesamt: h'(x)
= f'(g(X)) . gl(X).
Bei mehrfaeher Sehaehtelung ist entspreehend oft naehzudifferenzieren: hex)
= f(P(q(x)))
=}
h'(x)
= f'(P(q(x)))P'(q(X))q/(X).
Beispiele 1. In h(x) = (x 4 + 6x + 5)3 ist f(x) = x 3 die auBere und g(x) = X4 + 6x + 5 die innere Funktion. Die Ableitung (2. und 3. Sehritt zusammen): h/(x) = 3(x 4 + 6x + 5)2. (4x 3 + 6). 2. In hex) = eosf(x) ist cos die auBere und f die innere Funktion: h/(x) =
= - f'(X) sin f(x). Speziell :x eos(ax+b) = -a sin(ax+b). Ebenso :x sin(ax + b) = a eos(ax + b) . Die Funktion hex) = [sin(x 4 + 2xi]5 ist mehrfaeh gesehaehtelt mit der auBeren Funktion f(x) = x 5 und der gesehaehtelten inneren Funktion -(sin f(x)), f'(X)
3.
g(x) = sin(x 4 + 2x i . Die Ableitung: h'(x) = 5g(x)4 . gl(X) = 5[sin(x 4 + 2x )2]4 . eos(x4 + 2x)2 . 2(x 4 + 2x) . (4x 3 + 2) . D
1.10 Hijhere Ableitungen. Die Ableitung der Ableitung von f bezeiehnen wir, falls sie existiert, mit
1"
und fUr :X 0). Mit f(x) - f(xo) :::: 0 fUr Xo - c: < x < Xo gilt f'(XO) x - Xo
Ebenso f'(XO)
= x~xo+ lim ~f(x) ~x
< 0 und folglieh f'(XO)
-
= O.
=
lim ~~(x) :::: O.
X~Xo-
,-"x
0
Die Bedingung f'(XO) = 0 (der Graph y = f(x) hat in (xo, f(xo)) eine waagereehte Tangente) ist zwar notwendig fur ein Extremum, aber noeh nieht hinreiehend. Beispielsweise hat f(x) = x 3 in x = 0 eine waagereehte Tangente (f'(0) =0) aber kein Extremum. Der Satz gibt aueh keine Auskunft uber Extremalstellen an den Intervallenden, an Spitzen oder an anderen Stellen, in den en f nieht differenzierbar ist. Das bedeutet:
122
3. Differentiation
Die Kandidaten for Extremalstellen von f: I -+ lR sind:
(1)
a) b) c)
die Randpunkte von I (das sind hochstens zwei Zahlen); die Punkte aus I, in denen f nicht differenzierbar ist; die stationaren Punkte aus dem Innern von I (x E I heiBt stationarer Punkt, wenn f'(X) = 0 gilt).
Jeder dieser Kandidaten ist dann auf Extremaleigenschaften zu tiberpriifen. Der groBte bzw. kleinste Funktionswert an den Stellen aus a), b), c) liefert das globale Maximum bzw. Minimum von f. Rinweis: Die Extremalstellen echt monotoner Funktionen findet man bereits aus a). Beispiel 1. Aus einer rechtwinkligen Blechplatte der Seitenlangen 16 em und 10 em solI eine quaderformige oben offene Wanne mit maximalem Volumen geformt werden. Abb. 78 - Blechzuschnitt
Losung. Das Volumen des aus der Platte geformten Quaders der Rohe x ist Vex) = (10 - 2x)(16 - 2x)x = 4x 3 - 52x 2 + 160x (0:::: x :::: 5). Wegen V(O) = V(5) = 0 sind die Randpunkte keine MaximalstelIen, diese sind unter den stationaren Punkten aus (0,5) zu suchen. Punkte aus b) kommen nicht vor. V'(x) = 12x2 - 104x + 160 = 0 hat in (0,5) nur eine Losung x = 2. Dieses ist dann die MaximalstelIe; das maximale Volumen betragt V(2) = 144 em 3 • 0 Beispiel 2. Nach dem FERMATschen Prinzip ist der Lichtweg w(x)
= 11 +12 = v'a 2 +x2 + -/b 2 + (e -
eines von A = (0, a) tiber den (noch unbekannten) Reftexionspunkt X = (x,O) nach B = (e, b) gehenden Lichtstrahls minimal. Die Minimalstellen von w - die es mit Sicherheit gibt - sind unter den stationaren Stellen Wi (x) = ~ -
-/b
(e - x) 2 + (e - x)2
=0
a 2 +x2
zu suchen. Man
x)2
y
b
a x
c
x
Abb. 79 - Lichtreflexion
findet so den eindeutig bestimmten Reftexionspunkt mit x = cab und erhalt a+ x e-x auBerdem wegen cos Ol = I1 und cos f3 = ---z;- als Bedingung cos Ol = cos f3 . Dies ist das Spiegelungsgesetz:
Ol
= f3 .
o
123
§2. Anwendungen der Differentiation
2.2 Der Mittelwertsatz. Die folgenden Beobachtungen bilden das Fundament weiterfilhrender Uberlegungen. Satz 2.2. Der Mittelwertsatz. 1st die Funktion f auf dem abgeschlossenen Interval! [a, b] stetig und auf dem offenen Interval! (a, b) dijferenzierbar, dann gibt es (wenigstens) einen inneren Punkt Xo E (a, b) mit fl(xo) = feb) - f(a) b-a
Beweis. Die Funktion F(x)
= f(x) -
(x - b/(bi
=~(a)
hat in [a, b] wenig-
stens eine Extremalstelle Xo (--+ Satz vom Maximum und Minimum, Kap. 2, Satz 6.5). Wegen F(a) = F(b) liegt diese Extrema1stelle Xo in (a, b), somit gilt FI(XO) = 0 (--+ Satz 2.1). 0
Bemerkungen 1. Anschaulich bedeutet der Mittelwertsatz, daB fUr mindestens ein Xo E (a, b) die Kurventangente parallel zur Sehne AB ist. 2. Nach dem Mitte1wertsatz wird bei der durch s = f(t) beschriebenen geradlinigen Bewegung zu mindestens einem Zeitpunkt to im Zeitintervall a ::: t ::: b die durchschnittliche Geschwindigkeit v = feb) - f(a)
y
a
x.
x
b-a
tatsachlich erreicht; veto)
= j(to) = v.
Abb. 80 - Mittelwertsatz
Als erste Anwendung des Mittelwertsatzes stellen wir einige Eigenschaften der Funktion f, bzw. des Graphen y = f(x) zusammen, die man an fl ablesen kann. Satz 2.3. Fur eine auf dem Interval! I dijferenzierbare Funktion f gilt: a) fl (x) > 0 aUf I ===> fist auf I echt monoton wachsend (der Graph steigt); b)
fl(x) < 0 auf I
c)
0 auf I fl(x)::: 0 auf I fl(x) = 0 auf I
===>
fist auf I echt monoton fal!end (der Graph fiillt);
d) e)
fl(x)
~
{:::::=}
f ist auf I monoton wachs end
{:::::=}
f ist auf I monoton fallend;
{:::::=}
f ist aUf I konstant.
124
3. Differentiation
Beweis. a): Nach dem Mittelwertsatz - und der Voraussetzung - gibt es zu zwei Zahlen Xl, X2 E J mit X2 > Xl ein Xo zwischen Xl, X2 mit f(X2) - f(xt} = f'(xo) > o. Das X2
-Xl
zeigt f(X2) - f(xd > 0, also f(X2) > f(xj) . Die anderen Aussagen werden in der " , * " Richtung vollig analog bewiesen. Zum Beweis der Behauptung ,,~" benotigt man nur die Definitionen. So gilt beispielsweise f(x) - f(xo) > 0 (x, Xo E J) f··ur X
-xo
x Abb. 81 - Monotoniebereiche
-
monoton wachsendes fund deshalb f'(xo)
= lim Ll~(x) ~ o. uX X--+Xo
o
e) erhalt man auch als einfache Folgerung aus c) und d).
Fur zwei auf einem Intervall J differenzierbare Funktionen fund g folgt nach Teil e) des Satzes (mit f - g an stelle f): f'(x)=g'(x) auf J
(2)
Die Konstante c aus I(x) c
= f(xo) -
~
f(x)=g(x)+c auf J (mit einer Konstanten c
= g(x) + claSt
sich mit jedem Xo
E
1R.).
E
J bestimmen:
g(xo) .
Beispiel 1. Ein sich mit der Geschwindigkeit set)
= vet) = at + b
bewegender Massenpunkt erfullt ein Weg-Zeit-Gesetz der Form set)
geradlinig
= iat2 +
Denn offenbar hat so(t) = iat2 + bt dieselbe Ableitung wie set) , was (nach (2» set) = so(t) + c nach sich zieht. 0 bt + c mit c
= s(O).
Beispiel 2. Fur die auf J flex) =
1
(.JT+X2)3
= (-00, 00)
definierte Funktion f(x) =
> 0; folglich ist f echt monoton wachsend.
x .JT+X2
gilt
o
Beispiel 3. Behauptuug: Jede lineare Pendelbewegung, fur die das HOoKEsche Gesetz gilt (die rucktreibende Kraft ist proportional zur Auslenkung), ist eine harmonische Schwingung. Beweis. Bezeichnet s = set) die Auslenkung zur Zeit t, dann gibt s die (zur Kraft proportionale) Beschleunigung an, und das Hookesche Gesetz erscheint in der Form set) = -u}s(t) , bzw. s(t)+w2s(t) =0 .
125
§2. Anwendungen der Differentiation
Wir multiplizieren mit 2s und erhalten nach der Kettenregel ;/s(t)2 + ah(t)2) = 0 und deshalb (---+ Satz 2.3 e) s(t)2 + uis(t)2 1. Fall. s(O)
aIle t. 2. Fall.
= s(O) = O.
=c
(mit einer Konstanten c
In diesem Fall ist c
s(O), S(O) beliebig.
= 0,
E
JR) .
also auch set)
= set) = 0
fiir
Fiir die Funktion so(t) := set) - s(O) cos evt -
=0
bs(O) sin evt verifiziert man leicht so(t) + ev 2so(t) Also gilt so(t) = 0 fiir aIle t (---+ Fall 1).
und so(O)
= so(O) = O.
Fiir beide FaIle gilt daher set) = s(O) cos evt + bs(O) sin evt .
D
Der Satz 2.3 hilft auch, die Extremalstellen unter den stationaren Punkten (fl(x) = 0) herauszufinden: Satz 2.4. 1. Extremwert-Test Eine auf dem offenen Interval! (a, b) diJferenzierbare tioniiren Punkt Xo E (a, b) ein lokales Maximum (bzw. die Ableitung fl(x) unmittelbar links von Xo (d.h. in E > 0) positiv, rechts von Xo negativ (bzw. links negativ,
Beweis. 1st unmittelbar links von Xo die Ableitung positiv, dann wachst dart die Funktion; rechts neben Xo fallt sie wieder, also ist Xo lokale Maximalstelle. D
y
"~l' f>J I \ j hat in xo ein lokales Maximum, b) f"(xo) > 0 ===> j hat in Xo ein lokales Minimum.
Beweis. Aus f"(xo) < 0 und der Stetigkeit von j" folgt j" < 0 auf einem (evtl. sehr kleinem) Intervall mit Mittelpunkt Xo. Nach Satz 2.3b ist j' dort echt monoton fallend und hat wegen j'(XO) = 0 in Xo einen Vorzeichenwechsel 0 von + nach -. Mit Satz 2.4 folgt die Behauptung. Bemerkung. Auch der zweite Extremwert-Test ist nur fUr innere Punkte des Intervalls zuHissig. AuBerdem gibt er keine Auskunft iiber innere Punkte mit j'(X) = j"(X) =0 (--+ Kap. 5, Satz 4.3). Beispiel. Wir betrachten die Funktion j(x) = x + 2 sin x im Intervall [-2n, 2n] mit den beiden globalen Extrema j(-2n) = -2n (Minimum), j(2n) = 2n (Maximum) an den Intervallenden. Die zweite Ableitung j" (x) = -2 sin x ist an den stationaren Punkten (das sind Losungen von j' (x) = 1 + 2 cos x = 0)
-jn
= ~n, X2 = negativ, also liegen dort lokale Maxima. Die anderen sind 10kale Minimalstellen. 0 beiden stationaren Punkte X3 = -~n, X4 =
Xl
jn
= j(x) kann man am Vorzeichen von j" erkennen. 1st namlich j" > 0 auf einem Intervall, dann wachst dort j' echt monoton (--+ Satz 2.3); was offenbar nur bei einem linksgekriimmten Graphen moglich ist (--+ Abb. 83). Also gilt:
2.3 Wendepunkte. Auch das Kriimmungsverhalten der Kurve y
Satz 2.6. Kriimmungs-Test a) j" > 0 ===> Die Kurve y = j(x) ist konvex von unten (Linkskriimmung). b) j" < 0 ===> Die Kurve y = j(x) ist konvex von oben (Rechtskriimmung). Diejenigen Punkte, in denen y = j(x) von einer Linkskriimmung in eine Rechtskriimmung oder von Rechtskriimmung in Linkskriimmung iibergeht, heiBen Wendepunkte. Die Kandidaten for Wendepunkte von j: I --+ 1R sind:
a) b)
die Punkte aus I, in denen j" nicht existiert; die Punkte aus I, in den en j" = 0 .
Satz 2.7. Wendepunkt-Test. j"(XO) = 0, j"'(xo) =I 0 ===> j hat in Xo einen Wendepunkt. Beweis. Nach Satz 2.5 ist Xo Extremalstelle von j', also ein Wendepunkt.
0
127
§ 2. Anwendungen der Differentiation
Beispiel. Die kritische Temperatur To, oberhalb der man ein Gas nicht mehr verftussigen kann, wird mit der Zustandsgleichung nach VAN DER WAALS
(p + ;2) (V -
b)
= RT
so bestimmt, daB die Kurve p
RTo
= p(V) = V
a
- b - V2
einen Wendepunkt mit horizontaler Tangente besitzt. Aus p'(V) = p"(V) = 0 ergeben sich die Bedingungen RTo
-----=:-.:(V - b)2
2a = V3'
RTo (V - b)3
3a = V4
und als Losungen das kritische Volumen V = Vo = 3b und die kritische Temperatur
~
2~:R'
f">O 'f"b-
g(x)
= lim
f'(x) g'(x)
x->b-
Entsprechendes gilt fur die Grenzprozesse x -+ a+, x -+
Beweis. 1. Fall (Typ
g).
00,
x -+
-00.
Fur die linksseitige Annaherung x -+ b-, gelte
f(x) -+ 0, g(x) -+ O. Durch feb) = g(b) = 0 setzen wir fund g auf (a, b) stetig fort. Nach dem verallgemeinerten Mittelwertsatz gibt es dann zu jedem
x, a < x < b, ein
~
zwischen x und b mit
(3); denn mit x -+ b strebt auch
~
~&? = ~;i:?
.
Das zeigt bereits
gegen b.
2. Fall (Typ ~). f(x) -+ 00, g(x) -+ 00 fur x -+ b-. Nach Satz 2.8 gibt es fUr je zwei Stellen z, x mit a < Z < x < b ein ~ E (z, x) so daB gilt f'(~)
g'(~)
=
f(x) - fez) g(x) - g(z)
1 _ fez) f(x) f(x) = g(x) . 1 _ g(z) g(x)
Mit z gehen wir so nahe an b heran, daB sich
f'(~) von lim g'(~)
big wenig unterscheidet (-+ Kap. 2, §5); im Fall lim f;((X)) = x->b g x
~;&?
x->b
f'(x) belieg'(x)
00
bedeutet das
> N zu beliebig vorgegebener Grenze N > O. Nun halten wir
wahlen x so nahe bei b, daB der Bruch (11 und damit
~&?
be1iebig nahe bei
~;~?
jg~)/(1- ;i~~)
z fest und
be1iebig nahe bei
liegt. Das zeigt die Behauptung.
Die anderen Feille. Der Beweis verlauft vollig analog fur die rechtsseitigen Grenzwerte x -+ a. Die FaIle x -+ 00, x -+ -00 werden uber die Substi-
tution y
= },
y -+ 0 , auf die bereits bewiesenen FaIle zuruckgefuhrt.
0
Es kommt haufig vor, daB man den zur Anwendung der L'Hospital-Regeln benotigten Wert lim f;((X)) selbst erst mit dieser Regel ermittelt, sofem f', x->b
g X
g' an stelle f, g die Voraussetzungen des Satzes erfullen. Das laBt sich gegebenenfalls fortsetzen auf hohere Ableitungen.
129
§ 2. Anwendungen der Differentiation
. X3 - X2 - 5x - 3 . 3x 2 - 2x - 5 16 hm = hm =-. 3x 2 - 7x - 6 x~3 6x - 7 11
Beispiel 1.
o
x~3
Beispiel 2. Die Molwarme eines zweiatomigen Gases ist bei festem Volumen als Funktion der absoluten Temperatur T gegeben durch c(T)
(To I T) 2 e To / T
=R
(e To / T
1)2
_
mit der Gaskonstanten R und der charakteristischen Temperatur To. Es interessieren die Grenzwerte T -+ 0 und T -+ 00, Zur Vereinfachung der Schreibweise setzen wir x :=
~ , Die L'Hospital-Regel ergibt , x2ex
,
}~I1J+ c(T) = }~~ R (eX _
1)2 =
,
2x +x2
}~~ R 2(eX - 1)
=x~oo lim R 2 + 2x =x~oo lim R l.. =0 2e x eX ' c(T) I1m
T ~oo
R ( x 2 ex1)2
= I'1m
eX -
x~o+
= I'1m
x~o+
+ xR -1X e
=R ,
(Die hier als bekannt vorausgesetzten Eigenschaften der e-Funktion sind = eX, lim eX = 00, -+ §4,)
(ex)'
0
x~oo
Beispiel 3. Der Beweis der Grenzwertformel lim sin x = 1 mit der L'Hospitalx~o x ' sin x = I'1m -1cos x=l ) 1st , erstaunI'1Ch em ' fac h ; man b e denke ab er, Rege I ( I1m -xx~o
x~o
daB diese Formel bereits zum Nachweis von (sin x)'
= cosx
benotigt wurde,
0
Bemerkung. Haufig ist zur Grenzwertberechnung nach der L'Hospital-Regel eine vorhergehende Umformung niitzlich, etwa
f(x)g(x)
= f(x)
(g(~))'
/
f(x) - g(x)
= f(x)g(X)(g(~)
- Ax))
Beispiel 4. (Zur In-Funktion vgl. § 4 )
r
[I x + 1 ]
r
In(x + 1) - In(x - 1) x~~ x n x - I = x~~ 1
x
Beispiel 5.
lim x~o
(! __smx ,_1_) = lim sin smx x
x~o
= lim
x~o
x
x, - x
1
= lim X+T HOO
= lim
x~o
- sin x , 2 cos x - x sm x
1
-:x=-r = 2 1
- x2
cosx -
'
o
!
x cosx + smx
=0
,
o
130
3. Differentiation
2.5 Kurvendiskussion. Urn eine Vorstellung zu bekommen, was sich bei einem durch y = f(x) beschriebenen Vorgang abspielt, ist es in jedem Fall niitzlich, den Verlauf der Kurve y = f(x) zu diskutieren und zu zeichnen (Kurvendiskussion). Mit den bisher entwickelten Hilfsmitteln geschieht das unter folgenden Gesichtspunkten: Diskussion der Kurve y = f(x)
o
® CD
o o
°
Definitionsbereich und evtl. Wertebereich von f festlegen. Symmetrie testen: f gerade oder ungerade? (--+ Kap. 2, §1) Stetigkeit priifen, Polstellen berechnen. (--+ Kap. 2 §6, Satz 2.9) Nullstellen von f, Vorzeichen von y bestimmen. (--+ 2.6)
f' berechnen, Nullstellen von f' bestimmen.
Extremalstellen, Monotoniebereiche ermitteln. (--+ Satze 2.3, 2.4, 2.5) (j) f" berechnen, Nullstellen von f" bestimmen. CD Wendepunkte, Konvexitatsbereiche bestimmen. (--+ Satze 2.6, 2.7)
®
Verhalten fiir x --+ ±oo untersuchen, schrage und horizon tale Asymptoten berechnen. (--+ Kap. 2 §6, Satz 2.9) @ Eine Skizze des Graphen anfertigen.
Beispiel.
0-0 klar. 0:
y
=cos 3 X + sin 3 x, O:s x :s 2Jr .
Nullstellen von f: cos3 X = - sin 3 x {=:::} cos x Vorzeichen von y: X I 0 :s x < ~Jr I ~Jr < X < y + -
= - sin x ~Jr I ~Jr
0,O:
1. Ableitung: y' = 3cos 2 X· ( - sinx)+3 sin 2 xcosx y' = 0: x = ~, ~Jr; 0; Jr; ~, iJr. Vorzeichen von y': x
O:::xo
. e- x2 hm
x->o 1m x->o
In(1-x)+x2 --'-----:--'----." (1 + X)5 - 1 + x 2
lim In(a + b~) x->oo
,JC + dx
(b, d > 0)
_
X
1 + x2
4
x--+o
x
x->o
1-
e- x
lim [In(l+.!.)-_1 ] x x+1
x->oo
Hilfe: L'Hospital-Regel und (eX)' = eX und (In Ixl)' = 11. Mit dem Newton-Verfahren bestimme man
T(
i,
x
10
(-+ §4.).
auf 6 Stellen genau aus der Gleichung
tan ~ 4 - cot ~ 4 =0 .
§3. Umkehrfunktionen Unser Vorrat elementarer Funktionen muG erweitert werden, damit wir auch einfache Gleichungen der Form y = f(x) nach x aufiosen konnen.
3.1 Grundlagen. Sei f
eine auf I S; lR erklarte Funktion und D S; I. Man sagt, fist iiber D umkehrbar, wenn zu jedem y E f(D) die Gleichung y = f(x) genau eine Losung XED besitzt. In diesem Fall gibt es eine Umkehrfunktion g : f(D) --+ D, sie ordnet jedem y E f(D) die durch y = f(x) eindeutig bestimmte Zahl XED zu; d.h., (1)
x=g(y)
{::=:}
y=f(x).
Besitzt f iiber D die Umkehrfunktion g : f(D) gemaG laut (1): (2)
f(g(y» = y fiir aIle y
E
--+
D, dann gilt definitions-
f(D) ,
g(f(x» = x fiir aIle XED.
140
3. DitTerentiation
Aus diesen Beziehungen erkennt man sofort, daB g(y) = x eindeutig durch y = f(g(y)) = f(x) gelost wird. Also ist auch g uber feD) umkehrbar mit Umkehrfunktion f. Bemerkung. Die Umkehrfunktion zu f Lehrbuchem haufig mit f- I bezeichnet: f- I : f(I) ~ I, f-I(x)
Beispielsweise sin- I x
= arcsin x ,
: I
=y
~ x
wird m anderen
f(I)
~
= fey)
.
= arcoshx (~ 3.3, 4.6). Dabei f(x)-l = Ax) verwechselt wird.
cosh- I x
besteht aber die Gefahr, daB f-I(x) mit
= ax + b
Beispiel 1. Die lineare Funktion f(x) umkehrbar; die Umkehrfunktion ist y
1-+
g(y)
(mit a =I 0) ist uber ganz IR
= ~(y -
b), y
E
IR.
0
Beispiel 2. Die Gleichung y = x 2 (y 2: 0) hat i.a. zwei Losungen; deshalb ist die Quadratfunktion uber IR nicht umkehrbar. Uber IR+ = {x E IR ; x 2: O} hat sie aber die Umkehrfunktion gl (y) =.JY und uber IR_ = {x E IR ; x :s O} die 0 Umkehrfunktion g2(y):= -.JY. Wird die Umkehrfunktion durch explizites Aufiosen der Gleichung y = f(x) in der Form x = g(y) berechnet, ist zum SchluB zweckmaBigerweise x mit y zu vertauschen. Wir erhalten die iibliche Darstellung y = g(x), in der wir g mit anderen Funktionen, deren Argumente einheitlich mit x bezeichnet wurden, vergleichen oder kombinieren konnen. Vielfach schopft man aber die notigen Informationen uber die Umkehrfunktion g aus anderen Quellen (vgl. dazu den folgenden Satz), dann kann g die wichtige Rolle eines "Gleichungslosers" ubernehmen: y
= f(x)
===}
g(y)
(beidseitig g anwenden)
Satz 3.1. Hauptsatz iiber Umkehrfunktionen a) Existenz. I) Jede strikt monotone Funktion f: D
~
= g(f(x)) = x
.
IR ist umkehrbar.
=I 0
2) Jede iiber einem Intervall I stetig dijferenzierbare Funktion mit f' (x)
for aUe x
E
list (iiber I ) umkehrbar.
b) Der Graph. 1st f iiber D umkehrbar mit Umkehifunktion g : feD) dann liegen die Graphen y
= f(x),
y
= g(x)
~
symmetrisch zur Geraden y
IR,
= x.
c) Die Ableitung. Die Umkehifunktion g : f(I) ~ IR einer iiber einem Intervall I S; IR umkehrbaren und dijferenzierbaren Funktion fist in allen x E f(I) mit f' (g(x)) =I 0 dijferenzierbar und es gilt (3)
141
§3. Umkehrfunktionen
a1): 1st f auf D strikt monoton, dann folgt aus Xl < x2 sofort f(Xl) < f(X2) oder f(X2) < f(xj). Deshalb gibt es zu jedem y E feD) genau ein XED mit y = f(x). 2): Die Ableitung f' (x) ist uber I stets positiv oder stets negativ; andernfalls gabe es nach dem Zwischenwertsatz (---+ Kap. 2, Satz 6.5) eine Nullstelle. Demnach ist f strikt monoton (---+ Satz 2.3) und somit umkehrbar. b): Man beachte zunachst, daB im kartesischen (x, y)- Koordinatensystem ein Punkt (a, b) bei der Spiegelung an der 45°-Achse y = x in (b, a) ubergeht (---+ Abb. 88). Wird demnach der Graph G f = {(x, f(x)) ; xED} an Beweis.
dieser Achse gespiegelt, so entsteht {(f(x),x); xED} = {(y,g(y)); Y feD)} = G g •
y=x
E
c): Die Differenzierbarkeit von g ersieht man aus der Symmetrie der Graphen y = f(x), y = g(x). Beidseitige Differentiation der Identitat f(g(x)) = x (---+ (2)) ergibt mit der Kettenregel f'(g(x))g'(x) = 1 . D Abb. 88 - Umkehrfunktion
Beispiel. Die Funktion f(x) = x 5 +x (x E IR) hat eine uberall positive Ableitung f' (x) = 5x 4 + 1 ; sie ist demzufolge umkehrbar. Da die Gleichung x 5 + x = y mit "formalen" Manipulationen nicht nach x auflosbar ist, kann man vorerst
noch nicht viel uber die Umkehrfunktion g sagen. Immerhin kennt man nach (3) die Ableitung g'(x)
= 5g(x~4 + 1 '
damit auch g"(X), g"'(X), ... , was eine
Reihendarstellung von g ermoglicht (---+ Kap. 5).
D
3.2 n-te Wurzel, rationale Exponenten. Zu n
E IN betrachten wir die Potenzfunktion fn (x) =xn, x E IR. 1. Fall: n gerade, n = 2k. In diesem Fall ist fn nicht uber ganz IR umkehrbar, y = X2k = (-x )2k. Wegen f~ (x) > 0 fur x > 0, ist aber fn uber IR+ = {x E IR ; x 2: O} umkehrbar (---+ Satz 3.1). Demnach hat die Gleichung y = xn zu jedem y E f(IR+) = IR+ in IR+ genau eine Losung, sie heiBt n-te Wurzel von y, i.Z. x = VY. Es ist gn : IR+ ---+ IR+, gn(x) = Vi die Umkehrfunktion von fn : x t-+ xn uber IR+ . 2. Fall: n ungerade, n = 2k + 1. Mit einem ungeraden Exponenten n ist die Potenzfunktion uber ganz IR strikt monoton wachsend, f~ (x) = (2k + 1)X 2k > 0 fur x =I 0 (---+ Satz 2.3). Demnach ist zu jeder ungeraden Zahl n E IN die n-te Wurzel fur aIle x E IR erklart.
y=
n
r::
'IX {==}
n
Y =x
{x -> 0 , n
E
x E IR
,n
E
IN gerade IN ungerade .
142
3. Differentiation
Fur jede nichtnegative reelle Zahl x ::::: 0 ,jedes n
E
IN und m
E 7J.,
setzt man
(4) Damit ist nun die Potenzfunktion frx(x) := x" (x ::::: 0) fUr jeden rationalen Exponenten a E Q erklart. Zur Vermeidung von Fallunterscheidungen wird einheitlich der Definitionsbereich lR+ = {x E lR ; x ::::: O} festgelegt. Aus der Definition ergeben sich leicht die Potenzregeln (5)
(fur aIle x,Y::::: 0, a,{3 E Q). Fur einen beliebigen rationalen Exponenten a (6)
Q gilt die Ableitungsformel
(x> 0)
Beweis. Formel (3) mit f(x)
zuerst einmal :x<xft) =
~x'ff dx
E
= xn ,
g(x)
.1
= Vi = xn1
II = kxft-I. n(x n )n-I
zeigt (fur n
n
IN)
Mit der Kettenregel folgt nun
= ~(xft)m = m(xft)m-l . '!'xft-1 = m x'ff- 1 . dx
E
0
n
Beispiel. Die Funktion y(h)
= h(a 2 + h 2)-3/2,
(h ::::: 0) ,
gibt die Beleuchtungsstarke der Lampe B im Punkt A an. In welcher Rohe h ist B zu befestigen, damit es in A moglichst hell wird? Abb. 89 - Beleuchtungsstarke
Losung. Wegen y(O) = 0, y(h) ---+ 0 (fur h ---+ (0) und y(h) > 0 (h i 0) muG es zwischen h = 0 und h = 00 wenigstens eine Maximalstelle geben; diese ist nach 2.2 unter den stationaren Stellen zu suchen. besitzt fur h > 0 nur die Losung hi
-
= v2 ~,
y'(h)
= (aa: +- h~h:/2 =0 )
dies ist eine Maximalstelle.
0
3.3 Arcussinus, Arcuscosinus, Arcustangens. Die Kreisfunktionen sin, cos und tan sind sicherlich nicht global (d.h. uber dem gesamten Definitionsbereich) umkehrbar. So hat etwa die Gleichung sin x = 0.5 unendlich viele Losungen Xk = ~ + 2krr, k = 0, ±1, ±2, .... Uber gewissen Teilintervallen sind sie aber strikt monoton und deshalb dort umkehrbar (---+ Satz 3.1).
143
§3. Umkehrfunktionen
G) Die Sinusfunktion ist iiber dem Grundintervall - ~ :::: x :::: ~ strikt monoton wachsend; die zugehorige Umkehrfunktion, definiert auf [-1, 1] mit Werten in
[-~, ~ ] ' heiSt Arcussinus-Funktion (i.Z. arcsin). Sie ist definiert durch arc sin : [-1, 1] y = arcsin x
~
[- ~,
sin y = x und
{=::}
~]
n n - -2 < - y < - -2 .
Der Graph y = arc sin x (-1 :::: x :::: 1) ergibt sich aus dem Sinusbogen y = sin x, - ~ :::: x :::: ~, durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden y = x (~ Satz 3.1 und Abb. 90a). arc sin lost Gleichungen der Form y = sin x fiir x
E [ -
~, ~ ] nach x auf. So
erhalt man etwa aus dem Brechungsgesetz sin a = n sin fJ (mit dem Brechungsindex n) den Winkel a als Funktion von fJ in der Form a = arc sin(n sin fJ) • arc sm ist im offenen Intervall (-1, 1) differenzierbar. Es gilt d. -d arcsmx = x
(7)
1
y
~'
1 - x2
-1<x Kap. 2, §5): eX := exp(x) := lim
n-+oo
(1 + ~)n n
(x E IR) .
Satz 4.1. Die wichtigsten Eigenschaften der e-Funktion a) Positivitiit. eO = 1, eX > 0 fiir alle x E IR. b) Die Ableitung. Die e-Funktion ist iiberall dijferenzierbar und es gilt (1)
(xc
lR).1
c) Charakterisierung durch eine Differentialgleichung. Jede auf einem Intervall I ~ IR dijferenzierbare Funktion, welche f' (x) = af(x) (x E I) eifiillt, ist von der Form f(x) = ce ax , mit einer Konstanten c E IR.
d) Die Funktionalgleichung der e-Funktion (X,YEIR), (XEIR)
Beweis. a): Aus der Definition sieht man sofort eO = 1 und eX :::: 0 fur aIle x. DaB tatsachlich eX > 0 gilt, fo1gt aus der Stetigkeit (Fo1gerung aus b)) und aus der Beziehung eX e -x = 1 (Sonderfall Y = -x in d)).
149
§4. Die Exponential- und Logarithmusfunktion
b): Es ist naheliegend, (1) folgendermaBen zu beweisen: ddx eX
= ddX
lim (1 + ~n)n
n--->oo
= n--->oo lim dd X
(1 + ~)n n
= n--->oo lim (1 + ~)n-l = eX n
.
Das ist zwar richtig, es muB aber begrundet werden, daB im vorliegenden Fall die Grenzubergange dd und lim vertauscht werden durfen. Das ist nicht ganz x n---+oo einfach (--+ Kap. 5, §2). Wir beweisen (1) wie folgt: Nach dem Mittelwertsatz gibt es zu jedem n E IN ein ~n zwischen x und x + h , so daB gilt
Mit den Grenzwert-Regeln (--+ Kap. 2, Satz 5.1) folgt hieraus
Nehmen wir zunachst 0 < h < 1 an, also x hinreichend groBe n
woraus bei n --+
00
:s ~n :s x + h :s x + 1 , dann gilt fur
(mit dem soeben ermittelten Grenzwert)
entsteht. Hieraus erkennt man zuerst (nach Multip1ikation mit h) lim (e x+h
h-+O+
-
eX)
=0
und dann lim
h-+O+
-hI (e x+h -
eX)
= eX . Vollig analog verlauft die
1inksseitige Annaherung h --+ 0-. Damit ist (1) bewiesen. c): Aus (eXe- x )' = eXe-x - eXe- x = 0 f01gt eXe- x = Cl mit einer Konstanten Cl E lR (--+ Satz 2.3e), die sich leicht mit der Wahl x = 0 zu Cl = 1 bestimmen laBt. Also gilt (2)
Nun gehen wir aus von f mit f' = af und betrachten die Funktion g(x) := f(x)e- ax . Da g'(x) = f'(x)e- ax + f(x)(-ae aX ) = e-ax(f'(x) - af(x» = 0, folgt g(x) = f(x )e- ax = C mit einer Konstanten c, woraus mit (2) die Behauptung f(x) = ce"x folgt. d): Fur jedes y E lR erfullt f(x) := e X+Y die Bedingung f' = f. Deshalb gibt es (nach Teil c» eine Konstante c = c(y) mit e X +Y = c(y)e X fur aIle x. Die Wahl x =0 zeigt c(y) = e Y • 0
150
r
3. Differentiation
DaB es sich bei exp(x) Eulerzahl e
= lim
n~oo
(3)
= }i.~ (1
+~
l.)n = 2.71828 ... n
(1 +
= [expxY
exp(rx)
tatsachlich urn die x-te Potenz der handelt, folgt aus
(fur x
E
lR, r
0 ist die - yom Material abhangige Zerfallskonstante.) Satz 4.1 c) fuhrt sofort zum Zerfallsgesetz 0
N(t)
= N(O)e- kt
Die Halbwertszeit T ist definiert durch N(T) e kT
=2
0
0
= ~N(O),
Mit der Logarithmusfunktion heiBt dies: T
=
d.h.
i In 2 .
1
= 2' bzw. D
Beispiel 2. Das Newtonsche Abkiihlungsgesetz. Eine Substanz der Temperatur T(t) wird in ein Medium der Temperatur U(t) eingetaucht. Fur die Temperaturdifferenz pet) := T(t) - U(t) fand I. Newton (in zahlreichen Versuchen)
~~
= "AP. ("Die Abkuhlungsgeschwindigkeit ist proportional zur Temperatur-
= P(O)e At , bzw. T(t) = (T(O) - U(O))e At + U(t)
differenzo") Folglich gilt pet)
D
0
Beispiel 3. Exponentielle Sattigung. Aus dem Ohmschen Gesetz ergibt sich fur die Strom starke let) beim Einschalten eines Gleichstroms die Beziehung L dl + lR dt
mit dem Anfangswert 1(0)
=0
0
=E
Fur die Funktion u(t):= l(t) -
E R gilt dann
152
3. Differentiation
it(t) = i(t) =
i-
fI(t) = -fu(t). Damit ist u(t) =
= ~(l- e-~t)
I(t)
u(O)e-~t
und
.
D
4.4 Der natiirliche Logarithmus. Da die e-Funktion uber lR strikt monoton
= (0,00)
wachst, besitzt sie eine auf exp(lR) natiirlichen Logarithmus In.
[ In: (0,00) -+ lR,
y
definierte Umkehrfunktion, den
= Inx
{=}
eY
= x.
[
Insbesondere gilt (-+ §3 (2» In(e X)
(5)
=x
fur aIle x
E
lR;
elnx
=x
fUr aile x > 0 .
Die Graphen y = In x, y = eX Iiegen symmetrisch zu y = x (-+ Satz 3.1). Aus der Definition und der Abb. 97 Iiest man sofort ab: In 1 = 0, In x < 0, falls 0 < x < 1 , In x > 0, falls x > 1 , In ist echt monoton wachsend, lim lnx = 00, x->oo
= -00, Graph y = In x
lim lnx
X->O+
der oben. Ferner gilt:
x
ist konvex von Abb. 97 - y = In x
Satz 4.2. a) Die In-Funktion ist iiberall dijferenzierbar; fiir alle x > 0 gilt d 1 dx lnx = :x
(6)
b) Die Funktionalgleichung der In -Funktion
Iln(XY)=lnx+ln y
In
x
y = In x
- In y
(x, Y > 0). I
Beweis. a): Die Differentiationsregel (3) aus § 3 ergibt in diesem Fall
~ Inx =
1 = 1 = 1 exp'(lnx) exp(lnx) x' b): Fur x, y E (0,00) sei u := Inx, v := In y, dann gilt x = eU dx
,
y = eV und
In(xy) = In(eUe V ) = In(e u +V ) = u + v = lnx + Iny. Der Sonderfall x =
In
1
y = -In y.
y1
zeigt D
153
§4. Die Exponential- und Logarithmusfunktion
Die In-Funktion wachst mit x -+ n-te Wurzelfunktion, denn es gilt
wesentlich schwacher gegen
00
Inx · I1m -= 0
x-+oo
'!fi
00
ais jede
'
was man leicht mit der L'HospitaI-Regei nachweisen kann. Beispiel 1. Fur die Zerfallskonstante k und die Reichweite R von a- TeiJchen gilt das Gesetz von GEIGER und NUTTAL:
Ink = a + bIn R
(mit gewissen Konstanten a, b) .
Aus kT = In 2 (-+ 4.3) folgt In k + In T = In(kT) = In(ln 2) und damit eine Beziehung In(ln 2) = a + bIn R + In T zwischen Reichweite und Halbwertszeit. 0 Beispiel 2. Das psychophysische Grundgesetz von WEBER und FECHNER. Ein Reiz der Intensitat R verursacht eine Empfindung der Intensitat E(R).
Versuche ergeben /)..E = a /)..RR mit einer Konstanten a.
/)..R -+ 0 fuhrt auf
~~ = a . ~ ,
also auf E(R) = a In R + c (-+ (6) und §2 (2». Als Reizschwelle bezeichnet man den Wert Ro mit E(Ro) = 0 und E(R) > 0 falls R > Ro. Damit ergibt sich c = -a In Ro und E(R)
= a In R -a In Ro = a In
:0 .
Das lang-
same Anwachsen der In-Funktion verlangt in Bereichen hoher Intensitat eine ganz erhebliche Anderung von R, urn E(R) merklich zu beeinfiussen. 0
4.5 Allgemeine Exponentialfonktionen ond Logarithmen. Sei a > O. Die Formel (ex)' = erx (-+ (3» mit x = In a ergibt a r = erlna fur jede rationale Zahl T E 0).
I
Man nennt x t--J>- aX (x E lR) die Exponentialfunktion ZUT Basis a. Samtliche Eigenschaften dieser Funktion Ieitet man aus der Definition (7) und den Eigenschaften der In-Funktion und der e-Funktion her. Insbesondere aX = lim a rn fur jede Folge rationaler Zahlen
Tn
aXa Y = ax+Y ;
(8)
(abY
= aX In a
= aXbx
;
(ax)Y
= a XY
;
(X,YElR, a,b>O);
In(aX)=xIna
d _ax dx
n--+oo
-+ x. Ferner:
'
(x E lR, a > 0) .
Fur jede reelle Zahl a E lR ist nach (7) die Potenzfunktion f(x) = xO< = eO< Inx fur aIle x > 0 definiert. Mit (1), (6) und der Kettenregel berechnen wir die Ableitung: f' (x) = eO< Inx ~ = axo 1) .
157
§4. Die Exponential- und Logarithmusfunktion
Die elementaren Funktionen und ihre Ableitungen
/'
/
ax Cl -
XCi
Bemerkungen 1
sinx
cosx
cosx
- sinx 1 cos 2 x 1 - sin 2 x 1
tan x
--
cotx arcsin x arccosx arctan x arc cot x
-
E 7l.,
E 7l.,
Ixl < 1 Ixl < 1
v"f=X2
1 I +x2 1 --I +x2 --
aX
aX Ina
In Ixl
-
loga x
--
sinhx
coshx
coshx
sinh x
arcoshx
x =j. kn, k
1
eX
arsinhx
n x =j.(2k+ 1)2' k
v"f=X2
eX
tanh x
Def. Bereich abh. von a
aX
1
loga x
lnx = -1-' na
1 COSh2 x 1
Jx2+T 1
v'?-=1
a>O
x =j. 0
x
1 x Ina
= ex1na ,
x> 1
x,a > 0
158
3. Differentiation
Aufgaben 1. Man diskutiere gemaB 2.5 die Funktionen f(x) , x E lR, f(x) = x 4 e x f(x)=x x
f(x) = In
,
,
f(x) = In(e 3X + eX - I) f(x) = earetan x 3
Ix - Jx2=11 ,
f(x) =
Xl/x
f(x) =
1. In II + 5x 33 I
f(x)
2
=I
,
1- 5x
e ax + eax
2. Man bestimme die Grenzwerte
~Il
lim x 2 [ln(1 + -xl) -
x+
x----++oo
r
sinh x
x1~oo eoshx
. eax _ e bx . eax _ e bx hm ---::---:;lim eX - I x----++oo eX - 1 Saubere Fallunterseheidung hinsiehtlieh a, b! x-+o
lim (1.)'
lim xl/(l-x)
X----+O+ X
x----+1
'
lim (e(Jx _ hX)I/x
lim(eosx)l/x2
x-+o
x-+oo
lim (2a + x)' x-++oo a + x
II m ( - - - - ) . x-+o x 2 sinh 2 x
.
I
I
3. Man zeige, daB die von A.EINSTEIN eingefUhrte Funktion strikt monoton fallt:
x> 0 . 4. Man bereehne die Ableitung von f(x) fur
5.
Die Strahlungsdichte eines sehwarzen Strahlers ist naeh M.PLANCK
( T: Temperatur in 0 K; A WeIlenlange in em; A konstant) Man bestimme die globalen Maximalstellen Am (fur festes T) und die Konstante K des Versehiebungsgesetzes von WIEN Am' T = K . Wie graB ist Am bei Sonnentemperatur T = 6.000° K ? (Hilfe: Setze x =
Al.:~ m
und wende das Newton-Verfahren an.)
6. a) Man verbessere die Naherung Xo = 0.6 fUr die Lasung der Gleichung f(x) = x . eX - I = 0 dureh einen Newton-Sehritt. b) Man begriinde, warum es mit dem Newton-Verfahren besser ist, die Gleiehung in der Form g(x) = x - e- x = 0 zu Jasen. (Hilfe: Betrachte die Quotienten I f' und gil I g' ) Wie lautet in diesem FaIle das rekursive Bildungsgesetz Xn+l = r(x n ) fur die Folge der Naherungswerte des Verfahrens ?
r
159
§4. Die Exponential- und Logarithmusfunktion
7. Hangt ein Seil nur unter der Last seines Gewichtes G, so beschreibt es eine Kettenlinie: y(x) = b
X + C) + a cosh ( -a,
s
a> O.
Die Spannkraft S ist in jedem Punkt des Seiles tangential gerichtet, ihre Horizontalkomponente ist liber die gesamte Lange e des Seiles hinweg konstant: H = a .
AI-_ _~
f.
a) Man rechne nach: y(x) genligt der Differentialgleichung ay" = ~ . b) Ein Seil, 100 N/m schwer, soll zwischen den Punkten A (0 m, 100 m) und B(300m, 192.Sm) hangen, so daB es in A horizontal einmlindet. Man ermittle die drei Bestimmungsgleichungen flir a, b, c, lose nach a auf und bestatige:
~ = 3~0
erflillt die Gleichung 1 +
~;g ~ = cosh ~
Diese Gleichung ist mit dem Newton-Verfahren zu lasen! Wie groB sind somit die Spannkrafte in A und B? Bestimme daraus das Gewicht G und schlieBlich die notige Seilliinge S. Man bestatige flir a, b > 0 die Beziehungen Ina X
x = -1Inb = Ina e . In x, nb a
e.
x > O.
Als Diimpfungsmaj3 zwischen Eingangs- und Ausgangsspannung eines elektrischen Schaltkreises definiert man die Einheit Dezibel (dB)
U2
a = 20· InlO U j
•
In welchem
Verhaltnis stehen U j und U2 , wenn a = 3, 6, 20, 40 oder 60 dB ? 1
9. Man drlicke die maglichen Umkehrfunktionen von y = sechx := - - durch die cosh x In-Funktion aus und skizziere sie. 10. Als (linear) gediimpfte Schwingung bezeichnet man flir a > 0 g(x) = e- ax
.
Xc:: 0 .
sin(wx + cp),
Man bestimme Nullstellen, Extrema und Wendepunkte von g(x). Fi.ir welche x beriihrt g(x) die Kurven y = ±e-ax ? Man skizziere die Graphen y = g(x), y = e- ax flir a = w = 1 , 't' rn = ~ 4·
,
y = _e- ax
1= I(U)
= Is· (e U/ UT
-
1),
1_ _I
o
11. Bei einer Silizium-Gleichrichterdiode Typ IN4001 gilt zwischen Spannung U und Stromstarke I die Beziehung -100V < U < 1.5V
~I
0
u
I
:s SA
Bei T = 25°C ist UT = 47m V und Is = 30nA . Skizziere die Kennlinie im (U,I)-Koordinatensystem. Wie nimmt die Spannung U zu, wenn sich der Strom 1 verzehnfacht ? Berechne den Gleichstromwiderstand R r
= ~~
bei 1 = 2A.
=~
und den differentiellen Widerstand
160
3. Differentiation
12. Wachstumsgesetze (-+ 4.3). Man bestatige: a) 1st T die Zeit, in der sich N(t) jeweils verdoppelt, so gilt fiir unbeschranktes N(t) = N(0)2 t / T
exponentielles Wachstum:
N(t) N(t)
und
In2
T
b) Besitzt N(t) eine Sattigungsgrenze Noo := lim N(t) und wachst das Verhaltnis t->co
"besetzter zu freier Lebensraum" Nco~t~(t) exponentiell mit der Verdoppelungszeit T, so gilt das logistische Gesetz: N(t) = N(O)i/ T
Nco Nco + N(0)(2 t / T - 1)
und
N(t) = In2(1_ N(t») N(t) T Nco
Fiir 0 < N(t) < iNoo ist N(t) > 0, fiir ~Noo < N(t) < Noo ist N(t) < 0 (beschleunigtes bzw. gebremstes Wachstum). Jahr
1970
Mrd. Menschen
3.632
c) Erdbeviilkerung:
1st zwischen 1850 und 1950 das Modell a) mit T R:j 100 Jahren akzeptabel? Ab 1950 nimmt man Modell b) mit T = 28 Jahren. Was ergibt sich fiir N oo ? 13. TSCHEBYSCHEV-Polynome (-+ 3.3, Bsp. 2) lassen sich auf ganz lR, fortsetzen:
T. (x) ._ n
.-
{COS (n
arccosx) cosh (n arcosh x)
, falls 0 ::: x ::: 1 ' , f aII s 1 < x
n = 0, 1, 2, . .. .
a) Man bestimme aile n Nullstellen Xk und aile n + 1 Extremstellen in Ix I ::: 1 (k = 0, 1, 2, ... n ) und lese die Alternanteneigenschaft ab: Tn(~k+l)
=
-Tn(~k),
~k
von Tn (x)
k = 0,1, ... , n - 1.
b) Mit cosncp = ~(einl" + e-inl"), cosh ncp = i(enl" + e-nl") und der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion (-+ 4.1) bestatige man Tn+I(X) Tn (x)
=2x Tn(x) -
= H(x +
Tn-l(x)
(Rekursionsfonnel)
Jx2=1r + Jx2=1n· (x -
c) Tschebyschev-Polynome treten bei Tschebyschev-Filtern der Elektrotechnik im Nenner der Ubertragungsfunktion auf:
U212
1U
1
1 + E2 (w) = fn(w) := 1 + E2Tn2(w) .
Man bestimme mittels b) die explizite Darstellung sowie die Extremstellen von f4(W) (gleichmaBige Welligkeit in 0::: w ::: 1 , steiler Abfall fiir w > 1 ).
1
Aufg. 12 -
Logistische Funktion
Aufg. 13 -
Funktion !4(W)
w
Kapitel4
Integration Mit der Integration last man das Umkehrproblem, aus der Ableitung I' die urspriingliche Funktion I zu rekonstruieren. Die wesentliche, zur Lasung fiihrende Idee stammt aus dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung (-+ Kap. 3, §2): Zu jeder Zerlegung a = Xo < XI < ... < Xn-I < Xn = X des Intervalls [a, x], auf dem I differenzierbar ist, gibt es Zwischenpunkte ~i E [Xi-I, Xi] , so daB gilt I(Xi) - I(Xi-l) = 1'(~i)(Xi -
Xi-I)
(i = 1,2, ... , n) .
Summation dieser Gleichungen ergibt n
I(x) - I(xo)
=L
1'(~i)(Xi - Xi-I) .
i=I
Da man die ~i nicht kennt, ersetzt man sie durch beliebige Zwischenpunkte aus [Xi-I, X;], und erreicht so bei hinreichend feiner Zerlegung des Grundintervalls [a, x] durch die entsprechende Summe eine gute Approximation von I(x) - I(xo). Es wird sich zeigen, daB der auf diesen Ideen beruhende Integralbegriff das geeignete Mittel ist zur Berechnung von BogenHingen, Flachen- und Rauminhalten, Arbeit, Potentialen, Momenten, magnetischem FluB , Zirkulation und vielem anderen.
§ 1. Das bestimmte Integral 1.1 Die Definition des bestimmten Integrals. Sei I eine auf dem Intervall
[a, b] definierte, beschrankte Funktion, die an hachstens endlich vielen Stellen nicht stetig ist (derartige Funktionen nennt man stiickweise stetig). Durch Einfiigen von n - 1 Teilpunkten
a
= Xo
00
der einzelnen Unterteilungen mit n -+ 00 gegen Null. strebt. AuBerdem ist dieser Grenzwert unabhangig davon, wie die Teilpunkte und die Zwischenpunkte gewahlt werden. Der fur aIle derartigen Teilungsfolgen gemeinsame Grenzwert wird mit I(x) dx bezeichnet und heiBt das bestimmte Integral von I iiber [a, b] , die Randpunkte heiBen Integrationsgrenzen.
f:
(2)
Urn die Konvergenz der FoIge (Zn)n::::l einzusehen, setzen wir vereinfachend I als stetig voraus und eine Folge immer feiner werdender Unterteilungen von [a, b], in der die (n + l)-te Unterteilung aus der n-ten durch Hinzunahme weiterer Teilpunkte entsteht. Hierzu bilden wir fur n = 1, 2, 3, . .. mit mi := Minimum von I auf [Xi-I, x;] ,
y
Mi := Maximum von I auf [Xi-I, Xi] ,
die Untersummen n
Sn :=
L mi(xi -
Xi-I) ,
x
i=1
und die Obersummen
y
n
Sn :=
L Mi(Xi -
Xi-I) .
i=1
Mit globalem Minimum m und globalem Maximum M von I auf [a, b] gilt m ::::; mi ::::; I(~;) ::::; Mi ::::; M und somit (3)
x Abb. 100 - Unter- und Obersummen
m(b - a) ::::; Sn ::::; Zn ::::; Sn ::::; M(b - a) .
Man sieht leicht, daB die Folge (Sn)n::::l der Untersummen monoton wachst und die Folge der Obersummen (Sn)n::::1 monoton fallt. Weil beide Folgen beschrankt sind (-+ (3)), konvergieren sie (-+ Monotonie-Kriterium, Kap. 2, Satz 5.4). Aufgrund der Stetigkeit von I gilt fur beliebig kleines E > 0 die Abschatzung o : : ; Mi - mi ::::; E fur aIle i , sobald nur samtIiche Teilintervalle hinreichend klein sind (-+ Kap. 2, Satz 6.Sd). Damit sieht man Sn - Sn -+ 0 (mit n -+ 00) und es folgt lim Sn = lim Sn . Mit dem Vergleichskriterium (-+ Kap. 2, Satz 6.2) folgt n~oo
n~oo
lim Sn
n~oo
Beachte: Das bestimmte Integral
= lim
n-7-OO
lb
Zn
= lim
n----*OQ
Sn .
