Teubner Studienbücher Chemie Dirk Steinborn
Grundlagen der metallorganischen Komplexkatalyse
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Teubner Studienbücher Chemie Dirk Steinborn
Grundlagen der metallorganischen Komplexkatalyse
Teubner Studienbücher Chemie Herausgegeben von Prof. Dr. rer. nat Christoph Elschenbroich, Marburg Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. Friedrich Hensel, Marburg Prof. Dr. phil. Henning Hopf, Braunschweig
Die Studienbücher der Reihe Chemie sollen in Form einzelner Bausteine grundlegende und weiterführende Themen aus allen Gebieten der Chemie umfassen. Sie streben nicht die Breite eines Lehrbuchs oder einer umfangreichen Monographie an, sondern sollen den Studenten der Chemie – aber auch den bereits im Berufsleben stehenden Chemiker – kompetent in aktuelle und sich in rascher Entwicklung befindende Gebiete der Chemie einführen. Die Bücher sind zum Gebrauch neben der Vorlesung, aber auch anstelle von Vorlesungen geeignet. Es wird angestrebt, im Laufe der Zeit alle Bereiche der Chemie in derartigen Lehrbüchern vorzustellen. Die Reihe richtet sich auch an Studenten anderer Naturwissenschaften, die an einer exemplarischen Darstellung der Chemie interessiert sind.
Dirk Steinborn
Grundlagen der metallorganischen Komplexkatalyse
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Prof. Dr. Dirk Steinborn Geboren 1946 in Berlin; Studium der Chemie an der Humboldt-Universität zu Berlin (1969 Diplom); 1974 Promotion an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg bei R. Taube; 1981-1983 Arbeit in der chemischen Industrie; 1984 Dr. sc. nat. (seit 1991 Dr. rer. nat. habil.); 1985 Facultas Docendi; 1987 Hochschuldozent an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg; seit 1992 C4-Professor für Anorganische Chemie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
1. Auflage Januar 2007
Alle Rechte vorbehalten © B.G. Teubner Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Ulrich Sandten / Kerstin Hoffmann
Der B.G. Teubner Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.teubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany
ISBN 978-3-8351-0088-6
Vorwort Die Katalyse ist als grundlegendes Prinzip zur Überwindung der kinetischen Hemmung chemischer Reaktionen von fundamentaler Bedeutung in der Chemie. Das trifft gleichermaßen für die Grundlagen- und angewandte Forschung wie für industrielle Anwendungen zu. Es wird geschätzt, dass heute 85–90 % aller Produkte der chemischen Industrie in katalytischen Prozessen erzeugt werden. Das Wesen der Katalyse und die Zusammenhänge zwischen Katalysatorstruktur und katalytischer Wirkung wissenschaftlich fundiert zu verstehen, ist nicht nur eine Herausforderung für die Grundlagenforschung, sondern auch unabdingbare Voraussetzung für eine zielgerichtete Entwicklung besserer und völlig neuartiger Katalysatoren. Die metallorganische Komplexkatalyse, also homogene Katalysen durch Metallkomplexe – in den allermeisten Fällen Übergangsmetallkomplexe –, bei denen metallorganische Intermediate auftreten, ist ein vergleichsweise junges Teilgebiet der Katalyse. Für seine Entwicklung wirkte die Entdeckung der Niederdruckpolymerisation von Ethen durch metallorganische Mischkatalysatoren von Karl Ziegler am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr Ende 1953 wie eine Initialzündung. In den darauf folgenden Jahrzehnten hat sich die metallorganische Komplexkatalyse zu einem der bedeutendsten und innovativsten Wissenschaftsgebiete in der Chemie entwickelt. Sie ist integraler Bestandteil der modernen organischen Chemie und hat die Entwicklung von völlig neuartigen Synthesemethoden sowie von Synthesen mit außergewöhnlicher Selektivität und Aktivität bei hoher Atomökonomie ermöglicht. Metallkomplexkatalysierte großtechnische Verfahren zur Synthese von organischen Industriechemikalien und von Hochpolymeren sowie Verfahren zur Synthese von bioaktiven Verbindungen sind Eckpfeiler einer modernen chemischen, pharmazeutischen und agrochemischen Industrie, die an hohen ökologischen Standards und den ökonomischen Erfordernissen orientiert ist. Das unerschöpfliche Potenzial der metallorganischen Komplexkatalyse wird deutlich, wenn man sich die große Anzahl der katalytisch relevanten Übergangsmetalle in ihren vielfältigen Oxidationsstufen und die breite Palette an Coliganden vor Augen führt. Wesentliche wissenschaftliche Grundlage der metallorganischen Komplexkatalyse sind die Organometallchemie und die Koordinationschemie. Schlüssel zum Verständnis der metallorganischen Komplexkatalyse sind dabei in jedem Fall fundierte Kenntnisse zum Katalysemechanismus. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt in diesem Studienbuch, das die Grundlagen der metallorganischen Komplexkatalyse vermittelt, nicht auf dem Detail, sondern es wird ein Verständnis des Reaktionsablaufes von metallkomplexkatalysierten Reaktionen angestrebt. Somit werden zunächst die (wenigen) für die Katalyse relevanten metallorganischen Elementarschritte erläutert und davon ausgehend wichtige metallkomplexkatalysierte Reaktionen abgehandelt. Dabei stehen die mechanistischen Aspekte im Mittelpunkt. Das soll den Leser befähigen, das Wesen der Prozesse zu begreifen, und eine Grundlage für ihn sein, das Gelernte kreativ anzuwenden und gegebenenfalls auch weiterzuentwickeln. Diese Diktion findet auch in der Stoffauswahl ihren Niederschlag. Ohne Vollständigkeit anzustreben, war es ein Anliegen des Autors, dass sich in den abgehandelten Reaktionen die ganze Breite des Wissenschaftsgebietes widerspiegelt. Schwerpunkte sind dabei technisch wichtige Prozesse und neuere Entwicklungen mit interessanten mechanistischen Aspekten.
VI
Vorwort
Der Zugang zu weiterführenden Informationen ist durch ein Literaturverzeichnis gegeben, das schwerpunktmäßig Übersichtsartikel, aber auch neuere Originalarbeiten enthält. Aufgaben sollen nicht nur den abgehandelten Stoff hinterfragen, sondern auch vertiefende Kenntnisse vermitteln. Dementsprechend sind die am Schluss des Buches zusammengestellten Antworten sehr ausführlich gehalten. Wissenswertes aus dem Umfeld der Komplexkatalyse, das für das Verständnis wichtig ist, ist in Form von „Exkursen“ in den Text eingefügt. Herrn Prof. Dr. R. Taube (Halle) bin ich zu besonderem Dank für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und für Diskussionen verpflichtet. Frau Dipl-Chem. C. Vetter danke ich herzlich für die Anfertigung eines Teiles der Formelzeichnungen sowie Frau A. König und Herrn Dipl.-Chem. M. Werner für das sorgfältige Korrekturlesen des Manuskriptes. Mein Dank gilt auch dem Fachinformationszentrum Chemie (Berlin) für die Kooperation sowie Herrn U. Sandten und Frau K. Hoffmann vom Teubner-Verlag für die angenehme Zusammenarbeit. Dirk Steinborn
Halle, im November 2006
Inhalt 1
2
3
4
Einführung
1
1.1
Die Anfänge katalytischer Forschung
1
1.2
Die Katalysedefinitionen von Berzelius und Ostwald
4
Grundlagen der Komplexkatalyse
8
2.1
Homogene versus heterogene Katalyse
8
2.2
Katalysezyklen
10
2.3
Aktivität und Produktivität von Katalysatoren
11
2.4
Selektivität und Spezifität von Katalysatoren
12
2.5
Ermittlung von Katalysemechanismen
14
2.6
Glossar der Katalyse
17
2.7
Die Entwicklung der metallorganischen Komplexkatalyse
20
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
25
3.1
Abspaltung und Koordination von Liganden
25
3.2
Oxidative Additionen und reduktive Eliminierungen
28
3.3
Oxidative Kupplungen und reduktive Spaltungen
32
3.4
Insertion von Olefinen und ȕ-Wasserstoffeliminierungen
34
3.5
Į-Wasserstoffeliminierungen und Carbeninsertionsreaktionen
36
3.6
Addition von Nucleophilen und heterolytische Fragmentierungen
38
3.7
Insertion und Extrusion von CO
41
3.8
Einelektronenreduktion und -oxidation
42
Hydrierungen von Olefinen
44
4.1
Einführung
44
4.2
Der Wilkinson-Katalysator
45
4.2.1 Grundlagen
45
4.2.2 Mechanismus der Olefinhydrierung
46
Enantioselektive Hydrierungen
49
4.3.1 Grundlagen
49
4.3.2 Vertiefung – kinetisch kontrollierte Enantioselektivität
54
Diwasserstoffkomplexe und H2-Aktivierung
59
4.3
4.4
VIII
Inhalt
4.4.1 Diwasserstoffkomplexe 4.5
5
6
7
8
59
4.4.2 Aktivierung von Diwasserstoff
62
Transferhydrierungen
64
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
66
5.1
66
Cobaltkatalysatoren
5.2
Phosphanmodifizierte Rhodiumkatalysatoren
69
5.3
Enantioselektive Hydroformylierungen
73
5.4
Bedeutung der Hydroformylierung und Ausblick
76
5.5
Die Fischer-Tropsch-Synthese
80
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
85
6.1
Grundlagen
85
6.2
Das Monsanto-Verfahren
87
6.3
Synthese von Acetanhydrid
91
6.4
Der Cativa-Prozess
92
6.5
Kohlenmonoxid-Konvertierung
96
Metathese
100
7.1
Metathese von Olefinen
100
7.1.1 Einführung
100
7.1.2 Mechanismus
101
7.1.3 Mechanismus – Vertiefung
105
7.1.4 Metathese von Cycloalkenen
107
7.1.5 Metathese von acyclischen Dienen
110
7.1.6 Enantioselektive Metathese
112
7.2
Metathese von Alkinen
112
7.3
ı-Bindungsmetathese
115
7.4
Metathese von Alkanen
117
Oligomerisation von Olefinen
123
8.1
Die Ziegler’sche Aufbaureaktion
123
8.2
Nickeleffekt und nickelkatalysierte Dimerisation von Ethen
125
8.3
Trimerisation von Ethen
130
8.4
Der Shell Higher Olefin Process (SHOP)
133
IX
9
Polymerisation von Olefinen
137
9.1
Einführung
137
9.2
Ethenpolymerisation
138
9.2.1 Ziegler-Katalysatoren
138
9.2.2 Mechanismus – Vertiefung
141
9.2.3 Phillips-Katalysatoren
143
9.2.4 Polymertypen und Verfahrensspezifikationen
144
Propenpolymerisation
146
9.3.1 Regio- und Stereoselektivität
146
9.3.2 Ziegler-Natta-Katalysatoren
150
Metallocenkatalysatoren
154
9.4.1 Cokatalysatoren und Anioneneinfluss
154
9.4.2 C2- und Cs-symmetrische Metallocenkatalysatoren
157
9.4.3 Metallocenkatalysatoren mit diastereotopen Koordinationstaschen
162
9.5
Nicht-Metallocen-Katalysatoren
168
9.6
Copolymerisation von Olefinen und CO
174
9.3
9.4
10
C–C-Verknüpfung von Dienen
179
10.1
Einführung
179
10.2
Allyl- und Butadienkomplexe
180
10.2.1 Allylkomplexe
180
10.2.2 Butadienkomplexe
183
10.3
Metallorganische Elementarschritte von Allylliganden
186
10.4
Oligo- und Telomerisation von Butadien
190
10.4.1 Cyclotrimerisation von Butadien
191
10.4.2 Cyclodimerisation von Butadien
197
10.4.3 Linearoligo- und Telomerisation von Butadien
202
Polymerisation von Butadien
206
10.5.1 Mechanismus
206
10.5.2 Allylnickel(II)-komplexkatalysierte Butadienpolymerisation
209
10.5.3 Synthese und Eigenschaften von Polybutadienen
212
10.5
11
C–C-Kupplungsreaktionen
216
11.1
216
Palladiumkatalysierte Kreuzkupplungen
X
12
Inhalt
11.1.1 Einführung
216
11.1.2 Mechanismus von Kreuzkupplungen
217
11.1.3 Ausgewählte Kreuzkupplungen
220
11.2
Die Heck-Reaktion
226
11.3
Palladiumkatalysierte allylische Alkylierungen
231
Hydrocyanierungen, -silyierungen und -aminierungen von Olefinen
237
12.1
Einführung
237
12.2
Hydrocyanierungen
238
12.2.1 Grundlagen
238
12.2.2 Der DuPont-Adiponitril-Prozess
240
12.2.3 Ausblick
242
Hydrosilylierungen
245
12.3.1 Grundlagen
245
12.3.2 Ausblick
249
Hydroaminierungen
253
12.4.1 Grundlagen
253
12.4.2 Katalysatortypen
254
12.3
12.4
13
Oxidation von Olefinen und Alkanen
258
13.1
Der Wacker-Prozess
258
13.1.1 Einführung
258
13.1.2 Mechanismus der Ethenoxidation
259
13.1.3 Oxypalladierungen von Olefinen
265
Epoxidierungen von Olefinen
267
13.2.1 Einführung
267
13.2.2 Epoxidierung von Ethen und Propen
270
13.2.3 Enantioselektive Oxidationen von Olefinen
274
13.2.4 Monooxygenasen
277
C–H-Funktionalisierungen von Alkanen
280
13.3.1 Einführung
280
13.3.2 C–H-Aktivierungen von Alkanen
280
13.3.3 C–H-Funktionalisierungen
283
13.2
13.3
14
Lösungen zu den Aufgaben
288
XI
Literatur
310
Sachverzeichnis
334
Verzeichnis der Exkurse Klassifizierung von Liganden
27
Agostische C–H···M-Wechselwirkungen
29
Zur Oxidationsstufe von Metallen in Olefin- und Alkinkomplexen
31
Heterolytische Fragmentierungen (Grob’sche Fragmentierungen)
39
Prostereogenität, prostereogene Seiten
50
Das Curtin-Hammett-Prinzip
56
Der „Biss“ von P,P-Chelatliganden
79
Stabile Carbene als Liganden
104
Metallorganische Pinzettenkomplexe („Pincer“-Komplexe)
122
Ionische Flüssigkeiten
130
Hemilabile Liganden
133
Konfiguration von Polypropen
147
Analyse der Mikrostruktur von Polypropen
148
Topische Beziehungen von Molekülfragmenten
159
Fluktuierende Moleküle
182
Sterische und elektronische Effekte von Phosphorliganden
200
Telomerisation
203
Zur Oxidationsstufe von Metallen in Komplexen
279
Verzeichnis häufig benutzter Abkürzungen Ac Ad Ar 9-BBN BD BINAP BINAPHOS bpy Bz COD CDT CODH Cp Cp* Cy DACH DAT dba DCPD DIOP DIPAMP dmpe DPPF dppe dppm dppp DuPHOS DVCB GLUP Hacac hmpa HOTf HOTs H2pc H2salen L LAO LM Ln [M] MAO Mes
Acetyl Adamantyl Aryl 9-Borabicyclo[3.3.1]nonan Buta-1,3-dien chiraler Bis(phosphan)-Ligand (S. 51) chiraler Phosphan/Phosphit-Ligand (S. 73) 2,2’-Bipyridin Benzyl Cycloocta-1,5-dien Cyclododeca-1,5,9-trien Kohlenmonoxiddehydrogenase Cyclopentadienylligand (Ș5-C5H5) Pentamethylcyclopentadienylligand (Ș5-C5Me5) Cyclohexyl 1,2-Diaminocyclohexan Dialkyltartrat (ROOC–CH(OH)–CH(OH)–COOR) Dibenzylidenaceton (PhCH=CH–CO–CH=CHPh) Dicyclopentadien chiraler Bis(phosphan)-Ligand (S. 51) chiraler Bis(phosphan)-Ligand (S. 51) 1,2-Bis(dimethylphosphano)ethan (Me2P(CH2)2PMe2) Bis(phosphan)-Ligand (S. 255) 1,2-Bis(diphenylphosphano)ethan (Ph2P(CH2)2PPh2) Bis(diphenylphosphano)methan (Ph2PCH2PPh2) 1,3-Bis(diphenylphosphano)propan (Ph2P(CH2)3PPh2) chiraler Bis(phospholan)-Ligand (S. 51) 1,2-Divinylcyclobutan chiraler Bis(phosphinit)-Ligand (S. 51) Acetylaceton Hexamethylphosphorsäuretrimaid Trifluorsulfonsäure (F3CSO3H) p-Tosylsulfonsäure (p-MeC6H4SO3H) Phthalocyanin N,N’-Bis(salicyliden)ethylendiamin Ligand lineare Į-Olefine (linear Į-olefins) Lösungsmittel Seltenerd-Metall Metallkomplex, vgl. S. 25 Methylaluminoxan Mesityl
Verzeichnis häufig benutzter Abkürzungen
MOP NHC Nu P PE
XIII
PHOX PP R s TBS tmeda Tol Xantphos X VCH
chiraler Monophosphanligand (S. 249) N-heterocyclisches Carben (N-heterocyclic carbene), vgl. S. 104 Nucleophil Polymerkette Polyethen (HDPE = high density PE, LDPE = low density PE, LLDPE = linear low-density PE) chiraler 2-(Phosphinophenyl)oxazolin-Ligand (S. 231) Polypropen (a-PP = ataktisch, i-PP = isotaktisch, s-PP = syndiotaktisch) Alkyl, Aryl, H, ... (sofern nicht anders angegeben) Solvensmolekül (als Ligand), vgl. S. 25 tert-Butyldimethylsilyl N,N,N’,N’-Tetramethylethylendiamin (Me2N(CH2)2NMe2) Tolyl Bis(arylphosphan)-Ligand (S. 255) anionischer Ligand/Substituent 4-Vinylcyclohex-1-en
ADMET ADIMET ARCM AROM DFT K.Z. ON(M) P QM/MM RCM ROM ROMP TOF TON Tg ve Ȥ(E) Ƒ
acyclische Dienmetathese-Polymerisation (acyclic diene metathesis polym.) acyclische Diin-Metathese (acyclic diyne metathesis) enantioselektive RCM (asymmetric RCM) enantioselektive ROM (asymmetric ROM) Dichtefunktionaltheorie (density functioal theory) Koordinationszahl Oxidationsstufe von M Polymerisationsgrad quantenchemische Methode/molekülmechanische Methode Ringschlussmetathese (ring-closing metathesis) Ringöffnungsmetathese (ring-opening metathesis) Ringöffnungsmetathesepolymerisation (ring-opening metathesis polym.) Umsatzfrequenz (turnover frequency) Umsatzzahl (turnover number) Glas(übergangs)temperatur Valenzelektron(en) Elektronegativität von E freie Koordinationsstelle, vgl. S. 25
1
Einführung
1.1 Die Anfänge katalytischer Forschung In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind mit der Herausbildung einer chemischen Experimentierkunst, die neben qualitativen auch quantitative Aspekte berücksichtigt, die exakt misst und Massenbilanzen bei chemischen Umsetzungen erfasst, zunehmend Reaktionen beschrieben worden, die die Anfänge katalytischer Forschung in der Chemie markieren. Einen Überblick vermittelt Tabelle 1.1. Parallel dazu sind die Anfänge der katalytischen Forschung in der Biologie und Physiologie zu finden. Schon zu Beginn dieser Periode ist klar geworden, dass das Phänomen der Katalyse sowohl Bildungs- als auch Zerfallsreaktionen umfasst, wie die katalytische Bildung von Wasser aus den Elementen (Knallgasreaktion) und die katalytische Zersetzung von Wasserstoffperoxid belegen. Die Begründung der Stöchiometrie (J. B. Richter, 1792/93) und die Formulierung des Gesetzes der konstanten (J. L. Proust, 1799) und multiplen Proportionen (J. Dalton, 1803) waren wichtige Grundlagen, um zwei wesentliche Aspekte der Katalyse zu erkennen, nämlich dass Spuren eines Stoffes („substöchiometrische Mengen“) chemische Reaktionen bewirken können und dass diese Stoffe bei der Reaktion nicht verbraucht werden.
Homogen katalysierte Reaktionen Die Erkenntnisse sind schrittweise erlangt worden: So hat es zum Beispiel 30 Jahre in Anspruch genommen, von der Beobachtung, dass beim Kochen von Kartoffelstärke mit Weinund Essigsäure Zucker gebildet werden (1781), zur Erkenntnis zu gelangen, dass dabei die Säure nicht verbraucht wird. 1801 ist gefunden worden, dass auch andere Säuren Stärke abbauen können. Untersuchungen zum Konzentrationseinfluss der Säure haben dann zur Erkenntnis geführt, dass letztendlich Wasser die Spaltung der Stärke bewirkt und dass „... durch ‘lange genug fortgesetztes Kochen’ mit Wasser alleine dasselbe Ziel zu erreichen sein müsse!“ (Döbereiner, 1808). 1811/12 (Kirchhoff, Vogel) ist schließlich festgestellt worden, dass die verwendete Schwefelsäure nicht verändert wird und – wie zuvor auch von Döbereiner – die Bedeutung der Säurekonzentration für die Reaktionsgeschwindigkeit betont worden (zusammengestellt und zitiert nach Mittasch 1939, S. 6). Die Herstellung von Schwefelsäure durch Verbrennung von Schwefel mit Salpeter erst in Glasgefäßen und dann in Bleikammern ist schon lange bekannt. Der Bleikammerprozess ist ab 1746 zunächst ohne Luftzufuhr (Roebuck) und ab 1793 mit Luftzufuhr (Desormes und Clément) betrieben worden. Letztere haben dann auch 1806 die Wirkung der Stickoxide im Bleikammerprozess als einen oszillierenden Wechsel zweier bekannter Reaktionen beschrieben, nämlich der Oxidation von SO2 durch NO2 und der Rückoxidation von NO durch O2. Davy hat 1812 die Bleikammerkristalle [(NO)HSO4] als Zwischenstufe beschrieben. Mit diesen beiden Befunden von vor ca. 200 Jahren wird zum allerersten Mal ein zutreffendes
2
Einführung
Verständnis über den Ablauf einer homogen katalysierten Reaktion dahingehend erlangt, dass der Katalysator direkt an der Reaktion beteiligt ist und einen Reaktionsweg eröffnet, der ohne ihn nicht beschritten werden kann.
Tabelle 1.1. Anfänge katalytischer Forschung in der Chemie (adaptiert und gekürzt nach Mittasch 1936). Jahr
Autor
Entdeckung
1781
A. A. Parmentier
Verzuckerung von Stärke beim Kochen in Säure
1782
C. W. Scheele
Veresterung von Säuren (Essigsäure, Benzoesäure, ...) mit Alkohol in Gegenwart von Mineralsäure; Verseifung
1783
J. Priestley
Umwandlung von Alkohol in Ethen und Wasser an erhitztem Ton (katalytische Dehydratisierung von Alkohol)
1796
M. van Marum
Umwandlung von Alkohol zu Aldehyd an glühenden Metallen (katalytische Dehydrierung von Alkohol)
1806
C. B. Desormes, N. Clément
Untersuchung des Bleikammerverfahrens; Stickoxid als Sauerstoffüberträger für schweflige Säure
1811
G. S. C. Kirchhoff
Eingehende Untersuchung der Stärkeverzuckerung durch Säuren und Erkenntnis, dass diese nicht verbraucht wird
1812
H. Davy
Erkenntnis, dass Bleikammerkristalle (Nitrosylschwefelsäure) im Bleikammerverfahren von wesentlicher Bedeutung sind
1813
L. J. Thenard
Zersetzung von Ammoniak an erhitzten Metallen, insbesondere an Eisen
1815
J. L. Gay-Lussac
Spaltung von Cyanwasserstoff an Eisen
1816
A. M. Ampère
Annahme abwechselnder Nitridbildung und -spaltung bei der Ammoniakzersetzung an Metallen
1817
H. Davy
Verbrennung von Methan und Alkohol an glühendem Platindraht
1818
L. J. Thénard
Zersetzung von Wassserstoffperoxid an Metallen, Oxiden und organischen Substanzen
1821
J. W. Döbereiner
Oxidation von Alkohol zu Essigsäure an Platinmohr bei gewöhnlicher Temperatur
1823
J. W. Döbereiner
Entflammung von Wasserstoff in Gegenwart von Platinschwamm bei gewöhnlicher Temperatur
1824
J. S. C. Schweigger
„Anlegepunkte“ (aktive Stellen) bei derartigen Grenzflächenvorgängen
1831
P. Phillips
Herstellung von Schwefelsäure durch Luftoxidation von SO2 zu SO3 an erhitztem Platin
1833
E. Mitscherlich
„Kontaktreaktionen“: Zerfall von H2O2 an Pt, Au, ... und von ClO3– an MnO2; Etherbildung aus Alkohol in Gegenwart von Säure
1835
J. J. Berzelius
Katalyse: Namengebung und Definition
Die Anfänge katalytischer Forschung
3
Um 1800 war bei der Herstellung von Diethylether durch Destillation von Alkohol mit Schwefelsäure festgestellt worden, dass diese mehrmals wieder verwendet werden kann und kein Bestandteil der Schwefelsäure im Diethylether enthalten ist. Lehrmeinung seinerzeit war, dass Schwefelsäure durch ihre wasserentziehende Wirkung die Etherbildung bewerkstelligt. Die ebenfalls beobachtete Bildung von Ethylsulfat ist auf eine Nebenreaktion zurückgeführt worden. 1828 hat Hennell dieses als Zwischenprodukt bei der Etherbildung in der Weise charakterisiert, dass eine abwechselnde Bildung und Zersetzung von Ethylsulfat die kontinuierliche Bildung von Ether hervorruft. Schließlich ist 1833/34 von Mitscherlich experimentell nachgewiesen worden, dass die wasserentziehende Wirkung der Schwefelsäure nicht maßgebend für die Etherbildung ist. Mitscherlich schlussfolgert, da die Schwefelsäure „...keinen ’Vorteil‘ von dem Ergebnis [hat], so wirkt sie als selbstlos-williger Vermittler, also rein ’durch Kontakt‘“ und verallgemeinert „... Zersetzungen und Verbindungen, welche auf diese Weise hervorgebracht werden, kommen sehr häufig vor; wir wollen sie Zersetzung und Verbindung durch Kontakt nennen“ (zitiert nach Mittasch 1939, S. 30).
Heterogen katalysierte Reaktionen Bei heterogenen Reaktionen trat das Besondere von katalytischen Reaktionen augenscheinlicher zutage. So beschreibt Priestley 1783 zum ersten Mal eine katalytische Dehydratisierung von Alkohol, indem Alkoholdämpfe durch ein erhitztes Tabakpfeifenrohr geleitet werden. 1795 nahm Deimann dieses zum Ausgangspunkt, systematisch den Einfluss des Tabakpfeifenrohres – also nach heutiger Kenntnis des Katalysators – auf den Reaktionsablauf zu untersuchen und konstatierte, dass ein Glasrohr allein die Reaktion nicht bewerkstelligt, wohl aber ein mit Tonscherben gefülltes Glasrohr. Darüber hinaus sind auch die Einzelbestandteile des Tons und andere Substanzen auf ihre Fähigkeit untersucht worden, Alkohol zu dehydratisieren. Die Wirkung von Platin bei Verbrennungen hat H. Davy studiert und 1816 gefunden, dass erhitzter Platindraht schon unterhalb der Glühtemperatur die (flammenlose!) Verbrennung von Methan (und anderen Stoffen wie Wasserstoff, Ether, Alkohol, ...) an der Luft herbeiführt, wobei die entstehende Wärme zum Erglühen des Drahtes führt.1 1818 wies Erman nach, dass es für Knallgas genügt, den Platindraht auf 50 °C zu erhitzen. 1823 zeigte Döbereiner, dass Platinschwamm Knallgas bei gewöhnlicher Temperatur zur flammenlosen Reaktion bringt und wenige Tage später berichtete er, dass es zu einer fast augenblicklichen Entflammung kommt, wenn der Wasserstoff so auf Platinschwamm (hergestellt durch thermische Zersetzung von „Platinsalmiak“ [NH4]2[PtCl6]) geleitet wird, dass er sich zuvor mit Luft mischen kann. Dazu führte er aus, „... das schwammige Pulver verhält sich gegen Knallgas gewissermaßen wie funkende Elektrizität“ (zitiert nach Mittasch 1951, S. 20). Das ist die Grundlage für das Döbereinersche Feuerzeug (Abbildung 1.1), das rasche Verbreitung gefun-
1
Davy erfand auch (1815) die nach ihm benannte Sicherheitslampe für Kohlengruben, bei der die Flamme einer Gaslampe durch einen engmaschigen Drahtzylinder von der Außenluft abgetrennt ist. Die oben genannte Entdeckung nutzte er, indem er eine Platinspirale in seine Grubenlampe einbauen ließ. Nach dem Erlöschen der Lampe wegen eines zu hohen Methangehaltes in der Luft fing die Spirale an zu glühen und ermöglichte so dem Bergmann die Orientierung.
4
Einführung
Abbildung 1.1. Döbereiner-Feuerzeug. Es entspricht im Prinzip einem Kippschen-Apparat, der mit Schwefelsäure (a) gefüllt ist, die beim Öffnen des Hahnes (c) mit dem Zinkstab (b) in Berührung kommt. Dabei entwickelt sich Wasserstoff, der aus der Düse (d) ausströmt und sich am Platinschwamm (e) entzündet.
den hat (1828 waren bereits ca. 20000 in Gebrauch), wobei Döbereiner darauf verzichtet hat, aus der Erfindung finanziellen Nutzen zu ziehen.1 1813 hat Thenard ausführlich die Zersetzung von Ammoniak an erhitzten Metallen untersucht und die stärkste Wirkung beim Eisen festgestellt, dass dabei seinen physikalischen Zustand verändert, es wurde brüchig und locker. Als Ursache ist später die Bildung eines Nitrids als Zwischenstufe angenommen worden, das 1829 auch experimentell nachgewiesen worden ist. Thenard hat mit Gay-Lussac 1811 Bariumperoxid hergestellt und daraus (1818) durch Einwirkung von Salzsäure Wasserstoffperoxid erhalten. Anschließend hat er die Zersetzung von H2O2 an zahlreichen Metallen und Metalloxiden untersucht, wobei sich Ag und Ag2O, das zu Silber reduziert wird, am wirksamsten erwiesen. Auch organische Materialien wie Fibrin und verschiedene Gewebeteile bewirkten eine Zersetzung von H2O2. Zusammenfassend brachte er zum Ausdruck, dass die Stoffe wirken können, ohne selber verändert zu werden und dass es sich bei der Wirkung um ein und dieselbe „Kraft“ handelt und bezog darin auch die Wirkung der tierischen und pflanzlichen Materialien ein.
1.2 Die Katalysedefinitionen von Berzelius und Ostwald Der Katalysebegriff von Berzelius Von 1821 bis 1847 hat Jöns Jakob Berzelius (1779–1848) die neuen Ergebnisse in den physischen Wissenschaften (Physik, Chemie, Mineralogie, Geologie) jährlich in einem Bericht zusammengefasst. Die Berichte sind der schwedischen Akademie der Wissenschaften vorgelegt und auch ins Deutsche übersetzt worden.2 Im Bericht von 1835 über das Jahr 1834 (deutsche Übersetzung: 1836) führt Berzelius im Kapitel zur Pflanzenchemie einige der zuvor erwähnten Erscheinungen an und resümiert: 1 Döbereiner war seit 1810 als Professor an der Universität Jena tätig. Er hat den zuständigen Staatsminister, J. W. von Goethe, über seine Forschungen auf dem Laufenden gehalten und ihm in vielfältiger Art als Berater in chemischen Fragen gedient. Er hat ihm auch eines seiner Feuerzeuge übereignet und Goethe schrieb daraufhin an Döbereiner „... immer dankbar zu erinnern, da Ihr so glücklich erfundenes Feuerzeug mir täglich zur Hand steht und ...“ (zitiert nach A. Mittasch 1951, S. 29). 2 J. Berzelius, Jahres-Bericht über die Fortschritte der physischen Wissenschaften, Tübingen (Jber. Berz.). Ab Bd. 21 (1842) Jahres-Bericht über die Fortschritte der Chemie und Mineralogie.
Die Katalysedefinitionen von Berzelius und Ostwald
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„Es ist also erwiesen, daß viele, sowohl einfache als zusammengesetzte Körper, sowohl in fester als in aufgelöster Form, die Eigenschaft besitzen, auf zusammengesetzte Körper einen, von der gewöhnlichen chemischen Verwandtschaft ganz verschiedenen Einfluß auszuüben, indem sie dabei in dem Körper eine Umsetzung der Bestandtheile in anderen Verhältnissen bewirken, ohne daß sie dabei mit ihren Bestandtheilen nothwendig selbst Theil nehmen, wenn dieß auch mitunter der Fall sein kann. Es ist dieß eine eben sowohl der unorganischen, als der organischen Natur angehörige neue Kraft zur Hervorrufung chemischer Thätigkeit, die gewiß mehr, als man bis jetzt dachte, verbreitet sein dürfte, und deren Natur für uns noch verborgen ist. Wenn ich sie eine neue Kraft nenne, ist es dabei keineswegs meine Meinung, sie für eine von den electrochemischen Beziehungen der Materie unabhängiges Vermögen zu erklären; im Gegentheil, ich kann nur vermuthen, daß sie eine eigene Art der Aeußerung von jenen sei. So lange uns indessen ihr gegenseitiger Zusammenhang verborgen bleibt, erleichtert es unsere Forschungen, sie vorläufig noch als eine Kraft für sich zu betrachten, gleichwie es auch unsere Verhandlungen darüber erleichtert, wenn wir einen eigenen Namen dafür haben. Ich werde sie daher, um mich einer in der Chemie wohlbekannten Ableitung zu bedienen, die katalytische Kraft der Körper, und die Zersetzung durch dieselbe Katalyse nennen, gleichwie wir mit dem Wort Analyse die Trennung der Bestandtheile der Körper, vermöge der gewöhnlichen chemischen Verwandtschaft, verstehen. Die katalytische Kraft scheint eigentlich darin zu bestehen, daß Körper durch ihre bloße Gegenwart, und nicht durch ihre Verwandtschaft, die bei dieser Temperatur schlummernden Verwandtschaften zu erwecken vermögen, so daß ...“
Der damaligen Auffassung entsprechend setzt eine Reaktion zwischen zwei „Körpern“ ihre „chemische Verwandtschaft“ voraus. Katalysatoren sind nunmehr als „Körper“ angesehen worden, die vermöge ihrer katalytischen Kraft Reaktionen auslösen („schlummernde Verwandtschaften erwecken“), ohne dass sie selbst mit den reagierenden „Körpern verwandt“ sind. Dabei bezieht sich Berzelius nicht nur auf homogen und heterogen katalysierte Reaktionen, sondern schließt auch (mit heutigen Worten) enzymkatalysierte Reaktionen mit ein. Berzelius stellt den neuen Begriff „Katalyse“ (griech: țĮIJȐȜȣıȚȢ = Auflösung) den der „Analyse“ gegenüber: Analyse bedeutet in diesem Zusammenhang eine durch „gewöhnliche chemische Verwandtschaft“ hervorgerufene Reaktion, während Katalysatoren durch ihre bloße Anwesenheit eine Reaktion auslösen. Mit dem Katalysebegriff fasst Berzelius eine Gruppe von Erscheinungen zusammen, die im Rahmen der Lehre über Reaktionen durch chemische Verwandtschaft nicht erklärt werden können. Somit ist der Begriff zunächst im Wesentlichen rein deskriptiv und Berzelius verzichtet bewusst auf Versuche, das Wesen der Katalyse zu erklären. Berzelius nennt die „katalytische Kraft“ zwar eine neue Kraft, betont aber die Erwartung, ihre Wirkung im Rahmen seiner elektrochemischen Theorie erklären zu können. Liebig hat Berzelius wegen seiner Katalysedefinition mehrfach attackiert und in den Mittelpunkt seiner Kritik die „Schaffung einer neuen Kraft durch ein neues Wort gestellt, welches die Erscheinung ebenfalls nicht erklärt“.
Die Katalysedefinition von Ostwald 1850 hat der Physiker Ludwig Wilhelmy (1812–1864) die säurekatalysierte Rohrzuckerinversion untersucht und das „Gesetz, nach welchem die Einwirkung der Säuren auf den Rohrzucker stattfindet“ formuliert. Darin wird erstmals explizit die chemische Geschwindigkeit (Reaktionsgeschwindigkeit) definiert, die Grundlage der chemischen Kinetik ist. Eine exakte Definition der Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion ist Voraussetzung dafür, die be-
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Einführung
schleunigende Wirkung eines Katalysators auf dieselbe zu erkennen, die im Mittelpunkt der „kinetischen Definition von Katalyse“ von Wilhelm Ostwald (1853–1932) steht. Als Anerkennung für seine Arbeiten über Katalyse sowie für seine grundlegenden Untersuchungen über chemische Gleichgewichtsverhältnisse und Reaktionsgeschwindigkeiten ist ihm 1909 der Nobelpreis für Chemie zuerkannt worden. Mit dem Ziel, die „Stärke“ von Säuren zu messen, ist Ostwald von Untersuchungen zum Säureeinfluss auf die Esterhydrolyse (1883) zum engen Zusammenhang zwischen der Säurestärke und ihrer katalytischen Wirkung gestoßen. Mit der säurekatalysierten Oxidation von Iodwasserstoff durch Bromsäure (1887) hat er erstmals ein System untersucht, in dem die Reaktion auch ohne Katalysator bereits mit messbarer Geschwindigkeit ablief, so dass „das Wesen der Katalyse nicht in der Hervorbringung einer Reaktion zu suchen ist, sondern in ihrer Beschleunigung“. In einem Referat zu einer Arbeit von F. Strohmann hat Ostwald in der Zeitschrift für physikalische Chemie (1894, 15, 705) die seitdem maßgebend gebliebene Definition der Katalyse gegeben: „... Wenn sich der Ref. vor die Aufgabe gestellt sähe, die Erscheinungen der Katalyse allgemein zu kennzeichnen, so würde er etwa den folgenden Ausdruck als den entsprechenden ansehen: K a t a l y s e i s t d i e B e s c h l e u n i g u n g e i n e s l a n g s a m v e r l a u f e n d e n c h e m i s c h e n Vo rg a n g e s d u r c h d i e G e g e n w a r t e i n e s f r e m d e n St o ff e s . ... Es ist daher irreführend, die katalytische Wirkung wie eine Kraft anzusehen, welche etwas hervorbringt, was ohne den katalytisch wirkenden Stoff nicht stattfinden würde; noch weniger darf man eine Arbeitsleistung des letzteren annehmen. Zum Verständnis der Erscheinung wird es vielleicht beitragen, wenn ich noch besonders darauf hinweise, daß in dem Begriff der chemischen Energie der der Zeit nicht enthalten ist; wenn also die chemischen Energieverhältnisse so gegeben sind, daß ein bestimmter Vorgang eintreten muß, so ist dadurch nur Anfangs- und Endzustand, sowie die ganze Reihe von Zwischenzuständen gegeben, welche durchlaufen werden müssen, keineswegs aber die Zeit, binnen deren dies Durchlaufen erfolgen muß. D i e s e Z e i t i s t v o n d e n B e d i n g u n g e n a b h ä n g i g , w e l c h e a u ß e r h a l b d e r b e i d e n H a u p t s ä t z e d e r E n e rg e t i k l i e g e n . ...“
Ausführlich fasst Ostwald den Wissensstand zur Katalyse in einem Vortrag 1901 zusammen. Mit Bezug auf ein homogenes System, dass sich zu Produkten mit geringerer freier Energie umwandeln kann, konstatiert er: „... Aber die sicherste Grundlage allgemeiner Schlüsse, die wir kennen, die Gesetze der Energetik verlangen, dass tatsächlich die Umwandlung stattfindet. Sie diktieren keinen Zahlenwert der Geschwindigkeit, die dabei eingehalten werden muß; sie verlangen nur, daß diese Geschwindigkeit nicht streng Null ist, sondern einen endlichen Wert hat. Hierdurch gewinnen wir alsbald auch für diesen Fall die Definition eines Katalysators. E i n K a t a l y s a t o r i s t j e d e r St o ff , d e r, o h n e i m E n d p r o d u k t e i n e r c h e m i s c h e n R e a k t i o n z u e r s c h e i n e n , i h r e G e s c h w i n d i g k e i t v e r ä n d e r t . ...“
Bereits in diesem Vortrag (1901) und später in seinem Vortrag anlässlich der Verleihung des Nobelpreises (1909) hat Ostwald auch zur Theorie der Katalyse darauf verwiesen: „...[, dass] keine sich lebensfähiger erwiesen [hat], als die bereits von CLEMENT und DESORMES aufgestellte der Zwischenreaktionen, welche gerade auf der Teilnahme des Katalysators an den wirklich stattfindenden Reaktionen beruht, deren Summe allerdings so beschaffen ist, dass sich der Katalysator aus ihr heraushebt, deren Teilreaktionen aber den Katalysator als wesentlichen chemischen Bestandteil des Vorganges enthalten. ...“
Die Katalysedefinitionen von Berzelius und Ostwald
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Zunächst ist ein derartiger Reaktionsablauf nur bei homogen katalysierten Reaktionen in Betracht gezogen worden. Anfang der 20er Jahre hat Irving Langmuir (1881–1957; Nobelpreis für Chemie 1932) mit seinen Arbeiten zur Chemisorption gezeigt, dass Zwischenreaktionen auch bei heterogen katalysierten Reaktionen von fundamentaler Bedeutung sind. Am Schluss seines Vortrages anlässlich der Verleihung des Nobelpreises konstatiert Ostwald, „... dass, solange die Frage nach der allgemeinen Vorausberechnung einer chemischen Reaktionsgeschwindigkeit ... noch nicht gelöst ist, eine ausreichende Antwort auf die katalytische Frage nicht gegeben werden kann.“ Erst nach seinem Tod hat Henry Eyring (1901–1981) mit der Theorie des Übergangszustandes (1935) eine wichtige theoretische Grundlage dafür geschaffen. Erst Ostwalds Erkenntnis über das Wesen der Katalyse, die er selbst als seine „selbständigste und folgenreichste chemische Leistung“ bezeichnete, hat eine zielgerichtete Forschung auf dem Gebiet der Katalyse und deren bewusste technische Anwendung ermöglicht. Ausgehend von der bekannten Tatsache (vgl. Tab. 1.1, S. 2), dass Ammoniak beim Leiten über schwach glühendes Eisen fast vollständig in seine Elemente zerlegt wird und seiner Erkenntnis, dass der Katalysator nur die Einstellung des Gleichgewichtes – also Hin- und Rückreaktion gleichermaßen – beschleunigt, hat Ostwald die eisenkatalysierte Synthese von Ammoniak untersucht. Im 1900 angemeldeten Patentanspruch sind alle Grundgedanken des 1913 realisierten Haber-Bosch-Verfahrens enthalten. Mangelnde Reproduzierbarkeit der Ergebnisse haben Ostwald aber veranlasst, das Patentgesuch verfallen zu lassen. 1901 schließlich diente ihm ein bekanntes Vorlesungsexperiment, dass eine glühende Spirale aus Platindraht in einem Gemisch aus NH3 und Luft unter Bildung von Stickstoffdioxid fortfährt zu glühen, als Ausgangspunkt für das „Ostwald-Verfahren“ zur Synthese von Salpetersäure, nach dem gegenwärtig praktisch der gesamte Bedarf an HNO3 gedeckt wird. Wilhelm Ostwald hat die Katalyse als grundlegendes Prinzip zur Überwindung der kinetischen Hemmung chemischer Reaktionen etabliert und damit die Voraussetzungen für eine wissenschaftlich fundierte Katalyseforschung und zielgerichtete Katalysatorentwicklung geschaffen.
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Grundlagen der Komplexkatalyse
2.1 Homogene versus heterogene Katalyse Es wird zwischen homogener und heterogener Katalyse unterschieden, je nachdem ob Katalysator und Reaktanten in der gleichen Phase vorliegen oder nicht. Biokatalysen, also Biotransformationen bei denen das Substrat anfänglich nichtkovalent an das aktive Zentrum des Katalysators gebunden wird, werden hier nicht betrachtet. Die Enzymkatalyse nimmt durch die besondere Proteinstruktur der Katalysatoren und deren spezifische Wirkungsweise eine Sonderstellung ein. Homogene Katalysen klassifiziert man zweckmäßig nach der Natur der Katalysatoren, die eine spezifische Substrataktivierung bewirkt (Tabelle 2.1). Brønsted-Säure-Base- sowie elektrophile und nucleophile Katalysen sind in der organischen Chemie Legion. Hochselektiv wirkende „rein“ organische Katalysatoren, bezeichnet man auch als „Organokatalysatoren“. Darunter fallen insbesondere asymmetrische Organokatalysatoren [Ber 2005], die in ihrer Funktionsweise gewisse Analogien zu metallfreien Enzymen aufweisen. Als Beispiel für eine Redox- und Komplexkatalyse sei die Mn2+-katalysierte Oxidation von Oxalat mit MnO4– bzw. die MoVI-katalysierte Epoxidbildung aus Olefinen und Hydroperoxiden angeführt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind derartige Katalysen nicht Gegenstand dieses Buches, sondern metallorganische Komplexkatalysen. Das sind homogen durch Metallkomplexe – in den allermeisten Fällen Übergangsmetallkomplexe – katalysierte Reaktionen, bei denen metallorganische Intermediate auftreten. Tabelle 2.1. Zur Klassifizierung von homogen katalysierten Reaktionen. Katalysator
Katalysator wirkt als ...a)
Substrataktivierung durch ...
Bezeichnung
Brønsted-Säure/-Base
PD/PA
Protonierung/Deprotonierung
Brønsted-Säure-BaseKatalyse
Lewis-Säure/-Base
EPA/EPD
Bildung eines Lewis-Säure-BaseAdduktes
elektrophile/nucleophile Katalyse
Metallkomplex
ED/EA
Elektronenübertragung
Redoxkatalyse
b)
Metallkomplex
EPA
koordinative Wechselwirkung
Komplexkatalyse
Metallkomplex
EPAb) (EPD)c)
koordinative Wechselwirkung; metallorganische Intermediate
metallorganische Komplexkatalyse
a) PD/PA = Protonendonor/-akzeptor; EPD/EPA = Elektronenpaardonor/-akzeptor; ED/EA = Elektronendonor/-akzeptor. b) Die Ausbildung einer Metall–Ligand-Bindung ist in der Regel als EPA–EPDWechselwirkung zu beschreiben. c) Bei der Bildung von ʌ- und ı-Komplexen zur Substrataktivierung ist die Fähigkeit des Metalls zur Rückbindung (back-donation) von Bedeutung, es fungiert also zusätzlich als EPD.
Homogene versus heterogene Katalyse
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Typisch für heterogene Katalysen sind gasförmige Edukte und feste Katalysatoren, die – insbesondere in der Technik – auch als Kontakte bezeichnet werden. Die Katalyse findet an der (äußeren und/oder inneren) Oberfläche des Katalysators statt, woher auch die Bezeichnungen „Oberflächenkatalyse“ und „Kontaktkatalyse“ stammen. Von Bedeutung für den gesamten Reaktionsablauf sind Diffusionsprozesse sowie Adsorptions- und Desorptionsvorgänge der Reaktanten und Produkte. Typische Reaktionstemperaturen liegen bei 200–600 °C. Vielfach werden die Reaktionen unter hohem Druck ausgeführt. Für metallorganische Komplexkatalysen ist charakteristisch, dass die Reaktanten und der Katalysator in Lösung vorliegen und die Reaktionstemperaturen relativ niedrig sind (20–150 °C). Oftmals sind homogene Katalysatoren ausgesprochen oxidations- und/oder hydrolyseempfindlich, so dass streng unter anaeroben Bedingungen gearbeitet werden muss. Die meisten metallorganischen Komplexkatalysatoren sind Übergangsmetallverbindungen mit definierter Struktur und Stöchiometrie. Bei gut untersuchten Prozessen lässt sich der Reaktionsablauf auf molekularer Basis (nahezu) vollständig verstehen, was Grundlage für eine gezielte Entwicklung von „Katalysatoren nach Maß“ ist. Typischerweise ist das Reaktionszentrum ein Metallatom (-ion), an dem auch Liganden koordiniert sind, die nicht direkt an der Katalyse beteiligt sind („Zuschauerliganden“; engl: spectator oder control ligands). Variationen dieser Liganden unter dem Gesichtspunkt, gezielt die elektronischen und/oder sterischen Verhältnisse am Reaktionszentrum zu beeinflussen („ligand tuning“), sind Grundlage für Katalysatoroptimierungen hinsichtlich Aktivität, Selektivität und Stabilität. Es gibt Grenzfälle zwischen homogener und heterogener Katalyse. Einer der bekanntesten ist der klassische Ziegler-Katalysator (TiCl4/AlEt3), der Ethen in einem aliphatischen Kohlenwasserstoff bei Normaldruck und Raumtemperatur mit hoher Geschwindigkeit polymerisiert. Heute wissen wir, dass zunächst TiCl3 gebildet wird, welches in aliphatischen Kohlenwasserstoffen unlöslich ist. Die Katalyse vollzieht sich an der durch den Cokatalysator chemisch modifizierten Oberfläche von TiCl3. Die Reaktionsbedingungen sind typisch für homogen katalysierte Verfahren, die Elementarschritte können im Prinzip auf molekularer Basis verstanden werden und es gibt analoge Katalysatoren, die in homogener Lösung arbeiten. Das rechtfertigt, derartige Verfahren der homogenen Katalyse zuzurechnen. Der wohl entscheidende Vorteil von homogen katalysierten Verfahren ist das prinzipielle mechanistische Verständnis auf molekularer Basis als Grundlage für eine gezielte Katalysatorentwicklung und -optimierung. Ein weiterer wesentlicher Vorteil der Komplexkatalyse ist die Variationsbreite mit der Katalysatoren entwickelt werden können, die sich in einer großen Anzahl katalytisch relevanter Metalle und Liganden widerspiegelt. Dem steht als entscheidender Nachteil eine z. T. teure und aufwendige Katalysatorabtrennung gegenüber. Entwicklungen wie die Immobilisierung von homogenen Katalysatoren auf festen Trägern und die Zweiphasenkatalyse tragen dem Bestreben Rechnung, in diesem Aspekt die Vorteile der homogenen Katalyse mit denen der heterogenen Katalyse zu kombinieren. Sowohl homogene als auch heterogene Katalysatoren sind technisch wichtig und werden technisch wichtig bleiben.
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Grundlagen der Komplexkatalyse
2.2 Katalysezyklen Zur Erläuterung des grundsätzlichen Ablaufes einer homogen katalysierten Reaktion legen wir als Modell eine Reaktion von zwei Substraten S1 und S2 zu einem Produkt P zugrunde. Unter der katalytischen Einwirkung von [M] gilt S1 + S 2
[M]
P
Mögliche Elementarschritte der katalysierten Reaktion sind in Abbildung 2.1 als Katalysezyklus dargestellt. Es sind zwei störende Nebenreaktionen eingetragen: Die reversible Bildung eines katalytisch nichtaktiven Zwischenproduktes führt zur Minderung der Aktivität des Katalysators, weil die Konzentration an katalytisch aktivem Komplex vermindert wird (3 ĺ 5). Die irreversible Zersetzung eines Zwischenkomplexes führt zur Katalysatordesaktivierung (4 ĺ 6), so dass insbesondere die Produktivität des Katalysators vermindert wird, je schneller derartige Reaktionen ablaufen.
Abbildung 2.1. Typische Elementarschritte einer komplexkatalysierten Reaktion. 1 ĺ 2: Bildung des Katalysators [M] aus dem Präkatalysator [M’]. 2 ĺ 3: Aktivierung der Substrate Sn durch Komplexbildung [M]–Sn. 3 ĺ 4: Umwandlung des Metall–Substrat-Komplexes [M]–Sn in einen Metall–Intermediat-Komplex [M]–I. 4 ĺ 2: Abspaltung des Produktes P aus [M]–I unter Rückbildung des Katalysators [M]. 3 ĺ 5: Reversible Bildung eines katalytisch inaktiven Komplexes [M]–S’. 4 ĺ 6: Irreversible Zersetzung des Zwischenkomplexes [M]–I.
Für jede katalytische Reaktion lässt sich im Prinzip ein Zyklus analog Abbildung 2.1 formulieren. Ob das jeweils die übersichtlichste Form ist, um das Verständnis zu erlangen, sei dahingestellt. Wir werden jedenfalls bei der Beschreibung der einzelnen Verfahren nicht in jedem Falle so verfahren. Zum Verständnis der Katalyse ist es wichtig, die Reversibilität der Elementarschritte zu analysieren. Sofern einer der Schritte irreversibel ist (im vorliegenden Beispiel ist das die Produktabspaltung 4 ĺ 2), ist es (hinreichend kleine Aktivierungsenergien vorausgesetzt) gewährleistet, dass der Zyklus durchlaufen wird und prinzipiell ein vollständiger Stoffumsatz erreicht werden kann. Wenn alle Schritte reversibel sind, ist nur ein Stoffumsatz zu erwarten, der den Lagen der einzelnen Gleichgewichte entspricht.
Aktivität und Produktivität von Katalysatoren
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2.3 Aktivität und Produktivität von Katalysatoren Katalytische Aktivität Die Aktivität eines Katalysators bringt die auf die Katalysatorkonzentration bezogene Reaktionsgeschwindigkeit zum Ausdruck. Ein Maß für die Aktivität ist die Umsatzfrequenz TOF (engl: turnover frequency). Sie ist als Bildungsgeschwindigkeit des Produktes P (rP) bezogen auf die Katalysatorkonzentration cKat definiert: rP cKat
TOF
mit rP
dcP dt
Vereinfacht kann die in einem Reaktionsansatz in einem Zeitintervall gebildete Stoffmenge an Produkt pro Stoffmenge Katalysator [mol Produkt/(mol Katalysator × Zeit)] angegeben werden. Umsatzfrequenzen haben die Dimension [1/Zeit]. Früher sind sie unzutreffend als Umsatzzahlen (engl: turnover number; TON) bezeichnet worden, mit denen aber korrekterweise Produktivitäten angegeben werden. Liegen detaillierte kinetische Messungen vor, kann alternativ die Geschwindigkeitskonstante kKat (Katalysekonstante) der katalysierten Reaktion angegeben werden. Wie aus der EyringI Gleichung ersichtlich ist, hängt sie von der freien Aktivierungsenthalpie 'GKat der katalysierten Reaktion ab (kB = Boltzmann-Konstante, h = Plancksches Wirkungsquantum, R = Gaskonstante):
kKat
kB T e h
I 'GKat
RT
Katalytische Produktivität Die Produktivität eines Katalysators gibt die Stoffmenge an Produkt P an, die mit einer bestimmten Stoffmenge an Katalysator (unter den gegebenen Reaktionsbedingungen) insgesamt zu erzeugen ist. Sie ist dimensionslos (z. B. [mol Produkt/mol Katalysator]) und wird als Umsatzzahl TON (engl: turnover number) bezeichnet: TON
nP nKat
Damit Angaben zur katalytischen Aktivität und Produktivität aussagekräftig sind, müssen auch die Reaktionsbedingungen angeführt werden.
Umsatz-Zeit-Kurven Aktivität und Produktivität eines Katalysators lassen sich aus Umsatz-Zeit-Kurven ableiten (Abbildung 2.2). Der Anstieg zu Beginn der Reaktion ist ein Maß für die (Anfangs-) Aktivität des Katalysators. Sind die Umsatz-Zeit-Kurven nicht hyperbolisch wie die Kurven 1 und 2 in Abb. 2.2, sondern sigmoid (S-förmig) (Kurve 4’), spiegelt der Anstieg im Wendepunkt die
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Grundlagen der Komplexkatalyse
Abbildung 2.2. Umsatz-Zeit-Kurven zur Bewertung von Aktivität und Produktivität von Katalysatoren.
(maximale) Aktivität wider. Die Produktivität ist aus der Stoffmenge Produkt nP abzulesen, bei dem die Reaktion zum Stillstand kommt. (Vorausgesetzt, es steht über den gesamten Verlauf der Reaktion genügend Substrat zur Verfügung.) Solche Umsatz-Zeit-Kurven sind experimentell in einfacher Weise zu erhalten und wesentlich aussagekräftiger als die vielfach in Patenten übliche Angabe, welche Menge an Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. 80 % Umsatz nach 5 h) gebildet worden ist. Abbildung 2.2 (a) zeigt Umsatz-Zeit-Kurven, aus denen Aussagen zur Aktivität und Produktivität von Katalysatoren getroffen werden können. So sind die Katalysatoren 1 und 2 von vergleichbarer Aktivität, aber sehr unterschiedlicher Produktivität. Offensichtlich unterliegt der Katalysator 2 einer raschen Desaktivierung. Die Katalysatoren 3 und 4 sind von sehr geringer bzw. hoher Aktivität. Ihre Produktivität kann in dem zu schmalen Zeitfenster nicht angegeben werden, da beide Reaktionen noch nicht zu Ende gekommen sind. Die Produktivität von 4 ist aber definitiv höher als die der Katalysatoren 1 und 2. In Abb. 2.2 (b) ist demonstriert, dass aus einem einzigen experimentellen Wert M, der angibt, dass zum Zeitpunkt t1 eine Stoffmenge Produkt n1 gebildet worden ist, keine Aussagen zu Aktivität und Produktivität abgeleitet werden können. Dagegen würde aus der experimentellen Ermittlung von Umsatz-Zeit-Kurven deutlich werden, ob ein Katalysator (2) mit mittlerer Aktivität, aber geringer Produktivität oder ein Katalysator (3) mit geringerer Aktivität, aber höherer Produktivität vorliegt. Es könnte sogar ein Katalysator (4’) mit hoher Aktivität und Produktivität vorliegen, der aber im Unterschied zu 4 in Abb. 2.2 (a) eine Induktionsperiode aufweist.
2.4 Selektivität und Spezifität von Katalysatoren Ein Katalysator heißt selektiv, wenn er eine von mehreren zwischen den Reaktanten möglichen Reaktionen bevorzugt oder ausschließlich katalysiert. Bezieht sich die Selektivität auf die stereochemische Beziehung von Edukten und Produkten spricht man von stereoselektiven Reaktionen bzw. Katalysatoren, die genauer als diastereo- oder enantioselektiv charakterisiert werden können. Wird bei einer Reaktion, die die Bildung von mehreren Regioisomeren zulässt, ein einziges bevorzugt oder ausschließlich gebildet, liegt eine regioselektive Reaktion
Selektivität und Spezifität von Katalysatoren
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vor. Weist ein Substrat verschiedene funktionelle Gruppen auf, wird aber in einer Reaktion nur eine davon umgesetzt, bezeichnet man die Reaktion als chemoselektiv. In welchem Ausmaß eine Reaktion selektiv abläuft, lässt sich durch die Produktzusammensetzung quantitativ angeben. Für enantio- und diastereoselektive Reaktionen ist die Angabe des Enantiomerenüberschusses (% ee = % Überschuss-Enantiomer – % UnterschussEnantiomer; ee = enantiomeric excess) bzw. des Diastereomerenüberschusses (% de = % Überschuss-Diastereomer – % Unterschuss-Diastereomer; de = diastereomeric excess) üblich. Als stereospezifisch bezeichnet man einen Katalysator, der stereoisomere Edukte in unterschiedliche stereoisomere Produkte umwandelt. Mit anderen Worten, stereochemisch differenzierte Edukte werden in stereochemisch differenzierte Produkte übergeführt. Wie bei stereoselektiven Reaktionen kann zwischen enantio- und diastereospezifischen Reaktionen unterschieden werden. Spezifische Reaktionen sind stets auch selektiv, aber selektive Reaktionen brauchen nicht spezifisch zu sein. Abweichend vom Dargelegten werden gelegentlich – insbesondere in der Enzymkatalyse – selektive Reaktionen, die völlig einheitlich ablaufen, also ausschließlich ein Produkt gebildet wird, als „spezifisch“ bezeichnet. Wir werden aber davon keinen Gebrauch machen und solche Reaktionen als „hochselektiv“ charakterisieren [Car 2004].
Beispiele Bei der Hydrierung von prochiralen Olefinen 1 können zwei Enantiomere 2 (CIPPriorität: R > R’ > Me) gebildet werden. Bewirkt ein Katalysator, dass eines davon bevorzugt oder ausschließlich entsteht, verläuft die Reaktion selektiv (genauer: enantioselektiv). H
R
H
R´
H2 Kat.
1
R
H H
H R´
H H
+
H
(R)-2
R´
H
R
H
(S)-2
Bei der Epoxidierung innerer Olefine 1 können zwei stereoisomere Epoxide 2 gebildet werden. Bewirkt ein Katalysator, dass aus dem (E)-Olefin das trans-Epoxid und aus dem (Z)-Olefin das cis-Epoxid gebildet wird, ist die Reaktion stereospezifisch (genauer: diastereospezifisch). H
R
R
H
O2 Kat.
O H R trans-2
(E)-1 H R
H R (Z)-1
R H
O2 Kat.
O H R
H R cis-2
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Grundlagen der Komplexkatalyse
Die Polymerisation von Butadien kann unter 1,2-Verknüpfung zu iso- (1) oder syndiotaktischem 1,2-Polybutadien (2) führen oder unter 1,4-Verknüpfung zu trans- (3) oder cis1,4-Polybutadien (4). Die Polymerisation ist dann regioselektiv, wenn entweder 1,2-Polybutadien (1/2) oder 1,4-Polybutadien (3/4) gebildet wird. Sie ist darüber hinaus stereoselektiv, wenn bevorzugt ein einziges Stereoisomer (entweder 1 oder 2 bzw. 3 oder 4) gebildet wird. Zuweilen werden diese Polymerisationen – nicht ganz korrekt – als stereospezifisch bezeichnet. 1
2
...
... *
*
*
...
*
... *
*
*
*
Kat.
n
...
...
...
... 4
3
Die regioselektive Bildung nur eines Isomers (meistens das n-Produkt) ist bei der Hydroformylierung von Olefinen von zentraler Bedeutung. CO / H2 Kat.
R
H
CHO CHO +
R
n
R iso
:
H
Wird bei der Hydrierung des Enins 1 entweder 2 oder 3 gebildet, liegt eine chemoselektive Reaktion vor. Handelt es sich bei 3 entweder um das cis,trans- (3a) oder trans,transIsomer (3b), ist die zu 3 führende Reaktion auch noch stereoselektiv. 3a
H2 1
Kat.
+ 2
3b
2.5 Ermittlung von Katalysemechanismen Der Reaktionsmechanismus einer homogen katalysierten Reaktion umfasst die detaillierte Beschreibung aller Teilreaktionen des Reaktionszyklus sowie von Bildungs-, Neben- und Zerfallsreaktionen der katalytisch aktiven Komplexe und Intermediate (vgl. Abb. 2.1). Das schließt Kenntnisse zur Reversibilität, zur Lage von Gleichgewichten und von Umwandlungs- und Zerfallsgeschwindigkeiten bei diesen Reaktionen ein. Unverzichtbare Grundlage zum Verständnis von Reaktionsmechanismen in der metallorganischen Komplexkatalyse sind die Koordinationschemie und die metallorganische Chemie. Aus dem Mechanismus von komplexkatalysierten Reaktionen lassen sich Zusammenhänge zwischen der Struktur von Katalysatoren bzw. Katalysatorzwischenstufen und ihrer katalytischen Aktivität und Produktivität sowie Spezifität und Selektivität ableiten (katalytische Struktur–Wirkungs-Beziehungen). Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine gezielte Entwicklung von Katalysatoren und deren Optimierung. Es ist eine sehr komplexe Aufgabe,
Ermittlung von Katalysemechanismen
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einen umfassenden Einblick in den Mechanismus einer metallkatalysierten Reaktion zu erlangen. Dazu müssen die verschiedensten experimentellen Untersuchungen und möglichst auch quantenchemische Rechnungen herangezogen werden. Nur breit angelegte Untersuchungen geben die Gewähr, dass keine der vorhandenen mechanistischen Möglichkeiten unzulässigerweise ausgeschlossen wird.
Experimentelle Untersuchungen Es gibt eine breite Palette von Experimenten, die zur Aufklärung eines Reaktionsmechanismus herangezogen werden können. Wichtige Untersuchungsmethoden lassen sich wie folgt klassifizieren:
Katalytische Untersuchungen zur Klärung von Struktur- und Milieueinflüssen. Das beinhaltet Untersuchungen zur katalytischen Aktivität/Produktivität und Selektivität/Spezifität in Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen (Konzentration von Edukten und Katalysator; Lösungsmittel, Temperatur, Druck, …), in Abhängigkeit vom Substitutionsmuster der Edukte (bei Olefinen z. B. H2C=CHR versus H2C=CR2 versus cis-RHC=CHR versus trans-RHC=CHR, Variation von R, …) und in Abhängigkeit von den elektronischen und sterischen Eigenschaften der Coliganden im Katalysatorkomplex (bei Phosphanen z. B. systematische Variation der elektronischen und sterischen Tolman-Parameter, vgl. S. 200). Spektroskopische und chromatographische Untersuchungen von Katalyselösungen, die gegebenenfalls modifiziert werden müssen (z. B. hinsichtlich der Konzentration, um der Nachweisgrenze der Untersuchungsmethode Rechnung zu tragen) sowie Studien zur Katalyse mit isotop markierten Verbindungen. Die Untersuchungen haben zum Ziel, Zwischenverbindungen, Nebenprodukte und Zersetzungsprodukte zu isolieren bzw. zu identifizieren. Es ist wesentlich, ihre Funktion im Katalysezyklus zu klären, um beispielsweise die aktiven Zwischenkomplexe im Zyklus von solchen zu unterscheiden, die außerhalb des Zyklus liegen (Abb. 2.1, 2–4 versus 5/6, S. 10). Präparative Untersuchungen zur Synthese von postulierten oder identifizierten Intermediaten bzw. von Modellkomplexen und das Studium ihrer Konstitution, Stabilität, Reaktivität und auch ihrer katalytischen Eigenschaften. Synthese strukturell definierter Präkatalysatoren und Untersuchungen zu ihrer Struktur im festen Zustand (Röntgeneinkristallstrukturuntersuchungen) und in Lösung (z. B. NMR-spektroskopisch). Kinetische Untersuchungen zum Ablauf der Katalyse, mit dem Ziel ein quantitatives Reaktionsmodell zu erstellen. Von besonderem Interesse ist dabei, die beteiligten Reaktionspartner im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt zu ermitteln. Anfänglich wird man bezüglich des Mechanismus sicherlich von einer plausiblen Hypothese ausgehen, die auf bekannten metallorganischen Elementarreaktionen basiert. Durch die komplexe Anwendung – und nicht durch eine zu sehr eingeschränkte Auswahl – der zuvor skizzierten Untersuchungsmethoden wird man ein experimentell begründetes Reaktionsschema erhalten. Dieses wird neue Fragestellungen aufwerfen, die dann im Sinne der „Rückkopplung“ experimentell geklärt werden und so wird man iterativ zu einem zunehmend genaueren und detaillierteren Schema gelangen.
16
Grundlagen der Komplexkatalyse
Theoretische Untersuchungen Die Entwicklung von neuen quantenchemischen Rechenverfahren und eine enorme Steigerung der Rechenleistung von Computern haben es zunehmend ermöglicht, komplexe übergangsmetallhaltige Systeme mit einem vertretbaren Zeitaufwand mit hinreichender Genauigkeit zu berechnen. Dadurch ist es zunehmend möglich geworden, alle relevanten Zwischenprodukte und Übergangszustände eines Katalysezyklus zu berechnen und so den Zyklus vollständig theoretisch abzubilden. Im Zusammenspiel mit profunden experimentellen Untersuchungen zum Mechanismus ist eine derartige quantenchemische Analyse unverzichtbar, um die Komplexität der meisten übergangsmetallkatalysierten Reaktionen in vollem Umfang zu verstehen [M11, Fre 2005]. Für übergangsmetallkatalysierte Systeme hat sich die Dichtefunktionaltheorie (DFT = Density Functional Theory) herausragend bewährt (Walter Kohn, Nobelpreis für Chemie 1998; gemeinsam mit J. A. Pople) [Koc 2000]. In vielen Fällen wird zunächst der generische Katalysator zugrunde gelegt, indem z. B. komplexere Coliganden wie o,o’-disubstituierte Phenylphosphane durch PH3 ersetzt werden, und der komplexe Zyklus mit einer guten quantenmechanischen Genauigkeit modelliert. Dem schließt sich die Berechnung des real verwendeten Katalysators an, wobei Hybridmethoden (QM/MM) zum Einsatz kommen können. Dabei wird das eigentliche Reaktionszentrum durch eine genaue quantenchemische Methode (QM) erfasst und die Peripherie der Liganden durch eine molekülmechanische Methode (MM) modelliert, womit z. B. der Raumanspruch selbst von großen Coliganden mit wenig Rechenaufwand hinreichend beschrieben werden kann [Mas 2002, Bel 2004]. Die Mehrzahl der Rechnungen bezieht sich auf die Gasphase. Lösungsmitteleinflüsse können – wenn überhaupt – zumeist nur im Rahmen von vergleichsweise einfachen Modellen wie Tomasi’s polarisiertes Kontinuum-Modell (PCM = Polarized Continuum Model) erfasst werden. Das kann eine erhebliche Einschränkung in der Aussagekraft für den Reaktionsablauf in Lösung bedeuten. In jedem Fall sind quantenchemisch berechnete Energien nur dann zu vergleichen, wenn sie nach der gleichen Methode berechnet worden sind. Das trifft zwar für die Berechnung von Intermediaten und Übergangszuständen eines katalytischen Zyklus (durch ein und dieselben Autoren) selbstverständlich zu, in den allermeisten Fällen aber nicht für Rechnungen von verschiedenen Autoren und auch nicht für Rechnungen eines Autors an grundsätzlich verschiedenen Systemen. Aus diesem Grunde ist bei den Reaktionsprofildiagrammen, die in diesem Buch angeführt sind, sowohl auf die Angabe der Rechenmethode (das wäre eine Voraussetzung, um die Genauigkeit abzuschätzen) als auch auf eine genaue Skalierung der Energie verzichtet worden. Sie sollen nur den energetischen Ablauf in einem Zyklus halbquantitativ widerspiegeln und anschaulich illustrieren; der interessierte Leser sei auf die jeweils zitierte Literatur verwiesen.
Glossar der Katalyse
17
2.6 Glossar der Katalyse Katalysator Ein Katalysator ist eine Substanz, die den Ablauf einer Reaktion beschleunigt, ohne dass sich die freie Enthalpie der (Brutto-) Reaktion ändert. Der Katalysator ist sowohl Reaktant als auch Produkt der Reaktion [Lai 1996]. Katalysatoren werden in der Reaktion nicht verbraucht. Sie tauchen also in der Bruttoreaktion nicht auf, sind aber inhärente Bestandteile der Reaktionszyklen. Sie sind im Allgemeinen sehr reaktiv und können in vielen Fällen nicht isoliert und unter Umständen nicht einmal direkt spektroskopisch nachgewiesen werden.
Katalysatorkomplex In der Komplexkatalyse werden katalytisch aktive Komplexe, also die eigentlichen Katalysatoren, häufig als Katalysatorkomplexe bezeichnet.
Präkatalysator Präkatalysatoren sind Verbindungen, aus denen die Katalysatoren generiert werden. Sie sind im Allgemeinen so stabil, dass sie in Substanz isoliert werden können.
Cokatalysator Ist zur Katalysatorgenerierung aus dem Präkatalysator eine weitere Komponente erforderlich, so heißt diese Cokatalysator. Der Cokatalysator alleine ist nicht katalytisch aktiv.
Promotor (Aktivator) Zusätze zum Katalysator, die seine Wirksamkeit (Aktivität, Produktivität, Selektivität, ...) steigern, heißen Promotoren (Aktivatoren). Promotoren sind selbst katalytisch nicht aktiv.
Initiator Eine Reaktion kann auch durch Initiatoren ausgelöst bzw. beschleunigt werden. Im Unterschied zu Katalysatoren werden diese im Reaktionszyklus nicht zurückgebildet, sondern in der Startreaktion irreversibel verbraucht.
Inhibitor Ein Inhibitor ist eine Substanz, die die Geschwindigkeit einer katalysierten (oder durch einen Initiator ausgelösten) Reaktion vermindert. Der Vorgang selbst wird gelegentlich – wenn auch nicht korrekt – als negative Katalyse bezeichnet.
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Grundlagen der Komplexkatalyse
Autokatalyse In autokatalytischen Reaktionen wirkt ein Reaktionsprodukt katalytisch, so dass eine Reaktionsbeschleunigung mit steigendem Umsatz zu beobachten ist. In komplexen Systemen können autokatalytische Reaktionsschritte zu oszillierenden Reaktionen führen. Eine asymmetrische Autokatalyse liegt vor, wenn ein chirales Produkt als chiraler Katalysator für seine eigene Synthese fungiert [Mik 2003].
Induktionsperiode Eine Induktionsperiode bezeichnet die Anfangsphase einer Reaktion, in der diese nur mit sehr geringer Geschwindigkeit abläuft. Der „normale“ Reaktionsablauf beginnt erst nach der Induktionsperiode. Eine Induktionsperiode bei katalytischen Reaktionen kann durch langsame Katalysatorformierung bedingt sein und ist auch für autokatalytische Reaktionen charakteristisch.
Reaktionsprofildiagramm Diagramm, in dem auf der Ordinatenachse die freien Enthalpien (ǻG meistens ǻG—o ; oder ersatzweise auch die Energien) der Edukte und Produkte einer Reaktion sowie der Intermediate und Übergangszustände dargestellt sind. Aus Gründen der Anschaulichkeit sind die einzelnen Zustände horizontal verschoben gezeichnet; die Abszisse ist nicht definiert. Zur Skalierung der Ordinatenachse vgl. S. 16 [Cru 1977]. Es ist klar, dass ein Vergleich von ǻG-Werten nur möglich ist, wenn sie sich alle auf ein und dasselbe Reaktionsgemisch, d. h. auf die gleiche (elementare) Zusammensetzung beziehen. Das bedeutet, dass bei der Darstellung der einzelnen Reaktionsschritte einer katalysierten Reaktion neben allen Edukten auch der Katalysatorkomplex in molarer Menge enthalten ist.
Geschwindigkeitsbestimmender Schritt Ein Reaktionsschritt in einem Reaktionszyklus, der die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion maßgeblich bestimmt, heißt geschwindigkeitsbestimmend. Das ist in vielen Fällen der Reaktionsschritt, der im Reaktionsprofildiagramm mit dem am höchsten liegenden Übergangszustand verknüpft ist. Liegt eine komplexe Reaktionskinetik vor, gibt es nicht notwendigerweise einen einzelnen geschwindigkeitsbestimmenden Reaktionsschritt [Esp 1995, Mur 1981].
Vorratskomplex (engl: resting state) In vielen metallkomplexkatalysierten Reaktionen gibt es einen Komplex, der in deutlich höherer Konzentration als alle anderen Komplexe im Reaktionsgemisch vorliegt. Sofern er selbst katalytisch aktiv ist oder mit einem katalytisch aktiven Komplex im Gleichgewicht steht, wird er als „Ruhezustand“ (resting state) des Katalysators oder als Vorratskomplex bezeichnet.
Glossar der Katalyse
19
Beispiele Homogene Hydrierung von Olefinen mit dem Wilkinson-Komplex [RhCl(PPh3)3] (RhI; 16 ve; ve = Valenzelektronen) als Präkatalysator, aus dem durch Ligandabspaltung (PPh3) der Katalysator [RhCl(PPh3)2] (RhI; 14 ve) gebildet wird. + H2
C C
H H C C
[RhCl(PPh3)3]
Polymerisation von Ethen mit Metallocenkatalysatoren wie [ZrCl2Cp2]/MAO (MAO = Methylaluminoxan): Präkatalysator ist [ZrCl2Cp2]. Durch methylierende und Lewis-acide Wirkung des Cokatalysators (MAO) wird der Katalysatorkomplex [ZrMeCp2]+ generiert. n H2C CH2
[ZrCl2Cp2] / MAO
CH2 CH2
n
Carbonylierung von Methanol zu Essigsäure mit RhCl3/HI als Katalysatorsystem. Iodide wie LiI, [PR4]I und [NR4]I stabilisieren den Katalysatorkomplex und wirken als Promotoren. RhCl3 / HI (H2O)
MeOH + CO
MeCOOH
Styrol kann radikalisch polymerisiert werden. Radikalbildner wie Dibenzoylperoxid wirken als Initiatoren. O O 1/2 Ph C C Ph O O
'
O Ph C O
H2C CHPh
n H2C CHPh O Ph C O CH2 CH Ph
Polystyrol
Radikalfänger wie aromatische Amine oder Phenole inhibieren Autoxidationsreaktionen von Kohlenwasserstoffen.
Autoxidation: RH
Startreaktion
+ Ini , IniH
R
+ O2
+ RH R
ROO
ROOH
Inhibierung: OH ROO + OH
+ 1/2
1/2
ROOH OH
OH
O
O
O
OH
Die Reaktion 1 ĺ 2 ist enantioselektiv. Sie wird durch 3, gebildet durch Umsetzung von katalytischen Mengen an Produkt 2 mit Zn(i-Pr)2, katalysiert. Die Reaktion ist also asymmetrisch autokatalytisch, was den Vorteil hat, dass keine andere chirale Verbindung als das Produkt selbst benötigt wird und auf eine Abtrennung des chiralen Katalysators vom Produkt verzichtet werden kann [Soa 2000].
20
Grundlagen der Komplexkatalyse
CHO N
1) Zn(i-Pr)2 2)
S OH
H+
S
N
N 3
2 (94 % ee)
1
OZni-Pr
Bei der rhodiumkatalysierten Hydroformylierung von Olefinen stehen die beiden Acylrhodium(I)-Komplexe (1, 16 ve; 2: 18 ve) im Gleichgewicht, das unter Katalysebedingungen auf der rechten Seite liegt. Komplex 2, der selbst katalytisch nicht aktiv ist, dient als Reservoir für den katalytisch aktiven Komplex 1 und ist ein Beispiel für einen „Vorratskomplex“. O PPh3 OC Rh C 1
PPh3
O
CO
Ph3P Ph3P
R
C
R
Rh CO
CO 2
Aufgabe 2.1 Ein Katalysator möge die Geschwindigkeit einer Reaktion um den Faktor 10, 100 bzw. 1000 (T = 298 K) beschleunigen. Berechnen Sie, welcher Abnahme der freien Aktivierungsenthalpie 'G‡ diese Reaktionsbeschleunigung entspricht.
2.7 Die Entwicklung der metallorganischen Komplexkatalyse 1916, Wacker-Chemie (Burghausen). Auf der Grundlage eines Befundes von M. Kutscheroff (1881), dass sich Acetylen mit Wasser in Gegenwart von HgBr2 zu Acetaldehyd umsetzt, ist 1916 eine technische Anlage zur quecksilberkatalysierten Hydratisierung von Acetylen in Betrieb genommen worden. H2O
O
Hg/H+
H
ab 1937, Walter Reppe entwickelt bei der BASF das synthetische Potenzial von C–C-Verknüpfungen und Funktionalisierungen (ab 1928) von Acetylen und schafft die Grundlagen, mit Acetylen unter Druck in der Technik gefahrlos umzugehen („Reppe-Chemie“). CO/ROH [Ni]
COOR
[Ni]
1938, Otto Roelen entdeckt bei der Ruhrchemie die Umsetzung von Ethen mit Synthesegas (CO/H2) zu Propionaldehyd in Gegenwart eines heterogenen Cobalt–Thorium-Katalysators und entwickelt das Verfahren (Hydroformylierung von Olefinen, „Oxo-Synthese“) bis zur technischen Reife. Ende der 40er Jahre wird gezeigt, dass eine homogene Katalyse (Präkatalysator: Co2(CO)8) vorliegt.
Die Entwicklung der metallorganischen Komplexkatalyse
21 O
CO/H2 Co2(CO)8
H
1953, Karl Ziegler entdeckt am MPI für Kohlenforschung (Mülheim/Ruhr) die Niederdruckpolymerisation von Ethen mit metallorganischen Mischkatalysatoren. Diese Entdeckung wirkt wie eine „Initialzündung“ für eine rasante Entwicklung der metallorganischen Chemie und der metallkomplexkatalysierten Katalyse. TiCl4 AlEt3
n
1954/55, Giulio Natta (Institute of Technology, Mailand) weist nach, dass mit den Ziegler’schen Katalysatoren Propen, andere Į-Olefine und Butadien (1955/59) stereoselektiv polymerisiert werden. MXn AlEt3
m,
m
1955, Günther Wilke (MPI für Kohlenforschung) entwickelt nickelkatalysierte Cyclooligomerisations-, Linearoligomerisations- und Telomerisationsreaktionen von Butadien. [Ni0] (PR3)
,
, ...
,
1956, Phillips Petroleum. Erste technische Synthese von hoch cis-1,4-haltigem Polybutadien (> 90 %). TiI4/AlR3 n
1956–1959, Jürgen Smidt (Wacker-Prozess). Ausgehend von der Beobachtung (F. C. Phillips, 1894), dass PdCl2 in wässriger Lösung Ethen zu Acetaldehyd oxidiert, wird bei der Wacker-Chemie ein katalytisches Verfahren zur Herstellung von Acetaldehyd entwickelt. Diese Verfahrensentwicklung erlangt zusätzliche Bedeutung, weil sie in die Zeit der Umstellung der chemischen Industrien von Kohle auf Erdöl als Rohstoffbasis fällt (Carbochemie: Acetylene; Petrochemie: Olefine) und den carbochemisch-basierten Kutscheroff-Prozess (ĺ 1916) in den modernen chemischen Industrien ablöst. H2O/H+, O2
O
PdCl2/Cu
H
1963, Karl Ziegler, Giulio Natta. Nobelpreis für Chemie für ihre Entdeckungen auf dem Gebiet der Chemie und Technologie von Hochpolymeren. 1965, Geoffrey Wilkinson (Imperial College London) findet ein rhodiumkatalysiertes Verfahren zur homogenen Hydrierung von Olefinen, die bislang nur heterogen katalysiert durch Metalle wie Ni (Paul Sabatier, Univ. Toulouse, Nobelpreis für Chemie 1912 gemeinsam mit Victor Grignard) möglich war.
22
Grundlagen der Komplexkatalyse H2 R [RhCl(PPh3)3]
R
1966, Nissim Calderon (Goodyear, Ohio) berichtet über die homogen katalysierte Olefinmetathese, die zuvor (1957) an heterogenen Katalysatoren realisiert worden war. Der Mechanismus ist 1971 von Y. Chauvin und J.-L. Hérisson (IFP, Rueil-Malmaison, Frankreich) aufgeklärt worden. R
R'
R
R
[W]
+
R' +
R
R'
R'
1966, Hitosi Nozaki und Ryoji Noyori (Kyoto Univ., Japan) entdecken bei der Cyclopropanierung von Styrol das erste Beispiel für eine asymmetrische Katalyse durch einen strukturell wohldefinierten chiralen Übergangsmetallkomplex. N2CHCOOEt
Ph
Kat. ([Cu], chiral)
COOEt
H
H
+
H
COOEt
Ph
H 6 % ee
10 % ee
1968, Monsanto-Verfahren. Die Essigsäureherstellung durch Carbonylierung von Methanol ist ein bedeutendes Verfahren zur Veredlung preiswerter C1-Verbindungen. Nach dem rhodiumkatalysierten Monsanto-Verfahren wird seit 1970 die überwiegende Menge an Essigsäure hergestellt. 1995/96 ist ein iridiumbasiertes Verfahren entwickelt worden (Cativa-Prozess, BP Chemicals). OH
CO [Rh]/HI
COOH
1968, William S. Knowles (Monsanto Co., St. Louis) und L. Horner (Univ. Mainz) zeigen unabhängig voneinander, dass ein durch chirale Phosphane modifizierter Wilkinson-Komplex, prochirale Olefine enantioselektiv zu hydrieren vermag. DIOP (H. B. Kagan, 1971) ist der erste breit angewendete chirale Coligand. Die enantioselektive Hydrierung einer C–C-Doppelbindung steht im Mittelpunkt der Synthese von L-DOPA im industriellen Maßstab. H HO L-DOPA
CH2 H2N
HO
* C
O
H
PPh2 PPh2
* O * H
COOH
(R,R)-DIOP
1972, Heck-Reaktion. R. F. Heck (Univ. Delaware) berichtet über eine palladiumkatalysierte Kupplung von Aryl- und Vinylhalogeniden mit Olefinen, die sich zu einer der wichtigsten Methoden zur Knüpfung von Csp2–Csp2-Bindungen entwickelt. H C C
+ R X + B
[Pd]
R C C
+ (BH)X
1972–1979, Metallkatalysierte C–C-Kreuzkupplungen von Organylhalogeniden mit Organometallverbindungen werden als Standardmethoden in der organischen Synthese etabliert, darunter nickelkatalysiert unter Verwendung von Grignardreagenzien (M = Mg; M.
Die Entwicklung der metallorganischen Komplexkatalyse
23
Kumada, 1972) und palladiumkatalysiert mit Organozink- (M = Zn; E.-i. Negishi, 1976/77), Organobor- (M = B; A. Suzuki, 1979) und Organozinnverbindungen (M = Sn; J. K. Stille, 1979). [Ni] bzw. [Pd]
R X + [M] R´
R R´ + [M] X
1973, Geoffrey Wilkinson und Ernst Otto Fischer (Imperial College London bzw. TU München). Nobelpreis für Chemie für ihre unabhängig voneinander durchgeführten Pionierarbeiten zur Chemie von metallorganischen Sandwichverbindungen. 1977, Zweiphasenkatalyse (SHOP). W. Keim (TU Aachen) schafft mit seinen Arbeiten zur nickelkatalysierten Ethenoligomerisation in einem flüssig-flüssig-Zweiphasensystem die Grundlagen für den Shell Higher Olefin Process (SHOP). [Ni]
1980, K. Barry Sharpless (Scripps Research Institute, La Jolla, USA) entwickelt eine asymmetrische Epoxidierung von Allylalkoholen. R R
O
OH Ti(Oi-Pr) /(S,S)()-Dialkyltartrat 4 t-BuOOH R
R R
*
OH R
1980, Hansjörg Sinn und Walter Kaminsky (Univ. Hamburg) erreichen bei der Ethenpolymerisation mit Metallocenkatalysatoren und Methylaluminoxan (MAO) als Cokatalysator Aktivitäten, die denen hochaktiver Enzyme entsprechen. [ZrMe2(Cp)2] n
MAO
ab 1982, Walter Kaminsky und Hans-Herbert Brintzinger (Univ. Hamburg bzw. Konstanz) stellen ansa-Metallocene her (H.-H. B.), die mit MAO als Cokatalysator hochaktive und produktive Polymerisationskatalysatoren für Olefine sind. An den „single-site-Katalysatoren“ werden die Struktur-Wirkungsbeziehungen bei der stereoselektiven Propenpolymerisation zu iso- bzw. syndiotaktischem Polypropen aufgeklärt. ansa-Metallocen MAO
n
M C2-Symmetrie
bzw.
n
M Cs-Symmetrie
ab 1988, Richard R. Schrock und Robert H. Grubbs (MIT, Cambridge bzw. Caltech, Pasadena, USA) zeigen die breite Anwendbarkeit von Alkylidenmolybdän- und -wolfram(I, 1988) bzw. -rutheniumkomplexen (IIa, 1993; IIb, 1999) als Einkomponentenkatalysatoren für die Olefinmetathese, die sich dadurch zu einer Standardmethode sowohl in der organischen Synthese als auch der Polymerchemie etabliert hat.
24
Grundlagen der Komplexkatalyse
Ar R'O
N M
R'O I
PCy3 Cl
C H
Cl
R
Ru
C
H Ph
PCy3
IIa
Mes N Cl Cl IIb
N Mes Ru
C
PCy3
H Ph
1997, Jean-Marie Basset (CNRS Lyon) realisiert auf der Grundlage seiner Untersuchungen zur Oberflächen-Organometallchemie, einer Brücke zwischen der homogenen und der heterogenen Katalyse, mit einem auf einer Kieselgeloberfläche aufgebrachten Tantalhydrid die Metathese von Alkanen. [Ta]s H
+
+ ...
1998, Walter Kohn und John A. Pople (Univ. of California bzw. Northwestern Univ., USA). Nobelpreis für Chemie für die Entwicklung der Dichtefunktionaltheorie (DFT) und von Computermethoden in der Quantenchemie. Die Entwicklung der Theorie (insbesondere der DFT-Methode, ab 1990) und der Computertechnik ermöglichen eine vollständige Analyse von Zwischenprodukten und Übergangszuständen in katalytischen Zyklen. Das ist ein außerordentlich wertvolles Hilfsmittel zum Verständnis von Aktivität und Selektivität von Katalysatoren sowie bei der Katalysatorentwicklung und -optimierung. 2001, William S. Knowles, Ryoji Noyori (Nagoya Univ., Japan), K. Barry Sharpless. Nobelpreis für Chemie für ihre Arbeiten zu chiral katalysierten Hydrierungs- (W. K; R. N.) und Oxidationsreaktionen (B. S.). 2005, Yves Chauvin, Robert H. Grubbs, Richard R. Schrock. Nobelpreis für Chemie für die Entwicklung der Metathese in der organischen Synthese.
3
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
3.1 Abspaltung und Koordination von Liganden Reaktionsprinzip1 Ligandanlagerung
[M] + L
[M]L
Ligandabspaltung
Valenzelektronen
ǻ = –2
Koordinationszahl
ǻ = –1
Oxidationszahl
ǻ= 0
Durch Ligandabspaltungen werden koordinativ ungesättigte Komplexe erzeugt. Die freie Koordinationsstelle mag in Lösung von einem Solvensmolekül besetzt werden. Wenn dieses in der Elektronenbilanz von M und bei der Ermittlung der Koordinationszahl nicht mitgezählt wird, vermindert sich bei diesen Reaktionen die Anzahl der Elektronen in der Valenzschale von M um zwei und sinkt die Koordinationszahl von M um eine Einheit. Ligandensubstitutionsreaktionen beinhalten sowohl eine Ligandabspaltung als auch eine -anlagerung. Sie können nach einem dissoziativen Mechanismus (Symbol: D; Ligandabspaltung erfolgt vor der -anlagerung; Reaktion a, LA, LE = aus- bzw. eintretender Ligand) oder einem assoziativen Mechanismus (Symbol: A; Ligandanlagerung erfolgt vor der -abspaltung; Reaktion b) ablaufen. Intermediate sind Komplexe mit einer geringeren (D) bzw. höheren (A) Koordinationszahl als die des Eduktes. Weiterhin kann einer Ligandensubstitution ein Austauschmechanismus (Symbol: I von interchange) zugrunde liegen, bei dem kein Zwischenkomplex nachweisbar ist (Reaktion c).
1
Diejenigen Liganden, die bei der eigentlichen Reaktion keine direkte Rolle spielen, werden hier und im Folgenden durch eckige Klammern angedeutet. Eine „freie“ Koordinationsstelle wird gelegentlich durch ein kleines Quadrat wiedergegeben. In Lösung sind „freie“ Koordinationsstellen zumeist durch Solvensmoleküle s besetzt. Sofern es zweckmäßig ist, dieses zu betonen, wird „s“ als Ligand geschrieben. Hier und im Folgenden werden schwach koordinierende Solvensmoleküle bei der Ermittlung der Koordinationszahl und der Elektronenbilanz von M nicht berücksichtigt.
26
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse LA
[M] LA
+ LE
+ LE
[M]
[M]
[M]
+ LE
a
LA LE
[M] LE
LA
LA LE
b
c
LA
Ligandabspaltungen, die in der homogenen Katalyse eine Rolle spielen, sind meistens reversibel. Die gebildeten koordinativ ungesättigten Komplexe sind häufig in der Lage, ein Substratmolekül zu koordinieren (Ligandanlagerung). Das kann unabdingbare Voraussetzung für die Katalyse sein, weil damit eine Aktivierung des Substrates verbunden ist. Beispiele dafür sind die Bildung von ʌ-Komplexen mit ungesättigten Kohlenwasserstoffen (Olefine, Alkine, Diene, ...) und von ı-Komplexen mit Diwasserstoff oder Kohlenwasserstoffen (H–H bzw. C–H als Ligand). In vielen Fällen führt die Abspaltung von Liganden aus dem Präkatalysator zur Bildung der eigentlichen Katalysatorkomplexe. In der homogenen Katalyse mit Übergangsmetallen treten häufig Komplexe mit 16 und 14, aber auch solche mit 12 Valenzelektronen als Zwischenstufen auf. Bei Präkatalysatoren mit 18 Valenzelektronen wird im Allgemeinen erst durch Ligandabspaltung der katalytisch aktive Komplex (16 ve) gebildet. In den meisten Fällen werden Liganden L als Lewis-Base abgespalten, das Elektronenpaar der M–L-Bindung verbleibt also beim Liganden. Es ist jedoch auch möglich, dass ein Ligand als Lewis-Säure abgespalten wird. Da dann das bindende Elektronenpaar beim Metall verbleibt, sind derartige Reaktionen mit einem Wechsel der Oxidationsstufe (ON) des Metalls verbunden (ǻON = –2; ǻve = 0). Die bekanntesten Beispiele sind Deprotonierungen von Hydridometallkomplexen. Rückreaktionen davon sind Protonierungen von Metall-Basen: [M]
[M] H
+ H
Beispiele Bei der Hydroformylierung und Hydrierung von Olefinen werden die Katalysatoren aus Carbonylhydridotris(triphenylphosphan)rhodium bzw. dem Wilkinson-Komplex durch Abspaltung von PPh3 generiert.
Präkatalysator [RhH(CO)(PPh3)3] RhI; 18 ve
[RhCl(PPh3)3] RhI; 16 ve
Katalysator PPh3 + PPh3
PPh3 + PPh3
[RhH(CO)(PPh3)2] RhI; 16 ve
[RhCl(PPh3)2] RhI; 14 ve
Abspaltung und Koordination von Liganden
27
Carbonylhydridokomplexe sind in protischen Lösungsmitteln in vielen Fällen starke, teilweise sehr starke Säuren (z. B. [CoH(CO)4] in H2O pKa < 2 und in MeCN pKa = 8, was ungefähr der Säurestärke von HCl in MeCN entspricht) [Koe 1992]. + H3O
(CO)4Co
(CO)4Co H + H2O CoI; 18 ve
CoI; 18 ve
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Klassifizierung von Liganden Komplexbildungsreaktionen können als Lewis-Säure-Base-Reaktionen aufgefasst werden: [M] + IL
[M]L
Je nach der Natur des Donororbitals von L unterscheidet man folgende Komplextypen: Komplextyp
n-Komplex
ʌ-Komplex
ı-Komplex
Donororbital von L
nichtbindend
ʌ-MO
ı-MO
Valenzstrichformel
MX
M a)
Orbitalüberlappung
M
X
M
X
M
Y
X Y
M
X Y
X Y
(schematisch)
a) Der Pfeil weist vom besetzten zum unbesetzten Orbital: ĸ = Hinbindung; ĺ = Rückbindung. Im Falle der ʌ- und ı-Komplexe (z. B. Olefin- und Aromatenkomplexe bzw. Ș2-H2-Komplexe) ist die Metall–Ligand-Bindung durch ʌ-Rückbindungen (ʌ back-donation) verstärkt, wobei Elektronendichte von M in das ʌ*- bzw. ı*-Orbital des Liganden übergeführt wird. n-Donorliganden können zusätzlich ʌ-Donoren (z. B. O2–, F–) oder ʌ-Akzeptoren (z. B. CO) sein [Huh 2003, Ste 2004]. Anmerkung: ı-Komplexe (z. B. Diwasserstoffkomplexe wie [W(Ș2-H2)(CO)3{P(i-Pr)3}2]) sind erst in jüngerer Zeit hergestellt worden. Zuvor brauchte nur zwischen n- und ʌ-Komplexen unterschieden zu werden. n-Komplexe sind damals als ı-Komplexe bezeichnet worden. Das sollte bei Gebrauch der Bezeichnung „n-“ und „ı-Komplexe“ beachtet werden; gegebenenfalls ist eine Erläuterung anzufügen.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
28
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
3.2 Oxidative Additionen und reduktive Eliminierungen Reaktionsprinzip reduktive Eliminierung
[M] +
X
X
[M]
Y
Y oxidative Addition
Valenzelektronen
ǻ = +2
Koordinationszahl
ǻ = +2
Oxidationszahl
ǻ = +2
Bei oxidativen Additionsreaktionen lagert sich ein Substratmolekül X–Y unter Bindungsbruch an einen niedrigvalenten Metallkomplex an. Im Ergebnis werden die Koordinationszahl, die Oxidationsstufe sowie die Anzahl der Valenzelektronen von M um jeweils zwei Einheiten erhöht. Strukturelle und elektronische Voraussetzungen für oxidative Additionen sind, dass [M] koordinativ und elektronisch ungesättigt ist, über ein nichtbindendes Elektronenpaar verfügt sowie in eine um zwei Einheiten höhere Oxidationsstufe übergehen kann. Die umgekehrte Reaktion heißt reduktive Eliminierung. Sehr häufig sind oxidative Additionsreaktionen bei d8- und d10-Komplexen anzutreffen, wobei ein Wechsel von einer quadratisch-planaren Koordinationsgeometrie in eine oktaedrische (MII ĺ MIV, M = Pd, Pt; MI ĺ MIII, M = Rh, Ir) bzw. von einer linearen/gewinkelten in eine quadratisch-planare (M0 ĺ MII, M = Pd, Pt; MI ĺ MIII, M = Au) erfolgt. Typische Substrate sind Diwasserstoff H–H, Halogene X–X (X = Cl, Br, I), Halogenwasserstoffe H–X und Halogenkohlenwasserstoffe R–X (R = Alkyl, Aryl, Vinyl, Alkinyl, ...). Bei Kohlenwasserstoffen und Silanen führen oxidative Additionen zur Aktivierung von C–H- bzw. Si–H-Bindungen, gegebenenfalls auch von C–C- bzw. Si–Si-Bindungen. Oxidative Additionsreaktionen weisen eine große mechanistische Vielfalt auf: Sie können nach einem radikalischen oder ionischen Mechanismus ablaufen. Bindungsbildung (M–X/M–Y) und -bruch (X–Y) können auch synchron erfolgen (konzertierter Mechanismus). Einleitender Schritt der Reaktion kann eine Koordination des Substrates als ı-Komplex oder eine agostische C–H···M-Wechselwirkung zwischen Substrat und [M], einer speziellen Form von ı-Komplexbildung, sein. Oxidative Additionsreaktionen von R–X (R = Alkyl) können auch im Sinne von SN2-Reaktionen ablaufen. Es handelt sich dabei um Folgereaktionen (1 ĺ 2 ĺ 3). + Lx-1MI + C X
+ X
Lx1M C 2
1
Lx1M
+ LxMI + C X 1'
L xM
C 2'
+
X
L
3
C X
Oxidative Additionen und reduktive Eliminierungen
29
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Agostische C–H···M-Wechselwirkungen Organometallverbindungen mit einem elektrophilen Metallzentrum sind in der Lage, schwache Wechselwirkungen mit dem bindenden Elektronenpaar einer C–H-Bindung auszubilden, die als agostische C–H···M-Wechselwirkungen bezeichnet werden. Je nachdem, ob es sich um eine Į- oder ȕ-C–H-Bindung handelt, wird genauer von Į- bzw. ȕ-agostischen Wechselwirkungen gesprochen. Agostische C–H···M-Wechselwirkungen sind Dreizentren-Zweielektronen-Bindungen (3z–2e), die als ı-Komplexbildung (siehe Exkurs S. 27) mit einer C–H-Bindung verstanden werden können. Übliche Formelschreibweisen sind: H M
H C
bzw. M
H C
bzw. M
.
