Günter Mey · Katja Mruck (Hrsg.) Grounded Theory Reader
Günter Mey Katja Mruck (Hrsg.)
Grounded Theory Reader 2., aktualisierte und erweiterte Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2007, erschienen beim Zentrum für Historische Sozialforschung in Köln. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Julia Klös | Eva Brechtel-Wahl VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: www.text-plus-form.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-17103-6
Inhalt
Vorwort! ..........................................................................................................................
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Günter Mey & Katja Mru! Grounded-Theory-Methodologie: Entwi"lung, Stand, Perspektiven! .................
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Teil I: Interviews Editorial! ..........................................................................................................................
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Vierzig Jahre na# „The Discovery“: Grounded Theory weltweit Barney G. Glaser im Gesprä" mit Massimiliano Tarozzi! ..............................................
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„Fors#ung ist harte Arbeit, es ist immer ein Stü" Leiden damit verbunden. Deshalb muss es auf der anderen Seite Spaß ma#en.“! Anselm L. Strauss im Gesprä" mit Heiner Legewie und Barbara S"ervier-Legewie! ..............................................................................................
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„Lernen konzeptuell zu denken“ Juliet M. Corbin im Gesprä" mit César A. Cisneros-Puebla! .........................................
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Grounded Theory konstruieren Kathy C. Charmaz im Gesprä" mit Antony J. Puddepha#! ...........................................
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„Für mi# ist die Darstellung der Komplexität der ents#eidende Punkt.“ Zur Begründung der Situationsanalyse Adele E. Clarke im Gesprä" mit Reiner Keller! .............................................................. 109 Teil II: Positionen Editorial! .......................................................................................................................... 135 Barney G. Glaser unter Mitarbeit von Judith A. Holton Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie! ................................................... 137
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Inhalt
Juliet M. Corbin Eine analytis#e Reise unternehmen!......................................................................... 163 Kathy C. Charmaz Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis#en Grounded Theory! ......................................... 181 Adele E. Clarke Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situationsanalyse! ......................... 207 Teil III: Kontroversen Editorial! .......................................................................................................................... 233 Udo Kelle „Emergence“ oder „Forcing“$? Einige methodologis#e Überlegungen zu einem zentralen Problem der Grounded-Theory! .................................................................................................. 235 Jörg Strübing Zwei Varianten von Grounded Theory$? Zu den methodologis#en und methodis#en Di%erenzen zwis#en Barney Glaser und Anselm Strauss! ......................................................... 261 Jo Rei"ertz Abduktion: Die Logik der Entde"ung der Grounded Theory! ............................. 279 Teil IV: Praxisre!exionen Editorial! .......................................................................................................................... 301 Charles Berg & Marianne Milmeister Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges#i#te &nden: Über die Kodierverfahren der Grounded-Theory-Methodologie! ......................... 303 Petra Mu! el Die Entwi"lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory! ........ 333
Inhalt
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Inga Trus"kat, Manuela Kaiser-Belz & Vera Volkmann Theoretis#es Sampling in Quali&kationsarbeiten: Die Grounded-Theory-Methodologie zwis#en Programmatik und Fors#ungspraxis! .................................................................................................. 353 Zden$k Konopásek Das Denken mit ATLAS.ti si#tbar ma#en: Computergestützte qualitative Analyse als textuelle Praxis! ................................. 381 Gerhard Riemann Grounded theorizing als Gesprä#: Anmerkungen zu Anselm Strauss, der frühen Chicagoer Soziologie und der Arbeit in Fors#ungswerkstä'en! ................................................................ 405 Franz Breuer, Günter Mey & Katja Mru! Subjektivität und Selbst-/Re(exivität in der Grounded-Theory-Methodologie! ............................................................................... 427 Beitragende! .................................................................................................................... 449 Personenregister! ........................................................................................................... 457 Sa#register!.................................................................................................................... 465
Vorwort
)*+, ers#ien „The Discovery of Grounded Theory“ von Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss; zwei Wissens#a-ler, die wie kaum andere die Fors#ungslands#a- geprägt haben: Das Bu# ist eine der wegweisenden (und am häu&gsten zitierten) S#ri-en der qualitativen Fors#ung geworden, und die Grounded-Theory-Methodologie (GTM) hat als prominenter Fors#ungsstil über die Soziologie hinaus Eingang in viele sozial-, aber au# gesundheits-, te# nik-, informations- und wirts#a-swissens#a-li#e Anwendungs- und Fors#ungsfelder gefunden. Mit dem Grounded Theory Reader geht es uns um eine angemessene – und das heißt lebendige – Form der Darstellung und Vermi' lung dieses besonderen Fors#ungsstils. Na# unserem Einleitungskapitel zu Stand und Perspektiven wird der erste Teil des Grounded Theory Readers mit ausgewählten Interviews erö% net. Die Gesprä#e mit den Gründern der GTM, Glaser und Strauss, sowie mit Kathy Charmaz, Adele E. Clarke und Juliet Corbin – Fors#erinnen also, die die GTM wesentli# mitgestaltet und weiterentwi"elt haben – geben die Gelegenheit einer ersten Orientierung. Diese Interviews wie die ans# ließend im ersten Teil des Bandes versammelten Texte von Charmaz, Corbin sowie Glaser (gemeinsam mit Judith Holton) markieren unters#iedli#e Positionen innerhalb der GTM bzw. stehen für vers#iedene Konzeptionen und theoretis#e Perspektiven. Mit den daran ans#ließenden Beiträgen von Udo Kelle, Jo Rei#ertz und Jörg Strübing wird versu#t, einige der Kontroversen um die GTM zu lokalisieren und zu sondieren. Die im S#lussteil des Bandes vorliegenden Artikel von Zden.k Konopásek, Petra Mu"el, Gerhard Riemann sowie Charles Berg und Marianne Milmeister, dem Autorinnenteam Inga Trus#kat, Manuela Kaiser-Belz und Vera Reinartz und der von uns gemeinsam mit Franz Breuer verfasste Beitrag geben Einbli"e in die Fors#ungspraxis. Sie stehen der irrigen Annahme einer GTM-Rezeptur entgegen und fordern sta'dessen (auf), Fors#ung als aktives Handeln von Akteuren zu begreifen und umzusetzen. Alles in allem haben wir in der zweiten Auflage des Grounded Theory Readers den S#werpunkt dur# die Hereinnahme von neun neuen Beiträgen (und die Herausnahme von se#s Artikeln) vers#oben. Es geht uns über die zentrale Auseinandersetzung um die GTM-Positionen sensu Glaser und/oder Strauss hinaus nun insbesondere darum, der Bandbreite der vers# iedenen Verständnisse von GTM Re#nung zu tragen und diese in die Diskussion einzubringen. Insofern handelt es si# eher um eine Neuauflage; der Grounded Theory Reader aus dem Jahre /00,, der als Supplement der Zeits#ri- Historis"e Sozialfors"ung des GESIS-Zentrums für Historis#e Sozialfors#ung ers#ienen ist, kann insoweit ebenfalls na# wie vor ergänzend hinzugezogen werden.
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Vorwort
Dur# die Ausri#tung und Anlage der Texte soll ein mögli#st breiter Kreis von Leserinnen und Lesern in Fors#ung und Lehre errei#t werden: Jene, die bereits mit der GTM vertraut sind, sollen weitere Anregungen für die eigene Fors#ungsarbeit und deren Re(exion erhalten; jenen, die die GTM kennenlernen wollen, soll der Einstieg in ein zunehmend unübersi#tli#er und teilweise widersprü#li#er werdendes Terrain erlei#tert werden. Und der Grounded Theory Reader soll allen Interessierten – ungea#tet ihrer Fors#ungs- und Lehr-/Lernerfahrungen, ungea#tet ihres Status – die Lebendigkeit eines Fors#ungsstils und eine lebendige Wissens#a- vermi'eln. Dass es den Grounded Theory Reader in der zweiten Auflage in dieser Form – mit vielen erstmals abgedru"ten oder überarbeiteten Beiträgen – gibt, haben wir allen beteiligten Autorinnen und Autoren zu verdanken, die ihre Artikel neu verfasst oder aktualisiert haben. Unser besonderer Dank gilt Paul Sebastian Ruppel, der uns bei der Übersetzung vieler englis#er Originaltexte unterstützt hat. Unser Anliegen war, mit dem Verfügbarma#en aller Texte in Deuts# ni#t nur ein in si# stimmiges Bu# zu präsentieren, sondern au# einen lei#teren Zugang zu GTM-Positionen wie denen von Charmaz und Clarke zu erö% nen, die in der hiesigen Diskussion no# immer nur begrenzt rezipiert werden; au# Texte von Barney Glaser werden hier erstmals einem breiten Publikum in Deuts# zugängli# gema#t. Wir ho%en, mit dem Grounded Theory Reader in seiner jetzigen Form einen instruktiven Band – sowohl für die Diskussionen zu einem einzigartigen Fors#ungsstil als au# mit Bli" auf je individuelle Fors#ungsarbeiten – vorgelegt zu haben. Günter Mey & Katja Mru" Berlin, Juni /0))
Grounded-Theory-Methodologie: Entwi!lung, Stand, Perspektiven Günter Mey & Katja Mru!
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Einführung
Qualitative Fors!ung im Allgemeinen und die Methodologie der Grounded Theory im Besonderen haben in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit und Akzeptanz erfahren. Der Grounded-Theory-Methodologie kommt hierbei als Fors!ungsstrategie und als Ensemble von Methodenelementen besonderes Interesse zu, je mehr die Frage der Theoriegenerierung wissens!a"sges!i!tli! rehabilitiert wird: Diese war über viele Jahrzehnte dur! Wissens!a"stheorien – insbesondere dur! die Trennung in „context of discovery“ und „context of justi#cation“ (vgl. Rei!enba! $%&') – in den Berei! des Vorwissens!a"li!en verdrängt worden. Mi(lerweile wird aber zunehmend erkannt, dass in Zeiten gesells!a"li!en Wandels und von Globalisierung quantitative Verfahren ni!t rei!en, weil sie per De#nition nur erfassen, was an prüfbarem theoretis!en Vorwissen und daraus abgeleiteten Hypothesen bereits existiert. Hier sind gerade bei der eminent wi!tigen Frage na! der wissens!a"li!en Zugängli!keit von „Neuem“ Verfahren der Entwi)lung von Theorien von hervorragender Bedeutung. Die Methodologie der Grounded Theory, von den amerikanis!en Soziologen Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss $%*+ erstmals in einer gemeinsamen Monogra#e „The Discovery of Grounded Theory. Strategies for Qualitative Resear!“ formuliert, verspri!t genau dies: die regelgeleitete, kontrollierte und prüfbare „Entde)ung“ von Theorie aus Daten/Empirie. Damit verfolgten die beiden Autoren, obwohl das Bu! si! mit dem Untertitel dezidiert im Feld der qualitativen Sozialfors!ung einordnete, eine doppelte Zielri!tung sowohl gegen die damals vorherrs!ende quantitative Orientierung an hypothetiko-deduktiven Modellen als au! gegen die zu dieser Zeit überwiegend an Feldfors!ung und Deskription interessierte qualitative Tradition. Wie überfällig eine dezidiert auf Theorieentwi)lung und eben ni!t auf Theorietestung (oder aus qualitativer Perspektive: Bes!reibung) ausgeri!tete, elaborierte Fors!ungsstrategie war und ist, zeigt die immense Verbreitung, die die GroundedTheory-Methodologie seitdem gewonnen hat. Tits!er, Meyer, Wodak und Ve(er (,---, S.+.) halten na! einer bibliometris!en Analyse die Grounded-Theory-Methodologie für „the most prominent among the so-called qualitative approa!es to data-
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Grounded-Theory-Methodologie: Entwi)lung, Stand, Perspektiven
analysis“: Mit über *- Prozent aller Nennungen ist sie die am häu#gsten erwähnte Fors!ungsstrategie überhaupt. Dabei war „The Discovery of Grounded Theory“ zunä!st ein eher programmatis!es Bu!, das nur begrenzt Einbli) in die konkrete Fors!ungsstrategie gewährt. Hierfür erforderli!e Explikationen haben Glaser ($%+') und Strauss ($%%$ [$%'+], sowie Strauss gemeinsam mit Juliet Corbin $%%* [$%%-]) erst später getrennt geleistet, mit weiteren Ausarbeitungen über Jahrzehnte. Mi(lerweile wird von einer „Second Generation“ gespro!en, zu der neben Juliet Corbin v./a. Kathy Charmaz, Adele E. Clarke oder Janice Morse gehören (siehe Morse et al. ,--'). Und es ist vor dem Hintergrund der (Weiter-) Entwi)lungen der Grounded-Theory-Methodologie sukzessive der Eindru) entstanden, dass es ri!tiger wäre, von Grounded-Theory-Methodologien im Plural zu spre!en oder zumindest anzuerkennen, dass es eine Vielzahl (nationaler, disziplinärer) Verfahrensvors!läge und Auslegungsversu!e gibt. Von ihnen zeugt der hier vorgelegte Grounded Theory Reader (und sein Vorgänger, Mey & Mru) ,--+) sowie das von Antony Bryant und Kathy Charmaz herausgegebene „SAGE Handbook of Grounded Theory“ (,--+a), das gerade in der Neuauflage als Paperba) ers!ienen ist. Im Folgenden werden wir zunä!st den (programmatis!en) Beginn der Grounded-Theory-Methodologie in der gemeinsamen Arbeit von Glaser und Strauss skizzieren (Abs!ni( ,), um dann in einige hieran ans!ließende Verfahrensvarianten und „Spielarten“ (Abs!ni( &) einzuführen. Trotz der erkennbaren Unters! iede der konkreten Vors!läge und entgegen einiger teilweise polemis!er Deba(en gibt es aus unserer Perspektive wesentli!e gemeinsame Essentials, die wir zusammen mit einem Überbli) über wesentli!e Di0erenzen, insbesondere was das Auswertungsvorgehen na! Glaser einerseits und Strauss (und Corbin) andererseits angeht, in Abs! ni( . zusammenfassen. – Wir ho0en, mit dieser Einführung Einbli)e in zentrale Begri0e und Verständnisse der Grounded-Theory-Methodologie geben zu können, die die Lektüre der in den na!folgenden Sektionen des Grounded Theory Reader versammelten Beiträge rahmen sollen. Zuvor no! eine de#nitoris!e Anmerkung: Im deuts!en Spra!raum gab es vers!iedene Versu!e, „Grounded Theory“ zu übersetzen: beispielsweise als „gegenstandsbegründet“, „gegenstandsverankert“, „gegenstandsnah“, „datenbasiert“ oder als „empiris! fundiert“. Mi(lerweile wird der Versu! einer Übersetzung jedo! kaum no! unternommen, sondern der englis!e Ausdru) beibehalten. Wi!tiger als die Su!e na! einer angemessenen (und für den deuts!en Spra!raum konsensuellen) Übersetzung ers!eint uns in diesem Zusammenhang die im Folgenden verwandte Unters!eidung zwis!en der Grounded-Theory-Methodologie (GTM), also dem Fors!ungsansatz und der mit ihm intendierten Strategie der Theorieentwi)lung einerseits, und der Grounded Theory (GT), des mi(els dieser Strategie zu gewinnenden bzw. gewonnenen Produkts andererseits.
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GTM – der programmatis"e Beginn
Das bis heute wegweisende Bu! „The Discovery of Grounded Theory: Strategies for Qualitative Resear!“, vor mehr als vierzig Jahren ers! ienen, liegt seit Längerem s!on in der $$. Auflage vor; es ist aber erst seit $%%' in der deuts!en Übersetzung – „Grounded Theory. Strategien qualitativer Fors!ung“ – verfügbar. Anders als mögli!erweise erwartet, gibt „The Discovery of Grounded Theory“ weder eine eindeutige De#nition zentraler für die GTM relevanter Termini no! eine Einführung, die eine Anlehnung für die eigene Fors!ungsarbeit erlaubt. „The Discovery of Grounded Theory“ ist ein programmatis!er Band, eine Kampfansage an die damals in der nordamerikanis!en Soziologie dominanten grand theories und das hypothetiko-deduktive Modell, die Theorien und aus ihnen abgeleitete Hypothesen ebenso wie methodis!e Vorgehensweisen (zumeist standardisierte Erhebungs-, Auswertungs- und Prüfverfahren) immer s!on voraussetzen. Anselm Strauss führte hierzu in einem Interview mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie (,--. [$%%1]) aus: „Wir verbanden drei Zielsetzungen mit dem Bu!: Erstens versu!ten wir, qualitative Fors!ung, die damals ni!t anerkannt wurde, zu legitimieren. In vielen Departements ist es ja immer no! so, dass qualitative Fors!ung ni!t als wissens!a"li! gilt2! So wurde das Bu! au! benutzt. – Studenten konnten damit ihre qualitativen Studien vor den Prüfungsauss!üssen besser re!tfertigen. Zweitens wollten wir Funktionalisten wie Parsons und Merton a(a)ieren. Damals wurden deren Theorien von den Studenten und jungen Soziologen umstandslos übernommen und alles andere in Frage gestellt. Wir wandten uns gegen diese ‚überlieferten Theorien‘, und das war au! wirkungsvoll. Deswegen hat das Bu! diese aktive und s!arfe Diktion. Der Lektor hat zunä!st alle aktiven Verben ins Passiv verkehrt, um das abzumildern, do! wir haben dagegen protestiert und uns dur!gesetzt. Der dri(e Grund war die Darstellung der Mögli! keit von Theoriebildung aus den Daten heraus. Das wird ja bis heute von vielen qualitativen Fors!ern bezweifelt. Die meisten begnügen si! mit ethnogra#s!en Bes!reibungen wie die frühen Chicagoer. Und neuerdings die Postmodernen halten es ni!t mehr für sinnvoll, systematis! Theorien zu entwi)eln“ (Abs. 1,; Großs!reibung der Autorennamen im Zitat unberü)si!tigt gelassen).
„The Discovery of Grounded Theory“ sollte, dies klingt bereits in dem Zitat an, ein Bu! für den wissens!a"li!en Na!wu!s, für die kids sein: Sie sollten entgegen der bis dahin übli!en Aufteilung der Fors!ungswelt in einige wenige „theoretis!e Kapitalisten“ und ein Heer „proletaris!er Theorietester“ ermä!tigt werden, dem eigenen Denken, der eigenen „wissens!a"li!en Intelligenz“ zu vertrauen und Theorien zu entwi)eln, die für die gesells!a"li!e Praxis, für das Handeln in empiris!en Feldern von Bedeutung sind. Insoweit ri!tete si! „The Discove-
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ry of Grounded Theory“ ni!t nur gegen die Entfremdung von Kopf und Hand in der eigenen Disziplin, gegen die Entfremdung zwis!en Theorie und empiris!er Sozialfors!ung, sondern au! gegen die Entfremdung der Soziologie als Disziplin von der sozialen Wirkli!keit. Entspre!end heißt es erö0nend in „The Discovery of Ground Theory“: „Most writing on sociological method has been concerned with how accurate facts can be obtained and how theory can thereby be more rigorously tested. In this book we address ourselves to the equally important enterprise of how the discovery of theory from the data—systematically obtained and analyzed in social research—can be furthered. We believe that the discovery of theory from the data—which we call grounded theory—is a major task confronting sociology today, for, as we shall try to show, such a theory #ts empirical situations, and is understandable to sociologists and layman alike. Most important, it works—provides us with relevant predictions, explanations, interpretations and applications“ (Glaser & Strauss $%*+ [$%%'], S.$).
Und obwohl Glaser und Strauss hiermit einer der wesentli!en Intentionen qualitativer Fors!ung, nämli! Verstehen eng an den Akteuren und an deren Alltagspraxis zu orientieren, sehr nahe kamen, galt eine zweite Stossri!tung der GTM, wie bereits erwähnt, der damals überwiegenden ethnogra#s!en Praxis einer bloß deskriptiven, illustrierenden und explorativen Selbstbes!eidung qualitativer Fors!ung und deren ungenügender methodologis!er und theoretis!er Elaboration. Strauss selbst war in genau dieser qualitativen Tradition sozialisiert worden: als S!üler von Blumer (selbst Student bei George Herbert Mead) und Mitarbeiter von Lindesmith war er in dem wissens!a"shistoris!en Kontext des Pragmatismus und des symbolis!en Interaktionismus in der Tradition der Chicagoer S!ule und soziologis!en Feldfors!ung beheimatet (dazu Bryant ,--%; Hammersley ,-$-). Glaser hingegen war S!üler bei dem Wissenssoziologen Robert K. Merton und entstammte der von Paul Lazarsfeld geprägten Columbia S!ool mit kritis!-rationalistis!er Orientierung und methodis!em S!werpunkt in der quantitativen Meinungsfors!ung. Diese unters!iedli!e wissens!a"li!e Sozialisation wird jedo! erst später bedeutsam – wennglei! sie von Beginn an die GTM kennzei!nete – und zuneh mend au! Gegenstand wissens!a"stheoretis!er Erörterungen wurde (dazu exemplaris! die Beiträge von Kelle sowie Strübing in diesem Band). Die Arbeit an „The Discovery of Grounded Theory“ begann in den frühen $%*-er Jahren, na!dem Glaser an die University of California gewe!selt war und beide ihre gemeinsamen Studien zu Tod und Sterben in Hospitälern dur! führten, in die neben der jeweiligen professionellen/methodis!en Sozialisation zuglei! s!werwiegende biogra#s!e Erfahrungen eingingen: Strauss ha(e Anfang der $%*-er Jahre die Krankheit und den Tod seiner Mu(er erlebt, Glaser ha(e kurz vor seinem Hinzukommen in das Team seinen Vater verloren. Ergebnis war eine Theorie der „Awareness of Dying“ (Glaser & Strauss $%*1a [$%%1 ($%+.)]), und es war diese ge-
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meinsame theoriebildende Arbeit, die na!trägli! in „The Discovery of Grounded Theory“ re3ektiert und als Fors!ungsstrategie publik gema!t wurde. Dies zu akzentuieren ers!eint wi!tig, weil so verstehbar wird, dass die GTM selbst in ihren Grundzügen eine im Feld und im Laufe der gemeinsamen Fors!ungspraxis entwi)elte GT und die GTM eben deshalb keine der empiris!en Fors!ung entfernte „Arm!air-Methodik“ ist. Was die Theoriegenerierung im Sinne der GTM bereits in dieser frühen Fassung auszei!net, sind insbesondere folgende Grundelemente, die trotz aller folgenden Diversi#kation au! spätere getrennte Verö0entli!ungen dur!ziehen (ausführli!er dazu Abs!ni( .): 4
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Die Entde)ung von neuen Theorien ist mindestens ebenso wi!tig wie die Prüfung bereits vorliegender Theorien; insbesondere im Falle sozialwissens!a"li!er Problemstellungen für konkrete soziale Handlungsfelder ist der theoriegenerierende Ansatz gänzli! unverzi!tbar. Anders als im Falle des Theorie-/Hypothesentestens und der dort übli!en sequenziellen Vorgehensweise (Operationalisierung, Erhebung, Datenaufbereitung, Auswertung) benötigt die Generierung von Theorie aus Empirie wiederkehrende Zyklen, in denen Erhebung, Auswertung und Theoriebildung eng vers!ränkt sind. Die Abstraktion hin zu einer GT wird geleistet dur! spezi#s!e Kodierprozeduren (heute in der Regel als computerunterstützte Auswertung angelegt), mi(els derer empiris!e Daten sukzessive verallgemeinert werden. Kernprozedur in diesem Kodierprozess sind Verglei!e auf Gemeinsamkeiten und Unters!iede (zwis!en empiris!en Daten, zwis!en Daten und aus ihnen generierten Kodes, zwis!en Kodes, mit Bli) auf die in die forts!reitende Untersu!ung einzubeziehenden Fälle/Untersu!ungsgruppen). Dieser Einbezug neuer Fälle im Untersu!ungsprozess wird gesteuert dur! das Theoretical Sampling, die für die GTM spezi#s!e Variante der sukzessiven Auswahl von im Zuge der Theorienentwi)lung si! als relevant erweisenden, neu zu erhebenden Daten. Für die Theoriebildung ist die wiederkehrende Rü)bindung an Daten ebenso erforderli! wie die theoretis!e Sensibilität aufseiten der Fors!enden, da erst dur! sie eine über Deskription hinausgehende Konzeptualisierung mögli! wird. Unverzi!tbar in diesem Prozess ist das (Fort-) S!reiben von Memos über den errei!ten Erkenntnisforts!ri( – und ebenso notwendig, wenn au! ni!t in dem Maße umgesetzt, ist das kontinuierli!e Arbeiten in Fors!ungsgruppen und Interpretationsgemeins!a"en. Die Theoriebildung wird vorangetrieben bis zur s!ließli!en theoretis!en Sättigung (Theoretical Saturation) als dem (vorläu#gen) Endpunkt der Analyse, d./h. zu einer Zeit und bis auf Weiteres liefern neue Daten keinen substanziellen Wissenszuwa!s für die generierte Theorie.
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Grounded-Theory-Methodologie: Entwi)lung, Stand, Perspektiven
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Am Ende dieses iterativen Prozesses soll eine an Daten gewonnene – in den Daten verankerte – GT stehen, wobei unters!ieden wird zwis!en sogenannten materialen und formalen Theorien (substantive und formal theories): Während erstere si! auf einen spezi#s!en sozialwissens!a"li!en Gegenstandsberei! beziehen und au! nur für diesen spezi#s!en Berei! Gültigkeit beanspru!en (dürfen), können sie zuglei! Ausgangspunkt für eine allgemeinere, formale GT sein, die einen vers!iedene Gegenstandberei!e integrierenden Charakter hat. 4 Die Qualität der entwi)elten GT ist ni!t mi(els traditioneller, dur! testtheoretis!e Gütekriterien festgelegter Standards zu bemessen. Insbesondere wird von einer GT ni!t erwartet „that data should #t the theory“, sondern umgekehrt: „the theory should #t the data“ (Glaser & Strauss $%*+, S.,*$). Hierzu werden für jeden S!ri( im Fors!ungsprozess Kriterien der Glaubwürdigkeit, Plausibilität und Vertrauenswürdigkeit (credibility, plausibility, trustworthiness) vorges!lagen, entlang derer die Güte des Prozesses und seines Ergebnisses geprü" werden kann. 3
„Spielarten“ der GTM
3.1
Von Vätern und Tö"tern
Glaser und Strauss s!ufen mit ihrem frühen Werk die Grundlage für jenen Fors!ungsstil, der heute fest zum Grundbestand der qualitativen Fors!ung gehört und in kaum einem Methodenband fehlt. Umso überras!ender ist, dass „The Discovery of Grounded Theory“ die einzige gemeinsame methodologis"e Bu!publikation von Glaser und Strauss geblieben ist.1 Selbst gemeinsame Methodenartikel sind rar, zu erwähnen ist hier beispielsweise der $%*1 in „The American Behaviorist“ ers!ienene Beitrag „Discovery of Substantive Theory“ (Glaser & Strauss $%*1b [$%+%]), der zwei Jahre später – lei!t verändert – in „The Discovery of Grounded Theory“ als Kapitel % Eingang fand. Na! dem gemeinsamen Band begannen beide re!t ras! den darin nur in Umrissen skizzierten Fors!ungsstil getrennt voneinander zu vertreten und zunehmend in unters!iedli!e Ri!tungen auszudi0erenzieren, wobei jeweils unters!iedli!e Personen an dieser Entwi)lung beteiligt waren und zu ihr beitrugen. Wegen des Ausgangspunktes der gemeinsamen Fors!ungsarbeit von Glaser und Strauss in den Gesundheits- und P3egewissens!a"en spielten in dieser Na!folgegeneration insbesondere S!ülerinnen eine hervorragende Rolle, so Juliet M. Corbin, die die von Strauss vertretene Variante der GTM gemeinsam mit ihm weiter ausbu!stabierte 1
Es gab allerdings weitere gemeinsame themenbezogene Verö0entli!ungen neben „Awareness of Dying“ (Glaser & Strauss $%*1a [$%%1 ($%+.)]), nämli! insbesondere „Time for Dying“ (Glaser & Strauss $%*') und „Status Passage“ (Glaser & Strauss $%+$).
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(Strauss & Corbin $%%* [$%%-], $%%., $%%+; Corbin & Strauss ,--' und Corbin in diesem Band), oder Adele E. Clarke (,--1 und in diesem Band), die eine eigene GTMVariante – die Situational Analysis – s!uf und na! dem Tod von Anselm Strauss $%%* gemeinsam mit dessen Frau Fran seinen Na!lass organisierte2. Eher orientiert an Glaser und zuglei! deutli! vers!ieden von ihm z./B. Kathy Charmaz (,--*, in diesem Band) mit ihrer „Constructivist Grounded Theory“. Gemeinsam mit ihm arbeitet in neuester Zeit im Sinne der von ihm mi(lerweile so bezei!neten „Classic Grounded Theory“ Judith A. Holton (Glaser in Zusammenarbeit mit Holton ,--., in diesem Band), die au! Herausgeberin der von Glaser im Rahmen seines Grounded Theory Institute3 publizierten Zeits!ri" „Grounded Theory Review“4 ist. Die Weiterentwi)lung der GTM dur! Glaser und Strauss selbst vollzog si! zunä!st unmerkli! und ohne na! außen vertretene Di0erenzen oder Abgrenzungen. $%+' ers!ien Glasers Monogra#e „Theoretical Sensitivity. Advances in the Methodology of Grounded Theory“ – heute ebenfalls ein Klassiker, der grundlegende Weiterführungen aus „The Discovery of Grounded Theory“ enthält bzw. die dort teilweise no! sehr vagen Darstellungen erstmals elaboriert (u./a. detaillierte Ausführungen zu Sampling, Coding, Memos etc.) und vor allem das Konzept-IndikatorModell fundiert (siehe dazu weiter unten Absatz .). Strauss, der $%'+ die Monogra#e „Qualitative Analysis for Social Scientists“ verö0entli!te (die anders als „The Discovery of Grounded Theory“ bereits kurz na! Ers!einen, nämli! $%%$ in Deuts! vorlag; als „Grundlagen qualitativer Sozialfors!ung: Datenanalyse und Theoriebildung in der empiris!en und soziologis!en Fors!ung“), hat vieles aus diesem Bu! von Glaser übernommen. Strauss ($%%$ [$%'+], S.,,) bemerkt dazu: „In der Tat ist die zweite Häl"e dieses Kapitels [gemeint ist der umfängli!e „Teil ,: Analyse na! der Grounded Theory: Hauptelemente“], von einigen Erläuterungen abgesehen, im wesentli!en sein Werk [gemeint ist Glaser und dessen Bu! „Theoretical Sensitivity“]“. „Qualitative Analysis for Social Scientists“ liest si! überwiegend wie ein Werksta(bu!, in dem eine Fülle an Beispielen (i./d./R. Aufzei!nungen von Auswertungssitzungen) gegeben wird, da die Studierenden und der wissens!a"li!e Na!wu!s na! Verans!auli!ungen der GTM verlangten. Das dann von Strauss gemeinsam mit Juliet Corbin $%%- vorgelegte „Basics of Qualitative Resear!. Grounded Theory Procedures and Te! niques“ kommt hingegen einem Lehrbu! re!t nahe, denn beide bemühten si! um eine zunehmend systematis!e und an Lehr-/Lernzwe)en orientierte Aufbereitung der GTM. Seit $%%* liegt „Basics of Qualitative Resear!“ au! in Deuts! vor (unter Verkehrung der Titel: „Grounded Theory“ ist zum Haupttitel, „Grundlagen qualitativer Sozialfors!ung“ zum Untertitel geworden).
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h(p://www.ucsf.edu/anselmstrauss/ h(p://www.groundedtheory.org/ h(p://www.groundedtheoryreview.com/
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Grounded-Theory-Methodologie: Entwi)lung, Stand, Perspektiven
Na! dem Ers!einen von „Basics of Qualitative Resear!“ wird dann au! der Bru! zwis!en den Gründern unübersehbar. Bis dahin s!eint – au! wenn es in den zurü)liegenden ,- Jahren keine gemeinsamen Publikationen mehr gab – eine zumindest konzeptuelle Nähe zwis!en Glaser und Strauss bestanden zu haben. So ha(e ni!t nur Strauss, wie erwähnt, in seinem $%'+er Bu! extensiv auf Glaser zurü)gegri0en, sondern au! Glaser ha(e no! Anfang der $%%-er Jahre fa!ö0entli! in einer Fests!ri" für Anselm Strauss vermerkt: „I have known and collaborated with Anselm Strauss for about thirty years, and I would like to summarize the collaboration by citing its most important properties. In doing this, I hope to evoke in the reader a feeling for the meaning, the appreciation, and the love of what it has meant for me to work with and be associated with Anselm for these years“ (Glaser $%%$, S.$$, zit. na! Legewie ,--1, Abs. &&).
Na! „Basics of Qualitative Resear!“ und – wohl vor allem – mit dem Si!tbarwerden der Koautorin, Juliet Corbin, vers!är"e si! der Ton in der Diskussion seitens Glaser erhebli!. Besonders deutli! wird dies in der Einleitung seines Bu!es „Emergence vs. Forcing: Basics of Grounded Theory“, in dem er nun Strauss und Corbin s!arf a(a)iert: „I request that you pull the book. It distorts and misconceives grounded theory, while engaging in a gross neglect of %-/% of its important ideas“ (Glaser $%%,, S.,). In der Folgezeit wandte Glaser si! in seinen Monogra#en in der Reihe „The Grounded Theory Perspective“5 sowie in der Reihe „Classic Grounded Theory Methodology“6 ebenso wie in den von ihm bis Mi(e der $%%-er edierten Sammelbänden (Glaser $%%&, $%%., $%%1, $%%*, letzterer in Zusammenarbeit mit W. Douglas Kaplan) vehement gegen – aus seiner Si!t – vollzogenen „Ver3a!ungen“ und Missinterpretationen der GTM. Dabei bes!ränkt si! seine Kritik ni!t nur auf Strauss/ Corbin, sondern sie wendet si! gegen Änderungsvors!läge und Erweiterungen, die er in den Darstellungen neuerer Protagonist/innen sieht, so etwa in den Arbeiten von Janice Morse und no! mehr in denen von Kathy Charmaz, die seit Mi(e der $%%-er Jahre wesentli! zur Verbreitung der GTM beigetragen und eine Fülle an Übersi!tsartikeln vorgelegt hat, u./a. in der zweiten (,---) und dri(en Auflage (,--1) des von Denzin und Lincoln editierten „Handbook of Qualitative Resear!“7. Dabei hat Charmaz mehr und mehr eigene Akzente gesetzt und steht mi(lerweile als wi!tigste Repräsentantin für einen „konstruktivistis!en“ GTM-Ansatz: 5 6 7
Dazu gehören die Bände: I. „Conceptualization Contrasted With Description“ (Glaser ,--$), II. „Description’s Remodeling of Grounded Theory“ (Glaser ,--&a) und III: „Theoretical Coding“ (Glaser ,--1). U./a. mit „Doing Grounded Theory“ (Glaser $%%'), „Doing Formal Grounded Theory“ (Glaser ,--+) und „Doing Quantitative Grounded Theory“ (Glaser ,--'). In der Erstauflage von $%%. stammte der GTM-Beitrag no! von Strauss und Corbin. Charmaz hat au! Artikel zur GTM in im engeren Sinne psy!ologis!en Publikationen verfasst; u./a. $%%1 und ,--&.
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„In the classic grounded theory works, Glaser and Strauss talk about discovering theory as emerging from data separate from the scienti#c observer. Unlike their position, I assume that neither data nor theories are discovered. Rather, we are part of the world we study and the data we collect. We construct our grounded theories. Through our past and present involvements and interactions with people, perspectives, and resear! practices“ (Charmaz ,--*, S.$-).
Indem Glaser si! in seiner Kritik immer wieder im Ton vergrei" und eigene Methodenelaborationen als immanente GTM-Entwi)lung, die anderer jedo! als Ver3a!ung und Remodeling fasst (z./B. Glaser ,--,, ,--&b), manövriert er si! in einiger Hinsi!t in ein (gegen methodenkritis!e Diskussionen abges!o(etes) Abseits, wie dies u./a. Bryant (,--&, Abs. ,.2f.) diagnostiziert: „What we have got so far is a response that reads as if Glaser is more intent on establishing ‚The One True Church of GTM‘, than he is in clarifying the conceptual foundations of the method. … Anyone who uses GTM in a manner that Glaser # nds ‚incorrect‘ will su0er a similar fate. Glaser will be the arbiter of what counts as GTM and who is best able to use it – blessed are those who can ‚conceptualize‘, they will inherit GTM, the rest will have to be satis#ed with QDA [Qualitative Data Analysis, wogegen Glaser die GTM scharf abgrenzt]. Now if this is what Glaser really wishes to do, then so be it; but I would like to be able to rescue the key ideas of the method. Glaser may feel proprietorial about GTM, he has a certain right to do so as far as the initial statements are concerned; but he now has to acknowledge that GTM has outgrown his grasp. We have Glaser’s view of GTM – welldocumented in his books and papers, but we also have several other views …. Glaser’s version of GTM is not the only game in town.“ (Großs!reibung der Autorennamen unberü)si!tigt gelassen)
3.2
Rezeptionsbesonderheiten
Diese unters!iedli!en Positionen in der GTM sowie insbesondere die Kontroverse zwis!en Glaser und Strauss wurden lange Zeit in Abhandlungen zur GTM wenig dargestellt. Erst langsam mehren si! dazu systematis!ere Darstellungen (insbesondere Kelle $%%+, ,--1 und Strübing ,--.; siehe dazu deren Beiträge in diesem Band). Die – zum Teil he"igen – Auseinandersetzungen haben der Verbreitung der GTM jedo! keinen Abbru! getan, ri!tiger: Unberührt von diesen Kontroversen erfreut si! die GTM seit Jahren eines weiter wa!senden Interesses und ist eine verbreitete Anwendung für viele Fors!ungsfragen und in unters!iedli!sten Fors!ungsberei!en. Eher anekdotis! wird diese Entwi) lung verständli!, wenn man einen frühen Versu! von Lüders und Rei!ertz ($%'*) heranzieht, der das Feld der qualitativen Sozialfors!ung entlang vers!iedener Dimensionen – Su!e na! subjektiven Sinnwelten, Deskription sozialen Handelns und sozialer Milieus,
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Rekonstruktion deutungs- und handlungsgenerierender Strukturen – ordnet, und ihn mit der Überarbeitung dur! Rei!ertz (,--+) verglei!t: Ha(en die Autoren die GTM $%'* als Auswertungsverfahren no! eindeutig (aber im Sinne der „Väter“ der GTM zu unre!t) Studien zugeordnet, die si! um die Deskription sozialen Handelns und sozialer Milieus bemühen, gibt es in Rei!ertz‘ um eine vierte Kategorie („[Re] Konstruktion historis! und sozial vortypisierter Deutungsarbeit“) ergänzter Übersi!t (,--+, S.$%'2f.) über die wi!tigsten „elaborierten qualitativen Methoden“ eine Methodik, die immer induziert s!eint – ein jedes Mal gilt am Ende der Auflistung mögli!er Verfahren zur Bearbeitung der Fors!ungsfragen: „und die Grounded Theory“. Allerdings ers!eint die Rezeption der GTM im deuts!spra!igen Raum insoweit ein Sonderfall, als hier die fast alleinige Bezugnahme auf den GTM-Stil vorherrs!end war und ist, wie er von Anselm Strauss (allein und gemeinsam mit Juliet Corbin) vorgetragen und geprägt wurde. Dies kommt sehr ans!auli! in dem Beitrag von Andreas Böhm zur Auswertungsmethodik der Grounded Theory im Handbu! „Qualitative Fors!ung“ zum Ausdru); dort heißt es fäls!li!erweise: „Während si! Barney Glaser in den '-er Jahren aus dem aktiven Fors!ungsleben zurü)zog, entwi)elte Strauss den Ansatz weiter und bemühte si! insbesondere um eine didaktis!e Aufbereitung, um die Methode lehr- und lernbar zu ma!en“ (Böhm ,--', S..'.).8 Wesentli! für diese Dominanz der Strauss-Corbins!en GTM-Variante ist u./a., dass in Deuts!land der Band „Qualitative Analysis for Social Scientists“ von Anselm Strauss – wie eingangs angemerkt – bereits kurz na! seiner Verö0entli!ung im Englis!en in deuts!er Übersetzung als „Grundlagen qualitativer Sozialfors!ung“ vorlag (und seit $%%. günstig als Tas!enbu! erhältli! ist). Das gemeinsam mit Juliet Corbin $%%- verfasste „Basics of Qualitative Resear!“ ist $%%* in übersetzter Fassung auf den deuts!en Markt gekommen und wurde von nun an vielfa! als „das“ GTM-Bu! wahrgenommen; der $%*+er-Ursprungsband von Glaser und Strauss – „The Discovery of Grounded Theory“ – war dagegen mit deutli!er Verspätung von ,$ Jahren erst $%%' in Deuts! erhältli!. Im Unters!ied hierzu liegen alle Monogra#en Glasers – so au! der „Klassiker“ „Theoretical Sensitivity“ – sowie dessen Sammelbände bis heute auss!ließli! in Englis! vor. Dass es zu den deuts!en Übersetzungen gekommen ist, hängt au! mit den teilweise engen Kontakten zusammen, die Strauss zu deuts!en Wissens!a"ler/ innen unterhalten hat9, sei es im Rahmen eigener Besu!e von (damaligen) qualita-
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Diese irrtümli!erweise vorgenommene und erstmals in der Erstauflage von ,--- getro0ene Eins!ätzung wird bis in die neuste, mi( lerweile se!ste Auflage von ,--' beibehalten und zudem international verbreitet, weil das Handbu! ,--. übersetzt als „Companion to Qualitative Resear!“ ers!ienen ist. Glasers direkte Bezüge zu Deuts!land waren dagegen bis auf wenige Ausnahmen weitgehend auf seinen Aufenthalt als Soldat in der amerikanis!en Armee begrenzt.
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tiven Zentren10, sei es umgekehrt im Verlauf von Aufenthalten deuts!er Fors!ender (u./a. Fritz S!ütze, Wolfram Fis!er, Gerhard Riemann und dessen S!wester Christa Ho0mann-Riem) an der University of California. Neben engen Kontakten in die deuts!e interpretative Soziologie existierten zudem Verbindungen zu qualitativ orientierten Psy!olog/innen, insbesondere zu Heiner Legewie und dem damaligen Projekt ATLAS (Ar!iv für Te!nik, Lebenswelt und Alltagsspra!e; unter anderem mit Beteiligung von Andreas Böhm oder Thomas Muhr), aus dem heraus dann au! die So"ware ATLAS.ti entwi)elt wurde. Glaser ist im deuts!spra! igen Raum erst si!tbarer wieder hervorgetreten dur! drei Artikelverö0entli!ungen – je eine ,--,, ,--&b und ,--. (letzter in Zusammenarbeit mit Judith Holton) – in der Open-Access-Zeits!ri" „Forum Qualitative Sozialfors!ung/Forum Social Resear!“ (FQS)11, drei Beiträge, die einem breiten Markt frei zugängli! waren und international erhebli!e Resonanz erfuhren. Infolge dieser nun verbesserten Zugängli!keit ist die über lange Zeit zumindest im deuts!en Spra!raum teilweise unkritis!e Glei!setzung von GTM mit Strauss (und Corbin) in Bewegung geraten. So kommt Jörg Strübing sogar mi(lerweile zu dem S!luss: „Insgesamt wird die methodologis!e Deba(e derzeit relativ stark von Glaser und seinen Mitstreiterinnen und S!ülern12 am privaten Grounded Theory Institute dominiert“, während die „ehemaligen Mitarbeiter und S!ülerinnen“ von Strauss, so Strübing, „ersi!tli! weniger Interesse an einer hegemonial ausgeri!teten Diskussionsstrategie haben und si! eher um praktis!e Adaptionen und Weiterentwi)lungen bemühen“ (,--., S.%&). Insoweit ist die Lesart der einen GTM zwis!enzeitli! abgelöst dur! die „zwei[er] Varianten …, eine pragmatistis! inspirierte von Anselm Strauss, die er teilweise allein, teilweise mit Juliet Corbin in ihren praktis!en Dimensionen näher ausgearbeitet hat, sowie eine … empiristis!e Variante von Barney Glaser“ (a./a./O., S.'), wobei mit Kathy Charmaz als mi(lerweile international prominentester Gallions#gur der „Tö!ter“-Generation mindestens eine weitere – au! gegen die Strauss-Corbins!e Lesart kritis!e – Position si! markant pro#liert hat (siehe Charmaz ,---, ,--* und in diesem Band; kritis! Glaser ,--,). Anders als Strübing sprechen Bryant und Charmaz deshalb von mindestens drei Versionen der GTM: „At the simplest level, we have the Glaserian school of GTM, the Strauss and Corbin school, and the Con10 Siehe hierzu Hans-Georg Soe0 ner im Interview mit Jo Rei!ertz (,--., Abs. $,). Fritz S!ütze gibt eine guten Überbli) zu Strauss als Gast in Deuts!land in einem Papier anlässli! der Konferenz „Anselm Strauss as Theoretician: The Impact of His Thinking on German and European Social Sciences“), die er $%%% gemeinsam mit Hans-Georg Soe0 ner ausri!tete (siehe dazu h(p://www.ucsf. edu/anselmstrauss/pdf/mem-magdeburg.pdf). 11 h(p://www.qualitative-resear!.net/ 12 Neben Judith Holton und Phyllis Stern (letztere keine Mitarbeiterin, aber dem Ansatz von Glaser trotz kritis!er Zwis!entöne verglei!sweise nahe; siehe bspw. Stern ,--+) erwähnt seien u./a. Simmons und Gregory (,--&) und ihre Versu!e, aufbauend auf der „Glaserian GTM“ konzeptuelle Weiterungen in Ri!tung „Grounded Action“ vorzus!lagen. Mit!ell Olson hat jüngst aufbauend auf den Überlegungen Glasers und auf Simmons und Gregory einen Ansatz des „Grounded Learning“ vorgelegt.
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structivist“ (,--+b, S.$-).13 Diese dri(e Variante hat au! im deuts!spra!igen Raum an Gewi!t gewonnen dur! das Aufkommen der „Re3exiven Grounded Theory“ (Breuer ,--%) und das generelle Bemühen, GTM mit der Fragen von Subjektivität und Selbstre3exivität zu verknüpfen (dazu grundlegend Mru) & Mey $%%*, ,--+; vgl. au! Breuer $%%*, $%%%; siehe au! Breuer, Mey & Mru) in diesem Band). 4
Zentrale Elemente der GTM im Fors"ungsprozess
Die Betonung von unters!iedli!en und konträren Positionen verna!lässigt die Nähe, die zuglei! zwis!en den Positionen (und dies trotz aller Polemik, vor allem jener von Glaser) fortdauert, denn die GTM umfasst ein Set an Grundelementen und Vors!lägen, die den Fors!ungsstil gesamt !arakterisieren helfen. Im Folgenden werden diese zentralen Grundelemente der GTM (..$) und au! die konkreten Kodierprozeduren im Rahmen der GTM (..,.) vorgestellt, wobei jeweils so weit mögli! Gemeinsamkeiten und Unters!iede mit skizziert werden. Insgesamt liegt dabei der S!werpunkt auf den von Glaser und Strauss vorgetragenen Überlegungen, au! um deren besondere Relevanz für das GTM-Verständnis ausrei!end zu würdigen (siehe für eine ausführli!ere Darstellung Mey & Mru) ,--%a). 4.1
GTM als besonderer Fors"ungsstil
Besonders reizvoll ist, dass die GTM in erster Linie ein Fors!ungsstil, eine Fors!ungshaltung ist und erst in zweiter Linie eine „einfa!e“ Auswertungsmethode, ein Verfahren, das angewandt werden kann (anstelle anderer, „konkurrierender“ Methoden). Anselm Strauss bringt die Besonderheit der GTM zum Ausdru), wenn er das Einhalten von drei Essentials benennt, die aus seiner Perspektive erfüllt sein müssen, damit das Vorgehen als GTM bezei!net werden kann: „Erstens die Art des Kodierens. Das Kodieren ist theoretis!, es dient also ni!t bloß der Klassi#kation oder Bes!reibung der Phänomene. Es werden theoretis!e Konzepte gebildet, die einen Erklärungswert für die untersu!ten Phänomene besitzen. Das Zweite ist das theoretis!e Sampling … [d./h.], dass es darauf ankommt, s!on na! dem ersten Interview mit der Auswertung zu beginnen, Memos zu s!reiben und Hypothesen zu formulieren, die dann die Auswahl der nä!sten Interviewpartner nahe legen. Und das Dri(e sind die Verglei!e, die zwis!en den Phänomenen und Kontexten gezogen werden und aus denen
13 Denzin (,--+) kommt sogar auf derzeit sieben GTM-Spielarten, deren Di0erenzierung allerdings teilweise s!wer na!vollziehbar ist: So unters!eidet er GTM-Versionen entlang unters!iedli!er erkenntnistheoretis!er Positionen (positivist, postpositivist, constructivist, objectivist, postmodern), hinzukommen eine situational und eine computer assisted GTM-Variante.
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erst die theoretis!en Konzepte erwa!sen“ (Strauss ,--. [$%%1], Abs. 1% im Gesprä! mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie; siehe Wiederabdru) in diesem Band)
Au! Glaser geht es (ganz in Übereinstimmung mit dem ersten von Strauss genannten Essential) immer wieder darum herauszustellen, dass es si! bei der GTM um „conceptual work“ handele, die er gegen eher deskriptive Vorgehensweisen abgrenzt (siehe dazu au! ausführli! seinen ersten Band aus der Reihe „The Grounded Theory Perspective“ mit dem S!werpunkt „Conceptualization Contrasted With Description“, Glaser ,--$). Glaser, Strauss und Corbin (sowie weitere GTM-Varianten) eint insoweit, dass sie mit der GTM den Anspru! auf Theoriebildung untrennbar verbunden sehen, und dass sie in ähnli!er Weise Enttäus!ungen über die Ausfaserungen der GTM und über irreführende Nutzungen des Labels äußern. Strauss und Corbin unterstrei!en aber au! gegen jegli!en Purismus, GTM müsse nützli! sein und insoweit müsse (und könne) das Vorgehen den je konkreten Fors!ungskontexten und -intentionen angepasst werden. Barney Glasers Position ist sehr viel fundmentalistis!er: GTM in Glasers Sinne ist „klassis!e GTM“, teilweise sogar als „Glaserian GTM“ bezei!net, und die Verwendung des Labels GTM setze insoweit voraus „to use the complete pa)age of GT procedures as an integrated methodological whole“ (Glaser ,--., Abs. .$; unsere Hervorhebung; siehe dazu den übersetzten Beitrag von Glaser in Zusammenarbeit mit Holton in diesem Band). 4.1.1 Fors!ung als iterativer Prozess Die GTM versteht si! ni!t nur als Sammlung einzelner Methodenelemente, z./B. dur! die Anwendung von Kodierprozeduren in der Phase der Auswertung, sondern als ein spezi#s!er Fors!ungsstil, der si! deutli! von jenem traditionellen sequenziellen Vorgehen unters!eidet, in dem Planung, Datenerhebung, Datenanalyse (und Theoriebildung) als getrennte Arbeitsphasen aufgefasst werden14: Fors!en im Sinne der GTM erfordert einen ständigen We!sel zwis!en Handeln (Datenerhebung) und Re3exion (Datenanalyse und Theoriebildung). Analyse und Theoriebildung beginnen bereits mit dem ersten erhobenen Datenmaterial, sie dienen in all ihrer Vorläu#gkeit als Startpunkt für eine fortlaufende Präzisierung der Fors!ungsfrage und für kontinuierli!e Hypothesen- und Theoriegenerierung (siehe Abbildung $).
14 Siehe au! einen Verglei! der Fors!ungsprogramme GTM und Komparative Kasuistik, der diese Besonderheit herausstellt (Mey & Mru) ,--%b).
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Abbildung 1
Der „iterative“ Fors!ungsprozess der GTM (angelehnt an Haller, ,---, S.$.; entnommen aus Mey & Mru) ,--%a, S.$$$)
4.1.2 Kodieren mit dem Ziel der Theoriebildung Anders als im Fall der Nutzung von qualitativen Daten zur Prüfung von Theorien und Hypothesen, bei der vorliegendes Material bereits verfügbaren Kategorien zugeordnet wird, existieren im Falle der Theorieentwi)lung sol!e konzeptuellen Gemeinsamkeiten – Kategorien – no! ni!t, sondern sie werden am Material gewonnen. Dies ges!ieht in der GTM, indem empiris!es Material in Sinneinheiten zerlegt wird und für diese Sinneinheiten Kodes vergeben werden, deren konzeptueller Gehalt über eine bes!reibende Zusammenfassung des empiris! Vor#ndbaren hinausgehen muss. „A code sets up a relationship with your data, and with your respondents. One of the core mandates of sociology is the ability to ask the question, ‚Of what is this an example2?‘“ (Star ,--+, S.'-). Das hier zum Einsatz kommende Konzept-Indikator-Modell wurde zunä!st von Glaser ($%+') für die GTM elaboriert und später von Strauss übernommen: „Daten sind Indikatoren für ein Konzept, das der Fors!er zunä!st vorläu#g, später aber mit mehr Si!erheit aus den Daten ableitet“ (Strauss $%%$, S.1.). Die Di0erenz zwis!en Bes!reibung und Konzeptualisierung lässt si! an folgendem Beispiel verdeutli!en: „Eine Beoba!tung kann i! bes!reiben als: ‚Zwei Mens!en spre!en miteinander.‘ Wenn i! jedo! na! einer präziseren und zuglei! konzeptualisierenden Benennung su!e,
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könnte i! sagen: ‚Ein Mens! berät einen anderen.‘ ‚Beraten‘ ist eine konzeptualisierende Benennung im Unters!ied zum Miteinander-Spre!en, weil das Beraten bereits eine bestimmte Rollenverteilung impliziert und so Fragen na! der Beziehung der beiden Personen zueinander, dem Gegenstand ihrer Beratung, der Qualität der Beratung etc. erö0net“ (Mu)el ,--+, S.,$+; siehe au! in diesem Band).
Der erste S!ri(, das sog. „o0ene Kodieren“, kann si! auf sehr kleine Segmente, z./B. einzelne Worte, Satzteile oder Sätze beziehen, im Verlauf der Analyse au! auf größere Passagen bis hin zu z./B. ganzen Interviews. Bei Strauss ($%%$ [$%'+], S.*$) heißt es hierzu entspre!end: „Leitlinie für o0enes Kodieren … ist, daß man die Daten sehr genau analysiert … Wenn ein Kode eine relative Sä( igung errei!t hat – ‚ni!ts Neues mehr passiert‘ – dann wird der Fors!er die Daten automatis! s! neller dur!gehen, in der Zeile-für-Zeile-Analyse Wiederholungen # nden und folgli! die Daten über3iegen, bis etwas Neues seine Aufmerksamkeit erregt“.
Dass vers!iedene Fors!ende hier sehr unters!iedli!e Wahlen tre0en, verdeutli!t Stern (,--+, S.$$'), wenn sie entgegen Glasers und au! Strauss’ Betonung der line-by-line method of coding insbesondere zu Beginn der Fors!ungsarbeit s!reibt: „I never do a line-by-line analysis because there is so mu! #ller to skip over. Rather, I do a search and seizure operation looking for cream in the data“. Au! Strauss selbst s!eint die Bedeutung dieses feinen Kodiervorgehens zwar in Verö0entli!ungen postuliert, in den Übungen mit seinen Studierenden aber viel weniger als Glaser umgesetzt zu haben (vgl. Krassen Covan ,--+, S.*'). Für einen empiris!en Vorfall, incident, können mehrere Kodes vergeben werden, au! können für die Kode-Bezei!nungen sozialwissens!a"li!e Termini (sociological constructs) oder aus dem Material entlehnte, alltagsspra! li!e In-vivo-Kodes genutzt werden.15 Mit forts!reitender Theorieentwi) lung werden dann ni!t nur Textstellen mit Kodes versehen, sondern die Kodes selbst werden miteinander verknüp" und zu übergeordneten Kategorien zusammengefasst, die s! ließli! mi(els einer im Kodierprozess zu generierenden S!lüsselkategorie in eine Theorie integriert werden (ausführli!er dazu Abs!ni( ..,; siehe Mu)el in diesem Band). Für die zur Formulierung einer Grounded Theorie erforderli!e Integration der Kategorien bedarf es – au! hier sind Strauss und Glaser si! einig – des Rü)gri0s auf verfügbares (im Falle beider Autoren: soziologis!es) Wissen, wobei über die hierzu 15 Beide Begri0e gehen auf Glaser ($%+') zurü) und wurden von Strauss ($%%$ [$%'+]) übernommen: „‚Es gibt zwei Typen von Kategorien‘ – die soziologis!en Konstrukte […] und die natürli! en Kodes […]“ (S.*.). Glei!es gilt für das Konzept-Indikator-Modell und für viele weitere, in „Theoretical Sensitivity“ dur! Glaser vorgenommene Explikationen der Ausgangsfassung der GTM, die in der deuts!spra!igen Rezeption erst über Strauss ($%%$ [$%'+]) wahrgenommen und – da Strauss ni!t explizit zitiert – vielfa! in der Folge Strauss zugere! net wurden.
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hinzugezogenen Meta-Modelle massiver Dissens herrs!t; au! verwenden Glaser und Strauss teilweise vers!iedene Begri0li!keiten und Kodierformen (siehe Abs!ni( ..,). 4.1.3 Memoing Eine weitere, für die GTM zentrale Regel ist, das Kodieren zu unterbre!en und die Auswertungss!ri(e in Memos festzuhalten: „Stop coding and record a memo on your ideas“ (Glaser & Strauss $%*+, S.$$&). Beide, Glaser und Strauss, weisen Memos, die im Fors!ungsprozess kontinuierli" erstellt werden sollen und die den (theoretis!en) Wissensstand der Fors!enden dokumentieren und kontinuierli! forts!reiben, au! in späteren S!ri"en eine zentrale Rolle im Prozess der Theoriegenierung zu, da nur so Lü)en identi#ziert werden können, die dann wesentli! sind für die weitere Fallauswahl. Für die Arbeit werden vers!iedene Memoarten unters!ieden, z./B. Planungsmemos und Methodenmemos, zentral aber sind vor allem jene Memos, in denen die si! herausbildende Theorie skizziert wird und Kategorienbes! reibungen (als Konzeptarbeit) geleistet werden. Diese zentrale Bedeutung hebt Glaser besonders hervor: „Memos are theoretical notes about the data and the conceptual connections between categories. The writing of theoretical memos is the core stage in the process of generating theory. If the analyst skips this stage by going directly to sorting or writing up, a"er coding, he/she is not doing GT“ (Glaser in Zusammenarbeit mit Holton ,--., Abs. *$; siehe au! die übersetzte Fassung dieses Beitrags in diesem Band).
Au! Strauss hat glei! zwei Kapitel seines $%'+er-Bu!es dem Thema „Memos und Memos s!reiben“ gewidmet, wobei Wiener (,--+) beri!tet, er habe für die Auswertungsarbeit häu#ger als Memos Transkriptionen der Teamsitzungen herangezogen, in denen si! zahlrei!e Interpretationsperspektiven fanden. Corbin wiederum hat in ihrer Überarbeitung für die dri(e Auflage des gemeinsamen „Basics of Qualitative Resear!“, die ,--' ers!ienen ist (unter Namensumkehrung nun als Corbin & Strauss), das Memowriting als die grundlegende Prozedur der GTM deutli! aufgewertet: In ihrem Sinne #xieren Memos das Flü!tige, sie helfen, die si! herausbildende Theorie zu präzisieren, und sie sind unerlässli!, um sie im Austaus! im Team und mit anderen Fors!enden zu präzisieren und voranzutreiben.
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4.1.4 Die Bedeutung von Verglei!sprozessen für das Generieren von Theorie Die grundlegende Operation, die allen Kodiers!ri(en unterliegt, ist die „Methode des ständigen Verglei!ens“, ein Begri0, der bereits $%*1 von Glaser in einem Artikel in der Zeits!ri" „Social Problems“ eingeführt wurde; der Artikel wurde als fün"es Kapitel in „The Discovery of Grounded Theory“ unverändert übernommen. Verglei!soperationen sollen während des gesamten Fors!ungsprozesses und auf allen Ebenen der Analyse angewandt werden: aus dem Verglei! von incidents, von empiris!em Material mit empiris!em Material, erwa!sen Kodes, aus dem Verglei! von incidents mit Kodes und von Kodes mit Kodes Kategorien und deren Eigens!aften. Dies ges!ieht ni!t automatis!, sondern dur! in diese Verglei!sprozesse integrierte Re3exionss!laufen. So wird, wurde ein Kode mehrmals vergeben, eine Inspektion der ihm zugeordneten Passagen/Segmente s!nell au! Ungereimtheiten deutli! ma!en: „[T]he analyst will #nd con3icts in the emphasis of his thinking. He will be musing over theoretical notions and, at the same time, trying to concentrate his study on the next incident, to determine the alternate ways by whi! it should be coded and compared“ (Glaser & Strauss $%*+ [$%%'], S.$-+).
In der Darstellung von Strauss und Corbin wird der der Begri0 constant comparison method fallengelassen, wobei Verglei!en neben dem Stellen generativer Fragen weiter eine zentrale Rolle für den Prozess der Konzeptualisierung zukommt. Strauss und Corbin spre!en in diesem Zusammenhang von Dimensionalisierung bzw. von Dimensionen als dem konzeptuellen Resultat von Verglei!sprozessen: Im Zuge der constant comparison method (bzw. des Dimensionalisierens im Spra!gebrau! von Strauss und Corbin) werden sukzessive die Eigens!a"en der Kategorien bzw. der Phänomene, auf die sie verweisen und deren Verbindung zu anderen Kategorien und deren Eigens!a"en herausgearbeitet. Auf diese Weise wird au! erkennbar, wo weiteres Wissen erforderli! ist, zusätzli!es Material erhoben und in die Analyse einbezogen werden muss. Verglei!sprozesse und die mit ihnen verfolgte Hin- und Herbewegung zwis!en theoretis! angeleiteter Empirie und empiris! gewonnener Theorie beziehen si! insoweit sowohl auf die Auswertung des erhobenen Datenmaterials (Kodierung) als au! auf die sukzessive Erhebung der Daten (Theoretical Sampling) und auf den Endpunkt der Analyse (Theoretical Saturation).
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4.1.5 Theoretical Sampling und Theoretical Saturation Glaser und Strauss betonen, dass es bei der Generierung von Theorie anders als im Falle des statistis!en Samplings ein theoretis!es Sampling bedürfe, da weder Grundgesamtheit no! Merkmalsverteilung in einer sol!en Grundgesamtheit bekannt sind und insoweit au! keine Sti!probe(ngröße) vorab de#niert werden könne.16 Beim Theoretical Sampling müssen einzubeziehende Fälle entlang des si! entwi)elnden theoretis!en Wissens na! jeweils neu im Fors!ungsprozess festzulegenden Kriterien de#niert werden, d./h. die Su!e na! Verglei!sfällen wird dur! die Ergebnisse der Auswertung der Daten geleitet: „The basic criterion governing the selection of comparison groups for discovering theory is their theoretical relevance for furthering the development of emerging categories. The resear!er !ooses any groups that will help to generate, to the fullest extent, as many properties of the categories as possible, and that will help relate categories to ea! other and to their properties“ (Glaser & Strauss $%*+ [$%%'], S..%).
Ziel des Theoretical Samplings ist es, die gewonnenen Erkenntnisse sukzessive auszuarbeiten d./h. diese zu di0erenzieren und zu verfeinern. Dabei kann die Maximierung von Di0erenzen dur! die Erhebung von Kontrastfällen den systematis!en Einbezug weiterer Kategorien und eine Auffaltung der si! entwi)elnden Theorie ermögli!en, Minimalverglei!e erlauben eine Konsolidierung und Verfeinerung des bereits bestehenden Kategoriennetzes (vgl. zusammenfassend Wiedemann $%%$). Wi!tig ist, dass Daten, die im Rahmen des Theoretical Samplings in die weitere Untersu!ung einbezogen werden, ni!t nur Interviews bzw. deren Transkripte sind, sondern jegli!es Material, das helfen kann, die Theoriebildung voranzubringen – von Glaser ($%%', S.') in dem Diktum „All is data“ zusammengefasst. Für Glaser und für Strauss ist das Theoretical Sampling ein Essential der GTM, da die Merkmale, entlang derer die nä!sten Fälle in die si! entwi)elnde Theorie einbezogen werden können, ni!t vorab gewusst oder de#nierbar sind.17 Das Sampling 16 Abwei!end davon haben S!atzman und Strauss ($%+&) das Selective Sampling vorges!lagen, eine Strategie, bei Kriterien vorab festgelegt werden. 17 Wie wenig dies na! wie vor zur unverzi!tbaren Praxis des Arbeitens mit der GTM gehört, beklagt u./a. Hildenbrand (,--', S..$2f.): „Sie [die GTM] bietet am ehesten Gewähr, den Fors!ungsprozess […] voranzutreiben, d./h. mit einem minimalen Aufwand an Datenerhebung ein Maximum an Datenanalyse und folgender Theoriebildung zu errei!en. Garanten dafür sind die Analyse von Anfang an, Theoretical Sampling und stete Rü) kehr zu den Daten. Dieser Kerngedanke der Grounded Theory s!eint si! in der deuts!spra!igen Fors!ungslands!a" ni!t na! haltig dur!gesetzt zu haben, denn die ‚klassis!e‘ Abfolge: zehn Interviews zu erheben und diese dana" zu analysieren, unabhängig davon, ob das erhobene Material eine Relevanz für die si! entwi)elnde Theorie hat, gehört na! wie vor zum Standard einer si! qualitativ nennenden empiris!en Sozialfors!ung und zu den frustrierenden Erfahrungen von Fors!ungsberatern, die, wenn es bereits zu spät ist, aufgefordert werden, zündende Ideen für die Re( ung sol!er im Ansatz problematis!er Fors!ungsprozesse zu entwi)eln“.
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ist beendet, wenn die theoretis!e Sä(igung errei!t ist, d./h. wenn im Zuge weiterer Verglei!sprozesse keine neuen Einsi!ten erfolgen und Modi# kationen nur no! zur Verbesserung der internen Konsistenz nötig sind. Dieses Abbru! kriterium für die Konstruktion einer GT ist zuglei! ein theoretis!es und ein pragmatis!es: pragmatis!, weil zeitli!e und #nanzielle Ressourcen beda!t und theoretis!, weil immer nur relevante Verglei!sfälle zugezogen werden sollen. Ni!t die Zahl der Fälle, sondern die Systematik ihres Einbezugs und der Verglei!e ma!t die Qualität einer GT aus. Da Wandel für Glaser und Strauss ein Charakteristikum sozialer Wirkli!keit ist, sind notwendig au! Theorien, die si! auf diese Wirkli! keit ri!ten, wandlungsbedür"ig: „The published word is not the # nal one, but only a pause in the never-ending process of generating theory“ (Glaser & Strauss $%*+ [$%%'], S..-). Breuer ($%%%, S.1) s!lägt in diesem Zusammenhang vor, für viele Studien, die den Strategien der GTM folgen, das Ergebnis eher als „Theorie-Skizze“ denn als „Theorie“ zu bezei!nen, da in vielen (Quali#kations-) Arbeiten das Kriterium der „theoretis!en Sä(igung“ ni!t erei!t und die notwendige Variation mi(els Theoretical Sampling ni!t ausges!öp" werde, sodass es zur „Modell-Bewährung und Präzisierung“ de facto weiterer Fälle bedür"e (siehe zur „theoretis!en Sä(igung“ au! Dey [$%%%], der die Bezei!nung wenig glü)li! #ndet und alternativ theoretical su#ciency, also „theoretis!e Hinlängli!keit“ vors!lägt). 4.1.6 Gegenstandsbezogene und formale Theorien Na! Glaser und Strauss ($%*+ [$%%']; ebenso in getrennten Folgearbeiten) kann die GTM zum Einsatz kommen, um substantive (gegenstandsbezogene), auf einen umgrenzten Berei! sozialen Lebens und sozialer Handlungspraxis bezogene Theorien (SGT) oder um formale, für den konzeptuellen Berei! der Soziologie (bzw. von Fa!wissens!a"en) verwendbare Theorien (FGT) zu generieren. In beiden Fällen handelt es si! um Theorien mi(lerer Rei!weite (middle range theories), eine Theoriengruppe, die Robert K. Merton in die Soziologie eingeführt ha(e einerseits gegen einen engen, am Sammeln von Daten jenseits von Theorie interessierten Empirismus und andererseits gegen Universaltheorien, die sog. grand theories, die empiris!er Untersu!barkeit mehr oder weniger entzogen sind (Merton $%.%). Glaser und Strauss greifen diesen Ansatz zwar auf, kritisieren aber, Merton habe si! auf das „grounded modifying of theory“, bes!ränkt, aber ni!t mit dem „grounded generating of theory“ bes!ä"igt (Glaser & Strauss $%*+, S.,). Eine erste Erwähnung #ndet die Di0erenzierung zwis!en SGT und FGT bereits in der gemeinsamen Monogra#e „Awareness of Dying“ (Glaser & Strauss $%*1a [$%%1 ($%+.)], S.,+*), ebenso ein Grundverständnis über den Prozess des Generierens von FGT: „if one wishes to develop a systematic formal (or general) theory …, he must analyse data from many substantive areas“, d./h., au! eine FGT wird ni!t abstrakt und jenseits von Empirie entwi)elt, sondern dur! die sorgfältige verglei!ende
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Analyse und Integration vers!iedener SGT (siehe für eine aktuelle Ausarbeitung des „Doing Formal Theory“ Glaser ,--+). 4.1.7 GTM-spezi#s!e Gütekriterien Glaser und Strauss wenden si! dezidiert gegen Positionen, die die Güte einer GT mi(els traditioneller Testgütekriterien zu bewerten versu!en, da diese allesamt der quantitativen Logik des Theorietestens in einem hypothetico-deduktiven Modell entspringen. Eine erste zusammenfassende Vermi(lung von Kriterien der „Glaubwürdigkeit“ der GTM und ihres Produkts, einer GT, liefern sie in Kapitel % „The Credibility of Grounded Theory“ in dem $%*+er Bu!, das in Teilen auf einen gemeinsamen Artikel „Discovery of Substantive Theory: A Basic Strategy Underlying Qualitative Resear!“ in der Zeits!ri" „The American Behavioral Scientists“ (Glaser & Strauss $%*1b [$%+%]) zurü)geht. Glaser ($%+') hat diese Überlegungen weiter elaboriert und verdi!tet, wobei folgende Kriterien im Zentrum stehen: $t meint anders als traditionelle Validität – die Glaser und Strauss s!arf am Beispiel von Merton zurü)weisen, da es dort darum gehe, Daten für eine Theorie passend zu ma!en (siehe den Epilog in „The Discovery of Grounded Theory“) – die Passung von Theorie für das spezi#s!e Handlungsfeld, das sie zu erklären beanspru!t, und dies bereits auf der konkreten Ebene der Passung zwis!en Konzepten und empiris!en Ereignissen, die diese Konzepte repräsentieren sollen; relevance betri5 die Frage, wel!e Bedeutung einer GT für die Handlungspraxis zukommt, die sie erklären will, und ist bereits mit der Ents!eidung für die GTM grundlegend, die bei den Handlungsproblemen und -prozessen der Akteure in einem Feld ihren Ausgangspunkt nimmt; workability betri5 dann das Ausmaß, in dem eine GT bzw. die ausgearbeitete S!lüsselkategorie in der Lage ist, den Kern des Handelns in dem interessierenden Untersu!ungsfeld zu identi#zieren und zu erklären. In späteren Arbeiten ($%+', $%%') zieht Glaser als weiteres Kriterium modi$ability hinzu, die auf die erforderli!e Flexibilität einer GT im Umgang mit neuen Bedingungen, Daten usw. zielt. Au! Strauss und Corbin ($%%* [$%%-]) haben Versu!e der Re-De# nitionen von klassis!en Gütekriterien unternommen und zusätzli! anstelle von #xierten Standards eine umfassende Liste mit Leitfragen zur Prüfung einerseits der Qualität des Fors!ungsprozesses und andererseits der Qualität des Theoriebildungsprozesses formuliert (Strauss & Corbin $%%* [$%%-], S.,$+20.). Hierzu gehören u./a. Fragen na! der Sti!probenziehung, na! den für die Kategorienbildung hinzugezogenen Quellen, na! der systematis!en Elaboration der Kategorien, ihrer konzeptuellen Di!te, na! Hypothesen über Relationen innerhalb von und zwis!en Kategorien, na! der Auswahl der Kernkategorie und ihrer integrativen Relevanz, na! der Identi#zierung von übergreifenden politis!en, historis!en, ökonomis!en Bedingungen
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und ihrer konkreten Verknüpfung mit der Kernkategorie bzw. des im Rahmen der Untersu!ung als zentral identi#zierten Phänomens und au! die Identi#kation und systematis!e Integration der Prozessha"igkeit sozialer Wirkli!keit. 4.1.8 Theoretis!e Sensibilität Sowohl Glaser als au! Strauss anerkennen die Bedeutsamkeit der „theoretis!en Sensibilität“ der Fors!enden für die Qualität der am Ende des Prozesses generierten GT, d./h. die „Verfügbarkeit brau!barer heuristis!er Konzepte, die die Identi#zierung theoretis! relevanter Kategorien im Datenmaterial und die Herstellung von Zusammenhängen zwis!en diesen Kategorien im Datenmaterial, d./h. von Hypothesen“ (Kelle $%%+, S.&$,) ermögli!en. Do! theoretis!e Sensibilität bes!ränkt si! ni!t auf die Verfügbarkeit von Konzepten: Fors!ende benötigen vielmehr, so Glaser, „two essential !aracteristics […] First, he or she must have the personal and temperamental bent to maintain analytic distance, tolerate confusion and regression while remaining open, trusting to preconscious processing and to conceptual emergence. Second, he/she must have the ability to develop theoretical insight into the area of resear! combined with the ability to make something of these insights. He/she must have the ability to conceptualize and organize, make abstract connections, visualize and think multivariately“ (in Zusammenarbeit mit Holton ,--., Abs. .&; siehe au! die übersetzte Fassung dieses Beitrags in diesem Band).