I(x) dx ist eine Zahl!
163
§ I. Das bestimmte Integral
Die "lntegrationsvariab1e" kann be1iebig bezeichnet werden:
lb
f(x)dx
=
lb
f(t)dt
=
lb
f(u)du .
Zur Vermeidung von Fallunterscheidungen setzt man
r f(x)dx := 0; Ja
l
a
f(x)dx:= -
b
[b f(x)dx, falls
Ja
a < b .
1.2 Die geometrische Deutung 1) 1st f uber [a, b] stetig, f(x):::: 0 fur alle x
E
n
sche Summe Zn
=L
[a, b] , dann ist die Riemann-
f(~i)(Xi -Xi-I) eine Summe von Rechteckftachen, die den
i=1
F1acheninhalt I des von der Kurve y = f(x), der x-Achse und den Geraden X = a, x = b begrenzten Flachenstucks approximiert. Je feiner die Zerlegung ist, um so genauer ist die Approximation. Also gilt (-+ (2))
(4)
1
=
lb
y f(x)dx .
Y= f (x)
(Genau genommen wird hierdurch erst der Flacheninhalt definiert.) 2) Verlauft die Kurve y = f(x) ganz unterhalb der x-Achse ( f(x) :s 0 fur aIle x E [a, b]), kann man mit (4) den entsprechenden Flacheninhalt berechnen: 1=
lb -
f(x)dx
=
-lb
f(x)dx;
x Y= -f (x) Abb. 10 1 - Flacheninhalt mit Formel (4)
d.h.
Ib
f(x)dx
= -1
.
3) Begrenzt y = f(x) Flachenstucke oberhalb und unterhalb der x-Achse, dann ist f(x) dx die Summe der mit einem Vorzeichen versehenen Flacheninhalte; ,,+" fur die oberhalb der x-Achse liegenden Teile, ,,-" fur die unterhalb der x-Achse liegenden Teile. y
f:
x Abb. 102 - Flache zwischen y = 0 und y = f(x) , mit Vorzeichen
164
4. Integration
D
Beispiel 3. Fur die in der Abb. 103 skizzierte stuckweise lineare Funktion f gilt
1
4f (X)dx=-lt+h-h=-h=-I.
D
~2
y=x
~Y=C ~ --.I'--~'-"--'-+-b---x Y
y~, x
Abb. 103
~
Zu den Beispielen I, 2 und 3
1.3 Elementare Integrationsregeln und der Mittelwertsatz. Samtliche betrachteten Funktionen seien auf dem abgeschlossenen Intervall [a, b] stuckweise stetig. Aus (2) ergeben sich direkt die folgenden Regeln: b
[a f (x)+fJg(x)]dx=a ib f(x)dx+fJ i bg (X)dX
(5)
I
(6)
ib f(x)dx = i
(7)
f(x) :::: g(x) (a:::: x:::: b)
c
f(x)dx
+ lb f(x)dx (a:::: =}
c:::: b)
(a,fJEIR); ;
Ib f(x)dx :::: Ib g(x)dx . a
a
Satz 1.1. Integralabschiitzungen. 1st die Funktion f stetig aUf [a, b], so gilt (8)
m :::: f(x) :::: M
(a:::: x :::: b)
lib
(9)
f(x)dx
=}
I:::: i
m(b - a):::: ib f(x)dx :::: M(b - a) ;
b1f (X)ldX (a:::: b).
Beweis. (8) folgt aus (7) und der bekannten Formel fc~ c dx = c(b - a) . Zu (9): Fur aIle x gilt -If(x)1 :::: f(x) :::: If(x)l, daher folgt mit (7) die If(x)1 dx :::: f(x)dx :::: If(x)1 dx. D Ungleichung -
1:
1:
1:
165
§ 1. Das bestimmte Integral
Es folgt eine fur die weitere Theorie wichtige Anwendung. Satz 1.2. Mittelwertsatz der Integralrechnung Sind die Funktionen I, gaul [a, b] stetig, g(x) 2': 0 for al!e x gibt es wenigstens eine Stelle ~ E [a, b] mit
lb
I(x )g(x) dx = I(n
lb
E
[a, b], dann
g(x) dx .
Beweis. Mit dem Minimum m und dem Maximum M von I auf [a, b] gilt mg(x) ::::: I(x)g(x) ::::: Mg(x) und damit m g(x)dx ::::: I(x)g(x)dx :::::
f:
f:
1:
f:
1:
M g(x) dx. Deshalb ist I(x )g(x) dx darstellbar in der Form e g(x) dx , mit einer Zahl e zwischen m und M, zu der es nach dem Zwischenwertsatz (---+ Kap. 2, Satz 6.5c) wenigstens eine Stelle ~ E [a, b] gibt mit e = I(~). 0
Der Spezialfall g(x) = 1 zeigt
lb
(10)
I(x)dx =
I(~)(b -
a) mit geeignetem
~ E [a, b] .
Beispiel. Die spezifische Warme e eines Korpers hangt von seiner Temperatur Tab, e = e(T). Unter der mittleren spezifischen Warme im Temperaturbereich 1 Tl ::::: T ::::: T2 versteht man das Integralmittel c:= T _ T 2
nach (10) an wenigstens einer Stelle T
em.
E
1
IT2 e(T) dT , welches TJ
[Tl, T2] "angenommen" wird;
c= 0
1.4 Differentiation nnd Integration. Der in der Ein1eitung zu diesem Kapite1 skizzierte Weg, aus I = F' die Funktion F zu konstruieren, fiihrt auch zu einer einfachen Methode, bestimmte Integrale auszuwerten. Definition. Man nennt eine auf dem Interval! I dif.{erenzierbare Funktion F eine Stammfunktion von I, wenn F'(x) = I(x) for al!e x E I gilt. Satz 1.3. Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung 1st I eine aul dem Interval! I stetige Funktion, a, bEl, dann gilt: a) Existenz von Stammfunktionen. Die durch Fa(x):=
l
x
I(t)dt
(x
E
1)
definierte Integralfunktion ist eine Stammlunktion von I; d.h.
(11)
:x
(l
x
I(t)dt) = I(x).
Jede andere Stammlunktion von I hat die Form F(x)
= Fa (x ) + e,
c E IR.
166
4. Integration
b) Integralberechnung. Mit einer beliebigen Stammfunktion F von f gilt (12)
Ih f(x)dx
=F(x) 1::= F(b) -
F(a).
Beweis. a): Aus (6) und (10) folgt Fa(x+h)-Fa(x)
= Ix+hf(t)dt-Ixf(t)dt =
mit einer Zahl
~h,
die mit h
F~(x) =
lim
h~O
~
x h + f(t) dt =
-hI [Fa(x +h) - Fa(x)]
= IX
f(~h)h
0 gegen x strebt. Deshalb gilt
Jede weitere Funktion F mit F' F(x) = Fa (x) + c mit c E IlL b): Nach Teil a) gilt F(x)
l
=f
=
F~
= lim f(~h) = f(x). h~O
hat nach Kap. 3, § 2 (2) die Form
f(t)dt+c fur x
bzw. IX f(t)dt = F(x) - F(a) fur alle x
E
E
I. Mit x
=a
folgt F(a)
= c,
I, insbesondere fur x = b.
0
Berechnung des bestimmten Integrals. Ih f(x )dx I. Schritt:
Man bestimmt eine Stammfunktion F von f (Probe: F'(x) = f(x))'
2. Schritt:
Man berechnet Ih f(x)dx
=F(x) 1:= F(b) -
F(a).
Wir befassen uns im folgenden mit den Methoden, zur stetigen Funktion f eine Stammfunktion explizit zu ermitteln. Definition. Die Menge aZZer Stammfunktionen von f wird mit net und heiflt unbestimmtes Integral von f.
J f(x) dx
bezeich-
J f(x) dx besteht nach Teil a) des Hauptsatzes aus allen Funktionen der Form F(x) + c mit c E IR und einer (festen) Stammfunktion F von f. Man schreibt dafur f(x) dx = F(x) + c. DefinitionsgemaB gilt
J
(13)
!
f(x)dx
= F(x)+c
Aus jeder Differentiationsformel F'
- F'(x) = f(x).
= fist demnach sofort das unbestimmte
167
§ I. Das bestimmte Integral
Integral von f abzulesen; so findet man zunachst die folgenden Grundintegrale. Die Differentiationsformeln entnehmen wir Kap. 3.
F(x)
F'(x) = f(x)
1 x n+l --
xn
n+1
J J J} J J J J J J ~ J J J J Jv'l+X2 =In(x+~) 1 0-=11 J
Bemerkg.
f(x)dx =F(x)+c
xn dx = _l_xn+!
n+1
+c
n =t-1
dx = In tx t + c
In txt - cosx
sinx
sinx
cosx
tan x
cos 2 X
cotx
- sin 2 x
arcsin x
lln 1 +x 2 1- x
1- x2
1 ax 7i e
cos x dx = sin x + c
_1_ dX =tanx+c
x
cos 2 x
_1- dx = - cot x + c sin 2 x dx
= arcsin x + c
dx 1 +X2
= arctan x + c
dx 1 - x2
=
2
=t (2k + l)n x
sinh x
sinh x
cosh x
In(x+~)
=t2kn
txt < 1
In 1 + x + c 1- x
txt < 1
eax dx
coshx
=to
sin x dx = - cos x + c
~
arctan x
x
a
=to
sinhxdx = cosh x + c
cosh x dx = sinh x + c
+c
dx
dx = In x + V x· .JX2=]""
I
+c
txt> 1
mM Beispiel 1. Die von der Gravitationskraft K(x) = Y-2- langs [a, b] geleistete x
Arbeit betragt A
r
= Ja
K(x)dx
[b
= ymM Ja
dx x2
1 b
1
= ymM(-i) la= ymM(-(j -
1
b) .
0
168
4. Integration
Beispiel 2.
I :x b
a
1
dx
Ibl = In Ibl -In lal = In raT '
vorausgesetzt, [a, b] enthiilt nieht den Nullpunkt. Insbesondere ergibt sieh so die Integraldarstellung der In-Funktion:
f
x
=
Inx
dt
(x > 0) .
D
= -eosx 1~/2= 1 .
D
T
1
Beispiel 3. ["/2
10
I
b
sinxdx
d
-1 x 2 = arc tan b - arc tan a . Speziell erhiilt man die Integraldar+x stellung des Areustangens:
Beispiel 4.
a
f x
aretanx =
dt
1 + t2
(x E JR.) .
D
o
Aufgaben 1. a) Man berechne F'(x) und FI/(x) von F(x) =
l ~dt, x
-1::s x ::s 1.
b) Mit einfachen Unter- und Obersummen bestiitige man 0.496 < F(0.5) < 0.500;
0.733 < F(J) < 1.00 .
2. Man berechne die Integra1e durch Rationa1machen des Nenners
11
f 2x2~+4dx, I
0
X
dx
yX+.JX+T
3. Man bestiitige flir zweima1 stetig differenzierbares f(x)
Ib
xj"(x)dx = bf'(b) - feb) + f(a) - af'(a) .
4. Fur a, f3 : [a, b] -+ [a, b] differenzierbar und f auf [a, b] stetig berechne man (J(x)
:x
(f
f(t)dt)
a(x)
5. Was ist fa1sch an
1 2
-I
dx x2
= _ .lI2 =1.? X
-I
2'
169
§2. Integrationsregeln
6. Man berechne mit Polynomdivision
f
X + 1 x- 2 dx,
X2 -
7. (FaBregel von J. KEPLER, 1571-1630) Man bestatige, daB der Flacheninhalt S des Bereiches, der von der x-Achse, den Geraden x = a und x = b und der kubischen Parabel Y = p(x) =ax 3 + fJx 2 + yx + 8 begrenzt wird, gegeben ist durch
b-a S = -6-(YO + 4YI + Y2) , wenn Yo
= p(a),
YI
a+b = P(-2-)
und Y2
8. Man diskutiere die Kurve Y = F(x) =
= pCb) .
1 x
t(t - l)e- t2 dt .
y
9. Ein biegeweiches Seil nimmt bei einer spezifischen Langenbelastung q(x) die Form der Seilkurve y(x) = c
1(1" x
x
q(t) dt) du
an. Man berechne die Seilkurve a) fiir eine Hiingebriicke mit konstantem q(x) = qo , b) fiir die Kettenlinie (Seil unter Eigenlast) q (x) = cosh x , c) f"
() ur q x
= {ql q2
,O:s x :s 1 ,1 < x ,q I
=I q2·
§ 2. Integrationsregeln Die 3 Regeln der Differentiation (Linearitat, Produktregel und Kettenregel) ergeben mit § 1 (13) Regeln zur Berechnung unbestimmter Integrale.
= f(x) , G'(x) = g(x) folgt fur aIle a, b E lR af(x)+bg(x) =aF'(x)+bG'(x) = (aF(x)+bG(x))'. Das bedeutet fUr das Integral j(af(x) + bg(x))dx = aF(x) + bG(x) + c; man schreibt dafur
2.1 Linearitat. Aus F'(x)
f (af(x) + bg(x))dx
(1)
= af
f(x)dx + b f g(x)dx .
Beispiel. f(anxn+ ... +alx+ao)dx=an f xndx+···+al f xdx+ao f dx an n+l al 2 = n + 1x + ... + 2 x + aOx + c .
D
170
4. Integration
2.2 Partielle Integration. Fur je zwei auf einem Intervall I stetig differenzierbare Funktionen u, v ist uv wegen (uv)' = u'v+uv' eine Stammfunktion von u'v+uv'. Nach §1 (13) bedeutet das u(x)v(x)+c = j(u'(x)v(x) + u(x)v'(x))dx = j u'(x)v(x)dx + j u(x)v'(x)dx, bzw.
f
(2)
u'(x)v(x)dx
= u(x)v(x)
f
-
u(x)v'(x)dx .
Fur das bestimmte Integral lautet die entsprechende Formel
lab u'(x)v(x)dx
(3)
= u(x)v(x)
I: - j
u(x)v'(x)dx .
a
Die Berechnung eines Integrals mit Formel (2) bzw. (3) nennt man partielle Integration. Sie gestattet, Integrale der Form j f(x )g(x) dx mit dem Ansatz f(x) = u' (x), g(x) = v(x) auf das oft leichter berechenbare Integral j u(x )v' (x) dx zurUckzufiihren. Beispiel 1.
f
xe x dx
= xe x -
f
eX dx
= (x -
l)e X + c ;
o
(Ansatz: u'(x)=e x , v(x)=x; u(x)=e x , v'(x)=l) Beispiel 2.
f
x 2 sinxdx = _x 2 cosx +2
f
x cosx dx ,
(Ansatz: u'(x)=sinx, v(x)=x 2 ; u(x)=-cosx, v'(x)=2x)
f
insgesamt:
x cos x dx
f
= x sin x
f
sin x dx
= x sin x + cos x + c ;
x 2 sin x dx = _x 2 cosx + 2x sinx + 2cosx + c .
Beispiel 3.
f
-
eax sin bx dx =
~eax sin bx -
=
~eax sin bx -
*f *[~eax
eax cos bx dx
cos bx +
*f
eax sin bx dX] , (a
o
¥ 0) .
Zweimalige partielle Integration (beide Male mit u'(x) = e ax ) fuhrt wieder zum gleichen Integral, jedoch auf der rechten Seite mit einem anderen Faktor als auf
171
§2. Integrationsregeln
der linken Seite. Man kann deshalb die Gleichung nach dem gesuchten Integral aufiosen und erhiilt
f
e
ax . (b ) d _ ae ax sin(bx) - be ax cos(bx) sm x x 2 b +C a + 2
.
So ist beispielsweise im Zeitintervall 0 :S t :S]( das Integra1mittel der Auslenkung eines nach yet) = e- 3t sin 2t schwingenden Punktes
r
-=! ()d = e- 3 f(-3Sin2t-2coS2t)I Jr =~(1- -3Jr) y ]( 10 y t t 13]( 0 13]( e .
0
Beispiel 4. Mit dem Ansatz u'(x) = 1 erhiilt man
speziell
f
f
v(x)dx =xv(x) -
f
lnx dx
arcsin x dx
f
=x lnx =x
xv'(x)dx ;
x +c ,
arcsin x + ~ + c .
o
Beispiel 5. Bei Integralen der Form Sn := An := En :=
1 b
1b 1b
(SinX t dx ,
en :=
xn sinx dx ,
Bn :=
xnexdx ,
Ln :=
1b 1b 1b
(cosxtdx , xn cosx dx , (lnxtdx
liefert die sich anbietende partielle Integration jeweils eine Rekursionsformel. Wir erliiutem das am Beispiel
r/
Sn := 10
2
Aus der Definition liest man sofort So partielle Integration (mit u'(x) Sn(x)
= sinx,
r/
2
= 0, 1,2, ... )
.
= ~, Sl = 1 abo Fiir vex) = (sinxt- 1 )
r/
= -(cosx)(sinxt- 1 1~/2 + 10 = (n - 1) 10
(n
(sinxtdx
2
n ::0: 2 ergibt eine
(n - 1)(cosx)2(sinxt- 2dx
(1- (sinx)2)(sinx)n- 2dx = (n - 1)(Sn-2 - Sn) .
Das bedeutet Sn
n-1 = -n-Sn-2
(n ::0: 2) .
172
4. Integration
Aus dieser Rekursionsformel ergibt sich
Sn
n-l n-l n-3 = -nSn - 2 = -n- . n _ 2 Sn-4 =
n-ln-3n-5 . . IT ----2--4Sn-6' etc., schheBhch (wegen So = -2 ' SI = 1) fur gerades n, n n - nn =2k,
= (2k -
1)(2k - 3) .. ·3 . 1 . !!.2k(2k - 2) .. ·4 . 2 2
S2k
und fur ungerades n, n = 2k + 1 , 2k(2k - 2) .. ·4 . 2 S2k+1 = (2k + 1)(2k - 1) ... 5.3 . 1 . Bemerkung. Aus diesen beiden Formeln folgt eine interessante bereits 1656 von J. WALLIS angegebene Darstellung der Kreiszahl IT.
Wegen 0 ~ sinx ~ 1 im Intervall [0, ~] gilt dort (sinx)2k+1 ~ (sinx)2k ~ (sinx)2k-1
(k
= 1,2,3, ... )
und damit S2k+1 ~
S2k
~ S2k-l, bzw.
S2k-1 1 < S2k -- 1 x(ln x)" = divergent fUr a :::: 1
5. Man bestatige 00
a)
o
e
_
sf
s cos wt dt = -2--2 S +w
1 o
00
e-st
sin wt dt =
~ s +w
(s > 0),
190
d)
4. Integration
1""
1""
(ai-b),
sin 2 x dx = sinx dx x2 0 x (Tip: 2 sin 2 x = 1 - cos 2x , partiell integrieren).
o
6. Mit dem Wert a)
2ab(a + b)
r(n +
r (!)
=.;n
zeige man
(2n)! f 2) = 4n n! 'In, I
b) i:e-x2/2dX=..fhi
(Subst. t=!X2, x>O).
7. Die Hermite-Polynome Hn(x) (CH. HERMITE, 1822-1901) sind erklart durch 2 dn 2 Hn(x) = (-I)"e x dxn (e- X )
•
Man bestatige fur ein beliebiges Polynom p(x) vom Grad n - 1 , daB i : e- x2 Hn(x)p(x)dx = 0 ,
d.h. die Hn bilden ein Orthogonalsystem (---+ Kap. 6, 6.3 und Band 2) bzgl. des Skalarproduktes < f, g> := i : e- x2 f(x)g(x) dx .
8. FlieBt durch den zwischen Xl und X2 (auf der x-Achse) eingespannten elektrischen Leiter der Strom I, so gilt fUr das magnetische Feld H im Punkt P(O, a) nach dem Gesetz von BlOT u. SAVART
Wie groB ist H fur
Xl
---+ -00 und X2 ---+ 00 .
§ 5. Kurven, Langen- und FIachenmessung Mit den Mitteln der Differential- und Integralrechnung soIlen nun geometrische Eigenschaften ebener Kurven analytisch untersucht werden. Kurven im Raum werden in Kap. 7, § 1 behandelt.
5.1 Die Parameterdarstellung. Die aIlgemeinste und fiir unsere Zwecke giinstigste Beschreibung einer ebenen Kurve erfolgt mit zwei differenzierbaren Funktionen x(t), yet) (a :s t :s b). In einem festen kartesischen Koordinatensystem durchlauft der sich mit t stetig verandemde Punkt pet)
= (x(t), y(t»,
a:S t
:s b
eine Kurve. Man nennt die vektorwertige Funktion
,
191
§S. Kurven, Liingen- und Fliichenmessung
(1)
ret)
~ = (X(t») = rCt) yet)
y
bzw. das System der beiden Gleichungen (2)
x=x(t), y=y(t) (a::::t::::b) ,
eine Parameterdarstellung dieser Kurve, x t den Parameter und [a, b] das ParameAbb. 107 - Ebene Kurve terintervall. Man sagt, daB die Kurve mit wachsendem in positiver Richtung durchlaufen wird. Deutet man t als Zeit, so beschreibt die Parameterdarstellung (2) die Bewegung eines Massenpunktes auf der Kurve. Damit ist klar, daB eine Kurve unendlich viele verschiedene Parameterdarstellungen besitzt; es konnen auf ihr ganz verschiedene Bewegungen stattfinden. Ein Graph y = f(x) (a :::: x :::: b) besitzt die Parameterdarstellung (3)
x=t, y=f(t) (a::::t::::b)
oder auch x = gCt), y = f(g(t» mit einer auf [a,,8] differenzierbaren Funktion g mit g([a,,8]) = [a, b]. Von einer Parameterdarstellung x =x(t), y = yet) kann man i.a. nur stiickweise zu einer expliziten Darstellung y = f(x) oder x = h(y) iibergehen; namlich dann, wenn wenigstens eine der beiden Gleichungen nach t aufgelost werden kann (t = t(x) =} y = y(t(x» =: f(x». Beispiel 1. Die Gerade durch die Punkte (xo, yo), (Xl, yd besitzt die Parameterdarstellung (-+ Kap. 1, §6)
x
= Xo + t(XI
- xo) ,
y
= Yo + t(YI
- YO) (t
E IR) .
o
Beispiel 2. Der Kreis urn (xo, YO) mit dem Radius r (-+ Abb. 108)
x
= Xo + r cos t, x2
y2
Beispiel 3. Die Ellipse a 2 + b 2 x
= a cos t,
Y
= Yo + r sin t
=1 Y
(0:::: t :::: 2:rr) .
(-+ Abb. 109) hat die Parameterdarstellung
= b sin t
(0::::
t ::::
2:rr) .
y
x Abb. 108 - Kreis
o
Abb. 109 - Ellipse
o
192
4. Integration
Beispiel 4. Zykloiden. RoUt ein Kreis K mit dem Radius r ohne zu gleiten auf der x-Achse, dann beschreibt ein mit K fest verbundener Punkt P, der vom Kreismittelpunkt den Abstand a hat, eine Zykloide (oder Radkurve). Wenn wir von der in Abb. 110 gezeigten Nullage ausgehen, besitzt die Zykloide die ParameterdarsteUung
= rt - a sin t, Y = r - a cos t (0 :s t < <Xl) als Parameter.
(4)
x
mit dem RoUwinkel t Denn nach dem Abrollen urn den Winkel t liegt der Kreismittelpunkt in XM = rt, YM = r und P ist nach PI = (x(t), y(t)) gewandert:
=XM y(t) = YM -
x(t)
=rt - a sin t , a cos t = r - a cos t .
(~ ~. t= 0
t
r
2rrr x
p
a sin t
Abb. 110 - Zykloide
Rollt der Kreis (mit dem Punkt P) nicht auf der x-Achse sondem auf dem Kreis x 2 + y2 = p2 , dann ist die Bahn des Punktes Peine Epizykloide mit der Parameterdarstellung p +r x=(p+r)cost-acos-r-t, y
. = ( p + r ) sm t
-
. p+r a sm -r- t
1m Sonderfall p =r =a entsteht die Herzlinie (Kardioide) x = a(2 cos t - cos 2t), y
.
=a(2 sin t -
y
Abb. III - Epizykloide
sin 2t) . y
Abb. 112 - Cardioide
Beim Abrollen im Innem der p-Kreise entsteht die Hypozykloide
= (p Y = (p -
x
die fi.ir a
=r = £4
p-r r) cos t + a cos - r - t , r) sin t - a sin p ~ r t ,
die Astroide ergibt.
193
§5. Kurven, Liingen- und Fliichenmessung
x
x
Abb. 113 - Hypozykloide
o
Abb. 114 - Astroide
5.2 Tangente und Normale. Zu jeder Parameterdarstellung ret) =
(X(t)) yet)
einer Kurve K definiert man y r(t):= lim -hI [ret +h) - ret)] h--,>O
=
(~~~D
(wobei der Punkt die Ableitung nach t bedeutet). Als Grenzvektor von x "Sekantenvektoren" (-+ Abb. 115) ist dieser Vektor parallel zur KurventanAbb. liS - Sekantenvektor gente im Punkt (x(t), y(t)) . Beschreibt ret) die Bewegung eines Massenpunktes, dann gibt ret) die Geschwindigkeit dieses Punktes (zur Zeit t) an. 1st in einem Kurvenpunkt (x(t), yet)) der Vektor ret) = vektor verschieden, dann weist er in die positive Tangentenrichtung. Der hieraus durch eine positive Drehung (entgegen Uhrzeigersinn) urn 90° entstandene Vektor net) :=
(~;;))
(A
E
yom Null-
y
gibt die posi-
tive Normalenrichtung in diesem Punkt an, Demnach besitzen Tangente und Normale (in diesem Kurvenpunkt zur Zeit t) die Parameterdarstellungen Tangente Normale
(~~~~)
x = x(t) + Ai(t) x
= x(t) -
1R ist der Geradenparameter,
t
x Abb. 116 - Norrnalenrichtung
y = yet) + Ayet) ,
Ay(t), y
= yet) + Ax(t)
fester Parameter des Kurvenpunktes).
194
4. Integration
5.3 KurvenHinge. Die Parameterdarstellung x
= x(t),
y
= yet)
(a S t S b)
einer Kurve heiBt regular, wenn die Funktionen t t-+ x(t), t t-+ yet) iiber [a, b] stetig differenzierbar sind und x(t)2 + y(t)2 =f 0 fiir a S t :::: b gilt, dabei sind x(a) und x(b) als einseitige Ableitungen zu verstehen. Satz 5.1. a) Die Lange eines Kurvenbogens mit regularer Parameterdarstellung x = x(t), y = y(t), X(t)2 + .Y(t)2 =f 0, a S t S b, betragt (5) b) Der Graph y die Lange
= J(x)
einer stetig dijferenzierbaren Funktion J: [a, b]
--7
IR hat
(6)
Beweis. a): Wir zerlegen das Parameterintervall [a, b] durch aquidistante Zwischenpunkte a = to < tl < ... < tn = b, ti+1 - ti = 6..t, in n Teilintervalle. Uber jedem dieser Intervalle [ti, ti + 6..t] wird der Kurvenbogen ersetzt durch die
Sehne der Lange 6..s
= J(6..x)2 + (6..y)2 =JX(~i)2 + .Y(lJi)2 6..t
y
~i, lJi zwischen ti und ti + 6..t Mittelwertsatz). Summation und der Grenziibergang 6..t --7 0 (bzw. n --7 (0) ergeben die Behauptung.
mit (--7
x Abb. 117 - Bogenliinge
b) ist ein Spezialfall von a), denn es ist x = t, Y = J(t) eine stetig differenzierbare Parameterdarstellung der Kurve y = J(x) . 0 Beispiel 1. Der Zykloidenbogen x hat nach (5) die Lange r
[27r
10
=ret -
sin t), Y
fox J 1 + 4t 2 dt =
§2, Aufg. 5).
t
2
Beispiel 2. Der Bogen der Normalparabel y
(--7
cos t) (0 S t S 2n)
J(1 - cos t)2 + sin t dt = 2r 10[27r sin 2" dt = 8r .
Lange L(x) =
=r(l -
i
=x2
o
iiber [0, x] hat nach (6) die
[2xJ 1 + 4x 2 + In (2x
+ .J 1 + 4x2) ]
o
195
§5. Kurven, Langen- und Flachenmessung
= x(t), y = yet) mit a :::; t :::: b eine zweimal differenzierbare Parameterdarstellung einer Kurve mit x(t)2 + y(t)2 =I 0 fur aIle t. Mit cp(t) bezeichnen wir den positiv gemes5.4 Kriimmung und Kriimmungskreis. Es sei x
it
senen Winkel zwischen der positiven x-Achse und der Richtung des Tangentenvektors
(~~~~);
set) :=
J x( T)2 + y( T )2dT ist die Lange des Kurven-
bogens uber dem Parameterintervall [a, t] (--+ (5». Tangentenrichtung uber dem Intervall [t, t + ;:"'t], bezogen auf die Anderung der Bogenlange, also !~, ist offenbar ein gutes MaB fur die durchschnittliche Krummung der Kurve uber diesem Teilintervall. Man nennt
Die Anderung ;:"'cp der
Y
K '= lim ;:"'cp(t) = cp(t) . "'HO ;:"'s(t) set)
x
die Krummung der Kurve im Punkt P = (x(t), y(t». (--+ L'Hospital-Regel)
Abb. 118 - Kriimmung
Satz 5.2. a) Die Krummung einer Kurve mit zweimal stetig diJferenzierbarer Parameterdarstellung x = x(t), y = y(t), a:::; t :::; b, fur die uberal! x(t)2 + y(t)2 =I 0 gilt, betragt im Kurvenpunkt pet) = (x(t), yet»~ K(t)
(7)
= x(t»)i(t) -
b) Die Krummung des Graphen y f: [a, b] --+ lR im Punkt (x, f(x»
K(X)
(8)
Beweis. a): (--+
cp
Fur set) =
§1(1». Aus sincp(t)
= x.~ - ~: x
+y
y(t)x(t)
-J"r(~x=(t~)2=+=yO=·(=t)~2)¢3
= f(x)
einer zweimal diJferenzierbaren Funktion betragt
=
f"(x)
Jo + f'(x)2)3
J: JX(T)2 + YCT)2dT
=
gilt set) = Jx(t)2 + y(t)2
yet) , coscp(t) Jx(t)2 + y(t)2
. Mit diesen Werten ergibt sich fur
K
=~ s
b) ist ein Spezialfall von a); die Parameterdarstellung x gestellten Voraussetzungen.
=
x(t) folgt Jx(t)2 + y(t)2
die angegebene Formel.
= t,
Y
= f(t)
erfullt die D
Wegen s = J x 2 + y2 > 0 haben K und cp dasselbe Vorzeichen. Kap. 3, Satz 2.3 zeigt:
196
4. Integration
K
> 0 :::} rp nimmt zu :::} die Kurve ist (bzgl. der positiven Richtung)
K
< 0 :::} rp nimmt ab :::} die Kurve ist (bzgI. der positiven Richtung)
Iinksgekriimmt. rechtsgekriimmt. Man beachte, daB sich bei entgegengesetzter Durchlaufrichtung das Vorzeichen von K andert.
)(
Abb. 119a -
K
Abb. 119b -
> 0 ; Linkskriimmung
Beispiel 1. Die Kriimmung der Ellipse x im Punkt (x(t), yet)) : (x,
y) = (~a sin t, bcost), K
=
xy ~ yx J (x 2 + y2)3
=
(x,
J
= a cos t,
Y
K
< 0 ; Rechtskriimmung
= b sin t
y) = (~a cost,
~b
(O::s
t
::s 2n)
sint) ,
ab
(a 2 sin 2 t + b2 cos 2 t)3 '
Insbesondere hat ein gegen Uhrzeigersinn umlaufender Kreis mit dem Radius r in jedem Punkt die Kriimmung K = f . 0 Beispiel 2. Die Kriimmung der NormalparabeI y = x 2 betragt
2
o
Einen durch den Kurvenpunkt P = (x(t), yet)) gehenden Kreis nennt man den zu P gehorigen Kriimmungskreis der Kurve, wenn er dort dieselbe Kriimmung und dieselbe Tangentenrichtung wie die Kurve besitzt. Der Radius r des Kriimmungskreises, der sogenannte Kriimmungsradius der Kurve in P, betragt nach Bsp. I, falls K =I 0 , r
1 = TKT
Der Mittelpunkt des Kriimmungskreises (XM, YM) liegt auf der Normalen im
1
Abstand TKT von P. Unter Beriicksichtigung der Orientierung (bzw. des Vorzeichens von K) ergibt sich
197
§5. Kurven, Liingen- und Fliichenmessung
1
XM=X(t)-K
1
YM=y(t)+K
. x(t)2 + y(t)2 =x(t)-y(t).()",() '()"() x(t)2 + y(t)2 X t Y t - Y txt
.J
yet)
, x ( t ? + Y(t)2 =y(t)+x(t),(),,() '()"() .jx(t)2 + y(t)2 x t Y t - Y txt x(t)
Durchlauft t das Parameterintervall, dann beschreibt (x M, YM) eine Kurve, die sogenannte Evolute der gegebenen Kurve,
= t,
Beispiel. Die Evolute der Parabel x XM
=X -
, x 2 + y2 Y ,,, ,,, xy-yx
= -4t 3
aus der man durch Elimination von YM
= 3(x:)~ + ~
t
,
YM
x + y2 2 1 = Y + x' xy-yx ," ,,, = 3t + -2 2
'
die explizite Darstellung
erhalt, eine nach W,
Abb, 120 - Kriimmungskreis
Y = t 2 hat die Parameterdarstellung
NEIL
(1637-1670) benannte Parabel.
D
Abb. 121 - Evolute der Parabel
5.S Die Polardarstellung einer ebenen Kurve. Der Polardarstellung komplexer Zahlen (~ Kap, 2, §3) entspricht in der reellen Ebene die Darstellung der Punkte in Polarkoordinaten, J eder Punkt P = (x, y) der mit kartesischen Koordinaten versehenen Ebene ist eindeutig bestimmt durch den Abstand r des Punktes P yom Ursprung und durch den Polarwinkel (oder Drehwinkel) cp derjenigen Drehung, die (r, 0) nach (x, y) y bringt (~ Abb, 122), Man nennt r, cp die Polarkoordinaten des Punktes p, Der Ursprung (d.i, der Pol) hat die Polarkoordinaten r = 0, cp beliebig. Man beachte auch, daB r, cp und r, cp + 2kn (k ganz) denselben Punkt r x o beschreiben. Es bestehen die folgenden Beziehungen (~ Kap. 2, §3): Abb. 122 - Polarkoordinaten
198
4. Integration
a) (9)
x
b)
= r cos cp,
r =
y
Jx 2 + y2
,
= r sin cp cp =
,
X
, falls y :::: 0 arccos r 2:rr _ arccos ~ , falls y < 0 unbestimmt , falls r =0
{
Die Spitze eines urn den Nullpunkt kreisenden Zeigers, der mit dem Drehwinkel cp auch seine Lange verandert, r = r( cp), liegt auf einer Kurve. Die Polarkoordinaten der Kurvenpunkte sind r(cp), cp (a::::: cp::::: f3). r=r(cp),
y
a:::::cp:::::f3,
x
heiSt Polardarstellung der Kurve; die Achse, von der aus cp gemessen wird, hier die x-Achse, heiSt Polarachse.
Abb. 123 - Polardarstellung einer Kurve
Parameterdarstellung der Kurve r
(10)
x
= r(cp) cos cp
,
y
=r( cp),
a ::::: cp ::::: f3 :
= r(cp)sincp
mit dem Polarwinkel cp, a ::::: cp ::::: f3 , als Parameter. Mit dieser Parameterdarstellung kann man Tangenten, Normalen, Bogenlange, Kriimmung etc. berechnen. Insbesondere ergibt sich aus (10) und (5): Bogenliinge der Kurve r
(11)
L
=
J
r(cp)2 +
= r(cp),
a::::: cp ::::: f3:
(d~~»)2 dcp .
Ci
Beispiel 1.
r = c (const.) ist die Polardarstellung eines Kreises urn O.
Beispiel 2. Archimedische Spirale. r = acp (a > 0, 0 ::::: cp < (0) ist die Polardarstellung einer Spirale. Die Bogenlange nach einem Umlauf betragt L
= fa2"
J(acp)2 + a 2dcp
= ~[2:rrJl + (2:rr)2 + In(2:rr + V~1-+--,-:c(2-:rr=)2)]
0 Abb. 124 - Archimedes Spirale
0
199
§5. Kurven, Liingen- und Fliichenmessung
Beispiel 3. Herzlinie. Durch r = a(1 + cos fP) (a > 0, O::s fP ::s 2rr) ist eine Epizykloide (~ 5.1, Bsp. 4) bestimmt, denn mit (l0) ist a
a
a
Y=2(2sinfP+sin2fP), 0::SfP::s 2rr .
x=2+2(2cosfP+cos2fP), Die Kurve hat den Umfang L = a
!a 2n J(1 + cos fP)2 + sin
2 fP
dfP = Sa .
D
5.6 FHicheninhalte
o Die FHiche zwischen zwei Graphen Satz 5.3. Sind f, g : [a, b] ~ IR. stetig, a < b, dann betragt der Inhalt der von den vier Kurven y = f(x), y = g(x), x = a, x = b berandeten Flache
(12)
F
=
lb
If(x) - g(x)ldx .
Beweis. Ein Streifen tiber x der Breite ~x hat angenahert den Flacheninhalt If(x) - g(x)l~x. Die Summation und der Grenztibergang ~x ~ 0 zeigen die Behauptung (~ 1.2, Abb. 125). D Beispiel. Die Flache zwischen den beiden Parabeln 4y = x 2 und
[0,4] betragt
i
F = 10 4(2v'X - ix2)dX = [2. ~A - i .~x3J: = 136 .
= 4x tiber D
y K
4
CP=~
+Ilcp cp cp=!l
Abb. 125 - Flache zwischen Parabeln
Abb. 126 -
Sektorflache
® SektorfHichen in Polarkoordinaten Satz 5.4. 1st r : [a,,8] ~ {r E IR.; r 2: O} stetig, a < ,8, dann betragt der Inhalt der in Polarkoordinaten von den drei Kurven r = r( fP), fP = a und fP = ,8 berandeten Sektorflache (~ Abb. 126) (13)
Iff!
F=2
ex
r(fPidfP.
200
4. Integration
Beweis. Die Sektorftache zwischen den Winkeln cp und cp + I'1cp hat angenahert den Flacheninhalt eines Kreissektors mit Radius r(cp), d.i. I'1F =
i
~: r(cp)2n:
=
r( cp )2I'1cp. Summation und Grenziibergang I'1cp --+ 0 ergeben wie in 1.1 die
Behauptung.
D
Beispiel. Bei einem Umlauf (0 ::S cp ::s 2n:) begrenzt die Archimedische Spirale r
= acp
eine Sektorftache mit dem Inhalt F
=
i1
2rr
a 2cp 2dcp
= ~a2n:3 .
D
© Sektorflachen in Parameterdarstellung = x(t), y = y(t), a ::S t ::S b, eine stiickweise stetig difJerenzierbare Parameterdarstellung eines ebenen Kurvenstiicks K, das von jedem Ursprungsstrahl hochstens einmal getroffen wird (jedem Polarwinkel cp entspricht hochstens ein Parameterwert t ), dann betragt der Inhalt der durch K begrenzten Sektorflache (--+ Abb. 126) Satz 5.5. Leibniz-Sektorformel. 1st x
(14)
F
=
i lib
[x (t).Y(t) - y(t)x(t)] dt
I·
() t yet) dcp _ 1 xy - yx l'st . D' S b t't t' Bewels. Ie u s I u IOn cp = cp t = arc an x(t)' dt - 1 + (y/x)2 x2 umkehrbar, daher ergibt sich (14) aus (13) mit der Substitutionsregel. D
= a cos t, = ::2 10 [ab cos2 t + ab sin 2 t]dt = abn: .
Beispiel. Der Inhalt der Ellipse x F
1
Y
= b sin t
(O::s t ::S 2n:) betragt
(2rr
D
Bemerkung. Man kann (14) auch mit einer Dreieckszerlegung der Sektorftache herleiten: Das Dreieck mit den Ecken (0,0), (x, y), (x + I'1x, Y + l'1y) hat den I'1x ) 1 . Inhalt I'1F = ::21 det ( xy xy + + l'1y = ::2(xl'1y - yl'1x), wenn der Polarwmkel von (x, y) nach (x + I'1x, y + l'1y) zunimmt (--+ Kap. 6, 5.1).
Satz 5.6. Formel (14) gilt auch for den Inhalt Feiner Flache, die von einer geschlossenen, iiberschneidungsfreien Kurve mit stiickweise stetig difJerenzierbarer Parameterdarstellung x =x(t), y = y(t), a::S t ::S b, berandet wird. Beweis. Wir nehmen zuerst an, daB es einen Punkt P = (u, v) in der Flache gibt, so daB die von P ausgehenden Strahlen die Randkurve in nur einem Punkt schneiden. Dann ist xp(t) := x(t) - u, yp(t) := yet) - v eine Parameterdarstellung der Kurve in einem kartesischen Koordinatensystem mit Ursprung P,
§5. Kurven, Langen- und Flachenmessung
auf die die Flachenformel (14) anwendbar ist. Wegen =
IbY(X
Yi)dt-u
Ib
ydt+v
Ib
I
201 b
(X pyp
- ypip)dt =
idt und y(a)=y(b), x(a)=x(b) folgtfiir
diesen Fall die Behauptung. Der allgemeine Fall laBt sich (was hier nicht ausgefiihrt wird) durch eine geeignete Zerlegung der Flache auf dies en Sonderfall zuriickfiihren (fiir Fortgeschrittene ~ Kap. 8, 3.5). 0
= R cos3 t + 2, F = ~J~Jf (xy -
Beispiel. Die von der Astroide x
= R sin 3 t + 3 (O:s t :s 2n) yi) dt = ~n R2 = 6nr 2 wegen y
begrenzte Flache hat den Inhalt R = 4r; das ist der 6-fache Inhalt des kleinen, im Innem abrollenden Kreises (~ 5.2, ~ Abb. 114). 0 Aufgaben 1. Man berechne fur die ebene geschlossene Schlinge y mit der Parameterdarstellung x = 3t 2
-
Y = 3t 3
1,
-
t ;
y
1
It I ::0 v'3
den Inhalt der von y umrandeten Flache und den Umfang.
-1
x
2. a) Man stelle die durch die Gleichung x3 +
i - 3xy = 0
beschriebene Kurve in Polarkoordinaten dar, skizziere die Kurve und berechne den Flacheninhalt der Schlinge. (Blatt des DESCARTES) b) Bestimme die Bogenlange der in Polarkoordinaten gegebene Kurve r = a sin 3 ~,
0::0 cp < 2:rr,
a > 0 .
3. a) Bestimme die Polardarstellung r = r(cp) fUr die Ellipse fUr die Hyperbel
E x 2 + 4l = 4, H: x 2 - 4y2 = 4.
b) Liegt der Pol p = 0 im Brennpunkt, so hat ein Kegelschnitt nach KEPLER die Polardarstellung p
p
= 1 + E cos 1{1
(p > 0, E:O: 0) .
Wie lautet die (~, 1)-G1eichung. Man berechne p und E fur die Ellipse E und bestimme mit dieser Darstellung den Flacheninhalt von E.
~----~~~--~-- x
202
Integration
4.
4. Die Lemniskate hat in Polarkoordinaten die Darstellung rZ
=cos 2rp ;
a) Man berechne den Inhalt der umschlossenen Flache. b) Man zeige fiir die Bogenlange e: Das Integral (11) ist uneigentlich. Substituiert man ...fi sin rp = sin 1jf , so erhalt man ein eigentliches Integral
e =2...fi . K (~) "" 2...fi . 1.854074679
.
K(k) bezeichnet ein vollstandiges elliptisches Integral (-.. §7, Aufg. 1,2).
5. LISSAJOUS-Figuren in der Ebene haben die Form (-.. Kap. I, 3.5)
Man wahle
(Xl
= (Xz = 0
(bzw.
= 0,
(Xl
(Xz
= ~),
und skizziere die LISSAJOUS-
. f"ur W2 = WI, W2 = 2WI, W2 = 2wI 3 . Flguren Welche Werte liefert die Sektorenformel fiir die Flacheninhalte?
6. a) Man gebe fiir die Gerade y = ax + h die Polardarstellung r = r(rp).
b) Man berechne den Flacheninhalt des n- Blattes r = I cos nrp I (0::: rp ::: 2n) . 7.
Fiir die allgemeine Polardarstellung einer Kurve r = r(t), rp = rp(t), a < bestatige man die Formeln fiir die Bogenlange s und die Sektorfiache F: s
=
Ib .J;-z
+ r2ipZ dt,
F
=~
Ib
< h,
rZ(t)ip(t) dt .
Wie lautet die Formel fiir die Kriimmung? Teste die Ergebnisse fiir die Kurven rp = t, r = t, 0::: t ::: 1 und rp = cosh t, r = e', -00 < t < 00 . 8. Ehene Bewegung in Polarkoordinaten x(t)
= (x(t») = r(t) (C?srp(t») y(t)
sm cp(t)
.
Man driicke x, x und v = Ixl durch ;-, ;:, ip und ip aus, fiihre die vom Ort abhangige Basis er
._ (cosCP)
.-
.
sm cp
e '- ( - sin CP)
.,fi - I
a) Fi.ir den Teilchenfiug (1), (2) berechne man rp'(r), v =.jx2 + y2 mit Aufg. 8 als Funktion von r. Wie groB ist lim v(r) ?
t'(r) und bestimme daraus
,--+00
b) Man fiihre die Integration in (1) durch und lose auf nach r = r(rp). c) Welche Richtung hat die Asymptote an die Flugbahn und wie lange dauert der Flug; d.h. wie groB ist lim rp(r) und lim t(r) ? r-">-oo
r--+oo
13. Fur die horizon tale Richtcharakteristik ei..)... I (. ).. ner A ntenne mit vier 2'-Dlpo en 1m 2'Abstand ubereinander) hat man die Formel (rp Polarwinkel) C(rp)
I
= cos(~ sin rp) sin(4~ sin rp) 4cosrpsin(~ sinrp)
I
.
a) Man setze C(rp) stetig auf [0,27T] fort, bestimme die Nullstellen und berechne C'(rp).
y
b) Mit Hilfe eines Rechners berechne man Lage und Amplitude der "Keulen der Charakteristik" und skizziere r = C( rp) .
204
4. Integration
§6. Weitere Anwendungen des Integrals 6.1 Abkiirzende Redeweisen. Urn schneller zu weiteren Resultaten zu gelangen, fuhrt man einige abkurzende Bezeichnungen und Redeweisen ein. Zur Berechnung einer reellen GroBe G mit Hilfe der Integralrechnung wird diese in kleine Bestandteile dG, die man Elemente nennt, zerlegt. Die Summation aller Elemente dG wird ebenfalls Integration genannt und man schreibt G = J dG. Die Kunst des Integrierens besteht darin, fur die Elemente d G eine von einem Parameter x abhiingige Anniiherung der Form dG ~ f(x)t...x, a :'S x :'S b, anzugeben, die so beschaffen ist, daB die Riemannsche Summe f(x )t...x beim Grenzubergang t...x ....... 0 gegen G konvergiert. Man erhiilt demnach G = f(x)dx. Als Kuriform fur diesen Rechengang schreibt man dG = f(x)dx, woraus durch Integration G = f(x)dx folgt. In diesem Zusammenhang ist es ublich, eine kleine Parameterdifferenz t...x mit dx zu bezeichnen, wenn beabsichtigt ist, im Verlauf der Rechnung den Grenzubergang t...x ....... 0 durchzufuhren. Statt t...f(x) ~ f'(x)t...x ( ....... Kap. 3, 1.3) schreibt man df(x) = f'(x)dx. So wird beispielsweise das Langenelement ds einer in kartesischen Koordinaten durch x = x(t), y = yet) (a:'S t :'S b) gegebenen Kurve in der Form
L
J:
(1)
J:
ds
= Jx(t)2 + y(t)2 dt
dargestellt (....... 5.3); speziell fUr den Graph y
= f(x) :
ds = Jl + f'(x)2dx .
(2)
6.2 Das Volumen eines Rotationskorpers. Von einem dreidimensionalen Korper sei (nach Wahl eines geeigneten kartesischen Koordinatensystems) fur jedes x E [a, b] der Fliicheninhalt F = F(x) des Querschnitts bey kannt (....... Abb. 127). Das Volumen t... V einer dunnen Scheibe der Dicke t...x betriigt niiherungsweise F(x )t...x . In Kurzform: dV = F(x)dx; die Integration ergibt z (3)
V=
f
dv=lb F(x)dx.
Speziell - mit F(x) = nf(x)2- gilt
Abb. 127 - Volumen Drehkorper
Satz 6.1. Ein durch Drehung der Kurve (der Kontur) y die x-Achse erzeugter Rotationskorper hat das Volumen (4)
= f(x),
a :'S x :'S b, um
205
§6. Weitere Anwendungen des Integrals
Ein Kreiskegel entsteht (nach passender Wahl des Koordinatensystems) durch Rotation der Kontur Y = XX urn die x-Achse. Das Volumen ergibt sich mit (4) zu
Beispiel 1.
V
r2
r
= n h 2 10
X
2
dx
2h
= nr "3 .
y
z
(Allgemein: Volumen einer Pyramide
= Grundftiiche mal %Rohe.)
0
Abb. 128 - Kreiskegel
Beispiel 2. Torus. Wird aus dem Rotationskorper, der durch Drehung des oberen Kreisbogens Yl = R + J r2 - x 2 (urn die x-Achse) entsteht, der "innere" Korper
entfemt, der sich durch Drehung von Y2 = R - J r2 - x 2 ergibt, so erhiilt man den in Abb. 129 gezeigten Torus (Reifen) mit dem Volumen V =n
f:
= 4n R
(Y~ -
f:
y
y
Y5)dx
z
J r2 - x 2 dx
= 2n 2r2 R .
o Abb. 129 - Torus
6.3 Die Mantelftache des Drehkor-
pers mit der Kontur Y = f(x), a :s :s x :S b, berechnen wir wie folgt: die Mantelftiiche d Meiner dunnen Scheibe der Dicke dx wird angeniihert durch die Mantelftiiche eines Zylinders mit dem Radius f(x) und der Mantelhohe ds = J 1 + f'(x)2 dx (---+ Abb. 130 und (2)). Das bedeutet
y
z
dM = 2nf(x)Jl + f'(x)2dx ;
die Integration ergibt
Abb. 130 - Mantel Drehkiirper
206
4. Integration
Beispiel. Die Mantelflache des in 6.2, Beisp. 2, betrachteten Torus berechnen wir aus M = Ml +M2 mit den beiden aus Yi = R+(-1)iJr 2 -x 2 (i = 1,2)
erzeugten Mantelflachen M
= 2n i~ (Yl + Y2)j 1 + Y? dx = 4n R i~ j
(In der Rechnung wurden Y?
= y~2,
Yl + Y2
= 2R
1 + Y? dx und
= 4n 2r R
i~ j
.
1 + Y? dx
= nr
(i = 1, 2) - Lange des Halbkreisbogens - beriicksichtigt.)
o
Bemerkung. (4) und (5) sind Spezialfalle der GULDIN-Regel (--.. Kap. 8, §4). Aufgaben 1. Man berechne das Volumen der Karper, die man durch Rotation erhiilt
a) Hyperbel xy = a 2 (0 < a :5 x < (0) urn x-Achse, b) Kardioide r =a(l +costp) urn Polarachse (dV = 2; r3 sintpdtp). 2. Man berechne das Volumen des Karpers, der von den Fliichen x 2 + l = ax, x - z = 0 , x + z = 0 begrenzt wird, indem man Schnitte senkrecht zur x-Achse legt. 3. Man berechne die Mantelfliiche der Karper, die man durch Rotation erhiilt a) y = sinx (0:5 x :5 n) urn x-Achse, b)
l
= 2px
(0:5 x :5 a) urn x-Achse,
c) r = a( 1 + cos tp) urn Polarachse (dM = 2n r.Jr2 +r12 sintpdtp). 4. Ein Becher besitzt die Form eines geraden Kreiszylinder mit Radius r, seine Achse ist urn den Winkel a gegen die Waagerechte geneigt. Er ist mit soviel Wasser gefiillt, daB auf dem Boden ein Kreisabschnitt mit dem Zentriwinkel 2tp benetzt ist. - Man berechne das Wasservolumen V . Hilfe: Man lege - abhiingig von der Hahe h - Schnitte senkrecht zur Achse, bestimme den Fliicheninhalt S(h) , driicke h und S(h) durch den sich mit h iindemden Zentriwinkel 21/f aus und berechne V = foH S(h) dh als Integral iiber 1/f.