C
Es ist zu beachten, dass ein grundsätzlicher Unterschied zu normalen Wasserstoffbrücken (X–H–Y wie O–H–O, F–H–F, ...) besteht, die Dreizentren-Vierelektronen-Bindungen (3z–4e) darstellen [Bro 1988, Sch 2004].
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Derartige Reaktionen sind prinzipiell auch bei 18-ve-Komplexen möglich (1’ ĺ 2’ ĺ 3), wobei die Addition von X– dann im zweiten Schritt unter Ligandabspaltung erfolgt. Die Reaktion kann auch auf der ersten Stufe bei 2’ stehen bleiben und X– wird überhaupt nicht koordiniert. Auch solche Reaktionen können im erweiterten Sinne als oxidative Additionen bezeichnet werden, sind aber genauer als nucleophile Substitution von X– durch M oder als elektrophiler Angriff von R–X an das Metall zu betrachten. Setzt man anstelle von Substraten X–Y (siehe oben) solche mit einer Doppelbindung X=Y ein, bleiben nach erfolgter oxidativer Addition X und Y durch eine Einfachbindung verbunden: [M] +
X
[M]
X Y
Y a
vs.
[M]
X Y
b
X=Y: CH2 CH2, O2,...
Ob eine Formulierung als oxidative Addition gerechtfertigt ist (Bildung von Metallacyclopropankomplexen, Formel a), oder ob die Reaktion besser als ʌ-Komplexbildung aufzufassen ist (Formel b), muss im Einzelfall aus spektroskopischen und/oder strukturellen Untersuchungen oder auch aus quantenchemischen Rechnungen entschieden werden. Analoges gilt für Reaktionen mit Alkinen, bei denen die Produkte entweder als Metallacyclopropenkomplexe oder als ʌ-Alkinkomplexe zu klassifizieren sind. Typische reduktive Eliminierungen von H–H, X–X, H–X, R–X entsprechen der Umkehrung der zuvor beschriebenen oxidativen Additionsreaktionen. Sehr wichtig sind aber auch reduktive Eliminierungen unter Knüpfung von C–H- oder C–C-Bindungen. Die umgekehrten Reaktionen, oxidative Additionen von (nichtaktivierten) C–H- und C–C-Bindungen, verlaufen sehr viel schwieriger. Es ist eine der großen Herausforderungen der homogenen Katalyse, derartige C–H- und C–C-Aktivierungen in Katalyseprozesse einzubinden.
30
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
Die Geschwindigkeit von reduktiven Eliminierungen und oxidativen Additionen hängt ausgeprägt von der Elektronenstruktur des Zentralatoms und von der Ligandensphäre ab. Für reduktive Eliminierungen an quadratisch-planaren d8-Komplexen (M = Ni, Pd, Pt) ist beispielsweise ein direkter (a), dissoziativer (b) oder auch – in selteneren Fällen – assoziativer (c) Reaktionsablauf nachgewiesen. Die Bezeichnung nimmt darauf Bezug, ob die eigentliche reduktive Eliminierung direkt (a) oder erst nach vorheriger Ligandabspaltung (b) bzw. -anlagerung (c) erfolgt [Atw 1997, Bar 2000, Pro 2005]. X
a
L L2M + XY
L
X
L
L M
LM + XY
b
L2ML' + XY
c
Y
M Y
L + L'
L
L'
X
M Y
Beispiele Der Vaska-Komplex 1 ist zahlreichen oxidativen Additionsreaktionen zugänglich. H2 wird über einen Diwasserstoffkomplex als Zwischenverbindung oxidativ addiert (konzertierter Mechanismus; 1 ĺ 2 ĺ 3). Die oxidative Addition von Methylhalogeniden vollzieht sich in einer SN2-Reaktion (1 ĺ 4 ĺ 5). In diesem Fall wird über 4 als Zwischenverbindung Komplex 5 gebildet, in dem die beiden neu hinzugetretenen Liganden in gegenseitiger trans-Anordnung koordiniert sind [L2]. H + H2 CO Ph3P Ir PPh3 Cl 1 (IrI; 16 ve)
H
Ph3P Ir PPh3 Cl
CO
2 (Ir I; 18 ve) + MeX
Me CO + Ph3P Ir PPh3 X Cl 4 (Ir III; 16 ve)
H H Ph3P Ir PPh3 Cl CO 3 (Ir III; 18 ve) Me
CO Ph3P Ir PPh3 Cl X 5 (Ir III; 18 ve)
Das dinukleare Platina-ȕ-diketon1 1 reagiert mit Donoren L L nach Spaltung der Pt–Cl–Pt-Brücken (1 ĺ 2) unter oxidativer Addition zu Acetylhydridoplatin(IV)-Komplexen (2 ĺ 3), die in einer reduktiven C–H-Eliminierung Acetaldehyd abspalten (3 ĺ 4). Mit P P-Donoren wie dppe verläuft die Reaktion 1 ĺ ... ĺ 4 schon bei Raumtemperatur, während mit N N-Donoren wie bpy Acetylhydridokomplexe 3 gebildet werden, die im festen Zustand erst oberhalb 140 °C einer reduktiven Eliminierung zu 4 unterliegen [Ste 2005]. 1
Ersetzt man in ȕ-Diketonen in der Enolform die Methingruppe =CH– durch ein Metallkomplexfragment, werden Metalla-ȕ-diketone erhalten. Sie sind als Hydroxycarbenkomplexe aufzufassen, die durch intramolekulare Wasserstoffbrückenbindungen zu einem Acylliganden stabilisiert sind.
Oxidative Additionen und reduktive Eliminierungen
31 reduktive Eliminierung
oxidative Addition
O 1/2 H O
Me
Me
Me
O +L H O
Cl Pt Pt Cl
L
L L
L L
Me
Me
Me
O H Cl O
Pt
2
1
COMe COMe Pt MeCHO H Cl
L L
COMe Pt Cl 4
3
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Zur Oxidationsstufe von Metallen in Olefin- und Alkinkomplexen Die Oxidationsstufe ist eine Modellgröße. Sie gibt in einer Verbindung A–B die Ladungen von A und B nach heterolytischer Bindungsspaltung an, wobei die bindenden Elektronen der elektronegativere Partner erhält. Das setzt Kenntnisse zur Elektronenverteilung voraus. Wenn die Elektronenstruktur von A–B durch drei mesomere Grenzformen 1a–1c zu beschreiben ist und für die Elektronegativität F(B) > F(A) gilt, dann ist die Zuordnung der Elektronen so vorzunehmen, wie durch die Kreisbögen angedeutet ist. Dann sind A und B unterschiedliche Oxidationszahlen (ON) zuzuordnen, je nachdem ob die Grenzformel 1a oder 1b/1c dominiert. A B ON(A) ON(B)
+n n
A B
A B
+(n+2) +(n+2) (n+2) (n+2)
1c
1b
1a
Zur Ermittlung der Oxidationsstufe von M in Metallkomplexen ist davon auszugehen, dass im Regelfall die Liganden als Nichtmetallderivate elektronegativer als M sind. Somit sind die Elektronen der M–LBindungen den Liganden zuzuordnen. Aus dem Gesagten folgt, dass eine zutreffende Zuordnung der Oxidationsstufe von M in einem Komplex nur vorgenommen werden kann, wenn die Elektronenstruktur bekannt ist, die aus magnetischen Messungen, spektroskopischen (z. B. ESR-, Mößbauerspektroskopie) und strukturellen Untersuchungen sowie aus quantenchemischen Rechnungen abzuleiten ist. Olefinliganden sind ʌ-Donoren und ʌ*-Akzeptoren, so dass für Metall–Olefin-Bindungen zwei Bindungskomponenten von Bedeutung sind, die ı-Hinbindung (ı donation) und die ʌ-Rückbindung (ʌ back-donation) (Dewar-Chatt-Duncanson-Modell). Je stärker die ʌ back-donation, umso mehr ist die C=C-Bindung im Komplex verlängert (ǻd) und umso stärker sind die Substituenten an den Olefinkohlenstoffatomen abgewinkelt (gemessen am Winkel Į). Bei sehr hoher back-donation ist der Komplex zutreffender als Metallacyclopropankomplex zu beschreiben. D
d
M
d + 'd LxM
Olefin (nicht koordiniert)
LxM
2
Olefin (koordiniert)
CR2
LxM
CR2
CR2
LxM
CR2
CR2 CR2 2b
2a 2
LxM
CR CR 3a
CR CR LxM
3 CR CR 3b
Im Rahmen des Mesomeriekonzeptes sind für einen Ș -Olefinkomplex 2 die beiden Grenzformeln 2a und 2b zu formulieren, die einen Komplex mit einem neutralen ʌ-Olefinliganden bzw. mit einem Olefindianion als Liganden repräsentieren. Dieser Sachverhalt ist bei der Ermittlung der Oxidationsstufe des Metalls zu berücksichtigen. So ist der PtII-Komplex K[PtCl3(Ș2-H2C=CH2)]·H2O (Zeise’s Salz) das
32
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
klassische Beispiel für einen ʌ-Ethenkomplex (C–C 1,375 Å, Į = 16°; z. Vgl. C–C in nicht-koordiniertem Ethen 1,339 Å). Demgegenüber ist die C–C-Bindungslänge in [Os(Ș2-H2C=CH2)(CO)4] mit 1,49 Å fast so lang wie die in Cyclopropan (1,512 Å), so dass er als OsII-Komplex zu beschreiben ist. Analog sind Ș2-Alkinkomplexe 3 als ʌ-Alkin- 3a oder als Metallacyclopropenkomplexe 3b mit einem neutralen bzw. (formal) dianionischen Alkinliganden zu beschreiben. Der Vergleich der CŁC-Bindungslängen in [Pt(C6F5)2(Ș2-PhCŁCPh)2] (C–C 1,20 Å) und in [WCl2(Ș2-PhCŁCPh)(PMe3)3] (C–C 1,33 Å) mit denen in Diphenylacetylen (1,21 Å) und in 1,2-Diphenylcyclopropen (§ 1,34 Å) zeigt, dass die Beschreibung als ʌ-Diphenylacetylenplatin(II)- bzw. als Wolframa(IV)-cyclopropen-Komplex zutreffend ist [Ste 2004]. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
3.3 Oxidative Kupplungen und reduktive Spaltungen Reaktionsprinzip reduktive Spaltung
[M]
[M]
[M]
[M]
oxidative Kupplung
Valenzelektronen
ǻ = –2
Koordinationszahl
ǻ= 0
Oxidationszahl
ǻ = +2
In oxidativen Kupplungsreaktionen setzen sich Alkene oder Alkine nach ʌ-Komplexbildung unter C–C-Bindungsknüpfung zu Metallacyclen um. Bei der Reaktion geht das Metall in eine um zwei Einheiten höhere Oxidationsstufe über. Die umgekehrte Reaktion wird als reduktive Spaltung oder reduktive Fragmentierung bezeichnet. Alkine gehen leichter oxidative Kupplungsreaktionen als Alkene ein. Auch andere ungesättigte Substrate wie Heteroolefine und -alkine sind oxidativen Kupplungsreaktionen zugänglich. Die hier beschriebenen oxidativen Kupplungen und reduktiven Spaltungen sind vom Prinzip her Cycloadditions- bzw. -reversionsreaktionen, bei denen Metallacyclen gebildet bzw. gespalten werden. Verwandt damit sind [2+2]-Cycloadditionen, bei denen ein Carbenolefinkomplex in einen Metallacyclobutankomplex übergeht. [M]
[M]
Oxidative Kupplungen und reduktive Spaltungen
33
Wenn der Carbenligand als neutraler 2e-Donor gezählt wird, erhöht sich bei diesen Reaktionen die Oxidationsstufe (ON) von M um zwei Einheiten (ǻON = +2; ǻve = –2). Analog vermögen Carbinkomplexe und Alkine unter Bildung von Metallacyclobutadienkomplexen zu reagieren.
Beispiele Gleichgewicht zwischen einem Bis(ethen)nickel- und einem Nickelacyclopentankomplex, der nach Abspaltung von L unter reduktiver Eliminierung zerfällt (L = PPh3) [Gru 1978]. +L
L2Ni
L3 Ni
L2Ni +
L
Bildung eines Iridacyclopentenkomplexes aus einem Bis(ethen)iridium(I)-Komplex via Ligandensubstitution (1 ĺ 2) und oxidative Kupplung (2 ĺ 3). Die oxidative Kupplung zum Iridacyclopentadienkomplex (3 ĺ 4) verläuft nur, wenn 3 Tetrahydrofuran als schwach bindenden Liganden enthält [O’Co 2002]. B
N
H
N
Ir
B
N Ir
(L = MeCN, thf)
B
N
N N
Ir L
2
1
B
N
60 °C
N N
N
H
H
N N
C6H6, 60 °C (L = thf)
3
H =H B N
B
N Ir thf
H
N N
4
N = MeO2C C C CO2Me
3
Bildung eines Iridacyclopentadienkomplexes (L = PPh3). [IrCl(N2)L2]
L
+2
Cl
N2
= MeO2C C C CO2Me
Ir L
Tebbe-Reagenz 1 [Paq 1995] setzt sich mit Olefinen in Gegenwart von Pyridin über den (nicht isolierten) Carbenkomplex 2 zum stabilen Titanacyclobutankomplex 3 um [Gru 2004]. H2 C Cp2Ti AlMe2 Cl 1
+ py AlMe2Cl(py)
Cp2Ti CH2 2
+ H2C=CHt-Bu
H2 C CHt-Bu Cp2Ti C H2 3
34
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
3.4 Insertion von Olefinen und ȕ-Wasserstoffeliminierungen Reaktionsprinzip E-Wasserstoffeliminierung
H
a [M]
b
[M]
H +
[M]
H
Insertion von Olefinen
Reaktion
a
b
Valenzelektronen
ǻ = +2
ǻ = –2
Koordinationszahl
ǻ = +1
ǻ = –1
Oxidationszahl
ǻ= 0
ǻ= 0
Insertionen von Alkenen in M–H-Bindungen (1,2-Insertionen1) und die Rückreaktionen, die ȕ-Wasserstoffeliminierungen, sind Schlüsselschritte der metallorganischen Komplexkatalyse. Sie verlaufen besonders leicht bei Übergangsmetallen. Insertionen beinhalten eine Olefinkoordination unter Bildung eines intermediären Hydridoolefinkomplexes (Reaktion a) und die eigentliche Insertionsreaktion (Reaktion b). Im Insertionsschritt b vermindert sich die Zahl der Valenzelektronen am Metall um zwei Einheiten und sinkt die Koordinationszahl um eine Einheit. Die Oxidationsstufe von M ändert sich nicht. Für die Rückreaktionen, die ȕ-Wasserstoffeliminierungen, gilt das Umgekehrte. Zumeist verlaufen die Reaktionen stereochemisch einheitlich als cis-Insertionen (d. h. syn-Additionen von [M] und H an Olefine) und cis-ȕWasserstoffeliminierungen (d. h. syn-Eliminierungen von [M] und H aus Metallalkylverbindungen). Einleitender Schritt von ȕ-Hydrideliminierungen können agostische Cȕ–H···M-Wechselwirkungen sein. Der Übergangszustand ist cyclisch und weist eine komplanare M–C–C–H Anordnung auf. Kann diese nicht ohne weiteres erreicht werden (wie das in cyclischen Systemen der Fall sein kann), sind sowohl Insertion als auch ȕ-Wasserstoffeliminierungen erschwert. Das kann Ursache für die Stabilität ausgewählter Hydridoolefinkomplexe und die von Alkylkomplexen mit ȕ-ständigen Wasserstoffatomen sein. Neben diesen stereoelektronischen Faktoren ist der Reaktionsablauf aber auch von vielen anderen Faktoren abhängig. So kann die Stabilität eines Hydridoolefinkomplexes auch auf eine besonders stabile Metall– Olefin-Bindung zurückzuführen sein. Weiterhin sind ȕ-Wasserstoffeliminierungen im Allgemeinen erschwert, wenn der Komplex koordinativ gesättigt ist.
1
Ausgehend von Verbindungen [M]–X (hier: X = H) bezieht sich die Bezeichnung „1,n-Insertion“ (n = Anzahl der Atome zwischen M und X) ohne jegliche mechanistische Implikation auf die Einschiebung eines Atoms oder einer Gruppe von Atomen in die M–X-Bindung. Analog werden Eliminierungsreaktionen bezeichnet, wobei anstelle der Zahlenangaben häufig die griechischen Buchstaben (1,1 = Į; 1,2 = ȕ; ...) treten.
Insertion von Olefinen und ȕ-Wasserstoffeliminierungen
35
Aufgabe 3.1 Obwohl es sich bei 1 und 2 um zwei isomere cis-Hydrido-olefin-Komplexe handelt (L = Phosphan), verläuft nur bei 1 bereitwillig eine Insertion des Olefins in die Ir–H-Bindung, was eine sehr unterschiedliche thermische Stabilität bedingt (TZers.: > –80 °C, 1; > 20 °C, 2). Erklären Sie diesen Sachverhalt.
+
H Ir
+
L
H
Ir
L
L
H H
L 2
1
Olefine insertieren auch leicht in M–C-Bindungen (1 ĺ 2 ĺ 3). Die Rückreaktion (3 ĺ 2), eine ȕ-Alkyleliminierung, tritt nicht so häufig auf. Sofern das ȕ-C-Atom ein Wasserstoffatom trägt, ist eine ȕ-Wasserstoffeliminierung bevorzugt (3 ĺ 4). H [M]
R [M]
R
1
H [M]
H
[M]
H + R
R
2
3
4
Insertionsreaktionen von Alkinen in M–H- und M–C-Bindungen verlaufen analog, im Allgemeinen im Sinne einer syn-Addition: H [M]
H
[M]
[M]
H
Mit Blick auf die Bruttoumsetzung (Addition von M–H bzw. M–C an eine Doppel- bzw. Dreifachbindung) werden derartige Insertionsreaktionen auch als Hydro- bzw. Carbometallierung von Olefinen bzw. Alkinen bezeichnet. Neben den hier besprochenen Insertions- und Eliminierungsreaktionen gibt es eine Reihe weiterer analoger Reaktionen, die in der homogenen Katalyse Bedeutung haben. Dazu gehören Insertionsreaktionen unter Beteiligung von Heteroolefinen (z. B. R2C=NR) und in andere als in M–C- oder M–H-Bindungen (z. B. in M–OR-, M–NR2- oder M–SiR3-Bindungen).
Beispiele Bildung eines kationischen Ethylplatinkomplexes via Olefinkoordination (1 ĺ 2, s = Lösungsmittel) und Olefininsertion in eine Pt–H-Bindung (2 ĺ 3) [Rom 1993]. Die Röntgeneinkristallstrukturanalyse von [Pt(C2H5){(t-Bu)2P(CH2)3P(t-Bu)2}][CB11H12], ein Komplex vom Typ 3 ohne koordiniertes Lösungsmittel s, weist eine ȕ-agostische M–C– C–H-Wechselwirkung aus.
(R3P)2Pt H 1
+
+
+ s
+ +s
+s
(R3P)2Pt
(R3P)2Pt s
H 2
3
H
36
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
Hydrozirconierungen von Alkinen mit Schwartz-Reagenz [Paq 1995] (2 ĺ 3) sind synAdditionen. Die nachfolgende Umsetzung mit Elektrophilen E ergibt (E)-Olefine (3 ĺ 4) [Wip 1996]. LiAlH4
Cp2ZrCl2
R
H
R
Cp2Zr
1
2
R
E
H
Cp2Zr
E
Cl
Cl
H 4
3
Hydro- [Roe 2004] (1 ĺ 2) und Carboaluminierungen (2 ĺ 3), die effektiv Zr-katalysiert werden können [Neg 2004], sind die Schlüsselschritte bei der Ziegler’schen Aufbaureaktion. Im Allgemeinen – so auch hier – verlaufen Hydro- leichter als Carbometallierungen. Al H 1
+n
+ 2080°C 100 bar
Al
Al
90120°C 100 bar
2
n
3
Aufgabe 3.2 Bei Dialkylverbindungen ist eine ȕ-Wasserstoffeliminierung häufig mit einer reduktiven Eliminierung gekoppelt. Formulieren Sie diese Reaktionsabfolge bei 1 (L = PR3) und beachten Sie L Pt Et dabei, dass zunächst durch Abspaltung von L eine freie Koordinationsstelle geschaffen werden L Et muss. Geben Sie das Produktverhältnis an. Welche Produkte würden Sie bei einer radikalischen 1 Pt–C-Bindungsspaltung erwarten?
3.5 Į-Wasserstoffeliminierungen und Carbeninsertionsreaktionen Reaktionsprinzip Carbeninsertion
H [M] C
H [M]
C
[M]
H C
D-Wasserstoffeliminierung
Valenzelektronen
ǻ = +2
Koordinationszahl
ǻ = +1
Oxidationszahl
ǻ= 0
Die Übertragung eines Į-ständigen Wasserstoffatoms eines Alkylliganden auf das Zentralatom führt zur Bildung eines Carbenhydridokomplexes. Zählt man den Carbenliganden als neutralen 2e-Donor, so bleibt dabei die Oxidationsstufe von M unverändert. Die Rückreaktion, eine H-Verschiebung vom Metall auf den Liganden, stellt formal eine Insertion eines Carbens in eine M–H-Bindung dar (1,1-Insertion).
Į-Wasserstoffeliminierungen und Carbeninsertionsreaktionen
37
Einleitender Schritt von Į-Hydrideliminierungen sind agostische CĮ–H···M-Wechselwirkungen. Somit bieten eine hohe Akzeptorfunktion am Metall und eine Donorfunktion, um den gebildeten Carbenliganden zu stabilisieren, gute Voraussetzungen für einen bereitwilligen Reaktionsablauf. Eine sterische Überfrachtung am Metall durch großvolumige Liganden kann die Hydrideliminierung begünstigen. Besonders häufig werden Į-Hydrideliminierungen bei Dialkylmetallkomplexen angetroffen und sind dann mit einer reduktiven C–H-Eliminierung gekoppelt (1 ĺ 2). C
[M]
[M] C
H
+ RH
[M]
C H
[M] C
+ RH
R
R
4
3
2
1
Nicht notwendigerweise wird dabei ein Alkyl(carben)hydridokomplex als Zwischenstufe durchlaufen; der Į-Wasserstoff des einen Alkylliganden kann auch direkt auf das Į-C-Atom des anderen Alkylliganden (R) übertragen werden. Aus Alkyl(carben)-Komplexen können durch Į-Hydrideliminierung gekoppelt mit einer reduktiven C–H-Eliminierung Carbinkomplexe generiert werden (3 ĺ 4).
Beispiele Der kationische Hydrido(phosphorylid)wolfram(IV)-Komplex 1 isomerisiert thermisch unter Bildung von 4. Quantenchemische Rechnungen legen einen Hydridomethylen- (2) und einen Methylwolframkomplex (3) als Zwischenverbindungen nahe [Gre 2001]. +
+
W
CH2PMe2Ph H
PMe2Ph
W + PMe2Ph
PMe2Ph +
1 W
CH2 H
2
+
CH3 4
W CH3
3
Obwohl normalerweise Į- langsamer als ȕ-Hydrideliminierungen verlaufen, reagiert der Ethyl-bis(neopentyl)tantal(V)-Komplex 1 mit PMe3 (L) sowohl unter Į- als auch ȕ-Hydrideliminierung, die mit einer reduktiven Eliminierung von Neopentan gekoppelt sind, zu einem Neopentylidentantalkomplex 2 bzw. zu einem Ș2-Ethentantalkomplex 3. Die beiden tautomeren Komplexe 2 und 3 stehen in Lösung im Gleichgewicht [Fel 1982].
38
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
Et Cl Cl Et
Ta Cl
CH2CMe3
L
CH2CMe3
CMe4
L Ta
L Cl
2
CMe3
L H
Ta
1
Cl
L
Cl
3
CH2CMe3
Tris(neopentyl)neopentylidinwolfram (1) reagiert mit dmpe (Me2PCH2CH2PMe2) via ĮHydrid- und reduktiver Eliminierung zu einem Neopentyl(neopentyliden)neopentylidinwolfram(VI)-Komplex 2 [Sch 1986].
W(OMe)3Cl3
Me3CCH2MgCl CMe4
(Me3CCH2)3W CCMe3
CMe3 Me2 C P W CH2CMe3 P CHCMe3 Me2 2
dmpe CMe4
1
Eine Röntgeneinkristallstrukturanalyse weist 2 als tetragonal-pyramidalen Komplex mit Bindungslängen (a) W–CH2CMe3 (2.258(9) Å) > (b) W=CHCMe3 (1.942(9) Å) > (c) WŁCCMe3 (1.785(8) Å) aus, die zweifelsfrei für b und c einen Metall-Mehrfachbindungscharakter belegen.
3.6 Addition von Nucleophilen und heterolytische Fragmentierungen Reaktionsprinzip heterolytische Fragmentierung
b
a [M]
[M] +
Nu
INu [M] Addition von Nucleophilen
Reaktion
a
b
Valenzelektronen
ǻ = +2
ǻ= 0
Koordinationszahl
ǻ = +1
ǻ= 0
Oxidationszahl
ǻ= 0
ǻ= 0
Durch Koordination eines Olefins an ein Metall (Reaktion a) kann das Olefin derart aktiviert werden, dass es mit Nucleophilen Nu in einer intermolekularen Reaktion zu 2-funktionalisierten Alkylkomplexen reagiert (Reaktion b). Im eigentlichen Additionsschritt b ändert sich
Addition von Nucleophilen und heterolytische Fragmentierungen
39
weder die Anzahl der Valenzelektronen von M noch seine Koordinations- und Oxidationszahl. Wird ein neutrales Nucleophil eingesetzt (Nu = NR3, PR3, SR2, ...; NuH = NH3, H2O, R2NH, RSH, ...), bildet sich ein kationisches Heteroatomzentrum aus, dass – sofern von NuH ausgegangen wird – leicht deprotoniert werden kann. Gelegentlich werden die besprochenen Reaktionen auch als ʌ–ı-Umlagerungen bezeichnet, weil der ʌ-gebundene Olefinligand in einen ı-gebundenen Alkylliganden übergeht. Diese Bezeichnung ist aber missverständlich, weil es sich bei diesen Reaktionen nicht um Isomerisierungen handelt. Die Rückreaktionen sind als heterolytische Fragmentierungen zu klassifizieren. Wird die Abspaltung des Nucleophils durch ein Elektrophil (z. B. E+ = H+) induziert, spricht man auch von elektrophilen Abstraktionen (Reaktion c). Nu
+E
c
+ ENu
[M]
[M]
Vergleicht man die Insertion eines Olefins in eine M–Nu-Bindung (d) mit der (hier behandelten intermolekularen) Addition von Nucleophilen an ein koordiniertes Olefin (Reaktion e), ergeben sich zwar die gleichen Produkte, aber die Stereochemie ist verschieden: Intermolekulare Additionen von Nucleophilen verlaufen als anti-Additionen und intramolekulare Insertionsreaktionen als syn-Additionen. In der Katalyse meistens unerwünscht ist die Substitution des Olefins durch das Nucleophil (f). ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Heterolytische Fragmentierungen (Grob’sche Fragmentierungen) Heterolytische Fragmentierungen sind 1,2-Eliminierungen, die nach folgendem allgemeinen Reaktionsschema ablaufen: a b c d X
a b
+ c d
+ IX
a–b+ und X– heißen elektrofuge bzw. nucleofuge Gruppe. Im Unterschied zu normalen 1,2-Eliminierungen (H–c–d–X ĺ H+ + c=d + X–), bei denen H+ das Elektrofug ist, ist hier das Elektrofug eine mehratomige Gruppe [Gro 1967, Gro 1969, Car 2004]. Beispiele:
Fragmentierung von 3-Hydroxypropyltosylaten. HO C C C OTs
+
HO C
+
OTs
H O C
Fragmentierung von 2-Ammonioethylzinnverbindungen: R3Sn CH2 CH2 NR'2
+H
R3Sn CH2 CH2 NHR'2
T >100°C
R3Sn + H2C CH2 + HNR'2
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
40
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
+
INu L
Nu Lx1M
Lx1M
Nu
d
L + L +
LxM
Nu
INu
e
LxM
+ INu
LxM Nu
f
In gleicher Weise wie an Olefine können Nucleophile an Alkine addiert werden. Dabei werden 2-funktionalisierte Vinylverbindungen gebildet, die – wie bei einer anti-Addition erwartet – meist eine trans-Anordnung von M und Nu aufweisen: Nu [M]
+
INu [M]
Beispiele Die Addition eines neutralen Nucleophils wie PPh3 an ein koordiniertes Olefin führt zu einem 2-funktionalisierten Alkylkomplex mit einem kationischen Heteroatomzentrum: + Cp(CO)3W
+
+ PPh3
Cp(CO)3W CH2 CH2 PPh3
2-Aminoethylgrignardverbindungen 2 zerfallen in Abhängigkeit von den sterischen und elektronischen Eigenschaften von R bereits zwischen –20 und –80 °C unter heterolytischer Fragmentierung (2 ĺ 3) [Ste 1992]. R2N CH2 CH2 Br
+ Mg R N CH2 CH2 MgBr 78 ... 100 °C 2 20 ... 80 °C
Mg(NR2)Br + H2C=CH2
1
2
3
Der bewährten Aktivierung von Magnesium bei Grignardbildungsreaktionen mit 1,2-Dibromethan liegt ebenfalls eine heterolytische Fragmentierung von intermediär gebildetem BrCH2CH2MgBr zugrunde. ȕ-Halogenalkylester und -urethane haben als Schutzgruppen in der Peptidchemie Eingang gefunden, die sich nach Umsetzung mit Cobalt(I)-phthalocyanin via heterolytische Fragmentierung leicht spalten lassen [Eck 1979].
Insertion und Extrusion von CO
P
P
O C O C C X
41
+ [CoI(pc)] P
X
O + [CoI(pc)] NH C X O C C X
O C O C C CoIII(pc)
+ [CoI(pc)] II
2 [Co (pc)]
O + [CoI(pc)] NH C II O C C CoIII(pc) 2 [Co (pc)]
P
P
O + C O
P
O NH C + O
C C
C C
H2O P
NH2 + HCO3
P = Peptidkette, X = Halogen, H2pc = Phthalocyanin
Aufgabe 3.3 Welche Reaktion erwarten Sie bei der Umsetzung des kationischen Etheneisen(II)-Komplexes [FeCp(CO)2(Ș2-H2C=CH2)]+ mit überschüssigem Methylamin? Wie wird der gebildete Komplex mit HCl reagieren?
3.7 Insertion und Extrusion von CO Reaktionsprinzip Deinsertion von CO
R
R [M] C
[M]
O
C O Insertion von CO
Valenzelektronen
ǻ = –2
Koordinationszahl
ǻ = –1
Oxidationszahl
ǻ= 0
Die Insertion von CO in eine M–C-Bindung führt zu einem Acylkomplex. Derartige Reaktionen verlaufen im Sinne einer Wanderung des Alkylliganden an das Kohlenstoffatom eines cis-ständigen Carbonylliganden (migratorische Insertion; 1,1-Insertion). Die Rückreaktion wird als Extrusion (Deinsertion, Eliminierung) von CO bezeichnet. Die Oxidationsstufe von M bleibt bei der CO-Insertion unverändert. Der primär gebildete Acylkomplex ist elektronisch und koordinativ ungesättigt. Wird in Kohlenmonoxidatmosphäre gearbeitet, wird die frei werdende Koordinationsstelle durch CO besetzt. Gut bekannt sind auch intermolekulare Additionen von R– an Carbonylkomplexe (1 ĺ 2). Protonierung der Zwischenverbindung führt zu Hydroxycarbenkomplexen (E. O. Fischer, 1964) (2 ĺ 3).
42
Elementarschritte in der metallorganischen Komplexkatalyse
[M] C OI
R
LiR
[M] C
+ H+
Li
R [M] C
O 1
O H
3
2
Obwohl dabei auch (anionische) Acylkomplexe (2) als Intermediate gebildet werden, sind diese Reaktionen nicht als migratorische Insertionsreaktionen zu klassifizieren. Es handelt sich um eine intermolekulare Addition eines Nucleophils an das (elektrophile) Carbonyl-CAtom. In analoger Weise verläuft die Hieber’sche Basenreaktion: [M] C OI
OH
OH
CO2
[M] C
[M] H
O
Beispiel Der Nachweis, dass die nachfolgende Reaktion tatsächlich als migratorische Insertion abläuft, ist durch Isotopenmarkierung geführt worden. (CO)4Mn
Me C
(CO)4Mn
O
Me
CO
C O
(CO)4Mn
O Me
C O
16 ve
18 ve
C
18 ve
Zwischenprodukt
Aufgabe 3.4 Beweisen Sie durch geeignete 13C-Markierung, dass die zuvor gezeigte Reaktion a) intramolekular verläuft und b) eine Methylwanderung stattfindet.
3.8 Einelektronenreduktion und -oxidation Reaktionsprinzip Oxidation
[M]
[M] + e Reduktion
Valenzelektronen
ǻ = +1
Koordinationszahl
ǻ= 0
Oxidationszahl
ǻ = –1
Bei einer Einelektronenreduktion bzw. -oxidation unter Erhalt der Ligandensphäre unterscheiden sich reduzierter und oxidierter Komplex lediglich um ein Elektron. Unter der Voraussetzung, dass das beteiligte Orbital ein metallzentriertes Molekülorbital ist, wird die Oxi-
Einelektronenreduktion und -oxidation
43
dationsstufe des Metalls um eine Einheit verringert bzw. erhöht. Anderenfalls erfolgt Reduktion bzw. Oxidation des Liganden.
Beispiel Elektronenvariable Komplexe. Strukturell ähnliche Metallkomplexe, die sich nur in der Anzahl der Elektronen unterscheiden, heißen elektronenvariabel. Elektronenvariabilität tritt z. B. bei Phthalocyaninmetallkomplexen auf. Für Eisen als Zentralatom sind die Komplexe 1a–1f (H2pc = Phthalocyanin) isoliert worden. Ausgehend von 1a führt die stufenweise Elektronenaufnahme erst zur Reduktion des Zentralatoms (1b–1d) und dann zur Reduktion des Liganden (1e, 1f). Im Bild der LCAO-MO-Theorie treten bei 1b–d die zusätzlichen Elektronen jeweils in MO’s ein, die überwiegend Metallcharakter haben (3dOrbitale von Eisen). Bei 1e/1f dagegen werden die Elektronen von einem MO aufgenommen, dass sich maßgeblich über den Liganden erstreckt, das also „ligandenzentriert“ ist [Tau 1974].
ON(Fe)/Ligand:
[FeBr(pc)]
[Fe(pc)]
Li[Fe(pc)]
+3/pc2
+2/pc2
+1/pc2
0/pc2
1c
1d
1a
1b
Li2[Fe(pc)]
Li3[Fe(pc)] 0/pc3 1e
Li4[Fe(pc)]a) 0/pc4 1f
a) Die anionischen Komplexe kristallisieren als thf-Solvate.
Die Ligandensubstitution 1 + L ĺ 5 + CO, die bei kinetisch inerten Metallcarbonylen nicht ohne weiteres abläuft, kann durch Reduktion (1 ĺ 2) induziert werden. Beim kinetisch labilen 19-ve-Intermediat 2 ist eine Ligandensubstitution leicht möglich (2 ĺ 3 ĺ 4). Wenn 4 Komplex 1 zu reduzieren vermag, genügen katalytische Mengen an Reduktionsmittel. [M(CO)6] 1 (18 ve)
+e
[M(CO)6] 2 (19 ve)
CO
[M(CO)5] 3 (17 ve)
+L
[M(CO)5L] 4 (19 ve)
[M(CO)5L] + e 5 (18 ve)
4
Hydrierungen von Olefinen
4.1 Einführung Die Addition von Diwasserstoff H2 an Olefine (1 ĺ 3) ist eine stark exergonische Reaktion ('G—o = –101 kJ/mol für Ethen) , jedoch ist die Synchronaddition über einen viergliedrigen cyclischen Übergangszustand 2 symmetrieverboten.
C C
+ H2
H
H
C
C 2
1
H H C C 3
In Abbildung 4.1 sind die reaktivitätsbestimmenden Orbitale von H2 und C2H4 schematisch dargestellt. Weiterhin sind die beiden möglichen HOMO–LUMO-Wechselwirkungen bei Olefinhydrierungen mit einem cyclischen Übergangszustand ohne Katalysator wiedergegeben. In beiden Fällen resultiert aus Symmetriegründen ein Überlappungsintegral S = 0. Somit kann auf diesem Wege keine Bindungsbildung erfolgen.
a
b
c
LUMO (H2)
LUMO (C2H4)
Wechselwirkung
(ıu*)
(ʌg*)
HOMO (H2) ļ LUMO (C2H4)
HOMO (H2)
HOMO (C2H4)
Wechselwirkung
(ıg)
(ʌu)
LUMO (H2) ļ HOMO (C2H4)
Abbildung 4.1. Schematische Darstellung der reaktivitätsbestimmenden Orbitale von (a) Diwasserstoff und von (b) Ethen sowie (c) der HOMO–LUMO-Wechselwirkungen bei der Synchronaddition von H2 an C2H4.
Der Wilkinson-Katalysator
45
Die Methode der Wahl ist eine katalytische Reaktionsführung. Heterogene Metallkatalysatoren (z. B. Ni) zur Olefinhydrierung sind schon lange bekannt (P. Sabatier, Univ. Toulouse; Nobelpreis 1912). Mitte der 60er Jahre ist von G. Wilkinson (Imperial College London; Nobelpreis 1973) gefunden worden, dass [RhCl(PPh3)3] bei Raumtemperatur und Normaldruck ein homogener Katalysator für die Olefinhydrierung ist. Er wird als „Wilkinson-Katalysator“ bezeichnet.
Aufgabe 4.1 Kann unter Standardbedingungen H2 an ein Olefin im Sinne einer Radikalkettenreaktion addiert werden? Legen Sie Ihrer Analyse die folgenden mittleren Bindungsdissoziationsenthalpien (in kJ/mol) zugrunde: H–H 436, C–C 348, C=C 612, C–H 412.
4.2 Der Wilkinson-Katalysator 4.2.1 Grundlagen Der Wilkinson-Komplex 1 ist aus [RhCl3(H2O)3] und Triphenylphosphan in Ethanol leicht zu synthetisieren. EtOH
[RhCl3(H2O)3] + 4 PPh3
[RhCl(PPh3)3] + Ph3PO + 2 HCl + 2 H2O 1
Er ist bei Olefinhydrierungen Präkatalysator. Die katalytisch aktive Spezies ist der 14-veKomplex [RhCl(PPh3)2] (2), der sehr leicht zu Komplex 3 dimerisiert. [RhCl(PPh3)3]
Cl
PPh3
[RhCl(PPh3)2]
+ PPh3
1/2 [(Ph3P)2Rh
2
1
Cl
Rh(PPh3)2]
3
Hydrierungen mit dem Wilkinson-Katalysator werden gewöhnlich bei Raumtemperatur in Wasserstoffatmosphäre unter Normaldruck ausgeführt. Als Lösungsmittel können Aromaten, Alkohole, Aceton oder Ether verwendet werden. Die Hydriergeschwindigkeit hängt ausgeprägt vom Olefin ab (R = Alkyl): ~ ~
R R
>
R
>
R
R
>
R R
R >
Terminale Olefine reagieren schneller als innere. Ethen selbst und Olefine mit sehr sperrigen Substituenten lassen sich nicht oder nur sehr langsam hydrieren, vermutlich weil sie zu fest bzw. zu schwach koordinieren (vide infra). Funktionelle Gruppen wie Ph, COOR, CONR2, CN, OR werden toleriert, nicht aber CHO- oder COCl-Gruppen, die decarbonyliert werden. Durch geeignete strukturelle Variation kann die Aktivität des Wilkinson-Katalysators erhöht werden. So steigt die Aktivität mit den stärker basischen Phosphanen P(C6H4-p-X)3 (X = Me, OMe) als Coliganden auf über das Doppelte, während mit sehr stark basischen Alkylphosphanen die Hydrieraktivität ganz verloren geht. Offensichtlich erleichtert eine moderate Basi-
46
Hydrierungen von Olefinen
zitätssteigerung (im Vergleich mit PPh3) die Insertionsreaktion, während zu stark basische Phosphanliganden nicht mehr hinreichend leicht abgespalten werden (vide infra). Kationische Komplexe [RhL2s2]+ (3; L2 = Chelatphosphanligand wie Ph2P(CH2)nPPh2, n = 2, 3; s = Lösungsmittel wie MeOH) besitzen eine bis zum Faktor 100 höhere Hydrieraktivität als der Wilkinson-Komplex. Sie sind aus kationischen Norbornadienkomplexen 2 (oder analogen COD-Komplexen) durch Hydrierung des Diens gemäß folgendem Schema leicht zugänglich. Cl 1/2
Rh
Rh Cl 1
AgBF4/ L AgCl
L
L L
Rh 2
BF4
2 H2
L
MeOH
L
Rh
s BF4 + s
3
Es gibt eine große Palette weiterer Hydrierkatalysatoren von späten Übergangsmetallen (z. B. [RuH(Cl)(PPh3)3], [CoH(CN)5]3–) sowie von frühen Übergangsmetallen und Lanthanoiden (z. B. [{LnH(Ș5-C5Me5)2}2], Ln = La, Nd, Lu, ...). Ebenso wie Olefine können andere ungesättigte Verbindungen wie Alkine, Diene und Aromaten hydriert werden.
4.2.2 Mechanismus der Olefinhydrierung Olefinhydrierungen mit dem Wilkinson-Komplex verlaufen nach dem „dissoziativen Hydridmechanismus“, der in Abb. 4.2 dargestellt (grau unterlegt) ist. Diese Bezeichnung macht klar, dass zunächst ein Triphenylphosphanligand abgespalten und dann Wasserstoff angelagert wird. Im Einzelnen sind folgende Reaktionsschritte zu nennen: 1 ĺ 2: Ligandabspaltung/-anlagerung. Vom Präkatalysator [RhCl(PPh3)3] (1) wird durch Dissoziation eines PPh3-Liganden die katalytisch aktive Spezies [RhCl(PPh3)2] gebildet. In Benzol liegt das Gleichgewicht weit auf der Seite von 1 (K < 10–4 mol/l). 2 ĺ 3: Oxidative Addition/reduktive Eliminierung. Oxidative Addition von H2 ergibt einen koordinativ ungesättigten cis-Dihydridorhodium(III)-Komplex 3. Die Reaktion ist reversibel, die Rückreaktion ist eine reduktive Eliminierung von H2. 3 ĺ 4: Ligandanlagerung/-abspaltung. Koordination des Olefins führt zum Dihydridoolefinrhodium(III)-Komplex 4, der elektronisch (18 ve) und koordinativ (K.Z. = 6) gesättigt ist. 4 ĺ 5: Insertion/ȕ-H-Eliminierung. Insertion des koordinierten Olefins in die cis-ständige Rh–H-Bindung ergibt einen Ethylhydridorhodium(III)-Komplex 5. Das ist im Falle der Hydrierung von Cyclohexen der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Die Reaktion ist prinzipiell reversibel. Die Rückreaktion, eine ȕ-H-Eliminierung, spielt aber unter den üblichen Reaktionsbedingungen keine Rolle. Somit tritt auch keine Doppelbindungsisomerisierung als Nebenreaktion ein. Primär bildet sich bei der Insertion ein trans-Alkyl-hydrido-Komplex, der dann zum cis-Alkyl-hydrido-Komplex 5 isomerisiert. 5 ĺ 2: Reduktive Eliminierung. In einer reduktiven C–H-Eliminierung wird das Alkan abgespalten, wobei der Ausgangskomplex 2 zurückgebildet wird. Diese Reaktion ist irreversibel; die Rückreaktion – eine oxidative Addition einer nichtaktivierten C–H-Bindung – findet nicht statt.
Der Wilkinson-Katalysator
47
Abbildung 4.2. Hydridmechanismus der Olefinhydrierung mit dem Wilkinson-Komplex (L = PPh3). Der grundlegende dissoziative Mechanismus ist grau unterlegt. Die kleinen Quadrate deuten „freie“ Koordinationsstellen an, die zumindest in polaren Lösungsmitteln durch Solvensmoleküle besetzt sind (vgl. S. 25).
Aufgabe 4.2 Erklären Sie mit Bezug auf den Insertionsschritt 4 ĺ 5 die Aussagen, dass a) aus der Irreversibilität folgt, dass keine Doppelbindungsisomerisierung eintritt, und dass b) primär ein trans-Alkyl-hydridoKomplex gebildet wird.
Nunmehr sind einige Nebenreaktionen zu beachten. Grundsätzlich stehen die koordinativ ungesättigten Komplexe mit den entsprechenden koordinativ gesättigten, katalytisch inakti6, 5 7). Weiterhin befindet sich 2 mit dem ven Komplexen im Gleichgewicht (3 Chloro-verbrückten Dimer 8 im Gleichgewicht (K 106 l/mol). Durch die Bildung der Komplexe 6–8 vermindert sich die Konzentration der katalytisch aktiven Komplexe, so dass die Aktivität des Katalysators herabgesetzt wird. Der Gleichgewichtskonstante des koordinativ gesättigten Dihydridorhodium(III)-Komplexes 4) ist zu ca. 10–4 bestimmt worden. Komplex 6 mit dem Dihydrido-olefin-Komplex 4 (6 6 kann auch direkt aus dem Präkatalysator [RhCl(PPh3)3] (1) durch oxidative Addition von
48
Hydrierungen von Olefinen
H2 gebildet werden („assoziativer Hydridmechanismus“). Kinetische Untersuchungen zeigen aber, dass der koordinativ ungesättigte Komplex 2 mindestens 104-mal schneller mit H2 reagiert als der Präkatalysator 1 (2 ĺ 3 versus 1 ĺ 6). Somit bestimmt der koordinativ ungesättigte Komplex [RhCl(PPh3)2] (2), obwohl er nur in geringer Konzentration vorliegt, den Reaktionsmechanismus und auch die Reaktionsgeschwindigkeit [Hal 1981]. Durch quantenchemische Rechnungen sind die Energien von Zwischenkomplexen und Übergangszuständen für ein Modellsystem in der Gasphase ermittelt worden (Abbildung 4.3). Die Bildung des Dihydridokomplexes (2 ĺ 3) erfolgt über einen Diwasserstoffkomplex und ist mit keiner nennenswerten Aktivierungsbarriere verbunden. Das trifft auch für die nachfolgende Koordination des Ethens zu (3 ĺ 4). Die Insertion und die nachfolgende Isomerisierung des trans- in einen cis-Alkyl-hydrido-Komplex (in Abb. 4.3 als ein Schritt 4 ĺ 5 dargestellt) ist exotherm und geschwindigkeitsbestimmend (EA ca. 85 kJ/mol). Die nachfolgende reduktive Eliminierung (5 ĺ 2) ist annähernd thermoneutral. Der Vergleich der berechneten Aktivierungsbarrieren (5 ĺ 2 versus 5 ĺ 4) zeigt, dass die Olefininsertion irreversibel ist. Obwohl – gemessen an den heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten – das quantenchemische Rechenverfahren relativ einfach ist, werden wichtige experimentelle Befunde richtig widergespiegelt. Insbesondere werden wesentliche Ursachen für die hohe Katalysatoraktivität deutlich, nämlich dass die Gesamtreaktion in eine Abfolge von Teilreaktionen mit sehr kleinen bzw. hinreichend kleinen Aktivierungsbarrieren zerlegt wird, dass die Teilreaktionen zunehmend energetisch „bergab“ führen und dass kein Intermediat thermodynamisch so stabil ist, dass die Reaktion aus dieser „thermodynamischen Falle“ nicht mehr herausführt.
E
+ H2 + C2H4 2
ca. 50 kJ/mol + C2H4 L Cl H Rh H
L
+ C2H4 3 4
+ C2H6 5
2
Abbildung 4.3. Energieprofildiagramm für die Ethenhydrierung mit [RhCl(PH3)2] als Modellkatalysator (vereinfacht nach Koga, Morokuma 1989). Die Substanznummerierung entspricht der in Abb. 4.2 (L = PH3).
Enantioselektive Hydrierungen
49
Hydridmechanismus RhIII
RhI H2
RhIII H
[Rh] H
[Rh]
[Rh] H H
[Rh]
RhI
H2
RhI
RhIII
Olefinmechanismus
Abbildung 4.4. Hydrid- versus Olefinmechanismus.
Es wird zwischen Hydrid- und Olefinmechanismus unterschieden. Wie zuvor ausgeführt, erfolgen beim Hydridmechanismus zuerst die oxidative Addition von H2 und dann die Koordination des Olefins. Für den Olefinmechanismus trifft das Umgekehrte zu, wie es schematisch in Abbildung 4.4 veranschaulicht ist. Die kationischen Komplexe [RhL2s2]+ katalysieren die Hydrierung von Olefinen nach dem Olefinmechanismus. Das heißt, zuerst erfolgt die Koordination des Olefins (unter Verdrängung des Lösungsmittels s) gefolgt von der oxidativen Addition des H2, die geschwindigkeitsbestimmend ist.
4.3 Enantioselektive Hydrierungen 4.3.1 Grundlagen Hydrierungen mit dem Wilkinson-Katalysator verlaufen stereoselektiv im Sinne einer synAddition. Ist das zu hydrierende Olefin prochiral, so führt die syn-Addition von H2 zu gleichen Teilen zu beiden Enantiomeren. Das ist im folgenden Schema mit dem prochiralen (Z)Į-Acetamidozimtsäureester (1) als Beispiel dargestellt. syn-Addition von H2 an der Re-Seite (vor der Zeichenebene) ergibt das (S)-Enantiomer (S)-2 und an der Si-Seite (hinter der Zeichenebene) das (R)-Enantiomer (R)-2. AcHN
H
COOMe
COOMe
H
Ph
H
H (S)-2
H
AcHN Kat./H2
Kat./H2
* Ph
AcHN
1
COOMe
* Ph H (R)-2
H
50
Hydrierungen von Olefinen
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Prostereogenität, prostereogene Seiten Eine Verbindung mit einem trigonal-planaren Kohlenstoffatom, das drei verschiedene Substituenten trägt, ist prochiral, denn die Addition eines vierten Substituenten (der sich von den bereits vorhandenen unterscheidet) an dieses C-Atom führt zu einem chiralen Molekül. Die beiden Seiten der prochiralen Verbindung sind spiegelbildsymmetrisch (enantiotop). Sie werden mit Re (von lat. rectus) und Si (von lat. sinister) bezeichnet. Zur Festlegung von Re und Si bestimmt man nach den CIP-Regeln (CahnIngold-Prelog) die Priorität der Substituenten. Schaut man von der Re-Seite auf das Molekül, nimmt die Priorität der Substituenten im Uhrzeigersinn ab. Betrachtet man AcHN COOMe das Molekül von der Si-Seite, so nimmt die Priorität im Uhrzeigersinn zu [Eli 1980, H H Car 2004]. 1
Beispiel: Bei 1 nimmt die Priorität in der Reihe NHAc > COOMe > =CH2 ab, so dass man auf die Re-Seite schaut.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Die Aminosäure L-DOPA 4 ist ein wirksames Medikament zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit, indem sie den Mangel an Dopamin im Gehirn beseitigt (4 ĺ 5). Die LDOPA-Synthese hat technische Bedeutung und ist zunächst in einem – nach heutigen Maßstäben aufwendigen – Prozess hergestellt worden (Hoffmann-LaRoche). Durch palladiumkatalysierte Hydrierung eines Zimtsäureamides 1 ist ein racemisches Gemisch von Aminosäuren 2 hergestellt worden, aus dem durch Racemattrennung und Entschützung L-Dopa 4 erhalten worden ist. H
COOH
COOH
NHCOPh HO
H2 Pd/C
OMe
HO
CH2
MeO
C
COOH
H
Racemat- HO NHCOPh trennung MeO
CH2
*
C
H
NHCOPh
2 (D,L-Form)
1 entschützen
*
3 (L-Form)
COOH HO
CH2
*C NH2
HO 4 (L-DOPA)
H
Decarboxylase
HO
CO2
CH2
CH2
NH2
HO 5 (Dopamin)
Enantioselektive homogene Hydrierkatalysatoren haben zu einer wesentlichen Vereinfachung des Verfahrens geführt. Rhodiumkatalysiert wird in einem Schritt aus 1’ direkt die gewünschte L-Form 3’ mit einem Enantiomerenüberschuss von ca. 95 % erhalten (Monsanto) [Bla 2003].
Enantioselektive Hydrierungen H
COOH H2
AcO
[Rh(DIPAMP)]+
CH2
1'
*
C
H
H+ HO
CH2
*C
H
NH2
HO
NHAc
MeO
ee = 95 % TON = 20000 TOF = 1000 h1
OMe
COOH
COOH
NHCOMe AcO
51
4 (L-DOPA)
3' (L-Form)
Aufgabe 4.3 Wie wird bei Aminosäuren a) die D- und L-Konfiguration sowie alternativ b) die R- und S-Konfiguration festgelegt? Entspricht L-DOPA der R- oder der S-Konfiguration?
Die Möglichkeit zur enantioselektiven Hydrierung prochiraler Olefine ist gegeben, wenn ein Rhodiumkomplex mit einem chiralen P-Liganden als Katalysator eingesetzt wird. Die Koordination eines prochiralen Olefins mit der Re- bzw. Si-Seite an den chiralen Katalysator ergibt Diastereomere, die sich in Stabilität und Reaktivität unterscheiden. Enantioselektive Hydrierungen von Styrolderivaten sind erstmals 1968 von L. Horner sowie von W. S. Knowles (Nobelpreis 2001 gemeinsam mit R. Noyori und K. B. Sharpless) mit [RhCl(P*PhMePr)3] (P*PhMePr = (S)-(+)-Methylphenylpropylphosphan) als Katalysator durchgeführt worden, wobei aber nur ee-Werte bis zu 15 % erreicht wurden. ee-Werte von über 90 % (teilweise über 99 %) können mit kationischen Rhodiumkomplexen [Rh(L2*)s2]+ erzielt werden. Die Liganden L2* sind chirale Bis(phosphane), Bis(phosphinite) oder Bis(phospholane). Beispiele dafür sind: H MeO
P*
O
*P OMe
(R,R)-DIPAMP
* O * H
Ph PPh2 PPh2
(R,R)-DIOP
O O * * *O OPh * O * O Ph2P Ph2P Ph-E-GLUP
* P *
P * *
(R,R)-Me-DuPHOS
*
PPh2 PPh2
(S)-BINAP
Der erste effizient wirkende P,P-Chelatligand (DIOP) ist 1971 von K. B. Kagan entwickelt worden. Damit ist auch klar geworden, dass die Chiralität des Liganden L2* nicht am Phosphor (DIPAMP) zentriert zu sein braucht, sondern auch der Kohlenstoff des „Rückgrates“ (engl: backbone) (DIOP, GLUP, DuPHOS) chiral sein kann. In BINAP ist die Chiralität durch Atropisomerie bedingt (helicale Chiralität). Es besteht kein erkennbarer genereller Zusammenhang zwischen Position und Natur der Chiralität im Liganden und den erreichbaren eeWerten. Vielmehr sind Form und konformative Stabilität der „Koordinationstasche“ für das prochirale Olefin entscheidend. Beides wird maßgeblich durch den 5- bzw. 7-gliedrigen Rhodadiphosphacyclus geprägt. Ein Beispiel ist die Hydrierung von 1/1’ zu (R)- bzw. (S)-2/2’ mit [Rh(L L)]+ als Katalysator [L8]:
52
Hydrierungen von Olefinen H
COOH
R
[Rh(L
COOH * RH2C CH NHCOMe
L)]+
H2
NHCOMe
1 (R = Ph), 1' (R = H)
2 (R = Ph), 2' (R = H)
L L (R,R)-DIOP (R,R)-DIPAMP (S,S)-Et-DuPHOS
Produkt (R)-2 (S)-2 (S)-2
ee 85 % 96 % 99 %
Produkt (R)-2' (S)-2' (S)-2'
ee 73 % 94 % 99 %
Viele der chiralen P,P-Liganden enthalten PAr2-Substitutenten, so dass die durch den Rhodadiphosphacyclus aufgebaute Koordinationstasche für das Substrat durch vier Arylgruppen geformt wird (Abb. 4.5). Blickt man von oben auf die Koordinationstasche sind zwei mit der Kante und zwei mit der Fläche zu sehen („edge-face“-Anordnung). Die Koordinationstasche ist chiral, in vielen Fällen C2-symmetrisch, und kann in vier Quadranten zerlegt werden, von denen zwei für das Substrat leichter und die anderen beiden schwerer zugänglich sind. Ein prochirales Olefin kann an der Re- oder an der Si-Seite koordiniert werden, so dass die Bildung von zwei Diastereomeren möglich ist. Eines davon ist thermodynamisch stabiler, und zwar dasjenige, bei dem die sperrigen Substituenten in die mehr frei zugänglichen Quadranten der Koordinationstasche ragen (Abb. 4.5). Die Katalyse verläuft nach dem „Olefinmechanismus“: Zuerst erfolgt die Koordination des Olefins wie soeben beschrieben und dann die oxidative Addition von H2, die geschwindigkeitsbestimmend und irreversibel ist. Es ist gezeigt worden (siehe unten), dass das thermodynamisch stabilere Diastereomer, das also in größerer Konzentration vorhanden ist, weniger reaktiv ist. Somit reagiert überwiegend das in geringerer Konzentration vorhandene, aber wesentlich reaktivere Diastereomer zum Produkt ab. Diese „kinetisch kontrollierte Enantioselektivität“ ist – in Anlehnung an die die Reaktivität von Enzymen charakterisierende „Schlüssel-Schloss-Beziehung“ (E. Fischer, 1894) – als „Anti-Schlüssel-Schloss-Beziehung“
a
Okoord.
O
b
o-MeOC6H4 Ph Pr OMe P P
P
OMe
Rh
Rh
Rh P O
OMe
O NH
o-MeOC6H4 Ph
P
O
N
Abbildung 4.5. Zur Struktur eines Katalysator–Substrat-Komplexes [Rh(DIPAMP)(PrHC=C(COOMe)NHAc)]+. (a) Koordinationstasche ([Rh(DIPAMP)]+) für das prochirale Olefin längs der C2-Achse mit der typischen „edge-face“-Anordnung der vier Arylsubstituenten (Ph in Kanten- und o-MeOC6H4 in Flächenanordnung); die vier Quadranten sind durch Striche angedeutet. (b) Katalysator–SubstratKomplex in gleicher Projektion. Es wird deutlich, dass der prochirale Olefinligand (dunkelgrau unterlegt) gut in die chirale Koordinationstasche „passt“, so dass eine hohe Stabilität des Komplexes resultiert. Das wäre bei einer Koordination an der anderen Seite der prochiralen Doppelbindung nicht der Fall. Dieses Diastereomer ist reaktiver und bestimmt die Enantioselektivität (nach McCulloch, Landis 1990).
Enantioselektive Hydrierungen
53
bezeichnet worden. Obwohl der Reaktionsverlauf sehr differenziert von Stabilität und Reaktivität abhängt, können ee-Überschüsse von > 99 % erreicht werden. Das entspricht Energiedifferenzen der Übergangszustände in beiden Reaktionspfaden von nur wenigen kJ/mol.1 Sie liegen in der Größenordnung der Barriere der Rotation um die C–C-Bindung im Ethan, was dokumentiert, wie subtil Stabilität und Reaktivität in derartigen Homogenkatalysatoren abgestimmt sind. Enantioselektive katalytische Reaktionen spielen insbesondere bei der Synthese von Pharmaka und von Agrochemikalien eine große Rolle. Neben der einleitend erwähnten L-DOPASynthese seien zwei weitere Beispiele für technische Synthesen angeführt.
Naproxen (2) ist einer der wichtigsten entzündungshemmenden Wirkstoffe. Nach R. Noyori wird das (S)-Enantiomer (Das (R)-Enantiomer ist leberschädigend.) in 92 % Ausbeute mit 97 % ee durch Hydrierung einer arylsubstituierten Acrylsäure 1 mit einem Ruthenium(II)-BINAP-Katalysator erhalten (12 h, R.T, 135 bar) [Oht 1987]. COOH MeO
[Ru(O2CR)2{(S)-BINAP}] MeOH
COOH MeO
1
2 (ee = 97 %)
BINAP-Rutheniumkatalysatoren sind ausgezeichnete Katalysatoren für asymmetrische Hydrierungen einer Reihe von funktionalisierten Olefinen. Sie katalysieren nach dem Monohydridmechanismus, bei dem das Olefin in eine Monohydridspezies insertiert wird (3 ĺ 4) und die dabei gebildete Alkylverbindung einer Hydrogenolyse unterliegt, ohne dass eine Dihydridozwischenstufe durchlaufen wird (4 ĺ 5) [Noy 2002]. +
H
[M]H 3
H
+ H2
[M]
H
+ [M]H
5
4
Metolachlor (3) (Ciba-Geigy/Syngenta) ist eines der weltweit bedeutendsten Herbizide. Der Synthese liegt die enantioselektive Hydrierung des Imins 1 zugrunde. Es findet ein Iridiumkatalysator mit einem chiralen Ferrocenyldiphosphan-Liganden (R = Ph; R’ = 3,5Xylyl) Verwendung, der eine beeindruckende Produktivität (TON = 1·106) und Aktivität (TOF > 200000 h–1) aufweist [Hof 2005]. Cl O N
[Ir] / R2P 1
1
H N
H2 (80 bar, 50 °C) PR'2 Fe
H Me
O H
2 (S-Enantiomer) ee = 89 %
Eine Berechnung wird in der Aufgabe 4.6 (S. 56) vorgenommen.
Cl
Cl O
O
O N H
3 (Metolachlor)
54
Hydrierungen von Olefinen
4.3.2 Vertiefung – kinetisch kontrollierte Enantioselektivität Vorangehend ist klargestellt, dass bei enantioselektiven Hydrierungen die Art der Koordination des prochiralen Olefins (via Re- oder via Si-Seite) maßgebend dafür ist, welches Enantiomer gebildet wird.
Aufgabe 4.4 Welche Koordination (Re- versus Si-Seite) von (Z)-Į-Acetamidozimtsäureestern führt bei der Hydrierung zu L-DOPA?
(Z)-Į-Acetamidozimtsäureester 1 reagieren mit kationischen Rhodiumkomplexen [Rh(L2*)s2]+ (2), die chirale P-Liganden L2* koordiniert haben, zu diastereomeren Acetamidozimtsäureester-rhodium-Komplexen 3a bzw. 3b. Koordination an der Re-Seite ergibt das „L-Diastereomer“ 3a und an der Si-Seite das „D-Diastereomer“ 3b. 3a reagiert nach H2-Addition via 4a zu L-DOPA und 3b via 4b zu D-DOPA.
O NH
1
COOR
(Blick auf Re-Seite)
H N
Ph
COOR P * Rh P O
2s
Ph
O 2s
ROOC P Rh P
3a
H N 3b O Ph
+ H2
*
L-DOPA
1 (Blick auf Si-Seite)
+ H2 H COOR N P * H Rh P Ph O H
COOR NH
*
Ph
s P * Rh s P 2
4a
ROOC H N P H Rh P Ph H O
D-DOPA
4b
Enantioselektive Hydrierungen
55
Für die Enantioselektivität der Hydrierung sind zwei Effekte ausschlaggebend:
Stabilität der Diastereomere (thermodynamische Analyse). Bei der L-DOPA-Synthese ist das „D-Diastereomer“ 3b das thermodynamisch stabilere Produkt und wird folglich im Überschuss gebildet. Die Bevorzugung der Rh-Koordination an der Si-Seite ist durch die Form der Koordinationstasche bedingt. Reaktivität der Diastereomere (kinetische Analyse). Die oxidative Addition von H2 ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Sie verläuft beim Diastereomer 3a schneller als bei 3b. Eine Ursache dafür ist, dass das Rhodiumzentralatom im Diasteromer 3b sterisch stärker abgeschirmt ist und der koordinierte Ligand auf dem Weg zum Dihydridokomplex größere strukturelle Änderungen vollziehen muss als der in 3a. Die Kinetik bestimmt den Reaktionsablauf und es können Enantiomerenüberschüsse von bis zu 99 % an L-DOPA erzielt werden. Man spricht von einer kinetisch kontrollierten Enantioselektivität. In Abbildung 4.6 ist für beide Reaktionspfade das Reaktionsprofildiagramm dargestellt.
'G
' ' GL
[MD]
H2
[ML]
H2
/D
[MD]
[ML]
H H H
' GD
H
' GL [ML] + H2
' ' GL/D [MD] + H2
Abbildung 4.6. Reaktionsprofil für die Bildung von L- und D-DOPA (nicht maßstabsgetreu, Symbolerklärung im Text).
Die beiden Diastereomere [ML] und [MD] stehen im Gleichgewicht: [ML] [MD]. Der Unterschied in der thermodynamischen Stabilität der beiden Diasteromere spiegelt sich in der Differenz der freien Enthalpien ǻǻGL/D wider. Die Gleichgewichtskonstante KL/D berechnet sich nach ǻǻGL/D = –RT lnKL/D. Schnelle Gleichgewichtseinstellung zwischen den beiden Diastereomeren vorausgesetzt, gibt die Differenz der freien Enthalpien der Übergangszustände ǻǻGL‡/D‡ das Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeiten der beiden Diastereomere wider. Somit wird die Reaktionsgeschwindigkeit nicht (!) durch die Differenz der freien Aktivierungsenthalpien 'GL‡ – 'GD‡ bestimmt. Theoretischer Ausdruck für den beschriebenen Sachverhalt ist das Curtin-Hammett-Prinzip.
56
Hydrierungen von Olefinen
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Das Curtin-Hammett-Prinzip Zwei Konformere A und B eines Eduktes mögen im Gleichgewicht miteinander stehen und sich wesentlich schneller ineinander umwandeln, als dass sie zu den Produkten PA bzw. PB reagieren, so dass sich das abgebildete Reaktionsprofil ergibt.
'G
A
PA
B
PB
' ' GA
/B
' GA 'GB B
' ' GA/B
A PB PA
ǻǻGA/B
Differenz der freien Enthalpien der Konformere
ǻǻGA‡/B‡
Differenz der freien Enthalpien der Übergangszustände (reaktivitätsbestimmend)
ǻGA‡, ǻGB‡
Freie Aktivierungsenthalpien der Reaktionen A ĺ PA bzw. B ĺ PB
Das Curtin-Hammett-Prinzip besagt, dass die Lage des Gleichgewichtes zwischen den Konformeren des Eduktes cA/cB nicht die Produktzusammensetzung cPA/cPB bestimmt. Entscheidend für die Produktzusammensetzung ist die Differenz der freien Enthalpien der beiden Übergangszustände der Reaktionen A ĺ PA und B ĺ PB. Das darf nicht mit der Differenz der beiden freien Aktivierungsenthalpien (ǻGA‡ – ǻGB‡) verwechselt werden! Das Curtin-Hammett-Prinzip ist die Grundlage, um zu verstehen, dass ein Konformer, das nur in geringer Konzentration vorliegt (hier B), produktbestimmend sein kann, wenn es zum Übergangszustand mit der kleinsten freien Enthalpie führt [See 1983, Cad 1996, Car 2004].
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Aufgabe 4.5 Begründen Sie die Aussage, dass die Differenz der freien Enthalpien der beiden Übergangszustände ǻǻGL‡/D‡ = 'GL‡ – 'GD‡ und nicht die Differenz der freien Aktivierungsenthalpien ǻǻGL/D‡ = ǻGL‡ – ǻGD‡ das Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeiten bestimmt.
Aufgabe 4.6 Berechnen Sie die Differenzen der freien Enthalpien der beiden Übergangszustände ǻǻGL‡/D‡, bei denen Enantiomerenüberschüsse von 90, 99 bzw. 99,9 % ee erzielt werden (T = 298 K).
Enantioselektive Hydrierungen
57
H N D CN
H O
H E H
[Rh{(R,R)-Me-DuPHOS}]+
''Ga H
O
O
Me
CN H
2
1
Koordination an Si CE in Koord.ebene
H N
H
H2
H P Rh * P
4b
3b
= 18
/b
P * Rh P
'Gb = 85
CN O
HN
'Ga = 52
''Ga/b = 15
O
H 4a P Rh
* P
3a O HN
Rh C N
P
P *
Koordination an Re CD in Koord.ebene
H
Abbildung 4.7. Zur quantenchemischen Berechnung der enantioselektiven Hydrierung von Enamiden (alle Werte in kJ/mol für 298 K; stark gekürzt nach Feldgus, Landis 2000).
Quantenchemische DFT-Rechnungen für die Hydrierung des Enamides 1 mit [Rh(Me-DuPHOS)]+ (Me-DuPHOS: vgl. Formel auf S. 51) als Katalysator in der Gasphase zeigen, dass das (R)-Enantiomer 2 gebildet wird (Abb. 4.7). Der Katalysator–Substrat-Komplex ist diastereomer: Koordination von Rh an der Re-Seite von 1 (vor der Zeichenebene) ergibt das Hauptdiastereomer 3a und an der Si-Seite (hinter der Zeichenebene) das in nur geringerer Konzentration vorhandene Diastereomer 3b. Als Differenz der freien Enthalpien bei 298 K sind 15 kJ/mol berechnet worden. Das entspricht einem Konzentrationsverhältnis von ca. 500 : 1. Für die nachfolgende Reaktion von 3a/3b mit H2 ist als energetisch günstiger Weg die Annäherung parallel der C–Rh–P-Achse gefunden worden, und zwar in beiden Fällen von der Seite, auf der sich das terminale C-Atom (CE) der koordinierten Doppelbindung befindet (vgl. Skizze 4a bzw. 4b). Die gesamte freie Aktivierungsenthalpie für das weniger reaktive Diastereomer (3a ĺ 4a ĺ ...) ist zu 85 kJ/mol und die für das reaktive (3b ĺ 4b ĺ ...) nur zu 52 kJ/mol ermittelt worden. Das entspricht einer Differenz in den freien Enthalpien der Übergangszustände von 18 kJ/mol. Diese Größe bestimmt nach dem Curtin-Hammett-Prinzip den Reaktivitätsunterschied der beiden Diastereomere. Daraus berechnet sich ein Enantiomerenüberschuss ee = 99,9 % für das (R)-Enantiomer 2. In Abbildung 4.8 sind die Strukturen des weniger reaktiven (3a) und des reaktiveren (3b) Diastereomers gezeigt. Die Ansicht des Molekülfragmentes [Rh(Me-DuPHOS)]+ senkrecht zur Koordinationsebene (Abb. 4.8, a) macht deutlich, dass die beiden Methylgruppen der Phospholangruppen links oben und rechts unten in die Koordinationstasche des Substrates hineinragen und dessen Koordination sterisch behindern können. Die Koordination an der
58
Hydrierungen von Olefinen
Abbildung 4.8. Molekülmodelle für die Katalysator–Substrat-Diastereomere 3a und 3b (H-Atome sind nicht gezeichnet, die beiden in die Koordinationstasche des Enamids hineinragenden Methylgruppen des Me-DuPHOS-Liganden sind mit einem Stern markiert und dunkelgrau gezeichnet). (a) Molekülfragment [Rh(Me-DuPHOS)]+. (3a’/3b’) Enamidliganden in 3a bzw. 3b (Blickrichtung senkrecht zur Koordinationsebene). Die sterisch gehinderten Quadranten sind grau unterlegt (nach Feldgus, Landis 2000). a) Der Pfeil kennzeichnet die Additionsrichtung von H2.
Re-Seite ist nicht behindert und in 3a liegt das CĮ-Atom der Doppelbindung in der Koordinationsebene [RhP2OC] (3a’). Demgegenüber wird bei Koordination an der Si-Seite das CȕAtom der Doppelbindung durch Wechselwirkung mit einer Methylgruppe des Me-DuPHOSLiganden (siehe Doppelpfeil in Abb. 4.8) in die Koordinationsebene gezwungen, was Energie erfordert (3b’). In beiden Fällen wird H2 von oben addiert. Bei 3b – vgl. die Ansicht 3b’ in Abb. 4.8 – sind dabei nur geringe Änderungen in der Konformation des Enamidliganden erforderlich. Bei 3a dagegen muss dabei Cȕ der C=C-Doppelbindung in die Koordinationsebene gezwungen werden, wobei der CN-Substituent in den sterisch gehinderten Quadranten (rechts unten) zu liegen kommt. Dies bedingt insgesamt eine wesentlich höhere Aktivierungsbarriere für 3a als für 3b und begründet die geringere Reaktivität von 3a gegenüber H2.
Aufgabe 4.7 Bei einer enantioselektiven Katalyse werden aus zwei diastereomeren Eduktkomplexen zwei diastereomere Produktkomplexe gebildet (1 ĺ 2 bzw. 1’ ĺ 2’), siehe Reaktionsdiagramme a–c. Dieser Reaktionsschritt möge für die Enantioselektivität bestimmend sein. Zwischen den beiden diastereomeren Edukten (1/1’) soll das Gleichgewicht eingestellt sein und in allen Fällen sei das Curtin-HammettPrinzip anzuwenden. Somit wird das Enantiomerenverhältnis in allen Fällen durch die Differenz der freien Enthalpien der Übergangszustände ''Gts bestimmt. Diskutieren Sie unter Anwendung des Hammond-Postulates für jedes Reaktionsdiagramm das erwartete Enantiomerenverhältnis der Produkte.
Diwasserstoffkomplexe und H2 -Aktivierung
a
'G
59
c
b
''Gts 2' 1'
2'
2 1' 1
1 2
2 1' 1
2'
4.4 Diwasserstoffkomplexe und H2-Aktivierung 4.4.1 Diwasserstoffkomplexe Diwasserstoff kann an ein Metall koordinieren, ohne dass die H–H-Bindung gespalten wird. Derartige Ș2-Diwasserstoffkomplexe [M(Ș2-H2)Lx] (1) sind Intermediate bei konzertierten oxidativen Additionen von H2 zu Dihydridokomplexen 2: [M] +
H
H
[M]
H
[M]
H 1
H H
2
Diwasserstoffkomplexe sind ı-Komplexe (vgl. Exkurs, S. 27). Wegen der ausnehmend schwachen Donorwirkung des ı-Molekülorbitals von H2 bedarf es einer ausgeprägten ʌRückbindung, um stabile Komplexe zu erhalten. Somit sind für die Bindung – analog den ʌOlefinkomplexen – zwei Bindungsanteile von Bedeutung (Abbildung 4.9):
ı-Hinbindung. Übertragung von Elektronendichte vom ı-bindenden Molekülorbital des H2 in ein leeres Orbital von ı-Symmetrie (s, pz, dz2; z-Achse in Richtung des H2-Liganden) des Metalls. Abgebildet sind das dz2-Orbital des Metalls und das ı-Orbital des H2-Moleküls. ʌ-Rückbindung. Übertragung von Elektronendichte von einem Metall-d-Orbital von ʌ-Symmetrie (dxz oder dyz) in das antibindende Molekülorbital ı* von H2.
a
b
Abbildung 4.9. ı-Hinbindung (a) und ʌ-Rückbindung (b) in Ș2-Diwasserstoffkomplexen.
60
Hydrierungen von Olefinen
Beide Bindungskomponenten führen zu einer Schwächung der H–H-Bindung. Wenn die Rückbindung zu schwach ist, ist der Ș2-H2-Komplex nicht stabil. Gelangt zuviel Elektronendichte über die Rückbindung in das ı*-H–H-Orbital, wird die H–H-Bindung gespalten. D. h., die oxidative Additionsreaktion von H2 ist vollzogen und es bildet sich ein Dihydridometallkomplex mit zwei konventionellen 2z-2e-Bindungen. Folgerichtig führt die Koordination von H2 an ein Metall zur Verlängerung der H–H-Bindung (typische Werte: 0.8–0.9 Å im Vergleich mit 0.75 Å im H2-Molekül) und zu kleineren Wellenzahlen Ȟ(H–H) (typische Werte: 2500–3100 cm–1 im Vergleich mit 4000 cm–1 im H2-Molekül). Die Synthese von Ș2-H2-Komplexen erfolgt durch Umsetzung eines geeigneten Precursorkomplexes mit molekularem Wasserstoff (a) oder durch Protonierung eines Hydridometallkomplexes (b). In beiden Fällen kann aber auch der klassische Dihydridokomplex erhalten werden (a’/b’). Zwischen beiden Komplexen kann in Lösung ein tautomeres Gleichgewicht bestehen (c). H a
[M]
H
b
c
[M] + H2 a'
[M]
H H
[M] H + H b'
Die folgenden Reaktionsgleichungen demonstrieren die beiden Synthesewege für Diwasserstoffkomplexe [Per 2001]. [W(CO)3{P(i-Pr)3}2] + H2
[W(K2-H2 (CO)3{P(i-Pr)3}2]
1 W0 (d6, 16 ve) [Ru(H)2(dppm)2] 4 RuII (d6, 18 ve)
[W(H)2(CO)3{P(i-Pr)3}2]
2 (85 %) W0 (d6, 18 ve) + ROH, RO
[RuH(K2-H2 (dppm)2]+ 5 RuII (d6, 18 ve)
3 (15 %) WII (d4, 18 ve) RO H2
[RuH(OR)(dppm)2]
Der Wolframkomplex 1 (16 ve) ist durch eine agostische C–H···W-Wechselwirkung stabilisiert. Im Diwasserstoffkomplex 2 ist diese zugunsten der Koordination von H2 aufgebrochen (Abb. 4.10). Insbesondere koordinativ ungesättigte d6-Komplexe sind zur Ausbildung von Ș2H2-Komplexen befähigt. Andererseits reagieren d8-Komplexe mit H2 bevorzugt unter oxidativer Addition zu klassischen d6-Dihydridokomplexen. Beides hängt offenbar mit der besonders hohen Ligandenfeldstabilisierungsenergie von d6-Komplexen zusammen. So ist [Cr(Ș2H2)(CO)5] (Cr0, d6) ein Diwasserstoffkomplex und [Fe(H)2(CO)4] (FeII, d6) ein klassischer Dihydridokomplex.
Diwasserstoffkomplexe und H2 -Aktivierung
61
a
b
Abbildung 4.10. (a) Struktur von [W(Ș2-H2)(CO)3{P(i-Pr)3}2] (2). (b) Struktur von [ReH5(Ș2-H2){P(p-Tol)3}2] und Re-Koordination; die verlängerte H–H-Bindung ist gestrichelt gezeichnet. Die HAtome der Phosphanliganden sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt.
Die Koordination von Diwasserstoff kann – in Umkehrung der Synthese durch Protonierung – mit einer starken Erhöhung der Acidität von H2 einhergehen: H [M]
[Os(K2-H2)(dppe)2(MeCN)]2+ 1 OsII (d6, 18 ve)
[M] H + H
H [Os(H)(dppe)2(MeCN)]+ + H+ 2 OsII (d6, 18 ve)
So ist der Diwasserstoffosmiumkomplex 1 mit pKa = –2 eine sehr starke Säure [Sch 1996]. Derartige Reaktionen entsprechen einer heterolytischen Bindungsspaltung von H2. Das ist eine wichtige Aktivierungsreaktion bei einer Reihe von Hydrierungskatalysatoren. Sie ist auch bei H2-bindenden Hydrogenasen nachgewiesen und möglicherweise spielen Ș2-H2Komplexe bei diesen auch eine Rolle. Es ist nicht immer einfach, zwischen „nichtklassischen“ Ș2-H2-Komplexen und „klassischen“ Dihydridokomplexen zu unterscheiden. Im Allgemeinen ist es schwierig, in Röntgeneinkristallstrukturuntersuchungen Wasserstoffatome in unmittelbarer Nachbarschaft von Schwermetallen hinreichend genau zu lokalisieren. Neutronenbeugungsexperimente erfordern andererseits sehr große Einkristalle. In Ș2-HD-Komplexen können NMR-spektroskopisch H–DKopplungskonstanten gemessen werden, aus deren Größe auf die Bindungsverhältnisse geschlossen werden kann.
62
Hydrierungen von Olefinen
Neben den hier besprochenen Ș2-H2-Komplexen (H–H 0.8–0.9 Å) gibt es auch solche mit verlängerter H–H-Bindung (1.1–1.6 Å). H–H-Abstände > 1.7 Å weisen auf klassische Dihydridokomplexe hin. Im Komplex [ReH7{P(p-Tol)3}2] (Abb. 4.10) weisen zwei der sieben H-Liganden einen Abstand von lediglich 1.357(7) Å auf, so dass ein H2-Komplex mit verlängerter H–H-Bindung vorliegt. Es sollte also [ReH5(Ș2-H2){P(p-Tol)3}2] (ReV, d2, 18 ve) geschrieben werden.
4.4.2 Aktivierung von Diwasserstoff Ein entscheidender Schritt bei Olefinhydrierungen ist die Aktivierung von H2. Dafür gibt es eine Reihe von Möglichkeiten:
Oxidative Addition von H2 [M] + H2
[M]
H H
Im Ergebnis wird ein Dihydridokomplex erhalten, wobei ein ı-H2-Komplex als Intermediat auftreten kann. Charakteristisch für den Katalysezyklus ist ein Oxidationsstufenwechsel der Intermediate um zwei Einheiten. Beispiele sind Katalysatoren vom Wilkinson-Komplextyp sowie eine Reihe weiterer Komplexe später Übergangsmetalle.
ı-Bindungsmetathese von H2 R
R [M] CH2 + H H
[M] H
R [M]
CH2 H
H
+
CH2 H
Ein ı-Alkylmetallkomplex (gebildet durch Insertion des Olefins in eine M–H-Bindung) reagiert mit H2 über einen viergliedrigen cyclischen Übergangszustand im Sinne einer ı-Bindungsmetathese unter Abspaltung des Alkans (vgl. S. 115). Der Zyklus schließt sich durch Insertion des Olefins in den gebildeten Hydridometallkomplex. Im Ablauf der Katalyse erfolgt kein Wechsel in der Oxidationsstufe des Metalls. Beispiele sind Cyclopentadienyllanthanoid-Komplexe wie [{LuH(Ș5-C5Me5)2}2] (LuIII) und andere Komplexe früher Übergangsmetalle.
Homolytische Spaltung von H2 X
+ [M] [M]
H
H
X
+ [M] [M]
H
H H X
Es liegt ein radikalischer Mechanismus vor: Ein Hydridometallkomplex überträgt schrittweise zwei Wasserstoffe auf ein – zumeist funktionalisiertes – Olefin. Die Rückbildung des Hydridometallkomplexes erfolgt durch homolytische Bindungsspaltung von Diwasserstoff gemäß
Diwasserstoffkomplexe und H2 -Aktivierung
63
der Gleichung: 2 [M] + H2 ĺ 2 [M]–H. Charakteristisch ist ein Oxidationsstufenwechsel der Intermediate um eine Einheit. Ein bekanntes Beispiel ist [M]–H = [CoH(CN)5]3– (CoIII, 18 ve) bzw. [M] = [Co(CN)5]3– (CoII, 17 ve).
Heterolytische Spaltung von H2 H [M] +
[M]
H2
[M] H + H
H
Eine heterolytische Bindungsspaltung von H2, die über einen Diwasserstoffkomplex als Zwischenstufe verlaufen kann, liefert einen Hydridometallkomplex und ein Proton, das von einem geeigneten Protonenakzeptor aufgenommen werden muss. Ein Beispiel ist die heterolytische Spaltung von H2 an einem Ruthenium(II)-Komplex (d6) mit einem Amin als Protonenakzeptor (P P = dppe) [Per 2001]: + H2
Ru
P P
Ru H
P
N Me2
P
H
Ru
P
N Me2
P
H
N H Me2
Derartige Komplexe sind besonders geeignet, polare Bindungen į+A=Bį– (z. B. C=OGruppen in Ketonen) zu hydrieren, wobei das hydridische Wasserstoffatom an A und das protische Wasserstoffatom an B bindet. Im Ablauf der Katalyse erfolgt kein Wechsel in der Oxidationsstufe des Metalls. Auch in der heterogenen Katalyse spielt die Aktivierung von H2 durch Heterolyse eine große Rolle. So katalysiert ZnO bei erhöhter Temperatur und hohem Druck die Bildung von Methanol aus CO und H2. Es wird angenommen, dass auf der ZnO-Oberfläche H– an Zink und H+ an Sauerstoff gebunden wird.
Aktivierung von H2 in Hydrogenasen Bei Hydrogenasen liegt im Allgemeinen eine heterolytische Spaltung von H2 vor. Hydrogenasen sind Enzyme, die den Verbrauch oder die Bildung von Diwasserstoff gemäß folgender Gleichung katalysieren: CysS
a H2
Hydrogenase
2
H+
+ 2
e
Fe
CysS S
b
Fe
S S Fe
NH
S Fe
Cys 1
SCys
S
S
S
OC CN
L Fe
Fe C O
CN CO
Reaktion a ist an eine Reduktion von physiologischen Elektronenakzeptoren und b an eine Oxidation physiologischer Elektronendonoren gekoppelt. Die meisten Hydrogenasen sind Metalloenzyme (Fe/Ni-S- oder Fe-S-Cluster). Das aktive Zentrum einer nur Eisen enthalten-
64
Hydrierungen von Olefinen
den Hydrogenase, ein Fe4S4-Cluster und eine Fe2-Einheit, ist in 1 wiedergegeben (SCys = Bindungsstellen an das Protein). In der reduzierten Form liegt ein Hydridokomplex (L = H) und in der oxidierten Form ein Aquakomplex (L = H2O) vor. Wahrscheinlich ist das terminale Eisenatom die Bindungsstelle für H2 [Rau 2004].
4.5 Transferhydrierungen Unter Transferhydrierungen werden Reaktionen verstanden, bei denen als Wasserstoffquelle nicht H2 fungiert, sondern Wasserstoff unter der katalytischen Einwirkung von Metallkomplexen von einem organischen Substrat DH2 („Wasserstoffdonor“) auf ein anderes organisches Substrat A („Wasserstoffakzeptor“) übertragen wird: DH2 + A
[M]
AH2 + D
Bevorzugte Wasserstoffdonoren sind Alkohole, Aldehyde, Ameisensäure und Amine, die auch direkt als Lösungsmittel eingesetzt werden. Wasserstoffakzeptoren sind insbesondere Ketone und Aldehyde, aber auch Nitrile, Amine und aktivierte Olefine. Lange bekannte Transferhydrierungen sind Reduktionen von Aldehyden und Ketonen zu primären bzw. sekundären Alkoholen in Isopropanol als Lösungsmittel unter der Einwirkung katalytischer Mengen an Al(O-i-Pr)3 (Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion, 1925). Für die Wasserstoffübertragung in der Reaktion H Me C OH Me H-Donor
+
R C O R
Kat.
Me C O Me
+
H R C OH R
H-Akzeptor
als Beispiel kommen zwei generelle Wege in Betracht:
Direkte Wasserstoffübertragung. Das Į-C–H-Wasserstoffatom wird in einer [M] konzertierten Reaktion über einen sechsgliedrigen cyclischen ÜbergangszuO O stand (1) übertragen, in dem sowohl der H-Donor als auch der H-Akzeptor am Me R H R Metall koordiniert sind. Metallhydride treten nicht als Intermediate auf, KataMe 1 lysatoren sind typischerweise Hauptgruppenmetallverbindungen. Ein Beispiel ist die Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion. Metallhydridmechanismen. In H-Transfer-Reaktionen, in denen Metallmonohydride als Intermediate auftreten, wird das Į-C–H-Wasserstoffatom des Wasserstoffdonors im Sinne einer ȕHydrideliminierung1 auf das Metall übertragen (2 ĺ 3). Die Übertragung des OH-Protons vom H-Donor zum -Akzeptor ([M]–OCHR2 + Me2CHOH ĺ [M]–OCHMe2 + R2CHOH) erfolgt ohne Beteiligung von Metallhydrid-Zwischenstufen. Treten Metalldihydride als Intermediate auf, so werden sowohl das OH-Proton als auch das Į-C–H-Wasserstoffatom des Wasserstoffdonors auf das Metall übertragen, und zwar über eine oxidative Additionsreaktion (4 ĺ 5) bzw. eine ȕ-Hydrideliminierung (5 ĺ 6).
1
Das C1-Atom (Į-C-Atom) in Alkoholen ist in Alkoholatkomplexen [M]–O–CH< in ȕ-Position.
Transferhydrierungen
65
D-CH-Aktivierung
OH-Aktivierung
[M]
[M] OCHMe2 2
[M]
Me2HCOH
[M]
4
OCHMe2
[M]
H 5
O CMe2 H 3 H O CMe2 H 6
Als Katalysatoren kommen insbesondere Ru-, Rh-, Ir-Komplexe in Betracht. Z. B. ist der Wilkinson-Komplex ein Präkatalysator, der bei Transferhydrierungen eine Monohydridzwischenstufe bildet. Von besonderer Bedeutung sind asymmetrische H-Transfer-Reaktionen mit prochiralen Ketonen und Iminen zu chiralen Alkoholen bzw. Aminen. Im folgenden Reaktionsschema ist die enantioselektive Reduktion von Benzoketonen mittels Isopropanol gezeigt. Präkatalysatoren sind Aromatenrutheniumkomplexe [RuCl{(S,S)-(YCHPh–CHPhNH2)}(Ș6-aren)] (Y = O, NTs), die in Gegenwart von Isopropanol in Gegenwart von Alkalien zu 1 reagieren. Komplex 1 ist bifunktionell, die beiden Wasserstoffe werden simultan auf das Keton übertragen, wie im Übergangszustand 3 angedeutet ist. Der Zyklus schließt sich durch Reaktion des koordinativ ungesättigten Komplexes 2 mit Isopropanol zu 1. Damit ist ein Beispiel dafür gegeben, dass eine Substrat–Metall-Koordination nicht notwendige Voraussetzung für eine homogen katalysierte Hydrierung ist [Noy 2001b]. Ph
R R'n H
Ph H R'n
O H
Ph
Y
Ph
Ph
(RuII,
18 ve)
HN Me2CO
Me2HCOH
Y
Ph
Ph II
R'n
R H
Ru
Ru
H2N
1
O
R
2 (Ru , 16 ve)
O
H
Ru NH Ph
Y Ph
3
5
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
5.1 Cobaltkatalysatoren Im Zusammenhang mit Untersuchungen, unter den Bedingungen der Fischer-Tropsch-Synthese (Synthese von Kohlenwasserstoffen aus CO/H2) sauerstoffhaltige Verbindungen als Hauptprodukte zu erhalten, wurde 1938 von Otto Roelen bei der Ruhrchemie die Umsetzung von Ethen mit Synthesegas (CO/H2) zu Propionaldehyd in Gegenwart eines heterogenen Cobalt–Thorium-Katalysators entdeckt und bis zur technischen Reife entwickelt. Beim Einsatz terminaler Olefine als Substrat werden entweder n-Aldehyde oder – die zumeist unerwünschten – Isoaldehyde gebildet. R
CO / H2 Kat.
H R
CHO CHO
+
R
H
Dieser Prozess wird als Hydroformylierung von Olefinen bezeichnet, weil die Reaktion formal der Addition eines H-Atoms und einer Formylgruppe (–CHO) an eine olefinische Doppelbindung entspricht. Die Bezeichnung Oxo-Synthese ist – obwohl nicht ganz korrekt – auch gebräuchlich.1 Hydroformylierungen von Olefinen sind exergonisch (ǻG—o = –65 kJ/mol für Propen). Sie verlaufen im Sinne einer syn-Addition an die Doppelbindung. Ende der 40er Jahre wurde gezeigt, dass aus dem oben erwähnten heterogenen Katalysator zunächst das im Reaktionsgemisch lösliche Dicobaltoctacarbonyl gebildet wird, also eine homogen katalysierte Reaktion vorliegt. Grundlegende Untersuchungen zum Mechanismus gehen auf Heck und Breslow Anfang der 60er Jahre zurück. Ausgehend von [Co2(CO)8] wird unter Einwirkung von H2 zunächst der Präkatalysator [CoH(CO)4] gebildet. Abspaltung von CO führt zur Bildung des katalytisch aktiven Komplex [CoH(CO)3]. Der Mechanismus der Katalyse ist in Abbildung 5.1 wiedergegeben.
1
Unmittelbar nach der Entdeckung der Hydroformylierung von Ethen wurde „... zunächst angenommen, dass es nur eine Frage der Weiterentwicklung der Arbeitsmethoden sein müsste, bis es eines Tages gelingen würde, beliebige Olefine wahlweise in Aldehyde oder Ketone zu überführen – also generell in Oxo-Verbindungen. Unter Vorwegnahme dieser erwarteten späteren Entwicklung führte seinerzeit die Patentabteilung der Ruhrchemie für die neue Reaktion die Kurzbezeichnung „Oxo-Synthese“ ein. Die urspüngliche Annahme hat sich jedoch nicht bestätigen lassen. ... Die Bezeichnung „Oxo–Synthese“ hat sich jedoch wegen ihrer Kürze und Prägnanz schlagwortartig verbreitet und ließ sich trotz des entgegenstehenden Sachverhaltes und trotz entsprechender Bemühungen nicht mehr aus dem Sprachgebrauch entfernen.“ (zitiert nach Roelen 1977)
Cobaltkatalysatoren
67
Abbildung 5.1. Mechanismus (vereinfacht) der Hydroformylierung von Olefinen mit [CoH(CO)4] als Präkatalysator ([Co] = Co(CO)3).
Im Einzelnen sind folgende Reaktionsschritte zu nennen: 1 ĺ 2: Ligandabspaltung/-anlagerung. Bildung des katalytisch aktiven Komplexes (CoI, 16 ve) aus dem Präkatalysator (CoI, 18 ve). 2 ĺ 3: Ligandanlagerung/-abspaltung. Olefinaktivierung durch Bildung eines koordinativ gesättigten ʌ-Olefinkomplexes (CoI, 18 ve). 3 ĺ 4: Insertion/ȕ-H-Eliminierung. Bildung eines n-Alkylcobalt(I)-Komplexes (16 ve) durch Co–C1-Bindungsknüpfung. 4 ĺ 5: Ligandanlagerung/-abspaltung. Koordination von CO führt zu einem Alkyltetracarbonylcobalt(I)-Komplex (18 ve). 5 ĺ 6: CO-Insertion/-Deinsertion. Via migratorische CO-Insertion entsteht ein Acylcobalt(I)-Komplex (16 ve). 6 ĺ 2: ı-Bindungsmetathese (oxidative Addition/reduktive Eliminierung). Der n-Aldehyd könnte im Sinne einer ı-Bindungsmetathese gebildet werden, ohne dass eine Cobalt(III)Zwischenstufe durchlaufen wird. Es kann aber auch H2 in einer oxidativen Additionsreaktion
68
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
zu einem Acyldihydridocobalt(III)-Komplex [CoH2(COCH2CH2R)(CO)3] (7, 18 ve) reagieren, der einer reduktiven C–H-Eliminierung unter Abspaltung des Aldehyds unterliegt. Dieser Reaktionsschritt ist irreversibel und wahrscheinlich auch geschwindigkeitsbestimmend. DFT-Rechnungen an einem Acetylmodellkomplex, [Co(COMe)(CO)3] (6’) zeigen, dass in der Gasphase der Weg über die oxidative Addition (6’ ĺ 8’ ĺ 7’ ĺ 2’) gegenüber der ı-Bindungsmetathese (6’ ĺ 8’ ĺ ts9’ ĺ 2’) energetisch bevorzugt ist (Abbildung 5.2). In beiden Fällen wird zunächst in einer exothermen Reaktion aus 6’ und H2 ein ı-Diwasserstoffkomplex 8’ gebildet. Primäres Reaktionsprodukt ist Komplex 2’, der über eine agostische C–H···Co-Wechselwirkung Acetaldehyd gebunden hat. Me
E
O H
[Co]
H ts9'
ca. 10 kJ/mol
Me
O
[Co] [Co]
H
O
7'
Me
Me
+ H2 6'
H
[Co]
H
O
H [Co]
Me O
H 2'
H 8'
Abbildung 5.2. Energieprofil für die Aldehydbildung aus [Co]–COR’ + H2 (R’ = Me; 6’ ĺ 2’) als Modell für den Katalysator in Abb. 5.1 (R’ = CH2CH2R; 6 ĺ 2) via oxidative Addition/reduktive Eliminierung und ı-Bindungsmetathese ([Co] = Co(CO)3) (vereinfacht nach Solà, Ziegler 1996).