Dem würde Strauss ni!t widerspre!en, aber Glaser insistiert genau hier zuglei! auf der Notwendigkeit, GT müsse „entde)t“ werden und fordert Fors!ende auf, „to enter the resear! se(ing with as few predetermined ideas as possible—especially logically deducted, a prior hypotheses“ (a./a./O.). Und weiter heißt es in dem für Glaser typischen Duktus: „The pre study literature review of QDA is a waste of time and a derailing of relevance for the GT Study“ (a./a./O., Abs. .*). Literatur darf ihm zufolge erst hinzugezogen werden, wenn die für die si! entwi)elnde GT zentrale Kategorie si! im Zuge der Verglei!sprozesse herausgebildet hat. Hier sind Strauss und Corbin ($%%* [$%%-]) deutli! liberaler: Quellen theoretis!er Sensibilität können Literaturkenntnis, vorgängige Fors!ungserfahrungen, Berufserfahrung oder persönli!e Erfahrung (u./a. Lebenskrisen etc., die zum Thema gehören) sein. Literatur kann in diesem Zusammenhang theoretis!e Sensibilität anregen, Hinweise für das Theoretical Sampling geben, der „Validierung“ der (Zwis!en-) Ergebnisse dienen usw. Au! für Glaser ist Literatur – im Sinne des „All is data“-Diktums, eine glei!bere!tigte Quelle neben anderen, aber eine, die Fors!ende dazu bringen kann, Empirie immer s!on im Li!te ihrer Lieblingsideen (von Glaser als pets bezei! net) zuzu-
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ri!ten, eben forcing anstelle von emerging von Theorie, sein an Strauss und Corbin geri!teter Hauptvorwurf. Dass si! die wesentli!en Unters!iede zwis!en der GTM sensu Glaser auf der einen und Strauss (und Corbin) auf der anderen Seite um übergeordnete Fragen insbesondere na! dem Umgang mit Theorie, mit Vorwissen und mit einzubeziehender (Fa!-) Literatur ranken, ist entlang der S!were der Auseinandersetzung au! überras!end. Mit Bli) auf den von Glaser wiederholt vorgebra!ten Vorwurf des forcing meint z./B. Kelle, in der Kontroverse würden die unters!iedli!en Verständnisse deutli!, die der GTM von Beginn an unterlegt waren, wegen der zunä!st gemeinsamen Intention der beiden Gründungsväter aber ausgeklammert blieben: „Thus the earliest version of Grounded Theory contained two di0erent concepts concerning the relation between data and theory with con3icting implications: on the one hand the idea is stressed that theoretical concepts ‚emerge‘ from the data if the resear!er approa!es the empirical #eld with no preconceived theories or hypotheses, on the other hand the resear!er is advised to use his or her previous theoretical knowledge to identify theoretical relevant phenomena in the data“ (Kelle ,--1, Abs. .'; in diesem Band).
Strübing (,--.) unterstrei!t in diesem Zusammenhang die epistemologis!e „Forts!ri(li!keit“ von Strauss (und Corbin): Während Glaser auf dem „Induktionsprinzip“ beharre (kein/wenig Vorwissen, Suspendierung von Fa!wissen etc.), fänden si! bei Strauss (und Corbin) eine deutli!ere Betonung vor- und na!gängiger Theoriebezüge (als zusätzli! zu re3ektierende, „sensibilisierende Konzepte“) und Hinweise auf eine Relativierung des „induktiven“ Vorgehens (z./B. Strauss & Corbin $%%.; Strauss $%%$, S.&'2f.). Im Unters!ied hierzu #nden si! in der angelsä!sis!en Literatur au! dur!aus kritis!e Stimmen. So s!reiben Mills, Bonner und Francis (,--*, S.&2f.) zur „mixture of language“ bei Strauss und Corbin, dass einerseits Konzepte wie „recognizing bias“ und „maintaining objectivity“ verwandt würden, „when describing the position the researcher should assume in relation to the participants and the data. Nevertheless, they mix these ideas with observations such as ‚we emphasize that it is not possible to be completely free of bias‘ … This has led some researchers to remark that ‚people can #nd support in it for any ontology that they wish‘“.
Umgekehrt waren sich Glaser und Strauss bereits in „The Discovery of Grounded Theory“ der Grenzen eines rein induktiven Vorgehens bewusst: „Of course, the researcher does not approach reality as a tabula rasa. He must have a perspective that will help him see relevant data and abstract signi#cant categories from his scrutiny of the data“ ($%*+ [$%%'], S.&; instruktiv hierzu auch das $$. Kapitel in Glaser & Strauss zu „Insight and Theory Development“).
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4.1.9 Computerunterstützte Auswertung Als die GTM entwi)elt wurde, wurde die Auswertung manuell vollzogen: Interviews und Feldprotokolle wurden vervielfältigt, Zitate herausges! ni(en und auf Karteikarten geklebt und geordnet, wieder neu zusammengesetzt etc. Heute stehen für die Auswertungsarbeit diverse So" ware-Pakete zur Verfügung. Die Nutzung dieser „Computer Aided Qualitative Data Analysis So" ware“ (CAQDAS) ist mi(lerweile zum Standard geworden, denn sie erlei!tert die Arbeit und s!a5 Transparenz und Na!vollziehbarkeit – und erfüllt damit eine wi!tige Funktion mit Bli) auf die Güte der Fors!ung (vgl. zu den vers!iedenen Programmpaketen die Beiträge in Evers, Mru), Silver & Peeters ,-$$). Beim Auswerten werden die entspre!enden Textpassagen (oder Filmsequenzen, Bilder etc. – dem Diktum „All is data“ folgend) markiert, und es wird ein Kode oder eine Kategorie zugewiesen; liegen Kategorien bereits vor, können diese aus einer Liste übernommen werden. Später lassen si! im Sinne des Datenmanagements Sortierungen über Kategorien vornehmen und alle mit einem Kode oder einer Kategorie verbundenen Textstellen per Kli) zusammenstellen (siehe Konopásek in diesem Band). Zu jedem Kode/jeder Kategorie kann eine Notiz oder ein ausführli!es Memo verfasst werden. Und Kategorien lassen si! zueinander in Beziehung setzen, „mit Linien verbinden“, die als inhaltli!e Relationen quali#ziert werden können, bspw. „Teil von“, „Voraussetzung für“, „Folge von“ usw. (siehe dazu au! die Überlegungen von Strauss $%%$ [$%'+], Kapitel ' zu integrativen Diagrammen; eine Arbeitsweise, die in der Situationsanalyse von Adele E. Clarke ,--1 elaboriert wurde; vgl. Clarke in diesem Band). Glaser ist gegenüber der computergestützten Auswertung immer skeptis! geblieben, verbindet diese vornehmli! mit allgemeinen qualitativen Datenanalyseverfahren und kritisiert sie als unspezi#s! für die GTM; Strauss war hingegen zuweilen an den Diskussionen bei Entwi)lung des Prototypen von ATLAS.ti beteiligt. Denno! gilt, dass ATLAS.ti ni!t nur für GTM-Analysen verwendet werden kann (ri!tig ist sogar, dass terminologis!e Abwei!ungen vorliegen; so wird z./B. sta( des Begri0s Kategorie, den es in ATLAS.ti ni!t gibt, der Begri0 Code Family genutzt; zur Passung von GTM und ATLAS.ti siehe Mühlmeyer-Menzel ,-$$); umgekehrt können au! andere CAQDAS-Programme für GTM-Studien genutzt werden. Juliet Corbin etwa hat MAXQDA,--+ für ihre gesamten Analysen, die als Beispiele in der dri(en Auflage von „Basics of Qualitative Resear!“ den Prozess der GTM verans!auli!en sollen, eingesetzt.
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4.1.10 Fors!ungswerkstä(en und Interpretationsgruppen Der Einsatz von CAQDAS ist heute selbstverständli!; weit weniger selbstverständli! ist es, dass qualitative Fors!ung in Teams oder Fors!ungswerkstä(en sta(#ndet, obwohl die Forderung dana! fast ebenso häu#g zu lesen ist wie jene na! der Verwendung von Auswertungsso"ware. Fors!ungswerkstä(en sind mit der Ges!i!te der GTM von Beginn an verbunden, da viele Kodiersitzungen – dies zeigen gerade au! die Beispiele von Strauss ($%%$ [$%'+]) – in Form von Teamsitzungen und Arbeitsseminaren umgesetzt wurden. Strauss betont, dass Fors!ung nur als kommunikativer Prozess – und damit in einem Aushandlungszusammenhang – sinnvoll praktiziert werden kann. Die in der GTM zu leistenden S!ri(e – das konzeptuelle Arbeiten an Einzelfallmaterial, der kontrastive Verglei! unters!iedli!er Materialien und die darauf aufbauende Entwi)lung theoretis!er Modelle – können wesentli! e0ektiver in einer Arbeitsgruppe umgesetzt werden (siehe dazu Riemann in diesem Band). Methodis! gespro!en ist hier – mit Bli) auf die Güte und die Standards der Qualitätssi!erung – eine Form der Validierung der Auswertungsarbeit und ihrer Ergebnisse gefordert, für die ein Abglei! mögli!erweise vers!iedener Lesarten vorgenommen und ein Konsens über die Interpretationsri!tung erzielt wird. Bei der Forderung na! Fors!ungswerkstä(en ist die Frage der Validierung allerdings nur eines von mehreren Motiven. Es geht ni!t zuletzt in der gemeinsamen Arbeit – gerade im Rahmen eines konstruktivistis!en Verständnisses von GTM – um die Berü)si!tigung und Integration unters!iedli!er Lesarten mit dem Ziel, der Vieldeutigkeit von Sinn(-zus!reibungen) und der Vielfalt von Handlungsmögli!keiten gere!t zu werden (Mru) & Mey ,--+; s. ausführli!er zum Konzept einer „Projektwerksta( qualitativen Arbeitens“ Mru) & Mey $%%'). 4.2
Kodierprozeduren in der GTM
Na! der Darlegung der Grundverständnisse und -begri0e der GTM wird im Folgenden zu zeigen versu!t, dass au! die konkret vorges!lagenen Kodierprozeduren in ihrer Abfolge eine unüberbrü)bare Di0erenz zwis!en Glaser und Strauss ni!t erkennen lassen, au! wenn Unters!iede erkennbar sind. Die Grundidee der Auswertung mi(els der GTM – wie in „The Discovery of Grounded Theory“ angelegt, von Glaser in „Theoretical Sensitivity“ ($%+', S.*,2f.) im so genannten Konzept-Indikator-Modell no!mals pointiert herausgehoben und von Strauss ($%%$ [$%'+], S.1.2f.) aufgegri0en – besteht, wie bereits skizziert, darin, dass zu einem interessierenden Phänomen Daten (z./B. über Feldnotizen, Interviews, Protokolle, Dokumente jegli!er Art, aber au!, dem Glasers!en „All is data“ folgend, z./B. mi(els Statistiken), die si! auf ein bestimmtes soziales Ereignis beziehen, erhoben
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und den dort vor#ndbaren einzelnen „Vorfällen“ (incidents) ein zusammenfassender Begri0 (Kode) zugewiesen wird. Dur! diese Zuweisung werden die Daten zu „Indikatoren“ für ein dahinter liegendes Konzept, das dur! den Kode bezei!net werden soll. Im Zuge der weiteren Kodierarbeit, dur! weitere Verglei!e und den Einbezug weiterer Fälle mi(els des Theoretical Samplings sollen Kodes dann so zu Kategorien verdi!tet werden, dass am Ende eine Kernkategorie herausgebildet wird, die in zu de#nierenden Beziehungen zu allen anderen herausgearbeiteten Kategorien steht und das interessierende soziale Phänomen oder Problemfeld am Besten erklärt. Das so ausgearbeitete relationale Gefüge bildet die neue (substantive) Theorie. Insoweit lassen si! die Kodierprozeduren im Rahmen der GTM – auf einer abstrakten Ebene – gemeinsam bes!reiben, insbesondere dann, wenn die allgemeinen Aussagen aus „The Discovery of Grounded Theory“ als Grundlage herangezogen werden, da die Arbeitsweisen hier no! am wenigsten spezi#s! ausgearbeitet sind, sondern nur in groben Linien vorliegen. Demgegenüber beinhalten die na!folgenden S!ri"en klarere Bes!reibungen der Arbeitss!ri(e, wobei die Vors!läge von Glaser in „Theoretical Sensitivity“ ($%+') zwei Kodiers!ri(e vorsehen und er zudem unters!iedli!e Kodierfamilien als heuristis!en Rahmen stark ma!t (siehe Abs! ni( ..,.$), während Strauss in seiner Monogra#e ($%%$ [$%'+]) und später no! deutli!er gemeinsam mit Corbin ($%%* [$%%-]) drei Kodierprozeduren einführt und auf ein Handlungs-/Interaktionsmodell – geronnen im sogenannten „Kodierparadigma“ – abhebt, mi(els dessen aus den Daten isolierte Phänomene hinsi!tli! Ursa!en, Kontext, Bedingungen, Strategien und Konsequenzen zu ordnen sind (siehe Abs!ni( ..,.,). 4.2.1 Kodieren bei Glaser Glaser ($%+') di0erenziert zwis!en dem „gegenstandsbezogenen Kodieren“ (substantive coding) – das si! aus dem „o0enen Kodieren“ (open coding) und dem „selektiven Kodieren“ (selective coding) zusammensetzt und eng beim empiris! Vor#ndbaren bleibt – und dem „theoretis!en Kodieren“, über das theoretis!e Beziehungen zwis!en den gegenstandsbezogenen Kodes hergestellt werden (siehe Übersi!t $).
36 Übersi"t 1
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Kodierprozeduren na! Glaser ($%+')18
Gegenstandsbezogenes Kodieren Offenes Kodieren
Selektives Kodieren
Analyse/Vergleich möglichst kleinteiliger Einheiten (in der Regel line-by-line coding) mit dem Ziel, zentrale Handlungsprobleme im Untersuchungsfeld zu identifizieren und möglichst als In-vivo-Kodes zu benennen. Im Zuge des offenen Kodierens erfolgt, basierend auf permanenten Vergleichsprozessen, die Verdichtung vieler konzeptueller Kodes zu einer überschaubaren Anzahl an Kategorien.
Beginnt, wenn die vorläufige Schlüsselkategorie (core category) identifiziert werden konnte, die das Handeln im Feld bezogen auf das Ausgangsproblem am Besten erklärt. Alle nun folgenden Kodierprozeduren werden auf diese Schlüsselkategorie hin geleistet, ebenso ist das dann folgende Sampling auf die Schlüsselkategorie bezogen, d. h. Berücksichtigung von inversen, gegensätzlichen, allgemeinen und speziellen Fällen mit dem Ziel der Sättigung des Kategoriensystems und der (weiteren) Entwicklung einer vorläufigen Leitidee.
Theoretisches Kodieren Ausdifferenzierung der Leitidee durch Integration der Kernkategorie und der anderen auf sie bezogenen Kategorien in ein theoretisches Modell, das die Handlungsprobleme im Feld und die auf sie bezogenen Handlungen am Besten erklärt (Entwicklung der Kern-/Schlüsselkategorie und der Beziehung zwischen den Kategorien inkl. der Bestimmung der Bedingungen, unter denen die Beziehungen gelten). Hierbei kann auf Vorwissen/bereits verfügbare Modelle zur Integration von Theorie zurückgegriffen werden kann (insbesondere mittels der Kodierfamilien; siehe Übersicht 2).
Glaser versu!t si!erzustellen, dass Fors!ende o0en an das Material herangehen, daher immer wieder sein Na!dru), keine Literatur vor Finden der S!lüsselkategorie hinzuziehen: Es soll erst na! der Auseinandersetzung mit den empiris!en Vorfällen eine Konfrontation und Integration des theoretis!en Vorwissens mit dem empiris!en Datenmaterial gesu!t werden, damit ersteres ni!t den Bli) verstellt (und bestimmt). Damit au! das herangezogene (Vor-) Wissen ni!t beliebig wird, s!lägt er inhaltli!e wie formale Kodierfamilien vor (Glaser $%+', S.+&20.; siehe Übersi!t ,). Die Zusammenstellung soll als „o0ene“ Liste weitgehend unverbundener soziologis!er und erkenntnistheoretis!er Konzepte fungieren, die zur Prüfung heranzuziehen sind, damit ni!t die (immer glei!e) theoretis!e Lieblingsvariante dur!s!lägt.
18 Die in Übersi!t $ erstellte Matrix ist mit den Darstellungen von Peter M. Wiedemann ($%'+) sowie den Ausführungen von Udo Kelle ($%%+) abgegli!en.
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Günter Mey & Katja Mru)
Übersi"t 2
Kodierfamilien na! Glaser19
Formale Kodierfamilien Bezeichnung
Gegenstand
Elemente
C-Familie
Kausale Modelle
Ursache, Wirkung, Folgen, etc.
Prozess-Familie
Prozessmodelle
Phasen, Sequenzen, Stufen, etc.
Grad-/Merkmals-Familie
Merkmalsausprägungen
Intensität, Grad, Kontinuum, etc.
Dimensions-Familie
Zusammenhangsmuster
Element, Teil, Sektor, Segment, etc.
Typen-Familie
Typen
Formen, Arten, Klassen, Stile, etc.
Interaktions-Familie
Wechselwirkungen
Abhängigkeit, Reziprozität, Kovariation, etc.
Marker-Familie
Schnittpunkte
Trennung, Wendepunkte, Zäsuren, etc.
Relevanz-Familie
Theoriemerkmale
Reichweite, Dichte, Relevanz, etc.
Bezeichnung
Gegenstand
Elemente
Kultur-Familie
Kulturelle Phänomene
Normen, Werte, sozial geteilte Einstellungen, etc.
Identitäts-Selbst-Familie
Selbstkonzept
Selbstbild, Selbstwert, Identität, Fremdbild, etc.
Strategie-Familie
Handlungsstrategien
Strategien, Taktiken, Mechanismen, Manipulation, Manöver, etc.
Konsens-Familie
Sozialer Konsensus
Kontrakt, Uniformität, Konformität, Homogenität, etc.
Mainline-Familie
Soziale Integration
Sozialisation, Statuspassage, soziale Organisation, etc.
Struktur-Familie
Einheiten sozialen Lebens
Organisation, Gruppe, Team, Kollektiv, Gruppe, Nation etc.
Inhaltliche Kodierfamilien
Mit der von Glaser vorgenommenen Unters!eidung zwis!en zunä!st gegenstandsbezogenem und erst ans!ließend theoretis!em Kodieren (also dem Versu! einer gegenstandsbezogenen Annäherung und der späteren theoretis!en Integration) und dem damit formulierten Anspru! auf O0enheit handelte si! diese Variante der GTM den Vorwurf eines „naiven Induktionismus“ ein. Besonders festgema!t wird dies wiederkehrend am Konzept-Indikator-Modell:
19 Zusammengestellt in Anlehnung an Glaser ($%+'), Wiedemann ($%'+) und Kelle ($%%+). Für eine Erweiterung der Liste siehe au! Glasers neuere Vors!läge und Darlegungen zu „More Theoretical Coding Families“ in „Doing Grounded Theory“ ($%%', S.$+-20.). Das theoretis!e Wissen sollte auf die (soziologis!en) grand theories wie in den Kodierfamilien zusammengestellt begrenzt sein; andere gegenstandsnähere Konzepte sollten demgegenüber zurü)gestellt werden, damit diese den Daten ni!t „aufgezwungen“ werden.
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Grounded-Theory-Methodologie: Entwi)lung, Stand, Perspektiven
„Das Konzept-Indikator-Modell wir" von Neuem das grundlegende logis!e Problem des Induktionsprinzips auf. Indikator und Indiziertes stehen in einem zirkulären Verhältnis zueinander; das eine kann ni!t ohne Wissen über das andere identi# ziert werden. Die Indikatorfunktion bestimmter empiris!er Ereignisse muß anhand theoretis! relevanter Merkmale bestimmt werden, die au! dem Konzept, d./h. dem Indizierten zu eigen sind. Da soziale Phänomene stets hinsi!tli! deskriptiver Merkmale uners!öpfli! sind, können die für die Indikatorfunktion relevanten Merkmale ni!t allein empiris! bestimmt werden. Die einzige Mögli!keit, die aus diesem Zirkel herausführen kann, ist die Einführung theoretis!en Vorwissens zur Bestimmung der für die Konstruktion eines KonzeptIndikator-Modells theoretis! bedeutsamen Kriterien für den permanenten Verglei! von empiris!en Phänomenen“ (Kelle $%%+, S.&$').
Dem Vorwurf zugearbeitet hat si!er, dass Glaser anstelle einer dezidierten Auseinandersetzung mit diesem Problem immer wieder apodiktis! sein „trust in emergence“ vorträgt: „… I admonish the reader again: trust grounded theory, it works2! Just do it, use it and publish it2!“ ($%%', S.,1.). Positiv gewendet ist sein immer wieder polemis!es Insistieren gegen die Überma!t vorgängiger Theorie bei der Annäherung an Praxis ni!t so fern der u./a. von Ronald Hitzler ($%%$) programmatis! geforderten „Dummheit als Methode“, dass si! also die Interpretierenden gegenüber den ihnen begegnenden ebenso wie gegenüber den eigenen Wissensbeständen „künstli!“ dumm stellen sollten (siehe zu den Prämissen qualitativer Fors!ung au! zusammenfassend Mru) & Mey ,--1, S.%2f.). 4.2.2 Kodierprozeduren bei Strauss (Strauss und Corbin) Die von Strauss (später mit Corbin) vorgelegten Kodierprozeduren weisen dur!aus eine Entspre!ung zu dem auf, was Glaser mit dem Konzept-Indikator-Modell sowie der constant comparison method in die von ihm verfassten Kapitel des gemeinsamen Bu!es „The Discovery of Grounded Theory“ eingebra!t und dann im Zuge seiner Monogra#e „Theoretical Sensitivity“ weiter elaboriert hat. Insoweit können die von Strauss sowie Strauss und Corbin spezi#zierten Kodierprozeduren als „Spezialformen“ oder Weiterentwi)lungen der von Glaser und Strauss gemeinsam formulierten Grundidee der GTM verstanden werden, wie au! Strauss selbst hervorhebt: „Barney Glaser, der die qualitative Analyse im Stil der Grounded Theory mitentwi)elt hat, lehrt und benutzt diesen Analysemodus im Prinzip genauso wie i! das au! tue. Es gibt s!on ein paar – do! nur geringfügige – Unters!iede in den spezi#s!en Lehrstrategien und viellei!t au! in der konkreten Dur!führung der Fors!ung“ (Strauss $%%$, S.,,).
Und au! in Strauss und Corbin ($%%* [$%%-]) heißt es einleitend, dass „die Begri0 li!keiten und empfohlenen Verfahren ni!t immer identis! sind“, aber: „Im Grunde
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jedo! drü)en alle diese Bü!er [damit sind gemeint: Glaser & Strauss $%*+ [$%%']; Glaser $%+'; Strauss $%%$ [$%'+] und eben Strauss & Corbin] die glei!e Haltung gegenüber qualitativer Analyse aus und empfehlen die glei!en grundlegenden Verfahren“ (S.X) – eine Eins!ätzung, die Glaser (erinnert sei an dessen Eins!ätzung, dass in „Basis of Qualitative Resear!“ nur no! $-/% GTM enthalten seien) so ni!t akzeptieren würde. Strauss ($%%$ [$%'+]) und vor allem dann Strauss und Corbin ($%%* [$%%-]) unters!eiden „o0ene“, „axiale“ und „selektive Kodierprozeduren“. Die Arbeit beginnt mit dem o0enen Kodieren, dur! das Konzepte, auf die das empiris!e Material verweist, entde)t und benannt werden sollen. Hierfür kommen sog. generative Fragen zum Einsatz, mit denen die Daten „aufgebro!en“ und „zum Spre!en gebra!t“ werden sollen. Dies sind bspw. Fragen na! dem 4 4 4 4 4 4 4
was – um wel!es „Phänomen“ geht es; wer – wel!e Akteur/innen sind beteiligt, wel!e Rollen nehmen sie ein bzw. werden ihnen zugewiesen; wie – wel!e Aspekte des „Phänomens“ werden behandelt bzw. wel!e werden ausgespart; wann/wie lange/wo – wel!e Bedeutung kommt der raum-zeitli!en Dimension zu (biogra#s! bzw. für eine einzelne Handlung); warum – wel!e Begründungen werden gegeben/sind ers!ließbar; womit – wel!e Strategien werden verwandt; wozu – wel!e Konsequenzen werden antizipiert/wahrgenommen (siehe au! Böhm ,--', S..++2f. zu theoriegenerierenden „W-Fragen“).
Neben dem Stellen von Fragen sind kontinuierli!e Verglei!e erforderli!, um si! Zugang zu dem interessierenden Phänomenberei! zu vers!a0en. Dabei kommt insbesondere dem Dimensionalisieren – als einer besonderen Form, Verglei!sprozesse umzusetzen – Bedeutung zu, damit Subkategorien (properties20) identi#ziert und deren Relevanz im Datenmaterial analysiert werden können. Die Dimensionalisierung wird als Arbeitsform bei allen Kodiers!ri(en angewandt, wobei Strauss sowie Strauss und Corbin keine explizite Unters!eidung tre0en, wann es si! hierbei um eine begri0li!e Analyse aufgrund des (Vor-) Wissens handelt oder um die empiris!e Untersu!ung/den Verglei! der Daten/incidents miteinander (womit si! ähnli! wie bei Glaser mit dem Konzept-Indikator-Modell eine „S!wa!stelle“ hinsi!tli! des Induktionsprinzips andeutet). Im Zuge der Auswertung wird das Kodieren zunehmend gezielter, und zwar hinsi!tli! der Beziehungen zwis!en den Konzepten (axiales Kodieren) und in der Zentrierung auf eine Kernkategorie (selektives Kodieren). Strauss (und Corbin) 20 Je na! Übersetzung #nden si! dazu die Bezei! nungen Merkmale, Eigens!a"en, Dimensionen oder Subkategorien.
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Grounded-Theory-Methodologie: Entwi)lung, Stand, Perspektiven
gehen ganz wie Glaser sowie Glaser und Strauss ($%*+ [$%%']) in diesem Zusammenhang davon aus, dass für die Integration von Kategorien in eine GT theoretis!es Wissen erforderli! ist. Dabei bes!ränken si! Strauss (und Corbin) jedo! auf eine Kodierfamilie aus der „Sammlung“ Glasers, die der sog. „C-Familie“ (siehe Übersi!t ,) ähnelt, und die als Kodierparadigma bzw. als „paradigmatis!es Modell“ über den gesamten Auswertungsprozess leitend ist (siehe Abb. ,). Anliegen der Anwendung des Kodierparadigmas ist, die si! entwi)elnden Kategorien daraufhin systematis! zu untersu!en, ob es si! „($) um Phänomene, auf die das Handeln geri!tet ist, (,) um kausale Bedingungen für diese Phänomene, (&) um Eigens!a"en des Handlungskontextes, (.) um intervenierende Bedingungen, (1) um Handlungs- und Interaktionsstrategien oder (*) um deren Konsequenzen handelt“ (Kelle $%%+, S.&,').21
Abbildung 2
Kodierparadigma na! Strauss $%%$ [$%'+] (entnommen Mey & Mru) ,--%a, S.$&$)
Au! wenn die Anwendung des Kodierparadigmas im Zuge der Ausarbeitung als Verfahrensvors!lag dem axialen Kodieren zugeordnet wurde, ist dies wohl eher einer für Lehrzwe)e vollzogenen (und etwas übertrieben formalisierten) Aufteilung ges!uldet, denn als unumstößli!e Handlungsanweisung zu verstehen. Bei
21 Strauss ($%%$ [$%'+], S.1+) betont, dass nur bei Berü)si!tung aller im paradigmatis!en Modell ausgewiesenen „Elemente“ vom „e!ten“ Kodieren im Sinne der GTM gespro!en werden kann.
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Günter Mey & Katja Mru)
Anwendung der GTM im Sinne von Strauss und Corbin wird s! nell erkennbar, dass das o0ene, axiale und selektive Kodieren „weder als klar von einander trennbare Vorgehensweisen no! als zeitli! eindeutig getrennte Phasen des Prozesses (miss-) verstanden werden [sollten]. Sie stellen vielmehr vers!iedene Umgangsweisen mit textuellem Material dar, zwis!en denen der Fors!er bei Bedarf hin- und herspringt und die er miteinander kombiniert“ (Fli) ,--+, S.&'+2f.; dazu au! Strauss $%%$ [$%'+], S.*$20.).
Trotzdem ist naheliegend, dass zu Beginn der Fors!ungsarbeit deutli! mehr o0en kodiert wird, während zum Ende das selektive Kodieren im Vordergrund steht und o0enes Kodieren nur no! dann erforderli! ist, wenn z./B. im Zuge der Theorieausarbeitung weitere Bausteine/Elemente der Theorie „verdi!tet“ werden müssen. Übersi"t 3
Kodierprozeduren na! Strauss ($%%$ [$%'+]) sowie Strauss und Corbin ($%%* [$%%-])22
Kodieren als ein ineinander verschachtelter Prozess dreier Kodierformen Offenes Kodieren
Axiales Kodieren
Selektives Kodieren
„Aufbrechen“ des Materials an möglichst kleinen Kodiereinheiten mit dem Ziel, eine Fülle an Kodes zu generieren (deren Bezeichnung erfolgt als In-vivo-Kodes oder in Anlehnung an soziologische Konstrukte), um diese dann in einem sich anschließenden Arbeitsschritt als Kategorien zusammenzufassen. Hierbei werden – im Zuge der Dimensionalisierung – theoretisch relevante Merkmalsausprägungen der jeweiligen Kategorie festgelegt und in einer begrifflichen Analyse expliziert.
Untersuchung der empirischen Zusammenhänge innerhalb der „Achsenkategorie“ und zwischen ihnen gemäß des Kodierparadigmas, indem diese theoretisch in ein allgemeines kausales Handlungsmodell eingeordnet werden, d. h. für jede Achse wird der Zusammenhang zwischen Kontextbedingungen, Handlungen, Strategien und Konsequenzen im jeweiligen Untersuchungsfeld exploriert.
Ausarbeitung, Integration und Validierung der Ergebnisse des axialen Kodierens. Hierzu werden die einzelnen Achsenkategorien in ein umfassendes theoretisches Konzept integriert, indem sie unter eine Kernkategorie subsumiert werden. Ziel ist die Formulierung eines theoretischen Modell begrenzter Reichweise, bei dem für das untersuchte Phänomen die jeweils konkreten Kontexte, Bedingungen und Strategien und deren konkrete Konsequenzen in ihren relationalen Bezügen ausgearbeitet werden.23
22 Die in Übersi!t & erstellte Matrix ist zusätzli! zu den Darstellungen in Strauss sowie Strauss und Corbin mit den Ausführungen von Böhm (,--') und Kelle ($%%+) abgegli!en. 23 Kelle (1997, S.3322f.) spezi#ziert, dass es in diesem S!ri( um die Validierung der formulierten Hypothesen gehe, d./h. „aus der mi(lerweile integrierten und empiris! gehaltvollen Theorie sollen Aussagen deduziert werden, die am Datenmaterial getestet werden können“. Im Zuge dieser Arbeit sind dann au! „negative“ Fälle heranzuziehen, um die Theorie zu „falsi#zieren“, wobei „negative Fälle“ von Strauss und Corbin „im wesentli!en als Hinweis auf zusätzli!e, bislang unbeoba!tete Variationen der untersu!ten empiris!en Phänomene betra!tet [werden], sie führen deswegen zu einer Erweiterung der Theorie, ni!t zu ihrer Verwerfung“ (Kelle 1997, S.3322f.).
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Grounded-Theory-Methodologie: Entwi)lung, Stand, Perspektiven
Die Fokussierung auf das Kodierparadigma ers!eint als deutli!e Reduzierung, vergli!en mit den von Glaser angebotenen Kodierfamilien einerseits und als zumindest teilweise unangemessene Apriori-Setzung einer Kodierfamlie (der C-Familie und der darin eingebe(eten Ausri!tung auf ein spezi#s!es Handlungs- und Interaktionsmodell) andererseits (als sol!e wird sie au! von Glaser [$%%,, S.',] im Zuge der Frage von forcing vs. emerging kritisiert). Der Vorwurf des Reduktionismus an Strauss und Corbin relativiert si! aber, wenn einbezogen wird, dass die C-Familie in deren Modell ledigli! als gehaltloser heuristis!er Rahmen fungiert, den Fors!ende gegenstandsspezi#s!, wie in Übersi!t & zusammengefasst, mit den jeweils auf das untersu!te Phänomen und die herausgearbeitete Kernkategorie bezogenen konkreten Kontexten und Bedingungen, konkreten Strategien und konkreten Konsequenzen in ihren relationalen Bezügen zu bestimmen haben. In den Methodendarstellungen zur GTM wird zuweilen au! auf beide Vorgehensweise hingewiesen, so emp#ehlt Andreas Böhm (,--', S..'$) trotz seiner Ausri!tung an Strauss und Corbin und deren Kodierparadigma, die von Glaser vorges!lagenen Kodierfamilien zur „weiteren Anregung beim axialen Codieren“ zu nutzen. Kathy Charmaz (,--*), die – inspiriert dur! Glaser – ihre Kodiervorgehensweise aufteilt in „line-by-line-coding“ und „focused coding“, merkt zum axialen Kodieren an: „Axial coding provides a frame for resear!ers to apply. The frame may extend or limit your vision, depending on your own subject ma(er and ability to tolerate ambiguity. Students who prefer to work with a preset structure will welcome having a frame. Those who prefer simple, 3exible guidelines—and can tolerate ambiguity—do not need to do axial coding. They can follow the leads that they de#ne in their empirical materials“ (S.*$).
Und entspre!end heißt es dann au!: „Strauss’s coding paradigm and Glaser ’s theoretical codes appear to undermine one of the basic principles of GTM: an openminded, framework-free orientation to the resear! domain at the outset“ (Bryant & Charmaz ,--+b, S.$'). Mit den letzten Verweisen deutet si! bereits an, dass es neben den vorgestellten Vors!lägen von Glaser bzw. Strauss (und Corbin) zusätzli!e Wege gibt, die GTM anzuwenden und umzusetzen. Mehr no!: Es ers!eint nahe liegend, die Vorgehensweise (Fors!ungsstrategie) bezogen auf die Fors!ungsfrage und die konkreten Umstände einer Fors!ungsarbeit so zu wählen und (explizit2!) anzupassen, dass am Ende Resultate erbra!t werden, die der Theorienentwi)lung nützen (siehe dazu den Beitrag von Trus!kat et al. in diesem Band).
Günter Mey & Katja Mru)
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Ausbli!
In einer Vielzahl von empiris!en Studien ist zu lesen, die Arbeit sei „in Anlehnung“ an die GTM erfolgt, ohne dass kenntli! gema!t würde, worin sie si! anlehnte und was aus wel!en Gründen und mit wel!er (methodologis!en) Konsequenz abgewandelt oder ni!t berü)si!tigt wurde. Roy Suddaby (,--*, S.*&&) fasst diese Praxis in einem Beitrag, in dem er seine Erfahrungen mit der Beguta!tung von GTM-Artikeln für das Academy of Management Journal (AMJ) skizziert, wie folgt zusammen: „In the manuscripts I review for AMJ I have seen the term ‚grounded theory‘ used to describe analysis via correlations, word counts, and pure introspection … I note, with some concern, that ‚grounded theory‘ is o"en used as rhetorical sleight of hand by authors who are unfamiliar with qualitative resear! and who wish to avoid close description or illumination of their methods.“
Aus unserer Perspektive ist hier jedo! ni!t nur ein Ni!t-Wissen verantwortli!, sondern au! eine erhebli!e Verunsi!erung, da Fors!ende einerseits mit einer breiten Akzeptanz der GTM konfrontiert sind, andererseits mit einer zunehmenden Diversi#kation von GTM-Stilen. So ist die GTM weiter angesagt und akzeptiert in unters!iedli!en Arbeitszusammenhängen und Disziplinen, und dies selbst bei sonst qualitativer Fors!ung gegenüber skeptis!en „Doktorvätern und -mü(ern“ oder Geldgebern und Förderern, weil die Notwendigkeit der Theorieentwi)lung zunehmend erkannt wird und weil die GTM hierfür ein o0enes (kreative Ideen beinhaltendes), aber eben au! systematis!es und regelgeleitetes Auswertungsprozedere (mit vorgegebenen und benennbaren Kodierprozeduren usw.) anbietet. Zuglei! wä!st aber im Zuge der Ausweitung und Verbreiterung qualitativer Fors!ung die Zahl zusammenfassender Darstellungen, allesamt ihrerseits „Auslegungen“ der GTM mit denkbar unters!iedli!en Interpretationsspielräumen. Jane Hood befand deshalb in einem Diskussionsbeitrag auf der Mailingliste QUALRS-L (Qualitative Research for the Human Sciences) zurecht: „The term ‚grounded theory‘ has been used so loosely even in methods textbooks that it is quite understandable when people misinterpret the basic requirements of the method“24. Vor diesem Hintergrund ist für diejenigen, die die GTM für ihre Fors!ungsarbeit nutzen wollen, die Kenntnis der (unters!iedli!en) Positionen, der darin vorgetragenen (gemeinsamen) Grundannahmen und des jeweiligen Spra!gebrau!s erforderli!. Hier wäre eine weniger Strauss (und Corbin)-zentris!e Auslegung der GTM als alleinige GTM-Strategie au! aufseiten derer erforderli!, die die GTM in der Lehre oder im Rahmen von Verö0entli!ungen vermi(eln. Denn erst das Wissen um die GTM als besonderen Fors!ungsstil, um ihre Prozeduren/Te!niken und 24 Mail vom $%. September ,--*; zurü) liegende Mails sind im Ar!iv der Mailingliste (h( p://listserv. uga.edu/ar!ives/qualrs-l.html) abrufbar, allerdings ist hierfür eine Subskription erforderli!.
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Grounded-Theory-Methodologie: Entwi)lung, Stand, Perspektiven
Grundlagen, erlaubt eine begründete Auswahl und/oder Anpassung an die jeweilige Fors!ungsfrage – bis hin zu Mögli!keiten von immer wieder verlangten Abkürzungsstrategien. Damit geht au! einher zu akzeptieren und zu nutzen, dass es bei qualitativer Fors!ung im Allgemeinen und bei der GTM im Besonderen ni!t um ein „Befolgen“ von (statistis!en Prozeduren verglei!baren) Algorithmen geht (und damit au! ni!t um das „Kopieren“ von Auswertungsbeispielen oder um das exakte Umsetzen von „Verfahrensvorgaben“), sondern dass Fors!ende ein Passungsverhältnis zwis!en si! und den Methoden #nden, d./h. den eigenen, individuellen GTM-Fors!ungsstil erlernen und (kontinuierli!) entwi)eln müssen (siehe Berg & Milmeister in diesem Band). Dies bedeutet keine Einladung zur Beliebigkeit, sondern die Aufforderung zu einer re3exiven Auseinandersetzung mit und Aneignung der GTM – wie si! diese im Band in vielen Beiträgen dargestellt #ndet. Diese Intention wiederum ist ganz im Sinne ihrer Gründerväter, die die GTM als eine Strategie des „freedom of resear!“ und des Empowerment verstanden, um Mitfors!ende zu ermutigen, in die eigene „scienti#c intelligence“ zu vertrauen. Literatur Böhm, Andreas (,--.). Theoretical coding: Text analysis in grounded theory. In Uwe Flick, Ernst von Kardor0 & Ines Steinke (Hrsg.), A companion to qualitative research (S.,+-–,+1). London: Sage. Böhm, Andreas (,--'). Theoretisches Codieren. In Uwe Fli), Ernst von Kardor0 & Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Fors"ung. Ein Handbu" (*. Aufl., S..+1–.'1). Reinbek: Rowohlt. Breuer, Franz (Hrsg.) ($%%*). Qualitative Psy"ologie. Grundlagen, Methoden und Anwendungen eines Fors"ungsstils. Opladen: Westdeuts!er Verlag. h(p://www.qualitative-fors!ung. de/publishing/modelle/psy!ologie/breuer.pdf. Breuer, Franz ($%%%). Einleitung. In Franz Breuer (Hrsg.), Abseits. Marginale Personen – Prekäre Identitäten (S.&–*). Münster: Lit. Breuer, Franz (unter Mitarbeit von Barbara Dieris & Antje Le(au) (,--%). Re%exive Grounded Theory. Eine Einführung für die Fors"ungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissens!a"en. Bryant, Antony (,--&). A constructive/ist response to Glaser. Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research, &($), Art. $1, h(p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:-$$.fqs-&-$$11. Bryant, Antony (,--%). Grounded theory and pragmatism: The curious case of Anselm Strauss. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, '((&), Art. ,, h(p:// nbn-resolving.de/urn:nbn:de:-$$.-fqs-%-&,1. Bryant, Antony & Charmaz, Kathy (Hrsg.) (,--+a). The Sage handbook of grounded theory. London: Sage. Bryant, Antony & Charmaz, Kathy (,--+b). Introduction: Grounded theory research. Methods and practices. In Antony Bryant & Kathy Charmaz (Hrsg.), The Sage handbook of grounded theory (S.$–,'). London: Sage.
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Grounded-Theory-Methodologie: Entwi)lung, Stand, Perspektiven
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Teil I Interviews
Editorial
Die Anfänge der Grounded-Theory-Methodologie und der Prozess ihrer Dur!setzung als ein heute herausragender Fors!ungsstil vermi"eln zuglei! einen Eindru# von der Ges!i!te der qualitativen Fors!ung, ihre Positionierung gegenüber dem quantitativen Mainstream und ihrer zunehmenden Diversi$kation. Die Weiterentwi#lung qualitativer Fors!ung spiegelt si! au! in der Ges!i!te der GTM wieder. Die einzelnen Interviews, die in dieser Sektion des Grounded Theory Readers zu $nden sind, lassen die Ges!i!te qualitativer Fors!ung und die Entwi#lung und Ausarbeitung der GTM lebendig werden. Deutli! wird, wie die GTM von einem gemeinsamen, eher programmatis!en Ausgangspunkt zu einem ausgefeilten Fors!ungsprogramm wurde, und es wird in den Interviews sehr ans!auli!, dass heute unters!iedli!e methodis!e Fassungen der GTM existieren, verbunden mit vers!iedenen epistemologis!en und (meta-) theoretis!en Verständnissen. Barney Glaser unterstrei!t im Interview mit Massimiliano Tarozzi – rü#greifend auf die frühe Ges!i!te der GTM und an einigen Beispielen – die Potenz der GTM als einem strukturierten und systematis!en Verfahren der Theoriegenerierung und grenzt si! zuglei! deutli! gegen die bloße Nutzung eines GTM„Jargons“ etwa zu Legitimationszwe#en ab. Anselm Strauss präsentiert die GTM im Gesprä! mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie (u.%a. vor dem Hintergrund des von ihm als theoretis! bedeutsam benannten symbolis!en Interaktionismus und Pragmatismus) als eine modi$zierbare Methodologie, wobei er glei!wohl das „theoriegeleitete Kodieren“ (sta" einer puren Deskription), das Theoretical Sampling und die „Methode des (permanenten) Verglei!ens“ als Basics und als „unverrü#bare Koordinaten“ der GTM benennt. Das Interview mit Juliet Corbin, das César Cisneros Puebla führte, unterstrei!t diese Position dur! viele historis!e Verweise und dur! die Betra!tung der (weltweiten) Verbreitung der GTM. Für sie ist wi!tig, dass si! die GTM au! Noviz/innen vermi"elt und von ihnen als Fors!ungsstil angeeignet werden kann. Corbin ma!t zudem, Bezug nehmend u.%a. auf narrative Ansätze, auf neue Formen des S!reiben wissens!a&li!er Texte aufmerksam, von denen qualitative Fors!ung insgesamt pro$tieren könnte. Im Gesprä! mit Antony J. Puddepha" verdeutli!t Kathy Charmaz, teilweise rü#greifend auf ihre eigene professionelle Sozialisation, einige Grundideen ihres Verständnis einer konstruktivistis!en GTM, in dem neben den Vorstellungen der GTM-Gründer die Chicago S!ool, der symbolis!e Interaktionismus und der Pragmatismus wi!tige Rollen spielten. Indem sie eine objektivistis!e von einer kon-
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Editorial
struktivistis!en GTM systematis! zu unters!eiden versu!t, unterstrei!t sie das Erfordernis, Fors!ende und deren Erfahrungen und Orientierungen in eine neuausgeri!tete GTM au! method(olog)is! systematis!er einzubeziehen. Adele E. Clarke pointiert in dem Interview mit Reiner Keller no! deutli!er die Notwendigkeit einer grundsätzli!en Revision der GTM. Sie verbindet die GTM konsequent u.%a. mit postmodernen Ansätzen und bu!stabiert mit Bli# auf die von ihr entwi#elte Situational Analysis aus, was eine kritis!e Sozialwissens!a& heute leisten sollte. Die fünf Interviews mit ihren jeweiligen Akzentuierungen und Verständnissen der GTM liefern vor allem in den biogra$s!en Rü#s!auen immer au! ein lebendiges Bild von den Begegnungen untereinander, den Anfängen der qualitativen Fors!ung und einer si! entwi#elnden Wissens!a&. Und diese fünf Dokumente lassen si! au! lesen als die Forts!reibung einer Methodologie, die neben einem gemeinsamen Grundsto# und einigen Übers! neidungen zunehmend einige markante Unters!iede aufs!einen und damit unters!iedli!e theoretis!e Positionen und Bezugnahmen erkennen lässt. Wir ho'en sehr, dass die Lektüre der Interviews den Einstieg in den Band und die Auseinandersetzung um die Vielfalt der GTM erlei!tert, vor allem aber ho'en wir, dass mit und in den Interviews die hinter der GTM stehenden Personen und damit der Konnex von Person und Werk si!tbar werden. Günter Mey & Katja Mru#
Vierzig Jahre na! „The Discovery“: Grounded Theory weltweit1 Barney G. Glaser im Gesprä! mit Massimiliano Tarozzi
MT!2: "# Jahre sind seit der Erstverö$entli!ung von „The Discovery of Grounded Theory: Strategies for Qualitative Resear!“ (Glaser & Strauss %&'() vergangen. Heute wissen wir, dass es für viele ein revolutionäres und innovatives Bu! war. Aber wie wurde es damals von der wissens!a)li!en Gemeins!a) aufgenommen*? Insbesondere in der Soziologie bzw. den Sozialwissens!a)en im Allgemeinen*? Heute ist der Erfolg des Bu!es unbestri+en, und wir wissen, dass es seinen Platz in der Ges!i!te der Soziologie einnimmt. Wie aber war die Reaktion am Anfang – ganz am Anfang*? BG: Es gab sehr viel Reaktion. Es war wie eine Bombe, keine Frage. Es stellte „vorgängige Theorie“ in hö!stem Maße infrage bzw. zog die Produktivität von Fors!ung in Bezug auf Theorie in Zweifel; jene Fors!ung, die genutzt wurde, um Hypothesen zu testen, ansta+ sie zu entwi,eln. Es gab also viele Reaktionen, aber alles in allem mo!ten es einige Leute, weil sie da!ten, endli! frei zu sein. Andere ver-u!ten das Bu!, da es ihre Arbeit gefährdete. In dem Sinne war es also sehr kontrovers und sehr positiv. Es bedeutete ni!t nur einen Angri$ gegen die vorgängige Nutzung von Theorien und gegen Mutmaßungen und Spekulationen, sondern zeigte au! einen Ausweg. Es war ni!t bloß ein Argument, es war eine Lösung. Und seine Bedeutung wu!s, weil es weiter rezipiert wurde. MT: I! verstehe. Aber am Anfang, vor "# Jahren, gab es da viele Rezensionen in Zeits!ri)en*? I! kann mir ni!t vorstellen, wie die ersten Kommentare zum Bu! – in Rezensionen in Zeits!ri)en oder als informelle Reaktionen – aus.elen*? BG: I! erinnere mi! ni!t, ob es Rezensionen zu „Discovery“ gab, aber das Bu! selbst war als Reaktion auf den Erfolg von „Awareness of Dying“ (Glaser & Strauss %&'/) ges!rieben, und „Awareness of Dying“ war sehr erfolgrei!. Es wurde viel gelesen, und alle haben viellei!t geda!t: „Wie haben sie das nur gema!t*?“ Da i! mi! mit Methodologie auskannte, legte i! Anselm nahe, dass wir die Methodologie, die wir genutzt ha+en, bes!reiben. Und so haben wir am Ende eine neue 1
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Das Interview wurde im Juli 0##' in Mill Valley, Kalifornien geführt. Es wurde in einer Sonderausgabe des Grounded Theory Review (0##() unter dem Titel „Forty Years a)er Discovery: Grounded Theory Worldwide“ erstmals verö$entli!t. Wir danken Massimiliano Tarozzi und Barney Glaser für das Re!t der Verö$entli!ung und Übersetzung. Für die Verö$entli!ung wurde der Beitrag überarbeitet und gekürzt. Aus dem Englis!en übersetzt von Paul Sebastian Ruppel und Katja Mru,. Im Folgenden Massimiliano Tarozzi = MT, Barney G. Glaser = BG.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Vierzig Jahre na! „The Discovery“: Grounded Theory weltweit
Methodologie konzipiert, die die Si!tweisen vieler Mens!en darauf änderte, wie man Theorie ma!t, wie man Methoden ma!t und wie man Fors!ung ma!t. Es stand also ni!t allein. Es war eine wesentli!e Reaktion auf „Awareness“, das selbst in vier Spra!en vorliegt. MT: „Awareness“ war also ein Erfolg. Und der Erfolg von „Discovery“ hat Jahr für Jahr zugenommen, indem Fors!ende es mit wa!sender Kompetenz weiter nutzen. Meine eigene Wahrnehmung – mein Gefühl – ist, dass der Erfolg des Bu!es ein verzögerter Dur!bru! war: Es war %/ Jahre na! der Erstverö$entli!ung vermutli! erfolgrei!er als ganz am Anfang. Erst in den %&1#er Jahren wurde ihm international volle Anerkennung zuteil. Im nä!sten Jahrzehnt nahm der Erfolg sowohl des Bu!es als au! der Methode immer weiter zu. Dies ni!t nur in Nordamerika, sondern überall und insbesondere in Europa. I! glaube, dass Soziolog/innen und Laien Ende der %&'#er Jahre no! ni!t bereit waren, die Innovationen dieser Methodologie aufzunehmen und zu nutzen. Vor einigen Jahren s!rieben Sie, dass Sie si! im Gesprä! mit Strauss einig waren, dass Ihr Bu! seiner Zeit um %/ oder 0# Jahre voraus war (Glaser %&&1, S.0%). Was meinten Sie damit*? Glauben Sie, dass es für diesen verspäteten Erfolg spezielle Gründe gab*? Dafür, warum die Leute für dieses Bu! zunä!st ni!t bereit waren*? BG: Ja, es war ein verzögertes Lernen, das aus Handlung resultierte: Zu Beginn fanden die Leute Gefallen daran, aber als sie an.ngen, es zu nutzen, seine Stärke und sein Erfolg spürten, begannen sie, es mehr und mehr au! anderen anzubieten. Die Leute fangen an darüber zu spre!en – über seine Stärke, seine Dauerha)igkeit. Und das Bu! selbst ist eine grounded theory. Es war ni!ts Ausgeda!tes, es beruhte auf der Arbeit an „Awareness“ und „Time for Dying“ (Glaser & Strauss %&'1), es war also in der Fors!ung verwurzelt. Das hat eine enorme S! lagkra). Und eine Verzögerung bestand im Widerstand, seine Stärke zu sehen. Sogar bei denen, die es wollen, .ndet si! eine Art „verzögerte Zündung“. Es ist auf Dauer wirksam. Es ist langsam, obglei! die Konzepte sofort greifen; i! meine, sie fesseln einen. Und deswegen habe i! %&(1 „Theoretical Sensitivity“ ges!rieben, das war elf Jahre später. I! wollte mehr Klarheit s!a$en, da die Leute mit „Discovery“ dur! die Gegend liefen und versu!ten, es zu nutzen. Heute, "# Jahre später, gibt es eine stetige Wa!stumskurve. MT: Na! dem Erfolg von „Awareness“ gab es also eine langsame, aber beständige Entwi,lung, der eine no! bewusstere Anwendung der Methode folgte. Fand dies sowohl in Nordamerika als au! in Europa oder in andern Ländern auf glei!er Ebene sta+*? Oder wurde der Ansatz zuerst in den Vereinigten Staaten und dann anderswo anerkannt*? BG: „Awareness“ wurde sehr ras! in anderen Spra!en verö$entli!t, da es si! mit P-ege befasst, und diese ist universell. Und es befasst si! mit Variablen großer Tragweite, abhängigen Variablen großer Tragweite. Und deshalb glaube i! ni!t, dass es si! in der Soziologie ausbreitete: Es breitete si! in Management- und
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in Ausbildungskontexten aus, wo die Leute von Standardkategorien die Nase voll ha+en. MT: Das leitet eine weitere S!lüsselfrage ein: Was sind Ihrer Meinung na! die Hauptanwendungsfelder oder disziplinären Bli,winkel oder die wi!tigsten Fors!ungsberei!e der Grounded-Theory-Methodologie*? BG: Oh, das sind vor allem Management, Business, Bildung, Sozialarbeit, P-ege, Medizin. In der Medizin wird es mehr. In Malmö in S!weden organisieren wir z.2B. ein Seminar mit zwölf Ärzt/innen. Sie alle versu!en, Grounded-Theory-Methodologie (GTM) zu nutzen, weil sie eine Community-Management-Ausri!tung haben, d.2h., sie sind sozial-psy!ologis! ausgeri!tet, anders als hier. Und in der Medizin in Europa ist die Wirkung insgesamt groß. In Frankrei! ni!t. In Frankrei! hat sie si! überhaupt ni!t etabliert und in Deuts!land nur sehr wenig, da Anselm in Deuts!land sehr gute Freunde ha+e, die mi! ni!t mo!ten. „Discovery“ ist jedo! au! ins Deuts!e übersetzt worden (Glaser & Strauss %&&1). MT: Was sind die Gründe dafür, dass si! die GTM in den Anwendungsberei!en ausgebreitet hat, die Sie erwähnt haben*? I! glaube, eine ihrer Haupteigens!a)en ist, dies wird au! im begründenden Werk deutli!, dass sie passt: „it .ts, is relevant and works“. Das ist der Grund, warum sie für Berei!e besonders geeignet ist, in denen Mens!en Fors!ungsmethoden mit konkreten Handlungsanweisungen und Hinweisen für Veränderung fordern. Einige praxisorientierte Berei!e (wie Ausbildung, P-ege, Marketing etc.) und diejenigen, die ni!t auf einer deskriptiven Ebene stehen bleiben können, könnten die Nähe zu einer Methodologie su!en, die die Perspektive der Teilnehmenden als ihren Ausgangspunkt nimmt und zu einer Theorie gelangt, die funktioniert, relevant und nützli! ist. Fors!ung, die als Ergebnis eine Theorie sta+ einer detaillierten Bes!reibung anbieten kann, ermögli!t es Praktiker/innen, die untersu!ten Kontexte umzugestalten. Und wo es notwendig ist, Praktiker/innen und Expert/innen zu s!ulen, Wissen und Fertigkeiten zu festigen, s!eint eine grounded theory eine solide Grundlage zu sein, auf der Bildungsprogramme, Ents!eidungs.ndungen, Veränderungen und die Emanzipation von Pädagog/innen, P-eger/innen und anderen Praktiker/innen aufbauen können. BG: Und weil diese Berei!e mit abhängigen Variablen großer Tragweite zu tun haben. In dieser Art von Praxis sind Erklärungen über das, was vor si! geht, von sehr großer Bedeutung. Deswegen legt die GTM ihren S!werpunkt auf abhängige Variablen. Sie hat mit diesen abhängigen Variablen und deren Bedeutung, Funktion und Passung zu tun, wenn sie si! mit Krankenp-ege, medizinis!er Versorgung, Unternehmensberatung – wie au! immer man es nennen mö!te – auseinandersetzt. Sie eignet si! gut für Variablen mit großer Tragweite. Etwas Weiteres, was häu.g ni!t erwähnt wird, ist die Bedeutung des Jargons, der Begri$e. Sie haben so viel Kra), dass sie überall benutzt werden, au! um Fors!ung zu re!tfertigen, die ni!t mit der GTM zu tun hat. I! erzähle meinen Studierenden immer, dass wenn etwas wirkli! funktioniert, von dem, was i! erfunden habe, dann ist es dieser
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Jargon: „I! habe theoretis!es Sampling gema!t“. Oh. Und: „Haben Sie Ihre Kategorie gesä+igt*?“ Ja. Es ist wunderbar. Und weiter: „Haben Sie permanente Verglei!e dur!geführt*?“ Oh, ja, „Die ganze Zeit stelle i! Verglei!e an“. Und der Jargon ist so. Aber, wissen Sie, die GTM wurde aus Fors!ungsdaten entwi,elt, und das beweist gerade, wie großartig sie ist, aber sie erkennen es ni!t. Sie nutzen die Begriffe, den Jargon, und es wird überall in diesem Jargon gespro!en. Viellei!t ist es das, was Sie teilweise als seine Popularität auffassen. Der Jargon ist der Methodik, wie i! sie begründet habe, weit voraus, aber links und re!ts davon bekommen Leute ihre Doktortitel, die die Methode wirkli! nutzen. I! werde na! Norwegen reisen, um mir eine Verteidigung anzuhören. I! habe gerade eine andere Doktorarbeit aus England gelesen. Jemand anderes hat gerade seinen Doktor gema!t. Das ist großartig. Wissen Sie, Leute haben die Methode umgestaltet, aber den Jargon haben sie ni!t umgestaltet. Sie haben ihn benutzt, um die Grounded-Theory-Methodologie umzugestalten. MT: In diesem Sinne erlaubt der Jargon, Daten zu legitimieren. Und glei!zeitig dient er der Legitimation gegenüber irgendwel!en Komitees. BG: Genau das. Er ist ein Mi+el zur Legitimation. Ja. „I! habe die Grounded Theory genutzt“. Sogar der Begri$ „Grounded Theory“ ist ein Konzept, das aus der Analyse unserer Fors!ung („Awareness of Dying“) entwi,elt wurde. Es ist ni!ts Ausgeda!tes, sondern wurde aus unserer Fors!ung zum Thema Sterben entwi,elt, indem wir Anselms Erfahrung und meine Daten verknüp)en. Wissen Sie, man kann ni!t sagen, dass sie das ni!t tun sollten, es ist sehr real, dass die Leute das, was sie tun, mit den geeigneten Worten irgendwie legitimieren müssen. I! habe einen Kollegen gefragt, ob er einen Beitrag über den Legitimationsjargon der GTM s!reibt: Am Sonntag habe i! einen Artikel über Ethnogra.e gelesen, komple+ deskriptiv, der sagt, man kann GTM anwenden, indem man ein Konzept entwi,elt. Nun ja, i! meine, wenn irgendetwas weit entfernt von GTM ist, dann die Ethnogra.e, weil die GTM mit der Deskription aufräumt. Aber wissen Sie, diesem Artikel zufolge ma!t die Entwi,lung einer Kategorie die Ethnogra.e zu einem Anwendungsfeld der GTM. Es ist also sehr real. Wenn man über Legitimationsjargons na!denkt: Sie sind überall. Es ist ein normaler, mens!li!er Prozess. Er .ndet in der Ehe sta+, in der Kindererziehung, so gut wie überall. Wenn sie erst einmal legitimiert sind, haben die Worte eine ganz eigene Kra), sodass sie si! ohne Referenz fortp-anzen, bis sie angewendet werden. MT: Um auf die Anwendungsberei!e zurü,zukommen. In Ausbildung, Organisation, Management, P-ege ist es viellei!t erforderli!, das Feld umzugestalten, ni!t nur zu bes!reiben. Und eine Theorie ist stärker als eine Bes!reibung, wenn es darum geht, in einem Feld Wandel herbeizuführen und Ents!eidungen zu treffen. P-eger/innen, Pädagog/innen, Manager/innen müssen die Wirkli!keit, die sie erkunden, umgestalten. Auf der anderen Seite müssen diese Felder meiner Ansi!t na! also au! Expert/innen mit spezi.s!en Fertigkeiten hervorbringen, und diese Fertigkeiten müssen si! auf etwas Solides, etwas Wissens!a)li!es stützen.
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BG: Auf Legitimationsjargon beruhen. MT: Und au! auf einer theoretis!en Perspektive oder einer Epistemologie. BG: Epistemologie … Eine Theorie von … oder eine theoretis!e Perspektive. Das ist alles Mist für die GTM. Man kann das in „The Grounded Theory Perspective III: Theoretical Coding“ (0##/) na!lesen. Die GTM ist nur eine dumme kleine Methode. Das ist alles was sie ist. Die Epistemologie ist irrelevant. Es geht darum, wie man sie verwendet. Die GTM beruht auf einer Konzept-Indikator-Methode, die in der Psy!ologie s!on seit Jahren verwendet worden ist. Sie gewinnen Konzepte aus Indikatoren und über die Austaus!barkeit von Indikatoren und am Ende eben eine Theorie. Das war’s. Die Leute ma!en das ständig. Und Psy!olog/innen nutzen Hunderte von Indikatoren, um Persönli!keit zu spezi.zieren: ob jemand depressiv ist, bipolar oder Aggressionsprobleme hat. Sorry, aber sie ist nur eine dumme kleine Methode. I! meine, sie auf eine epistemologis!e oder theoretis!e Ebene mit dem symbolis!en Interaktionismus zu stellen ist Unsinn. Man kann sie mit symbolis!em Interaktionismus verwenden. Man kann sie mit jeder Art von Perspektive nutzen. Latente Muster gibt es überall. Sogar hier gibt es latente Muster. Wussten Sie das*? MT: I! vermute also, dass der symbolis!e Interaktionismus Ihrer Meinung na! keine theoretis!e Perspektive hinter der GTM darstellt, obwohl si! fast alle hinsi!tli! der Anerkennung seines Ein-usses auf dem Weg über die Chicago S!ule einig sind*? BG: Absolut ni!t. Es ist nur eine dumme – man könnte sagen: gewöhnli!e – psy!ologis!e Methode, die ständig zur Beurteilung von Mens!en verwendet wird. Sie entwi,eln psy!ologis!e Bedingungen, indem sie die Methode des ständigen Verglei!ens nutzen. Es geht ledigli! um eine Konzept-Indikator-Methode, sie wird genutzt, und dann setzt man die Konzepte mit den Bedingungen in Beziehung. Man kann sie mit symbolis!-interaktionistis!en Daten verwenden, wobei i! mir ni!t si!er bin, was das überhaupt ist. Sie*? „Wussten Sie, dass Ihre Art der Bedeutungskonstruktion mir zeigt, dass Sie ein ähnli!es Verständnis wie i! haben*?“ Wissen Sie, das ist irgendwie Unsinn. Wie i! in „Theoretical Coding“ (0##/) ges!rieben habe: Alle mö!ten die Methode als ihre eigene Methode besitzen, ihr die je eigene Epistemologie, die eigene Perspektive verpassen. Es ist eine allgemeine Methode, die jede/r mit jegli!er Art von Daten nutzen kann. Man kann sie mit Dokumenten oder Videos benutzen; es ist egal, wel!e Daten. Das, wona! man su!t, sind latente Muster und die gibt es überall. MT: Mit jegli!er Art von Daten also und innerhalb jegli!er Art von Paradigma*? BG: Was ist ein Paradigma*? I! weiß es ni!t. Was ist ein Paradigma*? MT: Kuhn zufolge ist es ein Bezugssystem, das von einer bestimmten wissens!a)li!en Gemeins!a) geteilt wird. Es fungiert als Karte, in einer bestimmten Epo!e oder einem bestimmten Zeitabs! ni+, für jede weitere wissens!a)li!e Tätigkeit. BG: Was zum Beispiel*?
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MT: Zum Beispiel – für mi! ist es eine Übereinkun) innerhalb der wissens!a)li!en Gemeins!a) über geteilte Überzeugungen, Methoden, die Vorstellung von Wissens!a) an si!. BG: Das ist alles, was es ist: no! mehr Daten, die eine Antwort hervorbringen. Die GTM kann man mit jegli!er Art von Paradigma verwenden, und wenn man si! Legitimation vers!a$en will, wir) man die Paradigma-Modeworte mit dazu. Symbolis!er Interaktionismus funktioniert also, oder*? Es ist genauso wie Konstruktionismus. Es handelt si! einfa! nur um Daten, und häu.g ni!t einmal sehr interessante. MT: Wenn i! also ri!tig verstehe, meinen Sie, dass die GTM mit jegli!er Art von Daten und außerdem innerhalb jegli!er Art von Paradigma verwendet werden kann, Konstruktionismus inbegri$en*? BG: Ja, weil es eine Menge Daten gibt, die einfa! nur Daten sind, die man in der GTM verwendet. Es kommt darauf an. Wel!e Daten verwenden Sie*? Man kann sie mit jegli!en Daten nutzen. I! habe von vier Arten von Daten gespro!en: proper line data – man sagt, was man sagen soll, denn wen kümmert’s*? Man wird ni!t riskieren der Fors!erin oder dem Fors!er etwas zu erzählen, das das eigene Leben oder die eigene Arbeit ruinieren könnte. Also proper line data, und es gibt baseline data und interpreted data, bei denen interpretiert wird, wie die Daten erzählt werden sollten. Und vague data, die sind ein großes Problem. Haben Sie s!on mal mit einem Anwalt gespro!en*? Das ist immer vage. Sie geben ni!ts preis; sie mögen „Ahas“ und „Uhmms“ total gerne. Die sind vage, oder*? Es gibt also vage Daten. Einer meiner besten Studenten, Ri!ard Rizzo, hat einen Beitrag ges!rieben, der mit einem Preis ausgezei!net wurde. Er kam aus Haight-Ashbury3 zurü, und sagte: „I! konnte keine Daten bekommen.“ Erinnern Sie si! an Haight-Ashbury*? Die Blumenkinder in San Francisco*? Die waren alle Ausreißer und auf Drogen, i! weiß ni!t, ob Sie diese Zeit erinnern*? Es war ein großes Areal in der Stadt, das von Jugendli!en und Kids, die alle Arten von Drogen nahmen, und allen Arten von – man könnte sagen – harmlosen, devianten Personen übernommen wurde. Sie wurden die Blumenkinder genannt. Er ging dahin, um Haight-Ashbury zu befors!en, und er sagte: „Niemand erzählt mir etwas.“ Also ist das symbolis!er Interaktionismus*? Nein. I! sagte: „Du hast eine der ergiebigsten Untersu!ungen, die es in der Stadt gibt. Alle wei!en dir aus.“ „Wo sind deine Freunde*?“, „Woher kommst du*?“, „Woher bekommst du dein Geld*?“ – Und er ist hingegangen und hat diesen Beitrag ges!rieben darüber, wie si! die Mens!en in Haight-Ashbury vage äußern (Rizzo %&&3) und hat einen Preis dafür bekommen. Also wo war die symbolis!e Bedeutung*? I! meine, es war großartig. Und dann habe i! verstanden: Viele Mens!en äußern si! anderen gegenüber so vage, um ihnen ni!ts preiszugeben. Die Blumenkinder haben ni!ts preisgegeben, weil sie ni!t wollten, dass bei der Polizei gegen sie Anzeige ersta+et wird, dass ihre Eltern hinzugezogen werden … Interessant, ni!t wahr*? Jetzt wer3
Ein Stadtteil von San Francisco.
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den Sie si! umsehen und ringsum sehen, wie Mens!en si! vage äußern. Das ist eine der Stärken der GTM, über die i! in meinem Bu! „Doing Formal Grounded Theory: A Proposal“ (0##() s!reibe. Die allgemeinen Implikationen sind phänomenal. Ein anderes Beispiel: I! habe meinen Anwalt angerufen, wir ha+en ein kleines Problem. Er sagte: „I! gehe hin und s!aue, was wir tun können.“ Und i! habe gesagt: „Warum Aufhebens ma!en*? Er wird si! Ihnen gegenüber nur vage äußern. Warum sollte i! das Geld ausgeben*?“ „Sie haben Re!t“, war seine Antwort. Er hä+e ni!ts erfahren, außer dass er seinem Klienten /## Dollar in Re!nung stellen kann. Das ist so mit einer grounded theory: Man hat ein paar überzeugende Konzepte mit allgemeinen Implikationen – diese Variablen sieht man überall. Und darum dreht es si! in dem Bu! – überall. Gestern habe i! jemanden getro$en, einen Laien, einen intelligenten Laien, der an einer Promotion in Anglistik/Amerikanistik arbeitet, aber für Sie und mi! ist er ein intelligenter Laie. Er sagte: „Barney, i! sehe immer no! überall das, wovon Sie gespro!en haben.“ I! sagte: „Wovon habe i! gespro!en*?“ Er sagte: „Sie haben über super normalizing gespro!en und i! sehe es überall … Und Sie haben nie über super normalizing ges!rieben.“ Als Kathy Charmaz bei mir studiert hat, hat sie eine großartige Dissertation über super normalizing ges!rieben (siehe zusammenfassend Charmaz %&): wenn jemand eine Verletzung oder ein Leiden hat und si! normaler denn je verhält, um zu beweisen, ni!t beeinträ!tigt zu sein. Super normalizing .ndet überall sta+. Kathy Charmaz hat Personen, die von Herzinfarkt betro$en waren, untersu!t: Ihnen wurde gesagt, dass sie herzkrank seien, also gingen sie raus, um zu beweisen, dass dem ni!t so ist, indem sie übertrieben, und das war Angst. Skiläufer/innen handeln so: Sie verletzen si! und dann fahren sie no! extremer Ski, um zu beweisen, dass sie keine Verletzung erli+en haben, und sie ma!en si! wirkli! kapu+. Fußballspieler/innen ma!en es. Es gibt viele Situationen, in denen Mens!en das Normalmaß übers!reiten, um zu beweisen, dass sie ni!t darunter liegen. Und nun, da Sie das Konzept kennen, werden Sie es überall .nden. Es ist sehr real. Und zur glei!en Zeit, als Kathy ihre Theorie über super normalizing entwi,elt hat, hat jemand anderes interessanterweise au! Personen untersu!t, die von Herzinfarkt betro$en waren. Wissen Sie, was sie herausgefunden hat*? Das andere Ende des Kontinuums – cu"ing ba# (Mullen %&&3). Der Arzt ha+e gesagt: „Sie sind herzkrank. Sie sollten si! besser eins!ränken.“ – „Wie s!ränke i! mi! ein*?“ Der Arzt weiter: „Woher soll i! das wissen*? S!auen Sie si! an, was Sie so tun und tun Sie es ni!t.“ … Und so hat Patricia Mullen eine Untersu!ung zum Si!-Eins!ränken dur!geführt. Diese Leute s!ränken den Sex ein. Sie s!ränken das Fahrradfahren, das Laufen und die Arbeit ein. Während die eine untersu!te, wie Mens!en es übertrieben, untersu!te die andere glei!zeitig, wie Mens!en es untertrieben. Ist das ni!t interessant*? Man bekommt also aus den glei!en Daten vers!iedene grounded theories, und sie beide sind ebenso wahr. Wissen Sie, wie weit wir über jedweden Mist über Epistemologie und theoretis!e Perspektive hinaus sind*? … Zurü, zum super normalizing. I! meine, i! kenne Leute, die si! dur! super normalizing beim Skifahren s!re,li!e Verletzungen
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zugezogen haben: Wenn man hinfällt, si! ein Knie verletzt und dann wieder auf die Piste geht und Ski fährt, als ob es ni!t weh tun würde, dann ist man im Krankenhaus. I! ha+e einen Freund, der gestorben ist, weil er Heuballen gehoben hat, um zu beweisen, dass er ni!t herzkrank war. Ja. Wenden Sie das darauf an. Es gibt Konzepte die einfa! aus diesem uralten Konzept-Indikator-Model hervorgehen, und es ist irrelevant, aber nennen Sie das Zeug super normalizing. Haben Sie verstanden*? MT: Ja. Man kann diese zentralen Variablen, zentralen Konzepte überall sehen. BG: Es läu) überall ab, wie das Erträgli!ma!en von S!merz. Ansta+ geheilt zu werden, gehen die Leute zum Zahnarzt, zum Arzt, und ihre S!merzen werden erträgli! gema!t. Das Erträgli!ma!en von S!merz ohne Heilung ist ein großes Ges!ä). MT: Sie meinen also, dass die Existenz dieser zentralen Variablen, dieser Kernvariablen per se, die man in den vers!iedensten sozialen Kontexten und in diversen Gegenstandsberei!en .nden kann, irgendwel!e Muster widerspiegelt, die in der Wirkli!keit existieren, irgendwel!e latenten Strukturen, die unabhängig von der Haltung oder Art von Perspektive die man ihnen „überstülpt“, objektiv in der Wirkli!keit existieren. BG: Es sind latente Muster. Es ist wie mit credentializing. I! ha+e einmal eine Studentin in einem meiner Seminare. Damals wollte i! keine Leute, die zu meinen Seminarthemen eine Dissertation s!reiben, da es die Arbeit aufhielt und weil da zu viel auf dem Spiel steht. Aber eines Tages kam sie und knallte mir ihre Dissertation auf den Tis!: „I! habe gerade meinen Doktortitel verliehen bekommen. I! habe mein Wort gebro!en, und aus Ihrem Seminar heraus eine Dissertation ges!rieben ohne es Ihnen zu sagen.“ „Über wel!es Thema*?“, wollte i! wissen. Sie sagte: „Credentializing und P$egepersonal.“ Überlegen Sie nur, credentializing ist ein grundlegendes latentes Muster im Leben von uns allen. Es kann um ein Trainingsprogramm gehen, das zwei Wo!en dauert, bis zu einem Trainingsprogramm von zwölf Jahren, um ein Zeugnis zu bekommen. Und alles was sie sagte, könnte für credentializing aller Art als relevant betra!tet werden. Und, wissen Sie, das de,t no! lange ni!t alles ab; es gibt immer no! mehr. credentializing ist eine sehr große Sa!e. So funktioniert die Welt, oder*? MT: Um zur Ges!i!te dieser ersten "# Jahre zurü, zukehren. In dieser Zeitspanne sind viele Dinge passiert. In den Sozialwissens!a)en haben si! tief greifende Transformationen ereignet, und es wurden weitrei!ende Überlegungen zu ihren Grundlagen angestellt. Wie, wenn überhaupt, wurde die GTM in diesen Jahren modi.ziert oder umgestaltet*? BG: Nun ja, die GTM, mit der i! mi! befasse ni!t, aber einige haben versu!t, sie zu modi.zieren, um uns wieder zur qualitativen Deskription zurü,zubringen. Hierfür ist u.2a. die Tatsa!e verantwortli!, dass ni!t jede Person in der Lage ist, Konzepte zu entwi,eln, aber sie wollen mit der GTM arbeiten oder sie denken dies zu tun. Jegli!e Fors!ung ist grounded – irgendwie. Ist sie einfa!. Die Vorstellung von Fors!ung ist, dass, wenn man eine Idee hat, Daten .ndet. Leute, die keine Kon-
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zepte entwi,eln können, neigen also dazu, die GTM nur für qualitative Datenanalyse nutzen zu wollen, und sie nehmen an, dass diese Analyse grounded ist, weil es si! um Fors!ung handelt. Zum Thema Umbau der GTM: Man sagt, es gebe mehr deskriptiv als konzeptionell arbeitende Fors!er/innen. Sagen wir es mal so: Ni!t sehr viele Leute können Konzepte entwi,eln, aber viel mehr können es, als es tun. Aber die meisten Leute bes!reiben ausführli!, immer weiter und immer weiter. Wenn es ein Gesprä! wäre, würde man sagen, dass sie dieselbe Sa!e immer und immer wieder sagen, da es einfa! die Austaus!barkeit der Indikatoren ist. Aber sie wissen es ni!t. Sie sagen dieselbe Sa!e auf unters!iedli!e Weise immer und immer wieder, einfa! weil es dasselbe Muster ist. Die Umgestaltung der GT basiert also auf einer sehr realen mens!li!en Gegebenheit. Die GTM besitzt einen Status, und der Jargon besitzt einen Status, und die Leute wollen es ma!en und nennen es so. Sie werden es eine übli!e qualitative Analyse nennen – genauso wie im Falle des Ethnogra.ebeitrags, den i! vorhin erwähnt habe. Die Konzepte mögen tief greifend sein, aber sie sind ni!t systematis! entwi,elt in der Weise, die die Methode erfordert. MT: Wo wir über den Erfolg der GTM spre!en: Einer der Gründe für ihre weltweite Verbreitung war das Bu! „Basics of Qualitative Resear!“ (%&) von Strauss und Corbin. Ein internationaler Bestseller, der, wie es s!eint, auf die Bedürfnisse derjenigen reagiert hat, die für ihre Arbeit mit der GTM detaillierte praktis!e Vorgaben benötigten. Ihr Disput mit Strauss ist wohlbekannt. Aber wenn es Ihnen ni!ts ausma!t, darüber zu spre!en: Was sind die wesentli!en methodologis!en Gründe für diese Klu), neben Ihren pointierten Kritiken zu diesem Bu!*? BG: Nun ja, er .ng an, den Daten eine Vor-Rahmung, vorgefasste Konzepte und vorgefasste Bezugssysteme wie beispielweise Prozess und die „fünf Cs“4 aufzuzwängen. Obglei! i! ihm dieses Bezugssystem beigebra!t habe, sagte i!, dass es emergieren muss. Im Voraus weiß man ni!t, wie die theoretis!en Kodes oder die Kategorien aussehen werden. Man muss davon wegkommen, die Fors!ung vorzufassen. I! kann Ihnen ni!t sagen, wie viele Leute mi! anrufen und sagen: „I! soll das untersu!en, und i! kann es ni!t .nden.“ Nun, laut Anselms Methode ist dies, wona! man su!en soll, und entweder man .ndet es oder stirbt. Und i! bekomme so viele sol!er Anrufe. Darum ist es wi!tig, die GTM tatsä!li! zu nutzen und zu vergessen, was gefunden werden soll; es geht darum, einfa! zu s!auen, was man .ndet. Ein gutes Beispiel dazu: Eine Studentin aus Texas rief mi! an, eine sehr kluge Frau, und sagte: „I! soll kontextbezogene Sozialarbeit untersu!en.“ Wissen Sie was das ist*? Kontextbezogene Sozialarbeit ist, wenn man auf Sozialhilfe angewiesene Mens!en so behandelt, als ob sie Opfer der Gesells!a) sind. Und sie ist raus gegangen und hat angefangen, si! mit Sozialarbeiter/innen 4
Glaser spielt hier auf die „C-Familie“ an, eine der von ihm vorges!lagenen „Kodierfamilien“. Er ha+e ursprüngli! (Glaser %&(1) „' Cs“ benannt, nämli! causes, context, contingencies, consequences, covariances und conditions.