§7. Numerische Integration
* Unter numerischer Integration (auch numerische Quadratur genannt) versteht man
die naherungsweise Berechnung eines bestimmten Integrals, gestiitzt auf endlich viele Funktionswerte Yi = f(~J (i = 1, 2, ... ,n) , in der Form
207
§7. Numerische Integration
mit "Gewichtsfaktoren" gi. tiber die Giite der Approximation muB eme Abschatzung des Restgliedes Auskunft geben:
Die primitive Methode der Approximation des Integrals n
Riemann-Summen Zn =
L
J:
f(x) dx
durch
f(~;)(Xi - Xi-I) (--+ 5.1) spielt in der Praxis keine
i=I
J:
groBe Rolle, da die Konvergenz Zn --+ f(x) dx i.a. nicht besonders gut ist. Bei der Approximation des Integrals nach der Trapez-Regel geht man von einer aquidistanten Teilung des Grundintervalls a = Xo < XI < ... < Xn = b aus (Schrittweite h := b ~ a , Stiitzstellen Xi := a + i h (i = 0, 1, ... , n)) und ersetzt die Kurve y = f(x) iiber jedem Teilintervall [Xi-I, xd durch die (Xi-I, f(Xi-r)), (Xi, f(Xi)) verbindende Sehne. Mit Yi := f(x;) ergibt sich so die Approximation
lb f(x)dx~h(~+YI+"'+Yn-I+~)'
(1)
Anschaulich: Die Flache unter der Kurve wird durch eine Summe von Trapezfiachen approximiert. Fiir praktische Rechnungen ist die
y
h b;
Schrittweite n := a besonders giinstig. Sie erlaubt eine schnelle Berechnung der Naherungssummen:
x
Abb. 131 - Trapezsumme
T. . = h [f(a) + feb)] o· 0 2 2'
Tn : =h n [ f~a) + f(a + h n) + ... + f(a + (2n - l)h n) +
f~)],
n
= 1,2, ....
Urn von Tn nach Tn+1 zu gelangen, braucht man nur die bei der Schrittweitenhalbierung hn+1 =
~
neu hinzugekommenen Teilpunkte zu beriicksichtigen.
Mn:=hn[f(a+h2)+f(a+3h2n)+···+f(a+(2n+I_1)~)J Tn+I
1 = "2[Tn + Mn]
liefert
.
Deshalb berechnet man in der Praxis der Reihe nach To, Mo, TI = i(To + Mo), M, , T2 = i(T, + Mr), M2, ... , so weit, bis sich Tn und Tn+1 nicht mehr merklich unterscheiden.
208
4. Integration
Bei gehobenen Anspruchen bestimmt man n aus der Restgliedabschatzung
{b
IJa
f(x)dx-Tnl:s
(b-a)3 M
3
4n+l
mit M = max { If" (x) I ; a :S x :S b} (die hier nicht bewiesen wird): Man gibt eine Genauigkeit e (etwa e = 10-7 ) vor und bestimmt das kleinste n mit (b-a)3 M
lb
Mit diesem n gilt dann
3
f(x) dx
4n+! < e .
= Tn ± e .
Romberg-Extrapolation. Fur praktische Rechnungen mit hoher Genauigkeit konvergiert die Folge Tn (n = 0, 1,2, ... ) noch zu langsam. AuBerdem verfiilschen die beim Einsatz eines Rechners unvermeidlichen Rundungsfehler fUr groBe n das Ergebnis. Deshalb berechnet man To, Tl, T2, ... , Tn fUr nur wenige n und fuhrt anschlieBend die sogenannte Romberg-Extrapolation durch, die zu einem wesentlich besseren Ergebnis fuhrt. Die Idee ist einfach: Man bildet aus den Tn andere Folgen, die i.a. schneller gegen den Integralwert konvergieren. Aus Tn,o:= Tn (n = 0,1,2, ... ) berechnet man Tn,J:=
Tn ,2 := Tn.k :=
4Tn 0 - Tn-l 0
'4-1'
4
42Tn
12 _
Tn-J
1
'
damit
(n=I,2,3, ... ), 1
(n = 2, 3,4, , .. )
4kTn k-l - Tn-l k-l ' 4k _ l '
(
n =
etc; allgemein
k k 1 ) , + ,... .
Ohne Beweis: 1st der Integrand f in [a, b] genugend oft differenzierbar, so ist Tn,k eine bessere Approximation des Integrals als Tn,k-I .
= iOn 10)2 = 2.650947928 ... aus To,···, T6 mit anschlieBender Romberg-Extrapolation berechnet:
Beispiel. Es wird I/o l~x dx
n
Tn
Tn.l
Tn,2
Tn,3
Tn.4
Tn.5
Tn,6
0 1 2 3 4 5 6
1.036163292 1.912875540 2.366921161 2.559871380 2.625551439 2.644362875 2.649285546
2.205112956 2.518269702 2.624188120 2.647444792 2.650633354 2.650926437
2.539146818 2.631249348 2.648995237 2.650845924 2.650945976
2.632711293 2.649276917 2.650875300 2.650947564
2.649341880 2.650881569 2.650947847
2.650883074 2.650947912
2.650947928
Wie man sieht, kommt T6,5 dem wahren Wert ausreichend nahe.
o
210
4. Integration
Aufgaben 1. 1st I die Liinge des mathematisehen Pendels und a der maximale Auslenkwinkel, so ergibt sich die Sehwingungsdauer T (........ Band 2) mit g = 9. 80655m/ S2 aus dem vollstandigen elliptischen Integral K(k) =
1"/2 J
---r====d==x==:= I - k 2 sin 2 x
o
T=4[fK( Sin I) .
(1)
Eine gebriiuehliehe Niiherung fur kleine a ist
T 2n[f .
(2)
=
a) Man bestimme die fur eine Standuhr mit 2-Sekunden-Pendel notige Liinge I aus (2) und aus (1) mit a = 4°. Dazu bereehne man K(k) niiherungsweise mit der Simpson-Regel fur 2 und 4 Teilpunkte. b) Wie groB ist die Gangabweiehung pro Woehe, wenn I naeh (2) bestimmt ist? e) (Mit PC) Man bereehne K (k) fur k = sin 89.5° mit Programm Romberg und vergleiche mit dem Tabellenwert 6.127778830. Warum ergibt sieh eine so groBe Abweiehung? 2. Das vollstandige elliptische Integral I (a, b) =
1"/2 ---r====:=d==x=:==~ -J o
a 2 eos 2 x + b 2 sin 2 x
(0 < b < a)
liiBt sich naeh C. F. GAUSS uber die beiden Folgen ausdriieken
=a bo = b ao
,
al
,
bl
I = 'l(ao + bo) = Jaob o
1 = 'l(al + h) b2 =;;;:h;
,
a2
die gegen einen gemeinsamen Grenzwert, das sog. M(a, h) von a und b konvergieren: I(a, b) =
n
arithmetisch-geometrische Mittel
1
'2 . M(a, b)
(Dies fuhrt zu einem auBerordentlieh sehnellen und genauen numerisehen Verfahren.) a) Fur al = ~(a + b), b l = M zeige man mit der Substitution . 2a sin 1{1 sm x = -----'------,,--(a + b) + (a - b) sin 2 1{1
1o -J ,,/2
xl"
d a 2 eos 2 x + b2 sin 2 x -
b) Vnter Beriieksichtigung von lim
n---+oo
I(a, b)
an
0
/2 ---;:::.:;;===:=d:::::1{1====;;==:;;==
Jai eos
2
1{1 +
bi sin 2 1{1
= lim bn = M(a, b) folgt aus a) n-+oo
= I(M(a, b), M(a, b» = M(a, b)-l . ~
e) Teste das naehfolgende Programm in Aufgabe Ie.
211
§7. Numerische Integration
Numerische Berechnung der vollstandigen elliptischen Integrale
f
K(k)
=
o
fJ
nI2,-_ _ __
nl2
dx
J1-k 2 sin 2 x
,
E(k)
=
1 - k 2 sin 2 X dx (O:s k < 1)
o
, Programm Vollst.Ellipt.Integrale , --------------------------------
C=(A-B)/2 E=E+O*C*C A=A1 B=B1 0=2*0 Until Coo
ISn - sn-ll
= Ian I
1 divergiert , falls a :s 1
E
IN wird m
= 1 + (ia + 31a) + ... +
:s 2 m -
IN so gewiihlt, daB n
E
1
((2m~1 )a + ... + (2m ~ 1)a )
2 4 2m - 1 00 1 m < 1 + - a + - a + ... + < ~ (-) 4 2 (2m- I )", - L 2a- 1 m~
:s
D
2 = -,:---;-----,2",-1 - 1 1
a
In diesem Fall sind die Partialsummen groBer oder gleieh 00 1 den entspreehenden Partialsummen der harmonise hen Reihe k und es gilt k=l 00 1 D ka = 00 (falls a :s 1 ). 2.
Fall a
1.
L
L
k=l 00
Beachte:
L
~1
00
=
00,
aber
k=l
L kLE
hat fUr jedes noch so kleine
k=l
endlichen Wert. Die Konvergenz ist fur kleine
E
E
> 0 einen
aber sehr langsam.
Als einfache Folgerung aus Satz 1.7 ergibt sich das nutzliche Vergleichskriterium: Satz 1.S. Vergleichskriterium oder Majorantenkriterium Besteht fiir die Reihenglieder die Abschiitzung
o :s lakl :s bk
fiir k :::: ko , dann gilt 00
00
a)
Lbk konvergent k=O
::::}
00
b)
Llakl=oo k~
Lak k=O
absolut konvergent ,
00
::::}
Lbk k=O
= 00
218
5. Potenzreihen 00
Beweis. a): Es geniigt, die Konvergenz der "Restreihe" L lakl nachzuweisen, 00 k=ko deren Partialsummen nach Voraussetzung durch bk beschrankt sind. Mit Satz k=O o 1.7 folgt die Behauptung. b) ist unmittelbar klar.
L
Lb 00
Eine Reihe
k , die den Voraussetzungen des Satzes 1.8 geniigt, heiBt eine k=O 00 Majorante der Reihe L ak . k=O
Beispiel.
f
k=l
2s~~~~; ~)1
sin(k3 + 3) I I2k3 + 2k + 1 :s
1 2k3
ist absolut konvergent; denn es gilt
(k 2: 1) und
1~ 1 . k 3 konverglert (---+ (2)).
"2
t=t
o
Ein Vergleich mit der geometrischen Reihe fiihrt zu einem besonders anwendungsfreundlichen Konvergenz-Test. Satz 1.9. Das Quotieutenkriterium. 1st ak =I 0 fur alle k 2: ko und konvergiert die Folge der Quotienten a~:l, dann gilt: 00
a)
lim Iak+l I < 1 k-+oo ak
=>
Lak k=O
b)
lim Iak+ 1 I > 1 k-+oo ak
=>
Lak k=O
ist absolut konvergent ,
00
konvergiert nicht .
Beweis. a): Nach Voraussetzung gibt es eine Zahl q, 0
Ia~:l I :s q
:s
q < 1, so daB
fiir aIle k ab einem kl . Fiir diese k, k = kl + I , folgt lak1+Ii
:s qlakl+(l-l)l :s ... :s q1lak11
.
Das Majorantenkriterium (mit bk1+1 := lakllql ) bestatigt die Behauptung. b): In diesem Fall ist (adk,,=o keine Nullfolge und deshalb die Reihe nicht konvergent (---+ Satz 1.2). 0 ak+l k Bemerkung. An der divergenten harmonischen Reihe mit Cik k+l ---+ 1 erkennt man, daB in a) die Bedingung < 1 nicht durch :s 1 ersetzt werden darf.
Falls lim Ia~+l I = 1 , dann ist Satz 1.9 nicht anwendbar. k-+oo k
219
§ 1. Unendliche Reihen
Beispiele. Die folgenden Reihen konvergieren fur jedes x 00 Xk x2 x3 x4 1. k! = 1 +x + 2T + 3T + 4! + .... k=O 00 x2k+! x3 x5 X7 2. (_1)k (2k + I)! =x - 3T + 5T - 7T + - .... k=O 00 x2k x2 x4 x6 3. L(-I)k (2k)! = 1 - 2! + 4! - 6! + - .... k=O
E
1R absolut:
L L
Beweis. Mit dem Quotientenkriterium: 1. Mit ak
= ~~
wird
2. Mit ak = (_1)k 3. analog.
Ia~:1 I = Ik : 11 ~ 0
(2~2:+~)!
wird
~ 00 . Ia~:l I = I(2k + 2~;2k + 3) I ~ 0 fur k
fur k
~ 00 . D
Ohne Beweis zwei nur for absolut konvergente Reihen gultige Rechenregeln:
L 00
L 00
Satz 1.10. Cauchy-Produkt. Fur absolut konvergente Reihen ak und bk k=O k=O gilt die Produktformel
Beispiel.
(f ~~) (f i~) = f +? k=O
k=O
(x
n=O 4.1).
n.
=
n n-k) L L k~/-k)! n=O k=O 00
(
=
k
)n. Das ist die Beziehung ex+Y
Ln=O n!1 (nLk=O (~) xkyn-k )
= eX
00
. eY
(~
=
§3(5) und Kap. 3, D
L ak 00
Satz 1.11. Umordnungssatz. 1st die Reihe
L 00
menwert s, dann konvergiert jede aus standene Reihe ebenfalls gegen s. k=O
Beispiel.
absolut konvergent mit Sumk=O ak durch Umordnung der Glieder ent-
111111 11111 1--+---+---+--+··· = 1+---+-+---+- ... 4 9 16 25 36 49 9 4 25 49 16
D
220
5. Potenzreihen
Aufgaben I. Man untersuehe, ob folgende Reihen konvergieren: 1 3 4 5 2'+4+5+6+'" , 1·2 1·2·3 1 + - - + - - - + .. · 1·3 1·3·5
a) e)
I+~+..i.+~+ ...
e)
2!
3!
4!
2
4
6
8 + Sf + ...
b)
:3 + 9' + 27
d)
1 1 1 1 + 100 + 200 + 300 + ...
f)
1 __1_+_1___1_+ ...
v'2 v'3
v'4
2. Die beiden Reihen 00
00
~
Lqn und
L
n=O
n=O
qn 1 +q"
(q > 0)
sind entweder beide konvergent oder beide divergent. Vergleiehskriterium.
Man begriinde dies mit dem
L 00
3. Man zeige mit dem Quotientenkriterium, daB die Reihe giert.
kqk-l fur Iq I < 1 konver-
k=l
4. a) Warum konvergiert die Reihe
n)?
~ ((-I)n L
2n+ 1 . n +2
n=O
b) Ab welchem Index No unterseheiden sieh die Partialsummen
5. Fur die Reihe
t
an
mit
an
=
SN
yom Grenzwert
1~0?
der Reihe sieher urn weniger als
k+ (-.Yn
n
zeige man:
n=l
a) Die Reihe ist alternierend und lim
n-+oo
an
=0.
b) Die Reihe divergiert. Warum ist das Leibniz-Kriterium nieht anwendbar? 6. Man untersuehe auf Konvergenz
t
a)
n=l
v'n+I -fo fo
e)
b)
d)
1 3! 5! 7! -+--+---+ + ... 2 2·4 2·4·6 2·4·6·8
7. Man untersuehe, ob die folgende Reihe konvergiert und bestimme gegebenenfalls ihren Summenwert 1 1 1 ~+2·3·4+~+"·
8. Man untersuehe, fur welche p die folgenden Reihen konvergieren
L nP(.Jn'+l 00
a)
n=1
00
2,.fii + fn"=l) ;
~
b) L
n=1
(n!)p (3n)!
221
§ 2. Reihen von Funktionen
9. Fur welche positiven u, v konvergiert die Reihe
L: (1+u)(2+u)···(n+u) (1 + v)(2 + v) . (n + v) OO
~--~~~~--~
?
n=l
a) Dazu betrachte man zunachst die zwei Faile v - u = 1 und v - u = 2 und kurze geeignet. b) Die Konvergenz flir v - u > I zeige man mit dem verseharften Quotientenkriterium von E. KUMMER (1810-1893): 1st an > 0
(n:::: 1) und gibt es eine Foige positiver Zahien (en)n"l , so daj3
L: an . 00
en - en+l a~:l :::: a > 0, dann konvergiert die Reihe
n=l
(Tip: Wahle en = n + v )
§ 2. Reihen von Funktionen
* 2.1 GleichmaBige Konvergenz.
Ausgehend von einer auf einem Intervall I S; lR erklarten Funktionenfolge (Funktionensystem) fa, f1, h, . .. bildet man zu jedem x E I die Zahlenfolge fa (x ), II (x), h(x), ... und bezeichnet im Fall der Konvergenz den Grenzwert mit f(x). Man sagt, die Funktionenfolge (Ah:::o konvergiert auf I punktweise gegen f, wenn fiir jedes x EIder Grenzwert f(x) = lim A(x) existiert. Die Konvergenzgeschwindigkeit bzw. die Giite k--+oo
der Approximation von f(x) durch A(x) (k::: ko) ist i.a. von Punkt zu Punkt verschieden; dadurch gehen oft gemeinsame Eigenschaften aller fk bei der Grenzwertbildung verloren. Definition. Eine Funktionenfolge fa, II, h, . .. konvergiert gleichmaBig auf I gegen die Funktion f : I ---7- lR, wenn sieh zu jeder beliebig kleinen Fehlerschranke E > 0 ein fiir aIle x E I gemeinsamer Index N = N, finden liiJ3t, so daJ3 gilt n::: N
===}
If(x) - fn(x)1
oo lim f~ (x) .
fn(a)] = f(x) - f(a) . D
In den folgenden Abbildungen mit speziellen Funktionenfolgen (--+ Aufgaben 1., 2., 3.) ist zu erkennen, daB die punktweise Konvergenz allein die erwahnten Eigenschaften der Grenzfunktion i.a. nicht erzwingt.
223
§ 2. Reihen von Funktionen
y
y
3 2 1
If20 1 1
f
1 X
2
X
Abb. 133 - Gegenbeispiele I, 2 und 3
Gegenbeispiel 1. fn (X) = Xn, O:s X :s 1 . Die fn sind stetig, aber die Grenzfunktion ist in
X
Gegenbeispiel 2. g n(x) = :;:: arc tan nx, - 1 :s x :s 1 . AIle gn sind differenzierbar, aber die Grenzfunktion g(x) in x
=0
o
= 1 nicht stetig.
nicht differenzierbar.
= n-+co lim gn(x) = Ixl
ist
o
1 Gegenbeispiel 3. Der Graph von h n hat die Knickpunkte (0,0), (n,n) und (.?, 0). Fur die Grenzfunktion h(x) = lim h n(x) = 0 gilt n-+co n
0=
[1 h(x)dx =J lim
Jo
n-+co
t
Jo
o
hn(x)dx = 1 .
* 2.2
Gleichmafiig konvergente Funktionenreihen. Von besonderer Bedeutung ist die gleichmaBige Konvergenz bei der Darstellung einer Funktion f als co
unendliche Reihe, f(x)
co
=L
L
fk(X). Naturlich sagt man, die Reihe fk(X) k=O k=O konvergiert auf I gleichmaBig gegen f(x), wenn die Folge der Partialsummen Sn := fo + !I + ... + fn auf I gleichmaBig gegen f konvergiert. Die Satze 2.1, 2.2, und 2.3 werden in der folgenden Weise ubertragen: co
Satz 2.4. Konvergiert die Reihe gleichmaj3ig gegen f, dann ist
L
fk(X)
stetiger Funktionen
k=O co
f(x) =
L
fk(X)
k=O
ebenfalls stetig und fur aile a, bEl gilt
1b(CO?;
fk(X)
)
dx
=1b
f(x)dx
=?;
co (
1b
fk(X)dx
)
fk
auf I
224
5. Potenzreihen
Satz 2.5. Sind al!e Funktionen ik (k
~
0) auf I stetig differenzierbar, konver-
00
giert die Reihe L
L
fk(X) auf I punktweise gegen f(x) und konvergiert die Reihe
k=O
00
f{(x) der Ableitungen auf I gleichmafiig, dann gilt
k=O
Die gleichmiiBige Konvergenz ergibt sich meist aus Satz 2.6. M-Test. Gilt for jede Funktion der auf dem Interval! I S; lR definierten Funktionenfolge (ikh":.o eine Abschatzung 00
Ifk(X)1 ::: Mk (const.)for al!e x
L
E
00
dann ist die Funktionenreihe
I undfiir die Zahlenreihe LMk < k=O
00 ,
fk(X) auf I gleichmafiig und absolut konvergent.
k=O
Beweis. N ach dem Majorantenkriterium (-+ Satz 1.8) ist die Reihe punktweise
L 00
konvergent. Sei f(x):=
fk(X) der jeweilige Summenwert. Da es zu
k=O
L 00
~
> 0
n
00
Mk - L Mk I ::: E , falls n > NE , folgt fur k=n + ! k=O k=O NE und aIle x E I die einheitliche Abschatzung
ein NE gibt, so daB aIle n
E
If(X) -
Mk
= IL
n
00
k=O
k=n+!
L fk(X) I = I L L
00
fk(X)1 :::
L
k=n+!
00
lik(x)l:::
L
Mk
2
-
(1) 2 k
und (6) ist in der Tat
(t)
= 1,
(t) = ~,
... (1_k+1) = 1(1_1)(1_2) 2 2 2 2 = k!
233
§3. Potenzreihen
= (-1)
(7)
k-l
1 . 3 . 5 ... (2k - 3) . 2 . 4 ... (2k) . Deshalb gllt
~ = 1 + ~X - ~X2 + /6X3 - 1~8X4 + -
3. Fur a
= -2"1
1 und (-k
ist
... , falls Ixl < 1.
i ) = (-Ill. 3 ·5· .. (2k -
2·4·6··· (2k)
1) (fur
k 2: 1 ), also gilt
(8)
3.6 Potenzreihen mit dem Zentrum a of 0 • Eine unendliche Reihe der Fonn
(9) heiBt Patenzreihe mit dem Zentrum (ader Entwicklungspunkt) a, die Zahlen ak heiBen ihre Koeffizienten. Die bisher betrachteten Potenzreihen haben das Zentrum a = O. Fur theoretische Uberlegungen genugt es, sich auf den Fall a = 0 zu beschranken; denn die Potenzreihe (9) mit dem Zentrum a geht durch die
L akl 00
Substitution z := x - a in die Potenzreihe
mit dem Zentrum 0 uber.
k=O
Als Konvergenzradius der Reihe (9) bezeichnet man den Konvergenzradius R der entsprechenden Reihe mit Zentrum O. Wegen Ix - a I < R 0, 00
als Potenzreihe I(x) = L
ak(x - a)k mit Zentrum a darstellbar ist, kann man
k=O
mit (4) sofort die Koeffizienten berechnen: In der n-ten Ableitung 00
/n)(x) = L k(k - 1) ... (k - n + 1)ak(X - a)k-n k=n =n(n -1)·· ·Ian +(n + I)n·· ·2an+l(x -a)+···
setzt man x
=a
und erhalt I(n)(a)
=n tan . Also gilt
Satz 3.4. Eindeutigkeits-Satz fur Potenzreihen. 00
Aus I(x) lolgt
00
= Lak(X -
a)k
k=O
= Lbk(X -
a)k lur aile x
E
(a - R, a + R), R > 0,
k=O I(k)(a) ak = bk = -k-!-
(10)
(k = 0,1,2, ... ) .
Die beiden wichtigsten Interpretationen des Satzes 3.4 sind: a) Wenn es iiberhaupt moglich ist, I iiber (a - R, a + R) als Potenzreihe darzu00
stellen, dann nur als Taylor-Reihe l(x)=L I k=O
(k)
k~a)(x-a)k (~§4).
b) Wird eine Funktion I auf zwei verschiedene Weisen als Potenzreihe mit Zentrum a dargestellt, dann sind die Koeffizienten entsprechender (x - a)-Potenzen gleich. Durch diesen sogenannten KoeJfizientenvergleich gelangt man haufig zu nicht-trivialen Beziehungen. Beispiel 1. Fiir
ct,
f3
E
IR und aIle n
E
IN gilt
235
§3. Potenzreihen
Beweis. Mit (6) und der Produktformel von Cauchy (--7- Satz 1.10) folgt
f Ct ~
.B)xn = (1 +x)"+tJ = (l +x)"(l +xi
n=O
Ein Koeffizientenvergleich liefert die Behauptung.
D
Anwendung. Lineare Differenzengleichungen. Von einer Folge (ak)k:::o (in der Praxis meist MeBwerte zu diskreten Zeitpunkten) seien zunachst nur n Startwerte ao, al bis an-l bekannt und die nachfolgenden Glieder rekursiv durch
(11)
(k?:.n)
bestimmt (aIle Koeffizienten al, ... an E 1R). Zur Losung dieser sogenannten Differenzengleichung betrachtet man die erzeugende Funktion der Folge (akh:::o, das ist die Potenzreihe mit den Folgengliedern als Koeffizienten
I>k Xk 00
(12)
f(x) :=
.
k=O
1st A := max {Iai I ; I ::::: i ::::: n} > 0, dann besitzt diese Reihe einen Konvergenzradius R?:. (13)
n~
> O. Dies folgt mit 3.2 (3) aus der Abschatzung
lakl ::::: C (nAl+ l - n , k?:. n,
c:= max{lail; 0 ::::: i ::::: n - I},
die man mit vollstandiger 1nduktion zeigt, indem man in (11) die Dreiecksungleichung anwendet. Mit Satz 1.4 kann man wie folgt aufsummieren: f(x) alxf(x)
= ao =
+
alx + a2x 2 + ... + akxk + .. . alaOX + a]alX 2 + ... + alak_lxk + .. .
= Wegen (11) gilt Ak = 0 fur k ?:. n, daher ist f(x) eine rationale Funktion: f(x)
(14)
= Ao + AlX + ... + An_lx n- l 1 + alX + ... anx n
mit
Diese rationale Funktion wird in konkreten Fallen zunachst in Partialbruche zerlegt. Stellt man dann noch jeden einzelnen Teilbruch mit der geometrischen
~ a = -~ L (~)k, Ixl 00
Reihe x
k=O
< lal, und ihren Ableitungen dar, so erhalt
man eine zweite Potenzreihendarstellung von fex). Der Koeffizientenvergleich
236
5. Potenzreihen
mit (12) gibt schlieBlich eine explizite Formel fur die Folgenglieder
ak
Beispiel 2. Die Fibonacci-Zahlen (LEONARDO ca. 1170-1250) sind erkHirt durch die Rekursion
FIBONACCI,
ao
:= 0,
al:=
1,
DA
PISA, genannt
+ ak-2
ak:= ak-I
(k ~ 0) .
(k ~ 2) .
Die ersten 11 Folgenglieder sind 0, 1, 1,2,3,5,8, 13,21,34,55. Setzt man in (11) n = 2 und 0(1 = 0(2 = -1 , so ergibt sich mit (14) als erzeugende Funktion 00
f(x)
= L..~ ak xk = 1 -x-x x 2 k=O
Mit den Nullstellen des Nenners f(x)
=
XI ~
X2 (x
XI = -~(1
-
(Ixl N gilt. 2. Man bestimme durch Multiplikation der entsprechenden geometrischen Reihen die Po· h. . klung von I _1 tenzrel·henentwlc x . 11 +x2 K samt onvergenzb erelc 3. Man
bestimme
den
x9 2.3 . 5 .6. 8 . 9
± ... 00
4. Man bestiitige
Konvergenzradius
y(x)
=
und zeige: y(x) erflillt die Differentialgleichung y" + xy = 0
~n2xn = x+x
L..-
von
2
(I-x)
3
fur
Ixl
< 1.
n=1 5. Man lose die Differenzengleichung ak - 5ak_1 + 6ak-2
=0
(k > 1), ao
= 0,
at
=I .
237
§4. Der Satz von Taylor; Taylor-Reihen
§4. Der Satz von Taylor; Taylor-Reihen 4.1 Die Taylor-Formel. In diesem Paragraphen befassen wir uns mit der Approximation einer hinreichend oft differenzierbaren Funktion f durch das soge-
L n
nannte note Taylor-Polynom Tn(x, a) :=
(k)
f
k~a) (x
- a)k (nach B. TAYLOR,
k=O
1685-1731) und klaren damit u.a. die noch offene Frage, unter welchen Bedingungen eine gegebene Funktion durch eine Potenzreihe darstellbar ist. Satz 4.1. Taylor-FormeI. Fur jede auf dem offenen Interval! I S; IR (n + I)-mal stetig difJerenzierbare Funktion fund a, x E I gilt f'(a) f(n)(a) f(x) = f(a) + -l!-(X - a) + ... + -n-!-(x - at + Rn+I(X, a) mit dem Restglied Rn+! (x, a)
(1)
= ,1
n.
l
x
a
(x - t)n jCn+!)(t)dt (nach CAUCHY),
bzw. _ f(n+l)(o n+! mit ~ zwischen x und a Rn+!(x, a) - (n + I)! (x - a) (nach LAGRANGE).
Beweis. Wegen f(x)
= f(a) +
l
X
l
f'(t)dt gilt die Formel fiir n
= O.
2-mal stetig differenzierbar, folgt hieraus mittels partieller Integration ( u v
= f')
f(x)
= f(a)+ f'(a)(x-a)+
x
1st f
=t -
x ,
(x-t)fl/(t)dt. Weitere partielle Integration
f"(a) 1 ergibt f(x) = f(a) + f'(a)(x - a) + 2T"""(x - a)2 + 2!
l a
x
(x - t)2 f"'(t)dt. Man
sieht, daB fortlaufende partielle Integration zur angegebenen Formel fiihrt. Die Darstellung des Restgliedes nach Lagrange ist nun eine Konsequenz des Mittelwertsatzes der Integralrechnung (-+ Kap. 4, Satz 1.2)
1, l n.
a
x
f(n+ll(t)(x - ttdt =
1,n. f(n+!)(~) l
a
x
(x - ttdt =
jCn+!)(~( (x (n + 1).
- at+! .
D
Deutung der Taylor-FormeI. Sind die Werte einer Funktion f : I -+ IR und ihrer ersten n Ableitungen in einem Punkt x = a aus dem Innem des Intervalls I bekannt, dann wird mit p(x)
f(n)(a)
= Tn(x, a) = - -n.I-(x -
a)n + ... + f'(a)(x - a) + f(a)
ein Polynom bestimmt, das die Funktion in einer Umgebung des Punktes x = a gut approximiert. Die Kurven y = p(x) und y = f(x) gehen beide durch (a, f(a)), sie haben dort dieselbe Steigung, dieselbe Kriimmung (-+ Kap. 3, §2)
238
5. Potenzreihen
und aIle Eigenschaften gemeinsam, die sich aus den Ableitungen bis zur Ordnung n ergeben: p(k) (a ) = f(k)(a) (1 s k s n) . Die Bedeutung der Taylor-Formel besteht darin, daB der bei dieser Approximation gemachte Fehler If(x) - Tn(x, a)1 = IRn+l(X, a)1 durch die Kenntnis des Restgliedes abgeschatzt werden kann. x x2 xn e~ n+I Beispiele. 1. e = 1 + x + -2' + ... + , + ( 1) , x
.
n.
n
Ix lsI die Abschatzung I
+
So ergibt sich etwa fiir
.
x xn 1 e~ n+I e n+l e - l - x - · · · - n ! =(n+I)!lxl s(n+I)!lx l
Bei einem tolerierten Fehler, etwa ±1O-7 , ist n (in Abhangigkeit von x) so 1 .1st d · · d aB (n +e I)! Ix In+I s 101 gl·1t. F··ur x = 10 zu bestlmmen, as b erelts 7 5 erfiillt (d.h. eta = 1 + /0 + 102I .2! + ... + 1O/.5! ± 10-7 ), fiir x = 1 sind mehr Summanden zu beriicksichtigen, man muB bis n = 10 gehen:
fiir
n=
e = 1 + 1\ + ... +
1~!
± 10-7
1m Fall Ix I > 1 zerlegt man x = Xo + Xl mit Xo eX = eXOe XI .
E
Z, IXII < 1 und berechnet
. x3 x 5 x 71 1sin ~ 81 1 8 2. 1SIll X - X + 3T - 5! + 7! = ---s!x s 8! Ixl . Man beachte, daB die in Satz 1.3 angegebene Abschatzung des Summenwertes D einer alternierenden Reihe unter Umstanden scharfer ist (~ Aufg. 5). n
=5
9
13
17
21
25
29 33
37
41
45
49
53
57
61
x
n
= 3
7
11
15
19 23
27
31
35
39
43
47
51
55
59
Abb. 135 - Taylor-Polynome von sinx
Einfache Folgerungen aus der Taylor-Formel: Satz 4.2. Jede auf einem offenen Interval! I (n + I)-mal diJferenzierbare Funktion mit f(n+l)(x) = 0 for alle x E list ein Polynom vom Grad S n. Beweis. Aus der Restgliedformel nach Lagrange ersieht man Rn+ I (x, a) deshalb gilt f(x) = Tn(x, a) (mit einem a E I).
= 0, D
239
§4. Der Satz von Taylor; Taylor-Reihen
Satz 4.3. 3. Extremwert-Test. 1st die Funktion f auf dem Interval! In-mal stetig dijferenzierbar und a E I mit f'ea) a) b)
= j"(a) = ... = f(n-l)(a) = 0,
jCn)(a)
i
0, dann gilt:
a Extremalstelle ¢=} n gerade; n gerade, f(n)(a) < 0 ===> a lokale Maximalstelle, n gerade, f(n)(a) > 0 ===> a lokale Minimalstelle.
Beweis. Da jCn)(~) und f(n)(a) fur ~ nahe a dasselbe Vorzeiehen haben, liest man alles aus der in diesem Fall besonders einfaehen Taylor-Formel ab: f(x) - f(a)
= f(n)~o (x -
a)n .
n. 1st n ungerade, dann hat die reehte Seite, so aueh die linke, fur x < a und x > a versehiedene Vorzeiehen. 1st n gerade, dann gilt stets (x - a)n > 0 (fur x i a) und aus jCn)(a) < 0 folgt f(x) < f(a) fur aBe x nahe bei a, x i a. D Beispiel. Fur f(x) = x4 - 8x 3 + 24x2 - 32x + 19 gilt f'(2) jC4)(2) = 24 > 0; also ist x = 2 eine lokale Minimalstelle.
= f"(2) = j"'(2) = 0, D
4.2 Die Taylor-Reihe. Es sei f eine auf dem offen en Intervall I S; lR beliebig oft differenzierbare Funktion fund a E I . Die unendliehe Reihe
heiBt Taylor-Reihe von f mit Zentrum (oder Entwicklungspunkt) a. 00
Gilt f(x)=L.: f
(k)
k~a)(x-ai
fura-R<xo smx e -
b) I'1m 1 - cos . 2x , x->o X smx
c) lim (1 - x) tan 7!..2 x ,
d)
x->!
e)
lim sin(2n . e . n!) ,
n->oo
lim n . sin(2n . e . n!) .
n->oo
2. Das Potential eines Dipols ist bestimmt als Grenzwert h --+ 0 zweier Punktladungen mit entgegengesetzt gleich groBer Ladung q im Abstand 2h Vex y z) = lim ( ,.
h-+O
J (x -
q h)2 + y2 + Z2
Man berechne V tiber die Taylor-Reihen.
q
J(x + h)2 + y2 + Z2
) .
~ 2h
248
5. Potenzreihen
3. Fur die Oberflache eines Drehellipsoids mit den Halbachsen a und b = a~ gilt (-+ Aufg. 3, Kap. 8, §4)
0=2a 2n(1
+(i + E) arctan E) .
Man gebe damit eine Naherungsformel fur E > 0 in Form einer Reihenentwicklung nach E (Anwendung in der Vermessungskunde: Obeiflache des Geoids). 4. a) Man gebe die Taylor-Reihe urn a = 0 samt Konvergenzbereich fur die Funktionen Si(x) =
l
x
si~t
dt
(lntegralsinus) und Jo(x)
= n1
1" 0
1
cos(x sin e)
Y
de
(Besselfunktion) (Mittelwert einer Jrequenzmodulierten Schwingung in Abhangigkeit des Frequenzhubes x ).
x 10
b) Wieviele Summanden sind niitig, urn Si(n) bzw. Jo(l) auf funf Dezimalstellen nach dem Komma genau zu bestimmen? Berechne damit Si(n) und Jo(1) in dieser Genauigkeit. c) Man bestatige: Jo(x) genugt der gewiihnlichen Differentialgleichung
5. In der raumlichen Potentialtheorie tritt die Entwicklung
=L ()()
I
.JI - 2xz + Z2
n=o
Pn(x)zn
auf. Man bestimme die Faktoren Po, PI, P2 und vergleiche mit den LEGENDREPolynomen (-+ Aufg. II, Kap. 2, §2). 6. Fur die Schwingungsdauer des mathematischen Pendels hat man (-+ Aufg. I, Kap. 4, §7) eine zweite Darstellung
fil"
- Vg
T - 4
0
drp
.J2(cos rp - cos a)
wobei a den maximalen Auslenkungswinkel bezeichnet. Man entwickle den Integranden nach Potenzen von cos rp , fiihre die Integration nach rp durch und gebe eine Reihenapproximation fur T als Funktion von a. 7. Ein L = 200 m langes Stuck einer Eisenbahnschiene soli ausgewechselt werden. Das Ersatzteil ist urn 2 cm zu lang. Auf welche maximale Hiihe h knickt das ungekurzte Stuck beim Einbau aus, und welche Gegenkraft F entsteht an den StoBstellen?
249
§S. Anwendungen (an Beispielen)
Die exakte Theorie der Knicklinie liefert fur L, e, h, a, F (vgl. Skizze) die vier Gleichungen Lk = K(k) = h ek = KI(k) = h F
1"/2 "/2
0
= (2hk) 2 E 1
. a k =sm 2
d1jf
\tit - k2 sin2 1jf
1 vi 0
k2 . 2
1 - 2 sm 1jf d1jf 1 - k2 sin 2 1jf
(El =Biegesteifigkeit) ;
.
a) Man verwende fur K(k) die Entwicklung (2) und entwickle KI(k) analog nach k. Wie groB ist fur 0.:::: k .:::: 0.02 der Fehler hochstens, wenn man die Reihen jeweils nach k4 abbricht (Grobe Restgliedabschiitzung!). Diese Polynomapproximationen seien K(k) und KI(k). b) Man lose L·KI(k)=e·K(k) nach k aufund berechne h und F aus k,e und L fur E 1 = 3 . 105 Nm 2 .
=L 00
8. Man bestimme mittels Potenzreihenansatz y(x)
anx n und Koeffizientenvergleich
n=O
eine zweiparametrige Schar von Losungen der linearen Differentialgleichung (x 2
-
l)y" (x) = 6y(x) .
Fur welche Werte von yeO) und y'(0) ist y(x) ein Polynom? 9. a) Mit der geometrischen Reihe bestatige man die Reihenentwicklungen
b) Mittels wiederholter partieller Integration berechne man explizit FI (x), ... F4(X) und leite fur die folgenden an beiden Grenzen uneigentlichen Integrale ab:
I I
I lnx o x-I dx
.
=!~ F2 (x) =L 00
k=1
I
3
~
1
k2
7[2
=""6
-,.!~ F4(X) -, - 3. L 00
o x-I dx - 3.
(~
Kap. 2, 5.3) ,
(~
Kap. 11, 3.1) .
4
~-~
k4 - 15
k=1
c) Man leite mittels geeigneter Substitution hieraus die Werte ab: (~
Kap. 4, 4.3) .
Kapitel 6
Lineare Algebra Zur sachgerechten mathematischen Behandlung zahlloser Probleme der Technik, etwa zur Netzwerkberechnung in der Elektrotechnik oder zur Berechnung von Fachwerken in der Statik, zur Lasung (Optimierung) von Transportproblemen, zur qualitativen und quantitativen Diskussion mechanischer dynamischer Systerne (Differentialgleichungssysteme) bedient man sich der Matrizenrechnung. Eine zeitgemaBe Darstellung dieses Kalkuls erfordert einige Begriffe aus der Theorie "abstrakter" Vektorraume, ohne die auch die hahere Ingenieurmathematik heute nicht mehr auskommt. Die Grundlagen sollen aber weitgehend recht "konkret" dargestellt werden. 1m Vordergrund steht die Anwendung von Matrizen bei linearen Gleichungssystemen, linearen Abbildungen, Koordinatentransformationen und quadratischen Funktionen.
§ 1. Lineare Gleichungssysteme und Matrizen 1.1 Was ist eine Matrix? Eine Matrix vom Typ m xn (oder eine m xn-Matrix) ist ein rechteckiges Zahlenschema der Form
(1)
A=
(
al.l a21
~~~ ::: ~~:)
amI
a m2
.
a mn
Die Zahlen au E lR heiBen Komponenten (oder Elemente) der Matrix A. Wir schreiben abkurzend (2)
oder nur A = (aU), wenn der Typ feststeht. Die m x I-Matrizen (bzw. 1 x n -Matrizen) heiBen Spaltenmatrizen oder Spaltenvektoren (bzw. Zeilenmatrizen oder Zeilenvektoren), sie haben die Form
,=
(I) ,
b,w, "=('1"2"",'")'
(Bei nur einer Zeile oder Spalte benatigt man i.a. keinen zusatzlichen Zeilenindex oder Spaltenindex.) Die Matrix A =(aU )mxn besteht aus m Zeilenvektoren (mit je n Komponenten) (1 ::S i ::S m) K. Meyberg et al., Höhere Mathematik 1 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001
251
§ I. Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
bzw. aus n SpaItenvektoren (mit je m Komponenten)
Sj
:= (
jj a2j a )
.
(1
sjs
n) .
amj
Je nachdem, ob wir die Zeilen oder die Spalten von A hervorheben wollen, schreiben wir
Die (i, j)-Komponente au gehort dem i-ten Zeilenvektor Zi und dem j-ten Spaltenvektor sj an. Man sagt, aij steht im Schnittpunkt der i-ten Zeile mit der j-ten Spalte (i Zeilenindex, j Spaltenindex). Man kann zur Verdeutlichung die Komponenten einer Matrix durch Kommata trennen, man muB es aber nicht. Zwei Matrizen A = (aij), B = (f3ij) heiBen gleich, i.Z. A = B, wenn sie yom gleichen Typ m x n sind und wenn auBerdem aij = f3ij gilt fiir aIle i, j mit Isism,ISjSn.
Beispiel. Die Matrix A =
lenvektoren
Zj
= (1,3,5),
(~ ~ ~) Z2
= (2,0,4)
ist yom Typ 2 x 3, sie hat die Zeiund die Spaltenvektoren
SI
= (~), S3 = (~). Es gilt A = (~ : {) genau dann, wenn Y = 2, a = 3, u = 0, f = 5, v = 4 (Komponentenvergleich). Man
S2
femer A
i
(~ ~ ~ ~).
= (~), x
= 1,
beachte 0
Die Menge aller m x n-Matrizen mit Komponenten aus lR bezeichnen wir mit lRmxn, femer lRn := lRnxl (Spaltenvektoren), lRn := lR lxn (Zeilenvektoren).
1.2 Addition, Subtraktion und Multiplikation mit einem Zahlenfaktor.
Fiir A = (aij), B = (f3ij) aus lRmxn und jede Zahl A E lR sind die Summe A + B
252
6. Lineare Algebra
und das Ajache AA komponentenweise definiert:
(
all al2 ... aln) a21 a22 ... a2/1
., . .. .
...
+
(fJll fJI2 ... fJln) fJ2l fJ22 ... fJ2n
. . .. . .
amI ct m 2 ... ct mn
.
..
f3ml f3m2 ... fJmn
(
(3)
all + fJll, a21 + fJ2l,
al2 + fJl2 , a22 + fJ22 ,
, aln + fJln )
~
~
~
amI
:=
fJml , a m2
a2n + fJ2n
fJm2, ... , a mn
fJmn
all al2 ... aln) ( Aall, Aa12, ... , Aaln) a21 a22 ... a2/1 Aa21, Aa22, ... , Aa2n A ( .. .:= .. .
a~l a~2
...
a~m
Aa~nl , Aa~2'
... ,
A~mn
(432)+(6-3-1)=(1001)
Beispiel.
lOa
213
4 3 2) 0.5 ( lOa
a
3f32a
1.5 = (2 0.5 0
1)
0.5a
o
.
Fur die n x 1-Matrizen (Spaltenvektoren) und die 1 xn-Matrizen (Zeilenvektoren) sehen diese Verknupfungen wie folgt aus:
(4)
a2 132 a2 + 132 (131) (al+f3l) . ( al) ··· + ... = .. an
f3n
+
an + f3n
,
A
a2 Aa2 (al) (Aal) = . , . . .. .
(al +
an
+
Aan
131, a2 132, ... , an (a), a2, ... , an) (131,132, ... , f3n) = A(a), a2, ... , an) = (Aa), Aa2, ... , Aan) .
+f3n)
Aus
sieht man, daB sich jeder Spaltenvektor a Form
E lR,n
eindeutig darstellen laBt in der
253
§ 1. Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
mit den Vektoren
Das System (el, ... , en) der ei analog hierzu wird das aus e~
:= (1,0,0, ... , 0),
E
lRn heiBt natiirliche Basis des lRn. Vollig
e;:= (0, 1,0, ... , 0) , ... ,
e~:=
(0, ... , 0, 1)
bestehende System (e~, ... , e~) von Zeilenvektoren des lRn die naturliche Basis des lRn genannt. (4) zeigt, daB die Matrizenaddition und die Multiplikation mit Skalaren (Zahlenfaktoren) spaltenweise ausgefuhrt werden kann: Fur A = (aI, a2, ... , an) und B = (bl, b2, ... , b n) aus lRmxn (mit den Spaltenvektoren ai, b i E lRm) gilt A + B = (al + bl, a2 + b2, ... , an + b n )
AA = (Aal, Aa2,.'" Aan )
,
•
(Analog fur Zeilen). Zu jeder Matrix A = (au )mxn bezeichnet man (-l)A = ( -au) mit -A und erklart damit die Differenz zweier m x n-Matrizen B-A:=B+(-A).
Die Matrix 0, 0, ... , 0) 0,0, ... ,0 ( o : = .. ..
.
.
E
lRmxn ,
0,0, ... ,0 deren samtliche Komponenten Null sind, heiBt Nullmatrix (vom Typ m x n). Die Nullmatrix 0 E lRn (bzw. 0 E lRn ) wird auch - den sonstigen Bezeichnungen angepaBt - Nullvektor genannt. Es ist klar, daB sich die Rechengesetze fur Zahlen auf Addition, Subtraktion und A-fache von Matrizen ubertragen. Man bestatigt leicht die folgenden grundlegenden Rechenregeln: a)
(5)
A +B
=B + A
flir al\e A, B E JRmxn
b) (A + B) + C = A + (B + C) C) A+O=A d) A+(-A)=O
fiir aile A, B, C E JRmxn
e)
(AfL)A = A(fLA)
fiir aIle A, J1,
f)
lA =A
fiir aile A E JRmxn
g)
(A + fL)A = AA + fLA A(A + B) = AA + AB
fiir aile A, J1, E JR,
h)
fiir aile A und der NuIImatrix 0 E JRmxn fiir aile A E JRmxn E
fiir aile A E JR,
JR,
A
E JRmxn
A, BE JRmxn A, BE JRmxn .
254
6. Lineare Algebra
1.3 Lineare Gleichungssysteme und Matrizen. Augenfallig ist das Auftreten von Matrizen in linearen Gleichungssystemen. Ein lineares Gleichungssystem mit m linearen Gleichungen fur n Unbekannte XI, ... ,Xn hat die Form allxl
+ a12 x 2 + ... + alnXn = fh
a21 X l
+ a22X2 + ... + a2n Xn = fh
(6)
mit den KoeJfizienten aij E IR und den Absolutgliedern fli E IR . (Kommt eine Unbekannte in einer Gleichung nicht vor, dann hat sie dart den Koeffizienten 0.) Fur (6) schreibt man
(a~l~~: a~2~~~
(7)
... . ..
aln) a2n
···
a mn
(Xl). (fll. ) X2
fl2
..
..
Xn
flm
oder kurz (8)
Ax=b
mit der KoeJfizientenmatrix A = (aij) E IR mxn , dem Spaltenvektor x mit den unbekannten Komponenten Xi und dem Spaltenvektor b der rechten Seite. In der i-ten Zeile der Koeffizientenmatrix stehen die Koeffizienten der i-ten Gleichung, die j-te Spalte von A "gehort" zur Unbekannten Xj (dart stehen die Koeffizienten von X j ) ( 1 ::S i ::S m, l::s j ::S n ). Das lineare Gleichungssystem (6) bzw. (8) heiSt homogen, wenn b = 0 (d.h. = fl2 = ... = flm = 0) gilt, andemfalls inhomogen.
fll
Beispiel 1. 1m abgebildeten Netzwerk mit bekannten Widerstanden Ri Q gel-
ten nach den KIRCHHOFFschen Gesetzen fur die gerichteten Gleichstrome die folgenden Bedingungen
ft
+/z /z
- h - 14 ft +h - Is - Rift + R2/z + R3h - R3h + R4 /4 - Rs/s
=1
=0
I
I
=0 =0 =0
Abb. 137 - Stromkreis 1
Die Koeffizientenmatrix hiervon lautet ("fehlende" Koeffizienten sind Null)
o
-1
o o
R4
0 o -1 0 -Rs
)
.
o
255
§ I. Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
Beispiel 2. Fur die Bewegung eines Massenpunktes P seien die kartesischen Koordinaten des Geschwindigkeitsvektors i, y, z in Abhangigkeit von den Ortskoordinaten x, y, z gegeben: i(t)=
2x(t)+3y(t)-
yet) =
x(t) + yet)
z(t)
= -3x(t) + 5y(t)
z(t)
+ 7z(t) .
Diejenigen Punkte, in denen die Geschwindigkeit i = VI, Y erreicht wird, berechnet man aus dem linearen Gleichungssystem
-1) 2 1 3 0 ( 1 -3 5 7
(X) y = (VI) V2. z
V2, Z
V3
o
V3
Ein Spaltenvektor C E IRn mit den Komponenten CI, Cl, ... , Cn E IR heiBt eine Losung des Systems (6) bzw. (8), wenn fur Xi = Ci (1 sis n) die m Gleichungen in (6) tatsachlich erfuIlt sind; bzw. - was dasselbe ist - wenn Ac = b gilt. Haufig wird eine Li::isung in der Form Xl = CI, Xl = Cl , ... , Xn = Cn angegeben. Ein homogenes System Ax = 0 besitzt stets mindestens eine Li::isung, namlich die Nullosung (oder triviale Losung) Xl = Xl = ... = Xn = O. Nicht jedes System ist li::isbar. Es treten die drei folgenden FaIle auf:
o
Das Gleichungssystem besitzt keine Losung. Beispiel. 3xI + 2X2 = 1 3XI + 2Xl = 2
o
®
Das Gleichungssystem besitzt genau eiue Losung. Beispiel. 3xI + 2X2 = 1 3XI + Xl = 5 (XI = 3, Xl = -4)
©
o
Das Gleichungssystem besitzt unendlich viele Losungen.
Beispiel.
3XI
+ 2X2
Fur jede Zahl A ist
Xl
=1 =
~(1
- ZA), x2 = A eine Li::isung.
o
Zwei lineare Gleichungssysteme Ax = b, Bx = c fur Xl, ... , Xn (nicht notwendig mit derselben Anzahl von Gleichungen) heiBen iiquivalent, wenn sie dieselbe Li::isungsmenge besitzen. Ein nach CARL FRIEDRICH GAUSS (1777-1855) benanntes Li::isungsverfahren basiert auf der Beobachtung, daB bei folgenden Umformungen das Gleichungssystem (6) in ein dazu aquivalentes ubergeht:
CD
(3)
CD
Vertauschung zweier Gleichungen. Multiplikation einer Gleichung mit einer Zahl a =I 0 . Addition (bzw. Subtraktion) des Vielfachen einer Gleichung zu (bzw. von) einer anderen.
256
6. Lineare Algebra
Da diese Umformungen mit Umformungen vom gleichen Typ riickgangig gemacht werden konnen, andem sie nichts an der Losungsmenge. Diese Umformungen werden iibersichtlicher, wenn sie an der sogenannten erweiterten Koejjizientenmatrix
(9)
(Alb) :=
fh) /h
all ( a21 :
f3m
ami
ausgefiihrt werden. Man erweitert A urn die von den anderen Koeffizienten durch einen senkrechten Strich getrennte Spalte der Absolutglieder. Die den Gleichungsumformungen CD, CD, CD entsprechenden Veranderungen der Matrix (Alb) heiBen elementare ZeilenumJormungen, das sind: CD Vertauschen zweier Zeilen. CD Multiplikation einer Zeile mit einer Zahl a =I 0 . CD Addition (bzw. Subtraktion) des a-fachen einer Zeile zu einer anderen. Also gilt Entsteht (Blc) aus (Alb) durch endlich viele elementare Zeilenumformungen, dann sind Ax = b und Bx =c aquivalent.
1.4 Das GauB'sche Losungsverfahren 1) Das homogene System Ax = o. In diesem Fall formen wir nur die "einfache" Koeffizientenmatrix
A=
(~~: ~~~ ::: ~~:) .
amI
a m2
a mn
urn, die rechte Seite des Gleichungssystems bleibt ja bei den Umformungen CD, CD, CD konstant gleich 0 (Nullvektor). Das GauB-Verfahren (die sogenannte Gauj3'sche Elimination) besteht aus zwei Teilen
o
®
der Vorwartselimination, der Riickwartssubstitution.
o Die Vorwartselimination.
Man bringt durch eventuelle Zeilenvertauschung eine Zahl =I 0 an die erste Stelle der ersten Spalte und annulliert die darunterstehenden Zahlen durch Subtraktion eines passenden Vielfachen der neuen ersten Zeile von der zweiten, dritten, ... . D.h., ist - nach eventuell vorhergehender Zeilenvertauschung - all =I 0, dann subtrahiert man das a21 -fache der ersten all Zeile von der zweiten, das a31 -fache der ersten Zeile von der dritten, etc. all
257
§ I. Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
Auf diese Weise entsteht aus A eine Matrix B der Form
B=
(w
* ... * * * ... *) 0···0**···* 0 0···0**···*
o
: : ..
o
: : : :. ...