Die Regioselektivität der Reaktion (n-Aldehyde versus Isoaldehyde) wird über die Olefininsertion gesteuert: Bildung einer Co–C1-Bindung (3 ĺ 4) führt zu n-Aldehyden, während die Knüpfung einer Co–C2-Bindung (3 ĺ 4’) einen Reaktionskanal zur Bildung der Isoaldehyde öffnet. Es gibt Hinweise, dass auch der Acylkomplex [Co]–COCH2CH2R (6) einer Isomerisierung zu [Co]–COCHMeR unterliegen kann, womit eine weitere Bildungsmöglichkeit für Isoaldehyde gegeben wäre [Orc 1981, Bor 1992]. Zusatz von Phosphanen führt zu einer beträchtlichen Erhöhung des n/iso-Verhältnisses. Das ist – zumindest zum Teil – durch den sterischen Anspruch des Phosphanliganden bedingt, wodurch die Bildung von sekundären Alkyl- und Acylcobaltkomplexen im Vergleich mit den analogen primären Organokomplexen erschwert wird. Der Reaktionsmechanismus bei Ver-
Phosphanmodifizierte Rhodiumkatalysatoren
69
wendung von phosphanmodifizierten Cobaltkatalysatoren, z. B. von [CoH(CO)3{P(n-Bu)3}] als Präkatalysator, ist im Prinzip dem phosphanfreien System analog. Die wichtigsten Katalysatoren sind nichtmodifizierte Cobaltcarbonylkatalysatoren sowie phosphanmodifizierte Cobalt- und Rhodiumkatalysatoren. Typische Prozessparameter sind in Tabelle 5.1 zusammengestellt. Tabelle 5.1. Katalysatorsysteme und Prozessparameter in technisch genutzten Hydroformylierungsprozessen (nach [L4]).
[CoH(CO)4]
[CoH(CO)3{P(n-Bu)3}]
[RhH(CO)(PPh3)3]a)
[CoH(CO)3]
[CoH(CO)2{P(n-Bu)3}]
[RhH(CO)(PPh3)2]
p (in bar)
200–300
50–100
7–25
T (in °C)
140–180
180–200
90–125
82–85
> 85
> 90
4/1
9/1
19/1
Präkatalysator Katalysator
C4-Selektivität (in %) n/iso-Verhältnis
a) In Gegenwart eines bis zu 500fachen Überschusses an PPh3.
Generell erfordern die cobalthaltigen Systeme hohe Drücke an Kohlenmonoxid, um eine Zersetzung des Katalysators in Co und Kohlenmonoxid zu unterbinden. Die höhere thermische Stabilität der phosphanmodifizierten Cobaltkatalysatoren, die etwas geringere Drücke zulässt, wird mit einer geringeren katalytischen Aktivität erkauft, was wiederum höhere Reaktionstemperaturen erfordert. Diese Katalysatoren besitzen auch eine beträchtliche Hydrieraktivität und die Prozesse können so geführt werden, dass anstelle der Aldehyde direkt die Alkohole erhalten werden. Das bietet einen Vorteil bei Hydroformylierungen von höheren Olefinen: Die thermisch empfindlichen, aber höher siedenden Aldehyde können nicht mehr destillativ vom Katalysatorsystem abgetrennt werden, wohl aber die weniger empfindlichen Alkohole.
Aufgabe 5.1 Führen Sie Gründe für die höhere thermische Stabilität der phosphanmodifizierten gegenüber den nichtphosphanmodifizierten Cobaltkatalysatoren an. Wie ändert sich die Acidität von [CoH(CO)4] bei Phosphansubstitution?
5.2 Phosphanmodifizierte Rhodiumkatalysatoren Die Entdeckung der Hydroformylierungsaktivität von phosphanmodifizierten Rhodiumkatalysatoren Mitte der 60er Jahre, die heutzutage die breiteste Anwendung finden, geht auf G. Wilkinson zurück. Rhodiumkatalysatoren besitzen eine etwa um den Faktor 1000 höhere katalytische Aktivität als Cobaltkatalysatoren [Boh 2002]. Darüber hinaus zeichnen sich phosphanmodifizierte Rhodiumkatalysatoren durch ein hohes n/iso-Verhältnis der gebildeten Aldehyde aus (Tabelle 5.1). Es werden Selektivitäten bezüglich der Aldehydbildung > 90 % erreicht. Als Nebenreaktionen treten Hydrierungen der Aldehyde zu den Alkoholen und der Olefine zu gesättigten Kohlenwasserstoffen sowie Kondensationsreaktionen (z. B. Aldolreak-
70
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
tionen) der Aldehyde auf. Rhodiumkatalysatoren führen im Allgemeinen zu weniger Nebenprodukten als Cobaltkatalysatoren, erfordern aber eine sorgfältige Reinigung der Edukte. Die höhere Stabilität der Rhodiumkomplexe und die niedrigeren Reaktionstemperaturen ergeben längere Standzeiten der Katalysatoren. Somit wird trotz des höheren Edelmetallpreises bei Neuanlagen zur Hydroformylierung von niederen Olefinen den Rhodiumkatalysatoren der Vorzug gegeben. Der grundlegende Mechanismus ausgehend von [RhH(CO)(PPh3)3] als Präkatalysator ist in Abbildung 5.3 dargestellt. Es handelt sich dabei um den „dissoziativen Mechanismus“, denn vor der Olefinkoordination erfolgt Abspaltung eines PPh3-Liganden.
Abbildung 5.3. Mechanismus (vereinfacht) der Hydroformylierung von Olefinen mit [RhH(CO)(PPh3)3] als Präkatalysator (L = PPh3).
Phosphanmodifizierte Rhodiumkatalysatoren
71
Im Einzelnen sind folgende Reaktionsschritte zu nennen, die – abgesehen vom Produktbildungsschritt – dem der cobaltkatalysierten Reaktion ähnlich sind: 1 ĺ 2: Ligandabspaltung/-anlagerung. Der koordinativ gesättigte trigonal-bipyramidale Präkatalysator geht durch Phosphanabspaltung in den katalytisch aktiven quadratisch-planaren Rhodium(I)-Komplex (16 ve) über. 2 ĺ 3: Ligandanlagerung/-abspaltung. Olefinaktivierung durch ʌ-Komplexbildung unter Bildung eines koordinativ gesättigten Komplexes (RhI, 18 ve). 3 ĺ 4: Insertion/ȕ-H-Eliminierung. Bildung eines n-Alkylrhodium(I)-Komplexes (16 ve) durch Rh–C1-Bindungsknüpfung. 4 ĺ 5: Ligandanlagerung/-abspaltung. Koordination von CO führt zu einem Alkyldicarbonyl-bis(phosphan)rhodium(I)-Komplex (18 ve). 5 ĺ 6: CO-Insertion/-Deinsertion. Via migratorische CO-Insertion entsteht ein Acylrhodium(I)-Komplex (16 ve). 6 ĺ 7: Oxidative Addition/reduktive Eliminierung. Oxidative Addition von H2 führt zu einem elektronisch und koordinativ gesättigten Rhodium(III)-Komplex. Wahrscheinlich ist dieser Schritt geschwindigkeitsbestimmend. 7 ĺ 2: Reduktive Eliminierung. Der Aldehyd wird in einer reduktiven C–H-Eliminierungsreaktion abgespalten, wobei sich der Katalysator 2 zurückbildet. Diese Reaktion ist irreversibel. 6 ĺ 8: Ligandanlagerung/-abspaltung. CO-Anlagerung ergibt einen elektronisch gesättigten RhI-Komplex, der erst nach Abspaltung von CO zur oxidativen Addition von H2 befähigt ist. Somit ist 8 Reservoir (resting state) für einen katalytisch aktiven Komplex und seine Bildung mindert die katalytische Aktivität. Der phosphanmodifizierte Rhodiumkatalysator [RhH(CO)(PPh3)3] (1), der auch in der Technik angewendet wird, ist mechanistisch gut untersucht. Er steht unter Hydroformylierungsbedingungen mit einer Reihe anderer Komplexe im Gleichgewicht: [RhH(CO)(PPh3)3] 1 (18 ve) + PPh3
PPh3
[RhH(CO)(PPh3)2] 2 (16 ve)
n-Aldehyde
+ CO CO
[RhH(CO)2(PPh3)2] 3 (18 ve)
PPh3 + PPh3
[RhH(CO)2(PPh3)] 4 (16 ve)
Isoaldehyde
72
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
Die beiden 16-ve-Komplexe 2 und 4 katalysieren die Oxo-Synthese. Der Mechanismus mit dem Bis(triphenylphosphan)-Katalysatorkomplex 2 ist zuvor beschrieben worden. Der Dicarbonylrhodiumkomplex 4 katalysiert die Hydroformylierung in analoger Weise. Während Komplex 2 mit hoher Selektivität die unverzweigten Aldehyde bildet, katalysiert Komplex 4 bevorzugt die Bildung von Isoaldehyden. Wesentliche Ursache dafür ist, dass im Bis(triphenylphosphan)-Komplex 2 durch den hohen Raumanspruch der beiden PPh3-Liganden die Insertion des Olefins in die Rh–H-Bindung zu einem primären Alkylliganden (Rh–C1-Bindungsknüpfung) gegenüber der Insertion zu einem sekundären Alkylliganden (Rh–C2-Bindungsknüpfung) sehr stark bevorzugt ist. Demgegenüber scheint beim Dicarbonylrhodiumkomplex 4 die Insertion mit Rh–C2-Bindungsbildung zu dominieren, so dass verzweigte Aldehyde entstehen. 4 hängt ausgeprägt vom CO-Druck und der PhosphanDie Lage des Gleichgewichtes 2 konzentration ab. Die Bildung von 2 wird durch niedrigen CO-Druck und hohe Phosphankonzentration begünstigt, letzteres mindert aber die Katalysatoraktivität. Unter den technischen Bedingungen der Butyraldehydsynthese mit einem 100–200fachen Überschuss an PPh3 dominiert die Bildung der n-Aldehyde. Quantenchemische Rechnungen geben einen Einblick in den Ablauf der Hydroformylierung von Ethen mit [RhH(CO)2(PH3)2] (1) als Modellkatalysator (Abbildung 5.4). Die Gesamtreaktion ist exergonisch, kein Zwischenprodukt ist thermodynamisch zu stabil und keine Teilreaktion weist eine ausnehmend hohe Aktivierungsbarriere auf. Um Lösungsmitteleinflüsse zumindest partiell zu erfassen, ist Ethen als Modelllösungsmittel gewählt worden. Insbeson-
H2C=CH2 Insert.
+ H2C=CH2
L
H2 ox. Add.
CO Insert.
+L
EtCHO red. Elim.
+ CO
'G
ca. 50 kJ/mol
2
4 6
1 + CO/H2 + H2C=CH2
L L
7
3 5
H
L
Rh CO CO
8+ EtCHO
H
OC
H
OC
Rh CO
Et
L Rh CO
OC Rh CO
CO
L
L
Et Rh CO L
COEt H Rh L H CO
1+ EtCHO
L
COEt L Rh L CO
H L Rh CO L
Abbildung 5.4. Quantenchemisch berechneter Verlauf der freien Enthalpie 'G (T = 298 K) für die Hydroformylierung von Ethen mit [RhH(CO)2(PH3)2] als Modellkatalysator (L = PH3). Die gestrichelten Linien berücksichtigen Lösungsmitteleffekte (H2C=CH2) (vereinfacht nach Matsubara, Morokuma, 1997).
Enantioselektive Hydroformylierungen
73
dere die koordinativ ungesättigten (quadratisch-planaren) Komplexe (2, 4, 6, 8) werden durch Lösungsmittelsolvatation (hier: H2C=CH2-Koordination) maßgeblich stabilisiert, während sich die freien Enthalpien der Übergangszustände nur wenig ändern. Das führt zu erheblichen Änderungen in den Aktivierungsbarrieren der einzelnen Reaktionsschritte. Damit ist an einem Beispiel belegt, dass aus quantenchemischen Rechnungen von Reaktionsabläufen in der Gasphase nur bedingt auf den Ablauf in Lösung geschlossen werden darf.
5.3 Enantioselektive Hydroformylierungen Die Verwendung von Rhodiumkatalysatoren mit optisch aktiven Phosphanliganden ermöglicht enantioselektive Hydroformylierungen prochiraler Olefine. Handelt es sich dabei um terminale Olefine wie Styrol, liefert nur die Markovnikov-Addition einen chiralen Aldehyd 1, während der unverzweigte Aldehyd 2 achiral ist. Enolisierbare optisch aktive Aldehyde können einer relativ schnellen Racemisierung unterliegen, was bei der Reaktionsführung berücksichtigt werden muss. CHO
CHO
CHO
CO / H2
+
+
Kat. (S)-1
(R)-1
2
Die Stereochemie des in der Reaktion gebildeten Aldehyds ist durch die Olefinkoordination (Re versus Si) festgelegt, denn die nachfolgenden Schritte verlaufen stereochemisch einheitlich, und zwar im Sinne einer cis-Olefininsertion und einer migratorischen CO-Insertion (3 ĺ 4 ĺ 5, Abb. 5.3), so dass syn-Addition von H/CHO an das Olefin erfolgt. Ein effizienter Präkatalysator für asymmetrische Hydroformylierungen von Olefinen wie Styrol ist der Komplex [Rh(acac){(R,S)-BINAPHOS}] (1), der einen Phosphan–PhosphitChelatliganden (4) zur chiralen Induktion enthält. In Gegenwart von CO/H2 bei Normaldruck und Raumtemperatur bildet sich daraus ein Dicarbonylhydridokomplex 2, der nach Abspaltung eines CO-Liganden das Olefin koordinieren kann (2 ĺ 3) [Noz 1997]. P
Rh
OP
O O
H
CO/H2
P Rh
Hacac
OP
CO CO
Ph +
H P Rh
CO
OP 3
2
1
PPh2 O O
P O 4
P
OP
CO Ph
74
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
Wie in 3 gezeichnet, koordiniert das C1-symmetrische (R,S)-BINAPHOS (4) mit dem Phosphit-P-Atom in einer apicalen Position (trans zum Hydridoliganden) und mit dem PhosphanP-Atom in einer äquatorialen Position (ae-Koordination). Die umgekehrte Koordination sowie eine ee-Koordination spielen keine Rolle. Der Hydridoligand ist ebenfalls apicalkoordiniert. Insgesamt resultiert eine sehr stabile Konfiguration, die eine Voraussetzung für die erzielten sehr hohen Enantiomerenüberschüsse ist. Trotzdem sind – bedingt durch die trigonal-bipyramidale Komplexstruktur – die Ursachen für die Stereodifferenzierung komplexer als bei quadratisch-planaren Komplexen, die wir bei der enantioselektiven Hydrierung an kationischen RhI-Komplexen kennen gelernt haben (vgl. S. 54). Zur Erläuterung gehen wir der Einfachheit halber von einem C2-symmetrischen chiralen P P-Liganden aus, der ausschließlich apical-äquatorial (ae) koordiniert. Der Hydridoligand besetzt die andere apicale Position. Der Präkatalysator ist in Abbildung 5.5 gezeigt. Die beiden CO-Liganden (CO1 und CO2) sind diastereotop. Es gibt zwei verschiedene Koordinationstaschen für das Olefin, eine entsteht durch Abspaltung von CO1 (Reaktionsweg a/b) und die andere durch Abspaltung von CO2 (Reaktionsweg c/d). Somit führt Substitution von CO durch ein prochirales Olefin (hier PhHC=CH2) zu vier verschiedenen Katalysator–SubstratKomplexen, da das Olefin jeweils an der Re- oder Si-Seite koordinieren kann (1re/1si und 2re/2si). Weitere vier Katalysator–Substrat-Komplexe, in denen die Phenylgruppe nach oben zeigt, brauchen hier nicht in Betracht gezogen zu werden, da sie in der nachfolgenden Insertionsreaktion einen [Rh]–CH2CH2Ph-Komplex ergeben und damit den Reaktionskanal zum unverzweigten (achiralen) Aldehyd öffnen. Nunmehr insertiert die C–C-Doppelbindung in die Rh–H-Bindung. Dabei wird einer der vier Übergangszustände 1’re/1’si und 2’re/2’si durchlaufen und ein [Rh]–CHPh–CH3-Komplex gebildet. Die nachfolgenden Reaktionsschritte verlaufen stereochemisch einheitlich und aus einem an der Si-Seite koordinierten Olefin resultiert der (S)-konfigurierte Aldehyd und vice versa (Re-Koordination ļ (R)-Aldehyd). Das ermöglicht Voraussetzungen zu formulieren, die für hohe ee-Werte notwendig sind [Gle 1999]:
Forderung nach synchroner asymmetrischer Induktion (requirement of synchronous asymmetric induction). Wenn beide Reaktionswege (Abspaltung von CO1 und Abspaltung von CO2) eine Rolle spielen, müssen sie zum gleichen Reaktionsprodukt ((R)- oder (S)Aldehyd) führen. Es müssen also die Reaktionen a und d oder die Reaktionen b und c ablaufen. Wären die Reaktionen a und c oder die Reaktionen b und d bevorzugt, würden sich die Stereoselektivitäten zumindest teilweise kompensieren. Forderung nach bevorzugter asymmetrischer Induktion (requirement of preferred asymmetric induction). Die Bildung einer einzigen bevorzugten stabilen Ligandanordnung, so dass nur ein Reaktionskanal (a/b oder c/d) geöffnet wird, fördert hohe ee-Werte. Dabei ist auch noch – eine hier nicht berücksichtigte – äquatorial-äquatorial-Koordination des P P-Liganden in Betracht zu ziehen. In gewissen Grenzen kann die Präferenz für eine Koordination (ae versus ee) durch die „Bisswinkel“ des Chealtliganden vorhergesagt und gesteuert werden. Bei großen Bisswinkeln wird eine ee-Koordination favorisiert (vgl. Exkurs, S. 79).
Enantioselektive Hydroformylierungen
75 H P
2
OC
1
Ph
CO + P
CO2
CO1 a 1si
H P
OC
1re
OC
OHC
H
H P
OC P Ph
1'si
c
b
P
P
2si P
H P
OC
CO Ph P
P
Ph Ph
2're
H
P
2'si P
CO P
Me
Me
(S)
H
CO
P Ph
H Ph
2re P
1're H
H
d
Ph
H (R)
Ph P
P
Me Ph
OHC
Ph
CO
H Ph (R)
CHO
Me Ph H
CHO (S)
Abbildung 5.5. Stereodifferenzierung an trigonal-bipyramidalen Rhodiumkomplexen mit einem aeP-Liganden (schematisch angedeutet) und apical koordiniertem koordinierten C2-symmetrischen P Hydridoliganden (in Anlehnung an Gleich, Herrmann 1999).
Jeder der beiden Reaktionskanäle (Abspaltung von CO1 (a/b) versus CO2 (c/d)) muss mit hinreichender Selektivität eine Reaktion bevorzugen (entweder a oder b bzw. c oder d). Dieser Reaktionssteuerung liegen analoge thermodynamische und kinetische Grundlagen zugrunde wie sie bei der enantioselektiven Olefinhydrierung an quadratisch-planaren RhKomplexen besprochen worden sind. Damit wird in den Grundzügen verstanden, warum viele C2-symmetrische P P-Liganden, die bei der homogenen Hydrierung an quadratisch-planaren Komplexen hohe ee-Werte liefern, bei der asymmetrischen Hydroformylierung nur zu einer deutlich schlechteren oder auch zu überhaupt keiner Stereodifferenzierung führen. Darauf ist auch zurückzuführen, dass bei der asymmetrischen Hydroformylierung zunächst mit (quadratisch-planaren) Platinkom-
76
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
plexen höhere ee-Werte erzielt wurden, obwohl Platinkatalysatoren bei Hydroformylierungen hinsichtlich Aktivität und Regioselektivität (n/iso) den Rhodiumkatalysatoren in vielen Fällen deutlich unterlegen sind. Ein Beispiel für eine platinkatalysierte Hydroformylierung mit (R,R)-DBD-DIOP (1) als Coliganden ist nachfolgend angeführt (Chemoselektivität: 80 % Aldehyde; Regioselektivität verzweigt/unverzweigt: 77/23) . DIOP selbst, die „Stammverbindung“ unter den C2-symmetrischen Bis(phosphan)-Liganden mit der Chiralität im Kohlenstoffgerüst („backbone“), gibt zum einen nur ee-Werte von 26 % und darüber hinaus ist der verzweigte Aldehyd nur das Unterschussprodukt (verzweigt/unverzweigt: 23/77) [Agb 1995].
CHO
H O
CO (90 bar) / H2 (90 bar); 60 °C
* O * H
[PtCl2{(R,R)-DBD-DIOP}]/SnCl2 ee = 64 % (S)
P P
1
Sowohl für Platin- als auch für Rhodiumsysteme gibt es heute eine Reihe von chiralen Liganden, mit denen bei asymmetrischen Hydroformylierungen ee-Werte von über 90 % erreicht werden. Bei Rhodiumkomplexen sind neben dem bereits erwähnten Phosphan– Phosphit-Chelatliganden (R,S)-BINAPHOS Bis(phosphit)-Liganden vom Typ 2 zu nennen [Die 2004]. R
R
n
O P
O
O
P O O
O
R = Me, Ph n = 0, 1, 2 O
O =
O O O O ,
2
Optisch aktive Aldehyde und damit enantioselektive Hydroformylierungsreaktionen haben ein breites Anwendungspotenzial. Das wird beispielhaft belegt durch die Herstellung von Aminosäuren via Strecker-Synthese und von 2-Arylpropionsäuren über die Reaktionssequenz ArHC=CH2 + CO/H2 ĺ (S)-ArC*HMe–CHO ĺ (S)-ArC*HMe–CO2H, die wichtige entzündungshemmende Pharmaka (Ibuprofen: Ar = 4-Isobutylphenyl; Naproxen: Ar = 6-Methoxynaphth-2-yl) sind.
5.4 Bedeutung der Hydroformylierung und Ausblick Die Hydroformylierung ist neben den Polymerisationsreaktionen von Olefinen und Dienen die mengen- und wertmäßig bedeutendste Komplexkatalyse in der chemischen Industrie. 1998 waren weltweit Produktionskapazitäten für mehr als 9·106 Jahrestonnen an Aldehyden durch Hydroformylierung vorhanden. Davon entfallen ca. 75 % auf die Hydroformylierung von Propen und ca. 20 % auf die von C4–C12-Olefinen. Etwa die Hälfte des Butyraldehyds wird via Aldolkondensation und nachfolgender Hydrierung in 2-Ethylhexan-1-ol übergeführt.
Bedeutung der Hydroformylierung und Ausblick
77
Dieses wird zu Dioctylphthalat (Bis(2-ethylhexyl)phthalat) weiterverarbeitet, das als Weichmacher für PVC verwendet wird. Etwa ein Viertel des Butyraldehyds wird zu Butanol hydriert, das als Lösungsmittel verwendet wird und als Ausgangsstoff zur Synthese verschiedener Ester dient. Technische Bedeutung hat fast ausschließlich die Hydroformylierung von terminalen Olefinen erlangt. Als Faustregel für nichtfunktionalisierte Olefine (R = Alkyl) gilt, dass terminale unverzweigte Olefine (1) leichter als innere unverzweigte (2) hydroformyliert werden. Die gleiche Abstufung gilt für verzweigte Olefine (3/4). Da die Anlagerung der Formylgruppe unter Ausbildung eines quartären C-Atoms wenig wahrscheinlich ist, sind Hydroformylierungen der Olefine 3 und 4 ausgeprägt regioselektiv und die von Olefinen des Typs 5 im Allgemeinen nicht möglich. >>
R
R R
1
R
>
R
2
R
>
R
3
R
>>
R
R
R
R 5
4
Hydroformylierungskatalysatoren können auch Doppelbindungsisomerisierungen katalysieren. Das wird genutzt, um aus Gemischen von linearen inneren Olefinen, wie sie aus dem Shell Higher Olefin Process (SHOP) erhalten werden, selektiv n-Aldehyde herzustellen.
Aufgabe 5.2 Welche Eigenschaften muss ein Hydroformylierungskatalysator haben, der aus einem Gemisch von linearen Olefinen mit innenständigen und terminalen Doppelbindungen bevorzugt n-Aldehyde liefert? Legen Sie Ihrer Diskussion folgendes Reaktionsschema zugrunde: R
R
[M] CO/H2 CHO R
CHO ,R
CO/H2 [M] R
CHO
Die folgenden Beispiele demonstrieren weitere Anwendungen von Hydroformylierungen in der chemischen Industrie:
Diphosphite als Liganden Werden bei Rh-katalysierten Hydroformylierungen anstelle von Triphenylphosphan sterisch anspruchsvolle Diphosphite vom Typ 1 (es ist die unsubstitutierte Stammverbindung gezeigt) als Coliganden eingesetzt, lässt sich eine bedeutende Verbesserung des Verfahrens erreichen. Bei sorgfältiger Reinigung von Propen und des Synthesegases (CO/H2) wird mit hoher Selek-
78
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
tivität (99 %) n-Butyraldehyd (n/iso-Verhältnis 30/1) erhalten. Die Aktivität des Katalysators ist so hoch, dass auf eine Kreislauffahrweise verzichtet werden kann, was eine wesentliche technologische Vereinfachung darstellt [Boh 2002].
H
O O O
P
P O O
O
1
OC
Rh C O
P P
H
O
OC
Rh
n
O
2 (n = 1, 2)
P
CO P
O
O
3
Für diese Katalysatoreigenschaften scheint eine bis-äquatoriale (ee) Koordination (Komplextyp 2; Ligandenstruktur schematisch) eine notwendige (aber keine hinreichende) Voraussetzung zu sein. Demgegenüber geben Komplexe vom Typ 3 mit einer apical-äquatorialen (ae) Chelatligandkoordination schlechtere n/iso-Verhältnisse. Chelatliganden mit großen „Bisswinkeln“ tendieren zur bis-äquatorialen Koordination (2) und solche mit kleinerem Biss zur ae-Koordination. Dieser Sachverhalt ermöglicht eine zielgerichtete Katalysatorentwicklung [Fre 2003, Car 2001].
Zweiphasenkatalyse Rhodiumkomplexe mit sulfonierten Arylphosphanliganden (z. B. [RhH(CO){P(C6H4-m-SO3Na)3}3]) sind wasserlöslich. Das ermöglicht einen kontinuierlich geführten Zweiphasenprozess. Der Katalysator verbleibt in der wässrigen Phase. Der nicht mit Wasser mischbare Aldehyd bildet die organische Phase und wird einfach durch Phasenseparation abgetrennt. Dieses Verfahren (Ruhrchemie/Rhône-Poulenc) wird seit 1984 in großem Umfang zur Synthese von Butyraldehyd und zur Hydroformylierung von anderen kürzerkettigen linearen Į-Olefinen angewendet. Dieses Verfahren ist eine herausragende Anwendung der Zweiphasenkatalyse. Bei vergleichsweise niedrigem Druck (ca. 40–60 bar) und niedriger Temperatur (110–130 °C) wird Propen mit hoher Selektivität in C4-Aldehyde (99 %) und mit hoher Regioselektivität in nButyraldehyd (n/iso ca. 20/1) übergeführt. Weitere Vorteile sind nur sehr geringe Rh-Verluste (< 10–9 g Rh/kg PrCHO) und eine hohen ökologischen Standards genügende sehr einfache Technologie mit einer Kostenersparnis von ca. 10 % gegenüber dem konventionellen Prozess. Nachteilig ist, dass der Prozess nicht für höhere Olefine geeignet ist, weil diese sich nur noch schlecht in Wasser lösen. Etwa 10 % der C4- und C5-Aldehyde werden nach dem Ruhrchemie/Rhône-Poulenc-Verfahren hergestellt.
Bedeutung der Hydroformylierung und Ausblick
79
_________________________________________________________________________
Exkurs: Der „Biss“ von P,P-Chelatliganden Komplexe mit P,P-Chelatliganden lassen weniger Isomere zu und sind sterisch weniger flexibel als solche mit zwei einzähnigen P-Liganden. Darüber hinaus werden Koordinationsstellen durch den Chelatliganden zuverlässiger blockiert als durch Monophosphane. All das eröffnet die Möglichkeit zur besseren Kontrolle über die Regio- und Stereoselektivität bei homogen katalysierten Reaktionen. Die Wirkung des Chelatliganden auf die Katalysatoreigenschaften kann über den „Biss“ des Liganden beeinflusst werden, wobei sterische (Ligand–Ligand-/Ligand–Substrat-Wechselwirkungen; Fixierung von Konformationen oder Konfigurationen) und/oder elektronische Effekte (Beeinflussung der Orbitalenergien) ausschlaggebend sein können. Bis(phosphan)-Liganden können bei breiter Variation der „Bisswinkel“ P–M–P (ȕn) synthetisiert werden. Da die Bisswinkel maßgeblich von der M–P-Bindungslänge P P abhängen, sind sie auf einen Standardabstand von 2,315 Å bezogen. Sie werden 2,315 M En Å entweder aus quantenchemischen Rechnungen erhalten oder aus Einkristallstrukturdaten entnommen. Beispiele sind in der folgenden Tabelle angeführt [Lee 2000, Kam 2001, Fre 2003]. Ligand
ȕna) (in °)
Ligand
ȕna) (in °)
1, n = 1 (dppm)
72
5 (BISBI)
113 (92–155)
1, n = 2 (dppe)
84 (70–95)
6 (TRANSPHOS)
111
1, n = 3 (dppp)
91
7 (NORPHOS)
123 (110–145)
1, n = 4 (dppb)
98
8 (DPEphos)
102 (86–120)
b)
2 (DIOP)
102 (90–120)
9 (DBFphos)
131 (117–145)
3 (BINAP)b)
92
10 (Xantphos)c)
112 (97-135)
4 (Me-DuPHOS)
b)
83
11 (DPPF)
c)
96
a) In Klammern aus molekülmechanischen Rechnungen abgeleiteter Flexibilitätsbereich, der den Bereich des Bisswinkels angibt, der ausgehend von ȕn mit weniger als 12,6 kJ/mol Spannungsenergie zu erreichen ist. b) Formel siehe S. 51. c) Formel siehe S. 255. Ph2P
n
1
PPh2
PPh2 Ph2P
PPh2 5
Ph2P
PPh2 6
PPh2 7
O PPh2 Ph2P
Ph2P
8
O
PPh2
9
Zum sterischen und elektronischen Einfluss von monodentaten P-Liganden vgl. Exkurs auf S. 200.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
80
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
Synthese von Vitamin A Vitamin A (7) wird in einer Menge von einigen tausend Tonnen pro Jahr produziert. Die Synthesen aus 1,2-Diacetoxy-but-3-en (1) (BASF) bzw. aus 1,4-Diacetoxy-but-2-en (2) (Hoffmann-La Roche) beinhalten eine Hydroformylierung. Spezielle Reaktionsbedingungen und Verwendung eines nichtmodifizierten Rhodiumkatalysators gewährleisten bei der BASFSynthese die (normalerweise unerwünschte) Bildung des verzweigten Aldehyds (1 ĺ 3), während die Hydroformylierung 2 ĺ 4 kein regioselektives Problem beinhaltet. Umsetzung von 3 bzw. 4 zu 5 und anschließende Wittig-Reaktion liefert schließlich das veresterte Vitamin A 6, wobei der Pfeil auf die neu geknüpfte C–C-Bindung weist [M7]. 1
2 OAc
OAc
OAc
CO/H2
OAc
RhH(CO)3
RhH(CO)3
CHO
CHO OAc
3
OAc
CHO OAc
AcOH
AcOH
5
+
PPh3
CO/H2
OAc OAc
4
O PPh3
EsterOAc
OH
hydrolyse
6
7
5.5 Die Fischer-Tropsch-Synthese Im Jahre 1913 gelang es A. Mittasch und C. Schneider (BASF), Synthesegas (CO/H2) in Gegenwart von Eisenoxid-Katalysatoren bei erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur zu einem Gemisch von höheren Kohlenwasserstoffen und sauerstoffhaltigen Verbindungen (Alkoholen, Säuren, Estern, ...) umzusetzen. Daran anknüpfend haben F. Fischer und H. Tropsch (KWI – heute MPI – für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr) 1922 eine Hochdrucksynthese (10–15 MPa, 400 °C) unter Verwendung von alkalisierten Eisenkontakten und 1925 eine Normaldrucksynthese entwickelt, bei der als Hauptprodukte Kohlenwasserstoffe auftraten. 1936 ist die erste großtechnische Anlage bei der Ruhrchemie mit einem Co–ThO2–MgO–Kieselgur-Katalysator in Betrieb gegangen. Diese indirekte Kohleverflüssigung (Kohle ĺ Synthesegas (CO/H2) ĺ Kohlenwasserstoffe/Oxygenate) hat große technische Bedeutung er-
Die Fischer-Tropsch-Synthese
81
langt, die aber durch den Aufschwung der Petrochemie zurückgegangen ist. Knapper werdende Ressourcen an Erdöl könnten in der Zukunft wieder zu einem steigenden Interesse an der Fischer-Tropsch-Synthese führen. Obwohl die Fischer-Tropsch-Synthese eine Domäne der heterogenen Katalyse ist, wollen wir sie hier abhandeln, weil die Organometallchemie maßgeblich zum mechanistischen Verständnis beigetragen hat. Sie ist auch ein instruktives Beispiel für die mechanistische Komplexität heterogen katalysierter Reaktionen. Wir beschränken uns dabei auf die „Hydrogenolyse“ von CO zu Kohlenwasserstoffen gemäß der folgenden Gleichung: Kat.
n CO + 2n H2
CH2 n
+ n H2O
n
, CH4,
n
Fischer-Tropsch-Reaktionen sind nicht sehr selektiv und es wird in separaten Reaktionen eine große Palette an Kohlenwasserstoffen erhalten. Typisch sind C-Zahlen n = 1–35. Der Prozess kann so optimiert werden, dass bis zu 40 % Benzin (n = 5–11) erhalten wird, das aber wegen des hohen Anteils an unverzweigten Kohlenwasserstoffen eine sehr geringe Octanzahl aufweist. Primärprodukte der Fischer-Tropsch-Synthese sind n-Alkene und Methan. Alkane werden überwiegend durch nachfolgende Hydrierung gebildet. Weiterhin treten Isomerisierungen und Cyclisierungen auf. Obwohl die Kohlenwasserstoffbildung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff stark exergonisch ist ('G—o = –151 kJ/mol für CH4; 'G—o = –783 kJ/mol für C8H18(g); 'G—o = –695 kJ/mol für C8H16(g)) bedarf sie wegen der kinetisch inerten Reaktanten eines Katalysators. Die Substrataktivierung umfasst die Adsorption von H2 an der Katalysatoroberfläche und die Spaltung der H–H-Bindung unter Bildung von oberflächengebundenen H-Atomen (Metallhydriden) {H(s)}.1 CO wird an Metallatomen der Katalysatoroberfläche koordiniert und aktiviert. Dann folgt die C–O-Spaltung und Hydrierung, wobei nacheinander an Metallatomen der Oberfläche gebundenes Carbid {C(s)} (1), Methylidin {CH(s)} (2), Methylen {CH2(s)} (3) und Methyl {CH3(s)} (4) gebildet wird. Es kann auch zur Ablösung des C1-Teilchens kommen, wobei Methan – ein inhärentes Produkt der Fischer-Tropsch-Synthese – gebildet wird. O C Oberfläche
O C
2
H
H C
H C
H
H2 C
H
H CH3
CH4
H2 O 1
2
3
4
Alle diese obenflächengebundenen Organogruppen sind als Liganden in Metallkomplexen gut bekannt. Methyliden- und Methylidinliganden, die mit einer Doppel- ([M]=CH2, 3’) bzw. Dreifachbindung ([M]ŁCH, 2’) an ein Metall gebunden sind, sind in Alkyliden- bzw. Alkylidinkomplexen vom Schrock-Typ vielfach zu finden, insbesondere bei elektronenärmeren Übergangsmetallen in hohen Oxidationsstufen. In zahlreichen weiteren Komplexen treten sie als Brückenliganden μ2-CH2 (3’’) bzw. μ3-CH (2’’) auf. Bei den terminalen Liganden ist das
1
Der Index „(s)“ (engl: surface) weist auf die Bindung an Metalloberflächenatomen hin.
82
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
Abbildung 5.6. Strukturen von [{Co(Ș5-C5Me5)(CO)}2(μ-CH2)] (H-Atome der C5Me5-Liganden sind nicht gezeichnet) (a), [{Co(CO)3}3(μ3-CH)] (b) und vom Anion in [NMe3Bz]2[{Fe(CO)3}4(μ4-C)] (c).
C-Atom als sp2- (3’) bzw. sp-hybridisiert (2’) zu beschreiben, während in den Brückenliganden (3’’/2’’) von sp3-hybridisierten C-Atomen auszugehen ist. Die Beispiele in Abbildung 5.6 (a/b) können als Modellkomplexe für die Bindungen von Liganden der Typen 3’’ und 2’’ angesehen werden. Abgesehen von lange bekannten Clustern mit interstitiellen C-Atomen (Beispiel: [Rh6(μ6C)(CO)13]2–), die aber nicht als Modellkomplexe für oberflächengebundene C-Atome herangezogen werden können, sind auch solche mit terminalen Carbidoliganden [M]ŁC| (Beispiel: [Ru(ŁC)Cl2(PCy3)2], RuŁC 1,632(6) ǖ [Hej 2002]) beschrieben. Komplexe mit verbrückenden Carbidoliganden der Typen [M]=C=[M] (Beispiel: [LFe=C=FeL] (H2L = 5,10,15,20Tetraphenylporphin) und [M]ŁC–[M] (Beispiel: [(PCy3)2Cl2RuŁC–PdCl2(SMe2)]) sind bekannt und die Struktur in der Abbildung 5.6 (c) mit einem μ4-C-Liganden zeigt ein Koordinationsmuster, dass prinzipiell auch an Metalloberflächen denkbar ist. Bei der Fischer-Tropsch-Synthese vollzieht sich die Bildung der Kohlenwasserstoffe durch Oligomerisation der oberflächengebundenen Methylen- (3) bzw. Methylidin-Teilchen (2). Folgende Mechanismen sind in Betracht zu ziehen [Ove 2000, Sch 2003, Mai 2004]:
Der Alkyl-Mechanismus Nach dem Alkyl-Mechanismus wird die Oligomerisation durch C–C-Kupplung zwischen {CH2(s)} (3) und {CH3(s)} (4) gestartet (vgl. a) und dann gemäß b vollzogen (R = wachsende Alkylkette). Als Kettenabbruch kommt eine ȕ-Hydrideliminierung in Betracht, wobei ein ĮOlefin freigesetzt wird (c1). Alternativ kann unter Beteiligung eines Metallhydrids eine bimolekulare reduktive Eliminierung eintreten, was die primäre Bildung eines Alkans zur Folge hat (c2). Da unter Fischer-Tropsch-Bedingungen generell eine Hydrierung von Olefinen zu Alkanen erfolgt, kann aus dem experimentell ermittelten Verhältnis der beiden Produkte nicht auf den Mechanismus geschlossen werden. Wahrscheinlich überwiegt die Primärbildung der Olefine.
Die Fischer-Tropsch-Synthese
a
83
b
Kettenstart
H2 C
H2 C
CH3
H2C
3
3
4 c1
c2
Kettenabbruch
CH2R H2C
R
R
H2C
CH3
Kettenwachstum
H
H H2C
+ H2C=CHR
CH2R +
H3C CH2R
Der Alkenyl-Mechanismus Nach dem Alkenyl-Mechanismus wird die Oligomerisation durch ein oberflächengebundenes ungesättigtes C2-Teilchen ausgelöst, und zwar durch ein Vinyl {CH=CH2(s)} (5), das durch Reaktion zweier C1-Teilchen (2 + 3) entsteht (a). Der Oligomerisation liegt eine Insertion von 3 in eine Metall–Alkenyl-Bindung zugrunde, wobei ein Allyl gebildet wird, das durch 1,3-HVerschiebung wiederum in ein Alkenyl übergeht (b). Kettenabbruch kann unter Beteiligung eines Metallhydrids durch reduktive Eliminierung erfolgen (c). Primärprodukte sind Į-Olefine, die im Weiteren zu Alkanen hydriert werden können. a H C
+
2
H2 C
HC
3
5 b
H2 C
CHR
Kettenstart
Kettenwachstum
H C
HC
CH2
H C
CHR HC
H2C
CH2R
3 c H C H HC
Kettenabbruch
CH2R +
H2C
H C
CH2R
Der Alkyliden-Mechanismus Zunächst wird wie beim Alkenyl-Mechanismus ein oberflächengebundenes Vinyl 5 generiert, aus dem durch H-Addition an das ȕ-C-Atom ein Ethyliden 6 erzeugt wird (a). Das Kettenwachstum vollzieht sich durch Reaktion von 6’ mit einem Methylidin 2 zu einem Vinyl, das
84
Hydroformylierung von Olefinen und Fischer-Tropsch-Synthese
durch H-Addition an das ȕ-Vinyl-C-Atom in ein oberflächengebundenes Alkyliden übergeht (b). Addition von Wasserstoff an das Į-Vinyl-C-Atom führt durch reduktive Eliminierung analog zum Alkenyl-Mechanismus zum Kettenabbruch (c). a H HC
Kettenstart
CH3
CH2
CH
5
6 b
H C
CH2R
Kettenwachstum
HC H HC
H CH
H2 C CH2R
CH2R HC
2 6' + c
H H2C C
CH2R
Kettenabbruch
Zur experimentellen Klärung des Mechanismus haben insbesondere Untersuchungen an Metalloberflächen beigetragen, die durch Zersetzung von Diazomethan mit Methylengruppen beladen worden sind. Weiterhin sind Untersuchungen mit deuterierten und 13C-markierten Verbindungen ausgeführt worden und ist den Reaktionsgemischen gezielt Ethen zugesetzt worden. Trotzdem bleibt einiges an den zuvor aufgeführten Mechanismen spekulativ und auch alle experimentellen Befunde lassen sich noch nicht zwanglos erklären. Energetisch am aufwendigsten ist die C–C-Kupplung zwischen zwei sp3-hybridisierten C-Atomen, so dass der Alkyl-Mechanismus wenig wahrscheinlich ist. Zumindest bei der Kohlenwasserstoffsynthese erfolgt die Spaltung der C–O-Bindung in einem sehr frühen Stadium der Reaktion und der früher favorisierte HydroxycarbenMechanismus scheint keine Rolle zu spielen. Ihm liegt die Bildung eines oberflächengebundenen Hydroxycarbens 8 als zentrales Intermediat zugrunde, das durch sukzessive Anlagerung von {H(s)} an koordiniertes CO via einer Formylzwischenstufe 7 entsteht. O H C H
H
O C
H
H
C
OH
n CO/2n H2
n
C
OH
n H2O 7
8
Im Unterschied zu den zuvor beschriebenen Mechanismen wächst dabei die Oligomerkette bevor die C–O-Bindungen vollständig gebrochen sind. Inwieweit Hydroxycarbenzwischenstufen bei der Bildung sauerstoffhaltiger Produkte eine Rolle spielen, ist nicht sicher geklärt.
6
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
6.1 Grundlagen Essigsäure ist eines der wichtigsten Zwischenprodukte der chemischen Industrie. 2001 standen weltweit Produktionskapazitäten für ca. 7,5·106 t zur Verfügung. Sie findet hauptsächlich bei der Synthese von Polyvinylacetat und Celluloseacetat Verwendung. Der wichtigste technische Prozess zur Herstellung von Essigsäure ist die Carbonylierung von Methanol: MeOH + CO
Kat.
MeCOOH
Unter Standardbedingungen ist die Reaktion thermodynamisch erlaubt (ǻG—o = –86 kJ/mol), erfordert aber einen Katalysator. Essigsäure wird auch durch direkte Oxidation von gesättigten Kohlenwasserstoffen (insbesondere von Butan) hergestellt: MeCH2CH2Me
+ 5/2 O2 Kat.
2 MeCOOH + H2O
Die Reaktion verläuft nach einem radikalischen Mechanismus und kann durch Mn-, Co-, Nioder Cr-Verbindungen katalysiert werden (150–200 °C, 5–6 MPa). Ebenfalls radikalisch und durch Übergangsmetallverbindungen (Mn, Co, Cu) katalysiert wird Acetaldehyd durch Sauerstoff zu Essigsäure oxidiert (60–80 °C, 0,3–1 MPa). MeCHO
+ 1/2 O2 Kat.
MeCOOH
Die biotechnologische Herstellung von 4–12%iger Essigsäure durch Fermentation ist schon über 5000 Jahre bekannt. Die Weltproduktion von 10 %iger Essigsäure durch Fermentation beträgt ca. 2·106 t/a. EtOH
+ O2 / H2O acetobacter
MeCOOH
Das erste technische Verfahren zur Carbonylierung von Methanol ist bei der BASF (Ludwigshafen) Ende der 50er Jahre entwickelt worden. 1960 ist eine Anlage nach dem BASFEssigsäure-Hochdruckverfahren (250 °C, 70 MPa) in Betrieb gegangen, wobei ein besonders korrosionsbeständiger Werkstoff, eine Ni–Mo/Cr-Legierung („Hastelloy“), für den Reaktorbau verwendet werden musste. Beim BASF-Verfahren wurde CoI2 für die in-situ-Erzeugung von [Co2(CO)8] (1) und HI genutzt. Unter den Reaktionsbedingungen reagiert 1 im Sinne einer Kohlenmonoxid-Konvertierung zu [CoH(CO)4] (2), das nach Deprotonierung katalytisch ist.
86
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
[Co2(CO)8] + 4 HI + 2 CO2
2 CoI2 + 2 H2O + 10 CO
1 2 [CoH(CO)4] + CO2
[Co2(CO)8] + H2O + CO
2
1
Die Selektivität bezüglich MeOH beträgt ca. 90 % und bezüglich CO ca. 70 %. 1968 ist bei der Monsanto Company (St. Louis, USA) ein rhodiumkatalysiertes Verfahren ausgearbeitet worden, dass bei wesentlich milderen Reaktionsbedingungen (150–200 °C, 3–6 MPa) arbeitet und zudem eine wesentlich höhere Selektivität aufweist (ca. 99 % bezogen auf MeOH und 90 % bezogen auf CO). Damit war das BASF-Verfahren nicht konkurrenzfähig und ist heute nur noch von chemiehistorischem Interesse. Eine wesentliche Verbesserung des MonsantoVerfahrens ist 1995/96 von BP Chemicals (Hull, England) durch Verwendung eines Iridiumkomplexes als Katalysator im Cativa-Prozess erreicht worden. Wichtige Parameter von Verfahren zur Essigsäureherstellung durch Carbonylierung von Methanol sind in Tabelle 6.1 zusammengestellt. Tabelle 6.1. Wichtige Prozessparameter der Co-, Rh- und Ir-katalysierten Carbonylierung von Methanol zu Essigsäure (zusammengestellt nach Whyman 2002, Jones 2000, [M7], [M14]).
Co
Rh
Ir
1960
1970
1995
(BASF)
(Monsanto)
(BP Chemicals)
Technische Einführung T (in °C)
250
150–200
180
p (in bar)
600–700
30–60
30–40
Selektivität bez. auf MeOH (in %)
90
99
99,5
Selektivität bez. auf CO (in %)
70
90
> 94
Wichtige Nebenprodukte
CH4, CO2, EtOH,
CH4, CO2, H2,
sehr wenig
MeCHO, EtCOOH
EtCOOH
Die geringe Selektivität im BASF- und Monsanto-Prozess bezüglich CO ist auf die Co- bzw. CO2 + H2, vgl. Abb. 6.3, S. Rh-katalysierte Kohlenmonoxid-Konvertierung (CO + H2O 89) zurückzuführen. Es wird Synthesegas (CO/H2) gebildet, das unter der Einwirkung von Übergangsmetallkatalysatoren als Methylen-Äquivalent reagiert (CO + 2 H2 ĺ „–CH2–“ + H2O) und so zur Bildung der homologen sauerstoffhaltigen C2- und C3-Verbindungen (2–4) als Nebenprodukte führt: MeOH + CO + H2 1
[M] H2O
MeCHO 2
+ H2 [M]
MeCH2OH 3
+ CO [M]
MeCH2COOH 4
Die Hydrocarbonylierung (engl: homologation, hydrocarbonylation) von Methanol zu Ethanol (1 ĺ 3) kann Co-, Rh- oder Rh/Ru-katalysiert so geführt werden, dass Ethanol Hauptprodukt wird.
Das Monsanto-Verfahren
87
6.2 Das Monsanto-Verfahren Beim Monsanto-Verfahren besteht das Katalysatorsystem aus einem Rhodium(III)-halogenid und einem iodhaltigen Cokatalysator (z. B. HI/H2O). Unter den Reaktionsbedingungen wird als Präkatalysator ein quadratisch-planarer Diiododicarbonylrhodat(I)-Komplex 1 und aus MeOH/HI Methyliodid gebildet: RhI3 + 3 CO + H2O
[RhI2(CO)2] + I + 2H+ + CO2 1
MeOH + HI
MeI + H2O
Der Mechanismus der Katalyse ist in Abbildung 6.1 dargestellt. Es sind zwei Zyklen zu unterscheiden, nämlich der „Rhodiumkreislauf“, die eigentlich metallkomplexkatalysierte Reaktion, und der „Iodidkreislauf“, dem keine metallkatalysierten Reaktionen zugrunde liegen. Die rhodiumkatalysierte Bildung von Acetyliodid aus Methylidoid und CO vollzieht sich in folgenden Schritten:
Abbildung 6.1. Reaktionsmechanismus der rhodiumkatalysierten Methanolcarbonylierung bestehend aus dem Rhodiumkreislauf (grau unterlegt) und dem Iodidkreislauf.
88
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
1 ĺ 2: Oxidative Addition/reduktive Eliminierung. Oxidative Addition von Methyliodid an den RhI-Komplex 1 (16 ve) ergibt einen koordinativ und elektronisch gesättigten Methylrhodium(III)-Komplex (18 ve). Unter den üblichen Reaktionsbedingungen (bei höheren Wassergehalten) ist diese Reaktion geschwindigkeitsbestimmend. Die Rückreaktion, obwohl prinzipiell möglich, spielt keine Rolle. 2 ĺ 3: CO-Insertion/-Deinsertion. Wanderung des Methylliganden zu einem cis-ständigen CO-Liganden (Insertion von CO in die Rh–C-Bindung) ergibt einen koordinativ ungesättigten (16 ve) Acetylrhodium(III)-Komplex 3, der im festen Zustand dimer ist. Die Reaktion ist reversibel. 3 ĺ 4: Ligandanlagerung/-abspaltung. Addition von CO liefert einen elektronisch (18 ve) und koordinativ gesättigten Rhodium(III)-Komplex. 4 ĺ 1: Reduktive Eliminierung. In einer reduktiven Eliminierung wird Acetyliodid abgespalten, wobei der Katalysatorkomplex [RhI2(CO)2]– (1) zurückerhalten wird. Obwohl diese Reaktion prinzipiell reversibel ist, liegt das Gleichgewicht praktisch vollständig auf der rechten Seite. Das abgespaltene Acetyliodid wird rasch (und irreversibel) zu HOAc und HI umgesetzt [Mai 1996]. Das aus kinetischen Daten erhaltene Reaktionsprofil für die oxidative Addition von MeI (1 ĺ 2) und die sich anschließende migratorische CO-Insertion (2 ĺ 3) ist in Abbildung 6.2 gezeigt. Daraus geht hervor, dass die oxidative Addition in diesen Modellstudien geschwin-
'G ca. 20 kJ/mol
I I
Me
CO
Rh
CO
+ MeI 1
I I
Rh I
O
CO CO
I I
Rh
Me I CO
3
2
K1 = 4,5 103 l/mol
C
K2 = 3,2 103
Abbildung 6.2. Profil der freien Enthalpie für die oxidative Addition und CO-Insertion (1 ĺ 2 ĺ 3) bei der Methanolcarbonylierung (35 °C, in CH2Cl2/MeI) (nach Maitlis 1996).
Das Monsanto-Verfahren
89
digkeitsbestimmend ist und der Methylrhodat(III)-Komplex 2 sowohl hinsichtlich der reduktiven Eliminierung (2 ĺ 1) als auch der migratorischen CO-Insertion (2 ĺ 3) instabil ist. Das hat zur Folge, dass die Gleichgewichtskonzentration von 2 sehr klein ist, aber 2 konnte sowohl IR- als auch NMR-spektroskopisch in Reaktionsgemischen [RhI2(CO)2]– (1)/MeI nachgewiesen werden.
Aufgabe 6.1 Schlagen Sie einen Weg vor, die geschwindigkeitsbestimmende oxidative Addition (1 ĺ 2) bei der rhodiumkatalysierten Methanolcarbonylierung zu beschleunigen.
Der Monsanto-Prozess wird in polaren Lösungsmitteln (Essigsäure/Wasser) durchgeführt. An die Reaktormaterialien werden wegen der stark korrodierend wirkenden sauren iodidhaltigen Reaktionslösungen besondere Anforderungen gestellt. Essigsäure wird mit einer Selektivität bezogen auf Methanol von etwa 99 % gebildet. Ein Nachteil des Verfahrens besteht darin, dass Rhodiumkomplexe – darunter der in der Methanolcarbonylierung aktive Komplex [RhI2(CO)2]– (1) – auch die Kohlenmonoxid-Konvertierung, d. h. die Einstellung des WassergasGleichgewichtes (engl: water-gas shift reaction) katalysieren. Das führt zu einer Erniedrigung der Selektivität in Bezug auf CO. Der CO-Konvertierung liegen zwei (komplexe) Reaktionen zugrunde (Abbildung 6.3): Reduktion von H+ zu H2 und Bildung eines Rhodium(III)-Komplexes 5 (a). Oxidation von CO zu CO2, wobei 1 zurückgebildet wird (b). Darüber hinaus neigt der RhIII-Komplex [RhI4(CO)2]– (5) auch zur Zersetzung unter Abscheidung von RhI3 (c).
Abbildung 6.3. Kohlenmonoxid-Konvertierung und deren Mechanismus (schematisch) mit [RhI2(CO)2]– (1) als Katalysator. Komplex 1, der sowohl die CO-Konvertierung als auch die Methanolcarbonylierung katalysiert, ist grau unterlegt.
90
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
Der Iodidkreislauf im Monsanto-Prozess ist in Abbildung 6.4 dargestellt. Kernstück ist eine rhodiumkatalysierte Bildung von Acetyliodid aus Methyliodid und Kohlenmonoxid (a). Im klassischen Prozess läuft der Zyklus I ab: Es wird Methyliodid durch Umsetzung von MeOH mit HI gebildet (b) sowie Acetyliodid zur Essigsäure hydrolysiert (c). Im Reaktionsgemisch ist hinreichend Wasser zugegen, so dass der Zyklus II, die Bildung von Methylacetat aus Acetyliodid und Methanol gemäß d sowie die Umsetzung von Methylacetat mit HI zu MeI und Essigsäure (e), nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Abbildung 6.4. Iodidkreislauf im klassischen Monsanto-Prozess (Zyklus I) und im Hoechst-CelaneseProzess (Zyklus II). Edukt und Produkt der rhodiumkatalysierten Zyklen sind jeweils grau unterlegt.
Eine Verminderung des Wassergehaltes wie im Hoechst-Celanese-Prozess führt dazu, dass zunehmend Zyklus II abläuft: Dabei wird Acetyliodid mit Methanol (anstelle mit Wasser) umgesetzt (d, Abbildung 6.4). Der dabei gebildete Essigsäureester steht dann zur Reaktion mit HI zur Verfügung, die zu Essigsäure und MeI führt (e). Bei einer hohen Konzentration an Methylacetat, das unter den Reaktionsbedingungen auch durch sauer katalysierte Veresterung von HOAc gebildet wird (Reaktion f), ist die Konzentration an HI niedrig. Das setzt die Geschwindigkeit von Reaktion a (Abbildung 6.3) bei der CO-Konvertierung herabsetzt. Damit wird die CO-Konvertierung insgesamt reduziert und die Selektivität von CO bei der Methanolcarbonylierung maßgeblich gesteigert. Die niedrige Konzentration an HI würde aber dazu führen, dass die Bildung von unlöslichem RhI3 (vgl. Reaktion c, Abb. 6.3) begünstigt wird. Daher werden dem Katalysatorsystem Iodide wie LiI, [NR4]I oder [PR4]I zugesetzt. Eine weitere Wirkung von Iodiden als Promotoren wird bei der Acetanhydridsynthese diskutiert werden.
Synthese von Acetanhydrid
91
6.3 Synthese von Acetanhydrid Die rhodiumkatalysierte Carbonylierung von Methylacetat liefert Acetanhydrid. MeCOOMe + CO
[Rh] (HI)
(MeCO)2O
Das dazu benötigte Methylacetat wird zuvor durch säurekatalysierte Veresterung aus Essigsäure und Methanol hergestellt. Bei der Acetanhydridsynthese findet ein Monsanto-Katalysator ([Rh]/MeI/CO) Anwendung, dem als Promotor ein Iodid zugesetzt ist (Abbildung 6.5). Die rhodiumkatalysierte Reaktion (a) entspricht der Essigsäuresynthese. Ohne Zusatz von Iodiden verläuft die Reaktion gemäß Zyklus III: Methyliodid wird in einer Reaktion von MeCOOMe und HI generiert (b). Acetyliodid und Essigsäure reagieren in einer Gleichgewichtsreaktion zu Acetanhydrid und Iodwasserstoff (c).
Abbildung 6.5. Iodidkreislauf bei der Acetanhydridsynthese ohne Promotoren („Säurezyklus“ III) und mit LiI als Promotor („Salzzyklus“ IV).
Im Unterschied zur Essigsäuresynthese nach dem Monsanto-Verfahren ist das Reaktionssystem hier wasserfrei. Das führt zu einer relativ langen Induktionsperiode und darüber hinaus verläuft die Reaktion noch vergleichsweise langsam. Verbesserungen sind wie folgt erreicht worden: Die Induktionsperiode ist darauf zurückzuführen, dass bei der Katalysatorformierung kein geeignetes Reduktionsmittel (RhIII ĺ RhI) zugegen ist. Beimischung von Wasserstoff zum Reaktionssystem verkürzt die Induktionsperiode. H2 vermag auch im Verlauf der Reaktion gebildete inaktive RhIII-Komplexe zu reduzieren. Bei Zusatz von Iodiden als Promotoren (LiI, [NR4]I, [PR4]I, ...) verläuft die Reaktion gemäß Zyklus IV (Abb. 6.5): Nunmehr wird Methyliodid in der Reaktion von LiI (analoges gilt, wenn andere Salze als Promotoren eingesetzt werden) mit MeCOOMe gebildet
92
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
(e). Dabei entsteht Lithiumacetat, das mit Acetyliodid zu Acetanhydrid reagiert (d). Letzteres bringt einen entscheidenden Vorteil: Das Gleichgewicht der Reaktion d – im Unterschied zur analogen Reaktion c im „Säurezyklus“ III – liegt auf der rechten Seite.
Aufgabe 6.2 Trotz gleichartigen Katalysatorsystems, tritt die Induktionsperiode beim Monsanto-Essigsäureprozess nicht auf. Welche Reaktion bewirkt dabei die Reduktion von RhIII zu RhI?
Summa summarum wird Acetanhydrid gemäß folgendem Schema aus CO und Methanol erhalten. Beide C1-Bausteine können preiswert aus Kohle, Erdgas oder Erdöl hergestellt werden. MeOH
CO [Rh]
MeCOOH
MeOH H2O (H+)
MeCOOMe
CO [Rh]
(MeCO)2O
Eine Verfahrensvariante bedient sich der Cocarbonylierung von Methanol und Methylacetat, wobei ein Gemisch von Acetanhydrid und Essigsäure gebildet wird.
Aufgabe 6.3 Welcher Reaktionsablauf liegt der Cocarbonylierung eines (wasserfreien) Gemisches von Methanol und Methylacetat zugrunde?
6.4 Der Cativa-Prozess Eine wesentliche Verbesserung des Monsanto-Verfahrens ist 1996 von BP Chemicals (Hull, England) durch Einführung des entsprechenden Iridiumkomplexes als Katalysator erreicht worden (Cativa-Prozess). Die Elementarschritte der rhodium- und iridiumkatalysierten Reaktion sind ähnlich, unterscheiden sich aber in ihren relativen Geschwindigkeiten. Das hat entscheidende Konsequenzen auf den gesamten Ablauf der Katalyse. Eine Schlüsselstellung nimmt dabei die oxidative Addition von MeI an [MI2(CO)2]– (M = Rh, Ir) ein. Kinetische Untersuchungen und quantenchemische Rechnungen belegen, dass die oxidative Addition von Methyliodid an [MI2(CO)2]– (1; M = Rh, Ir; 16 ve, d8) unter Bildung eines Methylmetall(III)-Komplexes (3, 18 ve, low-spin d6) nach dem SN2-Mechanismus verläuft (Abbildung 6.6). Der quadratisch-planare MI-Komplex 1 reagiert als Nucleophil; nucleophiles Zentrum ist das doppelt besetze dz2-Orbital. Im Übergangszustand 2 ist die M–C-Bindung ausgebildet und die C–I-Bindung gebrochen. Somit wird die Energie, die notwendig ist, um die C–I-Bindung zu spalten, teilweise durch die Bildung der M–C-Bindung kompensiert. Da nun aber die Bindungsdissoziationsenthalpie der Ir–C-Bindung größer als die der Rh–C-Bindung ist, ist die Aktivierungsbarriere für den Ir-Komplex kleiner als für den Rh-Komplex (Abbildung 6.6). Auf die gleiche Ursache ist zurückzuführen, dass die Bildung des Rhodiumkomplexes ein endergonischer Prozess ist, während die des Iridiumkomplexes exergonisch ist.
Der Cativa-Prozess
93 I H
I
M
I
CO CO
H
+ MeI
C
I H
OC I
OC OC
C
C
I
M
OC
1
OC OC
I I
I
M
I
I 3
2 2
'G
2 ca. 50 kJ/mol
3
1 (M = Ir)
1 (M = Rh)
3
Abbildung 6.6. Zum Mechanismus der nucleophilen Addition von MeI an [MI2(CO)2]– (1; M = Rh, Ir). 'G ist für 298 K in MeOH als Lösungsmittel berechnet worden. Die gestrichelten Linien geben experimentell ermittelte Werte (für M = Rh in MeOH und für M = Ir in CH2Cl2) wider (vereinfacht nach Cheong, Ziegler 2005).
Tabelle 6.2. Relative Geschwindigkeiten für die Reaktionen von [MI2(CO)2]– (1; M = Rh, Ir) mit Alkyliodiden RI. Die Geschwindigkeit ist für MeI jeweils gleich 1000 als Standard gesetzt (nach Ellis, Maitlis 1994).
M
LM / T (in °C)
MeI
EtI
n-PrI
i-PrI
Rh
RI / 80
1000
3
1,7
4
Ir
CH2Cl2 / 30
a) b)
kIr/kRh
1000
2,3
0,75
1000
33
13
150
220
140
0,8
a) Typische relative Geschwindigkeiten für organische SN2-Reaktionen. b) Ungefähres Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeiten (extrapoliert auf 80 °C).
94
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
In Tabelle 6.2 sind die Ergebnisse von kinetischen Messungen für die Addition von Alkyliodiden RI an [MI2(CO)2]– (1) wiedergegeben. Wie für organische SN2-Reaktionen typisch, reagiert MeI sehr viel schneller als die anderen Alkyliodide. Der letzten Zeile in Tabelle 6.2 ist zu entnehmen, dass der Iridiumkomplex [IrI2(CO)2]– Alkyliodide generell um mehr als zwei Zehnerpotenzen schneller oxidativ addiert als der analoge Rhodiumkomplex. So verläuft die oxidative Addition von Methyliodid an [IrI2(CO)2]– etwa 150-mal schneller als an [RhI2(CO)2]– und ist bei der iridiumkatalysierten Methanolcarbonylierung nicht mehr geschwindigkeitsbestimmend. Andererseits ist aber der nächste Reaktionsschritt, die migratorische CO-Insertion (3 ĺ 4) bei konstitutionsgleichen Komplexen 3 in aprotischen Lösungsmitteln für M = Ir um mehrere Zehnerpotenzen langsamer als für M = Rh. Me I I
M I
O CO CO
I
+ CO
I
3
C M I
Me CO CO
4
Eine Reaktionsbeschleunigung ergibt sich durch folgende Punkte [Hay 2004]: In Gegenwart von protischen Lösungsmitteln wie Methanol wird eine dissoziative Substitution von I– durch CO (3’ ĺ 5’ ĺ 6’) erheblich beschleunigt. Komplex 6’ unterliegt einer wesentlich schnelleren CO-Insertion (6’ ĺ 7’) als Komplex 3’. Me I I
Ir I
CO CO
3'
Me I
I I
Ir
5'
CO CO
Me + CO
I I
Ir CO 6'
O
CO
I
CO I
C Ir
Me CO CO
7'
Aufgabe 6.4 Erklären Sie a) den reaktionsbeschleunigenden Effekt von MeOH und b) den Reaktivitätsunterschied der Komplexe 6’ und 3’.
Auf dieser Grundlage ist ein vereinfachter Mechanismus des Cativa-Prozesses in Abbildung 6.7. wiedergegeben. Im Einzelnen sind folgende Reaktionsschritte zu nennen:
Oxidative Addition/reduktive Eliminierung. Oxidative Addition von 1’ ĺ 5’ ĺ 3’: Methyliodid an den IrI-Komplex (16 ve) ergibt in einer raschen Reaktion nach dem SN2-Mechanismus über einen koordinativ ungesättigten IrIII-Komplex (5’, 16 ve) einen koordinativ und elektronisch gesättigten Methyliridat(III)-Komplex (3’, 18 ve). Wahrscheinlich liegt aber 3’ nicht direkt im katalytischen Zyklus und ist Vorratskomplex (resting state) [Hay 2004]. 5’ ĺ 6’: Ligandaddition. Addition von CO an den Zwischenkomplex 5’ ergibt einen neutralen Iridium(III)-Komplex.
Der Cativa-Prozess
95
Abbildung 6.7. Mechanismus des Cativa-Prozesses. Der „Iodidkreislauf“ (Bildung von MeI aus MeOH und Hydrolyse von MeCOI zu MeCOOH entspricht dem in Abb. 6.1 und ist nicht gezeigt.
6’ ĺ 7’: CO-Insertion. CO-Insertion liefert einen koordinativ ungesättigten (16 ve) Iridium(III)-Komplex.
Reduktive Eliminierung. In einer reduktiven Eliminierung wird Acetyliodid 7’ ĺ 1’: abgespalten, wobei der Katalysatorkomplex [IrI2(CO)2]– (1’) durch I–-Addition zurückerhalten wird. Wie im Monsanto-Prozess wird das abgespaltene Acetyliodid durch Wasser rasch und irreversibel zu HOAc und HI umgesetzt. Obwohl alle Reaktionen prinzipiell reversibel sind, spielen die Rückreaktionen unter den Bedingungen der technischen Reaktionsführung keine Rolle. In Übereinstimmung mit einer sehr schnellen oxidativen Addition von MeI gilt für die Reaktionsgeschwindigkeit r | cIr pCO cI-1 .
Die inverse erste Ordnung bezüglich I– belegt die inhibierende Wirkung von Iodidionen, die auf das Gleichgewicht 5’ 3’ zurückzuführen ist. Ohne Promotoren ist die Carbonylierung des anionischen Komplexes 3’ geschwindigkeitsbestimmend (3’ ĺ 8’) [Why 2002]. Me I I
Ir I 3'
O CO CO
I I
C Ir
Me CO I
O + CO
I I
C Ir I 8'
Me CO CO
O
I
I I
C Ir
7'
Me CO CO
96
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
Obwohl aus dem Iridatkomplex 8’ durch Iodidabspaltung der katalytisch aktive Komplex 7’ hervorgeht, spielt die Carbonylierung 3’ ĺ 8’ bei der Reaktionsführung im technischen Prozess – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. In Übereinstimmung mit dem aufgezeigten Mechanismus wirken Iodidakzeptoren als Promotoren. So beschleunigen Metalliodide MI2 (M = Zn, Cd, Hg) oder MI3 (M = Ga, In) via Iodokomplexbildung und auch Carbonyliodokomplexe von W, Re, Ru und Os die Reaktion. Darüber hinaus scheinen die Promotoren auch die Bildung von inaktiven iodidreicheren Komplexen wie [IrI4(CO)2]– und [IrI3(CO)3] zu unterbinden.
6.5 Kohlenmonoxid-Konvertierung Kohlenmonoxid und Wasser setzen sich in einer schwach exothermen ('H—o = –41 kJ/mol), aber exergonischen ('G—o = –29 kJ/mol) Reaktion zu Kohlendioxid und Wasserstoff um: Kat.
CO + H2O(g)
H2 + CO2
Diese Reaktion wird als Kohlenmonoxid-Konvertierung (engl: water-gas shift reaction) bezeichnet. Das Gleichgewicht heißt Konvertierungs- oder Wassergas-Gleichgewicht. Die Gleichgewichtskonstante K besitzt bei 830 °C den Wert 1,0. Da es sich um eine exotherme Reaktion handelt, muss bei möglichst tiefen Temperaturen gearbeitet werden, um das Gleichgewicht nach rechts zu verschieben. Die Einstellung des Gleichgewichts erfolgt unter diesen Bedingungen sehr langsam und kann durch heterogene Katalysatoren beschleunigt werden. Dabei wird zwischen Hochtemperaturkonvertierung (T = 350–380 °C, Restgehalt an CO 3–4 Vol-%) an Fe/Cr- oder Cr/Mo-haltigen Katalysatoren und Tieftemperaturkonvertierung (T = 200–250 °C, Restgehalt an CO < 0.3 Vol-%) an Cu/Zn-haltigen Katalysatoren unterschieden. Auch homogene Katalysatoren vermögen die Kohlenmonoxid-Konvertierung zu katalysieren, wobei es sich aber häufig um eine unerwünschte Nebenreaktion handelt. Das betrifft Reaktionen, in denen Wasser zugegen ist und CO als Substrat verwendet wird. Beispiele sind der Monsanto-Prozess (a), die Hydrocarboxylierung von Olefinen (b) und Fischer-TropschSynthesen (c). MeOH + CO H2C=CH2 + CO + H2O CO + 2 H2
[Rh] HI / H2O [Co], [Pd], ... Kat.
MeCOOH
a
MeCH2COOH
b
1/n
(CH2)n
+ H2O
c
Der Mechanismus der metallkatalysierten Kohlenmonoxid-Konvertierung ist in Abbildung 6.8 dargestellt. Im Einzelnen laufen folgende Reaktionsschritte ab: 1 ĺ 2: Hieber’sche Basenreaktion. Nucleophiler Angriff von OH– bzw. von Wasser unter Deprotonierung an ein Carbonylkohlenstoffatom. Es wird ein instabiler HydroxycarbonylKomplex gebildet.
Kohlenmonoxid-Konvertierung
97
Abbildung 6.8. Prinzipieller Mechanismus der durch Übergangsmetallkomplexe katalysierten Kohlenmonoxid-Konvertierung.
2 ĺ 3: ȕ-Wasserstoffeliminierung. Decarboxylierung des Hydroxycarbonyl-Komplexes unter Abspaltung von CO2 und Bildung eines Hydridometallkomplexes. 3 ĺ 4: Protonierung/Deprotonierung. Protonierung der Metallbase unter Bildung eines Dihydridometallkomplexes. Die Rückreaktion entspricht der Deprotonierung eines Dihydridokomplexes. 4 ĺ 5: Reduktive Eliminierung/oxidative Addition. Reduktive Eliminierung von H2. Dieser Reaktionsschritt ist reversibel. 5 ĺ 1: Ligandaddition/-abspaltung. Durch Anlagerung von CO wird der katalytische Zyklus geschlossen. Der Mechanismus ist in den wesentlichen Schritten für [Fe(CO)5] (1’) nachgewiesen. Die katalytische Aktivität von 1’ ist aber nur gering, im sauren Medium ist 1’ katalytisch inaktiv. Das hängt mit den unterschiedlichen pH-Anforderungen an die beiden Teilreaktionen 1 ĺ 2 und 3 ĺ 4 zusammen. Zum einen ist die Reaktivität von Eisenpentacarbonyl (1’) gegenüber OH– gering, sie nimmt bei einkernigen Metallcarbonylen in der Reihe [Os(CO)5] > [Ru(CO)5] >> [Fe(CO)5] ab. Zum anderen ist die Säurestärke von [FeH2(CO)4] (4’, pKa = 4,4 in Wasser) mit der von Essigsäure vergleichbar und folglich ist die Konzentration von 4’ im Alkalischen nur gering. Rutheniumcarbonyle besitzen eine bis zu 3–4 Zehnerpotenzen höhere katalytische Aktivität als Eisenpentacarbonyl [For 1988].
98
Carbonylierung von Methanol und Kohlenmonoxid-Konvertierung
Kohlenmonoxiddehydrogenasen Enzyme, die die reversible Oxidation von Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid gemäß folgender Gleichung katalysieren, werden als Kohlenmonoxiddehydrogenasen (CODH)1 bezeichnet. CO + H2O
CODH
CO2 + 2 H+ + 2 e
Kohlenmonoxiddehydrogenasen sind Enzyme, die Eisen–Schwefel-Cluster [Fe4S4] und Nickel–Eisen–Schwefel-Cluster [NiFe4S5] enthalten, an denen sich die Oxidation von CO vollzieht. Fe4S4-Clusterverbindungen werden unter „abiotischen“ Bedingungen überraschend einfach gebildet, wie das folgende Beispiel zeigt: [Fe4S4(SR)4]2 + 5 RSSR
4 Fe3+ + 14 RS + 4 S
Die gebildeten Komplexe sind elektronenvariabel, sie lassen sich unter Erhalt der Clusterstruktur mehrstufig oxidieren bzw. reduzieren: [Fe4S4(SR)4]4 (4 FeII)
e
[Fe4S4(SR)4]3 (3 FeII + FeIII)
e
[Fe4S4(SR)4]2 (2 FeII + 2 FeIII)
e
[Fe4S4(SR)4] (FeII + 3 FeIII)
Die Komplexe weisen eine Heterocubanstruktur auf, vgl. als Beispiel die Struktur in Abb. 6.9. Das Clustergerüst wird erhalten, indem man die Ecken eines verzerrten Würfels alternierend durch Eisen und Schwefel besetzt oder indem man einen Fe4- und einen S4-Tetraeder derart ineinander stellt, dass sich ein (verzerrter) Würfel ergibt.
Abbildung 6.9. Struktur des Anions von [NEt4]3[Fe4(μ3-S)4(SCH2Ph)4]·DMF (links) und des Fe4S4Clusterkerns mit den vier S-Atomen der terminalen Benzylthioliganden (rechts). Der Fe4-Tetraeder ist grau unterlegt.
Die Struktur des [NiFe4S5]-Clusters in einer Kohlenmonoxiddehydrogenase und seine Einbindung in die Proteinmatrix (Cys = Cystein, His = Histidin) sind in 1 schematisch dargestellt. Die enzymatische Kohlenmonoxid-Konvertierung vollzieht sich an der fett hervorge1
Obwohl CO keinen Wasserstoff enthält, werden im biochemischen Sprachgebrauch Enzyme, die die Oxidation von CO gemäß der angeführten Gleichung katalysieren, als „Dehydrogenasen“ bezeichnet.
Kohlenmonoxid-Konvertierung
99
hobenen Ni–S–Fe-Einheit [Eva 2005]. Die Elementarschritte scheinen ganz analog der abiotischen Reaktion zu sein: Koordination von CO an Nickel und von Wasser unter Deprotonierung an Eisen ergibt eine Carbonylnickel- und Hydroxoeisenspezies in enger Nachbarschaft (1 ĺ 2). Durch Übertragung des Hydroxoliganden auf das Carbonylkohlenstoffatom (Hieber’sche Basenreaktion) wird ein Hydroxycarbonyl-Nickelkomplex gebildet (2 ĺ 3). Deprotonierung und CO2-Abspaltung von 3 ergibt den reduzierten Cluster 1’. Oxidation mit einem biogenen Oxidationsmittel liefert schließlich den Ausgangskomplex zurück (1’ ĺ 1). Damit ist die eingangs erwähnte CODH-Reaktion vollzogen.
SCys SCys
S
Ni
SCys
S S SCys Fe S Fe S Fe NHis SCys 1
Fe
Ni
S 1
Fe
+ CO, + H2O H+
O C Ni
O S 2
OH Fe
C Ni
2e
OH S 3
Fe
H+, CO2
Ni
S 1'
Fe red.
7
Metathese
7.1 Metathese von Olefinen 7.1.1 Einführung Die Metathese (griech: ȝİIJȐșİıȚȢ = Versetzung, Umstellung, Platzwechsel) von Olefinen ist eine katalytische Reaktion, in der unter Spaltung und Neubildung von Doppelbindungen eine Umverteilung der Alkylidengruppen gemäß der folgenden Gleichung stattfindet: R
R' +
R
R' 1
Kat.
R
R' +
R
R' 2
3
Unterwirft man zwei identische Olefine einer Metathese, spricht man auch von Homometathese und bei zwei verschiedenen Olefinen von Kreuzmetathese. Führt eine Metathese zu neuen Produkten heißt sie produktiv und anderenfalls nichtproduktiv.
Aufgabe 7.1 Geben Sie die Reaktionsprodukte der Homometathese von symmetrisch substituierten Olefinen RHC=CHR und R2C=CR2 an. Welche Produkte entstehen bei der Kreuzmetathese von zwei verschiedenen unsymmetrisch substituierten Olefinen RHC=CHR’ und R’’HC=CHR’’’?
Die Metathese von acyclischen Olefinen (1, R = Me, R’ = H) ist Ende der 50er Jahre an heterogenen Katalysatoren wie MoO3 (reduziert mit Al(i-Bu)3) auf Al2O3 in mehreren Patenten beschrieben worden, erstmals 1957 von E. F. Peters und B. L. Evering (Standard Oil Co. of Indiana). Ein technisches Verfahren zur Metathese von damals im Überschuss verfügbaren Propen in Ethen und Buten ist bereits 1966 realisiert worden (R. L. Banks, G. C. Bailey; „Phillips-Triolefin-Prozess“). 1966 hat N. Calderon über das erste homogene Katalysatorsystem (WCl6/AlEtCl2/EtOH) berichtet (1: R = Et, R’ = Me), das sich als hochaktiv erwies und bei Raumtemperatur innerhalb von wenigen Sekunden zur Gleichgewichtseinstellung führt.1 Für Ihre Beiträge zur Entwicklung der Metathese als nützliche Methode in der organischen Synthese sind Y. Chauvin, R. H. Grubbs und R. R. Schrock 2005 mit der Verleihung des Nobelpreises für Chemie geehrt worden. Bei der Metathese ändert sich die Anzahl der Bindungen nicht. Da im Allgemeinen auch die Stärke der gespaltenen und neu geknüpften Bindungen sich nur unwesentlich unterscheiden ('H § 0), ist die Reaktion entropisch getrieben: Aus 'G = 'H – T 'S folgt für 'H = 0 die 1
Dabei findet auch eine cis-trans-Doppelbindungsisomerisierung statt, die zur Einstellung der thermodynamisch bevorzugten cis-trans-Zusammensetzung der Olefine führt.
Metathese von Olefinen
101
Beziehung 'G = – T 'S. Unterwirft man das Olefin 1 der Metathese, so liegen folglich im Gleichgewicht 50 mol-% des unsymmetrisch substituierten Olefins 1 und zu je 25 mol-% die beiden symmetrisch substituierten Olefine 2 und 3 vor. Der Umsatz bei der Olefinmetathese beträgt demnach maximal 50 %.
Aufgabe 7.2 Begründen Sie, warum die Olefinmetathese nicht ohne Katalysator in einer konzertierten Reaktion gemäß folgender Gleichung ablaufen kann? R
R'
R
R'
R
+
R' +
R
R'
R
R'
R
R'
7.1.2 Mechanismus Die Katalyse der Olefinmetathese vollzieht sich nach dem so genannten CarbenMechanismus (Y. Chauvin, J.-L. Hérisson, 1971). Danach erfolgt die Alkylidengruppenumverteilung über einen Metallacyclobutankomplex 2. Dieser steht im Gleichgewicht mit zwei Carbenübergangsmetallkomplexen 1 und 3, die in cis-Position ein Olefin koordiniert haben, so dass alternierend [2 + 2]-Cycloaddition und -reversion stattfindet. Abspaltung des Olefinliganden (1 ĺ 1’; 3 ĺ 3’) und Addition eines anderen Olefins an 1’/3’ gewährleistet nunmehr den Stoffumsatz. Alle Teilreaktionen sind reversibel, so dass im Ergebnis der Katalyse eine dem thermodynamischen Gleichgewicht entsprechende Zusammensetzung erhalten wird. [M] CHR
+ R'HC
CHR
[M] CHR R'HC
1'
CHR 1
R'HC
CHR
[M]
[M] CHR
CHR
R'HC
CHR
RHC
[M] CHR' 3'
3
2
CHR
Durch Zersetzung der Intermediate kann der Katalysator desaktiviert werden, z. B. durch reduktive Eliminierung von Cyclopropan aus dem Metallacyclobutankomplex 2, was letztlich einer Übertragung des Carbens auf das Olefin entspricht (2 ĺ 4). Die Reaktion von zwei Carbenkomplexen kann zur Olefinbildung führen (1’ ĺ 5). H
R
[M] R'
H
H R
2 2 [M] CHR 1'
[M]
H
R
R'
H
+
H R
4 2 [M] + RHC
CHR 5
102
Metathese
Aufgabe 7.3 Ursprünglich war noch ein anderer Mechanismus für die Olefinmetathese postuliert worden, nach dem die Olefine „paarweise“ an das Metall koordinieren und sich dann – vielleicht über einen cyclobutadienähnlichen Übergangszustand – die Umlagerung der Alkylidengruppen vollzieht. R'HC RHC
[M]
CHR'
R'HC RHC
CHR
R'HC CHR' [M] RHC CHR
CHR'
[M]
CHR
Ein Experiment, das einen derartigen paarweisen Mechanismus zugunsten des „nicht-paarweisen“ Chauvin-Mechanismus ausgeschlossen hat, war die Kreuzmetathese eines Cycloolefins (Cycloocten) mit zwei symmetrischen acyclischen Olefinen (But-2-en, Oct-3-en), die zu C12-, C14-, C16- und C6Produkten führt: + MeHC CHMe + PrHC CHPr
CHMe
Kat.
CHMe
CHMe
+
CHPr
C12
CHPr
+
CHPr
C14
C16
+ MeHC CHPr C6
Die Produktverhältnisse C14:C12 und C14:C16 sind in Abhängigkeit von der Zeit bestimmt worden. Welche Verhältnisse erwarten Sie bei Extrapolation auf die Zeit t = 0 beim „paarweisen“ und beim „nicht-paarweisen“ (Chauvin-) Mechanismus?
Katalysatoren Geht man von Präkatalysatoren aus, die keinen Carbenliganden enthalten, wird dieser im Verlaufe der Katalysatorformierung generiert. In typischen homogenen Metathesekatalysatoren der ersten Generation (WCl6/EtAlCl2/EtOH; MCln/SnR4 mit M = W, n = 6 oder M = Re, Mo, n = 5; WOCl4/AlEtCl2) wird die Carbenfunktion durch zweifache Alkylierung und nachfolgende Į-Hydrideliminierung/reduktive Eliminierung gebildet, wie an der Umsetzung eines Metallchlorides mit SnMe4 demonstriert ist (1 ĺ 2 ĺ 3). [M] 1
Cl Cl
+ 2 SnMe4 2 SnMe3Cl
[M]
CH3 CH3 2
CH4
[M] CH2 3
Tebbe-Reagenz 5, hergestellt durch Umsetzung von Titanocendichlorid mit Aluminiumtrimethyl (4 ĺ 5), setzt sich mit Basen wie Pyridin zu einem Methylentitankomplex um (5 ĺ 6). Alternativ kann 4 mit Methyllithium doppelt methyliert werden (4 ĺ 7). Thermisch zersetzt sich 7 durch Į-Hydrideliminierung, die mit einer reduktiven Eliminierung von Methan gekoppelt ist (7 ĺ 6) [Sie 2000]. Der in freier Form nicht beständige Methylentitankomplex 6, ein typischer Schrock-Carbenkomplex, ist metatheseaktiv.
Metathese von Olefinen
103 H2 C
+ 2 AlMe3
Ti
AlMe2Cl CH4
Cp2TiCl2 4
Al
Cl
Me Me
+ py AlClMe2(py)
5
+ 2 LiMe
CH3
Ti
2 LiCl
Ti
CH3
' CH4
CH2 6
7
Setzt man als Präkatalysatoren für die Olefinmetathese Carbenkomplexe wie [W(=CHt-Bu)Br2(OR)2] ein, ist eine Aktivierung durch Lewis-Säuren (AlBr3, GaBr3, ...) notwendig. Nunmehr gibt es aber auch Carbenkomplexe, die ohne Cokatalysator katalytisch aktiv sind (Einkomponentenkatalysatoren). Beispiele dafür sind die Schrock-Katalysatoren sowie die Grubbs-Katalysatoren der ersten und zweiten Generation (Abbildung 7.1). Diese wohl definierten Einkomponentenkatalysatoren haben über eine gezielte Variation der Coliganden ein „fine-tuning“ von Aktivität und Selektivität bei der Metathese zugelassen und so zu einem vertieften Verständnis der Katalyse geführt.
PCy3 Cl (F3C)2MeCO
N M
(F3C)2MeCO
C H
Cl
Ru
C
PCy3
N
H R
Cl Cl
N Ru
C
PCy3
H Ph
R A
B
C
Abbildung 7.1. Einkomponenten-Homogenkatalysatoren für die Olefinmetathese. A) Schrock-Katalysatoren (M = Mo, R = CMe2Ph, „Schrock’s-Katalysator“; M = W, R = t-Bu), Struktur von [W(=CHtBu){N(2,6-(i-Pr)2C6H3}(O-t-Bu)2]. B) Grubbs-Katalysatoren der ersten Generation (R = Ph, CH=CPh2), Struktur von [Ru{=CH(C6H4-p-Cl)}Cl2(PCy3)2]. C) Grubbs-Katalysatoren der zweiten Generation, Struktur von [Ru(=CHPh)Cl2(PCy3)(Mes2Imidin)] (Mes2Imidin = 1,3-Dimesitylimidazolidin-2-yliden). (Es sind jeweils prototypische Katalysatoren dargestellt; zahlreiche weitere katalytisch aktive Komplexe leiten sich durch Variation der Ligandensphäre ab. Bei den Molekülstrukturen sind nur die H-Atome an den Carbenkohlenstoffatomen gezeichnet.)
104
Metathese
Bei den Schrock’schen Katalysatoren A erhöhen die o,o’-disubstituierten Arylimidoliganden die Stabilität, indem sie bimolekulare Zersetzungsreaktionen und die Ausbildung von katalytisch inaktiven μ-Imido-Komplexen erschweren. Elektronenziehende Alkoxoliganden destabilisieren die Metallacyclobutan-Zwischenstufe und führen so zu einer höheren katalytischen Aktivität. Grubbs-Katalysatoren B und C sind quadratisch-pyramidale 16-ve-RuII-Komplexe mit dem Carbenliganden in apicaler Position. Sie gehen durch Abspaltung eines PCy3-Liganden in die katalytisch aktive Form [Ru(=CHPh)Cl2L] (L = PCy3, NHC; NHC = N-heterocylic carbene) über. Die Abspaltung des Phosphanliganden wird durch seinen hohen Raumanspruch begünstigt. Der gebildete 14-ve-Komplex wird durch die ausgeprägte ı-Donorwirkung des PCy3- (B) bzw. NHC-Liganden (C) stabilisiert. In vielen Fällen wird in der Technik heterogenen Metathesekatalysatoren (wie MoO3, WoO3 oder Re2O7 auf oxidischen Trägern Al2O3/SiO2) der Vorzug gegeben, während die Schrockund Grubbs-Katalysatoren die Katalysatoren der Wahl in der organischen Synthese sind. Die Schrock’schen Alkylidenmolybdän- und -wolframkomplexe (A) sind wegen der ausgeprägten Oxophilie von Mo und W ausgeprägt luft- u feuchtigkeitsempfindlich. Infolge ihrer hohen Reaktivität besitzen sie eine geringe Toleranz gegenüber funktionellen Gruppen, sind aber hochaktive Katalysatoren. Im Unterschied dazu sind die Grubbs-Katalysatoren der ersten Generation (B) weniger aktiv, zeichnen sich aber durch eine hohe Toleranz gegenüber funktionellen Gruppen (–COOH, –OH, –CHO, –COR, –NH2, ...) aus und können selbst in Wasser (bevorzugt mit wasserlöslichen Phosphanliganden) eingesetzt werden. Die Grubbs-Katalysatoren der zweiten Generation (C) besitzen sowohl eine hohe katalytische Aktivität und Produktivität1 als auch eine ausgeprägte Toleranz gegenüber funktionellen Gruppen. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Stabile Carbene als Liganden Carbene, das sind neutrale Derivate des zweiwertigen Kohlenstoffs, vermögen eine Vielzahl von Metallkomplexen zu bilden, wobei die folgenden drei Typen zu unterscheiden sind:
(CO)5W C
YRn
Ta
R'
Fischer-Carbenkomplexe wie 1, für die Übergangsmetalle in 1 (YRn = OR, NR2) niedrigen Oxidationsstufen und O- oder N-funktionalisierte elektrophile Carbenliganden charakteristisch sind.
CH3 C H H
2
Schrock-Carbenkomplexe wie 2, für die Übergangsmetalle in hohen Oxidationsstufen und nichtfunktionalisierte nucleophile Carbenliganden charakteristisch sind. Haupt- und Übergangsmetallkomplexe mit stabilen N-heterocyclischen Carbenliganden (NHC = Nheterocyclic carbene), deren Reaktivität sich grundlegend von den Fischer- und Schrock-Carbenkomplexen unterscheidet. Die Stabilität von Carbenen hängt ausgeprägt von den Substituenten am Carbenkohlenstoffatom ab. Besonders stabile Carbene leiten sich von Imidazolderivaten (NHC’s) ab. Die Stabilität von NHC’s (3– 6) beruht auf der ʌ-Donor- und ı-Akzeptorwirkung der beiden vicinalen Substituenten des Carbenkoh-
1 Aktivität und Produktivität können um 1–2 Zehnerpotenzen höher als bei Grubbs-Katalysatoren der ersten Generation sein. So sind bei der Metathese von Oct-1-en mit [Ru(=CHPh)Cl2(PCy3)(Ar2Imidin)] (Ar2Imidin = 1,3-Bis(2,6-diisopropylphenyl)imidazolidin-2-yliden) effektive Umsatzzahlen von 6,4·105 mol Octen/mol Ru (22 °C) und -frequenzen von 2,3·105 min–1 (60 °C) ermittelt worden [Din 2002].
Metathese von Olefinen
105
lenstoffatoms, die sowohl eine Verminderung seiner Elektrophilie durch pʌ–pʌ-Wechselwirkung als auch seiner Nucleophilie durch den –I-Effekt zur Folge hat. NHC’s sind ausnehmend starke ı-Donorliganden (ı-Donorwirkung: NHC’s > P(Alkyl)3!) mit einer sehr geringen – im Allgemeinen zu vernachlässigenden – ʌ-Akzeptorwirkung. Sie bilden folglich starke ıM–C-Einfachbindungen. NHC-Liganden verhalten sich gegenüber Nucleophilen und Elektrophilen relativ inert und üben einen vergleichsweise hohen trans-Einfluss aus. Im Hinblick auf ihre Verwendung als Coliganden in Homogenkatalysatoren ist wichtig, dass über den Raumanspruch der Substituenten R an den Stickstoffatomen die Zugänglichkeit der dem Carbenliganden benachbarten Koordinationsstellen gesteuert werden kann. Beispiele: Elektronenreiche, gesättigte 1,3-R2-Imidazolidin-2-ylidene (3) mit den Resonanzstrukturen (3a–3c), 6ʌ-aromatische 1,3-R2-Imidazolin-2-ylidene (4), ein bidentater zweizähniger NHC-Ligand (5) sowie ein heterocyclisches N,S-Carben (6). In allen Fällen sind die Grundkörper gezeigt, die durch Substitution an C4 und C5 weiter funktionalisiert werden können. Ähnliche Ligandeigenschaften wie NHC’s können zweifach heteroatomfunktionalisierte nicht cyclische Carbenliganden wie 7 haben (nonNHC = non-N-heterocyclic carbene) [Ard 1999, Her 2001, Yon 2003, Can 2004]. R
N
N
N
R
R
3
R
N
N
N
R
R
N
3a
R
R
N
N
R
R
N
3b N
4
N
N
R
3c i-Pr
i-Pr N
R
R
N
S
i-Pr
N
i-Pr
7
6
5
N
Zur Nomenklatur: Da Carbene vom Typ 3 formal durch Abspaltung von zwei H-Atomen vom selben Gerüstatom aus 1,3-R2-Imidazolidinen (3’) entstehen, sind sie als 1,3-R2-Imidazolidin-2-ylidene zu benennen. In analoger Weise führt die formale Abspaltung von zwei H-Atomen aus 1,3-R2-Imidazolinen (4’) zu 1,3-R2-Imidazolin-2-ylidenen (4). R
N
N
H H 3'
R 2 "H"
R
N
N 3
R
R
N
N
H H 4'
R
2 "H"
R
N
N
R
4
Ebenfalls gebräuchlich ist die Bezeichnung als 1,3-R2-Imidazol-2-ylidene (4) und 1,3-R2-4,5-Dihydroimidazol-2-ylidene (3), von der wir aber keinen Gebrauch machen.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
7.1.3 Mechanismus – Vertiefung Bei den Grubbs-Katalysatoren B (L = PCy3) und C (L = NHC-Ligand) ist sowohl durch kinetische Untersuchungen als auch durch quantenchemische Rechnungen gezeigt, dass zunächst ein Phosphanligand abgespalten wird und dann an den gebildeten 14-ve-Komplex das Olefin koordiniert (1 ĺ 2 ĺ 3; „dissoziativer Mechanismus“) [San 2001, Vyb 2002]. Eine direkte Addition des Olefins unter Ausbildung eines 18-ve-Komplexes (1 ĺ 5; „assoziativer Mechanismus“) kann ausgeschlossen werden. Aus dem cis-Carben(olefin)ruthenium(II)-Komplex 3 bildet sich durch [2 + 2]-Cycloaddition ein Ruthenacyclobutankomplex (3 ĺ 4). Dabei erhöht sich die Oxidationsstufe des Rutheniumatoms um zwei Einheiten (RuII ĺ RuIV). Nun
106
Metathese
läuft die Reaktionskaskade in umgekehrter Reihenfolge ab, nur dass die Cycloreversion unter Bildung von 3’ erfolgt (4 ĺ 3’). Der Aktivitätsunterschied zwischen beiden Typen von Grubbs-Katalysatoren (B versus C) weist darauf hin, dass die Cycloaddition unter Ruthenacyclobutanbildung durch den starken ı-Donor-NHC-Liganden erleichtert wird.
L Ru
PCy3 L Ru Cl
CHPh
Cl
Cl 2
CHPh
PCy3 1
Cl
+ R
L Cl Cl Ru
+
L
R Cl R
Ru
3
Cl
L H Ph
Cl R
Ru
L Cl Ph
4
Cl
Cl Ph
Ru CHR 3'
CHPh
PCy3
R
5
Für eine quantenchemische Analyse von Grubbs-Katalysatoren der ersten und zweiten Generation gehen wir von den Modellkomplexen 6 jeweils mit L = PMe3 und L = 1,3-Dimethylimidazolidin-2-yliden (Me2Imidin) aus (Abbildung 7.2). Bei der nichtproduktiven Homometathese von Ethen wird die Reaktionsabfolge 6 ĺ ... ĺ 9 durchlaufen. In den Komplexen 8 sind vier Konformationen mit unterschiedlicher Anordnung des Carben- und Olefinliganden möglich (8a–8d). Zunächst werden die thermodynamisch stabilsten Konformationen 8a ausgebildet. Für eine leicht ablaufende Cycloaddition sind zwei Forderungen zu erfüllen, nämlich eine komplanare Anordnung der vier beteiligten Atome (Ru=C, C=C) und eine parallele Ausrichtung der beiden ʌ-Systeme. Das ist nur in den Konformationen 8b gegeben, die aber nicht als Minimumstruktur lokalisiert werden konnten. Die Übergangszustände 8b’ haben dieselbe Alken- und Carbenkonformation wie die hypothetischen Strukturen 8b. Der entscheidende Unterschied zwischen den Katalysatoren der ersten und zweiten Generation ist die geringere Energie von 8b’ und 9 mit L = Me2Imidin gegenüber den analogen Komplexen mit L = PMe3. Beides ist auf die stärkere Donorwirkung des NHC-Liganden im Vergleich mit PMe3 zurückzuführen. Das führt sowohl zu einer Stabilisierung des RuIV-Komplexes 9 (L = Me2Imidin) als auch des RuII-Übergangszustandes 8b’ (L = Me2Imidin) durch eine stärkere Rückbindung von RuII zum Methylenliganden. Darüber hinaus treten im realen Katalysator (L = 1,3-Dimesitylimidazolidin-2-yliden) bei den „inaktiven“ Carbenkonformationen 8a/8d sterische Wechselwirkungen zwischen dem Wasserstoffatom des Carbenliganden und einem Mesitylsubstituenten auf, so dass eine „aktive“ Carbenorientierung wie in 8b/8c erzwungen wird. Das scheinen die wesentlichen Ursachen für den Aktivitätsunterschied zwischen beiden Typen von Katalysatoren zu sein.