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Vierzig Jahre na! „The Discovery“: Grounded Theory weltweit
zu unterhalten. Die konnten keine kontextbezogene Sozialarbeit verri!ten, weil sie ni!t in diesem Kontext ausgebildet worden waren. Sie ha+en eine Art von Weltans!auung, aber sie nutzten sie ni!t. Sie waren sehr besorgt um die Alltagsprobleme ihrer Klient/in nen. Es war einfa! so irrelevant, und sie wusste ni!t, was sie tun sollte. I! sagte: „S!auen Sie si! an, was tatsä!li! vor si! geht.“ Und sie hat eine hervorragende Theorie zum Thema „Begleiten“ verö$entli!t. Es geht darum, wie Sozialarbeiter/in nen ihre Klient/innen dur! eine Phase begleiten. Sie hat also einen Beitrag zur Praxis der Sozialarbeit geleistet, und alle im Feld haben kontextbezogene Sozialarbeit als irrelevant herausgenommen. I! meine, fänden Sie es gut, dass Sie si! Essensmarken holen und jemand sagt: „I! weiß ni!t. Aber Sie sind einfa! ein Opfer der Gesells!a).“ Aber i! muss essen*! MT: Eines der Probleme des Ansatzes von Strauss, des späteren Ansatz von Strauss, ist also … BG: … das Forcieren von Daten. Dur! die Rahmung von Elementen sollen Bedingungen und Konsequenzen gefunden werden. Es ist keine Relevanz, die „erworben“ wird, wie i! es fordere, sondern vorgefasste Relevanz. Und das andere Problem ergab si!, wenn das, was sie .nden, zu der angenommenen Theorie im Widerspru! steht. Das ist ungeheuerli!. So etwas darf man den Leuten ni!t erzählen. MT: Was Sie sagen verstehe i! gut. Bevor i! zur Universität gegangen bin, habe i! Trainings für Sozialpädagog/innen gema!t. Das Problem des Ansatzes von Strauss und Corbin liegt also darin, dass Fors!ungsfragestellungen in rigide Rahmen gepresst werden, z.2B. um in den Daten Dimensionen und Bedingungen „zu .nden“, diese denen also aufgezwungen werden. Glauben Sie, dass dies unvermeidli! ist, wenn man versu!t, detaillierte Anleitungen für die Arbeit mit der GTM zu entwi,eln*? Und dass dieses Streben na! Operationalisierung der Methode der Grund ist, warum man im Grunde genommen rahmt, forciert und letztendli! das vor-konzipiert, was eigentli! entde,t werden sollte*? BG: Ja. Anselm Strauss wollte – es gibt zwei Dinge: Erstens, wenn man mit der GTM arbeitet, muss man Verwirrung ertragen, bis man sieht, was wirkli! vor si! geht. Personen, die die GTM lehren, müssen außerdem fähig sein, die Verwirrung ihrer Studierenden auszuhalten; sehr o) können Professor/innen dies ni!t ertragen. Das ist eine wohlwollende Interpretation. Damit sie etwas .nden werden, geben sie den Studierenden also eine Vor-Rahmung, obglei! dies kein Finden ist. Zweitens, die Professor/innen wollen ni!t, dass Studierende etwas „.nden“. Sie wollen, dass sie in ihrem Fors!ungsgebiet arbeiten, was Ausbeutung ist. „Du wirst ni!t das untersu!en, was di! interessiert. Du wirst das untersu!en, worüber i! ges!rieben habe und etwas ergänzen.“ Man wird also in sol!e Rahmen eingepasst. MT: Das ist sehr s!wierig, weil man damit umgehen und es versu!en muss. Das ist ni!t lei!t. BG: Nein, aber man muss si! die ri!tigen Studierenden zur Arbeit mit der GTM su!en, denn ni!t alle können das.
Barney G. Glaser im Gesprä! mit Massimiliano Tarozzi
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MT: Im Laufe der Jahre s!eint der konstruktivistis!e Ansatz ein weiteres Neuland der GTM geworden zu sein. Kathy Charmaz hat eine Klu) zwis!en objektivistis!er und konstruktivistis!er GTM dargestellt (siehe au! Charmaz in diesem Band), diese Begri$ li!keiten sind sehr erfolgrei! gewesen. Charmaz zufolge gehören Sie und die „klassis!e GTM“ zum objektivistis!en Ansatz. I! habe Ihre Antwort in Forum Qualitative Sozialfors%ung/Forum: Qualitative Social Resear% (0##0) gelesen. Aber was ist Ihre Meinung dazu, zu Objektivismus und der GTM*? Wenn Ihnen jemand sagt, dass Sie objektivistis! sind, fühlen Sie si! mit diesem Label unwohl, oder spielt es für Ihre Herangehensweise an die GTM eine Rolle*? BG: Nun ja, sie ma!t, was Akademiker/innen ma!en – sie kümmert si! um ihre Karriere, indem sie eine bestimmte Lesart vorantreibt. I! denke, dass sie irrelevant ist. Man muss si! die Daten ans!auen, die man hat. I! weiß ni!t, was Objektivismus oder Postmodernismus oder Modernismus ist. I! meine, wenn i! Ihnen von der Theorie über credentializing erzähle, ist das postmodern, modern, objektivistis!, konstruktivistis!*? Ist es von Belang*? Dieser Typ hat mi! neuli! gefragt: „Barney, i! sehe überall um mi! herum super normalizing. Habe i! re!t*?“ Er versu!t, dieses Konzept zu nutzen, weil es sol! eine Potenz hat. Wissen Sie, für mi! ist es ni!t wi!tig, ob es konstruiert ist, objektivistis! – das ist ni!t von Belang. Aber es liegt in der Natur fortges!ri+ener Akademiker/innen zu versu!en, ihre Perspektive zu entwi,eln, in der sie gefangen zu sein s!einen, und deren Anhänger/innen sie werden. Das ist Unsinn, es ist eher wie Religion. Man hat Studierende, die Feldfors!ung betreiben. Was sollen sie ma!en*? Zurü,kommen und sagen: „I! habe ein paar objektive Daten und ein paar konstruierte“*? Lassen Sie uns no! einmal zum credentialzing kommen. I! denke, in Kalifornien gibt es derzeit mögli!erweise ein sehr großes Problem. Lassen wir ni!t registrierte Mexikaner/innen Autofahren*? Credentializing ist ein Quali.kationsmerkmal. Es quali.ziert di!. I! meine, es ist wi!tig zu sagen, dass wir ihnen keinen Führers!ein geben können. Sie sind hier. Wir werfen sie ni!t raus, aber wir können ihnen keinen Führers!ein geben, weil sie keine Staatsbürger/innen sind*? Wir müssen sie als Fahrer/innen befähigen, oder sie werden auf den Straßen Leute töten. Ist das also objektivistis!, konstruktivistis!*? Aber es ist ein großes Problem. I! persönli! denke, sie sollten alle einen Führers!ein bekommen. Sie sollten in jedem Fall einen Führers!ein erhalten. I! interessiere mi! für Mens!en, die fors!en und si! mit guten latenten Mustern einen guten Namen ma!en. Und die sozial-strukturelle Kontrolle über Epistemologien und Perspektiven ist phänomenal. Es ist nur ein weiteres soziologis!es Phänomen. Man könnte sagen, laut Parsons ist es eine funktionale Anforderung. dass Departments ihre eigenen Epistemologien und Perspektiven haben. Aber das ist ein weiteres Phänomen für si!. Es sind einfa! no! mehr Daten. MT: Ja, i! verstehe, dass aus fors!ungspraktis!er Si!t die epistemologis!e Frage irrelevant ist. Es sind nur weitere Daten, aber es gibt vers! iedene Arten, mit Daten umzugehen. Als „The Discovery of Grounded Theory“ vor "# Jahren
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Vierzig Jahre na! „The Discovery“: Grounded Theory weltweit
ers!ienen ist, haben Sie und Strauss die gängige Umgangsweise mit Daten infrage gestellt. Sie s!lugen vor, ni!t einfa! bestehende Theorien zu veri.zieren und au! ni!t einfa! die soziale Wirkli!keit zu bes!reiben, sondern aus Daten Theorie zu entwi,eln. Dieses sehr einfa!e Statement war damals revolutionär. Es ist bekannt, dass Ihr Beitrag das traditionelle, vorherrs!ende epistemologis!e Paradigma beein-usst und infrage gestellt hat. Epistemologis!e Fragen liegen der GT also ni!t per se fern, und Ihre soziologis!e Revolution wirkte au! auf diese Ebene ein und ni!t nur dur! die Innovation von Fors!ungsmethoden. BG: Man könnte es auf diese Ebene stellen. Eigentli! ging es einfa! darum, wie man Fors!ung betreibt. Aber dies forderte eine andere Art und Weise zu fors!en heraus. Sehen Sie, i! gewinne immer mehr Einbli,e in die Sa!e. Ja, wir haben ein Paradigma infrage gestellt, das ein Leitbild für Fors!ung ist. Es war ein ziemli! tragendes Leitbild für die Fors!ung. Viele dieser anderen Perspektiven sind viel mehr auf Ingroups und Departments ausgeri!tet. I! s!ätze, das Paradigma lässt etwas na! Wissens!a) klingen. Aber es sind alles nur Daten. Es sind Strukturen, Orte – Parsons spri!t von sozial strukturierten, erworbenen sozialen Fiktionen, die die Welt in Gang halten. MT: In den "# Jahren seit der allerersten revolutionären Formulierung der GTM haben si! in den Sozialwissens!a)en viele Dinge geändert. I! würde gerne insbesondere zwei Hauptdeba+en anspre!en. Eine ist die neue Deba+e über die Nutzung qualitativer und quantitativer Daten in der GTM; die zweite bezieht si! auf die interpretative Wende in den Sozialwissens!a)en. BG: Was den ersten Punkt angeht, habe i! immer geltend gema!t, dass in der GTM quantitative Daten genutzt werden können. I! s!reibe ein Bu! über quantitative GTM5, das an das Kapitel in „Discovery“ ans!ließt. Was den zweiten Punkt betri4: Wenn Sie mit interpretativer Wende Konstruktivismus meinen, nehmen Sie einfa! das Beispiel von den P-eger/innen, die Zeugnisse bekommen, indem sie gezwungen werden, einen Ba!elor-Abs!luss zu ma!en. Viel von dieser Zerti.zierung ist Mist. Eine der Kategorien ist: „I! weiß das s!on alles, und warum muss i! es erneut lernen*?“ Aber i! meine, Zerti.zierung ist keine Interpretation. Es passiert überall, dass Mens!en ausgebildet werden, um ihre Jobs zu ma!en. Man will wissen, dass sie quali.ziert sind. Sie wollen quali.ziert sein, um Geld zu verdienen. Es ist sehr real. Du -iegst na! Hause. Du willst einen Piloten mit Zerti.kat. Du willst wissen, wel!e Ausbildung er hat. Empiris! ging, denke i!, die Vorstellung interpretativer und konstruktivistis!er Fors!ung aus einer – man könnte sagen – bedeutenden, aber nebensä!li!en Form qualitativer Fors!ung hervor, und zwar aus „Tiefen“-Interviews. Das ist, wenn wir miteinander spre!en, und i! fü+ere Sie mit Bedeutungen, und Sie fü+ern mi! mit Bedeutungen, und wir stellen gemeinsame Bedeutungen her. Aber die meiste Fors!ung besteht einfa! aus Beoba!tung und Zuhören. Diese langen, zweistündigen Tiefeninterviews können sehr konstruktivis5
Mi+lerweile verö$entli!t: „Doing Quantitative Grounded Theory“ (Glaser 0##1).
Barney G. Glaser im Gesprä! mit Massimiliano Tarozzi
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tis! oder interpretativ sein, und das ist etwas anderes als interpretierte Daten, bei denen man Leuten es so sagt, wie sie es sehen sollen. Wir haben eine Untersu!ung über eine psy!iatris!e Einri!tung gema!t. Man bekommt nie e!te Daten. Man bekommt gesagt, wie sie etwas als Daten interpretieren, was etwas anderes ist. Das sind interpretierte Daten. MT: Interpretationen sind also ni!ts weiter als eine weitere und andere Art von Daten, aber es sind Daten. Es ist keine andere Art Haltung der Fors!erin oder des Fors!ers, die oder der die Daten ko-konstruiert oder sie ungea!tet ihrer oder seiner Perspektive analysiert. BG: Ja, es sind einfa! Daten. Das ist genau wie proper line data. Sie werden gemis!t. Was proper line data angeht – i! habe es so o) bei Leuten gesehen, die an.ngen Management-Probleme zu untersu!en und zu den Arbeiter/innen gingen. Wer von denen, die oder der bei Verstand ist, würde die Wahrheit sagen*? Warum sollten sie ihren Job aufs Spiel setzen, nur um einem die Wahrheit zu sagen*? Sie sagen einem das, von dem sie wissen, dass sie es sagen sollen, insbesondere wenn ein Tonbandgerät läu). Man bekommt einfa! keine guten Daten, man bekommt proper lines. Das ist ein Grund, warum i! keine Tonbandgeräte mag, weil es Leute zwingt, einem das zu erzählen, von dem sie denken, dass sie es sagen sollten, um ihren Ars! zu re+en, ansta+ einem wirkli! zu sagen, was vor si! geht. I! ha+e mit hunderten grounded theories zu tun, i! sehe all diese Dinge, und man kann sagen, dass dies jenseits dieses Perspektiven- und Epistemologie-Jargons ist. Wie war es, als Diane Vaughan (%&&() die Untersu!ung zum Absturz von – was war es*? – Apollo %3 gema!t hat und entde,t hat, dass es ein organisatoris! bedingter Fehler war*? Eine Menge Leute wussten davon, aber sie ha+en ni!t die Ma!t, es zu stoppen. Und ein paar Leute, die begannen, die Ma!t zu haben, ha+en Angst, da es Zeitpläne und Subventionen obsolet ma!en würde. Da geht es um viele Thematiken. Und i! würde einfa! vors!lagen, nie diese Tiefeninterviews dur!zuführen, obglei! es man!e Leute tun. Und Interviews sollten sehr o$en sein, ohne große Eingri$e der Interviewenden. Man wird – wie i! es nenne – instill a spill. Sobald man auf Relevantes tri4, ist alles was man tun muss, es erwähnen – so wie i! es z.2B. in einer Untersu!ung zum Thema Erben gema!t habe. Alles was i! tun musste, war zu sagen, dass i! das Thema Erben untersu!e, und sie haben mir ihre Ges! i!te erzählt. Da gab es also keinen Interpretativismus. Da war keine gemeinsame Konstruktion, es ging nur um vier Dinge: die Antizipation, das tatsä!li!e Erbe, die Aufteilung und die Verwendung. Aber um zu wiederholen, was i! grade gesagt habe: Eine Art von Daten ist wie die andere – nennen Sie es interpretativ oder konstruktivistis!. Für die Entwi,lung einer grounded theory ist das ni!t von Bedeutung. MT: Es gibt vers! iedene Mögli! keiten, wie der Grounded-Theory-Ansatz aufgefasst werden kann. Ist er Ihrer Meinung na! eine Methodologie oder eine Methode*? I! habe den Eindru,, dass „The Discovery of Grounded Theory“ ein methodologis!es Bu! ist, während si! dann Jahre später „Theoretical Sensitivity“ wahrs!einli! mehr mit Methodik bes!ä)igte. Was denken Sie*?
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Vierzig Jahre na! „The Discovery“: Grounded Theory weltweit
BG: Es ist eine Methodologie. Und eine Methode. Methodologie – naja, Theorie ist Methode. Es ist eine Methode darüber, wie man aus Daten Konzepte entwi,elt, die passen, funktionieren und Relevanz besitzen. Die Bü!er, die Sie erwähnt haben, haben beide Dimensionen, teils mehr, teils weniger. MT: Was sind, mit einem Bli, in die Zukun), Ihrer Meinung na!, die neuen Herausforderungen oder Punkte, in denen die GTM verbessert werden sollte*? Oder: Was sind gegenwärtig S!wa!punkte, von denen Sie mit einem Bli, in die Zukun) denken, dass sie behoben werden sollten*? BG: Mehr Mens!en auf der ganzen Welt könnten adäquat in GTM ausgebildet werden, da sie auf der ganzen Welt genutzt wird, und die Leute auf die eine oder die andere Art na! Hilfe su!en. Sie würden si! wundern, dass einige der Leute in den Departments, die keine Vorstellung von der GTM haben oder ihr gegenüber negativ eingestellt sind, sie si! ans!auen, von ihr ergri$en sind und mit ihr arbeiten wollen. Und diese Leute brau!en Hilfe. Da besteht also Bedarf, könnte man sagen: ein gut geführtes Netzwerk von Leuten, die anderen helfen, mit ihr zu arbeiten. I! weiß ni!t, ob sie in einem Berei! jemals ganz zuhause sein wird. Nun ja, es gibt Berei!e die sagen, dass sie Leute darin ausbilden, aber es ist ni!t wirkli! GTM. Es ist eher qualitative Fors!ung und ein wenig konzeptuelle Deskription. Da sehe i! also Ausbildungsbedarf und dessen Zufriedenstellung. Meine Bü!er helfen: I! habe sie in die ganze Welt vers!i,t, und wir geben ein Seminar in China. I! fahre na! England. I! fahre na! New York. I! ha+e gerade ein Seminar in Mill Valley. Und Leute kommen von überall her. Sie mö!ten in der Methode ausgebildet werden. Sie wollen bezügli! der Nutzung ni!t s!le!t beraten werden. Interessant. Das ist also ein großes Problem. Sie wird ni!t in einem Berei! zuhause sein, weil es so viele Leute in allen mögli!en Berei!en gibt, die mit ihr arbeiten. MT: Dies s!eint ein typis!es Dilemma der Ges!i!te und des Wesens der GTM zu sein. Einerseits kann man keinen Kanon, keinen rigide de.nierten Satz von Verfahrensweisen festlegen, da die GTM von Grund auf gegen ges!lossene, begrenzte und dogmatis!e Perspektiven ist. Man kann sie ni!t mit einer Reihe von vorher festgelegten und detaillierten Vorgaben, die die Daten in ein Raster pressen würden, erzwingen. Andererseits muss jedo! auf genaue Art und Weise bes!rieben werden, wie mit der GTM gearbeitet werden soll. Dies ist viellei!t einer der revolutionärsten Aspekte von „Discovery“. Weil es viellei!t das erste Methodenbu! in der qualitativen Fors!ung ist, das versu!t, systematis!e Verfahrensweisen für einen ni!t-formalisierten Ansatz darzustellen, bei dem der gesamte Prozess im Voraus ni!t vollständig kontrollierbar ist. BG: Naja, Moment*! Die GTM besteht aus unbiegsamen Verfahren, au! wenn die Leute sie ständig biegen. Aber es sind Verfahren, die einen ö$nen, sta+ zu vers!ließen. MT: Aber Verfahren neigen dazu, unbiegsam zu werden, und zu einem Jargon, einem Kanon, dies hauptsä!li!, wenn sie aufges!rieben sind. Wenn man keine ordentli!e Ausbildung anbietet, ist es ziemli! wahrs!einli!, dass Netzwerke von
Barney G. Glaser im Gesprä! mit Massimiliano Tarozzi
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Mens!en an die Stelle eines niederges!riebenen Kanons treten. Netzwerke von Mens!en sind über die ganze Welt verteilt in Übungsgruppen, die si! gegenseitig helfen und unterstützen. Dies könnte vermutli! eine Mögli!keit darstellen, die GTM zu verbreiten und zu bewahren. Dies aber ni!t in dieser rigiden Art und Weise, was gewiss das Problem von Strauss und Corbin ist, das Sie vorhin anspra!en (also Daten in vorgefasste Überlegungen zu pressen). BG: I! würde sagen, dass die Verfahren streng sind in Bezug auf das, was zu tun ist, während man si! in Ri!tung Entde,ung fortbewegt. Sie helfen einem, zu entde,en und glei!zeitig o$enzubleiben. Literatur Charmaz, Kathy (%&). „Discovering“ chronic illness: Using grounded theory. Soc. Sci. Med., &'(%%), %%'%–%%(0. Glaser, Barney (%&(1). Theoretical sensitivity: Advances in the methodology of grounded theory. Mill Valley: Sociology Press. Glaser, Barney (%&&1). Doing grounded theory: Issues & discussion. Mill Valley: Sociology Press. Glaser, Barney (0##0). Constructivist grounded theory*? Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, 3(3), Art. %0, h+p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:#%%"fqs#0#3%0/. Glaser, Barney (0##/). The grounded theory perspective III: Theoretical coding. Mill Valley: Sociology Press. Glaser, Barney (0##(). Doing formal grounded theory: A proposal. Mill Valley: Sociology Press. Glaser, Barney (0##1). Doing quantitative grounded theory. Mill Valley: Sociology Press. Glaser, Barney & Strauss, Anselm (%&'/). Awareness of dying. Chicago: Aldine. Glaser, Barney & Strauss, Anselm (%&'(). The discovery of grounded: Strategies for qualitative research. New York: Aldine de Gruyter. Glaser, Barney & Strauss, Anselm (%&'1). Time for dying. Chicago: Aldine. Mullen, Patricia (%&&3). Cu+ing back a)er a heart a+ack: An overview. In Barney Glaser (Hrsg.), Examples of grounded theory: A reader (S."/–''). Mill Valley: Sociology Press. Rizzo, Richard (%&&3). Vagueness in the Haight Ashbury: A study in asocialization. In Barney Glaser (Hrsg.), Examples of grounded theory: A reader (S.%0'–%31). Mill Valley: Sociology Press. Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (%&). Basics of qualitative research. Newbury Park: Sage. Vaughan, Diane (%&&(). The Challenger launch decision: Risky technology, culture, and deviance at NASA. Chicago: University of Chicago Press.
„Fors!ung ist harte Arbeit, es ist immer ein Stü" Leiden damit verbunden. Deshalb muss es auf der anderen Seite Spaß ma!en.“1 Anselm L. Strauss im Gesprä! mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie
Zum Interview: Na! Heiners erster Begegnung mit Anselm Strauss im Sommer "##$ ha%en wir im Mai "##& während eines Fors!ungsaufenthalts in Berkeley Gelegenheit zu ausführli!en Gesprä!en mit Anselm. Wir erlebten ihn als Lehrer in seinem Seminar und in der Fors!ungssupervision, und wir besu!ten ihn und seine Frau Fran in ihrem Haus am Moore Place. Das Interview stellt eine Bearbeitung für die Verö'entli!ung dar, die in !arakteristis!er Weise vom Tonbandprotokoll abwei!t: Es wurden erhebli!e Kürzungen und einige Umstellungen vorgenommen, ebenso Einfügungen aufgrund der s!ri(li!en Na!fragen per E-Mail.
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Wie wird man Sozialwissens!a#ler$?
HL 2: Anselm, wir mö!ten Ihren Werdegang als Soziologe und die Entwi"lung Ihrer wissens!a#li!en Konzepte in den Mi$elpunkt des Interviews stellen. AS: I! verließ %&'( die Universität, um am Mi!ael-Reese-Hospital Feldfors!ungen in einer großen psy!iatris!en Klinik dur!zuführen. Früher ha$e i! s!on mit Howard Be"er an der Studie über „Boys in White“ (Be"er, Geer, Hughes & Strauss %&)%) mitgearbeitet. Das war eine der ersten größeren Studien über die berufli!e Sozialisation von Medizinstudenten. Die Untersu!ung lief in Kansas City, und die Feldarbeit wurde hauptsä!li! von Be"er und Blan!e Geer gema!t, während das Konzept von Evere$ Hughes und mir stammte. Wir waren au! für die Fors!ungsberatung zuständig, und i! bin drei Monate in Kansas gewesen, habe da an der Feldarbeit mitgema!t.
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Das Interview wurde in einer ersten Fassung im Journal für Psy!ologie (%&&', S.)*–+') verö,entli!t. Eine bearbeitete Zweitverö,entli!ung, ergänzt um einem Einführungstext sowie einen Anhang und die englis!en Audiomits! ni$e des Gesprä! s, - ndet si! .//* in Forum Qualitative Sozialfors!ung/Forum: Qualitative Social Resear!, '(0), Art. .., h$ p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:/%%*fqs/*/0.... Die vorliegende Fassung stellt eine redaktionell von den Herausgebenden des Bandes realisierte und mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie abgespro!ene Kürzung der Zweitverö,entli!ung in FQS dar. Im Folgenden Anselm L. Strauss = AS, Heiner Legewie = HL und Barbara S!ervier-Legewie = BS.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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„Fors!ung ist harte Arbeit“
I! begann dann mit mehreren meiner S!üler, darunter Rue Bu!er und Leonard S!atzmann, die sehr umfangrei!e Feldstudie über psy! iatris!e Institutionen, die %&)* als „Psy!iatric Ideologies and Institutions“ (Strauss, S!atzman, Bu!er, Ehrli! & Sabshin %&)*) verö,entli!t wurde. In dieser Studie arbeiteten wir, ohne es zu wissen, mehr und mehr mit Konzepten der Grounded Theory. Wir untersu!ten zwei Krankenhäuser, eine Privatklinik und ein State Hospital, beide mit ihren unters!iedli!en Stationen. Wir haben zur Gewinnung unserer Konzepte alle Stationen systematis! miteinander vergli!en, außerdem Psy!iater vers!iedener Orientierungen, P1egepersonal, ni!tmedizinis!es Personal und Patienten. So haben wir die „Methode der konstanten Verglei!e“ entde"t. Die Krankenhäuser befanden si! damals in einer Umbru!phase, und wir merkten bald, dass die Ärzte sehr unters!iedli!en Ausbildungstraditionen entstammten. Sie waren entweder biologis! orientiert oder Mitglieder des Chicagoer Psy!oanalytis!en Instituts – man!e von ihnen sind später sehr bekannt geworden –, oder au! junge Ärzte, die in psy!oanalytis!er Ausbildung und Supervision standen. Unsere Beoba!tungen über die Behandlungsarten ma!ten mi! zunehmend skeptis! über ihr fa!li!es Wissen. Das ist au! der Grund dafür, dass wir dann über „psy! iatris!e Ideologien“ s!rieben. Wir haben während der Studie o# herzha# gela!t. Ni!t dass wir die Leute belä!elt hä$en, aber es passierten einfa! so viele komis!e Zwis!enfälle vor unseren Augen2! I! erinnere mi! an einen %*jährigen Jungen, der alle Regeln dur!bra!, ständig weglief, gewalttätig wurde, alles „aufmis!te“, si! in seinem Zimmer eins!loss etc. Die ganze Station war in ständigem Aufruhr. Wir nannten diesen Jungen den „Patienten des Jahres“. Die Neuigkeiten wanderten dur! das ganze Krankenhaus, das Personal diskutierte auf den Gängen, was man ma!en sollte; es gab jede Menge Meetings. Als Feldfors!er wäre i! Ihnen in dieser Wo!e wie ein tanzender Derwis! ers!ienen, der von Akteur zu Akteur gelaufen ist – P1egepersonal, Ärzte, Eltern, Verwaltung usw., immer wieder die Runde, immer hinter diesem Fall her. Wir haben diesen Fall in unserem Bu! ausführli! dargestellt. Er diente uns zum Beleg dafür, wie es in der Feldfors!ung sowohl auf den Prozess ankommt, der si! im Zeitverlauf entfaltet, als au! auf die vielfältigen Perspektiven und Aktionen der Akteure. I! habe beides später im Konzept der „Verlaufskurve“ (trajectory) zusammengefasst. Wir stellten fest, dass einige Behandlungsarten in diesem oder jenem Krankenhaus erfolgrei! waren, aber ni!t unbedingt aufgrund der ideologis!en und s!ulmäßigen Ausri!tung der Therapeuten. Das alles bra!te uns in Distanz zu den Ärzten, sowohl theoretis! wie au! in der Feldarbeit. Wir nahmen bewusst eine sehr soziologis!e Perspektive ein und interessierten uns dafür, wie die Mens!en es s!a,ten, bei aller Vers!iedenheit ihre anstehende Arbeit zu organisieren. Wir stellten fest, dass die soziale Ordnung auf „Aushandlungen“ (negotiations) beruhte: In den untersu!ten Institutionen gab es praktis! keine Organisationsstrukturen, die ni!t ständig infrage gestellt wurden und neu ausgehandelt werden mussten2!
Anselm L. Strauss im Gesprä! mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie
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I! formulierte damals das für meine weitere Arbeit zentrale Konzept der „ausgehandelten Ordnung“ (negotiated order). Soziale Ordnung ist na! meiner Auffassung niemals selbstverständli!, sondern erfordert zu ihrer Etablierung, Aufre!terhaltung und ihrem Wandel immer wieder Aushandlungsprozesse, deren Art und Weise natürli! vom jeweiligen Kontext abhängig ist. Das ist ein ausgespro!en interaktionistis!es Konzept; für die meisten soziologis!en Theorien ist nämli! die Ordnung das selbstverständli! Gegebene, und sie tun si! dann s!wer damit, Chaos und Wandel zu erklären2! 2
Grounded Theory
%&)/ kam i! na! San Francisco an die Medical S!ool der Universität. I! wollte mir die Krankenhäuser ans!auen und su!te einen interessanten Untersu!ungsgegenstand, der au! für Mediziner und P1egepersonal wi!tig sein könnte. I! entde"te, dass die Leute mit dem Sterben im Krankenhaus ihre Probleme ha$en. So begann i! mit Feldstudien über das Sterben im Krankenhaus. I! konnte damals natürli! ni!t ahnen, wie bald der Tod und die Sterbebewegung ins ö,entli!e Bewusstsein dringen und Ein1uss gewinnen würden2! Es stellte si! bald heraus, dass das Thema eine umfangrei!ere Erhebung und Analyse erforderte. Na! se!s Monaten konnte i! Barney Glaser hinzugewinnen. Er kam fris! von der Columbia Universität, wo er bei Merton und Lazarsfeld studiert ha$e. I! stellte ihn ein ohne irgendein Empfehlungss! reiben, einfa! weil i! sah, wie gut er war und zu meinen Fors!ungsideen passte. Wir ha$en beide persönli!e Vorerfahrungen mit dem Tod. I! ha$e fünf Jahre früher beim Tod meiner Mu$er erlebt, wie wir Angehörigen und meine Mu$er uns gegenseitig etwas über ihren Zustand vorspielten. Beim Sterben eines Freundes wirkte i! später selbst mit an einem sorgsam arrangierten geheimen Einverständnis im Freundeskreis, das den Freund über seinen bevorstehenden Tod im Unklaren lassen sollte. Barney ha$e vor Beginn der Studie seinen Vater verloren und war besonders beeindru"t von der Bedeutung der Todeserwartung und der Hilflosigkeit der Angehörigen. Das Wissen um die Todeserwartung war also ein „sensibilisierendes Konzept“, das wir aus unseren persönli!en Erfahrungen in die Studie mitbra!ten. Barney ha$e außerdem den Kopf voll von allen mögli!en Mertons!en theoretis!en Begri,en; do! wir merkten bald, dass wir mit theoretis!en Konzepten, die wir na! und na! aus dem Material heraus entwi"elten, sehr viel di!ter an die Wirkli!keit herankamen. Die Auswahl der zu untersu!enden Krankenhäuser und Stationen wurde bereits von unseren Hypothesen über die Bedeutung der Todeserwartung und der Bewusstheit des Sterbens bestimmt. Wir untersu!ten insgesamt se!s Einri!tungen in der Bu!t von San Francisco. Wir begannen auf einer Frühgeborenenstation, einer Station mit hoher Todeserwartung und fehlender Bewusstheit der Patienten. Dana! untersu!ten wir eine Krebsstation, wo langsames Dahinsie!en typis!
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„Fors!ung ist harte Arbeit“
war und Unters!iede in der Bewusstheit des Sterbens besonders deutli! waren. Später kamen geriatris!e Stationen, Unfall- und Kinderstation hinzu. Während der Feldarbeit s!rieben wir analytis!e Memos und entwi"elten S!ri$ für S!ri$ unsere Konzepte. Jede neue Erhebung erwu!s aus vorangegangenen theoretis!en Überlegungen – das war das Prinzip des theoretis!en Sampling. S! ließli! formulierten wir in „Awareness of Dying“ (%&)'; dt.: „Interaktion mit Sterbenden“, %&+*) unsere in den Daten gegründete (grounded) Theorie über den Ein1uss der Bewusstheit auf den Umgang mit Sterbenden. Wir unters! ieden vers!iedene Bewusstheitskontexte: „ges! lossene Bewusstheit“, „Argwohn“, „we!selseitige Täus!ung“ und „o,ene Bewusstheit“. Praktis! wi!tig sind die von uns herausgearbeiteten Auswirkungen dieser Bewusstheitskontexte auf die Interaktion mit dem Patienten. Es war ers!ü$ernd zu sehen, wie das P1egepersonal jeden Kontakt mit dem Patienten, wenn dieser argwöhnis! war, auf das Notwendigste eins!ränkte, nur um o,ene Bewusstheit um jeden Preis zu vermeiden2! So entwi"elten wir im Verlauf der Studie Zug um Zug die Methoden der Grounded Theory und unseren Fors!ungsstil. I! ha$e diesen Stil zwar s!on vorher intuitiv praktiziert, aber i! ha$e keine Namen gehabt für das, was i! tat. Barney war dur! die Ausbildung bei Lazarsfeld in einer stärker systematis!en Anwendung von Methoden ges!ult und kam immer wieder mit Vors!lägen zur Benennung der einzelnen S!ri$e. So haben wir uns sehr gut ergänzt. 3
Die Vermi%lung der Methode
Der Chicagoer Ein1uss verblasste na! dem Krieg. %&*'/*) trat diese Uni ihre Rolle als wi!tigstes Zentrum der Soziologie an Columbia, Harvard und Yale ab. Alle gingen jetzt dorthin, glei!zeitig gab es einen Übergang zum Funktionalismus à la Parsons und Merton und zu quantitativen Survey-Studien. Dieser Wandel ging einher mit einer Bürokratisierung der universitären Fors!ung und dem zunehmend konservativen politis!en Klima. Chicago und der qualitative Stil lebten zwar weiter, Leute wie Go,man oder i! selbst ma!ten ihre Sa!en einfa! weiter, aber weniger si!tbar. Do! in den frühen %&+/er Jahren wurden diese Arbeiten wiederentde"t. HL: Hängt dieser Wandel mit der Studentenbewegung zusammen2? AS: Ja, natürli!: %&)( gab es diese gewaltige Studentenbewegung, den Protest gegen den Kapitalismus. In der Soziologie entstand damals der Neomarxismus, die Interaktionisten wurden wiederentde"t, die Ethnomethodologie kam auf und au! eine phänomenologis!e Strömung. HL: Wie wirkte si! das auf die Methodik der Grounded Theory aus2? AS: Wir ents!ieden Mi$e %&)/, ein Bu! über Methoden zu s!reiben. Wir spürten s!on, dass Veränderungen in der Lu# lagen, denn wir wollten für die „Kids“ s!reiben – Leute über 0/ s!ienen uns s!on zu festgelegt. Barney ha$e das bessere
Anselm L. Strauss im Gesprä! mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie
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Gefühl, dass ein sol!es Bu! ankommen würde, i! war skeptis!er, weil i! älter war. Der Titel, „The Discovery of Grounded Theory“ (%&)+; dt.: „Grounded Theory. Strategien qualitativer Fors!ung“, %&&(), zeigt s!on, worauf es uns ankam: ni!t wie in den übli!en Methodenbü!ern um die Überprüfung von Theorie, sondern um deren Entde"ung „aus den Daten heraus“. Grounded Theory ist keine Theorie, sondern eine Methodologie, um in den Daten s!lummernde Theorien zu entde"en. Wir verbanden drei Zielsetzungen mit dem Bu!: Erstens versu!ten wir, qualitative Fors!ung, die damals ni!t anerkannt wurde zu legitimieren. In vielen Departements ist es ja immer no! so, dass qualitative Fors!ung ni!t als wissens!a#li! gilt2! So wurde das Bu! au! benutzt. – Studierende konnten damit ihre qualitativen Studien vor den Prüfungsauss!üssen besser re!tfertigen. Zweitens wollten wir Funktionalisten wie Parsons und Merton a$a"ieren. Damals wurden deren Theorien von den Studenten und jungen Soziologen umstandslos übernommen und alles andere wurde infrage gestellt. Wir wandten uns gegen diese „überlieferten Theorien“, und das war au! wirkungsvoll. Deswegen hat das Bu! diese aktive und s!arfe Diktion. Der Lektor hat zunä!st alle aktiven Verben ins Passiv verkehrt, um das abzumildern, do! wir haben dagegen protestiert und uns dur!gesetzt. Der dri$e Grund war die Darstellung der Mögli!keit von Theoriebildung aus den Daten heraus. Das wird ja bis heute von vielen qualitativen Fors!ern bezweifelt. Die meisten begnügen si! mit ethnogra-s!en Bes!reibungen wie die frühen Chicagoer. Und neuerdings die Postmodernen halten es ni!t mehr für sinnvoll, systematis! Theorien zu entwi"eln. HL: I! habe das Bu! Anfang der %&(/er gelesen, als i! mi! mit der Auswertung meiner ersten eigenen Feldstudie herums!lug. I! war begeistert, aber i! habe ni!t gelernt, wie man mit der Methodologie der Grounded Theory arbeitet. Da haben mir erst die späteren Bü!er weitergeholfen. AS: Ja, das ist ein Missverständnis, auf das das Bu! teilweise no! heute stößt. Es enthält keine Methoden, es ist programmatis! ges!rieben. Wir da!ten anfangs, man kann unseren Stil zu arbeiten ebenso wenig wie eine Laborte! nik in einem Bu! vermi$eln. Wir forderten die Leute einfa! auf, mit uns zusammen na! der Grounded-Theory-Methodologie zu arbeiten. Do! dann ri!teten wir ein Seminar ein, das Barney von %&)( bis %&+& übernahm. Er s!rieb in dieser Zeit „Theoretical Sensitivity“ (%&+(), ein gutes Bu!, das i! au! heute no! meinen Studenten und Studentinnen empfehle. Aber es enthielt keine Beispiele. Dann habe i! das Seminar bis heute übernommen. Die Studierenden begannen, die Sitzungen auf Band aufzunehmen, weil ihnen alles zu s! nell ging, und sie wollten si! das später no! einmal anhören. Sie -ngen au! an, von den Sitzungen Transkriptionen anzufertigen. S!ließli! forderten sie mi! auf, ein Bu! darüber zu s!reiben. I! habe die Transkriptionen dur!gesehen, ergänzt und kommentiert, und so entstand das Bu! „Qualitative Analysis for Social Scientists“ (%&(+; dt.: „Grundlagen qualitativer Sozialfors!ung“, %&&%).
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„Fors!ung ist harte Arbeit“
HL: Ein sehr lebendiges Bu!. Man bekommt dur! die vielen Protokolle über Kodierarbeit und Memos!reiben mit, wie die Arbeit tatsä!li! läu#. Dur! die vielen Beispiele gibt es aber au! einen Einbli" in die Vielfalt Ihrer Fors!ungsthemen. AS: Das letzte Bu!, das i! mit Juliet Corbin ges!rieben habe („Basics of Qualitative Resear!“, %&&/; dt.: „Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialfors!ung“, %&&)) ist sehr viel didaktis!er aufgebaut, es ist für Anfänger und führt s!ri$weise in die Arbeitsweise ein. Es ist übrigens ein Bestseller beim Sage-Verlag. Interessanterweise wird es hauptsä!li! von Leuten gekau#, die ni!t in der Soziologie arbeiten, sondern in der Psy!ologie, vor allem der Klinis!en, und in Pädagogik, Public Health oder P1egewissens!a#. I! weiß, warum das Bu! so gut ankommt: Es ist die praktis!e Art, die Probleme anzugehen, die vor allem Leute anspri!t, die in der Praxis stehen und fors!en wollen2! HL: In Deuts!land ist das Verfahren der Grounded Theory sehr verbreitet, seit einigen Jahren au! in der Psy!ologie. Allerdings gilt die Methode als anspru!svoll und aufwendig. Da würde mi! interessieren, was Sie als die Essentials der Methode ansehen. AS: Zunä!st einmal meine i!, Grounded Theory ist weniger eine Methode oder ein Set von Methoden, sondern eine Methodologie und ein Stil, analytis! über soziale Phänomene na!zudenken. I! habe diesen Stil gewissermaßen unvollständig entwi"elt aus meinen Bedürfnissen als Interaktionist und Feldfors!er heraus. Wenn i! nun sagen sollte, was zentral ist, würde i! drei Punkte hervorheben: Erstens die Art des Kodierens. Das Kodieren ist theoretis!, es dient also ni!t bloß der Klassi-kation oder Bes!reibung der Phänomene. Es werden theoretis!e Konzepte gebildet, die einen Erklärungswert für die untersu!ten Phänomene besitzen. Das Zweite ist das theoretis!e Sampling. I! habe immer wieder diese Leute in Chicago und sonst wo getro,en, die Berge von Interviews und Felddaten erhoben ha$en und erst hinterher darüber na!da!ten, was man mit den Daten ma!en sollte. I! habe sehr früh begri,en, dass es darauf ankommt, s!on na! dem ersten Interview mit der Auswertung zu beginnen, Memos zu s!reiben und Hypothesen zu formulieren, die dann die Auswahl der nä!sten Interviews nahelegen. Und das Dri$e sind die Verglei!e, die zwis!en den Phänomenen und Kontexten gezogen werden und aus denen erst die theoretis!en Konzepte erwa!sen. Wenn diese Elemente zusammenkommen, hat man die Methodologie. Wie die Leute allerdings damit umgehen, hängt natürli! von deren Bedürfnissen ab. Denken Sie nur an Historiker, die müssen das natürli! dann mit ihren Te! niken des Quellenstudiums verbinden. I! habe z.3B. eine Studentin, die über die Entwi"lung der reproduktiven Medizin arbeitet, das ist eine historis!e Arbeit, aber mithilfe des Verfahrens der Grounded Theory. Oder denken Sie an Informatiker, die si! neuerdings der Ansatzes für Systemanalysen bedienen. Genauso gibt es Leute, die die Methode mit quantitativer Fors!ung verbinden mö!ten, warum denn ni!t2?
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HL: Wie sehen Sie denn die Einsatzmögli!keiten von Kurzformen für die Praxis, z.3B. au! in der Aktionsfors!ung oder als Instrument zur Umsetzung von Reformen2? AS: I! halte den Stil der Grounded Theory für sehr variabel. Der Vors!lag, bei bestimmten Fragestellungen abgekürzte Verfahren anzuwenden, geht genau in diese Ri!tung. Man muss die Methodologie an die Fragestellungen und die Randbedingungen anpassen. Seit Jahren supervidiere i! Fors!ungsarbeiten von P1egekrä#en, das sind sehr praxisorientierte Fragestellungen, und da sind entspre!ende Abstri!e notwendig. I! mö!te überhaupt kein Purist sein, sondern i! mö!te mit der Methode nützli! sein. BS: Wann würden Sie denn das Gefühl haben, das ist ni!t mehr meine Methode2? AS: Das ist eine gute Frage. I! würde antworten: Wenn die genannten drei Essentials bea!tet werden, ist es Grounded Theory, wenn ni!t, ist es etwas anderes. Aber wenn jemand si! trotzdem auf die Methodologie der Grounded Theory beru#, kann i! es au! ni!t verhindern2! 4
Fors!ungsarbeiten
HL: I! würde gern auf Ihre Fors!ungen in den letzten Jahren zu spre!en kommen. Was waren das für Themen2? AS: Na! den Studien zum Sterben habe i! über den S!merz gearbeitet. Damals bin i! selbst krank geworden, i! ha$e %&+. einen Herzanfall, sodass i! vier, fünf Jahre kaum arbeiten konnte. I! habe in dieser Zeit ein Bu! über S! merz verö,entli!t („The Politics of Pain Management“, %&++; mit Shizuko Fagerhaugh), außerdem ein theoretis!es Bu! über Aushandlungsprozesse („Negotiations“, %&+(). In diesem Bu! habe i! das Konzept der „ausgehandelten Ordnung“ ausgearbeitet und an ganz unters!iedli!en Beispielen – Arbeitsarrangements auf psy! iatris!en Stationen, Tarifverhandlungen, Verhandlungen im kriminellen Milieu, bei den Nürnberger Prozessen und im Kalten Krieg – die Kontextbedingungen von Aushandlungsprozessen untersu!t. Ans!ließend kam eine Studie über die Art und Weise, wie neue Te! nologien in die medizinis!e Arbeit integriert werden, wobei es vor allem um !ronis! Kranke ging, au! Patienten mit Herzerkrankungen oder Diabetes. I! habe die gesamte Verlaufskurve (trajectory) der Krankheitsbewältigung untersu!t, Phasen, in denen die Patienten zu Hause waren ebenso wie s!werkranke Phasen im Krankenhaus. Wir haben ein di"es Bu! darüber verö,entli!t, wie Te!nologie die Organisation des Krankenhauses und die Arbeit an den Patienten verändert („Social Organization of Medical Work“, %&('; mit S. Fagerhaugh, B. Suczek und C. Wiener). Das Thema !ronis!e Krankheit hat mi! in den folgenden Jahren mehr und mehr bes!ä#igt, i! habe dazu Lehrveranstaltungen gema!t und mit Juliet Corbin
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„Fors!ung ist harte Arbeit“
ein Bu! über !ronis! Kranke und deren Partner ges!rieben („Unending Work and Care: Managing Chronic Illness at Home“, %&((; dt. „Weiterleben lernen. Chronis! Kranke in der Familie“, %&&0). Ans! ließend habe i! mit Juliet auf der Grundlage unserer Studien ein Bu! über Gesundheitspolitik verö,entli!t („Shaping a New Health Care System: The Explosion of Chronic Illness as a Catalyst of Change“, %&((). Dann habe i! dieses Bu! über Handlungstheorie ges!rieben, das letzten Sommer ers!ienen ist („Continual Permutations of Action“, %&&0). 5
Bilanz
BS: I! mö!te Sie gern fragen, wie Sie das persönli! verkra#et haben, immer wieder über belastende Themen wie Sterben und !ronis!e Krankheit zu fors!en2? AS: Darüber habe i! selbst o# na!geda!t. Abgesehen von meinem „Temperament“ – i! glaube es gibt zwei Seiten in mir, einmal eine ziemli! distanzierte Seite und dann eine Seite, die Sie ja kennen: i! bin ziemli! kontaktfreudig und warmherzig – also abgesehen vom Temperament bin i! sehr ausgeprägt Sozialwissens!a#ler und Fors!er. Das heißt, i! bin darauf aus, zu verstehen was abläu#, wenn i! auf die Dinge sehe, und glei! zeitig einen größeren Zusammenhang herzustellen. Diese analytis!e Haltung vers!a4 mir gewöhnli! eine s!ützende Distanz. Außerdem ste"t der Glaube an Reformen in meiner Arbeit und viellei!t au! in meiner Natur: I! mö!te mi! dafür einsetzen, dass mit den S!wierigkeiten des Lebens besser umgegangen werden kann, und i! ho,e, dass meine Arbeit dazu beiträgt, „die Dinge besser zu ma!en“. S!ließli! habe i! die Überzeugung, dass Fors!ung si! der wi!tigen mens! li!en Themen annehmen sollte. Das heißt ni!t unbedingt, man sollte nur s! re"li!e Dinge untersu!en, aber verdammt no! mal, Ereignisse wie Sterben, verrü"t oder !ronis! krank werden sind nun mal zentral für die mens!li!e Existenz2! I! denke, es gibt hier zwei unters! iedli!e Fragen: Wie hältst du es aus, so etwas zu ma!en, und wie bist du dazu gekommen, diese Themen zu untersu!en. Das Zweite ist lei!ter zu beantworten: Sterben, weil es den Leuten in den Krankenhäusern auf den Nägeln brannte, !ronis!e Krankheit, weil i! deren Bedeutung bei der Untersu!ung des Sterbens immer wieder erlebt ha$e, psy!is!e Krankheit, weil ein Freund, der Psy!iater war, die Anregung gab und wir die Fors!ung -nanziert bekamen. BS: I! weiß ni!t, ob Sie darauf antworten mögen: Sie haben selbst die Erfahrung eines Herzanfalls gema!t, mögli!erweise s!webten Sie in Lebensgefahr – hat das Ihre Fors!ung beein1usst2? AS: I! denke, i! war ni!t wirkli! in Lebensgefahr. Bei einem Fors!ungsaufenthalt in Man!ester ha$e i! einen Mikroinfarkt. Das war sehr s!merzha#, und hinterher brau!te i! sehr viel Ruhe, aber i! habe Glü" gehabt, weil die Ausdehnung des Infarkts ni!t sehr groß war.
Anselm L. Strauss im Gesprä! mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie
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Bevor i! erkrankte, arbeitete i! s!on über !ronis!e Krankheit. I! ha$e Studierende, die Interviews ma!ten, i! ha$e ein Seminar über !ronis!e Krankheit, das sehr populär war. %&+. wurde i! dann selbst krank, und %&+* s!rieb i! mit Barney Glaser mein erstes Bu! über !ronis!e Krankheit („Chronic Illness and the Quality of Life“, %&+'), ein Bu! für Praktiker. Dabei habe i! immer au! über !ronis!e Krankheit anhand meiner eigenen Erfahrung als Verglei!sbeispiel na!geda!t. In dem späteren Bu! mit Juliet Corbin („Unending Work and Care“, %&((; dt. %&&0: „Weiterleben lernen“) habe i! au! Material über mi! bes!rieben: Der Fall Einstein in dem Bu!, das bin i! (längeres La!en). Aber wie i! s!on sagte, i! bin Sozialwissens!a#ler, i! nehme au! zu meiner eigenen Krankheit diese Distanz ein. I! könnte ni!t einfa! eine Autobiogra-e über meine Krankheit s!reiben, zumindest würde das ni!t besonders gut werden, denn i! bin kein S!ri#steller. I! denke analytis!. Als i! krank wurde und mi! dann allmähli! erholte, habe i! mir die Frage gestellt: „Wie ma!st du das, dein normales Leben wieder aufzunehmen2?“ Das war ni!t so einfa!, aber i! ha$e aus meiner Bes!ä#igung mit dem Thema „Arbeit“ s!on soziologis!e Konzepte, um das zu analysieren. BS: Könnte man sagen, diese Haltung hil# Ihnen, mit der Krankheit besser fertig zu werden2? AS: Ja, natürli!. Beispielsweise ma!t man si! Kontrollvorgänge besser klar, man merkt, wann man mit etwas aufhören muss, wenn es einem s!le!t geht. I! denke o#, Patienten, die analytis! über ihre Erfahrungen na!denken, könnten sehr nützli! für Ärzte und P1eger sein. Aber es ist ni!t übli!, sie na! ihren Erfahrungen mit der Krankheit zu fragen. I! habe als Wissens!a#ler versu!t, darüber zu s!reiben. HL: Zum Abs!luss des Interviews mö!te i! Sie na! der Bilanz Ihres Lebens als Wissens!a#ler fragen. Was waren die Höhepunkte2? Gab es au! Burn-outs oder Zeiten, in denen Sie am Sinn Ihrer Arbeit gezweifelt haben2? AS: Es gibt bei jedem Mens!en Lebensabs!ni$e, in denen er ni!t produktiv ist. Viele Kollegen meiner Generation sind in ihren */ern und '/ern ausgebrannt. Sie publizieren zwar weiter, aber was sie s!reiben, ist ni!t sehr interessant, und i! denke, das wissen sie selbst. I! selbst war in meiner Jugend und in den +/ern, als mir die Energie fehlte, ni!t besonders produktiv. Heute bin i! ++. Mein Leben ist zwar einges! ränkter als früher, weil i! dieses Herzleiden habe, aber i! arbeite no!, und dann spiele i! Piano. Die Leute sagen mir, das Zeug, das i! s!reibe, ist genauso gut wie früher. I! denke, da gibt es zwei Gründe. Erstens, i! ma!e es gern, i! liebe meine Arbeit. I! sage den Studierenden o#, wenn die Fors!ungsarbeit keinen Spaß ma!t, sollten sie es lassen. Denn es ist o# sehr harte Arbeit, frustrierend und angstauslösend, es ist immer ein Stü" Leiden damit verbunden. Deshalb muss es auf der anderen Seite Spaß ma!en2! Und der andere Aspekt ist, denke i!, dass i! ein amerikanis!er Liberaler bin. Das heißt für mi!, si! für die Mens!enre!te und die bürgerli!en Freiheitsre!te einzusetzen, die in jeder Generation von Neuem erkämp# und
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„Fors!ung ist harte Arbeit“
gesi!ert werden müssen. Dazu mö!te i! mit meiner Arbeit beitragen. I! habe mi! zwar nie direkt in Reformbewegungen engagiert – dazu fehlte mir die Energie. Als Akademiker, der i! mit ganzer Leidens!a# bin, habe i! meine Energie ins Lehren und Fors!en geste"t. Do! au! mit dieser Arbeit mö!te i! praktis! und gesells!a#li! nützli!e Ergebnisse haben. Deshalb habe i! seit den Bü!ern über das Sterben angefangen, für Leute zu s!reiben, die ni!t nur Soziologen, Psy!ologen oder Politikwissens!a#ler sind. Die Bü!er können genauso gut von Praktikern gelesen werden, P1egepersonen, Ärzten oder Sozialarbeitern, die si! einfa! für die Sa!e interessieren. Genauso geht es mir mit dem Verfahren der Grounded Theory: Es ist s!ön, wenn Soziologen und Psy!ologen es anwenden, aber es ist no! viel s!öner, wenn Leute es nützli! -nden, die in der Praxis arbeiten. Literatur Becker, Howard S.; Geer, Blanche; Hughes, Evere$ C. & Strauss, Anselm L. (%&)%). Boys in white, Student culture in medical school. Chicago: University of Chicago Press. Corbin, Juliet & Strauss, Anselm L. (%&((). Unending work and care: Managing chronic illness at home. San Francisco: Jossey-Bass. [dt. %&&0: Weiterleben lernen. Chronis! Kranke in der Familie. München: Piper] Fagerhaugh, Shyzuko & Strauss, Anselm L. (%&++). The politics of pain management. Menlo Park, CA: Addison Wesley. Glaser, Barney G. (%&+(). Theoretical sensitivity: Advances in the methodology of grounded theory. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (%&)' [%&+*]). Awareness of dying. Chicago: Aldine. Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (%&)+ [%&&(]). The discovery of grounded theory. Chicago: Aldine. Strauss, Anselm L. (%&+(). Negotiations: Varieties, processes, contexts, and social order. San Francisco: Jossey-Bass. Strauss, Anselm L. (%&(+ [%&&%]). Qualitative analysis for social scientists. Cambridge: Cambridge University Press. Strauss, Anselm L. (%&&0). Continual permutations of action. NY: Aldine de Gruyter. Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (%&((). Shaping a new health care system: The explosion of chronic illness as a catalyst for change. San Francisco: Jossey-Bass. Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet (%&&/ [%&&)]). Basics of qualitative research: Grounded theory procedures and techniques. Newbury Park, CA: Sage. Strauss, Anselm L. & Glaser, Barney G. (Hrsg.) (%&+'). Chronic illness and the quality of life. St. Louis: C.3V. Mosby. Strauss, Anselm L.; Fagerhaugh, Shyzuko; Suczek, Barbara & Wiener, Carolyn (%&('). The social organization of medical work. Chicago: University of Chicago Press. Strauss, Anselm L.; S!atzman, Leonard; Bu!er, Rue; Ehrli!, Danuta & Sabshin, Mel (%&)*). Psychiatric ideologies and institutions. Glencoe, IL: The Free Press.
„Lernen konzeptuell zu denken“1 Juliet M. Corbin im Gesprä! mit César A. Cisneros-Puebla
Zum Interview: I! habe Juliet Corbin per E-Mail anges!rieben und ihr mitgeteilt, dass i! Fors!ende mit besonderer Wi!tigkeit für die qualitative Sozialfors!ung für FQS interviewen mö!te. Sie stimmte zu, und wir trafen uns zweimal für das Interview. Der thematis!e S!werpunkt der Gesprä!e lag auf ihren gegenwärtigen Projekten und ihrer persönli!en Ges!i!te als qualitativer Fors!erin. Die beiden Zusammenkün"e fanden zufälligerweise während zweier großer Konferenzen zu qualitativer Fors!ung in Nord- bzw. Südamerika sta#, an denen wir beide als Vortragende teilnahmen. Das erste Mal traf i! Juliet Corbin $%%% in Guadalajara (Mexiko), als sie dort einen Workshop zur Grounded-Theory-Methodologie leitete. Der Workshop bot allen Teilnehmenden die Mögli!keit, mehr über diese Fors!ungstradition zu lernen, und wurde vom International Institute for Qualitative Methodology der University of Alberta bzw. dessen Standort an der Universität von Guadalajara unterstützt. Juliet und i! verbra!ten viele anregende Momente gemeinsamer Diskussion während und zwis!en den Workshop-Sitzungen. Damals wusste i! jedo! no! ni!t, dass i! sie später einmal interviewen würde. Das erste Interview fand erst viel später sta#, als wir beide in Kanada an der &. internationalen Tagung „Advances in Qualitative Methods“ teilnahmen, die vom $'.–(). Januar $%%* in Edmonton, Alberta (Kanada) sta#fand. Während einer arbeitsrei! en Konferenz Zeit für die Dur!führung eines Interviews zu +nden, ist s!wierig, aber wir ents!ieden s!lussendli!, uns an einem Abend zwis!en anderen Veranstaltungen zu tre,en. I! war ein wenig nervös, obwohl wir uns s! on einige Male getro,en ha#en. Wir ha#en jedo! no! nie in der Situation eines formellen, dur! ein Tonbandaufnahmegerät und einen Zeitplan usw. vermi#elten Interviews miteinander gespro!en. I! ents!ied mi!, für unsere erste Sitzung ein analoges Aufnahmegerät zu nutzen, obwohl i! eigentli! digitale bevorzuge. Wir trafen uns in ihrem Hotelzimmer, da es mit einem Sitzberei! ausgesta#et und ruhig war. Zwei Monate später trafen wir uns wieder für den zweiten Teil des Interviews, diesmal im Center of Conventions „Amacio Mazzaropi“ in Taubate, Sao Paolo (Brasilien) während der ). brasilianis!en „International Conference on Qualitative Resear!“, die vom $*.–$-. März $%%* sta#fand. Abermals trafen wir uns in ihrem Zimmer, da dies der einzig verfügbare ruhige Ort war. Kanada und Brasilien: zwei sehr beeindru. ende, aber au! sehr vers!iedene Erdteile, zwei vers!iedene Zimmer für die Dur! führung des Interviews, zwei vers!iedene Arten, das Interview aufzuzei!nen und zwei gegensätzli! e klimatis!e und kulturelle S!auplätze – all dies bildete die 1
Das Interview wurde "##$ in englis!er und spanis!er Spra!e in Forum Qualitative Sozialfors!ung/ Forum: Qualitative Social Resear!, &(%), Art. %", h& p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:#''$-fqs#$#%%"( verö)entli!t. Wir danken den Autor/innen und FQS für das Re!t der Verö)entli!ung und Übersetzung. Für die Übersetzung wurde der Beitrag überarbeitet und gekürzt. Übersetzung: Paul Sebastian Ruppel und Katja Mru*.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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„Lernen konzeptuell zu denken“
Kulisse für die Gesprä!e mit einer der prominentesten qualitativen Fors! erinnen. Für mi! war es ein Lernprozess, für sie eine Mögli!keit über Dinge na!zudenken, über die sie einige Zeit ni!t mehr na!geda!t ha#e. I! werde das Interview in zwei Teilen darstellen: den ersten Teil als Synopsis meiner Aufzei!nungen und den zweiten in einem Gesprä!sformat.
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Die Anfänge
Für alle qualitativ Fors!enden ist es ein Albtraum, si! hinzusetzen, um ein Interview zu beginnen und dann festzustellen, dass das Aufnahmegerät ni!t ri!tig funktioniert. Genau dies ist mir passiert. Meine Aufgabe war es dann, auf die „altmodis!e“ und altbewährte Art und Weise mit Sti+ und Papier Notizen zu ma!en. Dieser kleine Zwis!enfall gab uns die Mögli!keit zu entspannen, indem wir s!erzten und Ges!i!ten darüber erzählten, wie Strauss, Be*er und Hughes in ihrer Anfangszeit genau diese Te! niken angewandt ha&en, in Zeiten also, bevor es Te!nik gab, die versagen kann. Strauss p,egte zu erzählen, wie er während der Feldfors!ung auf die Toile&e ging, um hastig seine Notizen zu Papier zu bringen oder na! einem anstrengenden Tag im Feld na! Hause rannte, um seine Notizen zeitnah aufzus!reiben. Na!dem wir eine Zeit lang zu diesem Punkt etwas abges!wei+ waren, begannen wir das eigentli!e Interview und spra!en fast eine Stunde darüber, wel!e Umstände sie beein,usst ha&en, eine qualitative Fors!erin zu werden und was sie motivierte, dies weiter zu sein. Unser Gesprä! begann mit Corbins erstem Fors!ungsprojekt in den frühen '-.#er Jahren als Masterstudentin an der San Jose State University (SJSU) in Kalifornien. Obwohl sie eine quantitative Masterarbeit ges!rieben ha&e, lernte sie an der SJSU qualitative Fors!ung und die Arbeit von S!atzman und Strauss dur! deren Bu! über Feldfors!ung ('-.%) kennen. Qualitative Fors!ung übte wegen des Zugangs, den sie zu Fors!ungsteilnehmenden bietet, einen unmi&elbaren Reiz auf sie aus, und s!on früh s!wor Corbin si!, dass sie na! ihrem Masterabs!luss an die Universität zurü*kehren und bei S!atzman und Strauss an der University of California San Francisco (UCSF) in einem Promotionsprogramm studieren würde. Na!dem sie ein paar Jahre die erforderli!e Lehrtätigkeit im Berei! P,ege an der SJSU geleistet ha&e, trat Corbin '-./ dem p,egewissens!a+li!en Promotionsprogramm an der UCSF bei. Obwohl sie das Promotionsprogramm als Studentin der P,ege und ni!t als Soziologin begann, brau!te sie ni!t lange, um ihren Weg zum Fa!berei! Social and Behavioral Sciences an der UCSF zu 0nden, wo S!atzman und Strauss lehrten. Zu dieser Zeit war der Fa!berei! in einem alten Haus an der %rd Avenue ansässig, etwa fünf Minuten zu Fuß von dem Gebäude gelegen, in dem die S!ool of Nursing untergebra!t war. Da Barney Glaser, der in den vorhergehenden Jahren die Kurse zur qualitativen Analyse an der UCSF unterri!tet ha&e, si! zum damaligen Zeitpunkt bereits von der o1ziellen Lehre an der UCSF zurü*gezogen ha&e, ha&e Anselm Strauss die
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Kurse übernommen; die Kurse zur Feldfors!ung wurden von Leonard S!atzman und Virginia Oleson geleitet. Corbin hä&e mit diesem Arrangement ni!t glü*li!er sein können, denn sie sah ihre Träume wahr werden: Sie studierte mit den Mens!en, mit denen sie si! dies am meisten wüns!te, und sie studierte die Fors!ungsmethoden, von denen sie seit dem ersten Augenbli*, da sie von ihnen gehört ha&e, fasziniert war. Unter ihren Mitstudierenden in diesem frühen Kurs waren Katherine May und Fred Boze& (inzwis!en verstorben); Kathy Charmaz war in einem früheren Kurs gewesen. Corbin erinnert si! an diese Kurse, in denen sie, Katherine May und Fred Boze& saßen und mit Bewunderung zusahen, wie Strauss mit Daten arbeitete. Damals sagte sie o+ zu ihren Kommiliton/innen: „Wäre es ni!t traumha+, irgendwann mit Strauss arbeiten zu können“, ohne zu der Zeit überhaupt für mögli! zu halten, dass au! dies eines Tages wahr werden würde. Obwohl die Kurse in vielerlei Hinsi!t außergewöhnli! waren – „es war so spannend zu sehen, was Anselm mit Daten tun konnte“ – war vieles von dem, was gesagt wurde, für sie damals eher s!wer verständli!. Unter den Studierenden, die zu jener Zeit mit Strauss zusammenarbeiteten, waren Fagerhaugh, Sucze* und Wiener (Strauss, Fagerhaugh, Suczek & Wiener '-2(). Fagerhaugh und Strauss arbeiteten an einer Studie zu S!merz ('-..), und man!mal kam Fagerhaugh in den Kurs und verans!auli!te zusammen mit Strauss, wie sie mit Daten arbeiteten. Laut Corbin ha&e dies einen starken Ein,uss auf sie, da es so viel von dem Abstrakten, mit dem sie si! bes!ä+igt ha&e, relativierte, und Interaktionismus in der tatsä!li!en Praxis aufzeigte. Corbin zuzuhören, wie sie si! an jene Tage zurü*erinnerte, bot mir umgekehrt einen direkten Kontakt mit einer der S!lüssel0guren des gegenwärtigen symbolis!en Interaktionismus: Es war für mi! eine sehr eins! neidende Erfahrung, mit ihr „von Angesi!t zu Angesi!t“ über Strauss zu spre!en, ähnli! wie es ihr ergangen war, als sie Strauss zus!aute, wie er in seinem Kurs zur qualitativen Analyse mit Personen wie Fagerhaugh Daten analysierte. Obwohl Corbins Kontakt zu Howard Be*er auf gelegentli!e abendli!e Diskussionen an Elihu Gersons Tremont Institute bes!ränkt war, empfand Corbin au! hier den interaktionistis!en Ein,uss und die Begeisterung für qualitative Fors!ung – was für ein Glü* für sie und andere Studierende wie Adele E. Clarke, Susan Leigh Star und Joan Fujimora, diese Erfahrung gema!t zu haben. Zu der Zeit, als Corbin ihre Dissertation fertig stellte, arbeitete Anselm Strauss mit Fagerhaugh gerade an der Studie zu S! merz ('-..) und begann eine weitere Studie mit Fagerhaugh, Sucze* und Wiener über die Te! niknutzung in Krankenhäusern ('-2(). Man sollte denken, es war eine lei!te Aufgabe, die Dissertation zu s!reiben, wenn man an der UCSF ist und mit Strauss arbeitet, aber dem war ni!t so: Phyllis Stern, Mitglied des Promotions-Komitees von Corbin, nahm eine Lehrstelle in einem anderen Bundesstaat an. Anselm Strauss verbra!te ein Fors!ungsfreisemester im Ausland, und als er zurü*kam, war er krank und ni!t zu errei!en. Corbin blieb deshalb ni!ts anderes übrig, als mit Stern über die weite Entfernung hinweg zu
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„Lernen konzeptuell zu denken“
arbeiten, außerdem mit Ramona Mercer, ihrer Mentorin, die zwar verständnisvoll und unterstützend, aber in erster Linie eine quantitative Fors!erin war. Am Ende bewerkstelligte Corbin es zwar irgendwie, ihre Dissertation fertig zustellen, aber sie war mit ihrem Wissen über die Grounded-Theory-Methodologie no! ni!t zufrieden. Deshalb zog sie es vor, als Postdoc mit Strauss zu arbeiten, obwohl sie an die San Jose State University hä&e zurü*kehren und dort lehren können. Unter ihren Postdoc-Kolleg/innen waren Janice Swanson und Carole Chenitz; die Kurse wurden bei Anselm Strauss zuhause abgehalten, der weiter auf dem Weg der Genesung von seiner Krankheit war. In diesen Kursen lernte Corbin au! Studienkollegen wie Gerhard Riemann und Wolfram Fis!er, Gäste wie beispielsweise Ri!ard Gratho), Hans Georg Soe) ner und Fritz S!ütze zusammen mit dessen Student Ralf Bohnsa* kennen; später außerdem Johann Behrens, Doris S!ae)er und Bruno Hildenbrand, die alle ihr Interesse an qualitativer Fors!ung verband (mit Hildenbrand verö)entli!te sie au! einen Artikel zum Verfahren der Grounded Theory; siehe Corbin & Hildenbrand "###). Corbin erinnert dies als eine großartige Zeit mit vielen anregenden Gesprä!en; sie fühlte si! au! als Teil eines qualitativen „Fors!ungsKaders“, denn die S!ool of Nursing an der UCSF und andere bedeutende Universitäten tendierten damals sehr stark zu quantitativer Fors!ung. In dieser Zeit begann au! ihre '(-jährige Zusammenarbeit mit Strauss: Corbin arbeitete an einer Studie zu Paaren, bei denen eine der beiden Personen an einer !ronis!en Krankheit li& (Corbin & Strauss '-22). Strauss erholte si! gerade von seiner Krankheit, und ihm war es ni!t mögli!, das Haus zu verlassen und Feldfors!ung zu betreiben. Als Corbin Strauss ihre Interviews bra!te, um diese mit ihm zu diskutieren, bemerkte sie, dass er sehr interessiert an dem Thema war, da er und seine Frau dies auf ganz persönli!er Ebene dur!lebten. Sie fragte ihn, ob er interessiert sei, mit ihr an dieser Studie/diesem Thema zu arbeiten – der Anfang ihrer jahrelangen Zusammenarbeit an dieser und na!folgenden Studien. Sie verstanden si! gut und arbeiteten gerne zusammen, au! weil sie miteinander ni!t in Konkurrenz standen. Ganz ohne Frage haben si! qualitative Fors!ung allgemein und die Ansätze zur Grounded Theory im Besonderen seit diesen Anfangstagen verändert. Da ist zum einen der sehr einseitige Streit mit Barney Glaser, einseitig, weil Strauss niemals einen sol!en Kon,ikt wollte: Es war einfa! so, dass beide Männer, na!dem sie aufgehört ha&en, miteinander zu arbeiten, methodologis! eigene Wege zu gehen s!ienen. S!lüssel0guren in der gegenwärtigen Deba&e über die Methodologie der Grounded Theory sind Adele E. Clarke ("##( und in diesem Band) und Kathy Charmaz ("##/ und in diesem Band), beide mit eigenen Visionen und Versionen, genau wie Rita S!reiber und Phyllis Stern ("##').