(- * * * ... *)
=
Al
0···0**···*
mit einer (m - 1) x n-Matrix AI, deren vordere s Spalten Null sind, s 2: 1 (beim ersten Eliminationsschritt konnen unter Umstanden auch in anderen Spalten unterhalb der ersten Zeile lauter Nullen entstehen). An der _ -Stelle steht eine Zahl =j. 0, tiber die an den *-Stellen stehenden Zahlen wird nichts Naheres gesagt. 1m Fall Al = 0 (Nullmatrix) ist die Elimination bereits beendet. Andemfalls (AI =j. 0) wiederholt man im 2. Eliminationsschritt denselben Rechenschritt an der ersten von Null verschiedenden Spalte von Al (die erste Zeile von B bleibt unverandert), etc., bis man nach hochstens m - l-Eliminationsschritten zu einer Matrix M gelangt, die eine sogenannte Zeilenstufenform besitzt: * ... * ... * * ... * ... * r
(10)
M=
0 0
0 0
0
0
* ... *1 01 0 0 0 0 0
0
1m - r
Es stehen an den _ -Stellen Zahlen =j. 0 , an den *-Stellen irgendwelche sich aus der Rechnung ergebenden Zahlen, an allen anderen Stellen in M nur die Null. Kennzeichen der Zeilenstufenform:
• In jeder Zeile stehen links vor _ nur Nullen. • Liest man von oben nach unten, so rtickt _ pro Zeile um mindestens eine Stelle nach rechts.
Das homogene Gleichungssystem Mx =0 ist aquivalent zu Ax
=0 .
® Die Riickwartssubstitution erlautem wir zuerst an einem Beispiel. Aus
A sei durch Vorwartselimination (elementare Zeilenumformungen) die folgende Matrix entstanden: XI
M -
-
(
X2
X3
X4
Xs
+ + + + + OJ -2 3 4 2) 0 0 [IJ I -4 000E]3 00000
258
6. Lineare Algebra
Das Gleiehungssystem Mx = 0 lautet explizit
+ 3X3 + 4X4 + 2xS = 0 2X3 + X4 - 4xS = 0 X4 + 3xs = 0
2X2
Xl -
(11)
Es besehreibt nur die Abhiingigkeit der zu den _ -Stellen geharenden Unbekannten Xl, X3, X4 (man nennt sie die abhangigen Variablen) von X2, Xs, die man nun, da sie keiner weiteren Bedingung unterworfen sind, als unabhangige Variable (oder freie Parameter) ansieht, die jeden beliebigen Wert annehmen kannen. Wir setzen X2 = AI, Xs = A2 (Ai E lR. variabel) , bringen im Gleiehungssystem Mx = 0 die freien Variablen auf die reehte Seite Xl
=2X2 =4xs X4 = 3xs
+ 3X3 + 4X4 2X3 + X4
2xs
=2Al =
2A2 4A2 3A2
und bereehnen daraus der Reihe naeh (von unten nach oben) Abhiingigkeit von AI, A2. X4
= 3A2,
X3
1 = 2'A2,
XI
X4,
X3,
XI
in
= 2AI - 15.5A2 .
Die derart bestimmte (parameterabhiingige) Lasung
(
~~) X3
X4 Xs
=
(2AI
-A~5'5A2)
0.5A2 3A2 A2
=Al
(i) 0 0
g'5) (_l + A2 0.5 3
0
1
( AI, A2 E lR.) heiSt allgemeine Losung, jede spezielle Wahl der Parameter AI, A2 ergibt eine spezielle (oder partikuliire) Lasung. So ergibt etwa Al = 1, A2 = 0 die spezielle Lasung Xl = 2, X2 = 1 , X3 = X4 = Xs = 0 . 0
Allgemein: • Die in (10) zu den Spalten ohne _ -Stelle geharenden Unbekannten sind die freien Variablen, sie werden der Reihe naeh gleieh AI, A2, ... , An-r gesetzt. • 1m (10) zugeordneten Gleichungssystem bringt man die freien Variablen auf die reehte Seite, ersetzt sie durch den ihnen zugewiesenen "Wert" Ai und berechnet der Reihe nach von unten nach oben die zu _ -Stellen geharenden abhangigen Variablen (in Abhiingigkeit von AI, A2, ... , An-r). Die derart bestimmte Lasung heiSt allgemeine Losung des Systems, jede spezielle Wahl fur die AI , ... , An-r ergibt eine spezielle (oder partikuliire) Lasung. Beispiel. Xl 2xI -
4X2
+ 2X3
3X2 -
3XI - 7X2 + X2 -
=0
X3 -
5X4
X3 -
5X4
X3 -
X4
=0
=0 =0
259
§ 1. Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
Die GauB-Elimination fiihrt von der Koeffizientenmatrix A
=
(23I -4-3-7 -121-5-50) o
Die Unbekannten substitution ergibt X2
X3,
zu
M- (
_
1 -1 -1 X4
sind frei wahlbar:
= X3 + X4 = Al + A2,
XI
X3
= 4X2 -
OJ -4 2 0) 0 OJ -1 -1 0
0 0 0 000
o
= Al , 2X3
X4
= A2.
Die Riickwarts-
= 2AI + 4A2
.
Die allgemeine Lasung lautet
Spezielle Parameterwerte ergeben spezielle Lasungen.
o
Man nennt die Anzahl der von Null verschiedenen Zeilen (also die Anzahl der • Stellen) in der aus A mittels GauB-Elimination erzielten Zeilenstufenmatrix M (--+ (10)) den Rang von A, i.Z. Rang A. In §4 wird gezeigt, daB Rang A nur von der Matrix A und nicht von den speziellen Eliminationsschritten abhangt. Satz 1.1. n - Rang A Variable frei wiihlbar. Sei A E IR mxn . a) Das homogene Gleichungssystem Ax = 0 hat genau dann als einzige Losung XI = ... = Xn = 0, wenn Rang A = n gilt (n = Anzahl der Unbekannten). b) Die allgemeine Losung des linearen Gleichungssystems Ax =0 enthiilt n - Rang A freie Variable. c) 1st die Anzahl der Gleichungen kleiner als die Anzahl der Unbekannten (m < n), dann besitzt Ax = 0 von Null verschiedene Losungen. Beweis. b): Es gibt n - Rang A Spalten in M ohne. -Stelle. Jede der zu
dies en Spalten geharenden Variablen ist "frei". a): Gibt es in jeder Spalte eine • -Stelle (d.h. Rang A = n), dann gibt es keine freie Variable, die Riickwartssubstitution zeigt Xn = 0, Xn-l = 0 , ... , XI = 0 . c): Aus Rang A :s m (--+ (10)) und m < n folgt n - Rang A :::: n - m :::: 1. Also enthalt die allgemeine Lasung von Ax = 0 wenigstens eine freie Variable, etwa Xk = A. Die Wahl A = 1 ergibt die von Null verschiedene Lasung Xl = * , ... , Xk = 1 , ... , Xn = * . 0 2) Das inhomogene lineare Gleichungssystem Ax = b. In diesem Fall besteht der Lasungsweg aus drei Teilen: der Vorwartselimination an der erweiterten Matrix (Alb), CD einer Lasbarkeitsentscheidung, der Riickwartssubstitution.
o o
260
o
tion
6. Lineare Algebra
Die erweiterte Koeffizientenmatrix (Alb) wird mittels GauB'scher Elimina(~ 1) in (Mid) umgewandelt, mit M in Zeilenstufenform.
• * * * * * ... * . .. * * ... * (12)
(Mid)
=
0 0
0 0
0
0
.. . 0
01
• * ... * 0
Or
0 0
Om
0 0
0
Or+l
® Die Losbarkeitsentscheidung.
1st eine der Zahlen Or+l, ... , Om in (12) von Null verschieden, etwa nach Zeilenvertauschung Or+l ::j. 0, dann ist Mx = d, also auch Ax = b , nicht losbar. Denn die (r + l)-te Gleichung in Mx = d gibt den Widerspruch oXl + ... + 0 Xn = Or+1 ::j. 0 . 1m Fall Or+l = ... = Om = 0 berechnet man die Losungen mittels
CD Riickwartssubstitution,
vollig analog wie im homogenen Fall. Dieser Schritt kann dadurch vereinfacht werden, daB man zuerst die spezielle (partikulare) Losung Vo E lR,n berechnet, in der die freien Variablen samtlich den Wert Null haben, und dann die allgemeine Losung des homogenen Systems Mx = 0 bestimmt. Denn es gilt Satz 1.2. Sei A E lR,mxn, b E lR,m. a) Losbarkeitstest. Das inhomogene lineare Gleichungssystem Ax dann losbar, wenn gilt Rang (Alb) = Rang A . b) Struktur der Losungsmenge. 1st das System Ax allgemeine Losung darstellen in der Form
=b
=b
ist genau
losbar, dann liiJ3t sich die
v = Vo +u mit einer speziellen Losung Vo und der allgemeinen Losung u des zugehorigen homogenen Systems. c) Anzahl der freien Variablen. 1st Ax = b losbar, dann enthiilt die allgemeine Losung (n - Rang A) freie Variable (n = Anzahl der Unbekannten).
Beweis. a): Die Bedingung Or+l = ... = Om = 0 (~ (12)) ist gleichbedeutend damit, daB die aus A und (Alb) erzielten Zeilenstufenmatrizen eine gleiche Anzahl von. -Stellen besitzen, also mit Rang A = Rang (A Ib) . b): Mit Au = 0 und Avo = b gilt auch A(vo + u) = b und andererseits folgt aus Av = b, Avo = b, daB die Differenz u := v - Vo das homogene System Ax = 0 D lost. c) folgt aus Teil b) und Satz 1.1.
261
§ I. Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
Beispiel 1. Die KIRCHHOFFschen Regeln fiir elektrische Stromkreise lauten: · S d { Teilstrome in jedem Knoten }. N ZZ D Ie umme er T'Z . •d M 1el spannungen tn Je er asch e 1St u.
Urn das lineare Gleichungssystem fiir die fiinf Teilstrome des skizzierten GleichR R u stromkreises fiir R = 300 Q, U = V = 300 V, W = 200 V zu bestimmen, wahlen R wir die Stromrichtung wie skizziert. Von den drei Knotenbedingungen lauten zwei: It + l) - h - Is = 0 und l) + 14 - Is = O. Dazu nehmen wir drei Maschenbedingungen: l)R - W + IsR = 0, 3RIt - U V+Rh =0 und V+W-l)R-hR+2I4R = Abb. 138 - Stromkreis 2 O. AIle weiteren moglichen Bedingungen hangen linear von diesen 5 Gleichungen abo Mit den gegebenen Zahlenwerten erhalt man fiir die fiinf Strome in der MaBeinheit Ampere das Gleichungssystem
(9~O
-1 -1 1 0 1 -1 0 1 0 300 0 300 300 0 0 0 600 300 300 -600 0 500
2~l
Der E1iminationsschritt 0 liefert
(1o -1 I
0 -1 0 1 1 -2 0 5/3 0 1 1 -1 o o 0 0 1 -2 o 0 0 0 1 8/39
1
-~/3
Das Gleichungssystem hat also eine eindeutige Losung (It, h h h, Is)
1 = 39(17,27,18, -10, 8) . tY
Beispiel 2. Auf das skizzierte ebene Fachwerk mit 4 Staben und 4 Knoten wirken zwei Krafte P und Q ein, sie rufen in jedem Stabende eine Reaktion in Richtung des Stabes hervor; in den festen Auftagern CD und 8) sind It bzw. If die Reaktionen. Die Gleichgewichtsbedingungen lauten
o
'0
i
--===. I..:»----~ Abb. 139 - Ebenes Fachwerk
. k en d en K raJte ';F, • N u. ZZ · Summe a zz er {auf. einen D Ie . Knoten} WIT 1St tn etnem Stab
x
262
6. Lineare Algebra
Sie liefern ein lineares Gleichungssystem fur die Komponenten der Lagerreaktionen und die skalaren Stabkrafte Si (Si > 0: Zugstab, Si < 0: Druckstab): Knoten
CD
KnotenG)
SI ( _ SI
S4 (
~ ) +P =0
~)
(~)
+
S2 (
~)
+
S3
KnotenG)
S2 ( -
KnotenG)
S3
d.h.
~) +
+ Q =0
(~) +A=O
(0) -1 + (-1)0 + -=0-
0 0 1 0 0 -1 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 -1 0 0 1 0 0 0 0 0 -1 0 0 0 -1 0 0
B
S4
0 0 0 0 0 1 0 0
0 0 0 0 0 0 1 0
0 -PI 0 -P2 0 -Ql 0 -Q2 0 0 0 0 0 0 0
mit dem Unbekanntenvektor x = (SI, S2, S3, S4, AI, A2, BI, B2)'
Elimination liefert hieraus 1 0 0 0 0 0 0 0 P2 1 0 0 0 0 0 0 -Ql 00100100 0 o 0 0 1 0 0 0 0 - PI o 0 0 0 1 0 0 0 -Ql 00000101 0 o 0 0 0 0 0 1 0 - PI o 0 0 0 0 0 0 0 P2 + Q2
o
Der Rang der Matrix A des Systems ist stets 7. Man hat also zwei FaIle zu unterscheiden: a) P2 + Q2 =I 0: Rang(Alb) = 8 > Rang A, das System ist nicht losbar: Die Resultante von P und Q besitzt eine Komponente =I 0 in y-Richtung, die nicht auf die Lager ubertragen werden kann; das Stabwerk ist kinematisch unbestimmt. b) P2 + Q2 = 0: Rang (Alb) = 7 = Rang A. Es existiert eine einparametrige Losungsschar:
nD=(=n+A(-D; OD=(=~:)+Am AI, BI, SI, S2 und S4 sind eindeutig bestimmt; wegen der festen Ein-
spannung kann S3 und A2 nicht eindeutig aus P und den; das Stabwerk ist statisch unbestimmt.
Q bestimmt wero
263
§ 1. Lineare Gleichungssysteme und Matrizen
Aufgaben I. Man lOse die linearen Gleiehungssysteme a)
7y
3
-lOx + 14y
-6
5x
c)
x + 2y + 3z = 4 4x + 5y + 6z = 0 7x + 8y + 9z = 4
e)
Xl 2XI + X2 Xl + 2 X2 3XI - 3X2
b)
d)
z=1
2x 2x -x
+ 4y - z = I + 8y + 3z = 2
-
Xl 2XI Xl Xl
+ 2X2 + X2 + 2X2 + X2
+ +
X3 X3 + 2X3 + X3
+ X4 = + 2X4 = + X4 = + X4 =
0 0 0 0
+ X3 X4 + 4xs = 2 + X3 + X4 - Xs = 5 + 3X3 + 8X4 + Xs = 1 + X3 - 18x4 + 9xs = 8 .
2. Man bestimme - abhangig von ex - samtliehe Losungen des linearen Gleiehungssystems im lR,4:
a)
(i 1]~~4 6}+ 7~) 45
7
30
Xl +X2 +X3 +X4 Xl - X2 - X3 - X4 b) Xl + X2 - X3 - X4 3Xl + X2 + X3 - X4
0
3. 1m skizzierten Quadrat ist in den 8 Kastehen mit * eine reelle Zahl einzusetzen, so daB die 3 Zeilensummen, die 3 Spaltensummen und die Diagonalsummen den Wert 15 haben.
= ex = ex - 4 = ex + 1 = 0
* 9 * * * * * * *
4. Fur welche Werte von t sehneiden sieh die vier Ebenen im lR,3: y +z = 0; 2x - y + z = 0; X + Y = 2t ; 2(x - y) + t(z + I) = o?
5. Man sehreibe das lineare Gleichungssystem
L(i - k)x; = I, k = 1,2, ... , n in Matrii::::ol
zenform explizit aus und bestimme dureh Gauss-Elimination die allgemeine Losung fUr n=l, n=2, n=3.
6. Man bestimme reelle Zahlen
(0 ::::: i ::::: n + I) , fur die gilt
xj_I-2xj+Xj+I=0 (l:::::i:::::n),
Xo=o, 7.
Xj
xn+I=1
Dimensionsanalyse des Stromungswiderstandes eines Schiffes.
1m egs - MaBsystem gilt fur die Einheiten: Diehte des Wassers Sehiffsgesehwindigkeit benetzte Oberflaehe Sehiffsmasse Bremsverzogerung
p
v 0
em- 3 em 1 em 2
gl gO gO
memo
gl
b
gO
em 1
seeO see- 1 seeo seeO see- 2
Welche Formeln des Typs p 0, Massenschwerpunkt in z = 0; Z; f. Zj fur i f. j , k> 1.) k
(Ml)Lm;z;Sinel; =0, Lm;z;coseI; =0. ;=1
(12)
L
i=1
i=1 m;
sin 2e1;
= 0,
i=l
L
L m;z;
i=1
k
111; cos 2e1;
= O.
(M2)
sin 2e1; = 0,
L
111; Z; cos 2e1; = O.
;=1
1=1
z
k=6 , \
. \
I I
' .... _.1,1 a
2
, ex
5
a) Wie lautet die Matrix A des homogenen Jinearen Gleichungssystems, das die Vektoren rn = (ml, ... , mk) und rnz = (mIZI, ... , mkZk) erfUllen mussen? Warum ist rnz nie ein Vielfaches von rn? Welchen Rang darf A bei Massenausgleich hochstens haben? b) Bestimme A, Rang A und lose Ax =0 fur die 2 Faile: 4 Zylinder: Zundfolge 1 - 3 - 4 - 2, al = a4 = 0; a2 = Ct3 = 1800 ; 6 Zylinder: Zundfolge 1 - 5 - 3 - 6 - 2 - 4, al = a6 = 0; as = a2 a3 = a4 = 2400 • 1st in beiden Fallen Massenausgleich zweiter Ordnung moglich? c) Gibt es fur den ublichen Aufbau einer Vierzylindermaschine
= 120
0 ;
265
§2. Die Matrizenmultiplikation
Kurbelwinkel ai, so daB Massenausgleich zweiter Ordnung vorliegt? 10. Fur den skizzierten Wechselstrornkreis stelle man das komplexwertige lineare Gleichungssystem fUr die 3 Teilstrome ii, i 2 , i3 auf und lose es fur die aufgepragten Quellstrome i" und h. 11. Numerische Problematik bei linearen Gleichungssystemen a) Man lose
( 1044.005 696) 174 116
(X) = (696) Y
116'
b) Man "lose" mit dem Taschenrechner ( 1044.0045 696.0028) 174.0008 116.0005
(X) = (696.0034) y
116.0006'
c) Die Losung von b) erfullt gleichzeitig die beiden linearen Gleichungssysteme ( 1044 696) 174 116
(X) = (696) . 116' Y
Man bestatige dies, bestimme diese gemeinsame Losung und lose damit b).
§ 2. Die Matrizenmultiplikation 2.1 "Zeile mal Spalte". Das Produkt ab eines Zeilenvektors a E IRn und eines Spaltenvektors b E IRn (beide mit n Komponenten Qq, a2, ... , an bzw. fll, fl2, ... , fln ) ist definiert durch
(1)
ab~ (a•. a, ..... a·l CJ
:= atilt + a2{h + ... + anfJn =
L ai fJi i=l
Beachte: Das Produkt "Zeile mal Spalte" ist eine Zahl.
o
Beispiel 2. Eine lineare Gleichung alxl + a2x2 + ... + anxn = fl schreibt man kurz als Produkt a x = fl, mit dem Zeilenvektor a = (al, ... , an) und dem Spaltenvektor der Unbekannten x. 0
266
6. Lineare Algebra
Man verifiziert muhelos die folgenden Rechengesetze: (aj
+ a2)b = aj b + a2b,
a(bj
+ b2) = ab j + ab2
a(ab) = (aa)b = a(ab) ,
(2)
fur alle a, aj, a2 E
lR n
(Zeilen),
b, bj, b2 E lRn (Spalten),
a E lR .
2.2 Die Multiplikation zweier Matrizen. Das Produkt einer m x n-Matrix
(Zeilendarstellung, -+ 1.1)
mit einer n x r-Matrix B
=(f3ij )nxr =(Sj, S2, ... , sr)
(Spaltendarstellung, -+ 1.1)
ist definiert durch ZjSl ZjS2 Z2S1 Z2S2 AB := ( . .. .
(3)
... ...
zjsr) Z2Sr E lR mxr . ..
..
ZmSj
.
ZmS2
ZmSr
Die i-te Zeile von AB ist (ZiSl, ZiS2, ... , ZiSr) (l s i s m), die j-te Spalte (
ZlSj ) Z2S' :}
s
(l
ZmSj (cij)mxr
AB
=
j
s
r).
Demnach berechnet sich die (i, j)-Komponente von
nach derVorschrift "i-te Zeile mal j-te Spalte":
(4)
Beachte: AB ist nur erklart fur A E lRmxn und B E lRnxr , d.h." Spaltenzahl von A = Zeilenzahl von B". In diesem Fallliegt AB in lRmxr. Man sagt kurz: "m x n mal n x r ergibt m x r " . Beispiel.
o i o 0
(~
2 0
4 0 4 1
o
D(;
17) 10 7 17
.
o
267
§2. Die Matrizenmultiplikation
.. .
SI
4Sj
...
Sr
4Zl
---+
-lJ-
ZISI
---+
Zi
Zm
::::}
ZISr
ZiSj
ZmSj
ZmSr
Abb. 140 - Schema der Matrizenmultiplikation.
Die in (3) enthaltenen Sonderfalle r = 1 bzw. m = 1 stellen wir gesondert heraus: Fur A E lRmxn , S E lRn bzw. B E lRnxr, Z E lRn gilt
(5)
A,=
(~D
'
zB =(U"U2,' ",U,),
Damit ergibt sich die ubersichtliche Spalten- hzw. Zeilendarstellung des Produkts (---+ (3»
(6)
AB =(As I , AS2, ... , Asr )=
ZIB) B
(
Z2
:
'
zm B wenn A die Zeilen
Zi
(1::: i ::: m) und B die Spalten
2.3 Rechenregeln. Das fur A
Sj
(1::: j ::: r) hat.
= (aij)mxn
und den Spaltenvektor x (5) und (1) explizit berechnete Produkt Ax lautet
(7)
al2 a22
·
··
... ...
aln) (XI) a2n X2
(allXI a2jXI
+ +
al2X2 + a22 x 2 +
amjXj
+
am2X2
...
.,
. .. .
a m2 ... a mn
Xn
... + ... +
+ ... +
E
lRn mit
ajnXn ) a2n Xn amnXn
In der bisher nur als Abkurzung verstandenen Schreibweise Ax = b fur ein lineares Gleichungssystem, erhalt die linke Seite jetzt mit (7) die richtige Deutung. Die rechte Seite in (7) kann man auch schreiben als Xjaj + ... + Xnan mit den Spaltenvektoren ai von A. Also gilt fur A = (al, ... , an) E lRmxn, X E lRn die nutzliche Multiplikationsformel (8)
Ax = Xjaj
+X2a 2 + ...
+xnan
•
I
268 Hierin
6. Lineare Algebra
= ei (d.h.
X
Xi
= 1, Xi = 0 fiir j
i
i ) eingetragen, zeigt
( i -te Spalte von A,
(9a)
1:::: i :::: n) .
Ebenso erhalt man ( i -te Zeile von A,
(9b)
1:::: i :::: m) ,
e;
wobei = (0, ... , 0, 1,0, ... , 0) mit 1 an der i-ten Stelle. Die Matrix E:= n
(0101 ...".:0) 0
E
IR nxn
: ". ".
o ...
0 1
heiBt n x n-Einheitsmatrix, sie hat die Spaltendarstellung En = (el, ... , en) mit den Vektoren ei der natiirlichen Basis des IRn. Besteht keine Unklarheit iiber n , dann schreiben wir kurz E statt En. Satz 2.1. IR nxr , C
Rechenregeln. Fiir aile Matrizen A, AI, A2 E IR mxn , B, BI, B2 E E IRrxs gilt:
a)
= AlB + A2B , a(AB) = (aA)B = A(aB) A(BC) = (AB)C ,
(AI + A2)B
b) c) d)
EmA
Aber e)
= AEn = A
im
A(BI + B2)
(a
E
= ABI + AB2
,
IR) ,
.
allgemeinen
ABiBA.
Beweis. Direktes Nachrechnen (wird vereinfacht mit (3), (2), (6) und (9)).
D
Wiederum gewahrleisten diese Rechenregeln, daB man im wesentlichen wie gewohnt mit Matrizen rechnen kann. Wegen c) kann man in einem Matrizenprodukt mit mehr als zwei Faktoren auf Klammerungen verzichten: ABC:= (AB)C = A(BC), ABCD := (AB)(CD) = «AB)C)D = .... Das Matrizenprodukt ist aber nicht kommutativ; d.h., im allgemeinen gilt AB i BA , selbst wenn beide Produkte erklart sind (--+ Aufg. 1). Fiir die aus lauter Nullen bestehende Matrix 0 (vom geeigneten Typ) gilt selbstverstandlich OA = AO = O. Ferner gilt: (alAI
+ .. ·akAk)(fhBl + ... + f3I BI) = alf31AlBl + ... +akf3I A kBI
fiir aIle Ai E IRmxn, B j E IRnxr, ai, f3j E IR. Auch fiir die Potenzen Ak einer (quadratischen) n x n-Matrix AO := E, Ak+l := Ak A
(d.h. Ak = A A··· A , k mal)
gelten die iiblichen Rechenregeln Ak Al
= Ak+l,
(Aki
= Akl
fiir k, IE lNo.
269
§2. Die Matrizenmultiplikation
2.4 Die Transponierte einer Matrix. Jeder m x n-Matrix
= (Cii})
zugeordnet ist die transponierte Matrix AT (die Transponierte von A), deren He Zeile aus den Koeffizienten der i-ten Spalte von A besteht (1 :s i :s n). Explizit: zu Cill
Cil2
Cil n
Ci2l
Ci22
Ci2n
Ciml
Cim2
Ci mn
t
t
A=( AT
)
t
CD CD ist die Transponierte
A
0
definiert durch
AT
:=
ICill , ICil2 ,
Ci22,
ICil n ,
Ci2n,
*- CD Cim2 I *- CD
Ci21 ,
Ciml
*-0
I
Ci mn
Beachte: Die Transponierte einer m x n-Matrix ist eine n x m-Matrix. Speziell:
fh)T ( ;: = (P., p" ... , P.l . Aus den Spalten von A werden die Zeilen von aus den Zeilen von A die Spalten von AT. Beispiele. (1.2 3 4)' =
m'(D'
=([0,"),
AT,
G: l 4)T ex
=
dabei werden gleichzeitig
(~3 0~ ~) 2 .
D
4 ex 4
4
Es gelten folgende Rechenregeln:
(10)
a) b) c) d)
(A
= AT + BT (CiA)T = CiA T (ATl = A (ABl = BT AT + Bl
fur fur fur fur
aIle aIle alle aIle
A, B E
lRmxn
A E
lRmxn
A E
lRmxn
A E
lRmxn
, Ci E
lR
, BE
lRnxp
Beweis. a), b), c) sind direkt aus der Definition ersichtlich, d) ist mit (3) leicht nachzurechnen; dabei ist zu beachten
270
6. Lineare Algebra
o Definition. Eine n x n-Matrix A heij3t symmetrisch, wenn AT schiefsymmetrisch, falls AT = - A .
Fiir A =
(OIij)
=A
gilt, sie heij3t
ist (OIil,OIi2, ... ,OIin) die i-te Zeile von A und die i-te Zeile von AT (entstanden aus der i-ten Spalte von
E
(OIli, 0I2i, ... , OIni)
lRnxn
A). Also gilt
AT = A ~ AT = - A ~
OIij =OIji OIij
= -01 ji
(1 ~ i ~ n, 1 ~ j ~ n) , (1 ~ i ~ n, 1 ~ j ~ n) .
Insbesondere gilt OIii = 0 fiir die Diagonalelemente einer schiefsymmetrischen Matrix. Fiir jede Matrix A E lRn xn sind nach (10) die Matrizen A + AT, AA T symmetrisch und A - AT schiefsymmetrisch. Die Einheitsmatrix ist symmetrisch. Eine symmetrische Matrix A = AT = (OIij) ist wegen OIij = 01 ji symmetrisch zu der durch 0111, ... , OI nn bestimmten Diagonalen. Beispiele.
C D(-j 2 42 3 6
( -1 0 01 2) 3 -2 -3 0 '
J)
2 -1 2 0 0 3 3 -7 -1 1 -3 0 -4 4 0 0 -2
(-1
-D
(symmetrisch)
(schiefsymmetrisch)
o
Symmetrische Matrizen spielen in der Theorie der quadratischen Formen eine wichtige Rolle (---+ §7). Wir werden in §4 die Transponierte einer Matrix heranziehen, urn Ergebnisse iiber Zeilen einer Matrix auf entsprechende Aussagen fiir Spalten (und umgekehrt) zu iibertragen.
2.5 Invertierbare Matrizen. In diesem Abschnitt betrachten wir "quadratische" n x n-Matrizen.
Mit E bezeichnen wir stets die Einheitsmatrix
E = (e I, ... , en) .
Definition. Eine n x n-Matrix A heij3t invertierbar, wenn es eine n x n-Matrix B gibt, so daj3 gilt AB = BA = E. In diesem Fall ist die Matrix B eindeutig bestimmt, sie wird meist mit A-I bezeichnet (d.h. A- I := B), und heij3t inverse Matrix oder die Inverse von A.
Die Eindeutigkeit der Inversen liefert der
271
§2. Die Matrizenmultiplikation
Satz 2.2. Wenn es zur Matrix A E lR,nxn zwei Matrizen B, C BA = AC = E, dann ist A invertierbar und B = C = A-I.
E
lR,nxn gibt mit
Beweis. B = BE = B(AC) = (BA)C = EC = C. Also gilt BA = AB = E und es gibt zu A keine andere Matrix mit dieser Eigenschaft; d.h. es ist B = A -I .
o
Beispiele. 1. Die Einheitsmatrix E
2. Fur A = AB
(~ ~)
= BA = E,
E lR,2x2
=E E
ist invertierbar, E- I = E .
mit ad - be =I 0 und B = ad
also ist A invertierbar, A-I
~ be ( _~
= B.
b) gilt
-a
o
Satz 2.3 a) Die Inverse einer invertierbaren n x n-Matrix A ist invertierbar; (A -I )-1 = A. b) Das Produkt AB zweier invertierbarer n x n-Matrizen ist invertierbar; (A B)-I = B- 1 A-I. c) Die Transponierte AT einer n x n-Matrix ist genau dann invertierbar, wenn A invertierbar ist. In diesem Fall gilt (A T)-I = (A -I f . Beweis. a), b): Zu den Matrizen A -I, AB erfiillen A bzw. B- 1 A-I die Bedingung AA -1 = A-I A = E, B- 1 A -I(AB) = (AB)B- l A-I = E. Sie sind deshalb nach Satz 2.2 die eindeutig bestimmten Inversen von A-I und AB. c) folgt durch Transponieren von AA -1 = A -I A = E bzw. von AT (AT)-I = (AT)-I AT = E. mit (lOd). 0 Fur endlich viele invertierbare n x n-Matrizen AI, ... , Ak folgt damit (11)
I
(AI A 2'" Ak)-1
= Ak l ... All All. I
(Man beachte in (l1) die Anderung der Reihenfolge.) Die Bedeutung der invertierbaren Matrizen fur lineare Gleichungssysteme ergibt sich daraus, daB jede Matrizengleichung AX=B
mit B, X
E
lR,nxk
mit einer invertierbaren n x n-Matrix A eine eindeutig bestimmte Lasung X = A -I B besitzt. (Man multipliziere die Gleichung beidseitig von links mit A-I.) Satz 2.4. Fur eine n x n-Matrix A sind folgende Aussagen iiquivalent (d.h., ist eine der Aussagen wahr, so gilt das aueh fur aile anderen): a) A ist invertierbar. b) Es gibt eine n x n-Matrix B mit AB = E. c) Es gibt eine n x n-Matrix C mit C A = E. d) Ax = 0 :::} x = 0, e) Rang A = n.
272
6. Lineare Algebra
Beweis. a) =} c): Man nehme C = A - I . c) =} d): Ax = 0 =} C Ax = Ex = x = 0 . d) e)
=} =}
e): Satz 1.1. b): N ach Satz 1.2 ist jedes lineare Gleichungssystem Ax = b mit b E lR,n
eindeutig losbar; insbesondere gibt es zu den Vektoren ei der natiirlichen Basis des lR,n genau einen Vektor b i mit Abi = ei. Also gilt fiir die n x n-Matrix B = (b l , ... , b n) die Gleichung AB = (Ab], ... , Ab n) = (el, ... , en) = E. b) =} a): Aus AB = E folgt BT AT = E. Der bereits bewiesene SchluB "c) =} e) =} b)" garantiert die Existenz einer n x n-Matrix D mit AT D = E . Also ist AT und damit A invertierbar (-+ Satz 2.2, Satz 2.3). Am Beweisschema a)
=}
c)
=}
d)
=}
e)
=}
b)
=}
a)
erkennt man, daB tatsachlich samtliche Aussagen aquivalent sind.
o
2.6 Diagonal- ond Dreiecksmatrizen. In einer quadratischen n x n-Matrix
A = (aij) nennt man die Zahlen aii (1 ::S i ::S n) Diagonalelemente; man sagt, sie stehen auf der Diagonalen von A. Unterhalb der Diagonalen stehen aij mit i > j , oberhalb die Zahlen aij mit i < j. Man nennt A eine untere (bzw. obere) Dreiecksmatrix, wenn sie hochstens auf und unterhalb (bzw. oberhalb) der Diagonalen von Null verschiedene Elemente hat.
A=
Die Diagonale von A.
....~ al n
A=
Eine obere Dreiecksmatrix.
o
0
ann
o A=
Eine untere Dreiecksmatrix.
Die Transponierte einer oberen Dreiecksmatrix ist eine untere Dreiecksmatrix (und umgekehrt). Satz 2.5. Eine (untere oder obere) Dreiecksmatrix ist genau dann invertierbar, wenn samtliche Diagonalelemente von Null verschieden sind.
273
§2. Die Matrizenmultiplikation
Beweis. Mit einer Dreiecksmatrix A hat das homogene Gleichungssystem
Ax = 0 genau dann nur die triviale Losung x = 0, wenn aBe Diagonalelemente =I 0 sind. Die Behauptung folgt nun aus Satz 2.4. 0 SpezieBe Dreiecksmatrizen sind die Diagonalmatrizen
D;ag (a, • a2 • ...• a") Sind aBe
(Xi
,=
(1
=I 0, dann gilt · ((Xl, Dlag
... ,
(Xn
)-1 = D·lag (1 , -1, ... , (Xn -1 ) (Xl (X2
Die Berechnung der Inversen anderer Matrizen erfolgt in §4.4. Zum vertieften Studium der Matrizen werden einige Begriffe und Ergebnisse der im nachsten Paragraphen dargesteBten Theorie der Vektorraume benotigt. Aufgaben 1. Fur a = (1, 2, 5, 0, 6, 3), b = (2,1,1,8,4, -1), c = (1, 0, 2, -1,0,2) berechne man die Produkte a b T , aTb, (a c T ) b, a (cTb).
n~ ~t :D .
2. Man priife, ob AB = BA , falls
A=
3. Welche Matrizen B
= (~ ~)
1 -3 B =( 0
o o
sind mit A
= (~ ~)
-1
1 0 0
2 1 0
~)
b) aile C=lO mit CA=O, c) aile D mit AD = DA. 5. Man bestatige durch vollstandige Induktion nach n: (
o)n
1 1 1 1 0 1
o o
=
(1
n
0 1 0 o
~n(n n
1
o
'
1
vertauschbar. d.h. wann gilt
AB = BA? Dazu lose man das 4 x 4-Gleichungssystem fUr a, b, c, d.
2 4. In lR3x3 bestimme man fur die Matrix A=G 2 1 a) aile B=lO mit AB=O,
22 ) -2
I))
274
6. Lineare Algebra
6. pO, A = (
r .~. : f1 0
AB
= BA
E
~
E
lR.3x3 mit
mID
expli,it d,B
= fJoE + fJIA + ... + fJn_1An-1
B
(~ ~ ~)
7. Man berechne die Inverse von A
R""" "ig'
(~003 ~ ~) A (~001 ~ ~) =
und
01~)
und bestimme damit ein
(! ~ ~). 234
8. Man rechne nach, daB E - N E lR.n xn eine Inverse der Form E + N + ... + N k wenn N k = 0 ist. Wie lautet (E - N)-1 fur
1
besitzt,
N=(!~:o~l' 9. Man rechne nach, daB fUr A =
(~ ~ ~)
gilt:
A3
-
4A2
+ 3A = E und bestimme
I 1
daraus A-I als Polynom in A. 10. Man zeige fur A, B
E
lR.nxn
E - AB invertierbar
~
E - BA
invertierbar.
§ 3. Vektorraume 3.1 Der "abstrakte" Vektorraum. Immer wieder trifft man in der Mathematik auf Mengen, deren Elemente man addieren und mit einem Zahlenfaktor multiplizieren kann; etwa die raumlichen ("geometrischen") Vektoren, die m xnMatrizen (mit den Sonderfallen m = 1, n = 1 ) oder die Menge aller auf einem Intervall definierten Funktionen f : I ~ IR. Man beobachtet, daB fur diese Rechenoperationen dieselben grundlegenden Regeln gel ten, die auch das Rechnen mit Vektoren des Anschauungsraumes beherrschen (~ § 1 (5)). Zur einheitlichen Herleitung der sich daraus ergebenden Konsequenzen wurde der Begriff des (abstrakten) Vektorraumes eingefuhrt.
275
§3. Vektorraume
Definition. Eine nichtleere Menge V, in der man zu je zwei Elementen a, b E V eine Summe a + b E V und zu jedem Element a E V und zu jedem Zahlenfaktor A E JR das A-fache Aa E V bilden kann, heij3t ein JR- Vektorraum (oder Vektorraum iiber JR, bzw. linearer Raum iiber JR), wenn folgende acht Rechengesetze (die Vektorraum-Axiome) erfiillt sind: (V. I ) Die Addition ist kommutativ; d.h. for alle a, b E V gilt a + b = b + a. (V.2) Die Addition ist assoziativ; d.h. fiir alle a, b, C E V gilt (a + b) + c =
a + (b + c). Es gibt ein Element 0 E V, Nullelement oder Nullvektor genannt, mit a + 0 = a fiir alle a E V . (VA) Zu jedem a E V gibt es genau ein mit -a bezeichnetes Element in V mit a + (-a) = O. (y'5) I a =a fiir alle a (Zahlenfaktor I E JR). (V.6) A(fLa) = (AfL)a for alle A, fL E JR, a E V. (Y.7) A(a + b) = Aa + Ab fiir alle A E JR, a, bE V. (y'S) (A + fL)a = Aa + fLa for alle A, fL E JR, a E V. Die Elemente eines Vektorraumes nennt man Vektoren; statt a + (-b) schreibt man a - b (Dijferenz).
(y'3)
Die Axiome (V.I)-(Y.S) garantieren, daB man mit Summen, Differenzen und Vielfachen wie gewohnt rechnen darf. Wegen (Y.2) kann man in endlichen Summen aj + a2 + ... + an auf Klammern verzichten und aus den Distributivgesetzen (Y.7), (y'S) folgt (A] + A2 + ... + Ak)(aj + a2 + ... + an) = A]a] + ... + Akan (Ai E JR, a j E V). AuBerdem gelten die Vorzeichenregeln -a=(-1)a,
-(-a)=a,
-(a+b)=(-a)+(-b)=-a-b,
etc.
Mit den Einzelheiten wollen wir uns nicht aufhalten. Das Nullelement wird uberall einheitlich mit 0 bezeichnet. Bei Gefahr der Verwechslung schreibt man Ov fur den Nullvektor in V. So gilt Aa = Ov
~
A = 0 oder a = Ov .
Beispiel 1. Ein Vergleich von (5), § I, mit (Y.1)-(Y.S) zeigt, daB die Menge aller x n-Matrizen, zusammen mit der komponentenweisen Addition und skalaren Multiplikation ein JR- Vektorraum ist. Insbesondere sind m
(Zeilenvektorraum) mit (aj, ... ,an) + (13],···, f3n) = (al + 131, ... , an + f3n) , A(a], ... , an) = (Aa], ... , Aan ) (A E JR) und (Spaltenvektorraum)
276
6. Lineare Algebra
mit
(
:;) + an
(~) (:;:~;) =
,
A (:;) =
(~;)
an
Aan
an + f3n
f3n
(A
E
lR)
lR3
lR-Vektorraume. (mit diesen Verknupfungen) ist ein mathematisches Modell des Raumes der "geometrischen" Vektoren (-+ Kap. 1, §4). 0 Beispiel 2. IPn:={aO+aIX+···+anXn;aiElR (i=O, ... ,n)}, die Menge aller reellen Polynome vom Grad S n ist mit der ublichen Addition und skalaren Multiplikation von Polynomen ein Vektorraum (mit dem Nullvektor p(x) = 0 fur aIle x, und dem zu q(x) = aO+alX+" '+anx n "entgegengesetzten" 0 Vektor -q(x) = -aD - alx - ... - anx n ). Beispiel 3. Fur jedes Intervall I S; lR ist ~0(I) := { / : I -+ lR; / stetig} ,
die Menge aller auf I stetigen reellen Funktionen, mit der ublichen "punktweisen" Addition / + g und skalaren Multiplikation Af von Funktionen (f + g)(x) := lex) + g(x) ,
(Af)(x):= Af(x)
ein Vektorraum mit Nullvektor 0, O(x) = 0 fur aIle x E I, und dem zu jedem / E ~0(I) entgegengesetzten Vektor - /, (- /)(x) = - /(x) fUr aIle x E I. 0
3.2 Unterraume, Linearkombinationen, lineare Hiille. 1m folgenden sei V ein lR-Vektorraum (etwa lRn
,
IPn oder ~o(I)).
Definition. Eine nichtleere Teilmenge U S; V heij3t Unterraum (oder linearer Teilraum) von V, wenn mit je zwei Elementen u, v E U auch deren Summe u + v in U liegt und wenn mit jedem u E U und A E lR das A-/ache AU eben/alls in U liegt. D.h., wenn gilt: u, v E U ===> u + v
E U,
u E U, A E
AU E
(U.l) (U.2)
lR ===>
U.
Ein Unterraum "erbt" vom umfassenden Vektorraum die Addition und skalare Multiplikation (man sagt, er ist "abgeschlossen" bezuglich dieser Operationen) und ist damit selbst ein lR-Vektorraum. Denn mit a E U liegt nach (U.2) der Vektor -a = (-1)a in U, und auch a + (-a) = 0 E U nach (U.l). AIle anderen Vektorraumgesetze sind fur Elemente aus U ebenfalls erfullt, da sie ja nach Voraussetzung fur aIle Elemente aus V gelten. Hierin liegt einer der Griinde, sich beim Studium der Vektorraume nicht nur auf lRn zu beschranken, meistens werden Unterraume des lRn von Bedeutung sein und fUr diese solI die Theorie angewendet werden.
277
§3. Vektorriiume
Beispiel 1. Jeder Vektorraum V besitzt die "trivialen" Unterraume U (Nullraum) und U = V . Beispiel 2. Zu jedem Vektor v
= {O} 0
V ist
E
lRv := {av ; a
E
lR}
ein Unterraum von V. 1m Spezialfall V = lR3 besteht lRv aus allen zu v parallelen Vektoren (einschlieBlich des Nullvektors). 0
Be;'piel 3.
Vorsiche
u,~ { U
,~ {
(;D
un
E JR4
E
; 2a I + 3.2 +.4
JR.4 ; 2a I + 3.2 + .4
~ O) ist Unlerraum von
~ I} ist k,in Untcrraum.
Beispiel 4. Fur jede m x n-Matrix A
E
lRrnxn ist
Kern A := {x
E
lRn
JR4.
0
Ax = O} ,
;
die Losungsmenge eines homogenen Gleichungssystems, ein Unterraum von lRn. Beweis. Wegen 0 E Kern A ist die Menge nicht leer. Sind u, v E Kern A und A E lR dann gilt A(u + v) = Au + Av = 0 + 0 = 0 und A(AU) = A(Au) = AO = 0, also liegen auch u + v und AU in Kern A . 0 Definition. Jede aus endlieh vielen Vektoren VI, V2, ... , Vk der Form
E
V gebildete Summe
k
Laivi = alvl +a2v2 + ... +akvk i=1
mit den Koejfizienten ai E lR heij3t eine Linearkombination der Vi. Eine solehe Linearkombination wird trivial genannt, wenn siimtliehe ai gleieh Null sind. Die Menge aller Linearkombinationen der Vi, k
Lin(vI, ... , Vk) := {
~ aivi ; ai E lR (1::s i ::s k) }
,
heij3t lineare Hiille der Vi.
Ohne Muhe sieht man, daB die lineare Hulle Lin(vI, ... , Vk) ein Unterraum von V ist, denn k
k
(L aiVi) + (L {3i V;) ;=1
;=1
k
k
= L(a; + {3;)V; ;=1
,
A(La;v;) ;=1
k
=L(Aa;)v; ;=1
278
m.
6. Lineare Algebra
Be;,.;e!. Fii, d;c Vckto<e"
=
V,
Lin(vI, V2, V3)
V2
=(
-D ·
V3
=
m au,
JR4
gW
= {avi + fJV2 + yV3 ; a, fJ, Y E lR} _
-
1(
a+fJ+Y) a +2y . -fJ;3 y ,a,fJ,YElR
l o
Dieses ist ein Unterraum von lR4.
1m nachsten Paragraphen werden uns insbesondere die lineare Biille der Zeilenvektoren (Zeilenraum) und die lineare Biille der Spaltenvektoren (Spaltenraum) einer m x n-Matrix interessieren. Definition. Man sagt, ein Unterraum U von V wird von den Vektoren VI, V2, ... , Vk erzeugt, oder (VI, V2, ... ,Vk) ist ein Erzeugendensystem von U, wenn
Beispiel 1. Die Vektoren el = (1,0,0,0), e2 = (0, 1,0,0), e3 = (0,0, 1,0) , e4 = (0,0,0,1) erzeugen den Vektorraum lR4. Derselbe Vektorraum wird aber auch erzeugt von den Vektoren el + e2, el - e2, el + e2 + e3, el - e2 + e4 (aber auch von zahllosen anderen Systemen). Allgemein: Die Vektoren ei (1 :s i :s n) der natiirlichen Basis des lRn erzeugen lRn (analog fiir lRn). 0 Beispiel 2. Der Unterraum {
(~) E lR
3 ;
3x + y + z = 0 } n ist das stets moglieh (---+ Satz 1.1). Mit diesen Zahlen
Ai
gilt
A) W) + ... + Am Wm = (allA) + ... + a)mAm)v) + ... + (anI A) + ... + anmAm)vn
= OVI + ... +OVn = 0 Also sind die Vektoren Beispiel 1.
V
= ill?
WI, ... , Wm
.
(m > n) linear abhangig.
o
(Vektoren einer Ebene) ansehaulieh:
/v,~/ Abb. 142a - Basis in 1R.2
Abb. 142b - Keine Basis in IR. 2
o Beispiel 2. Die natiirliehe Basis (el' e2, ... , en) des lRn (bzw. lRn, ---+ 1.1) ist
eine Basis im Sinne der obigen Definition. Wesentlieh allgemeiner gilt:
283
§3. Vektorraume
Satz 3.5. Die Zeilen (bzw. Spalten) einer invertierbaren n x n-Matrix bilden eine Basis des IRn (bzw. IRn). Beweis. Sei A = (al, ... , an) mit den Spalten ai E IR n invertierbar. Naeh Satz 3.2 sind ai, a2, ... , an linear unabhangig. Also gilt (B.l). Nun sei v E IR n (beliebig). Mit (al, ... , anl := A -Iv zeigt Formel (8), §2 v = A(A -Iv) = alai + ... + ana n
o
Damit ist aueh (B.2) naehgewiesen.
Beispiel 3. Die Polynome 1, x + 1, (x + 1)2, ... , (x + It bilden eine Basis des IR- Vektorraumes 1P naIler Poly nome vom Grad ::::: n. Denn es gilt 1. Aus ao·l+al(x+l)+··+a n(x+lt=O fiiralle x folgt ao=al =···=an=O (also gilt (B.1)). n 2. Jedes p E 1P n laBt sieh naeh Kap. 5, §3 in der Form p(x) = ai(x + lY darstellen (das ist (B.2)). i=O 0
L
Definition. Ein Vektorraum V heij3t endlichdimensional oder endlich erzeugt, wenn es endlich viele Vektoren WI, ... , Wr E V mit V = Lin(wI, W2, ... , w r ) gibt. 1m folgenden werden fundamentale Eigensehaften endliehdimensionaler Vektorraume zusammengestellt. Satz 3.6. Basiserganzungssatz. In einem endlichdimensionalen Vektorraum V =I to} bilden linear unabhiingige Vektoren VI, ... , Vk bereits eine Basis (VI, ... , Vk), oder man kann sie durch Hinzunahme weiterer Vektoren UI, ... , Uf zu einer Basis (VI, ... , Vb UI, ... , Uf) von V ergiinzen. Beweis. Sei V = Lin(wI, ... , w r ). Offenbar gilt dann aueh V Lin(vI, ... , Vb WI, ... , w r ) (-+ Satz 3.3). Nun lassen wir all die Wi weg, die zur Erzeugung dieser linearen Hulle nieht benotigt werden. Das sind entweder aIle, in diesem Fall gilt bereits V = Lin(vl, ... , Vk) und (VI, ... , Vk) ist eine Basis von V, oder es gilt - wenn wir die verbleibenden Wi mit ul, ... , uf bezeiehnen - V = Lin(vl, ... , Vk, Ul, ... , UI), worin kein weiterer Vektor Uj weggelassen werden kann. Behauptung: (VI, ... , Vb Ul, ... , Uf) ist eine Basis von V. Beweis. Da naeh Konstruktion (B.2) erfiillt ist, braueht nur (B.1) naehgewiesen zu werden: Nehmen wir an, VI, ... , Vk, UI, ... ,Uf waren linear abhangig. Dann gabe es Zahlen ai, fi j , nieht aIle gleieh Null, mit (3)
Hierin miiBte aufgrund der linearen Unabhangigkeit der Vi wenigstens ein fij von Null versehieden sein. In diesem Fall konnte man (3) naeh dem entspreehenden Uj aufiosen und Uj bei der Erzeugung von Lin(vI, ... , Vb UI, ... , Uf) weglassen (-+ Satz 3.3). Das ist aber naeh Konstruktion nieht mehr moglieh. 0
284
6. Lineare Algebra
Satz 3.7. BasisIange = Dimension. Jeder endlich erzeugte Vektorraum V =I {O} besitzt eine (endliche) Basis (VI, ... , v n ). 1st (WI, ... , w m ) ebenfails eine Basis von V, dann gilt m = n. Die gemeinsame "Lange" nailer Basen von V heij3t die Dimension von V, abgekiirzt Dim V. Zur Vermeidung von Fallunterscheidungen setzt man Dim {O} = O. Beweis. V enthalt nach Voraussetzung wenigstens einen Vektor V = VI =I O. Satz 3.6 mit k = 1 zeigt die Existenz einer Basis (VI, ... , v n ) von V. Nach Satz 3.4 sind je n + 1 Vektoren aus V linear abhangig. 1st nun (WI, ... , w m ) eine weitere Basis, so gilt deshalb m ::: n. Ein Rollentausch (beginne mit der Basis (WI, ... , w m ) und nehme dann die Basis (VI, ... , v n ) hinzu) zeigt n ::: m. Insgesamt m = n . 0 Beispiele.
(4)
Dim lR n = Dim lRn = n, Dim lP n = n + 1 (-+ 3.1, Bsp. 2), Dim {f : lR -+ lR ; f zweimal stetig differenzierbar mit f" + f = O} = 2 Dim [
(~)
E
lR3 ; 3x + y + z
I
=0 =2 .
In jedem der Beispiele ist eine Basis entsprechender Lange bekannt.
Folgerung. 1st r die Maximalzahllinear unabhangiger Vektoren aus Vk, dann gilt
o VI, V2, ... ,
Beweis. N ach eventueller U mnumerierung seien V I, ... , V r linear unabhangig und VI, ... , vr , Vj (fur r + 1 ::: j ::: k) linear abhangig. Aus Satz 3.3 folgt Lin (VI, ... , Vk) = Lin (VI, ... , vr ) ; (VI, ... , vr ) ist eine Basis dieser linearen Hulle und deshalb gilt r = Dim Lin (VI, ... , Vk) . 0 Satz 3.8. In einem lR- Vektorraum V der Dimension n gilt: a) Je n linear unabhangige Vektoren aus V bilden bereits eine Basis von V. b) Jedes Erzeugendensystem von V mit n Elementen ist eine Basis von V. c) Je n + 1 Vektoren aus V sind linear abhangig. Beweis. a): Es braucht nur (B.2) nachgewiesen zu werden. Das geschieht wie im Beweis von Satz 3.5. b): Sei V = Lin (WI, ... , w n ). Durch Fortlassen der Wi, die zur Erzeugung nicht benotigt werden, entsteht eine Basis der Lange n (-+ Satz 3.3, Satz 3.7). Also darf kein Wi weggelassen werden. c): -+ Satz 3.4. 0
§3. Vektorriiume
285
Beispiel. Je 4 Vektoren des lR?, 7 Vektoren des lR6, ... , n + 1 Vektoren des lRn sind linear abhangig (ohne Rechnung!). 0 Satz 3.9. Dimension der Unterraume. Jeder Unterraum U eines endlichdimensionalen Vektorraums V ist endlichdimensional; im Fall U =f. V gilt Dim U < Dim V . Beweis. Sei U =f. {OJ und (Ul, ... , Ur) ein System mit der groBtmoglichen Anzahl linear unabhangiger Vektoren aus U. Nach Satz 3.8 c) gilt r ::; n. Fur jeden beliebigen Vektor U E U sind die r + 1 Vektoren Ul, ... , Ur, U linear abhangig und deshalb U als Linearkombination der Ui darstellbar; d.h. U=Lin(Ul, ... ,Ur ) . Folglichist (Ul, ... ,Ur ) eine Basis von U, r=DimU::; n = Dim V. 1m Fall r = n ist das nach Satz 3.8 a) bereits eine Basis von V, also U = V. 0 Mit Satz 3.9 ist gesichert, daB die Satze 3.6-3.8 fur jeden Unterraum eines endlichdimensionalen Vektorraumes V anwendbar sind. Beispiel. Sei A E lRnxn, A =f. O. Nach Satz 3.9 besitzt der Unterraum Kern A := {x E lRn ; Ax = O} des lRn wenigstens eine Basis (Ul, ... , Uk) mit k < n Vektoren. Jede andere Basis von Kern A besteht nach Satz 3.7 ebenfalls aus k linear unabhangigen Losungsvektoren von Ax = O. Ein einfaches Verfahren zur Berechnung einer Basis von Kern A wird in 4.4 angegeben. 0 Aufgaben 1. We1che der folgenden Mengen sind lineare Teilraume des R n : a) {x;xl=a}, aER; b) {X;Xl=0}U{X;X2=0}; c) {x; XI ~ O} ; d) {x; XI = O} n {x ; X2 = O} ; e) {x; X I . X2 = O} ; f) {x; Ix I = 1 } ?