Metathese von Olefinen L
Cl
L
Cl
Ru
107
CH2
PMe3
L
Cl
Ru
CH2
+
L
H
L
Cl
H 8b'
Ru
Ru H
Cl
8a
L H H
H
Cl
8a
Cl H
Cl
Ru
Ru
7
6
L
Cl
H
Cl
Cl
PMe3
L
Cl
Cl
Ru
L H
8b
Cl
9
Cl H
Ru
H
Cl
Cl
Ru
H
Cl
8c
8d
8b' 'G
9
L = PMe3
8a ca. 50 kJ/mol
(+
7
L=
Me
N
N
Me
)
6 ( PMe3 +
)
Abbildung 7.2. Reaktionsablauf und Verlauf der freien Enthalpie der nichtproduktiven Homometathese von Ethen mit Grubbs-Modellkatalysatoren der ersten Generation 6 ... 9 (L = PMe3) und der zweiten Generation 6 ... 9 (L = 1,3-Dimethylimidazolidin-2-yliden). Die vier möglichen Konformationen des Olefin- und Carbenliganden in Komplexen 8 sind in der Mitte skizziert (gekürzt nach Straub 2005).
7.1.4 Metathese von Cycloalkenen Die Metathese von Cycloalkenen liefert ungesättigte Polymere, die Polyalkenamere genannt werden (1 ĺ 2). In gleichartiger Weise setzen sich bicyclische Olefine und Cycloalkadiene um. Kat.
n
n 1
2
108
Metathese
Auf den Ablauf dieser Reaktion weist die Bezeichnung Ringöffnungsmetathese-Polymerisation und das Akronym ROMP (Ring-Opening Metathesis Polymerization) hin. Aus dem Reaktionsablauf (Spaltung und Neuknüpfung von Doppelbindungen) ergibt sich auch, dass die Polymerisation unter Erhalt aller Doppelbindungen des Monomers abläuft. Ringöffnungsmetathese-Polymerisationen von Cycloalkenen sind „enthalpiegetrieben“: Triebkraft ist der Verlust an Ringspannung im Monomer. Somit sind ROM-Polymerisationen von hochgespannten Cycloalkenen wie z. B. von Norbornen irreversible Reaktionen und prinzipiell ist vollständiger Umsatz der Monomere zu erreichen. Das ist ein bemerkenswerter Unterschied zur reversiblen Metathese acyclischer Olefine.
Aufgabe 7.4 Besonders bei weniger gespannten Ringsystemen kann es zur Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichtes zwischen dem offenkettigen Polymer, dem Monomer und cyclischen Oligomeren kommen, indem innere Doppelbindungen der wachsenden Polymerkette in die Metathese einbezogen werden (back-biting) . Formulieren Sie eine derartige Reaktion. Welche Konsequenzen haben entsprechende intermolekulare Reaktionen?
Andererseits lassen sich ungespannte Cycloolefine wie Cyclohexen nicht unter ROMP-Bedingungen polymerisieren: Durch das Fehlen von Ringspannung ('H = 0) und der negativen Reaktionsentropie ('S < 0) ergibt sich 'G > 0. Das hat nun aber zur Konsequenz, dass Polymere mit Tetramethyleneinheiten (–(CH2)4–) zwischen zwei Doppelbindungen unter Metathesebedingungen Cyclohexen abspalten. Ein Beispiel dafür ist die Metathese von Cyclodeca1,5-dien nach der Reaktionssequenz 1 ĺ 2 ĺ 3. Kat.
n
CH (CH2)4 CH
CH (CH2)2
CH
n
2
1 Kat.
n
CH (CH2)2 CH
+
n
3
Die Kreuzmetathese von Cycloolefinen mit Ethen liefert acyclische terminale Diene (4 ĺ 5). Kat.
+ 4
5
Derartige Reaktionen werden als Ringöffnungsmetathesen (ROM: Ring-Opening Metathesis) bezeichnet. Triebkraft ist wie bei ROMP die frei werdende Ringspannung in den Cycloolefinen. Die Rückreaktion (RCM: Ring-Closing Metathesis, Ringschlussmetathese) lässt sich verifizieren, wenn das gebildete Ethen aus dem Gleichgewicht entfernt wird. Die Reaktion 4 ĺ 5 zeigt auch, dass bei ROM-Polymerisationen der Zusatz kleiner Mengen eines acyclischen Olefins Kettenübertragung bewirkt und so die Kettenlänge kontrolliert werden kann.
Metathese von Olefinen
109
ROMP-Reaktionen können prinzipiell so gestaltet werden, dass sie als lebende Polymerisationen verlaufen.1 Damit sind Polymere mit genau kontrolliertem Molekulargewicht und einer engen Molmasseverteilung zugänglich. Als Abbruchreaktion kommt bei Schrock-Katalysatoren die Umsetzung mit Aldehyden oder Ketonen in Betracht, die im Sinne einer Wittig-Reaktion abläuft (6 ĺ 7; M = Mo, W). Bei Grubbs-Katalysatoren führt eine Reaktion mit Vinylethern zu stabilen Carbenrutheniumkomplexen, die keine weitere Kette starten (8 ĺ 9). [M] C P
+ RR'C O [M] O
R R'
6
C C
+ H2C CHOR [Ru] CHOR
[Ru] C P
P
7
H2C
C P
8
9
Derartige Reaktionen können auch genutzt werden, um Polymere mit einer gewünschten Endgruppenfunktionalität zu erzeugen, z. B. könnte R in 7 ein lumineszierender Substituent sein. Lebende Polymerisationen ermöglichen auch die gezielte Synthese von Blockcopolymeren.
Aufgabe 7.5 R Stellen Sie aus den Tricyclodecatrienen 1 (R = H, CF3, CO2Me) bzw. aus Benzvalen 2, ein (nicht-ebenes) Valenzisomeres des Benzols, Polyacetylen her. Welche Selektivität der Doppelbindungen erwarten Sie bei der ROM-Polymerisation von 1? 1
R
2
Cycloolefine (Norbornen) sind erstmalig mit einem Ziegler-Katalysatorsystem 1954 ringöffnend polymerisiert worden. 1967/68 ist der Zusammenhang zwischen ringöffnender Polymerisation und Metathesereaktion klar geworden. Heute finden Ringöffnungsmetathese-Polymerisationen vielfach technische Anwendung. Das erste kommerziell hergestellte Polymer war Polynorbornen mit überwiegender trans-Struktur der Doppelbindungen (Norsorex®; CdFChimie, 1976), das durch rutheniumkatalysierte (RuCl3/HCl in Butanol) ROM-Polymerisation von Norbornen erhalten wurde (1 ĺ 2). Wegen seiner sehr hohen Molmasse (> 3 · 106 g/mol; P > 31000) ist es nicht zu schmelzen (TZers. > 200 °C; Tg = 37 °C). Mit Weichmachern werden nützliche Elastomere erhalten. Hydrierung führt zu einem amorphen, farblosen, transparenten Polymer (2 ĺ 3) mit sehr hoher Glasübergangstemperatur (Tg = 140 °C), das zur Klasse der cyclischen Olefinpolymere gehört und für optische Anwendungen (Linsen, Prismen, ...) geeignet ist (Zeonex®) [Mol 2004]. Kat.
n 1 1
n 2
H2
n 3
Wesentliche Kriterien dafür sind, dass Kettenübertragungs- und -abbruchreaktionen praktisch keine Rolle spielen und die Zahl aktiver Zentren für die Dauer der Polymerisation konstant bleibt. Das Monomer wird vollständig umgesetzt und bei weiterer Zugabe wird das Kettenwachstum fortgesetzt. In diesen Fällen wird je Katalysatormolekül nur eine Polymerkette gebildet, so dass es genauer als Initiatormolekül zu bezeichnen wäre. Wir sprechen aber weiterhin von Katalysatoren und nehmen damit Bezug auf die Monomerverknüpfung und nicht auf die Bildung von Polymerketten.
110
Metathese
Cycloocten wird in Hexan mit einem Katalysatorsystem, das sich von WCl6/AlEtCl2/EtOH ableitet, zu einem Polyoctenamer hoher Reinheit (> 99,5 %) umgesetzt (Vestenamer®, Degussa). Das Polymer besteht aus linearen (75 %, M > 105 g/mol) und cyclischen (25 %) Makromolekülen (vgl. Aufgabe 7.4). Die Kristallinität hängt stark von der Mikrostruktur (cis/transVerhältnis der Doppelbindungen) ab und kann durch die Polymerisationsbedingungen gesteuert werden. Polyoctenamere haben kautschukelastische Eigenschaften und werden anderen Kautschuken zur Eigenschaftsverbesserung zugesetzt. ROM-Polymerisation von endoDicyclopentadien (DCPD), ein Überschussprodukt in Naphtha-Crackgemischen, kann so geführt werden, dass nur die gespanntere Doppelbindung reagiert, aber auch so, dass Vernetzung über die andere Doppelbindung erfolgt (siehe Aufgabe 7.6). Es wird ein Duroplast hoher mechanischer Festigkeit erhalten. Die ROM-Polymerisation verläuft so schnell, dass im Spritzguss-Verfahren Formstücke (für den Fahrzeugbau, Sportgeräte, ...) nach der RIMTechnologie (RIM: Reaction Injection Molding) hergestellt werden können. Dabei handelt es sich um eine in-situ-Polymerisation des Monomeren (DCPD) direkt in der Gussform.
Aufgabe 7.6 Welche der beiden Doppelbindungen in DCPD ist reaktiver? Geben Sie eine Begründung. Formulieren Sie die Gleichung für die ROM-Polymerisation von DCPD unter der Voraussetzung, dass nur die reaktivere Doppelbindung reagiert. Welche Strukturelemente können sich bilden, wenn beide Doppelbindungen reagieren?
7.1.5 Metathese von acyclischen Dienen Acyclische terminale Diene können in einer intramolekularen Metathesereaktion unter Bildung von Cycloolefinen und Ethen (1 ĺ 2; RCM: Ring-Closing Metathesis, Ringschlussmetathese; ROM: Ring-Opening Metathesis, Ringöffnungsmetathese) oder in einer intermolekularen Metathesereaktion unter Abspaltung von Ethen zu einem Polymeren reagieren (1 ĺ 3; ADMET: Acyclic Diene Metathesis Polymerization; Acyclische Dienmetathese-Polymerisation). n
n
RCM
+n
2
ROM
n
ROMP
n
1
ADMET
+n ADMETDepolymerisation
n 3
Metathese von Olefinen
111
RCM- und ADMET-Reaktionen sind im Prinzip in allen Teilschritten reversibel, so dass sich in der Reaktion nur die Zusammensetzung einstellt, die dem thermodynamischen Gleichgewicht entspricht. Da sich aber das gebildete Ethen leicht aus dem Reaktionsgemisch entfernen lässt, sind in einfacher Weise vollständige Umsätze zu realisieren. Intramolekulare und intermolekulare Metathesereaktionen von Dienen sind Parallelreaktionen, die durch die gleichen Katalysatoren katalysiert werden. Das Verhältnis (RCM versus ADMET), in dem sie ablaufen, hängt von konformativen Zwängen im Substrat ab und kann in gewissem Maße durch die Reaktionsführung (Wahl der Konzentrationsverhältnisse) beeinflusst werden. Diene mit innenständigen Doppelbindungen setzen sich analog, aber mit geringerer Geschwindigkeit um. Es bleibt aber schwierig, durch Ringschlussmetathese (RCM) tetrasubstituierte Olefine herzustellen (4 ĺ 5; R, R’ H). Kat. R
n
R
R'
R'
n 5
4
Dieses Problem kann durch eine Staffel-Ringschlussmetathese (engl: relay RCM) umgangen werden [Wal 2005]. Dahinter steht die Beobachtung, dass Diene 4 mit R = H in einer RCMReaktion mit Grubbs-Katalysatoren umgesetzt werden können. Das heißt, intramolekular ist eine Doppelbindung –CR’=CH2 für den Katalysator zugänglich. Verbindet man nun eine der beiden (nicht reaktiven) Doppelbindungen in 4 über einen Spacer mit einer terminalen Doppelbindung und führt dann zwei RCM-Reaktionen durch, erhält man die gewünschten Produkte 5. Als Beispiel ist die Reaktion (6 ĺ 7 ĺ 8) angegeben, die durch GrubbsKatalysatoren B (vgl. S. 103) nicht katalysiert wird. Geht man jedoch von 6’ aus, entsteht im ersten Schritt der Alkylidenkomplex 6’’ und zwei nacheinander ablaufende RCM-Reaktionen (6’’ ĺ 7 ĺ 8) führen unter Abspaltung von Cyclopenten zum gewünschten Produkt. 6 [Ru]
E E
(B)
[Ru] E E
[Ru] [Ru]
E E
[Ru] E
E E
(B)
7
8 (E = CO2Me)
6''
6'
E
Die Rückreaktion von acyclischen Dienmetathese-Polymerisationen (ADMET) führt zu acyclischen Dienen und wird als ADMET-Depolymerisation bezeichnet. ADMET-Depolymerisationen sind interessant, wenn das ungesättigte Polymer auf einfachem Wege (und nicht über eine ADMET-Polymerisation) erhalten wird. Das ist bei cis- und trans-1,4-Polybutadienen der Fall, die in Gegenwart von Ethen über oligomere Zwischenprodukte (1 ĺ 2) zu Hexa1,5-dien abgebaut werden (2 ĺ 3). n
1
Kat.
m
2 (m 98 %). Verwendet man sterisch anspruchsvollere Phosphanliganden, werden zunehmend auch höhere Oligomere gebildet. Mit P(t-Bu)3 als Ligand (cNi/cP(t-Bu)3 = 1/4) wird sogar Polyethen erhalten. Raumfüllende Gruppen erschweren also zunehmend die ȕ-H-Eliminierung [Bog 1979]. Eine nickelkatalysierte Butenbildung aus Ethen kann auch nach einem anderen Reaktionsmechanismus ablaufen. Aus präparativen und kinetischen Untersuchungen war bekannt, dass der Bis(ethen)nickel(0)-Komplex 1 (L = PPh3) in Gegenwart von PPh3 im Gleichgewicht mit dem oxidativen Kupplungsprodukt 2 steht (1 ĺ 2), das durch sukzessive Abspaltung von PPh3 in die Nickelacyclopentankomplexe 3 und 4 übergeht. Diese zersetzen sich unter reduktiver Eliminierung zu Cyclobutan (3 ĺ 5) bzw. via gekoppelte ȕ-H- und reduktive Eliminierung zu Buten (4 ĺ 5). Folgerichtig katalysiert der in Substanz isolierte Komplex 2, ohne dass ein Cokatalysator erforderlich ist, die Dimerisation von Ethen zu Buten und zu Cyclobutan, allerdings nur mit geringer Aktivität [Gru 1978].
L2Ni
+L
L
L3Ni
1
L
3
2
+2
L2Ni
LNi 4
(+ L) + LNi/L2Ni 5
Der Wilke-Katalysator eignet sich auch zur Dimerisation von Propen, wobei die Struktur der Dimere in hohem Maße durch die Phosphane gesteuert werden kann. PMe3 liefert ca. 80 % Methylpentene (Kopf-Schwanz-Verknüpfung)1 und je ca. 10 % n-Hexene (SchwanzSchwanz-Verknüpfung) und 2,3-Dimethylbutene (Kopf-Kopf-Verknüpfung). Mit sterisch anspruchsvolleren Phosphanen werden zunehmend die hochverzweigten Dimere (2,3Dimethylbutene) gebildet, z. B. mit P(i-Pr)2(t-Bu) zu ca. 80 %. Die Katalysatoren weisen eine herausragende Aktivität auf: Mit [Ni(Ș3-C3H5)(PCy3)]/AlEtCl2 in Chlorbenzol werden Um-
1
Bei Vinyl- und Vinylidenmonomeren H2C=CHR bzw. H2C=CRR’ wird das höher substituierte Ende als „Kopf“ (head, H) und die CH2-Gruppe als „Schwanz“ (tail, T) bezeichnet.
Nickeleffekt und nickelkatalysierte Dimerisation von Ethen
129
satzfrequenzen (TOF) von ca. 2,1·108 mol Propen/(mol Ni · h) erreicht (experimentelle Werte von –55 bis–75 °C auf 25 °C extrapoliert), so dass ca. 150 t Produkt/(g Ni · h) gebildet werden. Das entspricht der Aktivität von sehr aktiven Enzymen1 [Bog 1980]. Die so genannte nicht-regioselektive Dimerisation ohne Phosphanzusatz liefert ca. 20 % nHexene, 75 % Methylpentene und 5 % Dimethylbutene. Die Aktivität des phosphanfreien Katalysators beträgt etwa 1/15 des oben angegebenen Wertes. Sie ist von technischer Bedeutung (Dimersol-Prozess vom IFP, Institut Français du Pétrole) [M7]. Die gebildeten Hexene werden Benzin zur Erhöhung der Octanzahl zugesetzt. In analoger Weise werden n-Butene zu Octenen dimerisiert.
Aufgabe 8.1 Formulieren Sie die Reaktionsprodukte der (nicht-regioselektiven) Propendimerisation. Vernachlässigen Sie dabei nachfolgende Doppelbindungsisomerisierungsreaktionen.
Ionische Flüssigkeiten, bestehend aus 1,3-Dialkylimidazolium-Kationen (vgl. Exkurs, S. 130: 3) und Chloroaluminaten als Anionen, erwiesen sich als erstklassiges Lösungsmittel für die Nickel-Dimerisationskatalysatoren des Dimersol-Prozesses. Dabei fungiert die latent Lewisacide ionische Flüssigkeit auch als Cokatalysator, denn in Mischungen eines Imidazoliumchlorids [3]Cl mit überschüssigem AlCl3 ([3]Cl : AlCl3 < 1) kommt es zunehmend zur Bildung von höher aggregierten Chloroaluminaten ([AlCl4]– ĺ [Al2Cl7]– ĺ [Al3Cl10]–), die Lewis-acid sind. Wegen der fast vollständigen Nichtmischbarkeit der Hexene bei der C3bzw. der Octene bei der C4-Dimerisation mit der ionischen Flüssigkeit liegt eine Zweiphasenkatalyse vor und die Produktabtrennung erfolgt einfach durch Phasenseparation. Das entsprechende Verfahren, dessen technische Machbarkeit nachgewiesen ist, heißt Difasol-Prozess (IFP). Im Vergleich mit dem Dimersol-Prozess werden höhere Dimer-Selektivitäten erreicht; eine wesentlich höhere Reaktionsgeschwindigkeit und ein geringerer Katalysatorverbrauch hat deutlich höhere Raum–Zeit-Ausbeuten zur Folge [M8]. Für die Dimersation von Ethen zu But-1-en findet auch ein lösliches titanhaltiges Katalysatorsystem (Ti(OR)4/AlR’3; R, R’ = Alkyl; 50 °C, 25 bar) Verwendung (Alphabutol-Prozess vom IFP). Es wird sehr reines But-1-en erhalten wird, da praktisch keine Isomerisierung zu But-2-en (< 0,01 %) erfolgt. Trimere (C6, ca. 7 %) und höhere (C8+, < 1 %) Kohlenwasserstoffe werden durch einfache Destillation abgetrennt [Com 1997].
1
Die Aktivität von Enzymen wird durch die Wechselzahl charakterisiert, die angibt, wie viele Substratmoleküle von einem Enzymmolekül pro Sekunde unter optimierten Bedingungen umgesetzt werden. Die Wechselzahlen vieler Enzyme liegen zwischen 15 und 150 s–1 (20–38 °C), extrem hohe Wechselzahlen weisen Carboanhydrase (6·105 s–1) und Katalase (8·104 s–1) auf. Die Wechselzahl des oben angegebenen Katalysators beträgt 6·104 s–1.
130
Oligomerisation von Olefinen
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Ionische Flüssigkeiten Nicht-wässrige ionische Flüssigkeiten sind Salze, die unterhalb von 100 °C schmelzen, typischerweise aber bei Raumtemperatur bereits flüssig sind. Sie bestehen aus großvolumigen organischen Kationen (vgl. die Beispiele 1–5; R, …, R’’’ = Alkyl) und meistens schwach koordinierenden Anionen wie [BF4]–, [PF6]–, [SbF6]–, [AlCl4]–, CF3CO2–, CF3SO3–, RSO3–, ROSO3–. +
R'' N
R'
R'''
R 1
R'
+
R'' P R'''
R
+
+
R
2
N
N 3
R' R'
N R 4
S R
+
R''
5
Durch unterschiedliche Kation–Anion-Kombinationen ist eine breite Variation ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften möglich. Sie weisen eine hohe Ionenleitfähigkeit auf und haben als Salze keinen messbaren Dampfdruck unterhalb ihrer Zersetzungstemperatur. Bei ionischen Flüssigkeiten kann eine hohe Polarität mit einer geringen Nucleophilie einhergehen und sie können – z. B. mit Tetrafluoroborat- oder Triflatanionen – hydrolysestabil sein. Durch ihre Lösungseigenschaften für organische und anorganische Verbindungen sowie einer definierten Mischbarkeit bzw. Nicht-Mischbarkeit mit anderen Flüssigkeiten verknüpft mit einer im Allgemeinen hohen Umweltverträglichkeit und Nichtbrennbarkeit sind ionische Flüssigkeiten eine attraktive Alternative zu konventionellen organischen Lösungsmitteln. Ionische Flüssigkeiten haben als neuartige Lösungsmittel in der metallorganischen Komplexkatalyse Eingang gefunden. Sie weisen in Abhängigkeit von der Struktur des Kations und Anions ganz unterschiedliche Lewis-Basizitäten bzw. -Aciditäten auf. Das lässt eine gezielte Beeinflussung von Katalysator–Lösungsmittel-Wechselwirkungen zu, die eine Optimierung katalytischer Prozesse hinsichtlich Selektivität, Aktivität und Stabilität ermöglicht. Oftmals ist bei ionischen Flüssigkeiten eine mehrphasige Reaktionsführung möglich, so dass sie geeignete Lösungsmittel für Zweiphasenkatalysen darstellen [Was 2003, Dys 2004, Wil 2004]. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
8.3 Trimerisation von Ethen Durch den gestiegenen Bedarf von Hex-1-en als Comonomer bei der Ethenpolymerisation zu LLDPE (vgl. S. 145), hat eine selektive Trimerisation von Ethen zunehmend an Bedeutung erlangt. Sie ist insbesondere mit chrom- und titanhaltigen Katalysatorsystemen möglich, der Mechanismus ist in Abbildung 8.3 angegeben. Im Einzelnen werden folgende Reaktionsschritte durchlaufen: 1 ĺ 2: Ligandanlagerung/-abspaltung. Koordination von Ethen an einen Metallkomplex mit niedriger Oxidationsstufe führt zu einem Bis(Ș2-ethen)-Komplex. 2 ĺ 3: Oxidative Kupplung/reduktive Spaltung. Oxidative Kupplung ergibt unter Erhöhung der Oxidationsstufe von M um zwei Einheiten einen Metallacyclopentankomplex. 3 ĺ 4 ĺ 5: Ligandanlagerung/Insertion. Koordination von Ethen gefolgt von der Insertion von Ethen in eine M–C-Bindung führt zu einem Metallacycloheptankomplex. 5 ĺ 6 ĺ 1: ȕ-H-Eliminierung/reduktive Eliminierung. Hex-1-en wird durch Übertragung eines ȕ-Wasserstoffatoms auf das Metall gefolgt von einer reduktiven C–H-Eliminierung ge-
Trimerisation von Ethen
131
Abbildung 8.3. Zum Mechanismus der selektiven Trimerisation von Ethen.
bildet. Nicht notwendigerweise wird dabei eine Alkylhydrido-Zwischenstufe 6 durchlaufen, das H-Atom kann auch direkt – assistiert durch agostische C–H···M-Wechselwirkungen – auf das C-Atom übertragen werden. 3 ĺ 1: ȕ-H-Eliminierung/reduktive Eliminierung. Auf analoge Weise wie die zuvor beschriebene Trimerisation ist auch eine Ethendimerisierung möglich, wobei der Metallacyclopentankomplex 3 via ȕ-H- und reduktiver Eliminierung zu Buten und dem Katalysatorkomplex 1 zerfällt.
Aufgabe 8.2 Experimentelle Untersuchungen legen für den Alphabutol-Prozess (S. 129) einen analogen Mechanismus nahe. Formulieren Sie ihn. 2-Ethylbut-1-en und 3-Methylpent-1-en sind die Hauptbestandteile der C6-Fraktion. Wie erklären Sie ihre Bildung?
Setzt man als Präkatalysator Trichlorotitan(IV)-Verbindungen mit einem funktionalisierten Cyclopentadienylliganden wie 7 und Methylaluminoxane (MAO, vgl. S. 154) als Cokatalysator ein, werden bezüglich der Trimerisation hohe Selektivitäten (97 %, davon 86 % Hex-1-en und 14 % C10-Olefine durch Einbeziehung von Hexen in Trimerisation) und hohe Aktivitäten (> 12000 mol C6/(mol Ti · h)) erreicht [Dix 2004].
132
3
Oligomerisation von Olefinen
7 / MAO
Ti Cl
Toluol, 30 °C, 25 bar
Cl Cl
Ti
MAO
7
8
Der Mechanismus dieser Reaktion ist gut untersucht. Der Präkatalysator 7 reagiert mit MAO in Gegenwart von Ethen unter Abspaltung von oligomeren Olefinen und Alkanen zum eigentlichen Katalysator, einem kationischen Titan(II)-Komplex 8 (entspricht 1 mit [M] = [Ti(Ș5C5H4CMe2Ph)]+ in Abb. 8.3). Dabei handelt es sich um einen Komplex mit einem hemilabilen (2-Phenylprop-2-yl)cyclopentadienyl-Liganden. Die Ș5-Cyclopentadienylgruppe ist fest am Titan koordiniert. Quantenchemische Rechnungen zeigen, dass in den koordinativ ungesättigten Zwischenstufen 1, 2, 3 und 5 (Abb. 8.3) zusätzlich ʌ-Wechselwirkungen zwischen dem Aromaten und dem Titan bestehen. Der hochungesättigte Komplex 1 hat einen sehr stark koordinierten Ș6-gebundenen Benzolliganden. Erwartungsgemäß sind die ʌ-Wechselwirkungen im Titan(II)-Komplex 2 stärker als im Titan(IV)-Komplex 3. Das entspricht auch genau den Erfordernissen, weil damit nach erfolgter oxidativer Kupplung (2 ĺ 3) die Koordinationsstelle für den neuen Ethenliganden (3 ĺ 4) leichter zugänglich wird [Tob 2003]. Weiterhin zeigen die Rechnungen, dass die Zwischenstufe 6 ([M] = [Ti(Ș5-C5H4CMe2Ph)]+) nicht durchlaufen wird, sondern eine konzertierte H-Übertragung und reduktive Eliminierung stattfindet. Dagegen zersetzt sich der konformativ weniger flexible Titanacyclopentankomplex 3 deutlich langsamer unter Butenbildung (3 ĺ 1) durch konsekutive ȕ-H- und reduktive C–H-Eliminierung. Das ist eine wesentliche Ursache für die hohe Selektivität bezüglich der Trimerisation. Eine Reihe chromhaltiger Katalysatorsysteme sind beschrieben, die sich durch eine hohe Aktivität, Selektivität und thermische Stabilität auszeichnen. Dabei gibt es sowohl Belege für einen Oxidationsstufenwechsel zwischen CrI und CrIII als auch zwischen CrII und CrIV [McG 2006]. Untersuchungen an Modellsystemen einschließlich der Synthese und strukturellen Charakterisierung von Chromacycloheptankomplexen wie Komplex 9 als Beispiel und deren thermische Zersetzung zu Hex-1-en (im Falle von 9 neben Buten/Ethen als Hauptprodukt) zeigen, dass der in Abb. 8.3 gezeigte Mechanismus zutreffend ist. (23 %)
200 °C Me2 N
Cr
+
+ ...
9
Bei der Phillips Petroleum ist ein Katalysatorsystem entwickelt worden (Cr[O2CCH(Et)Bu]3, 2,5-Dimethylpyrrol, AlEt2Cl/AlEt3 in Toluol), das mit hoher Aktivität (ca. 105 mol Hex-1-en/(mol Cr · h); 115 °C, 100 bar) und Selektivität Hex-1-en (93 % Hex-1-en, < 1 % andere Hexene, 5 % Decene) liefert. In Hexachlorethan kann mit AlEt3 als Cokatalysator eine Aktivität von 2,3 · 106 mol Hex-1-en/(mol Cr · h) (105 °C, 50 bar) erreicht werden. Chevron-Phillips hat 2003 in Katar eine technische Anlage zur Synthese von Hex-1-en (50000 t/a) in Betrieb genommen [Dix 2004].
Der Shell Higher Olefin Process (SHOP)
133
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Hemilabile Liganden Hemilabile Liganden sind flexidentate Chelatliganden, die im Verlaufe eines Katalysezyklus mit unterschiedlicher Zähnigkeit am Zentralatom gebunden sind. Dieser Vorgang ist reversibel: X
X
[M]
[M]
Y
Y
Hemilabile Liganden können genau dann – also temporär – Koordinationsstellen freigeben, wenn sie im Katalysezyklus benötigt werden, z. B. für die Koordination eines Substratmoleküls oder eine ȕ-H-Eliminierung. Die Alternative, dass diese Koordinationsstellen permanent zur Verfügung stehen, führt zu koordinativ ungesättigten, weniger stabilen Komplexen. Darüber hinaus wird durch den Wechsel der Koordination des hemilabilen Liganden das Reaktionszentrum elektronisch beeinflusst, was die Reaktion hinsichtlich Aktivität und/oder Selektivität befördern kann. Hemilabile Liganden verfügen im Allgemeinen über eine substitutionsinerte und eine -labile Donorguppe. Als substitutionslabile Gruppen kommen n- und ʌ-Donorliganden in Betracht, wie die Beispiele 1–3 bzw. 4 belegen. Eine wichtige Rolle spielen auch ı-Donorliganden, und zwar CH-Gruppen, die über agostische C–H···M-Wechselwirkungen koordiniert sind (5). In speziellen Fällen kann auch das am Metall gebundene Produkt hemilabiler Ligand sein. So kann z. B. bei Polymerisationen/Copolymerisationen ein n-Donoratom (6) oder eine ȕ-CH-Gruppe (7) der wachsenden Polymerkette P als substitutionslabile Gruppe auftreten. P [M] O R 1
P [M] O P 2
P
P [M] O C OR 3
[M]
[M]
H 4
CH2
5
[M] O 6
P
H2 P C [M] CH H 7
(Die substitutionslabilen Gruppen sind nach unten gezeichnet, siehe Pfeil.) Hemilabile Liganden spielen auch in der Koordinationschemie eine große Rolle [Sch 2000].
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
8.4 Der Shell Higher Olefin Process (SHOP) Die Olefinmetathese erfährt im Shell Higher Olefin Process (SHOP) eine bedeutende technische Anwendung. Es handelt sich um ein Verfahren zur Herstellung von linearen Į-Olefinen (C12–C18) aus Ethen. Dieses kann mit einer Hydroformylierung gekoppelt werden, so dass die entsprechenden Aldehyde bzw. Alkohole erhalten werden. Aus dem Fließschema in Abbildung 8.4 geht hervor, dass der Shell Higher Olefin Process eine Kombination von Oligomerisation, Isomerisierung und Olefinmetathese ist. Im Einzelnen besteht die Anlage aus folgenden Apparaten:
Oligomerisationsreaktor (a). Ethen wird nickelkatalysiert zu linearen Į-Olefinen oligomerisiert (Lösungsmittel: Butan-1,4-diol). Phasenabscheider (b). Das Oligomerengemisch ist mit dem Lösungsmittel, in dem der Katalysator gelöst ist, nicht mischbar und wird durch einfache Phasenseparation abgetrennt.
134
Oligomerisation von Olefinen
Destillationskolonne (c). Das Oligomerengemisch wird in die gewünschten Olefinfraktionen aufgetrennt. Isomerisierungsreaktor (d). Die Į-Olefine mit zu hoher C–Zahl werden einer Doppelbindungsisomerisierung unterworfen, wobei Olefine mit innenständigen Doppelbindungen gebildet werden. Gegebenenfalls werden Į-Olefine mit geringerer C–Zahl zugesetzt. Metathesereaktor (e). Die Metathese des Gemisches innerer Olefine führt zu einem Olefingemisch, das der gewünschten C-Zahlverteilung näher kommt. Destillationskolonne (f). Destillative Auftrennung des Olefingemisches und Rückführung der Olefine mit zu kleiner und zu großer Kettenlänge in den Metathese- (e) bzw. Isomerisierungsreaktor (d).
(C4C10)
Ethen a
b
c
D-Olefine (C12C18)
Katalysator / Lösungsmittel > C20
d
(C4C10) < C10
e
f
Olefine (C10C14)
> C14
Abbildung 8.4. Fließschema des Shell Higher Olefin Process (SHOP) (nach A. Behr „Hydrocarbons“ in [M14]).
Oligomerisation Die Oligomerisation von Ethen wird in flüssiger Phase an Nickelkatalysatoren in polaren Lösungsmitteln wie Butan-1,4-diol bei 80–120 °C und 7–14 MPa durchgeführt. Die gebildeten Olefine sind mit dem Lösungsmittel nicht mischbar, so dass der in Butandiol gelöste Katalysator vom Produkt durch einfache Phasenseparation abgetrennt wird (Zweiphasenkatalyse). Es werden lineare Olefine von C4 bis C30+ mit einer ungewöhnlich hohen Linearität (ca. 99 %) und nur einem geringen Anteil an inneren Olefinen (1–2 %) erhalten. Als Präkatalysa-
Der Shell Higher Olefin Process (SHOP)
135
toren werden Nickelkomplexe vom Typ [NiR(P O)(PR’3)] (P O = anionischer P,O-Chelatligand) eingesetzt. Der Mechanismus der Oligomerisationsreaktion ist im folgenden Schema mit [NiPh(Ph2PCH2COO-țO,țP)(PPh3)] (1) als Präkatalysator wiedergegeben. n C2H4
O
Ph2 P Ph Ni PPh3 O 1
PPh3 + PPh3
O
Ph2 P Ni Ph O 2
Ph2 P Ni H O
+ C2H4 PhHC CH2
O 3
O
Ph2 P Ni O 4
n
H
D-Olefine
Durch Abspaltung von Triphenylphosphan wird ein koordinativ ungesättigter (14 ve) Phenylnickel(II)-Komplex erzeugt (1 ĺ 2). Das ermöglicht die Insertion von Ethen in die Ni–CBindung unter Bildung eines 2-Phenylethylkomplexes, der in einer ȕ-Hydrideliminierung den eigentlichen Katalysator, einen Hydridonickel(II)-Komplex, bildet (2 ĺ 3). Mehrfache Insertion von Ethen in die Ni–H- bzw. Ni–C-Bindung gibt einen Nickelkomplex mit einem oligomeren Alkylliganden (3 ĺ 4). Durch ȕ-Hydrideliminierung wird das Į-Olefin abgespalten, wobei der Hydridokomplex zurückgebildet wird (4 ĺ 3).
Isomerisierung Der linearen Ethenoligomerisation folgt eine Destillation. Olefine mit der gewünschten CZahl (z. B. C12–C18) werden abgetrennt. Solche mit zu niedriger und zu hoher C-Zahl werden einer Doppelbindungsisomerisierung unterzogen. Sie erfolgt in flüssiger Phase an Magnesiumoxid-Katalysatoren (80–140 °C, 0,3–2 MPa). Im Ergebnis werden ca. 90 % Olefine mit innerer Doppelbindung erhalten.
Olefinmetathese Der Isomerisierung schließt sich eine Olefinmetathese an, die gewöhnlich an heterogenen Rhenium- oder Molybdänkatalysatoren durchgeführt wird. Es wird eine Mischung von (gerad- und ungeradzahligen) inneren Olefinen mit einer völlig neuen Kettenlängenverteilung erhalten. Durch Destillation wird die gewünschte Fraktion (z. B. C10–C14) abgetrennt. Die längerkettigen Olefine (C14+) werden der Isomerisierung zugeführt. Die kurzkettigen Olefine werden in den Metathesereaktor eingespeist. Der hohe Anteil an kürzerkettigen Olefinen in der Metathesereaktion bedingt eine Verschiebung der Doppelbindung in Richtung Kettenende. Isomerisierung und Metathese liefern lineare innere Olefine der gewünschten Kettenlänge, die durch Hydroformylierung direkt in n-Aldehyde übergeführt werden können (S. 77). Die Metathesereaktion gewährleistet eine vollständige stoffliche Verwertung: Olefine mit zu geringer und zu hoher C-Zahl werden im Kreislauf immer wieder dem Metathesereaktor zugeführt. Zuvor müssen Į-Olefine einer Doppelbindungsisomerisierung unterzogen werden.
136
Oligomerisation von Olefinen
Das Gleiche trifft für langkettige Olefine mit Doppelbindungen nahe dem Kettenende zu. Eine interessante Variante im Shell Higher Olefin Process ist die Metathese des hochsiedenden Anteils (C20+ mit inneren Doppelbindungen) mit Ethen, die direkt zu Į-Olefinen der gewünschten Kettenlängen führt. Weltweit beläuft sich die Produktionskapazität an SHOP-Anlagen auf 1,2 · 106 t/a lineare Į- und innere Olefinen (2002).
Aufgabe 8.3 Vergegenwärtigen Sie sich, dass die Stellung der Doppelbindung bei der Olefinmetathese und die Konzentrationsverhältnisse entscheidenden Einfluss auf die C-Zahlverteilung des Produktgemisches haben. (Zur Vereinfachung bezeichnen wir hier Alkylidengruppen einfach mit der Anzahl der C-Atome.) Es liegen die isomeren unverzweigten Olefine C20H40 vor: a) C9H19–CH=CH–C9H19 (Abkürzung: C10=C10), b) C14H29–CH=CH–C4H9 (Abkürzung: C15=C5) und c) C18H37–CH=CH2 (Abkürzung: C19=C1). Sie werden jeweils einer Metathese mit einer gleichmolaren Menge an But-2-en (Abkürzung: C2=C2) unterworfen. Geben Sie die jeweilige Gleichgewichtszusammensetzung an. Wie ist die Produktverteilung, wenn C9H19–CH=CH–C9H19 (Abkürzung: C10=C10) mit But-2-en (Abkürzung: C2=C2) im Molverhältnis 1 : 9 einer Metathese unterworfen wird?
Į-Sablin-Verfahren Zur Herstellung von Ethenoligomeren ist jüngst von Linde und Sabic (Saudi-Arabien) das ĮSablin-Verfahren entwickelt worden [Böl 2004, Fri 2005]. Das Verfahren basiert darauf, dass sich Zirconium(IV)-carboxylate Zr(O2CR)4 (R = C3–C7-Alkyl) mit Aluminiumalkylen als Cokatalysator als sehr gute Katalysatoren für die Ethenoligomerisation erwiesen haben. Es handelt sich also um ein Ziegler-Katalysatorsystem, bei dem – im Unterschied zu typischen Polymerisationskatalysatoren – die E-H-Eliminierung eine vergleichsweise geringe Aktivierungsbarriere aufweist, so dass Ethenoligomere erhalten werden (vgl. S. 139). Die Oligomerisation wird in Toluol als Lösungsmittel bei 20–30 bar und 60–100 °C durchgeführt. Das Produktverhältnis kann in einfacher Weise durch das Zr/Al-Verhältnis gesteuert werden, denn mit steigendem Gehalt an Cokatalysator nimmt der Anteil an C4–C10-Olefinen zu. Es werden sehr selektiv Į-Olefine C4–C20+ gebildet, so dass nach Zerstörung des Katalysators durch Zugabe von H2O oder ROH eine fraktionierte Destillation zur Produkttrennung genügt. 2006 ist die erste kommerzielle Anlage (150000 t/a) in Saudi-Arabien in Betrieb genommen worden.
Verwendung von linearen Į-Olefinen Lineare Į-Olefine (LAO = linear Į-olefin) finden vielfältige Verwendung, die kürzerkettigen (C4–C8) hauptsächlich als Comonomer bei der Herstellung von Polyethen (LLDPE) und von anderen Polymeren. LAO’s mittlerer Kettenlänge (C8–C12) werden als Ausgangsstoffe zur Herstellung von synthetischen Schmiermitteln verwendet. LAO’s der Kettenlängen C12–C18 werden zu Wasch- und Reinigungsmitteln weiterverarbeitet, während die langkettigen (C18+) zu Weichmachern verarbeitet oder direkt als Schmiermittel und Bohrflüssigkeit eingesetzt werden. Weltweit beläuft sich die Produktion an Į-Olefinen auf ca. 3,4·106 t/a (2002). Etwa die Hälfte davon sind als Comonomer in der Polymerherstellung, 1/4 zur Herstellung von Detergenzien und 15 % zur Herstellung von Schmiermitteln eingesetzt worden.
9
Polymerisation von Olefinen
9.1 Einführung Polyolefine gehören zu den wichtigsten synthetischen Polymeren. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts hat Hermann Staudinger (Univ. Freiburg; Nobelpreis 1953) grundlegende Vorstellungen zur Struktur von Makromolekülen entwickelt. Untersuchungen zur Natrium- und zur radikalisch initiierten Polymerisation von Dienen ab 1910 haben in den 30er Jahren zur großtechnischen Produktion von Synthesekautschuk geführt. Bereits um 1930 sind die ersten industriellen Verfahren zur radikalischen Polymerisation von Vinylchlorid, -acetat und Styrol entwickelt worden. Es gibt vier grundlegende Mechanismen, nach denen sich die Polymerisation von Olefinen vollziehen kann. Die Namensgebung leitet sich von der Natur der reaktiven Zwischenverbindung ab, wie aus den nachfolgend wiedergegebenen Wachstumsschritten (P = wachsende Polymerkette) zu erkennen ist.
Radikalische Polymerisation. Radikalische Polymerisationen werden durch Radikalinitiatoren (z. B. Dibenzoylperoxid) gestartet. H R H
H
R
H
H
H R H R H P H H H
P H
Kationische Polymerisation. Initiatoren für kationische Polymerisationen sind BrønstedSäuren (z. B. H2SO4) oder Lewis-Säuren (z. B. BF3) in Gegenwart von Wasser- oder Alkoholspuren. H R H
H
R
H
H
H R H R H P H H H
P H
Anionische Polymerisation. Initiatoren für anionische Polymerisationen von Dienen und Vinylverbindungen mit Akzeptorsubstituenten sind Basen (z. B. Natriumamid, Lithiumalkyle). H R H P H
H
R
H
H
H R H R H P H H H
138
Polymerisation von Olefinen
Koordinative (metallkomplexkatalysierte) Polymerisation. Als Katalysatoren fungieren Organoübergangsmetallkomplexe, die aus einer Übergangsmetallverbindung und einem Cokatalysator (z. B. TiCl4/AlEt3) generiert werden. H R H
[M] P H
H
R
H
H
H R H R H
[M] P H H H
Wir werden uns im Folgenden mit der metallkomplexkatalysierten Polymerisation von Ethen und Propen befassen.1 Die radikalische Polymerisation von Ethen ist erst in der zweiten Hälfte der 30er Jahre bei der ICI (Imperial Chemical Industries, Großbritannien) entwickelt worden (1939: erste kleintechnische Anlage), also nach der Polymerisation von Vinylverbindungen mit elektronenziehenden Substituenten. Eine radikalische Polymerisation von Propen zu technisch brauchbaren Polymeren erwies sich als nicht möglich.
9.2 Ethenpolymerisation 9.2.1 Ziegler-Katalysatoren Der Nickeleffekt (vgl. S. 125) war für Karl Ziegler Veranlassung, die katalytische Wirkung von Übergangsmetallverbindungen mit Aluminiumalkylen zu untersuchen. So wurde im Herbst 1953 entdeckt, dass die Kombination von TiCl4 mit AlEt3 in Benzin Ethen bei Raumtemperatur und Normaldruck zu Polyethen hoher Kristallinität (HDPE: high density polyethene) polymerisiert. Die Bedeutung dieser Entdeckung wird offensichtlich, wenn man bedenkt, dass Polyethen bislang nur durch radikalische Polymerisation bei 200 °C und einem Druck von ca. 1000–2000 bar zu erhalten war [Zie 1955]. Wenig später (1954) ist von Giulio Natta (Institute of Technology, Mailand) gefunden worden, dass sich Propen mit Ziegler-Katalysatoren zu völlig neuartigen Polymeren umsetzt, denen eine stereoreguläre Polymerisation zugrunde liegt. Die Entdeckung der metallorganischen Mischkatalysatoren2 und der Nachweis der stereoselektiven Polymerisation mit diesen Katalysatoren markiert den Beginn der modernen Kunststoffproduktion. 1963 sind diese für die Chemie bahnbrechenden Entdeckungen mit der Verleihung des Nobelpreises für Chemie an K. Ziegler und G. Natta gewürdigt worden. 1 Wir bezeichnen hier Polymere mit den allgemein bekannten halbsystematischen Namen, die sich vom Monomer ableiten und die z. T. auch Handelsnamen sind. Von den systematischen Namen, die auf der Benennung einer strukturellen Wiederholungseinheit (engl: constitutional repeating unit) basieren, machen wir bei einfachen Polymeren keinen Gebrauch. Beispiel: –(CH2–CH2)n– wird als „Polyethen“ oder „Polyethylen“, nicht aber als „Poly(methylen)“ bezeichnet. 2 Ziegler selbst hat die Katalysatoren „metallorganische Mischkatalysatoren“ oder „Mülheimer Katalysatoren“ genannt. Sie werden in der Literatur als Ziegler- oder Ziegler-Natta-Katalysatoren bezeichnet. Im weitesten Sinne versteht man darunter eine Kombination aus einer Übergangsmetallverbindung (vorzugsweise ein Halogenid) der Gruppen 8–10 mit einem Hauptgruppenmetallalkyl, -aryl oder -hydrid der Gruppe 1, 2, 13 oder 14, die Ethen oder Į-Olefine zu polymerisieren vermag.
Ethenpolymerisation
139
Die Polymerisation findet am Übergangsmetall (Titan) statt. Die wachsende Polymerkette ist am Titan ı-koordiniert (1, P = wachsende Polymerkette). Das Kettenwachstum erfolgt durch eine – im Vergleich mit Abbruchreaktionen – schnelle Abfolge von Olefinkoordination (1 ĺ 2) und Insertion des koordinierten Olefins in die Ti–C-Bindung (2 ĺ 1’). H2 C
+
[Ti]
[Ti]
P
P
[Ti]
CH2
2
1
CH2
[Ti]
P
3
P
1'
Bei der Insertion (2 ĺ 1’) handelt es sich um eine syn-Addition. Nach Cossee und Arlman (1964) findet eine cis-Wanderung (migratorische Insertion) der ı-gebundenen Polymerkette an das koordinierte Olefin über einen Vierzentren-Übergangszustand 3 statt. Das ist grundlegend: Die Polymerisation vollzieht sich an zwei Koordinationsstellen, an denen abwechselnd das Monomer und die Polymerkette gebunden sind. Die wichtigste Kettenabbruchreaktion ist die ȕ-Hydrideliminierung, bei der ein Wasserstoffatom der Polymerkette auf das Titan (1 ĺ 4) bzw. auf das koordinierte Olefin übertragen wird (2 ĺ 5). In beiden Fällen wird das Katalysatorzentrum nicht desaktiviert, denn durch Insertion von Ethen in die Ti–H- bzw. Ti–C-Bindung kann eine neue Kette gestartet werden. Demgegenüber führt eine homolytische Spaltung der Metall–Kohlenstoff-Bindung (1 ĺ 6) zur Katalysatordesaktivierung. Die ersten beiden Abbruchreaktionen liefern Polymere mit olefinischen Endgruppen. Erfolgt bei der homolytischen Spaltung eine Stabilisierung des Kohlenstoffradikals durch Disproportionierung (H-Übertragung), werden Polymere mit gesättigten und ungesättigten Endgruppen im Verhältnis 1 : 1 gebildet. H [Ti]
P
H
P
2
[Ti]
P [Ti]
Kettenneustart 5
P 1
Kettenneustart 4
1
[Ti]
H
[Ti]
P
[Ti]
P
H2C
6 1/2
P
+
P
Bei der Katalysatorgenerierung wird eine koordinativ ungesättigte ı-Organotitanverbindung gebildet. Dabei kommt – vergleichbar der nickelkatalysierten Dimerisation von Ethen – dem Cokatalysator, einer Alkylaluminiumverbindung, eine alkylierende und eine Lewis-acide
140
Polymerisation von Olefinen
Funktion zu. Titanhaltige Katalysatorsysteme können in ihrer katalytisch aktiven Form TiIII oder TiIV enthalten. Beim klassischen Ziegler-Katalysatorsystem (TiCl4/AlEt3 in Benzin) erfolgt zunächst über TiEtCl3 (2) als Zwischenverbindung Reduktion von TiCl4 (1). Es bildet sich TiCl3 (3), das als faseriger Feststoff ausfällt. + AlEt3
TiCl4
AlEt2Cl
1
{TiCl3}s +
TiEtCl3 2
1/2 (C2H4 + C2H6)
3
Der Cokatalysator AlEt3 (oder auch AlClxEt3–x, x = 0, 1, 2) ethyliert TiCl3 zum einen an der Oberfläche (alkylierende Funktion) und ermöglicht zum anderen durch Bildung von Chloroethylaluminaten [AlClx+1Et3–x]– die Ethenkoordination (Lewis-acide Funktion). Somit handelt es sich um eine heterogene Katalyse mit typischen metallorganischen Spezies an der Oberfläche. Da der Prozess aber die charakteristischen Merkmale einer homogenen Katalyse aufweist (siehe S. 9) und es analoge homogene Katalysatorsysteme gibt, ist die Behandlung an dieser Stelle gerechtfertigt. Bereits Ende der 50er Jahre (Breslow und Newburg sowie Natta und Pino) ist ein homogenes System gefunden worden ([TiCl2Cp2]/AlEt2Cl). Es war von vergleichsweise geringer Aktivität, hat aber wertvolle Dienste bei der Klärung des Mechanismus geleistet. In diesem Fall ist das vierwertige Titan katalytisch aktiv; Reduktion zu TiIII führt zur Katalysatordesaktivierung. Die Katalysatorgenerierung beinhaltet eine Alkylierung von Titanocendichlorid durch den Cokatalysator (1 ĺ 2) und die Bildung eines 1:1-Komplexes vermittels der Lewis-aciden Wirkung der Aluminiumverbindung (2 ĺ 3). Cl Ti Cl 1
+ AlEt2Cl
Et Ti
AlEtCl2
+ AlEtCl2
Et Ti
Cl 2
ClAlEtCl2 3
Unter der Einwirkung von weiterem Cokatalysator kann das Ethylchloroaluminat-Anion [AlEtCl3]– aus 3 durch Ethen verdrängt werden und die Polymerisation verläuft wie oben beschrieben. Später ist an analogen Zirconocensystemen gezeigt worden, dass die eigentlich polymerisationsaktiven Spezies kationische Komplexe vom Typ [ZrCp2P]+ (P = wachsende Polymerkette) sind. Hochaktive Katalysatorsysteme werden dann erhalten, wenn das Anion so schwach Lewis-basisch ist, dass es nicht die Koordination des Olefins an das Metallzentrum behindert. Geeignete Anionen sind das perfluorierte Tetraphenylborat-Anion [B(C6F5)4]– und methylierte Methylaluminoxane [MAO–Me]–, die bei „Metallocenkatalysatoren“ auch technische Bedeutung erlangt haben. Im Gegensatz zur radikalischen Ethenpolymerisation liefert die koordinative Polymerisation streng lineare Polymere. Verzweigungen treten als Nebenreaktionen auf, wenn anstelle Ethen ein Polymer/Oligomer mit ungesättigter Endgruppe in die wachsende Polymerkette eingeschoben wird. Klassische Ziegler-Katalysatoren liefern etwa 1,2 Methylverzweigungen pro 1000 C-Atome. Die Kettenlänge der Polymere lässt sich durch das Geschwindigkeitsverhältnis von Einschubreaktion und ȕ-H-Eliminierung (Kettenabbruch) steuern. Niedrige Temperaturen und hoher Ethendruck begünstigen das Kettenwachstum, während höhere Temperaturen
Ethenpolymerisation
141
und geringer Ethendruck zu verstärkten Kettenabbrüchen führen. Zur Molmassensteuerung können auch Regulatoren wie Wasserstoff zugesetzt werden, der durch Hydrogenolyse der M–C-Bindung im Katalysatorkomplex (1 ĺ 2) zum Kettenabbruch führt, ohne den Katalysator zu desaktivieren. + H2
P
[M]
P
[M]H + 2
1
9.2.2 Mechanismus – Vertiefung Der Mechanismus der metallkomplexkatalysierten Polymerisation von Ethen (und anderen ĮOlefinen) ist facetten- und detailreicher als zuvor dargestellt, so dass zum tieferen Verständnis einige Ergänzungen notwendig sind.
Agostische Wechselwirkungen Die Koordination der wachsenden Polymerkette kann durch eine E-agostische C–H···MWechselwirkung stabilisiert sein (1, 2), die bei der Insertion (2 ĺ 3 ĺ 4 ĺ 1’) aufgebrochen werden muss. Bei der Insertionsreaktion selbst kann eine Į-agostische C–H···M-Wechselwirkung im Grundzustand (3) und/oder im Übergangszustand (4) von Bedeutung sein. Eine derartige zusätzliche Fixierung der Konformation der wachsenden Polymerkette kann bei der Polymerisation von Į-Olefinen eine Erhöhung der Selektivität zur Folge haben und durch Stabilisierung des Übergangszustandes die Aktivierungsbarriere herabsetzen [Gru 1996]. P P [M]
H 1
+
H P
[M]
H 2
[M]
H [M] H2C
3
H [M]
P
P CH
P
CH2 1'
4
H [M] CH
P
CH2
H2C 5
H
[M]
6
Würde das Į-H-Atom vollständig auf das Metall übertragen werden, entstünde ein Carbenhydridokomplex 5 (Green, Rooney, 1978). Ausgehend von 5 verläuft die Insertion über einen Metallacyclobutankomplex 6 als Zwischenstufe. Das ist ein entscheidender Unterschied zum „klassischen“ Mechanismus (ohne oder mit Į-agostischer Wechselwirkung), bei dem die Metallacyclobutan-ähnlichen Strukturen 3 auf S. 139 und 4 Übergangszustände sind [Sza 2003]. Welche Bedeutung die hier beschriebenen agostischen Wechselwirkungen im Einzelfall haben, hängt von der Natur des Katalysators ab und ist zum Teil auch nur ansatzweise bekannt.
142
Polymerisation von Olefinen
Kettenabbruchreaktionen (ohne Katalysatordesaktivierung) ȕ-Agostische Wechselwirkungen in den Komplexen 1 und 2 können eine Kettenübertragung via ȕ-Hydrideliminierung (1 ĺ 7) bzw. ȕ-Hydridübertragung (2 ĺ 9 mit 8 als Übergangszustand) einleiten, wobei Komplexe gebildet werden, in denen die Polymerkette über eine olefinische Endgruppe an das Metall gebunden ist. Durch dissoziativen oder assoziativen Austausch des Polymers gegen das Monomer wird das Wachstum einer neuen Polymerkette gestartet (7/9 ĺ 10). Die wachsende Polymerkette kann in einer Metall–Metall-Austauschreaktion („Transalkylierung“) auf den Cokatalysator übertragen werden. Handelt es sich dabei um eine Ethylaluminiumverbindung, wird [M]–Et gebildet, an dem nach Olefinkoordination eine erneute Polymerkette wächst (1 ĺ 10). P
, [Al]
1) + [Al]
2) +
P
P [M]
[M]
H
1
H 7
[M]
H
P [M]
H
R 10 (R = H, Et)
H
8
2
[M] P
P
P [M]
+n
+
+
9
Kettenverzweigungen Die reversible Bildung von Hydridoolefinkomplexen 7 aus 1 eröffnet den Weg zu methylverzweigten Polymeren, wenn nämlich anstelle der Reinsertion unter M–C1-Bindungsknüpfung (7 ĺ 1) eine Insertion unter mit M–C2-Bindungsknüpfung (7 ĺ 11) abläuft. Mehrfache Wiederholung dieser Reaktion (11 ĺ 7’ ĺ 11’ ĺ ...) liefert höhere Verzweigungen (engl: chain-running). P P
P [M]
+n
[M]
[M]
H
H
7
1
11 P P
P
[M]
[M]
[M] H
11
7'
11'
Ethenpolymerisation
143
Insertionslose Migration Die Polymerisation vollzieht sich an zwei Koordinationsstellen, von denen eine mit dem Monomer und die andere mit der wachsenden Polymerkette Pn besetzt ist. Der „normale“ Reaktionsablauf bei einer migratorischen Insertion (1 ĺ 2 ĺ 3 ĺ 4 ĺ 1’ ĺ …; in 1’ gilt n = n + 2) schließt eine Wanderung der Polymerkette von einer Koordinationsstelle zur anderen ein. Erfolgt eine Wanderung der Polymerkette bevor das Olefin koordiniert ist (3 ĺ 1’; in 1’ gilt n = n + 1), wird also der Zyklus 1 ĺ 2 ĺ 3 ĺ 1’ ĺ … durchlaufen, spricht man von „insertionsloser Migration“ (engl: back-skip) der Polymerkette. Pn [M]
Pn
+
[M]
[M]
Pn
Pn 3
2
1
+
[M]
4 n=n+1
n=n+2
Das kann dann der Fall sein, wenn die freien Koordinationsstellen in 1 und 3 strukturell verschieden sind. Triebkraft könnte z. B. sein, dass die Koordination der raumbeanspruchenden Polymerkette in 3 energetisch ungünstiger als in 1 ist [Gue 1996].
9.2.3 Phillips-Katalysatoren Mitte der 50er Jahre ist bei der Phillips Petroleum Company gefunden worden, dass Chromoxide auf oxidischen Trägern Polymerisationskatalysatoren für Ethen sind. Dazu wird CrO3 auf einen silikatischen Träger 1 aufgebracht und nachfolgendes Calcinieren an der Luft ergibt den Präkatalysator, der CrVI enthält (2). Die Aktivierung des Katalysators erfolgt durch Reduktion mit Ethen oder CO (2 ĺ 3). In den 60er Jahren ist bei der Union Carbide durch Imprägnieren von 1 mit Chromocen ein weiteres heterogenes chromhaltiges Katalysatorsystem 4 entwickelt worden [Wec 1999]. O 1) CrO3 2) ', O2
Cr
O
O O Si O Si
H2C=CH2
Cr O O Si O Si
2
3
OH OH Si O Si 1
[CrCp2]
Cr O OH Si O Si
4
n H2C=CH2
PE
n H2C=CH2
PE
144
Polymerisation von Olefinen
Die genaue Konstitution der Katalysatoren ist nicht bekannt, so dass die Strukturen 2–4 nur schematisch sind. Bei den Phillips-Katalysatoren liegt in der reduzierten Form 3 der Hauptteil des Chroms in der zweiwertigen Form vor. Da aber nur weniger als 1 % des oberflächengebundenen Chroms katalytisch aktiv ist, kann daraus nicht auf die katalytisch aktive Spezies geschlossen werden. Aus einem oberflächengebundenen Bis(neopentyl)chrom(IV)-Komplex 5 wird bereits bei 70 °C Neopentan abgespalten. Der gebildete Neopentylidenchrom(IV)-Komplex (5 ĺ 6) ist gut charakterisiert. Er erwies sich als ein Einkomponenten-Polymerisationskatalysator für Ethen, der in vielen Eigenschaften (Aktivität, Verhalten gegenüber H2 und Diskriminierung zwischen Ethen und höheren Į-Olefinen, Mikrostruktur des Polymeren) den klassischen PhillipsKatalysatoren ähnelt. Durch quantenchemische Rechnungen wird gestützt, dass ein kationischer Chrom(IV)-Komplex 7 der eigentliche Katalysator ist [Amo 2000, Sch 2000]. P t-Bu
t-Bu Cr
O O Si O Si
t-Bu 70 °C
Cr
CH3t-Bu
n H2C=CH2
O O Si O Si
5
Cr O O Si O Si
PE
7
6
Homogen katalysierte Ethenpolymerisationen sind an Chrom(III)-Komplexen beschrieben. So sind die Chrom(III)-Komplexe 8 (E = N, P; R = Alkyl, Aryl; X = Cl, Me) in Gegenwart von Methylaluminoxan (MAO) als Cokatalysator sehr aktive Katalysatoren für die Ethenpolymerisation. Katalytisch aktive Zwischenstufe ist ein kationischer Chrom(III)-Komplex 9, der als Liganden die wachsende Polymerkette und das koordinierte Monomer gebunden hat [The 1997, The 1998]. P Cr E R2 8
X X
n H2C=CH2 (MAO)
Cr E R2 9
9.2.4 Polymertypen und Verfahrenspezifikationen Polymertypen Der Polymerisationsmechanismus bestimmt maßgeblich die Eigenschaften des Polymers. Eine radikalische Polymerisation von Ethen führt zu stark verzweigten Polymeren, die amorph sind und eine geringe Dichte (LDPE: low density polyethene; Grenzwert für 100 % amorphes PE: 0,85 g/cm3) aufweisen. Koordinative Polymerisation ergibt lineare Polymere hoher Kristallinität und Dichte (HDPE: high density polyethene; Grenzwert für 100 %ig kristallines PE: 1,00 g/cm3). Die Copolymerisation von Ethen mit Į-Olefinen wie Buten, Hexen
Ethenpolymerisation
145
Tabelle 9.1. Eigenschaften von drei charakteristischen Polyethentypena) (zusammengestellt nach K. S. Whiteley „Polyolefins“ in [M14]).
PE-Typ
LDPE
HDPE
LLDPE
Dichte (in g/cm3)b)
0,924 (0,91–0,94)
0,961 (0,94–0,97)
0,922 (0,91–0,94)
Kristallinität (in %)
40
67
40
Struktur (Prinzipskizze)
Schmelzpunkt (in °C)
110
131
122
Molmasse Mw (in g/mol)
200000
136300
158100
Kurzverzweigungenc)
23
1,2
26
Elastizitätsmodul (in MPa)
240 (hohe Elastizität)
885 (hohe Steifheit)
199 (hohe Elastizität)
a) LDPE: Repsol PE077/A; HDPE: Hoechst GD-4755; LLDPE: BP LL 0209. b) Typischer Bereich in Klammern. c) Anzahl der Methylgruppen pro 1000 C-Atome.
oder Octen (typischerweise bis zu 10 % Comonomer) ergibt ein lineares Polymer mit kurzen Verzweigungen, das wegen seiner geringen Dichte als LLDPE (linear low-density polyethene) bezeichnet wird. Charakteristische Eigenschaften der verschiedenen Polymertypen sind in der Tabelle 9.1 zusammengestellt.
Verfahrensspezifikationen Polyethen ist der am meisten gebrauchte Kunststoff. Auf ihn entfällt etwa 1/3 der weltweit produzierten Kunststoffe. 1996 betrug die Weltjahresproduktion an Polyethen etwa 40 Millionen Tonnen (2004: ca. 60 Millionen Tonnen) bei einem Verhältnis von LDPE : HDPE : LLDPE von ca. 2 : 2 : 1. Ziegler- und Phillips-Katalysatoren sind etwa im Verhältnis 2 : 1 eingesetzt worden. Die Bedeutung der radikalischen Polymerisation hat stetig abgenommen, 1983 hatte der Anteil an LDPE noch etwa 60 % betragen. In der Tabelle 9.2 sind für die technische Synthese von HDPE und LDPE typische Verfahrensparameter angegeben. Das Niederdruckverfahren mit Ziegler-Natta-Katalysatoren ist erstmals 1957 (Montecatini, Italien) technisch realisiert worden. Es wird gewöhnlich in Suspension unter Verwendung von niedrigsiedenden Kohlenwasserstoffen wie Hexan als Lösungsmittel durchgeführt. Das Polymer ist unter den Verfahrensbedingungen unlöslich und wird zusammen mit dem (unlöslichen) Katalysator durch Filtration abgetrennt. Da Katalysatorreste die Alterung von Polyethen beeinflussen, müssen sie entfernt werden.
146
Polymerisation von Olefinen
Tabelle 9.2. Vergleich von charakteristischen Verfahrensparametern bei der koordinativen und radikalischen Polymerisation von Ethen.
Mechanismus
koordinative Polymerisation
radikal. Polymerisation
Verfahren
Niederdruckverfahren
Mitteldruckverfahren
Hochdruckverfahren (ICI)
Katalysator
z. B. TiCl4/AlEt3
z. B. CrO3/Silikat
0,05–0,1 % Sauerstoffa)
p (in bar)
5–10
20–30
1000–2000
T (in °C)
80–90
100–175
200
Struktur
hohe Kristallinität, unverzweigt linear
langkettig, verzweigt
Polymertyp
HDPE (high density PE)
LDPE (low density PE)
a) Initiator.
1968 ist gefunden worden, dass das Fixieren von klassischen Ziegler-Natta-Katalysatoren auf einem Magnesiumchlorid-Träger zu hochaktiven Katalysatorsystemen führt. Dabei werden zunächst TiCl4 und MgCl2 innig vermengt und dann wird das vierwertige Titan reduziert. Wesentlich für die Katalysatoraktivität ist die Morphologie des Trägers (MgCl2), die so beschaffen sein soll, dass die Katalysatorkörner schon im Anfangsstadium der Polymerisation fragmentieren und so alle aktiven Zentren für das Monomer leicht zugänglich sind. Aktivität und Produktivität derartiger Katalysatoren sind so hoch, dass auf eine aufwendige Abtrennung des Katalysators vom Polymeren verzichtet werden kann. Weiterhin ermöglichen trägerfixierte Ziegler-Natta-Systeme die Polymerisation von Ethen in der Wirbelschicht, also lösungsmittelfrei. Das Mitteldruckverfahren von der Phillips Petroleum Company hat den Vorteil, dass kein Cokatalysator erforderlich ist und entsprechend den Marktbedürfnissen verschiedene Polyethentypen hergestellt werden können. Wird der Prozess in einem Cycloparaffin als Lösungsmittel durchgeführt, in dem Monomer und Polymer löslich sind, kann der unlösliche Katalysator am Ende der Polymerisation in einfacher Weise durch Filtration abgetrennt werden. In einer anderen Variante wird der Katalysator in einem Paraffinkohlenwasserstoff dispergiert und das Polymer wächst um das Katalysatorkorn herum. Wegen der hohen Aktivität (250 kg PE/(mol Cr · bar C2H4 · h)) braucht dann vom Katalysator nicht abgetrennt zu werden. Schließlich kann auch ohne jegliches Lösungsmittel in der Wirbelschicht gearbeitet werden, wobei ebenfalls auf eine Katalysatorabtrennung verzichtet wird.
9.3 Propenpolymerisation 9.3.1 Regio- und Stereoselektivität Metallorganische Mischkatalysatoren vermögen auch Propen zu polymerisieren (G. Natta, 1954). Das ist insofern bedeutungsvoll, weil es bedingt durch die hohe Stabilität des Allylradikals nicht gelingt, Polypropen mit technisch interessanten Molmassen durch radikalische Polymerisation herzustellen.
Propenpolymerisation
147
Propen weist wie alle anderen Į-Olefine eine unsymmetrisch substituierte Doppelbindung (=CH2 versus =CHMe) auf, ist also prochiral. Damit können bei der Polymerisation verschiedene Regio- und Stereoisomere gebildet werden:
Regioselektivität. Die Polymerisation ist regioselektiv, wenn Kopf-Schwanz-Verknüpfung1 (C2–C1-Bindungsbildung) zu 1 erfolgt. Eine ebenfalls regioselektive alternierende Kopf-Kopf- (C2–C2) und Schwanz-Schwanz-Verknüpfung (C1–C1) zu 2 ist durch direkte Synthese nicht möglich. ...
2
2 1
...
...
1
1
2 2
...
1
1
2
Stereoselektivität. Die Polymerisation ist stereoselektiv, wenn in einem Polymerstrang alle Stereozentren gleiche (relative) Konfiguration (...RRR... oder ...SSS...) aufweisen („isotaktisches Polypropen“, Abk: i-PP, 3) oder alternierend R- und S-konfiguriert sind („syndiotaktisches Polypropen“, Abk: s-PP, 4). Bei einer nicht-stereoselektiven Polymerisation wird ataktisches Polypropen (Abk: a-PP, 5) gebildet. ...
...
...
...
3
4
...
... 5
Aufgabe 9.1 Schlagen Sie einen Weg zur Synthese von H–H-Polypropen (head-to-head Polypropen) 2 vor.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Konfiguration von Polypropen Stereozentren in Polymeren werden relative Konfigurationen zugeordnet. Man bestimmt die Konfiguration des Stereozentrums an einem Ende der Polymerkette und gibt die Konfiguration des benachbarten Stereozentrums relativ zu dieser an usw. Haben alle Stereozentren gleiche Konfiguration, also entweder (...RRRR...)rel. oder (...SSSS...)rel., heißt das Polymer isotaktisch, besteht Alternanz (...RSRSRS...)rel., heißt es syndiotaktisch. Um deutlich zu machen, dass es sich dabei nicht um die absolute Konfiguration handelt, die ja die Priorität der Substituenten berücksichtigen müsste, fügen wir hier als Index „rel.“ an. Der Unterschied zwischen relativer und absoluter Konfiguration ist nachfolgend am Beispiel des isotaktischen Pentamers von Propen mit einer Ethyl- und Methylendgruppe gezeigt:
1 Zur Definition von „Kopf“ (C2) und „Schwanz“ (C1) bei Vinylmonomeren vgl. Fußnote auf S. 128 und die angedeutete Nummerierung der C-Atome in 1 und 2.
148
Polymerisation von Olefinen
absolute Konfiguration
R
R
R
R
R
S
S
R
R
relative Konfiguration
(Im Beispiel ist die relative Konfiguration angegeben, wenn man das erste chirale C-Atom am linken Kettenende zugrunde legt. Beginnt man am rechten Kettenende des Oligomers mit der Bestimmung der relativen Konfiguration wäre (...SSSS...)rel zu schreiben.) Haben zwei benachbarte Stereozentren gleiche relative Konfiguration, dann liegt die Mesoform vor und man spricht von einer m-Diade (1), anderenfalls spricht man von einer racemischen Diade (2, r-Diade). r
m ...
...
...
...
...
...
...
... 2
1
Somit gibt es in i-PP nur m-Diaden (...mmmmm...) und in s-PP nur r-Diaden (...rrrrr...) [Jen 1981, Eli 1999, Mat 2003].
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Analyse der Mikrostruktur von Polypropen Die Mikrostruktur von Polypropen kann zuverlässig NMR-spektroskopisch ermittelt werden, weil die 1 H- und 13C-chemischen Verschiebungen der Methylgruppen empfindlich von der relativen Stereochemie der benachbarten Monomereinheiten abhängt. So können 13C-NMR-spektroskopisch Unterschiede von bis zu fünf Monomereinheiten auf jeder Seite detektiert werden. Es gibt drei verschiedene Triaden, die durch ihre Stereoformeln und modifizierten Fischer-Projektionen dargestellt sind (mm = isotaktische, rr = syndiotaktische, mr = heterotaktische Triade): m
r
m
r
m
r
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
Meistens werden die Pentaden zur Analyse herangezogen, von denen es zehn verschiedene gibt (in Klammern ist die chemische Verschiebung des markierten C-Atoms in ppm angegeben; Details zu den Messbedingungen siehe [Boc 2005]): m m m m
m m m r
m r
r
(20,85)
r
m r
m
(20,71)
m m r
m m r
r
r
r
r
(20,31)
r
(21,01)
(21,33)
(21,55)
(21,78) r
r
r
r
r
m
(20,17)
m m r
m
(20,85) m r
r m
(20,04)
Eine quantitative Analyse der NMR-Spektren erlaubt genaue Aussagen zur Mikrostruktur, aus der Rückschlüsse auf den Polymerisationsmechanismus zu ziehen sind [Eli 1999, Ran 1987].
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Propenpolymerisation
149
Die koordinative Polymerisation von Propen mit Ziegler-Natta-Katalysatoren erwies sich grundsätzlich als regioselektiv. Das wird durch ausschließliche M–C1- (a, „primäre Insertion“) oder ausschließliche M–C2-Bindungsknüpfung (b, „sekundäre Insertion“) im Insertionsschritt erreicht. Me
Me Me
P
Me
P
[M]
[M]
a
[M] P
Me
Me
Me
Me P
Me
P [M]
[M]
Me
[M] Me
Me
b P
Eine stereoselektive Propenpolymerisation hat zur Voraussetzung, dass die Koordination des prochiralen Propens und der Insertionsschritt stereochemisch einheitlich ablaufen. Letzteres ist grundsätzlich gewährleistet, da die Insertion im Sinne einer syn-Addition abläuft. Die Koordination des Olefins an das Metall kann von der Re- oder Si-Seite erfolgen (vgl. Exkurs „Prostereogenität, prostereogene Seiten“, S. 50). Koordination des Metalls an der Re-Seite und nachfolgende primäre Insertion (cis!) erzeugt ein S-konfiguriertes asymmetrisches CAtom. Wird das Metall an der Si-Seite koordiniert, resultiert bei primärer Insertion ein asymmetrisches C-Atom mit R-Konfiguration (Abbildung 9.1). Bei sekundärer Insertion (M–C2Bindungsknüpfung) gilt das Umgekehrte.
a H
P H LxM
Re
H
CH2
H
H +
P LxM
P H *
Si
CH2
P +
H
H2C
P H
MLx
MLx
P
Me MLx
H
H H
H
b
H
L xM
Me * H
Abbildung 9.1. Newman-Projektion von Propen entlang der C2–C3-Bindung. Addition von LxM an der Re-Seite von Propen und nachfolgende Insertion führt zu einem C2-Atom mit S-Konfiguration (a). Entsprechend wird bei Koordination an der Si-Seite ein (R)-C2-Atom erhalten (b). Die neu gebildeten Bindungen M–C1 und C2–P (P = wachsende Polymerkette) sind fett gezeichnet.
150
Polymerisation von Olefinen
Isotaktisches Polypropen wird erhalten, wenn das prochirale Propen immer mit der gleichen (prostereogenen) Seite (Re- oder Si-Seite) an das Übergangsmetall koordiniert. Syndiotaktisches Polypropen resultiert, wenn die Koordination alternierend an der Re- und Si-Seite erfolgt. Es ist klar, dass eine stereoselektive Polymerisation eine chirale Induktion erfordert. Stereoregulierend kann das zuletzt gebildete asymmetrische C-Atom der wachsenden Polymerkette (stereochemische Kettenendkontrolle; chain end control) und/oder ein chiraler Katalysatorkomplex (chirale Koordinationstasche; enantiomorphic site control) sein.
Aufgabe 9.2 Bei der Polymerisation von Propen zu isotaktischem Polypropen mögen Polymere mit der Mikrostruktur 1 bzw. 2 gebildet werden. Überlegen Sie, wie aus der Art der Korrektur eines Baufehlers auf die Natur der Stereoregulierung geschlossen werden kann.
...
...
n
n
... Stereoblock-Polypropen (1)
... Isoblock-Polypropen (2)
Aufgabe 9.3 Zeichnen Sie die Struktur von iso- und syndiotaktischem Polypropen mit jeweils einem Baufehler bei Stereokontrolle durch das Kettenende und durch das Katalysatorzentrum. Geben Sie die Triaden und Pentaden an, die durch die Fehlstelle zusätzlich auftreten und so eine NMR-spektroskopische Identifizierung des Baufehlers ermöglichen.
9.3.2 Ziegler-Natta-Katalysatoren Der klassische Ziegler-Katalysator, TiCl4/AlEt3, liefert bei der Polymerisation von Propen das isotaktische Polymere, allerdings mit geringer Ausbeute. Der isotaktische Index1 weist aus, dass der Hauptteil des gebildeten Polymers amorph (ataktisch) ist. Wird aber zunächst kristallines TiCl3 erzeugt (z. B. durch Reaktion von TiCl4 mit Wasserstoff oder mit Aluminium zu TiCl3·1/3AlCl3), das dann mit einem Aluminiumalkyl zum eigentlichen Katalysator umgesetzt wird, geht der Anteil an ataktischem Polymer auf etwa 15 % zurück. Ein Zusatz von LewisBasen wie Ethern, Estern oder Aminen führt zu einer Steigerung von Aktivität und Selektivität, so dass nur noch 2–5 % amorphes Polypropen anfallen. Die bei der Ethenpolymerisation
1
Isotaktisches Polypropen ist unlöslich in Kohlenwasserstoffen, während das ebenfalls gebildete (vergleichsweise niedermolekulare) ataktische Polymer darin löslich ist. Der „isotaktische Index“ gibt an, wieviel Prozent des Polymers in siedendem Heptan unlöslich sind. Er ist damit ein Maß für das Verhältnis, in dem die beiden Polymertypen gebildet worden sind, und nicht für die Stereoregularität des isotaktischen Polymers.
Propenpolymerisation
151
eingesetzten trägerfixierten (MgCl2) Katalysatoren brachten zunächst nicht den gewünschten Erfolg. Erst der Zusatz von Lewis-Basen führte zu einer deutlichen Steigerung in Aktivität und Produktivität bei guten Stereoselektivitäten. Kristallines violettes Į-TiCl3 ist eine Modifikation, die als Präkatalysator eingesetzt wird. In den Kristallen liegen kantenverknüpfte TiCl6-Oktaeder vor, die Schichten bilden (BiI3-Typ, Abb. 9.2). Alle Chloroliganden sind brückengebunden (μ-Cl) und gehören zu zwei Oktaedern. Das entspricht der geforderten Stöchiometrie: TiCl3 = TiCl6/2. Da sich die Katalyse an der Kristalloberfläche vollzieht, muss die Oberflächenstruktur gesondert analysiert werden: Werden Kristalle längs einer solchen Schicht (001) gespalten, sind alle Ti-Oberflächenatome nach wie vor in der beschriebenen Weise von sechs μ-Cl-Liganden umgeben. Ein Schnitt quer zu solch einer Schicht, so dass eine (110)-Fläche gebildet wird (Abb. 9.3, a), führt nun aber – aus Gründen der Elektroneutralität – zu koordinativ ungesättigten Ti-Oberflächenatomen (K.Z. = 5) mit vier μ-Cl- und einem terminalen Cl-Liganden. Diese Ti-Atome sind katalytisch aktive Zentren: Nach Alkylierung (Substitution [Ti]–Clterminal ĺ [Ti]–Et vermittels des Cokatalysators AlEt3 oder AlEt2Cl) und nach Koordination von Propen an die freie Koordinationsstelle kann sich in der bekannten Weise die Polymerkette aufbauen. Die beiden Koordinationsstellen, an denen die Katalyse abläuft, sind nicht äquivalent. Eine ist nach innen und die andere nach außen gerichtet. Die Koordinationsstellen sind chiral, so dass die prinzipielle Voraussetzung für eine stereoselektive Polymerisation gegeben ist [Cor 2004]. Der genaue Mechanismus ist aber nicht bekannt.
110
110
100
110
100
Abbildung 9.2. Kantenverknüpfte TiCl6- und MgCl6-Oktaeder in den Schichtstrukturen von Į-TiCl3 (links) bzw. MgCl2 (rechts). Blickrichtung: senkrecht auf die Schicht (001), aus denen die Kristalle aufgebaut sind. Die gestrichelten Linien zeigen Lage und Struktur der durch die Millerschen-Indizes gegebenen Kristallflächen an. (Strukturbilder mit freundlicher Genehmigung nach U. Müller, Anorganische Strukturchemie, Teubner, Stuttgart 2004). Um die Anschaulichkeit zu gewährleisten und die Aussagen nachvollziehen zu können, wird empfohlen, die Strukturen in einem üblichen Programm zur Darstellung von Kristallstrukturen zu visualisieren. Die notwendigen Strukturdaten sind bei der Lösung von Aufgabe 9.4 mitangegeben.
152
Polymerisation von Olefinen
Blick auf
(110)
a
(100)
Blick auf
b
c
Abbildung 9.3. a) Į-TiCl3-Struktur mit Blick (von oben) auf die (110)-Fläche. Von den Ti-Atomen der Oberfläche sind zwei Koordinationsstellen durch dicke Striche angedeutet. In Kristallen von TiCl3 ist eine davon durch ein terminales Cl-Atom besetzt (K.Z.(TiOberfl.) = 5). Im Katalysatorkomplex ist an einer dieser Koordinationsstellen die wachsende Polymerkette und an der anderen das Propen koordiniert. b) MgCl2-Struktur mit Blick (von oben) auf die (100)-Fläche (K.Z.(MgOberfl.) = 5). c) MgCl2Struktur (gleiche Blickrichtung wie b) beladen mit Ti2Cl6 (K.Z.(Ti) = 5).
MgCl2 kristallisiert im CdCl2-Typ mit einer kubisch-dichtesten Packung der Chloridanionen. Die Oktaederlücken sind zur Hälfte mit Mg2+ besetzt, so dass sich eine Schichtstruktur ergibt. Die MgCl2- ist mit der TiCl3-Struktur eng verwandt und leitet sich von dieser ab, indem die Hohlräume ebenfalls mit Mg2+ belegt sind (Abb. 9.2). Somit sind die MgCl6-Oktaeder über sechs Kanten miteinander verknüpft (μ3-Cl). Das entspricht der Stöchiometrie: MgCl2 = MgCl6/3. Wird der Kristall längs einer solchen Schicht (001) gespalten, so ist jedes Mg-Oberflächenatom von 6 Chloridionen umgeben. Mg-Oberflächenatome an (110)-Kristallflächen betätigen nur die Koordinationszahl vier und solche an (100)-Flächen die Koordinationszahl fünf (Abb. 9.3, b).
Propenpolymerisation
153
Aufgabe 9.4 Machen Sie sich klar, dass bei der angegebenen Struktur der Kristallflächen die Elektroneutralität der Kristalle in allen drei Fällen gewährleistet ist.
Beim Beladen von MgCl2 mit TiCl4 wird mononukleares TiCl4 und dinukleares Ti2Cl8 sowohl auf den (100)- als auch den (110)-MgCl2-Flächen abgeschieden. Die anschließende Reduktion ergibt eine Oberflächenbeladung mit TiCl3 bzw. Ti2Cl6. Abscheidung von Ti2Cl6 auf der (100)-Fläche führt zu einer sehr ähnlichen Oberflächenstruktur wie sie die (110)-Fläche von TiCl3 aufweist (Abb. 9.3, c). Anscheinend führt diese Oberflächenstruktur bei den geträgerten Katalysatoren zur stereoselektiven Polymerisation, während die Katalyse an anderen Oberflächentitanzentren entweder nicht oder nur weniger stereoselektiv ist. Bei der Vorbehandlung von MgCl2 mit Lewis-Basen, die in diesem Zusammenhang als „interne Donoren“ bezeichnet werden, werden diese an alle Lewis-sauren Zentren der MgCl2Oberfläche koordiniert. Die anschließende Behandlung mit TiCl4 führt nun – unter partieller Verdrängung der Lewis-Basen – zu einer selektiven Beladung der (100)-Flächen mit Ti2Cl8Einheiten. Ursache für diese Selektivität ist wahrscheinlich, dass die internen Donoren an den stärker Lewis-aciden Mg-Oberflächenatomen der (110)-Flächen (K.Z = 4!) stärker gebunden sind und durch TiCl4 schwerer verdrängt werden, als das bei den schwächer Lewis-sauren Zentren der (100)-Flächen (K.Z. = 5!) der Fall ist. Die Aktivierung des Katalysators mit Aluminiumalkylen führt nun aber neben der Reduktion TiIV ĺ TiIII zu einer teilweisen Verdrängung der Lewis-Basen und auch der Titanhalogenide. Diese können sich an einer anderen Stelle wieder auf der Oberfläche ablagern, so dass die Selektivität herabgesetzt würde. Um das zu unterbinden, wird entweder bei sehr niedrigen Konzentrationen von AlR3 während der Polymerisation gearbeitet oder es wird während des Polymerisationsprozesses weitere LewisBase, der so genannte externe Donor, zugegeben. Auf diese Weise ist es gelungen, hochaktive und hochselektive Katalysatoren zu erhalten, bei denen weder eine Abtrennung des Katalysators noch die von a-PP aus dem isotaktischen Polypropen erforderlich ist. So liefert MgCl2/TiCl4–AlEt3 mit Diisobutylphthalat als internen und Alkoxysilanen als externen Donor 15000 kg PP/(mol Ti · MPa · h) bei einer Isotaktizität von 97–98 % [Fin 1995].
Polymertypen und Verfahrensspezifikation 2004 wurden weltweit etwa 38 Millionen Tonnen Polypropene hergestellt. Damit gehört Polypropen zu den drei am meisten verwendeten Kunststoffen (Anteil: PE ca. 32 %; PP ca. 20 %; PVC ca. 16 %). Technisch weitaus am wichtigsten sind isotaktisches Polypropen und seine Modifikationen durch Copolymerisation. Im Vergleich mit HDPE weist i-PP eine niedrigere Dichte und einen höheren Schmelzbereich, aber auch eine wesentlich höhere Glasübergangstemperatur auf (Tabelle 9.3). Das ataktische Polymer war zu Beginn der industriellen Produktion von isotaktischem Polypropen nur ein unerwünschtes Nebenprodukt. Bedingt durch die Verbesserung der Polymerisationsprozesse gibt es keinen Zwangsanfall an a-PP mehr und es wird heutzutage in geringem Umfang direkt hergestellt. Kristallines s-PP ist erstmals von Natta an löslichen Katalysatorsystemen wie V(acac)3/AlEt2Cl oder VCl4/AlEt2Cl/PhOMe erhalten worden.
154
Polymerisation von Olefinen
Die anwendungstechnischen Eigenschaften der reinen Polymere können in breitem Umfang durch die Polymerisationsbedingungen (Mikrostruktur) und die Verarbeitungsbedingungen (Makrostruktur) gesteuert werden. Ein breites Spektrum zur gezielten Beeinflussung von Eigenschaften hat auch die Copolymerisation von Olefinen eröffnet, da Copolymere Eigenschaften aufweisen können, die sich von denen der Homopolymere grundsätzlich unterscheiden. So sind Ethen–Propen-Copolymere kautschukelastisch („EPR-Kautschuke“). Tabelle 9.3. Physikalisch-chemische Eigenschaften von Polypropenen (zusammengestellt nach H.-G. Elias, Makromoleküle, Bd. 3, Wiley-VCH, Weinheim 2001 und T. G. Heggs, „Polyolefins“ in [M14]).
i-PP 3
s-PP
a-PP
Dichte (in g/cm )
0,91–0,94
0,88–0.93
0,85–0.89
Schmelztemperatur (in °C)a)
ca. 176 (160–165)
ca. 217 (140–150)
–
b)
Glastemperatur (in °C)
–13...–35
–8
–5...–10
Löslichkeit in KW (20 °C)
–
mittel
hoch
a) Extrapoliert auf 100 % Iso- (Į-Form) bzw. Syndiotaktizität. In Klammern typischer Bereich. b) Z. Vgl: PE < –100 °C.
9.4 Metallocenkatalysatoren 9.4.1 Cokatalysatoren und Anioneneinfluss Unmittelbar nach der Entdeckung der heterogenen metallorganischen Mischkatalysatoren hat die Suche nach löslichen Katalysatorsystemen begonnen. So sind bereits Ende der 50er Jahre (Breslow; Natta) mit Titanocendichlorid [TiCl2Cp2] und AlEt3–xClx (x = 0, 1) als Cokatalysator homogene Katalysatorsysteme für die Ethenpolymerisation gefunden worden, die wertvolle Dienste bei der Aufklärung des Polymerisationsmechanismus geleistet haben. Sie waren aber wegen der geringen Aktivität für technische Anwendungen ungeeignet. Erst die Entdeckung, dass Metallocene mit Methylaluminoxanen (MAO) als Cokatalysatoren eine herausragende Aktivität aufweisen (Sinn, Kaminsky, 1980), war Ausgangspunkt für die Entwicklung der (modernen) Metallocen-Polymerisationskatalysatoren, die technische Anwendung finden. Vorausgegangen waren Beobachtungen, dass Wasser – das lange Zeit als „Gift“ für Ziegler-Natta-Katalysatoren galt – die Polymerisationsgeschwindigkeit von Ethen bei einigen Systemen (z. B. [TiEt(Cl)Cp2]/AlEtCl2) erhöht und bei inaktiven Systemen wie [ZrMe2Cp2]/AlMe3 zu überraschend hochaktiven Katalysatoren führt [Bri 1995]. In Metallocenkatalysatoren sind die Katalysatorzentren strukturell einheitlich („single-site catalyst“) und wurden detailliert charakterisiert, so dass genaue Kenntnisse zum Polymerisationsmechanismus vorliegen. Das wiederum war Voraussetzung für die Synthese „maßgeschneiderter“ Polymerisationskatalysatoren für die chemische Industrie.
Metallocenkatalysatoren
155
Methylaluminoxane (MAO) entstehen bei der kontrollierten partiellen Hydrolyse von Aluminiumtrimethyl. Sie sind strukturell nicht einheitlich. Es handelt sich um komplex gebaute Oligomere, die typischerweise zwischen 5 und 25 –O–Al(Me)– -Einheiten als Bausteine aufweisen. Zusätzlich ist im Allgemeinen AlMe3 enthalten. Die Oligomere können linear (1) oder cyclisch (2) sein oder eine Käfigstruktur aufweisen (3). Drei idealisierte Basisstrukturen sind nachfolgend dargestellt. Me Me Me
Me
Me Al
Al O
O
Al O
Me Me
Al
O
Al
O
Me
n
Al
Al O Me Me O Al O Al O Al Al Me Me O Al O
Me
n
Me 1
3
2
1 und 2 haben ausschließlich dreifach koordiniertes Al und μ2-O-Liganden, während 3 vierfach koordiniertes Al und μ3-O-Liganden hat. Durch Kombination dieser Strukturelemente werden weitere zwei- und dreidimensionale Strukturen gebildet. Im Allgemeinen wird MAO im großen Überschuss (Al/Zr ca. 103–104) eingesetzt. Das bedingt eine „Pufferfunktion“, indem MAO mit Verunreinigungen reagiert und so den Katalysatorkomplex vor Zersetzung schützt und unter Umständen auch desaktivierte Katalysatoren wieder regeneriert. Die beiden Hauptfunktionen des Cokatalysators sind aber:
Methylierende Funktion. Methylierung des Metallocendichlorids (1, M = Metall der Gruppe 4; zumeist [ZrCl2Cp2] oder ein Derivat) zur entsprechenden Dimethylverbindung 2:
Cp2M
Cl Cl
+ O O
1
Me Al Cl Al
O
Cp2M
Me Cl
+ O
O
O
Me Al Cl Al
Me
O
Cp2M
O
Me
2
Lewis-acide Funktion. Abstraktion eines Methylanions aus 2 unter Bildung der eigentlich polymerisationsaktiven Verbindung, einem Kation [MMeCp2]+ (3). Das gebildete Anion [MAO–Me]– koordiniert nicht oder nur so schwach an das [MMeCp2]+-Kation, dass es die Koordination des Olefins nicht behindert. Me Cp2M 2
Me
+
O
Me Al
O
Cp2M
+ Me
Me O
Me Al
O
3
Damit ist die eigentlich katalytisch aktive Verbindung (3) gebildet, ein kationischer 14-veAlkylmetallocenkomplex mit einem schwach koordinierenden Gegenion. Dafür gibt es auch andere Bildungswege [Che 2000]:
156
Polymerisation von Olefinen + B(C6F5)3 Me Cp2M 2
Me
+ (Ph3C)[B(C6F5)4] Ph3CMe
a
Cp2M
+ (NPhMe2H)[B(C6F5)4] NPhMe2, CH4
Me
A
b
3 c
Analog der Reaktion mit MAO führt die Umsetzung von 2 mit neutralen Lewis-Säuren wie B(C6F5)3 zur Abstraktion eines Methylanions (a, A– = [BMe(C6F5)3]–). Das Tritylkation eignet sich zur Demethylierung von 2, so dass bei Reaktion eines Tritylsalzes mit schwach koordinierendem Anion Komplexe vom Typ 3 erhalten werden (b, A– = [B(C6F5)4]–). Weiterhin kann eine protolytische Spaltung der M–C-Bindung zur Bildung von 3 herangezogen werden (c, A– = [B(C6F5)4]–). Die Struktur eines derartigen Komplexes, der ohne weitere Zusätze ein hochaktiver homogener Katalysator für die Ethenpolymerisation ist, ist in Abb. 9.4 als Beispiel gezeigt. Abbildung 9.4. Molekülstruktur von [ZrMe(Ș5-C5Me5)2][BMe(C6F5)3]. Die H-Atome der C5Me5-Liganden sind nicht gezeigt. Im Kristall liegen Kontaktionenpaare vor, in denen die Me-Gruppe am Bor den Kontakt zum Kation herstellt. Der Zr···C-Abstand zum μ-Methylliganden ist aber deutlich länger als der zum terminalen Methylliganden (2.640(7) Å versus 2.223(6) Å).
In Toluol, ein bei Olefinpolymerisationen häufig verwendetes Lösungsmittel, scheinen keine koordinativ ungesättigten Kationen [MMeCp2]+ (M = Ti, Zr) zu existieren (Abb. 9.5). Quantenchemische Rechnungen mit dem [BMe(C6F5)3]–-Anion weisen darauf hin, dass in Toluol Kontaktionenpaare 3a mit μ-Me-Brücken zwischen Kationen und Anionen energetisch am stabilsten sind. Die Einschiebung eines Ethenmoleküls zwischen Kation und Anion zu Olefin-separierten Ionenpaaren 3b ist energetisch wenig aufwendig. Deutlich mehr an Energie erfordert die Bildung der Ethenkomplexe in Form von separierten solvatisierten Ionen (3c) und noch wesentlich mehr, die der koordinativ ungesättigten Kationen (3d) [Xu 2002, Cha 1999]. Somit sind die Bindung des Olefins und des Anions konkurrierende Vorgänge und es ist wahrscheinlich, dass Olefin-separierte Ionenpaare vom Typ 3b wichtige Intermediate bei der Olefinpolymerisation mit Metallocenkatalysatoren sind. Die Aktivierungsbarrieren für den Insertionsschritt sind bei d0-Metallen (einschließlich Seltenerd-Metalle mit d0f n-Elektronenkonfiguration) in der Regel sehr klein, vorausgesetzt, dass damit keine größere Reorganisation der Konformation des koordinierten Olefins und der wachsenden Polymerkette verbunden ist [Mar 1998b, Cha 2000b].
Metallocenkatalysatoren
157
CH3
E
3d
Cp2M
+ MeB(C F ) 6 5 3 Tol.
CH3 3c Cp2M
+ MeB(C F ) 6 5 3 Tol.
Tol.
Tol.
CH3
ca. 100 kJ/mol
3b Cp2M
CH3 M = Ti
M = Zr
3a
Cp2M H
H C H
MeB(C6F5)3 Tol.
B(C6F5)3 Toluol
Abbildung 9.5. Aktivierung und Kation–Anion-Wechselwirkungen in Metallocenkatalysatoren [MMeCp2][BMe(C6F5)3] (M = Ti, Zr) in Toluol (gekürzt nach Chan, Ziegler 1999).
9.4.2 C2- und Cs-symmetrische Metallocenkatalysatoren Wenn der Katalysator bei der Propenpolymerisation eine stereoregulierende Wirkung ausüben soll, muss er chiral sein. Metallocendichoride [MCl2Cp2] (M = Ti, Zr) sind achiral. Selbst wenn anstelle von Cyclopentadienylliganden unsymmetrisch substituierte Cyclopentadienyle eingesetzt werden, ist bedingt durch eine geringe Rotationsbarriere der Cyclopentadienylliganden keine oder keine effektive chirale Induktion möglich. Erst die Synthese von ansa-Metallocenen (Brintzinger, 1982) bot die Grundlage für die Entwicklung von Metallocenkatalysatoren, die für die stereoselektive Propenpolymerisation geeignet waren. Die Brücke (lat: ansa = der Henkel), die die beiden Cyclopentadienylliganden verbindet, fixiert die Konformation des Komplexes, so dass das Katalysatorzentrum eine stereoregulierende Funktion ausüben kann.
Aufgabe 9.5 Beschreiben Sie die Struktur von Metallocendichloriden [MCl2Cp2] (M = Ti, Zr) und ermitteln Sie die Symmetriegruppe. Legen Sie dabei eine ungehinderte Rotation der Cyclopentadienylliganden um die M–Cpcg-Achse (Cpcg = Schwerpunkt des Cp-Liganden) zugrunde.
In der Abbildung 9.6 sind die Strukturen von drei ansa-Zirconocendichloriden dargestellt. In allen drei Komplexen sind die beiden ʌ-Liganden durch Dimethylsilylbrücken verbunden. Von der Stammverbindung 1, die C2v-Symmetrie aufweist, leiten sich die beiden für die Katalyse wichtigen Systeme ab:
C2-symmetrische Katalysatoren (2). An jeden der beiden Cyclopentadienylliganden der Stammverbindung wird ein Benzolring derart anneliert, dass ein C2-symmetrischer Bis(Ș5indenyl)-Komplex gebildet wird.
158
Polymerisation von Olefinen
V
V C2 V
Me2Si
ZrCl2
1 (C2v)
Me2Si
ZrCl2
2 (C2)
Me2Si
ZrCl2
3 (Cs)
Abbildung 9.6. Strukturen von ansa-Zirconocendichloriden verschiedener Symmetrie. Komplex 2 ist chiral, gezeichnet ist eines der beiden Enantiomere. Die Blickrichtung bei den Molekülstrukturen ist längs der Zr–Si-Achse, so dass die Si-Atome verdeckt sind. Die Symmetrieelemente (Symmetrieebene ) sind in den Molekülstrukturen eingezeichnet. ı: ŷŷ; Symmetrieachse C2:
Cs-symmetrische Katalysatoren (3). An einen der beiden Cyclopentadienylliganden der Stammverbindung werden zwei Benzolringe anneliert, so dass ein Cs-symmetrischer Ș5Fluorenyl-Ș5-cyclopentadienyl-Komplex gebildet wird. Die Ausdrucksweise „C2-“und „Cs-symmetrischer Katalysator“ kann missverständlich sein: Der eigentliche Katalysatorkomplex, der neben den Ș5-gebundenen Liganden das koordinierte Propen und die wachsende Polymerkette enthält, ist in allen Fällen nur C1-symmetrisch. Die Bezeichnungen C2 und Cs beziehen sich darauf, in welcher Symmetriebeziehung die beiden „Koordinationsstellen“ für das Propen zueinander stehen. Im „C2-symmetrischen Katalysator“ sind sie identisch (homotop). Sie werden durch eine C2-Symmetrieoperation ineinander übergeführt, so dass das prochirale Propen immer mit der gleichen Seite (Re oder Si) koordiniert und isotaktisches Polypropen gebildet wird. Im „Cs-symmetrischen Katalysator“ sind sie spiegelbildsymmetrisch (enantiotop). Sie werden durch eine ı-Symmetrieoperation (ı = Ebenenspiegelung) ineinander übergeführt, so dass das prochirale Propen an der einen Koordinationsstelle mit der Re- und an der anderen mit der Si-Seite koordiniert und syndiotaktisches Polypropen gebildet wird.