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Die Zukun! 2
CC: Was sind Ihre Vorstellungen zur Zukun+ des Grounded-Theory-Ansatzes3? JC: Wie die Zukun+ aussieht, weiß i! ni!t, aber es gibt mi&lerweile viele Versionen der Methode und i! bin mir ni!t si!er, was sie neben dem gemeinsamen Anliegen, Theorie aus Daten zu entwi*eln, verbindet. I! stelle au! fest, dass Fors!ende Grounded-Theory-Methoden mit einigen anderen Methoden kombinieren. Sie nutzen z.4B. die komparative Analyse und das Theoretical Sampling, aber ni!t mit dem Ziel, tatsä! li! Theorie zu entwi*eln. Deshalb würde i! sagen, dass der Ansatz einen eigenen Weg einges!lagen hat, aber i! glaube, wir müssen dies bei Methoden erwarten: Sie entwi*eln si!. Aber was aus dem Grounded-TheoryAnsatz wird, beunruhigt mi! ni!t so sehr wie die Frage, was aus der qualitativen Fors!ung geworden ist. Alternative Methoden werden stärker betont, und es gibt wenig Interesse an Theorieentwi*lung. Studierende mö!ten ni!t die lange und harte Arbeit investieren, die Theorieentwi*lung fordert. I! verstehe jedo! ni!t, wie wir die vers!iedenen Fä!er weiter voranbringen wollen ohne eine solide Wissensbasis, von der aus Theorieentwi*lung geleistet werden kann. Viele Fors!ende leisten exzellente Arbeit. I! s!ätze sie sehr. Allerdings gibt es au! sol!e, die s!nelle Lösungen für die Datenanalyse bevorzugen. Sie sind damit zufrieden, einige gute Themen herauszuziehen, ohne si! die Mühe einer tiefgehenden Analyse zu ma!en, um von dort aus Themen oder Konzepte zu entwi*eln. Die Folge sind ober,ä! li!e Resultate, die wiederum qualitative Fors!ung in Verruf bringen. Dann gibt es diesen Trend, anstelle von Fors!ungsberi!ten Romane zu s!reiben. I! denke o+, dass es Zeit für mi! ist, in den Ruhestand zu gehen; einiges geht mir wirkli! zu weit. Aber da gibt es no! einen anderen Gesi!tspunkt: Mögli!erweise ergeben si! man!e Probleme dur! einen Mangel an guter Betreuung. Viele, die Arbeiten betreuen oder in Komitees sitzen, haben keine Ausbildung in qualitativer Fors!ung und können ihre Studierenden daher ni!t auf geeignete Art und Weise anleiten. CC: Aber es gibt z.4B. au! Leute in den Geisteswissens!a+en, der Organisationsfors!ung und sogar in der Informatik, die mit Grounded-Theory-Methoden arbeiten … JC: Es stimmt, dass es no! Personen und Orte gibt, die an Theorieentwi*lung und solider qualitativer Arbeit interessiert sind. I! 0nde diese Leute vermehrt in Berufszweigen, die stärker naturwissens!a+li! orientiert sind, also außerhalb der Soziologie. Während i! in Brasilien war, wurde i! zum Beispiel gefragt, ob i! einen Vortrag an der S!ool of Business der Ma*enzie University halten würde. Die sind eher traditionell und an Fragen der Qualitätssi!erung interessiert; es sind 2
Diesen zweiten Teil des Interviews habe i! mit meinem Computer aufgezei! net, daher habe i! mi! ents!ieden, ihn zu transkribieren. Sta& einer Zusammenfassung ist dieser Teil also in Form eines Gesprä!s gehalten. Im Folgenden steht JC für Juliet M. Corbin, CC für César Cisneros-Puebla.
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„Lernen konzeptuell zu denken“
dort qualitativ und quantitativ Fors!ende, die großes Interesse gezeigt und exzellente Fragen hauptsä!li! dazu gestellt haben, wie si! qualitative von quantitativer Fors!ung unters!eidet und wann wel!e Methoden am ehesten geeignet sind. I! denke, wir brau!en mehr sol!er Diskussionen. Das verbessert wirkli! die Verständigung zwis!en Methoden und Fors!enden und erö)net neue Mögli!keiten. Sie waren au! sehr am Aspekt der Theorieentwi*lung interessiert. I! habe es sehr genossen, mit diesen Leuten zu arbeiten, wie Sie si!er gut verstehen können. 3
Die dri"e Auflage von „Basics of Qualitative Resear#“
CC: In unserem letzten Gesprä! sagten Sie mir, dass Sie gerade die dri&e Auflage von „Basics of Qualitative Resear!“ vorbereiten. Dieser Auflage wollen Sie einen Abs!ni& über den „philosophis!en Unterbau“ von Strauss’ Zugang zur GroundedTheory-Methodologie hinzufügen. Können Sie ein wenig mehr darüber sagen3? JC: I! denke, dass es sehr wi!tig ist, die philosophis!en Traditionen, die einer Methode zugrunde liegen, herauszustellen. Diese Grundlagen zu verstehen ist wi!tig, da sie die logis!en und methodologis!en Strategien beein,ussen, die verwendet werden. In den vorherigen Auflagen wurde der entspre!ende Abs! ni& von Verlagsseite entfernt, aufgrund von Platzmangel, hieß es. Dieses Mal werde i! mi! weigern, diesen Abs! ni& zu strei!en. Er ist besonders wi!tig, weil wir wissen, dass unsere Si!tweisen und „Glaubenssysteme“ beein,ussen, wie wir Daten betra!ten und mit ihnen arbeiten. Wir wollen, dass unsere Leserinnen und Leser verstehen, warum es wi!tig ist, auf Erfahrungen, Gefühle, Handlungen und Interaktionen zu s!auen, die Struktur oder den Kontext anzuzeigen, in den diese eingebe&et sind und warum es wi!tig ist, den Prozess zu betra!ten. Wir kommen aus einer interaktionistis!en, Deweys!en und philosophis!en Tradition, der ein biss!en Konstruktionismus und Postmodernismus beigemis!t ist. Es ist komis! zurü*zubli*en, denn als i! als Feldfors!erin Mi&e der '-.#er Jahre ausgebildet wurde, lag die Betonung auf Objektivität, auf der Distanz der Fors!enden zu ihrer Fors!ung. Jetzt wissen wir es besser und i! denke, dass die Anerkennung dessen, was wir als Personen in die Fors!ung mit einbringen, die Anerkennung unseres Eingebundenseins in die Datenerhebung und in die -analyse, zu den guten Ideen gehören, die in der qualitativen Fors!ung in den letzten Jahren aufgekommen sind. Es gibt einiges aus postmodernen, feministis!en und konstruktionistis!en Ansätzen, das mi! geprägt und das au! Auswirkungen auf die neue Auflage der „Basics“ hat. Jetzt, da die Neuauflage fast fertig ist, kann i! sagen, dass i! ganz glü*li! damit bin. I! habe etwas anderes gema!t und war ni!t si!er, wie es ausgehen würde. I! habe eine Studie (keine sehr umfangrei!e) über alle S!ri&e hinweg – von der Identi0kation von Konzepten bis zum Theoretisieren – vor den Augen der Leserinnen und Leser dur!geführt. I! habe Feldnotizen genommen und angefan-
Juliet M. Corbin im Gesprä! mit César A. Cisneros-Puebla
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gen, sie in Form von Memos zu analysieren. Die Studie umfasst mehrere Kapitel. I! wollte den Analyseprozess entmysti0zieren. I! wollte den Studierenden au! zeigen, wie Fors!ende vers!iedene Arten von Material nutzen können. I! ho)e, dass mein Beispiel eines Fors!ungsprojekts so funktioniert, wie i! es beabsi!tigt habe. CC: Es s!eint mir, als ob Sie in der dri&en Auflage von „Basics of Qualitative Resear!“ versu!en werden, ein paar Missverständnisse zu korrigieren. JC: Ja. I! denke, i! werde versu!en, die Methode zu ö) nen und sie ,exibler und nützli!er zu ma!en für mögli!st viele Fors!ende. Natürli! ist man nie zufrieden mit dem, was man früher ges!rieben hat, und es gibt keine Mögli!keit, alle Kritiker/innen zufriedenzustellen. Aber i! denke, i! bin heute ein anderer Mens! als zu der Zeit der ersten und zweiten Auflage. Das Bu! muss heute anders sein, weil i! mi! als Fors!erin entwi*elt habe, hauptsä!li! dur! die Interaktion mit anderen Mens!en. CC: Ist es eine Art Reifungsprozess3? JC: Ja3! I! denke, es ist ein Reifungsprozess, aber au! ein Prozess der Wissensaneignung. I! werde nie die Vorstellung akzeptieren, wir bräu!ten keine Theorie, obwohl i! au! ni!t glaube, dass jedes Fors!ungsprojekt zu Theorieentwi*lung führen muss. Es gibt für alles einen Raum. Sogar die Verbreitung von Fors!ungsergebnissen dur! Theaterstü*e hat ihren Platz, solange anerkannt wird, dass dies alternative Methoden sind, und dass Konzepte und Theorien weiterhin notwendig für die Entwi*lung von Wissen sind. Einbli*e und Verständnis sind wertvoll und können auf vers!iedenste Weise gewonnen werden. Das glei!e gilt aber au! für solide und gut entwi*elte Konzepte und Theorien. Letztere werden nie aus der Mode kommen. Meine Kollegin und Freundin Jane Gilgun und i! spre!en ö+er über all diese neuen Entwi*lungen in der qualitativen Fors!ung. Sie hat au! einen Artikel hierzu ges!rieben, der im Qualitative Inquiry ers!einen soll3, und den sie eher als eine literaris!e Arbeit denn als einen Fors!ungsberi!t versteht. I! bin gespannt darauf ihn zu sehen, weil i! denke, dass das S!reiben von Romanen ein eigenes Genre ist. Und obwohl es Romane wie die von Di*ens und Balzac gibt, die gesells!a+li!en Wandel herbeigeführt haben, wurden sie von ges!ulten Romans!ri+stellern ges!rieben und ni!t von Soziolog/innen. Jane behauptet, dass Sozialwissens!a+ in ihrem „Roman“ ste*e, und i! mö!te sehen, wo si! die Wissens!a+ einpasst und wo der Roman ins Spiel kommt. CC: Können Sie no! etwas mehr dazu sagen3? JC: Nun, i! habe damit angefangen, glaube i!, dass es die Aufgabe von Fors!ung ist, Wissens!a+ zu betreiben. Ni!t Wissens!a+ im quantitativen Sinne, sondern Wissens!a+ im Sinne von der Entde*ung von Konzepten und von Konzeptentwi*lung. Wenn i! einen Roman s!reiben würde, würde i! einen hübs! sa+igen Roman mit viel Sex und Action s!reiben. Viellei!t ist das so, weil i! aus 3
Siehe Gilgun ("##$).
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„Lernen konzeptuell zu denken“
einer praxisbezogenen Disziplin komme: I! sehe ni!t, dass i! aufgrund irgendeines Romans, den i! viellei!t s!reiben würde, verändern könnte, wie P,egerinnen praktizieren, selbst wenn i! die Informationen für den Roman aus Interviews ziehen würde. Der Unters!eid, so wie i! es sehe, besteht im Grad der kreativen Lizenz, die jemand nutzen kann. Sollen Vorgehensweisen z.4B. eines Berufszweiges verändert werden, dann sollten diese Veränderungen besser auf soliden und fundierten Daten beruhen und ni!t auf irgendeiner kreativen Laune, die jemand viellei!t haben mag. Es ist gut, Dinge zu dramatisieren, weil dies Argumente liefern kann. Aber wenn wir uns in der qualitativen Fors!ung zu weit von der Idee der Wissens!a+ entfernen, was passiert dann mit der Wissensentwi* lung in Feldern wie der P,ege3? Diese Felder müssten gänzli! auf quantitative Studien zurü*greifen, und ihnen würde die Vielfalt qualitativer Fors!ung entgehen. Wir brau!en etwas Glei!gewi!t in der qualitativen Fors!ung. Leute können experimentieren und Neuerungen einbringen, aber wir brau!en denno! irgendein Fundament. Viellei!t sollte i!, na!dem die dri&e Auflage der „Basics“ fertig ist, einen Roman s!reiben. CC: I! weiß, dass Sie einige lateinamerikanis!e Autoren sehr mögen, z.4B. Jorge Amado und Gabriel Garcia-Marquez. In wel!er Weise erö)nen sie Ihnen die Mögli!keit, si! Wissen über unsere Realitäten anzueignen3? JC: I! 0nde, dass i!, wenn i! zum Beispiel Jorge Amado lese, ein wunderbares Gefühl für die Mens!en von Bahia entwi*ele: Wer sie sind, ihr Erbe, ihre Glaubensvorstellungen, ihre Erfahrungen, ihre Lebensauffassung und au! über den Ort, i! meine ihre Spiritualität, ihre Gefühle, etwas davon, wie es ist, in diesem Teil der Welt zu leben. Lesen gibt mir die tolle Mögli!keit zu fühlen, über Dinge na!zudenken, aber i! sehe ni!t, dass die Lektüre dieser Romane den wissens!a+li!en Hintergrund liefert, der erforderli! ist, um Wandel herbeizuführen. I! bin während dieser Brasilien-Reise na! Bahia gefahren und i! habe gesehen, dass unter der Ober,ä!e dieses wunders!önen Ortes weiterhin ungelöste Probleme liegen. Die S!warzen haben no! immer die s!le!ter bezahlten Jobs und ungenügende Ausbildungs!ancen. Es war wirkli! ein wunders!öner Reiseort, so farbenfroh und warm. I! denke, es wäre ein guter Ort, um hinzufahren und dort eine qualitative Studie zu ma!en, die ho)entli! zu einem Wandel beitragen würde. CC: Ihrer Ansi!t na! … JC: I! glaube, i! sehe das Ziel der Sozialwissens!a+en darin, Verstehen zu ermögli!en au! über Verhältnisse, die Mens!en eins!ränken. Es geht mir dabei ni!t so sehr darum, etwas für die Mens!en zu tun, sondern darum, ihnen das Werkzeug zu geben, es selbst zu tun, und dieses Werkzeug ist das Wissen. Die frühen Interaktionisten aus Chicago sind ins Feld gegangen, um die Probleme dort mit eigenen Augen zu sehen und von ihnen zu beri!ten. Sie waren Akteure des Wandels, aber sie waren eben au! glaubwürdige Wissens!a+ler/innen und keine S!ri+steller/innen oder Dramatiker/innen. Anselm war ein sol!er Akteur besonders im Berei! !ronis!er Krankheit. Er hä&e aber niemals den Ein,uss gehabt,
Juliet M. Corbin im Gesprä! mit César A. Cisneros-Puebla
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den er ha&e, und er hä&e ni!t so viele Studierende ausgebildet und so viel Denken beein,usst, wenn er si! ni!t seine Identität als Sozialwissens!a"ler bewahrt hä&e3! Inmi&en dieses ganzen Wandels hat er sie nie verloren. I! vermute, das geht au! auf die Chicagoer Tradition zurü*. 4
Der Grounded-Theory-Ansatz als Aktivismus
CC: Es s!eint, als ste*e hinter dem symbolis!en Interaktionismus eine Art soziales Engagement, eine Art Aktivismus3? JC: Ja, genau3! Man mö!te etwas im Leben der Mens!en verändern, und um etwas zu bewirken, ist aktive Teilnahme erforderli!, eine Art Ideen-Ansti+en. Das ist, was die Soziologen der frühen Chicagoer S!ule gema!t haben – Park, Thomas, Hughes. Sie sind ins Feld gegangen, um Informationen zu sammeln, und sie haben auf Grundlage dieser Informationen versu!t, Wandel herbeizuführen. I! era!te Aktivismus in diesem Sinne als einen wi!tigen Teil der Fors!ungspraxis, aber wer wird auf di! hören, wenn du deine Ergebnisse ni!t auf glaubwürdige, wissens!a+li!e Art und Weise präsentierst – ni!t quantitativ wissens!a+li!, sondern qualitativ wissens!a+li!. CC: Spüren Sie diese ganze Verantwortung im Grounded-Theory-Ansatz3? JC: Oh ja3! I! glaube, i! habe das Anselm Strauss zu verdanken. Er sah Theorieentwi*lung als eine Mögli!keit, die Welt zu verstehen und zu verbessern. I! bin es ihm s!uldig, diese Vision am Leben zu erhalten. Als er an0 ng, zu !ronis!er Krankheit zu fors!en, waren die Leute no! immer auf akute Krankheit konzentriert. Sie sahen eine Herzkrankheit als ein akutes Problem an, ni!t als ein !ronis!es, das Auswirkungen darauf hat, wie man sein Leben lebt. Es waren Anselm und seine Studierenden und Mitarbeiter/innen, die das ganze Thema „Leben mit !ronis!er Krankheit“ ans Li!t bra!ten. Jetzt ist dieser Gedanke natürli! so sehr Teil des Mainstream-Denkens geworden, dass niemand si! erinnert, wie er entstanden ist. CC: Die Rolle des Romans!ri+stellers in sozialen Transformationsprozessen unters!eidet si! von der eines grounded theorist3? JC: Theorie ist etwas anders als ein Roman. Romane können Einbli*e ermögli!en und Verständnis vermi&eln. Sie können au! ges!rieben sein, um zu unterhalten und die Stimmung zu heben. Der Sinn von Theorie liegt aber ni!t darin zu unterhalten, sondern eine Basis für das Handeln bereitzustellen. Die theoretis!e Basis ist auf Konzepten erri!tet, die aus den Daten abgeleitet sind. Diese Daten stammen von Personen, die die befors!ten Situationen erleben und mit/in ihnen leben. Als wir uns neuli! unterhalten haben, hat Mi!ael Pa&on mir erzählt, wie eine Gruppe von Kindern ein Theaterstü* über seine Fors!ungsergebnisse vorgeführt hat. I! bin mir si!er, dass das eine sehr e)ektive Te! nik der Vermi&lung war, aber i! mö!te we&en, dass die S!ulbehörde, die ihn engagiert hat, au!
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„Lernen konzeptuell zu denken“
einen detaillierten Fors!ungsberi!t wollte, weil man eine Theaterproduktion ni!t in den Händen halten und wieder und wieder darauf zurü*greifen kann, um zu s!auen, was getan werden muss. Behörden und Agenturen, die Fors!ung 0nanzieren, wollen Ergebnisse, die sie in den Händen halten können, die zeigen, wel!es Wissen sie für ihr Geld erlangt haben. Eine Kombination aus einem Beri!t und einer Produktion ist ni!t s!le!t. Viellei!t werde i!, na!dem i! meinem Roman ges!rieben habe, ein Theaterstü* verfassen … Literatur Charmaz, Kathy ("##/). Constructing grounded theory. A practical guide through qualitative analysis. Thousand Oaks: Sage. Clarke, Adele E. ("##(). Situational analysis. Grounded theory a"er the postmodern turn. Thousand Oaks: Sage. Corbin, Juliet & Hildenbrand, Bruno ("###). Qualitative Fors!ung. In Beate Rennen-Alho) & Doris S!ae)er (Hrsg.), Handbu! P/egewissens!a" (S.'(-–'2$). Weinheim: Juventa. Corbin, Juliet & Strauss, Anselm ('-22). Unending work and care: Managing chronic illness at home. San Francisco, CA: Jossey-Bass. Corbin, Juliet & Strauss, Anselm ("##2). Basics of qualitative research: Techniques and procedures for developing grounded theory (%. Aufl.). London: Sage. Fagerhaugh, Shyzuko & Strauss, Anselm ('-..). Politics of pain management: Sta,-patient interaction. Menlo Park, CA: Addison-Wesley. Gilgun, Jane ("##$). Fictionalizing life stories: Yukee the wine thief. Qualitative Inquiry, )%((), /-'–.#(. Schatzman, Leonard & Strauss, Anselm ('-.%). Field research: Strategies for a natural sociology. Englewood Cli)s, NJ: Prentice-Hall. Schreiber, Rita & Stern, Phyllis ("##'). Using grounded theory in nursing. New York: Springer. Strauss, Anselm; Fagerhaugh, Shyzuko; Suczek, Barbara & Wiener, Carolyn ('-2(). The social organization of medical work. Chicago: University of Chicago Press. Strauss, Anselm & Corbin, Juliet ('--#). Basics of qualitative research: Grounded theory procedures and techniques. London: Sage.
Grounded Theory konstruieren1 Kathy C. Charmaz im Gesprä! mit Antony J. Puddepha"
Zum Interview: Kathleen C. Charmaz hat ihre Dissertation an der University of California in San Francisco ges!rieben und wurde hierbei von Anselm Strauss betreut. Sie ist derzeit Professorin am Department of Sociology an der nordamerikanis! en Sonoma State University. Neben vielen sonstigen Arbeiten für wissens!a"li!e Zeits!ri"en und Fa!gesells!a"en war sie von #$$$ bis %&&' Herausgeberin von „Symbolic Interaction“. Zu den Fors!ungss!werpunkten von Kathy Charmaz zählen Themen wie Gesundheit, Krankheit, Tod und Sterben, aber ebenso qualitative Methoden, die Methodologie der Grounded Theory, wissens!a"li!es S!reiben und viele andere Themen, die sie häu(g im Rahmen von Gastvorträgen und Keynotes auf der ganzen Welt dargestellt hat. In letzter Zeit hat Kathy Charmaz umfangrei! zur Grounded-Theory-Methodologie (GTM) verö)entli!t. Sie hinterfragt die objektivistis!en Tendenzen des traditionellen Modells und vergrößert, rü*greifend auf ihre Wurzeln im symbolis!en Interaktionismus, das Anwendungspotenzial der GTM auf vielfa!e Weise. Ein wi!tiges Ergebnis ihrer Arbeit ist das Bu! „Constructing Grounded Theory: A Practical Guide Through Qualitative Analysis“ (%&&+). Das folgende Interview beabsi!tigt, Kathy Charmaz’ jüngste Betra!tungen zur GTM zu erkunden, ihr neues Bu! zu bespre!en2, über einige der Deba,en na!zudenken, die ihre Arbeit ausgelöst hat und au! darüber, wie diese im Laufe der Jahre u.-a. von Barney Glaser infrage gestellt wurde. Das Interview habe i! mit Kathy Charmaz am %.. Juli %&&+ telefonis! geführt. Es wurde auf Band aufgenommen, transkribiert und dann bearbeitet und teilweise gekürzt. Das Interview erkundet die frühe intellektuelle Entwi* lung von Kathy Charmaz und ihre Bes!ä"igung mit der GTM, ihre Auseinandersetzung mit der Epistemologie des sozialen Konstruktivismus3, geht auf praktis!e Probleme der Arbeit mit der GTM ein und stellt s!ließli! ihre Si!t auf die jüngste Zerspli,erung des symbolis!en Interaktionismus und seine Zukun" in der Soziologie dar. Zu den Buchverö)entlichungen von Kathy Charmaz zählen neben „Constructing Grounded Theory“ „The Social Reality of Death“ (#$/&) und „Good Days, Bad Days: The Self in Chronic Illness and Time“ (#$$#). Gemeinsam mit Jaber Gubrium hat sie „Aging, the Self, and Community“ (#$$%) herausgegeben; mit Glennys Howarth und Allan Kellehear „The Unknown Country: Death in Australia, Britain, and the U.-S.-A.“ (#$$0); mit Debora Paterniti „Health, Illness and Healing: Society, Social 1
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Das Interview wurde #$$% im Qualitative Sociology Review, II(&), h" p://www.qualitativesociologyreview.org/ENG/ar!ive_eng.php erstverö'entli!t. Wir danken für das Re!t der Verö'entli!ung und Übersetzung. Für die Verö'entli!ung wurde der Beitrag überarbeitet und gekürzt. Aus dem Englis!en übersetzt von Paul Sebastian Ruppel und Katja Mru(. Zum Zeitpunkt des Interviews bereitete sie das „SAGE Handbook of Grounded Theory“ vor, das sie mit Antony Bryant herausgegeben hat und das #$$) ers!ienen ist. Die Übersetzung folgt der im englis!en Original gegebenen jeweiligen Nutzung der Begri'e „Konstruktivismus“ und „Konstruktionismus“ bzw. „konstruktivistis!“ und „konstruktionistis!“.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Grounded Theory konstruieren
Context, and Self“ (#$$$). Kathy Charmaz hat zahlreiche Artikel in Zeitschri"en wie beispielsweise „Symbolic Interaction“, „Qualitative Inquiry“, „Qualitative Health Research“, „Sociological Perspectives“, „Sociological Research and Methods“, „Journal of Contemporary Ethnography“, „Teaching Sociology“, „Sociology of Health and Illness“, „Social Problems“, „Studies in Symbolic Interaction und Contemporary Sociology“ verö)entlicht. Sie hat des Weiteren zahlrei! e Kapitel für vers!iedene Sammelbände zu einer Reihe von theoretis!en, methodologis!en und Gegenstandsberei!en verfasst.
AP14: I! habe vor Kurzem Ihr neues Bu! „Constructing Grounded Theory: A Practical Guide Through Qualitative Analysis“ (#$$%) gelesen und ha"e sehr viel Freude daran. Es war ein gutes Bu! für mi!, da i! in naher Zukun* eine Art GroundedTheory-Projekt anfangen werde. Es hat mi! auf viel neue Ideen gebra!t, und i! habe dadur! au! Fehler in meinen vergangenen Fors!ungsarbeiten entde(t. I! fand das Bu! auf mehreren Ebenen aufs!lussrei!. Es bietet Studierenden einen sehr guten Zugang, und es ist gut für die Lehre geeignet, da es mit einer ne"en allgemeinen Einführung beginnt und mit Datenerhebungsverfahren, vers!iedenen analytis!en Kodier-Strategien und der Bedeutung von Memos für die Theorieentwi(lung fortfährt. Es bietet eine sehr originelle Diskussion des theoretis!en Samplings und eine sehr kluge Erörterung von vers!iedenen Formen des Theoretisierens im Feld. Am Ende haben Sie einen praktis!en Abs! ni" zur Kunst des S!reibens aufgenommen und ganz zum S!luss einen über den Nutzen, die eigene Arbeit zu re+ektieren. Es ist keine tro(ene Herangehensweise im Stil eines Ko!bu!s, sondern es handelt si! vielmehr um Ihre eigene, unverwe!selbare Interpretation der Grounded-Theory-Methodologie, die sowohl professionellen Fors!er/in nen als au! denjenigen, die no! unerfahren sind, eine Menge zu bieten hat. I! habe dieses Bu! wirkli! gerne gelesen und würde es allen empfehlen, die mit qualitativer Analyse no! unerfahren sind oder na! Anregungen su!en, die eigene Verwendung der Grounded-Theory-Methodik in der Praxis zu verbessern. KC: I! freue mi!, dass Sie es nützli! fanden, denn i! arbeite hart daran, meine Arbeit zugängli! zu ma!en. Im Bu! gibt es viel neues Material zu theoretis!em Sampling, zur Theoriebildung und zur Nieders!ri* der Ergebnisse. Es ist ziemli! einfa! zu lesen. I! habe es sowohl für Studierende höherer Semester als au! für erfahrenere Fors!er/innen ges!rieben. Im Bu! gebe i! au! Hinweise z.,B. dazu, wie man Argumente e'ektiv aufbaut oder die Literaturre!er!e zurü(stellt, sta" dies zu übergehen, wie es einige tun. Meine Kriterien für die Grounded-TheoryFors!ung sind in diesem Bu! weiter gefasst: I! denke, das wi!tigste Kriterium ist Glaubwürdigkeit (credibility). Eine Reihe von Grounded-Theory-Untersu!ungen werden meiner Meinung na! zu s!nell gema!t. Das Bu! betont daher sehr, si! in der Fors!ung um Glaubwürdigkeit zu bemühen. AP: Im Vorwort von „Constructing Grounded Theory“ erwähnen Sie den s!on frühen Ein+uss von Barney Glaser und Anselm Strauss sowie einiger Ihrer Promo4
Im Folgenden Kathy C. Charmaz = KC, Antony J. Puddepha" = AP.
Kathy C. Charmaz im Gesprä! mit Antony J. Puddepha"
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tions-Betreuer/innen an der University of California wie beispielsweise Fred Davis, Virginia Olesen und Leonard S!atzman. I! bin neugierig, ein wenig darüber zu erfahren, wie diese Mens!en Sie während Ihrer ersten Begegnungen mit der Grounded-Theory-Methodik beein+usst haben mögen. KC: I! habe -.%/ mit dem Programm begonnen, und das Bu! „Discovery of Grounded Theory“ von Glaser und Strauss (-.%)) war gerade erst verö'entli!t worden. I! ha"e es gelesen, bevor i! mi! einges!rieben habe, aber i! war weniger an der Methode als an der Art von Arbeit interessiert, die sie ma!ten – qualitative Soziologie, die hat mi! de0nitiv fasziniert. I! war au! ziemli! interessiert an der Arbeit von Fred Davis oder Egon Bi"ner, einem sehr klugen Ethnomethodologen, der bereits als jüngerer Mens! interessante Arbeiten gema!t ha"e. Genau genommen hat er das Programm verlassen, bevor wir alle kamen, aber er war ihm s!on früh verbunden gewesen. Es gab also einige, deren Arbeit i! s!on ziemli! lange kannte, bevor i! hingegangen bin. Aber eben ni!t Grounded-Theory-Fors!ung per se, mehr qualitative Fors!ung. AP: Haben Sie Kurse zu qualitativen Methoden besu!t1? KC: Ja, i! habe einen Kurs über qualitative Methoden bei Sherri Cavan an der San Francisco State University im Rahmen meines Masterprogramms belegt. Einer der Gründe, warum i! mi! für das Programm interessierte, war der qualitative S!werpunkt. Im ersten Quartal ha"en wir einen Einführungskurs zu Feldfors!ung bei Leonard S!atzman und einen Kurs bei Anselm Strauss, in dem qualitative und theoretis!e Arbeiten diskutiert wurden. Und dann ha"en wir se!s Quartale zur GTM bei Barney Glaser, und i! habe unabhängig davon au! mit Anselm gearbeitet. Bei Virginia Olesen habe i! einen Lektürekurs zum Thema „professionelle Sozialisation“ belegt. Sie hat über Krankenp+ege ges!rieben, sie ist eine Expertin im Berei! Organisation und Profession. Das Programm war damals sehr klein, wir Studierende waren eine sehr kleine Gruppe und ha"en einen sehr starken und intensiven qualitativen und Grounded-Theory-S!werpunkt. Ein Großteil unseres Promotionsstudiums befasste si! auf die eine oder andere Weise mit qualitativer Fors!ung. Viele haben si! in Ri!tung Stadtsoziologie spezialisiert, i! habe mi! für Medizinsoziologie und das Thema Altern ents!ieden. I! glaube, dies waren, neben Sozialpsy!ologie und qualitativen Methoden, die wesentli!en Fa!gebiete. AP: Haben Sie immer s!on qualitative Fors!ung betrieben, oder haben sie irgendwann einmal umgesa"elt1? KC: I! habe es immer s!on gema!t. I! wäre eine Medizinanthropologin geworden, wenn i! ni!t in einem Promotionsstudium weitergema!t hä"e, das qualitative Fors!ung ermögli!te. I! habe mi! hauptsä!li! na! Programmen umges!aut von Personen, die daran interessiert waren. Viele waren Student/innen von Erving Go' man. Insoweit habe mi! für die University of California, Santa Barbara und die University of California, Davis interessiert, in gewissem Maß au! für die University of British Columbia und die University of Minnesota.
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Grounded Theory konstruieren
AP: Befand si! die qualitative Fors!ung damals in einer großen Legitimationskrise1? Wie marginal war der Ansatz in Bezug auf die Gesamtdisziplin1? KC: Qualitative Fors!ung war marginalisiert, aber es gab eine Elite, zu der Erving Go'man, Anselm Strauss oder Herbert Blumer zählten, und einige haben si! in ihren Berei!en erhebli!en Respekt vers!a2. I! nehme an, worauf i! mi! hier wirkli! beziehe, ist das Netzwerk der Chicago S!ool. Dies waren die Orte, für die i! mi! wirkli! interessiert habe. I! würde sagen, ein Ort wie die University of Texas wäre überwiegend quantitativ gewesen, ebenso ist Chicago selbst ziemli! quantitativ geworden, au! Berkeley, na!dem Go'man gegangen ist. Blumer wurde marginalisiert, dass ist irgendwie interessant: Er hat in Berkeley ein Department aufgebaut, das für einige Jahre als das Beste des Landes bewertet wurde. Aber einige von denen, die er angestellt hat, haben ihn dann marginalisiert. AP: Wie sind Sie anfangs auf die Arbeiten im Stil der Chicago S!ool gestoßen1? KC: Nun, i! habe einen Kurs zum Thema Devianz an der San Francisco State University belegt, den i! einfa! spannend fand. Und man stieß einfa! auf S!riften der Chicago S!ool: Alles, was zu qualitativen Methoden gema!t wurde, kam direkt oder indirekt von der Chicago S!ool, zumindest, bis die Ethnomethodologie startete. Und das Bu! „Studies in Ethnomethodology“ von Gar0nkel (-.%)) trieb dies natürli! ri!tig an. AP: Wel!e heutigen Denkerinnen und Denker haben Ihre Position zur Grounded-Theory-Methodik in letzter Zeit, in den letzten fünf bis zehn Jahren, geprägt1? KC: Nun, i! habe si!er diesen Grounded-Theory-S!werpunkt, der von Barney Glaser herrührt. Die Fluidität kommt von Anselm Strauss, sie ist wahrs!einli! ebenso sehr Pragmatismus und symbolis!er Interaktionismus wie GTM. I! bin von vielen Personen beein+usst worden: Gesprä!e mit Susan Leigh Star und Adele E. Clarke, die in einer S!reibgruppe waren, in der i! während der -./$er Jahre teilgenommen habe. Antony Bryant ist si!erli! ein Hauptbezugspunkt. I! denke, ein großer Ein+uss stammt von außerhalb der GTM, von symbolis!en Interaktionist/innen oder anderen qualitativen Fors!er/innen, die eine GroundedTheory-Identität für si! wahrs!einli! ni!t so klar in Anspru! nehmen wollen würden, wie i! es tue. All diese Personen ha"en bestimmt ihren Ein+uss. Und i! war, wie i! im Vorwort des Bu!es erwähne, s!on früh von Kuhn u.,a. beein+usst, von der Kulturanthropologie, die die kulturelle Relativität entde(te und au! von Soziolog/innen, die Fragen na! der Philosophie der Wissens!a* und der Philosophie der Sozialwissens!a* stellten. AP: Hat die Fors!ungserfahrung im Rahmen Ihrer bedeutendsten Untersu!ung „Good Days, Bad Days“ (Charmaz -..-) Ihre Si!t auf die Grounded-Theory-Methodik beein+usst1? KC: Das hat sie, de0nitiv. Es hat mi! eine sehr lange Zeit gekostet, das zu s!reiben. Es handelte si! um die Fortsetzung der Studie, die i! für meine Dissertation gema!t habe. Damals ha"e i! 33 Interviews geführt, und Anselm und Barney
Kathy C. Charmaz im Gesprä! mit Antony J. Puddepha"
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waren re!t zwanglos, was Datenerhebung angeht. Barney glaubte ni!t an den Nutzen von Tonbandaufnahmen, Anselm war ni!t so absolut dagegen, aber … AP: Was ha"e Barny Glaser gegen die Verwendung von Tonbandgeräten1? KC: Die glei!en Gründe, die er jetzt immer no! hat. Er glaubt, man lerne, gut zu protokollieren, und dass zu viele Details das Denken stören und man vom Thema abwei!en und entgleisen kann. Aber die Interviews, die i! na! der Dissertation in den -./$er Jahren geführt habe, waren einfa! viel besser; selbstverständli! habe i! sehr viel über Interviewführung gelernt. Die Materialien, die qualitativ Fors!enden heute zur Verfügung stehen, sind sehr viel anders als die in den -.%$er und -.)$er Jahren. Es gibt viele gute und praktis!e Informationen und Ideen, die Anfänger/innen zur Verfügung stehen, und die es einfa! ni!t gab, als i! Doktorandin war und an meiner Promotion gearbeitet habe. Daher war mir sehr bewusst, dass die Qualität meiner Daten später viel besser war. Mir war au! bewusst, dass es ni!t zwangsläu0g einen einzigen übergeordneten Prozess gibt. Wenn Sie mit Barney Glasers frühen Arbeit vertraut sind: Er hat propagiert, dass es im Se"ing oder in der Erfahrung einen grundlegenden sozialen oder sozial-psy!ologis!en Prozess gibt. Und es kann wirkli! eine sehr nützli!e Art sein, das eigene Material zu organisieren und si! auf die Dinge zu konzentrieren, die wi!tig in einem Se"ing sind, weil i! glaube, dass Glaser und Strauss absolut Re!t damit ha"en, dass viele eine Menge Daten erhoben haben, aber diese waren sehr allgemein und sie haben keine Fragen beantwortet. Als i! Doktorandin war, gingen viele einfa! „ins Feld“, so wie i! es au! gema!t habe. I! bin se!s Monate in eine Institution gegangen, habe dort gelebt und eine Menge Daten gesammelt. Aber sie waren „dünn“, und i! war viel länger im Feld, als Strauss empfohlen hä"e. Seine Formel lautete: eine Stunde im Feld und drei Stunden Notizen s!reiben. Bei mir war es anders: I! war a!t Stunden lang im Feld und konnte nur ein paar Stunden darauf verwenden, Notizen anzufertigen. Das war für mi! ziemli! anstrengend. Und i! habe gelernt, dass es mehr als einen sozialen Prozess geben kann. Interessanterweise hat si! Barney Glaser von einer seiner frühen Vorstellungen distanziert, dass man nämli!, wenn man zu sehr na! einer Sa!e su!t, die Daten in einen Prozess zwingt. Das ist genau das, was andere Fors!ende, die es ausprobiert haben, gesagt haben. Es hängt davon ab, wie man die Dinge analysiert. Es kann viele Prozesse geben, die innerhalb eines Se"ings ablaufen. AP: Forcing ist, wenn man versu!t, alles auf eine Sa!e zu reduzieren1? KC: Ja, man kann si! an etwas festhalten und damit immer weiter fortfahren. Es kann großartig sein. Aber in „Good Days, Bad Days“ habe i! gelernt, dass es mi! au! irgendwie aufgehalten hat, weil i! weiter na! dem übergeordneten Prozess gesu!t habe. I! ha"e einen sol!en Prozess gefunden, aber nie in einer Publikation darüber beri!tet habe. In meiner Dissertation habe i! diesen Prozess dann re-mobilizing genannt, aber i! mag den Begri' ni!t. Viele Mens!en versu!en, na! einer !ronis!en Krankheit ni!t stehen zu bleiben, weiterzuma!en, und i! habe dies
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als übergeordnete These genutzt und mit Identität und Zeit verwoben. In dem Bu!, das au! viel lesenswerter ist als meine Dissertation, habe i! dies auf andere Weise entwi(elt. Zum einen mo!te i! den Begri' re-mobilizing ni!t, zum anderen sah i! so viele andere Dinge, die überhaupt keine Frage einer einmaligen Re-Mobilisierung waren, wie es viellei!t na! einem Herzinfarkt sein mag. Viele Mens!en, mit denen i! gespro!en habe, ha"en diese intermi"ierenden Krankheiten, die ziemli! verheerend waren. Es gibt diese kontinuierli!en Versu!e, dahin zurü(zukehren, wo man vor der Krankheit war oder glaubt, na! einer Krankheitsphase wieder hinkommen zu können, und man!mal geht es jedes Mal ein Stufe na! unten. In anderen Fällen, na! !irurgis!en Eingri'en und medikamentöser Behandlung, geht es eine Stufe na! oben. Das war sehr interessant: Mens!en können also im Laufe der Jahre aufwärts oder abwärts gehen, häu0g tri2 beides zu. AP: Interessant. Viellei!t können wir direkter zu Fragen übergehen, die die konstruktivistis!e GTM betre'en. Das Kapitel, das Sie für das Bu! von Denzin und Lincoln ges!rieben haben und in dem Sie den konstruktivistis!en und objektivistis!en Ansatz einander gegenüberstellen (Charmaz #$$$; siehe au! Charmaz in diesem Band), hat einige Kontroversen ausgelöst. Im Grunde verorten Sie die konstruktionistis!e GTM als einen sinnvollen Mi"elweg zwis!en Postmodernismus und Objektivismus. Sie versu!en, die Di'erenzen zwis!en den beiden Lagern zu beseitigen und weisen einen Weg na! vorn. In Ihrem neueren Bu! s!eint diese Position s!wä!er. Wel!e Haltung nehmen Sie heute zur GTM ein bzw. hat si! Ihre Haltung überhaupt verändert, seit Sie eine dezidiert konstruktionistis!e Position in dem Kapitel aus dem Jahre #$$$ eingenommen haben1? KC: I! da!te, die Unters!eidung zwis!en objektivistis!er und konstruktivistis!er GTM sei sinnvoll, da viele das Verfahren nutzen wollten, ihnen die positivistis!en Elemente jedo! viel Unbehagen bereiteten: die Vorstellungen also, etwas in einer äußeren Wirkli!keit „zu entde(en“, von Wahrheit, von neutraler, unvoreingenommener Beoba!tung. I! denke, ein wi!tiges Ereignis der letzten #$ Jahre ist, dass die postmodernistis!e Bewegung einige der Bedenken, die viele von uns in den -.%$er Jahren ha"en, geäußert hat. Sie hat sie etwas anders artikuliert, als wir es tun würden, hat diese Bedenken aber glei!wohl in den Vordergrund gerü(t. Es geht ni!t, die Position des Beoba!ters bzw. der Beoba!terin auszuklammern, ebenso Fragen der Wahrheit und Exaktheit von Beoba!tung. Da gibt es immer Spannungen, weil Wahrheit ortsgebunden, relativ, historis!, situativ und kontextuell sein kann. I! stimme dem zu. Die objektivistis!e GTM, und Barney Glaser vertri" dies no! immer, zielt auf Generalisierung, Simpli0zierung, sparsame Aussagen und Verallgemeinerung in abstrakten, berei!sübergreifenden Begri'en. I! denke, dass Soziolog/innen sehr wohl versu!en, etwas Allgemeingültiges und Brau!bares anzubieten. Aber i! glaube, dass uns immer bewusst sein muss, von wel!en Standpunkten aus wir über die Daten spre!en, die wir analysieren. Und i! denke, dass die postmodernistis!e Bewegung zu diesem Bewusstsein beigetragen hat. Norman
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Denzins Auffassung des Postmodernismus geht natürli! viel weiter was Fors!ung und was S!reiben angeht. Natürli! befürworte i! einen zugängli!en S!reibstil, da i! denke, dass wir eine größere Verantwortung für eine eher größere als kleine Ö'entli!keit tragen, und i! denke, dass die meisten Soziolog/in nen daran ni!t fur!tbar hart gearbeitet haben und meist dazu neigen, si! akademis! und s!wer verständli! auszudrü(en. Das ist etwas, was i! beim S!reiben empiris!er Beiträge zu vermeiden versu!e, während i! in man!en Theoriebeiträgen, die i! für ein viel kleineres Publikum s!reibe, ein paar theoretis!e Begri'e verwenden muss, die mit bestimmten Argumenten verbunden sind; aber i! versu!e, sie so na!vollziehbar wie mögli! zu verwenden. Im Grunde da!te i!, das Kapitel über objektivistis!e vs. konstruktivistis!e GTM sei eine Mögli!keit, eine Methode zu re"en, die Gefahr lief, ausrangiert zu werden, weil viele diese als veraltet ansahen. Glei!wohl haben no! einige der grundlegenden Regeln Bestand: die Art des Kodierens, die Art des S!reibens von Memos, der Versu!, Memos analytis! und theoretis! zu verfassen und dann mi"els theoretis!em Sampling zu überprüfen. Dies sind sehr nützli!e Te!niken, und sie können mit einer Vielzahl theoretis!er Rahmen oder Arten von Daten genutzt werden. AP: Wie würden Sie auf Glasers Behauptung reagieren, dass ihm als Objektivist natürli! bewusst ist, dass es eine Verzerrung dur! die Fors!erin oder den Fors!er geben und dass dies bedeutsam sein kann1? Im Unters!ied zu Ihnen argumentiert er jedo!, dass eine sol!e Verzerrung als Variable berü(si!tigt werden und es mögli! sein sollte, die eigene Perspektive und Gefühle einfa! als weitere Daten zu analysieren, als Mögli!keit, um zu den zugrunde liegenden sozialen Bedingungen im Feld vorzudringen (Glaser #$$#). Was ist Ihre Haltung in Bezug auf dieses Argument oder dieses Bestreben1? KC: Nun, zunä!st einmal interessiere i! mi! ni!t wirkli! für Variablenanalyse. Für mi! hat das wirkli! einen positivistis!en Beiges!ma(, und er bringt immer klarer zu Spra!e, dass seine Version der GTM eine Art Variablenanalyse ist. I! würde ihm zustimmen, dass der Standpunkt des Beoba!ters bzw. der Beoba!terin etwas ist, das berü(si!tigt werden muss. I! glaube aber ni!t, dass er das tut. Und i! glaube ni!t, dass er mir darin zustimmen würde, dass eben jener Bli( des Beoba!ters bzw. der Beoba!terin alles prägt, was man sieht. Und das bedeutet, dass Werthaltungen und Tatsa!en verknüp* sind. Alles, was i! von ihm gelesen habe, geht von verlässli!en, neutralen und sa!kundigen Beoba!ter/innen aus. Seltsamerweise geht er au! davon aus, dass man ni!t notwendigerweise „genau“ sein muss. Das widerspri!t dem übli!en Positivismus irgendwie völlig, der auf Genauigkeit abzielt, worrisome accuracy, wie er es nennt, und er wir* Fors!er/innen vor, mit den Interviewtranskripten dana! zu streben. Er denkt, dass man si! in Einzelheiten verliert und die wesentli!en Prozesse und Probleme in den Daten ni!t mehr sieht. I! hingegen gehe davon aus, dass der Standpunkt der Beoba!terin oder des Beoba!ters kein Zusatz ist. Es ist eine Art zu sehen, und i! denke, man muss stets
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selbstre+exiv sein in Bezug darauf, wo man herkommt, um eine Vorstellung von den eigenen Werthaltungen zu haben, da die Dinge, die uns am wi!tigsten sind, jene sind, die wir als selbstverständli! vorauszusetzen neigen. AP: Was würden Sie auf Glasers (#$$#) Behauptung erwidern, dass Konstruktionismus dazu genutzt wird, forcing zu legitimieren1? Dass also die Fors!enden, wenn sie an der Konstruktion der Daten teilhaben, diese genauso gut na! eigener Manier konstruieren könnten1? KC: Nun, das glaube i! ni!t. I! bin wirkli! anderer Meinung, denn man versu!t, so gut wie mögli! zu verstehen, wie die Personen, mit denen man si! unterhält oder die man untersu!t, die Situation konstruieren, und zwar in dem Wissen, dass es alles der eigenen Perspektive ges!uldet ist. I! denke, dass die GTM eine riesige Hilfe sein kann, die vers!iedenen Konstruktionen einzufangen und ein Gespür für sie zu bekommen. Aber es entspringt alles unserer Perspektive. I! würde s!on zustimmen, dass man!e Dinge im Glasers!en Modell die Daten forcieren. I! denke, dass man dazu neigt, die eigene Si!t für die einzige zu halten, wenn man si! der eigenen Ausgangspunkte, Herkun* und Positionen ni!t bewusst ist. AP: Man kann also Dinge implizit forcieren, ohne dass dies bewusst zu tun1? KC: Ja. Ein Beispiel dafür ist, dass Mens!en mit weißer Hautfarbe häu0g ni!t verstehen, warum people of color si! so sehr mit Identität bes!ä*igen, da sie dies ni!t in glei!er Weise tun. Für sie stellt die Hautfarbe kein Problem dar. Es sind diese Dinge, die für Mens!en ein Problem darstellen oder Fragen aufwerfen, entlang derer sie Nuancen von Interaktionen auf andere Art und Weise sehen als die Mehrheit. Und i! glaube, die poststrukturalistis!e Wende war es, die derlei Anliegen si!tbarer gema!t hat. AP: Besteht für eine Methode die Mögli!keit, über die Person, die diese Methode anwendet, hinauszuweisen1? Oder ist die Standpunktepistemologie ein unhintergehbares Problem1? Können wir den Ein+uss des Standpunkts der Fors!erin oder des Fors!ers auf die na!folgende Fors!ung und Analyse dur! die Verwendung der Grounded-Theory-Methoden dahingehend reduzieren, dass die Untersu!ung mehr dur! die Methode als dur! die Person geleitet wird, die bestimmte Si!tweisen hineinträgt1? KC: Viele denken, dass sie den Ein+uss der Fors!erin oder des Fors!ers reduzieren, indem sie die Methode „ri!tig“ anwenden, aber i! bin mir ni!t si!er, ob das immer zutre'end ist. Jede Untersu!ung ist im Kontext und der Position verankert, in der Zeit und in all diesen Dingen. AP: Glaser (#$$#) hat das Beispiel angeführt, dass Krankens!western Daten über Patient/innen erheben und ihre Ergebnisse verglei!en, um Verzerrungen zu verringern. Sie führen eine Art gemeinsame Überprüfung im Team dur!, gewissermaßen in Poppers!er Manier, mit dem Ziel, die verborgenen Subjektivitäten ans Li!t zu holen. Glauben Sie, dass sol!e Strategien helfen, Verzerrungen zu verringern1? KC: Naja, wenn die Personen alle dasselbe sehen, würde i! ihnen viellei!t sagen: „Nun ja, ihr seid alle ziemli! ähnli!1!“ (la!t)
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AP: Bei der Lektüre des Bu!es ha"e i! au! das Gefühl, dass Sie #$$$ eine viel stärkere konstruktionistis!e Position vertreten haben. Aber in letzter Zeit spre!en Sie mehr über Pragmatismus, die Analyse von Handlung, die Dur!führung von Beoba!tungen, die Berü(si!tigung ni!tmens!li!er Akteure wie beispielsweise von Institutionen und Organisationen und darüber, das Augenmerk auf Dinge zu ri!ten, die über die bloße mens!li!e Perspektive hinausgehen (z.,B. Charmaz #$$3, #$$%). Bei dem Beitrag #$$$ ha"e i! mehr das Gefühl, dass Sie ni!t daran interessiert waren zu versu!en, eine wahre Wirkli!keit darzustellen, sondern vielmehr eine Vielzahl von Wirkli!keiten, die aus unters!iedli!en Perspektiven existieren. KC: I! glaube, das ma!e i! no! immer. I! glaube ni!t, dass i! so anders bin als #$$$. I! habe versu!t, um der Analyse und des Verglei!s willen, re!t klare Grenzen zu ziehen. AP: OK, wie ziehen Sie die Grenzen1? KC: I! habe damals die Grenzen zwis!en dem objektivistis!en und dem konstruktivistis!en Ansatz ziemli! hart gezogen, damit die, die an der GTM interessiert sind, Unters!iede erkennen, die Nützli!keit von Grounded-Theory-Methoden für eine andere Art von Fors!ung sehen und einen etwas anderen Ansatz wählen können. Dies ist in dem Sinn ziemli! erfolgrei! gewesen, dass viele si! heute klarer darüber sind, wo sie andere und wo sie si! selbst platzieren. In „Basics of Qualitative Resear!“ von Strauss und Corbin (-../) gibt es zum Beispiel eine Menge an positivistis!en Themen. Die dri"e Auflage wird bald ers!einen5, und i! habe gehört, dass Juliet gesagt hat, dass ihre Position si! von meiner ni!t so sehr unters!eidet, und viellei!t tut sie das au! ni!t (siehe au! Corbin in diesem Band). Aber die Art und Weise, wie das Bu! ges!rieben war, war in gewisser Hinsi!t ziemli! positivistis! und objektivistis!. Darin gab es all die Te!niken, die auf die Daten angewendet werden sollen, sta" aus dem hervorzugehen, was man analysiert. Das ist eine ganz andere Art von Auffassung. I! habe also im Grunde versu!t, die GTM davor zu bewahren, wegen ihres positivistis!en Gehalts beiseite gelegt zu werden. AP: Sie haben die Kategorien „konstruktivistis!“ und „objektivistis!“ also als Idealtypen gebildet1? In dem Sinne, dass keine Untersu!ung ganz und gar konstruktivistis! oder ganz und gar objektivistis! ist1? KC: Ja, ja. AP: Wenn es stimmt, dass alle Untersu!ungen konstruktivistis!e und objektivistis!e Elemente in si! tragen: Bedeutet dies, dass diese Untersu!ungen auf si! widerspre!enden Epistemologien gründen, was problematis! sein kann1? KC: Ni!t zwangsläu0g. I! war seit den -.%$er Jahren immer davon überzeugt, dass Dinge objektiv sind, weil wir es so festlegen. Und ein Kern von Fors!enden, ein Konsens unter Wissens!a*ler/innen oder ein ö'entli!er Konsens de0niert sie als wirkli!. De0nitionen der Teile der Ö'entli! keit, die die Ma!t haben, dass 5
Sie ist zwis!enzeitli! verö'entli!t worden, siehe Corbin und Strauss (#$$/).
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ihre De0nitionen überdauern, haben reale Konsequenzen. Dies sind De0nitionen, die Handeln leiten und häu0g rei0ziert werden. Und wir ändern, was wir als wirkli! de0nieren. I! glaube das klassis!e Beispiel für sol!e Veränderungen sind männli!es und weibli!es Verhalten. In den letzten vierzig Jahren hat si! das, was als Gender angesehen wird, wirkli! verändert. Das ist also eine Konstruktion, die die Mens!en als objektiv und real aufgefasst ha"en, und die Mens!en haben si! derart geändert, dass die De0nition viel umstri"ener geworden ist. Diese Dinge werden jedo! gegenständli!er. Deswegen können wir bestimmte Dinge als objektiv behandeln, wenn wir sie untersu!en, beispielsweise Gesells!a*ss!i!ten. Au! wenn wir uns erklärtermaßen auf unsi!erem Terrain bewegen, können wir do! einige Eins!ätzungen vornehmen. AP: Die Gemeins!a* einigt si! also darauf, dass es Gesells!a*ss!i!ten gibt, und deshalb haben sie au! reale Konsequenzen. Insoweit können Dinge untersu!t werden, als ob sie real wären1? KC: Ja, bestimmte Dinge sind gere!t und andere sind ungere!t, aufgrund der De0nitionen der Mens!en. Aus konstruktivistis!er Perspektive würden Sie daher erfahren wollen, wie diese Konstruktionen zustande kommen, wessen Si!tweisen dominieren und bis zu wel!em Grad. AP: Können wir denn ni!t mehr zustande bringen als eine Konsenstheorie der Wahrheit1? Die Pragmatiker/innen haben si! si!er um mehr bemüht, und haben Wahrheit anhand ihrer praktis!en Auswirkungen dur! Handeln bemessen (was materialistis! ist und über einen bloßen sozialen Konsens hinausgeht). I! denke an die von Dewey, Peirce und Mead vertretene Philosophie. Glauben Sie, dass dies eine weitere notwenige Voraussetzung für Wahrheit ist, oder halten Sie an einem sozialen Konsensmodell fest1? Anders gefragt: Sehen Sie eine Spannung zwis!en einer pragmatis!en Philosophie, die eine ziemli! materialistis!e Konnotation hat, und modernen Ablegern des sozialen Konstruktivismus, die tendenziell eher idealistis! geprägt sind1? Und was hiervon sollten wir bevorzugen1? KC: I! stehe hier dem Pragmatismus näher, da i! Marx Aussage beip+i!te: „Die Mens!en ma!en ihre eigene Ges!i!te, aber sie ma!en sie ni!t aus freien Stü(en, ni!t unter selbst gewählten, sondern unter unmi"elbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen“ (Marx -.)# [-/3#], S.--3). Diese materialistis!e Betra!tungsweise von Handlung widerspri!t dem in radikalen konstruktivistis!en Si!tweisen gegebenen extremen Individualismus und Solipsismus. Was wissens!a*li!e Wahrheiten auf der Grundlage von Konsens angeht, leugnet dieser Standpunkt ni!t die Bedeutung von Ma!t in der Wissens!a* – teilweise dur! das errungen, was funktioniert – teilweise dur! Ma!t und etablierte Si!tweisen, wie Thomas Kuhn (-.%#) es nahegelegt hat. AP: Glaser würde jedo! argumentieren, dass es mehrere Standpunkte gibt, sie aber alle Teile einer übergreifenden sozialen Wirkli!keit und von Zusammenhangsmustern sind. Er schreibt: „GT is a theory about a conceptualized latent pa"ern – e.,g., cultivating, credentializing, covering, client control, ritual loss ceremonies … etc.
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etc.“ (#$$#, Abs. #%). Und später: „Conceptual reality DOES EXIST. For example, client control is real, cautionary control is real. These processes and a host of others discovered in grounded theory impinge on us every day“ (Abs. &-). Sind Sie mit dieser von Glaser dargelegten Perspektive ni!t einverstanden1? KC: I! denke im Verglei! zu dem, was er vor ein paar Jahren gesagt hat, stellt es einen Forts!ri" dar. Jetzt sagt er, dass es latente Muster gibt und eben ni!t nur manifeste Muster, die analysiert werden müssen. Für mi! ist das ein Forts!ri". -..# ha"e er ges!rieben, man solle seine Fors!ungsteilnehmenden einfa! fragen, was vor si! geht, und sie werden es sagen (Glaser -..#). Naja, ni!t unbedingt. Nun sieht er dies ein. I! denke ni!t, dass alle Muster, über die er spri!t, immer so bedeutsam sind, wie er glaubt. I! denke, dass sie in bestimmten Kontexten wi!tig sind und in anderen ni!t. Man sollte mit ihrer Verallgemeinerung sehr vorsi!tig sein, unabhängig davon, ob man Konstruktivist/in oder Objektivist/in ist. Für mi! sind die latenten Muster also ein Forts!ri". Aber dann muss man si! fragen: Für wen sind sie latent, für wen ni!t, für wen besitzen sie Bedeutung, für wen ni!t1? Er zielt auf Allgemeingültigkeit, ohne notwendigerweise an Variabilität zu arbeiten. Meiner Ansi!t na! will er vereinfa!en, ohne die soziale Welt in ihrer Handlungskomplexität zu sehen. AP: Mein Problem mit dem Konstruktivismus ist, dass seine Vertreter/innen argumentieren, es gebe ni!t unbedingt eine objektive Wirkli!keit, sondern diese sei von den Betra!tenden abhängig, und alles sei Interpretation. Der Konstruktivismus unterstellt jedo!, es sei mögli!, die Si!tweise einer Person, die interviewt wird, genau darzustellen. Ist dies ni!t eine objektivistis!e Behauptung, wenn unterstellt wird, die Wahrheit in Bezug auf eine Si!tweise könne dargestellt werden1? KC: I! denke ni!t, dass Konstruktivist/innen das tun. I! glaube, wir versu!en anzustreben, die Si!tweise einer Person so gut wir können zu verstehen, in dem Wissen, dass wir begrenzt sind. I! glaube hingegen ni!t, dass Objektivist/innen diese Ambiguität des Wissens zulassen. Objektivist/innen betra!ten Daten und ihre eigene Si!tweise im Grunde als unproblematis!. AP: Könnte man ni!t eine Interpretation einer Si!tweise haben, verglei!bar der Interpretation einer sozialen Struktur, eines latenten sozialen Musters oder einer Reihe von Bedingungen1? Warum wird eine Datenart als privilegierter behandelt als andere1? KC: I! denke, dass Si!tweisen immer interpretiert sind, weil die Dinge ausgewählt und einbezogen und Daten gerahmt werden. Man interpretiert immer auf eine gewisse Art. Zum Beispiel, wenn man umfangrei!e Interviewauszüge hat. Man kann es au! auf das herunterbre!en, was jemand hört. Eine Person mag andere Dinge wahrnehmen als eine andere. Dies passiert ziemli! häu0g, wenn Aufzei! nungen gema!t werden. Unters!iedli!e Beoba!ter/innen sehen oder hören unters!iedli!e Dinge. Eines der Risiken der Transkription von Interviews besteht selbstverständli! darin, insbesondere wenn das Transkript ni!t von der Person analysiert wird, die au! das Interview dur!geführt hat, dass eine gelesene
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Aussage anderes verstanden werden kann als im Falle des Hören. Gedru(tes kann anderes vermi"eln als Gespro!enes oder Gehörtes, aber man versu!t, so gut wie mögli! zu verstehen. Meine Meinung zu Genauigkeit ist: Man bemüht si!, aber man stellt immer fest, dass es positionsgebundenes Verstehen und Interpretation ist. AP: In einem neueren Kapitel in der dri"en Auflage des Handbu!s von Denzin und Lincoln spre!en Sie davon, die Grounded-Theory-Methodik für Studien zu sozialer Gere!tigkeit zu nutzen (Charmaz #$$3). Sie wollen „unsi!tbare Strukturen si!tbar“ ma!en und Systemen, Ressourcen, Hierar!ien, Strategien, Bedeutungen und Handeln und derglei!en mehr Bea!tung s!enken. Würden Konstruktionist/in nen Ihnen vorwerfen, dass Sie Moral und soziale Strukturen in einer Weise rei0zieren, dass Sie zu der Objektivistin werden, vor der Sie warnen1? KC: Es hängt davon ab, wie man sie untersu!t und was man tut. I! denke zum Beispiel ni!t, dass „Ressourcen“ einfa! als Tatsa!en einem Beri!t entnommen oder von einem Amtsträger oder einer Organisation benannt werden können. Man muss wirkli! analysieren, was als Ressourcen fungiert, an wel!en Handlungen sie beteiligt sind und mit Bli( auf was immer sie errei!en wollen. I! weiß, dass einige Ethnograf/innen si! au! damit bes!ä*igen. In wel!e Aktivitäten sind Personen involviert, was benötigen sie für dieses Engagement, was kostet es sie1? Wie bekommen sie das, was erforderli! ist oder wie kompensieren sie es1? AP: Was ist mit den Auswirkungen von latenten sozialen Strukturen, die jenseits mens!li!er Wahrnehmung und Begri'sbestimmung liegen, um die herum die Handelnden agieren und aushandeln müssen, ohne dass sie ihnen bewusst sind1? KC: Oder sie werden als selbstverständli! angesehen und die Mens!en bringen sie ni!t zur Spra!e. Nun, i! denke, dass jede gute Soziologin und jeder gute Soziologe immer na! verste(ten Annahmen su!t. Die Vorstellung, etwas zu 0nden, das unter der Ober+ä!e liegt, das unausgespro!en ist, das liminal ist und das bestimmte Positionen anzunehmen geneigt sind, ist, denke i!, für einen konstruktivistis!en Ansatz sehr reizvoll. I! denke ni!t, dass dies notwendigerweise objektivistis! ist; vorauszusetzen, dass es bestimmte Strukturen gibt, wäre objektivistis!. Etwas zu betra!ten hingegen, etwas intensiv zu betra!ten und zu versu!en, latente Dinge aus0ndig zu ma!en, entsprä!e dem sozialen Konstruktionismus und der Grounded-Theory-Methodologie dur!aus. AP: In Ihrem Bu! „Constructing Grounded Theory“ (Charmaz #$$%) spre!en Sie auf Seite 3/ über die Entde(ung bis dahin impliziter Themen, die eine befragte Person explizit ma!t. Sie erklären, dass die Fors!erin oder der Fors!er dann „verstehe“, was vor si! geht, und ihre oder seine Daten in diesem neuen Li!t no!mals ansehen solle. Ist diese Art von Annahme über die Entde(ung impliziter Beziehungen oder Konzepte in den Daten ein weiteres Gleiten in objektivistis!e Annahmen über das Vermögen, eine objektive Wirkli!keit zu entde(en1? KC: Ni!t zwangsläu0g. Es kann bedeuten, dass man nun Themen, Si!tweisen oder Handlungen bestimmt, die man vorher no! ni!t de0niert ha"e. Dieses „Verstehen“ entspringt der Erfahrung und wie man sie konzeptualisiert und ihr
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gegenüber handelt. Die Interaktionen mit den Fors!ungsteilnehmenden und ans!ließend mit den Kodes und Kategorien führen zur De0nition von neuen Hinweisen, die empiris! und analytis! verfolgt werden. Dadur! kann man tiefer in die interpretative Untersu!ung eintau!en. AP: Der Abs! ni" zum theoretis!en Sampling in „Constructing Grounded Theory“ hat mir sehr gut gefallen; i! glaube ni!t, dass i! s!on einmal gesehen habe, dass das Thema auf diese Weise behandelt wurde: Fors!ende „sampeln“ Konzepte, und ni!t Personen, entlang demogra0s!er Merkmale. KC: Dieses Argument wurde bisher ni!t vorgebra!t, nein, i! glaube ni!t, dass dies zuvor s!on in dieser Weise dargestellt wurde. AP: Sie sagen s!on früh, dass die konstruktionistis!e Betra!tungsweise davon ausgeht, dass man die Fors!ung mit vielen Annahmen und Si!tweisen beginnt, die ni!t völlig ausgeblendet werden können; Fors!ende sind keine tabula rasa. Und Sie sagen, dass man versu!en solle, si! eigener Annahmen, die in die Fors!ung eingehen, bewusst zu sein. Auf der anderen Seite sagen Sie jedo!, und dies mehr im Einklang mit der traditionellen GTM wie der von Glaser und Strauss (-.%)), man solle erst Literatur si!ten, wenn der Großteil der Fors!ung abges!lossen ist. I! frage mi!, ob es ni!t eine gute Idee wäre, na! theoretis!en Konzepten zu sampeln, mögli!erweise begleitet von Bibliotheksbesu!en, wenn man theoretis! sampelt und Dinge in den Daten zum Vors!ein kommen, die weniger auf Mens!en per se und eher auf Konzepte verweisen. KC: Nun, i! habe immer gesagt, dass die Bibliothek großartige Quellen für Verglei!e und Material zum Sampeln liefern kann. Und i! halte, wie i! am Anfang des Bu!es vermerkt habe, die Vorstellung, dass wir unsere Untersu!ungen als tabula rasa beginnen, für ausges!lossen. Jene, die völlig unerfahren auf ihrem jeweiligen Gebiet sind, waren si!er keine wirkli! guten Student/innen. Aber man kann an die Fors!ung o'en herangehen. I! denke, hier ist das Konzept des „theoretis!en Agnostizismus“, das Karen Henwood und ihr Partner Ni( Pidgeon anbieten, sehr nützli!: Man versu!t, Dinge, rü(greifend auf eine Reihe von Theorien die man kennt, theoretis! zu betra!ten, und überlegt, wel!e für die je vorliegenden Daten nützli! sein könnten (Henwood & Pidgeon #$$&). I! komme hier also Barney Glasers Konzeption von theoretis!en Kodes ziemli! nahe, aber diese können den Daten au! aufgezwungen werden. Das Konzept des „theoretis!en Agnostizismus“ ist ziemli! gut, weil man die Fors!ung mit Zweifeln beginnt und na! irgendeiner interessanten Kategorie oder einem Fund su!t, was mit Abduktion oder abduktivem Denken im Einklang steht. Dann erkundet man und überprü* wieder, ob die Kategorie Bestand hat. I! denke, das ist wirkli! interessant. Also ja, i! denke, für das theoretis!e Sampling sind einige e!te Kategorien erforderli!, bevor man sampelt. I! habe gerade neuli! gelesen, dass eine Autorin oder ein Autor behauptet hat, repräsentatives Sampling sei theoretis!es Sampling. Also nein, das ist es ni!t. Das ist einfa! ein populationsbezogenes Sampling. Zum Beispiel si! darüber klar zu werden, dass im ersten Sample mehr Männer als Frauen sein sollten, um eine
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Thematik zu untersu!en, die Männer anders betre'en könnte. Das ist eine gute Idee, aber es ist ni!t theoretis!es Sampling. Beim theoretis!en Sampling geht es um die Konzepte und Kategorien, die man entwi(elt, und um deren Überprüfung. AP: Also sagen wir, na! einem ersten Feldzugang stellt man fest, dass es dort ein Thema gibt, das um Status und Identität kreist. Ist es an diesem Punkt vertretbar, in die Bibliothek zu gehen und einen Berg Literatur über Status und Identität zu sampeln mit dem Ziel, Elemente dieses Konzepts zu entde(en, die helfen könnten, die weitere Untersu!ung im Feld zu berei!ern, beispielsweise in Bezug auf die Dinge, na! denen man su!t1? Könnte das Sampling von Konzepten zu einer Thematik helfen, die theoretis!e Sensibilität zu erhöhen1? KC: Also, i! würde sagen, man sollte so o* wie mögli! ins Feld zurü(gehen und die eigenen Ideen überprüfen, bevor man in die Bibliothek geht. Man! mal 0ndet man in der Bibliothek sowieso ni!t, wona! man su!t. Ein Beispiel: I! entde(te im Verlauf meiner Fors!ung zu !ronis!er Krankheit, dass Zeit „auseinander0el“, wenn die Mens!en si! stark erholten. I! ha"e wirkli! Bedenken, zurü(zugehen und die Interviewten na! ihren Erfahrungen zu fragen, weil es so esoteris! ist und es keine Spra!e gibt, um zu thematisieren, wie wir über Zeit na!denken. Wir haben einfa! bislang die Spra!e, insbesondere in der Alltagsspra!e ni!t, um das mögli!st weitgehend zu artikulieren. I! habe also mit mehreren Personen gespro!en, und da sagte diese eine Frau zu mir: „Ja, irgendwie, sie 0el auseinander – wie ein Augenbli(1!“ Sie verstand sofort, worauf i! hinauswollte, das war wirkli! interessant. I! glaube ni!t, dass i! es in der Literatur gefunden hä"e. I! habe es in Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ (-.)& [-.#4]) entde(t, darin steht viel über Zeit, aber zum Zeitpunkt meiner Fors!ung ni!t in der soziologis!en oder sozial-psy!ologis!en Literatur über Zeit. AP: Nun, denken Sie, dass es Ihnen geholfen hä"e, bestimmte Fragen im Feld zu stellen und na! bestimmten Informationen zu su!en, die theoretis! ergiebig gewesen wären, wenn Sie die Theorie über Zeit von G.,H. Mead (-.) gelesen hä"en1? KC: Für diejenigen, die si! zwis!en Theorien und Literatur bewegen können und dann zurü( zu den Daten gehen, mit dieser lei!ten Skepsis und au! mit Interesse und Neugierde: Ja. Es gibt allerdings immer das Problem, dass versu!t wird, etwas einfa! nur anzuwenden. I! denke, Glaser hat darauf eher überreagiert, in der Annahme, dass Studierende Theorien aus der Literatur einfa! auf ihre eigenen Beoba!tungen anwenden würden. Aber i! glaube, dass es mögli! ist, si! hin und her zu bewegen. I! glaube ni!t, dass viele sol! einen spieleris!en Umgang mit Theorien p+egen, das muss erst entwi(elt werden. AP: I! glaube, dass dies ein Problem ist, das viele Fors!ungsprojekte betri2, die im Grounded-Theory-Stil gestaltet sind: Es kann zu deskriptiv werden, es gibt ni!t viel theoretis!es Material, die Ergebnisse sind häu0g zu o'ensi!tli!, und es besteht die Gefahr, dass das Rad immer wieder neu erfunden wird, ohne es zu merken. Wie sehen Sie den Versu!, Untersu!ungen stärker theoretis! fundiert zu gestalten1?