2. Es seien U, V Unterraume des RIO mit Dim U = 5, Dim V = 7. Welche Moglichkeiten gibt es fur Dim Lin(ul , ... , U r , VI, ... , vs ), fur Ui E U, Vj E V (1 ::'0 i ::'0 r ::'0 5, 1 ::'0 j ::'0 s ::'0 7)? Man gebe fur jede Moglichkeit explizit ein Beispiel an. 3.
Die Vektoren a = (1, -2, 5, -3l, b = (2,3,1, -4l und c = (3,8, -3, _5)T erzeugen einen linearen Teilraum W des R4. Bestimme die Dimension von W. Man vervollstandige diese Basis zu einer Basis des R 4 .
4. Durch die vier Polynome wird ein Vektorraum V erzeugt pet) = t 3 - 2t2 + 4t + I , ret) = t 3 + 6t - 5 , q(t) = 2t 3 - 3t 2 + 9t - 1 , set) = 2t 3 - 5t 2 + 7t + 5 Man bestimme Dim V und gebe eine Basis fiir Van.
5. Fiir we1che a, {3
E
R sind die Vektoren des R3 linear unabhangig?
a) (a 2 ,1,{3), ({3,-1,1); b) (a, 0, I), (0, a, 2), (3,2, {3) .
286
6. Lineare Algebra
6. Man gebe jeweils 3 verschiedene Basen der folgenden Vektorraume an: a) 1R?;
b) V
= {(a, tl, y) E 1R? ; 2a + 3tl = O} ;
c) V
= {p(x)
E
lP n
p(1)
;
= O} .
§4. Elementarmatrizen und elementare Umformungen 4.1 Zeilenraum und Spaltenraum. Sei A eine Zl, ... ,
Zm
E
IR.n und den Spalten al, ... , an
E
IR.m
•
m x n-Matrix mit den Zeilen Man nennt
m
Lin (Zl,
... ,
zm)
= {L Aizi
; Ai
E
IR.}
={LAiai ; Ai
E
IR.}
i=l
den Zeilenraum von A und n
Lin(al, ... , an)
i=l
den Spaltenraum von A. Nach der Folgerung zu Satz 3.7 ist die Dimension des Zeilenraumes (Spaltenraumes) gleich der Maximalzahl linear unabhangiger Zeilen (Spalten) von A. Da beim Transponieren aus den Zeilen Spalten und aus den Spalten Zeilen werden, spiegeln sich aIle Eigenschaften des Zeilenraumes (Spaltenraumes) von A wieder im Spaltenraum (Zeilenraum) von AT. Wegen Ax =
n
L
Xiai
(fur x
IR. n , ---+ (8), §2) gilt:
E
i=l
(1)
Spaltenraum von A
= {Ax ; X E IR.n } ,
Zeilenraum von A = {yT A ; y
Satz 4.1. Fiir aile A Q E IR.nxn gilt:
E
E
IR.m} .
IR.mxn und alle invertierbaren Matrizen P
E
IR. mxm ,
A und A Q haben denselben Spaltenraum, A und P A denselben Zeilenraum.
= (AQ)(Q-I x ) = AQx' mit x' = Q-lx liegt jedes Element des Spaltenraumes von A im Spaltenraum von AQ und umgekehrt (---+ (1)). Der analoge SchluB mit yT A = yT p- l P A liefert die Behauptung fur den Zeilenraum. 0
Beweis. Wegen Ax
4.2 Elementarmatrizen. Zeilen- und Spaltenraum einer Matrix werden mit elementaren Zeilen- bzw. Spaltenumformungen vom Typ CD, CD, CD untersucht. Typ CD: Vertauschung zweier Zeilen (Spalten). Typ CD: Multiplikation einer Zeile (Spalte) mit Zahlenfaktor oj 0 . Typ CD: Addition des Vielfachen einer Zeile (Spalte) zu einer anderen.
287
§4. Elementarmatrizen und elementare Umformungen
Hinter diesen Umformungen verbergen sich Multiplikationen mit besonderen invertierbaren Matrizen, den sogenannten Elementarmatrizen.
CD,
Definition. Eine m x m-Matrix E heiJ3t Elementarmatrix vom Typ wenn sie aus der m x m-Einheitsmatrix E durch eine elementare ZeilenumJormung vom Typ hervorgeht. Wir sagen, E gehort zu dieser UmJormung.
CD
Beispiele (fur m
=3). 0 1 0
GD=(~ ~) (::2)=(~ ~) GD=(~ ~) Cl+Cle e2e3 3) - C ~)
(Typ 0; el
-?-
1 ed·
(Typ 0; e2
-?-
ae2).
1 0 0
(Typ CD; el
-?-
e2, e2
0 0 1 0 0
(Typ CD; el
-?-
el + ae3).
0
Cl
(Cl
¥ 0)
0
-?-
el).
D
Satz 4.2. a) Entsteht A aus A E IR mxn durch eine elementare ZeilenumJormung (bzw. SpaltenumJormung), dann gilt (2)
A
= EA
= AET)
(bzw. A
mit der zugehorigen Elementarmatrix E. b) Die Elementarmatrizen sind invertierbar, die Inversen sind ebenJaUs Elementar-
matrizen.
c) Entsteht M bzw. N aus A E IR mxn durch endlich viele elementare Zeilen- bzw. SpaltenumJormungen, dann gibt es invertierbare Matrizen P E IRmxm , Q E IR nxn
mit (3)
M=PA,
N=AQ.
P ist Produkt von Elementarmatrizen, ebenso Q. Beweis. a): A entstehe aus A (mit den Zeilen Zi) durch die Zeilenumformung Zi -?- Zi + aZj (a E IR, i =j. j) vom Typ Die Formeln (6) und (9) aus §2 zeigen, wenn el, ... em die Zeilen der m x m-Einheitsmatrix E bezeichnen,
CD.
elA
Zl
A=
Zi + aZj
Zm
=
eiA +aejA emA
el
=
ei +a ej
em
A=EA
288
6. Lineare Algebra
Analog fur die anderen Typen. Entsteht dagegen A aus A dureh eine Spaltenumformung, dann entsteht AT aus AT dureh die gleiehartige Zeilenumformung, also AT = EAT, bzw. A = AET (---+ (10), §2). b): Eine Elementarmatrix Z kann mit einer elementaren Zeilenumformung in E zuruekverwandelt werden; Z = E . Naeh (2) gilt E = EZ , also Z-1 = E . e) ergibt sieh dureh Mehrfaehanwendung von (2). 0 Beziehung (3) zusammen mit Satz 4.1 ergibt die Folgerung. Der Zeilenraum einer Matrix andert sieh nieht bei elementaren Zeilenumformungen, der Spaltenraum nieht bei elementaren Spaltenumformungen.
Wird nun die Matrix A naeh dem GauB-Verfahren (Vorwartselimination, ---+ § 1) mit elementaren Zeilenumformungen umgewandelt in eine Matrix M in Zeilenstufenform und in ganz analoger Weise mit Spaltenumformungen (Vorwartselimination mit den Spalten von links naeh reehts) in eine Matrix N in Spaltenstufenform,
(4)
1
dann bilden naeh Satz 3.1 und obiger Folgerung die von Null versehiedenen Zeilen von M (bzw. Spalten von N) eine Basis des Zeilenraumes von A (bzw. Spaltenraumes von A). Insbesondere gilt r (5)
p
=Dimension des Zeilenraumes A =Maximalzahl linear unabhangiger Zeilen von A
,
= Dimension des Spaltenraumes von A = Maximalzahl linear unabhangiger Spalten .
Damit erhalt die in § 1 gegebene Definition " Rang A
=Anzahl der • -Stellen in
M"
eine neue Fassung: Rang A
=Dimension des Zeilenraumes von
A
Ferner gibt es naeh Satz 4.2 invertierbare Matrizen P, Q mit M = P A, N = AQ.
289
§4. Elementannatrizen und elementare Umformungen
(~s ~)
4.3 Der Rang und die P-Q-Normalform.
E
IR mxn bezeichnet die
Matrix, die an den ersten s Diagonalstellen eine 1 und sonst nur Nullen hat. Satz 4.3. Fur jede m x n-Matrix A gilt
= Spaltenrang". Rang A = Dimension des Zeilenraumes von
a) "Zeilenrang
A
=Dimension des Spaltenraumes von A
.
b) Die Dimensionsformel. Rang A + Dim(Kern A) = n. c) Die P-Q-Normalform. Es gibt invertierbare Matrizen P
E
(~ ~)
,
PAQ =
d) Eine Basis von Kern A. Sind P E IR mxm , Q = (q!, mit P A Q = qr+!, ... , qn
... ,
IRmxm, Q
r
E
IR nxn , derart daj3
=Rang A
.
qn) E IR nxn invertierbare Matrizen
(~s ~), dann gilt
s = r und die letzten n - r Spalten
von Q bilden eine Basis von Kern A.
Beweis. c): Offenbar kann man die Matrix M = P A aus (4) mit elementaren Spaltenumformungen, was nach Satz 4.2 der Multiplikation von rechts mit einer invertierbaren Matrix Q entspricht, umwandeln in
PAQ=(~ ~), d): x
E
Kern A
{:=}
Ax
=0
{:=}
= Rang
PAQ(Q-1x)
O)(~l) ;n
( Es o 0
r
=
omIt .
A .
=0 -1
y:= Q x
Yl = ... = Ys = 0 und Ys+l,···, Yn {:=}
E
IR beliebig
x = Q(Ys+l es+l + ... + Ynen) = Ys+l qs+l + ... + Ynqn
(9), §2). Also erzeugen die linear unabhangigen Vektoren qs+!, ... , qn den Unterraum Kern A und bilden deshalb eine Basis von Kern A (~ Satz 3.2). Insbesondere ist Dim (Kern A) = n - s, d.h. s ist eindeutig bestimmt durch s = n - Dim (Kern A). In Verbindung mit c) ergibt dies r = n - Dim (Kern A) (das ist Teil b) und s = r . a): Mit N = AQ aus (4) wird durch elementare Zeilenumformungen (~
PAQ=(~ ~),
p = Dim (Spaltenraum)
290
6. Lineare Algebra
mit einer invertierbaren Matrix P. N ach dem soeben bewiesenen Teil c) gilt p = Rang A . Damit ist alles bewiesen. D Folgerungen. Fur A
gilt
E lR,mxn
=
(6)
Rang AT Rang A , Rang(PAQ) = Rang A
(7)
fur aIle invertierbaren P E lR,mxm, Q E lR,nxn.
Beweis. Da die Zeilen von AT aus den (transponierten) Spalten von A bestehen, gilt
Rang AT
= Maximalzahl linear unabhangiger Spalten von
=Rang A
A
.
= Rang PAQ, dann hat eine P!(PAQ)Q! = (~s ~). Sie ist
Sei s
"P-Q-Normalform" von PAQ die Gestalt
wegen (P!P)A(QQd = PI(PAQ)QI aber
auch eine "P-Q-Normalform" von A, also gilt s
= r = Rang A.
D
Formel (7) bildet die Grundlage schneller Rangberechnungen; sie besagt (mit Satz 4.2): Der Rang einer Matrix andert sich nicht sowohl bei elementaren Zeilen- als auch bei elementaren Spaltenumformungen. Beispiel. Die Matrix
1 -1 A= ( 2
4 1
2
1 2
-l-D
hat, wie man schnell mit elementaren Zeilen- und Spaltenumformungen feststellt, den Rang 4. Demnach bilden die Zeilen eine Basis des lR,4 und die Spalten eine Basis des lR,4. A ist invertierbar. D
4.4 Rechenverfahren. Aus den Matrizen A
= (aij) E lR,mxn,
mit gleicher Zeilenzahl bilden wir eine m x (n + k)-Matrix
B
= (f3ij) E lR,mxk
all
(8)
(A, B):=
(
: am!
Umgekehrt kann man eine Matrix durch eine (gedachte) Trennung zwischen zwei Spalten auf diese Weise in zwei "Blocke" zerlegen. Ganz analog ist fur Matrizen A E lR,mxn, C E lR,kxn gleicher Spaltenzahl die Matrix
(~)
definiert. Wiederholung solcher Zusammensetzungen bzw. Trennung
291
§4. Elementarmatrizen und elementare Umformungen
zwischen Spalten und/oder Zeilen fuhrt auf die sogenannten Blockmatrizen (
Atl
.. , Atk) ,
All
Alk
wobei die nebeneinander stehenden Matrizen Ail, ... , Aik gleich viele Zeilen und die untereinander angeordneten Matrizen A lj , ... , Alj gleich viele Spalten haben (1 :S i :S I, 1:s j :S k) . Besitzen A, B die Spaltendarstellungen A = (ai, ... , an), B = (b l , ... , b k ) , so ist (A, B) = (al, ... , an, bl, ... , b k ) (entsprechend fur Zeilen) und nach der Multiplikationsformel (6), §2, gilt fUr aIle P E lRmxm, Q E lR nxn P(A, B) = (PA, PB) ,
(9)
A) Rechenverfahren, die nur Zeilenumformungen erfordern:
An zwei Matrizen gleicher Zeilenzahl A E lRmxn, B E lRmxk werden wie im nebenstehenden Schema gleichzeitig dieselben elementaren ZeilenumJormungen ausgefUhrt, bis man zu (M, N) gelangt. Dann gibt es nach Satz 4.2 eine invertierbare m x m-Matrix P mit (M, N) = P(A, B) = (P A, P B) , d.h. (10)
M=PA,
A
B
elementare Zeilenumformungen
{. MIN
N=PB.
Mit einer speziellen Wahl der Anfangs- undloder Enddaten kann eine explizite Darstellung von P erreicht werden.
o Berechnung von Mit B
=E E
P mit M mxm lR zeigt (10)
M=PA,
=PA
(~ Satz
A
N=P.
D.h., dieselben elementaren ZeilenumJormungen, die A in M umwandeln, Juhren gleichzeitig von E zur invertierbaren m x m-Matrix P mit M
= PA
, bzw.
A
= p- 1 M
4.2)
.
P ist ein Produkt von Elementarmatrizen.
E
elementare Zeilenumformungen
{.
M
I
P
292
6. Lineare Algebra
Beispiel.
A
E
1 -4 2 0 2 -3 -1 -5 3 -7 1 -5
1 0 0
0 1 0
0 0 1
1 -4 2 0 0 5 -5 -5 0 5 -5 -5
1 -2 -3
0 1 0
0 0 1
1
0
0 0 1
1 -4 2 0 0 1 -1 -1 0 0 0 0
2
-s
I
s
-1 -1
'-,.-'
=M
Also gilt (PA
Protokoll
=P
= M): o
® Berechnung der Inversen (Zeilenverfahren, GauB-lordan-Verfahren) Jede invertierbare Matrix A E IR nxn liij3t sich allein durch elementare Zeilenumformungen in die n x n-Einheitsmatrix E umwandeln. Denn mit A ist auch die mittels Vorwartselimination aus A entstandene Zeilenstufenmatrix MI =
(••0 ...•*)
invertierbar (Rang A = Rang MI = n), aIle Diagonalelemente sind =I 0 (---+ Satz 3.1). Die RiickwartselimiA nation (von unten nach oben) und E Normierung der Diagonalstellen zu 1 GauB-Elimination fiihrt von MI zu E. (Vorwarts- und Nach @ - mit M = E - ergibt sich Riickwartselimination E = P A , also P = A -I .
Da mit P auch A = p- I ein Produkt von Elementarmatrizen ist, haben wir auBerdem das niitzliche Beweismittel:
im I.Block)
E
t I
A
Satz 4.4. Jede invertierbare n x n-Matrix ist darstellbar als Produkt von n x nElementarmatrizen.
293
§4. Elementannatrizen und elementare Umfonnungen
Beispiel. A
1
2
2
1
3 0
1
0
2
1
0 0
0 0
0
1
1
0 1 0
0 0
0 0
0 1
0
0 0 1
-1
0 1 0
0 0 1
1
0
-2 I
1
0 0 1
-2
1 2 3 0 -3 -6 0 0 3 2
1
0 0 1
1 2 3 0 -3 -6 0 -2 -1
1
Protokoll
E
2
3 -3 2
3 4
Z2 - 2Z1 Z3 - ZI
Z3 -
2
-1
ZI - Z3
I
2
-~(Z2 + 2z3)
3
9 9 -3 I 2 I 9 -9 3 2
-9
I
3 Z3
I
4
9
ZI - 2Z2
3 2 4 I -3 9 9 I 2 I 9 -9 3
1
~Z2
Damit gilt:
9
9-3
~
t)
I
2
I
3)-1 -_(-~
1 2 (2 1 o 1 0 2
9
-9
o
3
© Matrixgleichungen (Gau6-Verfahren) Das in 0 beschriebene Verfahren liefert bei allgemeiner rechter Seite B E lRnxk die eindeutig bestimmte Lasung X = A -I B der Matrixgleichung AX = B (X, B E lRnxk, A E lRnxn invertierbar). Denn mit M = E zeigt (10) N = A-lB.
A
B
(Vorwarts- und Riickwartselimination im A-Block)
~
@ Die LR-Zerlegung Bringt man eine invertierbare n x n-Matrix A nach 0 nur mit Vorwartselimination (Zeilenumformungen vom Typ 0) auf eine obere Dreiecksmatrix M, und kommt man dabei ohne Zeilenvertauschungen aus, dann beobachtet man auf der rechten Seite (des Rechenschemas) nur Veranderungen unterhalb der Diagonalen; d.h. P ist eine untere Dreiecksmatrix mit lauter Einsen auf der Diagonalen. Es ist eine einfache Ubung nachzuweisen (etwa anhand 0), daB auch p- I dieselbe Gestalt hat. Die Formel A = p-I M (~0) besagt in dies em Fall:
294
6. Lineare Algebra
A besitzt eine Produktzerlegung A = LR in eine untere Dreiecksmatrix L = p- 1 (mit lauter Einsen aUf der Diagonalen) und eine obere Dreiecksmatrix R = M (mit Diagonalelementen =I 0 ).
Diese sogenannte LR- oder Dreieckszerlegung ist sehr vorteilhaft fur die Auflasung der Matrixgleichung AX = B, insbesondere dann, wenn diese fur verschiedene rechte Seiten zu lasen ist: Man berechnet zuerst die Matrix Y (vom gleichen Typ wie X) mit LY = B und damit X aus RX = Y. Diese Rechnungen gestalten sich aufgrund der Dreiecksform von Lund R recht einfach. (-+ Programm GAUSS) In der Praxis wird die LR-Zerlegung sehr oft direkt aus dem Ansatz A = LR bestimmt. (-+ Aufgabe 5) Beispiel. An dem zu Vorwartselimination A
123) ( 2 10
= ( -21
®
0 1 ~ -~
102
angegebenen Beispiel kann man bereits nach der ablesen:
= p- l M
0)-1(1 o 0-32-63) = (100)(1 210 0-32-63) 1 003 1~1 003
D
B) Rechenverfahren, die nur Spaltenumformungen erfordern,
verlaufen nach folgendem Schema an A A.
I
Cl
E lR mxn
und C
elementare Spaltenumformungen an A und gleichzeitig an C
-+
E lR kxn :
~.
Nach Satz 4.2 gibt es eine invertierbare n x n-Matrix Q gleicher Spaltenzahl mit
(Z)=(~)Q=(~~)
(-+(9)),also
M=AQ, N=CQ.
SO berechnet man etwa die "Transformationsmatrix" Q nach diesem Schema mit C = E (der n x n-Einheitsmatrix).
® Eine Basis fiir
Kern A (Spaltenverfahren)
Sei A E lRmxn. Wir bestimmen fur den Lasungsraum Kern A des homogenen linearen Gleichungssystems Ax =0 wie folgt eine Basis:
~ E
Vorwartselimination fUr Spalten (von links nach rechts) im A-Block; diese Spalten-+ umformungen gleichzeitig an E ausfiihren
~
Q
mit N = (VI, ... , v r , 0, ... ,0) in Spaltenstufenform (-+ (4), mit Vi =I 0, r = Rang A) und Q = (ql, ... , qr, qr+l, ... , qn) (Spaltendarstellung). Nach Satz 4.3 gilt: (11)
(qr+ l, qr+2, ... , qn)
ist eine Basis von Kern A .
Die allgemeine Lasung von Ax = 0 lautet x =
)'-l qr+l
+ ... + An-rqn
(Ai E
lR) .
§4. Elementannatrizen nnd elementare Umfonnungen
295
Beispiel. Fiir die Matrix
A=U
6
2
9
-3 10 )
6
5 34 58 -9 -10 -3
49~a
ist in Abhangigkeit von a eine Basis von Kern A zu bestimmen: -3 3 0 0 0 3 0 0 0 3 0 0 0 3 6 9 0 2 6 10 10 0 2 0 0 0 2 6 0 2 0 0 15 34 58 3 15 4 13 18 15 4 1 -2 15 4 1 0 -9-10-349+a -+ -9 8 2440+a -+ -9 8 0 a -+ -9 8 0 a -2 3 17 1 -2 -3 1 -2 3 11 1 0 0 0 1 -3 -11 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1 -3 -5 0 0 0 1 2 1 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Fall 1: a i 0 => Rang A =4; Kern A = {O} . Fall 2: a = 0 => Rang A = 3; Dim Kern A = 1 .
o
Eine Mischung aus dem GauB-Verfahren (---+ § 1) und dem vorstehenden Spaltenverfahren zur Losung von Ax = 0 ergibt eine iibersichtlich strukturierte Losung der inhomogenen linearen Gleichung Ax = b (A E lRmxn, b E lRm, b i 0) : Man beginnt mit dem GauB-Verfahren; d.h., (Alb) wird mit elementaren Zeilenumformungen umgewandelt zu (Mid) mit M in Zeilenstufenform. Mx = d besitzt genau dieselben Losungen wie Ax = b. 1m Fall der Losbarkeit (Rang M = Rang (Mid)) berechnet man zuerst die spezieUe (partikulare) Losung vo, in der die freien Variablen den Wert Null haben. Dann bestimmt man mit dem Spaltenverfahren eine Basis (UI, ... , u n - r ) von Kern M (= Kern A ), was wegen der Dreiecksform von M recht einfach ist. Damit wird die allgemeine Losung von Ax = b dargestellt in der Form (---+ Satz 1.2) x=VO+)qUI+"'+An-rU n - r
(AiElR,
r=RangA).
1m nachfolgenden Programm GAUSS ist das Prinzip der LR-Zerlegung realisiert, wobei aber zusatzlich Zeilenvertauschungen vorgenommen (und gespeichert) werden, so daB in jedem GauB-Eliminationsschritt das betragsgroBte Element einer Restspalte zum .-Element (Pivot-Element) wird. Urn bestmogliche numerische Ergebnisse zu erzielen, wird das Gleichungssystem zunachst aquilibriert, indem jede Gleichung durch die Lange des entsprechenden Zeilenvektors von A dividiert wird. Mit der fertigen "LR-Zerlegung" kann die Riickwartssubstitution mit verschiedenen rechten Seiten wiederholt werden.
296 , Programm GAUSS , -------------Print "DIMENSION N="; Input N M=N-1 Dim A(M,M),B(M),C(M) Print "A ZEILENWEISE:" For 1=1 To N For J=l To N Print "A"+Str$(I)+Str$(J); Input A(I-1,J-1) Next J Next I , ---- Zeilen skalieren ----For 1=0 To M y=o For s=o To M Y=A(I,S)*A(I,S)+Y Next S If Y=O Then Print " A singulaer" End Else C(I)=l/Sqr(Y) Endif Next I , ------ LR-Zerlegung D=l For K=O To M L=K X=O V=K For I=K To M Y=-A(I,K) U=I Gosub Scalar2 A(I,K)=-Y Y=Abs(HC(I)) If Y>X Then X=Y L=I Endif Next I If LK Then
6. Lineare Algebra
, ---- Zeilenvertauschung D=-D For J=O To M Y=A(K,J) A(K,J)=A(L,J) A(L,J)=Y Next J C(L)=C(K) Endif
,
--------------------------
C(K)=L D=D*A(K,K) Exit If X 0, wenn (aI, a2, a3) ein Rechtssystem ist. V det A 0 genau dann, wenn der Spat entartet ist, d.h. wenn aI, a2, a3 linear abhangig sind. In anderen Worten: Rang A < 3 ~ det A = 0, bzw. Rang A = 3 ~ A invertierbar ~ det A =I 0 . Die auf der rechten Seite von (2) eingeklammerten Faktoren erkennt man als Determinanten gewisser 2 x 2-Matrizen. D.h.,
301
§5. Determinanten
(3)
Anschaulich:
Abb. 144 - 3 x 3-Determinante
Fur 3 x 3-Matrizen gibt es die nach dem franzosischen Mathematiker P. F. SARRUS (1798-1861) benannte Regel:
+
+
+
all
al2
al3
a21
X an
~
X a32
/ a3l
X a23 X a33
all
/ a2l a3l
al2 a22
~
a32
Man schreibt die ersten beiden Spalten noch einmal rechts neb en A, addiert die langs der '\. -Diagonalen zu bildenden Produkte und subtrahiert die langs ? berechneten Produkte. Man erhalt
Beispiel.
A=H
-2 3 1 -2 6 5
0
)
-2 3
~
/
-2 1 6
X
X
3 -2 5
X
X
0 -2 3
/ ~
-2 1 6
det A = 0 + 12 - 36 - 9 - 0 - 20 = -53. Die Matrix ist invertierbar, die Spalten bilden eine Basis des IR?, aber kein Rechtssystem. Der von den Spalten (in kartesischen Koordinaten) aufgespannte Spat hat das Volumen V = I det A I = 53 . o Bemerkung. Die Regel von SARRUS laBt sich nicht auf die in 5.2 definierten n-reihigen Determinanten mit n > 3 ubertragen.
5.2 Definition der Determinante einer n x n -Matrix. Als Verallgemeinerung der beiden Sonderfcille n folgende
= 2,
n
=3
ergibt sich fur beliebiges n
E
IN die
302
6. Lineare Algebra
Rekursive Definition der Determinante det A, A
=(aij) E lR,nxn •
Fur n = 1, d.h. A = (all), ist detA := all. Fur n :::: 2 ist (Entwicklung von det A nach der ersten Spalte) det A := all det All - a21 det A21 + a3l det A31
(4)
- + ... + (_l)n+l anl det AnI, wobei Ail die (n -1) x (n -I)-Matrix bezeichnet, die aus A durch Entfemen (Streichen) der ersten Spalte und der i-ten Zeile entsteht (1 S i sn).
Fur det A ist ebenfalls die Bezeichnung IA I ublich. Die folgende Abbildung veranschaulicht (4):
Abb. 145 - Entwicklung nach der 1. Spalte
Beispiel. A --
(~0 2
A21
2 0 -2 1 6 3 4 3
1)
_~
, All
1
(-2 1 0) 6 3 -2 4 3 1
= ( 26 03 -21) , A3l = ( -22 01 01) , A41 = ( -22 431
detA =
=
431
1· detAIl - 3· detA21 +0· detA31 - 2· detA41 3·24 - 2· (-16) = -72 .
= -32 -
6 D
Bemerkung. Wendet man (4) rekursiv in (4) auf det Ail (1 SiS n) an, so ergibt sich zum SchluB die sogenannte vollstandige Entwicklung der Determinante detA
=
'~ "
(_I)E(i)a·II laol2 2' .. a'inn,
wobei sich die Summe uber aIle Permutationen i = (i 1, ... , in) der Zahlen 1,2, ... , n erstreckt, und E(i) gleich der Anzahl der Vertauschungen ist, die erforderlich sind, urn (il, ... , in) in die natiirliche Reihenfolge zu bringen. Die vollstiindige Entwicklung besteht aus n! Summanden. Da mit wachsendem n die Fakultiit n! rapide ansteigt (7! = 5040), sucht man nach Eigenschaften, die eine schnellere Berechnung von det A, etwa durch Ruckfuhrung auf den folgenden Spezialfall, erlauben.
303
§5. Detenninanten
Satz 5.1. Fiir eine obere Dreiecksmatrix gilt all
det
* :.. * ) *: =alla22 ... ann
O. a22 ..
(
o
0 ann
Speziell: det E = 1, det(aE) = an (E
E
]Rnxn).
= ... = anI = 0 reduziert sich (4) auf det A = all det (a2~ .. ';nn) = alla22 det (a3~ .. ';nn) = ... = alla22 ... ann.
Beweis. Wegen a2]
Beispiele.
det
(
3 4 1 0 0
o o
0
2)
4o 5
_~ ~
= -6
7o 03 42 42 11) ( det 0 0 5 -1 2 = 0 .
;
o o
0 0 0 0
D
D
4 3 0 6
5.3 Rechenregeln fur Determinanten. Der folgende Satz enthiilt die grundlegenden Eigenschaften der Determinante. Satz 5.2. a) det ist linear in jeder Zeile. Damit ist gemeint: 1. Ein gemeinsamer Faktor einer Zeile von A kann aus det A herausgezogen werden. 2. Besteht eine Zeile von A aus einer Summe, Zi = a + b, dann besitzt det A die entsprechende Summenzerlegung. In Formeln: Zl
det
aZi
Zl
=a det
Zi
Zl
,
det
a +b
= det
a
Zl
+ det
b
b) det ist alternierend. Das bedeutet: Entsteht A aus A E ]Rnxn durch Vertauschung zweier Zeilen, dann gilt det A = - det A; insbesondere det A = 0, falls A zwei gleiche Zeilen enthiilt. Beweis. a) beweist man leicht mit vollstiindiger Induktion (n = 1, 2, ... ) und der Rekursionsformel (4). b): Wegen der alternierenden Vorzeichen erkennt man an (4) (ebenfalls mit vollstiindiger Induktion), daB sich bei Vertauschung zweier benachbarter Zeilen das Vorzeichen iindert. Da man die Vertauschung zweier beliebiger Zeilen von A stets durch eine ungerade Anzahl von Vertauschungen benachbarter Zeilen erzielen kann, ist nun alles bewiesen. Sind zwei Zeilen von A gleich, so gilt mit einer Vertauschung dieser beiden Zeilen det A = - det A; das ist nur mit det A = 0 moglich. D
304
6. Lineare Algebra
Satz 5.3. Die Reehenregeln fur Determinanten. Fur aile A, B E lR nxn gilt: a) Die Anderung bei elementaren Zeilen- bzw. Spaltenumformungen. Entsteht A aus A durch eine elementare Zeilen- oder SpaltenumJormung vom Typ dann andert sich die Determinante wie Jolgt:
CD,
Typ Typ Typ
(5)
(j): det A = - det A det A = a det A det A =det A .
CD: CD:
,
(Faktor a =I 0) ,
b) Symmetrie in Zeilen und Spalten.
I
det AT
= det A
;
insbesondere gilt Satz 5.2 entsprechend Jur Spalten. e) Multiplikationssatz.
(6)
det(AB)
=(det A)(det B)
.
°. =I °;
d) Invertierbarkeits-Test. A invertierbar ~ det A aquivalent dazu: Rang A < n ~ det A =
Beweis. a): Fur die Zeilenumformungen yom Typ (j) und CD stehen die Formeln in Satz 5.2. Fur Typ CD (Zi --+ Zi + aZj ) verwendet man die Linearitat in der
i-ten Zeile und det (
%) ~ O. Die Giilligkeil diese. Formeln bei Spaltenu mfo.-
mung en ergibt sich ruckwirkend, sobald b) bewiesen ist. d): Mit elementaren Zeilenumformungen laBt sich A in eine obere Dreiecksmatrix M umwandeln. Nach (5) gilt det M = Y det A mit y =I 0. Damit: A invertierbar ~ samtliche Diagonalelemente in M sind =j: 0(--+4.40) ~ detM=l0(--+Satz5.1) ~ detA=l0. c): (5) (fur Zeilenumformungen) zeigt fur A = E wegen det E = I, daB es sich bei den Koeffizienten jeweils urn die Determinante der zugehorigen Elementarmatrix E handelt (A = EA, --+ Satz 4.2); deshalb laBt sich (5) in der einheitlichen Form det(EA) = det E . det A
(7)
angeben. Also gilt (6) fur Elementarmatrizen, damit auch fur aIle endlichen Produkte von Elementarmatrizen und deshalb (--+ Satz 4.4) fur aBe invertierbaren A, B.
1st A oder B nicht invertierbar, so auch AB nicht und es gilt det AB = det A det B = b): 1st A nicht invertierbar, so gilt nach d) det A = = det AT. Wegen Satz 4.4 und (6) braucht nur noch det E = det ET fur jede Elementarmatrix nachgewiesen zu werden. Das geschieht direkt: Fur E yom Typ (j) oder CD gilt ET = E ,
°.
°
305
§5. Detenninanten
fur j;; vom Typ 0 ist auch j;;T eine Elementarmatrix vom Typ 0, hierfur gilt det j;; = 1 = det j;;T (---+ (5)). D
Folgerungen aus dem Multiplikationssatz.
a)
(8)
b)
det(AB) det(A k)
c)
det(A -I)
d)
e)
=det(BA) =(det A)k (k E IN) =(det A)-I, falls A invertierbar =det A, fur aIle invertierbaren C E lRnxn .
det(C- 1 AC) Der Kiistchensatz. Fur eine Blockmatrix (---+ 4.4) der Form A
=
(g g)
bzw. A
= (~ ~)
mit k x k-Matrix B, (n - k) x (n - k)-Matrix D, o Nullmatrix und C jeweils vom passenden Typ gilt det A = det B det D .
= det A det B = det B det A det(A k) = (det A)(det A k - I ) = ... = (detA)k. 1 = det E = det A -I A = (det A -I )(det A). det( c- I AC) = det(AC)C- 1 = det A . Man rechnet leicht
Beweis. a): det(AB)
b): c): d): e):
= det(BA) .
nach, mit jeweils E vom passenden Typ. Der zweite Faktor kann mit elementaren Zeilenumformungen vom Typ 0 (welche die Determinante nicht andern)
. (B0 E0)
III
umgewandelt werden. Aus det
(B0 E0) = det B, det (E0 D0) =
det D (einfache Ubung) und dem Multiplikationssatz folgt nun die Behauptung. D
5.4 Die Entwicklung von det A nach einer beliebigen Zeile oder SpaIte. Die Matrix A = (aj,al, ... ,aj_l,aj+I, ... ,an ) entsteht aus A =
(al, ... , aj, ... , an) durch j - 1 sukzessive Vertauschungen benachbarter Spalten. Also gilt det A = (-l)j-1 det A. Entwickelt man andererseits erneut det A mit (4), dann ergibt sich die sogenannte Entwicklung von det A nach der j-ten Spalte: n
detA = 2)-I)i+jaij detAij i=1
306
6. Lineare Algebra
wobei Aij die (n - 1) x (n - 1)-Matrix bezeichnet, die aus A durch Streichen der i-ten Zeile und j -ten Spalte entsteht. Wegen det AT = det A hat man ebenso die Entwicklung von det A nach der i-ten Zeile: n
= 2) _l)i+ j aij det Aij
det A
.
j=l
5.5 Beispiele. Zur Berechnung von det A (fur n
> 3) ist es zweckmaBig, zuerst mit elementaren Umformungen moglichst viele Nullen zu erzeugen. Dabei sind die Regeln (5) zu beachten.
Beispiel 1. (---+ (8e))
det
(
1 3 -5 4 2 2
0 0
Beispiele 2.
det
(~~ 1 2
det
-1 2 0
= det (!
(~ ~ ~) =0 +a31
= 1 . det
detA31
= det
1
(~ ~ ~
0 4 3
o
=Zl + Z2);
(Z3
334
j)
~~1
det (
0
!) =
-1
-3
3 0 4 5 0 o -6
o 0
o
1 4)
o
1 2
C!) =5;
j)
= det
5
(~ ~ ~) = -
4 3
45 ,
5
die Matrix ist invertierbar; sowohl Zeilen als auch Spalten sind linear unabhangig. 0 Beispiel 3. (Die Vandermonde-Determinante)
det
(i ~ ~~) = (b 1
det
Z
Z2
(i
0
=(y -
x )(z - x) det
=(y -
x )(z - x )(z - y) .
Analog
y
~ x l ~ xx2) =det (~ =;
Z - X
Z2 -
~:;) = (y -
2
x )(z - x) det
(
i ~)
307
§5. Detenninanten
wobei auf der rechten Seite das Produkt iiber alle Differenzen x j - Xi mit i < j zu bilden ist. Diese Determinante ist genau dann =I 0, wenn die XI, ... , Xn paarweise verschieden sind. Diese nach A. VANDERMONDE (1735-1796) benannte Determinante bzw. Matrix tritt beispielsweise bei der Polynominterpolation auf, wenn man die Koeffizienten des Polynoms p(x) = ao + alx + ... + an_IX n- 1 mit p(x;) = Yi (1:s i :s n) aus dem Gleichungssystem ao+xial+x;a2+" .+x~-Ian-I =Yi (1:s i :s n) berechnet.
o
Beispiel 4. Mit Rechenschema@ zur LR-Zerlegung (---+ 4.4) berechnet man
°
= ( 2123) 1 0 = (1 1 0)(1 102 * 1 det A = det L det R = det R = -9 . A
also gilt
-3
*) 3
o
5.6 Anwendungen
CD Die Cramer-Regel (G.
CRAMER, 1704-1752). Mit einer invertierbaren Matrix A = (aI, ... , an) E lRnxn und bE lRn hat das Gleichungssystem Ax =b die Losung
(9)
(die i-te Spalte von A wird durch b ersetzt), 1 :s i
:s n.
L
Beweis. Wir tragen b = Ax = Xiai anstelle von al ein und verwenden die Linearitat von det in der ersten Spalte:
det(b, a2, ... , an)
=det(xlal + ... + xna n , a2, ... , an) n
=LXi det(ai, a2,···, an) i=1
=XI det(al, ... , an) =Xl det A
,
die anderen Summanden sind Null, weil jeweils zwei gleiche Spalten vorhanden sind; X2, ... , Xn ebenso. 0 Man sollte (9) nicht zur vollstandigen Auflosung eines Systems mit vielen Unbekannten verwenden (Rechenaufwand)! Die Formel ist aber gut geeignet zur Berechnung einzelner Unbekannter und besonders giinstig zur Weiterverarbeitung, wenn im Gleichungssystem zusatzliche Parameter enthalten sind.
308
6. Lineare Algebra
Beispiele 1. 2x + 3y=
3
5x -7y=-1
==:}
x=
det
(_~
det
-;) = 18
G_;)
y=
29 '
det
(~
det
(~
-D = 29 .
-;)
17
2. Man benotigt nur X2 aus folgendem 4 x 4-G1eichungssystem:
5xI -3xI 5xI
+ 3X2 + 2X3 + 5X2 + 6X3 - 5X4 3X2 + X3- X4 + 3X2 + 4X3 + x4
=4 =1 =0 =0
==:}
X2 =
4 ( -35 1 det ~ 0 0
(5
2 6
-~)
1 -1 4 1
95 = -156 .
3 2 -3 5 6 ~ 3 -1 1 3 4
det
-~)
D
CD Die Adjunkte von
A. Sei zunachst A E IRnxn invertierbar und A -I = (f3ij)
=
(bl, ... , b n ), dann erfiiIlt b j wegen = (Abl, ... , Abn ) = E = (el, ... , en) das G1eichungssystem Ab j = ej. Bestimmt man die i-te Komponente f3ij von b j mit der Cramer-Regel (9) und entwickelt den Zahler nach der i-ten Spalte (--')0 5.4), dann ergibt sich AA- I
1
1
. .
f3ij = det A det(al, ... , ai-I, ej, ai+l, ... , an) = det A (-l)'+J det Aji
Man beachte die Anderung der Indexreihenfolge (Aij ist die Matrix, die aus A durch Streichen der i-ten Zeile und J-ten Spalte entsteht). Man nennt A * := (a7) mit a'0 = (_1)i+ j det A ji die AdJunkte von A. Sie stellt bis auf einen Faktor die inverse Matrix von A dar: (10)
A -I
1 A* 1 (( l)i+ j d A ) - det A - det A et ji ij
Beachte. A * ist auch im FaIle det A = 0 definiert. In numerischen Rechnungen mit groBem n sind in jedem FaIle die Verfahren aus 4.4 vorzuziehen.
CD FHicheninhalte und Volumina punkten Ai = (Xi, Yi, Zi) ~
~
(--')0 5.1). Ein Tetraeder im IR3 mit den Eck-
(1:s i :s 4)
hat das Volumen V =
~
il
det(a, b, c)1 mit
a = A I A 2 , b = A,A3, C = A,A 4 . Eine leichte Umformung der Determinante ergibt eine ,,4-Punkte-Forme1" 1 XI YI ( V =1. det 1 X2 Y2
6
Zl) Z2
1 X3 Y3 Z3 1 X4
Y4
Z4
309
§S. Detenninanten
8) Kegelschnitte. Ein Kegelsehnitt in der (x, y)-Ebene hat eine Gleiehung der Form
=0 ,
alx 2 + a2Y 2 + a3 x y + a4X + asy + a6
in der nieht aIle Koeffizienten ai Null sind. Da ein Koeffizient zu normiert werden kann, sind im allgemeinen zur Bestimmung der Koeffizienten 5 verse hiedene Punkte auf der Kurve erforderlieh. Die Punkte Ai = (Xi, Yi) (1::s i ::s 5) und der "allgemeine" Punkt X = (x, y) auf dem Kegelsehnitt liefem ein lineares Gleiehungssystem
alxs2 + a2Ys2 + a3 xsys + a4XS + aSY5 + a6 = 0
fUr a], ... , a6. Da dieses eine von Null versehiedene Lasung besitzt, muG die Determinante der Koeffizientenmatrix Null sein. Das ergibt die sogenannte 5-Punkte-Gleichung fiir den allgemeinen Kegelschnitt X2 l xy x? Y? XlYl ( det .. .. ..
x Xl
Yl
Xs2 Ys2 XsYs
Xs
Ys
.
.
.
1)
Y
1
... ... ... = 0
.
1
Bemerkung. Spezielle Kegelsehnitte sind dureh weniger als 5 Punkte festgelegt. So hat beispielsweise ein Kreis die Gleiehung a(x2 + l) + bx + cy + d = 0 , er ist dureh 3 versehiedene Punkte festgelegt. Genau wie zuvor ergibt sieh:
det (
X2 + l
x Y Xl Yl x2 + Y2 X2 Y2 x32 + Y32 X3 Y3
x~ + Y~
1) 1
1
=0
1
ist die Gleiehung des Kreises dureh die Punkte (Xi, Yi) ,
i = 1,2, 3 .
Beispiel. Der Kreis dureh die Punkte (0,0), (1,3), (2, -1) hat die Gleiehung
det
(
X2 ~ l 10 5
also: 7(x2 + l)
-
~ ~ ~) 1
3 1
2 -1 1
25x - 15y
= O.
= - det
(X2 + l 5
10
Y) = 0 ,
x 2 -1 1 3
o
Weitere, besonders wiehtige Anwendungen werden in den folgenden Paragraphen behandelt.
310
6. Lineare Algebra
Aufgaben 1. Man berechne die Determinanten der Matrizen 1/2 1/3 ( 1/3 1/4 1/4) 1/5 ,
-rSina) , r sma r cosa
( rc~sa
1/4 1/5 1/6
a) mitte1s Entwicklung nach der ersten Zeile; b) mitte1s e1ementarer Umformungen bis zur oberen Dreiecksgestalt. 2. Man berechne die Determinante der Matrizen 1/2 ( 1/3 1/4 1/5
1/4 1/5 1/5) 1/6 ' 1/6 1/7
1/3 1/4 1/5 1/6
1/7 1/8
3. Man lose mit der Cramer-Regel Ax = b mit
(D D
-1 0 2 0 A = ( ; -4 -4 3 -2 2 4. Man beweise 1 2 3 4 234 ( a) det n~ 4 1 2
b) det ( :
n-2 n-1 n-1 n n
b=
1) .
,,(n-l)
= (-1) ---r-
(n + 1)nn-1
-'--~-
2
n- 1
~
1 2n -
1
5. Man gebe fiir die Gleichungen einer Ebene durch 3 Punkte im lR? eine Darstellung mittels 4 x 4-Determinate. 6. Man beweise fiir zwei Spaltenvektoren a, b
E
JRn
det(E + ab T) = 1 + aTb . 7. a) Fiir die Flache eines ebenen Dreiecks mit den Seiten a, b, c gilt bekanntlich die HERON-Formel: F = vls(s - a)(s - b)(s - c) mit s =
Man rechne nach, daB hierfiir die folgende Formel gilt:
~(a + b + c)
.
311
§6. Lineare Abbildungen und Eigenwerte
F2
=-
/6 det
(;~ ~ ~ ~)
.
1 1 1 0 b) Fur das Volumen V des Tetraeders mit den Kantenliingen a, b, e, p, q, r (Reihenfolge aus der Skizze) gilt:
Welchen Inhalt hat der Tetraeder mit den KantenHingen a = 1 em; b = 2 em; e = 3 em; p = 4 em; q = 3 em und r
= 2 em ?
8. Seien Yi: lR ---+ lR (i = 1,2,3) dreimal differenzierbar und Losungen der linearen Differentialgleichung Y;" (x) + al (x )y;' (x) + a2(x )y; (x) + a3(x )Yi (x) = 0 die sog. WRONSKI-Determinante.
§ 6. Lineare Abbildungen und Eigenwerte Nach den linearen Gleichungssystemen behandeln wir nun als zweiten wichtigen Anwendungsbereich der Matrizen die linearen Abbildungen. 1m JRn sind das die Zuordnungen x I--'? Ax (x E JRn und fester n x n-Matrix A). 1m Hinblick auf allgemeine Anwendungen ist es aber erforderlich, die grundlegenden Begriffe und Bezeichnungen in beliebigen Vektorraumen und unabhangig von speziellen Basen zu formulieren.
6.1 Lineare Abbildungen. Seien V, W Vektorraume iiber JR. Mit einer Abbildung f : V ---+ W ("von V in W ") wird jedem Vektor v E Vein eindeutig bestimmter Vektor w = fey) E W, das sogenannte f-Bild von v zugeordnet. Definition. Eine Abbi/dung f : V ---+ W heij3t linear, wenn gilt: (L1) fist homogen; d.h. f(av) = af(v) fur alle a E JR, v E V, (L2) fist additiv; d.h. feu + v) = feu) + fey) fur alle u, v E V. Andere Bezeichnungen for eine lineare Abbildung sind: lineare Transformation, linearer Operator, Vektorraumhomomorphismus.
Gleichwertig mit (L 1), (L2) ist (1)
312
6. Lineare Algebra
fur alle (Xi E lR, Vi E V (1:s i :s n; n E IN ), was besagt, daB das f-Bild jeder Linearkombination gleich der entsprechenden Linearkombination der einzelnen f -Bilder ist. Beispiele. Lineare Abbildungen sind: 1. Die Nullabbildung 0: V -+ V, O(v):= O. 2. Die identische Abbildung Id : V -+ V, Id(v):= V • 3. Die Projektion Pi : lRn -+ lR, Pi(X):= Xi (i-te Komponente von x). 4. Die Multiplikation mit einer festen m x n-Matrix A I : lRn -+ lRm,
I(x):= Ax .
5. Der Differentiationsoperator :x : '(f1(I) -+ '(f0(I), :x f(x) := f'(X). '(f0(I) bzw. '(f1(I) bezeichnet den Vektorraum aller auf dem Intervall I ~ lR stetigen bzw. stetig differenzierbaren Funktionen. 6. Das Integral f
1--*
lb
f(x)dx, f E '(f°(a, b).
Keine linearen Abbildungen sind: 7. Die Parallelverschiebung ta : V -+ V, ta(v) := v + a (mit festem Vektor a to). 8. f: lR2 -+ lR2, f(x, y) := (x 2, X + y) (quadratisch in der 1. Komponente).
Lineare Abbildungen in der Technik: 9. Die Werkstoffbeanspruchung eines elastischen Korpers, auf den von auBen Krafte wirken, wird in der linearen Elastostatik durch den Spannungstensor S beschrieben. Dieser bestimmt fUr jeden inneren Punkt Peine lineare Abbildung, die den Normalenrichtungen Abb. 146 - Dreiachsiger Spannungsn von (idealisierten) Schnittebenen E zustand 3 durch P den Spannungsvektor t E lR zuordnet, d.h. in kartesischen Koordinaten: t = Sn mit S = (;; ;; ixz
Fur Inl = 1 ist t:= lim
D.A-+O
"?A kM , wenn
L\
i yZ
~::)
.
Uz
kM die Kraft bezeichnet, die auf
ein Flachenstuck in Emit Schwerpunkt P und Flacheninhalt ~A wirkt (-+ Aufg. 7, §7). to.Fur einen Unearen elektrischen Vierpol (-+ Abb. 147) gilt zwischen Ein- und Ausgang die Beziehung
313
§6. Lineare Abbildungen und Eigenwerte
, 0-7 u, [ R,
o
I
R3
R2
~
2 I
u2
I
0
Abb. 147 - Vierpol
Man verifiziert leicht, daB zu linearen Abbildungen f, g : V --+ W und a E IR auch die Sum me f + g : V --+ W, (f + g)(v) := fey) + g(v), und das a-fache af : V --+ W, (af)(v):= af(v), linear sind. Mit dieser Addition und skalaren Multiplikation ist die Menge aller linearen Abbildungen von V in W Hom(V, W) := {f; f: V --+ W linear}
selbst wieder ein IR-Vektorraum (Raum der Homomorphismen). Auch sieht man leicht ein, daB die Hintereinanderausfuhrung ("Komposition") zweier linearer Abbildungen insgesamt ebenfalls linear ist; d.h., fur zwei lineare Abbildungen f : V --+ W, g : U --+ V ist auch fog: U --+ W,
(f
0
g)(u) := f(g(u)) ,
linear.
1st V em endlichdimensionaler IR-Vektorraum und B = (VI, V2, ... , v n ) eine Basis von V, dann laBt sich jeder Vektor V E V eindeutig in der Form V = al VI + ... + an Vn mit ai E IR darstellen. Man nennt (2)
VB := (
al )
:
E
IR n
(falls
an
V
=
L aivJ n
,=1
den Koordinatenvektor von V E V bezuglich B. Die lineare Abbildung v f-+ VB (von V in IRn) heiBt Koordinatenabbildung bzgl. B. Mit ihr ubertragt man Probleme aus V zur rechnerischen Behandlung in den IR n und umgekehrt mit der (inversen) Abbildung (al, ... , an)T --+ al VI + ... + an Vn nach V zuruck.
6.2 V
= =
W IRn. Von nun an betrachten wir nur noch lineare Abbildungen des IR n in sich. Diese lassen sich in einfacher Weise durch Matrizen beschreiben. Es wurde bereits erwahnt, daB mit einer festen n x n-Matrix A die Abbildung x f-+ Ax linear ist. Jede lineare Abbildung des IR n sieht so aus! Satz 6.1. Darstellung einer linearen Abbildung in der natiirlichen Basis
Gegeben sei eine lineare Abbildung f : IR n --+ IRn. Mit der Matrix F = (f(el), ... , f(e n )) , deren Spalten aus den Bildem der natiirlichen Basisvektoren bestehen, gilt f(x) = Fx . Man nennt F die Abbildungsmatrix von f
beziiglich der natiirlichen Basis.