Metallocenkatalysatoren
159
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Topische Beziehungen von Molekülfragmenten Um topische Beziehungen zwischen Molekülfragmenten gleicher atomarer Zusammensetzung herzustellen, können Symmetriekriterien herangezogen werden: homotope und enantiotope Fragmente sind symmetrieäquivalent, diastereotope Fragmente sind nicht symmetrieäquivalent. Homotope Fragmente werden durch eine Drehsymmetrieoperation (Cn mit n 2) aufeinander abgebildet und enantiotope nur durch eine Spiegelungs- (ı), Inversions- (i) oder Drehspiegelungssymmetrie (Sn mit n > 2). Zur Ermittlung von topischen Beziehungen kann der folgende Algorithmus (nach K. Mislow) abgearbeitet werden [Kal 1975, Eli 1980, Ste 1993]. Molekülfragmente gleicher atomarer Zusammensetzung
symmetrieäquivalent?
ja
ja
sym.äquiv. durch Cn (n t 2)?
homotop
nein
nein
gleiche Konstitution?
ja
enantiotop
diastereotop
nein
konst. heterotop
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Der Mechanismus der Katalyse der Propenpolymerisation mit dem C2-symmetrischen Präkatalysator 2 ist dem mit [TiCl2Cp2]/AlEt2Cl analog: Der katalytisch aktive Komplex ist ein ansa-Bis(Ș5-indenyl)zirconium(IV)-Kation (4, Brücke nicht gezeichnet), an dem die wachsende Polymerkette sowie ein Monomermolekül (Propen) koordiniert sind. Die Kettenverlängerung erfolgt im Sinne einer primären cis-Insertion durch Wanderung der Polymerkette. Der Katalysatorkomplex wird durch Koordination von Propen an die freie Koordinationsstelle zurückgebildet (4 ĺ 4’) und es erfolgt eine weitere Insertion und Propenkoordination (4’ ĺ 4’’).
Me
P
Zr
+
Me Me
Me
+
Zr
P
Me
Me
Me 4
4'
Me
Zr
P Me Me Me
4''
160
Polymerisation von Olefinen
Für die Koordination des prochiralen Propens gibt es vier Möglichkeiten, a nämlich die, in der die Methylgruppe in d d a Zr P Komplex 4 (links Seitenansicht, rechts Me2Si b c b c Ansicht von vorn, Me2Si-Brücke nicht Me gezeichnet) (a) nach hinten oben, (b) nach hinten unten, (c) nach vorn unten und (d) nach vorn oben zeigt. In b/d ist 4 Propen an der Si- und in a/c an der ReSeite koordiniert. Die Stereoregularität der Polymerisation ist dadurch bedingt, dass die Koordination d energetisch bevorzugt ist. Eine Koordination gemäß a und b ist energetisch unvorteilhaft, da die Methylgruppe in den Katalysatorkomplex hineinragt. Das führt zu einer erheblichen sterischen Hinderung mit den beiden Indenylliganden. Die Koordination c ist energetisch gegenüber Koordination d wegen der sterischen Hinderung zwischen der Methylgruppe und dem Benzolring des Indenylliganden benachteiligt.1 Der Koordination von Propen gemäß d folgt eine cis-Insertion (4 ĺ 4’), so dass ein Rkonfiguriertes asymmetrisches C-Atom gebildet wird. Nunmehr wird ein weiteres Propenmolekül koordiniert, aber an der anderen Seite des Katalysatorkomplexes. Von den vier möglichen Orientierungen ist bei 4’ diejenige energetisch bevorzugt, bei der die Methylgruppe nach vorn unten zeigt. Der nachfolgende Insertionsschritt führt wiederum zu einem asymmetrischen C-Atom mit R-Konfiguration. Das ist leicht einzusehen, denn beide Katalysatorkomplexe werden durch eine C2-Symmetrieoperation ineinander übergeführt. Mit anderen Worten ausgedrückt, der Katalysatorkomplex kann zwischen den beiden prochiralen Seiten des Propens unterscheiden und die Koordination erfolgt immer an der Si-Seite. Somit resultiert isotaktisches Polypropen, in dem alle asymmetrischen C-Atome ein und dieselbe (relative) Konfiguration aufweisen. Das bedingt eine helicale Struktur, denn nur eine Helix gestattet eine Wiederholung von Monomereinheiten mit gleich konfigurierten asymmetrischen C-Atomen. Im Regelfall wird als Präkatalysator das Racemat des chiralen C2-symmetrischen [ZrCl2{(Ș5Ind)2SiMe2}]-Komplexes eingesetzt. Wir haben hier die Diskussion für das in Abb. 9.6 gezeichnete Enantiomer geführt, für das andere Enantiomer trifft Entsprechendes zu. Jedes der beiden Enantiomere erzeugt ein pseudochirales Polymer.
Aufgabe 9.6 Zeichnen Sie das andere Enantiomer von 4 und geben Sie an, an welcher Seite Propen koordiniert wird. Welches Ergebnis erwarten Sie, wenn ein enantiomerenreiner Katalysatorkomplex 4 eingesetzt wird und die Reaktionsbedingungen so gewählt werden (insbesondere kleines Propen-Metallocen-Verhältnis), dass eine Oligomerisation von Propen erfolgt.
1
Heterogen katalysierte Reaktionen, die ursächlich von der Geometrie des Katalysators beeinflusst werden, heißen „formselektiv“ (engl: shape selective). Beispiele sind Zeolithe und andere mikroporöse Festkörper. Diese Bezeichnung wird gelegentlich auf Metallocenkatalysatoren übertragen, um die Ursache für deren Selektivität zu charakterisieren.
Metallocenkatalysatoren
161
Der katalytisch aktive Komplex 5 (Me2Si-Brücke zwischen Cp- und Fluorenylligand ist nicht gezeichnet) wird generiert, wenn von einem Cs-symmetrischen Präkatalysatorkomplex 3 ausgegangen wird. Der Ablauf der Polymerisation ist im folgenden Schema dargestellt. Me Me
Zr
P
+
Me
Me Me Zr
P
5
Me
Me
+
5' Me Me
Zr
Me
Me P
5''
Maßgeblich für die Stereoregulierung ist wiederum die Fähigkeit des Katalysatorkomplexes zur Propenkoordination in genau einer Orientierung, nämlich der, in der die Methylgruppe aus dem Katalysatorkomplex herauszeigt (nach vorn gerichtet ist) und nach oben steht. Jede andere Orientierung scheidet aus sterischen Gründen aus oder ist zumindest energetisch weniger vorteilhaft. Bedingt durch die Cs-Symmetrie des Präkatalysators sind aber die beiden Koordinationstaschen für Propen enantiotop, d. h., sie gehen durch eine Spiegelung ineinander über. Das bedeutet, dass im Katalysatorkomplex 5/5’’ das prochirale Propen an der SiSeite und im Katalysatorkomplex 5’ an der Re-Seite koordiniert. Somit resultieren asymmetrische C-Atome alternierend mit R-Konfiguration und mit S-Konfiguration. Es wird also syndiotaktisches Polypropen gebildet. In Tabelle 9.4 ist eine Zusammenfassung gegeben: Metallocenkatalysatoren verfügen – bedingt durch die migratorische Insertion – über zwei Koordinationstaschen für das Olefin. Der Katalysatorkomplex (mit zwei freien Koordinationsstellen oder im zeitlichen Mittel gleichartig besetzten Koordinationsstellen) ist C2v-, C2- bzw. Cs-symmetrisch. In C2v-symmetrischen Komplexen haben die Koordinationsstellen eine Eigensymmetrie (Cs), woraus folgt, dass sie nichtselektiv sind. In allen angeführten Komplexen sind die beiden Koordinationsstellen jeweils symmetrieäquivalent, also homotop oder enantiotop. Damit ist ein Zusammenhang zwischen der Mikrostruktur des Polymeren und der Katalysatorstruktur gegeben.
162
Polymerisation von Olefinen
Tabelle 9.4. Symmetrie und Symmetriebeziehungen in Metallocenkatalysatoren.
Katalysatorkomplex (stilisiert)
M
Symmetrie des Katalysatorkomplexes
C2v (achiral)
C2 (chiral)
Cs (chiral)
Symmetrie der Koordinationsstellen
Cs (nichtselektiv)
C1 (enantioselekt.)
C1 (enantioselekt.)
Symmetriebeziehung zwischen den Koordinationsstellen
C2, ı (homotop)
C2 (homotop)
ı (enantiotop)
Mikrostruktur des Polymersa)
ataktisch
isotaktisch
syndiotaktisch
M
M
a) Vorausgesetzt, es erfolgt keine stereochemische Kettenendkontrolle.
Metallocenkatalysatoren sind extrem aktiv! Die „Stammverbindung“ [ZrCl2Cp2] mit MAO als Cokatalysator erreicht bei der Ethenpolymerisation eine Aktivität von 3600 kg PE/(mmol Zr · h) (95 °C, 8 bar). Pro Zirconiumatom werden 13 Polymerketten in der Sekunde erzeugt. Alle 0,03 ms insertiert ein Ethenmolekül in die wachsende Polymerkette. Das entspricht der Aktivität von sehr aktiven Enzymen.1 ansa-Metallocene mit substituierten Cyclopentadienylliganden können noch höhere Aktivitäten erreichen. Die Produktivität von Metallocenkatalysatoren ist ebenfalls ausnehmend hoch, selbst nach 100 h Polymerisationszeit sind sie noch sehr aktiv. Die Propenpolymerisation verläuft auch mit hoher Aktivität, aber oft ist diese um 1–2 Zehnerpotenzen geringer als bei der Ethenpolymerisation. Es werden Stereoregularitäten von > 99% und Regioirregularitäten < 1 % erreicht [Kam 1998].
9.4.3 Metallocenkatalysatoren mit diastereotopen Koordinationstaschen Bislang sind Metallocenkatalysatoren betrachtet worden, die über zwei symmetrieäquivalente Olefinkoordinationsstellen verfügen. Nun heben wir diese Beschränkung auf und lassen diastereotope Koordinationsstellen zu. Es ergeben sich Metallocene von C1-Symmetrie. Die Struktur einer entsprechenden Katalysatorvorstufe ist in Abbildung 9.7 dargestellt. Da eine Koordinationsstelle für ein prochirales Olefin zur enantiotopen Differenzierung befähigt sein kann oder auch nicht, sind bei den hier zu besprechenden Katalysatorkomplexen für die beiden Koordinationsstellen folgende drei Kombinationen möglich: nichtselektiv–nichtselektiv, enantioselektiv–enantioselektiv und nichtselektiv–enantioselektiv.
1
Die Wechselzahl, ein Maß für die Aktivität von Enzymen (vgl. die Fußnote auf S. 129), von [ZrCl2Cp2]/MAO beträgt 3·104 s–1.
Metallocenkatalysatoren
163
Abbildung 9.7. Struktur von [ZrCl2{Ș5-3-(t-Bu)C5H3–CMe2–Ș5-C13H8}], ein ansa-Zirconocendichlorid mit diastereotopen Koordinationsstellen (ohne H-Atome; die tert-Butylgruppe ist dunkelgrau unterlegt). In der Draufsicht (rechts; ohne die beiden Chloroliganden) wird der unterschiedliche Grad der sterischen Abschirmung der beiden Koordinationsstellen für das Monomer bzw. die wachsende Polymerkette deutlich.
In der stilisierten Darstellung a ist eine nichtselektive Olefinkoordinationsstelle mit Eigensymmetrie (ı)1 gezeigt. In b ist eine enantioselektive Koordinationsstelle schematisch dargestellt. Beispiele für Katalysatoren mit zwei symmetrieäquivalenten enantioselektiven Koordinationsstellen sind im vorigen Kapitel umfassend besprochen worden. Als Beispiel für einen Katalysatorkomplex mit zwei nichtselektiven Koordinationsstellen sei der genannt, der sich von der „Stammverbindung“ bei den ansa-Zirconocenen (1 in Abb. 9.6, S. 158) ableitet. Metallocene mit einer nichtselektiven und einer enantioselektiven Koordinationsstelle werden nachfolgend kurz behandelt. V
M
a
P
M
P
b
Die Polymerisation an einem Katalysator mit zwei diastereotopen Koordinationsstellen A und B ist in Abbildung 9.8 dargestellt. Der „normale“ Ablauf entspricht der Reaktionsabfolge 1 ĺ 2 ĺ 3 ĺ 4 ĺ 1’’ ĺ ....2 Nunmehr ist aber zu berücksichtigen, dass nach einem erfolgten Insertionsschritt 1 ĺ 2 ĺ 3 die Polymerkette von A nach B wandern kann (3 ĺ 1’) (engl: back-skip). Da dabei an B kein Olefin koordiniert ist, findet keine Insertion statt („insertionslose Wanderung“). Triebkraft für diese Reaktion kann die Energiedifferenz von 3 und 1 sein [Gue 1996]. Die relativen Geschwindigkeiten der Olefinkoordination/-insertion 3 ĺ 4 ĺ 1’’ und der „insertionslosen“ Wanderung der wachsenden Polymerkette (3 ĺ 1’) bestimmen das „Insertionsschema“ bei der Polymerisation.
1
Die „Eigensymmetrie“ einer Koordinationsstelle eines Metallocenkatalysators ist eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für Nichtselektivität. Die Eigensymmetrie einer Koordinationsstelle darf nicht mit der Symmetrierelation verwechselt werden, die zwischen den beiden Koordinationsstellen eines Metallocens bestehen. 2 Das Wachstum der Polymerkette Pn wird durch Striche angedeutet: Für 1 ist n = n, für 1’ ist n = n + 1 und für 1’’ ist n = n + 2.
164
Polymerisation von Olefinen
Abbildung 9.8. Propenpolymerisation und „insertionslose“ Wanderung der Polymerkette. Pn bezeichnet die wachsende Polymerkette. Im stilisierten Metallocenkomplex ist eine enantio- (A) und eine nichtselektive (B) Koordinationsstelle angedeutet, ohne dass damit auf diese Kombination eingeschränkt werden soll.
Tabelle 9.5. Metallocenkatalysatoren mit diastereotopen Koordinationstaschen und Polymerstruktur (in Anlehnung an Coates 2000).
lfd.
Olefinkoordinationa) an
Nr
A
B
1
nichtselektiv
nichtselektiv
2
Re
3 4 5
Insertionsschemab)
Mikrostruktur des Polymeren
beliebigc) c)
ataktisch
Re
beliebig
isotaktisch
Re
Si
...ABABAB...
syndiotaktisch
Re
beliebig
...AAAAA...
isotaktisch
bevorzugt Re
bevorzugt Si
statistisch
ataktisch
6
Re
nichtselektiv
...ABABAB...
hemiisotaktisch
7
Re
nichtselektiv
...(A)n(B)m(A)n(B)m…
Stereoblock
a) Die willkürliche Wahl von „Re“ als bevorzugte Koordination schränkt die Allgemeingültigkeit der Aussage nicht ein. b) Das Insertionsschema gibt an, in welcher Abfolge die Koordinationsstellen in die migratorische Insertion einbezogen werden. c) Die Mikrostruktur des Polymeren hängt nicht vom Insertionsschema ab.
Metallocenkatalysatoren
165
Unter Berücksichtigung, dass die Selektivität bei der Olefinkoordination (Re versus Si versus nichtselektiv) für die Koordinationsstellen A und B unterschiedlich ausgeprägt sein kann, sind die in Tabelle 9.5 aufgeführten Fälle zu unterscheiden. Metallocene mit zwei nichtselektiven Koordinationstaschen ergeben – chirale Kettenendkontrolle ausgeschlossen – ataktische Polymere (Eintrag 1 in Tab. 9.5). Die Einträge 2 und 3 entsprechen der Situation von C2- und Cs-symmetrischen Katalysatoren, nur dass die Koordinationsstellen für das Olefin diastereotop und nicht homo- bzw. enantiotop sind. Bei Eintrag 4 erfolgt die insertionslose Wanderung der Polymerkette 3 ĺ 1’ so schnell, dass die Reaktionsabfolge (1 ĺ 2 ĺ 3 ĺ)x erreicht und die „normale“ Reaktionsabfolge (1 ĺ 2 ĺ 3 ĺ 4 ĺ)x vollständig unterdrückt wird. Es wird ein isotaktisches Polymer erhalten, die Stereoselektivität der Koordinationsstelle B ist ohne Belang. Eine insertionslose Wanderung der Polymerkette, die nicht synchron mit der Olefinkoordination/Insertion abläuft, hat dann keinen Einfluss auf die Mikrostruktur des Polymers, wenn beide Koordinationsstellen eine Re-Koordination bevorzugen (Eintrag 2). Ist hingegen die Selektivität beider Koordinationsstellen verschieden, wird nur ein ataktisches Polymer erhalten (Eintrag 5). Katalysatorsysteme, die den Einträgen 6 und 7 entsprechen, werden nachfolgend behandelt.
Hemitaktische Polymere In hemitaktischen Polymeren ist nur jedes zweite Stereozentrum (1, 3, 5, 7, ...) in seiner Konfiguration exakt definiert, während die Konfigurationen der dazwischen liegenden Stereozentren (2, 4, 6, 8, ...) statistisch verteilt (ataktisch) sind. Demzufolge gibt es zwei hemitaktische Polypropene, das hemi-isotaktische (1) und das hemi-syndiotaktische Polypropen (2). ...
... ...
...
...
... ...
...
1
2
Aufgabe 9.7 Geben Sie die Mikrostrukturen der Polymere an, die sich aus den hemitaktischen Polymeren ergeben, wenn die Konfigurationen der Stereozentren 2, 4, 6, 8, ... entweder iso- oder syndiotaktisch festgelegt werden.
Ein hemi-isotaktisches Polypropen (hi-PP) liefert der Zirconocenkomplex 4 (aktiviert mit MAO). Der unsubstituierte Komplex 3 ist ein typischer Cs-symmetrischer Katalysator, der syndiotaktisches Polymer ergibt. Der Methylsubstituent in 4 macht aus den beiden enantiotopen Koordinationstaschen in 3 diastereotope, wovon eine (A) enantioselektiv und die andere (B) nichtselektiv ist. Die sterische Hinderung der Propenkoordination an B mit der Si- bzw. der Re-Seite durch den Fluorenylliganden bzw. den Methylcyclopentadienyl-Liganden ist vergleichbar, so dass keine Selektivität resultiert. Es liegt eine Situation gemäß Eintrag 6 (Tab. 9.5) vor [Res 2000].
166
Polymerisation von Olefinen Me Zr
Cl
Cl
A Cl
3
Zr
t-Bu B
Cl
B
A
Zr
Cl
Cl
5
4
Die tert-Butylsubstitution in Komplex 5 (vgl. Strukturbild in Abb. 9.7) kehrt die Syndioselektivität von 3 in eine Isoselektivität um. Es ist klar, dass Propen an die Position A mit der SiSeite koordiniert wird. Bei B scheint der raumgreifende tert-Butylsubstituent ebenfalls eine Koordination an der Si-Seite zu erzwingen, so dass ein isotaktisches Polymer resultiert (analog Eintrag 2 in Tab. 9.5). Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass das Olefin immer an der Position B koordiniert und die Polymerkette nach dem Insertionsschritt „insertionslos“ nach A wandert, weil eine Bindung der voluminösen Polymerkette an B (bedingt durch den tertButylsubstituenten und den Fluorenylliganden) energetisch zu unvorteilhaft ist. Damit würde ein Mechanismus analog Eintrag 4 in Tab. 9.5 bzw. ein Reaktionszyklus (1 ĺ 2 ĺ 3 ĺ)x analog Abbildung 9.8 vorliegen.
Stereoblockpolymere Stereoblockpolymere bestehen aus Blöcken unterschiedlichen sterischen Aufbaus, die aber alle aus einem einzigen Monomer erzeugt werden. Stereoblockpolypropen, bei denen sich isotaktische mit ataktischen Blöcken abwechseln, können erhalten werden, wenn das eine Katalysatorzentrum (A in Abb. 9.8) enantioselektiv und das andere (B) nichtselektiv ist (Tab. 9.5, Eintrag 7). Stereoblockpolypropen wird mit nicht-verbrückten Metallocenen erhalten, bei denen eine hinreichende konformative Stabilität (Einschränkung der freien Drehbarkeit der Cyclopentadienylsubstituenten um die M–Cp-Achse) durch geeignete Substitution an den Cp-Ringen gewährleistet wird. So treten beim Bis(2-phenylindenyl)zirconium-Komplex 1 zwei Konformationsisomere auf: 1a (syn) ist (angenähert) eine meso-Form mit nichtselektiven Koordinationsstellen, 1b (anti) ist C2-symmetrisch. 1a liefert einen ataktischen und 1b einen isotaktischen Block. Die Blocklänge (n bzw. m) wird durch die Isomerisierungsgeschwindigkeit 1a 1b bestimmt. Die Geschwindigkeit der Isomerisierung muss langsamer als die der Insertion, aber vergleichbar mit der des Kettenwachstums sein. Die spezielle Mikrostruktur dieser Polymere gibt Zugang zu thermoplatischen Elastomeren (TPEs = thermoplastic elastomers) [Res 2000].
Zr
P
M 1a +n
1
1b
M P +m
achirale Koordinationstaschen
isoselektive Koordinationstaschen
ataktischer Block
isotaktischer Block
Nicht-Metallocen-Katalysatoren
167
Zur Bedeutung von Metallocenkatalysatoren Mit Metallocenkatalysatoren ist es zum ersten Mal möglich geworden, die Polymerisation von Olefinen derart gezielt zu steuern, dass die Mikrostruktur der Polymere präzise kontrolliert und in weiten Grenzen variiert werden kann. Das ermöglicht die Synthese von Polymeren mit „maßgeschneiderten“ Eigenschaften und deren zielgerichtete Variation. All das ist ursächlich dadurch bedingt, dass Metallocene lösliche single-site-Katalysatoren mit exakt definierter Struktur sind und darüber hinaus die Beziehungen zwischen Katalysatorstruktur und Polymerarchitektur gut verstanden werden. Im Falle von Ethen führt die Polymerisation mit Metallocenkatalysatoren zu Polymeren mit einer engen Molmassenverteilung Mw/Mn = 2 (zum Vergleich: Mw/Mn = 5–10 bei ZieglerKatalysatoren) bei 0,9–1,2 Methylgruppen pro 1000 C-Atome. Die Molmasse selbst hängt ausgeprägt von der Katalysatorstruktur und den Reaktionsbedingungen ab. Metallocenkatalysatoren haben sich auch für Copolymerisationen von Ethen mit Į-Olefinen (Propen, ..., Oct1-en) zu LLDPE bewährt. Der Hauptteil der Comonomere ist statistisch in der Polymerkette verteilt und es können hohe Gehalte (bis zu 30 %) an Comonomeren realisiert werden [Kam 2001]. Im Falle von Propen sind metallocenkatalysiert alle stereoisomeren Polymere in hoher Reinheit einschließlich von Stereoblockpolymeren zugänglich. Sie zeichnen sich durch eine enge Molmassenverteilung aus und enthalten nur sehr geringe Mengen (< 0,1 %) an niedermolekularen Produkten (zum Vergleich: 2–4 % bei Ziegler-Natta-Katalysatoren). Die Copolymerisation von Ethen mit Propen im Molverhältnis 1:2 – 2:1 in Gegenwart geringer Mengen eines nichtkonjugierten Diens (z. B. Hexa-1,4-dien) führt zu Elastomeren (EPDM-Elastomere) mit enger Molmassenverteilung. Metallocenkatalysiert sind optisch aktive Propenoligomere zugänglich. Metallocenkatalysatoren werden auch zur Polymerisation von anderen Monomeren eingesetzt. Beispiele dafür sind die Polymerisation von Styrol zu syndiotaktischem Polystyrol (Schmelzpunkt: 275 °C, Glasübergangstemperatur: 100 °C), die Polymerisation von Cycloolefinen (Cyclopenten, Cyclobuten, Norbornen) ohne Ringöffnung zu kristallinen Polymeren mit hohen Schmelzpunkten (Fp. 400 °C) sowie die Cyclopolymerisation von D,Ȧ-Dienen (vgl. Aufgabe 9.8). Metallocenkatalysatoren haben in der Polymerchemie sowohl aus wissenschaftlicher als auch industrieller Sicht eine große Bedeutung erlangt, die in der Zukunft weiter steigen wird.
Aufgabe 9.8 D,Ȧ-Diene sind bifunktionelle Monomere, die mit Metallocenkatalysatoren cyclopolymerisiert werden können. Geben Sie den Reaktionsablauf für die Cyclopolymerisation von Hexa-1,5-dien an. Legen Sie eine Alternanz von inter- und intramolekularer Insertion (jeweils primäre Insertion) zugrunde. Eine stereoreguläre Polymerisation kann zu vier verschiedenen Stereoisomeren führen. Geben Sie die Polymerstrukturen an.
168
Polymerisation von Olefinen
9.5 Nicht-Metallocen-Katalysatoren Aus den umfangreichen Untersuchungen zur Aktivität und Selektivität von Metallocenen bei der Olefinpolymerisation ist ein gutes Verständnis erwachsen, von welchen Faktoren Selektivität und Aktivität bei der Olefinpolymerisation abhängen. Daraus sind Strukturmodelle abgeleitet worden, die eine gezielte Suche nach „Nicht-Metallocen“-Katalysatoren ermöglicht haben. Es kann davon ausgegangen werden, dass katalytisch aktive Komplexe bei der Olefinpolymerisation bevorzugt koordinativ ungesättigte kationische Übergangsmetallkomplexe 1 sind, die aus den Precursorkomplexen 2–4 wie folgt gebildet werden können [Bri 1999]: R LnM 2
X
X
X
R LnM 3
R
R
LnM 4
X
+R 2X
R LnM 1
2 ĺ 1. Precursoren sind Alkylhalogenokomplexe 2 (X = Halogenid), die mit Verbindungen M’X’ (X’ = schwach koordinierendes Anion wie PF6–, BF4–, OTf –, BPh4–, [B{3,5-(CF3)2C6H3}4]–, ...; M’ = Ag, Tl, Alkalimetall, ...) im Sinne einer doppelten Umsetzung unter Abspaltung von M’X zu [1]X’ reagieren. 3 ĺ 1. Precursoren sind Dialkylkomplexe 3, aus denen durch Umsetzung mit (YH)X’ eine M–R-Bindung protolytisch gespalten wird ((YH)+ = [PhNHMe2]+, [R2OH]+, ...). Alternativ dazu kann mit Lewis-Säuren wie B(C6F5)3 ein Alkylligand R– abgespalten werden, wobei dann die alkylierte Lewis-Säure als schwach koordinierendes Gegenion X’– für 1 fungiert. 4 ĺ 1. Precursoren sind Dihalogenokomplexe 4, die mit einem Cokatalysator umgesetzt werden, der sowohl alkylierend als auch Lewis-acid wirkt. Das können wie in den klassischen Ziegler-Systemen Aluminiumalkyle (mit dem Nachteil, dass die Anionen [AlRnX4–n]– noch relativ stark koordinieren) oder MAO sein. Die Coliganden Ln im Katalysator 1 haben wichtige Funktionen. Ihr Raumanspruch und ihre elektronischen Eigenschaften sind entscheidend für die Selektivität und Aktivität sowie generell für die Stabilität des Komplexes beispielsweise gegenüber unerwünschten Redoxreaktionen. Sie erzeugen eine stabile Koordinationsgeometrie, was bevorzugt durch Chelatliganden zu realisieren ist. Das ist wesentlich, um eine cis-Anordnung von koordiniertem Monomer und wachsender Polymerkette als entscheidende Voraussetzung für eine schnelle Insertionsreaktion zu gewährleisten.
Katalysatorsysteme der frühen Übergangsmetalle Sie sind vielfach mit den klassischen Metallocenkatalysatoren der Gruppe 4 (1) dahingehend verwandt, dass es sich um d0-Metallkomplexe handelt. Dazu gehören die so genannten „constrained geometry catalysts“ (CGC). Das sind Halbsandwich-Amidokomplexe der Gruppe 4
Nicht-Metallocen-Katalysatoren
169
(2) oder auch Halbsandwich-Phenolatokomplexe vom Typ 3. Ausgehend von 1 führt beim Übergang zur Gruppe 5 die formale Substitution eines Cp-Liganden durch einen dianionischen Liganden zu neutralen d0-Präkatalysatoren. Ein Beispiel dafür sind Imidokomplexe vom Typ 4. Es kann erwartet werden, dass daraus – analog den Metallocenen 1 – kationische 14-ve-Katalysatorkomplexe generiert werden. Metallocene der Seltenerd-Metalle 5 erwiesen sich auch als Präkatalysatoren für die Olefinpolymerisation, wobei sich aber neutrale 14-veKatalysatorkomplexe ergeben [Gro 2004]. Me2Si
M
1 (M = Zr, Ti)
X X
Me2Si
M N R
2 (M = Ti, Zr)
X X
Ti O
X
V
X
3
R
N
X X
4 (M = V, Ta)
Me2Si
M X
5 (M = SE-Metall)
Katalysatorsysteme der späten Übergangsmetalle In Tabelle 9.6 ist eine Auswahl von Präkatalysatoren später Übergangsmetalle für die Ethenpolymerisation zusammengestellt. Schon in den 60er-Jahren war gefunden worden, dass [Ni(C3H5)(PR3)][AlClx+1Et3–x] (1) mit PR3 = PMe3 die Dimerisation von Ethen katalysiert, während mit dem wesentlich sterisch anspruchsvolleren Phosphan P(t-Bu)3 Polyethen gebildet wird, insbesondere dann, wenn das Phosphan im Überschuss vorliegt. In analoger Weise kann der SHOP-Katalysator 2 in einen Polymerisationskatalysator umgewandelt werden, wenn das stark bindende PPh3 durch einen Phosphanfänger wie [Ni(COD)2] oder [Rh(acac)(H2C=CH2)2] aus dem Reaktionsgemisch entfernt wird oder von vornherein Komplexe mit einem schwächer bindenden Liganden L (Ph3PO, py, ...) eingesetzt werden (3). Komplexe vom Typ 4 mit Salicylaldiminatoliganden (R, R’ = sperrige Substituenten) sind denen vom SHOP-Typ 2/3 ähnlich. Eisen(II)- und Cobalt(II)-Komplexe mit tridentaten Bis(imin)pyridin-Liganden 6 sind nach Zugabe von MAO teilweise hochaktive Katalysatorsysteme (M. Brookhart, 1998; V. Gibson, 1998). Durch den Raumanspruch der ortho-Arylsubstituenten R kann die Molmasse des Polymeren gesteuert werden, wobei bei kleinen ortho-Substituenten sehr aktive Oligomerisationskatalysatoren (M = Fe) erhalten werden [Gib 2003]. Auch bei kationischen NiII- und PdII-Komplexen mit Diiminliganden (5), die mit MAO als Cokatalysator hochaktive Katalysatoren bilden (M. Brookhart, 1995), erschweren die orthoArylsubstituenten wie R = i-Pr Kettenübertragungen und sind somit Voraussetzung für die Polymerisation. Mit R = H (M = Ni) werden Oligomere erhalten. Die Polymeren weisen eine interessante Mikrostruktur auf, sie sind hochverzweigt (bis zu 100 Verzweigungen pro 1000 CH2-Gruppen), ohne dass Comonomere zugegeben worden sind. Lineares Polyethen wird erhalten, wenn der Insertion von Ethen in die wachsende Polymerkette (7 ĺ 8) erneute Ethenkoordination (8 ĺ 7’; 7’ = 7 mit verlängerter Polymerkette) folgt. Tritt jedoch anstelle dessen eine ȕ-H-Eliminierung (8 ĺ 9) ein, der – nach Rotation des Olefinliganden – Reinsertion unter M–C2-Bindungsbildung (9 ĺ 10) und Ethenkoordination (10 ĺ 7’) folgt, ist ein
170
Polymerisation von Olefinen
Tabelle 9.6. Beispiele für die Polymerisation von Ethen durch Komplexe später Übergangsmetalle (adaptiert aus Mecking 2001).
TOFa)
Präkataly-
typische Molmasse (in g/mol)a)
–1
sator
(in h )
b)
Mw
sehr langsam
Polymere
2
6·103
Į-Olefinoligomere
3
5
1’
Mw/Mn
des Polyethens
Schulz-Flory
lineare Oligomere
25
linear
6
2·10
10 (Mv)
5
Verzweigungsstruktur
5
4
2·10
5·10
1,5–3
moderat verzweigt bis linear
5 (M = Ni)
4·106
> 8·105
1,5–3
hochverzweigt bis linear
9
hochlinear
7
5
10
6 (M = Fe)
6·10
a) Die Zahlenwerte sind unter sehr verschiedenen Bedingungen ermittelt worden und somit nur bedingt vergleichbar. b) [Ni(C3H5)Br{P(t-Bu)3}]/Al2Cl3Et3 + 3 Äquiv. P(t-Bu)3 (1’). Der analoge PMe3-Komplex ergibt Ethendimere. +
Ph2 P Ph Ni L O
NaO3S Ph2 P Ph Ni PPh3 O
Ph
Ph
N Ni
Ph2 P Ph Ni L O
HO
2
R
O
R
R Ph
R'
L
R'
R N N
N
Me M
R
R'
R
L
N
R M
N
R
Cl Cl R
R
3
5
4
6
methylverzweigtes lineares Polyethen gebildet worden. „Chain-running“, d. h. aufeinander folgende ȕ-H-Eliminierungen und Reinsertionen (10 ĺ 11), die durch Ethenkoordination abgeschlossen werden (11 ĺ 7’), führen zu höheren Verzweigungen. 7
8 P
[M]
[M]
P
10
9 P
[M] H
11
P
P
[M]
[M]
R
+
Insbesondere quantenchemische Rechnungen haben geholfen zu verstehen, wie der Raumanspruch von großvolumigen Substituenten auf der einen Seite die Katalysatoraktivität erhöhen und auf der anderen Seite den Kettenabbruch erschweren kann. Das wird exemplarisch am kationischen Diiminnickelkatalysator (5, M = Ni, R = i-Pr, R’ = Me) gezeigt, vgl. Abbildung
Nicht-Metallocen-Katalysatoren
171
i-Pr
ax
N eq
Ni
i-Pr
ax
i-Pr N eq i-Pr
Abbildung 9.9. Struktur von [Ni(ArN=CMe–CMe=NAr)]2+ (ohne H-Atome, Ar = 2,5-(i-Pr)2C6H3) im Komplex [Ni(CH2SiMe3)2(ArN=CMe–CMe=NAr)]. Damit liegt ein Strukturmodell für die Koordinationstasche von Ethen und der wachsenden Polymerkette in einem kationischen Diiminnickel(II)-Komplex vor.
9.9. Die Arylsubstituenten sind senkrecht zur Komplexebene angeordnet, so dass die Isopropylgruppen die Koordination von Liganden an den axialen, nicht aber an den äquatorialen Positionen behindern. Katalysatorkomplex ist ein kationischer Nickelkomplex [NiP(N N)]+ (1, Abb. 9.10), der die wachsende Polymerkette P koordiniert hat und unter Addition von Ethen in den „resting state“ [NiP(Ș2-H2C=CH2)(N N)]+ übergeht (1 ĺ 2). Etheninsertion führt zur Kettenverlängerung [Ni(CH2CH2P)(N N)]+ (2 ĺ 3). Kettenabbruch erfolgt durch ȕ-H-Transfer von P auf das koordinierte Ethen, wobei ein Ethylolefinkomplex [Ni(CH2CH3)(Ș2-H2C=CHP)(N N)]+ gebildet wird (2 ĺ 4). Weiterhin ist eine Kettenverzweigung via ȕ-Hydrideliminierung und M–C2-Reinsertion in Betracht zu ziehen (1 ĺ 5). Diese Reaktionen sind in der Gasphase für zwei Katalysatormodelle berechnet worden, wobei die wachsende Polymerkette P durch eine Propylgruppe modelliert wurde (Abbildung 9.10). In Modell I ist der Diiminligand vollständig unsubstituiert, während Modell II den tatsächlichen Liganden enthält.
Ethenkoordination (1 ĺ 2): Der Ausgangskomplex 1 ist durch eine ȕ-agostische Wechselwirkung stabilisiert. Ethen wird an der axialen Position koordiniert. Damit erklärt sich zwanglos, dass im unsubstituierten Modell I die Wechselwirkungsenergie (1 + C2H4) größer und der gebildete Komplex 2 stabiler ist. Kettenwachstum (Insertion) (2 ĺ 3): Die Aktivierungsenergie beim realen Katalysatormodell II ist kleiner als im Modell I. Im Übergangszustand liegen das koordinierte Monomer und die wachsende Alkylkette in der Komplexebene. Die geringere Aktivierungsenergie im realen Modell II ist also nicht primär auf sterische Wechselwirkungen mit den raumbeanspruchenden Arylsubstituenten zurückzuführen, sondern auf die geringere Stabilität des Ausgangskomplexes 2 im Realmodell II. Der gebildete Pentylkomplex 3 ist durch eine ȕ-agostische Wechselwirkung stabilisiert.
172
Polymerisation von Olefinen
5 ca. 50 kJ/mol
5
E
1
1 +
+
4 3 3
2
4 2
H
H [Ni] = H
N
H Ni
N
H
i-Pr
i-Pr N
[Ni] =
N
Ni
i-Pr i-Pr
H
II
I
[Ni] +
[Ni] 1
H
2
H
3
[Ni] H
H [Ni] 4
[Ni] 5
H
Abbildung 9.10. Energieprofil für Ethenkoordination (1 ĺ 2), Insertion (2 ĺ 3), Kettenabbruch (2 ĺ 4) und -verzweigung (1 ĺ 5) bei der Diiminnickel-katalysierten Ethenpolymerisation mit dem generischen und dem realen Katalysatormodell (I bzw. II) (Grundzustände sind durch fette und Übergangszustände durch dünne Striche dargestellt) (gekürzt nach Michalak, Ziegler 2002)
Nicht-Metallocen-Katalysatoren
173
Kettenabbruch (2 ĺ 4): Die Aktivierungsbarriere im realen Katalysatormodell II ist ungefähr doppelt so hoch wie die im unsubstituierten Modellkomplex I. Der Übergangszustand ähnelt einem Ethen(hydrido)propyl-Komplex mit Ethen in einer axialen Position und dem Į-CAtom des Propylliganden in der anderen. Damit wird der „sterische Druck“ der Isopropylsubstituenten in II unmittelbar verständlich. Kettenverzweigung (1 ĺ 5): Die Aktivierungsbarriere für Modell II ist etwas größer als für I. Der Übergangszustand ähnelt einem Hydridoolefinkomplex mit dem Hydridoliganden und dem Į-C-Atom des Olefinliganden in der Komplexebene. Die etwas größere Aktivierungsbarriere für Modell II ist sicherlich auf eine Behinderung der Rotation des Olefins vor der Reinsertion zurückzuführen. Damit ergibt sich im Modell II, das die reale Katalysatorstruktur widerspiegelt, für die Aktivierungsbarrieren die Abstufung
Kettenwachstum < Kettenverzweigung < Kettenabbruch, während im Modell I (ohne sterische Wechselwirkungen) die Abstufung
Kettenabbruch < Kettenverzweigung < Kettenwachstum gefunden wird. Im Vergleich mit den Katalysatoren der frühen Übergangsmetalle weisen die der späten Übergangsmetalle eine höhere Toleranz gegenüber funktionellen Gruppen auf. Das ermöglicht in einigen Fällen den Einbau von polaren Comonomeren und Polymerisationen in polar-protischen Lösungsmitteln. Das steht mit der geringeren Bindungspolarität der M–C-Bindungen später Übergangsmetalle und ihrer höheren kinetischen Stabilität im Zusammenhang [Rie 2003].
Lebende Polymerisation von Olefinen Bei herkömmlichen komplexkatalysierten Polymerisationen von Olefinen werden – bedingt durch Kettenabbruch und -übertragung pro Katalysatorzentrum viele Polymerketten erzeugt. Bei lebenden Polymerisationen wird pro Katalysatorzentrum nur eine einzige Kette gebildet [Coa 2002a].1 Lebende Polymerisationen lassen eine zielgerichtete Synthese von definierten neuartigen polymeren Materialien zu, wie z. B. eine gezielte Synthese von Blockcopolymeren oder von Polymeren mit funktionalisierten Endgruppen. Nachteilig ist, dass an jedem aktiven Metallzentrum nur eine einzige Polymerkette gebildet wird. Lebende Polymerisationen werden erhalten, wenn (im Idealfall) keine Kettenabbruch- und Kettenübertragungen auftreten. [V(acac)3] (Hacac = Acetylaceton) mit AlEt2Cl als Cokatalysator (Anisol kann als Aktivator zugesetzt werden.) führt bei –78 °C zu einer lebenden Polymerisation von Propen. Es wird partiell syndiotaktisches hochmolekulares Polypropen erhalten. Bei höheren Temperaturen geht das lebende Verhalten zunehmend zurück. Blockcopolymere lassen sich in lebenden Polymerisationen durch sequenzielle Zugabe von Monomeren aufbauen. Ein Beispiel ist die Synthese eines Blockcopolymers, das aus Blöcken 1
Obwohl die Knüpfung von C–C-Bindungen katalysiert wird, handelt es sich dabei im strengen Sinne nicht mehr um einen Katalysator, sondern um einen Initiator. Wir werden aber diese Unterscheidung hier nicht treffen.
174
Polymerisation von Olefinen
von s-PP, EPR (Ethen–Propen-Kautschuk) und wiederum s-PP besteht (1 ĺ 2). Abbruch einer lebenden Polymerisation mit Iod führt zu einem Polypropen mit einer Iodendgruppe (1 ĺ 3), an das z. B. kationisch Tetrahydrofuran polymerisiert werden kann (3 ĺ 4). s-PP
1)
EPR
3)
x
m
P
[V] 1
s-PP
+
2)
y n
o
2 I2
P
I
AgClO4 O
O poly-thf
3
4
P n
s-PP
Polymerisationen von Į-Olefinen katalysiert durch Diiminnickelkomplexe/MAO (Tab. 9.6, Komplextyp 5) können auch so gestaltet werden, dass sie lebend verlaufen.
9.6 Copolymerisation von Olefinen und CO Die alternierende Copolymerisation von Ethen und Kohlenmonoxid führt zu einem Polyketon [Poly(1-oxotrimethylen)]. n H2C CH2 + n CO
Kat.
O n
Übergangsmetallkatalysiert ist die Copolymerisation zum ersten Mal von W. Reppe und A. Magin (1948) mit K2[Ni(CN)4] als Katalysator durchgeführt worden. Heute werden vor allem Palladiumkomplexe als Katalysatoren eingesetzt, mit denen eine streng alternierende Copolymerisation realisiert werden kann. Aufeinanderfolgende Carbonylgruppen –C(O)–C(O)– werden überhaupt nicht gefunden, während ein einziger fehlerhafter Einbau von Ethen zu Tetramethyleneinheiten (–CH2–CH2–CH2–CH2–) auf ca. 105–106 reguläre Strukturelemente beobachtet worden ist [Rix 1996]. Thermodynamisch ist die Homopolymerisation von Ethen gegenüber der alternierenden Copolymerisation von Ethen und CO bevorzugt. Wenn man bedenkt, dass Katalysatoren für die alternierende Copolymerisation in Abwesenheit von CO in aller Regel die Dimerisation von Ethen zu Buten oder sogar zu Polyethen katalysieren, ist die (perfekt) alternierende CO– Ethen-Copolymerisation ein überzeugendes Beispiel dafür, wie selektiv durch Katalysatoren Reaktionen gesteuert werden können. Als Präkatalysatoren werden Palladium(II)-Komplexe [Pd(OAc)2(L L)] mit zweizähnigen P P- (Ph2P(CH2)nPPh2, n = 2–4; ...), aber auch N N-Chelatliganden (Phenanthrolin, ...) eingesetzt. Es wird in Gegenwart von Brønsted-Säuren HX mit nicht- bzw. schwach koordinierenden Anionen X– wie OTs–, BF4–, ClO4– gearbeitet. Mitunter wird noch ein Oxidationsmittel wie 1,4-Benzochinon zugesetzt, um reduzierte Palladiumspezies in die aktive zweiwertige Form zu oxidieren. Typischerweise wird die Polymerisation in Methanol bei 80–90 °C
Copolymerisation von Olefinen und CO
175
und 30–60 bar ausgeführt. Die Katalysatoren sind hochaktiv (104 mol Ethen/(mol Pd · h) und produktiv (> 106 mol Ethen/mol Pd). Die erhaltenen Polymere bilden hochschmelzende Thermoplaste, die aus preiswerten Ausgangsstoffen (CO/Ethen) zu erhalten sind. Sie verfügen wegen der vielfältigen Möglichkeiten zur Funktionalisierung der reaktiven Carbonylgruppen über ein innovatives Potenzial, zumal sie – da Kohlenmonoxid selbst nicht homopolymerisiert werden kann – die höchst mögliche Konzentration an Ketogruppen in einer Polymerkette enthalten [Dre 1996, Bia 2002]. Bei der katalytisch aktiven Verbindung handelt es sich um einen quadratisch-planaren kationischen Palladium(II)-Komplex, der einen zweizähnigen Chelatliganden L2 und die wachsende Polymerkette koordiniert hat. Das kann eine Alkyl- (1) oder eine Acylpalladiumverbindung (3) sein. In beiden Fällen ist durch strukturelle Untersuchungen von Modellkomplexen und durch quantenchemische Rechnungen nachgewiesen worden, dass unter Bildung eines fünf- bzw. sechsgliedrigen Ringes eine zusätzliche C=O-Koordination erfolgen kann. Ausgehend von 1 folgt der Koordination von CO (1 ĺ 2) ein Insertionsschritt unter Bildung eines Acylkomplexes (2 ĺ 3). Nunmehr wird Ethen koordiniert (3 ĺ 4) und dessen Insertion in die Palladium–Acyl-Bindung schließt den Zyklus (4 ĺ 1’). Beide Insertionsreaktionen verlaufen im Sinne einer Alkyl- bzw. Acylwanderung. P L
CO
Pd L
O
O
L Pd L
P
CO
L
L 3
Pd L
P
C
C O
L
O
L Pd
Pd
2
1
O
L
P
P
O
O
O
4
1'
Die Copolymerisation verläuft strikt alternierend. Eine zweifache CO-Insertion (4 ĺ 5 ĺ 6 anstelle 4 ĺ 1’) kommt aus thermodynamischen Gründen nicht in Betracht. Die Reaktion 5 ĺ 6 ist endergonisch; das ist eine Folge der sehr schwachen C(O)–C(O)-Bindung (ǻH—o in kJ/mol: 307 (MeC(O)–C(O)Me) < 352 (Me–C(O)Me) < 377 (Me–Me)) und der sehr stabilen CŁO-Bindung in Kohlenmonoxid (1072 kJ/mol) [Sen 1993]. O
O CO
L2Pd
P 4
L2Pd
O P
CO 5
L2Pd
P O 6
176
Polymerisation von Olefinen
Eine zweifache Etheninsertion (1 ĺ 7 ĺ 8 anstelle 1 ĺ 2 ĺ 3) ist zwar thermodynamisch möglich, tritt aber nur in sehr untergeordnetem Maß auf. Der 3-Oxoalkylpalladium-Komplex 1 ist durch eine intramolekulare C=O-Koordination zusätzlich stabilisiert. Er kann zwar mit dem stärker koordinierenden CO weiterreagieren (1 ĺ 2), nicht aber mit dem schwächer koordinierenden Ethen (1 ĺ 7), so dass die Gleichgewichtskonzentration von 7 sehr klein ist (25 °C: K ca. 104 für 7 + CO 2 + C2H4; L2 = dppp). Darüber hinaus ist die Insertionsreaktion, die zur doppelten Etheninsertion führt (Ethen in Pd–Alkyl: 7 ĺ 8), um etwa zwei Zehnerpotenzen langsamer als die zur alternierenden Copolymerisation führende CO-Insertion (CO in Pd-Alkyl: 2 ĺ 3) [Shu 2000]. O L2Pd
CO
L2Pd
P
O 7
P
O
L L
Pd
P
CO
2
1
P L2Pd
P O 8
doppelte Etheninsertion
O
L Pd L 3
C O
alternierende Copolymerisation
Aufgabe 9.9 Berechnen Sie mit den Angaben im Text unter der Annahme, dass das Curtin-Hammett-Prinzip auf das obige Reaktionsschema anzuwenden ist, das Verhältnis doppelte Etheninsertion/alternierende Copolymerisation. Für eine 1:1-Mischung von CO/Ethen gilt für die Konzentrationen in Lösung cCO = 7,3·10–3 mol/l und cC2H4 = 0,11 mol/l.
Reaktionen mit dem Lösungsmittel Methanol führen zum Kettenabbruch. Dabei werden Polymere mit Ketoendgruppen und Methoxopalladiumkomplexe (1 ĺ 9) oder Polymere mit Esterendgruppen und Hydridopalladiumkomplexe (3 ĺ 11) gebildet. Die Reaktion 1 ĺ 9 ist als protolytische Spaltung einer M–C-Bindung aufzufassen. Möglicherweise verläuft die Reaktion 3 ĺ 11 als nucleophile Substitution eines Pd0-Komplexfragmentes [PdL2(MeOH)] durch MeOH/MeO– und dessen nachfolgende Protonierung. Beide Abbruchreaktionen desaktivieren nicht den Katalysator. Ein neuer Kettenstart ist durch CO- (9 ĺ 10) bzw. Ethen-Insertion (11 ĺ 12) möglich. Damit wird deutlich, dass ein Abbruch unter Bildung einer Ketoendgruppe einen Neustart ermöglicht, bei dem die wachsende Polymerkette eine Esterendgruppe aufweist (1 ĺ 9 ĺ 10) und vice versa (3 ĺ 11 ĺ 12).
Copolymerisation von Olefinen und CO
177
O L2Pd
P
OMe H
OMe
+ MeOH
H
1
L2Pd
O
OMe H
O
MeO
L2Pd
O P
3
H OMe
+
+ CO
L2Pd
OMe H
11
O
+
O
10
H
+ MeOH
H OMe OMe
9
O L2Pd
L2Pd
OMe H
P
P
+ CO
12
Als Präkatalysatoren werden Verbindungen [Pd(OAc)2L2] (13) eingesetzt, die bei der Reaktion mit Brønsted-Säuren HX (X = nicht- oder schwach koordinierendes Anion wie OTs–, BF4–, ClO4–) zu Verbindungen [PdL2(MeOH)2]X2 (14) reagieren. Deprotonierung des koordinierten Methanols, die wegen der hohen Elektrophilie des zweifach positiv geladenen PdIIZentrums leicht möglich ist, führt zu einem Methoxokomplex (14 ĺ 9), der unter CO-Insertion zu einem Methoxycarbonyl-Komplex reagiert (9 ĺ 10). (Alternativ kann ein CO-Komplex gebildet werden, aus dem durch Addition von Methanol der Methoxycarbonyl-Komplex 10 entsteht.) Insertion von Ethen in die Pd–C-Bindung führt zum Katalysatorkomplex, der ein Polyketon mit mindestens einer Esterendgruppe bildet.
L2Pd(OAc)2
+ 2 MeOH/+ 2 HX 2 X/ 2 HOAc
H OMe L2Pd
13
2 OMe
H+
L2Pd
OMe H
14
+ CO
L2Pd
OMe H
10
9
H OMe O OMe
Bei der alternierenden Copolymerisation von CO und Į-Olefinen können wie bei der Homopolymerisation von Į-Olefinen unterschiedliche Stereoisomere gebildet werden. Die Struktur eines isotaktischen (1) und eines syndiotaktischen (2) Polymers ist nachfolgend dargestellt. O
...
R
O
R
O
... O
R
O 1
R
O
R
O
...
R
O
R
O
... O
R
O
R
O
R
2
Die Stereoselektivität (isotaktisch versus syndiotaktisch versus ataktisch) kann durch die Natur des Katalysators gesteuert werden.
Aufgabe 9.10 Im isotaktischen Polymer 1 zeigen die Substituenten R = Alkyl abwechselnd nach vorn und hinten. Im syndiotaktischen Polymer 2 zeigen sie alle in die gleiche Richtung. Für iso- und syndiotaktisches Polypropen trifft genau das Umgekehrte zu. Warum sind die Bezeichnungen dennoch korrekt?
178
Polymerisation von Olefinen
Nicht perfekt alternierende Copolymerisation von Ethen mit CO Die Copolymerisation von Ethen mit CO katalysiert durch 1 und davon abgeleitete Komplexe verläuft nicht streng alternierend. Zwischen ca. 10 und 30 % des Ethens (mit 1 selbst bis zu 15 %) werden nicht regulär eingebaut, so dass im Polymeren 2 außer dem regulären Einbau (x = 1) auch Sequenzen mit x = 2–4 zu finden sind. Doppelte CO-Insertion tritt nicht auf [Hea 2005].
n' H2C CH2 + n CO
O
MeOH, 100120 °C 1
x
2
P OMe Pd OAc O S O O 1
n
2
Ausgehend vom Alkylkomplex 3 ([Pd]–OAc Ł 1) ist a der Reaktionskanal zur alternierenden Copolymerisation und b der zur nichtalternierenden. Quantenchemische Rechnungen weisen auf die Ursache, warum der Reaktionsweg b beschritten werden kann [Har 2005]: Der Acylkomplex 5 liegt in der offenkettigen Form vor und ist nicht durch eine Pd–O-Bindung stabilisiert (5 versus 5’). Das hat zwei Gründe: Zum einen wird eine Pd–O-Koordination sterisch durch den ortho-Substituenten OMe in 1 behindert und zum anderen ist der Katalysatorkomplex 5 ein Neutralkomplex, so dass die Elektrophilie des Palladiums ohnehin geringer als in den konventionellen kationischen Komplexen ist. Die fehlende Stabilisierung durch die Pd– O-Koordination in 5 hat zur Folge, dass die Deinsertion von CO relativ leicht abläuft (5 4) und so der Reaktionskanal b zur doppelten Etheninsertion geöffnet wird. Auf der anderen Seite verläuft aber auch die Ethenaddition leichter (5 ĺ 6), da keine Pd–O-Bindung gebrochen werden muss. Der zuerst genannte Aspekt überwiegt, so dass in diesem Fall die irreguläre nichtalternierende Copolymerisation mit der alternierenden konkurrieren . P O [Pd] O O CO
[Pd]
O 3
O P
CO 4
[Pd] P
5'
[Pd]
O
+
[Pd]
P O
O
5
O [Pd]
P
P
[Pd]
P O
+
a
6
oder + CO
b
10 C–C-Verknüpfungen von Dienen
10.1 Einführung Buta-1,3-dien 1 ist das einfachste konjugierte Diolefin. Von der methylsubstituierten Verbindung, 2-Methylbuta-1,3-dien (2, Isopren), leiten sich die Terpene ab. Sie haben die Summenformel (C5H8)n und sind formal als Oligo- oder Polymerisationsprodukte von Isopren aufzufassen (Abbildung 10.1). Terpene sind in der Natur weit verbreitet. Sie sind in etherischen Ölen und Carotinoiden enthalten und besitzen häufig eine ausgeprägte biologische Aktivität. cis-1,4-Polyisopren (Naturkautschuk) ist wegen seiner kautschukelastischen Eigenschaften von besonderer Bedeutung.
2
1
X
CH2OH d
b
a
c e f
...
... n
...
...
g
n
Abbildung 10.1. Oligomere und Polymere, die sich von Butadien 1 bzw. Isopren 2 ableiten. Beispiele für ein Butadienoligomer (a), -telomer (X = OR, NR2, ...) (b) -cyclooligomer (c), einen Terpenalkohol (Vitamin A1, d) und ein Carotinoid (Į-Carotin, e) sowie synthetischer (f) und natürlicher Kautschuk (g). Die Verknüpfungsstellen der Monomereinheiten sind durch fette Striche angedeutet.
So ist es nur folgerichtig, dass der Katalyse von Oligo- und Polymerisationsreaktionen von Butadien und Isopren eine besondere Bedeutung zukommt. Wesentliche Triebfeder war das Ziel, synthetischen Kautschuk herzustellen. Ein Meilenstein dabei war 1937/38 die erste technische Synthese von Polybutadien im Bunawerk Schkopau (Sachsen-Anhalt) durch anionische Polymerisation mit Natrium als Initiator (Buna = Butadien-Natrium-Polymerisat). Der
180
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Gehalt an cis-1,4-Einheiten hat aber nur cirka 10 % betragen. Ein strukturell dem Naturkautschuk (cis-1,4-Polyisopren) analoges Polybutadien (cis-1,4-Polybutadien) ist erst mit Ziegler-Natta-Katalysatoren zugänglich geworden. Mit modernen Katalysatoren, insbesondere auf der Basis von Seltenerd-Metallen (Nd), wird ein Gehalt von > 99 % an cis-1,4-Einheiten erreicht. Mit metallorganischen Mischkatalysatoren lässt sich aber nicht nur die Polymerisation von Butadien katalysieren (G. Natta, 1955–59). Insbesondere mit Nickelkatalysatoren sind aus Butadien auch Cyclooligomere, lineare Oligomere und Telomere zugänglich (G. Wilke, 1955). Bei diesen katalytischen Reaktionen der 1,3-Diene treten Allylkomplexe als Zwischenstufen auf. Daraus resultieren mechanistische Besonderheiten, die durch die verschiedenartigen Bindungsmöglichkeiten von Allylliganden1 bedingt sind. Demzufolge ist es zweckmäßig, der Beschreibung ausgewählter katalytischer Transformationen von Dienen, die relevanten metallorganischen Elementarschritte voranzustellen. Sie entsprechen im Prinzip denen, die bei katalytischen Reaktionen von Monoolefinen anzutreffen sind (siehe Kapitel 3, S. 25), tragen aber den Besonderheiten der Chemie von Allylkomplexen Rechnung.
10.2 Allyl- und Butadienkomplexe 10.2.1 Allylkomplexe Der Allylligand kann an ein Metallzentrum Ș1- (ı)- (1) oder Ș3- (ʌ)-gebunden (2) sein, wie die Strukturen der beiden Komplexe in Abbildung 10.2 beispielhaft belegen.
Abbildung 10.2. Strukturen von trans-[Pt(Ș1-C3H5)Br(PEt3)2] (links) und von [Ni(Ș3-C3H5)2(PMe3)] (rechts) (H-Atome sind nur an den Allylliganden gezeichnet).
1
Allyl bezeichnet im engeren Sinne die Gruppe H2C=CH–CH2–. Im weiteren Sinne werden auch substituierte Verbindungen wie RHC=CH–CH2– und H2C=CR–CH2– einbezogen. Mit R = Me heißen diese Reste auch Crotyl bzw. Methallyl.
Allyl- und Butadienkomplexe
181
Oft ist es zweckmäßig, sich die Reaktionen von Ș3-Allylkomplexen anhand von zwei Resonanzstrukturen (2a/b) zu veranschaulichen. H
H C
[M]
H C
C
H
H 1
H H C [M] C H H C H 2
H
H
H
[M] H
H
H [M]
H
H
H a
H b
In Abhängigkeit von den Koordinationsverhältnissen können beide Formen, die sich in der Koordinationszahl um eine Einheit unterscheiden, mehr oder weniger leicht ineinander umgewandelt werden (Ș1–Ș3-/Ș3–Ș1- bzw. ı–ʌ-/ʌ–ı-Umlagerungen). Gleichgewichte zwischen beiden Formen, die sich hinreichend schnell einstellen, führen zu fluktuierenden Molekülen:
Ș1–Ș3- (ı–ʌ-) Umlagerungen. Die Umwandlung von Ș1-Allylkomplexen, in denen das Metall am Kohlenstoffatom C1 bzw. C3 gebunden ist, erfolgt über einen Ș3-Allylkomplex als Zwischenverbindung. H H
H [M]
1
H
H
H
H
3
H H
H [M] H
1
3
H
[M]
K1 (MC3)
K3
K1 (MC1)
H H
H
syn-anti-Isomerisierungen. Der Platzwechsel von syn- und anti-Wasserstoffatomen1 in Ș3Allylkomplexen erfolgt über einen Ș1-Allylkomplex als Zwischenverbindung, in dem freie Drehbarkeit um die C–C- und M–C-Bindung vorliegt. H H3
H1 H1'
[M]
H3'
K3
1' H1 H H
[M]
H H3
H1'
H H
H1 [M] H3'
K1
K3 ( H1', H3: syn; H1, H3': anti )
( H1, H3: syn; H1', H3': anti )
Die Aktivierungsbarriere für die anti-syn-Isomerisierung ist stark strukturabhängig. Im [Ni(Ș3-C3H5)2(PMe3)] (vgl. Abb. 10.2) ist aus 1H-NMR-spektroskopischen Untersuchungen eine freie Aktivierungsenthalpie von 40 kJ/mol ermittelt worden.
1
In Ș3-Allylkomplexen bezieht sich die syn/anti-Notation auf die Stellung der Methylenwasserstoffatome zum Methinwasserstoffatom: Referenzposition
H 3
H
H
H [M] H
syn anti
In substituierten Ș -Allylkomplexen bezeichnet syn und anti die Stellung eines Substituenten R zum Methinwasserstoffatom.
182
C–C-Verknüpfungen von Dienen
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Fluktuierende Moleküle Moleküle heißen fluktuierend, wenn eine Umlagerung zwischen zwei (oder mehreren) chemisch vollkommen äquivalenten Kernkonfigurationen stattfindet. Jede Konfiguration weist auf der Energiehyperfläche ein Minimum auf. Die Energieminima sind identisch. Sind die Konfigurationen jedoch chemisch unterscheidbar, spricht man von Isomerisierung. Die Definition schließt Strukturumwandlungen ein, die durch Bindungsbruch und -neuknüpfung erfolgen, aber auch stereochemisch nicht-starre Moleküle, die sich beispielsweise durch eine Berry-Pseudorotation (Beispiel: PF5) ineinander umwandeln [Huh 2003]. Der gegenseitige Austausch von identischen Substituenten/Liganden in unterscheidbaren chemischen und/oder magnetischen Umgebungen heißt Topomerisierung, die ununterscheidbaren Spezies heißen Topomere. Ein Ș3-Allylligand lässt vier Topomere zu (Aufgabe 10.1). Beispiel. 1H-NMR-spektroskopisch [Vri 1971] ist ein fluktuierender Ș3-Allylligand leicht zu identifizieren, da er 4 chemisch äquivalente H-Atome (2 Ha Ł 2 Hs) aufweist, die mit dem zentralen H-Atom (Hc) koppeln (Spektrum a). Dagegen zeigt das 1H-NMR-Spektrum eines nicht fluktuierenden Ș3-Allylkomplexes (b) 3 chemisch nicht-äquivalente Protonen (2 Ha, 2 Hs, 1 Hc), während ein Ș1-gebundener Allylligand (c) sogar 4 chemisch nicht-äquivalente Protonen aufweist. Idealisierte Strichspektren (ohne geminale H–H-Kopplungen; in Klammern ist die relative Intensität angegeben; für c mit 3JH1,H3 § 2 3 JH1,H2 § 2 3JH1,H4) für alle drei Typen von Allyllliganden sind nachfolgend gezeigt. 6
4
H1 (1)
H3 (1)
2
G(1H) in ppm 3 H4' H4 H
H4/H4' (2)
H2 (1)
[M]
Hc (1)
Hs (2)
Ha (2)
H2
c
H1
b
Hc Hs
Hs
Ha [M] Ha Hs/a (4)
Hc (1)
a
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Analog den unsubstituierten Allylkomplexen können auch substituierte Allylkomplexe einer anti-syn-Isomerisierung unterliegen. Nur handelt es sich dann nicht um fluktuierende, sondern um isomere Moleküle: H
H R
[M] H
K3 (anti )
H
H
R
H H
[M] H K1
H
R H
H
[M] H
K3 (syn )
Allyl- und Butadienkomplexe
183
Aufgabe 10.1 Resultiert eine anti-syn-Isomerisierung, wenn die Ș1-Komplexbildung über das andere terminale CAtom, also über den Komplex [M]–CH2–CH=CHR erfolgt? Geben Sie die Formeln aller Topomere eines Ș3-Allylliganden an.
10.2.2 Butadienkomplexe Es gibt zwei stabile Konformationen von Butadien, das s-trans- und das s-cis-Konformere:1 H
H H
H
H
H
H
H H
H
H
s-trans
H s-cis
Das s-trans-Isomere ist planar und thermodynamisch um etwa 15 kJ/mol stabiler als das scis-Isomere (Abbildung 10.3). Abstoßung zwischen den Wasserstoffatomen an den terminalen C-Atomen führt dazu, dass das planare s-cis-Konformere kein Minimum auf der Energiehyperfläche darstellt, sondern eine um ca. 35° verdrillte Form. Sie wird als nicht-planare scis-Konformation bezeichnet. Diese Unterscheidung ist für das Nachfolgende aber nicht relevant, so dass wir vereinfachend nur von der „s-cis-Konformation“ sprechen. Die Butadienaktivierung in katalytischen Reaktionen erfolgt über ʌ-Komplexbildung. Beide Konformere bilden Metallkomplexe, in denen entweder nur eine oder beide Doppelbindungen koordiniert sind (Ș2- bzw. Ș4-Koordination). Somit ergeben sich vier Grundtypen von Butadienkomplexen: s-trans
s-cis
M
M
M
M
K2
K4
K2
K4
Beispiele für strukturell charakterisierte Butadienkomplexe sind in der Abbildung 10.4 angegeben.
1
Um deutlich zu machen, dass sich die cis/trans-Notation hier auf die zentrale C2–C3-Bindung bezieht – und nicht wie üblich auf eine C=C-Doppelbindung – stellt man der Bezeichnung ein „s“ (für single) voran.
184
C–C-Verknüpfungen von Dienen
'E *
s-cis (C2)
s-trans (C2h)
ca. 10 kJ/mol
(C2v)
-180
-120
-60
0
60
120
180
CCCC-Torsionswinkel in °
Abbildung 10.3. Potentialkurve des Butadiens für die Drehung um die C2–C3-Bindung und Strukturmodelle für die beiden Gleichgewichtsstrukturen (der Pfeil mit dem Stern weist auf das dargestellte scis-Isomer) sowie für den planaren s-cis-Übergangszustand.
O
O C (bpy)Ni
Ni(bpy)
Mn
C Co
Co
Abbildung 10.4. Molekülstrukturen von Komplexen mit Ș2- und Ș4-gebundenen s-cis- und s-trans-Butadienliganden. In den Strukturbildern sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die H-Atome der Butadienliganden gezeichnet.
Allyl- und Butadienkomplexe
185
Die Koordinationschemie von Butadien ist entsprechend vielfältig. So steht der s-trans-Ș4Butadienzirconocen-Komplex 1 mit dem s-cis-Komplex 2 im Gleichgewicht, der als Zirconacyclopentenkomplex mit einer zusätzlichen ʌ-C=C–Zr-Wechselwirkung vorliegt. 2 unterliegt einer schnellen Ringinversion (2a 2b), es handelt sich also um ein fluktuierendes Molekül [Erk 2004, Erk 2005]. 'G = 95 kJ/mol
Zr
'G = 53 kJ/mol
Zr
1
Zr
2b
2a
Derartige ı-ʌ-Koordinationen von Butadien treten insbesondere bei Dienkomplexen der frühen Übergangsmetalle auf.
Re/Si- und supine/prone-Koordination von Allyl- und Butadienliganden Substituierte Ș3-Allylliganden wie in 1 (R z. B. Alkyl) sind prochiral, denn bei der Addition eines Nucleophils kann ein chirales C3-Atom gebildet werden. Somit ist zwischen der Koordination des Metalls an der Re- (1a) oder der Si-Seite (1b) zu unterscheiden. Das gleiche trifft für Ș2-koordinierte s-cis- und s-trans-Butadienliganden zu, die aus koordinationschemischer Sicht als vinylsubstituierte Ethenliganden aufzufassen sind. Bei einer 1,2-Addition wird ein chirales C2-Atom erzeugt, dessen Konfiguration davon abhängt, ob Butadien an der Re- (2a) oder der Si-Seite (2b) koordiniert. s-trans-Ș4-Butadien lässt ebenfalls zwei Koordinationsmöglichkeiten zu (3a/3b), während s-cis-Ș4-Butadien eine Re/Si-Koordination aufweist (4a). R 3 1
1a (Re)
a)
[M]
1
R [M]
1
[M]
3
[M]
2
2b (Si)
2a (Re)
1b (Si)
[M]
[M]
2
1
3a (Re/Re)
3b (Si/Si)
[M] 4a (Re/Si)
a) Re/Si-Zuordnung für R = primäres Alkyl.
Weiterhin ist bei Ș3-Allyl- und s-cis- Ș4-Butadienkomplexen mit Bezug auf einen Referenzliganden L zwischen einer „supine-“ (5a/6a) und „prone-Orientierung“ (5b/6b)1 zu unterscheiden, je nachdem ob der ʌ-gebundene Ligand in „Rücken-“ oder „Bauchlage“ vorliegt [Yas 1987].
1
L
L
L
L
M
M
M
M
5a (supine)
5b (prone)
6a (supine)
6b (prone)
Wir verwenden hier die englischen Bezeichnungen. Im deutschen Schrifttum wird gelegentlich „supin“ bzw. „pron“ geschrieben. Die herkömmliche Bezeichnung exo (supine) und endo (prone) für die relative Position von L zum ʌ-Liganden ist nur bedingt geeignet.
186
C–C-Verknüpfungen von Dienen
10.3 Metallorganische Elementarschritte von Allylliganden Oxidative Kupplung, reduktive Spaltung Bis(butadien)-Metallkomplexe 1 können unter oxidativer Kupplung (oxidative Addition unter C–C-Bindungsknüpfung) zu C8H12-Komplexen mit einer Ș1–Ș3- (2) bzw. Ș3–Ș3-Allylstruktur (3) reagieren. Ausgehend von einem Bis(Ș2-butadien)-Komplex findet die Kupplung so statt, dass die C–C-Bindung zwischen den terminalen C-Atomen der nicht koordinierten Doppelbindungen (C4/C4’) gebildet wird. Die Rückreaktion heißt reduktive Spaltung (reduktive Entkupplung; reduktive Eliminierung unter C–C-Bindungsspaltung). 1
4
[M]
[M]
[M]
1'
1
4'
2 (K1K3)
3 (K3K3)
Quantenchemische Rechnungen geben einen genaueren Einblick in die oxidative Kupplung von Bis(butadien)nickel(0)-Komplexen mit PH3 als Modellligand. Ausgangskomplexe sind die Bis(Ș2)-Komplexe [Ni(Ș2-C4H6)2(PH3)] (4) und nicht die entsprechenden Ș2,Ș4- oder Bis(Ș4)-Komplexe. Bedingt durch die s-cis/s-trans-Isomerie und der Möglichkeit, dass beide (prochirale!) Butadienliganden an derselben (Re/Re bzw. Si/Si) oder an unterschiedlichen Seiten (Re/Si) koordiniert sein können, ergeben sich sechs verschiedene Ausgangskomplexe 4. Jeder dieser Komplexe führt nun zu einem anderen Ș1,Ș3-Octadiendiyl-Komplex [Ni(Ș3,Ș1C8H12)(PH3)] (5). In Abbildung 10.5 ist das Reaktionsprofil für den energetisch günstigsten Weg (4b ĺ 5b) aufgezeigt, der vom Ș2-(s-cis),Ș2-(s-trans)-Komplex ausgeht, in dem beide Butadienliganden an verschiedenen Seiten (Re/Si) koordiniert sind. Zum Vergleich ist der Reaktionspfad ausgehend vom analogen Komplex mit Re/Re-Butadienkoordination eingetragen (4a ĺ 5a), der eine fast doppelt so hohe Aktivierungsbarriere aufweist. Das zeigt eindrucksvoll, dass stereoelektronische Effekte den Verlauf derartiger Reaktionen determinieren können. Die beiden Komplexe 5a und 5b gehen durch eine Ringinversion ineinander über. Kupplungen von zwei Ș2-s-trans- bzw. zwei Ș2-s-cis-gebundenen Butadienliganden haben alle eine größere Aktivierungsbarriere als die der Reaktion 4b ĺ 5b.
Metallorganische Elementarschritte von Allylliganden
187
'G ca. 50 kJ/mol Ni L
4b 5a
4a
5b
Ni L L
Ni
L
Ni
Abbildung 10.5. Reaktionsprofil für die oxidative Kupplung von Butadien ausgehend von [Ni(Ș2C4H6)2L] (4, L = PH3) (adaptiert und gekürzt nach Tobisch, Ziegler 2002a).
Insertion von Butadien, ȕ-Wasserstoffeliminierung Bei der Insertion von Butadien in eine M–H- oder M–C-Bindung ist prinzipiell eine 1,2- oder 1,4-Addition zu Ș1-Allyl- (1a, 2) bzw. But-3-enylkomplexen (1b) und die Bildung von Ș3Allylkomplexen mit einer syn- (3) oder anti-Struktur (4) in Betracht zu ziehen. Bei koordinativ ungesättigten Übergangsmetallverbindungen werden wegen ihrer besonderen Stabilität bevorzugt Ș3-Allylkomplexe gebildet. Bei 1,2-Additionen verhält sich Butadien wie ein terminales Olefin H2C=CHR’ (R’ = Vinyl), es ist prochiral. [M] R +
(R = H, Alkyl, Aryl, ...)
K3-Allyl
K1-Allyl/Butenyl
R [M]
,
[M] R
1,2-Addition
1a
1b
R
[M]
R
[M]
[M] R
1,4-Addition
syn
anti
2
3
4
Für R = H treten auch die Rückreaktionen, das sind ȕ-Wasserstoffeliminierungen, auf. Sie sind bei Allylpalladium- häufiger als bei Allylnickelkomplexen anzutreffen.
188
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Allylinsertion Die Insertion von Butadien in eine M–C-Bindung eines Allylkomplexes wird als Allylinsertion bezeichnet. Zwei prinzipielle Mechanismen sind nachgewiesen worden:
ı-Allylinsertionsmechanismus (1 ĺ 2). Ausgehend von einem Komplex mit einem Ș1-gebundenen Allylliganden und einem Ș2- oder Ș4-koordinierten Butadienliganden (1) erfolgt die Insertion von Butadien in die M–C-Bindung des Allylliganden unter C1–C1’-Bindungsknüpfung und Generierung einer Ș3-Allylstruktur mit den C2’–C4’-Atomen des Butadiens. ʌ-Allylinsertionsmechanismus (3 ĺ 2). Der Mechanismus ist analog, geht aber von einem Komplex mit einem Ș3-gebundenen Allylliganden (3) und einem Ș2- oder Ș4-koordinierten Butadienliganden aus. 1
1
1
[M]
[M]
1'
1'
2'
1
V-Allylinsertion
[M]
4'
1'
3'
2
3
S-Allylinsertion
Hinweis. Es mag Ihnen leichter fallen, Allylinsertionen zu überblicken, wenn Sie diese formal (!) in Teilschritte zerlegen, die denen von einfachen Olefinen entsprechen. Das sind die „Umwandlung“ von ʌ- in ı-Allylkomplexe (3’ ĺ 1’) und vice versa (4’ ĺ 2’) sowie die Insertion von Butadien im Sinne einer 1,2-Addition (vgl. die vorige Reaktion) des Diens in die ı-M–C-Bindung derart, dass eine M–C2’Bindung geknüpft wird (1’ ĺ 4’).
[M]
[M]
[M]
[M]
3'
1'
4'
2'
Allerdings muss man sich dabei bewusst sein, dass damit weder der tatsächliche Reaktionsablauf einer ı- (1’ ĺ 4’ ĺ 2’) noch einer ʌ-Allylinsertion (3’ ĺ 1’ ĺ 4’ĺ 2’) beschrieben wird!
Oxidative Addition und reduktive Eliminierung Oxidative Additionen von Allylverbindungen XCH2–CH=CHR (X = Cl, Br, I, OAc, CN, ...; R = Alkyl, Aryl, ...) an niederwertige Metallkomplexe und die entsprechenden reduktiven Eliminierungen als Rückreaktionen haben die Besonderheit, dass Ș1- und Ș3-Allylmetallkomplexe involviert sein können: R [M] + X
R
oxidative Addition reduktive Eliminierung
[M]
X
R ,
[M]
X
Unterliegen Bis(allyl)-Komplexe einer reduktiven Eliminierung, wird Hexa-1,5-dien (Diallyl) gebildet, das an das niederwertige Metallfragment koordiniert sein kann:
Metallorganische Elementarschritte von Allylliganden
[MII]
, [IIM]
189
[M0]
, [IIM]
Ausgangspunkt dabei können sowohl ʌ- als auch ı-gebundene Allylgruppen sein. So setzt sich Bis(Ș3-allyl)palladium 1 mit Diphosphanen zum Bis(Ș1-allyl)-Komplex 2 um, der oberhalb von –30 °C einer reduktiven Eliminierung unter Bildung von 3 unterliegt.
Pd
PR2
R2P
(R = i-Pr, t-Bu)
R2 P Pd P R2
> 30 °C
Pd P R2
2
1
R2 P
3
In Übereinstimmung damit weisen quantenchemische Rechnungen aus, dass im Gleichgewicht von [Pd(Ș3-C3H5)2] (1), [Pd(Ș3-C3H5)(Ș1-C3H5)(PH3)] (4) und [Pd(Ș1-C3H5)2(PH3)2] (5) Komplex 1 zwar die Hauptkomponente ist (Abbildung 10.6), aber die Aktivierungsbarriere für die reduktive Eliminierung von Hexadien in der Reihe 1 > 4 >> 5 sinkt.
anti-cis- und syn-trans-Korrelationen Die Stereochemie von Insertionen und reduktiven Eliminierungen unter Beteiligung von Allylliganden wird durch die folgenden Korrelationen determiniert: a) Ș3-Allylliganden mit einer anti-Struktur ergeben bei der reduktiven Eliminierung ein cis-Olefin und solche mit syn-Struktur ein trans-Olefin. R R
[M] R´ anti
R´ + [M]
R
[M]
cis
R
R´
R´
syn
+ [M]
trans
b) Die Insertion von s-cis-Butadien ergibt eine anti-Allylstruktur und die von s-transButadien einen Komplex mit syn-Allylstruktur. Beachten Sie, dass gemäß a) aus der synAllylgruppe eine trans-Doppelbindung gebildet wird. R
R [M]
s-cis
[M] anti
R
[M] [M]
s-trans
R syn
Theoretischer Hintergrund für die anti-cis- und syn-trans-Korrelationen ist das Prinzip der kleinsten strukturellen Variation: In der anti- und cis-Allylstruktur ist die cis- bzw. trans-Olefinstruktur schon „vorgebildet“, ebenso wie s-cis- und s-trans-Butadien strukturell mit einer anti- bzw. syn-Allylstruktur in direkter Beziehung steht.
190
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Pd
+ PH3
+ PH3
Pd PH3
Pd
H3P
4
1
H3P
5
'E
ca. 100 kJ/mol 5
4 + PH3
1 + 2 PH3 Pd + 2 PH3
H3P Pd + PH3
H3P H3P
Pd
Abbildung 10.6. Zur PH3-induzierten reduktiven Eliminierung von Diallyl aus Bis(allyl)palladium(II)Komplexen. In Gegenwart von PH3 stehen die Komplexe 1, 4 und 5 in einem mobilen Gleichgewicht. Da die PH3-Koordination an 1 (1 ĺ 4) und an 4 (4 ĺ 5) nur schwach endotherm ist (ǻH = 2 bzw. 10 kJ/mol), wird die reduktive Eliminierung von Diallyl in Gegenwart von PH3 bevorzugt aus dem Bis(Ș1allyl)palladiumkomplex 5 stattfinden, obwohl 5 im Gleichgewicht nur in geringer Konzentration vorliegt (adaptiert und gekürzt nach Méndez, Echavarren 2002).
10.4 Oligo- und Telomerisation von Butadien Für die Katalyse von Oligomerisationsreaktionen des Butadiens haben sich Nickel(0)-Komplexe als besonders geeignet erwiesen. Einen Überblick gibt Abbildung 10.7 [Wil 1963, Wil 1966]. Cyclo-cooligomerisationen von Butadien mit Olefinen und Alkinen werden in diesem Rahmen nicht besprochen.
Oligo- und Telomerisation von Butadien
191
Cyclotrimerisation
Cyclodimerisation
[Ni]
lineare Dimerisation
X + HX
+
Telomerisation
bzw.
Cyclo-cooligomerisation
Abbildung 10.7. Überblick über nickelkatalysierte Oligomerisationsreaktionen von Butadien.
10.4.1 Cyclotrimerisation von Butadien Bei der nickelkomplexkatalysierten Cyclotrimerisation von Butadien fungieren Butadiennickel(0)-Komplexe 1/2 als eigentliche Katalysatoren. Sie werden durch Reduktion von zweiwertigen Nickelverbindungen (bevorzugt [Ni(acac)2]) mit AlEt2(OEt) in Gegenwart von Butadien (a), durch reduktive Eliminierung von Diallyl aus [Ni(Ș3-C3H5)2] in Gegenwart von Butadien (b) oder aus Nickel(0)-Komplexen wie [Ni(COD)2] (COD = Cycloocta-1,5-dien) oder [Ni(CDT)] (CDT = Cyclododeca-1,5,9-trien) durch Ligandenverdrängung mit Butadien erhalten (c). Nickel in Nickel(0)-Komplexen mit leicht (insbesondere durch Butadien) verdrängbaren Liganden wird auch als „nacktes“ Nickel bezeichnet (z. B. Nickel in [Ni(COD)2]). a
[Ni(acac)2]
b
[Ni(K3-C3H5)2]
2 AlEt2(OEt) 2
Ni
Ni
c
[Ni(COD)2]
2 2 COD
1
2
192
C–C-Verknüpfungen von Dienen
In Butadien liegt ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Butadienkomplexen [Ni(C4H6)x] (x = 2, 3) vor, die Energieunterschiede sind gering. Rechnungen zeigen, dass bei einer zweizähnigen Koordination die Ș4-s-cis-Form und bei einer einzähnigen die Ș2-s-trans-Form bevorzugt ist. Bei den tetraedrischen 18-ve-Komplexen (x = 2) ist der mit zwei Ș4-s-cis-Butadienliganden (1) und bei den trigonal-planaren 16-ve-Komplexen (x = 3) der mit drei Ș2-strans-Butadienliganden (2) am stabilsten [Tob 2003b]. Bei der Cyclotrimerisation von Butadien werden drei der vier isomeren Cyclododeca-1,5,9triene erhalten:
t,t,t,-CDT
c,t,t,-CDT
c,c,t,-CDT
c,c,c,-CDT
Hauptprodukt – mit einer Selektivität > 85 % (T = 0–40 °C in flüssigem Butadien) – ist das all-trans-Isomere (t,t,t-CDT) neben geringeren Mengen an c,t,t-CDT und c,c,t-CDT. Die Bildung des all-cis-Isomeren (c,c,c-CDT) wird nicht beobachtet. Als Nebenprodukte treten Cyclodimere und höhere Oligomere auf. Der prinzipielle Mechanismus der Cyclotrimerisation ist in Abbildung 10.8 dargestellt. Im Einzelnen werden folgende Reaktionsschritte durchlaufen: 1 ĺ 2: Ligandanlagerung/-abspaltung. Der Katalysatorkomplex liegt in verschiedenen Formen vor, zwischen denen ein sich schnell einstellendes Gleichgewicht besteht. 2 ĺ 3: Oxidative Kupplung/reduktive Spaltung. Bei der oxidativen Addition unter C–CBindungsbildung werden die terminalen nicht koordinierten C-Atome verknüpft, wobei ein Ș3,Ș1-Octadiendiyl-nickel(II)-Komplex (16 ve) mit einem zusätzlichen Butadienliganden gebildet wird. Die Reaktion ist reversibel. 3 ĺ 4: Allylinsertion. Insertion von Butadien in die Ș3-Allylgruppe von 3 führt zu einem Ș3,Ș3-Dodecatriendiyl-nickel(II)-Komplex, der bei zusätzlicher Koordination der innenständigen Doppelbindung über 18 ve verfügt. Das Bis(Ș3-anti)-Isomer ist in Substanz isoliert und NMR-spektroskopisch vollständig charakterisiert worden. 4 ĺ 5: Reduktive Eliminierung. Reduktive Eliminierung unter Bildung einer C–CBindung zwischen den beiden endständigen C-Atomen ergibt einen Cyclododecatriennickel(0)-Komplex (16 ve). 5 ĺ 1: Ligandensubstitution. Via Substitution des CDT-Liganden durch Butadien wird der Katalysatorkomplex 1 zurückgebildet. 3 6; 4 7: Allylisomerisierungen. Die Allylzwischenstufen 3 und 4 unterliegen syn-anti-Isomerisierungen, die sich über Komplexe mit Ș1(C3)-gebundenen Allylliganden 6 bzw. 7 vollziehen.
Oligo- und Telomerisation von Butadien
193
Abbildung 10.8. Prinzipielles Reaktionsschema zur nickelkatalysierten Cyclotrimerisation von Butadien (ohne explizite Berücksichtigung der Stereochemie).
Vertiefung – cis-trans-Selektivität Zum Verständnis der cis-trans-Selektivität der Doppelbindungen in CDT ist eine genauere Betrachtung erforderlich, die anti-cis- und syn-trans-Korrelationen (vgl. S. 189) berücksichtigt: 3a ĺ 4b ĺ 5b: Komplex 3a (in Abbildung 10.8 als 3 bezeichnet) ist das Ș3-syn,Ș1(C1),'-cisIsomer1 mit einem s-trans-Butadienliganden. Das s-trans-Butadien wird in die Ș3-syn-Allylgruppe insertiert, wobei eine neue Ș3-syn-Allylgruppe und eine '-trans-Doppelbindung gebildet wird. Gleichzeitig geht die Ș1(C1),'-cis-Allylgruppe in eine Ș3-anti-Allylgruppe über,
1
Die Bezeichnung ǻ-cis bzw. ǻ-trans bezieht sich auf die Konfiguration der Doppelbindung.
194
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Ni 3a
Ni
Ni
Ni 3b
Ni
4a Bis(K3-syn)
4b K3-anti/K3-syn
4c Bis(K3-anti)
5a [Ni(t,t,t,-CDT)]
5b [Ni(c,t,t,-CDT)]
5c [Ni(c,c,t,-CDT)]
anti-synIsomerisierungen
so dass ein Dodecatriendiyl-Nickelkomplex (Ș3-anti/Ș3-syn,'-trans-Isomer) (4b) resultiert. Bei der reduktiven Eliminierung werden aus der anti- und syn-Allylstruktur eine cis- bzw. trans-Doppelbindung gebildet, so dass daraus der [Ni(c,t,t-CDT)]-Komplex 5b entsteht. 3b ĺ 4c ĺ 5c: Der Octadiendiyl-Komplex mit einem s-cis-Butadienliganden (3b) ergibt durch Butadieneinschub in die Ș3-syn-Allylgruppe den Bis(Ș3-anti)-Komplex 4c, der bei der reduktiven Eliminierung [Ni(c,c,t-CDT)] (5c) bildet. 4a ĺ 5a: Das Hauptisomer (t,t,t-CDT) wird via 4a und 5a (in Abb. 10.8 als 4 bzw. 5 bezeichnet) gebildet. Es gibt aber aus 3 keinen direkten Zugang zum Bis(Ș3-syn)-Komplex 4a, der folglich durch anti-syn-Isomerisierung aus dem Ș3-anti/Ș3-syn-Komplex 4b gebildet werden muss. Einen detaillierten Einblick in den Reaktionsablauf haben quantenchemische Rechnungen auf DFT-Niveau ermöglicht, bei denen umfassend alle denkbaren Isomere berücksichtigt worden sind. Das vereinfachte Reaktionsprofil ist in Abbildung 10.9 dargestellt.
Oxidative Kupplung (2 ĺ 3). Der thermodynamisch stabilere Tris(Ș2-s-trans-butadien)-Komplex 2a wandelt sich zunächst in einen Bis(Ș2-s-trans-butadien)(Ș2-s-cis-butadien)-Komplex 2b um, denn die oxidative Kupplung (2 ĺ 3) zwischen einem Ș2-s-trans- und einem Ș2-s-cisButadienliganden hat eine deutlich kleinere Aktivierungsbarriere als die zwischen zwei Ș2-strans- oder zwei Ș2-s-cis-Butadienliganden. Die oxidative Kupplung (2b ĺ 3a) ist annähernd thermoneutral, also reversibel.
Oligo- und Telomerisation von Butadien
195
Tris(butadien)-Komplexe
Ni
Octadiendiyl-Butadien-Komplexe
Ni
Ni
Ni
2a
2b
3a
3b
K3,K3-Dodecatriendiyl-Komplexe
4a Bis(K3-syn)
4b K3-anti/K3-syn
4c Bis(K3-anti)
5a [Ni(t,t,t,-CDT)]
5b [Ni(c,t,t,-CDT)]
5c [Ni(c,c,t,-CDT)]
Produkt-Komplexe
'G
2b
2a
3b 3a
ca. 50 kJ/mol 4c
4b
5c [Ni(c,c,t,-CDT)]
4a
5b [Ni(c,t,t,-CDT)]
5a [Ni(t,t,t,-CDT)]
Abbildung 10.9. Reaktionsprofil für die nickelkatalysierte Cyclotrimerisation von Butadien. Isomere Komplexe zwischen denen mobile Gleichgewichte bestehen (2a/2b, 3a/3b, 4a–4c) sind durch Gleichgewichtspfeile verbunden, ohne die Aktivierungsbarrieren kenntlich zu machen. Der bevorzugte Reaktionspfad ist ausgezogen gezeichnet (adaptiert und gekürzt nach Tobisch 2003b).
196
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Butadieninsertion (3 ĺ 4). Sie ist stark exergonisch und führt bevorzugt zu 4b, aber auch zu 4c. Alle drei isomeren Dodecatriendiyl-Komplexe 4 sind thermodynamisch etwa gleich stabil. Die Aktivierungsbarrieren für die anti-syn-Isomerisierungen (4a 4b 4c) liegen zwischen 55 und 85 kJ/mol. Sie sind aber um mehr als 25 kJ/mol kleiner als die für die nachfolgenden reduktiven Eliminierungen. Somit stehen syn- und anti-Allylkomplexe im mobilen Gleichgewicht. Reduktive Eliminierung (4 ĺ 5). Die Dodecatriendiyl-Komplexe 4 stellen – in Anbetracht der stark exergonischen Bildung aus 3 und der hohen Aktivierungsbarriere für die reduktive Eliminierung zu 5 – die „thermodynamische Senke“ dar. Somit ist die reduktive Eliminierung 4 ĺ 5 geschwindigkeitsbestimmend und es bestehen vorgelagerte mobile Gleichgewichte zwischen den Dodecatriendiyl-Komplexen 4. Daraus folgt, dass für die Selektivität das Curtin-Hammett-Prinzip (siehe Exkurs S. 56) maßgebend ist. Der Übergangszustand 4a ĺ 5a weist die kleinste freie Enthalpie auf. Folglich überwiegt die Bildung von [Ni(t,t,t-CDT)] (5a) gegenüber der von [Ni(c,c,t-CDT)] (5c) und [Ni(c,t,t-CDT)] (5b). Das ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass der Übergangszustand 4a ĺ TS ĺ 5a durch eine zusätzliche Ș2-Koordination von Butadien stabilisiert wird, was bei den anderen beiden Reaktionen zu 5b und 5c aus sterischen Gründen nicht der Fall ist.
Aufgabe 10.2 Schreiben Sie einen hypothetischen Reaktionsweg zur nickelkatalysierten Bildung von c,c,c-CDT auf und geben Sie Gründe an, warum dieses nicht gebildet wird. Quantenchemische Rechnungen zeigen, dass gemessen an den freien Standardbildungsenthalpien sowohl das all-trans-Isomer von CDT als auch sein Nickel(0)-Komplex thermodynamisch am stabilsten sind. Im Vergleich mit dem all-cis-Isomer gilt: [Ni(t,t,t,-CDT)] (5a)/[Ni(c,c,c,-CDT)] (5d), ǻǻG = –28 kJ/mol; t,t,t,-CDT (8a)/c,c,c,-CDT (8d), ǻǻG = –48 kJ/mol. Welcher Komplex ist der stabilere und welche Reaktion erwarten Sie zwischen 5a und 8d?
Technische Synthese von CDT Titanhaltige Katalysatorsysteme reagieren mit Butadien zu c,t,t-CDT (1). So eignet sich das Ziegler-System TiCl4/Al2Cl3Et3 zur technischen Synthese von 1 [Rin 1966]. Im Unterschied zur Ethenpolymerisation bleibt es homogen und liefert bei praktisch vollständigem Umsatz (30–75 °C) mit > 90 % Ausbeute das Cyclotrimere, das hydriert, zum Keton oxidiert und schließlich zum Oxim umgesetzt wird (1 ĺ 2). Beckmann-Umlagerung ergibt ein Lactam (2 ĺ 3), das dann zu Nylon (3 ĺ 4, Nylon-12-Hüls, Vestamid®) weiterverarbeitet wird. NOH
H N
O O N H
1 (c,t,t,-CDT)
2
3
11
4
n
Oligo- und Telomerisation von Butadien
197
10.4.2 Cyclodimerisation von Butadien In Gegenwart eines P-Donors wird die zuvor beschriebene Cyclotrimerisation in eine Cyclodimerisation von Butadien umgelenkt. An Cyclodimeren werden hauptsächlich 4-Vinylcyclohexen (VCH) und cis,cis-Cycloocta-1,5-dien (COD), aber auch cis-1,2-Divinylcyclobutan (DVCB) gebildet. Die Selektivität wird durch die sterischen und elektronischen Eigenschaften von L gesteuert. Das Verhältnis Cyclotrimere/Cyclodimere wird wesentlich durch die sterischen Eigenschaften von L bestimmt, während das Verhältnis COD/VCH maßgeblich von den elektronischen Eigenschaften von L abhängt. Ein vereinfachtes Reaktionsschema ist in der Abbildung 10.10 gezeigt. Der katalytisch aktive Komplex 1, ein ligandhaltiger Bis(butadien)nickel(0)-Komplex, wird durch Zugabe eines P-Donors zum Cyclotrimerisationskatalysator erhalten. Durch oxidative Kupplung und Allylisomerisierung werden ligandhaltige Ș3,Ș1- (2) sowie Ș3,Ș3-Octadiendiylnickel(II)-Komplexe (3a/3b) gebildet. Komplexe 2 und 3 treten in zahlreichen Isomeren auf (Ș3-syn/anti; 'cis/trans), die miteinander im Gleichgewicht stehen. Die Lage der Gleichge-
* L Ni
L
L
Ni
Ni
L
Ni
*
* 1
*
*
2 K3-anti,K1(C1),'-cis
3a Bis(K3-anti)
L Ni
L Ni
4c
4a
*
3b K3-anti,K3-syn
L Ni 4b
* * *
2
VCH
cis,cis-COD +
cis-1,2- DVCB
Ni0L
Abbildung 10.10. Vereinfachtes Reaktionsschema zum Ablauf der nickelkatalysierten Dimerisation von Butadien (L = Phosphan oder Phosphit). Die C-Atome, die in der reduktiven Eliminierung miteinander verknüpft werden, sowie die gebildeten C–C-Bindungen sind durch einen Stern (*) gekennzeichnet.
198
C–C-Verknüpfungen von Dienen
wichte hängt von den Reaktionsbedingungen ab und kann durch die elektronischen und sterischen Eigenschaften von L gesteuert werden. In Abb. 10.10 sind die unmittelbaren Vorläuferkomplexe angegeben, aus denen durch reduktive Eliminierung die Nickel(0)-Komplexe mit den Cyclodimeren als Liganden gebildet werden (2/3 ĺ 4). Substitution durch Butadien setzt die Cyclodimere frei und bildet den Katalysatorkomplex zurück (4 ĺ 1). Die reduktiven C–C-Eliminierungen unter Bildung von COD und VCH sind irreversibel. Wegen des hochgespannten Vierrings ist die reduktive Eliminierung zu DVCB reversibel, so dass es nur bei kinetischer Reaktionskontrolle erhalten wird. Zentrale Zwischenverbindungen im katalytischen Zyklus sind ligandhaltige Octadiendiylnickel(II)-Komplexe 2/3. Bei der Umsetzung von [Ni(CDT)(PCy3)] mit Isopren konnte diese Zwischenstufe auch strukturell charakterisiert werden (Abbildung 10.11). Quantenchemische Rechnungen mit dem Modellliganden L = PH3 zeigen, dass das stabilste Isomer der Bis(Ș3syn)-Octadiendiyl-Komplex (a) ist (Abbildung 10.12). Andere Bis(Ș3)- und Ș3,Ș1-Komplexe sind nur unwesentlich weniger stabil. Demgegenüber sind alle Bis(Ș1)-Komplexe um mehr als 100 kJ/mol ('G) weniger stabil, so dass sie aus thermodynamischen Gründen als Zwischenverbindungen im katalytischen Zyklus nicht in Betracht kommen.
Abbildung 10.11. Struktur von [Ni(Ș3,Ș1-Me2C8H10)(PCy3)] (ohne Wasserstoffatome; die Doppelbindung und die Bindungen der Allylgruppe sind fett hervorgehoben).
Abbildung 10.12. Zur Stabilität 'G von Phosphan(octadiendiyl)nickel1 (II)-Komplexen. Die Bis(Ș )-Komplexe g–i benötigen zur Stabilisierung ein zusätzliches Butadienmolekül (BD) (nach Tobisch, Ziegler 2002a).