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KC: Nun, das ist etwas, dem jetzt wirkli! mein Interesse gilt. I! denke, dass wir in der ganzen Soziologie mehr stärker theoretis! fundierte, qualitative Arbeiten brau!en. Wir müssen uns über Deskription hinausbewegen. Deskription ist s!ön und gut, aber i! glaube, dass wir mehr als das zustande bringen können. AP: Was würden Sie jemandem wie Joan Huber (-.)&) antworten, die sagen würde, dass jede Art von si! entwi(elndem Sample von Natur aus verzerrt ist dur! die Launen der Fors!enden, die gezielt Fälle auswählen, die das jeweilige Konzept stützen, mit dem sie arbeiten1? Das bedeutet, dass Fors!ende dur! das si! entwi(elnde Sampling s!li!t das 0nden, wona! au! immer sie im Feld su!en und das ignorieren, was die Theorie ni!t bestätigt. Außerdem bedeutet das Fehlen einer systematis!en Zufallssti!probe, dass man den Ergebnissen ni!t trauen kann, da es keine Mögli!keit gibt, die Verallgemeinerbarkeit auf die Grundgesamtheit zu beurteilen. Andere Empiriker/innen könnten behaupten, dass die einzige Mögli!keit, eine Theorie si!er zu prüfen, darin besteht zu s!auen, ob sie innerhalb einer systematis!en Sti!probe, die verallgemeinerbare Überprüfungen erlauben würde, Bestand hat. Ohne verallgemeinerbare Sti!probe und ohne Transparenz des Fors!ungsprozesses, der von Skeptiker/innen genau überprü* werden könnte, ist die GTM daher keine wissens!a*li!e Methode. Wie lautet Ihre Antwort auf Vorwürfe dieser Art1? KC: I! glaube, dies ist ein sehr gängiger Vorwurf vonseiten quantitativ orientierter Wissens!a*ler/innen, die qualitative Fors!ung kritisieren. I! denke, diese Kritiker/innen sehen ni!t die Stärken der Grounded-Theory-Methodologie und die Art von Tiefe, die sie errei!en kann. Wenn man die Mögli! keit hat, irgendwel!e na!vollziehbaren Tests dur!zuführen, die man jeder und jedem geben kann, dann wird das Resultat wahrs!einli! ziemli! deskriptiv, ziemli! begrenzt und ziemli! atheoretis! ausfallen. Darin liegt ni!t mein Interesse. Der Vorstellung der Emergenz ist für mi! eine der größten Stärken der qualitativen Fors!ung überhaupt und eine eindeutige Stärke der Grounded-Theory-Methodik, daher würde i! dem sehr widerspre!en. I! glaube, dass häu0g ein Kriterium anlegt wird, das für andere Arten von Fors!ung sinnvoll, aber für qualitative Fors!ung ni!t brau!bar ist. Es gibt andere Kriterien, die viel wi!tiger sind. AP: In ähnli!er Weise wir* John Goldthorpe (#$$$) qualitativ Fors!enden vor, sie glaubten, dagegen gefeit sein, auf strenge Art und Weise eine Sti!probe ziehen zu müssen, aber sie seien ni!t mehr als quantitative Fors!er/innen von der Erfordernis entbunden, systematis! Sti!proben zu ziehen. Wir verwenden den Begri' der theoretis!en Sä"igung als Begründung für ein adäquates Sample, aber er würde sagen, dass dies inadäquat ist. Nur weil wir qualitativ fors!en, sind wir – was das Thema systematis!e Sti!probenziehung angeht – ni!t zwangsläu0g aus dem S!neider. KC: Ja, i! würde genau das sagen und zwar ziemli! deutli!. I! habe in vielen Zusammenhängen gesagt, dass i! denke, theoretis!e Sä"igung ist etwas, das proklamiert wird. I! glaube, im Glossar erkläre i!, dass i! theoretis!e Sä"igung
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ni!t notwendigerweise befürworte, aber i! versu!e, mi! so weit mögli! an bestehende Arbeitsde0nitionen zu halten. I! erwähne dieses Problem in dem Kapitel über das theoretis!e Sampling: I! denke, dass dieses Konzept häu0g eine bloß rhetoris!e Funktion erfüllt, es wird genutzt, um ein sehr dünnes Sample zu legitimieren. AP: Goldthorpe würde sagen, dass wir Fors!ungsstrategien anwenden sollten, die viele Fors!er/innen einbinden, die Daten in unters! iedli!en Städten erheben, und dass wir traditionelle statistis!e Methoden für Sti!proben nutzen sollten, um die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse zu erhöhen. KC: Naja, wie gesagt: I! spre!e mi! meist gegen repräsentative Sti!proben aus, sofern sie ni!t für das spezielle Problem notwendig sind, das untersu!t werden soll. I! denke, es ist ein guter Ausgangspunkt: Wenn man weiß, dass das zu untersu!ende Phänomen hauptsä!li! Männer betri2, dann ist es wunderbar, ein Sample mit mehr Männern als Frauen zu haben, und gegebenenfalls mehr älteren Männern, wenn si! zeigen sollte, dass sie stärker betro'en sind. Aber für mi! ist dies ein Ausgangspunkt, kein S!lusspunkt. Das Kapitel über theoretis!es Sampling (Charmaz #$$%, S..%–-##) ist interessant, da i! Jane Hood interviewe, die i! immer s!on für eine Person gehalten habe, die es verstanden hat; i! greife auf eine ältere, bedeutende Grounded-Theory-Studie zurü(, die sie dur!geführt hat. Es ist sehr s!wer, jemanden zu 0nden, die oder der wirkli! die eigenen Methoden expliziert. Jane Hood hat eine zahlenmäßig sehr kleine Untersu!ung dur!geführt, die aber sehr fundiert ist. Sie hat über se!s bis sieben Jahre vers!iedenste Daten gesammelt, und i! 0nde ihre Logik sehr interessant. Es hat eine meiner feministis!en Guta!terinnen gestört, da sie fand, es sei überholt und sexistis!, die Ents!eidung verheirateter Frauen zu untersu!en, wieder arbeiten zu gehen. Und sie fand, dies lasse lesbis!e Paare außer A!t – was es tut: Die Untersu!ung konzentrierte si! nur auf verheiratete Paare. Jane ma!t das ziemli! klar. Aber i! glaube, Sie werden das interessant 0nden. I! 0nde es interessant. AP: Was ist mit Versu!en, die Daten ö'entli! verfügbar zu ma!en, damit andere das Transkript und derglei!en ans!auen können in dem Bestreben, die Daten und den Fors!ungsprozess transparenter zu gestalten1? KC: In den Vereinigten Staaten geht das ni!t, weil man Vertrauli!keit und Anonymität zusi!ert, um die Fors!ung betreiben zu können. Einige meiner Fors!ungsteilnehmer/innen haben si! gesorgt, ihre ganzen Ges! i!ten könnten o'engelegt werden. Der narrative Ansatz legt den S!werpunkt auf die Biogra0e der Person und wertet diese aus. Ni!t jede Person mö!te so lei!t erkennbar sein. Selbst wenn man versu!t, die Identitäten geheim zu halten, rei!en ein paar Charakteristika, um eine Person für jemanden identi0zierbar zu ma!en, die oder der weiß, über wen man spri!t. Und man!mal kann man si! bei der Identi0zierung natürli! irren. I! habe einmal ein Paper über !ronis!e Krankheit präsentiert, und ein Kollege aus Illinois hebt seine Hand und fragt: „Haben Sie meine Cousine
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Glenda interviewt1?“ (la!t).6 I! habe geantwortet, dass i! seine Cousine ni!t interviewt habe. Er ha"e also eine der Personen in meinem Paper identi0 ziert, die si! „genau wie Glenda angehört“ ha"e, aber sie war es ni!t. In den Vereinigten Staaten kann man wirkli! ni!t alles transparent ma!en. Die Memos, die Interviewtranskripte insbesondere, sind zu lei!t identi0zierbar. Wegen der mögli!en Verletzung der Anonymität kann i! bere!tigterweise ni!t einmal ganze Interviewtranskripte für Lehrzwe(e nutzen. AP: Der symbolis!e Interaktionismus s!eint in letzter Zeit unters!iedli!e Ri!tungen einzus!lagen. Dies kann Auswirkungen darauf haben, wie innerhalb dieser Tradition in Zukun* gefors!t wird. David Maines (#$$-) beispielsweise mö!te die Tradition in Ri!tung des Mainstreams rü(en und sie ans!lussfähiger für andere Ansätze ma!en. Demgegenüber mö!te Norman Denzin (-..)) sie näher an die Cultural Studies und den Postmodernismus heranbringen. Wie stehen Sie zu diesen Trends1? KC: Nun, worauf Sie abheben ist, dass es eine Zerspli"erung gibt. Wir spre!en ni!t mit einer Stimme. Im symbolis!en Interaktionismus gibt es vers! iedene Trends, vers!iedene Gemeins!a*en, die si! um bestimmte Ansätze sammeln. I! glaube, David Maines (#$$-) liegt ziemli! ri!tig damit, dass der symbolis!e Interaktionismus in vielerlei Hinsi!t Teil des Mainstreams geworden ist, vielen ist dies allerdings ni!t unbedingt bewusst. I! denke, dass es sehr wi!tig ist, dass Ihre Generation Pragmatismus und symbolis!en Interaktionismus weiterführt, weiter in die Zukun*. I! denke, für diejenigen, die von symbolis!en Interaktionist/innen ausgebildet wurden, ist es ist wi!tig, in ihren S!ri*en diese Tradition zu vermitteln und an ihre Studierenden weiterzugeben. Wenn man diesen Hintergrund hat, wenn man bei Leuten studiert hat wie i! bei Anselm Strauss, wirkt si! dies darauf aus, wie man die Welt und au! die Literatur im eigenen Fa!gebiet betra!tet. Es beein+usst die eigenen Interpretationen. I! würde ein stabiles, pragmatis!es Fundament für den symbolis!en Interaktionismus mit Personen, die in dieser Tradition gearbeitet haben, sehr begrüßen. Und i! würde dies einem Ass aus Harvard vorziehen, der den symbolis!en Interaktionismus auf seine eigene Weise wiederentde(t, ohne den Hintergrund zu haben, ohne die Einbli(e zu haben, die davon herrühren würden, der Tradition ausgesetzt gewesen zu sein. I! merke, dass etli!e Studierende auf eigene Faust etwas über symbolis!en Interaktionismus lernen mussten. Dies ist teilweise so, weil es in ihrem Gebiet niemanden gegeben hat, die oder der in dieser Perspektive verwurzelt ist. In dem Kapitel, das i! für die dri"e Auflage des „Handbook of Qualitative Resear!“ ges!rieben habe, plädiere i! dafür, zur Tradition des Pragmatismus zurü(zukehren und auf diesem pragmatis!en Fundament aufzubauen (Charmaz #$$3), insbesondere auf den interpretativen und au! den demokratis!en Aspekten. I! glaube, dass Poststrukturalist/innen, indem sie den
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Der Name ist ein Pseudonym.
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symbolis!en Interaktionismus weiter in Ri!tung Cultural Studies tragen, lei!t ein Teil dieses Fundaments verlieren können. Das ist eine Sorge. AP: Was ist Ihre Haltung zu dem Vors!lag von Ulmer und Wilson (#$$&), man solle statistis!e Umfragedaten nutzen, um interaktionistis!e Konzepte zu testen1? KC: I! stimme David Maines dahingehend zu, dass viele S!ri*en des symbolis!en Interaktionismus s!on immer quantitativ gewesen sind. Diejenigen, die qualitativ arbeiten, sehen das ni!t immer, weil diese quantitativen Fors!er/innen häu0g ni!t zur Society for the Study of Symbolic Interaction gehören und tendenziell in anderen Zeits!ri*en publizieren. Aber es kann gut sein, dass sie den symbolis!en Interaktionismus als Hintergrund nutzen. I! denke, dass Ulmer und Wilson (#$$&) Re!t damit haben, dass es in diesem Berei! Platz für Umfragefors!ung gibt. Beides könnte si! viellei!t in bestimmten Projekten gegenseitig ergänzen, sta" zu konkurrieren. Der S!ri" hin zu Mixed Methods würde den interpretativen symbolis!en Interaktionismus und die objektivistis!e symbolis!-interaktionistis!e Umfragefors!ung in einem gemeinsamen Projekt näher zueinander bringen. Das könnte dur!aus sinnvoll sein. I! bin also bestimmt ni!t auf irgendeine Weise dagegen. AP: Integrationsansätze stören Sie also ni!t1? KC: Nein, ni!t unbedingt. I! bin auf diesem Gebiet keine Expertin, und i! mö!te es au! ni!t bearbeiten. Aber i! sehe de0nitiv den mögli!en Nutzen des symbolis!en Interaktionismus für Fragebögen und für Umfragefors!ung. Mit unserem S!werpunkt auf Bedeutung und Formulierung usw. könnten wir der Umfragefors!ung eine Menge nutzen. AP: Gibt es no! etwas, das Sie gerne sagen würden1? KC: Für die Grounded-Theory-Methodologie sehe i! in der Zukun* großartige Mögli!keiten. I! ho'e, dass diese Mögli!keiten in der Soziologie und darüber hinaus genutzt werden. Literatur Bryant, Antony & Charmaz, Kathy (Hrsg.) (#$$)). Handbook of grounded theory. London: Sage. Charmaz, Kathy (-./$). The social reality of death. Reading, MA: Addison-Wesley. Charmaz, Kathy (-..-). Good days, bad days: The self in chronic illness and time. New Brunswick, NJ: Rutgers University Press. Charmaz, Kathy (#$$$). Grounded theory methodology: Objectivist and constructivist qualitative methods. In Norman K. Denzin & Yvonna S. Lincoln (Hrsg.), Handbook of qualitative research (#. Aufl., S.3$.–3&3). Thousand Oaks, CA: Sage. Charmaz, Kathy (#$$3). Grounded theory in the #-st century: Applications for advanced social justice studies. In Norman K. Denzin & Yvonna S. Lincoln (Hrsg.), Handbook of qualitative research (&. Aufl., S.3$)–3&3). Thousand Oaks, CA: Sage. Charmaz, Kathy (#$$%). Constructing grounded theory: A practical guide through qualitative analysis. London: Sage.
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Charmaz, Kathy & Paterniti, Debora A. (Hrsg.) (-...). Health, illness, and healing: Society, social context, and self. Los Angeles: Roxbury. Charmaz, Kathy; Howarth, Glennys & Kellehear, Allan (Hrsg.) (-..)). The unknown country: Death in Australia, Britain and the U.-S.-A. London: McMillan. Corbin, Juliet M. & Strauss, Anselm L. (#$$/). Basics of qualitative research: Techniques and procedures for developing grounded theory (&. Aufl.). London: Sage. Denzin, Norman (-..)). Interpretive ethnography: Ethnographic practices for the %#st century. Thousand Oaks, CA: Sage. Gar0nkel, Harold (-.%)). Studies in ethnomethodology. Englewood Cli's, NJ: Prentice Hall. Glaser, Barney G. (-..#). Basics of grounded theory analysis. Mill Valley, CA: The Sociology Press. Glaser, Barney G. (#$$#) Constructivist grounded theory1?. Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research, '(&), Art. -#, h"p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:$--4fqs$#$&-#3. Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (-.%)). The discovery of grounded theory. Chicago, IL: Aldine. Goldthorpe, John (#$$$). On sociology: Numbers, narratives and the integration of research and theory. Oxford, UK: Oxford University Press. Gubrium, Jaber & Charmaz, Kathy (Hrsg.) (-..#). Aging, the self, and community. Greenwich, CT: JAI Press. Henwood, Karen & Pidgeon, Nicholas (#$$&). Grounded theory in psychological research. In Paul M. Camic, Jean E. Rhodes & Lucy Yardley (Hrsg.), Qualitative research in psychology: Expanding perspectives in methodology and design (S.-&-–-33). Washington, DC: American Psychological Association. Huber, Joan (-.)&). Symbolic interaction as a pragmatic perspective: The bias of emergent theory. American Sociological Review, '/, #)/–#/4. Kuhn, Thomas (-.%#). The structure of scienti(c revolutions. Chicago: University of Chicago Press. Maines, David (#$$-). The faultline of consciousness: A view of interactionism in sociology. New York, NY: Aldine de Gruyter. Mann, Thomas (-.)& [-.#4]). The magic mountain. New York, NY: Alfred A. Knopf. Marx, Karl (-.)# [-/3#]). Der a!tzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. In Karl Marx & Friedri! Engels, Marx-Engels-Werke, Band / (S.---–#$)). Berlin (Ost)/DDR: Dietz. Mead, George Herbert (-.). Philosophy of the present. LaSalle, IL: Open Court Press. Strauss, Anselm & Corbin, Juliet (-../). Basics of qualitative research: Grounded theory procedures and techniques (#. Aufl.). Thousand Oaks, CA: Sage. Ulmer, Je'rey & Wilson, Mindy (#$$&). The potential contributions of quantitative research to symbolic interactionism. Symbolic Interaction, %+(4), 3&-–33#.
„Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt.“ Zur Begründung der Situationsanalyse Adele E. Clarke im Gesprä! mit Reiner Keller
Zum Interview: Das na!folgende Interview wurde zwis!en Dezember "#$# und Februar "#$$ in Form eines E-MailAustaus!es geführt. Anlass dafür war die im Sommer "#$$ anstehende deuts!spra!ige Verö%entli!ung des "##& ers!ienenen Bu!es „Situational Analysis“ von Adele E. Clarke [deuts!er Titel: „Situationsanalyse“]. Aufmerksam auf die „Situational Analysis“ wurde i! dur! eine – wie sollte es heute anders sein – Re!er!e im Internet. Die eingegebenen Su!begri%e waren „Symbolis! er Interaktionismus“ und „Foucault“, denn, wie Stuart Hall s!rieb: „Heutige Kommentare betonen ni!t nur die Brü!e und Paradigmenwe!sel, sondern au! die Ähnli!keiten und Kontinuitäten zwis!en älteren und neueren Traditionen: beispielsweise zwis!en Webers klassis!er interpretativer ‚Soziologie der Bedeutung‘ und Foucaults Betonung des ‚Diskursiven‘.“ (Hall "##" [$''(], S.$$$)1 Hinter dieser zunä!st viellei!t ungewöhnli! anmutenden Kombination verbirgt si! mein eigenes Theorie- und Fors!ungsinteresse an der Zusammenführung interpretativer und sozialkonstruktivistis!er Traditionen mit Foucaults!en Konzepten und Ideen. Der daraus hervorgegangene, in den Jahren $'''–"##) formulierte Vors!lag zu einer wissenssoziologis! fundierten sozialwissens!a*li!en Diskursfors!ung, die si! für gesells!a*li!e Wissensverhältnisse und Wissenspolitiken interessiert – die „Wissenssoziologis!e Diskursanalyse“ (Keller "#$$ ["##&]) – ers!ien als Bu! im selben Jahr wie die „Situational Analysis“. Während i! selbst mi! darum bemühe, dur! die Integration Foucaults!er Überlegungen und Konzepte in die Wissenssoziologie we!selseitige Stärken und S!wä! en der Paradigmen im Hinbli+ auf die Analyse gesells! a*li! er Wissensverhältnisse auszuglei!en, entwi+ elt Adele E. Clarke in ihrem Bu! u.,a. mit Hilfe Foucaults einen weitrei!enden Ansatz zur Entgrenzung der ursprüngli!en Grounded-Theory-Methodologie (GTM) hin zu einer umfassend ansetzenden „Analyse von Situationen“ – der alten, ungebro! en aktuellen Idee der frühen Chicagoer Soziologie. Im Verglei! der beiden Bü!er tri- deutli! ein gemeinsames Anliegen hervor: unter dem Eindru+ einer bestehenden und na!teiligen „Engführung“ der qualitativen Sozialfors!ung auf Fragen der Mikroebene eine theoretis!e Perspektive und ein analytis! es Vokabular zur Einholung gesells!a*li!er Meso- und Makroebenen zu formulieren, bei dem der Begri% des Diskurses eine zen-
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Die Netzsu!e ergab damals einige weitere Tre"er: Neben einem mir s!on länger bekannten Artikel von Brian Castellani (#$$$) über „Foucault und den Symbolis!en Interaktionismus“, auf den si! Adele E. Clarke ebenfalls bezog, gehörte dazu au! der Beitrag der britis!en Soziologinnen Stevi Ja%son und Sue Sco& über weibli!es doing orgasm, der inzwis!en in überarbeiteter Form in deuts!er Spra!e ers!ienen ist, und in dem es den Autorinnen darum geht, die empiris!-analytis!e Stärke der symbolis!-interaktionistis!en Tradition gegenüber den Versu!en ihrer „poststrukturalistis!en Verabs!iedung“ deutli! zu ma!en (Ja%son & Sco& '(##).
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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„Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt“
trale Rolle spielen soll. Au! wenn dieses Vorhaben unters!iedli! bearbeitet wird, so .nden si! do! zahlrei!e Parallelen und natürli! viele Anknüpfungspunkte, die es zukün*ig weiter auszuloten gilt. Im na!folgenden Interview steht die Situationsanalyse im Vordergrund, aber au! der (biogra.s!e) Weg und wissens!a*li!e Kontext von Adele E. Clarke, die diesem Ansatz zugrunde liegen. 2
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„Na! Hause kommen“ oder: der Weg in die Grounded-Theory-Methodologie
RK/3: Bevor wir genauer auf die Situationsanalyse eingehen, mö!te i! Sie gerne zu Ihrem biogra)s!en und wissens!a*li!en Hintergrund befragen. Könnten Sie uns dazu zunä!st etwas über Ihren Weg zur Grounded-Theory-Methodologie erzählen+? Wie sind Sie in dieses Feld der Sozialwissens!a*en und der Sozialfors!ung eingestiegen+? Was hat Sie daran fasziniert+? AC: Da i! in den szientistis!en #$,(er Jahren studiert habe, bin i! mit qualitativer Fors!ung nur sehr sehr wenig in Berührung gekommen. Aber am New Yorker Barnard College bra!te uns Renee Fox dazu, Laura Bohannans Bu! „Return to Laughter“ (#$-,) zu lesen. Darin geht es um die Dur!führung ethnogra)s!er Fors!ung, und i! war davon begeistert. An der New York University, wo i! meinen Master in Soziologie ma!te, wurden wir nur in Statistik und in Umfragefors!ung ausgebildet. Do! Eliot Freidson lud Howard Be%er zu einer Konferenz ein, und wir lasen qualitative Studien. In meinem Job in der Umfragefors!ung )el mir auf, dass die Antworten auf die o"enen Fragen einfa! in den Aktens!rank gestellt wurden. Niemand wusste, was man damit ma!en sollte. I! ha&e die Interviews dur!geführt und deswegen trieb mi! das irgendwie um. Zehn Jahre später wollte i! meinen Doktor in Soziologie ma!en und su!te na! einem Studienangebot, dur! das i! mi! auf qualitative Fors!ung, Medizinsoziologie und Frauengesundheitsfors!ung spezialisieren konnte. Eine ungemein großzügige Kollegin von der Sonoma State University, Kathy Charmaz, verwies mi! an die University of California in San Francisco (UCSF), und zwar an Anselm Strauss und Ginnie Olesen. #$.(, mit meinem Eintri& in die UCSF als Studentin, kam i! endli! in intellektueller und methodologis!er Hinsi!t „na! Hause“ – zum Symbolis!en Interaktionismus und zur Grounded-Theory-Methodologie (Clarke & Star #$$.). Als Studentinnen verfolgten wir unsere eigenen Fors!ungsprojekte, vom Design bis zur Abs!lusspräsentation, und das in einer herausragenden Fakultät: Ginnie Olesen und Lenny S!atzmann lehrten Feldfors!ung, während Anselm mit qualitativen Analysen in kleinen Arbeitsgruppen ans! loss. Wir lasen und 2
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Es handelt si! um die gekürzte Fassung eines längeren Interviews, das im Herbst '(## in Forum Qualitative Sozialfors!ung/Forum: Qualitative Social Resear! (h&p://www.qualitative-resear!.net/) im englis!en Original ers!einen soll. Übersetzung aus dem amerikanis!en Englis!: Reiner Keller. Für zusätzli!e Literaturhinweise vgl. h&p://www.situationsanalysis.com/. Im Folgenden Reiner Keller = RK, Adele E. Clarke = AC.
Adele E. Clarke im Gesprä! mit Reiner Keller
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kommentierten sogar Kapitel aus Anselms Manuskript für sein Bu! „Qualitative Analysis for Social Scientists“ (Strauss '((/ [#$./]), das in der Tat Transkriptionen einiger unserer Gruppensitzungen enthält. Die GTM )ng an, mir in Fleis! und Blut überzugehen. Mein weiter unten no! erwähntes Promotionsprojekt verband meine diesbezügli!en Interessen und hielt sie s!ri*li! fest. RK: Aber bei Ihnen spielen au! Bezüge zum Feminismus eine wi!tige Rolle. War das ebenfalls ein Thema an der UCSF+? AC: Als i! Studentin an der UCSF wurde, ha&e i! bereits einige Jahre lang Womens Studies gelehrt und kam mit einer starken feministis!en Sensibilität für Fragen der Methode und natürli! au! der Inhalte an. In Anselms Theoriekurs traf i! glei! zu Beginn (Susan) Leigh Star, und kurz dana! waren wir in einer S! reibgruppe für qualitativ Fors!ende, zu der au! Kathy Charmaz und einige andere gehörten. Leighs lange und von Angstgefühlen begleitete Reise, die sie s!ließli! hin zu Anselm und der GTM führte, war wie ein E!o meiner eigenen Erfahrungen (Star '((/). Darum waren wir beide so unendli! dankbar dafür, nun eine intellektuelle Heimat zu )nden. Wir stützten uns we!selseitig #$$, bei der Gedenkfeier anlässli! von Anselms Tod, und als sie '(#( starb, starb au! ein Stü% von mir mit ihr. Wir teilten ein gemeinsames, tiefes Verständnis der Grounded-Theory-Methodologie als einem in irgendeiner Weise immer s!on feministis!en Ansatz (Clarke '((,). Und wir führten quälende Diskussionen über Anselms und Barney Glasers Mangel an au! nur einem Hau! von Ideen des Feminismus, über die i! seitdem ein paar Mal ges!rieben habe (Clarke '((.). Na!dem i! meinen PhD absolviert ha&e, arbeitete i! mit Ginnie Olesen an einem großen Women’s Health-Projekt. Daneben lehrte i! an der UCSF in Studiengängen zur Soziologie und zur Ges!i!te der Gesundheitswissens!a*en, und bekam dann eine Postdoc-Stelle in Organisationssoziologie an der Stanford University bei Ri!ard Sco&, einem wirkli! großmütigen Mentor. Zu meiner ziemli!en Überras!ung wurde i! #$.$ auf die Stelle von Anselm Strauss an der UCSF eingestellt, als er im Alter von /( Jahren in Rente gehen musste. Glü%li!erweise haben wir heute keine sol!en altersdiskriminierenden Vors!ri*en mehr. I! habe gerade meine Autobiogra)e fertiggestellt, die den Rest dieser Ges!i!te erzählt, als Teil einer Serie, die regelmäßig in den Studies in Symbolic Interaction ers!eint. RK: Haben Sie dann mit der ursprüngli!en Grounded-Theory-Methodologie bzw. ihrer Fassung bei Anselm Strauss gearbeitet+? Und wenn ja, was waren Ihre Themen+? AC: I! habe bei Anselm mit der klassis!en GTM begonnen, das war in meinem Promotionsstudium. Dann gab es zwei Hauptstränge in meinen Projekten, die beide sehr „Anselmianis!“ waren. Erstens habe i! seine Perspektive auf die Soziologie der Arbeit auf das Gebiet der Untersu!ung wissens!a*li!er Praktiken übertragen. Mir ging es dabei um das Handeln von Reproduktionswissens!a*ler/ innen – also darum, was sie tatsä!li! ma!ten. Seit #$./ habe i! dazu verö"entli!t, wie sie den Zugang zu Fors!ungsmaterial organisieren und aufre!terhalten.
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„Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt“
Zusammen mit Joan Fujimura habe ich #$$' ein Buch mit dem Titel „The Right Tools for the Job: At Work in Twentieth Century Life Sciences“ herausgegeben (Clarke & Fujimura #$$'). Das wurde au! ins Französis!e übersetzt. Monica Casper und i! führten au! eine klassis!e Grounded-Theory-Analyse des Pap-Testes dur! – das ist ein Abstri! im Gebärmu&erhals, der zur Früherkennung von Gebärmu&erkrebs eingesetzt wird; darin konnten wir u.0a. zeigen, wie das „fals!e Werkzeug für diese Aufgabe“ zum „ri!tigen Werkzeug“ wurde. Und i! bin gerade dabei, einen Artikel zusammen mit Carrie Friese zu s!reiben, in dem wir die Art der Arbeit am Material, wel!e die Reproduktionswissens!a*ler/innen Mi&e des '(. Jahrhunderts praktizierten, mit dem heutigen Klonen gefährdeter Arten in Zoos verglei!en. Der zweite S!werpunkt meiner Arbeiten im Rahmen der klassis!en GTM s!loss an das Konzept der sozialen Welten/Arenen an und ri!tete es auf die Entstehung von Wissens!a*sdisziplinen. Anselm ha&e gerade angefangen, dazu zu verö"entli!en. I! begann damit #$.( und arbeite au! heute no! daran. Mein #$$. ers!ienenes Bu! „Disciplining Reproduction: Modernity, American Life Sciences and the ‚Problems of Sex‘“ ist bu!stäbli! dur! die Theorie sozialer Welten organisiert (Clarke #$$.). Das Bu! nimmt zwei Berei!e in den Bli%. Für jeden habe i! ein Kapitel ges!rieben, das si! direkt mit der Reproduktionswissens!a* bes!äftigt; und dazu jeweils ein zweites Kapitel über die für diese Wissens!a* wi!tigste ni!t-wissens!a*li!e Welt. In der Entstehungsphase der Disziplin ging es hier um die hauptsä!li!e Finanzierungsquelle. In der Phase der Stabilisierung waren das die Bewegungen zur Geburtenkontrolle bzw. zur Kontrolle des Bevölkerungswa!stums, die als Märkte in Frage kamen. Leigh Star, Joan Fujimura und i! bra!ten damit die Analyse von sozialen Welten/Arenen in das Feld der sozialwissens!a*li!en Wissens!a*s-, Te!nik- und Medizinfors!ung (vgl. zum Überbli% Clarke & Star '((.). 2
Die Bedeutung der sozialen Welten/Arenen
RK: Im deuts!spra!igen Raum ist die „klassis!e“ Grounded-Theory-Methodologie insbesondere entlang der Arbeiten von Glaser und Strauss, später dann von Strauss bzw. Strauss und Corbin rezipiert worden. Das Konzept der sozialen Welten/ Arenen dagegen wird bislang – so ist zumindest mein Eindru% – sehr viel weniger bea!tet; dies gilt wohl au! für die neueren Entwi%lungen des Symbolis!en Interaktionismus und der Chicago Tradition. Worin sehen Sie die Bedeutung der „sozialen Welten/Arenen“+? AC: Die Theorie sozialer Welten/Arenen bes!ä*igt si! mit dem, was wir die Mesoebene nennen können. Natürli! wissen wir, dass es hier in der Praxis keine Grenzen gibt – es sind einfa! komplexe Fließzustände. I! habe mi! s!on immer vor allem für diese Meso- oder Organisations- bzw. institutionelle Analyseebene interessiert. Dort werden die Prozesse der Makroebene generiert, mit ihren Lang-
Adele E. Clarke im Gesprä! mit Reiner Keller
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zeitwirkungen: die Urbanisierung, die Industrialisierung, die Formation von Ges!le!tern, Rassen und ethnis!en Zugehörigkeiten, der Neoliberalismus und die Globalisierung oder Transnationalisierung – das alles ist hier in seiner zeitli!en Dauer und in seinem „Bestehen nur auf Zeit“, also in seinem Vorübergehen verankert: in Praktiken, die routinisiert, normalisiert, innerweltli! wirksam werden. Als junge Sozialwissens!a*lerin ha&e i! in den #$.(er Jahren den Eindru%, dass dieses Feld in der Soziologie und au! darüber hinaus ziemli! unterentwi%elt geblieben war. Es ist s!on interessant zu sehen, dass i! bei Weitem ni!t die einzige war, die so da!te, und heute gibt es ja eine ganze Reihe sol!er Theorieangebote und Ansätze, von der Aktor-Netzwerk-Theorie bis zur Assemblage Theory, in den vers!iedenen Varianten der Netzwerkanalyse und natürli! in einigen Ansätzen der Diskursanalyse (vgl. Keller '(## ['((-]). Diese vers!iedenen Ansätze betonen eben au! unters!iedli!e Aspekte, und es ist ziemli! aufregend, so eine Breite an Vorgehensweisen zu haben, die jeweils unters!iedli!es Arbeiten mit Fragen der Mesoebene – die selbst ja wieder vielfältig und sehr unters!iedli! sind – ermögli!en, je na! dem, was wir tun mö!ten. I! denke, diese Analyseebene ist so wi!tig, weil wir, ganz im Sinne von Anselms Vorgehen, hier in der Fors!ung auf der Mesoebene die ganzen Beziehungen zu und Auswirkungen von Makrokrä*en wie dem Neoliberalismus und der Transnationalisierung sehen können. Und wir können uns natürli! au!, und sogar im selben Projekt, dafür ents!eiden, stärker die Phänomene der Mikroebene in ihrem Verhältnis zur Mesoebene zu untersu!en. I! bin mir natürli! völlig darüber im Klaren, dass das „Gequats!e“ von Mikro-/Meso-/Makroebenen aus vielen sozialwissens!a*li!en Herangehensweisen vers!wunden ist. Aber i! habe zwanzig Jahre damit verbra!t, Promovierenden, von denen viele überhaupt keinen sozialwissens!a*li!en Hintergrund ha&en, beizubringen, wie man qualitative Fors!ung ma!t. Und i! )nde diese Metaphern extrem nützli!, gerade weil heutzutage so wenige Mens!en überhaupt no! irgendeine Vorstellung von „dem Sozialen“ haben, die über die Bezei! nung von irgendwel!en besonderen „sozialen Gruppen“ hinausgeht. In viel zu vieler Hinsi!t ist „das Soziale“ unter der Hand „aus dem Handeln vers!wunden“. Aber überall auf der Welt arbeiten heute Leute mit null Ba%ground in Sozialtheorie in den Gesundheitswissens! a*en, in der Politikumsetzung, im Bildungssystem, in der Sozialarbeit usw. und versu!en, qualitative Methoden zu erlernen – um soziale Phänomene zu untersu!en. Zum Glü% entstehen neue Bü!er, die diese Klu* angehen (z.0B. Pascale '(##), und die die Philosophie des Pragmatismus, den Symbolis!en Interaktionismus sowie andere Ansätze einbeziehen.
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„Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt“
Die postmoderne Wende der Grounded Theory zur Situationsanalyse
RK: Obwohl i! in einem anderen Kontext arbeite, kann i! Ihrem Eindru% nur zustimmen. Mir s!eint, dieses „Vers!winden des Sozialen“ gibt es au! in den jüngeren Bewegungen einer poststrukturalistis!en Soziologie, die in gewisser Weise nur no! Selbsttransformationen des Sinns erkennt, aber keine sozialen Prozesse, Akteure oder Organisationen mehr. Postmoderne Argumente und Analysestrategien spielen au! in der Situationsanalyse eine wi!tige Rolle. Wie entstand bei Ihnen der Eindru%, dass eine Weiterentwi%lung der Grounded-Theory-Methodologie hin zur postmodernen Wende notwendig wurde+? Wie sind Sie mit diesen Denkansätzen und Argumentationen in Berührung gekommen+? AC: Als Fakultätsmitglied der UCSF begann i! sehr s!nell, in der fast einjährigen Reihe von Lehrveranstaltungen zur qualitativen Fors!ung und Analyse mit zu lehren, in einem Kreis von methodologis! ungemein re1ektierten Kolleginnen und Kollegen aus der P1egewissens!a*. Dur! die Jahre der Lehre in Grounded-TheoryVorgehensweisen hindur! und dur! viele Diskussionen mit anderen „GroundedTheoretikerinnen“, insbesondere mit Kathy Charmaz und Leigh Star, entwi%elte i! na! und na! eine Kritik einiger Aspekte der GTM. #$$- war i! dann au! Residential Resear! Fellow am UC Humanities Resear! Institute, in einer Gruppe, die si! mit „Feministis!en Epistemologien und Methodologien“ bes!ä*igte. Zu dieser unglaubli!en Gruppe von Wissens!a*lerinnen gehörte die heute bei Weitem wi!tigste poststrukturalistis!e Methodologie-Theoretikerin, Pa& i Lather, außerdem Val Hartouni, Katie King und andere. Das bra!te mi! endgültig über die Klippe und i! wusste, i! musste etwas über die Grounded-Theory-Methodologie und die Postmoderne- bzw. Poststrukturalismusdiskussion ma!en. I! s!rieb dann einen Artikel zur Situationsanalyse (Clarke '((2), der von Symbolic Interaction angenommen wurde und auf gute Resonanz stieß – aber die darin formulierte Kritik und die damit verbundenen ersten Vors!läge ni!t. I! bes!loss, ein Bu! zu s!reiben, das einerseits sehr ernstha* die theoretis!en und philosophis!en De)zite der GTM diskutieren sollte, und andererseits – in Gestalt der Situationsanalyse – eine methodologis!e Ausarbeitung anbot, die den postmodern turn berü%si!tigten wollte. Das war zum Davonlaufen s!wer und kinderlei!t zuglei!. Natürli! hallten Entwi% lungen von der konstruktivistis!en Theorie zum Postmodernismus und Poststrukturalismus ziemli! lautstark dur! die Welten der qualitativen Fors!ung. Im Hinbli% auf die GTM wurden in den letzten zwei Jahrzehnten ganz unters!iedli!e Positionen eingenommen. Es gab große Kämpfe, die von Barney Glaser angeze&elt wurden. Kathy Charmaz entwi%elte in einem ausgezei!neten Text, den i! immer in der Lehre verwende, eine konstruktivistis!e und interpretative Grounded-Theory-Methodologie (vgl. Charmaz '((,; siehe au! ihren Beitrag in diesem Band). Vor kurzem hat Jan Morse eine Tagung über die „zweite Generation“ von Grounded-Theoretiker/innen organisiert und ein hilfrei!es Bu!
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über die Bandbreite unserer Ansätze in der GTM herausgebra!t (Morse et al. '(($). Denzin ('((/) bes!reibt den Ansatz von Glaser als objektivistis!, die Variante von Strauss und Corbin als systematis!, das Programm von Charmaz als konstruktivistis!, und meinen eigenen als situationistis!. I! denke, diese Begri"e tre"en das gut. Zur Zeit arbeite i! mit zwei Kolleginnen (Adams, Murphy & Clarke '(($) an einem Projekt, das si! mit der Antizipation als einem Phänomen bes!ä*igt, das unser Heute !arakterisiert – mit dem individuellen und kollektiven Denken und Leben im Horizont der Zukun*. In dem Maße, wie die Wissens!a*en des Tatsä!li!en dur! spekulative Ausbli%e ersetzt werden, wird die Antizipation zunehmend zu einer epistemis!en Tugend. Mein eigener Fokus ri!tet si! dabei auf eine ihrer S!lüsseldimensionen, die Abduktion. Den Begri" entwi%le i! von Charles Sanders Peirce und einigen anderen aktuellen Grounded-Theory-Arbeiten aus (z.0B. Rei!ertz '((/ und in diesem Band). Hier wird die Abduktion zum Hilfsmi&el, wel!es das Hinter-uns-Liegende mit dem Vor-uns-Liegenden zusammenhe*et, S!leifen zwis!en Zukün*en, Vergangenheiten und Gegenwarten erzeugt und Blaupausen für die Produktion von Zukün*en liefert. RK: Häu)g s!einen Vertreter/innen postmoderner und poststrukturalistis!er Positionen – i! denke etwa (aber ni!t nur) an Judith Butler und die Butler-Rezeption – die Soziologie insgesamt verabs!ieden zu wollen. Wie sehen Sie das+? AC: I! teile ja au! viele Kritiken an der Mainstream-Soziologie. Aber o* muss man das genauer fassen. Judith Butler zum Beispiel ist ja keine neue Autorin. Sie gehört zu meiner Seniorinnengeneration und i! kenne, s!ätze und lehre ihre Arbeiten seit Jahrzehnten. Aber bei ihr – wie bei vielen anderen, die si! Sozialanalysen zuwenden, ohne über einen sozialwissens!a*li!en Hintergrund zu verfügen – zeigt si! ein Mangel an Wissen in dem Unvermögen, auf tatsä!li! frühere, vorangehende bahnbre!ende Arbeiten zu verweisen, die für ihr eigenes Werk wi!tig sind. Erving Go"mans interaktionistis!e Studien zur Performativität gingen denen von Butler um Jahrzehnte voraus. Natürli! gibt es in den Theorien der Beiden Unters!iede, aber Go"man s!uf und stabilisierte eine sehr ernstha*e, breit rezipierte dramaturgis!e Perspektive auf das soziale Leben, die au! heute no! ziemli! lebendig ist – ni!t nur in der Soziologie, sondern weit darüber hinaus. Für mi! sind sol!e „Abwesenheiten“ keine legitime Praxis der Zitation und Bezugnahme. Das bringt mi! zu einem Kernpunkt der Strategie von „Strohmann“-Argumenten, bei der viel Zeit und Platz damit verbrau!t wird, kritis! gegenüber dem zu sein, was vorher war, und o* kein einziges Fitzel!en zu )nden, das bewahrenswert wäre, um dann „das neue Ding“ zu promoten. Mir sind sol!e Strategien des „Niederma!ens“ Anderer, um dann selbst „ein Bein ho!zukriegen“, oder die versu!en, dur! Missa!tung und „Anweisung von oben“ ein Feld abzuräumen, s!on lange verdä!tig. Im Gegenteil s!eint mir: Wenn ein neuer Ansatz etwas wert ist, sollte er in der Lage sein, auf seinen eigenen zwei Beinen zu stehen. Warum sollte man die Zeit mit Kritik vers!wenden, sta& die eigene Alternative zu entwi%eln+? Ein anderes
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„Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt“
Problem liegt darin, dass sol!e Kritiken häu)g das, was sie kritisieren, ernstli! – und i! befür!te, man!mal ziemli! absi!tli! – fals! darstellen. Das habe i! si!erli! selbst erlebt, bezogen auf meine eigenen Arbeiten und bezogen auf den Interaktionismus. Eine interaktionistis!e Kritik der Aktor-Netzwerk-Theorie haben wir vor vielen Jahren vorgestellt. Die meisten Punkte davon stimmen heute no!. 4
Pragmatismus und Symbolis!er Interaktionismus bleiben grundlegend
RK: Es geht Ihnen ja aber ni!t um eine einfa!e Ersetzung der GTM oder der pragmatistis!en Tradition dur! den Postmodernismus und Poststrukturalismus. Vielmehr verbinden Sie in der Situationsanalyse – ähnli!, wie i! das in der „Wissenssoziologis!en Diskursanalyse“ (WDA; Keller '(## ['((-]) vorges!lagen habe – den Symbolis!en Interaktionismus der Chicagoer Tradition bzw. im Stil der soziale Welten/Arenen-Analyse mit Foucaults!em Denken, der Aktor-Netzwerk-Theorie und anderen Ansätzen. Und wie in der WDA bleibt au! bei Ihnen die interaktionistis!e und pragmatistis!e Tradition do! der Ausgangspunkt oder die allgemeine Grundlage. Warum ist das so+? Und warum denken Sie, dass der dort ursprüngli! entwi%elte begri"li!e Rahmen heute ni!t mehr ausrei!t+? AC: Lassen Sie mi! zunä!st festhalten, dass die Situationsanalyse in der Tat den Symbolis!en Interaktionismus, die Soziologietradition der Chicago S!ool und Strauss’ Analyse von sozialen Welten/Arenen mit Foucaults!en Denkwerkzeugen verknüp*. Aber der Bezug zur Aktor-Netzwerk-Theorie ist nur minimal. I! habe dort den Ausdru% des „Ni!t-Mens!li!en“ (non-human) geklaut, um die Bedeutung der „Dinge“ zu unterstrei!en und so zu argumentieren, dass eine angemessene Analyse von Situationen das Ni!t-Mens!li!e explizit und wirkli! sehr genau einbeziehen muss. Wenn man die „Handlungsfähigkeit“ der ni!t-mens!li!en Elemente „sieht“, die in der Situation präsent sind, dann wird dadur! das Selbstverständli!e der Situation aufgebro!en; so entstehen die von Mead (#$/2 [#$23]) betonten Momente des begri"li!en Bru!s, dur! die wir die Welt ganz neu sehen können. „Dinge“ haben aber in der Ges!i!te der symbolis!-interaktionistis!en Theorie immer s!on eine Rolle gespielt. McCarthy (#$.3, S.#(.+f.) argumentiert dazu folgendermaßen: „Mead spri!t von der Kontinuität, die zwis!en dem Individuum und der Objektwelt hergestellt wird – eine Kontinuität, die impliziert, daß die Erfahrung des Selbst mit physikalis!en Dingen dur!setzt ist, mit denen man soziale Beziehungen eingeht […] Die Erfahrung der Widerständigkeit von Objekten bedeutet ni!ts anderes als die Erfahrung ihrer Handlung in Bezug auf einen selbst […] Objekte spielen für die Konstitution und Aufre!terhaltung von sozialen Identitäten eine zentrale Rolle.“
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In einem weitrei!enden Bezug auf Mead s!rieb Herbert Blumer (#$,$, S.#(+f.): „Die Position des Symbolis!en Interaktionismus lautet, daß die ‚Welten‘, die für mens!li!e Wesen und ihre Gruppen existieren, aus ‚Objekten‘ zusammengesetzt sind, und daß diese Objekte das Ergebnis von symbolis!er Interaktion sind.“ Das ist einer der S!lüsselzugänge, dur! den die im Symbolis!en Interaktionismus verwurzelte Grounded-Theory-Methodologie einen spezi)s!en und ents!iedenen materialistis! en Konstruktivismus anbietet. Die Situationsanalyse berü%si!tigt ganz explizit die ni!t-mens!li!en Bestandteile der Fors!ungssituation, sowohl die materiellen wie au! die diskursiven. Wir hören ja ni!t an unseren Häuten auf, sondern wir existieren in Beziehungen – sogar in einer Art Ko-Konstitution – mit allen Arten von Dingen, lebendige oder ni!t lebendige. Die ausdrü%li!e Aufnahme des Ni!t-Mens!li!en in die Fors!ung stellt si! au! der mit dem postmodernen Denken verbundenen posthumanistis!en Herausforderung – also der Infragestellung der Idee, dass nur Mens!en „wirkli!“ oder „am meisten“ zählen. Insbesondere dank der Arbeiten von Donna Haraway ('((/) müssen wir heute au! den Begri" des Ni!t-Mens!li!en infrage stellen, eins!ließli! der darin unterstellten Trennung zwis!en Mens!li!em und Ni!t-Mens!li!em. Sie argumentiert in brillanter Weise, dass „wir“ ni!t nur Mens!en sind, sondern aus Millionen anderen Organismen bestehen – wenn man die mitzählt, die in unserem Darm und auf unseren Häuten leben. Eine Trennung zwis!en mens!li!/ni!t-mens!li! ist im Berei! des Lebenden ni!t mögli!. Vielmehr handelt es si! um ein historis!es Artefakt unserer Mens!-zentrierten Si!t der Welt. RK: Damit argumentieren Sie, dass das Ni!t-Mens!li!e in gewisser Weise immer s!on seinen Platz in der pragmatistis!en Tradition ha&e. Insoweit haben die Diskussionen um die Aktor-Netzwerk-Theorie und den Posthumanismus zwar si!erli! und mit großem Na!dru% zur Korrektur der „Mens!-Zentriertheit“ soziologis!en Fors!ens beigetragen. Aber das bedeutet dann ni!t, die bestehenden Traditionen des interpretativen Paradigmas (Keller '(##) einfa! beiseitezus!ieben. Wie legen Sie diese Verbindung von „Grundlagen (-tradition)“ und „Neuerung“ an+? AC: Auf jeden Fall bleibt die selbst wiederum im Pragmatismus verwurzelte interaktionistis!e Tradition meine philosophis!e Heimat, mein Ausgangspunkt. So wie i! es sehe, legte der Pragmatismus die Grundlagen für den wissenssoziologis!en Konstruktivismus, der von Berger und Lu% mann (#$.( [#$,,]) ent wi%elt wurde, eines der ersten Bü!er, das i! in der Graduate S!ool las. I! denke, S!lüsselaspekte der Wissenssoziologie sind im US-amerikanis!en Pragmatismus verwurzelt, genauso wie bei Karl Mannheim und anderen. Das wundervolle Bu! von Doyle McCarthy (#$$,), das i! in meiner Lehre im Berei! der Sozialtheorien benutze, zeigt viele dieser Verbindungen auf. Der Hauptgrund, warum mir der Begri"sapparat des Symbolis!en Interaktionismus heute ni!t mehr ausrei!end ers!eint, liegt darin, dass der Interaktionismus si! ni!t „jenseits des erkennenden und wissenden Subjekts“ begab, um eine
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Konzeptualisierung von Diskursen in der wi!tigen Mesoebene und in der historis!-institutionenübergreifenden Weise zu entwi%eln, wie Mi!el Foucault das tat. Als i! zum ersten Mal Foucaults Konzepte „in die Hand bekam“ – das war erst irgendwann in den #$.(er Jahren – wurde mir klar, dass i! seit Ende der #$,(er Jahre na! so etwas gesu!t ha&e, seitdem mir die Bedeutung der Massenmedien dämmerte. I! wusste da s!on, dass ni!t nur die Medien Diskurse hervorbra!ten und zirkulieren ließen, aber meine Theorieausbildung ging da ni!t sehr weit. Antonio Gramsci wäre au! eine Hilfe gewesen. Und i! war ni!t die einzige unter den Interaktionist/innen, die so da!te. Norman Denzin (#$$', S.,-) s!rieb zum Beispiel: „Wenn der Interaktionismus wa!sen und gedeihen soll, muss er Elemente der poststrukturalistis!en und postmodernen Theorie (z.0B. die Arbeiten von Barthes, Derrida, Foucault, Baudrillard usw.) in seine eigenen Bli%e auf Ges!i!te, Kultur und Politik aufnehmen.“ I! habe versu!t, das in der Situationsanalyse zu ma!en, und au! sonst in meinen Arbeiten und in meiner Lehre. Meine Generation bewegt si! aus der Disziplingefolgs!a* hinaus und kombiniert sogar Elemente, die vorher als gegensätzli! angesehen wurden. Um mi! in dieser Hinsi!t weiter „provozieren“ zu lassen, fahre i! regelmäßig zu den internationalen Kongressen zur qualitativen Fors!ung, die Denzin und andere an der University of Illinois in Urbana/Champaign organisieren. Bei meinem letzten Besu! waren da fast #.2(( Leute aus /. vers! iedenen Ländern. Man fühlte si! wie bei der Teilnahme an einer transnationalen sozialen Bewegung für qualitative Fors!ung – das ist in diesen s!wierigen Zeiten sehr ermutigend. 5
Das Erstellen von Maps als S!lüssel zur Situationsanalyse
RK: Was sind nun die Kernelemente der Situationsanalyse+? AC: In der Erweiterung der Methoden der Grounded Theory, die i! entwi%elt habe und Situationsanalyse nenne (Clarke '((2, '(## ['((-]), wird die sehr breit und umfassend betra!tete Situation selbst zur S! lüsselgröße der Untersu!ung. Das unters!eidet si! ziemli! stark von der herkömmli!en GTM, die ja die hauptsä!li!en sozialen Prozesse – mens!li!es Handeln – im Untersu!ungsfeld fokussiert. In der Situationsanalyse wird die Untersu!ungssituation empiris! konstruiert, und zwar dur! die Entwi%lung von drei Arten von „Landkarten“ (Maps), dur! analytis!es Dur!arbeiten und dur! unters!iedli!e Arten von Memos. Die erste Art von Maps nenne i! Situations-Maps. Darin werden die wi!tigsten mens!li!en, ni!t-mens!li!en, diskursiven, historis!en, symbolis!en, kulturellen, politis!en und weitere Elemente der betre"enden Untersu!ungssituation ausgebreitet. Diese Map zielt zuerst darauf, das Fors!ungsdesign und die ans!ließenden Analysen zu verbessern, indem sie all das festhält, worüber zumindest einige Fors!ungsdaten zusammengetragen werden sollten. Im weiteren Verlauf der Unter-
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su!ung dienen die Situations-Maps dazu, Analysen der Beziehungen zwis!en den vers!iedenen Elementen anzuregen. Indem sie in spezi)s! postmodernen und feministis!en Arten und Weisen gegen die übli!en Vereinfa!ungen arbeiten, halten diese Maps die vielen und heterogenen Elemente sowie die vertra%t-verwi%elten Komplexitäten der Situation fest und provozieren Diskussionen darüber. RK: Wenn i! das ri!tig verstehe, kann man so einen ersten, viellei!t etwas !aotis! anmutenden Überbli% über die ganz unters!iedli!en Bestandteile einer Situation gewinnen. Do! wie geht es dann mit den anderen Maps weiter+? AC: Als zweites s!lage i! vor, Maps von sozialen Welten/Arenen zu erstellen. Sie halten alle vorkommenden kollektiven Akteure fest und ebenso die Arena oder die Arenen, auf die sie si! beziehen, d.0h., in denen sie in fortlaufenden Diskursen und Aushandlungen engagiert sind. Sol!e Maps bieten eine Interpretation der Situation auf der Mesoebene, indem sie ihre sozialorganisatoris!e, institutionelle und diskursive Dimension aufnehmen. Ihnen liegen ents!ieden postmoderne Annahmen zugrunde: Wir können keine Ri!tungen des Ein1usses feststellen; Grenzen sind o"en und dur!lässig; Aushandlungen sind immer im Fluss; Diskurse sind vielfältig und potenziell widersprü!li!. Unters!iedli!e Formen von Aushandlungen, vom Zwang bis zum bargaining (also zum Verhandeln und Feils!en) bilden die grundlegenden Sozialprozesse, die basic social processes, wel!e die sozialen Welten/Arenen aufbauen und permanent au! wieder destabilisieren. Die Dinge könnten immer anders sein – ni!t nur individuell, sondern au! in kollektiver, organisatoris!er, institutioneller oder diskursiver Hinsi!t, und diese Maps porträtieren sol!e postmodernen Mögli!keiten. Die Positions-Maps s!ließli! zeigen die in den Daten hauptsä!li! eingenommenen Positionen an, und au! die, die ni!t eingenommen werden. Diese Positionen beziehen si! auf vers!iedene A!sen der Variation und der Di"erenz, der Fokussierung und der Kontroversen, die in der betre"enden Situation vor)ndbar sind. Das Besondere an sol!en Positions-Maps liegt viellei!t darin, dass sie ni!t auf Personen oder Gruppen bezogen sind; eher zielen sie darauf, das gesamte Spektrum diskursiver Positionen zu den S!lüsselthemen der Situation wiederzugeben. Dadur! lassen sie die Wiedergabe vielfältiger Positionen und sogar von Widersprü!en innerhalb von Individuen und Kollektiven zu. Die Komplexitäten sind selbst heterogen, und wir brau!en bessere Mögli!keiten, sie darzustellen. RK: Was heißt dann aber tatsä!li! „Situation“: Wo beginnt sie, wo hört sie auf+? AC: Mein Verständnis von Situation ist dur! vers!iedene Wissens!a*ler/innen geprägt. Zunä!st ist natürli! das Thomas-Theorem aus den #$'(er Jahren, das im Kern des Sozialkonstruktivismus und des Symbolis!en Interaktionismus steht – „wenn Situationen als wirkli! wahrgenommen werden, sind sie in ihren Folgen wirkli!“ (Thomas & Thomas #$/( [#$'.]) – au! für die Situationsanalyse von grundlegender Bedeutung. Zweitens hat mi! Charles Wright Mills’ Arbeit über situierte Motive (Mills #$3() inspiriert, und dann dri&ens Norman Denzins frühe Bemühungen zur Ortsbestimmung der Fors!ung in seinem Bu! „The Resear!
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Act“ (Denzin #$.$ [#$/(]). Und s!ließli! war Donna Haraways eins!lägiger feministis!er Text über „situiertes Wissen“ (Haraway #$$- [#$$#]), der klassis!e Themen der Mannheims!en Wissenssoziologie aufwir*, eine zentrale Grundlage für das Konzept der Situation. Wie die Konzepte der sozialen Welten/Arenen ist au! dasjenige der Situation sehr elastis!. Sie fragen: „Wo fängt sie an, wo hört sie auf+?“. Als Studentin von Anselm kann i! dazu nur die Antwort anbieten, dass das eine empiris!e Frage ist. Die Art und Weise, wie Sozialfors!ende ihr Projekt bestimmen, bestimmt au! die Untersu!ungssituation, die Daten, die zusammengetragen werden müssen, und die Analyse. Man kann die Fors!ung auf eine kleine Situation oder auf eine umfangrei!e hin ausri!ten. Allgemein gesagt nimmt si! eine breiter ausgeri!tete empiris!e qualitative Fors!ung übli!erweise eine Arena oder mehrere Arenen in einem zusammengehörigen Feld vor. Leigh Star und i! haben eine ganze Anzahl sol!er Projekte in den Science und Te!nology Studies in einem Überbli% bespro!en (Clarke & Star '((.). Eine sol!e Dehnbarkeit von Konzepten ma!t einige Leute nervös. Aber es versetzt die Begri"e au! in die Lage, über Disziplingrenzen und Spezialisierungen hinweg zu reisen und nützli! zu sein, zuges!ni&en auf lokale Bedürfnisse und do! aufgegri"en und brau!bar über Welten hinweg – Grenzobjekte par excellence+! Es sind also letztli! die Fors!erin und der Fors!er, wel!e die Grenzen der Situation festlegen, wenn sie ihre Fors!ungsfrage bestimmen – und diese Bestimmung kann si! ja im Laufe des Fors!ungsprojektes entwi%eln und verändern. Wie die Grounded-Theory-Methodik geht au! die Situationanalyse iterativ vor. RK: Sie führen, wie wir gerade gehört haben, die Idee der Maps neu ein, oder genauer gesagt, sie beleben eine Tradition des Anfertigens von „(Land-) Karten“ wieder, die si! s!on in der frühen Chicagoer Soziologie fand, geben ihr aber einen neuen, zentralen Stellenwert. Maps enthalten nun ja zunä!st ungeordnete oder geordnete Elemente (der Situation, der Akteure und implizierten Aktanten, der Positionen usw.). Aber damit wir verstehen, was in ihnen festgehalten wird, damit wir also die Analyseergebnisse zusammenführen, können wir meines Era!tens ja ni!t von Narrativen, von Erzählungen absehen, zumal dann, wenn es darum geht zu bes!reiben, was si! in den Maps )ndet. Warum betonen Sie die Maps so stark, warum werden sie zentral in Ihren Arbeiten, worin sehen Sie ihre Vorteile+? AC: Einige Leute lieben Maps, während anderer davon weniger begeistert sind. I! gehöre zu Ersteren und bin bei Weitem ni!t alleine. I! denke, dass die drei Strategien des Situations-Mappings (Situations-Maps; soziale Welten/Arenen-Maps; Positions-Maps) jede für si! und alle zusammen es den Fors!enden erlauben, Daten und Analysen weniger di!t, lei!ter verständli! und lei!ter veränderbar zu präsentieren, als das Erzählungen mögli! ma!en. In analytis!er Hinsi!t kann man mehr mit einer guten Map erfassen als mit einer „di!ten“ Ges!i!te, und das no! dazu s!neller. Und man kann au! sehr viel einfa!er ein „Re-Mapping“ vornehmen und neue Erkenntnisse s!nell und klar sehen – und au!, ohne si! ganz
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und gar darauf festzulegen, was o* mit dem S!reiben einer Ges!i!te einhergeht, die dann die Analyse zu früh beendet. Bei den Maps geht es in erster Linie um eine Arbeitsmögli!keit zur Dur!führung von qualitativen Analysen – sie sind als Arbeitswerkzeuge geda!t, ni!t so sehr als Darstellungswerkzeuge. O* helfen sie den Fors!enden, eine Projektlandkarte zu erstellen, die das Spezi)s!e ihrer Fors!ung deutli! ma!t und für Präsentationen oder Publikationen nützli! ist. 6
Implizierte Aktanten, Ma!t und die Rolle von Diskursen
RK: Sie ha&en vorhin au! die ni!t-mens!li!en Entitäten (non-humans) erwähnt. Darauf hat in den letzten Jahren ja vor allem die Aktor-Netzwerk-Theorie hingewiesen. Wie wird das in der Situationsanalyse berü%si!tigt+? AC: Die Situationsanalyse nimmt das Ni!t-Mens!li!e in der Untersu!ungssituation – also z.0B. Dinge, au! Diskurse – sehr Ernst. Wenn die ersten SituationsMaps angefertigt werden, wird vom den Fors!enden verlangt, die ni!t-mens!li!en Elemente der Situation zu benennen. Dadur! werden relevante Materialitäten und Diskurse von Anfang an si!tbar. Die Rü%seite der zweiten Art von Maps, der soziale Welten/Arenen Maps sind natürli! Diskurs- und Arenen-Maps. Soziale Welten sind „Diskursuniversen“4, die ganz selbstverständli! Diskurse über die wi!tigen Elemente einer Situation hervorbringen. Sol!e Diskurse können kartogra)ert und analysiert werden. S!ließli! bre!en die Positions-Maps die Diskurse sowieso auf, indem sie die Positionen entlang von S! lüsseldimensionen untersu!en. Diskurse können so ihren Herstellungsorten „entwendet werden“; sie werden dezentriert, und dadur! können wir analytis!e Komplexitäten und „stumme Orte“ erfassen, von denen aus s!einbar keine Diskursinterventionen ausgehen. Es gibt in dem Bu! (Clarke '(## ['((-]) einige Kapitel dazu, wie man die Situationsanalyse einsetzen kann, um narrative, visuelle und historis!e Diskurse zu untersu!en. Und dur! alle Mappings hindur! werden die Fors!enden zu einer systematis!en Betra!tung der Daten ermutigt – au! dazu, weiterzuarbeiten, selbst wenn man s!on aufregende Ergebnisse vorweisen kann, denn das Weiterma!en mit den Maps kann viellei!t sogar no! bessere hervorbringen. RK: In der Situationsanalyse führen Sie „implizierte Aktanten“ ein, aber Sie bezei! nen sie als gesells!a*li! konstruiert. Latour und seine Freunde behaupten sta&dessen, dass Aktanten an si! existieren. Warum folgen Sie seinem Argument ni!t+?
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Ein Begri" der pragmatistis!en Tradition, der si! etwa bei Mead ) ndet; vgl. Keller ('(## ['((-], S.#$-–'(-).
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„Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt“
AC: Das Konzept der Aktanten ist von der Aktor-Netzwerk-Theorie geklaut, ebenso die Begri"li!keit des Ni!t-Mens!li!en (non-human).5 Genau da hört das Klauen au! auf. Lassen Sie mi! deswegen das „Implizierte“ erläutern. Es weist auf die Analyse der in Situationen verteilten Ma!t hin. Implizierte Akteure sind Akteure, die von einer sozialen Welt explizit konstruiert und/oder dur! eine soziale Welt explizit adressiert werden, und für die die Aktivitäten dieser Welt hö!st folgenrei! sein können. Aber implizierte Akteure sind entweder in dieser Welt ni!t wirkli! präsent, oder es ist ihnen ni!t erlaubt, in ihrem aktuellen Ablauf voll handlungsfähig zu sein. Implizierte Akteure können im Großen und Ganzen ni!t „spre!en“ und niemand stellt ihnen Fragen. Normalerweise spre!en andere an ihrer Stelle – sie werden im Diskurs dieser Welt konstruiert und bilden häu)g ihren Fokus oder ihr Ziel. Die Handlungen, die „im Namen von“ implizierten Akteuren vorgenommen werden, erfolgen häu)g „zu ihrem Wohlergehen“. Individuen und soziale Gruppen mit weniger Ma!t in sol!en Situationen sind eher implizierte sta& voll handlungsmä!tige Akteure. Implizierte Aktanten sind in Situationen implizierte ni!tmens!li!e Akteure. Wie die Mens!en, so können au! die implizierten Aktanten in der Fors!ungssituation physis! und/oder diskursiv präsent sein. Das bedeutet, dass mens!li!e Akteure (individuell oder als Kollektive in sozialen Welten) routinemäßig ni!t-mens!li!e Aktanten aus ihren eigenen Perspektiven heraus konstruieren, indem sie die Eigens!a*en und Handlungen interpretieren, die sol!e Aktanten in spezi)s!en Situationen zeigen. Zu den analytis!en Fragen gehört dann: Was sind die spezi)s!en Eigens!a*en und Fähigkeiten des oder der Aktanten+? Wer konstruiert diskursiv was+? Wie und warum ma!en sie das+? RK: Wie beziehen Sie das auf die gerade erwähnte Rolle von Ma!t+? AC: Ma!t zu analysieren bedeutet zu untersu!en, wessen Konstruktionen von wem oder was existieren. Wel!e werden von den vers!iedenen Teilnehmenden als „die wirkli!en“ Konstruktionen hergenommen oder als diejenigen, wel!e tatsä!li! in der Situation „zählen“+? Wel!e sind umstri&en+? Wel!e werden ignoriert+? Von wem+? Dur! das Verständnis der diskursiven Konstruktionen implizierter Akteure und Aktanten können Fors!er/innen viel von den sozialen Welten und der Arena erfassen, in der erstere aktiv sind. Der Begri" der implizierten Akteure und Aktanten verweist auf die Ma!tdynamiken in der Situation. Wer kommt zum Spre!en+? Wer kann si! repräsentieren+? Wer wird von anderen repräsentiert+? In der Spra!e der Beteuerungen von Latour & Co: dass Aktanten an si! existieren – da bin i! völlig einverstanden+! Do! wenn es darum geht, wie und was sie in einer Situation sind und tun: das ist dur! andere in der Situation konstruiert – interpretiert. Um Anleihen bei dem erwähnten klassis!en Zitat von Thomas und Thomas (#$/( [#$'.]) zu ma!en: Ein Aktant, der als wirkli! de)niert wird, ist in 5
Anm. R.0K.: Vgl. zu dem von Mi!el Callon, Bruno Latour, John Law u.0a. geprägten Vokabular der ANT z.0B. Belliger und Krieger ('((,).
Adele E. Clarke im Gesprä! mit Reiner Keller
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seinen Folgen wirkli!. Leigh Stars berühmter Text über Zwiebelallergien (Star #$$#) gibt zu diesen Fragen einen amüsanten Einstieg. RK: Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie von der Aktor-Netzwerk-Theorie die Betonung des Ni!t-Mens!li!en übernommen haben, aber dass diese Tradition ansonsten ni!t so wi!tig für Ihr Arbeiten ist, und dass Sie die Frage der Akteure und Aktanten dur! die Brille der „De)nition“ angehen. Das s!eint mir im Hinbli% auf Mi!el Foucault und den Diskursbegri" do! deutli! anders zu sein. In der Situationsanalyse bekommt der Bli% auf Diskurse einen zentralen Stellenwert. Warum+? AC: Für mi! sind Diskurse heute von zentraler – fundamentaler – Bedeutung für das Sozialleben, und das sind sie wohl s!on seit bestimmt einem Jahrhundert, mit zunehmender Stärke. Genau deswegen gehört Foucault zu den Top-Theoretiker/innen des '(. Jahrhunderts – und deswegen ist sein Werk au! im '#. Jahrhundert so wi!tig, und darum blühen au! so viele Spielarten der Diskursanalyse (Keller '(#( ['((2]). I! sehe die Hinwendung zum Diskurs als einen S! lüsseleinsatz des Poststrukturalismus und Postmodernismus, in gewisser Weise als Übergang zum Post-Humanismus. Die Sozialwissens!a*en mussten s!on ein Jahrhundert lang über das spre!ende Subjekt hinausgehen – seit die S!ri*kultur, die Zeitungen und die Fotogra)e im #$. Jahrhundert begonnen haben, den Planeten zu verändern. Und seit sie ihn im '(. Jahrhundert dur! das Fernsehen, das Silizium (man denke nur an das kalifornis!e „Silicon Valley“), das Web, die Social Media usw. bis heute immer wieder verändern. Wir s!wimmen dur!gehend in Ozeanen von Diskursen – narrativer, historis!er, visueller Art. Do! nur wenige Ansätze der sozialwissens!a*li!en Analyse haben si! mit Diskursen per se bes!ä*igt. In den USA sind es neuere disziplinäre Formationen wie die Communication Studies und andere „X Studies“, in denen Diskurse Ernst genommen wurden. RK: In der WDA könnte man viellei!t davon spre!en, dass eine Diskursarena oder ein bzw. mehrere Diskurse und deren Verläufe – also Entstehen, Stabilisierungen, Transformationen, E"ekte – den Hauptgegenstand bilden, in gewissem Sinne also die „Situation“, die zur Untersu!ung bestimmt wird. Bei Ihnen liegt das etwas anders. Trotz der starken Betonung der Diskurse bleibt der Fokus auf der bzw. einer Situation, von der aus unter anderem na! der Bedeutung von Diskursen gefragt wird. Das führt mi! zur Frage: Wie hängen Diskurs und Situation zusammen+? AC: In der Situationsanalyse werden Diskurse als Bestandteile von Situationen betra!tet. I! kann mir keine Situation vorstellen, über die es ni!t irgendwo einen Diskurs gibt – und meist sogar viele. Soziale Welten erzeugen typis!erweise Diskurse über si! selbst. Webseiten gehören heute zu den uns am lebha*esten vertrauten Diskursen spezi)s!er sozialer Welten. Und natürli! produzieren soziale Welten Diskurse über andere soziale Welten und über Themen der spezi)s!en Arenen, in denen sie engagiert sind und in denen sie Handlungsverp1i!tungen übernehmen. Non-humans – Aktanten – aller Art stehen im Fokus von Diskursen, und das immer weiter und immer weiter.
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Deswegen habe i! den Diskursbegri" im Zentrum der Situationsanalyse platziert: Egal was man heute untersu!t, hö!stwahrs!einli! gibt es dazu ausgedehnte diskursive Terrains, die als Teil eines ernstha*en Fors!ungsprojektes in die Analyse einbezogen werden müssen. Ein ziemli! langes Kapitel der Situationsanalyse (Clarke '(## ['((-]) bes!ä*igt si! deswegen mit der „Hinwendung zu Diskursen“. Dadur! führt sie ein neues Publikum in das komplexe Feld der Diskursfors!ung ein, die das ho"entli! aufgreifen. I! beginne im Bu! mit einem Überbli% über das Feld und diskutiere die vorhandenen Arten und Ziele von Diskursanalysen. Dazu gehören die Untersu!ung #. der Aushandlung sozialer Beziehungen in diskursiven Interaktionen, '. der Erzeugung von Identitäten und Subjektivitäten dur! Diskurse und 2. der Herstellung von Ma!t/Wissen, Ideologien und Kontrolle dur! Diskurse. Der letzte dieser Punkte wird in meinem eigenen Arbeitsfeld der Science, Te!nology & Medicine Studies am häu)gsten aufgegri"en. Dort – und wie i! weiß, au! in anderen Arbeitsfeldern – sind Dissertationen und Bu!projekte zunehmend multisited oder multi-scaped, verbinden also mehrere Untersu!ungsorte und -gegenden. Einer der dabei anvisierten Hauptorte oder „Hauptberei!e“ wird dur! Diskurse konstituiert, die deswegen einer umfangrei!en Analyse bedürfen. In den USA ma!en wir heute einen Crashkurs dur! über die Ma!t extremer Diskurse, bestimmte Praktiken aus dem Gesi!tsfeld zu vertreiben oder auszuradieren. Das ist in der Politik zum Extremsport geworden. Die besondere Bedeutung von Diskursen für ein spezi)s!es Fors!ungsthema sollte si! dur! die grundlegende Situations-Map (basic situational map) klären; deswegen ist deren Erstellung im Entwi%lungsstadium eines Fors!ungsprojekts unverzi!tbar. Die Auswahl von (mögli!erweise multiplen) Orten (sites) und Berei!en (scapes) zum Erkunden und Zusammentragen von Daten ist ein früher S! lüsselmoment. Eine der besonderen Face&en der Situationsanalyse von Diskursen liegt darin, dass letztere mit spezi)s!en sozialen Gruppen oder Institutionen auf eine Linie gebra!t werden können oder au! ni!t. Situations-Maps sollten die in einer untersu!ten Situation wi!tigen Diskurse benennen. Die soziale-Welten/ArenenMaps verweisen auf die Diskurse, die von den in der interessierenden Arena oder den Arenen vor)ndli!en sozialen Welten erzeugt werden. S!ließli! analysiert das Positions-Mapping die vers!iedenen Positionen, die in den Diskursen dur! die Arenen hindur! entlang spezi)s!er wi!tiger Dimensionen oder A!sen der verhandelten Anliegen vorkommen. I! kann das hier jetzt ni!t weiter ausführen, aber Positions-Maps ermögli!en es den Untersu!enden au!, ni!t eingenommene – fehlende – Diskurspositionen in den Daten zu identi)zieren. Das ha&e i! vorhin s!on angedeutet. Sol!e „stummen Orte“ können äußerst interessant und wi!tig sein. Zuallerletzt: Sowohl integratives als au! komparatives Mapping sind mögli! – Diskurse können zusammen analysiert werden oder für si! allein und verglei!end.