Beweis. Fur x =x I e1 + ... + Xnen folgt mit (1) und der Multiplikationsformel (8) aus §2 bereits die Behauptung: f(x) =Xl f(e1) + ... + xnf(en ) = Fx. 0
314
6. Lineare Algebra
Man beachte: Wegen A = (Ael, Ae2, ... , Aen ) ist die Matrix A E IR nxn die Abbildungsmatrix der linearen Abbildung I : IRn ~ IRn , lex) = Ax, bzgl. der natiirlichen Basis. Die Darstellung in einer anderen Basis erfolgt in 6.4. Beispiel. Die Abbildung f: IR3 ~ IR3 , f((x, y, zl) = (x, y + 2z, sie besitzt beziiglich (el' e2, e3) die Abbildungsmatrix F
= (f(el), f(e2),
f(e3))
0) = (01 0 1 2 ,d.h. o
01
f beschreibt eine Scherung des IR3 , bei
f(x)
= (10
Z)T
ist linear,
0 0) 0 0 21 x. 1
der alle Vektoren mit z = 0 auf sich abgebildet werden. Allgemein bezeichnet man die lineare Abbildung I f : IR3
~ IR3 ,
f(x)
= x + (b . x)a
, I
als Scherung in Richtung a senkrecht zu b, wenn a, b zwei Vektoren des IR3 mit a· b = 0 bezeichnen. Die Abbildungsmatrix lautet E + a b T . 0
Abb. 148 - Scherung
Sind f, g : IR n ~ IRn lineare Abbildungen mit den Abbildungsmatrizen F = (f(el), ... , f(e n )) , G = (g(el), ... , g(en )) , dann gehort zur zusammengesetzten linearen Abbildung fog: IRn ~ IRn , (f 0 g)(x) = f(g(x)) (erst g, dann f anwenden), die Abildungsmatrix FG (das Matrizenprodukt). Denn nach Satz 6.1 gilt f(g(x)) = Fg(x) = F(Gx) = (FG)x. Ebenso verifiziert man sofort, daB zu f + g und af die Abbildungsmatrizen F + G und aF gehoren. Eine lineare Abbildung f: IRn ~ IRn heiBt invertierbar (oder umkehrbar), wenn es zu jedem Y E IRn genau ein x E IR n gibt mit f(x) = y (vgl. Kap. 1, §l). Man sieht sofort wegen f(x) = Fx, daB f genau dann invertierbar ist, wenn die Abbildungsmatrix F invertierbar ist. In diesem Fall hat die zu f inverse Abbildung f- I : IRn ~ IRn (f(x) wird unter f- I wieder auf x abgebildet) die Abbildungsmatrix F- I ; d.h. f-I(x) = F-Ix. Geometrische Eigenschaften der linearen Abbildung f : IRn ~ IRn spiegeln sich in algebraischen Eigenschaften der Abbildungsmatrix F, f(x) = Fx, wieder: Die Anderung des Volumens. Zu n Vektoren b l , ... , b n des IRn bezeichnet man die Menge aller Linearkombinationen Albl + .. ·+Anbn mit O.:s Ai.:s 1 (i = 1, ... ,n) als n-Spat (mit den Kanten bl, ... , b n ). Ein 2-Spat ist ein (evtl. ausgeartetes) Parallelogramm, ein 3-Spat mit linear unabhangigen Kanten steHt einen "gewohnlichen" Spat dar. In Ubereinstimmung mit den Verhaltnissen in IR2, IR3 (~ §5.1) nennt man V = I det(bl"'" bn)1 das Volumen des von bl, ... , b n aufgespannten n-Spats. Dnter einer linearen Abbildung f : IRn ~ IRn mit der Abbildungsmatrix F wird
315
§6. Lineare Abbildungen und Eigenwerte
der von b l , ... , b n E lRn aufgespannte n-Spat abgebildet auf den n-Spat mit den Kanten f(bl), ... , f(b n). Wegen f(b i ) = Fbi und den Formeln (8, §2), (6, §5) ergibt sich fur das Volumen VI des Bildspats VI = I det (f(bJ), ... , f(bn))1 = I det (Fbi, ... , Fbn)1
= I det F(b], ... , bn)1 = I det F det (b], ... , bn)1 = I det FI . V .
Demnach ist I det FI der Volumenverzerrungsfaktor der linearen Abbildung f. Man nennt f volumentreu, wenn I det F I = 1 gilt. Die im obigen Beispiel betrachtete Scherung ist volumentreu (-+ §5, Aufg. 6).
6.3 Langen und Winkel im lRn; Orthogonalitat Definition. Seien x, y
I
E
lRn , x
= (X], ... , xn)T,
y
= (Yl, ... ,xnl.
Die Zahl
x·Y:=X TY=XIYl+X2Y2+···+ XnYn
heij3t Skalarprodukt (ader inneres Produkt) der Vektoren x, y, und Ixl :=
rx:x = JXf +xi + ... +x;
heij3t Betrag (oder Lange) des Vektars x. x ist normiert (oder Einheitsvektor), wenn Ixl = 1.
Be;.,.ele. x =
(D · CD F
=>
X'F 2.(-1)+0.3+ 1.5+4-(-3) = -9.
ffi ~ 4.582576, Iyl = ,,) 1 + 9 + 25 + 9 ~ 6.633250. Die der naturlichen Basis sind Einheitsvektoren; zu jedem Vektor x -:f. 0
Ixl = ,,)22 + 12 + 4 2 =
Vektoren .
]st
1 IXTx
ei
.
normIert.
D
Rechenregelu (wie in lR2 a) b)
c) (3)
d) e) f)
g) h)
X·
Y
,
=y. x
lR3 ): Fur aBe x, y, Z
E
lRn und aBe a
E
lR gilt:
,
a(x·y)=(ax)·y=x·(ay), X·
(y + z)
=x . y + x . Z
,
x . x > 0 fur aBe x -:f. 0 , Ixl = 0
- b): Aus
=E
AT A
folgt
(Ax)· (Ay) = (Axl(Ay) = x T AT Ay = x T Ey = x T Y =
X·
Y.
b) => c): Fur x = ei, Y = ej und ai := Aei (i-te Spalte von A) ergibt sich ai . aJ
T
= ei e j =
{I, falls i = j 0 , falls i i j
c) => a): Aus ai' ai = aT ai = 1 und ai . aj = aT aj = 0 (falls i i j ) folgt mit der 0 Produktformel (4, §2) fur die Matrix A die Gleichung AT A = E. Bemerkungen 1. Fur eine orthogonale Matrix A ist die Inverse sehr einfach zu berechnen. Es gilt (definitionsgemaB!) A -I = AT . 2. AT A = E {==} AA T = E (-+ (10), §2) {==} Die Zeilen von A sind
orthogonal; wobei das Skalarprodukt (und jeder damit verbundene Begriff) fUr Zeilenvektoren x, y E lRn durch X· Y := xyT definiert ist. 3. A E lRnxn orthogonal => det A = ±1 . Denn aus AT A = E folgt 1 = det E = det AT det A = (det A)2. 4. Jede orthogonale lineare Abbildung f : lRn -+ lRn ist volumentreu, da I det FI = 1 (F Abbildungsmatrix von f) (-+ Bern 3.), liingentreu , da If(x)1 = J f(x) . f(x) = -JX:X" = lxi, . f(x) . fey) x .y wmkeltreu , da cos 1:(f(x), fey)) = If(x)llf(y)1 = Ixllyl = cos 1:(x, y).
6.4 Speziell: Spiegelungen und Drehungen sind neben den Parallelverschiebungen die wichtigsten langentreuen Abbildungen. Sie sind nur dann linear, wenn sie den Ursprung auf sich abbilden.
o Spiegelungen im Raum.
Dazu gehort die Punktspiegelung s : x -+ -x mit der Matrix S = - E . Interessanter sind jedoch die Spiegelungen an Ebenen durch den Ursprung: 1st a = (aI, a2, a3)T ein Einheitsvektor, dann lautet die Spiegelung an der Ebene a· x = 0 : Is: lR3 -+ lR3
,
sex)
=x -
2(x . a)a.
I
Man bestatigt leicht s(x)· s(y) =x· y und s(s(x)) = x, daher ist die Abbildungsmatrix S wegen S-I = S = ST stets eine symmetrische und orthogonale Matrix:
Abb. 149 - Spiegelung im 1R3
1 - 2a 2
S
= (s(ed, s(e2), s(e3)) = ( -2ala~ - 2ala3
Fur diese Spiegelungen im lR 3 gilt det S = -1 (-+ §5, Aufg. 6).
318
6. Lineare Algebra
® Drehungen der Ebene d : m? -+
m? ,
d
urn den Nullpunkt lauten in kartesischen Koordinaten
(x)y = (xx C?S cp - y sin cp) Slllcp + ycoscp
, Drehwinkel cp ,
(-+ Kap. 1, §3.4). Die Abbildung d ist linear mit der orthogonalen Abbildungsmatrix (der "Drehmatrix") D
Wegen (:
~~: :
: :
= (C?S cp Slllcp
- sin cp), coscp
;~~ : ) =cos cp (~ )
(4)
d(x)
det D
+ sin cp ( -
~)
= (coscp)x+ (sincp)x*
wobei x* aus x durch eine positive Drehung urn
=1
2f
hat man
, entsteht.
o Drehungen im Raum
erfolgen stets urn eine Achse, diese sog. Drehachse wird durch die Wahl eines Richtungsvektors a =j. 0 (auf der Achse) orientiert. a weist in die positive Achsenrichtung. Blickt man in diese Richtung, dann erfolgt eine positive Drehung (Drehwinkel cp :::: 0) im Uhrzeigersinn (-+ Abb. 29). Die Koordinatenachsen eines kartesischen Koordinatensystems sind stets durch die zugehorigen Basisvektoren orientiert. a) Die Drehung urn die x-Achse besitzt wegen (4) die Abbildungsgleichung dl(X)
= x el + (y cosa -
z sina)e2 + (y sin a + z cosa)e3
und die Abbildungsmatrix
o
cosa sina
-2na) . cosa
Zur Drehung urn die y- bzw. z-Achse gehoren die Drehmatrizen D2(f3) = (
COS f3 0 sin f3 ) 0 1 0 , - sin f3 0 cos f3
Man kann zeigen, daB sich jede Drehung urn eine beliebige Achse durch den Nullpunkt als Hintereinanderausfuhrung von Drehungen urn die Koordinatenachsen darstellen laBt, d.h. fur ihre Matrix D lassen sich a, f3, y bestimmen, so daB D = D3(Y )D2(f3)D1 (a) (erst urn die x-Achse, dann urn die y-Achse und schlieBlich urn die z-Achse drehen). a, f3, y heiBen die Cardan-Winkel der Drehung (benannt nach CARDANUS, 1501-1576). Die Euler-Winkel der Drehung werden in 6.6 behandelt. b) 1st von einer Drehung d : m? -+ m? der Richtungsvektor a =j. 0 der Drehachse (durch den Nullpunkt) und der Drehwinkel cp :::: 0 bekannt, dann wird d (in kartesischen Koordinaten) dargestellt durch
319
§6. Lineare Abbildungen und Eigenwerte
(5)
d(x)
Beweis. Wir zerlegen mit der Komponente Xa riehtung und r = x - Xa. Xa bleibt bei der Drehung naeh (4) iiber in d(r)
x· a sin cp eoscp) lal 2 a + Tal a x x .
= (eoscp)x + (l -
x = Xa + r in AehsenDer Vektor fest, r geht
x
= (eos cp)r + (sin cp )r*
mit dem aus r dureh eine (positive) Drehung urn Zf gewonnenen Vektor r*
=
I!I
a x r. Mit d(x)
r =x - (a·x)a
= Xa + d(r)
folgt (5) aus Formel (6), Kap.l, §5.
axx=r*
Abb. 150 - Drehung im lR3 ,
D
lal
= 1
Die Abbildungsmatrix (die Drehmatrix) D beziiglieh der gegebenen kartesisehen Basis lautet (mit a = (aI, a2, a3)T und lal = 1 ): coscp+(l-coscp)ai, (l-coscp)ala2-a3sincp, (l-coscp)a1a3+a2sincp) ( (1 - cos cp)ala2 + a3 sin cp, cos cp + (1 - cos cp)a;, (1 - cos cp)a2a3 - al sin cp (1 - cos cp)ala3 - a2 sin cp , (1 - cos cp)a2a3 + al sin cp, cos cp + (1 - cos cp)a~
Da die aus el, e2, e3 dureh Drehung entstandenen Vektoren e~ = d(el), e; = d(e2), e~ = d(e3) ebenfalls eine kartesisehe Basis bilden, gilt sieher ,,==>" in der Charakterisierung
I
D ist Drehmatrix
DT D
{::=:::::}
=E
und det D
=1 . I
Die Aussage ,,¢=", daB jede orthogonale 3 x 3-Matrix D mit det D Drehung besehreibt, wird erst in 6.8 gezeigt werden.
=1
eine
Folgerung. 1st eine Drehmatrix D = (dij) ;:f E vorgegeben, so kann man dureh Vergleieh mit der obigen expliziten Matrixdarstellung den Drehwinkel und die Drehaehsenriehtung zu (5) bestimmen: (6)
eoscp=~(SpurD-l)
mit SpurD:=dll+d22+d33.
Damit ist eindeutig der Drehwinkel von D mit 0.::: cp .::: Als dazugeharende Drehaehsenriehtung nimmt man
JT
bestimmt.
eine Lasung a mit lal = 1 von (D - E)a = 0, falls cp = (7)
a=
I!I
d mit d:=
(~~~ =~~~), d21 - d12
falls cp ;:f
JT •
JT ,
320
6. Lineare Algebra
Beispiel. Nach einer Drehung urn die x-Achse mit a =
z-Achse mit y = dungsmatrix
~
wird noch urn die
% gedreht. Zur resultierenden Abbildung gehort die Abbil-
So wird beispielsweise der Punkt P = (1, 1, 1) - genauer: der Ortsvektor
(~) -
75P =
abgebildet auf pi = (x', y', Zl) mit
( ~;) z'
=D
(i) = (i~~ji:~)) iej3 + 1)
1
Mit den Drehmatrizen D3, DI ist auch D orthogonal und es gilt det D = 1 . Nach dem noch zu beweisenden Satz (-+ 6.8) stellt deshalb D eine Drehung dar, deren Drehwinkel
10:
(Cl) C2
= .
:{:=::}
:
xn(t)
lim Xi(t)
/-+10
= Ci (l:s i :s n)
.
Cn
Dementsprechend heiBt x : I ---+ lRn in to E I (auf I) stetig, bzw. differenzierbar, wenn alle Komponentenfunktionen in to E I (auf I) stetig, bzw. differenzierbar sind. Aus gleichem Grunde ist die Ableitung komponentenweise zu berechnen. d 1 x(t)=-d x(t)=lim-h[x(t+h)-x(t)] t
h-*O
Xl(t)) X2(t)
= ( .:
xn(t)
mit Xi(t)
= :tXi(t).
Man nennt x(t) den Tangentialvektor von x an der Stelle tEl (---+ Kap. 4, §5 fUr n = 2). Stellt t ---+ x(t) das "Weg-Zeit-Gesetz" eines bewegten Punktes dar, dann bestimmt x(t) dessen Momentangeschwindigkeit, sie ist tangential zur Bahn. 1m Fall x(to) = 0 ist der Punkt zur Zeit t = to in Ruhe. Fur vektorwertige Funktionen x, y : I ---+ lRn und a, f3 E lR bestatigt man leicht
361
§1. Kurven im JRn
die folgenden Ableitungsregeln: a)
:t (ax(t) + (3y(t» (Linearitat) ,
b) :t [x(t)· yet)]
(1)
= axe,) + (3y(t)
=x(t). yet) + x(t) . yet)
(Produktregel fur das Skalarprodukt),
c) :t [x(t) x yet)] = x(t) x yet) + x(t) x yet) (Produktregel fur das x-Produkt, n = 3 ), d) :t [a(t)x(t)]
= a(t)x(t) + a(t)x(t)
(Produktregel for Multiplikation mit skalarer Funktion).
Insbesondere folgt wegen Ix(t)1 2 = x(t)· x(t) aus (1b): (2)
Ix(t)1
= const
(t
E
1)
==}
x(t)· x(t)
=0
fiir aIle tEl.
Die Parameterdarstellungen eignen sich, dem Begriff "Kurve" eine Bedeutung zu geben, die auch im lR,n (n::: 1) sinnvoll ist. Definition. Es sei G S; lR,n und [a, b] S; lR, ein abgeschlossenes lntervall. Wir nennen jede stetig dijferenzierbare Funktion x : [a, b] ---+ G ein Kurvenstiick in G mit Anfangspunkt x(a), Endpunkt x(b) und der Spur {x(t); a S t S b }. x(a), x(b) sind als einseitige Ableitungen zu verstehen. Ein Kurvenstuck x heif3t regular, wenn x(t) i 0 gilt fur aUe t E [a, b] . Bemerkungen. 1. Unter einer Kurve versteht man eine Kette von aneinanderhangenden Kurvenstiicken (---+ Kap. 8, §2). Fiir die Differentialrechnung beschranken wir uns auf Kurvenstiicke. 2. Statt "Spur eines Kurvenstiicks" sagt man oft kurz "ein Kurvenstiick". D.h. sowohl die Punktmenge {x(t) ; t E [a, b]} S; lR,n als auch die Funktion x : [a, b] ---+ lR,n werden a1s Kurvenstiick bezeichnet. Aus dem Zusammenhang wird stets klar sein, was gemeint ist. Steht die anschauliche Deutung im Vordergrund, dann nennt man x : [a, b] ---+ lR,n eine ParameterdarsteUung des Kurvenstiicks {x(t) ; a S t S b} .
Die zum Parameterwert bestimmte Zahl (3)
t E [a, b]
eines regularen Kurvenstiicks x: [a, b] ---+ lR,n
set) :=
11
Ix(t)ldt
heiEt Bogenlange des Kurvenstiicks iiber [a, t]. Fiir n = 2,3 ist das tatsachlich
362
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
die Lange des durch x parametrisierten Bogens "iiber" [a, t], wobei gegebenenfalls mehrfaches Durchlaufen einer Schleife beriicksichtigt wird. L(x):= s(b) ist die Lange des Kurvenstiicks x. Nach Kap. 4, Satz 1.3 gilt
~~
(4) Man nennt
(5)
(-7
= s(t) = Ix(t)1
Kap. 4, 6.1) ds := Ix(t)ldt das (skalare) Bogenelement, dx := x(t)dt das vektorielle Bogenelement von x.
(ds ist - in erster Naherung - die im Zeitintervall [t, t + dt] zuriickgelegte Weglange, dx ein zum Tangentialvektor x(t) paralleler Vektor der Lange ds.)
1.2 Das begleitende Dreibein, Kriimmung, Torsion. Die Bewegung eines Massenpunktes langs einer durch x : [a, b] -7 lR? parametrisierten Spur und die Auswirkung von Kraften und Momenten in den einzelnen Kurvenpunkten x(t) wird am besten in einem der Geometrie der Spur angepaBten begleitenden kartesischen Koordinatensystem (x(t); T, N, B) beschrieben, in dem sich auch die Vektoren T, N, B der kartesischen Basis mit dem Parameter t verandem. Wir setzen bei Bedarf fiir x Differenzierbarkeit von jeweils benotigter Ordnung voraus, femer sei x(t) i 0 fiir aIle t E [a, b] , d.h. x regular.
o Der Tangentenvektor T(t). 1st x(t) i 0 so nennt man den Einheitsvektor (6)
T(t) :=
Ix~t)1 x(t)
Tangenteneinheitsvektor
oder kurz den Tangentenvektor der Kurve an der Parameterstelle t. Die Gleichung (Parameterdarstellung) der Kurventangente in x(to) lautet X(A) = x(to) + AT(to)
(A E JR.) .
®
Der Hauptnormalenvektor N(t) und der Binormalenvektor B(t). 1st die Kurve x : [a, b] -7 JR.3 zweimal (komponentenweise) stetig differenzierbar und t E [a, b] eine Parameterstelle mit x(t) i 0 und T(t) i 0, so nennt man die nach (2) zu T(t) orthogonalen Einheitsvektoren
1
(7)
.
N(t) := -.-T(t) IT(t)1 B(t) := T(t) x N(t)
Hauptnormalen( einheits)vektor , Binormalen(einheits)vektor
und das Rechtssystem (T(t), N(t), B(t)) das begleitende Dreibein der Kurve an
363
§ 1. Kurven im IRn
der Parameterstelle t. Ferner heiBt die von T(t) und N(t) aufgespannte Ebene durch x(t),
lJ B(t)
SShm,e9"'~
rCA, p.,) = x(t) + AT(t) + p.,N(t)
x(t)
IR), die Schmiegebene der Kurve an der Stelle t. Man gewinnt sie als Grenzlage der Ebene durch x(t) und zwei weitere Kurvenpunkte. (A, p.,
E
© Die Kriimmung.
x(b)
,---- '\N(t)
T(t) P
x(a)
Abb. 159 - Beg1eitendes Dreibein
Die Anderungsrate Al
uS
~ T:=
( )I
S t\
-
s
() [T(td - T(t)] des t
Tangentenvektors, bezogen auf die Bogenlange, beschreibt anschaulich das mittlere Krummungsverhalten der Kurve im Parameterintervall [t\, t] (bzw. [t, tl1 ). Mit der L'Hospital-Regel erhalt man .
11m
I
~~T
/1-+1 uS
I
.
= -:--( )T(t) S t
den Kriimmungsvektor,
seine Lange ist mit (4) (8)
I· IT(t)1 K(t) := set) IT(t)1 = Ix(t)1
die Kriimmung
der Kurve an der Stelle t. Fur die Darstellung von x und x im begleitenden Dreibein sich aus (4), (6) und nach der Differentiation mit (1) und (8) x(t) x(t)
(9)
= s(t)T(t)
(T, N, B)
ergibt
,
=s(t)T(t) + s(t)2K(t)N(t)
.
Kinematische Deutung:
Stellt x : [a,b] -+ IR3 mit x(t) -=J 0 die Bewegung eines Massenpunktes dar, so ist dessen Geschwindigkeitsvektor x(t) = s(t)T(t) tangential zur Bahn (in Durchlaufrichtung) und dem Betrage nach gleich der Momentangeschwindigkeit s(t). Der Beschleunigungsvektor x(t) hat s(t)T(t) als Tangential- und s(t)2K(t)N(t) als Normalkomponente. Daraus liest man ab, daB
K~t)
lJB
Abb. 160 - Kinematik
als Radius eines Krummungskreises in der Schmiegebene gedeutet werden
kann, falls K(t) :f O.
364
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
Mit TxT = 0, TxN = B ergibt (9) x(t)xx(t) folgt Ix(t) x x(t)1 = s(t)3 K (t). Also gelten ( 10)
K
(11) X
x(t)
i
= Ix(t) ~ x(t)1 x(t)
X
K
=1
x(t)
0).
Bemerkungen. 1. Formel (10) ergibt fiir eine ebene Kurve Kriimmung
Wegen IB(t)1
( ) _ Ix(t) x x(t)1 t Ix(t)13 '
B(t)
(vorausgesetzt x(t)
= s(t)3 K (t)B(t).
= (l~Y+~~~)2
t ---+
X(t)) ( yg)
die
; d.h. die hier definierte Kriimmung stimmt mit der
in Kap. 4, 5.4 eingefiihrten Kriimmung nur bis aufs Vorzeichen iiberein. (Nur falls xy - yx > 0 ist, haben n (---+ Kap. 4, 5.2) und N dieselbe Richtung.) 2. Aufgrund der Formel (11) bestimmt man das begleitende Dreibein (T, N, B) in der Reihenfolge T
= I!I x,
B = Ix
~ xl x X x,
N = B x T.
@ Die Torsion. Das Herauswinden der Kurve aus der Schmiegebene wird durch die Anderungsrate des Binormalenvektors, bezogen auf die Bogenlange, beschrieben. Man nennt . 1 hm () ( ) [B(t]) - B(t)] -s t
t,-+tS t]
1 .
= s-:--( )B(t) t
den Torsionsvektor
:t
der Kurve an der Stelle t. Nach (2) ist B orthogonal zu B und wegen B = (TxN) = TxN+TxN = TxN auch orthogonal zu T, also parallel zu N. D.h., es gibt eine skalare Funktion r = ret) - man nennt sie die Torsion der Kurve x - mit 1 .
(12)
s(t)B(t)
= -r(t)N(t)
.
Es gilt (13)
ret) =
Beweis. Aus B· N
=0
1.
1·
s
s
det (x(t), x(t), x(t)) Ix(t) x x(t)12
folgt B· N + B . N
= 0,
deshalb fiihrt (12) auf .
r = --;-B· N = -;-B· N. Auf der rechten Seite setzen wir B aus (11) und N aus der nochmals differenzierten 2. Gleichung (9) ein und erhalten nach leichter Rechnung mit (10) die Behauptung. 0 Wir fassen zusammen:
365
§ I. Kurven im Jan
Satz 1.1. Eine dreimal dif.{erenzierbare Kurve Parameterstelle t mit x(t) x x(t) :;z! 0
[a, b] -+
X :
= !X~t)! x(t)
den Tangentenvektor
T(t)
den Binormalenvektor
B(t) = !x(t)
m?
besitzt an jeder
,
~ x(t)! x(t) x x(t)
,
den Hauptnormalenvektor N(t) = B(t) x T(t) , ( ) _ !x(t) x x(t)! t !x!3
die Kriimmung
K
die Torsion
r (t )
'
_ det(x(t), x(t), x'(t» -
!x(t) x x(t)!2
Beispiel. Die neutrale Faser einer Schraubenfeder wird dargestellt durch x(t)
= (~~f:)
mit 0 :::: t :::: 2Jfn, dabei ist r der Radius, 2Jf h die Ganghohe und n die Windungszahl.
x(O) x Abb. 161 - Schraub1inie
-rsint)
Mit x(t) = ( rc~st R:= !x(t)!
t) , 'X'(t) = (
-r cos , x(t)= ( -r~int
= Jr2 +h2
T(t)
1
= Ii
erhalt man
(-r t) sin rc~st
;
N(t)
=
r sin t )
-r~ost
(- t) cos -~nt
undderAbkiirzung
1 ( h sin t
B(t)=Ii
Kriimmung
K(t)
r = -2--2 r +h
(konstant),
Torsion
ret)
h = ~h2 r +
(konstant).
-h~ost
)
Eine Belastung F = - Fe3 mit der Schraubachse als Wirkungslinie (-+ Abb. 161, Kap. 1,7.1) erzeugt in jedem Punkt x(t) das Moment met)
= -x(t) x F = rF( _s~:t)
Dieses besitzt in der begleitenden Basis (T, N, B) die Zerlegung m
Fr2 Frh =(m· T)T + (m· N)N + (m· B)B = -RT + j?B .
366
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
Fr2 Man nennt mT := - R T die Torsionskomponente und komponente des Moments. (--+ Aufg. 7)
mB
Frh := ~ B die Biege0
Bemerkungen 1. Diese Ergebnisse sind nur auf reguHire Kurvenstucke x : [a, b] --+ lR? anwendbar. Besitzt x singuliire Stellen to E [a, b] mit i(to) = 0, so sind Grenzwertbetrachtungen t --+ to+ und t --+ to- durchzufuhren. Beispiel.
x(t) = (
ist in T(t)
t
=
=0
bei
t --+
,
t E
R,
singular, da li(O)1
~ ( It) 2
It I t
strebt bei
t~~)
t --+
+I
(fur
t
= O. i
0)
0- gegen T 1 = ( _~)
0+ gegen T2 =
(n.
,
---------t--------l~
T1
Abb. 162 - Neilsche Parabel
Obwohl wegen i(O) = 0 durch i keine Tan-
gentenrichtung festgelegt wird, besitzt die Kurve im Ursprung eine Tangente, namlich die y-Achse. 0 2. 1st K(t) = 0 fUr ein Teilintervall ex :::: t :::: fJ, dann stellt x uber [ex, fJ] eine Gerade dar; N, B werden dort nicht benotigt. 3. Falls ret) = 0 fur ex :::: ganz in der Schmiegebene.
* 1.3 Erganzung:
t ::::
fJ , dann verlauft das entsprechende Kurvenstuck
Der natiirliche Parameter und die Frenetschen Formeln.
Fur die Bewegung auf einer regularen Kurve ist die eindeutige Ortsbestimmung x(t) nicht nur durch Vorgabe der "Zeit" t, sondem auch durch den bis zu diesem Zeitpunkt zuriickgelegten Weg s = set) moglich. Denn wegen set) = li(t)1 > 0 ist s = set) als monotone Funktion (zumindest theoretisch) eindeutig nach t auflosbar, t = t(s) . Man sagt, die Kurve y : [0, L] --+ R3 ,
yes) := x(t(s)) ,
entsteht aus der regularen Kurve x durch Umparametrisierung auf Bogenliinge. Offenbar besitzen x und y dieselbe Spur. Uber y(s(t)) = x(t) kommt man zur ursprunglichen Parameterdarstellung zuruck. Die Kettenregel und (3) Kap. 3, §3 ergeben :s y(s)
= :s x(t(s)) =i(t(s)) :s t(s) = s(t~s)) i(t(s)) = T
.
Die Bogenlange als Parameter (man spricht yom natiirlichen Parameter) ist dadurch ausgezeichnet, daB der die Kurve begleitende Tangentialvektor :s y(s) konstant den Betrag I hat; dadurch ergeben sich besonders elegante Formeln:
367
§ 1. Kurven im Jan
Satz 1.2. Formeln von FRENET (1816-1900). Fur eine dreimal stetig differenzierbare, auf Bogenliinge parametrisierte Kurve y : [0, L] ~ ill? , die uberall eine Krummung K(S) =I 0 besitzt, gelten folgende Ableitungsformeln: dT ds = dN ds dB ds
(14)
+KN
= -KT =
+TB -TN
Beweis. In diesem Fall (s = 1, S = 0) lauten die Beziehungen (6), (9) und (12) dy dT d 2y dB T = -d ' -d = - 2 = KN -d = -TN. Nun braucht man nur noch N = B x T ds s s s nach s abzuleiten und erhaIt die dritte Ableitungsformel. 0 Damit kann man den Satz von S. LIE (1842-1899) beweisen, daB eine auf Bogenlange parametrisierte Kurve im wesentlichen durch K = K(S) und T = T(S) bestimmt ist. Durch das Differentialgleichungssystem (14) werden T(s), N(s), B(s) bei Vorgabe der Anfangslage T(O), N(O), B(O) und stetig differenzierbarer Funktionen K, T : [0, L] ~ lR bis auf langentreue Abbildungen eindeutig bestimmt (~ Band 2, Kap. 9, §8, Aufg. 19). Beispiel. Die Raumkurve
(COS t) x(t) ="2/ s!JI 1
y ,t
lR ,
E
Iiegt auf dem Kegel 2x2 + 2i - Z2 = 0 und hat als Projektion in die (x, y)Ebene eine logarithmische Spirale r =
~e\D
(r, cp Polarkoordinaten).
Wegen x(t)
ist set) =
1
= let
(COS t -
sin t sin t ,;r0s t
[too IX(T)I dT = e
t ,
)
Abb. 163 - Logarithmische Spirale
d.h. t = In(s), s > O. Mit der Bogenlange als
Parameter erhalt man aus der Darstellung y(,)
T
d
1
= dsY(s) = 1
(COS In s -
=
H~f~;) ,
sin In s ) sinlns,;r0slns ,
d
ds T
p
0
1 (- sin In s - cos In s ) cos In sO-sin In s ,
= 2s
368
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 1: Differentiation
dT 1 1 ( - sin In s - cos In s ) K(s)=l ds l= 2s Y'2, N= Y'2 coslns;sinlns , res)
1 r;:;
d
= Ids N +KTI = 2s y2
D
.
Aufgaben 1. Man berechne den Winkel, unter dem alle Tangenten der Kurve x(t)
= v'2,
yet)
= t 2 - ~ In t,
z(t)
= t 2 + ~ In t
(1:s t :s 2)
auf die (x, y)-Ebene treffen, und berechne ihre Bogenlange. 2. Gegeben ist die raumliche Spirale
X(t)=(~~~:), t~O. Man berechne das begleitende Dreibein (T,N,B) fur x. Wie groB ist die Kriimmung K und die Torsion T im Punkt O? Welche Kurve ergibt sich in der Projektion auf die Ebene z =0 ? 3. Man zeige, daB alle Geraden durch den Ursprung die (ebene) logarithmische Spirale r = e-rp unter konstantem Winkel treffen, wie groB ist dieser? 4. Gegeben ist die Epizykloide wet) __ ( cos 3t + 3 s. in t ) ,0:st:s2n. 3 cos t - Sill 3t a) Man bestimme die singularen Punkte (x = y = 0) und in diesen Punkten die Richtungen der Tangenten uber die miiglichen Grenzwerte lim yet) / x(t) . b) Man berechne die Bogenlange der Kurve und in jedem Punkt die Kriimmung. c) In welchen Punkten wird r = Iw(t)1 maximal? Skizziere w samt Durchlaufsinn.
5. Die Raumkurve (Fenster der VIVIANI)
=(
~~~:t)
, O:s t :s 4n , 2 Sill '2 entsteht durch Verschneidung des Drehzylinders x 2 + l = I mit der Kugel (x + Ii + l + Z2 = 4. Man bestatige dies, berechne (T, N, B) fUr t = 0 und t = 2n und driicke die Bogenlange der Kurve durch das vollstiindige elliptische Integral x(t)
E(k) =
11
JI-k 2 sin 2 rpdrp
aus.
369
§ I. Kurven irn JRn
6. 1m StraBenbau wird der Ubergang von der Geraden in eine kreisformige Kurve durch Klothoiden-Bogen modelliert, da sie folgende natiirliche Parameterdarstellung besitzen: K
=
C •
s,
1
Kriimmung wachst proportional mit Bogenliinge.
Man bestimme daraus den Tangentenwinkel rp als Funktion rp(s) der Bogenlange und stelle damit x = xes) und y = yes) als Funktionen von s dar, so daB wie in der Skizze x(O) = yeO) = y'(O) = 0 und x'(O) = 1 . (Hilfe: K = I ddrps I ., X,2 + y,2 elementar losbar ! )
= 1·, tX' = tan rp
,.
Integrale fUr x und y sind nicht
7. Die neutrale Faser einer Schraubenfeder wird dargestellt durch x(t) =
C¥i:)
o :::s t
~F
:::s 2nn
( r: Radius, 2n h: Ganghohe, n: Windungszahl). a) Man driicke Kriimmung K und Torsion r von x(t) sowohl durch die Hohe H und die Lange L der Feder als auch iiber den Winkel a aus (vgl. Skizze).
LH 2rrnr
b) Eine Belastung F der Feder in Richtung der Schraubachse ruft im Federstahl primar Torsion hervor und reduziert die Hohe auf H(F). Die Torsionsgleichung lautet (in erster Naherung) GJ· [r - reF)] = F . r ( GJ: Torsionssteifigkeit, r(F): Torsion mit Last F). Man 1eite daraus eine Beziehung zwischen H(F) und F her und stelle die Federrate
c = lim
F-+O
F H - H(F)
in erster Naherung als Funktion von r, Lund G J dar c) Die Federbeine eines VW K70 (Baujahr 1972) haben die Daten Federstahl G J = 2.24 . 106 N cm 2 ; Vorderachse: r = 7.6cm , H = 12.6cm , n = 5.5 ; Hinterachse : r = 6.3 em , H = IS.7 em , n = 7.5 . Berechne jeweils die Lange des Federstahls und die Federrate c. Wie weit sinkt das Auto vorne und hinten ein, wenn es gleichmaBig mit 1500 N bela stet wird?
H (r «
1) .
370
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
8. 1m CAD werden ebene Kurven durch B-Splines dargestellt, da sie eine schnelle Beeinfiussung der Form durch wenige sogenannte Kontrollpunkte erlauben. 1m einfachsten Fall setzt man diese Kurven aus kubischen Kurvenstucken zusammen, fUr die man die B EZIER- BERNSTEIN - Darstellung verwendet. wet) ko, ... , k3
= (l E
t)3k o +
G)
t(I - t)2k 1 +
G)
t 2 (l - t)k2 + t 3k 3
O:'Ot:'Oi
lR? heiBen Kontrollpunkte von w.
a) Man rechne nach: w verbindet kl - ko ,in k3 ist sie k2 - k3 .
ko
und k 3
,
Tangentenrichtung in ko
ist
b) Warum liegt w ganz im (konvexen) Viereck mit den Ecken k o , kl' k 2 , k3? (Hilfe: Die Polynomfaktoren vor k o, ... , k3 sind positiv und in der Summe I.) c) Welche Bedingungen mussen fUr eine Kurve erfUllt sein, die aus zwei BezierKurvenstiicken WI, W2 zusammengestzt ist, damit x und x im gemeinsamen Kontrollpunkt stetig sind?
§ 2. Reellwertige Funktionen mehrerer reeller Veranderlicher 2.1 Grundlagen. Unter einer reellen Funktion von n reellen Veranderlichen
versteht man eine auf einer Teilmenge D ~ lRn erklarte Funktion f : D ~ lR mit Werten in lR. Sie ordnet jedem Punkt (bzw. Vektor) x = (XI, ... , xnl E D des Definitionsbereiches in eindeutiger Weise eine reelle Zahl z = f(x) = f(XI, ... , xn) zu. Fur Funktionen von 2 oder 3 Veranderlichen schreibt man ublicherweise auch f(x, y) bzw. f(x, y, z).
Die Zuordnung x 1.
1-+
f(XI, ... , xn) kann gegeben sein
durch eine explizite Rechenvorschrift, z.E. f(x,y)=3xy+2x+5y-7 (D=lR2),oder f(x, y, z) = e X +Y . 3z . sin(xz) + In(x2 + i) + 5z (D
=lR3 \
{OD,
2.
durch eine implizite Gleichung, z.B. bezeichne f(x, y) die eindeutig bestimmte positive Lasung z der Gleichung Z3 - X Z - Y =0 (x E lR, y > 0 ),
3.
durch eine kompliziertere Vorschrift, etwa in Form einer Differentialgleichung oder in Tabellenform.
Eine reellwertige Funktion f : lRn :2 D ~ lR wird haufig als Skalarenfeld oder Belegungsfunktion bezeichnet, insbesondere dann, wenn jeder Punkt XED mit
371
§2. Reellwertige Funktionen mehrerer reeller Veriinderlicher
der MaBzah1 f(x) einer ska1aren physikalischen GroBe (etwa Ladungsdichte, Temperatur) "belegt" ist. Als besonders vorteilhaft zur Diskussion einer Funktion f : IR.n ;2 D ---+ IR., erweist es sich, f auf gezielt gewahlten Teilbereichen von D zu untersuchen. Das sind in erster Linie • die Niveaumengen oder Niveauhyperfiiichen von f zum (konstanten) Niveau CEIR.: Nc := {x ED; f(x) = c} ,
•
aIle zu einer Koordinatenachse parallelen Geraden, die D treffen. erhalt damit die "partiellen" Funktionen von f:
Man
Xi r+ f(aj, ... , ai-I, Xi, ai+I, ... , an)
mit a = (ai, ... , an) E D konstant. Wie im FaIle n = 1 laBt sich jeder Funktion f: D ---+ IR. auch der Graph
rf
:= {(x, f(x)) ; xED}
s;: IR.n + 1
zuordnen.
Er besteht aus allen Punkten (XI, ... ,Xn,Xn+l) mit f(XI, ... , xn) und kann somit a1s Niveauhyperflaehe der Funktion F(XI, ... , x n, xn+j)
= Xn+1
=
Xn+1
- f(XI, ... , xn)
zum Niveau 0 angesehen werden. Wir nennen F(XI, ... , xn+d =0 die implizite und Xn+1 = f(XI, ... , xn) die exp1izite Darstellung des Graphen r f . All diese Begriffe sind fur n = 2 und n = 3 sehr ansehaulieh zu interpretieren: n = 2: Nc ist in der Regel eine ebene Kurve, "die Niveaukurve f(x, y) = c ". Man nennt f(x, y) = c die implizite Gleichung (oder Darstellung) dieser Kurve. Beschreibt etwa T = f(x, y) die Temperaturverteilung (Druekverteilung) auf einer Platte D s;: IR.2 , dann ist f(x, y) = To die Gleichung einer Isotherme (Isobare). 1st f(x, y) = c naeh y auflosbar in der Form y = h(x , c), dann nennt man dieses eine explizite Darstellung der Niveaukurve. Beispiele. 1. Die Gerade 2x+3y = 5 ist die Niveaukurve der Funktion f(x, y) 2x + 3 y zum Niveau c
=
=5. Die explizite Darstellung lautet y = - ~ + ~ . = r2 (r > 0) (---+ Abb. 165) ist die Niveaukurve X
2. Der Kreis x2 + y2 der Funktion f(x, y) = x2 + y2 zum Niveau r2. Diese Kurve ist nieht uberall exp1izit durch eine einzige Funktion y = h(x) darstellbar. Sie besteht vie1mehr
aus zwei Teilen, die explizit darstellbar sind: y = Jr2 - x2 und y = -Jr2 - x2 (-r :s X :s r). Allgemein ist ein Kegelschnitt ax2 + bl + cxy + dx + ey + f = 0 die Niveaukurve eines quadratischen Polynoms in x, y .
3. Jeder Graph y = h(x) einer (stetigen) Funktion der einen Variablen x kann als Niveaukurve F(x, y) = y - f(x) = 0 einer Funktion von zwei Veranderlichen
angesehen werden.
372
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
1m FaIle n = 2 wird der Graph r f als Flache im IR3 veranschaulicht. D ist Teilmenge der (x, y)-Ebene und tiber (x, y) E D liegt der Flachenpunkt (x, y, z) mit z = f(x, y). Die Graphen der "partiellen" Funktionen z = f(al, y) und z = f(x, a2) entstehen durch Schnitt des Graphen r f mit den zur z-Achse parallelen Ebenen: x = al bzw. y = a2. Zur Untersuchung des Graphen r f im Punkt (aI, a2) wird man auf diese beiden Schnittkurven zurtickgreifen.
Abb. 164 - Partielle Funktionen
Uber der Niveaulinie f(x, y) = c in D liegen aIle Punkte von r f mit derselben "Rohe" z = c. Sie ist die senkrechte Projektion der Schnittkurve der Flache z = f(x, y) mit der Ebene z = c in die (x, y)-Ebene (Hohenlinien einer Landkarte) .
•
::.:::;:::::':
I. . ~ . . .
:.,,,:,:,,:,':,::,::,,
z=f(x,y)
.•. . :.•. . . :.•. . :• •::. .. i.·.:i.:-• :.':.·:::• . . . . ;:'::'::";': . •::. . . '•. . .". .::•. ::,:::'::":':',':'-::':f:>::::': •. . . :. :•. '. . . :• . . '.:•. .•. . .:. . . . . .':. .:::.-:':. .': .: .':. '. :. :.•. :.••.. . . . . . •.:,.',.'/:/::>: '-":-:':,:'::,'.:"
:':,,:,-'
y
:::,'::'::
z=const. x
z=const.~
x
.. 0 heiBt die Punktmenge UrCa) := {x
E
IR n ; Ix - al < r }
r-Umgebung von a.
Fiir n = 1 ist Urea) das offene Intervall a - r < x < a + r, fiir n = 2 besteht Urea) aus allen Punkten der Kreisscheibe mit dem Mittelpunkt a und Radius r ohne Randpunkte, fiir n = 3 ist Urea) eine Kugel urn a mit dem Radius r ohne die Punkte der Kugeloberftache. Bereits fiir reelle, auf einem Intervall I S; IR definierte Funktionen ist nicht nur deren Verhalten im Innern von I, sondern auch in den Randpunkten von Bedeutung (--* Kap. 2, §5 und Kap. 3). Zur Beschreibung ahnlicher Sachverhalte im IR n benotigen wir einige Begriffe. Definition. Sei D eine Teilmenge des IRn. a)
Ein Punkt a E D heifit innerer Punkt von D, wenn es eine r-Umgebung von a gibt, die ganz in D enthalten ist.
b)
D heifit offen, wenn jeder Punkt von D ein innerer Punkt ist.
c)
Ein Punkt b E IR n heifit Randpunkt von D, wenn jede r-Umgebung von b sowohl mindestens einen Punkt aus DaIs auch mindestens einen nicht zu D gehorenden Punkt enthiilt. Die Menge aller Randpunkte von D heifit Rand von D und wird mit aD bezeichnet.
d)
Eine Menge heifit abgeschlossen, wenn sie alle ihre Randpunkte enthiilt.
Beispiele 1. Die "offene" Kreisscheibe (ohne Rand) K
={(x, y) ; (x -
XO)2 + (y - yoi < r2 }
ist eine offene Menge mit dem Rand aK : (x - XO)2 + (y - YO)2
=r2 .
374
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 1: Differentiation
2. Das "Rechteck" Q = {(x,y); 2:s X < 3, -1 < y:s 2} (~Abb. 167a) ist weder offen noch abgeschlossen. AIle Punkte (x, y) mit 2 < x < 3 und -1 < y < 2 sind innere Punkte. Der Rand enthalt sowohl Punkte, die zu Q gehoren (etwa (2, y) mit -1 < y :s 2) als auch solche, die nicht zu Q gehoren (etwa (x,-l) mit 2:sx:s3). 0 Offene Mengen werden oft durch strikte Ungleichungen in der Form U = {x
E
lRn ; gl (x) < 0, ... , gr(x) < 0 }
beschrieben, wobei gl, ... , gr stetige Funktionen in n Veranderlichen sind. Fur x E au gilt gi(X) = 0 fur wenigstens ein i. (Kurz: U wird berandet von den Hyperfiachen gi(X) = 0.) uuaU={XElRn ;gl(X):sO, ... ,gr(x):sO}. y 2
1
1
-1 Abb. 167a - Randpunkte
Abb. 167b - Die Parabelfalte
Definition. Sei f: lRn :2 D ~ lR und a E D U aD. f hat in a den Grenzwert c E lR, in Zeichen
a)
lim f(x) = c
x-?a
(oder f(x)
~
c fiir x
~
a) ,
b)
wenn es zu jeder (beliebig kleinen) Schranke E > 0 eine r-Umgebung Urea) gibt, so dafi If(x) - cl :s E fiir alle XED n Urea) gilt. f heij3t in a E D stetig, wenn lim f(x) f(a) gilt.
c)
f heij3t auf D stetig, wenn f in allen a
x-?a
=
E
D stetig ist.
Die aus Kap. 2 bekannten Rechenregeln fur Grenzwerte und stetige Funktionen Summe, Produkt, Quotient stetiger Funktionen sind stetig. gelten auch hier: Beispiel. Die Projektionen Pi : lRn ~ lR, Pi(X) = Xi sind stetig. Aufgrund der soeben genannten Rechenregeln ist dann auch jede lineare Funktion l : lRn ~ lR, lex) = aT x = alxl + a2x2 + ... + anx n , jedes Polynom in n Variablen
und jede rationale Funktion f(x)
= q(x) p(x)
stetig, falls q(x) =I 0 .
o
375
§2. Reellwertige Funktionen mehrerer reeller Veranderlicher
Die Stetigkeit von f(x, y) in (xo, Yo) ergibt sich noch nicht aus der Stetigkeit der partiellen Funktionen x f--+ f(x, Yo) und y f--+ f(xo, y) . Gegenbeispiel. Die Parabelfalte (---+ Abb. 167b)
2xy2
- 2 - - 4 ' falls x > 0 , f( x, ) y:= { x + y ,falls x :s 0 .
o
Sowohl x
f--+
f(x,O)
=0
als auch y
;tu~2 4 (u > 0) sind stetig. x = i konstant 1. Daher ist f u +t v
Definition. a) Eine Menge D
f--+
f(O, y)
=0
und t
f--+
f(tu, tv)
=
Dagegen ist f(x, y) fur y > 0 auf der Parabel unstetig in (0,0). ~
D
lRn heij3t beschrankt, wenn es eine Konstante
K > 0 gibt mit Ixl < K for alle xED.
b) Die abgeschlossenen und beschriinkten Mengen des lRn nennt man kompakt.
Beispielsweise ist die "Vollkugel" urn a vom Radius r, Urea) := {x E lRn
(einschlieBlich des Randes Ix - al
;
Ix - al
:s r } ,
=r ) kompakt.
Ebenso wie im Fall einer Variablen (---+ Satz 6.5, Kap. 2) gilt (ohne Beweis): Satz 2.1 a) Satz vom Minimum und Maximum. Jede auf einer kompakten Menge D
b)
~
lRn stetige Funktion nimmt auf D ein Minimum und ein Maximum an; d.h., es gibt a, bED mit feb) :s f(x) :s f(a) fur alle XED. Satz von der gleichmaBigen Stetigkeit. Jede aUf einer kompakten Menge D ~ lRn stetige Funktion ist dort gleichmiij3ig stetig; d.h. zu E > 0 gibt es ein 8 > 0, so daj3 fur alle x, y E D gilt Ix - yl < 8 :::} If(x) - f(y)1
2 Start: Input "Startwerte UO= ,VO= ";U;V S=O
Repeat Bk=O Bk_l=O Ck=O Ck_l=O For K=O To M-l Ck_2=Ck_l Ck_l=Ck Bk_2=Bk_l Bk_l=Bk Bk=B(K)+U*Bk_l+V*Bk_2 C(K)=Bk Ck=Bk+U*Ck_l+V*Ck_2 Next K
§2. Reellwertige Funktionen mehrerer reeller Veranderlicher
385
, -------------------------------
Bk_2=Bk_1 Bk_1=Bk Bk=B(M)+U*Bk_1+V*Bk_2 C(M)=Bk Det=Ck_1*Ck_1-Ck_2*Ck If Det=O Then Print "Neue Startwerte!" Goto Start End if U=U+(Bk*Ck_2-Bk_1*Ck_1)/Det V=V+(Bk_1*Ck-Bk*Ck_1)/Det S=S+1 If S=Steps Then Print "Neue Startwerte!" Goto Start Endif Until Abs(Bk_1)+Abs(Bk)<Eps Gosub Quadr_gleichg M=M-2 For K=O To M B(K)=C(K) Next K Wend If M=1 Then Print "reelle Wurzel:";-B(1)/B(O) Else U=-B(1)/B(O) V=-B(2)/B(O) Gosub Quadr_gleichg Endif End
Procedure Quadr_gleichg X=U/2 Y=X*X+V W=Sqr(Abs(Y» If Y=O Then Print "doppelte Wurzel:";X Else Print "2 Wurzeln: lI ;
If Y>O Then If X>=O Then Print X+W;II, ";-V/(X+W) Else Print X-W;II, ";-V/(X-W) Endif Else Print X;
II
+-i* I1;W
Endif Endif Return
o
2.6 Die Richtungsableitung, der Anstieg und die KettenregeI. Die partiellen Ableitungen
;~. (x)
geben gemaB (1) die "momentane" Anderung der
I
Funktionswerte in Richtung der Koordinatenachsen (d.h. in ei-Richtung) an. Es ware unvemiinftig, sich auf diese Richtungen zu beschranken. Zu jedem Vektor v E lR,n, V =I 0, nennen wir den Grenzwert (9)
Jvf(x) := lim }[f(x + tv) - fex)] (-->0
(sofem er existiert) die Abfeitung von f an der Stelle x flings v. 1st vein Einheitsvektor (Ivl = 1 ), dann heiBt Jvf(x) die Richtungsabfeitung (oder Anstieg) von f an der Stelle x in Richtung v.
386
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
Bemerkung. Fur ov!(x) sind die Bezeiehnungen
~~ (x)
oder Dv f(x) eben-
falls weit verbreitet. Betraehtet man die Einsehrankung von f langs der Geraden x+tv (in Riehtung v), also h(t) := f(x + tv) , dann gilt h(O) = ov!(x) und deshalb ov!(x) > 0 ov!(x) < 0
f(x) nimmt in Riehtung v zu, f(x) nimmt in Riehtung v abo
=} =}
Eine anschauliche Deutung fur n = 2 : Die Sehnittkurve des Graphen z = f(x, y) mit der zur z-Aehse parallelen Ebene dureh die Gerade
(~~) +t (~~)
,
v = (~~)
,
Ivl
z = f(x,yl
=1 ,
besitzt die Parameterdarstellung x(t) = (
~: : ~~~
f(xo + tVi, Yo + tV2)
)
mit dem Tangentialvektor x(t)
=(
~~
ovf(xo, Yo)
)
Abb. 174 - Richtungsableitung
im Kurvenpunkt (xo, yo, f(xo, Yo)) . Die Tangente hat in der Tat den Anstieg D
ov!(xo, Yo) .
Eine physikalische Deutung fiir n = 2: Ein Massenpunkt uberquert eine ebene Platte mit konstanter Gesehwindigkeit v = (VI, V2)T (nieht notwendig Ivl = 1 ). Herrseht auf der Platte die Temperaturverteilung T = f(x, y), so gilt fur die momentane Temperaturanderung des Punktes in (xo, Yo)
lim -t1 [f(xo + tVI, Yo + tV2) - f(xo, Yo)] = Ov f(xo, Yo) .
D
1--'>0
Aus den Satzen 2.3 und 2.4 folgt: Satz 2.5. Fur jede auf der offenen Menge D S; lRn total differenzierbare Funktion f (insbesondere fur f E ~I(D, lR)) und fur jeden Vektor v E lRn, v =f 0, gilt n
Ov f(x)
(10)
= grad f(x) . v = L
fx; (x)v;
;=1
=
Mit Ivl 1 stellt (10) die Richtungsableitung (bzw. den Anstieg) von f Stelle x in Richtung v dar.
an der
387
§2. Reellwertige Funktionen mehrerer ree1ler Veriinderlicher
Beispiele. 1. Der Anstieg der Funktion J(x, y) = x 2 + i im Punkt (1,1) m Richtung des (Einheits-) Vektors v = (sin a, cosa)T betragt cosa) = (2, 2 (cosa) . a) . av!(x) = grad J(1, 1) '( . ). = 2(cos a + sm sm a sm a 2. Der mit der Geschwindigkeit v = (2, 4, 7)T (Einheiten vemachlassigt) einen Raum mit der Temperaturverteilung T = J(x, y, z) = 2xy + 4yz durchquerende Massenpunkt erfahrt im Punkt (1, 1, 1) die momentane Temperaturanderung a.t(l, [, [)" grndf(l, l, [), 3. Fur die durch A
= AT E JRnxn
m"mm
= 56,
bestimmte quadratische Form q gilt:
q(x) = x T Ax, avq(x) = 2 (Ax) . v , grad q(x) = 2Ax.
(11)
Beweis. avq(x)
= lim -t1 [q(x + tv) 1-*0
q(x)]
T Ax + x T Av + tv T Av) = 2(Ax)· v . = lim(v 1-*0
o
Die physikalische Deutung der Ableitung langs v legt es nahe, das Anderungsverhalten der Funktion J langs einer im Definitionsbereich verlaufenden Kurve (Bahn eines bewegten Punktes) zu untersuchen.