H3P
BD
H3P BD Ni
Ni
i
h H3P
Ni
BD
g
a) Bis(Ș3-syn) b) Ș3-syn,Ș1(C1),'-cis 3
1
1
c) Ș -anti,Ș (C ),'-cis
ca. 50 kJ/mol
d) Ș3-anti,Ș3-syn e) Ș3-syn,Ș1(C3)
e
Ni Ni
PH3
PH3
f
Ni PH3
c
3
f) Bis(Ș -anti) g) Bis(Ș1(C3)) + BD 1
1
h) Bis(Ș (C ),'-cis) + BD i) Ș1(C1),Ș1(C3),'-cis + BD
d
Ni
PH3 Ni a
PH3
Ni PH3 b
Oligo- und Telomerisation von Butadien
199
Aufgabe 10.3 Welches Isomer (gemäß Abb. 10.12) liegt in der strukturell charakterisierten Verbindung von Abb. 10.11 vor? Geben Sie den Bis(isopren)-Komplex an, aus dem der Komplex in Abb. 10.11 durch oxidative Kupplung entstanden sein könnte.
Selektivitätssteuerung Die Produktverteilung bei der nickelkatalysierten Cyclooligomerisation von Butadien für eine Reihe von repräsentativen Phosphan-/Phosphitliganden L ist in Tabelle 10.1 zusammengestellt. Daraus wird ersichtlich, dass einerseits auch ligandhaltige Katalysatoren erhebliche Mengen an CDT bilden können und andererseits „nacktes“ Nickel zur Bildung von Cyclodimeren als Nebenprodukte führt. Tabelle 10.1. Zur Ligandensteuerunga) der Cyclooligomerisation von Butadien ([Ni(COD)2]:L:C4H6 = 1:1:170; T = 60 °C, t = 48 h) (nach Heimbach 1980a/b).
L
ș (in °)
Ȟ (in cm–1)
COD+VCH (in %)b)
CDT (in %)
P(t-Bu)(i-Pr)2
167
2058
45,8 (1,9)
49,6
P(i-Pr)3
160
2059
68,8 (1,7)
23,6
PEt3
132
2062
64,5 (1,6)
29,0
PPh3
145
2069
85,0 (3,0)
14,8
P(OMe)3
107
2080
38,0 (1,3)
59,8
P(OPh)3
128
2085
87,4 (10,7)
12,2
P(O-o-Tol)3
141
2084
97,6 (11,7)
1,4
14,3 (0,6)
81,7
– c)
a) L ist durch den sterischen (ș) und elektronischen Parameter (Ȟ) nach Tolman charakterisiert. b) In Klammern ist das Verhältnis von COD und VCH angegeben. c) Z. Vgl. ohne Zusatz eines P-Liganden: Ni(acac)2/AlEt2(OEt), T = 20 °C.
Die Selektivität der nickelkatalysierten Cyclooligomerisation von Butadien hängt in wohlverstandenem Maße von den sterischen und elektronischen Eigenschaften des Phosphan-/Phosphitliganden L ab. Das hat – beginnend in den 60er Jahren – zum ersten Mal umfassend die Möglichkeit eröffnet, die Selektivität einer komplexkatalysierten Reaktion gezielt durch die Natur des Liganden L zu steuern („ligand tuning“).
200
C–C-Verknüpfungen von Dienen
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Sterische und elektronische Effekte von Phosphorliganden In einem Katalysatorkomplex ermöglicht eine gezielte Variation der elektronischen und sterischen Eigenschaften von Liganden, die nicht direkt an der Reaktion beteiligt sind („spectator ligands“, „Zuschauerliganden“), Aktivität, Selektivität und/oder Produktivität des Katalysators zu steuern. Zur diesbezüglichen Ligandenklassifizierung hat C. A. Tolman für die häufig benutzten (monodentaten) Phosphorliganden ein quantitatives Maß eingeführt [Tol 1977]: Sterischer Ligandenparameter. Der Raumanspruch wird durch einen Kegelwinkel ș (cone angle) beschrieben (I). Der Kegel umschließt den P-Liganden derart, dass die Kegelspitze einen Abstand von 2.28 ǖ vom P-Atom hat und der Kegelmantel die van der Waals-Sphäre der Substituenten in ihrer raumsparendsten Konformation gerade berührt.
P 2.28 Å 4
Elektronischer Ligandenparameter. Der elektronische Parameter Ȟ eines LiI ganden L ist die Wellenzahl Ȟ in cm–1 der CO-Streckfrequenz (A1-Symmetrie) in Komplexen [Ni(CO)3L] in CH2Cl2-Lösung. Obwohl der Parameter Ȟ nur den summarischen Einfluss von ı-Donor- und ʌ-Akzeptorstärke beschreibt, kann von einer größeren Donorwirkung ausgegangen werden, je kleiner Ȟ ist. Der Graph zeigt für ausgewählte Liganden den Zusammenhang zwischen sterischem und elektronischem Parameter (Zahlenwerte aus [Tol 1977]).
Weitergehende Konzepte für eine detailliertere Beschreibung des Raumanspruches sind von A. J. Poë [Bun 2002] und für eine separate Analyse von ı-Donor- und ʌ-Akzeptorwirkung von W. P. Giering [Fer 2000] entwickelt worden. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Oligo- und Telomerisation von Butadien
201
Zur Erklärung ist von einem Gleichgewicht der primär gebildeten Octadiendiyl-Komplexe mit dem Liganden L (1b) bzw. mit Butadien (1a) auszugehen (Abbildung 10.13). Das ist wahrscheinlich der entscheidende Schnittpunkt zwischen den beiden Reaktionskanälen zu den C8- bzw. C12-Cyclooligomeren. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Ligandensubstitution (L versus Butadien) keine nennenswerte kinetische Barriere aufweist, so dass beide Komplexe durch ein sich schnell einstellendes Gleichgewicht verbunden sind. Die Aktivierungsbarriere für die Weiterreaktion entweder zu CDT oder zu COD/VCH ist wesentlich größer, so dass eine typische Curtin-Hammett-Situation vorliegt (siehe Exkurs S. 56): Die Selektivität wird durch die Differenz der freien Enthalpien der Übergangszustände der zu CDT bzw. COD/VCH führenden Reaktionen bestimmt und nicht durch die Lage des Gleich1b (Abb. 10.13, a). gewichtes 1a
Reaktionskanal zu C12-Produkten +L
Ni
Ni
Reaktionskanal zu C8-Produkten
+ BD
K3-syn,K1(C1),'-cis
L Ni
L
K3-anti,K1(C1),'-cis
K3-syn,K1(C1),'-cis
1a
L
Ni
Ni
Bis(K3-anti)
1b
L Ni
L Ni
ca. 20 kJ/mol
'G
''GC12
'G
/C8
'GC12 CDT ''G1a/1b
'GC8 COD/ VCH
1a 1b a
VCH COD
CDT 1a 1b mit L = Butadien b
Abbildung 10.13. Zur C8–C12-Selektivität bei der nickelkatalysierten Cyclooligomerisation von Butadien. a) Qualitatives Reaktionsprofil. b) Reaktionsprofil (vereinfacht) für die Cyclooligomerisation mit „nacktem“ Nickel (L = Butadien) (nach Tobisch 2003b).
202
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Die Ligandensteuerung ist für reine ı-Donorliganden und solche, die auch über ʌ-Akzeptoreigenschaften verfügen, getrennt zu diskutieren.
ı-Donorliganden (L = PR3). Drei Faktoren sind für den Ligandeneinfluss maßgebend: i) Eine hohe ı-Donorstärke von L stabilisiert 1b. ii) Ein großer Raumanspruch von L erleichtert die Ligandabspaltung, verschiebt also das Gleichgewicht 1a/1b zugunsten von 1a. iii) Großvolumige ı-Donorliganden L setzen die Aktivierungsbarriere für die reduktive Eliminierung zu COD/VCH herab. Somit begünstigt ein hoher sterischer Druck durch den Liganden L sowohl die CDT- (vgl. ii) als auch die COD/VCH-Bildung (vgl. iii). Der Faktor ii) scheint der dominierende zu sein, so dass verständlich wird, dass der CDT-Anteil für L = P(t-Bu)(i-Pr)2 weitaus am größten ist (Tabelle 10.1). ʌ-Akzeptorliganden (L = P(OR)3). ʌ-Akzeptorliganden L stabilisieren den Ligandkomplex 1b nur moderat (relativ zu 1a); Phosphite beeinflussen also die Lage des Gleichgewichtes 1a/1b weniger als Phosphane. Großvolumige ʌ-Akzeptorliganden setzen aber die Aktivierungsbarriere für den C8-Reaktionskanal herab, wobei insbesondere die COD-Bildung begünstigt wird. Nunmehr bleibt bei der CDT-Synthese mit „nacktem“ Nickel noch die Bildung geringer Mengen an Cyclodimeren zu erklären (vgl. Tab. 10.1). Butadien ist ein schwach koordinierender Ligand, so dass die Startkomplexe für den C8- (1b, L = Butadien) und den C12-Reaktionskanal (1a) identisch sind. Damit vereinfacht sich das Reaktionsschema (Abbildung 10.13, b), weil der Reaktionskanal zu CDT und der zu den Cyclodimeren die gleiche Ausgangsverbindung haben. Quantenchemische Rechnungen weisen – in Übereinstimmung mit dem Experiment – die geringste Aktivierungsbarriere für die CDT-Bildung aus.
10.4.3 Linearoligo- und Telomerisation von Butadien Die Nickel(0)-katalysierte Cyclodimerisation von Butadien wird in Gegenwart von nicht zu starken Protonendonoren (H–X = H–OR, H–OC(O)R, H–OH, H–NR2, ...) in eine Lineardimerisation zu Octatrienen oder in eine Telomerisation zu funktionalisierten Octadienen umgelenkt. Der Mechanismus ist dem der Cyclodimerisation ähnlich. Ausgangspunkt ist ein Bis(butadien)nickel(0)–Ligand-Komplex 1, der – wie bei der Cyclodimerisation – via oxidative Kupplung und Allylisomerisierung zu Ș3,Ș1(C1)- sowie Ș3,Ș1(C3)-Octadiendiyl-nickel(II)Komplexen 2a bzw. 2b reagieren kann. Dem folgt eine protolytische Spaltung der ı-Ni–CBindung (2a ĺ 6a, 2b ĺ 6b), wobei Ș3-Allylkomplexe gebildet werden, in denen Nickel außer L auch den anionischen Liganden X koordiniert hat. 2a Ni
L
HX
X H
Ni
6a L Ni
1
Ni 2b
L
X
HX H
6b
Ni
L
L
Oligo- und Telomerisation von Butadien
203
Um die Reaktion besser nachvollziehen zu können, ist HX in allen Produkten durch Fettdruck hervorgehoben. Am Beispiel des Isomers 6a (cis-trans-Isomerie bleibt unberücksichtigt) ist die Weiterreaktion gezeigt: X [Ni0L]
H 7a
X H
Ni
X
L [Ni0L]
H 7b
6a HX [Ni0L]
H 7c
Der angenommene Reaktionsmechanismus geht von einer reduktiven Eliminierung unter Bildung einer C–X-Bindung aus. Dabei werden unter Rückbildung des Katalysatorkomplexes [Ni0L] endständig (6a ĺ 7a) bzw. innenständig (6a ĺ 7b) funktionalisierte Octadiene gebildet. 6a kann aber auch unter ȕ-Hydrideliminierung ein Octatrien bilden (6a ĺ 7c), wobei formal ein [NiH(X)L]-Komplex entsteht, der in HX und den Katalysatorkomplex [Ni0L] zerfällt. Die Bildung des Octatriens 7c entspricht einer Lineardimerisation von Butadien. Katalytische Mengen von HX sind dafür ausreichend. HX ist Cokatalysator. Die Bildung der X-funktionalisierten Octadiene (7a/7b) entspricht einer Telomerisation von Butadien. Dabei ist HX Reaktant und daher sind stöchiometrische Mengen erforderlich. Wird mit Wasser als Telogen gearbeitet (H–X = H–OH), werden Hydroxyoctadiene erhalten. Diese Reaktion wird als „Hydrodimerisation“ von Butadien bezeichnet. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Telomerisation Eine Telomerisation ist eine besondere Form der Oligo- bzw. Polymerisation, bei der ein Molekül A–B (das Telogen) mit n Molekülen des Monomers (Mon) zu Telomeren gemäß folgender Gleichung reagiert: AB + n Mon
A(Mon)nB
Telomere haben gewöhnlich eine relativ niedrige Molmasse und finden daher als Weichmacher, Klebstoffkomponenten oder Tenside technische Anwendung. Häufig werden Telomerisationen als radikalische Lösungspolymerisationen mit dem Telogen A–B als Lösungsmittel (Tetrachlorkohlenstoff, Mercaptane, Alkohole, Kohlenwasserstoffe) ausgeführt. So führt die radikalisch initiierte Telomerisation von Ethen in Tetrachlorkohlenstoff zu chlorfunktionalisierten Oligomeren (n = 4–6). n H2C CH2
+ CCl3
Cl3C
CH2 CH2
+ CCl4 CH2 CH2 CCl3 n1
Cl3C
H2C CH2
CH2 CH2 Cl n1
Somit nehmen Telomerisationen eine Stellung zwischen der Addition von A–B an Olefine/Diene und deren Polymerisation ein [Eli 1999, Gor 2004]. ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
204
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Aufgabe 10.4 Welche Produkte werden aus dem Ș3-Octadienyl-nickel(II)-Komplex 6b gebildet. Entwerfen Sie ein analoges Formelschema wie zuvor für Isomer 6a. Lassen Sie dabei cis/trans-Isomere unberücksichtigt.
Das erhaltene Produktspektrum ist vielfältiger als zuvor dargestellt. Zum einen können cistrans-Doppelbindungsisomere sowie andere Stellungsisomere gebildet werden. Die Produktverteilung kann in gewissen Grenzen gesteuert werden und hängt ausgeprägt von HX, dem Liganden L und den Reaktionsbedingungen ab. Als Nebenprodukte können Cyclooligomere, Polymere und durch Einbeziehung von Octatrienen in die Reaktion auch höhere Linearoligomere gebildet werden. Weiterhin können substituierte Butene gebildet werden. Dafür sind wahrscheinlich Hydridonickel(II)-Komplexe 8 verantwortlich, die als Zwischenprodukte bei der Reaktion auftreten und auch durch partielle Protonierung von Nickel(0)-Komplexen zugänglich sind. Insertion von Butadien in die Ni–H-Bindung liefert einen Crotylnickelkomplex 9, der in einer reduktiven C–X-Eliminierung X-funktionalisierte Butene abspaltet. H
" LNi
X
"
X
8
Ni
L X ,
[Ni0L]
9
X
Ausgehend von 9 eröffnet sich ein weiterer Weg zu C8-Verbindungen 6a durch Insertion von Butadien.
Aufgabe 10.5 Bei der Reaktion von Butadien mit [Ni{P(OEt)3}4]/CF3COOH in ROH (R = Et, i-Pr, ...) bildet sich u. a. ein neuartiges Cyclodimer, nämlich 1-Methylen-2-vinylcyclopentan (10). Als Reaktionsweg wird die Reaktionsfolge 1 ĺ 2b ĺ 6b ĺ ... (L = P(OEt)3; X = CF3COO–) diskutiert. Vervollständigen Sie die Reaktion.
10
Lineare Dimerisationen und Telomerisationen von Butadien werden auch durch Palladium katalysiert. Im Allgemeinen verlaufen diese Reaktionen selektiver als die nickelkatalysierten und es werden keine Cyclooligomeren wie COD oder CDT erhalten. Das wird auf den größeren Durchmesser von Pd-Atomen sowie auf bereitwilliger ablaufende Hydrideliminierungen zurückgeführt. So katalysieren ligandfreie Palladium(0)-Katalysatoren die lineare Trimerisation von Butadien zu verschiedenen Isomeren von Dodecatetraen 3 [Tsu 1979]. Bei der Umsetzung von [Pd(dba)2] (1, dba = Dibenzylidenaceton, PhCH=CH–CO–CH=CHPh) mit Butadien ist ein analoger Zwischenkomplex 2 wie bei Nickel nachgewiesen worden, der aber nicht unter CDT-Bildung weiterreagiert, sondern unter Wasserstoffwanderung (formal eine ȕHydrideliminierung und reduktive C–H-Eliminierung) zu 3 [Jol 1986]. [Pd(dba)2] 1
3 2 dba
Pd
"Pd" 2
3
Oligo- und Telomerisation von Butadien
205
Ligandhaltige Palladium(0)-Katalysatoren werden häufig aus [Pd(PR3)4] oder Pd(OAc)2/PR3 generiert, wobei im letzteren Fall in situ1 Reduktion zu Pd0 erfolgt. Bei einem Pd/L-Verhältnis (L = PR3) von 1/1 wird in aprotischen Lösungsmitteln die lineare Dimerisation zu Octa1,3,7-trien (4) katalysiert. In Gegenwart von HX erfolgt Telomerisation zu (bevorzugt endständig) funktionalisierten Octadienen (5). PdL2-Komplexe katalysieren die Bildung von funktionalisierten Butenen (6) bzw. Cocyclisierungen von Butadien mit Heteroolefinen (Aldehyde, Ketone, Imine, ...) zu sechsgliedrigen Heterocyclen (7) [Beh 1986]. +
Y
7
Y
PdL2 X
,
X
4
PdL
+ HX
+ HX
X 5
6
Die palladiumkatalysierte Hydrodimerisation von Butadien hat technische Bedeutung. Sie wird in Wasser/Sulfolan ((CH2)4SO2) in einer CO2-Atmosphäre durchgeführt. Als Präkatalysator fungiert Pd(OAc)2 in Gegenwart eines großen Überschusses an einem Phosphoniumsalz [PPh2(C6H4-m-SO3Li)(CH2CH=CHR)](HCO3) und von Triethylamin. Primär wird mit einer Selektivität von > 90 % Octa-2,7-dien-1-ol (1) erhalten. Extraktion mit Hexan ermöglicht eine Produktabtrennung, ohne den thermisch empfindlichen Katalysator zu zerstören [Zap 2002]. 2
+ H2O
[Pd]
H2 Ni
OH
OH 2
1 Cu/Cr O 3 [Rh] CO/H2 O
O 4
X
X
(X = CH2NH2, CH2OH, COOH) 5
Aus 1 wird durch Hydrierung zu Octan-1-ol (2) ein wichtiges Ausgangsmaterial zur Synthese von Weichmachern für PVC erhalten. Eine heterogen katalysierte Isomerisierung von 1 und nachfolgende Hydroformylierung führt zu einem Dialdehyd (1 ĺ 3 ĺ 4), der Ausgangsstoff zur Synthese von wichtigen 1,Ȧ-Diaminen, -alkoholen oder -carbonsäuren ist (4 ĺ 5).
1 Pd(OAc)2 wird sehr leicht reduziert, z. B. durch CO, Alkohole, tertiäre Amine und Olefine. Mit Butadien setzt es sich zu Pd0 und AcOCH2CH=CHCH2OAc um.
206
C–C-Verknüpfungen von Dienen
10.5 Polymerisation von Butadien 10.5.1 Mechanismus Buta-1,3-dien kann unter C1–C4- oder C1–C2-Bindungsknüpfung zu 1,4- bzw. 1,2-Polybutadien polymerisiert werden. Bei der 1,2-Polymerisation wird wie bei der Polymerisation eines terminalen Olefins ein Stereozentrum erzeugt. Verläuft die Polymerisation regio- und stereoselektiv, bildet sich entweder cis- (1) oder trans-1,4-Polybutadien (2) bzw. iso- (3) oder syndiotaktisches 1,2-Polybutadien (4). Eine nicht stereoselektive, aber regioselektive 1,2-Polymerisation führt zu ataktischem 1,2-Polybutadien.
1
2
* n
*
* n
*
n
n
3
4
Aufgabe 10.6 Schreiben Sie die Formeln von allen regio- und stereoselektiven Polymeren des Isoprens auf.
Mitte der 50er Jahre gelang es G. Natta erstmals, mit metallorganischen Mischkatalysatoren (Ziegler-Natta-Katalysatoren) Butadien stereoselektiv zu polymerisieren und die Stereoregularität nachzuweisen. cis-1,4-Polybutadien hat ähnliche Eigenschaften wie Naturkautschuk (cis-1,4-Polyisopren) und findet wie dieser eine wichtige Anwendung in der Reifenindustrie.
Mechanismus Essenziell für die Katalyse ist, dass im Katalysatorkomplex 1 die wachsende Polymerkette über eine endständige Allylgruppe und das Monomer (Butadien) koordiniert sind. Das Wachstum des Polymeren vollzieht sich via ʌ-Allylinsertion (1 ĺ 2). Butadienkoordination schließt den Zyklus (2 ĺ 1’). Butadienkoordination
Allylinsertion [M] 1
P
P [M] 2
[M]
P
1'
Die ʌ-Allylinsertion erfolgt grundsätzlich so, dass die wachsende Polymerkette an das endständige C-Atom des koordinierten Butadiens (C1BD) gebunden wird. Die verbleibenden drei C-Atome des Butadiens (C2BD–C4BD) bilden einen neuen Ș3-Allylliganden. Die Regioselektivität (1,4- versus 1,2-Bindungsknüpfung) der Polymerisation wird nunmehr dadurch bestimmt, mit welchem C-Atom der Polymerkette (C1P oder C3P) die Bindung zum C1-Atom des koordinierten Butadiens (C1BD) geknüpft wird: C1P–C1BD-Knüpfung ergibt eine 1,4-C4Einheit (1 ĺ 2) und C3P–C1BD-Knüpfung eine 1,2-C4-Einheit (1 ĺ 3):
Polymerisation von Butadien 3P
1P
2BD
1BD
4BD
P
P 3P
1P
[M] 1BD
2BD
1,4-Polymerisation
[M] 2
1 3P
P
1P
P
[M] 3BD
1BD
207
1BD
3BD 4BD
[M]
1,2-Polymerisation
3
syn-antiIsomerisierung
syn
P
[M]
[M]
1
1'
P
[M]
a)
[M]
s-trans 2
anti P
P
2'
P
'-trans
s-cis
'-cis [M]
[M]
P
syn
anti 3
trans-1,4-Polymer
3'
cis-1,4-Polymer
Abbildung 10.14. Allgemeines Reaktionsschema zur cis-trans-Selektivität bei der Butadienpolymerisa2’ schließt nicht notwendig (wie im Schema gezeichnet) eine tion. a) Die syn-anti-Isomerisierung 2 trans-cis-Isomerisierung des koordinierten Butadiens ein, ebenso wie (im Schema nicht gezeigt) die Insertion von einem s-cis(s-trans)-koordinierten Butadien in eine syn(anti)-Allylgruppe möglich ist.
208
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Die Stereoselektivität bei der 1,4-Polymerisation (cis- versus trans-1,4-Polybutadien) wird durch die Struktur der Allylgruppe in der wachsenden Polymerkette bestimmt. Es gilt die syn/trans- und anti/cis-Korrelation (Abbildung 10.14): Aus einer syn-Allylstruktur bildet sich eine trans-1,4-C4-Einheit (1/2 ĺ 3) und aus einer anti-Allylstruktur eine cis-1,4-C4-Einheit (1’/2’ ĺ 3’). Insertion von Butadien in der s-trans-Form führt zu einer syn-Ș3-Allylgruppe (2 ĺ 3) und in der s-cis-Form zu einer anti-Ș3-Allylgruppe (2’ ĺ 3’). Könnten sich syn- und anti-Ș3-Allylgruppen nicht wechselseitig ineinander umwandeln, so würde eine Insertion von s-trans-Butadien zwangsläufig zu trans-1,4-Polybutadien (1 ĺ 2 ĺ 3) und eine von s-cis-Butadien zu cis-1,4-Polybutadien (1’ ĺ 2’ ĺ 3’) führen. Das trifft aber nicht zu, denn syn- und anti-Ș3-Allylgruppen können einer syn-anti- bzw. anti-syn-Isomerisierung unterliegen (1 1’, 2 2’). Erfolgt diese vor dem nächsten Insertionsschritt (2 ĺ 3 bzw. 2’ ĺ 3’), entsteht das jeweils andere Stereoisomer. Entscheidend für die Stereoselektivität ist also nicht die Struktur der Allylgruppe zum Zeitpunkt ihrer Bildung, sondern zum Zeitpunkt, an dem sie mit dem koordinierten Butadien reagiert.
Kettenabbruchreaktionen Ausgehend von 3/3’ (im nachfolgenden Schema ist die Reaktion mit 3’ gezeigt) führt Wasserstoffübertragung vom C4-Atom der wachsenden Polymerkette P auf das Metall zu einem Hydridometallkomplex, an den das Polymermolekül mit einer Dien-Endgruppe koordiniert ist (3’ ĺ 4; die relevanten CHn-Gruppen sind hier und nachfolgend explizit in den Formeln angegeben). Durch Substitution des koordinierten Polymers durch Butadien (4 ĺ 5) sowie Insertion von Butadien in die M–H-Bindung und erneuter Butadienkoordination (5 ĺ 2’’) wird der Katalysatorkomplex zurückgebildet. Ausgehend von 2’ (analoges gilt für 2) kann die Wasserstoffübertragung auch direkt auf das koordinierte Monomer erfolgen (2’ ĺ 6). Substitution des koordinierten Polymers, das ebenfalls über eine Dien-Endgruppe verfügt, durch Butadien liefert den Katalysatorkomplex 2’’. In beiden Fällen erfolgt lediglich Kettenabbruch, aber keine Katalysatordesaktivierung. H H2C [M]
P
P' HC [M]
3'
[M] CH2 P CH2 2'
H
CH2
+
CH P'
[M] CH 2
4
[M] CH P CH3
5
+
CH P
+ n [M] CH3
2''
6
Analog zur Polymerisation von einfachen Olefinen kann im Falle von Ziegler-Systemen Kettenübertragung auf das Aluminiumalkyl stattfinden ([M(Ș3-CH2 CH CHP)] + AlR3 ĺ [M]–R + R2Al–CH2–CH=CHP), ohne dass der Katalysator desaktiviert wird. Dagegen führt
Polymerisation von Butadien
209
eine homolytische Bindungsspaltung ([M(Ș3-CH2 CH CHP)] ĺ [M]· + ·CH2CH=CHP) nicht nur zum Kettenabbruch, sondern auch zur Katalysatordesaktivierung.
Aufgabe 10.7 Neben Wasserstoff werden auch Ethen und Į-Olefine zur Molmassenregelung herangezogen. Geben Sie einen möglichen Mechanismus an.
10.5.2 Allylnickel(II)-komplexkatalysierte Butadienpolymerisation Durch partielle Protolyse des C12-Diallylnickel(II)-Komplexes 1 mit Säuren HX (X = schwach koordinierendes Anion) wie Tetrafluoroborsäure sind Dodecatrienyl-nickel(II)Komplexe 2 hergestellt worden (Abbildung 10.15), die hochaktive Einkomponentenkatalysatoren für die 1,4-Polymerisation von Butadien sind. Damit können Komplexe vom Typ 2 als Modelle für den Katalysatorkomplex angesehen werden, wenn die endständige Methylgruppe (siehe Pfeil in Abb. 10.15) durch die wachsende Polymerkette ersetzt wird. Die Koordination der beiden Doppelbindungen führt zu einem 16-ve-Komplex, der durch schwache Kation– Anion-Wechselwirkungen zusätzlich an Stabilität gewinnt.
Ni
1
HBF4 Ni
BF4
2
Abbildung 10.15. Bildung und Struktur von [Ni(C12H19)][BF4] (2, C12H19 = Ș3-syn,Ș2('-trans),Ș2('cis)-Dodecatrienyl). Die bei der Protolyse von 1 ĺ 2 am Nickel(II) verbleibende Allylgruppe unterliegt einer anti-syn-Isomerisierung. Im Katalysatorkomplex der Allylnickel(II)-katalysierten Butadienpolymerisation ist die Methylgruppe (siehe Pfeil im Strukturmodell von 2) durch die wachsende Polymerkette zu ersetzen.
Allylnickel(II)-Komplexe waren die ersten Einkomponentenkatalysatoren für die Butadienpolymerisation (Tabelle 10.2), darunter neutrale dimere Allylnickel(II)-Komplexe [{Ni(C3H5)(μ-X’}2] (a, X’ = Halogenid, Carboxylat), kationische Allylbis(ligand)-Nickelkomplexe [Ni(C3H5)L2]PF6 (b, L = PR3, P(OR)3, ...), C8-Allylmono(ligand)-Nickelkomplexe [Ni(C8H13)L]X (c, X = schwach koordinierendes Anion) und die bereits erwähnten „ligandfreien“ C12-Allylnickel(II)-Komplexe [Ni(C12H19)]X (d). Alle diese Komplexe katalysieren die Bildung von 1,4-Polybutadienen mit sehr geringen Mengen an 1,2-Polybutadien.
210
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Tabelle 10.2. Zur katalytischen Selektivität und Aktivität von Allylnickel(II)-Komplexen in der stereoselektiven Butadienpolymerisation (nach R. Taube, G. Sylvester in [M7], 1st ed., VCH, Weinheim 1996, S. 280).
Komplex a
b
Ni
Ni
X' X' L L
c Ni
d
Ni
Ni
PF6
PF6 L X
L bzw. X/X’
TOFa)
1,4-cisb)
1,4-transb)
X’ = Cl
0,1 (65)
92
6
X’ = Br
2,4 (65)
46
53
X’ = I
30 (65)
–
95
L = PPh3
10
3
90
L = SbPh3
10000
85
11
L = P(OPh)3
200
4
96
L = PPh3
650 (50)
59
36
L = PCy3
90 (50)
52
39
L = P(O-o-Tol)3
5400
90
8
X = PF6
12000
91
8
X = BF4c)
7500
75
13
X = CF3SO3
10
17
80
a) In mol Butadien/(mol Ni · h); Reaktionstemperatur (in °C) in Klammern, wenn von 25 °C abweichend. b) Mikrostruktur des Polymeren in %. Zu 100 fehlende Werte entsprechen dem Anteil an 1,2Polymeren. c) Komplex 2 in Abb. 10.15.
Das von R. Taube (Univ. Halle) Anfang der 90er Jahre formulierte und experimentell bewiesene Reaktionsmodell für die allylnickelkatalysierte 1,4-Polymerisation von Butadien ist in Abbildung 10.16 dargestellt. Im Einzelnen sind folgende Schritte zu diskutieren:
Katalysatorformierung (Ligandabspaltung/Butadienkoordination). Die Allylbis(ligand)Komplexe 1 (R = H) sind die Präkatalysatoren, aus denen durch Abspaltung von L und Koordination von Butadien die Katalysatorkomplexe erzeugt werden (1 ĺ 2).1 Erneute Abspaltung von L bildet die ligandfreien Komplexe (2 ĺ 3), die ebenfalls katalytisch aktiv sind. Zur Stabilität der Komplexe 3 trägt die Koordination einer Doppelbindung der wachsenden Polymerkette bei. Ausgehend von 2 führt Substitution von Butadien durch L zu katalytisch inaktiven Bis(ligand)-Komplexen, nunmehr aber mit der wachsenden Polymerkette als Ligand (2 ĺ 1, R = P). Alle diese Ligandensubstitutionsreaktionen sind – wie generell bei spin-gepaarten d8-Nickelkomplexen – mit keiner nennenswerten Aktivierungsbarriere verbunden. anti-syn-Isomerisierungen. Die Komplexe 1–3 unterliegen einer anti-syn-Isomerisierung (1syn 1anti; 2syn 2anti; 3syn 3anti). In den Komplexen 1 und 2 ist die syn-Form thermodynamisch stabiler. In Komplexen 3 mit der Ș3,Ș2-chelatgebundenen Polymerkette ist die anti-Form thermodynamisch stabiler.
1
Komplexe 2 und 3 sind in der Abbildung mit einer wachsenden Polymerkette P gezeigt, also nachdem der Zyklus zumindest einige Male durchlaufen wurde.
Polymerisation von Butadien
211
Ligandensubstitution
4cis P Ni L*
+ BD Allylinsertion
2anti
1anti R
L Ni
+ BD, L
P
L*
P
L
Ni
L
3anti
Ni
anti-synIsomerisierung
R
L Ni
+ BD, L L
P
L
Ni
P
Ni L*
'G
Ni 3syn
2syn
1syn
Allylinsertion
L* P
4trans
ca. 50 kJ/mol
2anti
3syn 2syn
4cis a
4trans
4cis
3anti
4trans b
Abbildung 10.16. Reaktionsmodell für die allylnickelkatalysierte 1,4-Polymerisation von Butadien (BD = Butadien, L = Ligand, L* = Ligand oder Doppelbindung der wachsenden Polymerkette, P = wachsende Polymerkette, R = H bzw. P). (a) Reaktionsprofil für den kationischen Monoligandkomplex [Ni(C3H4R)(C4H6)L]+ (2, L = P(OMe)3). (b) Reaktionsprofil für den kationischen ligandfreien Komplex [Ni(C3H4R)(C4H6)]+ (3). Der jeweils energetisch bevorzugte Reaktionsweg ist ausgezogen gezeichnet (gekürzt nach Tobisch 2002c).
212
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Kettenwachstum (Allylinsertion). Es ist experimentell und durch Rechnungen gezeigt, dass im Insertionsschritt (2/3 ĺ 4) primär eine anti-Allylstruktur gebildet wird, unabhängig davon, ob cis- oder trans-1,4-Polybutadien entsteht. Damit ist klargestellt, dass in 2/3 Butadien in der s-cis-Konformation gebunden ist. Aus dem Gesagten folgt auch, dass die trans-1,4-Polymerisation zwangsläufig eine anti-syn-Isomerisierung einschließen muss. Katalysatorrückbildung (Butadienkoordination). In 4 ist zumindest eine Doppelbindung der wachsenden Polymerkette an Nickel koordiniert, die in einem exothermen Prozess durch Butadien substituiert werden kann (4 ĺ 2). Aus dem Reaktionsmodell ergeben sich zwei typische Reaktionskanäle für die trans- bzw. cis-1,4-Polymerisation:
trans-1,4-Polymerisation (a in Abb. 10.16). Für einen Monoligandkomplex (L* = Ligand) ist folgende Reaktionsfolge zu durchlaufen: 2anti ĺ 2syn ĺ 4trans ĺ ... Die Bevorzugung der trans-Polymerisation ist darauf zurückzuführen, dass die syn-Form von 2 zum einen thermodynamisch stabiler und zum anderen kinetisch reaktiver ist als die anti-Form. Die anti-syn-Isomerisierung ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. cis-1,4-Polymerisation (b in Abb. 10.16). Für einen ligandfreien Komplex ist folgende Reaktionsfolge zu durchlaufen: 3anti ĺ 4cis ĺ 2anti Ł 3anti1ĺ ... Die Übergangszustände für die Insertion 3anti ĺ TS ĺ 4cis und 3syn ĺ TS ĺ 4trans sind sehr ähnlich und ihre freien Enthalpien sind fast gleich. Daraus folgt, dass der thermodynamisch stabilere ligandfreie Komplex 3anti die geringere Reaktivität aufweist. Nur weil die Aktivierungsbarriere für die Isomerisierung 3anti 3syn relativ groß ist, wird der zu cis-1,4-Polybutadien führende Reaktionskanal nicht verlassen. Die Allylinsertion ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Für die cis-trans-Regulierung ist nunmehr noch zu berücksichtigen, dass die Katalysatorkomplexe 2 und 3 über vorgelagerte Substitutionsgleichgewichte 1 2 3 gebildet werden. Die Konzentration von 2 und 3 wird durch die Lage dieser Gleichgewichte bestimmt und damit ist die katalytische Aktivität und die cis-trans-Selektivität auch thermodynamisch durch diese Gleichgewichte bestimmt. Die Lage dieser Gleichgewichte hängt nun wesentlich von den sterischen und elektronischen Eigenschaften der Liganden L ab, so dass deren steuernder Einfluss auf die Aktivität und Selektivität der Katalyse verständlich wird. In ähnlicher Weise kann – eine hier nicht berücksichtigte – mehr oder minder starke Anionenkoordination den Ablauf der Katalyse beeinflussen.
10.5.3 Synthese und Eigenschaften von Polybutadienen Kautschuke sind Polymere mit kautschuk-elastischen Eigenschaften bei Raumtemperatur, die vulkanisierbar sind. 1909 wurden durch Wärmepolymerisation von Dienen (Isopren, Butadien, 2,3-Dimethylbutadien) im mittleren Temperaturbereich (50–150 °C) erstmals brauchbare synthetische Kautschuke erhalten (Farbenfabrik Bayer). Kurz danach ist gefunden worden, dass geringe Mengen an Natrium (1–3 %) die Polymerisation von Dienen erheblich beschleunigt. Auf dieser Grundlage hat die BASF 1912 ein technisches Verfahren zur Synthese 1
Es handelt sich um ligandfreie Komplexe. Daher ist 2anti (L* = Doppelbindung der wachsenden Polymerkette!) identisch mit 3anti.
Polymerisation von Butadien
213
von Poly-2,3-dimethylbutadien entwickelt („Methylkautschuk B“). 1937/38 wurde im Bunawerk Schkopau (Sachsen-Anhalt) die kontinuierliche Polymerisation von Butadien mittels Natrium (Buna = Butadien-Natrium) in großem Maßstab begonnen, wobei die Kautschuktypen als „Zahlen-Buna“ (Buna 32, Buna 85, …) in den Handel gebracht wurden [Heu 1970]. Einen wesentlichen Fortschritt in der Kautschukqualität und der Prozessführung brachte die Entwicklung der radikalischen Polymerisation von Butadien in wässrigen Lösungen (Emulsionspolymerisation) und die Emulsions-Copolymerisation von Butadien mit Styrol („Buna S“) und Acrylnitril („Buna N“). Alle diese Produkte weisen sehr niedrige 1,4-cisAnteile (typischerweise 10–20 %) auf („low-cis-Polybutadien“). Erst mit Übergangsmetallkatalysatoren ab Mitte der 50er Jahre ist die Synthese von high-cis-Polybutadienen (> 95 % 1,4-cis-Gehalt) möglich geworden. Die Kautschukproduktion in der Welt belief sich 2004 auf 20·106 t, wovon 42 % auf natürlichen Kautschuk und 58 % auf synthetische Kautschuke entfielen. Etwa 1/4 des synthetischen Kautschuks waren Polybutadienkautschuke, mehr als 40 % aber Styrol–Butadien-Kautschuke (SBR). Etwa 60 % der Synthesekautschuke werden für die Reifenproduktion verwendet. Polybutadienkautschuk wird außer zur Reifenproduktion zu etwa 1/3 zur Modifizierung von Plasten (insbesondere von Polystyrol: „Kautschuk-modifiziertes Polystyrol“, „high-impact polystyrene“) verwendet.
cis-1,4-Polybutadien Mit der Natrium-initiierten Butadienpolymerisation verwandt ist die anionische Polymerisation, die mit Lithiumalkylen (bevorzugt Lithiumbutyl) gestartet wird. Startreaktion ist die Bildung eines Lithiumallys durch nucleophilen Angriff von BuLi auf Butadien. Insertion von Butadien führt zum Kettenwachstum unter Neubildung einer Allyllithiumgruppe am Kettenende. Bedingt durch die Stabilität von Allyllithiumverbindungen liegt bei entsprechender Reaktionsführung, bei der Kettenabbruch- oder andere Nebenreaktionen praktisch ausgeschlossen sind, eine „lebende Polymerisation“ vor. Das lässt die Synthese von endständig funktionalisierten Polymeren zu, z. B. durch Umsetzung mit CO2 oder Ethylenoxid zu Polymeren mit endständigen –COOH- bzw. –CH2CH2OH-Gruppen. Der 1,4-cis-Gehalt des Polymeren ist relativ niedrig (< 40 %), vgl. Tabelle 10.3. Ein großer Teil von Li-BR (BR = butadiene rubber) findet bei der Herstellung von kautschuk-modifiziertem Polystyrol Verwendung. Hoch 1,4-cis-haltiges Polybutadien wird in technischem Maßstab seit 1956 (Phillips Petroleum) hergestellt. Dabei kam zunächst ein titanhaltiges Katalysatorsystem (TiI4/AlR3; R = Et, i-Bu) zur Anwendung. Wenig später wurden nickel- und cobaltbasierte Katalysatorsysteme eingeführt. In den 80er Jahren schließlich fanden neodymhaltige Systeme erstmals technische Anwendung. Tabelle 10.3 vermittelt einen Überblick über die verschiedenen Verfahren sowie die Mikrostruktur der Polymere und deren Eigenschaften.
214
C–C-Verknüpfungen von Dienen
Tabelle 10.3. Katalysatoren für die technische Herstellung von Polybutadienkautschuken und typische Eigenschaften von verschiedenen Kautschuktypen (BR = butadiene rubber)a) (zusammengestellt nach H.-D. Brandt et al. in [M14] („Rubber, 3. Synthetic“) und R. Taube, G. Sylvester in [M7], S. 285).
Li-BR
Ti-BR
Co-BR
Ni-BR
Nd-BR
Katalysatorsystemb)
LiBu
TiCl4 + I2 + Al(i-Bu)3 (1:1,5:8)
Co(O2CR)2 + H2O + AlEt2Cl (1:10:200)
Ni(O2CR)2 + AlEt3 + BF3·OEt2 (1:8:7,5)
Nd(O2CR)3 + Al2Et3Cl3 + Al(i-Bu)2H (1:1:8)
Lösungsmittel
Hexan/Cyclohexan
Aromaten
Benzol/Cyclohexan
Aromaten
Aliphaten/Cycloaliphaten
4–10
40–160
30–90
7–15
97
98
Produktivitätc)
Mikrostruktur der Polymere (in %) 1,4-cis
36–38
93
97
1,4-trans
52–53
3
1
2
1
1,2 (Vinylgr.)
10–12
4
2
1
1
Eigenschaften der Polymere d)
Tg (in °C)
–93
–103
–106
–107
–109
Molmassenverteilung
eng
moderat
moderat
breit
sehr breit
Linearität
unverzweigt
gering verzweigt
variabel
(gering) verzweigt
hochlinear
a) Infolge der Variabilität der Katalysatorsysteme und der Polymerisationsbedingungen sind die Eigenschaften in gewissen Grenzen variabel, so dass die Angaben nur zur Orientierung dienen. b) R kennzeichnet eine längere Alkylkette wie sie z. B. in Fettsäuren auftritt; damit ist eine hinreichende Löslichkeit des Katalysatorsystems in den angegebenen Lösungsmitteln gegeben. c) In kg Polybutadien/g Metall. d) Die Glasübergangstemperatur Tg hängt vom Gehalt an Vinylgruppen ab und ist somit für alle hoch cis-haltigen Systeme fast gleich.
trans-1,4- und 1,2-Polybutadiene Das heterogene Ziegler-System VCl3/AlEt3 vermag Butadien zu hochmolekularem sehr reinen (> 99 %) trans-1,4-Polybutadien (Fp. 145 °C) zu polymerisieren. Titanhaltige Systeme wie Į-TiCl3/AlEt3 sind weniger stereoselektiv. Cobalthaltige Systeme (z. B. Co(acac)3/AlR3/CS2) in Benzol als Lösungsmittel ergeben syndiotaktische 1,2-Polybutadiene mit einer Reinheit von > 99 %, die hochschmelzend (200–216 °C) und bis zu 80 % kristallin sind. Chromhaltige Systeme wie Cr(acac)3 oder [Cr(CO)5(py)] in Kombination mit Aluminiumalkylen führen je nach Reaktionsbedingungen zu Gemischen von syndio- und isotaktischem 1,2Polybutadien, aus denen letzteres in kristalliner Form abgetrennt werden kann.
Polymerisation von Butadien
215
Polyisoprene Die Initiierung der Polymerisation von Isopren mit Alkyllithium (in Kohlenwasserstoffen oder ohne Lösungsmittel) führt zu einem hoch cis-haltigen Produkt (96 % cis-1,4-, 4 % 3,4Polyisopren). Titankatalysiert (TiCl4/AlEt3) sowie mit Nd-Katalysatoren wird ebenfalls cis1,4-Polyisopren erhalten (> 95 %). Ähnlich wie bei Butadien liefert Į-TiCl3/AlEt3 trans-1,4Polyisopren.
cis- und trans-1,4-Polyisopren entsprechen in ihrer Struktur dem Naturkautschuk bzw. Guttapercha und Balata. Synthetisches 1,4-cis-Polyisopren hat bei den synthetischen Kautschuken einen Marktanteil von ca. 7 %. Die Synthese von trans-1,4-Polyisopren spielt technisch nur eine untergeordnete Rolle. Es findet – wie Guttapercha selbst – bei der Herstellung von Golfbällen Verwendung, hat aber auch Anwendungen in der Medizin.
11 C–C-Kupplungsreaktionen
11.1 Palladiumkatalysierte Kreuzkupplungen 11.1.1 Einführung Schon 1855 fand A. Wurtz, dass Alkylhalogenide R–X in Gegenwart von Natrium unter C–C-Bindungsknüpfung zu längerkettigen Alkanen reagieren: 2 R X +
R R + 2 NaX
2 Na
Allerdings sind Wurtz-Reaktionen von erheblichen Nebenreaktionen (Eliminierungen, Umlagerungen) begleitet. Ca. 50 Jahre später sind analoge Kupplungen bei magnesiumorganischen Verbindungen gefunden worden (V. Grignard, Nobelpreis für Chemie 1912). Der Reaktion von R’–X mit Mg zu Grignardverbindungen liegt eine „Umpolung“ der Reaktivität von R’–X zugrunde, so dass das carbanionoide C-Atom in den Grignardreagenzien mit Alkylhalogeniden R–X unter C–C-Bindungsknüpfung zu Alkanen reagiert: R´
+ Mg
X
+ RX
R´ Mg X
MgX2
R R'
Derartige Reaktionen, bei denen gezielt zwei verschiedene Organylreste R und R' verknüpft werden, heißen „C–C-Kreuzkupplungen“. Allerdings verlaufen die soeben beschriebenen Kreuzkupplungen nur dann mit hinreichender Geschwindigkeit, wenn das Halogen in R–X aktiviert ist, wie es insbesondere in Allyl- und Benzylhalogeniden der Fall ist. Kreuzkupplungen können aber effektiv mit Phosphannickel(0)-Komplexen katalysiert werden (Kumada, 1972): R X + R´ Mg X
[Ni0]
R R´ + MgX2
In der Folge hat sich Palladium als das Element der Wahl zur Katalyse von Kreuzkupplungen erwiesen. Es gibt heute eine breite Palette palladiumkatalysierter Kreuzkupplungen, in denen eine Verbindung R–X (1; X = Hal, OTs, OTf, ...) mit einem elektrophilen C-Atom mit [M]–R’ (2), einer Organometall- oder -nichtmetallverbindung mit einem nucleophilen C-Atom, zum Kupplungsprodukt 3 umgesetzt wird. Die wichtigsten sind in Tabelle 11.1 zusammengestellt. R X + [M] R´ 1
2
[Pd]
R R´ + [M] X 3
Palladiumkatalysierte Kreuzkupplungen
217
Tabelle 11.1. Wichtige palladiumkatalysierte C–C-Kreuzkupplungen [Tam 2002].
M
Jahr
Autora)
[M]–R’
Bemerkungen
Mg
1972
Kumada-Tamao
XMg–R’
Ni-katalysiert (Pd-katalysiertb))
Li
1975
Murahashi
Li–R’
Cu
1975
Sonogashira
Cu–CŁCR’
in situ aus HCŁCR’ + CuI + Base
Znc)
1976/77
Negishi
R’Zn–R’; XZn–R’
analog AlR’3d) und [ZrCl(R’)Cp2]d)
B
1979
Suzuki-Miyaura
[(base)(OH)2B–R’]–
in situ aus BR’(OH)2 + anionische Base
Sn
1979
Stille
R’’3Sn–R’
R’’ = Alkyl
Si
1988
Hiyama
[Fn+1Me3–nSi–R’]–
in situ aus SiR’Me3–nFn + F–
a) Als Namensreaktion auch ohne Angabe des Zweitautors gebräuchlich. b) Murahashi (1975). c) Auch Al und Zr [Neg 2005]. d) Gegebenenfalls in Gegenwart von ZnCl2 oder ZnBr2.
11.1.2 Mechanismus von Kreuzkupplungen Der grundsätzliche Mechanismus von Kreuzkupplungen ist in Abbildung 11.1 dargestellt. Im Einzelnen sind folgende Reaktionsschritte zu nennen: 1 ĺ 2: Ligandabspaltung/-anlagerung. Ausgehend von [PdL4] (L = Phosphan) bildet sich durch Ligandabspaltung der eigentliche Katalysator, z. B. ein Bis(phosphan)-Komplex (n = 2, Pd0, 14 ve). Wird als Präkatalysator eine PdII-Verbindung eingesetzt, erfolgt zunächst Reduktion. 2 ĺ 3: Oxidative Addition/reduktive Eliminierung. Oxidative Addition von R–X an den Pd0-Komplex [PdL2] ergibt zunächst einen Organylpalladium(II)-Komplex cis-[PdR(X)L2], der zum trans-Komplex isomerisiert. Die Reaktion kann reversibel sein. 3 ĺ 4: Metathese (doppelte Umsetzung; im weiteren Sinne Transmetallierung).1 Reaktion mit [M]–R’ (M = Hauptgruppenelement) liefert einen Diorganylpalladium(II)-Komplex. Im Allgemeinen ist die Transmetallierung oder auch die oxidative Addition der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. 4 ĺ 2: Reduktive Eliminierung. In einer schnellen irreversiblen Reaktion wird das Produkt R–R’ abgespalten und der Katalysatorkomplex zurückgebildet. Die reduktive Eliminierung wird maßgeblich beschleunigt, wenn sie von einem T-förmigen Intermediat [PdR(R’)L] ausgeht [Sta 2004].
1
Transmetallierungen im engeren Sinne sind Umsetzungen zwischen Metallorganylen und Metallen, die unter Organylgruppenübertragung verlaufen: M + M’Rn M’ + MRn. Im weiteren Sinne werden als Transmetallierungen Reaktionen bezeichnet, bei denen eine Organylgruppe von einem Metall auf ein anderes übertragen wird, also auch Metall–Metall-Austausch[M]–R’ + [M’]–R) und Metathesen (doppelte Umsetzungen) reaktionen ([M]–R + [M’]–R’ [M]–R + [M’]–X). Insbesondere im Kontext von Kreuzkupplungen werden ([M]–X + [M’]–R Metathesen als Transmetallierungen klassifiziert.
218
C–C-Kupplungsreaktionen
Abbildung 11.1. Grundsätzlicher Mechanismus von palladiumkatalysierten Kreuzkupplungen (L = Phosphan, n = 1 oder 2).
Als Präkatalysatoren werden Palladium(0)-Komplexe ([PdL4], [Pd(dba)2]/[Pd2(dba)3] + x L; dba = Dibenzylidenaceton, PhCH=CH–CO–CH=CHPh) oder Palladium(II)-Komplexe ([PdCl2L2], Li2[PdCl4] + x L, Pd(OAc)2 + x L, ...) mit bevorzugt L = PPh3 eingesetzt. Letztere werden zunächst zu Palladium(0)-Komplexen reduziert. Das kann z. B. durch Organylierung des zweiwertigen Palladiums und nachfolgender reduktiver Eliminierung erfolgen. Nucleophile Nu– können intra- (5 ĺ 7) oder intermolekular (6 ĺ 7) einen Phosphanliganden substituieren, wobei neben [Pd0] ein Phosphoniumsalz gebildet wird, das – z. B. durch Wassereinwirkung – in ein Phosphanoxid übergeht [Esp 2004]. [PdII]
Nu
Nu [PdII] PR3
PR3
6
5
[Pd0] + Nu PR3 7
+ H2O, H
NuH + OPR3
Palladiumkatalysierte Kreuzkupplungen
219
Der Precursorkomplex kann für den Ablauf von Kreuzkupplungen maßgeblich sein. Wird von [PdL4] (1) ausgegangen, ist bedingt durch die Gleichgewichtslage ([PdL4] [PdL2] + 2 L) die Konzentration an der katalytisch aktiven Spezies [PdL2] (2) sehr klein. Andererseits stabilisiert überschüssiges L den Komplex und beugt der Bildung von inaktiven Palladiumclustern oder metallischem Palladium vor. Wird von PdII-Komplexen ausgegangen, sind Anionen X’– wie Cl– oder OAc– zugegen. Kinetische Untersuchungen und quantenchemische Rechnungen zeigen, dass deren Reduktion zu anionischen Palladium(0)-Komplexen vom Typ [PdX’L2]– (2’) führt, an denen die oxidative Addition von R–X leichter als an den Neutralkomplexen [PdL2] (2) abläuft [Koz 2004, Koz 2005].
Benzyl/Allyl
Alkinyl
R'[M]
Vinyl
R in RX R' in
Aryl
Abbildung 11.2. Zur Variationsbreite von R/R’ bei Kreuzkupplungen. (a) Im Allgemeinen nicht durchführbar. (b) Durchführbar, aber ggf. kompliziert. (c) Im Allgemeinen unkompliziert durchführbar (adaptiert von E.-i. Negishi 2002, S. 215).
Alkyl
Kreuzkupplungen haben ein breites Synthesepotenzial und die Reste R und R’ können in weiten Grenzen variiert werden (Abbildung 11.2). Die wohl größte Einschränkung ist, dass Alkylverbindungen R–X nur sehr begrenzt eingesetzt werden können, da für Reste R mit ȕH-Atomen die Intermediate [PdR(X)Ln] (3) einer schnellen ȕ-H-Eliminierung unterliegen. Im Gegensatz dazu können Alkylmetallverbindungen [M]–R’ als Transmetallierungsagenzien verwendet werden, da die reduktive Eliminierung von R–R’ aus den Intermediaten 4 erfolgreich mit der ȕ-H-Eliminierung konkurrieren kann.
Alkyl Aryl Vinyl Alkinyl Benzyl/Allyl
c a
b c
c a
Bei der oxidativen Addition von R–X spielt die Reaktivität der austretenden Gruppe X eine Rolle, wobei im Allgemeinen die Abstufung I > OTf > Br >> Cl gilt. Bei den weniger reaktiveren Elektrophilen mit sp2- und sp-hybridisiertem C-Atom werden bessere Abgangsgruppen (I, OTf, Br) benötigt, während bei den reaktiveren Benzyl- und Allylverbindungen die Chloride eingesetzt werden können. Kreuzkupplungen sind im Allgemeinen stereospezifisch. sp2-Hybridisierte C-Atome in R und R’ reagieren unter Erhalt der Konfiguration, während bei Elektrophilen R–X mit sp3-hybridisierten C-Atomen sowohl Retention als auch Inversion beobachtet wird.
220
C–C-Kupplungsreaktionen
11.1.3 Ausgewählte Kreuzkupplungen Kreuzkupplungen mit Organolithium-, -magnesium- und -zinkreagenzien Organolithium-, -magnesium- und -zinkverbindungen sind so reaktiv, dass der Transmetallierungsschritt in Murahashi-, Kumada- und Negishi-Kupplungen keiner Aktivierung bedarf und bei milderen Reaktionsbedingungen gearbeitet werden kann als bei Suzuki- und StilleKupplungen. Die Kupplungen sind auf Funktionalitäten in R/R' begrenzt, die von R’Li-, R’MgX bzw. ZnR’2/ZnR’X-Verbindungen toleriert werden. Organozinkverbindungen bieten Vorteile, weil sie einerseits eine sehr hohe Reaktivität aufweisen, aber auf der anderen Seite schon eine breite Palette an funktionellen Gruppen (–COR, –CO2R, –CN, –Hal, –CŁCH, ...) tolerieren. Sofern die Organolithium- oder -magnesiumverbindung leicht zugänglich ist, genügt zur Synthese der entsprechenden Organozinkverbindung (in situ) eine einfache Metathesereaktion mit Zinkhalogeniden (2 R’Li + ZnX2 ĺ ZnR’2 + 2 LiX). Kreuzkupplungen mit Grignardreagenzien R’MgX (nicht aber mit R’Li) haben den Vorteil, dass sie nickelkatalysiert ausgeführt werden können (Kumada-Kupplungen). Wenn dabei aber störende ȕ-H-Eliminierungen auftreten, dann haben die palladiumkatalysierten Reaktionen mit zweizähnigen Diphosphanliganden Vorteile. Als Präkatalysatoren werden entweder Palladium(0)- (z. B. [PdLn], L = Phosphan) oder Palladium(II)- bzw. Nickel(II)-Komplexe (z. B. [MX2L2]; M = Pd, Ni) eingesetzt. Letztere werden durch [M]–R (M = Li, Mg, Zn) organyliert und via reduktive Eliminierung wird dann der eigentliche Pd0- bzw. Ni0-Katalysator gebildet. Kreuzkupplungen mit Grignardreagenzien können auch eisenkatalysiert werden [Bol 2004]. Im Unterschied zu den palladiumkatalysierten Reaktionen, denen ein Oxidationsstufenwechsel Pd0/PdII zugrunde liegt, erfolgt dabei wahrscheinlich ein Oxidationsstufenwechsel Fe–II/Fe0. Katalysatorkomplexe könnten durch Umsetzung von RMgX mit Eisen(II)-chlorid gebildete Cluster [{Fe–II(MgX)2}n] sein, die auch als „anorganische Grignardreagenzien“ bezeichnet werden. In Übereinstimmung damit, dass Eisenkomplexe mit sehr tiefer Oxidationsstufe bei der Katalyse eine Rolle spielen, ist auch der Eisen(–II)-Komplex [Li(tmeda)]2[Fe(H2C=CH2)4] ein sehr effizienter Präkatalysator [Für 2005].
Suzuki-Kupplungen In Suzuki-Kupplungen werden Organylgruppen R’ (Alkyl, Alkenyl, Aryl, Alkinyl, ...) von Organoboronsäuren (1) bzw. Boronsäurederivaten (2, 3) auf Palladium übertragen. Infolge der relativ hohen Stabilität der B–C-Bindungen muss zur Erhöhung der Carbanionenaktivität eine anionische Base zugesetzt werden (NaOH, NaOMe, NaOAc, Na2CO3, [N(n-Bu)4]F), so dass letztlich tetrakoordinierte Boronatanionen (4, R’’ = H, Alkyl, Aryl, ...; X = OH, OMe, F) als organylierende Agenzien wirken [Kot 2002, Suz 2005].
Palladiumkatalysierte Kreuzkupplungen
221
O
MeO
HO
B
B R´
R´
MeO
HO
R´ B
R´´O
O 3
2
1
R´´O B R´
X 4
Häufig wird in Lösungsmitteln wie thf, Dioxan, EtOH, Benzol gearbeitet und als Präkatalysator [Pd(PPh3)4] sowie die Base als wässrige Lösung eingesetzt. Ein Vorteil von Suzuki-Kupplungen ist die leichte Zugänglichkeit von Organoboronsäuren, z. B. über Hydroborierungen, und deren hohe Toleranz gegenüber Substituenten wie –OH, –OR, –NR2, –CHO, –C(O)R, –C(O)OR, –CŁN, –NO2, ...; R = Alkyl, Aryl, ...). Für die Synthese unsymmetrischer Biaryle (einschließlich von Heterobiarylen) sind Suzuki-Kupplungen die Methode der Wahl. So wird im Maßstab von ca. 100 t/Jahr als Pharmazwischenprodukt 2Cyano-4’-methylbiphenyl 5 via Suzuki-Kupplung hergestellt. Das Produkt wird durch Phasenseparation abgetrennt, so dass der Katalysator recycelt werden kann. NC
NC [Pd]/P(m-NaOSO2C6H4)3
B(OH)2 + Cl
Glykol/Base (120 °C) 5
Hiyama-Kupplungen Hiyama-C–C-Kupplungen liegt folgende palladiumkatalysierte Reaktion zugrunde (R = Alkenyl, Aryl, Allyl, ...; X = Cl, Br, I, OTf, ...): Si R'
1
+F F R X +
Si R'
[Pd] X
R R' +
Si F
2
Entsprechend dem allgemeinen Mechanismus für Kreuzkupplungen werden in einer Transmetallierungsreaktion (vgl. Reaktion 3 ĺ 4 in Abb. 11.1) Organylgruppen R’ (Alkyl, Alkenyl, Aryl, Alkinyl, ...) von Organosiliciumverbindungen 1 auf Palladium übertragen. Die hohe Stabilität und geringe Reaktivität der Si–C-Bindung erfordert – wie bei B–C-Bindungen in Suzuki-Kupplungen – eine Aktivierung. Dabei macht man sich in den meisten Fällen die ausnehmend hohe Stabilität von Si–F-Bindungen (ǻH = 565 kJ/mol) zunutze und setzt in mindestens stöchiometrischer Menge Fluoride wie [N(n-Bu)4]F oder KF oder Fluoriddonoren wie [(Et2N)3S][SiF2Me3] zu. Diese reagieren mit den Organosilanen 1 zu den eigentlich organylierend wirkenden Agenzien, nämlich zu pentakoordinierten Fluoro(organyl)silicaten 2.
222
C–C-Kupplungsreaktionen
Häufig werden als Substrate 1 die entsprechenden Methyl- bzw. Fluoro(methyl)siliciumverbindungen Me3–nFnSi–R’ (n = 0–3) eingesetzt. Bei Alkylierungen (R’ = Alkyl) werden Alkylsiliciumtrifluoride F3Si–R’ bevorzugt und man setzt einen Überschuss an Fluoriden zu, um das gebildete SiF4 als [SiF5]–/[SiF6]2– abzufangen.
Stille-Kupplungen Die Tendenz zur Übertragung der Organylgruppe R’ von Sn auf Pd steigt mit zunehmender Elektronegativität von R’ in der Reihe:
C(sp3)
< C(sp2)
Alkyl
90 % betragen.
242
Hydrocyanierungen, -silylierungen und -aminierungen von Olefinen
4c
4a
6a
CN
[L3NiH][A(CN)] (5) CN
CN
NC
HCN
CN
6b
CN CN
HCN
CN
6c
Die sehr langsame Bildung des thermodynamisch stabilsten linearen Pentennitrils 4d (Gleichgewichtszusammensetzung 4d : 4a : 4c ca. 78 : 20 : 2 bei 50 °C) und die sehr schnelle Gleichgewichtseinstellung zwischen 4a und 4c sind entscheidend für die Selektivität bezüglich Adiponitril 6a. Diese „kinetisch kontrollierte Isomerisierung“ ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass 4a an Nickel bevorzugt über die Nitrilgruppe koordiniert (und nicht über die Doppelbindung). Eine Doppelbindungsisomerisierung zu 4d würde aber nach Insertion der Doppelbindung in die Ni–H-Bindung zu einer [Ni]–CH(Et)–CH2CN-Zwischenstufe führen, die keine Nitrilkoordination mehr zulässt [McK 1985]. Obwohl das innere Olefin 4a thermodynamisch deutlich stabiler ist als das terminale Olefin 4c (Gleichgewichtszusammensetzung 4a : 4c ca. 10 : 1) und nur aus 4c Adiponitril (6a) erhalten wird, kann eine Selektivität bezüglich 6a von > 90 % erreicht werden. Das ist in erster Linie sterisch bedingt, denn raumgreifende Liganden L und voluminöse Lewis-Säuren A erschweren die Ausbildung der Cyano(isoalkyl)nickel(II)-Komplexe, die bei der Bildung von 6b und 6c als Zwischenprodukte auftreten.
L2Ni
CN C N
L2Ni
CN C N
A 4c
6a
L2Ni
C N A
A 4c/4a
CN
6b
4a
6c
Folglich wird mit voluminösen Lewis-sauren Promotoren wie BPh3 eine deutlich höhere Selektivität bezüglich Adiponitril erreicht (96 %; L = P(O-p-Tol)3, 50 °C) als mit ZnCl2 (82 %) und AlCl3 (50 %).
12.2.3 Ausblick Enantioselektive Hydrocyanierungen Hydrocyanierungen von Vinylaromaten, hier mit dem unsubstituierten Styrol 1 gezeigt, verlaufen im Allgemeinen im Sinne einer Markovnikov-Reaktion, so dass bevorzugt verzweigte Nitrile 2 gebildet werden. Das ist auf die besondere Stabilität der Benzylnickel-Zwischenstufe 3a mit einer allylartigen Bindung zurückzuführen. Eine derartige Stabilisierung tritt bei der 2-Phenylethylnickelverbindung NC–[Ni]–CH2CH2Ph (3b) nicht auf. Das ist die entsprechende Zwischenverbindung einer Anti-Markovnikov-Addition, die zu linearen Produkten führen würde.
Hydrocyanierungen
243
[Ni]
HCN [Ni]
CN
CN
*
1
3a
2
Enantioselektive Synthesen von verzweigten Nitrilen 2 sind möglich [Raj 1999]. Werden als Coliganden kohlenhydratbasierte Diphosphinite vom GLUP-Typ wie 4 eingesetzt, sind eeWerte bis zu 90 % erzielt worden, vgl. als Beispiel die Hydrocyanierung von 5. Hydrolyse von 6 ergibt Naproxen, ein schmerzlinderndes Pharmakon aus der Klasse der 2-Arylpropionsäuren.
[Ni(COD)2]/4
MeO
O O O Ar2P
Ph
* CN
HCN MeO 6
5
O
OPh
O PAr2 4
Mechanistische Studien zeigten, dass der Olefinkoordination die oxidative Addition von HCN folgt (7 ĺ 8). Die umgekehrte Reihenfolge wurde jedoch auch nachgewiesen. Insertion des Olefins in die Ni–H-Bindung ergibt einen ʌ-Allylnickel(II)-Komplex (8 ĺ 9), aus dem unter reduktiver C–C-Eliminierung das Produkt abgespalten wird (9 ĺ 10). Durch Koordination des Styrolderivates und oxidative Addition von HCN (oder vice versa) an den Ni(0)Komplex bildet sich 7/8 zurück [Raj 2003]. P * Ni P 7
HCN Ar
H P * Ni P CN 8
CN P * Ni P 9
Ar
Ni(P * P)
Ar * CN (S)-10
R (+ HCN)
+ Ar
Es wurde experimentell nachgewiesen, dass die Enantioselektivität nicht durch die Koordination des Olefins an der Re- oder Si-Seite zu (Re)-7 bzw. (Si)-7 bestimmt wird, sondern dass die Aktivierungsbarriere für die Styrolinsertion (8 ĺ 9) und/oder die irreversible reduktive Eliminierung zu (S)-10 niedriger als die zu (R)-10 ist. Die ee-Werte erwiesen sich als ausgeprägt abhängig von den elektronischen Eigenschaften des Coliganden 4 und des Substrates.
Hydrocyanierungen von Alkinen Nickelphosphitkatalysatoren katalysieren auch die Hydrocyanierung von Alkinen, die zu Į,ȕungesättigten Nitrilen 1a/1b führen, die in Michael-Additionsreaktionen und als Dienophile in Cycloadditionsreaktionen ein hohes Synthesepotenzial besitzen. R1
R2
HCN [Ni]
R2
R1 H
CN 1a
+
R2
R1 NC
H 1b
244
Hydrocyanierungen, -silylierungen und -aminierungen von Olefinen
In der Regel erfolgt syn-Addition. Die Regioselektivität wird durch sterische und elektronische Faktoren bestimmt. Bei terminalen Alkinen (R1 = H) wird überwiegend im Sinne einer Markovnikov-Addition das verzweigte Produkt 1a gebildet, es sei denn, der Substituent R2 ist sehr voluminös [Jac 1986].
Aufgabe 12.1 Begründen Sie die Stereoselektivität der Reaktion.
Die Hydrocyanierung von Acetylen mit Kupfer(I)-salzen als Katalysator (a) war bis in die 60er Jahre das wichtigste Verfahren zur Herstellung von Acrylnitril. Nach Reppe ist sie als Vinylierung von Blausäure aufzufassen. HCN [CuI]
a
CN
NH3/O2
b
[Bi2O3/MoO3]
Heute wird Acrylnitril überwiegend in einer heterogen katalysierten Reaktion durch Ammoxidation von Propen (T ca. 450°C) erhalten (b, SOHIO-Prozess: Standard Oil of Ohio).
Hydrocyanierungen von polaren C=X-Bindungen Die Addition von HCN an C=O-Doppelbindungen in Aldehyden zu Cyanhydrinen ist eine Gleichgewichtsreaktion, die sauer oder alkalisch katalysiert werden kann. Enantiomerenreine Cyanhydrine sind wichtige Bausteine für die Synthese von Į-Hydroxysäuren und ȕ-Aminoalkoholen. Als Katalysatoren sind solche vom Sharpless-Typ (vgl. S. 274) eingesetzt worden, wobei sich als Cyanierungsagens Trimethylsilylcyanid bewährt hat („Silylcyanierung“). Bei Benzaldehyden (R = Aryl) werden ee-Werte zwischen 90 und 96 % erreicht. Ph Ph R H
O O
C O + Me3SiCN
Ph OH OH
Ph Ph TiCl2(O-i-Pr)2
R
CN C * H OSiMe3
H+
R
CN C * H OH
Des Weiteren werden chirale monometallische, aber bifunktionelle Katalysatoren verwendet, deren Struktur in a schematisch dargestellt ist. Die Komplexe 1 und 2 sind Beispiele, bei denen ebenfalls ee-Werte > 90 % erreicht wurden.
Hydrosilylierungen
245 O PPh2
chirales Kohlenstoffgerüst ("backbone")
M
Lewis-saures Zentrum
Cl Al
*
Lewis-basisches Zentrum
D
O
O
O
i-PrO i-PrO
a O
O
Ph2P O
O
Ti O
PPh2 1
2
Bei Silyl- und Hydrocyanierungen erfolgt die Aktivierung der Carbonylverbindung durch Koordination der C=O-Gruppe an das Lewis-saure Metallzentrum (M = Al, Ti) und die Aktivierung der Cyanverbindung (HCN, Me3SiCN) durch Wechselwirkung mit dem Lewisbasischen Katalysatorzentrum, das ist das Sauerstoffatom der Phosphanoxidgruppe (D = O=PPh2–). Im Übergangszustand sind beide Substratmoleküle an das monometallische, aber bifunktionelle Katalysatormolekül gebunden. Strukturelle Voraussetzung für eine hohe Katalysatoreffizienz ist, dass keine Desaktivierung durch intramolekulare Donor–Akzeptor-Wechselwirkung (MĸD) erfolgt. Weiterhin muss der Katalysator beide Reaktionspartner so binden, dass sie eine geeignete räumliche Orientierung zueinander einnehmen [Grö 2001]. In analoger Weise sind Imine als Substrate eingesetzt worden (RCH=NR’ + HCN (bzw. Me3SiCN) ĺ RC*H(NHR’)–CN), was im Sinne der Strecker-Synthese einen Zugang zu chiralen Į-Aminosäuren eröffnet [Yet 2001].
12.3 Hydrosilylierungen 12.3.1 Grundlagen Bei der Hydrosilylierung von Olefinen werden Alkylsilane erhalten: C C
+
H SiR3
Kat.
H C C SiR3
Aufgabe 12.2 Schätzen Sie aus den mittleren Bindungsdissoziationsenthalpien (C–C 348, C=C 612, C–H 412, Si–C 311, Si–H 318 kJ/mol) die Enthalpie der Reaktion ab. Ermitteln Sie, ob eine Addition im Sinne einer Radikalkettenreaktion möglich ist. Welche Regioselektivität erwarten Sie bei der radikalischen Hydrosilylierung terminaler Olefine?
Den meisten Additionsreaktionen von Silanen an Olefine liegt keine homolytische, sondern eine heterolytische Si–H-Bindungsspaltung zugrunde. Sie kann durch Lewis-Säuren wie AlCl3 und insbesondere durch Übergangsmetallkomplexe katalysiert werden [Mar 2002]. Das ist erstmalig durch Speier 1957 gezeigt worden.
246
Hydrocyanierungen, -silylierungen und -aminierungen von Olefinen
Für übergangsmetallkatalysierte Hydrosilylierungen von Olefinen werden überwiegend Platinverbindungen eingesetzt. Als Präkatalysatoren haben sich Hexachloroplatinsäure in Isopropanol (Speier-Katalysator) bzw. umgesetzt mit einem Vinylsiloxan wie (H2C=CH)Me2Si–O–SiMe2(CH=CH2) (Karstedt-Katalysatoren) bewährt. In beiden Fällen sind Pt0-Komplexe katalytisch aktiv. In Karstedt-Lösungen wurde ein zweikerniger Platin(0)-Komplex nachgewiesen (Abbildung 12.4) und auch die Bildung von Platinkolloiden, an denen sich die Katalyse vollziehen kann.
Me2Si
O
SiMe2
Pt Me2Si
O
Pt SiMe2 Me2Si
SiMe2 O
Abbildung 12.4. Struktur von [Pt2{(H2C=CH)Me2Si–O–SiMe2(CH=CH2)}3] mit zwei Chelat- und einem verbrückenden Divinyldisiloxan-Liganden.
Bei substituierten Olefinen folgt die Addition im Allgemeinen der Anti-Markovnikov-Regel, so dass Produkte mit terminalen Silylgruppen gebildet werden. Sie verlaufen stereochemisch einheitlich als syn-Additionen. Generell werden terminale Doppelbindungen leichter hydrosilyliert als innere. Neben Platin katalysieren viele andere Übergangsmetalle Hydrosilylierungen von Olefinen, insbesondere Metalle der Gruppen 8–10 (Rh, Co, Fe, Ir, Ru, ...). Im Falle von Rhodium werden als Präkatalysatoren z. B. Komplexe vom Wilkinson-Typ [RhX(PR3)3] und [RhX(CO)(PR3)2] eingesetzt. Der Mechanismus der platinkatalysierten Hydrosilylierung (A. J. Chalk, J. F. Harrod; 1965) entspricht in den Grundzügen dem in Abbildung 12.2 (H–X = H–SiR3; [M] = [Pt]; S. 238) mit der Reaktionsfolge: 1 ĺ 2: Oxidative Addition von HSiR3 zu einem Hydrido(silyl)platin(II)-Komplex 2 ĺ 3: Olefinkoordination 3 ĺ 4: Olefininsertion in die Pt–H-Bindung, wobei ein Alkyl(silyl)platin(II)-Komplex gebildet wird. 4 ĺ 1: Reduktive C–Si-Eliminierung unter Rückbildung des Katalysatorkomplexes. Später ist eine Modifizierung derart vorgeschlagen worden, dass das Olefin in die Pt–Si-Bindung insertiert (3 ĺ 4’) und dann der Reaktionszyklus durch reduktive C–H-Eliminierung (4’ ĺ 1) geschlossen wird.
Hydrosilylierungen
247
oxidative Addition
Ligandsubstitution
L L
Pt
+
L Pt L 1
+ HSiR3 L L
Pt
, L L
H 2
L H
Pt
SiR3
SiR3
SiR3
Pt
+L H
4
H
SiR3
L
+L
Pt SiR3
H 3'
+
a
L Pt
H 3
SiR3 +
cis-transIsomerisierung
redukt. Eliminierung
Insertion
4'
CH3CH2SiR3 b + PtL2 1
, L
c
L 2' 'E
b
ca. 50 kJ/mol
4' + L
1+ + HSiR3 3/3' + L 2+
a)
a 4+L
Abbildung 12.5. Zum Mechanismus der Addition von HSiR3 (R = H, Me, Cl) an Ethen katalysiert durch PtL2 (L = PH3). Die angegebenen Energien beziehen sich auf R = H; entsprechendes gilt für R = Me, Cl (adaptiert und gekürzt nach Sakaki 1999). a) Der Energieunterschied von 3 und 3’ ist marginal.
Quantenchemische Rechnungen der Addition von H–SiR3 an Ethen mit [Pt(PH3)2] als Modellkatalysator1 zeigen nun aber, dass der ursprünglich vorgeschlagene gegenüber dem modifizierten eine deutlich geringere Aktivierungsbarriere aufweist (Abbildung 12.5). Dieses Ergebnis ist nicht zu verallgemeinern, für Rhodiumkomplexe beispielsweise trifft das Umgekehrte zu [Sak 2002]. Die oxidative Addition von HSiR3 an den Pt0-Komplex ist nur mit einer sehr geringen Aktivierungsbarriere verbunden (1 ĺ 2), ebenso wie die nachfolgende Ligandensubstitution (2 ĺ 3/3’), die nach dem Additions-Eliminierungsmechanismus abläuft. Im Chalk-HarrodMechanismus a folgt die Insertion von Ethen in die Pt–H-Bindung und eine Isomerisierung 1
Phosphankomplexe wie [Pt(Ș2-H2C=CH2)(PPh3)2] sind auch katalytisch aktiv, aber weniger als die Speier- und Karstedt-Katalysatoren.
248
Hydrocyanierungen, -silylierungen und -aminierungen von Olefinen
des primär gebildeten Insertionsproduktes derart, dass der Ethylligand trans zum PH3-Liganden koordiniert ist (3 ĺ 4). Diese Reaktion ist geschwindigkeitsbestimmend. Alternativ dazu kann Ethen in die Pt–Si-Bindung insertieren (Reaktionskanal b: modifizierter Chalk-Harrod-Mechanismus; 3’ ĺ 4’). Das Reaktionsprofil (Abbildung 12.5) weist aus, dass diese Aktivierungsbarriere deutlich größer ist, so dass der Chalk-Harrod-Mechanismus bevorzugt ist. Weiterhin ist eine cis-trans-Isomerisierung von 2 in Betracht zu ziehen (2 ĺ 2’). Dadurch wird der Reaktionskanal c geöffnet, bei dem wiederum alternativ eine Insertion von Ethen in die Pt–H- oder die Pt–Si-Bindung möglich ist, nur vom trans-Komplex 2’ ausgehend. Die Rechnung zeigt aber, dass die cis-trans-Isomerisierung (2 ĺ 2’) kinetisch gehemmt ist, so dass der Reaktionskanal a, d. h. der normale Chalk-Harrod-Mechanismus, die bevorzugte Reaktion bleibt [Sak 1999]. Im Unterschied zu den platinkatalysierten Hydrosilylierungen von Olefinen werden bei der Katalyse mit anderen Metallen der Gruppen 8–10 häufig als weitere Reaktionen dehydrierende Silylierungen beobachtet. Sie führen zu Vinylsilanen und Wasserstoff (a) und/oder zu Vinylsilanen und Alkanen (b) [Mar 2000]. + R'HC=CH2 HSiR3
[M]
+ 2 R'HC=CH2
R'HC=CHSiR3 + H2
a
R'HC=CHSiR3 + R'CH2CH3
b
Als Ausgangspunkt für die Bildung der Vinylsilane kommen Hydrido(2-silylalkyl)-Metallkomplexe 4’ in Betracht, wie sie im modifizierten Chalk-Harrod-Mechanismus als Zwischenstufen (vgl. Komplexe 4’ in Abb. 12.1 und 12.5) auftreten. Reduktive C–H-Eliminierung führt unter Rückbildung des Katalysatorkomplexes [M] zu den normalen Hydrosilylierungsprodukten (4’ ĺ 1). ȕ-H-Eliminierung dagegen ergibt unter Abspaltung eines Vinylsilans einen Dihydridokomplex, der unter reduktiver Eliminierung zu H2 und [M] reagiert (4’ ĺ 5 ĺ 1). Insertion des Olefins in die M–H-Bindung von 4’ führt zu einem Alkyl(silylalkyl)-Komplex 6, der durch ȕ-H- und reduktive C–H-Eliminierung ein Vinylsilan bzw. ein Alkan abspalten kann, wobei ebenfalls [M] zurückgebildet wird (6 ĺ 7 ĺ 1) [Mar 1997, Mar 2000]. R' [M] 1
R'CH2CH2SiR3
[M]
CH CH2SiR3 R'HC=CHSiR3
H
[M]
H H
H2
5
4'
[M] 1
+ R'HC=CH2 R' [M] R' 6
H
CH CH2SiR3 CH CH3
R'HC=CHSiR3
[M] R' 7
CH CH3
R'CH2CH3
[M]
1
Hydrosilylierungen
249
Hydrosilylierungen haben technische Bedeutung erlangt, insbesondere zur Synthese von Alkylsilanen sowie bei der Modifizierung von Siliconpolymeren und ihre Verknüpfung mit organischen Polymeren. Durch „Hydrosilylierungs-Polymerisation“ werden Polymere wie 1 und 2 aus Monomeren aufgebaut, die Si–H- und Si–CH=CH2-Gruppen enthalten [Gra 1999]. R n H Si R
[Pt]
R Si R 1
Ph n H Si H + n Ph
Me Me Si O Si Me Me
[Pt]
Ph Si Ph
n
Me Me Si O Si Me Me
n
2
Dendrimere wie 3 (dargestellt als Graph) mit Si-Atomen als Verzweigungszentren werden in kontrolliertem schrittweisen Wachstum durch abwechselnde Hydrosilylierung und Grignardkupplungsreaktionen aufgebaut. So kann z. B. Tetraallylsilan 4 platinkatalysiert mit H–SiCl2Me zu 5 umgesetzt werden. Anschließende Reaktion mit einer Vinylgrignardverbindung ergibt die erste Generation des Dendrimers mit acht Vinylgruppen in der Peripherie. Wiederholte Hydrosilylierung und Grignardkupplung führen zu den folgenden Generationen. In 3 ist die dritte Generation mit 32 terminalen Vinylgruppen (Vi) schematisch dargestellt [Gra 1999]. + 4 HSiCl2Me
Si 4
[Pt]
4
Si
SiCl2Me
SiMeVi2
4
5
Si Si
+8
MgBr
SiMeVi2 SiMeVi2
Si
1) + HSiCl2Me
Si
Si Me
4
2)
6
Si
MgBr
SiMeVi2 3
12.3.2 Ausblick Enantioselektive Hydrosilylierungen Voraussetzung für enantioselektive Hydrosilylierungen terminaler Olefine ist eine Markovnikov-Addition. Dafür haben sich Palladiumkomplexe bewährt, die aus [{PdCl(Ș3-C3H5)}2] und chiralen Monophosphanliganden (X-MOP’s) 1 (Ar = Ph; X = H, MeO, OR, Ar, COOR, ...) gebildet werden. Es handelt sich dabei um atropisomere 1,1’-Dinaphthylliganden, die im Unterschied zum BINAP-Liganden aber nur ein P-Ligatoratom enthalten. Die Hydrosilylierung von Olefinen (R = Alkyl) mit HSiCl3 ist erstaunlich regio- (2a : 2b ca. 9 : 1) und enantioselektiv (ca. 95 % ee). Bei der Hydrosilylierung von Styrol werden hohe ee-Werte mit HMOP (1, X = H, Ar = 3,5-(CF3)2C6H3) erzielt [Hay 2000a, Hay 2000b].
250
Hydrocyanierungen, -silylierungen und -aminierungen von Olefinen
R
[{PdCl(K3-C3H5)}2] / (S)-MeO-MOP
+ HSiCl3
SiCl3
40 °C
* R
+
Cl3Si
R 2b
2a
X
1) EtOH / NEt3 2) H2O2 / KF / KHCO3
Ar2P
OH 1 ("X-MOP")
* R 3
Aus den chiralen Alkylchlorsilanen 2a erhält man mit EtOH Alkyltriethoxysilane, die dann mit H2O2 in Gegenwart von KF zu den chiralen Alkoholen 3 oxidiert werden.
Zur Aktivität. Im Unterschied zu den hohen Aktivitäten für die Komplexe mit X-MOPLiganden erwiesen sich Bis(phosphan)palladium-Komplexe als katalytisch nicht aktiv. Ursache dafür ist wahrscheinlich, dass sich die Katalyse der Hydrosilylierung an drei Koordinationsstellen vollzieht. Nur mit Monophosphanliganden L* können so stabile quadratisch-planare Palladium(II)-Komplexe [Pd(SiCl3)H(Ș2-H2C=CHR)L*] (4) ausgebildet werden. Zur Enantioselektivität. Aus den Edukten A bilden sich zunächst die diastereomeren Komplexe (Si)-4/(Re)-4, durch Insertion daraus die diastereomeren Alkylkomplexe (S)-5/(R)-5 und durch reduktive Si–C-Eliminierung schließlich die beiden Enantiomere (S)-2a/(R)-2a. Für Styrole ist nachgewiesen worden, dass die hohe Enantioselektivität weniger auf eine hohe enantiofaciale Differenzierung bei der Olefinkoordination zurückzuführen ist ((Re)-4 vs. (Si)-4), sondern mehr auf eine schnelle ȕ-H-Eliminierung der Alkylpalladiumintermediate ((S)-5 ĺ (Si)-4 sowie (R)-5 ĺ (Re)-4) gepaart mit einer sehr selektiven reduktiven Eliminierung ((S)-5 ĺ (S)-2a, aber nicht (R)-5 ĺ (R)-2a). Es steht also (R)-5 in einem mobilen Gleichgewicht mit (S)-5 und reagiert letztlich zu (S)-2a. (Si)-4 SiCl3 L*Pd H HSiCl3 + L*Pd + Ar A
(S)-2a
(S)-5
Ar
SiCl3 L*Pd H Ar (Re)-4
L*Pd
SiCl3 H Ar
Ar
L*Pd
SiCl3
SiCl3
SiCl3 H
Ar
Ar (R)-5
(R)-2a
Hydrosilylierungen
251
Für die Katalyse enantioselektiver Hydrosilylierungen von polaren Doppelbindungen (Ketone, Imine) zu optisch aktiven sekundären Alkoholen und Aminen haben sich Rhodiumkomplexe bewährt [Nis 1999, Ria 2004].
Hydrosilylierung von Alkinen Alkine lassen sich übergangsmetallkatalysiert zu Vinylsilanen hydrosilylieren. Bei terminalen Alkinen können drei verschiedene Reaktionsprodukte gebildet werden, die einer Anti-Markovnikov- (1) und einer Markovnikov-Addition (2) entsprechen. R
R
Kat.
+ H SiR´3
SiR´3
R
+
SiR´3 (E)-1
(Z)-1
R
+
R´3Si 2
Im Allgemeinen werden keine besonders hohen Regio- und Stereoselektivitäten erzielt. Mit Platinkatalysatoren ist vielfach die Bildung von Vinylsilanen mit terminaler Silylgruppe in trans-Anordnung zu R (E)-1 bevorzugt. Derartige Hydrosilylierungen (3 ĺ 4) lassen sich in einer intermolekularen Tandem-Reaktion mit palladiumkatalysierten Kreuzkupplungen kombinieren (4 ĺ 5), so dass z. B. in hoher Ausbeute und mit hohen Stereoselektivitäten 1,2-disubstituierte (E)-Alkene zugänglich werden (dvds = (H2C=CH)Me2Si–O–SiMe2(CH=CH2)) [Den 2003]. R
Me Me + H Si O SiH Me Me
Me Si Me
[Pt(dvds){P(t-Bu)3}] R
thf, R.T.
3
O 2
4
R'I / (NBu4)F
R'
R
[Pd(dba)2] thf, R.T.
5
ı-Komplexe von Silanen Ähnlich wie Diwasserstoff können Silane mit einer Si–H-Bindung (Hydrosilane) (1) mit Übergangsmetallen ı-Komplexe bilden (2). H
H [M]
[M] + H SiR3
[M]
SiR3
SiR3 3
2
1
H
M
H [M]
Si IIa
IIb
2a
SiR3
H [M]
SiR3
2b
Da Silane nur schwache ı-Donoren sind, ist für die Stabilität der Ș2-Si–H-Bindung an das Metall neben der ı-Hinbindung (IIa, Übertragung von Elektronendichte aus dem bindenden ı-Si–H-Orbital in ein freies Metallorbital von ı-Symmetrie; dargestellt ist das dz2-Valenzor-
252
Hydrocyanierungen, -silylierungen und -aminierungen von Olefinen
bital) die ʌ-Rückbindung (IIb, Übertragung von Elektronendichte aus einem besetzten dOrbital des Metalls in das ı*-Si–H-Orbital) von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen des VB-Modells wird jeder dieser Bindungsanteile durch eine mesomere Grenzformel 2a/2b1 wiedergegeben. Konzertierte oxidative Additionsreaktionen von Hydrosilanen 1 zu Hydrido(silyl)Komplexen 3 verlaufen über einen ı-Si–H-Komplex 2 als Zwischenstufe (1 ĺ 2). Wenn dieser stabil sein soll, muss das Ausmaß ʌ-Rückbindung gut ausbalanciert sein. Ist sie zu gering, dann ist die Komplexbildung zu schwach, ist sie zu hoch, dann erfolgt oxidative Addition (2 ĺ 3) [Kub 2005]. In Übereinstimmung mit dem Bindungsmodell für Ș2-Si–HKomplexe bedingt die ʌ-Rückbindung durch die Elektronenübertragung in das ı*-Si–HOrbital eine Schwächung der Si–H-Bindung. Das führt zu einer Bindungsverlängerung um 0,1–0,4 ǖ (1 vs. 2) [Lin 2002]. H
[M]
Si 1 (ca. 1,5)
H Si
2 (1,61,9)
H
H [M]
[M] Si
Si
3 (1,92,5)
4 (> 2,5)
(SiH-Abstand in Å)
In klassischen cis-Hydrido(silyl)-Komplexen 4 findet man Si···H-Abstände größer als 2,5 ǖ. Si···H-Abstände zwischen 1,9 und 2,5 ǖ (3) weisen auf (zunehmend schwächere) attraktive Si···H-Wechselwirkungen. Die Grenzen zwischen ı-Si–H- und Hydrido(silyl)-Komplexen sind fließend [Nik 2001a/b]. Abb. 12.6 zeigt als Beispiel die Molekülstruktur eines Ș2-Silankomplexes und die Energetik seiner oxidativen Addition zum Hydrido(silyl)-Komplex. 'G P P
ca. 20 kJ/mol
P
CO Mo H P [Mo]
SiR2H H SiR2H
5 (R = H, Ph)
[Mo]
H SiPh2H
5 (R = Ph)
[Mo]
H
[Mo]
H
SiH3
SiH3
5 (R = H)
5' (R = H)
Abbildung 12.6. Molekülstruktur von [Mo(Ș2-SiH2R2)(CO)(Et2PCH2CH2PEt2)2] (5, R = Ph; Si–H1 1,66(6), Si–H2 1,54(6) Å) und NMR-spektroskopisch ermitteltes Reaktionsprofil für das Gleichgewicht (60 °C in Toluol) zwischen dem Silankomplex 5 (R = H) und dem Hydrido(silyl)-Komplex 5’ (R = H). Die oxidative Addition ist fast thermoneutral (nach Vincent, Kubas, Lledós 2003).
1
Dabei ist zu beachten, dass 2b eine mesomere Grenzformel zur Bindungsbeschreibung von 2 ist und demzufolge nicht mit dem Hydrido(silyl)-Komplex 3 identifiziert werden darf.
Hydroaminierungen
253
12.4 Hydroaminierungen 12.4.1 Grundlagen Die Synthese von Alkylaminen durch direkte Hydroaminierung von Olefinen nach folgendem Schema a ist eine attraktive Alternative zum Zweistufenprozess b mit Alkoholen als Zwischenverbindung. Thermodynamisch sind Reaktionen a erlaubt, Additionen von NH3, EtNH2 und Et2NH an Ethen sind exergonisch ('G—o = –15 ... –33 kJ/mol). a H N
N
Kat. OH
H2O (H+)
H H N H2O
H b
Aufgabe 12.3 Begründen Sie, warum in Alkylaminen die Į-C–H-Bindungen vergleichsweise wenig stabil sind, nicht aber die N–H-Bindungen ('H—o für MeNH2: C–H 393, N–H 425 kJ/mol). Schätzen Sie aus den mittleren Bindungsdissoziationsenthalpien (C–C 348, C=C 612, C–H 412, C–N 305 kJ/mol) ab, welchen Verlauf eine radikalisch initiierte Addition von MeNH2 an Ethen nehmen wird.
Bislang konnte gezeigt werden, dass eine Katalyse der Hydroaminierung von Olefinen auf vielfältige Weise möglich ist. Obwohl in den letzten 10 Jahren bedeutende Fortschritte erreicht worden sind, gelang es noch nicht, für nichtaktivierte Olefine technisch brauchbare Katalysatoren zu entwickeln. Dazu bedarf es einer weiteren Klärung des Mechanismus der Katalyse und von Zusammenhängen zwischen Katalysatorstruktur und Wirkung [Mül 1998, Haa 1999, Nob 2001]. Der entscheidende Schritt in der Katalyse der Hydroaminierung von Olefinen ist die C–NBindungsknüpfung. Nach Aktivierung des Amins (durch Deprotonierung oder durch Bildung eines Metallamids [M]–NR2 via oxidative N–H-Addition bzw. Protolyse einer M–C-Bindung mit HNR2) und/oder Aktivierung des Olefins (durch Koordination oder durch Insertion in eine M–H-Bindung) sind für die Bildung von C–N-Bindungen folgende Reaktionen in Betracht zu ziehen: a) Addition von R2N– an ein Olefin: R2N
NR2
254
Hydrocyanierungen, -silylierungen und -aminierungen von Olefinen
b) Insertion eines Olefins in eine M–N-Bindung:
[M]
NR2
[M]
NR2
c) Reduktive C–N-Eliminierung: [M]
NR2
H [M] +
R2N
H
d) (Intermolekulare) Addition des Amins an ein koordiniertes Olefin: +
H NR2
[M]
NHR2 [M]
+
H+
[M]
NR2
Diese mechanistische Vielfalt macht es verständlich, dass es eine breite Palette von Katalysatorsystemen für die Hydroaminierung von Olefinen gibt, die von Alkalimetallamiden bis hin zu Lanthanoidkomplexen und Komplexen der späten Übergangsmetalle reicht.
12.4.2 Katalysatortypen Alkalimetallamide als Katalysatoren Bereits in den 50er Jahren sind Alkalimetalle M und Alkalimetallhydride MH als Präkatalysatoren eingesetzt worden. Sie setzen sich mit dem Amin HNR2 (R = Alkyl, Aryl, H) zu Alkalimetallamiden MNR2 um. NR2– wird nucleophil an das Olefin addiert (Reaktion a, S. 253), wobei ein Alkalimetallalkyl gebildet wird (1 ĺ 2). Protolyse der M–C-Bindung durch das Amin setzt das Produkt 3 unter Rückbildung von MNR2 frei. + MNR2
1
NR2
M
2
+ HNR2 MNR2
NR2
H
3
Die Addition an nichtaktivierte Olefine erfordert vergleichsweise drastische Reaktionsbedingungen (M = Na, K: 100–200 °C; bis zu 100 bar Druck), Lithiumamide reagieren unter etwas milderen Bedingungen. Darüber hinaus sind die Reaktionen nicht sehr selektiv [Sea 2002].
Platingruppenmetalle als Katalysatoren Als erstes Übergangsmetall-basiertes homogenes Katalysatorsystem für die Hydroaminierung eines nichtaktivieren Olefins (Ethen) mit sekundären Aminen ist Anfang der 70er Jahre RhCl3·3H2O (180–200 °C; 5–14 MPa) beschrieben worden. [RhCl(Ș2-C2H4)(HNC5H10)2] (1) ist für die Umsetzung von Ethen mit Piperidin zu N-Ethylpiperidin (4, NR2 = NC5H10) als
Hydroaminierungen
255
katalytisch aktive Spezies identifiziert worden. [IrCl(Ș2-C2H4)2(PEt3)2] (in Gegenwart von ZnCl2 als Cokatalysator) katalysiert die Hydroaminierung von Norbornen mit Anilin zu exo2-(N-Phenylamino)norbornan (9), wobei die 14-ve-Spezies [IrCl(PEt3)2] (5) der eigentliche Katalysator ist. I
[Rh ]
HNR2
5
PhNH2
NR2
[RhIII]
2
[IrIII]
3
H NHPh
4
H
H
[IrIII]
[IrIII]
NHPh
[IrI] + H HN Ph
NPh H
7
6
NR2
[RhI] + H
H
1
[IrI]
H NHR2
[RhI]
8
9
Beiden Reaktionen liegt ein anderer Mechanismus zugrunde: Bei der rhodiumkatalysierten Reaktion scheint die Knüpfung der C–N-Bindung durch intermolekulare Addition des Amins an das aktivierte Olefin gemäß Reaktion d (S. 254) zu erfolgen (1 ĺ 2; [RhI] = RhCl(HNC5H10)2). Der ȕ-Ammonioethylkomplex 2 kann durch H-Übertragung in einen (ȕ-Aminoethyl)hydridorhodium(III)-Komplex übergehen (2 ĺ 3), der dann das alkylierte Amin in einer reduktiven C–H-Eliminierung abspaltet (3 ĺ 4). Der iridiumkatalysierten Reaktion liegt eine oxidative N–H-Addition zugrunde (5 ĺ 6; [IrI] = IrCl(PEt3)2). Dann erfolgt gemäß Reaktion b (S. 254) Insertion des Olefins in die Ir–N-Bindung (6 ĺ 7 ĺ 8) und reduktive C–H-Eliminierung (unterstützt durch den Lewis-sauren Cokatalysator) (8 ĺ 9) [Mül 1998, Haa 1999]. Die intermolekulare Markovnikov-Hydroaminierung von Vinylaromaten mit Arylaminen wird durch Palladiumkatalysatoren [Pd(OTf)2(P P)] (1)/HOTf (P P = Xantphos, DPPF, ...) effektiv katalysiert [Joh 2006]. 1 P + ArNH2 R
P
OTf Pd
OTf
+ HOTf NHAr
25100 °C R
P P
PPh2 =
,
O Ph2P
PPh2 Xantphos
Fe PPh2 DPPF
Der Reaktionsmechanismus ist in Abbildung 12.7 gezeigt. Der Präkatalysator 1 wird durch das Arylamin zu einem Diphosphanpalladium(0)-Komplex reduziert (1 ĺ 2), an den Styrol koordiniert wird (2 ĺ 3). Protonierung ergibt einen Palladium(II)-Komplex mit einem Ș3-gebundenen Benzylliganden, der auch strukturell charakterisiert worden ist (3 ĺ 4). (Alternativ könnte HOTf an 2 oxidativ addiert und Styrol in die Pd–H-Bindung von [PdH(OTf)(P P)] insertiert werden.) Stereochemische Untersuchungen belegen, dass das Arylamin intermolekular das Benzylkohlenstoffatom angreift, wobei der Zyklus durch Abspaltung von PhCHMeNHAr/HOTf geschlossen wird (4 ĺ 5 ĺ 2). Dieser Reaktionsschritt ist der Tsuji-Trost-Reaktion (S. 231) analog. Mit chiralen Diphosphanliganden wie (R)-BINAP lassen sich asymmetrische Hydroaminierungen realisieren [She 2006].