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Gegenwärtige Herausforderungen an die qualitative Sozialfors!ung
RK: Unser Gesprä! nähert si! seinem vorläu)gen Ende. Deswegen mö!te i! abs!ließend gerne etwas von der Situationsanalyse zurü%treten und allgemeiner fragen: Wie würden Sie die gegenwärtigen Herausforderungen an die Soziologie und die qualitative soziologis!e Fors!ung bes!reiben+? AC: Vor vielen Jahren fragte Foucault: „Was ist zu tun+?“ Diese Frage ist im neuen Jahrtausend in der Soziologie und au! in den meisten anderen Disziplinen no! dringender geworden. Die neuen Geopolitiken der Globalisierung – oder besser: der Transnationalisierung – verändern die Art und Weise, wie wir über die „Mögli! keitsbedingungen“ für die Zukun* na!denken können, und zwar in jedem Gegenstandsberei!, an jedem Ort. Interessanterweise lautet das Thema des '(#' sta&)ndenden Jahreskongresses der American Sociological Association (ASA) „Real Utopias: Emancipatory projects, institutional designs, possible futures“. Für mi! ist ein „wirkli!es utopis!es“ Denken, das all die derzeit bestehenden Widersprü!e angeht, genau das, was gebrau!t wird. Wie lassen si! am besten die Mögli!keitsbedingungen in Bezug auf ein konkretes und spezi)s!es Phänomen verstehen, sodass wir über Zukün*e na!denken und fors!en können, in denen es zwar bes!eidene, aber glei!zeitig „lebbare“ Arten und Weisen des Lebens gibt, die für Mens!en und andere lebende Dinge glei!er verteilt sind als jetzt (Haraway '((/). Mein intellektuelles Erwa!senwerden )el in eine Zeit, als die Ära, in der man S!ülerinnen und S!üler entweder dieser oder jener S!ule, dieser oder jener Person sein musste, dankenswerterweise in den USA zu Ende ging. Aber i! will na! wie vor betonen, dass wir heutzutage alle Arten von Wissen und Erkenntnissen benötigen, um diese dringenden Fragen anzugehen. Sol!e Erkenntnisse können dur! die vers!iedensten Methodologien erzeugt werden – dur! quantitative, qualitative oder multiperspektivis!e. Zum Beispiel brau!en wir exzellente deskriptive Sozialstatistiken – über die Mens!en und Dinge auf der Welt. Troy Duster ('((,), ein afroamerikanis!er qualitativer Wissens!a*sfors!er, hat festgestellt, dass Sozialstatistiken zu Fragen von Rassenzugehörigkeit, Gender, Klassenbezug, Lagen und anderen Aspekten verkörperter Personen und sozialer Gruppen gegenwärtig am Vers!winden sind. Glei!zeitig expandieren Datenbanken über unsere Genome und Neurologie, also über abstrakte innere Räume. Die politis!en Dimensionen eines sol!en Ni!tvorhandenseins von Fors!ungsdaten sind gravierend. RK: Wel!e Rolle spielt dabei die qualitative Sozialfors!ung+? AC: Selbstverständli! brau!en wir qualitative Fors!ung zu ganz vers! iedenen Fragen und aus ganz vielen Gründen. Dazu gehört au! die Verbesserung unseres Verständnisses von Sinn bzw. Bedeutungen und Interpretationen, der gelebten Erfahrungen, vom Trauma bis zu utopis!en Träumen, von Diskursanalysen
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„Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt“
usw. Die Arbeiten von Fritz S!ütze (z.0B. '((.) und Gerhard Riemann (Riemann & S!ütze #$$#) belegen das im deuts!en Kontext si!er ganz ents!ieden. Während es eine ganze Bandbreite von innovativen Entwi%lungen im neuen Jahrtausend gibt (vgl. z.0B. Clarke '(('; die Beiträge in FQS/6; Denzin & Lincoln '(##), ergibt si! für mi! der Bedarf an qualitativer Fors!ung primär aus der Notwendigkeit, unser Verständnis von und unsere Kompetenzen im Umgang mit Komplexitäten zu verbessern. Das ist heute die grundlegende methodologis!e Herausforderung. Komplexitäten sind selbst heterogen, und wir brau!en bessere Mi&el und Wege, um sie kohärent darzustellen (Taylor '((-). Die sozialwissens!a*li!e Fors!ung ist viel zu o* simpli)ziert betrieben worden (siehe hierzu Star #$.2), sta& Di"erenzen und Diversitäten aufzuzeigen. Um Sozialpolitiken hervorzubringen, die Di"erenzen und Komplexitäten berü%si!tigen – egal ob diese mens!li!er oder ni!t-mens!li!er Art sind, Sozialitäten oder den Treibhause"ekt betre"en –, brau!en wir leistungsfähigere sozialwissens!a*li!e Methodologien, wel!e Relationalitäten, d.0h. die Beziehungsverhältnisse, adressieren. Wir müssen sie begreifen und heraus) nden, was wirkungsvoll soziales Leiden reduziert und die Biodiversität aufre!terhält. I! bin au! eine sehr ents!iedene Anhängerin der „Fors!ung na! oben“. Damit meine i! Untersu!ungen der Orte und Wirkungsformen von Ma!t, um e4zientere Interventionen im Hinbli% auf eine Verbesserung der sozialen Gere!tigkeit, z.0B. dur! eine verbesserte Governance zu errei!en. Heutzutage werden jedo! verglei!sweise wenig sol!e Studien dur!geführt. RK: Lassen Sie uns am Ende no! über den Einsatz, das „Engagement“ der qualitativen Fors!ung spre!en. Die Sozialwissens!a*en als eine Wissens!a*spraxis – und au! die qualitative Fors!ung – müssen ihre Analysen re!tfertigen; das kann man!mal mit stärker politis!en Orientierungen in der Soziologie (i! denke hier etwa an Norman Denzin u.0a.) in Kon1ikt geraten. Wie würden Sie Fragen und Anliegen der „Emanzipation“ mit der qualitativen Fors!ung in Beziehung setzen+? Und gibt es Kriterien zur Beurteilung bzw. Unters!eidung von „guter“ und „s!le!ter“ Situationsanalyse+? Wenn vers!iedene „Fors!ungssubjekte“ eine Situationsanalyse dur!führen, kämen sie dann zu unters!iedli!en Ergebnissen im Hinbli% auf dieselbe Situation+? Und wie verhalten si! diese Ergebnisse zueinander+? AC: I! persönli! sehe keinen Raum oder Platz, der außerhalb irgendeiner Art des Politis!en steht. Die Dinge können mehr oder weniger implizit oder explizit angespro!en sein. Selbst quantitative Projekte, die Grundlagendaten über irgendetwas liefern sollen, haben „eingebaute“ epistemologis!e und ontologis!e Positionen. Prozesse der Klassi)kation, der Standardisierung, aber au! Infrastrukturen werden mi&lerweile in der Wissens!a*s- und Te!nikfors!ung als eindeutig und klar politis! verstanden. Max Weber (#$/2 [#$''] und #$$' [#$#//#$#$]) ha&e argumentiert, dass die Politik im Fors!ungsprozess nur am Anfang stehen sollte, bei der Auswahl des Fors!ungsproblems, und dann irgendwie ausgeblendet wird. Aber die 6
h&p://www.qualitative-resear!.net/index.php/fqs/issue/ar!ive
Adele E. Clarke im Gesprä! mit Reiner Keller
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erkenntnistheoretis!en und ontologis!en Positionen aller Methoden haben „eingebaute“ Politiken. Die meiste qualitative Fors!ung will die Stimmen derjenigen repräsentieren, mit denen wir „in fairer Weise“ spre!en – also in einer Art und Weise, die sie selbst anerkennen können, und mit der sie im Allgemeinen einverstanden sind. Dur! eine gute Wiedergabe der ganzen Bandbreite von Unters!iedli!keiten verstärkt die qualitative Fors!ung häu)g au! die Stimmen derjenigen, die si! in einer Situation in den Positionen mit weniger Ma!t oder Autorität wieder) nden. Vor vielen vielen Jahren s!rieb Howard Be%er (#$/( [#$,/]) dazu unter dem Titel „Whose Side Are We On+?“ und diskutierte, wie selbst die Ents!eidung für das, was man untersu!en will, als eine Art der Parteinahme gesehen werden kann. Das gilt si!erli! au! für die umfassende Artikulation von ni!t-vorherrs!enden Positionen. Die Grounded-Theory-Methodologie mit ihrer tief gehenden Verp1i!tung zum „Empirizismus“ und zur „Wahrheit gegenüber den Daten“ unterstützt diese Ö"nungen, sie ist radikal demokratis! und o"en pluralistis!. Vor dem Hintergrund ihrer historis!en Wurzeln im Pragmatismus können wir sie diesbezügli! als sehr „amerikanis!“ ansehen, zumindest im Hinbli% auf das Amerika, von dem John Dewey (z.0B. #$$2 [#$#,], #$$, [#$'/]) träumte, und das wir dur! Erziehung und Bildung sowie dur! zivilgesells!a*li!es Engagement selbst herstellen. Strauss und Glaser s!ufen in den kleinen Analyse-Arbeitsgruppen, die von ihnen angeleitet wurden, ebenfalls einen Raum für analytis!e O"enheit. Jede/r, die oder der in sol!en Gruppen analysiert, hört zuglei! die Perspektiven und Analysen der Anderen in Bezug auf die Daten – das ist ebenfalls eine Art und Weise der „Ö" nung“, die au! unbequem sein kann. Leigh Star und i! sahen dies als eine Form, in der die GTM immer s!on feministis! war, denn die Analysegruppen zeigten im Hinbli% auf ihre O"enheit gegenüber alternativen Deutungen viele Parallelen zu den feministis!en Gruppen, die ein Bewusstsein für feministis!e Anliegen erzeugen wollten (Clarke '((,; Star '((/). In der Situationsanalyse habe i! in vers!iedener Hinsi!t versu!t, auf diese „Ö"nungen“, diese demokratisierenden analytis!en und repräsentierenden Bewegungszüge aufzubauen. Situations-Maps sollen so „inklusiv“ wie mögli! sein: Was ist in der Situation da – egal ob Themen auf dem Tis! liegen oder ni!t. Sol!e Maps können und sollten die „Elefanten im Raum“7 aufzeigen+! Die soziale-Welten/ Arenen-Analysen stellen häu)g dar, wie in einer spezi)s!en Arena kleinere Welten die mä!tigeren Großen herausfordern. Und Positions-Maps ma!en den ganzen Umfang der in den Daten artikulierten Positionen deutli! – ni!t nur diejenigen, wel!e „die Mehrheit“ haben. Wie Be%er s!on bemerkte: Wir können deswegen bes!uldigt werden, die underdogs zu unterstützen. Für mi! ist damit no! ein tie7
Anm. R.0K.: Der im Englis!en geläu)ge ge1ügelte Ausdru% „Elefanten im Raum“ bezieht si! darauf, dass im Hinbli% auf etwas, was o"ensi!tli! ni!t übersehen werden kann, do! von allen beteiligten Akteuren bzw. Anwesenden so getan wird, als sei es gar ni!t da.
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„Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt“
fer gehendes politis!es Thema verbunden – ein Thema, das viel mit dem Werk von Foucault und mit der Aktor-Netzwerk-Theorie zu tun hat: Wenn man immer nur dem Ort oder den Orten der Ma!t folgt, wird man au! nur diese Orte und das, was dort ist, zu sehen bekommen. Oder zumindest wird das alles sein, was man gut sehen kann. Dagegen versu!t die Situationsanalyse, Situationen zu ö"nen, sodass sie in ihren Verdi!tungen und Komplexitäten deutli!er zutage treten. Für mi! ist die Darstellung der Komplexität der ents!eidende Punkt – und das kann au! als eine politis!e Position verstanden werden. Was die Frage der Qualität von Situationsanalysen betri5, so würde i! ganz im Einklang mit den übli!en Kriterien für gute qualitative Fors!ung zusätzli! ho"en, dass es einen starken inneren Anspru! der Fors!enden bezügli! des Bli%s auf Aspekte des Sozialen gibt. I! meine damit den Einbezug von organisatoris!en und institutionellen Elementen, Diskursen usw. I! setze au! auf einen hohen Anspru! hinsi!tli! der Erfassung und Darstellung von Komplexitäten und Variationsbreiten, indem die ni!t-mens!li!en Bestandteile der Situation ernst genommen werden, indem die Analyse den implizierten Akteuren und Aktanten Re!nung trägt. Wie die GTM, so glaube au! i!, dass Situationsanalysen, wenn diese von vers!iedenen Fors!enden dur!geführt werden, au! unters!iedli!e Ergebnisse zeigen werden. In den S!lussphasen von Fors!ungsprojekten müssen wir die s!wierigen und s!merzli!en Ents!eidungen darüber tre"en, wel!e Ges!i!ten wir erzählen wollen, wel!e Teile der Analyse wir in den Vordergrund stellen, und was in den Hintergrund kommt oder ganz beiseite gelassen wird. Vers!iedene Leute werden vers!iedene Fors!ungsziele haben und diese Ents!eidungen daran ausri!ten. I! ho"e jedo!, dass es im vorherigen Analyseprozess selbst Ähnli!keiten gegeben haben wird, im Hinbli% auf die Analyse der Elemente, die zur Situation gehören, wel!e soziale Welten und Arenen da involviert sind, und was die Hauptgegenstände des Streits in den Diskursen zwis!en sol!en Welten sind. RK: Könnten Sie uns zum S!luss ein oder mehrere Beispiele für eine besonders gut gelungene Situationsanalyse und deren Ergebnisse nennen+? AC: Diese letzte Frage gibt mir die Gelegenheit zum Ausdru% zu bringen, wie tief geehrt i! mi! fühle und wie aufregend es für mi! ist, dass die Situationsanalyse ins Deuts!e übersetzt wird (Clarke '(## ['((-]). Als akademis!e Wissens!a*lerin habe i! im Rahmen von Veranstaltungen zur qualitativen Fors!ung und zur Wissens!a*s- und Te!nikfors!ung etli!e Male Deuts!land und Österrei! besu!t. I! war immer beeindru%t von der Ernstha*igkeit, die dort Fragen der Methodologie entgegengebra!t wurde. Es gibt dort ja au! ein s!on lange anhaltendes Interesse an der Theorie sozialer Welten und an der Untersu!ung von „Verlaufsbahnen“ (Trajekten; vgl. z.0B. Gratho" #$$#; Soe"ner #$$#). Vor kurzem wurde die Situationsanalyse in einer interessanten Studie von Thomas Mathar ('(($) über „Präventive Selbste“ aufgegri"en, die mit Telemonitoring-Apparaten (als Aktanten) interagieren. Das ho!spannende Bu! von Helen Kohlen ('(($) über „Con1icts of Care: Hospital Ethics Commi&ees in the USA and Germany“ fokussiert relationale Analysen, d.0h.
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die Beziehungen zwis!en den vers! iedenen Elementen der Situationen. Carrie Friese ('(#() nutzt Positions-Maps für eine detaillierte Bes!reibung der umstri&enen Klassi)zierung von Organismen, die aus den Versu!en entstanden, bedrohte Arten zu klonen. Eine ganze Liste mit weiteren Arbeiten, wel!e die Situationsanalyse nutzen, steht auf der Webseite h&p://www.situationalanalysis.com/.8 Literatur Adams, Vincanne; Murphy, Michelle & Clarke, Adele E. ('(($). Anticipation: Technoscience, life, a"ect, temporality. Subjectivity, "0, '3,–',-. Becker, Howard S. (#$/( [#$,/]). Whose side are we on+? In Howard S. Becker, Sociological work: Method and substance (S.#'2–#23). New Brunswi%, NJ: Transaction Books. Belliger, Andréa & Krieger, David J. ('((,). ANThology. Ein einführendes Handbu! zur AkteurNetzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript. Berger, Peter & Lu%mann, Thomas (#$.( [#$,,]). Die gesells!a*li!e Konstruktion der Wirkli!keit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt/M.: Fis!er. Blumer, Herbert (#$,$). Symbolic interactionism: Perspective and method. Berkeley: University of California Press. Bohannan, Laura [bzw. Smith Bowen, Eleonore] (#$-,). Return to laughter. London: Victor Gollanz. Castellani, Brian (#$$$). Michel Foucault and symbolic interactionism. Studies in Symbolic Interactionism. "", '3/–'/'. Charmaz, Kathy ('((,). Constructing grounded theory: A practical guide to qualitative analysis. London: Sage. Clarke, Adele E. (#$$.): Disciplining reproduction. Modernity, American life sciences and the ‚problem of sex‘. Berkeley: University of California Press. Clarke, Adele E. ('(('). Neue Wege der Qualitativen Fors!ung und die Grounded Theory. In Doris S!ae"er (Hrsg.), Qualitative Gesundheits- und P1egefors!ung (S./#–.$). Bern: Huber. Clarke, Adele E. ('((2). Situational analyses: Grounded theory mapping a*er the postmodern turn. Symbolic Interaction, "2(3), --2–-/,. Clarke, Adele E. ('((-). Situational analysis: Grounded theory a*er the postmodern turn. Thousand Oaks, CA: Sage. Clarke, Adele E. ('((,). Feminisms, grounded theory and situational analysis. In Sharlene Hesse-Biber (Hrsg.), Handbook of feminist research: Theory and praxis (S.23-–2/(). Thousand Oaks, CA: Sage. Clarke, Adele E. ('((.). Sex/gender and race/ethnicity in the legacy of Anselm Strauss. Studies in Symbolic Interaction, )", #-$–#/3. Clarke, Adele E. ('(## ['((-]). Situationsanalyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissens!aften. Clarke, Adele E. & Fujimura, Joan (Hrsg.) (#$$'): The right tools for the job: At work in twentieth century life sciences. Princeton: University Press. 8
Siehe au! zu Adele E. Clarke h& p://nurseweb.ucsf.edu/www/"clara.htm und zu Anselm Strauss h&p://sbs.ucsf.edu/medsoc/anselmstrauss/strauss.
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Adele E. Clarke im Gesprä! mit Reiner Keller
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Teil II Positionen
Editorial
Dass es vor dem Hintergrund der über vierzigjährigen Entwi!lungsges"i"te der GTM in einiger Hinsi"t ri"tiger ers"eint, dass wir ni"t mehr von einer GroundedTheory-Methodologie auszugehen haben, sondern vielmehr von Grounded-TheoryMethodologien „im Plural“ geredet werden muss, ma"en die in dieser Sektion des Grounded Theory Readers versammelten Artikel sehr deutli". Barney Glaser de#niert in seinem (gemeinsam mit Judith Holton verfassten) Beitrag die GTM im strengen Sinne als „klassis"e GTM“, die er Versu"en jedweden „Umbaus“ des „Ursprungsmodells“ – das von ihm gemeinsam mit Anselm Strauss in „The Discovery of Grounded Theory“ erstmals entworfen wurde – entgegensetzt. Glaser versu"t dabei ni"t nur, einige in dem $%&'er-Band nur angedeutete method(olog)is"e Implikationen vor dem Hintergrund seiner vielen Arbeiten zu skizzieren (und zu präzisieren), sondern wendet si" s"arf gegen Versu"e, die GTM als eine beliebige qualitative Datenanalysestrategie zu nutzen bzw. will sie gegen die in seiner Perspektive damit verbundene „Verwässerung“ dur" ni"t-autorisierte Dri(e s"ützen. Die von Juliet Corbin und Anselm Strauss konzipierte Fassung der GTM, wie sie insbesondere in „Basics of Qualitative Resear"“ Anfang der $%%)er Jahre vorgestellt wurde, hat Glaser s"arf a(a!iert. Na" dem Tod von Anselm Strauss, $%%&, ist Juliet Corbin dann o* als Koautorin von Strauss – gewissermaßen als Verwalterin von dessen Erbe – angesehen worden. In dem hier verö+entli"ten Beitrag nimmt sie diese Herausforderung weiter an und wahr, verwehrt si" aber zuglei" gegen eine Position, weiter „Strauss’ Version“ der GTM vertreten zu sollen. Rü!greifend auf das, was ihr an Entwi!lung innerhalb der qualitativen Sozialfors"ung der letzten Jahrzehnte wesentli" s"eint, bemüht sie si" um eine Aufbereitung und Revision des nun gemeinsamen Erbes. Und sie verdeutli"t an einem Beispiel, was es heißen könnte, ni"t nur über Methoden zu s"reiben, sondern zu zeigen, wie GTM in ihrem Sinne angewendet werden könnte. Eine von vornherein als eigenständig rezipierte Position hat Kathy Charmaz mit ihrer konstruktivistis"en Auslegung der GTM vorgelegt. Anders als Glaser, der Subjektivität und Perspektivität der Fors"enden als „eine Variable“ unter vielen sieht, geht es Charmaz um eine grundsätzli"e Re-Positionierung unter Anerkennung der Ko-Konstruktion dur" Fors"ende im gesamten Fors"ungsprozess. Na" der Klärung einiger ontologis"er und epistemologis"er Voraussetzungen versu"t sie, wesentli"e Charakteristika einer konstruktivistis"en GTM dur" den Verglei" mit einer „objektivistis"en GTM“ und an ausgewählten Beispielen zu umreißen. Adele E. Clarke geht in ihrer Fassung no" über Charmaz hinaus, mit der sie die konstruktivistis"e Position teilt. Ihr geht es um eine Ö+ nung der GTM, die u.,a.
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Editorial
postmodernen Anforderungen Re"nung trägt. Im Zuge dessen rekurriert sie zum einen auf die von Strauss vorges"lagene Theorie sozialer Welten und Arenen, zum anderen geht es ihr um die Analyse von Aushandlungen und Diskursen im Sinne diskursanalytis"er Arbeiten. All dies mündet in einen eigenen methodologis"en Vors"lag, die „Situationsanalyse“, als umfassende kartogra#s"e Analyse komplexer Untersu"ungseinheiten. Günter Mey & Katja Mru!
Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie1 Barney G. Glaser unter Mitarbeit von Judith A. Holton
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Einleitung
Der Unters! ied zwis!en den partikularistis!en, regelmäßig anfallenden und normativen Daten, die wir alle in unserem Alltagsleben sammeln einerseits und wissens!a"li!en Daten andererseits besteht darin, dass letztere mithilfe von Methodologien generiert werden. Dies ma!t sie wissens!a"li!. Diese Aussage mag trivial klingen, bildet aber den Ausgangspunkt für viele komplexe Fragen. Wel!e Methodologie au! immer gewählt wird, damit die ans! ließende Fors!ung das A#ribut „wissens!a"li!“ erhält, bringt viele implizite und explizite Probleme mit si!. Die Wahl beinhaltet eine bestimmte Art der Datenerhebung, des Tempos und der zeitli!en Planung der Erhebung, eine bestimmte Art der Analyse und spezi$s!e Fors!ungsergebnisse. Im Falle qualitativer Daten ist das explizite Ziel die Deskription. Das Thema, das von einem Gros der Literatur zur Methodologie qualitativer Datenanalyse (QDA) deutli! angespro!en wird, bezieht si! auf die Genauigkeit, Wahrha" igkeit, Glaubwürdigkeit oder Objektivität der Daten. Im Fokus stehen dabei die Subjektivität der Fors!enden und der interpretative bzw. Konstruktions!arakter der Daten. Exaktheit ist für QDA-Methodologien immer das zentrale Anliegen, um das si! ihre Vertreter/innen besonders sorgen. Dies sind aber nur ein paar der Probleme, die mit Deskription einhergehen. Weitere QDA-Probleme betre%en das Tempo der Datenerhebung, den Datenumfang, den Ablauf und die Strenge der Datenanalyse, die Generalisierbarkeit der Teilbefunde sowie die Rahmung der vorgenommenen Analyse und der Ergebnisse. Diese und andere Themen werden in der Literatur zu qualitativer Fors!ung ausführli! erörtert, denn die Akkuratheit der Deskription ist für qualitativ Fors!ende und ihre Leser/innen ein ständiges Thema. Ich habe diese Probleme in „The Grounded Theory Perspective: Conceptualization Contrasted with Description“ (Glaser &''() ausführlich behandelt.
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Zuerst verö%entli!t in englis!er Spra!e unter dem Titel „Remodeling Grounded Theory“ in Forum Qualitative Sozialfors!ung/Forum: Qualitative Social Resear! , "(&), Art. ), h# p://nbn-resolving. de/urn:nbn:de:'(()-fqs')'&)*. Wir danken den Autor/innen und FQS für das Re!t der Verö%entli!ung und Übersetzung. Für die Verö%entlichung wurde der Beitrag überarbeitet und gekürzt. Aus dem Englis!en übersetzt von Paul Sebastian Ruppel und Katja Mru+.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
In diesem Beitrag werde i! die konzeptuelle Perspektive der klassis!en Grounded-Theory-Methodologie (GTM) aufgreifen. (In man!er Fors!ungsliteratur ist die klassis!e GTM au! als „Glasers!e GTM“ bezei!net worden, obwohl i! persönli! die Bezei! nung „klassis!“ bevorzuge als Anerkennung der Ursprünge dieser Methodologie.) Der konzeptionelle Charakter der klassis!en GTM ma!t sie unabhängig von Zeit, Ort und Personen. Weil die GTM datenbasiert (grounded) ist, s!lagen si! ihre konzeptuellen Hypothesen (anders als im Falle der QDA-Methoden) ni!t mit Problemen der Genauigkeit usw. herum. Die Vermis!ung von QDA und GTM hat eine Herabstufung und Erodierung des GTM-Ziels, eine konzeptuelle Theorie zu generieren, zur Folge. Das Resultat ist ein Umbau (remodeling) der klassis!en GTM in nur eine weitere QDA-Methode mit all ihrem deskriptiven Balast. Angesi!ts des Bedeutungszuwa!ses der QDA dur! die bloße Anzahl von Fors!erinnen und Fors!ern, die si! mit qualitativer Analyse unter dem Label GTM bes!ä"igen, resultiert aus dem o%enkundigen Zusammens!luss der beiden Methodologien ein Umbau der GTM in Ri!tung des QDA-Kanons und der QDA-Te! niken. Konzeptuelle Voraussetzungen der GTM gehen lei!t verloren in den QDA-Problemen der Genauigkeit, der Datentypen, der Konstruiertheit von Daten, der „Stimme“ der Teilnehmenden und der Strenge der Datenerhebung im Rahmen von positivistis!en Darstellungsvoraussetzungen, wie ,exibel ein sol!er Ansatz au! immer formuliert sein mag (siehe Lowe (--.). Das Resultat ist eine Blo+ierung der klassis!en GTM und ein Verlust ihrer eigentli!en Stärke, nämli! das Generieren konzeptueller Theorien, die grundlegende soziale Muster im Zuge einer Untersu!ung zu erklären versu!en. I! werde einige, aber ni!t alle Behinderungen behandeln, die aus dem Umbau der klassis!en GTM-Analyse herrühren bzw. daraus, dass die GTM mit den deskriptiven methodologis!en Anforderungen der QDA zusammenges! nürt wird. Mein Ziel ist es, die Na!teile für gute GT-Analysen etwas abzumildern, die auf diejenigen erfahrenen QDA-Fors!er/innen zurü+gehen, die für keine andere Methode o%en sind, insbesondere ni!t für die GTM. I! ho%e, die GTM von dem exzessiven Szientismus befreien zu können, der dur! diejenigen verursa!t wurde, die si! bei der Hervorbringung eines wissens!a"li!en Produkts um Genauigkeit sorgen und um die Frage, was „e!te“ Daten sind. Und i! ho%e, denjenigen Doktorand/innen Rü+ halt zu geben, die si! mit fals! angewandter QDA-Kritik erfahrener Fors!er/in nen oder ihrer Betreuer/innen abmühen müssen. I! mö!te einmal mehr daran erinnern, dass die klassis!e GTM s!li!t eine Reihe integrierter, konzeptueller Hypothesen ist, die systematis! generiert wurden, um eine induktive Theorie über einen substanziellen Gegenstandsberei! zu bilden. Die klassis!e GTM ist eine ho! strukturierte, aber ausgespro!en ,exible Methodologie. Ihre Datenerhebungs- und Analyseverfahren sind de$niert, und diese Verfahren werden zuglei! simultan, sequenziell, na!einander, geplant und zufällig dur!s!ri#en und formen ein integriertes methodologis!es „Ganzes“, das im Unters!ied zu der für die QDA-Fors!ung !arakteristis!en thematis!en Ana-
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lyse die Emergenz konzeptueller Theorie ermögli!t. I! habe dies in meinen Bü!ern „Theoretical Sensitivity“ (Glaser (-./), „Basics of Grounded Theory Analysis“ (Glaser (--&), „Doing Grounded Theory“ (Glaser (--/) und „The Grounded Theory Perspective“ (Glaser &''() ausführli! bes!rieben. Seit der Erstverö%entli!ung von „The Discovery of Grounded Theory“ (Glaser & Strauss (-0.) wurde die hervorragende Eigens!a" der GTM als eine allgemeine Fors!ungsmethodologie im Laufe der Jahre dur! die Übernahme der GTM-Terminologie und die selektive Anwendung einzelner Aspekte der GTM dur! die QDAFors!ungsmethodologie vereinnahmt. Diese multi-methodale Rosinenpi+erei, obwohl o%ensi!tli! akzeptabel für QDA, ist mit den Voraussetzungen der GTM ni!t kompatibel. Derzeit s!eint es sehr populär zu sein, in fa!bezogenen und methodologis!en Artikeln allgemeine QDA-Vorgehensweisen wegen des rhetoris!en Legitimationse%ekts mit dem Label GTM zu versehen; überdies wird der dort vorgenommene Mix von Methoden als eine Methode behandelt. Die klassis!e GTM ist ni!t das, was diese „adoptierten QDA“-Anwendungen als GTM bezei! nen würden. Diese Fors!er/innen erkennen ni!t, dass GTM und QDA – obwohl sie häu$g die glei!en qualitativen Datentypen nutzen – in einer Weise unvereinbar sind, die einer Integration entgegenstehen. Jede Methode für si! hat dur!aus eine zumindest tendenzielle Bere!tigung. Die Leserin oder der Leser sollte ni!t vergessen, dass es in diesem Beitrag um die GTM geht und darum, wie diese vor einem sol!en Umbau ges!ützt werden kann. Es geht in keiner Weise darum, QDA zu verurteilen: QDAMethoden können dur!aus wertvoll, respektabel und akzeptabel sein. Wie eingangs ausgeführt, liegt die Wahl der Methodologie, um wissens!a"li!e Fors!ung auf der Grundlage qualitativer Daten zu betreiben, bei den Fors!enden. Es besteht jedo! ein Unters!ied zwis!en einerseits vorgängig übernommenen Konzepten und Problemstellungen, die den Daten dur! QDA-Methoden aufgezwungen werden, und andererseits dem Fokus der GTM auf der Generierung und Emergenz von Konzepten, Problemstellungen und theoretis!en Kodes. Sofern die GTM involviert ist, sollte die Wahl der Methodologie ni!t wirr und zusammengewürfelt oder als Stü+werk erfolgen. Dies zu tun, bedeutet eine Aushöhlung der konzeptuellen Stärke der GTM. Verfahren und Ideen der GTM werden verwendet, um routinemäßige QDAMethodologie zu legitimieren und zu untermauern. Angesi!ts der Flut von QDAMaximen werden Lesende verstehen, dass es s!wer ist, diese Lawine zu assimilieren oder ihr au! nur standzuhalten. Der Sturmangri% ist dermaßen stark und gut gemeint, dass viele – besonders Na!wu!sfors!er/innen – weder wissen no! realisieren, dass es si! um einen Umbau der GTM handelt. Dieser Beitrag vertri# die Si!tweise, dass Fors!ende, die ein GTM-Produkt fertigstellen müssen, um auf ihrem Karriereweg voranzus!reiten und ihre Kompetenzen voranzutreiben, häu$g dur! diesen inadäquaten Mix von Methoden und die hierdur! aufgezwungenen QDA-Anforderungen verwirrt und bei ihren Vorhaben
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
blo+iert werden. Die dur! diesen Umbau der GTM hervorgerufenen Hindernisse zu beseitigen, ist angesi!ts der großen Di%usion, die entstanden ist und weiter zuzunehmen s!eint, keine lei!te Aufgabe. Es geht mir darum, im Sinne der Stärkung der GTM- Perspektive den QDA-Umbau rü+gängig zu ma!en. I! werde konsequent argumentieren, dass die GTM si! mit den Daten befasst, so wie sie sind, und ni!t damit, wie si! die QDA diese wüns!t; oder förmli!er: was die QDA aufgrund vorgängigen Wissens als akkurat begrei" und den Daten aufzwingt. Dies erfordert allerdings Ehrli!keit, nämli! alle Daten so zu nehmen, wie sie kommen, sie zu verstehen, und sie dann zu konzeptualisieren. I! habe in „Doing Grounded Theory“ (Glaser (--/) ausführli! über „All is data“ und das forcing ges!rieben. Meine Ho% nung ist, dass es dur! die Bes!ä" igung mit dem eskalierenden Umbau der GTM gemäß den QDA-Anforderungen gelingen könnte, die GTM insoweit zu befreien, dass sie wieder ist, was sie ursprüngli! war. In „Theoretical Sensitivity“ habe ich hierzu geschrieben: „The goal of grounded theory is to generate a conceptual theory that accounts for a pa#ern of behavior which is relevant and problematic for those involved. The goal is not voluminous description, nor clever veri$cation“ (Glaser (-./, S.-1). 2
Die Blo! ierung der GTM dur" die QDA
Dieser Beitrag hat eine simple Bots!a". Die GTM ist eine geradlinige Methodologie. Es geht um einen umfassenden, integrierten und ho! strukturierten, do! ausgespro!en ,exiblen Prozess, der die Fors!erin oder den Fors!er vom ersten Tag im Feld bis zur fertig ges!riebenen Theorie bringt. Das Einhalten der umfassenden GT-Verfahren, die auf der Methode des ständigen Verglei!ens basieren, führt zu einer reibungslosen und ununterbro!enen emergenten Analyse und der Generierung einer gegenstandsbezogenen (substantive) oder formalen (formal) Theorie. Wenn GT-Verfahren allerdings mit den zahlrei! vorhandenen Anforderungen der QDAMethodologie verknotet werden, wird die grounded theory verzerrt, und es wird sehr viel kostbare Fors!ungszeit verwendet; s!limmer no!, das Wissen der GTM darüber, was wirkli! vor si! geht – und somit das grounding – wird zu Fall gebra!t. Die Ver,e!tung mit vorgefassten Annahmen und Meinungen, forcierten Konzepten und Gliederungen, logis!en Verbindungen und im Vorfeld s!on bestehenden professionellen Interessen lässt die GTM auf den Status einer Mixed-Methods-QDAMethodologie absinken. Das Wort „Analyse“ ist ein vager Sammelbegri% dafür, was man mit Daten ma!t oder ma!en soll. Es wird in QDA-Methodologien ho!, runter und seitwärts „verwissens!a"li!t“ und holt die GTM in deren Winds!a#en ein. QDA führt zu einer partikularistis!en Analyse auf der Grundlage diskreter Erfahrungen, während die
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abstrakte Idee der Konzeptualisierung latenter Muster, auf der die GTM basiert, blo+iert wird. Die GTM umfasst klare und elaborierte Vorgehensweisen. Wenn sie in die QDA eingebaut wird, wird die GT-Abstraktion zugunsten der Genauigkeit der Bes!reibung verna!lässigt – no!mals: das ist die Hauptsorge der QDA-Methodologie –, und die GTM übernimmt umgekehrt das QDA-Problem der Exaktheit und Akkuratheit: eine für die GTM irrelevante Sorge. Der GTM geht es um Theoriegenerierung: Zeit dafür aufzuwenden, si! Sorgen um ihren Platz in den QDA-Methoden zu ma!en, ist einfa! nur modis!es Legitimationsgerede. Creswell wir" die GTM in seinem Bu! „Qualitative Inquiry and Resear! Design“ ((--/) in einen Topf mit Phänomenologie, Ethnogra$e, Fallstudie und biogra$s!er Fors!ung. Das Ergebnis ist eine ober,ä!li!e Umgestaltung der GTM zu einer „Art“ von QDA. Damit wird verhindert, dass die GTM als übergreifende, allgemeine Fors!ungsmethodologie gefasst wird. Auf Creswells Kontinuum werden Methoden dana! geordnet, wann auf Theorie in der Fors!ung zurü+gegri%en wird, und er ordnet dies an zwis!en einem Pol vor dem Beginn der Studie und dem zweiten na! Abs!luss der Studie. Mit Studie meint er Datenerhebung und strukturierende Fragen. Creswell unters!eidet o%ensi!tli! ni!t zwis!en Theoriegenerierung dur! Datenerhebung und Theoriegenerierung, die auf die Daten angewendet wird, wenn diese einmal gesammelt sind. Beide ereignen si! während und na! der Datenerhebung, sind jedo! sehr unters!iedli! gespeist. Das Resultat ist im Falle von Creswell eine Konfusion von GTM mit QDA, z.2B., wenn er s!reibt: „At the most extreme end of the continuum, toward the ‚a"er‘ end, I place grounded theory. Strauss and Corbin ((--') are clear that one collects and analyzes data before using theory in a grounded theory study. This explains, for example, the women’s sexually abuse study by Morrow and Smith ((--*) in which they generate the theory through data collection, pose it at the end, and eschew prescribing a theory at the beginning of the study. In my own studies, I have refrained from advancing a theory at the beginning of my grounded theory research, generated the theory through data collection and analysis, posed the theory as a logic diagram and introduced contending and contrasting theory with the model I generate at the end of my study (Creswell & Brown (--&, Creswell & Urbom (--.).“ (Creswell (--/, S./0)
Creswell mag einen wesentli!en Grundsatz der GTM anspre!en: Beginne ohne vorgefasste Theorie und generiere dann eine Theorie im Verlauf der Analyse (sofern er ni!t die Anwendung einer bestehenden Theorie meinte). Als Unters!eidungsmerkmal für die GTM ist dies jedo! kaum ein Ansatz. Er lässt die Lesenden in Unkenntnis darüber, wie die Theoriegenerierung vonsta#en geht, weil die Annahme ist, dass sie mi#els der übli!en QDA-Methoden vollzogen wird. Die generierte Theorie mit anderen bestehenden Theorien zu kontrastieren, um die eine oder andere zu
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
beweisen, zu verbessern oder zu widerlegen, lässt außer A!t oder verna!lässigt, die Theorien ständig na! Kategorie- und Eigens!a"sgenerierung zu verglei!en. Die GTM mag in methodologis!en QDA-Diskussionen genannt werden oder au! ni!t, ihre Vorgehensweisen werden sehr häu$g erwähnt. Von daher werden die Methode des ständigen Verglei!ens, Problememergenz, theoretis!es Sampling, theoretis!e Sä#igung, konzeptuelle Emergenz, das S!reiben von Memos (memoing), das Sortieren (sorting) etc. mit QDA-Vorstellungen gemixt. Diese faktis!e Unterminierung der GTM führt für Na!wu!sfors!er/innen zu einem komplexen Dur!einander mit Bli+ auf eine sonst einfa!e Methodologie. Die Fors!enden sind blo+iert, sta# das Potenzial und die Autonomie nutzen zu können, die die GTM bietet, um zu einer neuen, emergenten und generierten Theorie zu gelangen. Das Vermögen, ehrli! darüber zu sein, was genau die Daten sind, verkümmert infolgedessen wegen des unaufhörli!en Strebens na! QDA-Exaktheit. Kathryn May z.2B. höhlt unabsi!tli! die GTM na! QDA-Manier aus, wenn sie die kognitiven Prozesse bes!reibt, die der Datenanalyse inhärent sind. „Doing qualitative research is not a passive endeavor. Despite current perceptions and student’s prayers, theory does not magically emerge from data. Nor is it true that, if only one is patient enough, insight wondrously enlightens the researcher. Rather, data analysis is a process that requires astute questioning, a relentless search for answers, active observation, and accurate recall. It is a process of piecing together data, of making the invisible obvious, of recognizing the signi$cant from the insigni$cant, of linking seemingly unrelated facts logically, of $#ing categories one with another, and of a# ributing consequences to antecedents. It is a process of conjecture and veri$cation, of correction and modi$cation, of suggestion and defense. It is a creative process of organizing data so that the analytic scheme will appear obvious.“ (May (--), S.(')
May bes!ä"igt si! mit dem deskriptiven Einfangen im Sinne von QDA und grei" den wi!tigsten Grundsatz der GTM an, dass Theorie emergieren kann. Sie ist im Gewirr der Auseinandersetzung um akkurate Fakten-Fors!ung verfangen, was aber irrelevant für die GTM ist. Sie zieht forcing vor, d.2h., die Daten sollen si! ihrem vorgefassten Rahmen beugen. Sie erkennt die Methode des ständigen Verglei!ens ni!t an, dur! die aus allen Daten Theorie emergiert. In ähnli!er Weise wollte die folgend zitierte Doktorandin – in ihrem E-MailHilferuf an mi! – eine GTM-Dissertation s!reiben, ha#e si! aber ebenfalls in QDA und Deskription verstri+t. „I need some guidance. I’m on wrong track – I don’t care about the main concerns of clinical social workers in private practice. I care about the main concerns of anyone a#empting to contextualize practice. Maybe the issue is that I’m interested in an activity regardless
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of the actor. If I ask these questions I have no doubt that main concerns will emerge as well as a#empts to continually resolve them. This I care about.“ (E-Mail-Korrespondenz, Januar &''&)
Sie ist gefangen im QDA-Ansatz, die Daten für ein professionelles Interesse zu forcieren. Die GTM funktioniert so ni!t, aber die Vorherrs!a" der QDA lässt sie dies denken. Später ließ sie, unter meiner Betreuung, das Hauptanliegen emergieren und s!rieb eine erstaunli! gute Dissertation über die binäre Dekonstruktion zwis!en Sozialarbeiter/innen und Klient/innen. Das für die Theorie zentrale Problem und die Kernvariable müssen emergieren, und das werden sie au!. I! habe es s!on hunderte Male gesehen. Später, wenn das Hauptanliegen emergiert ist und in einer generierten Theorie erklärt wird, wird es für die professionellen Anliegen von Relevanz sein. Wenn man Daten vor der Emergenz mit dem professionellen Interesse aufbri!t, wird ein Problem hö!stwahrs!einli! zu Ergebnissen führen, die wenig oder keine Relevanz besitzen – bloß übli!e QDA-Deskription mit „als ob“-Bedeutung. Hier ist ein weiteres gutes Beispiel einer Vermengung der GTM mit QDA-Ansprü!en, die die GTM am Ende eindeutig aushöhlt. „Comprehension is achieved in grounded theory by using tape-recorded, unstructured interviews and by observing participants in their daily lives. However, the assumption of symbolic interactionism that underlie grounded theory set the stage for examining process, for identifying stages and phases in the participant’s experience. Symbolic interaction purports that meaning is socially constructed, negotiated and changes over time. Therefore the interview process seeks to elicit a participant’s story, and this story is told sequentially as the events being reported unfold. Comprehension is reached when the researcher has interviewed enough to gain in-depth understanding.“ (Morse (--), S.1-)
Genau genommen verlangt die GTM keine auf Bändern aufgezei! neten Daten. Feldnotizen sind vorzuziehen. Die GTM nutzt alle Interviewtypen, und indem die Studie vorans!reitet, emergiert der beste Interviewstil. Die GTM nutzt alles als Daten, entspre!end sind Symbolis!e Interaktion und konstruierte Daten nur eine Datensorte, es gibt viele andere. Die GTM fasst Prozess als theoretis!en Kode ni!t im Voraus. Es gibt über (/ Kodierfamilien, von denen die Prozess-Familie nur eine ist. In der GTM muss deren Relevanz emergieren; sie wird ni!t im Vorhinein festgelegt. Interviews führen zu vielen theoretis!en Kodes. Die Ges!i!ten der Teilnehmenden sind stri#ig. Es werden Muster gesu!t und konzeptualisiert. Die GTM su!t ni!t na! einer Deskription partikularistis!er Beri!te. Alle Daten werden ständig vergli!en, um Konzepte zu generieren. Morse (a.2a.2O.) führt ihre Bes!reibung der GTM wie folgt fort:
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
„Synthesis is facilitated by adequacy of the data and the processes of analysis. During this phase the resear!er is able to create a generalized story and to determine points of departure, of variation in this story. The process of analysis begins with line-by-line analysis to identify $rst level codes. Second-level codes are used to identify signi$cant portions of the text and compile these excerpts into categories. Writing memos is key to recording insight and facilitates, at an early stage, the development of theory.“
Es ist wirkli! s!wierig, in diesem Zitat von Morse GTM-Verfahren wiederzuerkennen. „Adequacy of the data“ und „generalized story“ haben den Beiges!ma+ der Sorge um Exaktheit und um Deskription, die, um es no! mals zu wiederholen, reine QDA-Anliegen sind; sie betre%en ni!t die GT-Verfahren. Die GTM bri!t die „Ges!i!te“ im Dienste der Konzeptualisierung auf. Ihre Herangehensweise einer Zeile-für-Zeile-Analyse ist bloß eine Referenz auf den Prozess des ständigen Verglei!ens, aber das ist alles. Ihre Bezüge zu Kodes erster und zweiter Ordnung, zu Textteilen und zur Kompilierung von Exzerpten zu Kategorien sind keineswegs die Methode des ständigen Verglei!ens, die dafür geda!t ist, von Beginn der Datenerhebung und -analyse an konzeptuelle Kategorien und ihre Eigens!a"en zu generieren. Memos zu s!reiben hat mit der unmi#elbaren Aufzei!nung von theoretis!en und konzeptuellen Ideen zu tun, die – grounded in data – generiert wurden, ni!t mit geheimnisvollen – viellei!t auf Vermutungen beruhenden – Einsi!ten, von denen Morse spri!t. Und weiter (a.2a.2O.): „As synthesis is gained and the variation in the data becomes evident, grounded theorists sample according to the theoretical needs of the study. If a negative case is identi$ed, the resear!er, theoretically, must sample for more negative cases until saturation is rea!ed when synthesis is a#ained.“
Es ist abermals s!wer, GT-Verfahren in dieser Bes! reibung zu erkennen. Es gibt immer Variation in den Daten. Die GTM befasst si! mit der Generierung einer multivariaten konzeptuellen Theorie – ni!t mit der Variation von Daten für die QDA. Die Su!e na! negativen Fällen ist kein Vorgehen der GTM, sie spri!t eher für ein vorgefasstes forcing. Die GTM su!t dur! das theoretis!e Sampling Verglei!sfälle, um Kategorien und ihre Eigens!a"en zu generieren. Fors!ende, die mit der GTM arbeiten, wissen im Vorhinein ni!t, was sie $nden werden. In das Sample einzubeziehende Fälle können ähnli! oder vers!ieden, positiv oder negativ sein. Morses Bezug auf Sä#igung bedeutet keine konzeptuelle Sä# igung; er antizipiert vielmehr s!li!te Redundanz ohne konzeptuelle Analyse. Morse (a.2a.2O.) fährt fort: „Theorizing follows from the processes of theoretical sampling. Typologies are constructed by determining two signi$cant !aracteristics and sorting participants against ea!
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!aracteristic on a &x& matrix. Diagramming is used to enhance understanding and identifying the basic social process (BSP) that accounts for most of the variation in the data.“
Das Theoretisieren in der GTM ist ein emergenter Prozess, der si! dur! kontinuierli!e und integrierte Kreisläufe der Datenerhebung, Kodierung und konzeptuellen Analyse vollzieht, und bei dem die Resultate laufend in Memos festgehalten werden. Das theoretis!e Sampling ist nur eine Quelle des grounding bei der Anwendung der Methode des ständigen Verglei!ens. Theoretis!e Kodes wie beispielsweise Typologien oder basic social processes (BSPs) a priori vorzufassen, ist ni!t GTM. In der GTM emergieren relevante theoretis!e Kodes im Verlauf der konzeptuellen Sortierung von Memos und können „was au! immer“ sein. Obwohl die &×&-Matrix, wenn sie emergiert, ein gutes Werkzeug für die Konzeptualisierung von Typen ist (siehe Glaser & Strauss (-0*), ist sie dies ni!t für die A priori-Platzierung, Sortierung oder Zählung von Teilnehmenden. Dies ist eine routinemäßige, vorgefasste und deskriptive Erfassung dur! die QDA, ni!t GTM. Und no! einmal Morse (S.1)): „As with the methods previously discussed, recontextualization is determined by the level of abstraction a#ained in the model development. Whereas substantive theory is context bound, formal theory is more abstract and may be applicable to many se# ings or other experiences.“
Diese Darstellung entspri!t überhaupt ni!t der GTM, aber sie adressiert das übli!e QDA-Dilemma, aus der Bes!reibung einer Einheit oder eines Falles zu generalisieren. Im Unters!ied hierzu haben Theorien im Sinne der GTM immer generelle Implikationen und können mit der Methode des ständigen Verglei!ens modi$ziert und auf andere substanzielle Gegenstandsberei!e angewendet werden. Indem beispielsweise Ereignisse vergli!en werden, kann eine gegenstandsbezogene Theorie von Mil!männern, die si! des Gewinns wegen mit Hausfrauen bes!ä"igen, zu einer gegenstandsbezogenen Theorie der „Kultivierung“ von Klient/innen dur! Ärzte und Ärztinnen modi$ziert werden, die versu!en, eine Praxis aufzubauen. Dadur! wird die ursprüngli!e gegenstandsbezogene Theorie um „Kultivierung“ auf einem höheren Level der sozialen Skala erweitert. Eine formale Theorie entsteht dur! viele sol!er Verglei!e unters!iedli!er Berei!e, die auf abgestimmte Art und Weise angestellt werden; hier z.2B., um eine formale Theorie der Kultivierung (zur Erholung, für den Pro$t, für den Aufbau eines Klient/innenstamms, der Hilfe, des Spendens etc.) zu generieren. In einer grounded theory muss der Kontext als relevante Kategorie oder als theoretis!er Kode emergieren, wie alle anderen Kategorien au!. Er kann ni!t im Vorhinein als relevant vorausgesetzt werden. Wird eine gegenstandsbezogene Theorie anderswo anwendet oder eine formale Theorie generiert, wird der Kontext – wenn er relevant ist – emergieren.
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
Alle angeführten Zitate verorten die GTM o%ensi!tli! im Lager der Multi-Method-QDA mit dem Resultat der Aushöhlung der klassis!en GTM. An keiner Stelle nimmt Morse Bezug auf die GT-Verfahren der Begrenzung in jeder Phase der Generierung, der theoretis!en Vollständigkeit, der konzeptuellen Sä#igung, der Analyse der Kernvariablen, des o%enen bis selektiven Kodierens, auf Memo-Datenbanken, analytis!e Regeln, theoretis!es Sortieren, das Aufs!reiben von Memos, deren Überarbeitung und Sortieren, das emergente Problem, die Austaus!barkeit von Indizes und das theoretis!e (ni!t gegenstandsbezogene) Kodieren. Das Ergebnis ist ein großer Verlust an essenziellen GT-Verfahren. Die GTM verlangt, dass man ihren strengen Verfahren folgt, um eine Theorie zu generieren, die passt, funktioniert, relevant und lei!t modi$zierbar ist. Wenn die GTM dur! die QDA-Fors!ung vereinnahmt und korrumpiert wird, zeigt ein genauerer Bli+ auf diese Arbeiten häu$g, dass QDA-Fors!ende an der GTM herumpfus!en. Sie pressen die GTM in ein QDA-Fors!ungsdesign, um den Verengungen und professionellen Erwartungen des jeweils dominanten Paradigmas zu entspre!en. Irgendeine Art von Produkt mit ein paar Konzepten zu erhalten soll die QDAFors!ung re#en, wenn die QDA-Deskription alleine ni!t ausrei!t. Ans!ließend wird das GTM-Label verwendet, um die QDA-Fors!ung zu legitimieren. Die GTM als eine konzeptuelle Theorie generierende Methodologie ist für si! stehend. Sie ist eine allgemeine Methodologie. Sie kann jegli!e Form von Daten nutzen, aber o%ensi!tli! werden bisher qualitative Daten bevorzugt. Ergo wird die GTM in die QDA-Welt der multi-methods gezogen und in der Folge, wenn au! unwissentli!, ausgehöhlt. Diese Aufde+ung des Methoden-Dur!einanders (siehe Baker, Wuest & Stern (--&) leistet eine Bastel-Re# ungsarbeit, aber im Ende%ekt wird die GTM umgestaltet. Sie wird als eine interpretative Methode missverstanden, als Methode des symbolis!en Interaktionismus, als konstruktivistis!e Methode, als qualitative Methode, als bes!reibende Methode, als Fakten-Produzent, als Methode des S!reibens von Memos, als Interview- oder Feldmethode und so weiter. Im günstigsten Fall werden einige aus dem Kontext gerissene GT-Verfahren übernommen. Diese oben genannten Autor/innen stehen für viele, die versu!en, die GTM irgendwo im QDA-Lager unterzubringen. Sie verknüpfen die GTM mit einigen QDAVoraussetzungen und -Vorstellungen, aber dies blo+iert die Entwi+ lung einer guten grounded theory und höhlt die GTM aus. Im weiteren Teil dieses Beitrags werde i! nun versu!en zu zeigen, wie die GTM als eine konzeptualisierende Methodologie für si! steht. Mein Ziel wird sein, die klassis!e GTM-Perspektive kenntli! zu ma!en. Mir geht es darum zu verdeutli!en, wie die GT-Analyse geleistet wird und dabei zu demonstrieren, wie die QDA die Erzeugung von grounded theories blo+iert.
Barney G. Glaser
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Verfahrensweisen der GTM
Die Verfahrensweisen der GTM sind ziemli! einfa!, wenn sie ni!t mit QDA-Anforderungen zusammengeworfen werden; Blo+ierungsproblematiken ergeben si! dur! die Vermis!ung der Methoden. I! habe bereits ausführli! und detailliert über die GT-Verfahrensweisen in „Discovery of Grounded Theory“ (Glaser & Strauss (-0.), „Theoretical Sensitivity“ (Glaser (-./), „Doing Grounded Theory“ (Glaser (--/), „Basics of Grounded Theory Analysis“ (Glaser (--&), „More Grounded Theory Methodology“ (Glaser (--)) und „The Grounded Theory Perspective“ (Glaser &''() ges!rieben, alle bei Sociology Press ers!ienen. I! habe ebenfalls viele Beispiele „guter“ GT-Analysen verö%entli!t – „Examples of Grounded Theory“ (Glaser (--1), „Grounded Theory (-/) to (--)“ (Glaser (--*), „Gerund Grounded Theory“ (Glaser (--0) – und in meinen Bü!ern viele Referenzen angegeben. Das Produkt der GTM ist einfa!. Es ist keine Tatsa!enbes!reibung, es ist eine Reihe sorgfältig aus den Daten generierter Konzepte, die um eine Kernkategorie organisiert und in Hypothesen integriert sind. Die generierte Theorie erklärt das Vorherrs!en bestimmter Handlungsweisen in einem Gegenstandsberei! mit dem Movens dieses Handelns, das als Hauptanliegen der wi!tigsten Akteure zum Vors!ein kommt. I! habe immer wieder gesagt, dass eine grounded theory weder aus akkuraten Fakten besteht no! deskriptiv ist. Sie ist einfa! eine gradlinige, in Theorie integrierte Konzeptualisierung – eine Reihe plausibler, grounded Hypothesen. Sie ist nur das – ni!t mehr –, und sie ist ohne weiteres modi$zierbar, wenn neue Daten, egal wel!en Ursprungs, hinzukommen – Literatur, Daten im engeren Sinne, Kommentare von Kolleg/innen etc. Dur! die Methode des ständigen Verglei!ens werden diese neuen Daten in die Sub-Konzeptualisierung einge,o!ten. Wi!tig ist, das Gesamtpaket der GT-Verfahren als ein integriertes methodologis!es Ganzes zu nutzen. 3.1
Theoretis!e Sensibilität
Die Fähigkeit, aus Daten Konzepte zu generieren und diese – übli!en Standards der Theoriemodellierung im Allgemeinen und denen der Soziologie im Besonderen genügend – in Beziehung zu setzen, ma!t das Wesen der theoretis!en Sensibilität aus. Aus Daten eine Theorie zu generieren bedeutet, dass die meisten Hypothesen und Konzepte ni!t nur aus den Daten abgeleitet, sondern während des Fors!ungsverlaufs in Bezug auf die Daten systematis! ausgearbeitet werden. Für die Entwi+lung theoretis!er Sensibilität müssen Fors!ende zwei wesentli!e Eigens!a"en aufweisen: Erstens müssen sie die persönli!e Neigung und das Temperament haben, analytis!e Distanz zu wahren, Verwirrung und Rü+s!ri#e zu tolerieren und zur glei!en Zeit o%en zu bleiben, vorbewusster Verarbeitung und konzeptueller Emergenz vertrauend. Zweitens müssen sie in der Lage sein, theoretis!e Einsi!ten in
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
einen Fors!ungsfeld zu entwi+eln, verbunden mit der Fähigkeit, diese Einbli+e fru!tbar zu ma!en. Sie oder er muss die Fähigkeit besitzen, zu konzeptualisieren und zu organisieren, abstrakte Bezüge herzustellen, zu visualisieren und multivariat zu denken. Der erste S!ri#, theoretis!e Sensibilität zu erlangen, besteht darin, das Fors!ungsse#ing mit so wenig vorgefassten Positionen und Vorstellungen wie mögli! zu betreten – insbesondere muss auf logis! abgeleitete Apriori-Hypothesen verzi!tet werden. Das zentrale Problem des jeweiligen Fors!ungsfeldes und dessen Grenzen müssen entde+t werden. Der Fors!ung vorausgehende Rahmungsbemühungen der QDA blo+ieren diese theoretis!e Sensibilität. 3.2
Die ersten S!ri#e
Eine gute GT-Analyse beginnt sofort mit regelmäßiger, tägli!er Datenerhebung, Kodierung und Analyse. Der Start wird ni!t blo+iert dur! vorgefasste Fragestellungen, ein Methodenkapitel oder einen Literaturüberbli+. Der Fokus und Fluss konzentriert si! unmi#elbar auf die Konzeptualisierung unter Verwendung der Methode des ständigen Verglei!ens. Die beste Art und Weise, die GTM zu betreiben, ist sie einfa! zu ma!en. Sie kann ni!t missglü+en, da si! die sozialpsy!ologis!e Welt der Struktur, Kultur, sozialen Interaktion, sozialen Organisation etc. kontinuierli! dreht. Es gibt immer ein Hauptanliegen, und es gibt immer ein Movens. Als eine o%ene, generative und emergente Methodologie bietet die GTM einen Zugang zu den Daten, der die natürli!e Organisation von substanziellem Leben emergieren lässt. GT-Fors!ende hören si! an, wie si! die Teilnehmenden über Belange auslassen, ansta# sie zu ermutigen, über ein Thema zu spre!en, an dem wenig Interesse besteht. Der Auftrag besteht darin, dafür o%en zu bleiben, was tatsä!li! passiert und ni!t darin, Daten mi#els vorgefasster Hypothesen und Vorlieben zu $ltern. Es geht darum, zuzuhören, zu beoba!ten und so die zentrale Problemstellung der Teilnehmenden im Feld zu entde$ en sowie deren Art und Weise der Problemklärung. Forcing, vorgefasste Vorstellungen von einem professionellen Problem, bestehende Theorien und Bezugssysteme werden zurü+gehalten, um zu sehen, was dur! die Analyse des ständigen Verglei!ens konzeptuell emergiert. 3.3
All is data
Wie bereits erwähnt kann die GTM als eine konzeptuelle, Theorie generierende Methodologie jegli!e Art von Daten nutzen, au! wenn bisher zumeist qualitative Daten und insbesondere Interviews präferiert werden: All is data. Fors!ende müssen selbst ents!eiden, wel!e Art von Daten sie erhalten, also ob base line, proper line, vage oder interpretierte Daten. Die Daten dürfen ni!t als „subjektiv“, „o%ensi!tli!“, „konstruiert“ etc. abgetan werden, wie wir es in QDA-Kritiken $nden.
Barney G. Glaser
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Mit steigendem konzeptuellem Niveau geht es immer um Wahrnehmungen von Wahrnehmungen. Dabei sind wir natürli! einer „mens!li!en“ Betra!tungsweise verha"et über das, was im Feld passiert und vagen Konzepten und Bes!reibungen davon. Die GT-Verfahrensweisen s!ärfen die generierten Konzepte systematis!. 3.4
Die Verwendung von Literatur
Für die GTM ist es ents!eidend, die Vor-Konzeptualisierung der Fors!ung dur! umfassende Lektüre im substanziellen Gegenstandsberei! zu vermeiden, da sonst der Datenerhebung und -analyse bestehende theoretis!e Überlagerungen aufgezwungen und diese übermäßig beein,usst würden. Eine umfassende Si!tung verfügbarer Literatur vor der Emergenz einer Kernkategorie missa!tet die grundlegende Prämisse der GTM, die lautet, dass Theorie aus den Daten emergieren und ni!t aus bestehender Theorie abgeleitet werden soll. Dies birgt au! die Gefahr, die Fähigkeit der Fors!enden zu trüben, o%en für die Emergenz einer wirkli! neuen Kernkategorie zu bleiben, die in der Fors!ung bis dahin keine große Rolle gespielt hat. Die theoretis!e Sensibilität wird so einges!ränkt. Praktis! kann dies dur!aus dazu führen, dass Fors!ende kostbare Zeit mit Literatur zu einem Berei! verbringen, der si! für die si! ergebende grounded theory als wenig bedeutsam herausstellt. Die GTM behandelt Literatur sta#dessen als eine zusätzli!e Datenquelle, die in den Prozess der Analyse des ständigen Verglei!ens integriert werden muss, wenn die Kernkategorie, deren Eigens!a"en und in Beziehung stehende Kategorien erst einmal emergiert sind und die grundlegende konzeptuelle Entwi+lung voll im Gang ist. Die Literatursi!tung vor der Studie ist in diesem Sinne Zeitvers!wendung und beeinträ!tigt die Relevanz der GT-Studie bzw. ihrer Ergebnisse. 3.5
Theoretis!es Kodieren
Die Konzeptualisierung der Daten dur! Kodieren bildet die Grundlage der Entwi+lung einer grounded theory. In den Daten vor$ndbare Ereignisse werden unter Verwendung der Methode des ständigen Verglei!ens analysiert und kodiert, um zunä!st gegenstandsbezogene und später theoretis!e Kategorien zu generieren. Die wesentli!e Relation zwis!en Daten und Theorie ist ein konzeptueller Kode. Der Kode konzeptualisiert das zugrunde liegende Muster einer Reihe empiris!er Indikatoren innerhalb der Daten. Dur! das Kodieren lösen si! die Interpret/innen von der empiris!en Ebene, indem die Daten aufgebro!en und dann konzeptuell in Kodes gruppiert werden, die Bausteine einer Theorie sind, die erklärt, worauf die Empirie verweist. Ein Kode gibt den Fors!enden einen kondensierten, abstrakten Bli+ auf die Rei!weite der Daten, wo sonst nur s!einbar disparate Phänomene erfasst würden. Gegenstandsbezogene Kodes konzeptualisieren die empiris!e
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
Substanz des Fors!ungsfeldes. Theoretis!e Kodes konzeptualisieren, wie die gegenstandsbezogenen Kodes miteinander in Beziehung stehen könnten, im Sinne von Hypothesen, die die Integration in eine Theorie vorantreiben. Theoretis!e Kodes bieten einen integrativen Rahmen und erö% nen neue Perspektiven. Sie helfen den Fors!enden, die konzeptuelle Ebene beizubehalten, wenn sie über Konzepte und deren we!selseitigen Beziehungen s!reiben. 3.6
O%enes Kodieren
Zu Beginn des o%enen Kodierens – und mit nur einem Minimum an Vorverständnis – wird das Selbstvertrauen der Fors!enden und ihr Vertrauen in die GTM, ihr Vertrauen in die eigene Fähigkeit, diese Methodik zu nutzen, Kodes zu generieren und Relevanz zu erkennen, am härtesten auf die Probe gestellt. Der Prozess beginnt mit dem o%enen Zeile-für-Zeile-Kodieren, um gegenstandsbezogene Kodes zu identi$zieren, die in den Daten auftau!en. Die Fors!enden beginnen damit, die Daten auf jede mögli!e Art und Weise zu kodieren – in einem sehr o%enen Prozess. Von Beginn an stellen sie Fragen wie: „Wovon handeln diese Daten4?“ „Auf wel!e Kategorie deutet dieses Vorkommnis hin4?“ „Mit wel!em Hauptanliegen sehen si! die Teilnehmenden konfrontiert4?“ und „Was trägt zur kontinuierli!en Klärung dieses Anliegens bei4?“ Diese Fragen helfen den Fors!enden theoretis! sensibel und o%en zu bleiben, während sie Daten analysieren, neu erheben und kodieren. Sie zwingen sie, si! auf Muster zwis!en Vorkommnissen zu konzentrieren, die Kodes liefern, und die konzeptuell über detaillierte Bes!reibungen von Vorkommnissen hinausrei!en. Sukzessive aufeinander folgende, unters! iedli!e Vorkommnisse werden in so viele Kategorien wie mögli! bzw. nötig kodiert. Neue Kategorien tau!en auf, neue Vorkommnisse können bereits existierenden Kategorien zugeordnet werden. O%enes Kodieren lässt Fors!ende die Ri!tung erkennen, in die die Studie dur! das theoretis!e Sampling gelenkt werden kann, bevor sie selektiv vorgehen und ein spezi$s!es Problem fokussieren. Auf diese Weise können sie si!er sein, dass das, was sie dann später fokussieren, relevant ist: Sie beginnen, die Arten von Kategorien zu erkennen, die theoretis! bedeutungsvoll sind bzw. helfen, im Weiteren alle Daten zu kodieren, dass die emergierende Theorie „passt und funktioniert“. O%enes Kodieren erlaubt und benötigt die gesamte Bandbreite an theoretis!er Sensibilität. Zeile um Zeile zu kodieren zwingt die Fors!enden, Kategorien zu veri$zieren und zu sä#igen, es minimiert die Gefahr, eine wi!tige Kategorie zu übersehen und stellt das grounding von Kategorien in den Daten jenseits bloßer Impression si!er. Es korrigiert au! das Forcieren von „Lieblings“-Themen und -Ideen, sofern diese keine emergente Passung besitzen. Fors!ende sollten selbst kodieren, da in diesem Prozess unentwegt neue Ideen stimuliert werden. Das Resultat ist eine ergiebige, di!te Theorie und die Gewissheit, ni!ts ausgelassen zu haben.
Barney G. Glaser
3.7
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Theoretis!es Sampling
Das theoretis!e Sampling ist der Prozess der Datenerhebung zur Generierung von Theorie, wobei der oder die Fors!ende die Daten parallel erhebt, kodiert, analysiert und darüber ents!eidet, wel!e Daten als Nä!ste erhoben werden sollen und wo diese zu $nden sind, um die emergierende Theorie zu entwi+eln. Der Datenerhebungsprozess wird dur! die entstehende Theorie kontrolliert, unabhängig davon, ob es si! um eine gegenstandsbezogene oder formale Theorie handelt. Über die Ents!eidung für die anfängli!e Datenerhebung hinaus kann die weitere Erhebung ni!t im Voraus geplant werden. Nur indem die Fors!erin oder der Fors!er Kodes entde+t und versu!t, diese dur! theoretis!es Sampling in Verglei!sgruppen zu sä#igen, ergeben si! sukzessive die Voraussetzungen für die weitere Datenerhebung und zwar (. mit Bli+ auf die Kategorien und Eigens!a"en, auf die hin das Sampling ausgeri!tet werden sollte, und &. au! in Bezug auf die Frage, wo wel!e Daten erhoben werden sollten. Indem sie Lü+en in der entstehenden Theorie identi$zieren, werden die Interpret/innen zur nä!sten Quelle der Datenerhebung und ggf. zum nä!sten Interview gelenkt. Die Grundfrage beim theoretis!en Sampling ist, wel!en Gruppen oder Untergruppen man si! bei der Datenerhebung als nä!stes zuwendet – und zu wel!em theoretis!en Zwe+4? Die Mögli!keiten vielfa!er Verglei!e sind unendli!, und daher müssen die Gruppen gemäß theoretis!er Kriterien ausgewählt werden. Die Kriterien – des theoretis!en Zwe+s und der Relevanz – werden in der fortlaufenden, parallelen Datenerhebung und -analyse angewendet. Dies bedeutet, dass sie fortwährend auf die Daten zuges!ni#en und zum ri!tigen Zeitpunkt in der Analyse umsi!tig angewendet werden. Auf diese Art können Fors!ende die Kontrolle der Datenerhebung kontinuierli! anpassen, um die Relevanz der Daten für die im Entstehen begri%ene Theorie zu gewährleisten. Diese Herangehensweise der gemeinsamen Datenerhebung und -analyse unters!eidet si! o%ensi!tli! sehr vom typis!en QDA-Ansatz mit einer im Voraus geplanten und sequenziell organisierten Datenerhebung und -analyse. Der GTM den QDA-Ansatz aufzuzwingen, würde sie von Beginn an blo+ieren. 3.8
Die Methode des ständigen Verglei!ens
Die Methode des ständigen Verglei!ens ermögli!t Theoriegenerierung dur! systematis!e und explizite Kodier- und Analyseverfahren. Der Prozess beinhaltet drei Typen von Verglei!en. Vorkommnisse werden mit Vorkommnissen vergli!en, um deren zugrunde liegende Gemeinsamkeit und variierenden Bedingungen festzustellen. Die Gemeinsamkeit und deren Bedingungen werden zu generierten Konzepten und Hypothesen. Die Konzepte werden dann mit weiteren Vorkommnissen vergli!en, um neue theoretis!e Eigens!a"en der Konzepte und weitere Hypothesen zu generieren. Ziel ist die theoretis!e Elaboration, Sä#igung und Veri$kation
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
von Konzepten und die Verdi!tung von Konzepten, indem ihre Eigens!a"en entwi+elt und weitere Konzepte generiert werden. S!ließli! werden Konzepte mit Konzepten vergli!en. Die Zielsetzung ist hier, die beste Passung einer großen Auswahl an Konzepten zu einer Reihe von Indikatoren herzustellen, der konzeptuellen Ebenen zwis!en den Konzepten, die si! auf die glei!e Reihe von Indikatoren beziehen und die Integration in Hypothesen zwis!en den Konzepten, die zur Theorie führt. Verglei!e in der QDA-Fors!ung beziehen si! auf sehr viel allgemeinere Konzepte und führen ni!t zu fein herausgearbeiteten, grounded Kategorien. 3.9
Kernvariable
Indem die Fors!erin oder der Fors!er fortfährt, in den Daten einzelne Vorkommnisse mit einzelnen Vorkommnissen, diese dann mit Kategorien zu verglei!en, beginnt si! eine Kernkategorie herauszus!älen. Diese Kernkategorie, die für den Großteil der Variation um das Anliegen oder Problem verantwortli! zu sein s!eint, das den Fokus der Studie bildet, wird zum Mi#elpunkt weiterführender selektiver Datenerhebung und Kodierbemühungen. Während die Interpret/innen mehrere geeignete kodierte Kategorien entwi+eln, sollten sie früh damit anfangen, diejenige, die die meiste Erklärungskra" zu besitzen s!einen, soweit wie mögli! zu sä#igen. Die Kernkategorie kann jegli!e Art von theoretis!em Kode sein – ein Prozess, eine Bedingung, zwei Dimensionen, eine Konsequenz, ein Rang und so weiter. Ihre Hauptfunktion besteht darin, die Theorie zu integrieren und zu sä#igen. Es erfordert Zeit und viel Kodier- und Analysearbeit, um eine Kernkategorie mit Bli+ auf Sä#igung, Relevanz und Handhabbarkeit zu veri$zieren. Damit si! eine Kernkategorie innerhalb einer grounded theory etabliert, muss sie zentral sein, d.2h., so viele andere Kategorien und ihre Eigens!a"en wie mögli! müssen si! auf sie beziehen und sie muss einen großen Teil der Variationen in einem Verhaltensmuster erklären. Die Kernkategorie ist als stabiles Muster häu$g in den Daten zu $nden, sie steht in bedeutsamer und einfa!er Art und Weise mit anderen Kategorien in Beziehung. Sie hat klare und gri5ge Implikationen für eine formale Theorie. Sie ist völlig variabel und führt die Interpret/innen dur! ihre Relevanz und Erklärungskra" konzeptuell dur! den Prozess der entstehenden Theorie, an der sie arbeiten. Kernkategorie und konzeptuelle Theorie gehen weit über die Deskription der QDA oder Bes!reibungen hinaus, die kein konzeptuelles S!ema verfolgen. 3.10
Selektives Kodieren
Selektives Kodieren meint, das o%ene Kodieren zu beenden und das Kodieren auss!ließli! auf diejenigen Variablen bzw. Kategorien zu begrenzen, die mit der
Barney G. Glaser
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Kernkategorie in hinlängli! bedeutsamer Art und Weise in Zusammenhang stehen, um eine sparsame Theorie zu generieren. Das selektive Kodieren beginnt, na!dem die Interpret/innen si!er sind, die Kernvariable identi$ziert zu haben. QDA-Fors!er/innen sind si! nie über das genaue Ziel und die Te!niken des selektiven Kodierens klar geworden. Häu$g kodieren sie von Anfang an selektiv mit vorgefassten Kategorien. 3.11
Begrenzen
Die ans!ließende Datenerhebung und das Kodieren werden somit auf das begrenzt, was relevant für den entstehenden konzeptuellen Rahmen ist. Diese selektive Datenerhebung und -analyse wird fortgeführt, bis die Kernkategorie bzw. deren Eigens!a"en und theoretis!e Bezüge zu anderen relevanten Kategorien, ausrei!end elaboriert und integriert sind. Eine Theorie um eine Kernkategorie herum zu integrieren, begrenzt die Theorie und damit au! das Fors!ungsprojekt. Diese Begrenzung erfolgt auf zwei Ebenen – der der Theorie und der der Kategorien. Zunä!st festigt si! die Theorie, indem bedeutende Modi$kationen weniger und weniger werden, wenn die nä!sten Vorkommnisse mit einer Kategorie und deren Eigens!a"en vergli!en werden. Spätere Modi$kationen erfolgen hauptsä!li! zur Klärung der Logik, zur Entfernung von ni!t relevanten Eigens!a"en, zur Integration von elaborierenden Details von Eigens!a"en in den Hauptentwurf der in We!selbeziehungen stehenden Kategorien und – am wi!tigsten – zur Reduktion. Reduktion $ndet sta#, wenn die der ursprüngli!en Zusammenstellung der Kategorien oder ihren Eigens! a"en zugrunde liegende Ordnung entde+t und dann die Theorie mit weniger Konzepten reformuliert wird, die auf einer höheren Ebene angesiedelt sind. Die zweite Stufe der Begrenzung der Theorie ist eine Reduktion der ursprüngli!en Liste der Kategorien für das Kodieren. Indem die Theorie wä!st, reduziert wird und immer besser zur Ordnung einer großen Anzahl von qualitativen Daten beiträgt, verfestigt sie si! für die Interpret/innen. Dies erlaubt ihnen, die ursprüngli!e Kategorienliste für die Datenerhebung und -kodierung, den ermi#elten, gegenwärtigen Grenzen der Theorie entspre!end zu kürzen. Sie konzentrieren si! nun auf eine Kategorie als Kernkategorie, und nur Variablen bzw. Kategorien, die mit ihr in Verbindung stehen, werden in die Theorie aufgenommen. Die Kategorienliste für das Kodieren wird dur! die theoretis!e Sä#igung weiter begrenzt. Da QDA-Fors!er/innen ihr Augenmerk auf eine mögli!st vollständige Bes!reibung ri!ten und ni!t auf die konzeptuelle Analyse einer Kernkategorie, $ndet dort eine sol!e Begrenzung ni!t sta#. Sie arbeiten einfa! immer weiter – empiris! winzige Themen zehren die Aufmerksamkeit der Fors!enden und die ihres Publikums/ihrer Lesenden auf.