Satz 2.6. Die Kettenregel. Fiir jede ,&,l-Funktion J : D -+ JR, D S; JRn offen, undJiir jedes Kurvenstiick x: JR;2 [a, b] -+ D gilt
(12)
d dt J(x(t»
= dtd J (Xl (t), X2(t), ... , xn(t») =JXl (x(t»)Xj(t) + ... + JXn (X(t»)Xn(t) = grad J(x(t». x(t) .
Beweis. Aus der linearen Approximation (7) in einem Kurvenpunkt x(t) nahe Xo := x(to), J(x(t» - J(xo) = grad J(xo) . (x(t) - xo) + R(x(t), xo) mit dem Fehler R(x, xo) =o([x - xot) , ergibt sich nach Division durch t - to und Grenzubergang t -+ to die Behauptung; denn es gilt lim R(x(t), xo) t - to
Hlo
= lim Hlo
[xU) - xo[ . R(x(t), xo) t - to [x(t) - xo[
=0
.
o
388
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
Die Kettenregel benotigt man immer dann, wenn neue Variable eingefuhrt werden und die partiellen Ableitungen in bezug auf diese Veranderlichen zu berechnen sind. Beispiel 1. Polarkoordinaten im lR2 . Durch x = r cos cp, y Funktion f(x, y), (x, y) E D ~ lR 2 , transformiert in
= r sin cp
wird die
F(r, cp) := fer cos cp, r sin cp) .
Falls f E 'tf'2(D) , ergibt sich fur die partiellen Ableitungen von F aus der Kettenregel Fr = fx cos cp + fy sin cp , Frp = fxC-r sincp) + fy(r coscp) , Frr = fxx cos 2 cp + 2fxy cos cp sin cp + fyy sin 2 cp , Frrp = fxxC -r sin cp cos cp) + fXyr(cos 2 cp - sin 2 cp) + fyy(r sin cp cos cp) - fx sin cp + fy cos cp , Frprp = fxx (r2 sin 2 cp) + 2fxy( _r2 cos cp sin cp) + fvy (r2 cos 2 cp) - fxr cos cp - fyr sincp .
Lost man diese Beziehungen nach den partiellen Ableitungen von f erh1:llt man fur r =I 0
auf, so
~ Frp sin cp f y = Fr sm cp + r Frp cos cp fx = Fr cos cp -
.
1
und fur den LAPLAcE-Operator 1 1 l!..f := fxx + fyy = Frr + - Fr + -2 Frprp .
(13)
r
r
o
Beispiel 2. Kngelkoordinaten im lR3 • Durch
x
= r cos cp sin (),
y
= r sin cp sin (), z = r cos ()
(O:s cp < 2rr, O:s () :s rr)
erh1:llt man fur die Funktion f(x, y, z) F(r, cp, ()) := fer cos cp sin (), r sin cp sin (), r cos ()) .
Mehrfache Anwendung der Kettenregel und anschlieBendes Aufiosen ergibt fur den LAPLAcE-Operator l!..f := fxx + fyy + fzz = (14)
1 =Frr + -r2 Fr + r2 sm.1 2 () Frprp + 2r1 Fee + 2(cot())F e. r
o
389
§ 2. Reellwertige Funktionen mehrerer reeller Veranderlicher
Aufgaben
f
1. Gegeben sind die Funktionen f(x, y) = x 2 -
IR 2 --+ IR
i
= VIxYI
f(x, y)
'
f(x, y)
= Ixl + Iyl
a) Zur Veranschaulichung im IR3 bestimme und skizziere man - die Niveaulinien - die Graphen der Einschrankungen - den Graphen z = f(x, y)
(f(x, y) = const) (x = const bzw. y = const bzw. y/x = const) im Schragbild .
32 f . 32 f b) Soweit mi:iglich berechne man grad fund 6.j = 3x 2 + 3y2 und skizziere einige Gradienten. 2. a) Berechne die ersten und zweiten partiellen Ableitungen von
f
= In
Welchen Wert hat jeweils
vix 2 + y2;
j~x
f
= arctan
~ , x1
°.
+ fyy ?
b) Wie lautet jeweils die Gleichung der Tangentialebene im Punkt mit x
= 2,
y
=1 ?
c) Fur die Funktion f(x, y) = arctan ~, x 10, bestimme man - den Gradienten grad f im Punkt (1,2), -
die Richtungsableitung dvf im Punkt (1,2) mit v in Richtung von
~~,wenn 3. Die Funktion
z=
z=f(t-sint,I-cost), tEIR. f(p, q) ist definiert als die gri:iBte reelle Wurzel von Z2
+ pz + q =
°.
Wie lautet der Definitionsbereich von f; wie lauten die Hi:ihenlinien 3z 3z?. . 11 en Abl' partIe eltungen 3p' 3q
z = const. und die
4. Man berechne die ersten und zweiten partiellen Ableitungen der Funktion f(x, y, z)
=X· eXY / z
5. Fur f, g : IRn --+ IR rechne man nach:
f grad g , f 6.g + 2 (grad f) . (grad g) + g 6.f .
g grad f +
grad(f· g)
6.(f . g)
I
6. Gegeben ist die Funktion (Sinuskegel) f(x, y) =
-
(_~),
x3 - 3xi x2 + y2
' (x, y) 1(0, 0)
° ,
(x,y)=(O,O)
Man berechne gradf fur aile (x, y) E IR. Sind fx und fy in (0, 0) stetig? Besitzt f in (0, 0) eine Tangentialebene?
390
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 1: Differentiation
7. Die Funktion U = I(x, y), (x, y) E IR2, hat in Polarkoordinaten (r, cp) die Gestalt (Sinusparaboloid): U = F(r, cp) = I(r cos cp, rsincp) = r2 sin4cp . Man berechne: F,., F"" F,.,., F,."" F",,., Fcp", fUr r =0 , Ix, Iy ausgedriickt durch Fr , F"" - grad U in der Basis (el"' e",) , (---+ § 1, Aufgabe 5), IxxCO, 0), Ixy(O, 0), lyxCO, 0), lyy(O, 0) . 1st lyxCO, 0) = Ixy(O, 0) und ist Frrp(O, cp) = Frpr(O, cp)? 8. Die Funktion u(x, y, t) = sinx cos y cos(x + y) cos(x - y) cos wt
beschreibt fiir > 0 die Transversalschwingung einer biegeweichen Membran ]f in dem Quadrat Ixl + Iyl :':: "2 . a) Man zeige: gleichung
u lost die Schwingungs-
~:~ = c ~u = c O:~ + ~:~) 2
u
.
2
In welchem Zusammenhang stehen c und w?
x
b) In welchen Punkten ist zu allen Zeiten t stets u = 0 (Knotenlinie)? 9. Die Schnittkurve K der beiden Fliichen
z = I(x,
= 2x 3 y - X 2y 3 Z = g(x, y) = 3xy 3 +x 3 y2 y)
5
durchstoBt die x, y-Ebene in der Niihe des Punktes (xo, Yo) = (1, 1). Zur Verbesserung dieses Wertes bestimme man: a) die Tangentialebene von z = I(x, y) in (xo, Yo) ; b) die Tangentialebene von z = g(x, y) in (xo, Yo) ; c) den Schnittpunkt (Xl, Yl) der Schnittgeraden dieser beiden Ebenen mit der Ebene z =0; d) die Werte I(XI, Yl) und g(XI, Yl) . 10. Man zeige: Die Funktion
I : IR2
---+ IR
I(x, y) =
{ e -l/x 1
, X
10
, x =0
ist eingeschriinkt auf die Geraden y = mx, m E IR, stetig. 1st I iiber IR2 stetig? Man skizziere einige Niveaulinien von
I .
391
§3. Anwendungen der Differentiation
§ 3. Anwendungen der Differentiation 3.1 Die Bedeutung des Gradienten
CD
Richtung des starksten Anstiegs. Fur eine 'i'l-Funktion f : 1Rn ;2 D ~ 1R ist der Anstieg im Punkt XED in Richtung eines Vektors v E 1Rn, Ivl = 1 , gegeben durch Bvf(x) = grad f(x) . v = I grad f(x)1 cosa, wobei a den Winkel zwischen grad f(x) und v bezeichnet (~ §(10) und Kap. 1, §5). Dieser Anstieg ist am groBten fur cos a = 1 , d.h. fur a = O. Also gilt fur grad f (x) f. 0: Richtung von grad f(x) = = Richtung des maximalen Anstiegs der Funktion f
= Richtung mit groBtem Zuwachs von
f in x.
in x
Da f genau dann ansteigt, wenn - f abfallt, erhalt man damit gleichzeitig die Richtung des starksten Abnehmens ("AbfaIls") der Funktionswerte, namlich - grad f(x) . Speziell ergibt sich fur den Graphen einer 'i'l-Funktion f : ]R2 ;2 D ~ 1R: 1m Punkt (x, y) erfolgt der steilste Anstieg der Flache z = f (x, y) in Richtung von grad f(x, y). Die Ebene senkrecht zur (x, y)-Ebene durch den Flachenpunkt (x, y, f(x, y)) langs gradf(x, y) schneidet den Graphen in der "Fallinie".
(!; ) grad f(x,yJ Abb. 175 - gradf(x,y)
Anwendungen. 1. Die elektrische Feldstiirke E(x) im Punkt XED i [grad fx,(x + tv) . v]
,
i=l
Diese Werte in (4) eingetragen ergeben:
av/(x) ,
= av(. .. (avf(x)) ... )
h(1)=f(x+v) , n
1--*
die l-malige
,
= a f(x) , h(O) = a; f(x),
etc.: h(l)(O)
= a~f(x)
.
395
§3. Anwendungen der Differentiation
Satz 3.1. Die Taylor-Formel fur n Variable. 1st D ~ lRn ein konvexes Gebiet, f E 'i!fk+l (D, lR), xED, dann gilt mit x + v EDdie Approximationsformel
f(x + v) (5)
= f(x) + av!(x) + 2!1 a; f(x) + ... + k!1 a! f(x) + Rk(X, v)
mit dem Restglied mit einer Zahl
~k
Rk(X, v) =
(k;
1)! a!+l f(x + ~kV)
zwischen 0 und 1
Die Taylor-Formel dient zur Approximation von f(x) in der Umgebung eines festen Punktes Xo E D durch ein Polynom, das sog. Taylor-Polynom 1
p(x) := f(xo) + av f(xo) + ... + k! a! f(xo)
(mit v := x - xo). Der dabei auftretende Fehler f(x) - p(x) geht schneller gegen Null als Ix - xol k ; es gilt (6)
f(x)
Beweis fur k
= 2.
= p(x) + o(lx -
xol k )
Mit der Taylor-Formel (5) und v l I n
f(x)-P(x)=3!a;f(xo+~2V)=3!
L
.
=x -
Xo gilt
ViVjvzfxixjx,(XO+~2V).
i.j.k=l
1st f eine 'itf3 -Funktion, so ist fXiXjX/XO + ~v) mit v -... 0 beschriinkt, ebenso
I~I :S 1 fur aIle i (v i 0) . Daherstrebt
f(x) - p(x) Ivl2
1"
Vi Vj
=3!~fxixjx,(XO+~2V)TVTTVTvl gegen 0
(v-...O).
o Fur eine 'itfk-Funktion (k:::: 2) heiBt die nach Satz 2.2 symmetrische Matrix fXIXI (x) , ... , Hf(x) := (fx,Xj(x)) = (
:
fXnXI (x),
die HESSE-Matrix von f im Punkt x. Wegen av f(x) = grad f(x) . v und a; f(x) = v T H f(x)v lautet die Taylorformel (5) (mit x = Xo, v = x - xo) in den vielbenutzten Spezialfiillen k = 0, 1, 2 wie folgt:
396
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
a) f(x)
= f(xo) + grad
f(x) . (x - xo)
x auf der Strecke von Xo nach x f(x) = f(xo) + grad f(xo) . (x - xo) + ~(x mit
(7)
b)
(Mittelwertsatz), xol Hf(x*)(x - xo)
mit x* auf der Strecke von Xo nach x, 1 T c) f(x) = f(xo) + gra d f(xo)· (x - xo) + :2(x - xo) Hf(xO)(x - Xo) +o(lx - xoI 2 ).
Die anschauliche Deutung von (7c) fUr n
= 2, 3
n = 2: Der Graph z = f(x, y) wird in einer Umgebung des FHichenpunktes (xo, Yo, f(xo, Yo» approximiert durch die Schmiegquadrik z
=f(xo, Yo) + fx(xo, yo)(x 1
xo) + fy(xo, yo)(y - YO)+
1
2
+ :2 fxx(xo, yo)(x - xo) + fxy(xo, yo)(x - xo)(y - Yo) + :2 fyy(xo, yo)(y - Yo)
2
.
Dieses ist, falls Hf(xO, Yo) =j. 0, ein Paraboloid oder ein parabolischer Zylinder. Man nennt den Flachenpunkt iiber (xo, Yo) flach, wenn die Schmiegquadrik eine Ebene ist (Hf(xo, Yo) = 0), der Punkt heiSt elliptisch (hyperbolisch, parabolisch), wenn die Schmiegquadrik ein elliptisches Paraboloid (bzw. ein hyperbolisches Paraboloid, ein parabolischer Zylinder) ist.
-
~\ L-) Abb. 180 - Elliptischer, hyperbolischer, parabolischer Fliichenpunkt
z Beispiel.
Der Affensattel
z =x 3
-
3xi
hat im Punkt (x,y) = (0,0) einen Flachpunkt mit der (x, y)-Ebene als Tangentialebene. Die Hesse-Matrix lautet Hf
= (-~~
=~~)
,
Abb. 181 - Affensattel
ihre Determinante -36(x 2 + y2) ist auSerhalb von (0,0) stets < 0, d.h. jeder Punkt der Flache mit (x, y) =j. (0,0) ist hyperbolisch. 0
397
§3. Anwendungen der Differentiation
n = 3: Die Niveauflache f(x, y, z) = c wird in der Niihe eines Fliichenpunktes (xo, yo, ZO) approximiert durch die Quadrik X - Xo ) (X - Xo grad f(xo, Yo, zo)· ( Y - Yo + ~ Y - Yo z - zo z - Zo
)T Hf(xo, yo, zo) (Xy --
Xo ) Yo = 0 . z - Zo
Beispiel. Als Schmiegquadrik besitzt die Niveauftiiche
x cos y + Y cos z + z cos x = 2 im Fliichenpunkt (0,0,2) ein zweischaliges Hyperboloid
o
x + (cos 2)y + (z - 2) - x 2 - (sin 2)y(z - 2) = 0 .
Bemerkung. Wird (auf irgend eine Weise) eine Approximation der Form f(x) = ao +
L ai(xi -
XOi) +
L aij(xi -
XOi)(Xj - XOj) + ... + o(lx - xol k )
i.j
ermittelt, dann sieht man leicht durch Differenzenbildung mit der Taylor-Formel, daB es sich hierbei bereits urn die Taylor-Approximation handelt. Diese Beobachtung erlaubt die Berechnung der Taylor-Approximation aus bekannten Reihenentwicklungen (-+ Kap. 5, 4.3). Beispiel.
ex+Y + sin(xy)
= 1 +x + y + ~(x + y)2 + i!(x + y)3 +xy -
+o(x2+y2)3/2).
i!(Xy)3+ 0
3.3 Implizite Funktionen. Urn eine Funktion g : lR,
;2 D -+ lR, mit den Methoden der Differentialrechnung zu diskutieren, war es bis hierher im konkreten Fall stets notig, daB g durch einen expliziten Formelausdruck y = g(x) mit y den elementaren Funktionen der Analysis (-+ Kap. 2 u. 3) darstellbar ist. Hat man dagegen den Zusammenhang zwischen x und y implizit durch eine reelle Gleichung f(x, y) = 0 gegeben, so ist "y als Funktion von x" noch nicht eindeutig festgelegt, da es zu eix x nem festen Xo mehrere Losungen y Abb. 182 - Implizite Funktion von f(xo, y) = 0 geben kann.
Definition. Sei f : lR,2 ::) D -+ lR,. Man sagt, durch f(x, y) = 0 ist auf dem Interval! I ~ lR, eine implizite Funktion g : I -+ K mit Werten in K ~ lR, erkliirt, wenn es zu jedem x E I genau ein y E K gibt mit (x, y) E D und f(x, y) = O. Dieses y wird mit g(x) bezeichnet.
Anschaulich: Der im Rechteck {(x, y) ; X E I, Y E K} verlaufende Bogen der Niveaulinie f(x, y) = 0 ist als Graph y = g(x) darstellbar.
398
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
Beispiele. 1. Durch f(x, y) = 3x + 2y - 1 = 0
(D = lR?) ist die implizite
Funktion g : IR ~ 1R, g(x) = ~(1 - 3x) erkHirt. In diesem Fall ist f(x, y) explizit fiir jedes x E IR eindeutig nach y auf/as bar.
=0
2. Durch f(x, y) = eY + l +x3 +x2 - 1 = 0 (D = 1R2 ) ist ebenfalls genau eine implizite Funktion g : IR ~ IR erklart; denn zu jedem x E IR hat die Gleichung eY + l = 1 - x 2 - x 3 genau eine Lasung y =: g(x) (h(y) := eY + y3 ist strikt monoton wachsend und hat als Wertebereich 1R). Durch formale Manipulation kann die Gleichung e Y + l +x 3 +x 2 -1 = 0 nicht nach y aufgelast werden. Ohne eine explizite Darstellung zu besitzen, ist daher nur die Existenz einer (eindeutig bestimmten) Funktion g gesichert mit eli(x) + g(x)3 + x 3 + x 2 - 1 = 0 .
3. Durch x 2 + i-I = 0 sind implizit zwei Funktionen g[ : [-1, 1] ~ [0, I] , g[(x) = ~ und g2 : [-1, 1] ~ [-1,0], g2(X) = -~ erklart. 0 Satz 3.2 fiber implizite Fuuktionen. Sei D s::; IR 2 offen und f : D ~ IR stetig partiell difJerenzierbar. 1st (xo, YO) E D ein Punkt der Niveaumenge f(x, y) = 0 mit fy(xo, YO) =j. 0, dann gibt es Intervalle I s::; IR und K s::; IR mit Mittelpunkt Xo bzw. Yo so daj3 gilt: a)
R={(X,Y);XEI, YEK}S::;D und fy(x,y)=j.Ofiiralle (x,Y)ER.
b)
Durch f(x, y) = 0 ist auf I eindeutig eine difJerenzierbare implizite Funktion g : I ~ K (mit Werten in K) erkliirt mit der Ableitung
(8)
g'(x)
=-
fAx, g(x)) fy(x, g(x))
= _ fAx, y) fY(x, y)
for aile x
E
I .
Beweis. Wir gehen aus von (xo, YO) = (0,0) und fy(O,O) > 0, was man durch Koordinatenverschiebung und evtl. Ubergang zu - f stets erreichen kann. a): Aufgrund der Stetigkeit von fy gilt fY(x, y) > 0 in einer ganzen Umgebung U = {(x, y); x 2 + i < c2 } (c > 0) des Nullpunkts. b): Wir betrachten nun f nur noch auf hO Rechtecken {(x, y) ; -a :s x :s a, -fJ :s f=O y :s fJ } , die ganz in U enthalten sind. Da die Funktion y ~ f(O, y) (mit f(O,O) = z x 0) echt monoton wachst (~ Kap. 3), gilt f(O, -fJ) < 0, f(O, fJ) > 0 und deshalb (wegen der Stetigkeit) f(x, -fJ) < 0, f(x, fJ) > 0 fiir ein hinreichend kleines InAbb. 183 - Zurn Beweis tervall -a:S x :s a . Mit solchem a wahlen wir I := (-a, a), K := (-fJ, fJ). Fiir x E I ist (wieder wegen fy(x, y) > 0) die Funktion y ~ f(x, y) echt monoton wachsend und deshalb gibt es genau ein y E K mit f(x, y) = O. Das zu x E I eindeutig bestimmte y mit f(x, y) = 0 wird mit g(x) be-
399
§3. Anwendungen der Differentiation
zeichnet. Fur jede Folge (Xn)no::l aus I mit Xn -+ x gilt g(x n ) -+ g(x) (wegen f(x n , g(x n » -+ f(x, y»; also ist g stetig. Fur x E I, Y = g(x), ~y = g(x + ~x) - g(x) und ~x hinreichend klein gilt nach dem Mittelwertsatz (-+ (7a» f(x + ~x, y + ~y) - f(x, y) = fxC~, 17)~X + fy(~, 17)~y mit ~ (bzw. 17) zwischen x und x + ~x (bzw. y und y + ~y). Aus f(x, g(x» = f(x + ~x, g(x + ~x» = 0 und der Stetigkeit der partiellen Ableitungen ergibt sich D
Bemerkuug. Zu Teil b) des Satzes sagt man auch: f(x, y) = 0 ist urn (xo, YO) lokal eindeutig durch eine implizite Funktion y = g(x) auftosbar. Das Wort "lokal" bezieht sich stets auf eine nicht niiher beschriebene Umgebung eines Punktes, hier (xo, YO) .
Nachdem die Differenzierbarkeit bewiesen ist, berechnet man die Ableitung mit der Kettenregel aus der Identitiit f(x, g(x» = 0 und fiihrt auch fiir die hoheren Ableitungen von g(x) so fort: f(x, g(x»
=0
=0
=}
fxCx, g(x» + fix, g(x»g'(x)
=}
(jx + fygt + (jx + fyg')y g' = 0
=}
(fxx + fyxg') + fyg" + (fxy + fyyg')g' = 0
etc. N ach g' bzw. gil aufgelost, erhiilt man g'(x)
= -j;
; g"(X) = - A(jxx +2fxyg' + fyyg,2), = - f\ (jxx (fy)2 - 2 fxY/x fy + fyy (fx)2) . y
Insbesondere gilt damit in Punkten mit g' (x) = 0 stets gil (x) = Die durch f(x, y) = 0 bestimmte implizite Funktion y hat in (x, y) eine horizontale Tangente, wenn f(x,y)=O,
fxCx,y) =0 ,
fix,y)=lO.
fxx(x, y) 0 x ist eine lokale Maximumstelle, wenn fy(x, y) > , fxx(x, y) 0 lokale Minimumstelle, wenn fy(x, y) < .
;x?, i ' y y x, y
= g(x)
d.h.
400
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
Beispiel. Fur die Funktion g(x) im obigen Beispiel 2 gilt g'(x)
= _ fAx, y) = _ 3x 2 + 2x
fy(x,y) eY +3 y2' wobei y durch f(x, y) = 0 aus x bestimmt ist. Fur x = 0 und x = - ~ ist g'(x) = O. Mit fxx(x, y) = 6x + 2 hat g(x) in 0 eine lokale Maximum- und in - ~ eine lokale Minimumstelle. 0
Abb.184- !(x,y)=eY +y3+ x 3+ x 2=1
Satz 3.2 gilt allgemein fur '/t'1-Funktionen f : IR n ;2 D eines Punktes (a], a2, ... , an) E D mit f(al,a2, ... ,an)=0,
---+
IR in einer Umgebung
fxJal, ... ,an)=lO:
Es gibt eine Umgebung U des Punktes (al, ... , an-d und ein offenes Intervall K S; IR, das an enthalt, so daB gilt a) R:= {(Xl, ... ,Xn-I,Xn); (Xl, ... ,Xn-l) fur aIle x E R .
E
U, Xn
E K} S;
D und fxn(x) =10
b) Zu jedem Punkt (Xl, ... ,Xn-l) E U gibt es genau eine Zahl Xn E K mit f(Xl, ... , Xn-l, xn) = O. Durch Xn := g(x], ... , Xn-l) ist eine partiell differenzierbare Funktion g : U ---+ K erklart mit den Ableitungen (9)
~(
aXi
) __ fXi(Xl, ... , xn) Xl,···,Xn-1 f Xn (XI, ... , Xn )
O:Si:sn-l).
Geometrische Deutuug fur n = 3. Die Niveaufiache f(x, y, z) = 0 einer '/t'l_ Funktion ist um jeden Flachenpunkt (a, b, c) mit fz(a, b, c) =I 0 (Tangentialebene nicht parallel zur z-Achse) lokal darstellbar als Graph z = g(x, y) einer '/t'l-Funktion g. Beispiel. Durch f(x, y, z) = x cos y + y cos z + z cos x - 2 Funktion z = g(x, y) erklart. Es gilt g(O, 0) = 2 gx g)'
(0 0) - _ fAO, 0, 2) __ cos y - z sin x I , fz(O, 0, 2) -ysinz+cosx (0.0.2)
=0 -
ist implizit eine
-1 ,
-2 (0 0) __ f),(0,0,2) - _ -xsiny+coszl , f z(0 , 0 , 2) --y . cos . SIll Z + cosx (0,0,2)
0
3.4 Lokale Minima und Maxima. Sei f : D ---+ IR eine Funktion von n Variablen. Ein Punkt a E D heiBt lokale (oder relative) Maximalstelle (bzw. Minimalstelle) von f, wenn es eine r-Umgebung Urea) = {x E IR n ; Ix - al < r} von a gibt, so daB fur aIle x E Ur n D gilt: f(x)
:s
f(a)
(bzw. f(a)
:s
f(x))
Gelten diese Ungleichungen jeweils fur aIle xED, dann heiBt a eine globale
401
§3. Anwendungen der Differentiation
(oder absolute) Maximal- bzw. Minimalstelle. Die Zahl f(a) heiBt (fallweise) lokales oder globales Maximum oder Minimum. Ein Extremum oder Extremwert (lokal oder global) ist ein Minimum oder ein Maximum.
z=flx,y)
Abb. 185 - Extremstellen von z = f(x, y)
Eine der Hauptaufgaben der angewandten Analysis ist die Bestimmung der Extremalstellen einer Funktion f(x) auf einem Bereich D. Man schreibt hierfiir f(x) = Extr!
(x
E D)
(bzw. f(x) = max! oder f(x) = min!). Je nachdem ob die Extremalstellen im Innern oder auf dem Rand von D liegen, hat man unterschiedliche Charakterisierungen: Satz 3.3. Lokale Extrema im Innern von D auf Ur(a) , a E IRn , eine 'G'l-Funktion, so gilt
1st f
a ist lokale Extremstelle von f
=}
grad f(a)
=o.
Beweis. Nach Voraussetzung besitzt die reelle Funktion einer Variablen h(t) := f(a + te;) in t = 0 eine (innere) 10kale Extremalstelle. Also gilt . 0= h(O)
af
= ax/a)
(1
-:s i -:s n).
o
Man nennt a E IRn einen stationaren Punkt von f, wenn grad f(a) = 0 gilt. Satz 3.3 besagt, daB man die inneren lokalen Extremalstellen unter den stationaren Punkten zu such en hat. Einen stationaren Punkt, der keine Extremalstelle ist, bezeichnen wir als Sattelpunkt. Zur Identifizierung eignet sich das folgende Ergebnis. Satz 3.4. Extremstellen-Test fUr n Variable 1st U S; IRn offen, a E U ein stationarer Punkt einer Funktion f E 'G'2(U, IR) und Hj(a) = (fxiXj(a)) E IRnxn die Hesse-Matrix von f in a, dann gilt:
a)
Hj(a) positiv definit
=}
a ist lokale Minimalstelle,
b)
Hj(a) negativ definit
=}
a ist lokale Maximalstelle,
c)
Hj(a) indefinit
=}
a ist Sattelpunkt.
Beweis. Mit grad f(a) (10)
=0
und (7) gilt fUr alle x in einer r-Umgebung von a
f(x) - f(a) = i(x - al Hj(a*)(x - a)
402
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
mit einem a* zwischen x und a. Hf(x) ist stetig und daher mit Hf(a) auch in einer ganzen Umgebung von a positiv definit (bzw. negativ definit, bzw. indefinit). In dieser Umgebung ist die rechte Seite von (10) im Fall a) stets positiv, im Fall b) stets negativ, also f(x) 2: f(a) bzw. f(x):s f(a). 1m Fall c) ist f(x) - f(a) in jeder Umgebung von a sowohl positiv als auch negativ. 0 Spezialfall n = 2. Sei a = (ai, a2) stationarer Punkt einer 'i:f2-Funktion f in 2 Variablen. Unter Berucksichtigung des Positivi tats-Tests (~ Kap. 6, 7.5) liefert in diesem Fall Satz 3.4 mit der Hesse-Matrix Hf(a)
= (fxx(a) fyx(a)
fxy(a)) fyy(a)
den Extremstellen-Test fur 2 Variable: a = (aj.a2) stationiirer Punkt, d.h.
fAa) = fy(a) = O.
det Hf(a) > 0, fxx(a) > 0 =}a 10kale Minimalstelle, det Hf(a) > 0, fxx(a) < 0 =}a lokale Maximalstelle, det Hf(a) < 0 =} a ist Sattelpunkt.
a) b) c)
Beispiel 1. (n = 2). Die Funktion f(x, y) = 2x4 + y4 _ 2x2 _ 2y2, (x, y)
E
IR? , hat 9 station are Punkte
aj
= (0, 0)
a3
=(0, -1) ,
,
1
as = ( .J2' 1) , 1 a7=(- .J2,0), -1.25
1
a9 = (- .J2' -1) .
Abb. 186 - Z = 2x4
-1
+ l- 2x2 - 2i
Fur diese Punkte gilt al
a2
a3
-4
-4
fyy(a;)
-4 -4
8
8
fxy(a;)
0
fxx(a;)
det Hf(a;)
a4 as a6 8 8 8
-4
8
8
a7 as a9 8 8 8
-4
8
8
0 0 0 0 0 0 0 0 16 -32 -32 -32 64 64 -32 64 64
Demnach hat f bei al ein lokales Maximum, bei as, a6, as, a9 lokale Minima und Sattelpunkte in a2, a3, a4, a7. 0
403
§3. Anwendungen der Differentiation
Der Fall det Hf(a) = O. Hier muB man direkt das Vorzeichenverhalten von f(x) - f(a) entweder langs Schnitten oder sogar in vollen Umgebungen von a untersuchen.
Beispiel 2 (n = 2). Fur die Funktion f(x, y) = (y - 2x2)(y - x 2), (x, y) E m? , ist (0,0) ein stationarer Punkt mit f(O,O) = 0 und det Hf(O, 0) = O. Obwohl die Funktion langs aller geraden Schnitte in (0,0) ein lokales Minimum besitzt, ist (0,0) ein Sattelpunkt, da f(x, y) < 0 fur aIle (x, y) mit x 2 < y < 2x2 und f(x,y) > 0 fur y > 2x2 oder y < x 2 . 0 Beispiel 3 (n = 3 ). u(x, y, t) = sin x cos y cos(x + y) cos(x - y) cos wt beschreibt fur t 2: 0 die Transversalschwingung einer biegeweichen Membran in dem Quadrat D: Ixl + Iyl :::: ~ (---+ §2, Aufg. 8). Wann und wo die graBte Auslenkung eintritt, ist bestimmt durch grad u(x, y, t) =O. Die Bedingung u, = 0 fuhrt auf sin x cos y cos(x + y) cos(x - y) sin (J)f = 0 , d.h. t = ~ (k E :&:) oder x = 0 oder y = ~ oder Ixl + Iyl = ~. Letzteres ist der Rand, x = 0 ist eine Knotenlinie. Differentiation nach x bzw. y liefert cosycosx[cos(x + y)cos(x - y) - 2sin 2 x]coswt ,
ux = uy
=-
sin x sin y[ cos(x + y) cos(x - y) + 2 cos 2 y] cos wt .
Da cos x und cos y nur im Rand verschwinden, bleibt nur der Fall y cos 2 x - 2 sin 2 x Fur
t
=~
= O.
Das liefert die beiden Punkte (x, y)
ist somit die maximale Auslenkung
u
= ±~-J3.
=0
und
= (± arccos fi, 0)
. 0
* 3.5 Ausgleichsrechnung.
Sind in der Praxis die Werte gewisser Konstanten x I, ... , Xn aus experimentellen Messungen zu bestimmen, so treten folgende Probleme auf: a) Jede Beobachtung birgt einen MeBfehler, daher werden zur Sicherheit stets mehr Messungen durchgefuhrt, als zur eindeutigen Bestimmung der Xi natig sind. b) 1m allgemeinen sind die Werte Xi nicht unmittelbar meBbar, sondern nur implizit uber die (bekannten) GesetzmaBigkeiten des Versuchsaufbaus aus den MeBgraBen Yl, ... , Ym ableitbar. Nach AbschluB der Messungen liegt somit ein iiberbestimmtes Gleichungssystem fUr die Xi vor: (11)
m > n. Ym
= fm(Xl,
... ,xn ).
Nimmt man an, daB jede der GraBen Yi mit derselben MeBunsicherheit behaftet ist, so wendet man seit C. F. GAUSS die Methode der kleinsten Quadrate an, urn eine "Lasung" x zu bestimmen, welche die unvermeidlichen Reste
404
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
Yi - fi(XI, ... , Xn) gleichmaBig minimiert, d.h. fur welche m
F(XI, ... , xn) :=
L
(Yi - fi(Xl, ... , Xn))2 = Min!
i=1
Man bezeichnet ein solches x als "im quadratischen Mittel beste" oder "ausgleichende" Lasung von (11) und unterscheidet zwischen linearen und nichtlinearen Ausgleichsproblemen, je nachdem ob aIle Funktionen fi linear in den Xi sind oder nicht.
CD Lineare Ausgleichsprobleme.
In diesem FaIle steIlt (11) ein uberbestimmtes
lineares Gleichungssystem dar,
Ax = y,
A
E
IRmxn, m > n ,
es fuhrt auf das Minimalproblem (12)
= lAx -
F(x)
yl2
= Min!
mit quadratischem Polynom F(x)
=(Ax -yl(Ax -
y)
= x T AT Ax -
2xT ATy+yTy .
Daher ist Satz 3.3 anwendbar und man erhalt als notwendige Bedingung fur die Lasung von (12) mit Formel (11) aus §2 grad F(x)
= 2AT Ax -
2AT Y =0 ;
das ist ein lineares n x n-Gleichungssystem
I
(13)
AT Ax = ATy .
Man nennt (13) die GauJ3-Normalgleichung des linearen Ausgleichsproblems (12). Beispiel. Wird ein Fahrzeug aus der Geschwindigkeit v auf Stillstand herabgebremst, so setzt man fur den Bremsweg Y eine quadratische Abhangigkeit von v an Y =av 2 +bv+c. Zur Bestimmung von a, b, c werden 5 Messungen durchgefiihrt Vi
Die Normalgleichung
[km/h]
9
17
17
25
35
Yi[m]
3
9
5
14
23
405
§3. Anwendungen der Differentiation
ergibt ohne MaGeinheiten das Gleichungssystem mit Koeffizientenmatrix 25
2064853 69055 2509 41214) ( 69055 2509 103 1420 54 2509 103 5
14
und eindeutiger Lasung a:;:,;;
0.012, b:;:,;; 0.259, c:;:,;; -0.525. D
/ /. 17
35 x
25
Abb. 187 - Ausgleichende Parabel
Allgemein gilt Satz 3.5 a)
b) c)
Das lineare Ausgleichsproblem (12) ist immer LOsbar. Die Losungen von (12) und (13) stimmen uberein. Fur zwei Losungen x, Xo von (12) oder (13) gilt stets Ax = Axo. 1st Rang A = n, so ist die AusgleichsLOsung eindeutig.
Beweis. a): Da F(x) 2: 0 fiir aIle x E tischen Polynoms F(x) die Gestalt afzf+·· .+a;z;+y2 besitzen (~ Kap. 6, 7.3). Der minimale quadratische Fehler ist also y2, er wird in den Punkten mit den z-Koordinaten ZI = ... = Zr = 0 angenommen. b): Mit Satz 3.3 erfiillt jede Minimalstelle Xo die Normalgleichung (13). 1st umgekehrt Xo eine Lasung von (13), so gilt AT (Axo - y) = 0, d.h. das Residuum r = Axo - y ist orthogonal zu allen Spalten von A und damit orthogonal zu Ax fiir jedes x E lR,n , folglich gilt (14)
lAx - yl2
= lAx -
lR,n ,
muG jede Normalform des quadra-
n=2
Abb. 188 - Lineare Ausgleichung
= lAx - Axol2 + Irl 2 2: y2 = r2 fiir x = Xo an.
Axo + Axo - yl2
Id .
Daher nimmt lAx - yl2 sein Minimum e): 1st x eine weitere Lasung von (12), so muB mit (14) lAx - Axol = 0 sein. Fiir RangA = n folgt aus A(x - xo) = 0 sofort x = Xo . D Der Satz zeigt bereits zwei Wege auf, wie man im konkreten Fall die Ausgleichslasung bestimmen kann: 1. Weg (Direkte Lasung der Normalgleiehung). Bereehne B = AT A, z = AT y und lase Bx = z mit Gauss-Elimination. 2. Weg CUber orthogonale Transformation). Mittels ebener Drehungen, Spiegelungen oder iiber das SCHMIDT-Orthogonali-
406
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
sierungsverfahren wird sukzessive eine orthogonale Matrix P berechnet, so daB P A obere Dreiecksgestalt besitzt, d.h.
Mit h := Py =
(~~),
hI
E lR,n,
h2
E lR,m-n
folgt damit (--+ Kap. 6, Satz 6.2)
lAx - yl2 = IPAx - pyl2 = IDx - hII2 + Ih212. Das Minimum wird also erreicht, wenn Dx = hi . Dieses n x n Gleichungssystem besitzt bereits Stufenform und ist daher leicht aufzulasen.
In der Anwendung ist der zweite Weg zwar aufwendiger, aber in den numerischen Ergebnissen dafur zuverHissiger. In der folgenden Procedure Linfi t wird (nach Weg 2) Ax = y uber sog. HOUSEHOLDER-Spiegelungen auf Stufenform gebracht. (Zur Vereinfachung wird die rechte Seite y als (n + l)-te Spalte einer m x (n + I)-Matrix A(I,K) gespeichert.) Procedure Linfit , ---- n Householder-Spiegelungen For 1=1 To N S=O For J=I To M S=S+A(J,I)*A(J,I) Next J I f S=O Then Print "Matrix singulaer" End Endif V=Sqr(S) If A(I,I»O Then V=-V Endif X(I)=V F=S-V*A(I, I) ACI,I)=ACI,I)-V For K=I+1 To N+1
® Nichtlineare Ausgleichsprobleme.
S=O For J=I To M S=S+A(J,I)*A(J,K) Next J S=S/F For J=I To M A(J,K)=A(J,K)-A(J,I)*S Next J Next K Next I , ----- Aufloesung ------------X(N)=A(N,N+1)/X(N) For I=N-1 To 1 Step -1 S=A(I,N+1) For J=I+1 To N S=S-A(I,J)*X(J) Next J X(I)=S/X(I) Next I Return
In diesem FaIle kann die "beste Lasung" von (11) meist nur angenahert bestimmt werden. Das einfachste Verfahren wurde bereits im Beispiel von 3.1 vorgesteIlt: Man wendet das Gradientenverfahren auf die Funktion F(x) = ly-f(x)1 2 an. In vielen Fallen ist es jedoch vorteilhafter, fur einen Naherungswert x, der verbessert werden solI, die lineare Approximation bereits in den Gleichungen (11) durchzufuhren:
§3. Anwendungen der Differentiation
YI = II (x) + grad /J (x) . (x - x)
Ym = 1m (x) + grad 1m (x) . (x -
+ o(lx - xl) ,
x) + o(lx - xl) .
Anstelle von Iy - f(x)1
=Min!
(15)
Iy - f(x) - /f(X)(X - x)1 2 = min!
gelast, wobei die m x n-Matrix
407
wird somit das lineare Ausgleichsproblem
_ /f(X) =
( (grad ~I (x)l ) :
(grad 1m (x)l n die Funktional- oder Jacobi-Matrix von f : lR -?- lRm an der Stelle x bezeichnet (-?- §4). Die Lasung x - x von (15) liefert dann die Richtung, in welcher der nachste verbesserte Niiherungswert x fur die Ausgleichslasung zu such en ist. Genauso wie beim Gradientenverfahren wird x durch fortschreitende Halbierung von x - x so bestimmt, daB Iy - f(x)1 < Iy - f(x)1 . 'Programm NLSQ ----------------Dim F(6),X(3),A(6,4),T(6),Y(6) M=6 N=3 For I=l to M Input "t(i), y(i)= ", T(I), Y(I) Next I Input "a,b,c= I1,A,B,C
Gosub F(A,B,C) FO=F L=O Repeat For I=l To M A(I,l)=l A(I,2)=Exp(C*T(I)) A(I,3)=B*T(I)*Exp(C*T(I)) A(I,4)=F(I) Next I Gosub Linfit Lambda=l Repeat A1=A+Lambda*X(1) B1=B+Lambda*X(2) C1=C+Lambda*X(3)
Gosub F(A1,B1,C1) Exit If F
20xi + 5x 4
°
= 0,
x > 0, y > 0.
a) In der Umgebung welcher Punkte ist implizit eine Funktion y = f(x) bestimmt? Berechne dort
!' = ~;
implizit.
b) In welchen Punkten der Kurve ist Wert von f".
!'
= O? Berechne fur diese Kurvenpunkte den
415
§3. Anwendungen der Differentiation
Nk sind die Niveaulinien U(x, y) = k) der Funktion
8. Die Cassini-Kurven f(x, y) = [(x + 1)2 +
II . [(X -
1)2 +
II , x, y E JR..
a) Auf welcher Kurve T liegen die Punkte mit Tangenten parallel zur x-Achse? Fur welche Werte von khat Nk genau 4 derartige Punkte? b) Fur den Fall k = I (Lemniskate) diskutiere man die Auftosungen nach y mit maximalem Definitionsbereich und bestimme man die Tangenten in (x, y) = (0,0) .
c) Fur welches k > 1 verschwindet die Kriimmung von Nk in den Punkten mit x = 0 (Rennbahnkurve)? Man skizziere die Kurve!
y
9. Die KEPLER-G1eichung 2n yt = ,/.'I'
-
. ,/. Esm 'I'
x
bestimmt den Ort eines Planeten auf einer A Ellipsenbahn in Abhangigkeit von der Zeit t nach dem 2. Kepler-Gesetz (0 < E < I numerische Exzentrizitat der Ellipse, 1jf = 1: AOQ, T Umlaufzeit). Man zeige, daB implizit genau eine Funktion 1jf = 1jf(t) definiert ist und bestimme ihre Extremstellen (-+ Band 2: Kap. 9, §3, Aufg. 11 und Kap. 11, 4.5). 10. Gilt fUr die 'i;fl-Funktion f: JR.3 -+ JR. im Punkt x f. 7" 0, fy 7" 0, fz 7" 0, so kann in einer Umgebung nach x, y und z aufgelost werden: x = x(y, z), y = y(x, z), z = z(x, y). Man zeige, daB fUr die Ableitungen dieser Funktionen ax . ay . ~ =-1 ay az ax
gilt und uberpriife dies an der Van-der-Waals-Gleichung f(p, V, T) = pV - RT . II. Wird eine Schraubenfeder belastet, so ruft dies Torsion und Biegung im Werkstoff hervor. 1st F die Belastung in Richtung der Schraubachse, so sind folgende KenngroBen der Feder Funktionen von F: Die Hohe H, der Radius r, die Windungszahl n, die Torsion T und die Kriimmung K. Die Werte fUr F = 0 seien Ho, ro, no, TO bzw. KO. Konstant bleiben bei Belastung L: die Lange, G J: die Torsions- und E J: die Biegesteifigkeit des Werkstoffes. Zerlegt man in jedem Punkt der Feder das Belastungsmoment M in M B: das Biegeund M r : das Torsionsmoment (-+ Bsp. in 1.2), so erhalt man drei implizite Gleichungen fur H(F), r(F) und n(F):
416
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 1: Differentiation
Die Torsionsgleichung GJ(eo - e) = -mT liefert (---+ §l (14» G J . ( Ho
Lro
J L2 -
Die Biegegleichung E J (KO
- K)
EJ . (
H2 0
~ Ju Lr
H2)
= F . r . Ju -
H2 .
= -m B ergibt
L2 - HJ L2 _ H2) ro r = - F .r .L .H .
n = n(F) ist bestimmt durch die Beziehung
a) Fur we1che Belastung Fmax ergibt sich aus (*) und (**) H(Fmax) = O? b) Man berechne aus (*), (**), (* * *) sin ao =
~o
H'(O), r'(O) und n'(O) und bestiitige (mit
) die gebriiuchlichen Niiherungen:
H'(O)· F = _Lr2(COS 2 a o + Sin 2 a o ). F EJ o GJ 3. (2 cos 2ao ) r-ro~r'(O)·F =ros m ao GJ - EJcos 2 ao ·F
H - Ho
n - no
~
~ n'(O)· F
=
2~ roL sin ao cosao[E1J
- dJJ . F .
12. Man lose im IR? I(x, y) = x 2 - xy + l- x = Extr! 1st hier auch ein Eigenwertproblem versteckt?
NB. g(x, y) = x 2 + l- 1 :::: O.
13. Gegeben ist die reelle Funktion I(x, y) = sin[rr(x 2 + y)] + cos(rry) uber dem Bereich (der reellen Ebene) A = {(x, y) ; 0:::: y :::: 1 - x 2 } • a) Man skizziere A. b) Man bestimme die stationiiren Punkte von z
= I(x, y)
im Innem von A.
c) Man diskutiere die Funktion g(x) := I(x, 0) in Ixl:::: 1. Gefragt sind: g'(x), gl/(x), die Symmetrie zu den Achsen, die Extrema, die Wendepunkte, die Monotonie- und Konvexitiitsbereiche sowie eine sorgfiiltige Skizze. (Hinweis: Fur u ~ .6532712 ist cos u = 2u . sin u ) d) Wo liegen die lokalen Extremstellen von z
= I(x, y)
=1 -
auf y
x 2 , y::: O?
e) Man ermittle Lage und Wert der global en Extrema von z = I(x, y) auf A und trage die Punkte in die Skizze von A ein. 14. Die groflte Raute in einem Wiiifel. Fur we1che Werte von a, b (-1 :::: a, b :::: +1)
ist das ebene Viereck mit den vier Ecken A=(1,a,-l), B=(b,I,-l), C=(-I,-a,I), D = (-b, -1, 1) ein gleichseitiges mit maximalem Fliicheninhalt? Tip: Lagrange-Multiplikatorenregel verwenden!
15. Von allen Vierecken mit gegebenen Seiten a, b, c, d (in der skizzierten Reihenfolge) ist das fliichengroBte stets ein SehnenvierMan zeige dies mittels Lagrangeeck. Multiplikatorregel.
~ .i.~ . . '
c
/
(j A
r
c
~
•
b
B
417
§3. Anwendungen der Differentiation
16. Fur eine Rinne mit Trapez-Querschnitt gebe man den Zusammenhang f(h, a, A, U) = 0 fur die Hohe h, den Neigungswinkel a, den Querschnittsinhalt A und U gemiiB Skizze. Man lose damit fiir 0< - h < - l!... 2 sina
O 0) . Randelt es sich in 0 und X urn elektrische Ladungen der Starke Q bzw. q, so gilt (nach COULOMB) fur die elektrische Anziehungskraft dieselbe GesetzmaBigkeit mit c = kqQ, k > O.
Abb. 193 - Zentralfeld
Das zentrale Kraftfeld K(x) ist quasilinear (---+ Bsp. 3, 4.1), daher ergibt sich mit Ableitungsregel (4c) und der Einheitsmatrix E E lR3x3 fur x;iO
/K(X) ist stets eine symmetrische Matrix mit Spur /K(X) = 0 (---+ 4.4).
D
423
§4. Vektorwertige Funktionen
Beispiel 3. Der magnetische Wirbel. Ein gerader stromdurchftossener Draht hat die Richtung der e3-Achse. Nach AMPERE bildet sich das magnetische Feld
H(x)
= 1x 12 -
c
(e3'x )2 e3 x x
=~(-~~), 0 Xl +X2
(Xl, X2)
i
(0, 0), c > 0 .
Abb. 194 - Magnetischer Wirbe1
Dieses Feld ist wieder quasilinear (--+ Bsp. 3, 4.1) und mit der Ableitungsregel (4c) ergibt sich
Obwohl die Feldlinien wie in Bsp. 1 Kreise sind, ist /H(X) hier eine symmetrische Matrix, d.h. fUr (Xl, X2) i (0, 0) ist rot H(x) = 0 (--+ 4.4). AuBerdem ist fur (Xl, X2) i (0, 0) Spur JH(X) = 0, d.h. div H(x) = 0 . 0 Beispiel 4. Die laminare Rohrstromung. Eine ziihe Flussigkeit wird durch ein zur x2-Achse koaxiales Rohr vom Radius r mit geringer Geschwindigx J keit gepreBt, so daB eine laminare /y(x) Stromung eintritt. Das Geschwindigkeitsfeld wurde unabhiingig voneinAbb. 195 Rohrstromung ander urn 1850 von dem deutschen Ingenieur G. HAGEN und dem franzosischen Arzt POISEUILLE bestimmt zu
V(X"X2. x,)
=, (r2 - ~ -
r) .
x
xf + x~
:s r2,
c > 0 .
Die Jacobi-Matrix berechnen wir direkt: /v(x)
= C ( -2Xl0
o
0 0 0
0)
-2X3
0
/v(x) ist i.a. weder symmetrisch noch schiefsymmetrisch, jedoch ist mit = 0 auch hier div v = 0 (--+ 4.4). 0
Spur /v
424
7. Funktionen in mehreren Variablen. Teil I: Differentiation
4.4 Gradient, Divergenz, Rotation, Laplace-Operator. Jedem ,/&"I-Skalarenfeld f : m? 2 D --+ JR. wird das Vektorfeld "Gradient" zugeordnet
grad f : D --+ JR.3,
grad f(x) :=
[
~(x)) aXI :;2 (x)
,
~(x) aX3
jedem ,/&,,2-Skalarenfeld f : JR.3 2 D --+ JR. mit dem Laplace-Operator ~, J.S. LAPLACE (1749 - 1827), das Skalarenfeld ~f: ~f
: D --+ JR. ,
~f(x)
2
2
2
a f a f a f = -2 (x) + -2 (x) + -2 (x) . aX aX aX l
2
3
Zu jedem ,/&"I-Vektorfeld v JR.3 2 D --+ JR.3 definiert man ein Skalarenfeld "Divergenz" div v und ein Vektorfeld "Rotation" rot v: . divv: D --+ JR. , dlV v(x)
aVI aV2 aV3 = -a (x) + -a (x) + -a (x) Xl X2 X3 aV3(x) - aX3 aV2(X)) aX2
(11) rot v : D --+ JR.3 , rot v(x)
= [ ~~~ (x) - ~~~ (x)
.
aV2 (x) - ~(x) aXI aX2
Mittels Volumen- und Oberftachenintegrale zeigt man (--+ Kap. 8), daB div v die "Quelldichte von v" und rot v die "Wirbeldichte von v" beschreibt. Beispiele. Fur die Vektorfelder der 4 Beispiele aus 4.3 gilt
Starre Drehung v(x)
Zentrales Kraftfeld
evaxx
clxl- 3 x
, x::;iO
divv(x)
0
0
, x::;iO
rotv(x)
2eva
0
, x::;iO
Magnetischer Wirbel v(x)
c (-X2) Xl
-2--2
XI +X2
0
X2I +x2::;i 0 2
divv(x)
0
, xr +xi::;i 0
rotv(x)
0
x 12 + x 22 ::;i 0
Laminare Rohrstromung
C(r2 - XJ - x~ )
,
x21 +x23 1 . (-+ Satz 1.2 mit g(t)
= e-t2 , h(t) = te-
t2
0
.)
Beispiel 2. Die Ableitung der Gammafunktion r(x)
=
1
00
e- t t x- I dt (x > 0)
laBt sich ebenfalls mit (3) berechnen. Die Abschatzungen, mit den en die Konvergenz des an beiden Integralgrenzen uneigentlichen Integrals nachgewiesen wurde, zeigen, daB die Voraussetzungen aus Satz 1.2 erfullt sind. r'(x) r"(x)
1 =1 =
00
e-ttX-llntdt ,
00
e-ttx-l(lnt)2dt.
0
1°
Gegenbeispiel. Das uneigentliche Integral e- st cos t dt konvergiert nicht gleichmaBig fur s 2: 0 : Einerseits liefert zweimalige partielle Integration 00
lim
[00
s"""*olo
e- st costdt
= lim - s12 = 0 s~o
+s
,
andererseits hatte man mit Satz 1.2 - falsch angewendet lim s~o
[00 e-st cos t dt = [00 lim e- st cos t dt = [00 cos t dt = lim sin t
10
d.h. lim sin t t"""*oo
10
10
s--+o
=0 , das ist ein Widerspruch.
t~oo
o
Aufgaben 1. Fur 0::: x ::: 1, y 2:: 0 ist die Funktion
a) Man diskutiere und skizziere x
t-+
I(x, y) = xy e- xy
gegeben.