256
Hydrocyanierungen, -silylierungen und -aminierungen von Olefinen
Abbildung 12.7. Zum Mechanismus der palladiumkatalysierten Hydroaminierung von Vinylaromaten mit Arylaminen.
Lanthanoidkomplexe als Katalysatoren Lanthanoidverbindungen, insbesondere Metallocenkomplexe vom Typ [LnR(Cp*)2] (1, Ln = La, Nd, Sm, Y, ...; Cp* = Ș5-C5Me5; R = H, Me, CH(SiMe3)2, N(SiMe3)2, ...), katalysieren unter Cyclisierung intramolekulare Hydroaminierungen von Aminoolefinen 2 (n = 1–3), wobei 5–7-gliedrige Azaheterocyclen 3 gebildet werden. In vielen Fällen werden Umsätze > 95 % erzielt.
R
R
R n
2
NH2
[LnR(Cp*)2] (1) (15 mol-%) Toluol, 2560 °C
H N R n
3
R
R
Der Mechanismus ist in Abbildung 12.8 dargestellt. Protolyse der Ln–C-Bindung mit dem Substrat liefert ein Lanthanoidamid als eigentlich katalytisch aktive Spezies (1 ĺ 2). Insertion der Doppelbindung in die Ln–N-Bindung (vgl. Reaktion b, S. 254), wahrscheinlich über
Hydroaminierungen
257
Abbildung 12.8. Vereinfachter Reaktionsmechanismus der lanthanoidkatalysierten cyclisierenden Hydroaminierung von Aminoolefinen am Beispiel der Reaktion von RHC=CH(CH2)3NH2. Am Lanthanoidzentrum sind weitere (hier nicht gezeichnete) Aminmoleküle koordiniert (nach Hong, Marks 2004).
einen cyclischen Übergangszustand, ergibt eine ȕ-Aminoalkylverbindung (2 ĺ TS ĺ 3). Der katalytische Zyklus wird – analog der Katalysatorbildungsreaktion (1 ĺ 2) – durch Protolyse der Ln–C-Bindung mit dem Substrat geschlossen (3 ĺ 2). Lanthanoidkatalysatoren sind auch in der Lage, intermolekulare Hydroaminierungen von Alkenen zu katalysieren, die aber um 2–3 Zehnerpotenzen langsamer verlaufen. Mit chiralen Lanthanoidpräkatalysatoren lassen sich asymmetrische Hydroaminierungen von Aminoolefinen realisieren [Hul 2005a–c]. Mit den zuvor beschriebenen Lanthanoidkatalysatoren können auch Aminoalkine 1 (n = 1–3) cyclisierend hydroaminiert werden. Als Produkte werden Enamine 2 erhalten, die mit R’ = H zu Iminen 3 tautomerisieren. R NR'H n
1
R' N
[Ln] R
N (R' = H)
n
2
R n
3
Neben den Lanthanoidkatalysatoren haben sich als weitere d0-Präkatalysatoren für intermolekulare Hydroaminierungen von Alkinen Titan- und Zirconiumkomplexe bewährt, insbesondere Amido- und Imidokomplexe [Haz 2005, Odo 2005].
13 Oxidation von Olefinen und Alkanen
13.1 Der Wacker-Prozess 13.1.1 Einführung Bereits 1894 hat F. C. Phillips gefunden, dass in wässriger Lösung Palladium(II)-chlorid Ethen zu Acetaldehyd oxidiert (a). Das zweiwertige Palladium wird dabei zu metallischem Palladium reduziert. Es handelt sich also um eine stöchiometrische Reaktion: Acetaldehyd und Palladium werden in äquimolaren Mengen gebildet. Erst zwischen 1956 und 1959 ist in der Wacker-Chemie (Consortium für elektrochemische Industrie, München [Smi 1962]) eine katalytische Reaktionsführung gelungen, in der die Reoxidation des in stöchiometrischen Mengen gebildeten metallischen Palladiums mit Kupfer(II)-salzen durchgeführt wurde (b). Das dabei gebildete CuI wird dann mit Sauerstoff zu CuII oxidiert (c). Somit liegt dem Wacker-Prozess formal die Oxidation von Ethen durch Sauerstoff zugrunde (d): Pd2+ + H2C=CH2 + H2O
Me C
O H
+ Pd0 + 2 H+
a
Pd0 + 2 Cu2+
Pd2+ + 2 Cu+
b
2 Cu+ + 1/2 O2 + 2 H+
2 Cu2+ + H2O
c
H2C=CH2 + 1/2 O2
Pd2+ / Cu 2+ (H2O)
Me C
O
d
H
Aus der summarischen Gleichung d darf aber nicht geschlossen werden, dass Quelle des Aldehydsauerstoffatoms der molekulare Sauerstoff O2 ist: Das Aldehydsauerstoffatom stammt aus dem Lösungsmittel (Wasser). Das wird besonders deutlich, wenn die zuvor formulierten Gleichungen als gekoppelte Reaktionszyklen dargestellt werden:
Die Ethenoxidation (Gl. d) ist stark exergonisch (ǻG—o = –197 kJ/mol). Beim Wacker-Prozess wird in saurer wässriger Lösung von Palladium- und Kupferchlorid bei 100–130 °C und einem Druck von 4–10 bar gearbeitet. Das Verfahren kann ein- oder zweistufig durchgeführt werden. In der einstufigen Variante finden die Acetaldehydbildung und die Reoxidation des
Der Wacker-Prozess
259
Katalysators mit Sauerstoff in einem Reaktor statt. In der zweistufigen Variante sind diese Verfahrensschritte getrennt und zur Reoxidation des Palladiums kann Luft verwendet werden. In beiden Varianten beträgt die Ausbeute an Acetaldehyd etwa 95 %. Als Nebenprodukte werden u. a. chlorierte Aldehyde gebildet, die teilweise hoch toxisch sind und eine aufwendige Abwasserreinigung erfordern. Technisch nur noch von sehr geringer Bedeutung ist die carbochemisch-basierte Synthese von Acetaldehyd ausgehend von CaO/C über Calciumcarbid und Acetylen. CaO
C Lichtbogen
CaC2
H2O
HC CH
H2O Kat.
MeCHO
Bis 1990 ist in den Bunawerken (Schkopau, Sachsen-Anhalt) auf dieser Basis in großem Umfang Acetaldehyd hergestellt worden. Eine geringe technische Bedeutung hat auch die heterogen katalysierte Oxidation von Alkohol mit Sauerstoff (oder Luft) in der Gasphase. Weltweit werden jährlich etwa eine Million Tonnen Acetaldehyd nach dem Wacker-Verfahren produziert. Allerdings hat die Bedeutung von Acetaldehyd als Grundstoff abgenommen, da für wichtige Folgeprodukte Alternativen bestehen. So wird Essigsäure kaum noch durch Oxidation von Acetaldehyd produziert, sondern durch Methanolcarbonylierung. Anstelle C4Aldehyde via Aldolreaktion aus Acetaldehyd herzustellen, kann in einfacher Weise Propen hydroformyliert werden.
13.1.2 Mechanismus der Ethenoxidation Das Kernstück des Wacker-Prozesses ist die Palladium(II)-vermittelte Oxidation von Ethen zu Acetaldehyd. Der Mechanismus ist noch nicht in allen Details geklärt. Ein möglicher Reaktionsablauf ist in Abbildung 13.1 gezeigt, wobei von einem Tetrachloropalladat(II)Komplex (1) ausgegangen wird, der in salzsaurer Lösung von PdCl2 hauptsächlich vorliegt. Im Einzelnen sind folgende Reaktionsschritte zu nennen. 1 ĺ 2: Ligandensubstitutionsreaktion. Substitution eines Chloroliganden durch Ethen ergibt einen Ș2-Ethenpalladat(II)-Komplex 2. Es handelt sich um das palladiumanaloge Anion des Zeise-Salzes. 2 ĺ 3: Ligandensubstitutionsreaktion. Substitution eines Chloroliganden durch Wasser führt zu einem neutralen Ș2-Ethenpalladium(II)-Komplex 3. Nunmehr gibt es zwei mögliche Reaktionswege: (a) 3 ĺ 4: Deprotonierung/Insertion/Ligandanlagerung. Deprotonierung führt zu einem cis-Ethen(hydroxo)-Komplex 3’, aus dem durch Insertion von Ethen in die Pd–OH-Bindung und nachfolgender Anlagerung von Wasser der (2-Hydroxyethyl)palladat(II)-Komplex 4 gebildet wird. (b) 3 ĺ 4: Intermolekulare Addition eines Nucleophils/heterolytische Fragmentierung. Intermolekulare Addition von Wasser an das koordinierte Ethen und nachfolgende Deprotonierung ergibt den (2-Hydroxyethyl)palladat(II)-Komplex 4. Bei der Rückreaktion handelt es sich um eine heterolytische Fragmentierung.
260
Oxidation von Olefinen und Alkanen
2
Cl
Cl Pd Cl
+ H2C CH2 , Cl
CH2
Cl
Pd CH2 Cl
Cl
Cl 1
a
b
3
CH2
Cl
Pd CH2 Cl OH 3'
+ H2O, H+
H
Cl 5
Pd H2O
CH2 6
OH2 3
+ H2O Cl Cl
Pd
CH2 CH2 OH OH2
Cl
Cl
H2O
4
Pd CH2 CH2 OH 5
Cl
CHOH
CH2 Pd CH2
Cl
2
H+
3
Cl
+ H2O, Cl
OH Pd CH H2O Me 7
Me C
O H
+ Pd0 + Cl+ H+ + H2O
8
Abbildung 13.1. Mechanismus des Wacker-Prozesses.
4 ĺ 5: Ligandabspaltung. Abspaltung von Cl– führt zum koordinativ ungesättigten (2Hydroxyethyl)palladium(II)-Komplex 5. 5 ĺ 6 ĺ 7: Isomerisierung. Zunächst erfolgt ȕ-H-Eliminierung zu einem Hydrido(Ș2vinylalkohol)-Komplex und nachfolgende Reinsertion des ʌ-gebundenen Vinylalkohols in die Pd–H-Bindung ergibt den (1-Hydroxyethyl)palladium-Komplex 7. 7 ĺ 8: Deprotonierung/Ligandabspaltung. Deprotonierung des 1-Hydroxyethylliganden und heterolytische Spaltung der Pd–C-Bindung führt zur Bildung von Acetaldehyd. Formal kann diese Reaktion auch als ȕ-Hydrideliminierung mit nachfolgendem Zerfall des dabei gebildeten Aldehyd(hydrido)palladium(II)-Komplexes [PdCl(H)(MeCHO)(H2O)] aufgefasst werden.
Aufgabe 13.1 Kinetische Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Ligandensubstitutionsreaktion 2 ĺ 3 komplexer Natur ist und zunächst der zum Ethenliganden trans-ständige Chloroligand durch Wasser substituiert wird. Warum ist diese Reaktion gegenüber einer direkten Substitution eines cis-ständigen Chloroliganden bevorzugt? Begründen Sie, warum Aquakomplexe wie 3 leicht deprotoniert werden können (3 ĺ 3’). Begründen Sie, warum der Aquadichloro(Ș2-ethen)palladium-Komplex 3 besser zur intermolekularen Addition von Wasser befähigt ist (3 ĺ 4) als die Ș2-Ethenpalladatkomplexe 2 oder 3’.
Der Wacker-Prozess
261
Der Reaktionsablauf 5 ĺ 8 steht in Übereinstimmung mit Experimenten in D2O, bei denen kein Deuterium in den gebildeten Acetaldehyd eingebaut wird. Damit ist ausgeschlossen, dass aus dem ʌ-Vinylalkoholkomplex 6 Vinylalkohol abgespalten wird, der nachfolgend zu Acetaldehyd tautomerisiert.
E
ca. 50 kJ/mol
6'
5'
8'
7' 7''
N N H O
N Pd N
C H2
H
N
Pd CH2
Pd
CHOH N
CH2
Pd N
N H
C Me H N
CH2 CH
N
OH
Me Me Me Me H
N
Pd N
N
O CHMe
Me
N Me
OH
Abbildung 13.2. Verlauf der potenziellen Energie für die Bildung von Acetaldehyd aus [Pd(CH2CH2N)]+ (QM/MM-Rechnungen in der Gasphase; adaptiert und gekürzt nach DeKock, OH-țC,țO)(N Ziegler 2005).
262
Oxidation von Olefinen und Alkanen
Quantenchemische Rechnungen an der kationischen Komplexmatrix [Pd(N N)]2+ (Abbildung 13.2)1 zeigen, dass alle Zwischenkomplexe 5’–8’ vergleichbare Energien haben. Es handelt sich dabei um einen 2-Hydroxyethylkomplex (5’), einen Hydrido(ʌ-vinylalkohol)palladium-Komplex (6’), zwei isomere 1-Hydroxyethylkomplexe (7’: țC-koordinierter Ligand mit einer zusätzlichen ȕ-agostischen C–H···Pd-Wechselwirkung; 7’’: țC,țO-koordinierter Ligand) und einem Aldehyd(hydrido)palladium-Komplex (8’). Die Aktivierungsbarrieren für die Insertion des Vinylalkohols in die Pd–H-Bindung (6’ 7’) und für die Isomerisierung der beiden 1-Hydroxyethylkomplexe (7’ 7’’) sind gering. Geschwindigkeitsbestimmend ist die ȕ-Hydrideliminierung aus der OH-Bindung (7’’ 8’). Der direkte Weg von 6’ nach 8’ – die Wanderung des OH-Wasserstoffatoms zum unsubstituierten Olefin-C-Atom in einer konzertierten Reaktion (Tautomerisierung eines Vinylalkoholkomplexes in einen Acetaldehydkomplex) – hat aber eine fast doppelt so hohe Aktivierungsbarriere und scheidet damit als möglicher Reaktionsweg aus. Der entscheidende Reaktionsschritt im Wacker-Prozess ist die Knüpfung der C–O-Bindung, die entweder intramolekular im Sinne einer Insertion (Abb. 13.1, a) oder intermolekular im Sinne einer Addition eines Nucleophils an koordiniertes Ethen (b) abläuft. Obwohl es prinzipiell möglich ist, zwischen beiden Reaktionen zu unterscheiden, konnte bislang nicht sicher geklärt werden, ob die Insertion von Ethen in die Pd–OH-Bindung der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist (3’ ĺ 4) oder ob die Abspaltung von Chlorid aus dem (2-Hydroxyethyl)palladium-Komplex (4 ĺ 5) geschwindigkeitsbestimmend ist, der ein sich schnell 4 vorgelagert ist [Nel 2001]. Anscheinend hängt es ausgeeinstellendes Gleichgewicht 3 prägt von den Reaktionsbedingungen und Konzentrationsverhältnissen ab, welche Reaktion abläuft. Bei sehr hohen Konzentrationen von Chloridionen2 wird mit dem Wacker-Katalysator 2Chlorethanol (Ethylenchlorhydrin) bzw. Ethylenoxid als Reaktionsprodukt gemäß folgendem Schema gebildet: H2C CH2
+ H2O, H+ II
+ [Pd ]
[PdII] CH2 CH2 OH
+ Cl [Pd0]
SN 2
Cl CH2 CH2 OH
HCl
O H2C CH2
SN2 (intramolekular)
Die Stereochemie der Bildung von 2-Chlorethanol (SN2-Reaktion mit Inversion der Konfiguration) und von Ethylenoxid (intramolekulare SN2-Reaktion mit Inversion der Konfiguration) ist bekannt. Da es sich beim ersten Reaktionsschritt entweder um eine intramolekulare synAddition oder um eine intermolekulare anti-Addition handelt, kann bei Verwendung eines geeigneten Eduktes auf die Stereochemie geschlossen werden. Unter Verwendung von (E)1,2-Dideuteroethen (1) ist als Reaktionsprodukt threo-1,2-Dideutero-2-chlorethanol (2) bzw. cis-1,2-Dideuteroethylenoxid (3) erhalten worden [Bäc 1979]. 1
Es handelt sich um Brookhart’s Katalysator [PdMe(H2C=CH2)(N N)]+ zur Ethenpolymerisation, der sich in Wasser in Gegenwart von Ethen wahrscheinlich in einer Wacker-analogen Reaktion unter Bildung von Palladium und Acetaldehyd zersetzt. Komplex 5’ würde dann nach protolytischer Abspaltung des Methylliganden in Reaktionen analog zu 3 ĺ 4 ĺ 5 in Abb. 13.1 gebildet werden. 2 Schon bei Konzentration von c(Cl–) > 2,5 mol/l (z. B. als LiCl zugesetzt) und c(CuCl2) > 3 mol/l wird die Bildung von 2-Chlorethanol eine bedeutsame Nebenreaktion.
Der Wacker-Prozess
H D
263
D
+ H2O, H+
HO
D
H
[PdII]
H
[PdII]
D
H
+ Cl
HO
Cl
HD
H D
1
HCl
O
H
H
D
D
2 (threo)
3
Der Reaktionsablauf für eine intermolekulare anti-Addition (a) und eine intramolekulare synAddition (cis-Insertion) (b) ist nachfolgend gegenübergestellt. 1 D H
H OH2
[Pd]
[Pd]
H+
D H
D OH
D
H
+ Cl [Pd]
D HO
OH
HO
D H
D H
D
HD
O
H
H
D
H
a
D
threo
D
[Pd]
HCl
Cl H
erythro [Pd]
D
H
HO
H
Cl H
threo
HCl
D
H D
O
D
b
H
erythro
Die Bildung von threo-1,2-Dideutero-2-chlorethanol bzw. cis-1,2-Dideuteroethylenoxid belegt eine intermolekulare trans-Addition von Wasser an den Ethenpalladiumkomplex. Daraus darf aber – wegen der anderen Reaktionsbedingungen und insbesondere wegen der hohen Cl– -Konzentration – nicht auf den Mechanismus der Wacker-Reaktion unter technischen Bedingungen geschlossen werden. Untersuchungen zur Kinetik der Acetaldehydbildung an Systemen mit einer niedrigen Cl–-Konzentration unter Bedingungen, die dem technischen Prozess nahe sind, legen eine cis-Insertion von Ethen in die Pd–OH-Bindung nahe [Nel 2001]. Ein unterschiedlicher Reaktionsmechanismus bei hohen und niedrigen Cl–-Konzentrationen ist auch bei palladiumkatalysierten Additionsreaktionen von MeO– an chirale Allylalkohole 1 gefunden worden. Bei niedrigen Konzentrationen an Cl– wird der Allylalkohol zur entsprechenden Carbonylverbindung (1 ĺ 2 ĺ 3) oxidiert. Dieser Reaktionsablauf entspricht der Wacker-Reaktion, vgl. mit den Reaktionen 5 ĺ ... ĺ 8 in Abb. 13.1. Bei hohen Konzentrationen an Cl– tritt eine (nicht-oxidative) Doppelbindungsverschiebung ein (1 ĺ 2 ĺ 4). 1
In Verbindungen mit zwei benachbarten asymmetrischen C-Atomen der allgemeinen Konstitution C(Xab)–C(Yab) werden Stereoisomere als „erythro-Form“ bezeichnet, wenn in der Newman-Projektion die Substituenten a und b gleichzeitig paarweise (a ļ a; b ļ b) zur Deckung gebracht werden können. In der Fischer-Projektion liegen dann gleichartige Substituenten auf der gleichen Seite. Ist das nicht der Fall, spricht man von der „threo-Form“. Die Bezeichnung hat ihren Ursprung in der Kohlenhydratchemie der beiden Tetrosen Erythrose und Threose. X b C a b C a Y
a b
erythro
X
Y
X b a
b C a a C b
b b
Y threo
X
Y
a a
CHO H C OH HO H C OH H CH2OH
CHO H OH CH2OH
D-Erythrose (2R,3R)
CHO H C OH H HO C H H CH2OH
CHO OH OH CH2OH
L-Threose (2R,3S)
264
Oxidation von Olefinen und Alkanen
cCl = 0,1 M [Pd0], H+ Me H Me HO C * C C H H 1
[PdCl4]2 MeOH
Me H Me * HO C H * H C C II [Pd ] OMe 2
Me
O C
Me H C *C H2 OMe 3
[PdII], OH cCl > 2 M
H Me *C OMe C C H H
Me
4
Die Doppelbindung des chiralen Allylalkohols 1 ist prochiral und folglich wird in der ı-Organopalladium(II)-Zwischenstufe 2 ein weiteres Stereozentrum generiert, dessen Konfiguration auf den Reaktionsablauf (syn- versus anti-Addition) schließen lässt. Die Stereochemie der erhaltenen Produkte belegt (vgl. Aufgabe 13.2), dass die Reaktion zum „Wacker-Produkt“ 1 ĺ 2 ĺ 3 im Sinne einer Insertion der allylischen Doppelbindung in die Pd–OMe-Bindung ablauft (syn-Addition), während bei hohen Chloridkonzentrationen 1 ĺ 2 ĺ 4 eine intermolekulare anti-Addition stattfindet. Eine analoge Aussage ist für die Addition von OH– und Ph– (anstelle MeO–) erhalten worden [Ham 1999]. Die Ursache für den Wechsel des Mechanismus (syn versus anti) als auch der Reaktionsprodukte (Wacker-Produkt versus Doppelbindungsisomerisierung) liegt wahrscheinlich in Folgendem begründet [Ham 1999]: Nur bei niedrigen Chloridkonzentrationen können sich Hydroxo- und Aqua(olefin)palladium(II)-Komplexe ausbilden. Das ist Voraussetzung dafür, dass zum einen die WackerReaktion via cis-Insertion (3’ ĺ 4 in Abb. 13.1) als auch die zu den Wacker-Produkten führende ȕ-H-Eliminierung (5 ĺ 6 in Abb. 13.1) hinreichend schnell ablaufen kann. Bei hohen Chloridkonzentrationen liegen Trichloro(olefin)palladat(II)-Komplexe vor. Das führt dazu, dass eine intermolekulare anti-Addition erfolgt. Da der gebildete [Pd(CH2CH2OH)Cl3]2–-Komplex keinen leicht abspaltbaren Aqualiganden enthält, ist er relativ stabil gegenüber einer ȕ-H-Eliminierung (5 ĺ 6 in Abb. 13.1), die den Reaktionskanal zu den Wacker-Produkten öffnet. Anstelle dessen gewinnt in Gegenwart von Kupfer(II)chlorid die Chlorhydrinbildung zunehmend an Bedeutung und in Abwesenheit desselben im Falle der Allylalkohole eine heterolytische Fragmentierung, die zur Doppelbindungsisomerisierung (2 ĺ 4) führt.
Aufgabe 13.2 HO Me Ausgehend von (R)-1 wird bei der Reaktion zu 3 bzw. 4 zunächst ein OlefinpalladiH C um(II)-Komplex 1’ gebildet. Schreiben Sie die vier Reaktionsprodukte auf, die aus 1’ R H bei einer syn- und anti-Addition von MeOH bei niedrigen (cCl– = 0.1 M) und bei ho- [PdII] C hen (cCl– > 2 M) Chloridionenkonzentrationen gebildet werden. C 1'
H
Me
Der Wacker-Prozess
265
13.1.3 Oxypalladierungen von Olefinen Durch den Wacker-Prozess initiiert sind weitere palladiumkatalysierte oxidative Funktionalisierungen von Olefinen entwickelt worden. Liegt ihnen ein O-Nucleophil zugrunde, heißen sie Oxypalladierungen [Hos 1990]. Der prinzipielle Reaktionsablauf entspricht der WackerReaktion und ist nachfolgend schematisch dargestellt. Olefinkoordination
CO-Bindungsknüpfung
E-H-Eliminierung
H [PdII]
XOH
[PdII] H
H+
OX "
Pd0 + H+ + "
H
2
1
OX
[PdII]
4
3
O2 (CuCl/CuCl2) Reoxidation von Pd
Er umfasst die Olefinaktivierung durch Komplexbildung an PdII (1 ĺ 2), die syn- oder antiAddition des Nucleophils XOH, das dabei deprotoniert wird (2 ĺ 3) sowie eine ȕ-H-Eliminierung, die unter Bildung von Pd0 zur Abspaltung der Produkte führt (3 ĺ 4). Schließlich wird Pd0 durch Sauerstoff kupferkatalysiert zu PdII oxidiert (4 ĺ 1).
XOH = H2O Mit Ethen als Substrat liegt die prototypische Wacker-Reaktion vor. Bei hohen Chlorid- und CuCl2-Konzentrationen kann gezielt 2-Chlorethanol hergestellt werden. Im Vergleich mit Ethen verläuft die Wacker-Reaktion mit terminalen Olefinen deutlich langsamer und führt im Allgemeinen zu Methylketonen. Innere Olefine reagieren noch langsamer, so dass chemoselektive Oxidationen von Diolefinen zu Methylketonen unter Erhalt der inneren Doppelbindung möglich sind [Tak 2003].
XOH = ROH Ungesättigte Alkohole 1 unterliegen einer intramolekularen oxidativen Cyclisierung, die – bedingt durch die Bevorzugung von H vor H’ bei der ȕ-H-Eliminierungsreaktion im Zwischenkomplex 2 – zu Allylethern 3 führt. Das wird zur Synthese von allylsubstituierten Tetrahydrofuranen und -pyranen genutzt. H
H'
+ [PdII] OH 1
H+
H' O 2
[PdII] H
Pd0, H+
H' O 3
Die Regioselektivität ist in gewissem Umfang vom anionischen Ligand am Palladium abhängig. Mit PdCl2 scheinen bevorzugt sechs- und mit Pd(OAc)2 fünfgliedrige Ringe gebildet zu werden.
266
Oxidation von Olefinen und Alkanen
XOH = AcOH Die palladiumkatalysierte Addition von Essigsäure an Ethen ergibt Vinylacetat. Da bei der Reaktion Wassser entsteht, wird ein Teil des Vinylacetats zu Acetaldehyd und Essigsäure hydrolysiert. Dieser Prozess wurde auch technisch betrieben, kann aber mit einer heterogen katalysierten (Palladium und Alkalimetallsalze auf oxidischen Trägern) Gasphasenreaktion nicht konkurrieren: H2C=CH2 + MeCOOH + 1/2 O2
Kat. 140 °C, 0,51,2 MPa
Me C
O OCH=CH2
+ H2 O
Die Reaktion von Butadien mit Essigsäure führt zu 1,4-Diacetoxy-but-2-en (1), das nachfolgend mit Wasserstoff und Wasser zu 1,4-Butandiol (2) umgesetzt wird. Dieses Verfahren wird technisch betrieben (mit einem heterogenen Pd/C-Katalysator) und ist eine Alternative zur acetylenbasierten Synthese von Butindiol (HCŁCH + 2 HCHO ĺ HOCH2CŁCCH2OH) und dessen Hydrierung zu 2. OAc
HOAc/O2
1) H2
(PdCl2/CuCl2) AcO
OH
HO
2) H2O 1
2
Enantioselektive Oxypalladierungen Wenn die Oxidation von Ethen mit [PdCl3(py)]– (anstelle mit [PdCl4]2–) durchgeführt wird, dann erhält man bereits bei niedrigen Chloridionenkonzentrationen 2-Chlorethanol (Ethylenchlorhydin). Das eröffnet die Möglichkeit zur enantioselektiven Synthese von Chlorhydrinen 1/1’ aus terminalen Olefinen, wenn Palladiumkomplexe mit chiralen Liganden als Präkatalysatoren eingesetzt werden. Das können neutrale mononukleare Komplexe 2 mit chiralen Diphosphanliganden sein. Aus Löslichkeitsgründen fanden dabei u. a. sulfonierte BINAPLiganden (3, Ar = C6H4-m-SO3Na, Ph) Verwendung. Höhere ee-Werte, teilweise > 90 %, sind mit kationischen binuklearen Palladiumkomplexen 4 (s = Solvens; R, R’ = Me, Ph, CF3) erzielt worden, die chirale μ-L * L-Liganden wie BINAP, DIOP oder DACH enthalten [ElQ 2002, Tie 2004]. OH
[Pd]/CuCl2/LiCl R
Cl
H2O/thf
*
Cl +
R
HO
1
* [PdCl2(P P)]
P
*
P
*
3
R
1'
L
PAr2 PAr2
O
* sL s Pd Pd O
R 2
*
(BF4)2
O R'
4
Epoxidierungen von Olefinen
267
Palladiumoxidasekatalyse Bei den beschriebenen Reaktionen handelt es sich – wie bei der Wacker-Reaktion selbst – um PdII-katalysierte aerobe Oxidationen. Die Katalyse zerfällt in zwei Teilreaktionen, der Oxidation des Substrates durch PdII und der kupferkatalysierten Reoxidation von Pd0 durch Disauerstoff. Damit liegt ein Reaktionsprinzip vor, wie es bei Oxidasen anzutreffen ist. Oxidasen sind Metalloenzyme, die aerobe Oxidationen katalysieren, wobei Disauerstoff als Zweielektronen-Zweiprotonenacceptor fungiert, ohne dass ein Sauerstoffatomtransfer zum Substrat stattfindet:1 Die Oxidase entzieht dem Substrat Elektronen (1 ĺ 2; SuH2 = reduziertes Substrat), die bei der Rückoxidation des Enzyms auf O2 übertragen werden, wobei H2O oder H2O2 gebildet wird (2 ĺ 1). Oxidasen können Metalle wie Kupfer, Eisen und/oder Molybdän enthalten. Su + 2 H+
SuH2
Oxidase (red)
Oxidase (ox) 1
H2O
2
1/2 O2 + 2 H+
H2O2
+
O2 + 2 H
Damit die beschriebenen palladiumkatalysierten Reaktionen im Sinne einer „Palladiumoxidasekatalyse“ ablaufen, müsste die Reoxidation von Pd0 nicht kupferkatalysiert, sondern direkt durch Disauerstoff erfolgen. Das ist prinzipiell möglich, wie die Bildung von Ș2-Peroxopalladium(II)-Komplexen durch Umsetzung von Pd0-Komplexen mit O2 belegt (3 ĺ 4). Es sind aber auch Mechanismen denkbar, bei denen überhaupt keine Pd0-Zwischenstufen durchlaufen werden, sondern die O2-Aktivierung durch Insertion in eine Pd–H-Bindung erfolgt (5 ĺ 6) [Sta 2004, Gli 2006]. [Pd0] 3
O2
[PdII]
O O
4
[PdII] H 5
O2
[PdII] OOH 6
13.2 Epoxidierungen von Olefinen 13.2.1 Einführung Die bevorzugten Reaktionen von Disauerstoff mit Kohlenwasserstoffen sind radikalische Oxidationsreaktionen, die – sofern keine besonderen Vorkehrungen getroffen werden – zur vollständigen Verbrennung zu CO2 und H2O führen. Diese Reaktionen sind stark exergonisch, aber mit einer relativ hohen Aktivierungsbarriere behaftet. Wesentliche Ursache dafür ist die Triplettstruktur von O2 im Grundzustand (3O2), so dass zur Reaktion mit SingulettMolekülen eine Spinumkehr erfolgen muss, die bei nicht zu hohen Temperaturen eine geringe 1 Oxidase-Enzyme bewirken also eine Oxidation eines Substrates, ohne dass dabei ein Sauerstoffatom von O2 übertragen wird. Das ist ein bedeutender Unterschied zu Oxygenasen, bei denen entweder genau ein oder beide Sauerstoffatome von O2 (Mono- bzw. Dioxygenasen) auf das Substrat übertragen werden.
268
Oxidation von Olefinen und Alkanen
Wahrscheinlichkeit aufweist („Spinerhaltungssatz“). Das erschwert zwar selektive Oxidationen von organischen Verbindungen mit molekularem Sauerstoff, gewährleistet aber ihre Stabilität in Gegenwart von O2 und ermöglicht damit die Lebensformen, wie wir sie auf der Erde vorfinden. Die Oxidation von Olefinen mit Disauerstoff zu Epoxiden ist exergonisch, aber deren vollständige Verbrennung zu CO2 und H2O ebenfalls, wie in der folgenden Reaktionssequenz für Ethen gezeigt ist: = 80 kJ/mol
'G
'G O
+ 1/2 O2
= 1251 kJ/mol + 5/2 O2
2 CO2 + 2 H2O
Die Addition von einem Sauerstoffatom („Oxen“) an ein Olefin zu einem Epoxid (3) ist formal der eines Carbens und Nitrens zu einem Cyclopropan (1) bzw. Aziridin (2) analog. +
R
R R
R N
R + R N
C 1
+
O
O
3
2
Oxo- (a) und Peroxometallkomplexe (b/b’, R = H, Alkyl, ...) können Sauerstoff auf Olefine übertragen. Reaktionen a können konzertiert ablaufen, so dass sich die beiden C–O-Bindungen gleichzeitig ausbilden (a1). Das erfordert eine hohe Elektrophilie des Oxosauerstoffatoms, die durch eine hohe Oxidationsstufe des Metalls – gegebenenfalls unterstützt durch eine positive Komplexladung – erreicht werden kann. Treten bei der Reaktion radikalische Zwischenstufen auf (a2), werden die beiden C–O-Bindungen nacheinander ausgebildet. Peroxokomplexe in Reaktionen b/b’ reagieren wie „Oxenoide“.1 [M] +
[M] O + R O O R [M] [M] O O [M]
O O
+
O
[M]
[M] O
O
a1 +
a2
[M] O R + [M] O
a
;
+
O
O
b
b'
Während die Oxidationsstufe von M bei Epoxidierungen mit Peroxometallkomplexen (b/b’) unverändert bleibt, wird sie bei Epoxidierungen mit Oxometallkomplexen (a) um zwei Einheiten erniedrigt. Somit können nach a nur solche Metallkomplexe katalytisch aktiv sein, bei denen ein leichter Wechsel der Oxidationsstufe um zwei Einheiten möglich ist. Die Übertragung eines Sauerstoffatoms von einem Sauerstoffdonor X’O auf einen Sauerstoffakzeptor X verläuft gemäß Gleichung a. Mit H2O2 als Referenzdonor ist die freie Reaktionsenthalpie 'RG von Gleichung b ein Maß für das thermodynamische Sauerstofftransferpotenzial für das Paar XO/X (thermodynamic oxygen-transfer potential, TOP).
1
In Analogie zu Carbenoiden [M]–CR2X, die wie ein Carben reagieren, sind „Oxenoide“ Metallkomplexe [M]–O–X (X = Abgangsgruppe), die ein Oxen übertragen können ([M]–O–X ĺ [M]–X + „O“). Eine typische Eigenschaft von Oxenoiden ist der elektrophile Charakter des Sauerstoffatoms.
Epoxidierungen von Olefinen
269 a
XO + X'
X + X'O
X + H2 O 2
XO + H2O
b
In Tabelle 13.1 sind quantenchemisch berechnete Werte von 'RG für einige Sauerstoffatomdonoren XO bzw. -akzeptoren X zusammengestellt. Reaktionen a verlaufen (aus thermodynami- scher Sicht, eine eventuelle kinetische Hemmung der Reaktion bleibt unberücksichtigt!) freiwillig, wenn gilt 'RG(XO/X) < 'RG(X’O/X’). Der Pfeil in Tabelle 13.1 zeigt also die Richtung des Sauerstofftransfers an (die Paare XO/X sind nach den Werten 'RG in der Gasphase geordnet): Das in der Tabelle weiter oben stehende Paar wird reduziert (X’O ĺ X’ + O) und das weiter unten stehende Paar oxidiert (X + O ĺ XO).
Tabelle 13.1. Quantenchemisch nach der DFT-Methode berechnete thermodynamische Sauerstofftransferpotenziale (TOP) für die gekoppelten Paare XO/O in der Gasphase und in wässriger Lösung ('RG in kJ/mol bei 298 K) (nach Deubel 2004a).
XO
X
'RG (Gasphase)
'RG (Wasser)
Me2COOa)
Me2CO
42
49
[ReO(O2)2Me]
[ReO2(O2)Me]
21
PhIO
PhI
18
–8
[ReO(O2)2Me(H2O)]
[ReO2(O2)Me(H2O)]
5
8
H2O2
H2O
0
0
MeC(O)OOH
MeC(O)OH
–8
–3
MeOOH
MeOH
–28
–26
HSO5–
HSO4–
–30
–10
[MoO(O2)2(OPH3)]
[MoO2(O2)(OPH3)]
–44
–47
[MoO2(O2)(OPH3)]
[MoO3(OPH3)]
–53
–49
Me3NO
Me3N
–72
–100
–
–
ClO4
ClO3
–99
–73
C5H5NOb)
C5H5N (py)
–114
–116
[OsO3(OCH2CH2O)]c)
[OsO2(OCH2CH2O)]
–149
–144
Me2SO (DMSO)
Me2S
–184
–198
C2H4Od)
H2C=CH2
–192
–205
MeOH
CH4
–224
–249
Me2SO2
Me2SO (DMSO)
–273
–284
Me3PO
Me3P
–382
–407
O
O O a)
Me
Me
b)
N O
c)
O
O Os
O O
d)
O
270
Oxidation von Olefinen und Alkanen
13.2.2 Epoxidierung von Ethen und Propen O2 als Sauerstofftransferagens Bislang ist die katalytische Oxidation von Olefinen mit Disauerstoff zu Epoxiden im industriellen Maßstab nur für Ethen realisiert: Dabei wird in einer heterogen katalysierten Reaktion Ethen zu Ethylenoxid an einem Silberkontakt (Ag auf Al2O3) bei 200–300 °C (1–3 bar) mit Luft oder Sauerstoff oxidiert, wobei eine Selektivität von 80–90 % erreicht wird. Auf diesem Wege werden weltweit ca. 1,5·106 t/a (2000) Ethylenoxid produziert.
ROOH als Sauerstofftransferagens Für die technische Synthese von Propylenoxid steht neben dem Chlorhydrinverfahren (Propen ĺ Propylenchlorhydrin ĺ Propylenoxid) die katalytische Oxidation von Propen mit Hydroperoxiden (1/2 ĺ 3/4) zur Verfügung, die ihrerseits durch Sauerstoffoxidation von Kohlenwasserstoffen (5 ĺ 2) erhalten werden. Damit ist die Produktion von Propylenoxid an eine Coproduktion von Alkoholen (4) gekoppelt (Halcon-ARCO-Prozess). + 1
ROOH 2
Kat.
O 3
+
ROH 4
RH + O2 5
Als organische Hydroperoxide haben sich in der Technik tert-Butylhydroperoxid (2a, R = tBu) und 1-Phenylethylhydroperoxid (2b, R = CH(Ph)Me) durchgesetzt. 2a wird aus Isobutan und Sauerstoff (120–140 °C, 25–35 bar) erhalten. Das gebildete tert-Butanol 4a wird zu Isobuten dehydratisiert und mit Methanol zu Methyl-tert-butylether (MTBE) umgesetzt, der als Additiv für Kraftstoffe Verwendung findet. 2b wird aus Ethylbenzol und Luft erhalten (130–145 °C, 2 bar); das im Prozess erzeugte 1-Hydroxyethylbenzol 4b wird zu Styrol dehydratisiert. Obwohl beide Alkohole nutzbringend weiterverarbeitet werden, ist in ihrer Coproduktion (theoretisches Massenverhältnis C3H6O : MTBE ca. 1 : 1,5 und C3H6O : Styrol ca. 1 : 1,8; verfahrensbedingt fällt etwa die 3-fache Menge an MTBE bzw. 2,5-fache Menge an Styrol an) ein Verfahrensnachteil zu sehen, da die zwangsweise mitproduzierten Mengen an MTBE bzw. Styrol nicht notwendigerweise dem Marktbedarf entsprechen und darüber hinaus auch entsprechende Anforderungen bezüglich der Infra- und Vertriebsstruktur an den Hersteller von Propylenoxid stellt. Die Reaktion von Propen mit t-BuOOH wird in Toluol (100–120 °C, 40 bar) und die mit PhCH(OOH)Me ohne Lösungsmittel (100 °C, 35 bar) durchgeführt. Als Präkatalysatoren werden Molybdänsalze wie Molybdännaphthenate eingesetzt. Unter den Reaktionsbedingungen erfolgt Oxidation zu Peroxo- bzw. Hydrogenperoxokomplexen des sechswertigen Molybdäns, die die eigentlich katalytisch aktiven Verbindungen darstellen. Alternativ zu diesen homogenen katalytischen Systemen (ARCO) wird für den Ethylbenzol-basierten Prozess auch ein heterogener Titankatalysator (TiIV auf SiO2) verwendet (Shell).
Epoxidierungen von Olefinen
271
Weltweit werden ca. 5·106 t Propylenoxid pro Jahr hergestellt, davon ca. die Hälfte nach dem Chlorhydrinverfahren und je 1/4 durch Oxidation mit Hydroperoxiden gekoppelt an die Produktion von MTBE bzw. Styrol. Propylenoxid wird hauptsächlich (ca. 2/3) zur Synthese von Polyethern mit terminalen Hydroxygruppen umgesetzt, die zu Polyurethanen weiterverarbeitet werden. Die Hydrolyse von Propylenoxid ergibt Propan-1,2-diol, das als Ausgangsstoff für die Synthese von Polyesterharzen sowie in der Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie Verwendung findet.
Mechanismus Um einen Einblick in den Mechanismus des molybdänkatalysierten Sauerstofftransfers von Hydroperoxiden auf Olefine zu erlangen, sind Modellkomplexe herangezogen worden. Aus stöchiometrischen Umsetzungen von Olefinen mit Peroxomolybdän(VI)-Komplexen [MoO(O2)2L] (1, L = hmpa, ...) sind zwei sich einander widersprechende Vorschläge für den Mechanismus abgeleitet worden [Mim 1982]: O [Mo] O
[Mo]
[Mo]
3
2
O + O
O O
[Mo] O +
1 [Mo]
O O 2'
[Mo]
OG
O
4
G
O
3'
[Mo] = MoVIO(O2)L
Schrittweiser Mechanismus (Mimoun, 1970). Nach Komplexbildung des Olefins (1 ĺ 2) erfolgt eine Insertion in eine Mo–O-Bindung ([2 + 2]-Cycloaddition; 2 ĺ 3). Aus dem Dioxamolybdacyclopentan-Komplex wird das Epoxid durch Cycloreversion abgespalten (3 ĺ 4). Konzertierter Mechanismus (Sharpless, 1972). Nucleophiler Angriff des Olefins an einem der beiden Peroxosauerstoffatome (1 ĺ 2’) ergibt über einen Übergangszustand 3’ (ursprünglich mit gebrochener O–O-Bindung formuliert) das Epoxid (2’ ĺ 3’ ĺ 4). DFT-Rechnungen haben den Sharpless-Mechanismus bestätigt (Abbildung 13.3). Ausgehend von [MoO(O2)2L] (1; L = OPH3) und H2C=CH2 wird in einer exothermen Reaktion direkt [MoO2(O2)L] und C2H4O erhalten (1 ĺ 3’(TS) ĺ 4). In der Gasphase ist die Addition von Ethen an 1 schwach endotherm (1 ĺ 2). Sie ist nur mit einer geringen Aktivierungsbarriere verbunden, so dass von einem Gleichgewicht zwischen 1 + H2C=CH2 und 2 auszugehen ist. Es ist aber kein Weg von 2 nach 3 gefunden worden, wohl aber direkt von 1 + H2C=CH2 nach 3. Die Aktivierungsbarriere ist aber deutlich höher als die für die Reaktion von 1 nach 2 und die Aktivierungsbarriere der konzertierten Reaktion direkt von 1 nach 4. Weiterhin ist gezeigt worden, dass die Cycloreversion von 3 nicht das Epoxid liefern würde, sondern das „falsche“ Produkt, nämlich Acetaldehyd.
272
Oxidation von Olefinen und Alkanen
TS 3'
'E
O [Mo] O 1 +
O [Mo] O 2
[Mo]
ca. 100 kJ/mol
O O 3
[Mo] O O + 4
[Mo]
MoO(O2)L
[Mo] O +
O 5
Abbildung 13.3. Zum Sauerstofftransfer von [MoO(O2)2L] (1, L = OPH3) auf Ethen: schrittweiser versus konzertierter Mechanismus. Es ist jeweils nur der energiegünstigste Reaktionsweg dargestellt (nach Deubel, Frenking 2000).
Die entscheidende Orbitalwechselwirkung im Übergangszustand TS 3’ ist eine Elektronenübertragung aus dem ʌ-C=C-Orbital des Olefins (Nucleophil) in das antibindende ı*-O–OOrbital vom Peroxoliganden (Elektrophil) (I). In Übereinstimmung damit führt eine höhere Elektrophilie des Peroxoliganden zu einer höheren Reaktivität. Dementsprechend wird der Peroxoligand durch Protonierung aktiviert (6/6’), die intra- (durch H-Übertragung von einem benachbarten Aqualiganden) oder intermolekular erfolgen kann. Der Hydrogenperoxokomplex 6/6’ wird am Į-O-Atom vom Olefin angegriffen. C C
O
Mo O
LUMO
HOMO Olefin
O22
I
O [Mo] O O H H
D
O E [Mo] O H OH 6
[Mo]
O O
H+
D
[Mo]
O O
E
+
H
6'
Bei der molybdänkatalysierten Synthese von Propylenoxid aus Propen und Alkylhydroperoxiden als Sauerstoffüberträger ist von einem analogen Mechanismus auszugehen: Die Epoxidbildung erfolgt durch nucleophilen Angriff von Propen an einen Alkylperoxokomplex des
Epoxidierungen von Olefinen
273
sechswertigen Molybdäns (7 ĺ 8 ĺ 9, R = t-Bu, CH(Ph)Me). Protolytische Spaltung der Mo–OR-Bindung durch das Alkylhydroperoxid schließt den Katalysezyklus (9 ĺ 7) [Deu 2003, Deu 2004b].
[MoVI] 7
O O
[MoVI]
O O
R
8
[MoVI] O R +
R
O
9
+ ROOH, ROH
An der Epoxidbildung sind somit keine Zwischenstufen mit M–C-Bindungen beteiligt. Das Olefin wird nicht durch Komplexbildung aktiviert. Andere Metalle mit niedrigem Oxidationspotenzial und hoher Lewis-Acidität in ihren höchsten Oxidationsstufen wie W, V und Ti sind auch katalytisch aktiv. Eine Ein-Elektronenübertragung (single electron transfer, SET) von einem Metall auf das Alkylhydroperoxid führt zur O–O-Bindungsspaltung (RO–OH + e– ĺ RO• + –OH) und gibt zur Bildung von Nebenprodukten Veranlassung. Metalle wie Co, Mn und Fe, die dazu neigen, sind als Katalysatoren ungeeignet.
H2O2 als Sauerstofftransferagens Wasserstoffperoxid ist ein preiswertes und umweltfreundliches Oxidationsmittel [Noy 2003]. Seine Verwendung bei der Epoxidierung von Propen ist wünschenswert, weil damit nur Wasser „coproduziert“ (Gl. S. 270; R = H) wird und die zuvor genannten Verfahrensnachteile, die mit der Coproduktion von MTBE bzw. Styrol (R = t-Bu, CH(Ph)Me verbunden sind, entfallen.
Heterogen katalytisch. Mit einem TiIV-substituierten Silicalit (ein aluminiumfreier Zeolith von MFI-Struktur, die der von ZSM-5 ähnlich ist) als Katalysator, der im Unterschied zum Shell-Katalysator (TiIV auf SiO2) eine hydrophobe (innere) Oberfläche aufweist, ist die Oxidation von Propen mit H2O2 gelungen (Degussa). Eine großtechnische Anlage nach diesem Verfahren (Kapazität: 60000 t/a) ist in Südafrika im Bau. Homogen katalytisch. Ein Beispiel für einen effektiven homogenen Katalysator für Epoxidierungen von Alkenen mit H2O2 (1 ĺ 2) ist Methyltrioxorhenium(VII) (3) [Her 1997]. Komplex 3 reagiert mit H2O2 zu einem Diperoxokomplex (3 ĺ 4), der bei hohen H2O2-Konzentrationen den eigentlichen Epoxidierungskatalysator darstellt. Wie bei den MoVI-Katalysatoren erfolgt die Sauerstoffübertragung auf das Olefin durch elektrophilen Angriff eines Peroxosauerstoffatoms von 4 in einer konzertierten Reaktion.
R
3 1
Me
O
+ H2O2, H2O
O
R 2
Re O 3
+ 2 H2O2 O
H2O
O O O O Re O Me OH2 4
274
Oxidation von Olefinen und Alkanen
Als Nebenprodukte treten Diole auf, deren Bildung durch Zugabe von Lewis-Basen wie Pyridin oder Pyrazol zurückgedrängt wird, so dass Selektivitäten bezüglich der Epoxidbildung von > 95 % zu erreichen sind [Küh 2004]. Reaktionskontrollierte Phasentransferkatalyse. Als Präkatalysator wird ein Heteropolywolframat mit einem N-Alkylpyridinium-Kation, (C5H5NC16H33)3[PW4O16] (1) eingesetzt. Das Anion in 1 leitet sich vom Tetrawolframat [W4O16]8– ab. In der Tetrawolframatstruktur sind vier kantenverknüpfte WO6-Oktaedern derart zusammengestellt, dass sich eine Heterocubanstruktur ergibt, in der die Ecken eines Würfels alternierend mit W- und μ3-O-Atomen besetzt sind. Damit besteht der Würfel aus zwei ineinander gestellten W4- bzw. O4-Tetraedern. In 1 befindet sich im Zentrum des Würfels ein P-Atom, so dass für 1 auch (C5H5NC16H33)3[PO4(WO3)4] geschrieben werden kann, womit hervorgehoben wird, dass jedes W-Atom drei terminale Oxoliganden gebunden hat. In einem Wasser–Toluol–Tributylphosphat-Gemisch löst sich 1 nicht, wohl aber unter der Einwirkung von H2O2 (52 %ig). Dabei wird der katalytisch aktive Komplex (C5H5NC16H33)3[PO4{WO2(O2)}4] (1 ĺ 2) gebildet, in dem an jedem W-Atom ein Oxo- durch einen Peroxoliganden substituiert ist. Der Peroxokomplex 2 oxidiert Propen zu Propylenoxid (2 ĺ 1; 65 °C, Ausbeute und Selektivität > 90 %). Wenn im Reaktionsansatz das H2O2 aufgebraucht ist, fällt 1 aus und kann durch Abfiltrieren abgetrennt und erneut genutzt werden [Zuw 2001, Gao 2004]. 4 H2O2
O O W O
4 H2O
3
O O O W O O
1 (unlöslich) 4
O
3
2 (löslich) 4
3
O
W O O O O W O P O O O
O
W O O
1a)
a) Struktur des Anions von 1; eine WO3-Gruppe ist nicht gezeichnet.
Dieses Reaktionsprinzip ist als reaktionskontrollierte Phasentransferkatalyse bezeichnet worden. Darunter wird verstanden, dass der Präkatalysator im Reaktionsgemisch unlöslich ist (hier 1), aber unter der Einwirkung eines Reaktanten in eine lösliche katalytisch aktive Form (hier 2) übergeht. Wenn ein Reaktant aufgebraucht ist (hier H2O2) geht der Katalysator wieder in die unlösliche Form über und kann durch Filtration vom Produkt abgetrennt werden. Das ist ein neuartiges Prinzip, wie die mitunter schwierige Abtrennung des Katalysators vom Produkt bei einem homogen katalysierten Verfahren bewerkstelligt werden kann.
13.2.3 Enantioselektive Oxidationen von Olefinen Epoxidierung von Allylalkoholen Der Katalysator der Wahl für asymmetrische Epoxidierungen von Allylalkoholen mit tert-Butylhydroperoxid ist Tetrakis(isopropoxo)titan in Gegenwart von Dialkyltartraten (DAT) als chiralen Liganden (Sharpless, 1980; Nobelpreis für Chemie 2001) [Sha 2002]. Epoxidation
Epoxidierungen von Olefinen
275
mit (S,S)-DAT ergibt (2R)-Epoxide (1 ĺ 2a). Mit dem natürlich vorkommenden (R,R)-DATEnantiomer werden (2S)-Epoxide erhalten (1 ĺ 2b). Das entspricht einem Angriff des Peroxosauerstoffatoms an der Si- bzw. Re-Seite des prochiralen Allylalkohols. 2a O
(S,S)()-DAT R2
R2
OH
R1
R3
Ti(Oi-Pr)4
OH
R
R1
R3
t-BuOOH
1
CH2Cl2, 20 °C
R1
(R,R)(+)-DAT
R2
S
OH R3
Si
R2 R1
a)
R3
OH
Re
O 2b 7090 % (> 90 % ee)
a) Die R/S- und Re/Si-Zuordnung bezieht sich auf das mittlere C-Atom des Allylsystems und gilt für R = primäres Alkyl, H.
Zur katalytischen Reaktionsführung ist ein streng wasserfreies Reaktionsmedium erforderlich, das durch die Gegenwart eines Molekularsiebes erreicht wird. Zunächst wird ein Bis(isopropoxo)tartratotitan(IV)-Komplex 3 gebildet, der mit dem Allylalkohol und t-BuOOH zu 4 reagiert. Nunmehr erfolgt durch nucleophilen Angriff der allylischen Doppelbindung an den Peroxoliganden die Sauerstoffübertragung (4 ĺ 5). Umsetzung mit den Substraten führt zur Produktabspaltung und Rückbildung des Katalysatorkomplexes (5 ĺ 4). t-Bu RO2C
Oi-Pr
O
OH i-PrOH
Ti O
RO2C 3
* Oi-Pr
t-BuOOH
i-PrOH
O
O Ti O
t-Bu O
O
O
*
O
Ti O
O
O 5
4 O OH t-BuOH
OH t-BuOOH
O X Der Katalysatorkomplex 4 ist dimer, die wahrscheinliche Struktur i-PrO X O ist in 4’ (X = COOR) skizziert. Es liegen zwei (verzerrt) oktaed- i-PrO O Ti Ti risch-koordinierte Titanatome mit einem tridentaten und einem O O O O bidentaten Tartratoliganden vor. An einem Titanatom sind weiterRO O X hin der t-BuOO- und der Allylalkoholatligand in meridionaler Ant-Bu 4' ordnung koordiniert.
Die Sharpless-Epoxidierung von Allylalkoholen findet in der organischen Synthesechemie breite Verwendung, auch im technischen Maßstab zur Synthese von enantiomerenreinem (R)und (S)-Glycidol (2,3-Epoxypropan-1-ol), das als Ausgangsstoff bei verschiedenen Synthesen von Pharmaka benötigt wird. Nichtfunktionalisierte Olefine lassen sich mit SharplessKatalysatoren nicht asymmetrisch epoxidieren.
276
Oxidation von Olefinen und Alkanen
Epoxidierung von nichtaktivierten Olefinen Salenkomplexe1 vom dreiwertigen Mangan. [Mn(salen)X] (1’) (X: schwach koordinierendes Anion wie PF6– oder koordinierendes Anion wie Cl–, das dann als axialer Ligand gebunden ist), vermag nichtfunktionalisierte Olefine zu epoxidieren: Oxidationsmittel [O] wie NaOCl, PhIO und Pyridin-N-oxide überführen 1 in einen Oxo(salen)mangan(V)-Komplex 2, der mit Olefinen unter Epxodierung und Rückbildung von 1 reagiert. N
[O]
N
N
Mn O
O
N
Mn O
O
O R
1
R
O 2
Verwendet man bei der Ligandensynthese anstelle Ethylendiamin ein chirales 1,2-Diamin H2NCHR’–CHR’NH2, erhält man einen chiralen Salenkomplex 3. Substitution der H-Atome in ortho-Position zu den Phenolatgruppen durch großvolumige Substituenten R führt zu enantioselektiv wirkenden Epoxidierungskatalysatoren (Jacobsen, Katsuki, 1990). Die Epoxidierung von cyclischen und acyclischen disubstituierten (Z)-Olefinen, mit einem konjugierten Doppelbindungssystem, R1HC=CHR2 (4, R1 = Aryl, Alkenyl, Alkinyl; R2 = Alkyl), ist nicht stereospezifisch. Sie ergibt ein Gemisch von cis- (6a) und trans-Epoxid (6b), was auf einen radikalischen Mechanismus (S. 268: Route a via a2) weist. Die C–O-Bindungen werden sequenziell gebildet, so dass 5 als Zwischenstufe auftritt. Wird unmittelbar die zweite C–O-Bindung gebildet, entsteht das cis-Epoxid (5 ĺ 6a). Erfolgt vor der Bindungsbildung Rotation um die C–C-Bindung, dann bildet sich das trans-Epoxid (5 ĺ 6b) [Kat 2002, Lar 2004].
a
3
R
R O Mn
3'
O
Rekombination
R2
+ [MnV] O
4
R1
O R2
R1 5
a'
N O N Mn O O
[MnIV] R1
R'
R'
[MnIII] Rotation Rekombination
6a
R2
O R1
6b
R2
Entscheidend für die Enantioselektivität ist die Richtung aus der sich das Olefin der Mn=OBindung nähert. Erfolgt die Annäherung in Pfeilrichtung (a/a’), gibt es eine Vorzugsrichtung (a), da die Komplexe 3 nicht planar sind, vgl. die Ansicht von vorn 3’, aus der die C2-Symmetrie des Salenliganden hervorgeht. Wegen der raumgreifenden Substituenten R am Salen1
Die Kondensation von Salicylaldehyd mit Ethylendiamin im Molverhältnis 2 : 1 liefert N,N’-Bis(salicyliden)ethylendiamin (H2salen), das unter Deprotonierung der beiden Hydroxygruppen N,N’-Bis(salicyliden)ethylendiaminato(2–)-Komplexe („Salenkomplexe“) bildet.
Epoxidierungen von Olefinen
277
liganden wird sich das Olefin nun so nähern, das seine sterisch weniger überfrachtete Seite in die Richtung von R zeigt (siehe Skizze von 3). Damit ist eine enantiofaciale Differenzierung gegeben. Bei (Z)-Olefinen 4 können Enantioselektivitäten von > 90 % ee erreicht werden, während die ee-Werte bei den entsprechenden (E)-Olefinen deutlich geringer sind. Auf der anderen Seite werden (Z)-Olefine mit isolierten Doppelbindungen wie t-BuHC=CHEt stereospezifisch zum cis-Epoxid umgesetzt, was einen konzertierten Mechanismus (S. 268: Route a via a1) nahe legt. Allerdings verlaufen die Reaktionen nur langsam und es werden in den meisten Fällen nur Enantioselektivitäten von 0–60 % erreicht. Mit Titankomplexen, die chirale reduzierte salenartige Liganden gebunden haben, gelingen auch asymmetrische Epoxidierungen von terminalen nichtfunktionalisierten Olefinen mit Wasserstoffperoxid, ein aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten besonders attraktives Oxidationsmittel [Lan 2003, Are 2006].
13.2.4 Monooxygenasen In lebenden Organismen wird die Übertragung eines Sauerstoffatoms von O2 auf organische Substrate Su von Monooxygenasen katalysiert, wobei neben Wasser das oxidierte Substrat SuO gebildet wird. Als biogenes Reduktionsmittel dient in vielen Fällen Nicotinamid-adenindinucleotid (NADH) bzw. -phosphat (NADPH). Monooxygenasen vermögen insbesondere C–H-Bindungen zu Alkoholen und Doppelbindungen zu Epoxiden zu oxidieren. Sie spielen eine wichtige Rolle beim oxidativen Abbau von körpereigenen und körperfremden Substanzen. Su NADH/H+ (NADPH/H+)
Su + O2
+ 2 H+ + 2 e Monooxygenase
NAD+ (NADP+)
SuO
C H
C OH
C H
C OH
SuO + H2O
O
ArN
Ein Beispiel für Monooxygenasen sind Cytochrome P-450, die zur großen Klasse der Hämproteine gehören. Das Protein kann aus ca. 400 Aminosäuren aufgebaut sein, die Hämgruppe ist über eine axiale Fe–S-Bindung an ein Cysteinat des Proteins gebunden. Im Ruhezustand des Enzyms liegt ein low-spin Eisen(III)-Komplex vor, der Wasser als sechsten Liganden an der anderen axialen Bindungsstelle koordiniert hat (1, in der schematischen Abbildung rechts ist der Porphyrinligand durch einen dicken Strich symbolisiert, das Protein ist durch die beiden Kreisbögen an- HOOC gedeutet).
H H
ArN
OH H
O
H N
N H
O S
N
S
N
FeIII
Fe N
N
H2O
H2O COOH
1
278
Oxidation von Olefinen und Alkanen
Abspaltung des Aqualiganden und Bindung des Substrates (Su) an das Protein nahe der sechsten Koordinationsstelle führt zu einem high-spin FeIII-Komplex (1 ĺ 2), der durch ein biogenes Reduktionsmittel zum FeII-Komplex (high-spin) reduziert wird (2 ĺ 3), vgl. Abbildung 13.4. Nunmehr wird Disauerstoff koordiniert (3 ĺ 4) und es erfolgt erneute Reduktion (4 ĺ 5). Wahrscheinlich handelt es sich bei 4 um einen FeII-Komplexe (low-spin) mit einem Disauerstoffliganden und bei 5 um einen FeIII-Komplex mit einem Peroxoliganden (O22–). Zweifache Protonierung führt über einen Hydrogenperoxoeisen(III)-Komplex als Intermediat (5 ĺ 6) zur Abspaltung des terminalen Sauerstoffatoms als Wasser (6 ĺ 7). Um einen Einblick in die elektronische Struktur von 7 zu erhalten, können zunächst folgende Formeln in Betracht gezogen werden (HCys = Cystein, H2por = Porphyrin): (Cys–)(por2–)FeV=O –
IV
(Cys )(por )Fe =O
(7a), (7c),
(Cys–)(por2–)FeIV–O• 2–
IV
(Cys•)(por )Fe =O
(7b), (7d).
Abbildung 13.4. Katalytischer Zyklus von Cytochrom P-450 (adaptiert nach Shaik, de Visser, Thiel 2005).
Epoxidierungen von Olefinen
279
Aus spektroskopischen und strukturellen Untersuchungen sowie quantenchemischen Rechnungen geht hervor, dass ein FeIV-Komplex vorliegt, dessen Grundzustand im Rahmen der VB-Theorie am zutreffendsten als Resonanz 7c ļ 7d zu beschreiben ist [Meu 2004]. Intermediat 7 überträgt den Sauerstoff auf das Substrat und ist damit das eigentlich oxidierende Agens. Bei der Epoxidierung von Olefinen treten Radikalzwischenstufen auf, der erste Schritt könnte eine Elektronenübertragung vom Alken zu 7 sein. Die reaktive Zwischenstufe 7 kann auch durch direkte Oxidation von 2 mit externen Sauerstoffdonoren wie PhIO, IO4– oder RC(O)OOH (2 ĺ 7) erzeugt werden.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Exkurs: Zur Oxidationsstufe von Metallen in Komplexen Siehe „Exkurs: Zur Oxidationsstufe des Metalls in Olefin- und Alkinkomplexen“ (S. 31). Zur Ermittlung der Oxidationsstufe von M in Metallkomplexen ist davon auszugehen, dass im Regelfall die Liganden elektronegativer als M sind. Somit sind die Elektronen der M–L-Bindungen den Liganden zuzuordnen. Folgende Fälle sollen analysiert werden: Komplexe LxMO (1). In Komplexen 1 kann die Elektronenstruktur durch die mesomeren Grenzstrukturen 1a–1d zum Ausdruck gebracht werden. Normalerweise ist eine zutreffende Beschreibung durch 1a/1b mit einem Oxidion als Liganden gegeben. Liegt M in einer sehr hohen Oxidationsstufe vor, dann können zunehmend die anderen beiden Grenzstrukturen 1c/1d mit einem Radikalanion O bzw. einem Oxen O als Liganden an Bedeutung gewinnen. Dementsprechend erniedrigt sich die Oxidationszahl von M um eine bzw. um zwei Einheiten. L xM O
LxM
1a +n/O2
ON(M)/Ligand:
O
1b +n/O2
LxM O
LxM
1c +(n1)/O
1d +(n2)/O
O
Komplexe LxM(O2) (2). Für Komplexe 2 sind die mesomeren Grenzformen 2a–2e zu schreiben, die einen Disauerstoffkomplex 2a (Ligand: O2), einen Hyperoxokomplex (Superoxidokomplex) 2b/2c (Ligand: O2 ) bzw. einen Peroxokomplex 2d/2e (Ligand: O22–) repräsentieren. Entsprechend erhöht sich die Oxidationszahl von M um eine bzw. um zwei Einheiten. LxM O
O
2a ON(M)/Ligand: +n/O2
LxM O
O
2b +(n+1)/O2
LxM O
O
2c +(n+1)/O2
LxM O
O
2d +(n+2)/O22
LxM O
O 2e +(n+2)/O22
Elektronenvariable Komplexe. Siehe Beispiel auf S. 43. Aus dem Gesagten folgt, dass eine zutreffende Zuordnung der Oxidationsstufe von M in einem Metallkomplex nur vorgenommen werden kann, wenn die Elektronenstruktur bekannt ist. Diesbezügliche Kenntnisse sind aus magnetischen Messungen, spektroskopischen (z. B. ESR-, Mößbauerspektroskopie) und strukturellen Untersuchungen sowie aus quantenchemischen Rechnungen zu erhalten [Ste 2004].
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
280
Oxidation von Olefinen und Alkanen
13.3 C–H-Funktionalisierungen von Alkanen 13.3.1 Einführung Alkane sind die am wenigsten reaktiven Kohlenwasserstoffe. Die niederen Homologen, insbesondere Methan, sind Hauptbestandteile von Erdgas, das reichhaltig als Rohstoff vorhanden ist. Seine direkte stoffliche Verwertung durch C–H-Funktionalisierung, R H
R X,
selektiv zu höher veredelten Produkten (X: Funktionalität wie OR’, NR’2, Cl, ...; R = Alkyl; R’ = H, Alkyl, ...) ist von grundlegendem wissenschaftlichen und industriellen Interesse. Eine effektive katalytische Reaktionsführung ist eine der großen Herausforderungen der Metallkomplexkatalyse. Grundsätzlich beinhalten derartige Reaktionen Spaltungen von sehr stabilen C–H-Bindungen. Das wird als C–H-Aktivierung bezeichnet, die nur sehr schwer zu erreichen ist. Die C–HBindungen sind fast unpolar (Methan: pKa ca. 48) und gehören zu den stärksten Einfachbindungen überhaupt. Die homolytischen Bindungsdissoziationsenthalpien 'H—o von Csp3–HBindungen liegen zwischen 400 und 440 kJ/mol. Die Stabilitätsabfolge H3C–H > RH2C–H > R2HC–H > R3C–H lässt erwarten, dass in radikalischen Reaktionen bevorzugt verzweigte Produkte gebildet werden, die häufig unerwünscht sind. Probleme hinsichtlich der Regioselektivität ergeben sich bei höheren Alkanen durch eine Vielzahl gleichartiger C–HBindungen. Darüber hinaus werden bei Einführung von X in den meisten Fällen die C–HBindungen am gleichen C-Atom geschwächt (Beispiel: 'H—o in CH3X in kJ/mol: 439, X = H; 419, X = Cl; 402, X = OH; 393, X = NH2), so dass Mehrfachfunktionalisierungen dominieren können. Metallkatalysierte radikalische oxidative Funktionalisierungen von Kohlenwasserstoffen mit Sauerstoff wie die Oxidation von p-Xylol zur Terephthalsäure (Co/Mn), von Cyclohexan zu Cyclohexanon (Co) oder von Butan zur Essigsäure (S. 85) haben eine große industrielle Bedeutung. Die redoxaktiven Metallionen bzw. -komplexe (CoII/CoIII, MnII/MnIII) sind zwar primär durch Elektronenübertragungen an der Bildung von Radikalen wie ROO·, RO· und R· beteiligt, C–H-Aktivierungen unter Ausbildung von Organometallverbindungen finden aber nicht statt.
13.3.2 C–H-Aktivierungen von Alkanen Cyclometallierungen C–H-Aktivierungen sind inhärente Bestandteile von C–H-Funktionalisierungsreaktionen. Stöchiometrisch verlaufende Reaktionen unter intramolekularer C–H-Aktivierung sind leichter zu realisieren als solche, denen eine intermolekulare C–H-Aktivierung zugrunde liegt. C–H-Aktivierungen können unter oxidativer Addition der C–H-Bindung, der oft eine agostische C–H···M-Wechselwirkung vorausgeht, zu Hydridoorganylkomplexen führen (1 ĺ 2). Es können aber auch unter Abspaltung eines anionischen Liganden X– (Cl–, AcO–, ...) Metallacyclen und HX gebildet werden (1’ ĺ 2’).
C–H-Funktionalisierungen von Alkanen
RnY
Rn Y
C
[M]
281
RnY
[M] C
H
[M]
H 2
1
C H
[M]
HX
Rn Y
X
C
1'
2'
C–H-Aktivierungen 1 ĺ 2/1’ ĺ 2’, bei denen Y ein beliebiges kovalent gebundenes Atom ist, werden als Cyclometallierungen bezeichnet. Ist YRn ein neutraler Donorgruppe (NR2, PR2, ...) bilden sich metallorganische Innerkomplexe 2/2’. Besonders leicht verlaufen Cyclometallierungen, wenn ihnen eine Aktivierung einer aromatischen ortho-C–H-Bindung, also eine Orthometallierung, zugrunde liegt. Als Beispiel ist die bereits bei Raumtemperatur ablaufende Orthopalladierung von Benzylaminen angeführt (1 ĺ 2). R N
Pd(OAc)2 HOAc
R
N 1/2
O
O
O
O
Pd
R
Pd N
2
1
Cyclometallierungen unter Aktivierung von Csp3–H- sind schwieriger als von Csp2–H-Bindungen zu realisieren und erstmals von Chatt 1965 nachgewiesen worden: Die Reduktion von Übergangsmetallhalogeniden mit Natriumnaphthalid in Gegenwart von Me2PCH2CH2PMe2 (dmpe) führt zu dmpe-Komplexen der nullwertigen Metalle (M = V, Cr, Mo, Fe, Co, ...). Im Unterschied dazu wird bei der Reaktion von [RuCl2(dmpe)2] (1) unter intermolekularer Csp2– H-Aktivierung ein Hydrido(naphthyl)ruthenium(II)-Komplex gebildet (1 ĺ 2). Komplex 2 unterliegt bei 150 °C einer reduktiven Eliminierung von Naphthalin und unter Aktivierung einer Csp3–H-Bindung wird ein dimerer Hydridokomplex erhalten (2 ĺ 3), der ursprünglich als mononuklear beschrieben worden war.
[RuCl2(dmpe)2]
+ 2 Na[C10H8]
(dmpe)2Ru
H
H T
2 NaCl, C10H8
C10H8
2
1/ 2
P P
Ru P
H2 P C
P
P
Ru C P H2
P H
3
Intermolekulare C–H-Aktivierungen von Alkanen Im Hinblick auf katalytische Funktionalisierungen sind die wichtigsten C–H-Aktivierungsreaktionen von Alkanen [Lab 2002, Gol 2004, Cra 2004]:
Oxidative Additionen (1 ĺ 2) unter Bildung von Alkylhydridometallkomplexen bei Erhöhung der Oxidationsstufe von M um zwei Einheiten. Ein ı-Alkankomplex 1’ als Zwischenstufe gewährleistet die Substrataktivierung.
282
Oxidation von Olefinen und Alkanen R
[M] +
R
[M]
H
[M] R H
H
1'
1
2
Oxidative C–H-Additionen sind typisch für späte Übergangsmetalle in tiefen Oxidationsstufen. Der unmittelbare Precursorkomplex (1 bzw. 4 im folgenden Beispiel) wird meistens in situ erzeugt, z. B. durch thermisch oder photochemisch induzierte reduktive Eliminierung, wie es nachfolgend an einem Beispiel gezeigt ist (R–H = Cyclohexan, Neopentan, ...):
Ir Me3P
hQ H2
H H
RH
Ir
Ir
Me3P
Me3P
4 (IrI, 16 ve)
3 (IrIII, 18 ve)
H R
5 (IrIII, 18 ve)
Weitere Beispiele für Komplexfragmente, an denen oxidative Additionen von Alkanen realisiert wurden, sind d10-Pt0L2- und T-förmige d8-PtIIL3-Fragmente wie 6 bzw. 7 [Fek 2003]. Cy2 P Pt P Cy2
N Pt
N
HB
Me
N HB
N N
N
HB
N N
3
7
6
Elektrophile Substitutionen (8/8’ ĺ 10) von C–H-Bindungen sind Substitutionen von H+ durch einen Metallkomplex: [M]+ + R–H ĺ [M]–R + H+. Die Oxidationsstufe von M bleibt dabei unverändert. Das Alkan kann durch ı-Komplexbildung (9/9’) aktiviert werden. Das Proton wird entweder von einer externen Base X– aufgenommen (9 ĺ 10) oder direkt auf einen zu R–H benachbarten Liganden übertragen (9’ ĺ 9’’ ĺ 10). Die zuletzt genannte Reaktion ist somit als ı-Bindungsmetathese zu klassifizieren. [M]
+ R H
[M] 9
8 [M] X + R H 8'
H R
[M] X R
H 9'
+X [M] R + X H [M]
XH
10
R 9''
Derartige elektrophile Substitutionen von C–H-Bindungen sind typisch für kationische, stark elektrophile Metallkomplexe mit Zentralatomen in normalen und hohen Oxidationsstufen. Sie werden bei typischen Übergangsmetallen (PdII, PtII, PtIV, ...), aber auch bei anderen Neben- (HgII) und Hauptgruppenmetallen (TlIII) gefunden (siehe S. 284).
C–H-Funktionalisierungen von Alkanen
283
ı-Bindungsmetathesen unter C–H-Aktivierung von Alkanen sind bei d0-Komplexen der frühen Übergangsmetalle nachgewiesen und auf S. 115 im Zusammenhang mit Alkanmetathesen besprochen worden. C–H-Aktivierungen durch 1,2-Addition an M=X-Bindungen führen nach Produktabspaltung zur Insertion eines Carbens (X = CRR’) bzw. Nitrens (X = NR) in eine C–H-Bindung [Dav 2003, Dav 2006]: [M]
X +
[M] +
C H
C X H
Als Beispiel für eine eine C–H-Addition an eine M=C-Doppelbindung ist die bei Raumtemperatur quantitativ ablaufende Umsetzung des Bis(neopentyl)-Komplexes 1 über den Neopentyliden-Zwischenkomplex 2 zum gemischten Trimethylsilylmethyl(neopentyl)Komplex 3 angeführt.
Mo ON
SiMe4
Mo
CMe4
2
1
Mo ON
ON
Si 3
C–H-Aktivierungen durch Metalloradikale Bis(porphyrinato)rhodium(II)-Komplexe 4 ([Rh] = Rh(por); H2por = Tetraxylylporphyrin, Tetramesitylporphyrin) verfügen nur über eine sehr schwache Rh–Rh-Bindung1 und liegen im Gleichgewicht mit den monomeren RhII-Komplexen (d7) vor. Sie reagieren in einer reversiblen Reaktion mit Methan zu einem Gemisch (1 : 1) des Methyl- und Hydridorhodium(III)-Komplexes 6a/6b. Die Reaktion verläuft sehr wahrscheinlich über einen linearen Vierzentren-Übergangszustand 5. [Rh] [Rh]
H + CH4
[Rh]
2 [Rh] 4
C H H
[Rh]
[Rh] CH3 + H [Rh]
H 6a
5
6b
13.3.3 C–H-Funktionalisierungen Funktionalisierungen von Alkanen R–H (1) ĺ R–X (2) entsprechen einer Oxidation des Alkans, sofern Ȥ(X) > Ȥ(C) (Ȥ = Elektronegativität) gilt. Reaktionen, die nach der allgemeinen Gleichung RH + X 1
1
Kat.
RX + H+ + 2 e 2
ǻDH ca. 70 kJ/mol für den Octaethylporphyrinato-Komplex [Rh]–[Rh].
284
Oxidation von Olefinen und Alkanen
ablaufen, liegen als Teilreaktionen eine C–H-Aktivierung (Spaltung einer C–H-Bindung) und eine Funktionalisierung (Knüpfung einer C–X-Bindung) zugrunde. Darüber hinaus macht die Elektronenbilanz klar, dass eine Redoxreaktion notwendiger Bestandteil der Reaktionsführung ist: Es wird in stöchiometrischer Menge ein Oxidationsmittel benötigt. Die hier zu besprechenden homogen metallkatalysierten Reaktionen beinhalten Chlorierungen von Alkanen (X– = Cl–) sowie Oxidationen von Alkanen zu Alkoholen (X– = OH–) bzw. Alkylestern (X– = HO3SO–) [Cra 2001].
Das Shilov-Katalysatorsystem Anfang der 70er Jahre hat Shilov über Platin(II)-katalysierte Alkanfunktionalisierungen (1 ĺ 2) in wässrig saurem Medium berichtet, allerdings mit Hexachloroplatinsäure als primärem Oxidationsmittel [Sta 1998]. [PtCl6]2 RH + Cl
[PtCl4]2 + 2 Cl RCl + H+
[PtCl4]2
1
2
120 °C
Nach heutigem Wissensstand ist mechanistisch eine Substitution mit PtII als Elektrophil anzunehmen (3 ĺ 4), der wahrscheinlich eine Ligandensubstitution (Bildung von [PtCl3(s)]– und eventuell auch von [PtCl2(s)2]; s = Lösungsmittel) vorausgeht. Möglicherweise wird primär ein ı-Alkankomplex gebildet, aus dem ein Proton abgespalten wird. Die Abspaltung von H+ wird maßgeblich durch seine Solvatation im polar protischen Lösungsmittel begünstigt. Oxidation des Alkylplatin(II)-Komplexes mit Hexachloroplatinat ergibt via Elektronenübertragung (und nicht durch Alkylgruppenaustausch!) einen Alkylplatin(IV)-Komplex (4 ĺ 5). Chloridabspaltung und nucleophiler Angriff von Cl– auf den Alkylliganden führt zur Bildung von RCl und zur Rückbildung von [PtCl4]2– (5 ĺ 6 ĺ 3). Andere mechanistische Alternativen sind nicht auszuschließen. Cl Cl 3
Pt
Cl Cl
2
+ RH Cl , H+
Cl Cl
Pt
Cl
2
R
+ [PtCl6]2 [PtCl4]2
4
Cl Cl 5
Cl Pt Cl
Cl
2
Cl R
Cl 6
Pt Cl
Cl R
Cl
RCl
Im Unterschied zu radikalischen Chlorierungen ergibt sich für Pt-katalysierte Reaktionen die Selektivität C–H (primär) > C–H (sekundär) > C–H (tertiär). Alkohole sind in analoger Weise zugänglich, wenn anstelle Cl– als Nucleophil H2O verwendet wird [Ler 2005].
Das Catalytica-System – HgII als Katalysator Periana von der Catalytica Inc. hat ein selektives quecksilberkatalysiertes System für die Methanoxidation zu Methanol gefunden. Ausgangspunkt war eine stöchiometrische, fast quantitativ verlaufende Umsetzung von Methan mit Quecksilber(II)-triflat zu Methyltriflat unter Reduktion von HgII zu HgI (1 ĺ 2) [Per 1993].
C–H-Funktionalisierungen von Alkanen CH4 + 2 Hg(CF3SO3)2
285 CF3SO3CH3 + Hg2(CF3SO3)2 + CF3SO3H
180 °C
1
2
In wasserfreier Schwefelsäure wird der entsprechende Methylester gebildet (1 ĺ 3) und Schwefelsäure übernimmt die Rolle als Oxidationsmittel, so dass die Reaktion bezüglich HgII katalytisch ist. CH4 + 2 H2SO4
[HgII] 180 °C
CH3OSO3H + 2 H2O + SO2 3
1
Hydrolyse von 3 (3 + H2O ĺ MeOH + H2SO4) und Reoxidation von SO2 (SO2 + 1/2 O2 ĺ SO3) ergibt als Bruttoreaktion eine Oxidation von Methan mit Sauerstoff zu Methanol (1 + 1/2 O2 ĺ MeOH), womit im Prinzip gezeigt ist, dass Kohlenwasserstoffe in einem homogen katalysierten Prozess selektiv oxidiert werden können. Wahrscheinlich ist der Mechanismus der Oxidation von Methan (1 ĺ 3) analog dem ShilovProzess: Elektrophile Substitution von Methan führt zur Bildung einer Methylquecksilber(II)Verbindung (C–H-Aktivierung: 4 ĺ 5). Die Zwischenstufe 5 ist direkt NMR-spektroskopisch nachgewiesen worden. Dann wird der Methylligand in 5 unter Reduktion von HgII und H2SO4 nucleophil substituiert (Alkanfunktionalisierung: 5 ĺ 6). Reoxidation von HgI durch Schwefelsäure schließt den Katalysezyklus (6 ĺ 4). Hg(OSO3H)2 4
+ CH4 H2SO4
HO3SOHgCH3 5
+ 3/2 H2SO4 CH3OSO3H, H2O, 1/2 SO2
1/2 Hg2(OSO3H)2 6
+ 3/2 H2SO4 H2O, 1/2 SO2
Die Verwendung von starken Säuren als Lösungsmittel hat zumindest zwei Vorteile: Die konjugierten Basen (hier: Hydrogensulfat) sind nur schwach koordinierend, so dass das Zentralatom (hier: HgII) hoch elektrophil ist. Darüber hinaus wird der Alkohol durch die Veresterung zuverlässig vor weiterer Oxidation geschützt.
Das Catalytica-System – PtII als Katalysator Ein analoges Verfahren mit einem 2,2’-Bipyrimidinplatin(II)-Komplex 7 (X = Cl) als Präkatalysator ist entwickelt worden. Unter Abspaltung von HCl bildet sich daraus zunächst das Bis(hydrogensulfat) (7, X = OSO3H).1 Abspaltung eines Hydrogensulfatanions führt zu einem hoch elektrophilen PtII-Kation (14 ve), das wahrscheinlich den eigentlichen Katalysator darstellt [Per 1998].
1 Dieser Komplex ist überraschend stabil. In 20 %igem Oleum ist bei 200 °C im Verlaufe von 50 h keine Zersetzung beobachtet worden.
286
Oxidation von Olefinen und Alkanen
CH4 + 2 H2SO4
7 180220 °C
N
CH3OSO3H + 2 H2O + SO2
Pt N
3
1
N N
X X 7
Dieses Katalysatorsystem zeigt bei der Methanaktivierung eine außerordentlich hohe Aktivität, Selektivität und Stabilität (Ausbeute an 3 > 70 % bei einer Selektivität > 90 % und TON > 300). Wasser und Methanol wirken allerdings als Inhibitoren, so dass in rauchender Schwefelsäure gearbeitet wird. Die hohe Aktivität und Stabilität ist wahrscheinlich auf eine Protonierung der nicht koordinierten N-Atome des Pyrimidinliganden zurückzuführen. Das bedingt zum einen eine maßgebliche Erhöhung der Elektrophilie des Platinatoms. Andererseits wird dadurch auch die Elektronendichte im aromatischen System verringert, wodurch elektrophile Substitutionen und oxidativer Abbau erschwert werden [Sta 1998, Ler 2005].
Cytochrom P-450 Der aktive Komplex von Cytochromen P-450 (7 in Abbildung 13.4, S. 278) ist in der Lage, ein Sauerstoffatom auf viele organische Verbindungen zu übertragen, so werden z. B. Hydroxylierungen von aliphatischen C–H-Bindungen katalysiert: S C H
[O]
C OH R
ROH
H2O
FeIV
S FeIII
H O
H2O 7
1
Komplex 7 (Abb. 13.4) ist ein FeIV-Komplex mit einem oxidierten Ligandensystem [(Cys–)(por )FeIV=O] ļ [(Cys•)(por2–)FeIV=O] und Komplex 1 (Abb. 13.4) ein FeIII-Komplex mit nicht-oxidiertem Ligandensystem [(Cys–)(por2–)FeIII–OH2]. Somit schließt die Reaktion 7 ĺ 1 neben der Übertragung eines Sauerstoffatoms auf das Substrat (R–H) formal eine ZweiElektronenübertragung vom Substrat auf den Häm-Fe-Komplex ein. Ein möglicher Mechanismus ist eine H-Abstraktion von R–H durch 7 (7 ĺ 7’), gefolgt von einer Bindung des Alkylradikals an das Sauerstoffatom (7’ ĺ 7’’) und Substitution des Alkoholliganden durch Wasser (7’’ ĺ 1). Die Reaktionen 7 ĺ 7’ und 7’ ĺ 7’’ beinhalten die Übertragung von jeweils einem Elektron vom Substrat zum Eisenkomplex [Meu 2004, Sha 2005]. [Fe] O + H R 7
[Fe] OH 7'
R
[Fe] O 7''
R
+ H2O
H
ROH
[Fe] O 1
H H
Lösungen der Aufgaben
14 Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 2.1 Die Reaktionsgeschwindigkeit einer Reaktion ist proportional der Geschwindigkeitskonstante k, die in der Eyring-Gleichung mit der freien Aktivierungsenthalpie 'G‡ verknüpft ist. Für das Verhältnis der Geschwindigkeitskonstanten kunkat/kkat gilt kunkat kkat
I
e'Gunkat / RT I
e 'Gkat / RT
woraus ''G I
I I 'Gkat 'Gunkat
RT ln
kunkat kkat
folgt.
Somit entspricht die Reaktionsbeschleunigung um den Faktor 10, 100 und 1000 einer Abnahme der freien Aktivierungsenthalpie um 5,7, 11,4 bzw. 17,1 kJ/mol. Fazit: Eine vergleichsweise geringe energetische Absenkung des Übergangszustandes (vergleiche mit der C–C-Rotationsbarriere in Ethan von ca. 11–13 kJ/mol) bewirkt bereits eine große Reaktionsbeschleunigung.
Aufgabe 3.1 Die Ursache für die unterschiedliche Reaktivität ist stereoelektronisch bedingt: Bei der Olefininsertion wird im Übergangszustand eine komplanare Anordnung des M–C–C–H-Fragmentes durchlaufen, die bei Komplex 2 nur nach (energieaufwendiger) Isomerisierung zu realisieren ist (nach R. Crabtree, Acc. Chem. Res. 1979, 12, 331).
Aufgabe 3.2 Abspaltung von L liefert einen 14-ve-Komplex (1 ĺ 2), der erst einer ȕ-Wasserstoff- und dann einer reduktiven Eliminierung unterliegt (2 ĺ 3 ĺ 4). Es wird also Ethan und Ethen genau im Verhältnis 1 : 1 gebildet. Bei einer radikalischen Zersetzung sollte sich aus Ethylradikalen durch H-Übertragung zwar auch Ethen und Ethan im Verhältnis 1 : 1 bilden, aber durch Rekombination auch Butan, was experimentell nicht gefunden wurde (T. J. McCarthy, R. G. Nuzzo, G. M. Whitesides, J. Am. Chem. Soc. 1981, 103, 1676). L L
Et Pt Et 1
L
Et
L
Et
Et
L Pt 2
Pt H 3
EtH
L Pt
+L
L2Pt
4
Aufgabe 3.3 Wird an einen Olefinkomplex ein Nucleophil NuH mit einem hinreichend sauren H-Atom addiert, wird das Nucleophil sehr leicht deprotoniert, so dass ein 2-(N-Methylamino)ethyleisen-Komplex gebildet wird (1 ĺ 2). Protonierung des Stickstoffatoms ergibt ein besseres Nucleofug (NH2Me vs. (NHMe)–), so dass sich 2 mit HCl im Sinne einer elektrophilen Abstraktion unter Rückbildung von 1 umsetzt (nach L. Busetto, A. Palazzi, R. Ros, U. Belluco, J. Organomet. Chem. 1970, 25, 207).
289 + Cp(CO)2Fe
+ 2 NH2Me, (NH3Me)+
Cp(CO)2Fe CH2 CH2 NHMe
+ 2 H+, (NH3Me)+
1
2
Aufgabe 3.4 Zu a. Ausgehend vom 13C-markierten Acetylkomplex (1, 13C = *C) wird ein isotopenmarkierter Methylcarbonylkomplex 2 erhalten, während die Acetylkomplexbildung in Gegenwart von markiertem CO nicht zu einem markierten Acetylliganden (3) führt. In beiden Fällen belegt die cis-Konfiguration (2: *CO/Me bzw. 3: *CO/COMe), dass CO-Insertion und -deinsertion stereochemisch einheitlich ablaufen.
* Na[Mn(CO)5] + MeCOCl
NaCl
* [Mn(COMe)(CO)5]
Me * CO
T CO
Mn
OC OC
1
CO
CO 2
* CO * [MnMe(CO)5] + CO
OC OC
COMe
Mn
CO
CO 3
Zu b. Deinsertion von CO aus einer Acetylgruppe geht eine Abspaltung eines cis-ständigen CO-Liganden voraus. Da alle vier cis-ständigen CO-Liganden gleichwertig sind, müssen ausgehend von 3 bei Methylwanderung 50 % cis-, 25 % trans- und 25 % nicht-markierter Komplex gebildet werden. Das entspricht dem experimentellen Befund. * CO OC OC
* CO
COMe
Mn
CO
T * CO bzw. CO
CO 3
OC OC
Mn
* CO
CO Me
+ OC OC
CO
Mn
Me
CO CO
OC
Me
25 % (trans)
50 % (cis)
OC
+
Mn
CO CO
CO
25 % (nicht-markiert)
Anmerkung: Vergegenwärtigen Sie sich, dass bei CO-Wanderung 75 % cis-Komplex und 25 % nichtmarkierter Komplex zu erwarten wären (nach F. Calderazzo, Angew. Chem. 1977, 89, 305).
Aufgabe 4.1 Eine Radikalkettenreaktion würde nach folgendem Reaktionsschema ablaufen: + H
C C
H C C
+ H2
H H C C
+
H
Das H-Radikal ist reaktiv genug, um die ʌ-Bindung zu spalten (ǻRH—o = –148 kJ/mol). Demgegenüber erfordert aber die homolytische Bindungsspaltung von H2 eine sehr hohe Energie (Bindungsenthalpie H–H > C–H!), wodurch der zweite Schritt endotherm wird (ǻRH—o = 24 kJ/mol). Daraus ist ersichtlich, dass die Olefinhydrierung eines Katalysators bedarf.
290
Lösungen zu den Aufgaben
Anmerkung: Eine Radikalkettenreaktion mit hinreichend langen Ketten besteht aus einer Abfolge von Reaktionsschritten mit niedriger Aktivierungsenthalpie. Nun ist aber bei einer endothermen Teilreaktion ǻRH—o die untere Grenze für die Aktivierungsenthalpie dieses Reaktionsschrittes. Das bedeutet, dass höchstens schwach endotherme Teilschritte (die durch exotherme Kettenschritte kompensiert werden!) mit einer Radikalkettenreaktion mit langen Ketten verträglich sind. Mittlere Bindungsdissoziationsenthalpien sind nützlich, um abzuschätzen, ob alle Reaktionsschritte der Kettenfortpflanzung schnell genug für eine solche Kettenreaktion sind (nach F. A. Carey, R. J. Sundberg, Organische Chemie, VCH, Weinheim 1995, S. 661).
Aufgabe 4.2 Zu a. Ausgehend von einem Hydridoolefinkomplex 1 verlaufen Doppelbindungsisomerisierungen in der Abfolge Insertion (1 ĺ 2) und ȕ-Hydrideliminierung von H’ (2 ĺ 3), setzen also eine ȕHydrideliminierung voraus (in Abb. 4.2, vgl. S. 47, wäre das die Reaktion 5 ĺ 4)
H [M]
H
1
[M]
[M]
R H'
H'
H' R
R
H
2
3
H
Zu b. Es handelt sich um eine migratorische Insertion (4 ĺ 5) unter Wanderung des cis-ständigen Hydridoliganden an den Olefinliganden. Somit wird primär ein trans-Alkyl-hydrido-Komplex 4 5’ gebildet. (Die Substanznummerierungen beziehen sich auf Abb. 4.2.)
L
Rh
Cl
5
L H
5'
Aufgabe 4.3 Zu a. Das Į-C-Atom der Aminosäure ist maßgebend für die Konfigurationsbezeichnung. Bezugssubstanz ist Serin: COOH
COOH Fischer-Projektion:
L-Serin
H2N
C
H
H
C
D-Serin
NH2
CH2OH
CH2OH
Anleitung für L-DOPA: Schreibe die Keilstrichformel der Aminosäure derart (a), dass daraus die Fischer-Projektion (b) abgeleitet werden kann: COOH H2N
C
COOH
H
H2N
R
C
H
R
a
(R = CH2C6H3(OH)2)
b
Der Vergleich mit Serin zeigt, dass es sich um L-DOPA handelt. Zu b. Bestimme die Prioritäten der Substituenten am asymmetrischen C-Atom nach dem CIP-System Beispiel
allgemein
a
>
b
>
c
>
d
Serin
NH2
>
COOH
>
CH2OH
>
H
DOPA
NH2
>
COOH
>
CH2C6H3(OH)2
>
H
fallende Priorität
291 und betrachte das Molekül von der Seite aus, die dem Liganden niedrigster Priorität (d) abgewendet ist. Entspricht die Reihenfolge a ĺ b ĺ c einer Rechtsdrehung, erhält das Chiralitätszentrum das Symbol R. Bei einer Linksdrehung wird das Symbol S geschrieben. Die perspektivisch gezeichnete Formel c macht klar, dass es sich bei L-DOPA um die S-Konfiguration handelt.
Blickrichtung
COOH R
C H
H2N c
Merke: Mit Ausnahme von Cystein/Cystin entspricht bei Į-Aminocarbonsäuren die L-Form der S-Konfiguration und die D-Form der R-Konfiguration des Į-C-Atoms.
Aufgabe 4.4 1. Schritt: Zeichnen Sie das Olefin und bestimmen Sie die Re- und Si-Seite. (In der Darstellung von 1 blicken Sie auf die Re-Seite.) 2. Schritt: Zeichnen Sie die beiden H2-Additionsprodukte. Aus dem Mechanismus wird klar, dass H2 an der Seite addiert wird, an der das Olefin koordiniert ist (siehe Formelskizze 2, in der 1 an der Re-Seite koordiniert ist). 3. Schritt: Bestimmen Sie die Konfiguration des hydrierten Produktes. Ph
NHAc
H Koordination an [Rh] und H2-Addition von der Si-Seite (hinten)
Ph H H
Rh
Koordination an [Rh] und H2-Addition von der Re-Seite (vorn)
NHAc *
1
AcHN COOMe H
COOMe
H COOMe
(R)-Produkt (D-DOPA)
Ph H H
H
Ph H 2
NHAc *
H COOMe
(S)-Produkt (L-DOPA)
Aufgabe 4.5 Die Reaktionsgeschwindigkeit der beiden Diastereomere [ML] und [MD] ist durch rL
kL cL pH2 und rD
Einsetzen von k rD rL
e e
'GDI / RT I L
'G / RT
kD cD pH2 gegeben. Mit K L/D
k BT 'G I / RT e und von ''GL/D h e
''GL/D / RT
e
cD cL
rD rL
folgt
'GD 'GL
( 'GDI 'GLI ''GL/D ) / RT
kD K L/D . kL
RT ln K L/D ergibt
e
''GLI/DI / RT
.
Somit ist die Tatsache, dass das Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeiten durch die Differenz der freien Enthalpien der Übergangszustände bestimmt wird, auf die Differenz der freien Aktivierungsenthalpien und dem Konzentrationsverhältnis der Edukte (KL/D) zurückzuführen. Die nicht zutreffende Behauptung, dass das Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeiten durch die Differenz der freien Aktivierungsenthalpien bestimmt wird, lässt unberücksichtigt, dass das thermodynamisch weniger stabile Edukt (hier: [ML] + H2) in geringerer Konzentration vorliegt.
292
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 4.6 Die Produkte PD und PL bilden sich im Verhältnis der Reaktionsgeschwindigkeiten rD : rL, welches durch die Differenz der freien Enthalpien der Übergangszustände bestimmt wird. Wir stellen die Gleichung aus Aufgabe 4.5 nach ''GL‡/D‡ um, ''GL‡/D‡ = –RT ln(rD/rL), und setzen die entsprechenden Werte (T = 298 K, R = 8,31441 J/(mol · K)) ein: % ee
Produktverhältnis PD/PL
Ň''GL‡/D‡Ň(in kJ/mol)
90
95/5
7,3
99
99,5/0,5
13,1
99,9
99,95/0,05
18,8
Eine Differenz der freien Enthalpien der Übergangszustände von nur 13,1 kJ/mol ergibt bereits einen Enantiomerenüberschuss von 99 % (z. Vgl. C–C-Rotationsbarriere in Ethan: Aufgabe 2.1).
Aufgabe 4.7 Das Hammond-Prinzip besagt, dass die Umwandlung von zwei Zuständen ähnlichen Energieinhaltes, die nacheinander auf der Reaktionskoordinate durchlaufen werden, nur mit geringen strukturellen Änderungen verbunden ist. Wir diskutieren vereinfachend für die Energie: Zu a. Der Reaktionsschritt ist exotherm, die Aktivierungsbarriere ist niedrig. Nach dem Hammond-Postulat sind die Übergangszustände den Edukten strukturell ähnlich, so dass die Energiedifferenz der Übergangszustände etwa der der Edukte entspricht. Das thermodynamisch stabilere Diastereomer bestimmt die Enantioselektivität. Das Enantiomerenverhältnis der Produkte entspricht etwa dem von 1 und 1’. Zu b/c. Der Reaktionsschritt ist endotherm, die Aktivierungsbarriere für die Rückreaktion ist niedrig. Nach dem Hammond-Postulat sind die Übergangszustände den Produkten 2/2’ strukturell ähnlich. Die Energiedifferenz der Übergangszustände entspricht etwa der der diastereomeren Produktkomplexe 2/2’. In b korrespondiert der thermodynamisch stabilere Eduktkomplex 1 mit dem thermodynamisch stabileren Produktkomplex 2, während in c das Umgekehrte gilt. Während in b zumindest noch aus dem thermodynamisch stabileren Eduktkomplex 1 das im Überschuss gebildete Enantiomer hervorgeht (wenn auch nicht mit der Erwartung, dass das Enantiomerenverhältnis der Produkte der Stabilitätsdifferenz der Edukte entspricht), wird bei c – gemäß einer kinetisch kontrollierten Enantioselektivität – das hauptsächlich gebildete Eantiomer aus dem Diastereomer generiert, das im Unterschuss vorliegt (vgl. B. Bosnich, Acc. Chem. Res. 1998, 31, 667).
Aufgabe 5.1 In Komplexen [CoH(CO)4–n(PR3)n] gilt für PR3 = P(n-Bu)3: n
0
1
2
3
TZers. (in °C)
–20
20
160
80
ȞCO (in cm )
2043–2121
1933–2050
1902–1978
1883
pKa
1
7 (PR3 = PPh3)
–1
293 (Angaben aus [M15], Vol. 5, S. 10 ff und dort zit. Lit.). Substitution von CO, ein schwach ı-basischer, aber stark ʌ-acider Ligand, in [CoH(CO)4] durch PR3, ein starker ı-Donor, aber schwacher ʌ-Akzeptor, führt zu einer Stärkung der ʌ-Rückbindung zu den verbliebenen CO-Liganden, also zu einer Stärkung der Co–CO-Bindungen. Substitution von CO durch PR3 erhöht die Basizität des Anions, die Acidität der Co–H-Verbindung wird folglich geringer.
Aufgabe 5.2 Wegen der geringeren thermodynamischen Stabilität liegen die terminalen Olefine nur in geringen Konzentrationen vor. Der Katalysator muss also neben einer hohen Doppelbindungsisomerisierungsaktivität auch terminale Doppelbindungen deutlich schneller als innere hydroformylieren und ein gutes n/isoVerhältnis liefern.
Aufgabe 6.1 Die oxidative Addition verläuft im Sinne einer SN2-Reaktion: Der quadratisch-planare Komplex [RhI2(CO)2]– (RhI; d8) verfügt über ein doppelt besetztes dz2-Orbital und reagiert als Nucleophil. Das lässt erwarten, dass eine Erhöhung der Elektronendichte am Rh-Atom (z. B. durch Einführung von Poder S-Donorliganden) zu einer Steigerung der Reaktionsgeschwindigkeit der oxidativen Addition führt. Allerdings resultiert aus der höheren Elektronendichte auch eine stärkere Rh–CO-Bindung, so dass der nachfolgende Insertionsschritt langsamer wird. Das erfordert ein spezielles Ligandendesign, bei dem auch die Langzeitstabilität berücksichtigt werden muss, um zu einem für industrielle Anwendungen geeigneten Katalysatorsystem zu kommen [Tho 2003].
Aufgabe 6.2 Zum einen bildet sich der Katalysatorkomplex [RhI2(CO)2]– durch Umsetzung von RhI3 mit H2O/CO. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass via CO-Konvertierung H2 gebildet wird, das dann als Reduktionsmittel fungiert.
Aufgabe 6.3 Bei der Cocarbonylierung von Methanol und Methylacetat sind drei Reaktionsphasen zu unterscheiden (nach P. Torrence in [M7], S. 104): Methanol ist die reaktivere Komponente, so dass zunächst aus MeOH gemäß Reaktion b (Zyklus I, Abb. 6.4) MeI und H2O gebildet wird und gemäß d (Zyklus II, Abb. 6.4) MeCOI mit Methanol zu MeCOOMe umgesetzt wird. MeI wird aus MeCOOMe nach Reaktion e (Zyklus II, Abb. 6.4) generiert und MeCOI wird durch Wasser (gebildet in der ersten Reaktionsphase) gemäß c zu Essigsäure (Zyklus I, Abb. 6.4) umgesetzt. Bei beiden Reaktionen entsteht Essigsäure. Es erfolgt Carbonylierung von Methylacetat unter Bildung von Acetanhydrid (Zyklus III/IV, Abb. 6.5). Die Konzentration an Essigsäure ändert sich dabei nicht, so dass letztlich ein Gemisch von MeCOOH und (MeCO)2O gebildet wird.
Aufgabe 6.4 a) Solvatation des Iodidanions via Wasserstoffbrückenbindungen befördert seine Abspaltung. b) Der starke trans-Einfluss und trans-Effekt von CO in 6’ labilisiert die Ir–Me-Bindung bzw. stabilisiert den Übergangszustand, was die Aktivierungsenergie der Reaktion 6’ ĺ 7’ herabsetzt.
294
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 7.1 Die Homometathese symmetrisch substituierter Olefine ist nichtproduktiv. Bei R2C=CR2 erfolgt keinerlei stoffliche Veränderung, während bei der Metathese von RHC=CHR eine cis-trans-Isomerisierung zu erwarten ist. Bei der Kreuzmetathese von RHC=CHR’ mit R’’HC=CHR’’’ können prinzipiell die vier verschiedenen Alkylidengruppen in jeder denkbaren Weise verknüpft werden: RHC=
=CHR
=CHR’
=CHR’’
x
x
x
x
x
x
x
x
x
R’HC= R’’HC= R’’’HC=
=CHR’’’
x
Es ergeben sich demnach 10 verschiedene Olefine, die jeweils als cis- und trans-Isomere auftreten können.
Aufgabe 7.2 Die Bildung eines Cyclobutans aus zwei Olefinen (hier am Beispiel von Ethen) in einer konzertierten Reaktion entspricht einer [2ʌ+2ʌ]-Cycloaddition. Aus dem Orbitalkorrelationsdiagramm geht hervor, dass ein bindendes Niveau der Reaktanten (SA) mit einem antibindenden Niveau des Produktes (SA) und vice versa (AS ĸĺ AS) korrelieren. Demzufolge gibt es aus dem Grundzustand der beiden Ethenmoleküle unter Erhalt der Orbitalsymmetrie in einer konzertierten Reaktion keinen direkten Weg in den Grundzustand des Cyclobutans. Bei einer thermischen Reaktionsführung muss eine durch die Symmetrieverhältnisse bedingte sehr hohe Barriere überwunden werden, die Reaktion ist symmetrieverboten (nach R. B. Woodward, R. Hoffmann, Angew. Chem. 1969, 81, 797). Vv
AA AA S* * S AS
Vh
SA
V* V*
AA SA
AA a
AS SA
S S
AS
V V
SS
SA c
AS
SS
SS b
SS
a) Anordnung zweier Olefinmoleküle vor der Cyclisierung; die beiden Moleküle bewegen sich so aufeinander zu, dass ıv und ıh Symmetrieebenen sind. Die Symmetrie der beteiligten Orbitale wird gegenüber den Spiegelebenen ıv und ıh klassifiziert (A = antisymmetrisch, S = symmetrisch). b) Orbitalkorrelationsdiagramm. In den Zweibuchstabensymbolen ist die Symmetrie bezüglich der Spiegelebene ıv (erster Buchstabe) und ıh (zweiter Buchstabe) angegeben.
295 c) Dass die konzertierte. Cyclobutanbildung symmetrieverboten ist, folgt auch aus einer Analyse der beiden möglichen HOMO–LUMO-Wechselwirkungen, für die aus Symmetriegründen für das Überlappungsintegral S = 0 gilt, so dass auf diesem Wege keine Bindungsbildung erfolgen kann.
Aufgabe 7.3 Zum Zeitpunkt t = 0 liegt noch kein C6-Olefin vor (cC6 = 0), so dass nach dem „paarweisen“ Mechanismus cC14 = 0 sein sollte. Folglich müsste eine Extrapolation der zu verschiedenen Zeitpunkten ermittelten Produktverhältnisse cC14 : cC12 und cC14 : cC16 auf t = 0 den Wert null ergeben. Experimentell sind Werte ungleich null gefunden worden, so dass ein paarweiser Mechanismus ausgeschlossen werden kann. Nach dem Chauvin-Mechanismus liegen zu allen Zeitpunkten die Produkte C12, C14 und C16 in statistischer Verteilung vor (bei cButen = cOcten gilt: cC12 : cC14 : cC16 = 1 : 2 :1). Genau das Produkt, dass nach dem „paarweisen“ Mechanismus zu Anfang der Reaktion überhaupt nicht gebildet wird (C14), ist Hauptprodukt. Somit muss – in Übereinstimmung mit dem experimentellen Ergebnis – für das Produkt cC14/cC12 · cC14/cC16 = 4 gelten. Die Diskussion ist vereinfacht geführt. Ein detailliertes kinetisches Modell ist in T. J. Katz, J. McGinnis, J. Am. Chem. Soc. 1977, 99, 1903 zu finden.
Aufgabe 7.4 „Back-biting“ führt zur Bildung von cyclischen Oligomeren und einem kürzeren Polymer, das als Carben am Metall gebunden ist (1 ĺ 2; O = Oligomereinheit, P = wachsende Polymerkette). Bei der entsprechenden intermolekularen Reaktion (3 ĺ 4) werden Polymere mit sehr unterschiedlichen Molmassen gebildet (nach A. J. Amass in [M1], Vol. 4, S. 109). P'
P [M]
P
[M] O
[M]
+
O 2
1
P
P'
[M]
P'
+ P
P' 3
4
Aufgabe 7.5 Die Doppelbindung im Cyclobutenring von 1 ist hochgespannt und unterliegt selektiv einer ROMPolymerisation zu 1’, das in einer Retro-Diels-Alder-Reaktion Polyacetylen 1’’ liefert. Das Produkt heißt „Durham-Polyacetylen“ von den Entdeckern Feast et al. (1980) an der Durham-University (U.K.). Benzvalen 2 liefert bei der ROM-Polymerisation ein hochgespanntes Polymer 2’, das mit Metallsalzen wie HgCl2 zu Polyacetylen 2’’ isomerisiert (Grubbs et al., 1988) (nach W. J. Feast in [M1], Vol. 4, S. 135; T. M. Swager, R. H. Grubbs, J. Am. Chem. Soc. 1989, 111, 4413). R
R
R
R R
'
ROMP
+ n
Retro-Diels-Alder- Reaktion
1'
1
n
n
1'' HgCl2
ROMP
Isomerisierung
2
2'
n
n
2''
R
296
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 7.6 Die Norbornen-Doppelbindung (8/9) von DCPD ist hochgespannt und damit reaktiver als die im Cyclopentenring (3/4) (3 ĺ 4). Die Doppelbindungen im Polymer 4 können cis- oder trans-konfiguriert sein. Zur Taktizität, die sich aus der Orientierung des Bicyclus in Bezug auf die Hauptkette ergibt, vgl. Aufgabe 9.8. Wenn auch die andere Doppelbindung von DCPD in die ROM-Polymerisation einbezogen wird, können drei weitere Strukturelemente gebildet werden (ohne Berücksichtigung von cis/transIsomerie), nämlich ausschließliche Ringöffnung des Norbonenringes (Strukturelement 5) bzw. des Cyclopentenringes (Strukturelement 6) sowie Ringöffnung beider Ringe (Strukturelement 7) (nach [Mol 2004]). 9
n
1
H H
8
Kat.
3
n
4
3
4
... ...
...
... ...
...
... 5
...
7
6
Aufgabe 7.7 Wird die Reaktion im Verhältnis A : B = 1 : 1 durchgeführt, bilden sich die beiden erwarteten Alkylidenkomplexe 2 und C im Verhältnis 1 : 1. Bei einem 10-fachen Überschuss an B entsteht nur 2. In diesem Fall ist die Reaktion von einer Metathese begleitet, wahrscheinlich reagiert unter diesen Bedingungen gebildetes C sehr schnell mit B zu 2 und Butin, das im Vakuum aus dem Gleichgewicht entfernt wird (nach M. L. Listermann, R. R. Schrock, Organometallics 1985, 4, 74). (A : B = 1 : 1)
(t-BuO)3W Ct-Bu + (t-BuO)3W CMe C 2
(t-BuO)3W W(Ot-Bu)3 + t-BuC CMe A
B (A : B = 1 : 10)
2 (t-BuO)3W Ct-Bu + MeC CMe 2
Aufgabe 7.8 Bei oxidativen Additionsreaktionen steuert das Metall zwei d-Elektronen (siehe Pfeil) für die M–X- und M–Y-Bindungsbildung bei, was zur Erhöhung der Oxidationsstufe des Zentralmetalls um zwei Einheiten führt. Da d0-Komplexe über keine d-Elektronen verfügen, sind oxidative Additionsreaktionen an diesen Metallen prinzipiell nicht möglich.
[M] +
X Y
[M]
X Y
Aufgabe 7.9 Der vorgeschlagene Reaktionsmechanismus geht von einem ȕ-Alkyltransfer aus, der in Umkehrung der Insertion eines Olefins in eine M–C-Bindung einen Alkylolefinkomplex liefert (5 ĺ 6). Hydrogenolyse
297 ergibt im Sinne einer ı-Bindungsmetathese (Reaktion a, S. 115) einen Hydridoolefinkomplex und einen gesättigten Kohlenwasserstoff (P’–H; P, P’ = Polymerkette) (6 ĺ 7). Durch Olefininsertion wird ein Alkylkomplex gebildet (7 ĺ 8), dessen Hydrogenolyse unter Rückbildung des Katalysatorkomplexes 1 zu einem gesättigten Kohlenwasserstoff (P–CH2CH3) führt. P
P + H2
P'
[Zr]s P
[Zr]s
5
6
P'
P' H
[Zr]s 7
P
[Zr]s H
+ H2
H
H
+ [Zr]s P
8
1
Die Produktverteilung beim hydrogenolytischen Polymerabbau zeigt, dass die C–H-Aktivierung (1 ĺ 5) unselektiv verläuft, so dass eine statistische Spaltung der C–C-Bindungen der Polymerkette erfolgt. Die Thermodynamik wird durch die Gesamtbilanz der Reaktion bestimmt, in deren Verlauf durch Hydrierung der intermediär gebildeten Olefine sehr stabile Alkane entstehen, die Gesamtreaktion also exotherm wird. Damit ist aus thermodynamischer Sicht eine ȕ-Alkyleliminierung als endotherme Teilreaktion prinzipiell möglich (nach V. Dufaud, J.-M. Basset, Angew. Chem. 1998, 110, 848).
Aufgabe 7.10 Plausibel ist eine Reaktion von 5 mit dem H-Akzeptorolefin 7’ unter Insertion und reduktiver C–H-Eliminierung zu 7, so dass der 14-ve-Komplex 5’ gebildet wird. Eine oxidative Addition des Substrates 6 an 5’ (die augenscheinlich sehr selektiv an den primären C–H-Bindungen der Methylgruppe erfolgt) würde erneut einen Alkylhydridoirididium(III)-Komplex bilden, aus dem durch ȕ-H-Eliminierung unter Rückbildung des Katalysators 5 das Produkt 6’ abgespalten wird (nach F. Liu, E. B. Pak, B. Singh, C. M. Jensen, A. S. Goldman, J. Am. Chem. Soc. 1999, 121, 4086). H + R'HC CH 2
[Ir]
H
7'
[Ir]
R' R'H2C CH3 H
7
[Ir]
5
+ RH2C CH3 6
[Ir]
R RHC CH2 6'
H
5'
5
Aufgabe 8.1 Es können sechs isomere Hexene gebildet werden: Insertion in NiH-Bindung
Insertion in NiC-Bindung
E-H-Eliminierung +
[Ni] [Ni] [Ni] [Ni] H + [Ni] [Ni] [Ni]
H [Ir]
+
H
298
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 8.2 Katalysatorkomplex ist eine koordinativ ungesättigte TiII-Verbindung 1, die durch Umsetzung von Ti(OR)4 mit AlR’3 gebildet wird. Reaktion mit Ethen ergibt einen Bis(Ș2-ethen)-Komplex 2, der via oxidative Kupplung (2 ĺ 3) und ȕ-H-Eliminierung/reduktive Eliminierung (3 ĺ 4) das Produkt (But-1en) liefert. Einbeziehung von Buten in die Reaktion ergibt aus 2 durch Ligandensubstitution einen Buten(ethen)-Komplex (2 ĺ 5), der ebenfalls einer oxidativen Kupplung unterliegt (5 ĺ 6). ȕ-Wasserstoffeliminierung/reduktive Eliminierung von C–H führt zu 2-Ethylbut-1-en (6 ĺ 7) und von C–H’ zu 3-Methylpent-1-en (6 ĺ 7’) (nach [Com 1997]). [TiIV]
[TiII] 2
[TiII]
3
4
+ H [TiIV]
[TiII]
H' 5
+
[TiII]
6
7
7'
Aufgabe 8.3 Die Metathese ist entropisch getrieben, so dass sich die Gleichgewichtszusammensetzung aus einer statistischen Umverteilung der Akylidengruppen ermitteln lässt. a) Aus den Molenbrüchen (x) der Ausgangsstoffe (x(C10=C10) = 1/2, x(C2=C2) = 1/2) werden die der Alkylidenfragmente (x(C10=) = 1/2, x(C2=) = 1/2) ermittelt und die Gleichgewichtskonzentrationen berechnet: Olefin
C-Zahl
Molenbruch
c (in mol-%)
C10=C10
20
1/2 · 1/2 = 1/4
25,0
C10=C2
12
2 · 1/2 · 1/2 = 1/2
50,0
C2=C2
4
1/2 · 1/2 = 1/4
25,0
b) Molenbruch der Ausgangsstoffe: x(C15=C5) = 1/2, x(C2=C2) = 1/2. Molenbruch der Alkylidenfragmente: x(C15=) = 1/4, x(C5=) = 1/4, x(C2=) = 1/2. Gleichgewichtskonzentrationen: Olefin
C-Zahl
Molenbruch
c (in mol-%)
C15=C15
30
1/4 · 1/4 = 1/16
6,25
C15=C5
20
2 · 1/4 · 1/4 = 2/16
12,5
C15=C2
17
2 · 1/4 · 1/2 = 2/8
25,0
C5=C5
10
1/4 · 1/4 = 1/16
6,25
C5=C2
7
2 · 1/4 · 1/2 = 2/8
25,0
C2=C2
4
1/2 · 1/2 = 1/4
25,0
299 Die Produktverteilung für die Metathese von C19=C1 (c) sowie von C10=C10 (zweite Teilaufgabe) wird analog berechnet: Olefin
C-Zahl
c (in mol-%)
Olefin
C-Zahl
c (in mol-%)
C19=C19
38
6,25
C10=C10
20
1,0
C19=C2
21
25,0
C10=C2
12
18,0
C19=C1
20
12,5
C2=C2
4
81,0
C2=C2
4
25,0
C2=C1
3
25,0
C1=C1
2
6,25
Hinweis. Wenn Ihnen die Wahrscheinlichkeitsrechnung schwer fällt, dann vergegenwärtigen Sie sich, dass die Wahrscheinlichkeit mit zwei Würfeln die Kombination 6 + 6 zu werfen 1/6 · 1/6 = 1/36 beträgt. Die Wahrscheinlichkeit, die Kombination 5 + 1 zu werfen, beträgt dahingegen 2 · 1/6 · 1/6 = 2/36.
Aufgabe 9.1 1,4-Polymerisation von 2,3-Dimethylbutadien und nachfolgende Hydrierung liefert H–H-Polypropen. Hydrierung
1,4-Polymerisation
TiCl4/AlR3
n
Kat.
n
Es ist auch durch alternierende Copolymerisation von cis-But-2-en und Ethen mit VCl4/Al(C8H17)3 zugänglich (O. Vogl, M. F. Qin, A. Zilkha, Prog. Polym. Sci. 1999, 24, 1481).
Aufgabe 9.2 Polymere vom Typ 1 sind typisch für eine stereochemische Kettenendkontrolle. Tritt bei einer wachsenden Kette der Konfiguration (...RRRR)rel. ein Baufehler auf (...RRRRS)rel., wächst die Kette bis zum nächsten Baufehler mit S-Konfiguration der Stereozentren (...RRRRSSS...)rel. usw. Polymere vom Typ 2 sind typisch für eine Stereokontrolle durch das Katalysatorzentrum. Ein Baufehler wird beim nächsten Insertionsschritt sofort korrigiert, so dass Polymere mit statistisch verteilten einzelnen Fehlstellen gebildet werden. Somit pflanzen sich Baufehler im ersten Fall fort, nicht aber im zweiten Fall.
Aufgabe 9.3 Die Polymerstrukturen mit Baufehler (durch Pfeile gekennzeichnet) sowie die darauf zurückzuführenden Triaden/Pentaden sind nachfolgend angeführt (nach [Res 2000]). Stereokontrolle durch das Katalysatorzentrum: 1 – isotaktisch: Triaden: mr + rr + mr. Pentaden: mmmr + mmrr + mrrm + mmrr + mmmr. 2 – syndiotaktisch: Triaden: mr + mm + mr. Pentaden: rrrm + mmrr + rmmr + mmrr + rrrm.
Stereokontrolle durch das Kettenende: 3 – isotaktisch: Triaden: mr + mr. Pentaden: mmmr + mmrm + mmrm + mmmr. 4 – syndiotaktisch: Triaden: mr + mr. Pentaden: rrrm + rrmr + rrmr + rrrm.
300
Lösungen zu den Aufgaben
1
...
...
...
...
2
3
...
...
...
...
4
Aufgabe 9.4 Die Stöchiometrie im Innern der Kristalle ist durch die Verknüpfung der MCl6-Oktaeder (M = Ti, Mg) gegeben. Für die angeführten Kristallflächen gilt Folgendes: Fläche
K.Z.
(110) an TiCl3
5
Ti(μ-Cl)4Cl
(100) an MgCl2 (110) an MgCl2
Koordination
Stöchiometrie TiCl4/2Cl1
TiCl3 MgCl2
5
Mg(μ3-Cl)3(μ-Cl)2
MgCl3/3Cl2/2
a)
4
Mg(μ3-Cl)2(μ-Cl)2
MgCl2/3Cl2/2
b)
6
Mg(μ3-Cl)4(μ-Cl)2
MgCl4/3Cl2/2
Mg2Cl4 = MgCl2
a) Oberflächenatom. b) Darunter liegende Schicht, die in die Betrachtung einzubeziehen ist, da die Koordination der Mg-Ionen sich noch von denen im Kristallinneren (Mg(μ3-Cl)6 = MgCl6/3) unterscheidet. Hinweis: Fertigen Sie sich virtuelle 3D-Modelle der Strukturen mittels eines üblichen Kristallstrukturvisualisierungsprogramms wie DIAMOND an (Daten aus: Inorganic Crystal Structure Database, ICSD, FIZ Karlsruhe, Karlsruhe 2004). MgCl2: Kristallsystem: trigonal/rhomboedrisch; Raumgruppe: P 3 m 1 (Nr. 164); Zellparameter: a = b = 3.641 Å, c = 5.927 Å; Koordinaten: Mg (0, 0, 0) [Multiplizität/Wyckoff-Buchstabe: 1a], Cl (1/3, 2/3, 0,23) [2d]. (ICSD #17063) Į-TiCl3: Kristallsystem: trigonal/rhomboedrisch; Raumgruppe: P 3 1 m (Nr. 162); Zellparameter: a = b = 6,14 Å, c = 5,85 Å; Koordinaten: Ti (1/3, 2/3, 0) [2c], Cl (1/3, 0, –0,25) [6k]. (ICSD #29035)
Aufgabe 9.5 Metallocendichloride weisen eine verzerrt tetraedrische Koordination von zwei Chloroliganden und zwei Ș5-gebundenen Cyclopentadienylliganden auf. Bei ungehinderter Rotation der Cyclopentadienylliganden um die M–Cpcg-Achse liegt im Mittel C2v-Symmetrie vor.
Aufgabe 9.6 Aus 4 geht durch Spiegelung an ı das andere Enantiomer 4ent hervor. Bei 4 erfolgt die Koordination von Propen an der Si-Seite und bei 4ent an der Re-Seite.
V Me
P
Zr
Me
P
Zr
Me
Me 4ent
4
301 Während i-PP nur pseudochiral ist, sind Oligomere chiral, so dass die Möglichkeit zur asymmetrischen * * * Synthese von Propenoligomeren gegeben ist. Z. B. 6 6' enthalten das Trimere 6 und das Tetramere 6’ (gebildet durch primäre Insertion, Kettenabbruch via ȕ-H-Eliminierung) nur ein bzw. zwei chirale CAtome (nach [Kam 2001]).
Aufgabe 9.7 Es ergeben sich vier Polymere mit exakt definierter Mikrostruktur. Ausgehend vom hemi-isotaktischen Polymer 1 führt eine isotaktische Anordnung der Stereozentren 2, 4, 6, ... („iso–iso“-Kombination) entweder zum isotaktischen Polymer 3 oder zum syndiotaktischen Polymer 4. Ausgehend vom hemisyndiotaktischen Polymer 2 führt eine syndiotaktische Anordnung der Stereozentren 2, 4, 6, ... („syndio–syndio“-Kombination) zum heterotaktischen Polymer 5, das durch eine Alternanz von m- und rDiaden gekennzeichnet ist. Schließlich führt die „syndio–iso“-Kombination (2 ĺ 6) bzw. „iso–syndio“Kombination (1 ĺ 6) zum biheterotaktischen Polymer 6 (nach H.-G. Elias, Makromoleküle, Bd. 1, Wiley-VCH, Weinheim 1999). ...
...
...
... 2
1 m m m m m
m r m r m r
...
...
...
...
3
5 r
r r
r
r
r
...
...
m m r
r m
...
... 6
4
Aufgabe 9.8 Intermolekulare primäre Insertion führt zu einem Polymerstrang mit einem But-3-enylsubstituenten an C2 (1 ĺ 2). Nachfolgende intramolekulare primäre Insertion ergibt im Sinne einer Cyclopolymerisation einen Cyclopentanring in der Hauptkette des Polymers (2 ĺ 3). P [M]
P 1
P
[M]
[M] 2
3
Das Polymer 4 besitzt zwei Stereozentren pro konstitutiven Grundbaustein (Cyclopentan-1,2-diylmethylen), ist also ditaktisch. Die beiden Stereozentren eines Cyclopentanringes können eine r- oder eine m-Diade bilden. Die Polymeren werden als threo- (4a/b) bzw. erythro-Polymere (4c/d) bezeichnet (vgl. Fußnote, S. 263; anstelle der Bezeichnung threo/erythro ist auch trans/cis gebräuchlich). Gleichartige Stereozentren (*1,*1’ bzw. *2,*2’) in aufeinander folgenden Bausteinen sind entweder beide isotaktisch (4a/d) oder beide syndiotaktisch (4b/c). Es gibt also ein threo-diisotaktisches (4a) und -disyndiotaktisches (4b) sowie ein erythro-disyndio- (4c) und -diisotaktisches Polymer (4d) (nach [Coa 2000]).
302
Lösungen zu den Aufgaben *1 * 2 r
*1' *2' r
r
m
r
n
n
n
4a
m
m
m
n
4c
4b
4d
Aufgabe 9.9 Die Reaktionsgeschwindigkeit der alternierenden Copolymerisation berechnet sich nach r1 = k2ĺ3 · c2 und die der doppelten Etheninsertion nach r2 = k7ĺ8 · c7. Somit ergibt sich r1 r2
c2 k2 o 3 c7 k7 o 8
K
cCO k2 o 3 7,3 103 2 | 104 10 cC 2 H 4 k7 o 8 0,11
6,6 104 | 105.
Auf ca. 105 reguläre Insertionen kommt eine doppelte Etheninsertion. Bei einer Molmasse des Polymeren Mn = 20000 g/mol tritt ein Baufehler nur in jeder zweihundertsten Kette auf (nach [Shu 2000]).
Aufgabe 9.10 Die Bezeichnung leitet sich von der relativen Konfiguration der asymmetrischen C-Atome ab (vgl. Exkurs „Konfiguration von Polypropen“, S. 147). Bei den isotaktischen Polymeren haben alle diese CAtome entweder (R)- oder (S)-Konfiguration. (In 1 ist ein ...SSS...-Polymer gezeichnet.) In den syndiotaktischen Polymeren weisen die asymmetrischen C-Atome alternierend (R)- und (S)-Konfiguration auf.
Aufgabe 10.1 Nein! In diesem Fall wird die relative Position des Referenzprotons und des Substituenten R nicht geändert . Lediglich die beiden H-Atome der CH2-Gruppe tauschen ihre Plätze, was aber für die Bezeichnung syn/anti ohne Belang ist. Bedingt durch die anti-syn-Isomerisierung treten bei Ș3-Allylliganden vier Topomere auf: H1 H1'
H [M]
H3 H3'
H1' H1
H [M]
H3 H3'
H1 H1'
H [M]
H3' H3
H1' H1
H [M]
H3' H3
Aufgabe 10.2 Aus retrosynthetischen Überlegungen ergibt sich die Reaktionsabfolge 5d 4d 3c. Die Bildung von 3c erfordert die Kupplung zweier cis-Butadiene aus einem Komplex vom Typ 2 oder ausgehend von 3b eine Isomerisierung der Ș3-syn- in eine Ș3-anti-Allylgruppe. Dann wäre s-cis-Butadien in die Ș3-anti-Allylgruppe zu insertieren (3c ĺ 4d). Alle diese Reaktionsschritte sind energetisch bzw. kinetisch unvorteilhaft, so dass dieser Reaktionspfad nicht beschritten wird. Ni
3c
Ni
4d (Bis(K3-anti),'-cis)
[Ni(c,c,c,-CDT)] (5d)
303 Experimentell ist gezeigt, dass die Reaktion [Ni(t,t,t-CDT)] + c,c,c-CDT 5a
Ether
[Ni(c,c,c-CDT)] + t,t,t-CDT 5d
8d
8a
in Ether als Lösungsmittel glatt abläuft. Aus ǻG = –RT lnK errechnet sich mit ǻǻG = –20 kJ/mol, dass die Komplexbildungskonstante von [Ni(c,c,c,-CDT)] (5d) ca. 3200-mal größer als die von 5a ist (nach K. Jonas, P. Heimbach, G. Wilke, Angew. Chem. 1968, 80, 1033; [Tob 2003]).
Aufgabe 10.3 Beim strukturell charakterisierten Komplex in Abb. 10.11 handelt es sich um das Ș3-syn,Ș1(C1),'-cisIsomer mit 1,4-Verknüpfung der beiden Isoprenmoleküle (2b). Die resultierende 2,6-Dimethylsubstitution legt einen Bis(isopren)-Komplex 1b mit zwei verschiedenartig koordinierten Isoprenmolekülen (1,2versus 3,4-Koordination) als Vorstufe nahe. NMR-Untersuchungen zeigen, dass zunächst der 3,6-dimethylsubstituierte Komplex 2a gebildet wird. 2a lagert sich oberhalb von +10 °C in ein 4:1-Gemisch von 2b und 2c um. Das erfordert zwangsläufig eine Spaltung der C4–C5-Bindung, so dass von einem Gleichgewicht der Bis(isopren)-Komplexe 1a, 1b und 1c auszugehen ist (nach R. Benn, B. Büssemeier, S. Holle, P. W. Jolly, R. Mynott, I. Tkatchenko, G. Wilke, J. Organomet. Chem. 1985, 279, 63).
L Ni
L Ni
L Ni
1a
1b
1c
L Ni
L Ni
2a
2b
+
L Ni L = PCy3
2c
Aufgabe 10.4 Als Produkte werden Octa-1,3,7-trien sowie zwei funktionalisierte Octadiene gebildet. X
X
Ni
L
[Ni0L]
[Ni0L]
H 6b
HX [Ni0L]
H
H
H
X
304
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 10.5 Der Bildung des Octadienyl-Komplexes 6b (L = P(OEt)3; X = CF3COO–) auf dem üblichen Weg folgt eine Insertion der terminalen Doppelbindung in die Ni–C-Bindung und Produktabspaltung durch ȕHydrideliminierung (nach J. Furukawa, J. Kiji, H. Konishi, K. Yamamoto, Makromol. Chem. 1973, 174, 65). X
Ni
L
L
X
Ni
X
L
Ni "NiH(X)L"
6b
10
Aufgabe 10.6 Setzt man eine Kopf-Schwanz-Verknüpfung voraus, dann können cis-1,4- (1) und trans-1,4-Polyisopren (2) sowie iso- und syndio-1,2- (3/4) bzw. -3,4-Polyisopren (5/6) gebildet werden. *
n
n
*
3
2
1
*
n
*
n
*
4
* n
* n
*
5
6
Aufgabe 10.7 Die Polymerkette ist über eine Allylgruppe an M gebunden. Bei der Hydrogenolyse wird diese als Olefin abgespalten. Insertion von Ethen (oder eines Į-Olefins) anstelle von Butadien in die allylgebundene Polymerkette führt nicht zur Regenerierung dieser Allylgruppe. Der gebildete Alkylligand unterliegt bereitwillig einer ȕ-H-Eliminierung, so dass ebenfalls ein Polymer mit einer olefinischen Endgruppe gebildet wird. In beiden Fällen entsteht ein Hydridometallkomplex, der durch Insertion von Butadien zum Kettenneustart befähigt ist (nach L. Porri, A. Giarrusso in [M2], Vol. 4, S. 53). H [M]
+
P
[M] P
[M]
[M] H + P
P
Aufgabe 11.1 Hydroborierung von 1 mit 9-BBN (9-Borabicyclo[3.3.1]nonan) ergibt 2’, das bei einer carbonylierenden Suzuki-Kupplung zu 2 reagiert (nach T. Ishiyama, N. Miyaura, A. Suzuki, Bull. Chem. Jpn. 1991, 64, 1999). O
OMe
OMe 9-BBN
B
I 1
O
O
I 2'
[PdCl2(PPh3)2] CO (1 bar) K3PO4, Benzol, R.T.
O 2 (74 %)
OMe
305 Die „klassische“ Stille-Kupplung unter Verwendung eines Säurechlorides würde nicht zur Synthese von 3 führen, da die Säurechloride mit den Substituenten X (X = OH, COOH, NH2, …) nicht zugänglich sind. Durch carbonylierende Stille-Kupplung hingegen wird 3 erhalten (nach F. Karimi, J. Barletta, B. Långstöm, Eur. J. Org. Chem. 2005, 2374). O X
I + SnMe4
[Pd2(dba)3]/P(o-Tol)3 CO
Me X 3
Aufgabe 11.2 Oxidative Addition von 7 an Pd0 führt zu 7’ und Olefininsertion zu 7’’. Die Keilstrichformel 7’ macht klar, dass die Pd–C-Einheit von unten an die olefinische Doppelbindung angreift (7’ ĺ 7’’), also cis-Decalin gebildet wird. Eine Eliminierung von ȕ-H’ (7’’ ĺ 8) ist durch die Konjugation der beiden Doppelbindungen begünstigt (nach A. Kojima, C. D. J. Boden, M. Shibasaki, Tetrahedron Lett. 1997, 38, 3459).
R
R
H' 7
H
PdX P
*
PdX P P *
P 7'
H'
8
7''
*
9 reagiert unter oxidativer Addition OMe mit dem Katalysatorkomplex zu A’. 1 P OMe Es ist davon auszugehen, dass aus Pd CAr P A’ der Vorläuferkomplex A für die P Pd Insertion der Doppelbindung in die P 1' Pd–CAr-Bindung gebildet wird. A 2' 6' ist ein kationischer quadratisch-pla5' narer Palladium(II)-Komplex mit A B A' einem ı-gebundenen Aryl- und einem Olefinliganden. Dieser liegt in der Komplexebene („in-plane“), womit eine Voraussetzung für eine bereitwillig ablaufende Insertion – eine komplanare M–C C–C-Anordnung – erfüllt ist. Eine C–C-Bindungsknüpfung C1–C2’ und C1–C5’ scheidet wegen zu großer Spannungen bei einer in-plane-Olefinkoordination aus. Bindungsknüpfung C1–C6’ und C1–C1’ führt zum Produkt 10 bzw. würde zum Produkt B führen, das aber experimentell nicht gefunden worden ist. Für die Diskriminierung dieser beiden Reaktionswege ist die geometrische Struktur der Koordinationstasche, also der chirale Ligand, verantwortlich (nach K. Kondo, M. Sodeoka, M. Shibasaki, Tetrahedron: Asymmetry 1995, 6, 2453). *
Aufgabe 11.3 Nucleophiler Angriff am C2-Atom des Allylliganden führt zu einem Palladacyclobutankomplex 1’, der sich in Gegenwart von CO unter reduktiver Eliminierung zum entsprechenden Cyclopropan zersetzt (nach H. M. R. Hoffmann, A. R. Otte, A. Wilde, S. Menzer, D. J. Williams, Angew. Chem. 1995, 107, 73; vgl. auch [Car 2004]).
NC Me Me 1'
Ph Pd Ph
Me2 N N Me2
306
Lösungen zu den Aufgaben
Aufgabe 11.4 Das auf konventionellem Wege zugängliche Allylcarbonat 3 (oder auch -acetat) setzt sich mit [Pd2(dba)3]/dppe zur Allylpalladiumverbindung 4 um, die in einer Tsuji-Trost-Reaktion mit 2-Amino-6chlorpurin (5) zu 1 und 1’ reagiert. Glücklicherweise ist die Reaktion zu 1’ reversibel, so dass letztlich mit hoher Regioselektivität (97 %) das gewünschte Isomer 1 erhalten wird (nach R. Freer, G. R. Geen, T. W. Ramsay, A. C. Share, G. R. Slater, N. M. Smith, Tetrahedron 2000, 56, 4589). O
1' Cl Cl
O
O
N
N
OCO2Me
Pd(dppe)
Pd(dppe) (Cs2CO3, DMF, 80 °C) CO2, MeO
3
O
H2N
N
H2N
N
N H
O
N
Cl
5
O
N
N
N
N H2N
4
N
N O
1
O
Umsetzung von Cyclohexanon mit ClMg{N(i-Pr)2}ergibt das prochirale Ketonenolat 8, das sich mit dem Allylacetat 9 in Gegenwart des chiralen Palladiumkatalysators 10 in einer Tsuji-Trost-Reaktion zu 7 umsetzt. Die Reaktion ist diastereo- (de = 98 %) und enantioselektiv (ee = 99 %) [Bra 2006]. O
OMgCl
Ph
ClMg{N(i-Pr)2}
9
O
Ph
Ph Ph
OAc 8
[Pd2(dba)3]/(R)-BINAP 10
7
Aufgabe 12.1 Wird der gleiche Mechanismus wie bei der Hydrocyanierung von Olefinen zugrunde gelegt, folgt der Insertion des Alkins in eine Ni–H-Bindung die reduktive Eliminierung des Vinylcyanids. Beide Reaktionen verlaufen stereochemisch einheitlich im Sinne einer syn-Insertion und syn-Eliminierung (nach J. Podlech in Science of Synthesis, Vol. 19, Thieme, Stuttgart 2004; S. 325, [Jac 1986]).
Aufgabe 12.2 Die Reaktionsenthalpie ǻRH—o lässt sich als Differenz der Bindungsenthalpien der gebildeten und gebrochenen Bindungen abschätzen: ǻRH—o = (– 311 – 412 + 318 + 612 – 348) kJ/mol = –141 kJ/mol. Eine Radikalkettenreaktion würde nach folgendem Reaktionsschema ablaufen: R3Si
+ H2C=CH2
H2CCH2SiR3
+ HSiR3
H3CCH2SiR3 + R3Si
307 Das R3Si- und das 2-Silylethylradikal sind reaktiv genug, um die ʌ-C=C-Bindung (ǻRH—o = –47 kJ/mol) bzw. die Si–H-Bindung (ǻRH—o = –94 kJ/mol) zu spalten. Beide Reaktionen sind exotherm, so dass Hydrosilylierungen initiiert durch AIBN oder durch Peroxide nach einem Radikalkettenmechanismus ablaufen. Bei terminalen Olefinen läuft die Kettenreaktion über das stabilere der beiden möglichen Radikale, das ist das sekundäre C-Radikal, so dass im Sinne einer Anti-Markovnikov-Reaktion primäre Silylverbindungen gebildet werden (B. Marciniec (ed.), Comprehensive Handbook of Hydrosilylation, Pergamon, Oxford 1992).
Aufgabe 12.3 Die hohe Stabilität von Į-Aminoalkylradikalen resultiert aus einer (2-Orbital– 3-Elektronen) ʌ-Überlappung, die im Rahmen der VB-Theorie als Resonanzstabilisierung gemäß 1a ļ 1b verstanden wird. Eine derartige Stabilisierung erfahren Aminylradikale nicht.
C N 1b
C N 1a
Sowohl die N–H- (Reaktion a) als auch die C–H-Addition (Reaktion b) von MeNH2 an Ethen sind exotherm (–28 bzw. –103; alle Werte unter Standardbedingungen in kJ/mol). Die Addition eines Aminylradikals an Ethen (a) ist zwar exotherm (–41), nicht aber die nachfolgende H-Abstraktion durch das C-Radikal (+13). Demgegenüber sind bei der Aminomethylierung (b) beide Reaktionen exotherm (–84, –19). Radikalisch initiiert findet eine Aminomethylierung von Ethen statt (vgl. D. Steinborn, R. Taube, Z. Chem. 1986, 26, 349). H2C CH2 H2C CH2
+ MeNH + CH2NH2
CH2CH2NHMe CH2CH2CH2NH2
+ MeNH2 MeNH + MeNH2 CH2NH2
HCH2CH2NHMe HCH2CH2CH2NH2
a b
Aufgabe 13.1 Die Ligandensubstitution wird durch den trans-Effekt H2C=CH2 > Cl– gesteuert. Die Acidität von Wasser wird durch Koordination an das elektrophile PdII-Zentrum maßgeblich erhöht. [Pd(H2O)4]2+ (pKa < 1) ist eine sehr starke Säure. In Komplexen [Pd{H2N(CH2)nNH2}(H2O)2]2+ (n = 2, 3) ist die Elektrophilie von PdII durch den stark basischen bidentaten Aminliganden herabgesetzt, sie sind aber immerhin noch schwache Säuren (pKa ca. 5,6) (nach M. R. Shehata, Trans. Met. Chem. 2001, 26, 198). Der entscheidende Faktor ist die Ladung des Komplexes. Im neutralen Komplex ist die ʌ-Rückbindung schwächer als im anionischen Komplex, was die Addition des Nucleophils (Wasser) erleichtert.
Aufgabe 13.2 Eine Methoxypalladierung von 1’ ergibt bei einer syn-Addition den Komplex (R,R)-2 und bei einer anti-Addition den Komplex (R,S)-2. Die „normale“ Wacker-Reaktion bei niedrigen Cl–-Konzentrationen führt nunmehr zur Bildung von (R)-3 bzw. (S)-3. Bei hohen Chloridionenkonzentrationen findet dagegen die Umkehrung einer Hydroxypalladierung statt. Sie führt im Sinne einer syn-Eliminierung zu (R)(E)-4 und bei einer anti-Eliminierung (d. h., sie verläuft im Sinne einer heterolytischen Fragmentierung) zu (S)-(Z)-4. Beachten Sie, dass in einem Fall das (E)- und im anderen Fall das (Z)-Isomer gebildet wird; die Analyse der Reaktion mit einem virtuellen 3D-Modell mag zum Verständnis hilfreich sein.
308
Lösungen zu den Aufgaben
Me HO
C RH
H + MeOH H+
[PdII] 1'
HO Me H C R H C
syn
C
[PdII]
C H OMe
Me
Me H H R HO C Me C CR H OMe [PdII] (R,R)-2
H Me H Me
C C
C
R
OMe
H
(R)-(E)-4
cCl = 0,1 M
a)
[Pd0],
H+
O Me
H2 C C C
H
R
Me
OMe
(R)-3
C H
syn [PdII]OH cCl > 2 M
Me + MeOH [PdII]
HO Me H C R H C C H
Me
anti H+
HOMe
Me H R OMe S HO C C C H H Me [PdII] (R,S)-2
anti [PdII], OH cCl > 2 M
Me H
S
C C
C
OMe
H H Me
(S)-(Z)-4
cCl = 0,1 M
O
[Pd0], H+
Me
H2 S OMe C C C H Me (S)-3
a) Komplexladungen sind im Schema nicht berücksichtigt.
Experimentell wurde bei niedrigen Chloridionenkonzentration (R)-3 und bei hohen Chloridkonzentrationen (S)-(Z)-4 gefunden. Das belegt, dass unter den Bedingungen des Wacker-Prozesses eine intramolekulare Insertion von Ethen in die Pd–OH-Bindung sehr wahrscheinlich ist. Die vollständige Diskussion findet sich in [Ham 1999].
Anhang (Literatur- und Sachverzeichnis)
Literatur Das Literaturverzeichnis umfasst relevante Lehrbüchern und Monographien sowie als weiterführende Literatur bevorzugt Übersichtsartikel und neuere Arbeiten. Die Titel der Arbeiten sind angegeben, so dass der Leser die ihn interessierenden Aspekte ausfindig machen kann. Zitierungen im Text sind mit den ersten drei Buchstaben des Erstautors und dem Erscheinungsjahr der Publikation vorgenommen worden. Auf die Quelle von Abbildungen und Tabellen wird bei Arbeiten mit mehr als zwei Autoren mit den Namen des Erst- und des korrespondierenden Autors sowie dem Erscheinungsjahr der Publikation hingewiesen. Bei den Quellen zu den abgebildeten Strukturen sind zusätzlich die CSD-Referenzcodes angegeben.
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Kapitel 3 Zusätzlich zu den Lehrbüchern [L1]–[L10] sind zu empfehlen: J. D. Atwood, Inorganic and Organometallic Reaction Mechanisms, 2nd ed.,VCH, New York 1997 F. A. Cotton, G. Wilkinson, C. A. Murillo, M. Bochmann, Advanced Inorganic Chemistry, 6th ed., Wiley, New York 1999 R. B. Jordan, Mechanismen anorganischer und metallorganischer Reaktionen, Teubner, Stuttgart 1994 K. L. Bartlett, K. I. Goldberg, W. T. Borden, J. Am. Chem. Soc. 2000, 122, 1456: „A Computational Study of Reductive Elimination Reactions to Form C–H-Bonds from Pt(II) and Pt(IV) Centers. Why Does Ligand Loss Precede Reductive Elimination from Six-Coordinate but Not Four-Coordinate Platinum?“
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Sachverzeichnis Fett hervorgehobene Seitenzahlen verweisen auf Haupteinträge, die sich meistens auch auf die folgenden Seiten beziehen.
A absolute Konfiguration ............................... 147 Acetamidozimtsäureester ............................. 54 Acetanhydridsynthese .................................. 91 Acrylnitril................................................... 244 acyclische Dienmetathese-Polymerisation 110, 111 acyclische Diinmetathese-Polymerisation.. 114 Addition von Nucleophilen .......... 38, 259, 288 ADIMET .................................................... 114 Adiponitril .......................................... 240, 241 ADMET ..............................................110, 111 ADMET-Depolymerisation ........................ 111 ae-Koordination ........................................... 74 agostische Wechselwirkung. 28, 29, 34, 37, 60, 68, 133, 141, 171, 223, 262, 280 Aktivator ...................................................... 17 Aktivität von Enzymen....................... 129, 162 Aktivität von Katalysatoren ......................... 11 ʌ-Akzeptor ............. 27, 31, 202, 224, 228, 293 ʌ-Akzeptorstärke ........................................ 200 Aldolkondensation ....................................... 76 ALFOL-Prozess ......................................... 123 Alkandehydrierung..................................... 121 Alkanfunktionalisierung.................Siehe C–HFunktionalisierung von Alkanen Alkanmetathese . Siehe Metathese von Alkanen Alkinkomplexe ....................................... 29, 31 Alkyl(carben)-Komplexe.............................. 37 Alkyl–Alkyl-Kupplung .............................. 223 ȕ-Alkyleliminierung ..................... 35, 117, 297 Alkylhydridokomplex ................ 131, 281, 297 Alkylidengruppen, Umverteilung............... 100 Alkylidenkomplexe .................................... 296 alkylierende Funktion................. 127, 139, 155 ȕ-Alkyltransfer ................................... 117, 296 Allylinsertion ............................. 188, 206, 212 allylische Alkylierung ................................ 231 enantioselektive ..................................... 235 allylische Kupplung ................................... 306 Allylisomerisierung.................................... 202
Allylkomplexe ............................................180 NMR-Spektren .......................................182 syn-anti-Isomerisierung..........................181 Umlagerungen ........................................181 Allylsubstitutionen..............................234, 235 Alphabutol-Prozess.....................................129 alternierende Copolymerisation.......... 174, 299 Baufehler ................................176, 178, 302 Stereoselektivität ....................................177 Aluminiumalkyle 123, 124, 127, 150, 208, 214 Aluminiumhydrid .......................................123 Aluminiumtriethyl ..............................123, 125 Aluminiumtrimethyl ...........................102, 155 Į-Aminoalkylradikal...................................307 Ammoxidation von Propen .........................244 anionische Polymerisation ..........137, 179, 213 anorganische Grignardreagenzien...............220 ansa-Metallocene..........................23, 157, 163 anti-Addition ................................39, 262, 264 anti-cis-Korrelation.....................189, 193, 208 Anti-Markovnikov-Addition.......239, 246, 251 Anti-Schlüssel-Schloss-Beziehung ...............52 anti-syn-Isomerisierung ..... 181, 183, 194, 196, 208, 210, 212, 302 ARCM ........................................................112 AROM ........................................................112 Aromatenrutheniumkomplexe ......................65 Arylpropionsäuren ................................76, 243 assoziativer Hydridmechanismus..................48 assoziativer Mechanismus ....................25, 105 asymmetrische allylische Alkylierung ............................235 Autokatalyse.......................................18, 19 Epoxidierung ............................................23 Epoxidierung von Allylalkoholen...........274 Epoxidierung von Olefinen ....................276 Heck-Reaktion........................................230 Hydrierung .........................................22, 49 Hydrocyanierung....................................242 Hydroformylierung...................................73 Hydrosilylierung ....................................249 Kreuzkupplung .......................................225 Metathese ...............................................112
335 Oxypalladierung.....................................266 Ringöffnungsmetathese .......................... 112 Ringschlussmetathese ............................ 112 Atropisomerie ............................... 51, 225, 249 Aufbaureaktion ............................. 36, 123, 125 Austauschmechanismus................................25 Autokatalyse.................................................18
B back-biting.......................................... 108, 295 back-skip ....................................................163 Balata..........................................................215 Beckmann-Umlagerung..............................196 Benzin...........................................................81 Berry-Pseudorotation..................................182 Berzelius, Jahresberichte ................................4 bevorzugte asymmetrische Induktion ...........74 bifunktionelle Katalysatoren................. 65, 244 bifunktionelle Monomere ...........................167 bimolekulare reduktive Eliminierung ...........82 BINAP .................... 51, 79, 231, 249, 255, 266 BINAPHOS ............................................ 73, 76 ʌ-Bindungsmetathese.......................... 119, 122 ı-Bindungsmetathese ........... 67, 115, 282, 297 von Alkanen ................... 115, 118, 120, 283 von H2 .............................................. 62, 115 von Silanen............................................. 115 Biokatalyse .....................................................8 Bipyrimidinplatin(II)-Komplexe ................285 Bis(2-ethylhexyl)phthalat .............................77 Bis(imin)pyridin-Liganden.........................169 Bis(porphyrinato)rhodium(II)-Komplexe ...283 BISBI............................................................79 Biss von Chelatliganden ......................... 74, 79 Bleikammerprozess ........................................1 Blockcopolymere................................ 109, 173 Boronsäurederivate.....................................220 Brønsted-Säure-Base-Katalyse .......................8 Buna ................................................... 179, 213 Butadien ............................................. 179, 212 C–C-Verknüpfung ............................ 21, 179 Cocyclisierung .......................................205 Cyclodimerisation .......................... 197, 202 Cyclooligomerisation .............................199 Ligandensteuerung.............................202 quantenchemische Rechnungen .........201 Cyclotrimerisation.......................... 191, 302 Mechanismus .....................................192 quantenchemische Rechnungen .........194 Hydrocyanierung....................................240
Hydrodimerisation................................. 205 Konformationen..................................... 183 Linearoligomerisation.....................202, 204 Oligomerisation ..............................179, 190 Telomerisation ................................202, 204 Trimerisation ......................................... 204 Butadienkomplexe ......................183, 186, 192 Butadienpolymerisation ..........14, 21, 179, 206 Allylnickel-komplexkatalysiert ............. 209 Kettenabbruch........................................ 208 Mechanismus..................................206, 210 quantenchemische Rechnungen..............211 Regioselektivität .................................... 206 Stereoselektivität ....................206, 208, 210 Butandiol.................................................... 266
C Cahn-Ingold-Prelog-Regeln ......................... 50 Carbenhydridokomplexe.............................. 36 Carbeninsertion .....................................36, 283 Carbenkonformationen, aktive und nichtaktive ............................................................... 106 Carbenligand...................33, 36, 102, 104, 106 Carben-Mechanismus................................. 101 Carbenübertragung..................................... 101 Carbidoligand............................................... 82 Carboaluminierung ...................................... 36 Carbochemie .........................................21, 259 Carbometallierung.................................. 35, 36 Carbonylhydridokomplexe..............27, 97, 293 carbonylierende Kreuzkupplung ................ 225 Carbonylierung von Methanol.......................................Siehe Methanolcarbonylierung von Methylacetat ..................................... 91 Catalytica-System ...............................284, 285 Cativa-Prozess ..................................22, 86, 92 Mechanismus........................................... 94 C–C-Aktivierung...................................29, 115 C–C-Kreuzkupplung ...... Siehe Kreuzkupplung C–C-Kupplung....................................... 82, 84 Celluloseacetat ............................................. 85 chain end control........................................ 150 chain-running ......................................142, 170 C–H-Aktivierung ... 28, 29, 115, 116, 118, 120, 280, 284, 285, 297 von Alkanen....................................115, 280 Chalk-Harrod-Mechanismus ...............246, 247 Chauvin-Mechanismus............................... 295 chemische Verwandtschaft ............................. 5
336 chemoselektive Reaktion........ 13, 76, 113, 265 C–H-Funktionalisierung..................... 122, 280 von Alkanen ........................... 280, 283, 285 chirale Kettenendkontrolle ......................... 165 Chlorhydrinverfahren ................................. 270 CIP-Regeln........................................... 50, 290 cis-1,4-Polybutadien........................... 206, 213 cis-1,4-Polyisopren..................................... 206 cis-Insertion.................................. 34, 263, 264 cis-trans-Selektivität .................................. 193 C–N-Bindungsknüpfung ............................ 253 Cocarbonylierung................................. 92, 293 CODH-Reaktion........................................... 98 Cokatalysator ............................................... 17 Comonomer.........130, 136, 145, 167, 169, 173 constrained geometry catalysts................... 168 control ligand ................................................. 9 Copolymerisation ............... 144, 153, 167, 299 von Olefinen und CO .....Siehe alternierende Copolymerisation Cossee-Arlman-Mechanismus.................... 139 CSD-Referenzcode..................................... 310 Curtin-Hammett-Prinzip 55, 56, 176, 196, 201, 291, 292 Cyanhydrine ............................................... 244 Cyano-4’-methylbiphenyl .......................... 221 cyclischer Übergangszustand .... 34, 44, 62, 64, 118, 257 Cycloaddition ....................................... 32, 120 Cyclododecatrien................ 191, 192, 302, 303 technische Synthese ............................... 196 Cyclometallierung ...................................... 280 Cyclooctadien..................................... 191, 197 Cyclooligomerisation von Butadien ........ Siehe Butadien, Cyclooligomerisation Cyclopolymerisation .......................... 167, 301 Cyclopropanierung ....................................... 22 Cytochrome P-450.............................. 277, 286
D DACH ........................................................ 266 DBD-DIOP................................................... 76 DBFphos ...................................................... 79 dehydrierende Silylierung .......................... 248 Dehydrokupplung von Silanen ................... 116 Deinsertion von CO............ 41, 67, 71, 88, 289 Dendrimere................................................. 249 Depolymerisation ....................................... 116 Detergenzien .............................................. 136 Dewar-Chatt-Duncanson-Modell ................. 31
Sachverzeichnis Diacetoxybuten.....................................80, 266 Diade ..........................................................148 Dialkyltartrate.............................................274 Diastereomerenüberschuss............................13 diastereomeric excess ...................................13 diastereoselektive Reaktion .................. 13, 114 diastereotope Fragmente .............................159 diastereotope Koordinationsstellen.............163 diastereotope Koordinationstaschen ...162, 165 diastereotope Liganden.................................74 Dibenzylidenaceton ............................204, 218 Dichtefunktionaltheorie ................................24 Difasol-Prozess ...........................................129 Diiminliganden ...........................................169 Diiminnickelkomplexe .......................171, 174 Dimersol-Prozess........................................129 Dioctylphthalat .............................................77 DIOP.........................................51, 76, 79, 266 DIPAMP .......................................................51 dissoziativer Hydridmechanismus ................46 dissoziativer Mechanismus .........................105 Divinylcyclobutan ......................................197 Diwasserstoff Aktivierung ........................................ 59, 62 Aktivierung in Hydrogenasen ..................63 heterolytische Spaltung ............................63 homolytische Spaltung .............................62 oxidative Addition ....................................28 ı-Bindungsmetathese ....................... 62, 118 Diwasserstoffkomplexe......... 27, 30, 48, 59, 68 Synthese ...................................................60 Döbereiner-Feuerzeug ....................................4 ʌ-Donor...........................................27, 31, 133 ı-Donor .............................. 105, 133, 202, 233 ı-Donorstärke .............................................200 DOPA....................................................50, 290 DOPA-Synthese Hoffmann-LaRoche..................................50 Monsanto..................................................50 Doppelbindungsisomerisierung .126, 134, 135, 230, 241, 242, 290, 293 Doppelbindungsverschiebung, nicht-oxidative ................................................................263 doppelte Umsetzung ...................................217 DPEphos .......................................................79 dppb ..............................................................79 dppe ..............................................................79 DPPF.....................................................79, 255 dppm .............................................................79 dppp ..............................................................79 Dreizentren-Vierelektronen-Bindung............29
337 Dreizentren-Zweielektronen-Bindung ..........29 DuPHOS................................................. 51, 79 DuPont-Adiponitril-Prozess ....................... 240 Durham-Polyacetylen .................................295
E edge-face-Anordnung ...................................52 ee-Koordination............................................74 Eigensymmetrie..........................................163 Einelektronenoxidation................................. 42 Einelektronenreduktion ................................ 42 Ein-Elektronenübertragung ........................273 Einkomponentenkatalysator 103, 144, 156, 209 eisenkatalysierte Kreuzkupplung................220 Elastomere ..................................................167 Elektrofug.....................................................39 elektrofuge Gruppe.......................................39 Elektronegativität ................................. 31, 283 Elektronenübertragung .. 8, 252, 279, 280, 284, 286 elektronenvariable Komplexe......... 43, 98, 279 elektronische Effekte von Phosphorliganden ............................................................... 200 elektronischer Ligandenparameter.............. 200 elektrophile Abstraktion ....................... 39, 288 elektrophile Katalyse ......................................8 elektrophile Substitution............. 222, 282, 285 Eliminierung von CO....................................41 Emulsions-Copolymerisation .....................213 Emulsionspolymerisation ...........................213 enantiofaciale Differenzierung ........... 233, 250 Enantiomerenüberschuss ..............................13 enantiomeric excess......................................13 enantiomorphic site control ........................150 enantioselektive Koordinationsstelle ..........163 enantioselektive Reaktion............................. 13 enantioselektive… ...........................Siehe auch asymmetrische… enantiotope Fragmente ...............................159 enantiotope Koordinationsstellen ...............158 Enin-Metathesen......................................... 114 EPDM-Elastomere......................................167 Epoxidierung enantioselektive................................ 23, 274 mit Oxometallkomplexen.......................268 mit Peroxometallkomplexen ..................268 von Allylalkoholen.................................274 asymmetrische ...................................274 von Ethen ...............................................270 von Olefinen................................... 267, 279
enantioselektive................................. 276 konzertierter Mechanismus ............... 271 Mechanismus..................................... 271 mit Hydroperoxiden .......................... 270 mit Sauerstoff .................................... 270 mit Wasserstoffperoxid...................... 273 quantenchemische Rechnungen ........ 271 schrittweiser Mechanismus ............... 271 von Propen............................................. 270 EPR-Kautschuk...................................154, 174 erythro, Definition ..................................... 263 erythro-Polymer ......................................... 301 Essigsäure, biotechnologische Herstellung .. 85 Essigsäure-Hochdruckverfahren .................. 85 Essigsäuresynthese....................................... 85 Esterhydrolyse, säurekatalysiert .................... 6 Ethen Copolymerisation ...........144, 154, 167, 173 Copolymerisation mit CO...................... 174 Dimerisation ................... 125, 129, 131, 298 EpoxidierungSiehe Epoxidierung von Ethen Hydrierung....................................44, 45, 48 Hydroaminierung................................... 253 Hydrocyanierung ................................... 239 Hydroformylierung............................ 66, 72 Hydrosilylierung.................................... 247 Metathese................................ 106, 108, 111 Oligomerisation ........23, 123, 133, 134, 136 Oxidation ...................Siehe Wacker-Prozess Polymerisation.....Siehe Polymerisation von Ethen Trimerisation ......................................... 130 Ethen–Propen-Copolymere ........................ 154 Ethylenoxid................................................ 270 Ethyl-Prozess ............................................. 124 Extrusion...................................................... 41
F Famciclovir ................................................ 236 Fe–S-Cluster ................................................ 98 Fettalkohole ............................................... 123 Fischer-Carbenkomplexe ........................... 104 Fischer-Projektion...............................148, 290 Fischer-Tropsch-Synthese.................66, 80, 96 Alkenyl-Mechanismus............................. 83 Alkyliden-Mechanismus.......................... 83 Alkyl-Mechanismus................................. 82 fluktuierende Moleküle .......................181, 182 freie Aktivierungsenthalpie .......11, 55, 56, 288
338
G geschwindigkeitsbestimmender Schritt ........ 18 Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen .............................................. 1 Glasübergangstemperatur ... 109, 153, 167, 214 GLUP ................................................... 51, 243 Green-Rooney-Mechanismus ..................... 141 Grob’sche Fragmentierung ........................... 39 Grubbs-Katalysatoren......................... 103, 105 quantenchemische Rechnungen ............. 106 Grubenlampe .................................................. 3 Gulf-Prozess............................................... 124 Gulftene...................................................... 124 Guttapercha ................................................ 215
H Haber-Bosch-Verfahren.................................. 7 Halbsandwich-Amidokomplexe ................. 168 Halbsandwich-Phenolatokomplexe ............ 169 Halcon-ARCO-Prozess .............................. 270 Hämgruppe................................................. 277 Hammond-Prinzip ...................................... 292 harte Nucleophile ....................................... 233 Hastelloy ...................................................... 85 HDPE ......................... 138, 144, 145, 146, 153 Heck-Reaktion.............................. 22, 223, 226 Anioneneinfluss ..................................... 228 enantioselektive ..................................... 230 Ligandeneinfluss.................................... 229 Mechanismus ......................................... 226 nichtpolare Route................................... 228 polare Route........................................... 228 helicale Chiralität ......................................... 51 helicale Struktur ......................................... 160 hemilabiler Ligand ..................... 127, 132, 133 Heterocubanstruktur ............................. 98, 274 heterogene Katalyse ....................................... 8 heterolytische Fragmentierung 38, 39, 259, 264 heterolytische Spaltung von H2 .................... 63 Hieber’sche Basenreaktion............... 42, 96, 99 high-impact polystyrene............................. 213 ı-Hinbindung ............................................... 59 Hiyama-Kupplung...................................... 221 Hochtemperaturkonvertierung...................... 96 Hoechst-Celanese-Prozess............................ 90 homogene Katalyse ........................................ 8 HOMO–LUMO-Wechselwirkungen ... 44, 237, 295 homolytische Spaltung von H2 ..................... 62
Sachverzeichnis Homometathese ..................................100, 294 homotope Fragmente ..................................159 homotope Koordinationsstellen ..................158 Hoveyda-Schrock-Katalysatoren ................112 Hybridpolymer ...........................................114 Hydrideliminierung ................................. Siehe Wasserstoffeliminierung Hydridometallkomplex ...... 26, 60, 62, 97, 116, 208, 304 oberflächengebunden .............................117 Hydridoolefinkomplex... 34, 46, 120, 142, 173, 290, 297 Hydrierkatalysatoren ....................................46 Hydrierung............................................81, 109 von Aldehyden ...................................69, 76 von Alkinen .............................. 46, 113, 266 von Aromaten ...........................................46 von Dienen .......................................46, 205 von Enamiden...............................50, 54, 57 von Iminen ...............................................53 von Olefinen............Siehe Olefinhydrierung Hydroaluminierung.......................................36 Hydroaminierung................................237, 253 Alkalimetallamidkatalysatoren...............254 asymmetrische................................255, 257 Lanthanoidkatalysatoren ........................256 Übergangsmetallkatalysatoren ...............254 von Aminoalkinen ..................................257 von Aminoolefinen.................................256 von Olefinen...................................253, 307 Mechanismus .....................................253 von Vinylaromaten .................................255 Hydrocarbonylierung....................................86 Hydrocarboxylierung von Olefinen ..............96 Hydrocyanierung ........................237, 238, 306 enantioselektive......................................242 Mechanismus..........................................239 Reaktionsprofil .......................................240 von Acetylen ..........................................244 von Alkinen ............................................243 von Butadien ..........................................240 von Olefinen...........................................238 von Pentennitrilen ..................................241 von polaren C=X-Bindungen .................244 Hydrodimerisation von Butadien................205 Hydroformylierung........... 20, 26, 66, 133, 205 C4-Selektivität ..........................................69 Cobaltkatalysatoren.................................. 66 dissoziativer Mechanismus.......................70 enantioselektive........................................ 73 Mechanismus......................................67, 70
339 n/iso-Verhältnis .................................. 68, 72 Nebenreaktionen ......................................69 nichtmodifizierte Rhodiumkatalysatoren .80 phosphanmodifizierte Cobaltkatalysatoren .............................................................69 phosphanmodifizierte Rhodiumkatalysatoren .........................69 platinkatalysiert........................................76 Produktionskapazitäten ............................76 Prozessparameter......................................69 quantenchemische Rechnungen ......... 68, 72 und Isomerisierung........................... 77, 135 von höheren Olefinen...............................69 von Propen ...............................................76 von verzweigten Olefinen ........................77 Zweiphasenkatalyse .................................78 Hydroformylierungskatalysatoren, Hydrieraktivität ........................................69 Hydrogenasen ...............................................63 Hydrogenolyse von CO ................................81 Hydrogenolyse von Polyethen.................... 116 hydrogenolytischer Polymerabbau ..... 116, 297 Hydrogenperoxokomplex ........... 270, 272, 278 Hydrometallierung.................................. 35, 36 Hydrosilane, ı-Komplexe...........................251 Hydrosilylierung......................... 113, 237, 245 enantisoselektive ....................................249 Mechanismus .........................................246 quantenchemische Rechnungen .............247 radikalische .................................... 245, 307 technische Bedeutung.............................249 übergangsmetallkatalysiert.....................246 von Alkinen ............................................251 von Olefinen...........................................245 Hydrosilylierungs-Polymerisation..............249 Hydroxycarbonyl-Komplex.................... 96, 99 Hydrozirconierung........................................36
I Ibuprofen ......................................................76 Induktionsperiode ............................. 12, 18, 91 Inhibitor ........................................................17 Initiator ......................... 17, 109, 137, 173, 179 Insertion.................................. 34, 83, 156, 171 Bezeichnung.............................................34 von Alkinen ...................................... 35, 306 von Allylalkoholen......................... 264, 307 von Butadien . 187, 188, 189, 196, 204, 208, 213, 241, 304
von CO ......41, 67, 71, 73, 88, 95, 175, 177, 225, 289, 293 von Ethen.......123, 125, 126, 130, 135, 169, 175, 177, 259, 262, 308 von Heteroolefinen .................................. 35 von Olefinen ..34, 39, 46, 62, 67, 71, 73, 74, 117, 120, 139, 141, 227, 230, 238, 243, 246, 248, 254, 255, 256, 271, 288, 297, 299, 304, 305 von Propen..............................149, 159, 166 von Sauerstoff........................................ 267 von Vinylalkohol ................................... 262 insertionslose Migration......143, 163, 164, 166 Insertionsschema........................................ 163 in-situ-Polymerisation.................................110 interstitielle C-Atome................................... 82 ionische Flüssigkeiten .........................129, 130 Isomerisierung.....................................182, 241 Isopren ................................................179, 212 isotaktischer Index ..................................... 150
J Jeffery-Larock-Bedingungen ..................... 229
K Karstedt-Katalysator .................................. 246 Katalysator................................................... 17 Katalysatordesaktivierung...............10, 12, 208 Katalysatoren nach Maß ................................ 9 Katalysatorformierung ............................... 210 Katalysatorgenerierung .............................. 139 Katalysatorkomplex ..................................... 17 chiraler............................................150, 299 Katalysatoroptimierung.................................. 9 Katalysator–Substrat-Komplex .........52, 57, 74 Katalyse kinetische Definition ................................. 6 Reaktionsbeschleunigung durch ~ ..... 6, 288 Katalyse mit Ag ...................................................... 4, 270 Al ...................................................123, 124 Co ...................20, 66–69, 85, 169, 213, 214 Cr ...........................130, 132, 143, 144, 214 Cu ...........................223, 244, 258, 265, 267 Fe 2, 4, 7, 64, 80, 97, 98, 169, 220, 277, 286 Hg .....................................................20, 284 Ir .....................22, 53, 86, 92–96, 121, 255 Ln ...............46, 62, 156, 169, 180, 256, 257 Mn ......................................................... 276
340 Mo.... 23, 104, 112, 113, 121, 135, 270, 271, 273 Ni .......21, 22, 23, 99, 125–29, 133–36, 170, 174, 191–204, 209–12, 216, 220, 224, 225, 238–44, 304 Pd ...22, 50, 174–78, 204, 216–36, 249, 251, 255, 258–67, 305, 306, 307 Pt ....................2, 3, 7, 76, 245–49, 251, 284 Re................................................... 135, 273 Rh.20, 21, 22, 45–59, 69–73, 75, 78, 80, 86, 87–92, 246, 247, 251, 255 Ru..................23, 53, 63, 65, 97, 103–7, 109 Ta .......................................24, 117–20, 122 Ti ....102, 129, 130, 131, 138–41, 146, 150– 53, 154, 196, 213, 214, 257, 270, 274 V ........................................................... 173 W ..............................23, 104, 112, 118, 274 Zn............................................................. 63 Zr ......................116, 136, 157–62, 166, 257 Katalysebegriff von Berzelius ........................ 4 Katalysedefinition von Ostwald ..................... 5 Katalysekonstante ........................................ 11 Katalysezyklus ............................................. 10 katalytische Kraft ........................................... 5 kationische Polymerisation......................... 137 Kautschuk........................................... 110, 212 Jahresproduktion.................................... 213 Kautschuk-modifiziertes Polystyrol ........... 213 Kettenabbruch ............ 142, 173, 176, 208, 304 Kettenneustart .................................... 176, 304 Kettenübertragung...... 108, 142, 169, 173, 208 Kettenverzweigung............................. 142, 173 Kettenwachstum ................................. 171, 212 kinetisch kontrollierte Enantioselektivität ... 52, 54, 292 kinetisch kontrollierte Isomerisierung ........ 242 kinetische Hemmung...................................... 7 Klassifizierung von homogen katalysierten Reaktionen ................................................. 8 Klassifizierung von Liganden ...................... 27 Knallgasreaktion ............................................ 1 Kohlenmonoxiddehydrogenasen .................. 98 Kohlenmonoxid-Konvertierung 85, 86, 89, 96, 293 Mechanismus ........................................... 96 Kohleverflüssigung ...................................... 80 ʌ-Komplex.............. 8, 26, 27, 29, 32, 183, 237 ı-Komplex .8, 26, 27, 28, 29, 59, 62, 115, 116, 251, 252, 282 Komplexkatalyse............................................ 8 Kontakt........................................................... 3
Sachverzeichnis Kontaktreaktion ..............................................2 Konvertierungs-Gleichgewicht .....................96 ı-ʌ-Koordination ........................................185 Koordinationstasche .....................................51 chirale.............................................150, 299 koordinative Polymerisation .......................138 Kopf-Kopf-Verknüpfung ............................147 Kopf-Schwanz-Verknüpfung ..............147, 304 Kreuzkupplung .....................................22, 216 Alkyl–Alkyl ...........................................223 carbonylierende ...................... 225, 304, 305 eisenkatalysiert.......................................220 enantioselektive......................................225 Ligandeneinfluss ....................................223 Mechanismus..........................................217 mit Grignardreagenzien..........................220 mit Organolithiumreagenzien .................220 mit Organomagnesiumreagenzien ..........220 mit Organozinkreagenzien......................220 nach Hiyama...........................................221 nach Kumada..................................220, 225 nach Murahashi ......................................220 nach Negishi...........................................220 nach Sonogashira....................................222 nach Stille.......................................222, 226 nach Suzuki ....................................220, 224 nickelkatalysiert .....................................216 palladiumkatalysiert ...............................216 Synthesepotenzial...................................219 Übersicht ................................................217 Kreuzmetathese .................. 100, 108, 114, 294 Kumada-Kupplung .............................220, 225 Kutscheroff-Prozess................................20, 21
L LAO............................................................136 LDPE .......................................... 144, 145, 146 lebende Polymerisation...............109, 173, 213 Lewis-acide Funktion .................127, 140, 155 Lewis-Säure-Base-Wechselwirkung ...........127 ligand tuning ...........................................9, 199 Ligandabspaltung. 25, 46, 67, 71, 88, 130, 192, 202, 210, 217, 233, 260 Ligandanlagerung 25, 46, 67, 71, 88, 130, 192, 210, 217, 259 Ligandeneinfluss........... 79, 200, 202, 223, 229 Ligandensteuerung.......... 9, 198, 199, 202, 212 Ligandensubstitution.....................................25 ligandenzentriertes Molekülorbital ...............43 ligandfreie Katalysatorsysteme...................229
341 ligandfreie Palladiumkatalysatoren ............204 Lindlar-Katalysator..................................... 113 lineare Olefine ............................................134 lineare Į-Olefine......................................... 136 Jahresproduktion ....................................136 Linearoligomerisation von Butadien ....... Siehe Butadien, Linearoligomerisation LLDPE ............................... 130, 136, 145, 167
M Magnesiumchlorid Kristallstruktur .......................................151 Oberflächenstruktur........................ 152, 300 Mangansalenkomplexe ...............................276 MAO....................... Siehe Methylaluminoxane Markovnikov-Addition 73, 239, 242, 244, 249, 251, 255 Meerwein-Ponndorf-Verley-Reduktion ........64 Memory-Effekt ................................... 235, 236 Mesomeriekonzept ....................... 31, 181, 307 Metallacyclen ............................... 32, 122, 280 Metallacyclobutadienkomplexe ............................ 33, 113 butankomplexe ......................... 32, 101, 141 butenkomplexe ....................................... 115 heptankomplexe .....................................130 pentankomplexe .....................................130 propankomplexe................................. 29, 31 propenkomplexe................................. 29, 32 Metalla-ȕ-diketone .......................................30 Metallcarbonyle............................................97 Metall–Intermediat-Komplex .......................10 metallkomplexkatalysierte Polymerisation.138 Metallocenkatalysatoren....... 23, 140, 154, 167 Aktivität .................................................162 Bedeutung ..............................................167 C2-symmetrische .................................... 157 Cs-symmetrische .................................... 157 mit diastereotopen Koordinationstaschen ................................................... 162, 164 Produktivität...........................................162 Stereoregulierung ........................... 159, 161 Symmetriebeziehungen ..........................162 und Polymerstruktur...............................164 Metalloradikal ............................................283 metallorganische Elementarschritte von Allylliganden................................... 186 von Organoliganden ................................. 25 metallorganische Komplexkatalyse ................8
metallorganische Mischkatalysatoren ..21, 138, 154, 180 metallorganischer Innerkomplex.........122, 281 metallorganischer Pinzettenligand ............. 122 Metall–Substrat-Komplex ............................ 10 metallzentriertes Molekülorbital .................. 42 Metathese ................................................... 100 enantioselektive ...................................... 112 entropiegetrieben ............................100, 298 Gleichgewichtszusammensetzung .101, 136, 298 intermolekular.........................................110 intramolekular.........................................110 nicht-paarweiser Mechanismus.......102, 295 paarweiser Mechanismus................102, 295 von acyclischen Dienen .......................... 110 von Alkanen..............................24, 117, 283 Mechanismus......................................118 von Alkinen .................................... 112, 296 Mechanismus......................................113 von Cycloalkenen .................................. 107 von Cycloalkinen....................................114 von Cyclodeca-1,5-dien......................... 108 von Eninen..............................................114 von Ethenoligomeren......................134, 135 von Olefinen .....................22, 100, 120, 121 Mechanismus..................................... 101 quantenchemische Rechnungen ........ 106 Umsatz .............................................. 101 Metathese, doppelte Umsetzung .........127, 217 Metathese, Transmetallierung .................... 233 Metathesekatalysatoren der ersten Generation............................. 102 Einkomponentenkatalysatoren............... 103 heterogene ............................................. 104 Methanaktivierung ..................................... 286 Methanolcarbonylierung .................22, 85, 259 cobaltkatalysiert....................................... 85 Iodidkreislauf..................................... 87, 90 iridiumkatalysiert............................... 86, 92 Mechanismus........................................... 87 Nebenprodukte ........................................ 86 Produktionskapazitäten............................ 85 Prozessparameter ..................................... 86 quantenchemische Rechnungen............... 92 rhodiumkatalysiert............................. 86, 87 Rhodiumkreislauf .................................... 87 Selektivität....................................86, 89, 90 Methylacetat ................................................ 91 Methylaluminoxane .....23, 131, 144, 154, 155, 168
342 Methylbutennitrile...................................... 241 Methylkautschuk ........................................ 213 Methyltrioxorhenium(VII) ......................... 273 Metolachlor .................................................. 53 Michael-Addition ....................................... 243 migratorische Insertion.. 41, 42, 67, 71, 88, 94, 139, 143, 161, 289, 290 Mikrostruktur von Polymeren ... 148, 164, 166, 167, 169, 214, 299, 301 modifizierter Chalk-Harrod-Mechanismus. 248 Molmassensteuerung .................................. 169 Monohydridmechanismus ............................ 53 Monoligandpalladium(0)-Zwischenstufen . 223 Monooxygenasen ............................... 267, 277 Monophosphanliganden ............................. 249 Monsanto-Verfahren................... 22, 86, 87, 96 MOP’s ........................................................ 249 Mortreux-Katalysator ................................. 113 Mülheimer Katalysatoren ........................... 138 Murahashi-Kupplung.................................. 220
N n/iso-Verhältnis ............................................ 68 Naproxen ........................................ 53, 76, 243 Naturkautschuk .......................... 179, 206, 213 n-Donor ................................................ 27, 133 Negishi-Kupplung ...................................... 220 Newman-Projektion ................................... 149 NHC-Ligand....................................... 104, 106 N-heterocyclisches Carben ......... 104, 223, 229 nichtalternierende Copolymerisation.......... 178 quantenchemische Rechnungen ............. 178 Nicht-Metallocen-Katalysatoren ................ 168 der frühen Übergangsmetalle ................. 168 der späten Übergangsmetalle ................. 169 Katalysatorgenerierung .......................... 168 nichtproduktive Homometathese................ 106 nichtproduktive Metathese ......................... 100 nichtselektive Koordinationsstelle.............. 163 Nickeleffekt........................................ 125, 138 nickelkatalysierte Kreuzkupplung ...... 216, 224 Niederdruckpolymerisation von Ethen......... 21 n-Komplex.................................................... 27 Nobelpreisträger Chauvin, Y........................................ 24, 100 Fischer, E. O. ........................................... 23 Grignard, V....................................... 21, 216 Grubbs, R. H. ................................... 24, 100 Knowles, W. S.................................... 24, 51 Kohn, W. ............................................ 16, 24
Sachverzeichnis Langmuir, I.................................................7 Natta, G.............................................21, 138 Noyori, R..................................................24 Ostwald, W. ............................................6, 7 Pople, J. A. ...............................................24 Sabatier, P. ..........................................21, 45 Schrock, R. R. ..................................24, 100 Sharpless, K. B. ................................24, 274 Staudinger, H..........................................137 Wilkinson, G.......................................23, 45 Ziegler, K. ........................................21, 138 NORPHOS....................................................79 Norsorex .....................................................109 Nucleofug .............................................39, 288 nucleofuge Gruppe........................................39 nucleophile Addition...................................233 nucleophile Katalyse.......................................8 Nylon ..................................................196, 240
O oberflächengebundenes Alkyl ................................................ 82, 116 Carbid.......................................................81 C-Atom.....................................................82 Chrom.....................................................144 Chromneopentyl .....................................144 H-Atom ....................................................81 Hydroxycarben.........................................84 Metallhydrid...........................................117 Methyl ......................................................81 Methylen ..................................................81 Methylidin................................................81 Tantalalkyl..............................................120 Tantalhydrid ................................... 118, 120 Vinyl.........................................................83 Wolframhydrid .......................................118 Zirconiumhydrid ....................................116 Oberflächenkomplex...................................117 Octadiendiylnickel-Komplex..............198, 201 Octadienylnickel-Komplex.................204, 304 Octanol .......................................................205 Octanzahl..............................................81, 129 Octatriene ...................................................303 Octinoxat ....................................................229 Olefinhydrierung .......... 21, 26, 44, 62, 82, 289 assoziativer Hydridmechanismus .............48 dissoziativer Hydridmechanismus............46 enantioselektive........................................ 49 heterogene ................................................45 Hydridmechanismus...........................47, 49
343 Mechanismus ........................................... 46 Monohydridmechanismus ........................53 Olefinmechanismus............................ 49, 52 quantenchemische Rechnungen ......... 48, 57 Olefinkomplexe ............................................31 Olefinmetathese Siehe Metathese von Olefinen Oligomerisation ..........................................190 von Butadien/Ethen/Propen................. Siehe Butadien/Ethen/Propen, Oligomerisation von Olefinen........................................... 123 Orbitalkorrelationsdiagramm......................294 Organoboronsäuren ....................................221 Organokatalysator...........................................8 Organosiliciumverbindungen......................221 Organozinnverbindungen ...........................222 Orthopalladierung.......................................281 Ostwald-Verfahren..........................................7 Oxen ...........................................................268 Oxenoid ......................................................268 Oxidasen.....................................................267 Oxidation ... 43, 63, 85, 98, 123, 258, 267, 268, 283 Oxidationsstufe/-zahl.............. 31, 43, 104, 279 oxidative Addition ................................ 28, 296 von Alkyliodiden......................................93 von Allylderivaten.................. 188, 232, 234 von C–C ................................................. 118 von C–H ..................... 46, 64, 280, 281, 297 von C–X ......... 217, 219, 224, 225, 226, 305 von H2 ...............46, 59, 62, 67, 71, 115, 116 von HCN ........................................ 239, 243 von H–X.................................................237 von MeI................................ 88, 92, 94, 293 von N–H......................................... 253, 255 von Si–H ................................ 116, 246, 252 oxidative Cyclisierung................................265 oxidative Kupplung ..... 32, 128, 130, 132, 186, 192, 194, 197, 202, 298, 302 quantenchemische Rechnungen .............186 Oxo-Synthese ......................................... 20, 66 Oxygenasen ........................................ 267, 277 Oxygenate.....................................................80 Oxypalladierung ......................................... 265 enantioselektive......................................266
P PAEs ........................................................... 114 Palladiumoxidasekatalyse........................... 267 Parkinsonsche Krankheit ..............................50 Pentade .......................................................148
Pentennitrile ............................................... 241 Peroxometallkomplexe............................... 268 Petrochemie ........................................... 21, 81 Phasentransferkatalyse ........................229, 274 Phillips-Katalysatoren.........................143, 145 Phillips-Triolefin-Prozess .......................... 100 phosphanmodifizierte Rhodiumkatalysatoren ................................................................. 69 2-(Phosphinophenyl)oxazoline .................. 231 Phosphorliganden, Ligandeneinfluss ....79, 200 PHOX .................................................231, 235 Phthalocyaninmetallkomplexe ..................... 43 Pincer-Komplex ..................................121, 122 Pinzettenkomplex....................................... 122 Platina-ȕ-diketon.......................................... 30 Platinkolloide ............................................. 246 Platinschwamm, katalytische Wirkung .......... 3 p-Methoxyzimtsäurederivate ..................... 229 polarisiertes Kontinuum-Modell .................. 16 Poly(1-oxotrimethylen).............................. 174 Poly(arylen-ethinylen)e ..............................114 Poly(p-phenylen-ethinylen)e.......................114 Poly(p-phenylen-vinylen) ...........................114 Polyacetylen............................................... 295 Polyalkenamere.......................................... 107 Polyalkinamere ...........................................114 1,2-Polybutadien ........................................ 206 Polybutadien ............... 111, 179, 180, 206, 212 Eigenschaften .................................212, 214 Mikrostruktur......................................... 206 Polybutadienkautschuk .......................213, 214 Polyethen ............124, 128, 136, 138, 169, 174 Hochdruckverfahren .............................. 146 Hydrogenolyse........................................116 Jahresproduktion.................................... 145 Mitteldruckverfahren ............................. 146 Niederdruckverfahren.......................21, 145 Polymertypen..................................144, 145 Polyisopren .................................179, 215, 304 Polymerisation Insertionsschema ................................... 163 Kettenabbruch........................................ 139 Mechanismus..................................139, 141 Molmassensteuerung ............................. 141 Polymerstruktur ..................................... 140 von Butadien.Siehe Butadienpolymerisation von Cycloolefinen ................................. 167 von Ethen... 21, 23, 116, 138, 144, 150, 154, 162, 169, 196 quantenchemische Rechnungen .156, 170 radikalische ........................138, 144, 145
344 Verfahrensparameter.......................... 145 von Isopren ............................................ 179 von Olefinen .......................................... 137 von Propen ............................... 23, 146, 150 Mechanismus............................. 149, 159 Polymerisationskatalysatoren, maßgeschneidert .................................... 154 Polypropen ........................................... 23, 146 amorphes................................................ 150 ataktisches...................................... 147, 154 Baufehler................................................ 150 biheterotaktisches................................... 301 Eigenschaften......................................... 154 head-to-head .................................. 147, 299 hemi-isotaktisches.......................... 165, 301 hemi-syndiotaktisches.................... 165, 301 hemitaktisches........................................ 165 isotaktisches........... 147, 150, 154, 158, 160 Jahresproduktion.................................... 153 Konfiguration......................................... 147 Mikrostruktur ......................................... 148 Polymertypen......................................... 153 syndiotaktisches .... 147, 150, 154, 158, 161, 173 Verfahrensspezifikation.......................... 153 Polystyrol ................................................... 167 Polyvinylacetat............................................. 85 PPEs ........................................................... 114 Präkatalysator.... 10, 15, 17, 26, 65, 66, 69, 73, 87, 102, 117, 127, 143, 151, 159, 160, 174, 210, 217, 229, 246, 270, 285 primäre Insertion ........................ 149, 159, 301 Prinzip der kleinsten strukturellen Variation ............................................................... 189 prochiraler/prochirales Allylalkohol ................................... 264, 275 Allylligand ............................................. 185 Butadien......................................... 186, 187 Imin.......................................................... 65 Keton ....................................................... 65 Metallenolat ................................... 236, 306 Olefin 13, 22, 49, 51, 73, 147, 149, 158, 160 produktive Metathese ................................. 100 Produktivität von Katalysatoren................... 11 Promotor................................... 17, 90, 91, 241 prone-Orientierung ..................................... 185 Propen Dimerisation, nicht-regioselektive ......... 129 Oligomerisation ............................. 160, 301 Polymerisation .....Siehe Polymerisation von Propen
Sachverzeichnis Propylenoxid...............................................270 prostereogene Seite............... 50, 149, 150, 233 Prostereogenität .................................... 50, 149 pseudochirales Polymer ..............................160
Q quantenchemische Rechnungen zum Wacker-Prozess...............................262 zur Butadienpolymerisation ...................211 zur Cyclooligomerisation von Butadien .201 zur Cyclotrimerisation von Butadien......194 zur Epoxidierung ....................................271 zur Ethenpolymerisation ................156, 170 zur Hydroformylierung ......................68, 72 zur Hydrosilylierung ..............................247 zur Methanolcarbonylierung ....................92 zur nichtalternierenden Copolymerisation ...........................................................178 zur Olefinhydierung ...........................48, 57 zur Olefinmetathese................................106 zur oxidativen Kupplung ........................186 zur reduktiven Eliminierung...................189
R radikalische Oxidationsreaktion ...........85, 267 radikalische Polymerisation........137, 146, 213 Radikalkettenreaktion .........................289, 306 RCM ........................................... 108, 110, 111 reaktionskontrollierte Phasentransferkatalyse ................................................................274 Reaktionsmechanismus.................................14 Reaktionsprofildiagramm .............................18 Redoxkatalyse.................................................8 reduktive Eliminierung ......................... 28, 196 quantenchemische Rechnungen..............189 von Allylderivaten.................................. 188 von C–C .. 33, 101, 118, 128, 188, 189, 191, 192, 198, 217, 219, 224, 233, 243, 305 von C–H ...... 30, 37, 46, 68, 71, 83, 84, 102, 115, 130, 132, 204, 238, 246, 255, 281, 288, 297, 298 von C–I...............................................88, 95 von C–N .................................................254 von C–X ......................... 203, 204, 217, 238 von H2 ........................................46, 97, 248 von H–X .........................................227, 237 von RCN.................................239, 241, 306 von Si–C.........................................246, 250 reduktive Fragmentierung.............................32
345 reduktive Spaltung................ 32, 130, 186, 192 regioselektive Polymerisation.....................147 regioselektive Reaktion ... 12, 68, 76, 147, 206, 228, 234, 239, 244, 251, 280, 306 Reinsertion.......... 126, 142, 169, 170, 173, 260 relative Konfiguration ........................ 147, 302 relay RCM .................................................. 111 Reppe-Chemie ..............................................20 Reppe-Synthese ..........................................244 Re-Seite ........................ 50, 149, 158, 185, 291 resting state...................................................18 Retro-Diels-Alder-Reaktion .......................295 RIM-Technologie ....................................... 110 Ringöffnungsmetathese ..............................108 Ringöffnungsmetathese-Polymerisation .....108 Ringschlussmetathese................. 108, 110, 114 von acyclischen Diinen .......................... 113 Rohrzuckerinversion.......................................5 ROM................................................... 108, 110 ROMP......................................... 108, 295, 296 ʌ-Rückbindung . 27, 31, 59, 106, 252, 293, 307 Ruhezustand .................................................18 Ruhrchemie/Rhône-Poulenc-Verfahren ........78
S Į-Sablin-Verfahren .....................................136 Salenkomplexe ...........................................276 Salzzyklus.....................................................91 Sandwichverbindungen, metallorganische....23 Sauerstoffübertragung. 268, 273, 275, 277, 286 Säure-Base-Katalyse.......................................8 Säurezyklus ............................................ 91, 92 Schlüssel-Schloss-Beziehung .......................52 Schmiermittel .............................................136 Schrock-Carbenkomplexe................... 102, 104 Schrock-Katalysatoren ............... 103, 109, 121 schwach koordinierende Anionen...... 155, 168, 209, 276, 285 Schwanz-Schwanz-Verknüpfung ................147 Schwartz-Reagenz ........................................36 s-cis-Butadien .............................................183 sekundäre Insertion.....................................149 selektive Katalysatoren.................................12 Sharpless-Epoxidierung.............................. 275 Shell Higher Olefin Process............ 23, 77, 133 Shilov-Katalysatorsystem...........................284 SHOP.......... Siehe Shell Higher Olefin Process SHOP-Katalysator ......................................169 Silicalit .......................................................273 Siliciumcarbidfasern................................... 116 Siliconpolymere..........................................249
Silylcyanierung ...................................244, 245 single electron transfer............................... 273 single-site-Katalysator ........................154, 167 Si-Seite..........................50, 149, 158, 185, 291 SOHIO-Prozess.......................................... 244 Sonnenschutzmittel .................................... 229 Sonogashira-Kupplung............................... 222 spectator ligand .............................................. 9 Speier-Katalysator...................................... 246 spezifische Katalysatoren............................. 12 Spinerhaltungssatz ..................................... 268 Spritzguss-Verfahren...................................110 stabile Carbene........................................... 104 Staffel-Ringschlussmetathese......................111 Stereoblockpolymere ................................. 166 stereochemische Kettenendkontrolle...150, 299 Stereoscrambling........................................ 234 stereoselektive Polymerisation.......21, 23, 138, 147, 206 stereoselektive Reaktion .. 12, 49, 74, 228, 234, 244, 251 stereospezifische Reaktion....13, 219, 234, 277 sterische Effekte von Phosphorliganden .... 200 sterischer Ligandenparameter .................... 200 Steuerligand ............................................... 122 Stille-Kupplung...........................222, 226, 305 s-trans-Butadien......................................... 183 Strecker-Synthese..................................76, 245 Styrol–Butadien-Kautschuk ....................... 213 Substrataktivierung .......8, 10, 26, 81, 237, 281 supine-Orientierung ................................... 185 Suzuki-Kupplung ................220, 223, 224, 304 ʌ-Symmetrie................................................. 59 ı-Symmetrie .........................................59, 251 Symmetrieäquivalenz..159, 161, 162, 163, 235 Symmetriebeziehungen.......................158, 162 symmetrieverbotene Reaktion...............44, 294 syn/anti-Notation bei Allylkomplexen ....... 181 syn-Addition 34, 35, 39, 73, 139, 149, 262, 264 syn-anti-Isomerisierung ..............181, 192, 207 synchrone asymmetrische Induktion............ 74 syn-Eliminierung.......................................... 34 Synthesegas.................................................. 80 Synthesekautschuk..............137, 179, 212, 213 synthetisches Polyisopren .......................... 215 syn-trans-Korrelation ..................189, 193, 208
T Tandem-Reaktion................................121, 251 Tebbe-Reagenz......................................33, 102 Telogen ...................................................... 203
346 Telomerisation............................ 202, 203, 204 Terpene....................................................... 179 Tetrawolframatstruktur............................... 274 Theorie des Übergangszustandes.................... 7 thermodynamic oxygen-transfer potential.. 268 thermodynamisches Sauerstofftransferpotenzial .................... 268 thermoplatische Elastomere ....................... 166 threo, Definition ......................................... 263 threo-Polymer............................................. 301 Tieftemperaturkonvertierung........................ 96 Titan(III)-chlorid ................................ 140, 150 Kristallstruktur ....................................... 151 Oberflächenstruktur ....................... 151, 300 topische Beziehungen................................. 159 Topomere, Topomerisierung............... 182, 302 trans-1,4-Polybutadien............................... 206 trans-Addition ............................................ 263 Transalkylierung......................................... 142 Transalkylierungsreaktor............................ 124 Transferdehydrierung ................................. 121 Transferhydrierung............................... 64, 121 Transmetallierung....................... 217, 222, 233 TRANSPHOS............................................... 79 Triade ......................................................... 148 Tsuji-Trost-Reaktion........................... 231, 306 turnover frequency ....................................... 11 turnover number ........................................... 11
U Übergangszustand ... 16, 18, 24, 53, 56, 65, 74, 92, 102, 106, 171, 184, 201, 222, 245, 272, 288 Überlappungsintegral ................................... 44 Umalkylierung............................................ 125 Ș1–Ș3-/Ș3–Ș1-Umlagerung................... 181, 302 ʌ–ı-/ı–ʌ-Umlagerung.................. 39, 181, 234 Umpolung der Reaktivität .......................... 216 Umsatzfrequenz............................................ 11 Umsatz-Zeit-Kurve....................................... 11
V Vaska-Komplex ............................................ 30 Verdrängungsreaktion................................. 123 Vestamid..................................................... 196 Vierzentren-Übergangszustand... 115, 139, 283 Vinylacetat ................................................. 266 Vinylcyclohexen......................................... 197 Vitamin A ..................................................... 80 Vorratskomplex ...................................... 18, 20
Sachverzeichnis
W Wacker-Prozess.....................................21, 258 Mechanismus.................................. 259, 308 quantenchemische Rechnungen..............262 Wacker-Reaktion ................ 263, 265, 267, 307 Wärmepolymerisation.................................212 Wassergas-Gleichgewicht .......................89, 96 Wasserstoffakzeptor......................................64 Wasserstoffdonor ..........................................64 Į-Wasserstoffeliminierung...... 36, 37, 102, 120 ȕ-Wasserstoffeliminierung ... 34, 37, 46, 64, 82, 97, 120, 123, 126, 127, 128, 130, 133, 135, 136, 139, 140, 142, 169, 170, 187, 203, 204, 219, 220, 224, 227, 230, 248, 260, 262, 265, 288, 290, 297, 298, 304 Wasserstoffperoxid, katalytische Zersetzung..4 Wasserstoffübertragung . 36, 64, 132, 139, 142, 208, 255, 272, 288 water-gas shift reaction...........................89, 96 Wechselzahl ........................................129, 162 weiche Nucleophile ....................................233 Weichmacher ........................................77, 136 Wilke-Katalysator.......................................127 Wilkinson-Katalysator ..................................45 Wilkinson-Komplex 19, 22, 26, 45, 62, 65, 246 Woodward-Hoffmann-Regeln.....................294 Wurtz-Reaktion...........................................216
X Xantphos...............................................79, 255
Z Zahlen-Buna ...............................................213 Zeise’s Salz ...........................................31, 259 Zeonex ........................................................109 Ziegler’sche Aufbaureaktion.........36, 123, 125 Ziegler-Katalysatoren .... 9, 109, 136, 138, 145, 150, 167, 196, 214 Ziegler-Natta-Katalysatoren ......138, 145, 150, 154, 167, 180, 206 Zirconacyclopentenkomplexe.....................185 Zuschauerligand......................................9, 200 zweifache CO-Insertion ..............................175 zweifache Etheninsertion....................176, 302 Zweiphasenkatalyse................ 23, 78, 130, 134 Zwischenkomplex.. 10, 15, 16, 24, 25, 94, 204, 262, 265, 283