I(x, y) fur festes y.
b) Man berechne g(x):= lim I(x, y) fur jedes x y-+oo
E
[0, 1]. Gilt
lim t/(x,Y)dX= tg(X)dx? y-+oo
10
;
Jo
435
§2. Kurvenintegrale 2
2. Man wiederhole Aufgabe 1 mit f(x, y) = \e- x / y Y 3. Man berechne a) F'(l) fiir F(x) =
j,
X2
,
0:::: x
b): -+ Satz 2.1. b) => c): Bine geschlossene Kurve w wird in Kurvenstucke WI, W2 unterteilt. N ach Voraussetzung gilt
=[
lWI
V·
dx
[
V·
dx = [
[
lw
Abb. 207 - Wegzerlegung
* v . dx und deshalb
lW2
V·
dx + [
lW2
lWI
V·
dx = [
V·
dx -
lWI
[ * v . dx = 0 .
lW2
c) => b): wird ebenso bewiesen. Man bildet aus zwei verschiedenen Kurven mit denselben Anfangs- und Endpunkten eine geschlossene Kurve. b) => a): Zu x, Xo E G (xo fest) wird f : G -+ lR definiert durch f(x) :=
l
x
Xo
v . dx:= [
Jw
V·
dx
mit einer beliebigen Xo mit x verbindenden regularen Kurve in G. Aufgrund der Voraussetzung ist diese Definition sinnvoll (wegunabhangig). Zu zeigen ist, daB grad f = v . Fur kleine h E lR liegt mit x die ganze x mit x + hel verbindende Strecke in G und es gilt f(x + hed - f(x) =
Io
h
=
l
x+he1
x
V .
dx
vI(x+tel)dt
° - Weg
b 2 8 Ab.
= vI(x+t*el)h
·· af f ur -
aX!
mit einem t* zwischen 0 und h (-+ Kap. 4, § 1(10)). Damit folgt
-aa f(x) = lim -hI [f(x + hed XI h-"O a
Ebenso zeigt man -a f(x) = Xi
V;
f(x)]
(x) , i = 2, ... , n .
= VI (x)
. D
448
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
Ob ein 'i;fl-Vektorfeld V: G -+
]Rn
ein Potential besitzt, kann in der Umgebung
eines Punktes direkt an der JAcoBI-Matrix ","v(X) =
(aaVi (x)) Xl nxn
abgelesen
werden. U m diese Kennzeichnung auf ganz G zu iibertragen, muG eine Zusatzforderung getroffen werden: Definition. Ein Gebiet G S; ]Rn heij3t einfach zusammenhangend, wenn jede geschlossene, doppelpunktJreie Kurve in G stetig auf einen Punkt in G zusammengezogen werden kann, ohne daj3 G verlassen wird.
Beispiele im ]R2 a) Einfach zusammenhangend im ]R2 ist (anschaulich) jedes Gebiet ohne Loch; etwa ]R2 , das Innere eines Kreises, eine Halbebene. b) Nicht einfach zusammenhangend ist jedes Gebiet mit Lochern, etwa die "punktierte" Ebene ]R2 \ {O}, das Gebiet zwischen zwei ineinanderliegenden Kreisen.
Abb. 209 - einfaeh zusammenhiingend
- nieht einfaeh zusammenhiingend im JR2
o
Beispiele im ]R3 a) Einfach zusammenhangend ist jedes Gebiet ohne Henkel, etwa ]R3 , das Innere eines Quaders oder einer Kugel, ein von zwei konzentrischen Kugeln begrenztes Gebiet. Diese Gebiete bleiben einfach zusammenhangend, wenn jeweils endlich viele Punkte entfernt werden. Insbesondere ist der punktierte Raum ]R3 \ {O} einfach zusammenhangend. b) Nicht einfach zusammenhangend ist jedes Gebiet mit Henkeln; ein Torus, der ]R3 ohne eine Gerade oder ohne einen Kreis ist ebenfalls nicht einfach zusammenhangend.
Abb. 210 - einfach zusammenhiingend
- nieht einfaeh zusammenhiingend im JR3
o
449
§ 2. Kurvenintegrale
Satz 2.3.
2.
Hauptsatz fiir Kurvenintegrale. Ein "6'1-Vektoifeld v: G -+ lR,n auf
einem einfach zusammenhangenden Gebiet G feld, wenn die "Integrabilitatsbedingung"
","v(x) . (d.. h -;;-OV; e,,.f;;ll J '" t lst UXk
OVk = -;:;--, uX;
I,. k
= ","v(xf
~ lR,n
fur aUe x
ist genau dann ein PotentialE
G
= 1, ... , n ).
=grad f
mit einer "6'2-Funktion f : G -+ lR, folgt mit dem Satz oV; 0 0 0 0 OVj von Schwarz (-+ Kap. 7, Satz 2.2) -;;-- = -;;-- -;:;-- f = -;:;--( ---:- f) = -"- .
Beweis. Aus v
uXj
uXj UXi
uX;
Xl
uX;
Weiter zeigen wir, daB aus ","v(x) = ","v(xf fiir aIle x E G die "lokale Integrabilitat" folgt, indem wir zu jedem Xo E G und jeder r-Umgebung Ur(xo) ~ G ein Potential f zu v auf Ur(xo) explizit als Kurvenintegral (iiber die Xo mit x E Ur(xo) verbindenden Strecke) angeben: f(x):=
11
v(xo + t(x - xo)) . (x - xo)dt .
Hierfiir gilt grad f(x) = =
fal grad[v(w(t)). (x fa 1 [t ","v (w(t)f (x -
(komponentenweise Satz 1.1)
xo)]dt
xo) + v(w(t)) ]dt (-+ Aufg. 9, Kap. 7, §4)
= 1\t ","v(w(t))(x - xo) + v(w(t)) ]dt
(I d
= 10 dt [tv(w(t))]dt = tv(w(t))I~
(nach Voraussetzung) (-+ Kettenregel)
=vex) .
Fiir ein beliebiges x E G wahIt man als Integrationsweg w einen Streckenzug. Da G einfach zusammenhangend ist, hangt f(x) nicht vom gewahIten Steckenzug abo (Das zeigen wir nicht!)
Abb. 211 - Integrationsweg
o
Bemerkungen. 1. 1st G nicht einfach zusammenhangend, dann ist Satz 2.3 nur auf einfach zusammenhangende Teilgebiete G' ~ G anwendbar. Die jeweils auf den Teilgebieten G' existierenden Potentiale lassen sich i.a. nicht zu einem Potential auf G fortsetzen. Gegenbeispiel. Der auf G = ]R2 \ {O} definierte isolierte Wirbel vex, y) =
1 -2--2 X
+Y
(-y) X
450
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
aa~ = ~;.
erfullt die Integrabilitatsbedingung auf ganz G: Mit Satz 2.2 muBte A
=
f
v . dx
Er besitzt aber kein Potential
=0
sein auf dem Kreis w(t) =
(cos t, sin t), 0:::: t :::: 2:rr . Mit Bsp. 2 aus 2.3 ist aber A
= 2:rr .
D
2. Fur Vektorfelder im lR3 ist die Integrabilitatsbedingung ","v(x) = ","v(X)T gleichbedeutend mit rot v(x) =0 (---+ Kap. 7, 4.4). Deshalb lautet der zweite Hauptsatz im IR3:
G S; IR3 einfach zusammenhangendes Gebiet, v v Potentialfeld in G
~
E
)f1(G, IR3):
rot v = 0 fur aIle x
E
G.
3. Neben dem skalaren Potential eines Vektorfeldes im IR3 ist auch noch ein vektorwertiges Potential, das sog. Vektorpotential fur Vektorfelder definiert (---+ 5.4).
= 3). Die Beweise der Satze 2.2, 2.3 sind konstruktiv, da jeweils eine Stammfunktion angegeben wird. Man hat damit bereits als erste Moglichkeit: 2.6 Die praktische Bestimmung eines Potentials (n
(0
Methode mit Kurvenintegral 1. Schritt: Besitzt das )fl-Vektorfeld v: G ---+ IR3 ein Potential? rot v =j. 0 fUr ein x E G ===} kein Potentialfeld . 2. Schritt: rot v = 0 und G einfach zusammenhangend, dann wahlt man Xo E G fest und zu x E G eine geeignete Kurve w
i
in G, die Xo mit x verbindet. f : G ---+ IR, f(x):=
v . dx ist eine Stammfunktion.
Die bevorzugten Wege von Xo nach x, sofem sie in G verlaufen, sind die Strecke w(t)
= Xo + t(x f(x) =
xo), 0:::: t :::: 1 ; in diesem Fall gilt
10 1v(xo + t(x -
xo»· (x - xo)dt ;
ein Streckenzug, stuckweise parallel zu den Koordinatenachsen, etwa von (xo, Yo, zo) uber (x, yo, zo) und (x, y, zo) nach (x, y, z). Die Stammfunktion stellt sich dar als sogenanntes Hakenintegral x
f(X,y,Z)=l vI(t,yo,zo)dt+ xo
r V2(X,t,zo)dt+/ J yO
z
zo
v3(x,y,t)dt.
451
§ 2. Kurvenintegrale
® Ansatzmethode Man lost die drei partiellen Differentialgleichungen grad f =v zur Bestimmung von f durch dreimaliges unbestimmtes Integrieren; dazwischen muG zweimal partiell differenziert werden:
1. Schritt: Der Ansatz fx = VI, fy = V2, fz = V3 . 1st G einfach zusammenhangend? 2. Schritt: Durch unbestimmte Integration nach x (bei konstant ge-
haltenem y und z) fAx, y, z)
f(x,y,z)=
f
= VI (x, y, z)
lasen:
vI(x,y,z)dx+c(y,z).
Die "Integrationskonstante" c hangt von y und z abo 3. Schritt: Durch partielle Differentiation von f nach y und Ansatz fy
= V2 aay
eine Gleichung fur ;y c(y, z) herleiten:
f
VI (x,
y, z)dx + cy(y, z)
= fy = V2
.
Tritt in dieser Gleichung noch x auf, so ist rot v =I 0 , d.h. die Integrabilitatsbedingung verletzt ===> fertig!
4. Schritt: Durch unbestimmte Integration nach y das c(y, z) aus cy(y, z) = hey, z) := V2 - J vlydx bestimmen, c(y, z) =
f
hey, z)dy + d(z) ,
und oben eintragen:
f(x,y,z)=
f
vI(x,y,z)dx+
f
h(y,z)dy+d(z).
Die "Integrationskonstante" d hangt von
z
abo
5. Schritt: Durch partielle Differentiation von f nach z und Ansatz fz = V3 eine Gleichung fur d'(z) bestimmen. Tritt hierin noch y auf, ist rot v =I 0 ===> fertig!
6. Schritt: d(z) durch unbestimmte Integration nach z bestimmen. Beispiel 1. Zentralfelder besitzen die Form vex)
= 'P(ix -
zl)(x - z)
mit einer Funktion 'P E ~I (1R \ {O}, IR), die meist einen Pol in 0 besitzt. z ist das Zentrum und v ist auf IR3 \ {z} ein ~l-Vektorfeld. Wir setzen zur Kurze z =0, d.h. vex) ='P(lxl)x . v ist ein Potentialfeld, da G = IR3 \ {OJ einfach zusammenhangend ist und
452 (~
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
= E)
Kap. 7, §4(4a), A
",9\(x)
= I!I rp'(lxl)xx T + rp(lxl)E = c/v(x)T
.
Berechnung von f mit Methode 0: Wir wahlen einen Integrationsweg W von Xo ::f 0 nach x ::f 0, der aus zwei Kurvenstucken WI, W2 besteht: WI ist ein beliebiges regulares Kurvenstuck auf der Sphare urn 0 mit Radius Ixol, das Xo mit dem Punkt XI
= I~II x
verbindet.
W2
ist die
1 Strecke W2(t) = tTXTx, Ixol :s t :s Ixl .
Wegen V(WI(t»· WI(t)
=0
f(x) =
gilt
Abb. 212 - Integrationsweg
1
v . dx = {
Fur das Gravitationsfeld ist rpU)
Vex, y, z)
G
= IR3
dx = (IXI rp(t)tdt . llxol
= ; , d.h. t
l
U(x) = - f(x) = -
Beispiel 2.
V·
lW2
w
das Newton-Potential, gilt
lX I t I l
-dt = - - . Ixl Ixol
Ixol t 3
= (2y~::~S:e2Z) 2ye 2Z
,
o
G=IR.1.
ist einfach zusammenhangend! Rechnung mit Methode @:
1. Schritt: fx =
i
cosx, fy = 2y sinx
+ e 2z , fz = 2ye 2z .
2. Schritt: Die erste Gleichung zeigt f(x, y, z) = y2 sin x 3. Schritt: fy = 2y sinx + cy(y, z) = 2y sin x + e 2z 4. Schritt: c(y, z)
= ye 2Z + d(z)
5. Schritt: fz = 2ye 2z
===}
f(x, y, z)
+ d'(z) = 2ye 2z
===}
===}
+ c(y, z) .
cy(Y, z) = e 2z .
= y2 sin x + ye 2Z + d(z) .
d'(z) = O.
6. Schritt: d(z) = const.
Eine Stammfunktion lautet demnach f(x, y, z) = y2 sin x + ye 2z + const. Aufgaben 1. Man berechne Lange und geometrischen Mittelpunkt der Kurven 2 a) w(t) = (t, t 2 , 3tY, 0:::: t :::: 1,
b) w(t) = e-'(cost, sint, I)T, 0 < t
~dY)
Also gilt V
o
-3 )dx = 4-
Beispiel 2. Der Durchdringungskorper der beiden Zylinder x 2 + i = 1 und x 2 + Z2 = 1 besitzt aus Symmetriegriinden das Volumen V = 8 VI mit dem Volumen VI des auf dem Viertelkreis B
461
§3. Die Integration iiber ebene Bereiche
dx
= [(I-X'ldX = j
= 8VI = 136 .
o
3.4 Weitere Anwendungen und Beispiele. Wir stellen uns f : B -+ IR als eine Belegungsfunktion des ebenen Flachenstucks B vor, etwa die Flachendichte der Masse einer inhomogenen Platte, oder die Ladungs- oder Temperaturverteilung auf B. Fur die sich stan dig wiederholenden vier Schritte 1. Zerlegung von B in n Teilbereiche mit Flacheninhalt f:,.Fi 2. Approximation der Belegung eines solchen Bereichs durch
,
f:,.Mi := f(xt, ynf:,.Fi , 3. Approximation der Gesamtbelegung durch die Riemann-Summe n
n
i=1
i=1
4. Grenzubergang, verwenden wir wieder die bereits fur Einfachintegrale und Kurvenintegrale als zweckmaBig erkannte, abkiirzende Sprechweise (-+ Kap. 4, 6.1): - B ist in Fliichenelemente d F zerlegt, - das Fliichenelement im Punkt (x, y) tragt die Belegung dM - Gesamtbelegung von B ist M =
o Masse, Ladung (13)
II
dM =
B
M =
II
= f(x, y)dF,
f(x, y)dF.
B
II
fJ.,(x, y)dF
B
ist die Masse der Platte B mit ebener Massendichteverteilung fJ., : B -+ IR; bzw.
462
Q=
II
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
E(X, y)dF die Ladung auf B mit Ladungsdichte
E :
B
~ IR.
B
G) Momente und Massenmittelpunkt. Ein Flachenelement d F besitzt bei der Massendichte fL(x, y) die Masse dm = fL(x, y)d Fund demnach die k-ten axialen Momente xkdm = XkfL(X, y)dF, ldm = lfL(X, y)dF. Es ergeben sich die Gesamtmomente: (14)
Mx.k :=
II
xk fLeX, y)dF,
II
My,k:=
B
l
fLex, y)dF .
B
Das k-te polare Moment ist definiert durch (15)
MO,k :=
II
+ y2k fLeX,
Jx2
y)dF .
B
Ais Massenmittelpunkt (oder Schwerpunkt) der Flache (Platte) B bezeichnet man denjenigen Punkt S = (xs, Ys), in dem eine Punktmasse der GroBe M dieselben statischen (=ersten) Momente besitzt wie B: (16)
Xs
=~
II
x fLeX, y)dF,
Ys
B
=~
II
y fLeX, y)dF
B
(mit M aus (13)). Beispiel. Es soIl der Schwerpunkt (Massenmittelpunkt) der zwischen den Geraden x = 2, y = 1 und dem Parabelbogen y = x2 eingespannten inhomogenen Platte B mit ebener Massendichte fL(x, y) = x2 + i bestimmt werden. a) B ist Normalbereich, B={(x,y);1:::;x:::;2,1:::;y:::;x 2 }.
b) Die Masse
=
(~
/] 2[
Abb. 224 - Massenschwerpunkt
(13), (11)):
yx 2 +
_1 y3 ]y=x 3
y=]
2
dx
1 6 + x4 = /2 (_x
]
3
1 3
x 2 - - )dx
1006 =-. 105
463
§3. Die Integration iiber ebene Bereiche
c) Die ersten axialen Momente Mx
=
My =
d) Der Schwerpunkt Xs
(~
12 (l 12 (l
(~
(14), (11)):
X2
(x 2 + y2)dY ) dx
X
X2
= 1~5
y(x2 + i)dY) dx =
;
2?i2 .
(16)):
1 = MMx = 1.761307 ...
,
1 Ys = M My = 2.280484 ...
D
o Der geometrische Schwerpunkt S = (x,)I)
des ebenen FHichenstiicks ergibt sich aus (16) mit f.1.(x, y) = f.1.0 (= const). Man erhiilt
Beispiel. Der geometrische Schwerpunkt des Normalbereichs B = {(x, y) ; a :::S x :::S b, O:::s y :::S g(x)}
hat die Koordinaten 1 [[ 1 x= F xdxdy= F
11
[b (
[g(x)
[b (
[g(x)
1a 10
xdy
[b
)
1 dx= F
1a
)
1 dx= F
1a
xg(x)dx
B
1 [[ 1 )1= F ydxdy= F
11
mit F =
lb
1a 10
ydy
[b 1 2 g (x)2dx
B
g(x) dx.
Speziell erhiilt
y
J
man fiir g(x) = r2 - x 2 iiber dem Intervall -r :::S x :::S r den Schwerpunkt S = (x,)I) = (0, zierten Halbkreises.
i~)
des skiz-
r x Abb. 225 - Geometrischer Schwerpunkt D
3.5 Der Satz von GREEN. 1m folgenden behandeln wir eine wichtige Beziehung zwischen dem Doppelintegral iiber ein Gebiet und dem Kurvenintegral liings dessen Randkurve. Damit ist neben 3.3 eine zweite Methode zur Berechnung von Doppelintegralen gegeben: Sei B S; lR 2 ein reguliirer Bereich, dessen Rand aB aus endlich vielen geschlossenen, stiickweise glatten Kurven WI, W2, ... , Wn besteht. Die Parametrisierung sei so, daB B stets links zur Durchlaufrichtung liegt (positiver Umlauf).
464
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
BB =WI
BB
= WI
UW2
Abb. 226 - Gebiete, positiv umlaufen
Unter dem Integral eines Vektorfeldes v langs
I
v· dx:=
aB
I
v· dx + ... +
WI
I
aB
verstehen wir die Summe
v· dx .
Wn
Satz 3.3. Satz von GREEN (1793-1841). Seien B, a B wie oben beschrieben und D S; lR? eine offene Menge mit B S; D, dann gilt fiir jedes ebene ~l_ Vektorfeld v : D -+ JR2
I
v . dx
{[ (ax - ay
= 11
aB
aV2
aVl) dxdy.
B
Beweis. 1. Spezialfall: V2(X, y) == 0 und B = {(x, y) ; a :::: x :::: b , g(x) :::: y :::: h(x) } Normalbereich yom Typ I. aB besteht aus WI(X)
= (gZX»)'
W2(Y)=(~)'
a:::: x :::: b ,
g(b)::::y::::h(b),
Abb. 227 - NormaIbereich, Typ I
und w), w4 mit den entgegengesetzt durchlaufenen Kurven W3(X)
= (hZX»)
, a::::x::::b;
W4(Y)=(~)'
g(a)::::y::::h(a).
Mit V2 = 0 gilt
1
v· dx
=[ =
Rechnung gibt
1w2
lb l (lh(X) a
vI(x,g(x»)dx + 0
=2. Spezialfall:
vldx + [ vldx -
1wI
aB
VI (x, y)
1B v .
b
a
g(x)
[ vldx -
1w3
-lb
[ vldx
1w4
vI(x,h(x»)dx - 0
aV1(x,y)dy ) dx=y
!Jr rdxdy. a B
y
== 0 und B Normalbereich vom Typ II: Bine anlage
dx
=
II ~;
B
dxdy .
465
§3. Die Integration iiber ebene Bereiche
Jeder Normalbereich I laSt sich in Normalbereiche vom Typ II zerlegen und umgekehrt, ebenso allgemeine Bereiche; daher ist alles durch Addition der beiden Spezialfcille zu beweisen. Die Kurvenintegrale uber die (stets zweimal in entgegengesetzter Richtung durchlaufenen) Hilfslinien heben sich weg. 0 Mit VI = 0, Sonderfcille:
V2
=X
bzw.
o Der Flacheninhalt von =
F
II
dxdy
Abb. 228 - Zerlegung Typ I in Typ II
V2
B,
I
=
B
® Fur die 2.
= -y,
VI
x
xdy
=-
aB
I
=0
etc. ergeben sich einige wichtige
ydx
=~
aB
-ydx + xdy .
aB
Momente der homogenen Platte B mit p.,(x, y)
mit v=(-x 2y,Ol bzw.
v=(0,~x3l
M x ,2
I
=-
I = -3 I
x 2y dx
aB
und analog M y .2
=
I
=~ 1
xy 2 dy
o Der geometrische Schwerpunkt von
iI
= 2~
xy dx
aB
I
=1
ergibt sich
x 3 dy
aB
aB
x =-
I
y 3 dx .
aB B ist
x 2 dy ,
aB
y=
iI
xy dy
= - 2~
aB
Ii
dx .
aB
Beispiel 1. Der geometrische Schwerpunkt des Bereiches, der von der Zykloide w (t) = a (2n - t + sin t )
1 - cos t
1
'
0 :'S t :'S 2n
und der Strecke W2(t)
= ( ~) ,
O:'S
t
:'S 2na ,
'Wh. rra
begrenzt wird, hat die Koordinaten faB y 2 dx ~ fo2n(1 - cost)3 dt +0 x =na und y = = 2
_ i
faBydx
X
Abb. 229 - Zykloide
a2fo)f(1-cost)2dt+0
5
= -a. 6
o
466
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
Beispiel 2. Ebener Satz von Gauss. 1st u : D ---+ IR eine 'if?2 - Funktion, so ergibt ..
slch mIt
VI
= - -au ay
und V2
au = -ax
aV2 aVI - ax ay
sofort -
Satz von Green liefert somit
II
/':;.udxdy
B
I I =I =
2
2
a u = -aaxu2 + -ay2 = /':;.u.
n
y
y
-uydx + uxdy
aB
aB
=
Der
gradu· nds
aB
x anu ds .
aB
Hierbei bezeichnet n = (
-r)
Abb. 230 - Satz von Gauss
den Normalenvektor, der nach auGen weist und
normiert ist, wenn s t--+ (x(s), yes)) die Parametrisierung von aB mit der Bogenlange s darstellt. Liegt eine harmonische Funktion u mit /':;.u =0 vor, so ist das 1ntegralmittel tiber die Normalableitung anu langs aB stets Null (---+ 5.4).0 Aufgaben 1. Man skizziere den Integrationsbereich, berechne das Integral und vertausche die Integrationsreihenfolge:
2. Man berechne den geometrischen Schwerpunkt: a) Skizzierter ebener Bereich A, b) T={(X,Y)ElR.;/:::::2px, y::::,O, O:::::x:::::xo, p,xo>O}.
3. Man berechne den FlacheninhaIt des von der Astroide (-+ Abb. 114) x = cos 3 t, Y = sin 3 t, 0::::: t ::::: 2][ , begrenzten Bereichs. 4. Man skizziere die Bereiche und berechne die Schwerpunktkoordinaten: a) {(x,y);x 2 +/:::::20, y::::,x+2}
b) Berandung ist
.;x +.,fY = Fa,
a > 0, x = 0, y =
°.
5. Aus der Kugel x 2 + / + Z2 ::::: 4a 2 wird das zylindrische Loch x 2 + / ::::: 2ax ausgebohrt. Wie groB ist das Restvolumen? 6. Man berechne den Inhalt der Flache, die von der Hypozykloide mit 3 Spitzen berandet wird: x=a(2cost+cos2t);
y=a(2sint-sin2t).
467
§4. Die Integration tiber Fliichen im Raum
1 xd~x -+ yy~x fw
7. Man bereehne das Kurvenintegral Hilfe des Greensehen Satzes.
iiber eine gesehlossene Kurve w mit
8. Man bereehne mit dem Satz von Green den geometrisehen Sehwerpunkt des Bereiehs im 1. Quadranten, der von y = x, y = 1/x und y = berandet wird.
i
9. Das Tragheitsmoment eines ebenen Bereiches B beziiglieh einer Aehse ist Ip=
II
82 (x,y)dxdy,
B
wobei 82 (x, y) das Abstandsquadrat des Punktes (x, y) von der Aehse bezeiehnet. Man bereehne die Tragheitsmomente beziiglieh der x- und y-Aehse fiir die Bereiche mit den Berandungen . x2 y2 a) Ellipse a 2 + b 2 = 1 b) Quadrat Ix + yl + Ix - yl = 2 , e)
X4
+l
=x 2 + l.
10. Bei der Torsion von Korpem mit nieht kreisformigem Quersehnitt bleiben die Quersehnitte nieht eben (Theorie von ST. VENANT). Anstelle des polaren Tragheitsmomentes Ip tritt der Drillungswiderstand 1*. Am Beispiel eines prismatisehen Stabes (Quersehnitt: Gleiehseitiges Dreieek mit Hohe h) ergibt sieh aus dem Spannungsvektor P A (--+ Kap. 7, §4, Aufg. 9) J' =
2~
[II G)
x
C'O::~'2~:hY)1 dF .
a) Man bestimme den Drillungswiderstand 1*. b) Man bereehne Ip =
II(X
2
+ l)dF und bestatige, daB 1*
3
'~/p,
D.h.
die
A
Quersehnitt-Verwolbung reduziert den Torsionswiderstand!
§ 4. Die Integration fiber FHichen im Raum 4.1 Parameterdarstellungen. Neben die explizite Flachendarstellung als Graph z = h(x, y), (x, y) ED, und die implizite Darstellung als Niveauftache f(x, y, z) = const tritt nun die fiir Detailuntersuchungen besonders vorteilhafte Parameterdarstellung. Wir stellen uns vor, daB eine Flache im Raum durch stetige Verformung aus einer ebenen Flache hervorgeht. Da unter stetigen Funktionen aber sehr "pathologische" Bilder entstehen konnen, machen wir fiir unsere Zwecke angemessene Einschrankungen.
468
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
Definition. Sei D ein reguLarer Bereich in einem Gebiet G der (u, v)-Ebene. Unter der Parameterdarstellung eines reguliiren Fliichenstiicks verstehen wir die Einschriinkung einer ¥fl-Funktion x : G -+ m?, x(u, v) = (x(u, v), y(u, v), z(u, v)l auf D mit den Eigenschaften: 1. Fiir beliebige Punkte (u, v) =f (u l , Vi) aus D ist stets x(u, v) =f x(u l , Vi), 2. xu(u, v) x xv(u, v) =f 0 fiir aile (u, v) ED.
Die Punktmenge S = {(x(u, v), y(u, v), z(u, v)) ; (u, v) ED} ist das dargestellte reguHire Flachenstuck. Nach Voraussetzung 1. gibt es zu jedem Punkt (x, y, z) E S genau einen Punkt (u, v) des Parameterbereichs D mit x =x(u, v), y = y(u, v), z = z(u, v). Variiert man nur einen Parameter und halt den anderen fest, dann entstehen die beiden Kurvenscharen auf S
=const)
,
U f-+
x(u, v)
(v
V f-+
x(u, v)
(u = const) ,
die man als Parameterlinien v = const bzw. u = const bezeichnet. Mit der Voraussetzung 2. wird gefordert, daB die Tangentialvektoren au (u, v) ) ax xuCu, v) = (
~~ (u, v)
av(u,v) ax ) ,
xv(u, v) = (
au(u,v)
~~(U,V)
av(u,v)
an die Parameterlinien in allen Punkten (u, v)
E
D linear unabhangig sind.
v
+du u
Abb. 231 - Parameterlinien auf Fliichenstiick
Die von
Xu
und
Xv
aufgespannte Ebene durch den Flachenpunkt x(u, v) ist die
Tangentialebene mit der Parameterdarstellung
yeA, f.t) = x(u, v) + Axu(u, v) + f.tXv(u, v),
A, f.t
E
1R .
Der auf der Tangentialebene durch x(u, v) senkrecht stehende Einheitsvektor (1)
n:=
I
Xu X Xv
IXu
x
Xv
heiBt Fliichennormale (im betreffenden Punkt). Fur ein regulares Kurvenstuck
t f-+
(~g~),
to.:s t .:s
t) ,
im Parameterbereich
469
§4. Die Integration iiber Fliichen im Raum
D ist das Bild wet) := x(u(t), vet)) eine regulare Flaehenkurve, deren Tangentialvektor w = xuu + xvi; (-+ Kettenregel, Kap. 7, §2(l2)) ebenfalls in der
Tangentialebene (dureh x(u, v)) liegt. Die Bogenlange set)
=
it
Iw(t)1 dt ergibt
sieh wegen Iwl 2 = W . W = (xu' xu)u 2 + 2(xu . xv)ui; + (xv, xv)i;2 aus den metrischen Fundamentalgroj3en (2)
I
E:= XU . xu;
F:= XU . xv;
G:=
XV •
xv·
I
Diese bestimmen nieht nur die Langenmessung auf S, sondem aueh die Messung von Winkeln (-+ Aufg. 5,6) und Flacheninhalte (-+ (6)). Aus der Identitat la x bl 2 = lal 21bl 2 - (a· bi (-+ Kap. 1, §5) folgt (3)
[ Ixu x xvl2 = EG - F2 .
Bilden die Parameterlinien ein orthogonales Netz, d.h. schneiden sich in jedem Flachenpunkt x(uo, vo) die Parameterlinien u = uo, v = Vo unter einem rechten Winkel, dann gilt uberall F = 0 . Ais Rand des Flaehenstucks S wird das x-Bild des Randes von D bezeichnet:
as
:= {x(u, v) ; (u, v)
E
aD} .
Die Oberftache der in den technischen Anwendungen auftretenden dreidimensionalen Korper kann in der Regel nicht durch ein einziges regulares Flachenstuck dargestellt werden. Man denke etwa an einen Wurfel oder Zylinderstumpf mit Ecken und Kanten. Wir verstehen deshalb unter einer stiickweise reguliiren Fliiche S die Vereinigung endlich vieler regularer Flaehenstucke Sj, von denen je zwei langs einem oder mehrerer gemeinsamer Randstucke aneinanderstoBen, aber sonst keine anderen Punkte gemeinsam haben. Der Rand aS von S wird aus allen Randstucken gebildet, die nur zu einem der regularen Flachenstucke Sj gehoren. Man nennt S geschlossen, wenn as leer ist.
as=0 Abb. 232 - stiickweise reguliire Fliichen
4.2 Beispiele CD Ebenen. Fur a, bE m? mit a x b =j. 0 stellt x(u, v) = xo+ua+vb, (u, v) ED, ein Ebenenstuck dar. Die Parameterlinien u = const, v = const sind Geraden parallel zu b bzw. a. Xu = a, Xv = b. E = lal 2 , F = a . b, G = Ibl 2 .
470
o
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
Graphen. Aus der expliziten Darstellung eines FHichenstiicks als Graph h E 'f?1(D, JR.), erhiilt man sofort die Parameterdarstellung
z =hex, y),
(4) x(x, y)
=(
~
hex, y)
),
(x, y) ED.
Parameterlinien sind die Schnitte mit den Ebenen x = const bzw. y = const .
x,
=
U) , (D ' x,
x, x x,
CD Drehflachen.
=
= (=~;)
,
E
Abb. 233 - z = hex, y)
=1 + h;
,
Aus einem reguliiren Kurvenstiick t
1--+
(xg»), to :s t :s tl , z(t)
ohne Doppelpunkte mit x(t) > 0 entsteht nach Kap. 6, §6, bei Drehung urn die z-Achse mit dem Winkel CPo (O:s CPo < 2:rr ) ein reguHires Fliichenstiick mit der Parameterdarstellung x(t, cp)
(5)
= (~~nos:
~~~n: ~) (xg») = (:~~~~~::) o
1
z(t)
z(t)
,
definiert auf D = {(t, cp) ; to :s t :s tl, 0 :s cp :s cpo}. Die Parameterlinien = const sind die Breitenkreise, cp = const die Meridiane.
t
Xt
x(t) cos CP)
= ( x(t! sin cp
, x"
=
( - x(t) sin CP) x(t) cos cp
0
z~)
"x .. = (:~F:;) E
=x2 + z?,
F
= 0,
G
,
=x 2
.
Da iiberall F = 0 gilt, bilden die Parameterlinien ein orthogonales Netz.
xp
x(t>(CC;>S cP ) Sin
cP
Abb. 234 - Drehfliiche
(x(t) > 0 wurde vorausgesetzt, damit die Regularitiitsbedingung IXt x x" I J x 2(x 2 + Z2) i 0 erfiillt ist.)
=
Da bei einer vollen Umdrehung die Meridiane cp = 0 und cp = 2:rr aufeinanderfallen, ist die gesamte Drehftiiche S (d.h. O:s cp :s 2:rr) nur stiickweise reguliir (man nehme etwa die beiden zu 0 :s cp :S:rr und :rr :s cp :s 2:rc gehorigen Fliichenstiicke). Der Rand as der gesamten Drehftiiche besteht aus den beiden Breitenkreisen cp 1--+ (x(t;)coscp,x(ti)sincp,z(ti)l, i =0, 1.
471
§4. Die Integration iiber Flnchen im Raum
Sonderfalle Der Kegelstumpf (nur die MantelfEiche) (--+ Abb. 235).
o
®
t
coscp )
t sin ~ ,ao ::; t ::; a, 0::; cp ::; 2n:, XI XXq; = b(1 - -) a Der Zylinderstumpf (die Mantelftache) (--+ Abb. 236).
x(t, cp) =
X( z,
cp)
(
= (~~~~:) , Zo ::; Z ::; ZI,
0 ::; cp ::; 2n:,
o Die Sphare (Kugeloberftache) mit Zentrum 0 x( 1/1, cp)
=(
r sin 1/1 cos cp )
r sin 1/1 sin cp r cos 1/1
X
zx
Xq;
(~t cos cp, ~t sin cp, t).
=(- r cos cp, - r sin cp, 0).
und Radius r (--+ Abb. 237).
,
0::;cp::;2n:.
1m Nord- und Siidpol ( 1/1 = 0, n: ) ist x'" X Xq; = 0, langs des Halbkreises cp = 0 ist die Darstellung nicht eineindeutig. Diese Ausnahmepunkte spielen aber als Nullmenge fiir das Oberftachenintegral keine Rolle. x'" x Xq;
E =
= (r2 sin 2 1/1 cos cp, r2 sin 2 1/1 sin cp, r2 sin 1/1 cos 1/1 l =(r sin 1/1 )x( 1/1, cp)
X'" . X'"
2
= r,
F G = = X'"O . Xq; = , 6
Xq; . Xq;
2 . 2 ,I,
= r sIn
'I'
.
.
z
Z
y
Abb. 235 - Kegelstumpf
Abb. 236 - Zylinderstumpf
Abb. 237 - Sphiire
@ Der Torus (die Ringftache) T entsteht durch Drehung des Kreises x = R + r sin 1/1, Z = r cos 1/1 , z o ::; 1/1 ::; 2n: mit festem "inneren" und "auBeren" Radius r bzw. R, r < R, (R + r sin 1/1) cos cp ) x( 1/1, cp) = ( (R + r sin 1/1) sin cp . r cos 1/1
(Nur stiickweise regular, Rand
aT
leer)
E=r2, F=O, G=(R+rsin1/l)2.
y
x Abb. 238 - Torus
o Die Wendelftache entsteht durch Schraubung einer Geraden, die die Schraub-
achse senkrecht schneidet; die Parameterdarstellung eines Flachenstiicks ist mit
a = const > 0:
472
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
x(r, cp)
Xr
=(
=(
cosCP) SI~ cP
Xr X x'P
E
r cosCP) . rO ::::: r ::::: rl r sm cP, < < acp CPo - cp - CPl
=(
,
X'P
=
(-rsinCP) r c~s cP ,
a sin cP ) -a ~os cP
=Xr . xr = 1,
F
=0,
Abb. 239 - WendelfHiche mit ro = -rl und 'Po = 0, 'PI = 4rr
G
=x'P . x'P =r2 + a 2
4.3 Der FHicheninhalt Sei x: lR? ;2 D ~ lR? , x(u, v) = (x(u, v), y(u, v), z(u, v)l ,
die Parameterdarstellung eines regularen Flachenstiicks S. Ein kleines Teilstiick t:.S, berandet von den Parameterlinien u = uo, u = Uo + t:.u , v = vo, v = Vo + t:.v, laBt sich iiber die lineare Approximation (~ Kap. 7, §4(2» x(u, v)
Rj
Xv LV
Xu LU
x
Abb. 240 - FUichenelement
xu(U O, vo) xv(uo, VO») (u _ uo) ( Yu(uo, vo) Yv(uo, vo) +x(uo, vo) v - Vo Zu(uo, vo) Zv(uo, vo)
naherungsweise darstellen als Parallelogramm, das von den im Flachenpunkt x(uo, vo) angetragenen Vektoren xu(uo, vo)t:.u, xv(uo, vo)t:.v aufgespannt wird
und den Flacheninhalt t:.0 = Ixu(uo, vo) x xv(uo, vo)lt:.ut:.v
besitzt (~ Kap. 1, §3). Wird nun S durch ein Netz von Parameterlinien in n Teilstiicke t:.Sl, ... , t:.Sn zerlegt und jedes Teilstiick t:.Si durch das entsprechende Parallelogramm mit dem Flacheninhalt t:.O i = IXu(Ui, Vi) X Xv(Ui, vi)lt:.ut:.v approximiert, dann ergibt bei stets feiner werdender Teilung der Grenzwert (~ § 3, (3» lim n~oo
(t.u)2+(t.vP-->o
tIXU(Ui,Vi) i=1
X
Xv(Ui, vi)lt:.ut:.v = [{
JJ
Ixu
xXvldudv
D
den Flacheninhalt von S. Genau genommen ist dieses die Definition des Flacheninhalts von S; aufgrund der Voraussetzungen iiber S existiert der Grenzwert.
473
§4. Die Integration tiber Fliichen im Raum
Der Flacheninhalt O(S) eines regularen Flachenstiicks X : D -+ IR3 ist (6)
O(S) =
II
Ixu
X
xvldudv .
D
In der bewahrten Kurzform (-+ 3.4): Das von den benachbarten Parameterlinien u = Uo, u = Uo + du, v = Vo, v = Vo + dv berandete Flachenstiick bestimmt das skalare Fliichenelement (Obeifliichenelement)
I
(7)
dO
= Ixu x
xvldudv.
I
Der gesamte Flacheninhalt ergibt sich durch "Summation" iiber aIle Elemente. Mit den metrischen FundamentalgroBen E, F, G (-+ (3)) lautet die Oberftachenformel (6) O(S) =
(8)
II
J EG - F 2dudv
D
mit den SonderfaIlen (-+ 4.2 G), CD): Oberftacheninhalt des Graphen z = h(x, y) , (x, y) ED,
o
(9)
0=
II Jl+hi+h~dxdy.
D
CD Oberftacheninhalt der Drehftache (5) o=
(10)
II
mit CPO = 2n 11
J x 2(i 2 + z2)dtdcp
= 2n I
D
xJi
2
+ z 2dt .
to
Beispiel 1. Die Oberftache der Kugel mit dem Radius r. Mit E = r2, F = 0 , G =r2 sin 2 1/1 und D = {(1/1, cp); O:s 1/1 :S n, O:s cp:S 2n} (-+ 4.2c) ergibt sich aus (8) oder (10) 0=
II
rr
r21 sin 1/IId1/ldcp = 2nr 2 I sin 1/1 d1/l = 4nr2 .
D
0
D
Beispiel 2. Die Torusoberftache. Mit E = r2, F = 0, G = (R + r sin 1/1)2 und D = {(1/1, cp) ; 0 :S 1/1 :S 2n, O:s cp :S 2n} (-+ 4.2) erhalt man 0=
II D
2rr
r(R+rsin1/l)d1/ldcp =2nr I(R+rsin1/l)d1/l =4n 2rR. 0
D
474
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
Beispiel 3. Der Graph z = xy stellt ein hyperbolisches Paraboloid dar. Der Oberftacheninhalt fur x 2 + i s 1 ergibt sich zu 0=
{{
.)1+x2+y2dXdy=11
11 O::ox2+y ::o1
-I
2
2
(l.J
I
_
X :
-~
.)1+X 2 + y2 d Y )dX
~3
=3'JT(v2 -1).
0
Mit (10) bestatigt man die 1. Regel von
GULDIN
(1577-1643):
Der Oberflacheninhalt einer Drehflache betragt 2JTroi mit der Lange und dem Drehachsenabstand ro des Schwerpunkts eines Meridianschnitts.
Beweis. Bei entsprechender Lage des Koordinatensystems gilt nach (10)
I
tl
0= 2JT
xds mit ds = ';:x2 + y2 dt, bzw.
to
ordinate i =
1
Y
It xds .
o = 2JTli
mit der Schwerpunktsko-
I
o
to
4.4 Das Oberfiachenintegral einer skalaren Funktion. 1st auf einem regularen Flachenstuck mit der Parameterdarstellung x : 1R? 2 D --+ 1R? eine skalare Belegungsfunktion gegeben, so "tragt" ein (von Parameterlinien eingeschlossenes) Flachenelement dO = Ixu x xvldudv (--+ (7)) die Belegung f(x(u, v), y(u, v), z(u, v))lxu x xvldudv. Die Gesamtbelegung erhalt man durch Integration uber D. Definition. 1st x : lR,2 2 D --+ lR,3 eine Parameterdarstellung des reguliiren Flachenstucks S und f ein auf S stetiges Skalarenfeld, dann nennt man (11)
II S
fdO :=
II
f(x(u, v), y(u, v), z(u, v)) Ixu(u, v) x xv(u, v)1 dud v
D
das Oberflachenintegral von f uber S. Fur eine aus reguliiren Flachenstucken SI, ... , Sn bestehende stuckweise regulare Flache S definiert man das Oberflachenintegral durch
II s
fdO:=
II
SI
fdO+ .. ·+
II
fdO.
sn
Fur das Oberftachenintegral gelten offenbar die ublichen Rechenregeln: Linearitat, Monotonie, Additivitiit und der Mittelwertsatz: Das Integralmittel wird in einem Flachenpunkt angenommen; d.h. es gibt einen Punkt x(u*, v*) auf dem reguliiren Flachenstuck S mit
475
§4. Die Integration tiber Fliichen im Raum
(12)
f(x(u*, v*))
= O~S)
II
fdO .
s
Berechnung des Obeifliichenintegrals I
=
II
f dO. s 1. Schritt: Die Parameterdarstellung und den Parameterbereich angeben x : D --+- lR3 (evtl. stiickweise). 2. Schritt: Die partiellen Ableitungen
xu, Xv und das Oberftachenelement dO = Ixu x xvi dud v = J EG - p2 dud v berechnen. 3. Schritt: Eintragen und ebenes Doppelintegral iiber D ausrechnen:
II
II
=
fdo
s
f(x(u, v), y(u, v), z(u, v)) IXu(u, v)
X
xv(u, v)1 dud v .
D
Beispiel 1. Das axiale Triigheitsmoment der Kugelschale x 2 + i + Z2
homogener Dichte und Gesamtmasse m urn die z-Achse ist (--+- 4.2c) I
=
II s
= R2
mit
(x 2 + i)· 4:R2 dO
II
2rr rr
= 4:R2
o
R2 sin 2 1/1 . R2 sin 1/1 d1/l dcp
= ~mR2
.
D
0
Beispiel 2. Fiir den geometrischen Schwerpunkt (x, y, z) des Teils der Flache 3z = 2(x 3/ 2 + y3/2) , der von den Ebenen x = 0, y = 0, x + y = 1 ausgeschnitten
wird, gilt
y = x mit
I
_
I-x
J ( J xJl +x + ydy)dx
x=O
y=O
26 - 15.)2
x=_._.--'-:--------=-----,-...,---'--I I-x 14 J ( J J1 + x + ydy)dX x=O
y=O
und I
I-x
J(J
z= x=O
y=O
~(x2/3 + y2/3)Jl + x + ydy)dx
J (T Jl +x + ydy)dx
x=O
y=O
= 61.)2 -
15ln(1 + .)2)
96(.)2 + 1)
D
476
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
Beispiel 3. Das elektrostatische Potential U(a) einer homogenen mit Dichte p geladenen Flache S im Punkt a fj S ist nach COULOMB
=
U(a)
ff
Ix ~ aldO .
s
1st S der Kegelmantel (-+ Abb. 235) x 2 + i = Z2, O::s z ::s 1 , und a = (0, 0, 1) , so ergibt sich (-+ 4.2a) mit x(t) = (t cos cp, t sin cp, t), O::s t ::S 1, O::s cp ::S 27r ,
ff
1 2rr
U(a)
=
f
1
p h t dcpdt Jt 2 + (t - 1)2
1=0 ",=0
=pn . In (3 + 2h)
= 2hpn
0
../2t 2
tdt - 2t + 1
.
o Die eingangs angegebene Motivation fur die Definition zeigt auch wesentliche Anwendungsbereiche des Oberflachenintegrals auf.
o Der FHicheninhalt
=
ff
dO (-+ 4.3). s ® Masse, Ladung, Momente, Massenmittelpunkt. Bei gegebener Flachendichte p der Masse bzw. E der Ladung stellen M
0
=
ff ff
p(x, y, z)dO
die Gesamtmasse ,
E(X, y, z)dO
die Gesamtladung
s
Q=
s
der Flache S dar. Die k-ten Momente von S sind definiert als Mx.k
=
ff ff
xkp(x, y, z)dO ;
My,k
s
Mz,k =
=
ff
/p(x, y, z)dO ;
s
ip(x, y, z)dO .
s
Der Massenmittelpunkt hat die Koordinaten Zs
Fur den geometrischen Schwerpunkt (x,
x=
bff s
xdO;
y=
y, z) von S ergibt sich mit
bff s
1
= MMz,l
ydO;
z=
bff s
zdO .
p
=const
477
§4. Die Integration liber Fliichen im Raum
4.5 Die Transformationsformel fur Gebietsintegrale Definition. Eine Parameterdarstellung x : D ~ S, x = x(u, v), y = y(u, v), eines ebenen regularen Flachenstucks S heij3t auch Koordinatentransformation; d.h. 1. x = x(u, v), y = y(u, v) sind 'tfl-Funktionen, 2. aus x(u, v) x(u l , Vi) und y(u, v) y(u l , Vi) folgt (u, v) (u l , Vi), 3. IxuYv - XvYu I of 0 fur alle (u, v) ED. Die Parameterlinien heij3en dann Koordinatenlinien und man nennt das Netz der Koordinatenlinien ein (krummliniges) Koordinatensystem auf S.
=
=
=
Viele praktische Probleme auf S, insbesondere auch die Integration, lassen sich durch die Wahl eines dem Problem oder der Geometrie von S angepaBten Koordinatensystems vereinfachen. Wird nun ein Gebietsintegral I Is fdF als Grenzwert von Riemann-Summen berechnet, dann ist der Wert unabhiingig von den speziellen Zerlegungen von S (~ §3.2). Bei der Zerlegung durch die kartesischen Koordinatenlinien entsteht einerseits I Is f dF = I Is f(x, y)dxdy (~ §3.3). Andererseits fiihrt die Zerlegung liings der neuen Koordinatenlinien auf I Is fdF = I ID f IxuYv -xvYul dud v (~ 4.4). Mit der Funktional- oder JACOBI-Determinante B(x,y) '=det(xU(U,V) xv(U,V)) B(u, v) . Yu(u, v) yv(u, v)
ergibt sich deshalb Satz 4.1. Die Transformationsformel. Entsteht der regulare Bereich S ~
]R2
unter der Koordinatentransformation x = x(u, v), y = y(u, v) aus D, dann gilt for jedes auf S stetige Skalarenfeld f die Transformationsformel
II
(13)
s
f(x, y)dxdy
=
II
f(x(u, v), y(u, v))
I~~~: ~~ Idud v
.
D
Die Integration durch Substitution (Transformationsformel):
In •
II
s
f(x, y)dxdy ersetzt man
die Variablen x, y durch die Funktion x(u, v), y(u, v),
I ~~~: ~~ I dudv,
•
das Flachenelement dxdy durch
•
den Integrationsbereich S durch den Parameterbereich D.
Zusatz. Wegen §3 (4) darf man in (13) die Bereiche S und D durch S \ N bzw. D \ M mit Nullmengen M, N (gemiiB 3.1) ersetzen. Insbesondere bleibt
478
8. Funktionen in mehreren Variablen. Teil 2: Integration
(13) gultig fur ,(?I-Transformationen x: D --+ S, die nur auf D \ M (mit einer Nullmenge M) beide Regularitatsbedingngen erfullen. Sonderfiille
CD Affine Koordinaten =au + bv + Xo,
x
II
(14)
Y
= eu + dv + Yo
f(x,y)dxdy=
II
mit ad - be
CD Polarkoordinaten
dF
= lad -
beldudv .
f(au+bv+xo,eu+dv+Yo)lad-beldudv.
x=rcos 0,
wird urn die z-Achse gedreht. Wie graB ist die Oberfiiiche (Liingeneinheit m)? 3. Die Kuppel der Reaktorstation in Garching hat die Form eines halben Rotationsellipsoids (in m) I--
z :::: 0 .
T
Welchen Fliicheninhalt hat das Blechdach? Hilfe: Man verwende als Fliichenparameter Polarkoordinaten r, cp in der (x, y)-Ebene. 4. Wie graB ist die Oberfiiiche des Durchdringungskorpers der beiden Zylinder x 2 + l = 1 und x 2 + Z2 = 1 ? 5. Die Mercator-Projektion der Sphiire. Die Sphiire ohne Nord- und Siidpol besitzt die Parametrisierung 1 x(u, v) = --hcos v
(c~S u) Sill u sinh v
,
- I f ::::
u
O then begin if X>=O then writeln(X+W,',',-V/(X+W)) else writeln(X-W,',' ,-V/(X-W)); end else writeln(X,'+-i*',W); end; end;
begin write('Polynomgrad = '); read(N); writeln;M:=N; for 1:=0 to N do begin write('a',1:2,' = '); read(B[1J); writeln; end; while M>2 do Start: begin write('Startwert UO '); read(U); writeln; write('Startwert VO '); read(V); writeln; S:=O; repeat BK:=O; BK1:=0; CK:=O; CK1:=0; for K:=O to M-l do begin CK2:=CK1; CK1:=CK; BK2:=BK1; BK1:=BK; BK:=B[KJ+U*BK1+V*BK2; C[KJ :=BK; CK:=BK+U*CK1+V*CK2; end; BK2:=BK1; BK1:=BK; BK:=B[MJ+U*BK1+V*BK2; C[MJ :=BK; Det:=CK1*CK1-CK2*CK; if Det=O then begin writeln('Neue Startwerte!'); goto Start; end; U:=U+(BK*CK2-BK1*CK1)/Det; V:=V+(BK1*CK-BK*CK1)/Det; S:=S+l; if S=Steps then begin writeln('Neue Startwerte! '); goto Start; end; until abs(BK1)+abs(BK)<EPS; Quadr_gleichg(U,V); M:=M-2; for K:=O to M do B[KJ :=C[KJ ; end; if M=l then writeln('reelle Wurzel: ',-B[lJ/B[OJ) else begin U:=-B[lJ/B[OJ; V:=-B[2J/B[OJ; Quadr_gleichg(U,V); end; end.
Anhang: Pascal-Programme
program NLSQ(input,output); const M 6; N = 3; P = 4;
type
var
array[O .. N] of real; array[O .. M] of real; array[O .. M,O .. P] of real; X Typ1; F,T,Y Typ2; A Typ3; I,L,J integer; Lambda,FO,FK,D,B,C,D1,Bl,C1 real; Typ1 Typ2 Typ3
function Fn(D,B,C: real;T: Typ2;Y: Typ2;var F: Typ2): real; var I integer; Q : real; begin Q:=O; for I:=1 to M do begin F[I] :=Y[I]-D-B*exp(C*T[I]); Q:=Q+F[I]*F[I]; end; Fn:=sqrt(Q); end; procedure Linfit(var X: Typ1; var A: Typ3); var I,J,K integer; S,F,V : real; begin for I:=1 to N do begin S:=O; for J:=I to M do S:=S+A[J,I]*A[J,I]; i f S=O then begin writeln('Matrix singulaer'); halt; end; V:=sqrt(S); if A[I,I]>O then V:=-V; XCI] :=V; F:=S-V*A[I,I]; A[I,I] :=A[I,I]-V; for K:=I+l to N+1 do begin S:=O; for J:=I to M do S:=S+A[J,I]*A[J,K]; S:=S/F; for J:=I to M do A[J,K] :=A[J,K]-A[J,I]*S; end; end;
X[N] :=A[N,N+1]/X[N]; for I:=N-l downto 1 do begin S:=A[I,N+1] ; for J:=I+1 to N do S:=S-A[I,J]*X[J]; X[I] : =S/X [I] ; end; end;
515
516
Anhang: Pascal-Programme
begin for 1:=1 to M do begin write('t(i)= '); read(T[1]); write('y(i)= '); read(Y[1]) end; write('a,b,c ='); read(D,B,C); FK:=Fn(D,B,C,T,Y,F); FO:=FK; L:=O; repeat for 1:=1 to M do begin A[1,1] :=1; A[1,2] :=exp(C*T[1]); A[1,3] :=B*T[1]*exp(C*T[1]); A[1,4] :=F[1]; end; Linfit(X,A); Lambda:=1; repeat D1:=D+Lambda*X[1]; B1:=B+Lambda*X[2]; C1:=C+Lambda*X[3]; FK:=Fn(D1,B1,C1 ,T,Y,F); if FK