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Der Umbau der Grounded-Theory-Methodologie
Austaus!barkeit von Indikatoren
Die GTM basiert auf einem Konzept-Indikator-Modell von ständigen Verglei!en von Vorkommnissen (Indikatoren) mit Vorkommnissen (Indikatoren) und, wenn ein konzeptueller Kode generiert wurde, von Vorkommnissen (Indikatoren) mit emergierenden Konzepten. Dies zwingt die Interpret/innen zum Verglei! auf Gemeinsamkeiten, Unters!iede und Abstufungen, wodur! eine jeweils zugrunde liegende Ordnung si!tbar wird, die wiederum zu einer kodierten Kategorie und ihren anfängli!en Eigens!a"en führt. Dur! das Verglei!en mit weiteren Vorkommnissen (Indikatoren) und mit konzeptuellen Kodes wird der je interessierende Kode mit dem Ziel seiner optimalen Passung ges!är", es werden weitere Eigens!a"en generiert, bis der Kode veri$ziert und gesä#igt ist. Der Fokus der GTM liegt dabei auf der konzeptuellen Spezi$kation, ni!t auf der De$nition. Das Konzept-Indikator-Modell der GTM verlangt von Konzepten und deren Dimensionen, dass sie si! ihre Aufnahme in die Theorie systematis! „verdienen“. Neue Eigens!a"en eines Kodes werden solange generiert, bis die Interpret/innen Sä#igung von Ideen dur! die Austaus!barkeit von Indikatoren entde+en. Diese Austaus!barkeit s!a6 zur glei!en Zeit die Übertragbarkeit der Theorie auf andere Berei!e, indem an Vorkommnisse (Indikatoren) in anderen (Teil-) Gegenstandsberei!en angeknüp" wird, die dieselbe Kategorie oder eine ihrer Eigens!a"en hervorbringen. Austaus!barkeit s!a6 die Sä#igung von Konzepten und von deren Eigens!a"en, ni!t Redundanz von Bes!reibung, wie man!e QDA-Methodolog/innen meinen (siehe Morse (--*, S.().). 3.13
Angemessenes Arbeitstempo
Es brau!t Zeit, um eine grounded theory zu generieren. Hier kommen Phänomene eines verzögerten Handelns zum Zug. Kleine Zuwä!se in der Datenkodierung, -analyse und -erhebung reifen sukzessive und erblühen dann später zu theoretis!en Memos. Bedeutsame theoretis!e Erkenntnisse ergeben si! dur! das Wa!stum und die Reife der Daten; und vieles hiervon spielt si! außerhalb des Bewusstseins der Interpret/innen ab, bis irgendwann die vorbewusste Verarbeitung bewusst wird. Daher müssen Fors!ende ein angemessenes Tempo $nden, si! in Geduld üben und ni!ts annehmen oder vorantreiben, bis es quasi von selbst passiert – und es wird passieren. Es ist wi!tig, o%ensi!tli!e Verwirrung und Konfusion zu ertragen. Dies setzt voraus, dass Fors!ende si! soviel Zeit nehmen, wie sie für den Entde+ungsprozess brau!en, dass sie lernen, si! diese Zeit auf eine Weise zu nehmen, die mit ihnen in Einklang steht – ihr je persönli! sinnvolles und angemessenes Tempo. Zu hetzen und diesen Prozess zu forcieren, raubt den Interpret/innen ihre Kreativität und ihre konzeptuellen Fähigkeiten: Sie verbrau!en Energie, bleiben selbst leer, und die Theorie am Ende ist dünn und unvollständig. In der QDA-Arbeit
Barney G. Glaser
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werden Fors!ende meist sequenziell dur! den Arbeitsprozess gejagt, häu$g verbunden mit langen Phasen ohne si!tbare Ergebnisse und mit Ers!öpfung. Der GTM einen sol!en QDA-Fahrplan „überzustülpen“, gestaltet sie erhebli! und zu ihrem Na!teil um. 3.14
S!reiben von Memos
Das Ausarbeiten einer Theorie wird dur! den umfassenden und systematis!en Prozess des S!reibens von Memos gefördert, der in der GTM parallel zum Prozess der Datenanalyse abläu". Memos sind theoretis!e Notizen über die Daten und über die konzeptuellen Beziehungen zwis!en Kategorien. Das S!reiben von theoretis!en Memos ist die S!lüsselphase im Prozess der Theoriegenerierung. Diese Phase auszulassen und na! dem Kodieren direkt zum Sortieren oder Nieders!reiben überzugehen, wäre kein Arbeiten im Sinne der GTM. Das S!reiben von Memos ist ein kontinuierli!er Prozess, der notwendig zu Abstraktion oder Ideenbildung führt – er erfasst kontinuierli! die „Grenzen des Denkens der Fors!enden“, während sie die Daten dur!gehen und kodieren, sortieren und s!reiben. Es ist unerlässli!, dass sie das Kodieren unterbre!en, um Ideen, wenn sie entstehen, als Memos aufzus!reiben, wenn sie die subtile Belohnung aus dem stetigen Input des sorgfältigen Lesens der Daten, des Stellens der oben genannten Fragen und des entspre!enden Kodierens erhalten wollen. Memos helfen, die Daten auf eine konzeptuelle Ebene zu heben und die Eigens!a"en einer jeden Kategorie zu entwi+eln, die anfangen, sie operativ zu bestimmen. Memos beinhalten Hypothesen über Beziehungen zwis!en Kategorien und/oder deren Eigens!a"en, in ihnen werden diese Beziehungen mit Clustern von anderen Kategorien integriert, um die Theorie zu generieren. Memos erlauben au!, die emergierende Theorie in Bezug zu anderen Theorien mit mögli!erweise mehr oder weniger Relevanz zu lokalisieren. Das grundlegende Ziel des S!reibens von Memos besteht darin, in völliger Freiheit Ideen für Kategorien zu entwi+eln, und so einen sehr gut sortierbaren MemoFundus aufzubauen. Das Erstellen von Memos unters!eidet si! vom S!reiben einer detaillierten Deskription. Obwohl sie typis!erweise auf Bes!reibung basieren, heben Memos diese Bes!reibung dur! die konzeptuelle Darstellung des Materials auf ein theoretis!es Niveau. Auf diese Weise wird die ursprüngli!e Deskription dur! die Analyse aufgehoben. Kodes konzeptualisieren Daten. Memos legen dur! theoretis!es Kodieren die Eigens!a"en von gegenstandbezogenen Kodes o%en und stellen einen Zusammenhang zwis!en ihnen her – sie destillieren analytis!e Eigens!a"en aus den deskriptiven Daten. S!on früh ergeben si! Memos aus dem ständigen Verglei!en von Indikatoren mit Indikatoren und dann Indikatoren mit Konzepten. Später generieren Memos neue Memos, die Lektüre von Literatur generiert Memos, das Sortieren und
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S!reiben generiert ebenfalls Memos – das S! reiben von Memos ist niemals abges!lossen4! Memos verlangsamen das Tempo, zwingen Fors!ende, Kategorien und deren Integration und Passung, ihre Relevanz und ihren Beitrag für die emergierende Theorie zu dur!denken und zu veri$zieren. Auf diese Weise werden der endgültige theoretis!e Rahmen und die Arbeit an Kernkategorien ni!t vorzeitig beendet. Komparatives Denken in Memos – dur! ständige Verglei!e – arbeitet vorgefassten Auffassungen, Hypothesen und wissens!a"li!em Ballast entgegen, während es glei!zeitig ständig die Grenzen der laufenden Analysen erweitert und sprengt. Memos sind eine großartige Quelle für Hinweise für das theoretis!e Sampling – sie zeigen Lü+en in bestehenden Analysen und mögli!e neue Ri!tungen für die emergierende Theorie auf. Der vorgefasste Ansatz und Rahmen der QDA-Fors!ung steht ohne Frage im Kon,ikt mit der Freiheit des S!reibens von Memos. Der Kon,ikt wird in der QDA-Fors!ung in den meisten Fällen zuungunsten der GTM aufgelöst; diese büßt einen ents!eidenden Aspekt ein. 3.15
Sortieren und Nieders!ri&
Über den Kodierprozess des ständigen Verglei!ens hinweg fangen Fors!ende die entstehende Ideenbildung von gegenstandsbezogenen und theoretis!en Kategorien in Form von Memos ein. Sobald die theoretis!e Sä#igung der Kategorien errei!t ist, fahren sie fort, die zahlrei!en, mit der Kernkategorie in Zusammenhang stehenden Memos, deren Eigens!a"en und mit ihr verbundene Kategorien zu überprüfen, zu sortieren und zu integrieren. Die sortierten Memos bringen einen theoretis!en Entwurf oder einen konzeptuellen Rahmen für die vollständige Artikulation der grounded theory dur! einen integrierten Satz von Hypothesen hervor. Ideenbildende Memos sind der Fundus der GTM. Das theoretis!e Sortieren der Memos ist der S!lüssel für die Formulierung der Theorie und deren Präsentation oder Nieders!ri". Das Sortieren ist unerlässli! – es fügt die aufgebro!enen Daten wieder zusammen. Für die GTM ist der Entwurf für die Nieders!ri" s!li!t ein emergentes Produkt der Sortierung der Memos. Es gibt keine im Vorhinein ausgeda!ten Entwürfe. Die GTM generiert den Entwurf dur! das Sortieren der Memos, dur! das Sortieren der Kategorien und Eigens!a"en in den Memos na! Gemeinsamkeiten, Beziehungen und konzeptuellen Ordnungen. Dies erzwingt Muster, die zu dem Entwurf werden. Wenn man einen theoretis!en Rahmen vorfasst, setzt man die logis!e Elaboration aufs Spiel. Theoretis!es Sortieren sta#dessen forciert die einzelnen theoretis!en Unters!eidungen darüber, wie und wo si! die jeweilige Idee in die emergierende Theorie einpasst. Theoretis!es Sortieren bezieht si! auf theoretis!e Kodes. Die theoretis!e Ents!eidung über den genauen Ort eines einzelnen Memos fußt auf dem theoretis!en Kodieren der Daten, da die Interpret/innen Gemeinsam-
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keiten, Beziehungen, und zugrunde liegende Ordnungen erkennen – das ist mit dem grounding von Ideen gemeint. Unterbleibt das Sortieren, wird die Theorie linear, dünn und ni!t vollständig integriert sein. Ergiebige, multi-relationale und multivariate Theorie wird dur! das Sortieren generiert. Ohne Sortieren fehlt einer Theorie die interne Integration von Beziehungen zwis!en vielen Kategorien. Mit dem Sortieren sind die Daten und Ideen theoretis! geordnet. Sortieren ist konzeptuelles Sortieren, ni!t das Sortieren von Daten. Sortieren verleiht theoretis!e Vollständigkeit. Das Sortieren generiert weitere Memos – häu$g auf höherem konzeptuellen Niveau – und bringt so die Theorie voran und kondensiert sie. Es integriert relevante vorgängige Literatur in die Theorie, ordnet sie mit den Memos ein. Das Sortieren hat au! eine konzeptuelle, fokussierende Funktion. Die Fors!enden sehen bald, wo und wie jedes Konzept passt, wel!e Relevanz es besitzt, und wie es die kumulative Theorieentwi+lung weiterführen wird. Sortieren verhindert Über-Konzeptualisierung und Vor-Konzeptualisierung, die entfallen, wenn der sparsamste Satz von integrierten Konzepten eingekreist wird. Das Sortieren forciert daher die ideenbildende Unters!eidung zwis!en Kategorien und stellt zur glei!en Zeit einen Zusammenhang zwis!en ihnen her, integriert sie und verhindert ihre „Wu!erung“. Die ständige Kreativität des Sortierens von Memos ma!t die Nutzung von Computern für die Sortierung, wie in der QDA-Arbeit übli!, über,üssig. 3.16
Während des Sortierens entwi$ elte analytis!e Regeln
Während das theoretis!e Kodieren die Beziehung zwis!en Variablen bzw. Kategorien herstellt, leiten analytis!e Regeln die Konstruktion der emergierenden Theorie. Sie leiten das theoretis!e Sortieren und das ans!ließende Nieders!reiben der Theorie. Analytis!e Regeln geben eine genaue Bes!reibung der Operationen, bestimmen die Foki, begrenzen und selektieren die Verwendung der Daten und Konzepte, fungieren als Gedä!tnisstütze dafür, was zu tun ist, geben einen Überbli+ und liefern die notwendige Disziplin, um am zentralen Thema zu bleiben und es weiterzuverfolgen, während die Gesamttheorie generiert wird. Es gibt mehrere grundlegende analytis!e Regeln. Erstens kann das Sortieren überall beginnen. Es wird einen je eigenen Anfang, den weiteren Verlauf und das Ende der Nieders!ri" erzwingen. Die Hauptsa!e ist, dass man damit anfängt. Indem die Interpret/innen versu!en, die ersten Memos konzeptuell zu ordnen, beginnen sie, die Integration zu dur!denken. Wenn sie erst einmal angefangen haben, bemerken sie bald, wo Ideen voraussi!tli! am besten zu integrieren sind, und wo das Sortieren produktiv wird und Spaß ma!t. Beginnen Sie mit der Kernkategorie und sortieren Sie dann alle anderen Kategorien und Eigens!a"en nur dana!, wie diese mit der Kernkategorie in Zusammenhang stehen. Diese Regel forciert Fokus,
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Selektivität und eine Begrenzung der Analyse. Theoretis!es Kodieren hil", die Bedeutung des Verhältnisses eines Konzepts zur Kernkategorie herauszu$nden und zu bestimmen. Dieser theoretis!e Kode sollte aufges!rieben und in den entspre!enden Stapel mit dem gegenstandsbezogenen Kode eingeordnet werden. Sobald das Sortieren im Li!te der Kernkategorie beginnt, rufen die ständigen Verglei!e wahrs!einli! viele neue Ideen hervor, insbesondere zu theoretis!en Kodes für die Integration der Theorie. Hören Sie dann auf zu sortieren und s!reiben Sie ein Memo4! Sortieren Sie ans!ließend das Memo in das Gesamtbild ein. Die Interpret/innen führen dann weitere Sortierungen für jedes Konzept mit Bli+ auf dessen Integration in die Theorie dur!. Verans!auli!t und illustriert wird das jeweilige Konzept nur, wenn es erstmals genutzt wird, um eine Vorstellung von seiner Rei!weite und Bedeutung zu erlangen. Dana! wird nur das Konzept verwendet, ni!t die Verans!auli!ung. Alle Ideen müssen irgendwo in den Entwurf passen, oder die Integration muss verändert werden. Dies ist unerlässli!, denn wenn die Interpret/innen diese Passung aller Kategorien ni!t prüfen, bleiben wi!tige Ideen und Beziehungen ungenutzt. Diese Regel fußt auf der Annahme, dass die soziale Welt integriert ist, und es ist die Aufgabe der Fors!enden, die Besonderheit dieser Integration zu entde+en. Gelingt dies ni!t, muss erneut sortiert und müssen die Konzepte mit dem Ziel einer besseren Passung wieder neu integriert werden. Fors!ende bewegen si! dabei zwis!en dem Theorieentwurf und Ideen hin und her, während sie zugrunde liegende Muster, Integrationen und multivariate Beziehungen zwis!en den Konzepten (neu) sortieren. Der Prozess ist ungemein produktiv und liefert viele theoretis!e Kodier-Memos, die jeweils umsortiert werden müssen. Dies kann wiederum ni!t dur! das einfa!e Code- und Retrieve-Verfahren mi#els Computer erledigt werden. Das Sortieren zwingt die Interpret/innen, an einer Stelle eine Idee einzubringen und dann ihre Fortsetzung innerhalb der Theorie zu ergründen, indem sie in anderen Zusammenhängen erneut genutzt wird. Wenn Sie Zweifel an der Sortierung bzw. Zuordnung einer Idee haben, notieren Sie dies dort, wo si! die erste Verwendungsmögli!keit ergibt, mit dem Hinweis, dies genauer zu überprüfen, und arbeiten Sie an der nä!sten mögli!en Stelle weiter. Theoretis!e Vollständigkeit impliziert eine theoretis!e Rei!weite, die so weit geht, wie die Studie die Fors!enden trägt. Sie verlangt, dass Fors!ende mit Ende ihrer Arbeit anhand mögli!st weniger Konzepte und der größtmögli!en Rei!weite soviel Variation im untersu!ten Handeln und für das untersu!te Problemfeld wie irgend mögli! zu erklären in der Lage sind. Mit Konzepten, die passen, funktionieren, relevant und gesä#igt sind, erklärt die Theorie dann hinrei!end, wie Mens!en im Untersu!ungsfeld ihre Hauptanliegen kontinuierli! bearbeiten und klären.
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Zusammenfassung
Vergessen Sie nie, dass die GTM selbst eine grounded theory ist, die aus einer Fors!ungsarbeit über sterbende Patient/innen im Jahre (-0. hervorgegangen ist. Sie wurde entde+t, ni!t erfunden. Sie ist eine si!ere Sa!e, der si! Fors!ende überlassen können. Sie ist kein erda!ter Ansatz, um Fors!ung – basierend auf mutmaßli!en wissens!a"li!en, positivistis!en oder naturalistis!en „Weisheiten“ – zu betreiben. Sie ist keine auf logis!er „wissens!a"li!er“ Literatur basierende Er$ ndung, die uns sagt, wie Wissens!a" sein sollte. Die GTM verleiht der sozial-psy!ologis!en Welt eine Rhetorik – einen vergewissernden Jargon –, allerdings dur! systematis!e Verfahrensweisen gestützt. Es handelt si! ni!t um leere Rhetorik, aber bedauerli!erweise brau!en GT-Verfahrensweisen häu$g Zeit, damit diese Rhetorik grei". Dieses verzögerte Lernen ist o" dem Umbau – folgli! der Blo+ierung – dur! QDA-Anforderungen ges!uldet, insbesondere deren Streben na! Exaktheit. Ein Verspre!en ist, dass das Generieren von Theorie aus den Daten – das Generieren von grounded theory – die Probleme der QDA beseitigt, die derzeit immer weiter „verwissens!a"li!t“ werden. Indem Fors!ende, die die GTM nutzen (und zwar insbesondere Doktorand/innen), eine gegenstandsbezogene, konzeptuelle Theorie mit allgemeinen Implikationen hervorbringen – ni!t deskriptive Befunde – werden sie den Treibsand der Deskription ratsam umgehen. Es gibt zahlrei!e QDA-Probleme; eine kurze Liste beinhaltet beispielweise Exaktheit, Interpretation, Konstruktion, Bedeutung, positivistis!e und naturalistis!e Kanons der Datenerhebung und -analyse von Untersu!ungseinheiten, das Beginnen mit vorgefassten, strukturierten Interviews, sequenzielle Prozeduren, vorgefasste professionelle Probleme, theoretis!e Lieblings-Kodes etc. etc. Die Liste ist lang, der Gedanke ist klar. Fors!ende ohne ausrei!ende Betreuung sollten vorsi!tig sein, wenn sie aus ihrem Alleinsein heraus zu viel Anleitung von Mentor/innen su!en, die gerade einmal ein GTM-Bu! gelesen haben und dann vor diesem Hintergrund versu!en, die GTM im ihrem QDA-Kontext zu verstehen. Sie sollten bei denen Hilfe su!en, die ein GTM-Bu! ges!rieben haben. Die GTM zu nutzen, um zu erklären, „was vor si! geht“, heißt, der A#a+e dur! die QDA-Methodologien auszuwei!en, die sie aushöhlen und dann umgestalten. Evert Gummesson sagt dies in seiner Verö%entli!ung „Relationship Marketing and the New Economy: It’s Time for De-Programming“ (&''&) deutli!, und was er über Marketing sagt, tri6 auf P,ege, Medizin, Bildung, Sozialarbeit und andere Berufe und ebenso auf wissens!a"li!e Arbeit zu. „Today’s general textbooks perpetuate the established marketing management epic from the (-0's with the new just added as extras. It is further my contention that marketing education has taken an unfortunate direction and has crossed the $ ne line between education
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and brainwashing. The countdown of a painful – but revitalizing – process of deprogramming has to be initiated. What do we need in such a situation4? A shrink4? No, it is less sophisticated than that. All we need is systematic application of common sense, both in academe and in corporations. We need to use our observational capacity in an inductive mode and allow it to receive the true story of life, search for pa#erns and build theory. Yes, theory. General marketing theory that helps us put events and activities into a context. This is all within the spirit of grounded theory, wide spread in sociology but li#le understood by marketers. My interpretation of a recent book on the subject by Glaser (&''() is as follows: ‚take the elevator from the ground 'oor of raw substantive data and description to the penthouse of conceptualization and general theory. And do this without paying homage to the legacy of extant theory.‘ In doing this, complexity, fuzziness and ambiguity are received with cheers by the researchers and not shunned as unorderly and threatening as they are by quantitative researchers. Good theory is useful for scholars and practicing managers alike.“ (S.*/*4f.)
I! ho%e, dass dieser Beitrag aufzeigt, wie die Loslösung von QDA-Voraussetzungen den dann ni!t mehr einges!ränkten GT-Verfahrensweisen ermögli!t, Theorie zu generieren, die Gummerssons Vorstellung erfüllt. Literatur Baker, Cynthia; Wuest, Judith & Stern, Phyllis ((--&). Method slurring, The phenomenology/ grounded theory example. Journal of Advanced Nursing, (), (1**–(10'. Creswell, John W. ((--/). Qualitative inquiry and research design. Thousand Oaks, CA: Sage. Glaser, Barney G. ((-./). Theoretical sensitivity: Advances in the methodology of grounded theory. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. ((--&). Basics of grounded theory analysis. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. (Hrsg.) ((--1). Examples of grounded theory. A reader. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. (Hrsg.) ((--)). More grounded theory methodology. A reader. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. (Hrsg.) ((--*). Grounded theory (*+, to (**,. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. ((--/). Doing grounded theory. Issues and discussions. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. unter Mitarbeit von W. Douglas Kaplan (Hrsg.) ((--0). Gerund grounded theory: The basic social process dissertations. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. (&''(). The grounded theory perspective: Conceptualization contrasted with description. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. ((-0*). Awareness of dying. Chicago: Aldine Publishing Co. Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. ((-0.). Discovery of grounded theory. Mill Valley, CA: Sociology Press.
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Gummesson, Evert (&''&). Relationship marketing and the new economy: It’s time for deprogramming. Journal of Services Marketing, (-(.), */*–*/-. Lowe, Andy ((--.). Managing to post merger a&ermath-default remodeling. Department of Marketing University of Strathclyde (Grounded Theory Review). May, Katharyn A. ((--)). Abstract knowing. The case for magic in method. In Janice Morse (Hrsg.), Critical issues in qualitative research methods (S.('–&&). Thousand Oaks, CA: Sage. Morse, Janice ((--)). „Emerging from the data.“ Cognitive processes of analysis in qualitative research. In Janice Morse (Hrsg.), Critical issues in qualitative research methods (S.&1–)(). Thousand Oaks, CA: Sage. Morse, Janice ((--*). Editorial. Qualitative Health Review, ", ().–()-.
Eine analytis!e Reise unternehmen1 Juliet M. Corbin
Im Laufe der letzten zehn bis fünfzehn Jahre sind viele neue Ideen innerhalb der qualitativen Sozialfors!ung entstanden. Diese Ideen haben au! auf mi! als Fors!erin eine bedeutsame Wirkung ausgeübt. Obwohl i! gebeten wurde, über „Strauss’ Version“ der Grounded-Theory-Methodologie zu s!reiben, stelle i! fest, dass i! ni!t mehr darüber s!reiben kann, was genau seine Version ist. Zu viel Zeit ist verstri!en, seit Anselm Strauss gestorben ist, und über seine Version zu s!reiben impliziert, dass si! eine Methodologie im Laufe der Zeit und mit ihrer Verwendung ni!t verändert. Es impliziert au!, dass die Mens!en, die über diese Methode reden und s!reiben, keinem Wandel unterliegen. Obwohl i! in diesem Beitrag versu!en werde, Strauss’ Auffassung der Methodologie treu zu bleiben, besteht daher die Mögli!keit, dass das, was i! im Begri"e bin zu s!reiben, ebenso sehr meine gegenwärtige Interpretation widerspiegelt wie seine ursprüngli!en Überlegungen. Genau genommen s!reibt jede/r, die oder der über eine Fors!ungsmethode s!reibt, mit Ausnahme der ursprüngli!en Autor/innen, über ihre oder seine Interpretation dieser Methode, da es si! um eine Darstellung aus der Perspektive dieser zweiten Person handelt. Deshalb emp#nde i! es als erforderli!, zu Beginn dieses Beitrags etwas Zeit darauf zu verwenden zu erläutern, wie i! mi! infolge gegenwärtiger Überlegungen innerhalb der qualitativen Fors!ung verändert habe. Des Weiteren wollte i! in diesem Beitrag mehr tun, als nur über Methoden zu spre!en. I! will unter Verwendung eines Beispiels aus der dri$en Auflage der „Basics of Qualitative Resear!“ (Corbin & Strauss %&&') verans!auli!en, wie das Verfahren der Grounded Theory angewendet wird. I! s!ließe den Beitrag dann mit einer Erörterung dessen, was i! glaube, was Strauss’ Version Fors!erinnen und Fors!ern zu bieten hat.
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Dieser Beitrag ist zuerst in englis!er Spra!e in „Developing Grounded Theory. The Second Generation“ (Morse, Stern, Corbin, Bowers, Charmaz & Clarke %&&() ers! ienen. Wir danken Juliet Corbin und der Le) Coast Press, insbesondere Mit! Allen, für die freundli!e Genehmigung, ihn hier erstmals in revidierter Fassung und in Deuts! verö"entli!en zu dürfen. Der Beitrag wurde übersetzt von Paul Sebastian Ruppel und Katja Mru*.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Eine analytis!e Reise unternehmen
Mens!en ändern si!, Methoden au!
Meine erste Begegnung mit qualitativer Fors!ung ma!te i! in der „Dinosaurierzeit“, wie i! sie nenne. Damals war i! eine naive Masterstudentin, die an einem vorges!riebenen Fors!ungskurs teilnahm. I! fand den quantitativen Teil des Kurses ziemli! tro*en; er förderte mein Interesse Fors!ung zu betreiben ni!t. Als eine Präsentation im Kurs jedo! zu einer Diskussion über qualitative Fors!ungsmethoden führte, sagte i! „Was ist das+? Erzähl mir mehr davon.“ Irgendetwas an qualitativer Fors!ung fand i! sehr anspre!end, wennglei! i! damals ni!t hä$e sagen können, was es war. Rü*bli*end glaube i!, dass irgendetwas in mir eine Resonanz auf qualitative Fors!ung erzeugte und es immer no! tut, da sie das, was P,ege eigentli! ausma!t, im Kern berührt: Mens!en eine helfende Hand zu rei!en, zuzuhören, was sie zu sagen haben, und dann dieses Wissen zu nutzen, um in ihrem Leben etwas zu verändern. Als es Zeit wurde eine Masterarbeit zu s!reiben, empfahlen mir meine Betreuer/ innen na!drü*li!, eine quantitative Studie dur!zuführen, da es im Fa!berei! niemanden gab, die oder der ausrei!end in qualitativen Methoden ausgebildet war, um mi! während der Dur! führung der Arbeit zu betreuen. No! bevor i! den Master abges!lossen ha$e, ents!ied i! mi! dafür, mit einer Promotion an der University of California in San Francisco (UCSF) weiterzuma!en und dort zu lernen, wie qualitative Fors!ung „funktioniert“. An der UCSF ha$e i! viele kompetente Mentor/innen; unter ihnen Ramona Mercer, Phyllis Stern, Leonard S!atzman und Anselm Strauss. Als i! mein Promotionsstudium an#ng, ahnte i! ni!t, dass i! letztendli! mit Anselm Strauss fors!en und Bü!er s!reiben würde, am allerwenigsten ein Bu! über seine Fors!ungsmethodologie. Bevor i! erörtere, wie i! mi! über die Jahre verändert habe, mö!te i! ein wenig zum Stand der qualitativen Fors!ung ausführen, den i! -(./ vorfand, als mein Promotionsstudium begann – au! wegen des Ein,usses dieser spezi#s!en Ges!i!te auf das S!reiben der früheren Auflagen der „Basics of Qualitative Resear!“ (Strauss & Corbin -((&, -((') und auf die in diesem Beitrag skizzierte methodis!e Herangehensweise. Vorstellungen wie die Folgenden waren damals ni!t unübli!: 1. Die Theorie ist in den Daten „verborgen“. Wenn Fors!ende hinrei!end sensibel sind und die Daten genau genug ansehen, kommt die Theorie quasi von selbst zum Vors!ein; das S!lüsselwort war „Emergenz“. 2. Fors!ende sollten bei der Datenerhebung und -analyse mögli!st „objektiv“ sein. 3. Fors!ende sollten ein going native (d.0h. die Übernahme der Einstellungen der Teilnehmenden oder eine zu große Nähe zu ihnen) vermeiden, da dies ers!were, diese Objektivität zu wahren. 4. Obwohl eingeräumt wurde, dass es ni!t die „eine“ Wahrheit gibt, herrs!te do! no! die Vorstellung, das Fors!ende „einen An,ug von Wirkli!keit“ in den
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Daten einfangen und diese Wirkli!keit als eine Reihe von theoretis!en Ergebnissen darlegen könnten. Heute s!einen diese Vorstellungen überholt, aber i! erwähne sie, um ein Argument vorzutragen. Wie alle anderen Phänomene müssen sie im Kontext von Raum und Zeit verortet werden. Als die erste Auflage der „Basics“ -((& verö"entli!t wurde, übernahmen viele von uns (das kollektive „Wir“) die damals vorherrs!enden Auffassungen von qualitativer Fors!ung. Methodologie und Methoden sind aber lebendig in dem Sinne, dass ihnen zugebilligt werden muss, dass sie die Mögli!keit zur Veränderung besitzen. Veränderung meint hier ni!t, dass i! die philosophis!en Grundlagen von Strauss’ Version der Grounded-Theory-Methodologie preisgegeben hä$e: Sie ist mit ihrer Betonung auf Struktur und Prozess weiter im Pragmatismus und im symbolis!en Interaktionismus verankert. Was si! verändert hat, ist subtil und hat damit zu tun, wie i! mi! qualitativer Fors!ung nähere, über sie na!denke und s!reibe. Mit der Zeit haben si! einige Fors!er/innen einfa! von den traditionelleren Ansätzen, qualitative Fors!ung zu betreiben, entfernt; ma!e sind sogar so weit gegangen, die Grenzen zwis!en Di!tung und Fors!ung infrage zu stellen. Andere wie i! haben versu!t, an dem, was si! aus der Vergangenheit bewährt hat, festzuhalten, und die Methodik zur glei!en Zeit zu modernisieren, um sie an die Gegenwart anzunähern. In diesem Sinne habe i! beim S!reiben der dri$en Auflage der „Basics“ Teile der Vergangenheit und der Gegenwart ausgewählt und andere verworfen. I! denke, dass i! das, was si! an Strauss’ Ansatz der Dur!führung der Analyse am meisten bewährt hat, beibehalten habe. Man darf ni!t vergessen, dass jedes Fors!ungsprojekt anders ist, und dass jede Person, die ein Verfahren nutzt, dieses Verfahren in jedem Projekt subjektiv und auf dieses konkrete Projekt bezogen ein wenig verändert, um es angemessener nutzen zu können. Wenn Anselm Strauss heute no! leben würde, hä$e er si! hö!stwahrs!einli! au! verändert, da er niemals stehen blieb. I! s!ätze z.0B. die Arbeiten von Clarke (%&&1 und in diesem Band) sowie Charmaz (%&&/ und in diesem Band) und die Art, wie sie postmoderne und konstruktivistis!e Paradigmen auf die Grounded-Theory-Methodologie angewendet haben, si! der Herausforderung Denzins (-((2) stellend, dass si! interpretative Methoden mehr auf postmoderne Sensibilitäten einri!ten müssten (S.1-%). Die erste Auflage der „Basics“ war ursprüngli! und hauptsä!li! für uns selbst ges!rieben, um sie mit unseren Studierenden nutzen zu können. Strauss und i! da!ten nie, dass es ein so populärer Text werden oder dass er irgendeine Kontroverse auslösen würde. Wir wollten unsere Studierenden einfa! mit einer praktis!en Orientierungshilfe aussta$en, auf die sie rekurrieren konnten, wenn sie den S!utz des Seminarraums hinter si! gelassen ha$en, um auf eigene Faust ins Feld zu gehen und an ihren Dissertationen zu arbeiten. Da das Bu! si! über die Jahre – und trotz der Verö"entli!ung weiterer Texte über qualitative Datenanalyse – andauernd großer Beliebtheit erfreute, wurden wir gebeten, eine zweite Auflage der „Basics“
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Eine analytis!e Reise unternehmen
zu s!reiben. Bedauerli!erweise starb Anselm Strauss, bevor diese Auflage fertiggestellt war. Mit Bli* auf Anselms Vermä!tnis und die Beliebtheit des Bu!es fand i! es zum damaligen Zeitpunkt angemessen, ni!t zu viele Änderungen vorzunehmen. Später wurde i! dann gefragt, eine dri$e Auflage zu s!reiben. Die Herausforderung dieser dri$en Auflage lag wie bereits erwähnt darin, an dem festzuhalten, was an Strauss’ grundlegendem Ansatz zur Dur!führung der Analyse am besten geeignet s!ien und dies glei!zeitig mit aktuellen Überlegungen und meinen Veränderungen in Einklang zu bringen. I! ha$e keinen einfa!en Begri", um die Person, die i! im Laufe der Jahre seit seinem Tod methodologis! geworden war zu klassi#zieren. I! erkannte, dass mi!, wie ihn, eine Mis!ung vieler (philosophis!er) Ri!tungen beein,usst ha$e. Die Perspektive des Pragmatismus/Interaktionismus, die für Strauss so wi!tig war, ist au! für mi! weiter bedeutsam und insofern au! für die methodis!e Vorgehensweise, die i! in der dri$en Auflage der „Basics“ darstelle. Anderes ist hinzugekommen. Oder mit den sehr tre"enden Worten von Denzin (-((', S.33'): „Clearly simplistic classi#cations do not work. Any given qualitative researcher-as-bricoleur can be more than one thing at the same time, can be #$ed into both the tender-and the tough-minded categories“. Einige für mi! wi!tige Vorstellungen und Konzepte der zeitgenössis!en qualitativen Fors!ung, die au! in die dri$e Auflage der „Basics“ Eingang gefunden haben, mö!te i! kurz skizzieren. Es gibt ni!t eine Wirkli!keit, es gibt mehrere „Wirkli!keiten“, und Datenerhebung und -analyse erfordern, diese mannigfa!en Si!tweisen einzufangen und angemessen zu berü*si!tigen. Es mag äußere Ereignisse geben – den Vollmond, einen Krieg oder ein Flugzeug, das in ein Gebäude stürzt –, aber diese Ereignisse sind untrennbar von der Art und Weise, wie Mens!en sie erleben und auf sie reagieren. Oder mit Schwandt (-((', S.%3.): „One can reasonably hold that concepts and ideas are invented (rather than discovered) yet maintain that these inventions correspond to something in the real world.“ Daher sind es ni!t die Ereignisse selbst, die den Mi$elpunkt unser Untersu!ungen bilden, sondern die Bedeutungen, die ihnen zuges!rieben werden, die Handlungen/Interaktionen/Emotionen, die als Reaktion darauf vollzogen und ausgedrü*t werden sowie der Kontext, in dem diese Ereignisse und Reaktionen auf sie sta$#nden. Jeder Mens! s!reibt Ereignissen Bedeutung zu und reagiert auf sie vor dem Hintergrund der je eigenen Biogra#e, von Gender, Zeit und Ort, entlang kultureller, politis!er, religiöser und berufli!er Erfahrungen. Die Gültigkeit dieser Aussage ist evident, wenn man das Fernsehen ans!altet und einer Gruppe von Mens!en zuhört, die ein Ereignis, z.0B. eine politis!e Rede, diskutieren: Es gibt Gesprä!e und man!mal o"enen Streit, aber es gibt selten völlige Übereinkun) über die Bedeutung oder selbst den Inhalt eines Ereignisses. Die Zus!auer/innen sehen und hören mannigfa!e Si!tweisen zum selben Thema (was aber ni!t heißt, dass es keine Reaktionsmuster gibt). Fügen Sie dieser Beoba!tung die Vorstellung hinzu, dass au! die Zus!auer/innen das, was sie im Fernsehen sehen und hören, entlang
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ihrer Interpretation des Ereignisses, ihrer persönli!en Ges! i!te und Biogra#e, #ltern, und Sie erhalten ein sehr komplexes Bild, das nie ganz verstanden oder von der Fors!erin oder dem Fors!er in dieser Komplexität rekonstruiert werden kann. Insoweit stimme i! der konstruktionistis!en Si!tweise zu, dass Konzepte und Theorien von Fors!enden konstruiert werden (sie emergieren ni!t) aus Ges!i!ten, mit denen die Fors!ungsteilnehmer/innen versu!en, ihre Erfahrungen und/oder ihr Leben zu erklären und ihnen einen Sinn zu geben. Aus diesen mannigfa!en Konstruktionen konstruieren Fors!ende etwas, das sie Wissen nennen. Schwandt (-((', S.%3.) sagt hierzu: „In a fairly unremarkable sense, we are all constructivists if we believe that the mind is active in the construction of knowledge. Most of us would agree that knowing is not passive – a simple imprinting of sense data on the mind – but active; mind does something with these impressions, at the very least forms abstractions of concepts. In this sense, constructivism means that human beings do not #nd or discover knowledge so much as construct or make it. We invent concepts, models, and schemes to make sense of experience and further we continually test and modify these constructions in light of new experience.“
Und obwohl i! erkenne, dass si! Wissen in Anbetra!t neuer Erfahrung ständig weiterentwi*elt und Untersu!ungsergebnisse „Konstruktionen“ und keine exakten Na!bildungen von Wirkli! keit sind, glaube i! – und viellei!t ist es die P,egewissens!a)lerin in mir, die spri!t – dass sowohl „interpretative“ Arbeit als au! die Konzeptualisierung von Daten notwendig sind, weil es unerlässli! ist, eine Spra!e und Begri"e zu haben, um über Phänomene und Probleme zu spre!en, denen die Praktiker/innen in einem beliebigen Feld begegnen. Hier gilt die Feststellung Blumers (-(/(), dass es ohne eine konzeptuelle Spra!e keine Grundlage für Diskussion, Kon,ikt, Verhandlung oder Entwi*lung einer wissensbasierten Praxis gibt. Praktiker/innen benötigen neben ihren Erfahrungen einen theoretis!en Wissenskorpus, der ihre Handlungen leitet. Wissen mag die Wirkli! keit ni!t widerspiegeln, aber es hil), mens!li!e Reaktionen zu verstehen. In dem, was i! mit meiner Fors!ung errei!en will, stütze i! mi! wie Anselm Strauss auf den Pragmatismus und auf symbolis!e Interaktionisten wie z.0B. Blumer (-(/(), Hughes (-(.-), Park (-(/.) oder Thomas (-(//) und deren Vorstellung von Fors!ung als einer Grundlage, um Wandel herbeizuführen. I! stimme dem Ziel sozialer Gere!tigkeit zu, wie dies beispielsweise im Rahmen feministis!er Fors!ung (Olesen -((') formuliert wird. (Glei!zeitig genieße i! es, qualitative Fors!ung um ihrer selbst willen zu betreiben – wegen der Mens!en, die i! tre"e, der intellektuellen Anregung, die i! bekomme, und der Mögli! keit, aus Unordnung Ordnung zu ma!en.) I! stimme der feministis!en Auffassung au! dahin gehend zu, dass wir als Personen untrennbar ver,o!ten sind mit der Fors!ung und Analyse, die wir betreiben. Daher müssen wir selbst-re,exiv sein bezügli! der Art und Weise, wie wir den Fors!ungsprozess beein,ussen und wie dieser wiederum uns
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Eine analytis!e Reise unternehmen
beein,usst. Hamberg und Johansson (-((() erläutern ihr eigenes Vorgehen, das i! au! in meiner Fors!ung zu realisieren versu!e, wie folgt: „For this re,exive analysis, we have reread the coded interviews to scrutinize parts featuring tension, contradictions, or con,icting codes-passages that had o)en been discussed when we were striving to # nd reasonable and legitimate interpretations. We have also read our memos to recall our instant reactions during, and a)er, the interviews and our discussions when we compared our coding“ (S.21').
Obwohl Leser/innen von Fors!ungsergebnissen diese im Li!ter ihrer Erfahrungen (re-) konstruieren, negiert die Tatsa!e, dass es si! um Konstruktionen und Rekonstruktionen handelt, ni!t die Relevanz der Ergebnisse oder der Einbli*e, die dur! sie gewonnen werden können. Denn wir teilen eine gemeinsame Kultur, aus der heraus gemeinsame Konstruktionen oder Übereinstimmungen über die Bedeutung von Konzepten dur! Diskurs erzielt werden können. Konzepte geben uns eine Grundlage für Diskurs und für das Errei!en eines geteilten Verständnisses. Daher werde i! weiter an die Kra) von Konzepten glauben und für ihren Gebrau! plädieren. Es gibt no! ein weiteres Argument, das mir wi!tig ist, da es einige Missverständnisse darüber gab, wie Strauss und i! Te!niken und Verfahren nutzen. Te!niken und Verfahren sind Werkzeuge, die von Fors!enden verwandt werden sollen, wenn sie diese als taugli! era!ten, um methodologis!e Probleme zu lösen. Es handelt si! ni!t um eine Serie von Anweisungen, die starr befolgt werden müssen. Keine Fors!erin und kein Fors!er sollte Kodierverfahren in einer Weise zu befolgen versu!en, dass der ,ießende und dynamis!e Charakter qualitativer Analyse verloren geht. Der Analyseprozess ist vor allem ein Denkprozess. Er verlangt, „in die S!uhe der anderen zu s!lüpfen“ und si! zu bemühen, die Welt aus deren Perspektive zu sehen. Die Analyse sollte entspannt und ,exibel sein und getrieben dur! die Einsi!ten, die dur! die Interaktion mit den Daten gewonnen werden, sta$ starr-strukturiert und von Verfahren gelenkt. 2
Den Herausforderungen begegnen
Als i! an der dri$en Auflage der „Basics“ zu arbeiten begann, quälte i! mi! damit herum, wie i! das Beste aus der Vergangenheit mit meinem gegenwärtigen Denken zusammenfügen könnte. Viele Fragen gingen mir dur! den Kopf: Was sind Methoden+? Sind sie bloß eine Reihe von Verfahrenss!ri$en+? Geht es und in wel!er Weise um ihnen unterliegende philosophis!e Ansätze und weniger um konkrete Verfahren+? Wel!e Rolle spielen Methoden in der Fors!ung+? Sind sie Anleitungen oder nur eine Sammlung von Ideen+? Wel!e und wie viel Anleitungsstruktur ist notwendig, um ein Verfahren na!vollziehbar zu ma!en+? Wel!e Rolle spielen die Fors!enden+? Wie können sie bzw. kann ihr Beitrag anerkannt und zuglei! die
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Ges!i!te der Fors!ungsteilnehmenden erzählt werden+? Wie viel oder wie wenig Interpretation sollte im Spiel sein+? Neben den obigen Fragen haben weitere Themen das S!reiben der dri$en Auflage der „Basics“ ers!wert. Seit der ursprüngli!en Verö"entli!ung von „The Discovery of Grounded Theory“ (Glaser & Strauss -(/.) sind viele vers!iedene Ansätze unter dem Label „Grounded Theory“ entstanden. Gibt es überhaupt einen Fors!ungsansatz namens „Grounded Theory“ oder sollte es ihn geben+? Viellei!t wäre es besser, „Grounded Theory“ als ein Kompendium von vers!iedenen Methoden zu betra!ten, deren Ziel es ist, aus Daten Theorie zu konstruieren, wobei jede Version der Grounded-Theory-Methodik ihre eigene philosophis!e Grundlage und ihren Ansatz zur Datenerhebung und Analyse hat und zur glei!en Zeit einige gemeinsame Verfahren teilt. Dann gibt es da die no! größere Frage: Ist Fors!ung, die Theorie entwi*elt, heute no! relevant+? Wenn es da draußen ni!t eine, sondern mannigfa!e „Wirkli!keiten“ gibt, ist es dann mögli! oder gar zwe*mäßig, Fors!ungsergebnisse in ein theoretis!es Erklärungss!ema zu pa*en, obwohl man anerkennt, dass jede Theorie in ihrer Erklärungskra) bes!ränkt ist+? Würden di!te Bes!reibung, Fallanalyse, auf Wandel geri!tete Fors!ung oder das Erzählen von Ges!i!ten ni!t bere!tigtere Gründe liefern, Fors!ung zu betreiben+? I! war dur! die vor mir liegende Aufgabe, die dri$e Auflage zu s!reiben, ziemli! entmutigt. I! zögerte, s!rieb und s!rieb um, probierte Ideen aus. Und im Laufe des S!reibens und Probierens merkte i!, dass i! an diesem Prozess Gefallen fand. I! erkannte, dass i! keine ganz neue Methode entwarf: I! modernisierte die Methodik, mit der i! aufgewa!sen war, ließ viel vom Dogma fallen, gestaltete Verfahrensweisen ,exibler und su!te sogar na! Wegen, um zu erklären, wie Computer den Fors!ungsprozess verbessern könnten. 3
Die Methode
Wie i! in der Einleitung dieses Beitrags dargelegt habe, will i! mit dieser langen Erörterung darauf hinaus, dass es für mi!, aus der Perspektive der Person, die i! geworden bin, unmögli! ist, so über Methodologie zu spre!en, wie i! es vor zehn oder fünfzehn Jahren getan habe. I! kann ni!t sagen, dies ist Strauss’ Version des Grounded-Theory-Ansatzes, da, wie i! gegenwärtig über Methode spre!e (und wie i! sie in der dri$en Auflage der „Basics“ ges!rieben habe) eine Kombination ist aus 4 4 4
dem, was i! als das Beste an Strauss’ Methode empfunden habe, zusammen mit den Lehren, die i! aus aktuellen Deba$en gezogen habe, und dies aus der Perspektive der Person, die i! im Laufe der Jahre geworden bin: aufgrund von Lektüre, von kontinuierli!er Fors!ung und Lebenserfahrung, in
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Interaktion mit Studierenden beim Lehren von Methoden in vers!iedenen Teilen der Welt und au! über das Internet usw. Ansta$ an dieser Stelle in eine tiefgreifende philosophis!e oder methodologis!e Diskussion über „die Strausss!e Grounded Theory“ einzusteigen, mö!te i! ein Beispiel davon präsentieren, wie i! heute Fors!ung betreibe, bezogen auf all das, was i! oben dargestellt habe. Das Beispiel ist der dri$en Auflage der „Basics“ entnommen. Was i! mit diesem Beispiel zu vermi$eln ho"e ist, dass i! – obwohl das Wesentli!e von Strauss’ Ansatz geblieben ist – bei der Dur!führung der Analyse ,exibler und o"ener geworden bin. I! nutze alle relevanten Verfahren, aber sie bleiben im Hintergrund. Haben Sie etwas Geduld mit mir, während i! versu!e, ein wenig von der neuesten und für mi! ergiebigsten Fors!ung meiner gesamten Karriere zu beri!ten: einer Studie über Personen, die am Vietnamkrieg teilgenommen haben. Dieses Thema ist auf den ersten Bli* kein p,egewissens!a)li!es, aber es hat Implikationen für die Versorgung von jungen Soldat/innen, die an Kriegen teilnehmen, und es ist in Anbetra!t gegenwärtiger Ereignisse besonders relevant. Na!dem i! das Einleitungskapitel der dri$en Auflage abges!lossen ha$e, habe i! darüber na!geda!t, wie i! Studierenden den ,uiden und dynamis!en Charakter der Datenerhebung und -analyse am besten würde verans!auli!en können. I! wollte die Interaktion deutli! ma!en, die zwis!en der oder dem Fors!enden und den Daten sta$#ndet, und i! wollte zeigen, dass es eine Kombination aus den Daten und aus deren Interpretation dur! Fors!ende ist, die den Fors!ungsprozess leitet und vorantreibt. Auszüge aus eigenen früheren Untersu!ungen vorzustellen ist die gängige Art, wie Autor/innen ein sol!es Anliegen umzusetzen versu!en. I! wollte aber ein Fors!ungsprojekt direkt vor den Augen meiner Leser/innen dur!führen, sie also von Anfang bis Ende am Fors!ungsprozess beteiligen. Außerdem wollte i! etwas untersu!en, womit i! mi! als Wissens!a)lerin zuvor no! ni!t bes!ä)igt ha$e. I! wollte, dass die Leser/innen die methodologis!en Probleme sehen, denen i! unterwegs begegnete, dass sie sehen, wie i! mit diesen Problemen umgegangen bin, was i! geda!t und wie i! ents!ieden habe. I! wollte meine Erfahrungen teilen. Zu dem Zeitpunkt dieser Überlegungen wusste i! weder, wie lange i! brau!en würde, um ein Fors!ungsprojekt als Teil eines Methodenbu!es dur!zuführen, no! war mir klar, in wel!er Weise mi! der Untersu!ungsgegenstand/das gewählte Thema berühren würde. I! ha$e zunä!st eine Vorstellung davon, was i! methodologis! und methodis! tun wollte, aber kein Fors!ungsthema. I! #ng an, meine Ordner dur!zusehen, und fand ein Interview, dass Anselm Strauss vor Jahren mit einem meiner engen Freunde über dessen Erfahrungen als Krankenp,eger während des Vietnamkriegs dur!geführt ha$e. Na! dem Dur!lesen des Interviews wusste i!, dass i! das Thema für meine Studie gefunden ha$e. I! war während des Vietnamkrieges aufgewa!sen, wusste aber nur wenig hierüber. I! wollte zuglei! mi!
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informieren und den Lesenden verans!auli!en, wie man Daten analysiert. Und es war wi!tig, dass es ein Thema war, das mi! wirkli! interessierte: Für eine Fors!erin oder einen Fors!er ist es s!wer, kreativ zu sein, die erforderli!e harte und langwierige Arbeit zu verri!ten, wenn ihr oder ihm die Leidens!a) für den Untersu!ungsgegenstand fehlt. Bea!ten Sie, dass i! keine spezi#s!e Fors!ungsfrage ha$e, als i! die Untersu!ung angefangen habe. I! war ni!t si!er, wohin mi! die Fors!ung führen würde. I! habe mi! einfa! hingesetzt mit diesem ersten Stü* Daten vor mir und habe mi! im Zuge der Fors!ung dahin tragen lassen, wohin sie wollte. Um meine Leser/innen mitzunehmen, s!rieb i! meine Gedanken in einer Reihe von Memos auf. Diese sind jedo! zu umfangrei!, um sie hier zu wiederholen, daher skizziere i! im Folgenden den Prozess der Dur!führung und einige meiner Ergebnisse. 4
Der analytis!e Prozess
Die Art und Weise meines Herangehens an die Daten bestand zunä!st darin, sie entspre!end der natürli!en Brü!e im Gesprä!s,uss auseinanderzubre!en. Dann arbeitete i! mit dem jeweiligen Datensegment. I! bemühte mi!, das zu erkennen, von dem i! glaubte, dass die Teilnehmenden es mir sagten. I! probierte vers!iedene Interpretationen aus und verwarf die, die ni!t dur! die Daten gestützt wurden. I! habe dabei Konzepte genutzt, um meine Interpretationen einzufangen. I! habe dann mehrere Datensegmente innerhalb eines Interviews und zwis!en vers!iedenen Interviews vergli!en und na! Gemeinsamkeiten und Unters!ieden gesu!t. Na!dem i! einige Konzepte generiert ha$e, habe i! die Daten auf Deskriptoren oder Kennzei!en für diese Konzepte hin genau geprü). Anders ausgedrü*t heißt das, dass i! na! Eigens!a)en von Konzepten gesu!t habe und dana! untersu!t habe, wie sie dimensional variierten. Lassen Sie mi! ein Beispiel anführen. Teilnehmer #- begann das Interview mit Erzählungen über si! selbst in der Vorkriegszeit. Dana! erläuterte er, warum er si! ents!ieden ha$e, si! freiwillig als Krankenp,eger bei der Army zu melden. I! habe diese Datensegmente als das „Vorkriegs-Selbst“ (prewar self) konzeptualisiert. Einige der Merkmale dieses Vorkriegs-Selbst waren Jugend, Idealismus, ein Gefühl von Patriotismus, Kriegsunerfahrenheit, Ausbildung als Krankenp,eger und die Zugehörigkeit zu einer Familie, die den Krieg und seinen Eintri$ ins Militär befürwortete. Der Stellenwert des Konzepts „Vorkriegs-Selbst“ war zu Anfang der Analyse relativ gering. Es s!ien mir zu diesem Zeitpunkt einfa! wi!tig, ein Memo zu s!reiben zu den Charakteristika der Männer und Frauen und ihrer Lebenssituation, bevor sie na! Vietnam gingen. I! wusste, dass jede Person im Detail unters!iedli! sein würde, aber jede Person, die i! interviewte, würde ein Vorkriegs-Selbst haben.
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Es ist ein wi!tiges Merkmal qualitativer Fors!ung, dass Fors!ende zu Beginn der Analyse den Grad der Bedeutung von frühen Konzepten ni!t mit Si!erheit kennen; sie wissen nur intuitiv, dass etwas wi!tig sein könnte und notiert werden sollte. Obwohl i! also z.0B. erkannte, dass es wi!tig sein könnte, etwas darüber zu wissen, wer eine Person war, bevor sie in den Krieg gegangen ist, dauerte es einige Zeit, bis i! im Fortgang der Analyse entde*te, dass das Konzept „Vorkriegs-Selbst“ Teil eines Konzepts (oder einer Kategorie) höherer Ordnung war, das i! „si! veränderndes Selbst“ (!anging self) nannte: I! bemerkte nämli!, dass si! die Art und Weise, wie Frauen und Männer si! selbst bes!rieben, bevor sie in den Krieg gingen, erhebli! von ihrer (Selbst-) Bes!reibung während ihrer Zeit in Vietnam und na! dem Verlassen von Vietnam unters!ied. Während i! das erste Interview kodierte, leitete i! viele Konzepte ab. Es dauerte allerdings fast bis zum Ende meiner Analyse dieses Interviews, bis mir zwei Dinge als besonders bea!tenswert auffielen. Zum einen bemerkte i!, dass der Interviewte seine Erfahrungen in Vietnam als „ni!t so s!le!t“ bes!rieb, eher als Teil eines „Reifeprozesses“. Dies irritierte mi!, da i! während der Vietnam-Ära erwa!sen wurde, und alles, was i! damals las oder im Fernsehen sah, ließ mi! glauben, dass in den Krieg zu gehen bzw. dort zu sein eine „s!re*li!e“ Erfahrung sein müsse. (Erst später verstand i!, dass eine Erfahrung bes!werli! oder sogar s!re*li! sein kann und trotzdem Teil einer persönli!en Reifung.) Auf mein Hintergrundwissen rü*greifend fragte i! mi!, wie es sein konnte, dass die Erfahrung dieses Mannes „ni!t so s!le!t“ war und nahm so diese Dimension in mein si! entwi*elndes Konzept auf. Na! und na! wurde mir klar, dass die Quali#zierung der Erfahrung von Teilnehmer #- als „ni!t so s!le!t“ daraus resultierte, dass er Krankenp,eger, also ni!t unmi$elbar am Kriegsges!ehen beteiligt war: Obwohl er mit Hubs!raubern in Kriegsgebiete ,og, um Verletzte aufzunehmen, musste er si! nie direkt am Kampf beteiligen oder feindli!e Soldaten töten. Zum anderen #el mir im Lauf der Analyse auf, dass es Zorn und Ambivalenz über die Kriegserfahrung zu geben s!ien und darüber, wie der Krieg gehandhabt wurde, obwohl dies nie o"en geäußert wurde. Am aufs!lussrei!sten war für mi! in diesem Zusammenhang, dass der Teilnehmer #- im Interview sagte, dass er nie mit einer anderen Person über seine Erfahrungen in Vietnam gespro!en ha$e. Obwohl seine beiden Brüder und viele seiner Freunde au! in Vietnam gewesen waren, ha$e er in seinem Gesprä! mit Anselm Strauss zum ersten Mal von seinen Erfahrungen in Vietnam erzählt. I! habe später gelernt, dass „ni!t über Vietnam [zu] spre!en“ eine verbreitete Thematik unter Vietnam-Veteran/innen ist. Im Grunde genommen trennten sie diesen Teil ihres Lebens von ihren übrigen Erfahrungen ab. I! da!te eine Weile über diese beiden Beoba!tungen na! und entwi*elte zwei Fragen, die die nä!sten S!ri$e der Fors!ung leiteten. Die erste Frage war: Wäre die Kriegserfahrung für Personen anders, die in Vietnam unmi$elbar am Kriegsges!ehen beteiligt waren+? Und die zweite Frage: Warum gab es no! immer
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eine Mauer des S!weigens und so viel Zorn+? An diesen Fragen orientierte i! die nä!sten S!ri$e meiner Datenerhebung und -analyse, indem i! das theoretis!e Sampling entlang der Konzepte „unmi$elbare Teilnahme am Kriegsges!ehen“ und „keine unmi$elbare Teilnahme am Kriegsges!ehen“, „Mauer des S!weigens“ und „verbliebener Zorn“ vollzog. Neben meiner gezielten Su!e na! Daten, die diesen Konzepten zuzuordnen waren, ha$e i! das „Vorkriegs-Selbst“ und einige weitere, aus der ersten Datenanalyse abgeleitete Konzepte im Bli*. In dieser Anfangsphase konnte i! ni!t si!er sein, dass meine Fors!ung „die ri!tige Ri!tung“ eins!lagen würde. I! musste meinen Instinkten vertrauen. I! ließ mi! von den Interpretationen, die i! als bedeutsam empfand, zur nä!sten Phase der Analyse leiten. I! ha$e immer no! keine wohlformulierte, übergreifende Fors!ungsfrage: I! wusste ni!t genau, wona! i! su!te. Bis zu diesem Zeitpunkt ha$e i! in meinen Fors!ungsarbeiten meinen eigenen intuitiven Reaktionen auf Daten nie so sehr vertraut; normalerweise ha$e i!, wenn i! ein Fors!ungsprojekt an#ng, zumindest irgendeine vage Fors!ungsfrage im Kopf gehabt. Diesmal prägten die Fragen, die während meiner Auseinandersetzung mit den Daten entstanden, die Ri!tung meiner Fors!ung, ansta$ dass eine spezi#s!e Frage die Fors!ung von Anfang an leitete. Als i! mit der Untersu!ung fortfahren wollte, bemerkte i!, dass mir Interviewpartner/innen fehlten, um die Konzepte „unmi$elbare Teilnahme am Kriegsges!ehen“ und „keine unmi$elbare Teilnahme am Kriegsges!ehen“ weiter zu explorieren: I! kannte niemanden, die oder der im Vietnamkrieg gekämp) ha$e. Meine nä!ste methodis!e S!wierigkeit bestand also darin herauszu#nden, wo i! eine Gruppe von Vietnamkriegsteilnehmer/innen für Interviews #nden könnte. I! nutzte das Internet, wo so viele Mens!en heutzutage Hilfe su!en, und verö"entli!te eine Bi$e zur Teilnahme an Interviews. Meine Güte, was für eine Entde"ung#! Na! einigen Tagen erhielt i! eine Antwort auf meine Anfrage. I! meine: Genau eine Antwort, während i! erwartet ha$e, von interessierten Gesprä!spartner/innen überrannt zu werden. Der Antwortende, ein Vietnam-Veteran, ließ mi! wissen, dass er meine Fragen zu seiner Zeit in Vietnam gerne beantworten würde. Er wolle reden, da er interessiert daran sei, Mens!en über den Vietnamkrieg zu unterri!ten. Er warnte mi! jedo!, dass i! keine Antwort von anderen Veteran/innen erwarten solle, da trotz der Tatsa!e, dass dreißig Jahre seit dem Krieg vergangen waren, viele no! immer S!wierigkeiten hä$en, mit ihren Erfahrungen in Vietnam fertig zu werden. I! war ziemli! erstaunt, dass der Vietnamkrieg no! immer so viel Leid verursa!te. I! erhielt eine weitere E-Mail von jemandem aus derselben Chat-Gruppe. Darin stand: „Wenn i! sogar meiner Frau ni!ts vom Krieg erzählen kann, wie kommen Sie dann darauf, dass i! mit Ihnen spre!en kann+?“ Auts!+! In diesem Moment da!te i!, dass eine Untersu!ung zu Vietnamkriegsveteran/innen viellei!t keine so gute Idee war. S!ließli! erhielt i! eine weitere Antwort, und diese dri$e Person war gewillt, über ihre Erfahrungen zu spre!en. I! ha$e also zwei weitere
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Teilnehmer für meine Untersu!ung und ents!ied, mit der Analyse, die i! Monate zuvor begonnen ha$e, fortzufahren. I! fragte den Teilnehmenden #%, wie es für ihn war, am Krieg unmi$elbar beteiligt gewesen zu sein. I! wollte die ersten beiden Interviews auf Gemeinsamkeiten und Unters!iede hin verglei!en und ha$e no! immer keine Hauptfrage oder Idee, in wel!e Ri!tung i! mit meiner Untersu!ung unterwegs war, aber i! trieb sie voran. Teilnehmer #% antwortete eher knapp, aber was er sagte, war ziemli! ers!re*end, zumindest für mi!. Zuerst war i! ni!t si!er, ob i! sein Interview in mein Bu! aufnehmen sollte. I! ha$e Sorge, dass Leser/innen sol! plastis!e Worte über den Krieg ers!re*en könnten: Teilnehmer #% sagte mir, dass es beim Krieg ums Töten geht. „Du tötest den Feind, bevor er di! tötet.“ Er sagte au!, dass den Soldat/innen, au! wenn sie mit einem gewissen Idealismus und Patriotismus in den Krieg ziehen, diese Tugenden zum Zeitpunkt der ersten S!la!t verloren gingen. „Wenn du in einem Kriegsgebiet bist und Tag für Tag auf di! ges!ossen wird, läu) alles aufs Überleben hinaus – dein eigenes und das Überleben deiner Brüder bei den Marinesoldaten.“ I! fragte ihn dann na! dem Zorn. Er sagte, es gebe mehrere Dinge, die ihn zornig ma!ten: Zunä!st, dass Amerika den Krieg verloren habe, der erste verlorene Krieg. Er glaubte, dass die Hände derer, die wirkli! im Krieg kämp)en, dur! die vielen Einsatzregeln gebunden waren, die ihnen von politis!en Ents!eidungsträgern in Washington „übergestülpt“ worden seien. Zweitens sei er wütend, weil 1'.&&& Männer ihr Leben in einem Krieg gelassen ha$en, der keinen Sinn ha$e. Und dri$ens galt sein Zorn dem Empfang, den die Veteran/innen bei ihrer Heimkehr erfahren ha$en. Die Auseinandersetzungen darüber, ob der Vietnamkrieg ein gere!ter Krieg war, seien ni!t bis zu denen vorgedrungen, die an der Front kämp)en. Sie glaubten, dass sie für ihr Land kämp)en. Dazu komme, dass die, die gekämp) ha$en, den Krieg ni!t einfa! hinter si! lassen könnten, bloß weil sie das S!la!tfeld verließen und heimkehrten. Sie bringen den Krieg in Gestalt von Erinnerungen und Albträumen mit na! Hause. Na!dem i! Interview #% analysiert ha$e, wusste i!, dass i! mehr über die „Kriegserfahrung“ per se und über das „Überleben“ lernen musste, zwei neue bedeutende Konzepte. Es war das, was während des Kampfes ges!ah, das den Unters!ied zwis!en denen ausma!te, die unmi$elbar oder ni!t unmi$elbar ins Kriegsges!ehen involviert waren. Zu diesem Zeitpunkt begann si! das Fors!ungsprojekt au! jenseits des Methoden-Bu!es, das i! s!reiben wollte, zu verselbstständigen. Die Ges! i!ten, die i! gehört ha$e, ha$en mi! sehr berührt. Glei!zeitig erkannte i!, dass i! emotional ni!t zu sehr würde Anteil nehmen dürfen, oder i! wäre ni!t fähig, das Bu! fertigzustellen. I! sah au! ein, dass diese Studie sehr viel mehr an weiterer Fors!ung bedur)e, da es no! immer so viele unbeantwortete Fragen gab. Mir war ein biss!en bange, da i! mir immer no! ni!t si!er war, wohin i! mit dieser
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Fors!ung auf dem Weg war. I! würde weiter auf mi! und den Fors!ungsprozess vertrauen müssen. I! wendete mi! dem Gesprä! mit Teilnehmer #3 zu, der einzige Veteran, der si! auf meine Anfrage hin no! gemeldet ha$e. An diesem Interview wollte i! das Konzept „Zorn“ tief gehender erkunden: Könnte er mir helfen zu verstehen, warum dieser Zorn, na! all den Jahren, so viele Veteran/innen no! ni!t losgelassen ha$e+? Teilnehmer #3 erzählte mir, die Wut habe bereits im Ausbildungslager begonnen, „wo die Ausbilder di! erniedrigen und mürbe ma!en“. Deren Strategie sei es, genau diese Wut zu erzeugen und so aus unbedar)en Rekrut/innen ein Team zu s!mieden, das zusammenhält und Außenstehende als Feind betra!tet. Gehen diese Soldat/innen dann in den Krieg, wä!st ihre Wut, weil sie merken, dass auf sie ges!ossen wird, bloß weil sie da sind: „Du kennst die Leute, die auf di! s!ießen, ni!t einmal. Wenn du das Glü* hast, zu überleben und heimzukehren, stellst du fest, dass diejenigen, die zuhause geblieben sind, ihr Leben wie gewohnt weitergelebt haben. Sie sind aufs College gegangen, haben geheiratet und einen guten Job bekommen.“ Deshalb könnten Familie, Freunde und Ni!t-Veteran/innen ni!t na!emp#nden, was die, die gekämp) ha$en, dur!gema!t ha$en, no! könnten sie deren Albträume und S!wierigkeiten, si! ans „zivile Leben“ wieder anzupassen, verstehen. Na! der Analyse von drei Interviews ha$e i! no! immer unzählige Fragen. I! wusste ni!t viel über die tatsä!li!e Erfahrung des Kampfes. Außerdem müsste i! die Kriegserfahrung in einen größeren, historis!en und politis!en Kontext setzen, um sie besser zu verstehen. I! erkannte, dass i! mehr über die Einsatzregeln und die Strategien wissen müsste, die die Vereinigten Staaten und Vietnam in den Krieg geführt ha$en. Au! müsste i! mehr über diesen „Feind“ wissen, die Nordvietnames/innen und den Vietcong, und warum sie so erbi$ert kämp)en. I! müsste mir Kampfsituationen genau ansehen und sie analysieren, damit i! über den Prozess des Überlebens besser Bes!eid wissen könnte und darüber, warum, obwohl 1'.&&& Mens!en starben (eine riesige Zahl), viel mehr überlebt ha$en und na! Hause zurü*gekehrt waren. Da i! keine weiteren Gesprä! spartner/innen ha$e, fragte i! mi!, wie i! die für den Fortgang der Studie erforderli!en Daten bekommen würde. I! nutzte abermals das Internet, diesmal Amazon.com. Hier ma!te i! eine interessante Entde*ung: Obwohl die Vietnam-Veteran/innen, zu denen i! über einen Chatroom Kontakt gefunden ha$e, S!wierigkeiten ha$en, über den Krieg zu spre!en, gab es o"ensi!tli! andere, die bereit waren, ihre Ges! i!ten zu verö"entli!en I! fand einen riesigen Fundus an Daten – in Form von Memoiren. I! bestellte so viele Bü!er, wie i! konnte; man!e waren von Mens!en ges!rieben, die unmi$elbar ins Kriegsges!ehen involviert waren, andere von Krankenp,eger/innen, von Hubs!rauber- und Kampfpilot/innen, einige von Kriegsgefangenen und Journalist/innen. I! fand sogar ein paar Bü!er, die von Vietcong-Soldaten verfasst worden
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waren, für mi! von Bedeutung, da qualitative Fors!ung an diesen multiplen Perspektiven interessiert ist. I! besorgte au! mehrere historis!e Bü!er über den Krieg und über Vietnam, um Daten zu kontextuellen Fragen zu #nden, z.0B. zu den Ereignissen, die zu diesem Krieg geführt ha$en. Außerdem bes!ä)igte i! mi! mit den Biogra#en der Männer in Washington, die den Krieg aus der Ferne geführt und die Einsatzregeln festgelegt ha$en; au! deren Si!tweise war wi!tig. Bald fand i! mi! inmi$en einer Flut von Daten. I! erfuhr mehr über den Krieg, als i! je ha$e wissen wollen. I! ha$e S!lafprobleme. Es belastete mi! zunehmend, das Material anzus!auen. I! befand, dass i! mi! eine Weile von diesem Kriegsmaterial distanzieren musste, um später zurü*kehren und die Analyse fortführen zu können. Als i! mi! der Studie na! einiger Zeit wieder zuwandte, analysierte i! die Memoiren auf die glei!e Weise wie zuvor die Interviews. I! nutzte Konzepte und Fragen, die i! aus der je vorherigen Analyse hergeleitet ha$e, um das theoretis!e Sampling fortzusetzen. Anhand der Memoiren stellte i! fest, dass das Überleben im Krieg situationsabhängig war und eng verbunden mit dem Risiko, das mit je spezi#s!en Situationen einherging. I! erfuhr, dass die Sterberaten bei denen am hö!sten waren, die wenig Kriegserfahrung ha$en, und dass si! die Überlebenswahrs!einli!keit für „den erfahrenen Soldat“ erhöhte. Im Laufe der Zeit und längerem Kämpfen ausgesetzt, neigten jedo! au! erfahrene Soldaten dazu, si! „abzunutzen“, was wiederum ihr Verwundungs- oder Sterberisiko erhöhte. Au! s!ienen die, die kämp)en, Vietnam als einen Krieg anzusehen, der nirgendwohin zu führen s! ien. Es ging ni!t darum, Gebiete zu erringen und zu halten. Erfolg beruhte vielmehr auf Todeszahlen. Die Soldat/innen kämp)en gegen den Feind und eroberten ein Stü* Territorium, um dem Feind na! der S!la!t die Freiheit zu lassen, das Territorium wieder einzunehmen. Wurde der Feind zurü*gedrängt, zog er si! oberhalb des -.. Breitengrades zurü*, der Trennlinie zwis!en Nord- und Südvietnam, oder ging na! Kambods!a oder Laos. Auf beiden Seiten gab es hohe Sterbli!keits- und Morbiditätsraten, allerdings galt die Hauptsorge der US-Soldat/innen den eigenen, gefallenen Kamerad/innen. Außerdem war für die Soldat/innen die mangelnde Unterstützung des Krieges zuhause bedeutsam, die zumeist als demoralisierend erlebt wurde. Die meisten dienten ihrem Land ehrenha), aber einige verübten Gräueltaten, und häu#g ma!ten diese Gräueltaten negative S! lagzeilen. Einige Gräueltaten ereigneten si!, weil Soldat/innen von der Belastung zermürbt waren, ununterbro!en im Kriegsgebiet zu sein und ni!t zu wissen, wer unter der Zivilbevölkerung Freund und wer Feind war. Das ha$e zur Folge, dass sie man!mal auf irgendjemand s!ossen, die oder der si! verdä!tig verhielt; aus ihrer Perspektive insoweit verständli!, als si! der Feind man!mal inmi$en der Zivilbevölkerung verste*te. I! ents!uldige das Fehlverhalten der Soldat/innen ni!t, man!e waren einfa! s!le!te Mens!en, die zufällig im Militär waren. Andere waren jung, lei!t beein,ussbar, und ihnen fehlten eine geeignete Führung dur! O5ziere und stabile
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si$li!e Werte. Man!mal waren Soldat/innen aufgebra!t, weil sie Kamerad/innen vor ihren Augen sterben sahen und wollten deren Tod rä!en, indem sie den Feind bestra)en, oder s!limmer, Zivilisten, die ihnen in die Quere kamen, Leid antaten. Die positive Seite an dem Zorn s!eint gewesen zu sein, dass er man!e Soldat/innen am Leben halten konnte; er trug zu ihrem Überleben bei, au! wenn sie vom Krieg ermüdet und enttäus!t waren. Das Problem lag darin, dass die Soldat/innen na! ihrer Heimkehr und Rü* kehr ins Zivilleben ni!t imstande waren, ihren Zorn loszulassen. Diese Befunde führten mi! zu einer weiteren Frage und zum weiteren theoretis!en Sampling. I! fragte mi!, warum man!e fähig waren zu überleben und glei!zeitig ihre moralis!e Integrität zu wahren, au! wenn das Zermürbungs-Risiko so ho! war. Warum ist es so, dass es trotz der s!re*li!en Dinge, die in Kriegen passieren, immer au! Männer und Frauen gibt, die si! heldenha) für die Zivilbevölkerung einsetzen+? I! wendete mi! in der Folge spezi#s!en Risikosituationen zu. I! betra!tete die persönli!en und sozialpsy!ologis!en Bedingungen, die den Soldat/innen ermögli!ten zu überleben und die mit dem Krieg einhergehenden physis!en, psy!ologis!en und moralis!en Risiken zu meistern. Später versu!te i! entlang der Daten zu verstehen, warum man!e Personen na! dem Krieg gesunden konnten, während andere an posttraumatis!en Belastungsstörungen li$en. I! entde*te, dass Soldat/innen, um in Kämpfen physis! und psy!is! zu überleben, ihr ziviles Vorkriegs-Selbst beiseite legen und si! an die „Realitäten des Krieges“ anpassen mussten; ans!ließend, na! Hause zurü*gekehrt, mussten sie si! abermals neu anpassen, also mehrfa! ihr Bild des „Selbst“ und das der „Bedeutung des Krieges“ ändern. Die Fähigkeit zu diesen Transitionen habe i! „Überleben als Versöhnung multipler Wirkli!keiten“ (surviving: reconciling multiple realities) benannt, und sie wurde zum Kernkonzept meiner Untersu!ung. Die Untersu!ung war komplizierter als das, was i! bisher zu skizzieren versu!t habe, aber es gibt Ihnen viellei!t eine Vorstellung davon, wie i! begonnen habe und dann na! und na! weiter vorgegangen bin. I! werde an dieser Stelle auf weitere Details verzi!ten: Sie #nden sie, wenn Sie mögen, in der dri$en Auflage der „Basics“. I! mö!te aber no! einmal betonen, dass Verfahren, über die wir in methodologis!en und methodis!en Texten spre!en, zumeist breit angelegte Ri!tlinien sind, die auf dynamis!e und ,exible Art und Weise genutzt werden sollten, um die Analyse voranzubringen. Immer, wenn Autor/innen in Worte zu fassen versu!en, was sie tun, wenn sie analytis! arbeiten, wird etwas zuglei! festges!rieben und bleibt do! o"en für ni!t intendierte Anwendungen. Der eigentli!e Fors!ungsprozess ist ,ießend, dynamis! und entfaltet si!. Denken Sie daran, dass i! zu Beginn der oben dargestellten Untersu!ung keine Ahnung ha$e, wohin sie mi! führen würde. I! ließ meine Interpretationen mi$els der Konzepte, die i! generierte und der Fragen, die i! zu diesen Konzepten stellte, jeden S!ri$ des Fors!ungsprozesses lenken. Während der Analyse fühlte i! mi! immer wieder wie eine Detektivin,
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die einem Hinweis na! dem anderen na!geht, bis eine ganze Ges! i!te zusammengefügt werden kann. I! staune immer wieder über die Informationen, die aus den Daten gezogen werden können, wenn die ri!tigen Fragen gestellt werden und die Zeit zum S!reiben von Memos genutzt wird. In Memos #nden weder nur die Fors!enden no! nur die Daten ihren Ausdru*, sondern deren je spezi#s!e Interaktion, um Antworten auf die Frage zu #nden, „was vor si! geht“. Memos re,ektieren diese Interaktion; es ist unmögli!, auf sie zu verzi!ten, z.0B. um den Fors!ungsprozess abzukürzen. Fehlen Memos, auf die zurü*verwiesen werden kann, dann s!lägt si! dies am Ende in der Qualität des Produkts, das erzeugt wird, nieder: Ihm fehlen Di!te und Variation, da si! Fors!ende unmögli! all die Details der Analyse merken können. 5
S!lussbemerkungen
I! glaube, dass diejenigen, die die dri$e Auflage der „Basics of Qualitative Resear!“ in die Hand nehmen, feststellen werden, dass si! das Bu! auf vielfa!e Weise von der ersten und zweiten Auflage unters!eidet, während es glei!zeitig viele der grundlegenden Elemente von Anselm Strauss’ Herangehensweise an die GroundedTheory-Entwi*lung bewahrt. I! habe versu!t, Bewährtes aus der Vergangenheit zu übernehmen und es mit gegenwärtigen Überlegungen zu verbinden, um ein Verfahren zu präsentieren, das zu ho!wertigen Ergebnissen qualitativer Fors!ung beitragen kann. Diese Herangehensweise soll Fors!ende dazu ermutigen, aufges!lossen in ihre Untersu!ung zu gehen, bereit zu hören, was die Teilnehmenden sagen, und bereit, si! von den Fragen, die si! sukzessive ergeben, in den nä!sten S!ri$en der Datenerhebung und -analyse lenken zu lassen. Es ist eine Methodik, die einer dogmatis!en und rigiden Herangehensweise an Fors!ung entgegensteht und sta$dessen erwartet, probeweise die Rolle der anderen zu übernehmen, den Teilnehmenden eine Stimme zu verleihen und dabei immer au! zu bea!ten, wie die Fors!erin oder der Fors!er selbst reagiert und die Fors!ung formt. Während si! die Fors!ung entwi*elt, formuliert die Fors!erin oder der Fors!er neue Fragen, sie oder er wählt unter einer Vielzahl von Datenquellen und analytis!en Strategien und ändert auf halber Stre*e sogar die Ri!tung der Fors!ung, wenn die Situation dies verlangt. Wie in anderer qualitativer Fors!ung au!, ist das Selbst das eigentli!e Fors!ungsinstrument. Dies ma!t erforderli!, dass Fors!ende bei ihrem Vorgehen ihren Instinkten vertrauen, also z.0B. bei der Frage, wel!e Arten von Daten sie erheben, wann sie „loslassen“ und wann sie weiterma!en sollen. Was mir aber am Wi!tigsten ist: Die dri$e Auflage der „Basics“ ma!t Vors!läge, wie die Komplexität des Lebens und die Vielzahl der unters!iedli!en Arten und Weisen, wie Personen in ihrem Leben auf Ereignisse reagieren, mi$els fortlaufender Formen der (Inter-) Aktion und des Mitfühlens eingefangen werden können. Indem sie aufre!terhält und betont, was Anselm Strauss so teuer war, hebt die dri$e
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Auflage die Bedeutung hervor, Prozess mit Struktur zusammenzufügen. Sie rü*t Interaktion, Handlungen und emotionale Reaktionen auf Ereignisse in den Mi$elpunkt und verortet sie innerhalb des größeren historis!en, sozialen, ökonomis!en, politis!en etc. Kontextes, in dem diese Ereignisse sta$#nden. Und für diejenigen, die Theorie entwi*eln mö!ten, hat das Bu! ein Kapitel über die Integration von Teilbefunden und Konzepten, wennglei! es Personen, deren Interesse es ist, eine di!te Bes!reibung oder eine Fallanalyse anzufertigen, ni!t davon abhält, einige der im Bu! vorges!lagenen Methoden zu nutzen. Vor allem betont die in der dritten Auflage der „Basics“ dargestellte Methodologie die Notwendigkeit, dass Fors!ende si! Zeit zum Na!denken nehmen, zum Beoba!ten, zum Gesprä! mit unters!iedli!en Gruppen; um zu verglei!en, Fragen zu stellen, den Hinweisen in den Daten na!zugehen und Memos zu verfassen. Obwohl Vertreter/innen der Grounded-Theory-Methodologie heute unters!iedli!e Perspektiven einnehmen und eigene Herangehensweisen an die Analyse von Daten haben, denke i!, dass si! bestimmte Themen dur! all unsere Ansätze ziehen, zum Beispiel die Dur!führung komparativer Analysen, das Stellen von Fragen an die Daten und das S!reiben von Memos. Konzepte bilden weiter die Grundlage der Fors!ung, zusammen mit der Entwi*lung von Konzepten hinsi!tli! ihrer Eigens!a)en und Dimensionen. Weitere gemeinsame Themen sind theoretis!es Sampling und theoretis!e Sä$igung, zwei Konzepte, die von Fors!ungs-Neulingen häu#g fals! verstanden und fals! verwendet werden. Für mi! liegt die Bedeutung der Grounded-Theory-Methodologie ni!t darin, wessen Ansatz man wählt, sondern in der Qualität der Fors!ungsergebnisse, die dur! den jeweiligen Ansatz hervorgebra!t werden. Wenn man si! beispielsweise die von Charmaz in ihrem Bu! „Constructing Grounded Theory“ (%&&/) bereitgestellte Liste der Evaluationskriterien ans!aut, #nde i!, dass tatsä!li! jedes davon auf den in der dri$en Auflage der „Basics“ bes!riebenen Ansatz angewendet werden könnte. Untersu!ungsergebnisse spre!en in gewisser Weise für si! selbst. Sie klingen entweder na!, bieten neue Einbli*e, erkunden Phänomene tiefgehend, tragen zu einem Wissensfundus bei und ermuntern zum Lesen bzw. Zuhören, oder sie tun es ni!t. I! persönli! sehe den Zwe* all dieses Aufhebens, das um Methodenfragen gema!t wird, ni!t. Man könnte den ganzen Tag über Methoden streiten und sie diskutieren. Letztendli! spielt es keine Rolle. Die Leute werden die Methode wählen, die sie am meisten anspri!t, und sie werden sie auf eine Art und Weise nutzen, die für sie sinnvoll s!eint. Eine letzte Anmerkung. I! bin mir si!er, dass Anselm Strauss, würde er heute no! leben, sagen würde, dass es sein Ziel war, Studierende zum Denken zu ermutigen. Er wollte Fors!ende mit einer Methodologie aussta$en, die sie befähigen sollte, etwas von der Komplexität und Vielfalt dieser Welt einzufangen. Er wollte ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um Ergebnisse hervorzubringen, die dazu genutzt werden können, die Welt zu einem besseren Ort zu ma!en. Er wäre erfreut, die unters!iedli!en methodologis!en Verzweigungen zu sehen, die von der zweiten
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Eine analytis!e Reise unternehmen
und dri$en Generation der Vertreter/innen des Grounded-Theory-Ansatzes auf der Grundlage der ursprüngli!en Arbeit von ihm und Barney Glaser (Glaser & Strauss -(/.) entstanden sind. Obwohl si! alle diese Verzweigungen teilweise unters!eiden mögen, so haben sie alle zuglei! die Fähigkeit, wenn ri!tig angewendet, genau das zu tun, was bereits zu Beginn intendiert war – brau!bare Theorien zu entwi*eln, die in den Daten verankert sind. Literatur Blumer, Herbert (-(/(). Symbolic interactionism. Englewood Cli"s, NJ: Prentice Hall. Charmaz, Kathy (%&&/). Constructing grounded theory. Thousand Oaks, CA: Sage. Clarke, Adele E. (%&&1). Situational analysis. Thousand Oaks, CA: Sage. Corbin, Juliet M. & Strauss, Anselm L. (%&&'). Basics of qualitative research (3. Aufl.). Thousand Oaks, CA: Sage. Denzin, Norman K. (-((2). The art and politics of interpretation. In Norman K. Denzin & Yvonna S. Lincoln (Hrsg.), The Sage handbook of qualitative research (S.1&&–1-1). Thousand Oaks, CA: Sage. Denzin, Norman K. (-(('). The art and politics of interpretation. In Norman K. Denzin & Yvonna S. Lincoln (Hrsg.), Collecting and interpreting qualitative materials (S.3-3–3.-). Thousand Oaks, CA: Sage. Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (-(/.). The discovery of grounded theory. Chicago: Aldine. Hamberg, Katarina & Johansson, Eva E. (-(((). Practitioner, researcher, and gender con,ict in a qualitative study. Qualitative Health Research, $(2), 211–2/.. Hughes, Evere$ C. (-(.-). The sociological eye: Selected papers. Chicago: Aldine-Atherton. Morse, Janice M.; Stern, Phyllis Noerager; Corbin, Juliet; Bowers, Barbara; Charmaz, Kathy & Clarke, Adele E. (%&&(). Developing grounded theory. The second generation. Walnut Creek, CA: Le) Coast Press. Olesen, Virginia L. (-(('). Feminism and models of qualitative research. In Norman K. Denzin & Yvonna S. Lincoln (Hrsg.), The landscape of qualitative research theories and issues (S.3&&–33%). Thousand Oaks, CA: Sage. Park, Robert E. (-(/.). On social control and collective behavior. Selected papers (hrsg. von R.0H. Turner). Chicago: University of Chicago Press. Schwandt, Thomas A. (-(('). Constructivist, interpretivist approaches to human inquiry. In Norman K. Denzin & Yvonna S. Lincoln (Hrsg.), The landscape of qualitative research theories and issues (S.%%-–%1(). Thousand Oaks, CA: Sage. Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet M. (-((&). Basics of qualitative research. Thousand Oaks, CA: Sage. Strauss, Anselm L. & Corbin, Juliet M. (-(('). Basics of qualitative research (%. Aufl.). Thousand Oaks, CA: Sage. Thomas, William I. (-(//). W.%I. Thomas on social organization and social personality. Selected papers (hrsg. von M. Janowitz). Chicago: University of Chicago Press.
Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis!en Grounded Theory1 Kathy C. Charmaz
Zu ihrem vierzigsten Jubiläumsjahr ist die Grounded-Theory-Methodologie (GTM) zu einem in vers!iedenen Feldern gefeierten Ansatz geworden. Wissens!a"ler/innen betra!ten etli!e ihrer Strategien als Standardverfahren für qualitative Untersu!ungen und als Teil des allgemeinen Worts!atzes qualitativer Fors!ung. Sie haben weithin Kodier-Strategien und Strategien zum Verfassen von Memos übernommen, wennglei! sie diese auf eine etwas andere Art und Weise nutzen mögen als grounded theorists. Und als grounded theorists unters!eiden wir uns untereinander natürli! darin, wel!e Strategien wir übernehmen und wie wir diese nutzen. Grounded theorists, die irgendeine Version der Methode nutzen, haben viel gemeinsam – und wir unters!eiden uns hinsi!tli! einiger grundlegender Annahmen, die unsere Untersu!ungen prägen. (I! lasse hier alle jene außen vor, die die GTM für si! bloß in Anspru! nehmen, um die Dur!führung induktiver qualitativer Fors!ung zu legitimieren.) Die Methoden der Grounded Theory stellen einen Rahmen für qualitative Untersu!ungen und Ri!tlinien für deren Dur! führung bereit. Wir mögen unters!iedli!e Ausgangspunkte und konzeptuelle Absi!ten haben, denno! beginnen wir alle mit induktiver Logik, unterziehen unsere Daten einer strengen Analyse, zielen auf theoretis!e Analysen und s!ätzen GroundedTheory-Untersu!ungen dafür, dass sie für Politik und Praxis nützli! sind. Alle Varianten der Grounded-Theory-Methodologie bieten hilfrei!e Strategien zur Erhebung, Handhabung und Analyse qualitativer Daten. Anselm Strauss und Juliet Corbin (#$$%) stellten fest, dass die GTM zu einer allgemeinen Methode geworden ist. Sie de&nieren eine allgemeine Methode anhand zweier Hauptmerkmale: Sie ist #. für Untersu!ungen in unters!iedli!en Gegenstandsberei!en und Disziplinen anwendbar, und sie bietet '. eine Mögli! keit über Daten na!zudenken und sie auf eine Weise zu konzeptualisieren, die die Entwi(lung neuer analytis!er Verfahren erlaubt. Dies beinhaltet, dass der Modus, wie Daten befragt werden, über Untersu!ungen in breit gefä!erten Gegenstandsberei!en hinweg glei! bleibt. Mein Verständnis der GTM als allgemeine Methode er1
Dieser Text ist zuerst in englis!er Spra!e in „Developing Grounded Theory. The Second Generation“ (Morse, Stern, Corbin, Bowers, Charmaz & Clarke '))$) erschienen. Wir danken Kathy Charmaz und der Le" Coast Press, insbesondere Mit! Allen, für die freundli!e Genehmigung, ihn hier erstmals in revidierter Fassung und in Deuts! verö*entli!en zu dürfen. Aus dem Englis!en übersetzt von Paul Sebastian Ruppel und Katja Mru(.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis!en Grounded Theory
weitert jedo! den Rahmen ihrer Allgemeingültigkeit, da unsere Bindungen an die Grounded-Theory-Methodologie Unters!iede darin hervorgebra!t haben, wie wir über Daten na!denken und uns ihnen gegenüber verhalten. I! sehe die GroundedTheory-Methodologie als ein Da!, unter dem vers!iedene Varianten, S!werpunkte und Ri!tungen – und Mögli! keiten, über Daten na!zudenken – Platz haben. Kurzum, die Grounded-Theory-Methodologie umfasst eine Gruppe von Methoden (siehe au! Bryant & Charmaz '))+a). Wie Karen Henwood (Charmaz & Henwood ')),; Henwood & Pidgeon '))-) gezeigt hat, können wir uns die Grounded-Theory-Methodologie ni!t als eine einheitli!e Methode vorstellen, sondern als einen nützli!en Knotenpunkt, um den herum Fors!er/innen über aktuelle Deba.en der qualitativen Fors!ung diskutieren – und im weiteren Sinne über die Produktion von Wissen und über wissens!a"li!es Theoretisieren. In „The Discovery of Grounded Theory“2 präsentierten Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss (#$/+) eine ma!tvolle Rhetorik des Wandels vom quantitativen Kanon hin zur Legitimierung qualitativer Fors!ung. Sie boten explizite Strategien und inspirierten Generationen von Doktorand/innen, von denen die meisten ni!t weiter lasen und kaum wussten, wie sie die Strategien der Grounded-Theory-Methodologie praktis! umsetzen sollten.3 Deren begrenztes Verständnis der Grounded-Theory-Methodik trug später zur Verbreitung eines di*usen Verständnisses der Methode bei und dazu, dass die GTM eine allgemeine Methode wurde sta. einer einheitli!en.4 Am bedeutsamsten ist viellei!t, dass Glaser und Strauss ihre beiden gegensätzli!en philosophis!en und methodologis!en Traditionen zusammenbra!ten: den Positivismus der Columbia University beziehungsweise den Pragmatismus der University of Chicago. Die positivistis!e Tradition betont „die wissens!a"li!e Methode“ und geht von einer externen Welt aus, über die dur! neutrale Beoba!tung abstrakte, allgemeingültige Regeln entde(t werden können und si! empiris!e Phänomene erklären lassen. Tatsa!en und Werthaltungen sind in der positivistis!en Tradition getrennt. Im Gegensatz dazu betra!tet die pragmatis!e Tradition die Wirkli!keit als aus 0uiden, in gewisser Weise unbestimmten Prozessen bestehend. Der Pragmatismus anerkennt au! die multiplen Perspektiven, die dur! die Handlungen der Mens!en zur Lösung von Problemen in ihren Welten 2 3
4
Meines Era!tens bilden die erste Exegese der Grounded-Theory-Methodologie dur! Glaser und Strauss im „Discovery“-Bu! und Glasers spätere Darstellung in „Theoretical Sensitivity“ (#$+,) die klassis!en Darlegungen der Methode. Kath Melia (#$,+, #$$/) ist hier eine Ausnahme. Im Unters! ied zu den meisten frühen Doktorand/in nen, die zu Vertreter/innen der GTM wurden, lernte sie weder bei Glaser no! bei Strauss. Sie wählte Glasers (#$+,) „Theoretical Sensitivity“ als Orientierungshilfe für die Dur! führung ihrer Fors!ungsarbeit und fertigte eine Dissertation und ein exzellentes Bu! an (#$,+), die auffallend mit der Logik der GTM übereinstimmen. Die Science and Te!nology Studies haben s!on vor längerer Zeit festgestellt, dass wissens!a"li!e Methoden variieren und von lokalen Praktiken abhängig sind. Einheitli!e Methoden kommen demna! in konkreten Praktiken ni!t vor, nur in der Formulierung von Ansprü!en in Bezug auf Methoden (persönli!e Kommunikation, Adele E. Clarke, #1. Januar ')),).
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zum Vors!ein kommen (Charmaz '))/; Mead #$-%). Tatsa!en und Werthaltungen sind in der pragmatis!en Tradition verbunden. Obwohl Positivist/innen und Pragmatiker/innen Wahrheit als bedingt und der Revision bedür" ig betra!ten, haben sie unters!iedli!e Ausgangspunkte, Denkweisen und S!werpunkte in der Fors!ungspraxis. Als die Zusammenarbeit von Glaser und Strauss an&ng, ha.e Glaser gerade seine Karriere begonnen. Sie konzentrierten si! auf die Konzeptualisierung von Daten aus ihrem Projekt über die soziale Organisation des Sterbens. Neben vielen anderen Lehren, die Glaser aus der Zusammenarbeit mit Strauss zog, war eine, konstruktiv mit ihren Unters!ieden im Denken und mit Bli( auf Theorie umzugehen (Glaser #$$#, S.##).5 Diese Di*erenzen waren jedo! folgenrei!. Die Verbindung der re!t vers!iedenen Traditionen von Glaser und Strauss stellte die Grounded-Theory-Methodologie auf einen etwas instabilen ontologis!en und epistemologis!en Boden und bildete den Nährboden für auseinandergehende Ri!tungen der Methodik. In diesem Beitrag greife i! die Implikationen der ontologis!en und epistemologis!en Divergenzen innerhalb der GTM auf und betra!te die derzeitigen Ri!tungen im Li!te der Veränderungen während der letzten vierzig Jahre. Meine eigene Herangehensweise an die Grounded-Theory-Methodologie bewahrt nützli!e Strategien, die Glaser (Glaser #$+,; Glaser & Strauss #$/+) artikuliert hat. Genau genommen bewahrt sie ein oder zwei Strategien, die er entworfen, aber wieder verworfen hat. Sie bewahrt au! die pragmatis!en Untermauerungen der Grounded-TheoryMethodologie, bezieht sie aber wieder auf den Fors!ungsprozess, ansta. mit ihnen nur na! außen auf die empiris!e Welt Bezug zu nehmen. Es ist erforderli!, dass wir uns selbst, unsere Fors!ungssituationen, den Fors!ungsprozess und seine Erzeugnisse genau betra!ten. Wir können lernen, unsere Standpunkte zu erkennen, neue Perspektiven einzunehmen und uns so in andere Ri!tungen wenden als Kolleg/innen, die si! auss!ließli! auf ihre Fors!ungsteilnehmenden konzentrieren. Auf diese Weise können wir genau betra!ten, wie wir die Wirkli!keit konstruieren und rekonstruieren. 1
Die ontologis!e und epistemologis!e Haltung ändern
1.1
Die Bestimmung einer konstruktivistis!en Grounded Theory
Die ontologis!e und epistemologis!e Haltung der Grounded-Theory-Methodik hat si! in den letzten vierzig Jahren geändert, zuletzt mit der konstruktivistis!en 5
Interessanterweise gesteht Glaser (#$$#) ein, dass er von Strauss Dinge lernte, die später zu Kennzei!en der Glasers!en GTM wurden, so beispielsweise #. Theorie aus Daten zu entwi(eln; '. auf das zu a!ten, was si! im Feld abspielt; -. die eigenen, empiris! verankerten Ideen und Konzepte als das zu betra!ten, was zählt, ni!t die Daten selbst und %. si! davor zu hüten, die Daten in vorgefasste Kategorien zu pressen.
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Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis!en Grounded Theory
Herausforderung. Was ist konstruktivistis!e GTM2? Wel!e Herausforderungen beinhaltet sie für frühere Konzeptionen und Praktiken der GTM2? Die konstruktivistis!e GTM ist, kurz gesagt, eine zeitgenössis!e Revision der klassis!en GTM von Glaser und Strauss (#$/+; Glaser #$+,). Sie geht von einer relativistis!en Epistemologie aus, versteht Wissen als sozial hergestellt, anerkennt multiple Standpunkte sowohl der Fors!ungsteilnehmer/innen als au! der Fors!er/innen und nimmt eine re0exive Haltung gegenüber unseren Handlungen, gegenüber Situationen und Teilnehmenden im Fors!ungs-Se.ing und au! gegenüber unseren eigenen analytis!en Konstruktionen ein (Charmaz '))), '))/, '))+, ')),a, ')),b). Wie Adele E. Clarke ('))-, '))1, '))/, '))+) eindringli! bes!rieben hat, ist die Fors!ungswirkli!keit eine Situation, die eins!ließt, wer und was in ihr ist oder sie von außen beein0usst. Eine reale Welt existiert, sie ist aber nie unabhängig von den Betra!ter/in nen, die sie von multiplen Standpunkten aus sehen können und deren Si!tweisen si! von den Standpunkten und Wirkli!keiten der Fors!ungsteilnehmer/innen unters!eiden können. Selbstverständli! können die Handlungen von Fors!ungsteilnehmer/innen au! s!arfe Di*erenzen untereinander o*enbaren. Die konstruktivistis!e GTM geht davon aus, dass wir Wissen produzieren, indem wir uns mit empiris!en Problemen auseinandersetzen. Wissen beruht auf sozialen Konstruktionen. Wir konstruieren Fors!ungsprozesse und die Produkte der Fors!ung, aber diese Konstruktionen & nden unter existierenden strukturellen Bedingungen sta., ergeben si! in emergenten Situationen und werden von den Perspektiven, Privilegien, Positionen, Interaktionen und geogra&s!en Standorten der Fors!er/innen beein0usst. All diese Bedingungen wohnen der Fors!ungssituation inne, bleiben aber in den meisten Untersu!ungen unerwähnt oder werden komple. ignoriert.6 Wel!e Beoba!tungen wir ma!en, wie wir sie ma!en, und die Meinungen, die wir uns über sie bilden, spiegeln diese Bedingungen wider, ebenso wie unsere darauf folgenden grounded theories. Konstruktivist/innen erkennen, dass die Dur!führung von Fors!ung und das S!reiben darüber keine neutralen Handlungen sind. Im Gegensatz zu den meisten anderen Autor/innen bes!reibt Monica J. Casper (#$$,) ihre Untersu!ung „The Making of the Unborn Patient“ als „unumwunden politis! engagiert“ (S.'1), da sie ihr Thema von Anfang an als verknüp" mit Reproduktionsgesundheit und Abtreibungspolitiken de&niert hat. Sie erkannte, dass Fetal!irurgie mit Risiken für die Mu.er und für den Fötus verbunden ist und 6
I! ma!e Fors!er/innen, die ni!t diskutieren, wie sie den Fors!ungsprozess beein0usst haben, keine Vorwürfe. Wissens!a"li!e Zeits!ri"en legen ihren S!werpunkt auf originäre Fors!ung, ni!t auf Fors!ungsberi!te. Die Zeits! ri"en betonen traditionell Te! niken der Datenerhebung und des Samplings sta. Re0exionen in den Methodenteilen der entspre!enden Artikel. Verlage mögen die Seitenanzahl für methodologis!e Erörterungen begrenzen oder Seiten strei!en. Relativ wenige qualitative Fors!er/innen und no! weniger Vertreter/innen der Grounded-Theory-Methodologie haben detaillierte Darlegungen darüber verfasst, wie si! ihre Untersu!ungen entwi(elt haben. In der Vergangenheit gab es nur wenige Orte für sol!e Diskussionen; erst in der jüngeren Gegenwart verö*entli!en mehr Zeits!ri"en und Sammelbände methodologis!e Abhandlungen, die Re0exivität in den ö*entli!en Diskurs einbringen.
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sah, dass die Chirurg/innen die Mu.er als einen „Behälter“ für den Fötus betra!teten, den „wahren Patienten“, eine Haltung, mit der sie ni!t einverstanden war. Casper expliziert ihre Ansatzpunkte und Perspektiven wie folgt: „I have spent a great deal of time and energy articulating the ways in whi! fetal surgery and its practitioners are political. Yet I have also had to be re0exive about my own politics and how they have shaped this resear!. As C. Wright Mills argued, ‚there is no way in whi! any social scientist can avoid assuming !oices of value and implying them in his [sic] work as a whole … No one is „outside society“; the question is where ea! stands within it.‘ … My deep commitment to women’s health issues and my reproductive rights philosophy generated my initial interest in fetal surgery. A"er beginning this project, I realized that moving from ‚activist‘ to ‚analyse‘ was not a simple endeavor; I could not just ‚turn o*‘ my politics once I entered the &eld. To assert that I could somehow manage to keep my politics separate from my resear!, while simultaneously exposing my informants’ politics, would have been the height of methodological hypocrisy“ (#$$+, S.'%)2f.).
Konstruktivist/innen betreten die Grenzgebiete von Handeln und Bedeutung im Feld auf eine Art und Weise, wie es klassis!e Vertreter/innen der GTM ni!t tun. Wir versu!en, so nah wie mögli! an die empiris!en Wirkli! keiten heranzukommen und ziehen ein gründli!es Wissen einer e3zienten Fertigstellung unserer Analysen vor. Aus konstruktivistis!er Si!t ist, was wir sehen, wann, wie und inwieweit wir es sehen, ni!t komplikationslos. Vieles bleibt implizit, vieles bleibt stumm. Wir leben in einer Welt, auf die wir und die Fors!ungsteilnehmer/in nen einwirken, die interpretationsbedür"ig ist und die von anderen Mens!en und Gegebenheiten beein0usst wird. Handlungen, Interpretationen und Beein0ussung können implizit bleiben oder ni!t erkannt werden. Unsere Aufgabe ist es, sie in unseren Analysen explizit zu ma!en. Wir interpretieren die Handlungen und Interpretationen der Fors!ungsteilnehmer/innen und versu!en, ihre Lebenssituation in den relevanten Verhältnissen zu verorten. Wie versu!en, die Überzeugungen, Absi!ten und Handlungen im Feld, die Gründe für Taten und Tatenlosigkeit, aus ihrer Perspektive zu verstehen. Wir versu!en außerdem, individuelles Handeln und individuellen Sinn in größeren sozialen Strukturen und Diskursen zu verorten, derer si! die Fors!ungsteilnehmer/innen ni!t notwendig bewusst sein mögen. Subjektive Bedeutung kann Ideologien widerspiegeln; Handlungen können soziale Konventionen oder Ma!tbeziehungen reproduzieren. Wir su!en na! den Annahmen, auf deren Grundlage Fors!ungsteilnehmende Handeln und Sinn konstruieren. Häu&g liegen zum Beispiel Annahmen über individuelle Verantwortli!keit für Gesundheit den Erklärungen von Krankwerden zugrunde; dies s!ließt sowohl eigene als au! Krankheiten anderer Personen ein. Sol!e Annahmen führen s!nell zu S!uldzuweisungen und weiteren Überzeugungen, dass Mens!en ihren Zustand selbst verbessern könnten – und sollten. Daher bleiben soziale Ursa!en und Lösungen unsi!tbar. Indem
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wir individuelles Handeln und persönli!e Bedeutungen auf diese Art und Weise einordnen, stellen wir Beziehungen zwis!en der Mikro- und der Makroebene der Analyse her und verbinden so das Subjektive und das Soziale. Dabei wissen wir Konstruktivist/innen genau, dass wir eine Interpretation anbieten, die abhängig ist von unserem Wissen über das Feld. Für uns sind Daten eher Konstruktionen als „Entde(ungen“, unsere Analysen eher interpretative Darstellungen als objektive Beri!te oder die einzige Si!tweise auf eine Thematik. Dies hat zur Folge, dass wir unser Bewusstsein für Relativität ni!t nur in der empiris!en Welt mit ihren multiplen Wirkli!keiten, sondern au! mit Bli( auf unsere Analysen s!ärfen. Dieses Bewusstsein begünstigt eine re0exive Haltung in Fors!ungs- und S!reibprozessen. Caspers Bes!reibung ihrer Fors!ung lässt ihr großes Engagement und die Mühe einer re0exiven Untersu!ung erkennen: „I have been moved and transformed by this resear! in multiple ways, and fetal surgery is something I shall continue to think and talk about long a"er this book is published. My politics and intellectual assumptions have been shaken time and again“ (#$$,, S.'1).
In diesen zwei kurzen Sätzen zeigt uns Casper, dass unsere Fors!ung zu Re0exivität während des gesamten Prozesses anregen kann, wenn wir eintau!en und uns bemühen, die mannigfa!en Perspektiven vers!iedener Teilnehmender, eins!ließli! unserer eigenen, zu su!en und zu verstehen. Sie erkannte, dass Fetal!irurgie – als ein Gesundheitsthema von Frauen behandelt – bedeutet, anzuerkennen, dass Frauen si! für die Operation ents!eiden und dass damit ein enormes Risiko verbunden sein kann. Von Anfang an kollidierte ihr Verständnis der Implikationen von Fetal!irurgie für die Reproduktionsgesundheit von Frauen mit denen der Chir urg/in nen, deren Si!tweisen und deren Arbeit einen bedeutsamen Teil ihrer Fors!ung bildeten. Anders als in vielen anderen qualitativen Fors!ungen wurden frühere Arbeiten von Casper denjenigen bekannt, die sie kritisierte: Na!dem sie einer Frau, die sie interviewt ha.e, ein Paper gezeigt ha.e, s!i(te diese es ihrem Chirurg/innen-Team. Diese stellten Casper bezügli! ihrer Überzeugungen zur Rede und zwangen sie, eine re0exive Haltung einzunehmen. Was Caspers Untersu!ung so überzeugend ma!t, ist genau das, was sie so s!wierig ma!te: Sie tau!te in die Untersu!ung einer umstri.enen Problematik ein, die von Eliten beherrs!t wird, und sie tat dies als junge, weibli!e Promotionsstudentin.7 7
„Studying up“ (Nader #$+') betri4 ni!t nur allgemein Zugangsprobleme zu lokalen Se.ings, sondern au! Zugangsprobleme innerhalb sol!er Se.ings und Probleme mit Eliten, die diese Se.ings kontrollieren. Angehörige von Eliten können Fors!er/innen helfen, Zugang zu einem Netzwerk zu erlangen, oder sie können dies verhindern. Eliten können au! die Bedingungen für die Interaktion mit der Fors!erin oder dem Fors!er festlegen, indem sie den Kontakt und die Begegnungen mit ihr oder ihm kontrollieren. So entde(te Casper (#$$,), dass der Verlust des Zugangs zu Eliten au! bedeuten kann, Zugang zu allen anderen potenziellen Feldteilnehmenden zu verlieren, für die diese Eliten als Gatekeeper fungieren. Zu studying up siehe Kezar ('))-), Nader (#$$+), Odendahl und Shaw ('))'), Ostrander (#$$-) und Stephens ('))+).
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Häu&ger interessieren si! qualitative Fors!er/innen für alltägli!e Probleme gewöhnli!er Mens!en. Eine re0exive Haltung kann si! zeigen, wenn Fors!ende ein Thema wählen, das sie selbst betri4. David Karp gibt in seiner Untersu!ung „Speaking of Sadness: Depression, Disconnection, and the Meanings of Illness“ im ersten Satz seiner Danksagung Hinweise auf eigene Depressionserfahrungen und auf den Standpunkt, von dem aus er seine Arbeit verfasst hat: „Most authors &nd it di3cult to distance themselves from their writing. Issues, worked on nearly daily for years, become so familiar that bringing them into clear focus sometimes seems impossible. Problems of perspective are further compounded, when, as in this case, books are motivated by features of authors’ lives that are at the core of their identities“ (#$$/, S.V).
Im Weiteren skizziert Karp dann den Hintergrund seines Bu!es: „In a greater or lesser degree I have grappled with depression for almost ') years. I suppose that even as a !ild my experience of life was as mu! !aracterized by anxiety as by joy and pleasure. And as I look ba(, there were lots of tip-o*s that things weren’t right. I &nd it di3cult to remember mu! of my early years, but throughout high s!ool and college I felt uncertain of myself, feared that I could not accomplish what was expected of me and had plenty of sleepless nights. At college one of my room-mates ni(named me ‚weak heart,‘ a"er a !aracter-type in Dostoyevsky novels because I o"en seemed a bit of a lost soul. During all those years, though, I had no real baseline for evaluating the ‚normalcy‘ of my feelings. … It wasn’t until my early thirties that I was forced to conclude that something was ‚really wrong‘ with me“ (S.-).
Karps Enthüllung verleiht seiner folgenden Analyse Authentizität: Er stellt si! selbst in der Rolle eines Doppel-Experten vor – der Insider, der die untersu!ten Erfahrungen selbst gema!t hat, und der Sozialwissens!a"ler, der sie analysiert. Das Bild des Jungen, „der anders war“, das er glei! zu Beginn entwir", ru" Empathie hervor und löst den Wuns! aus, mehr über seine Ges!i!te zu erfahren. Über das ganze Bu! hinweg re0ektiert Karp dann seine eigene Erfahrung, während er seine Analyse anhand von Interviews mit Mens!en, die Depression erlebt haben, präsentiert. Karps Bu! fesselt, weil seine persönli!e Ges!i!te zentrale Punkte seiner Analyse im Voraus andeutet, aber die empiris!e Rei!haltigkeit seiner Daten oder die analytis!e Bedeutung der soziologis!en Erzählung ni!t übers!a.et. In den beiden oben erwähnten Arbeiten haben beide Autor/innen aufs! lussrei!e, re0exive Statements über ihre Untersu!ungen verfasst. Andere mögen während ihrer Arbeit eine re0exive Haltung einnehmen, dies aber ni!t verö*entli!en: Au! S!weigen mag die Folge wohlüberlegter Ents!eidungen sein und eine ethis!e Wahl in Bezug auf den Fors!ungsprozess, Teilnehmende und/oder bedeutsame Sorgen um die Privatsphäre widerspiegeln.
188 1.2
Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis!en Grounded Theory
Si! ändernde Betra!tungsweisen der Grounded Theory
Warum konstruktivistis!e GTM2? Auf meine Position als Konstruktivistin beziehe i! mi! aus zwei Hauptgründen: Erstens bemühe i! mi!, Re0exivität explizit und dur!gängig zu berü(si!tigen. Zweitens mö!te i! diese Position von früheren Formen des sozialen Konstruktionismus unters!eiden, die die Handlungen von Fors!ungsteilnehmenden als konstruiert ansahen, ni!t aber die Handlungen der Fors!enden und deren Se.ings. Zuglei! s!ließt meine Position ni!t an den radikalen Subjektivismus und individuellen Reduktionismus an, der im Konstruktivismus teilweise vertreten wird, wenn individuelles Bewusstsein alles erklären soll. Dies übersieht soziale Positionen, kulturelle Traditionen und interaktionale und situationale Kontingenzen. Im Unters!ied hierzu beabsi!tigt die konstruktivistis!e GTM, die Fors!ung im Verhältnis zu den auf sie einwirkenden sozialen Umständen zu positionieren. Weitere Fragen stellen si! zur GTM und infolgedessen zu ihrer konstruktivistis!en Überarbeitung. Ist die GTM einzig und allein eine Interviewmethode2? Meine Auffassung beru" si! hier auf eine grundlegende disziplinäre Annahme in der Soziologie: Unsere Methoden der Datenerhebung ergeben si! aus der Fors!ungsfrage (Charmaz '))/). Entspre!end kann eine einzige Datenerhebungs- oder Analysestrategie ni!t ausrei!en. Dieser Grundsatz bringt methodologis!en Eklektizismus in die GTM und widerspri!t denjenigen Wissens!a"ler/innen, die sie nur als eine Methode für Interviewstudien behandelt haben. Der methodologis!e Eklektizismus steht au! der Annahme entgegen, die Grounded-Theory-Methodologie und die Ethnogra&e seien si! gegenseitig auss!ließende Ansätze oder die GroundedTheory-Methodologie sei inkompatibel mit der Arbeit mit Dokumenten. Ohne Frage funktioniert es am besten, wenn den Daten sukzessive eine Form gegeben wird, aber Dokumente mögen all die Daten sein, die Fors!er/innen erhalten können. Es gibt zahlrei!e wissens!a"sges!i!tli!e Grounded-Theory-Studien, die Dokumente als Hauptdatenquelle nutzen (siehe beispielsweise Bowker & Star #$$$; Clarke #$$,; Star #$,$; Star & Griesemer #$,$). Erfordert die GTM eine symbolis!-interaktionistis!e Perspektive2? Abermals: Nein. Verglei!bar meiner Betra!tungswiese zur Datenerhebung behaupte i!, dass si! grounded theorists auf unters!iedli!e theoretis!e Bezugspunkte berufen können – z.5B. feministis!e Theorie, Poststrukturalismus, Marxistis!e Theorie oder symbolis!er Interaktionismus (Charmaz #$$), '))1). I! stimme Clarke ('))1, '))/) allerdings zu, dass der symbolis!e Interaktionismus und die GTM ein kra"volles „Theorie-Methoden-Paket“ (Fujimura #$$'; Star #$,$) darstellen, obwohl die Strategien der Grounded Theory au! unter anderen theoretis!en Perspektiven genutzt werden können. Dazu kommt, dass nur wenige grounded theorists einer theoretis!en Orthodoxie des symbolis!en Interaktionismus – oder irgendeiner anderen Orthodoxie – beip0i!ten. Viele von uns greifen als Teil des analytis!en Repertoires, das
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wir nutzen, auf einige Konzepte und Theorien des symbolis!en Interaktionismus zurü(. Wenn grounded theorists viel gemeinsam haben, warum ist die GTM eine umstrittene Methode2? Es wurde darüber gestri.en, was GTM ist, wessen Version ri!tig ist und wel!e Ri!tung kün"ig einges!lagen werden sollte. Die Vorstellung von einer „Familie“ der Grounded-Theory-Methoden ist relativ neu und zeigt si! sinnbildli! in der Verö*entli!ung des „Handbook of Grounded Theory“ (Bryant & Charmaz '))+b). Glei!wohl haben Vertreter/innen der GTM (Charmaz '))), '))/; Clarke '))1; Glaser #$$', '))'; Lo(e #$$/) und andere (Atkinson, Co*ey & Delamont '))-; Burawoy #$$#; Cisnero-Puebla '))+; Layder #$$,) sie als eine umstri.ene Methode behandelt. Kritiken an der Grounded-Theory-Methodologie oder an einer bestimmten Variante von ihr kommen von Wissens!a"ler/innen, die seit #$/+ ni!ts über die Grounded-Theory-Methodologie gelesen zu haben s!einen, aber au! von denjenigen, die si! mit den Diskussionen über die Methode sehr genau befassen.8 Die Di*erenzen der Begründer der GTM haben lange Diskussionen unter ihren Anhänger/innen und Kommentator/innen ausgelöst (siehe beispielsweise Charmaz '))), '))/; Kelle '))1 und in diesem Band; Lo(e #$$/; May #$$/; Mills, Bonner & Francis '))/). Anhänger/innen können dann die Version der GTM, der sie si! ans!ließen, weiter fests!reiben. Z.5B. hat Margaret H. Kearney ('))+) beoba!tet, dass Promotionsstudierende von Strauss mehr feste Regeln einforderten, als er aufstellen wollte. Gegenwärtige Vertreter/innen der Grounded-Theory-Methodologie unters!eiden si! in Bezug auf #. epistemologis!e Zugehörigkeit, '. methodologis!e Strategien, die die GTM begründen, -. Annahmen darüber, was „Theorie“ bedeutet und %. konzeptuelle Ri!tungen.9 I! habe mi! an anderer Stelle ausführli! mit methodologis!en Strategien (Charmaz '))-, '))/) und Annahmen über Theorie befasst (Charmaz '))/) und werde hier Di*erenzen in der epistemologis!en Zugehörigkeit und mit Bli( auf konzeptuelle Ri!tungen behandeln. Dieser Beitrag setzt insoweit die epistemologis!e Explikation und Kritik der Grounded-Theory-Methodologie fort, die i! #$$) angestoßen und seit dieser Zeit weiter entwi(elt habe (Bryant & Charmaz '))+c; Charmaz '))), '))'a, '))-, '))1, '))/, '))+, ')),a, ')),b, ')),c). Die meisten epistemologis!en Di*erenzen in unseren empiris!en Analysen bleiben unbenannt, können aber in den Arten von Daten, die wir sammeln, und in der Art und Weise, wie wir diese darstellen, zutage treten. Sind diese Unters!iede 8
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Ein weiteres Problem ergibt si! dur! Kritiker/innen, die die Methode kritisieren, ohne sie zu nutzen. Diese Kritiken s!einen dur! ihre Allgemeinheit ni!t nur alle Varianten der GTM zu umfassen, sondern ihnen mangelt es typis!erweise au! an genauen Belegen, auf deren Grundlage Leser/in nen Behauptungen bewerten könnten. Autoritäten, deren verlässli!es Wissen si! ni!t bis zur GTM erstre(t, können junge Na!wu!sfors!er/innen und erfahrene Fors!er/innen in die Irre führen. Für eine weiterführende Erörterung dieser Di*erenzen siehe au! Bryant und Charmaz ('))+a, '))+c), Charmaz ('))/), Clarke ('))1, '))/), Clarke und Friese ('))+), Kelle ('))1), May (#$$/), Mills, Bonner und Francis ('))/), Walker und Myri( ('))/).
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Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis!en Grounded Theory
wi!tig2? Ja, das sind sie. Sie sind bedeutsam als Rahmung unserer empiris!en Beoba!tungen und für die theoretis!e Tiefe und Rei!weite unserer Analysen. Kurzum, die Grounded-Theory-Methodologie hin zu einem konstruktivistis!en Ansatz zu ändern, fördert eine Erneuerung und Neubelebung der Methode, indem neuere methodologis!e Entwi(lungen mit der ursprüngli!en klassis!en Darstellung integriert werden. Der konstruktivistis!e Ansatz wendet si! gegen die Annahme der Entwi(lung allgemeiner abstrakter Theorien und führt uns sta.dessen zu situiertem und lokalem Wissen (Haraway #$$#), während er die GroundedTheory-Methodologie glei! zeitig weiter in die interpretative Sozialwissens!a" hineinbewegt. 2
Die Entwi" lung der Methode: Die Grounded Theory im Prozess
Die GTM ist ein Verfahren, um Prozesse zu untersu!en. Und sie ist zuglei! eine Methode im Prozess. I! betone diesen Punkt, weil wir die Grounded-Theory-Methodologie ni!t als etwas Festes und Statis!es betra!ten müssen, sie war tatsä!li! nie fest und statis!. Sie hat si!, wie qualitative Fors!ung allgemein, über die Jahre gewandelt. Anselm Strauss and Juliet Corbin (#$$), #$$,) waren ni!t die einzigen, die sie verändert haben. I! habe sie alleine und zusammen mit Antony Bryant verändert, er hat sie umgekehrt alleine und mit mir zusammen verändert (Bryant '))', '))-; Bryant & Charmaz '))+a, '))+c; Charmaz '))), '))'b, '))/, '))+). Adele E. Clarke ('))1, '))/, '))+) hat an dieser Veränderung teilgehabt – und hat die Analyse empiris!er Situationen weiter z.5B. in Organisationsdiskurse und -strukturen hineingetragen. Wel!e Verfahren bilden den Kern der Methode2? Inwieweit ist die GTM eine Anwendungsmethode oder eine Methode für Innovation2? Was ma!t eine GroundedTheory-Untersu!ung aus2? Jede und jeder hat die GTM neu gestaltet, eins! ließli! Barney Glaser (Charmaz ')),c). Wie zuvor erwähnt, hat er jedo! über die Jahre eine außergewöhnli! konsistente Logik beibehalten. Er hat die Su!e na! einem grundlegenden sozialen Prozess, der die frühen Grounded-Theory-Texte auszei!nete, aufgegeben, da er begann, dies als ein forcing der Daten in einen vorgefassten Rahmen zu betra!ten (Glaser '))#). Au! hat er das Verfahren des Zeile-für-Zeile-Kodierens zugunsten des Ereignis-für-Ereignis-Kodierens verworfen, da er glaubt, dass das Erstere einen Wust unverbundener Kodes erzeugt. Glaser hat über die ständige Entwi(lung der Grounded-Theory-Methodologie gespro!en, das heißt der klassis!en Grounded-Theory-Methodologie, wie er sie si! vorstellt. In letzter Zeit ist er indes o*en für Variationen geworden (Bryant & Charmaz '))+c). Die Eins!ätzung, ob eine bestimmte Variante der Grounded-Theory-Methodologie si! entwi(elt oder verlagert hat, ob die Grounded-Theory-Methodologie ausgehöhlt wurde oder si! unwiderrufli! verändert hat, hängt davon ab, was als die originäre Methode de&niert wird und von der je eigenen epistemologis!en Perspektive.
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Der komparativen Logik der Grounded-Theory-Methodologie folgend werden die Konturen der konstruktivistis!en Grounded-Theory-Methodologie deutli!er, wenn wir ihre grundlegenden Annahmen und ihre Logik mit denen der objektivistis!en Grounded-Theory-Methodologie verglei!en. Um dies zu tun, müssen wir zu den Ursprüngen der Methode zurü(kehren und dann fragen: Wie glei!en si! die konstruktivistis!e Grounded-Theory-Methodologie und die klassis!e Darstellung der Grounded-Theory-Methodologie von Glaser and Strauss2? Wo bestehen Ans!lusspunkte, und wo gibt es Brü!e2? 3
Objektivistis!e und konstruktivistis!e Grounded Theory
Es kann hilfrei! sein, si! eines heuristis!en Mi.els zu bedienen und die objektivistis!e und konstruktivistis!e Grounded-Theory-Methodologie so zu betra!ten, als befänden sie si! an den zwei Enden eines Kontinuums. Es ist hier meine Absi!t, einen Unters!ied zu verdeutli!en, ni!t ihn zu verdingli!en. Ein Phänomen, in diesem Fall eine Methode, wird verdingli!t, wenn ein Prozess als starre, feste und unbewegli!e Struktur behandelt wird. Die Grounded-Theory-Methodologie zu verwenden bedeutet, si! in einem Prozess zu be&nden; die Methode selbst be& ndet si! im Prozess. Fluidität und Flexibilität sind der Methode selbst inhärent. Die objektivistis!e und die konstruktivistis!e Grounded-Theory-Methodologie teilen bestimmte Annahmen und unters!eiden si! in anderen. In der Praxis mögen die Grenzen zwis!en beiden Typen vers!wimmen. Die GTM ist in ihrer konstruktivistis!en Variante eine interaktive Methode (Charmaz, '))), '))/)10: Sie betont Interaktion während des gesamten analytis!en Prozesses und während der Datenerhebung. Die konstruktivistis!e Grounded-Theory-Methodologie übernimmt den induktiven, komparativen, emergenten und o*enen Ansatz der klassis!en Version von Glaser und Strauss. Sie bezieht au! die abduktive Logik mit ein, die Strauss früh in seiner Lehre betonte, aber erst in seinem #$,+ ers!ienenen Bu! explizit ma!te. Grounded theorists übernehmen die iterative Logik der Abduktion, um die Entwi(lung von Kategorien zu überprüfen und zu verfeinern. Kurz gesagt, folgt abduktives Denken induktiver Fors!ung und führt sie weiter. Wenn beim Fors!en etwas Überras!endes entde(t wird, werden #. alle denkbaren theoretis!en Ideen in Betra!t gezogen, die hierfür verantwortli! sein könnten, '. kehren Fors!ende ins Feld zurü( und sammeln weitere Daten, um diese Ideen zu überprüfen und wählen dann -. die plausibelste theoretis!e Interpretation (Charmaz '))/; Peirce 10 In seiner Kritik an meiner Position hat Glaser ('))') die Bedeutung von Interaktion in der konstruktivistis!en Grounded-Theory-Methodologie ri!tig erkannt. Er hat sie aber als Teil einer Agenda zur Produktion von Exaktheit verstanden. Auf mein Argument, dass wir Daten interpretieren, während wir sie auswählen und aufzei! nen, erwidert er, Interaktion und Interpretation bedeuteten einen unnötigen Eingri* seitens der Fors!erin oder des Fors!ers.
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Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis!en Grounded Theory
#$1,; Rei!ertz '))+ und in diesem Band; Rosenthal '))%). Abduktives Denken entspringt der Erfahrung, führt zu logis!en, aber kreativen S!lussfolgerungen und nutzt die Überprüfung dieser S!lussfolgerungen anhand von Hypothesen, um zu einer plausiblen theoretis!en Erklärung der Erfahrung zu gelangen. Die klassis!e Herangehensweise an Abduktion (Peirce #$1,; Rei!ert '))+; Rosenthal '))%) beginnt mit einem überras!enden Befund, aber Fors!ende nutzen au! einen iterativen Ansatz, wenn sie das zu untersu!ende Phänomen erklären und ihre si! entwi(elnden Kategorien überprüfen. Das Konzept der Abduktion verdeutli!t, dass sie ihre Beoba!tungen analysieren und Abstraktionen generieren, über die sie Arbeitshypothesen formulieren, die an neuen Beoba!tungen überprü" werden (Atkinson et al. '))-). Abduktion bietet eine Mögli!keit, Daten zu konzeptualisieren und mit ihnen zu arbeiten, die die Bemühungen der Fors!enden darin unterstützt, kreative Interpretationen des untersu!ten Lebens zu entwi(eln. Abduktives Denken anerkennt damit sowohl die pragmatis!e Betonung der kreativen Konzeptualisierungen der Fors!enden als au! deren Erfahrung, die es bedarf, um diese Konzepte zu formulieren (siehe Peirce #$1,). Ironis!erweise steht die Abduktion viellei!t Glasers Betonung von Emergenz bei der Überprüfung von Kategorien näher als der Anwendung des Verfahrens des axialen Kodierens sensu Strauss und Corbin. Grounded-Theory-Methodik beginnt mit induktiven Analysen der Daten, bewegt si! aber über Induktion hinaus, um eine imaginative Interpretation des untersu!ten Lebens hervorzubringen. Wir übernehmen eine abduktive Logik, wenn wir über überras!ende Befunde na!denken, und kehren dann ins Feld zurü(, um unsere Vermutungen zu überprüfen. Abduktion unterliegt somit dem iterativen Prozess des Hin-und-Her-S!reitens zwis!en den Daten und der Konzeptualisierung, der die Grounded-Theory-Methodololgie kennzei!net. Indem wir die objektivistis!e und die konstruktivistis!e Grounded-TheoryMethodologie auf einem Kontinuum anordnen, können wir ihre grundlegenden Annahmen, S!werpunktsetzungen und Implikationen für die Dur!führung der Datenanalyse verglei!en (siehe Tabelle #; siehe au! Bryant '))'; Charmaz '))), '))/). Die objektivistis!e Grounded-Theory-Methodologie geht – dem Positivismus folgend – von der Entde(ung von Daten in einer Außenwelt dur! neutrale, aber sa!kundige Beoba!ter/innen aus, deren Konzeptualisierungen „aus den Daten entspringen“. Daten sind von der Beoba!tung unabhängige Tatsa!en, die na! objektivistis!er Auffassung ohne Vorurteil oder Vorverständnis betra!tet werden sollten. Demgegenüber wurzelt die konstruktivistis!e Grounded-Theory-Methodologie im Pragmatismus und in einer relativistis!en Epistemologie. Sie geht von multiplen Wirkli!keiten – und von multiplen Perspektiven auf diese Wirkli!keiten – aus. Daten sind weder unabhängig von denen, die beoba!ten, no! von denen, die beoba!tet werden, sondern sie werden dur! Interaktion gemeinsam konstruiert. Si!er sind es die Fors!enden, die diese Daten „übersetzen“, aber sie entstehen in
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bestimmten Situationen unter bestimmten Bedingungen und wirken si! demzufolge auf die Analyse aus. Vertreter/innen der konstruktivistis!en Grounded-TheoryMethodologie sehen daher die Repräsentation von Daten – und im weiteren Sinne die Analyse – als problematis!, relativistis!, situational und unvollständig an. Tabelle 1
Epistemologis!e Grundlagen der Grounded-Theory-Methodologie
Positivismus
Pragmatismus
Geht von der wissenschaftlichen Methode aus
Wählt einen Problemlösungsansatz
Setzt eine externe Wirklichkeit voraus
Betrachtet Wirklichkeit als fließend und tendenziell unbestimmt
Geht von unvoreingenommenen Beobachter/innen aus
Geht von (auch leiblich) situierten Wissensproduzent/innen aus
Zielt auf das Entdecken abstrakter, allgemeingültiger Regeln
Sucht nach multiplen Perspektiven
Will empirische Phänomene erklären
Will untersuchen, mittels welcher Handlungen Menschen entstehende Probleme lösen
Hält Tatsachen und Werte für trennbar
Betrachtet Tatsachen und Werte als ko-konstitutiv
Betrachtet Wahrheit als bedingt
Betrachtet Wahrheit als bedingt
Die Ziele beider Ansätze resultieren aus ihren jeweiligen grundlegenden Annahmen. Objektivist/innen legen ihren S!werpunkt auf die Entwi(lung von Verallgemeinerungen, die unabhängig von ihren Entstehungskontexten sind. Sie streben na! sparsamen, abstrakten Erklärungen dur! eine Theorie, die zu den empiris!en Daten passt, sie erklären kann, und die für die Fors!ungsteilnehmenden Relevanz besitzt und modi&zierbar ist. Konstruktivist/innen betra!ten Verallgemeinerungen als unvollständig, bedingt und als situiert in Raum und Zeit, in Positionen, Handlungen und Interaktionen. Sie zielen auf ein interpretatives Verständnis empiris!er Phänomene im Rahmen einer Theorie, die glaubwürdig, originär, resonant und nützli! ist, relativ zu einem je historis!en Zeitpunkt. Die Grundannahmen und Zielvorstellungen werden in den jeweiligen S!werpunkten der Ansätze entfaltet. Die objektivistis!e Grounded-Theory-Methodologie konzentriert si! auf die Entwi(lung von Abstraktionen: Mi.els einer Variablenanalyse und einer KonzeptIndikator-Logik soll eine Kernkategorie identi&ziert oder ein grundlegender sozialer Prozess in den Daten erklärt werden (siehe Glaser #$+,, #$$,). Fors!ende entwi(eln diese Kategorie folgli! induktiv aus Ereignissen in den Daten, behandeln die Kategorie als Konzept und bestimmen deren Indikatoren. Die objektivistis!e Grounded-Theory-Methodologie betont manifeste Aussagen und Verhaltensweisen.
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Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis!en Grounded Theory
Objektivist/in nen s!auen von außen auf die empiris!e Welt, als Besu!er/innen, die die Welt der Fors!ungsteilnehmenden aber ni!t betreten.11 Konstruktivist/innen begeben si! so weit in die empiris!e Welt hinein, wie sie können. Sie interpretieren die Daten mi.els einer emergenten konzeptuellen Analyse. Sie bemühen si!, Variation in ihren Daten und Analysen aus&ndig zu ma!en und su!en na! Beziehungen zwis!en entstehenden Kategorien. Wenn Konstruktivist/innen si! mit ihren Daten bes!ä"igen, a!ten sie sowohl auf liminale Bedeutungen und implizite Handlungen wie au! auf explizite Aussagen und Handlungsweisen. Es überras!t ni!t, dass diese unters!iedli!en S!werpunkte si! auf die Praxis der Datenanalyse auswirken. Objektivist/innen behandeln die Datenanalyse als einen objektiven Prozess, den sie erfolgrei! dur!laufen, indem sie ihre Verallgemeinerungen dur! verglei!ende Analysen kontinuierli! abstrakter ma!en. Na! Glaser ('))') wird jedwede Verzerrung, die die Personen, die mit der Grounded-Theory-Methodik arbeiten, in die Daten getragen haben könnten, dur! fortlaufende Verglei!sprozesse und das steigende Abstraktionsniveau der Kategorien neutralisiert. Diese Logik geht davon aus, dass der Verglei! von Daten mit Daten, Daten mit Kategorien und Kategorien mit Kategorien als wi!tige Kontrollinstanz gegen mögli!e Verzerrungen fungiert. I! stimme dem zu, insbesondere wenn Fors!ende sowohl zum komparativen Prozess als au! zu den entstehenden Kategorien eine re0exive Haltung einnehmen. Na! Ansi!t der Objektivist/innen könnte Re0exivität jedo! einfa! eine weitere Variable oder Datenquelle für die Abstraktion sein sta. eines integralen Bestandteils des gesamten Fors!ungsprozesses. Aus objektivistis!er Perspektive verleiht die Ausbildung und die Strenge der verglei!enden Analyse den Fors!enden die Legitimität und Autorität, Objektivität beanspru!en zu können. Konstruktivist/innen erkennen ni!t nur die Relativität und Bedingtheit der Daten an, sondern au!, dass si! Subjektivität ebenso in der Analyse wie in der Datenerhebung nieders!lägt. Sta. deren Existenz im Mantel objektiver Wissens!a" zu leugnen, plädieren sie dafür, Standpunkte, Positionen, Umstände und Interaktionen zu explizieren, die die Analyse beein0ussen. Sol! eine Explikation ist ni!t einfa! und kann si! teilweise dur! s!wierige Fragen von Kolleg/innen oder Fors!ungsteilnehmer/innen ergeben, so wie es Casper (#$$+) erlebt hat. Aus konstruktivistis!er Si!t sind Analysen bedingt, kontingent und unvollständig. Ein abstraktes Verständnis ergibt no! keine objektiven Verallgemeinerungen. Sta.dessen lös!t es die Kontingenzen und die Relativität aus, die einer Untersu!ung notwendig inhä-
11 Im Verweis auf den Besu! s-Status der Fors!enden und die distanzierten Beziehungen zu Fors!ungsteilnehmenden werden Implikationen einer zugrunde liegenden kolonialistis! en und imperialistis!en Mentalität si!tbar, der Anthropolog/innen entgegengetreten sind. I! bin Adele E. Clarke für die Betonung dieses Punktes zu Dank verp0i!tet (persönli!e Kommunikation, 1. Januar ')),); siehe au! Cli*ord und Marcus (#$,/) sowie Marcus und Fis!er (#$,/).
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rent sind, ebenso Unters!iede und Variationen im Sozialleben, wie sie z.5B. Adele E. Clarke ausführli! bes!rieben hat ('))1, '))/, '))+). Wenn wir uns die Grundannahmen der objektivistis!en und konstruktivistis!en Grounded-Theory-Methodologie ans!auen, zeigt si! eine erstaunli!e Passung zwis!en Pragmatismus und der konstruktivistis!en GTM (siehe Tabelle '). Pragmatismus geht von multiplen Perspektiven aus, betra!tet Wirkli!keit als aus emergenten Prozessen bestehend, thematisiert, wie Mens!en mit praktis!en Problemen in ihren Welten umgehen und betra!tet Tatsa!en und Werte als verbunden. All diese Dimensionen o*enbaren die Übereinstimmung zwis!en Pragmatismus und konstruktivistis!er Grounded-Theory-Methodologie. In wel!e Ri!tungen führt uns ein konstruktivistis!er Ansatz2? Die konstruktivistis!e Wende in der Grounded-Theory-Methodologie begrei" das, was „wirkli!“ ist, auf eine Art als problematis!, wie es viele Vertreter/innen der Grounded-TheoryMethodologie zumeist ni!t tun. Indem sie das, was „wirkli!“ ist, problematisieren, entfernen si! Konstruktivist/innen von der klassis!en Grounded-Theory-Methodologie und bewegen si! glei!zeitig auf die interpretative Sozialwissens!a" zu. Wir sehen uns die multiplen De&nitionen einer bestimmten Wirkli! keit an und betra!ten, wie Mens!en diese Wirkli!keit gestalten – implizit und explizit. Und wir era!ten unser Verständnis ihrer Si!tweisen und Handlungen ebenfalls als problematis! – als Konstruktion. Auf diese Weise hinterfragen wir, wie unsere eigenen Emp&ndsamkeiten und Standpunkte die Wirkli!keiten formen, die wir sehen und de&nieren. In Einklang mit dem Erbe des Pragmatismus s!enken Konstruktivist/innen der Spra!e große Aufmerksamkeit; sie su!en na! den als selbstverständli! vorausgesetzten Eigens!a"en von S!lüsselbegri*en und na! den Annahmen, auf denen diese Begri*e beruhen. Wenn wir beispielsweise Leistung in einer Grunds!ule untersu!en, analysieren wir, was Leistung für die unters! iedli!en Teilnehmenden bedeutet und wie ihre Handlungen damit in Zusammenhang stehen. Wir würden versu!en, deren Kriterien für Erfolg o*enzulegen und unsere eigenen zu hinterfragen – und von da aus grundlegende Merkmale de&nieren. Im Unters!ied dazu betra!ten Vertreter/innen der traditionellen Grounded-Theory-Methodologie ein gegebenes Thema als selbstverständli! und ni!t als einen selbst grundsätzli! untersu!ungsbedür"igen Gegenstand. Konstruktivist/innen befassen si! damit, wie Mens!en si! sozial konstruierter Diskurse bedienen. Ein Diskurs kann subtil und unausgespro!en sein, da er vorausgesetzt wird. Deswegen führt der konstruktivistis!e Ansatz dazu, liminale, implizite Bedeutungen zu untersu!en. Im oben genannten Beispiel konzentriert si! der amerikanis!e Diskurs über S!ulleistung auf die Einzelperson, setzt die Legitimität ganz bestimmter Maßnahmen voraus und zieht nur eine begrenzte Anzahl relevanter Berei!e in Betra!t.
196 Tabelle 2
Den Standpunkt verändern: Methoden der konstruktivistis!en Grounded Theory
Objektivistis!e Grounded-Theory-Methodologie vs. Konstruktivistis!e Grounded-Theory-Methodologie. Verglei!e und Gegenüberstellungen
Objektivistische Grounded-Theory-Methodologie
Konstruktivistische Grounded-TheoryMethodologie
Grundannahmen Geht von einer äußeren Wirklichkeit aus
Geht von multiplen Wirklichkeiten aus
Geht von der Entdeckung von Daten aus
Geht von der gemeinsamen Konstruktion der Daten in Interaktion aus
Geht davon aus, dass sich Konzeptualisierungen aus den Daten ergeben
Geht davon aus, dass Forschende Kategorien konstruieren
Betrachtet die Repräsentation von Daten als unproblematisch
Betrachtet die Repräsentation von Daten als problematisch, relativ, situativ und unvollständig
Geht von der Neutralität, Passivität und Autorität der Beobachter/innen aus
Geht davon aus, dass die Werte, Prioritäten, Positionen und Handlungen der Beobachter/innen Einfluss auf deren Sichtweise haben
Gegenstände Zielt auf kontextunabhängige Verallgemeinerungen
Betrachtet Verallgemeinerungen als unvollständig, bedingt und als situiert in Zeit, Raum, Positionen, Handlungen und Interaktionen
Strebt sparsame, abstrakte Konzeptualisierungen an, die über historische und lokale Standorte hinausweisen
Strebt ein interpretatives Verständnis historisch kontextualisierter Daten an
Definiert Variablen
Bestimmt die Breite der Variation
Zielt darauf, eine Theorie zu entwickeln, die passt, funktioniert, relevant und modifizierbar ist
Zielt darauf, eine Theorie zu entwickeln, die glaubwürdig, originär, resonant und nützlich ist
Implikationen für die Datenanalyse Betrachtet die Datenanalyse als einen objektiven Prozess
Anerkennt Subjektivität während der gesamten Datenanalyse
Betrachtet entstehende Kategorien als formgebend für die Analyse
Anerkennt, dass die Ko-Konstruktion von Daten die Analyse prägt
Betrachtet Reflexivität als eine mögliche Datenquelle
Reflexivität durchzieht den gesamten Forschungsprozess
Rückt die analytischen Kategorien und die „Stimmen“ der Forscher/innen in den Vordergrund
Sucht und (re-) präsentiert die „Stimmen“ der Teilnehmer/innen als integralen Teil der Analyse
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Der lokale Charakter vergangener und unmi.elbarer Erfahrung wird zum Wasser auf den analytis!en Mühlsteinen der Konstruktivist/innen. Uns interessiert, wie Erfahrung bes!a*en ist.12 Vertreter/innen einer klassis!en Grounded-TheoryMethodologie spre!en eher von außen über Erfahrung, als in Erfahrung einzutau!en und sie zu dekonstruieren (Charmaz '))/). Indem sie eine wertfreie Haltung beanspru!en, ignorieren Objektivist/innen die zu problematisierende Unordnung, die einer Untersu!ung inhärent ist, sta. eigene Vorurteile auszumerzen.13 Diese Unordnung kann dringli! werden, wenn Fors!er/innen klare Standpunkte in Bezug auf ihre Themen vertreten und merken, dass diese Standpunkte Konsequenzen haben. Monica Casper (#$$+, S.'1#2f.) verans!auli!t diese Unordnung in ihrer methodologis!en Re0exion. Sie schreibt: „As I continued to deal with the implications of taking sides in resear!, I found myself secretly longing for some Enlightenment objectivity, an epistemological shortcut out of these conundrums. Striving to be methodologically accountable to informants is hard enough work; layering political accountability on top of that only deepens the contradictions. In a resear! site inhabited by a disparate group of informants with di*erent perspectives, it is not surprising that my accountability took shape in various ways. Another resear!er in this &eld might well have developed entirely di*erent networks of accountability. Although I followed all the basic methodological rules of qualitative resear!, in terms of political accountability there seemed to be no basic rules. Figuring out how to manage my commitments on the reproductive frontier required tremendous e*ort. In the process, I discovered that !oosing to be a resear! cowgirl is not without its costs. Yet I &rmly believe that taking sides is worth this e*ort if our only alternative is to retreat into the hollow position of ‚objective‘ analyst. There are no epistemological shortcuts without a price. As Donna Haraway has wri.en, ‚feminists have to insist on a be.er account of the world‘.“
Die konstruktivistis!e Grounded-Theory-Methodologie ermutigt Fors!ende, die Positionen der Teilnehmenden, ihre historis!e und soziale Situiertheit zu untersu!en. Wie könnten wir das angehen2? I! gebe ein kurzes Beispiel aus einer eigenen Analyse von Trauer mit dem Titel „Grief and Loss of Self“ (Charmaz #$$+). Trauer zu erleben, mag als die persönli!ste und subjektivste Erfahrung ers!einen. Das ist sie. Denno! bedeutet sie au! etwas mehr und etwas anderes als auss!ließli! subjektive Erfahrung. Trauer &ndet im Sozialleben sta., und Mens!en bedienen 12 I! verwende den Begri* „Erfahrung“ hier weitgefasst. Na! Clarke ('))1) setzt si! das Sozialleben aus Situationen zusammen. Wir können uns ni!t nur die Situationen ans!auen, die in unmi.elbaren Interaktionen entstehen, sondern müssen uns au! mit denjenigen befassen, die als Teil relativ stabiler Strukturen sta.& nden; hier bes!ä" igen si! sowohl Clarke als au! i! mit S!weigen (Charmaz '))', Clarke '))-, '))1, '))/). 13 In seiner klassis!en positivistis!en Darlegung formulierte Emile Durkheim (#$,' [#,$1]) das Diktum, Vorurteile „auszumerzen“, als erste Regel der soziologis!en Methode. Seitdem umgibt die Vorstellung einer wertfreien Untersu!ung diejenigen Fors!er/innen, die ihre Vorurteile auszumerzen versu!en.
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si! gemeinsamer Spra!e, Regeln und Traditionen. Dies tun sie ni!t nur, um Trauer auszudrü(en, sondern au! um sie zu erleben. Trauer spiegelt Bindungen und deren Bedeutungen wider. Im folgenden Textauszug untersu!e i! den Diskurs über entitled grief, wie i! es nenne. „Narrow American de& nitions of signi&cant and worthy relationships grant certain bereaved entitled grief and priority status. Entitled grief is legitimate, deserved, expected, and, typically, obligatory sorrow over loss. Entitled grief a*ords its possessor a priority status – this survivor is seen as the deceased’s closest kin. Righteous entitlement to express grief (within limits) accompanies the bereaved’s justi&ed priority in the hierar!y of loss. Deaths of spouses, especially young and middle-aged spouses, and ! ildren grant greatest entitlement and highest priority status“ (#$$+, S.'-1).
Wie spiegelt diese Analyse die konstruktivistis!e Grounded-Theory-Methodologie wider2? Bea!ten Sie, dass i! die Kategorie „bere!tigte Trauer“ dur! ihre für selbstverständli! angenommenen Eigens!a"en de&niert habe. I! habe zusammengestellt, was Mens!en gesagt und getan haben, und na! den impliziten Bedeutungen gesu!t. Auf diese Weise dringen Konstruktivist/innen unter die Ober0ä!e und betreten die liminale Welt der Bedeutung. Meine Analyse führte mi! zur Bedeutung von Verlust, zur vorherrs!enden Art und Weise, wie Nordamerikaner/innen Trauer de&nieren, zu sozialer Verbundenheit und anderen Bindungsformen. Was sagt uns Trauer über soziale Verbundenheit, über Bindung2? Nordamerikaner/innen betra!ten diejenigen, die eine enge Beziehung zu trauernden Hinterbliebenen haben, als an einem Verlust leidend und deshalb – eine Zeit lang – zur Trauer bere!tigt. Hier messen Mens!en subjektiver Erfahrung objektive Bedeutung bei. Hinterbliebene, die den s!wersten Verlust erli.en haben, können diese Bere!tigung zum Zeitpunkt des Todes und für eine Weile dana! in Anspru! nehmen. Wenn wir uns darum bemühen, herauszu&nden, wie Mens!en Bedeutung konstruieren, können wir entde(en, wel!e Bedeutungen sie zus!reiben und wie diese Zus!reibungen die Frage dana! beantworten könnten, worum es bei unserer zum Vors!ein kommenden Kategorie geht. Die Kategorie „bere!tigte Trauer“ ist sowohl hierar!is! als au! komparativ: Sie gliedert die Legitimität von Trauer in eine hierar!is!e Ordnung und geht von sozialen Rollen, Re!ten und Verp0i!tungen aus. Nordamerikaner/innen setzen voraus, dass frühere Beziehungsrollen mit den Verstorbenen das Anre!t der Überlebenden auf tiefe Trauer und s!merzvollen Verlust hierar!is! ordnen und au! deren Verp0i!tung zu trauern prägen. Diese Si!tweise mag unausgespro!en und unhinterfragt bleiben, und denno! formt sie die Einstellungen und Handlungen der Einzelnen. Die konzeptuelle Kategorie „bere!tigte Trauer“ verglei!t ans!auli! die Legitimität und die Verp0i!tungen der nä!sten Angehörigen mit denjenigen Mens!en, die einen weiter entfernten Platz im Beziehungsgefüge einzunehmen s!einen. I! nutze sie hier zu Verans!auli!ungszwe(en; Konstruktivist/innen würden weiter
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die Rei!weite und Anordnung unserer Kategorien bestimmen wollen. Man könnte also fragen, wie „bere!tigte Trauer“ mit anderen Kategorien zusammenpasst.14 Die Kategorie „bere!tigte Trauer“ lässt si! au! mit anderen Arten von Trauer verglei!en, am deutli!sten mit Kenneth Dokas (#$,$) aufs!lussrei!em Konzept der disenfran!ised grief: Doka stellte fest, dass Nordamerikaner/innen ni!t jede Art von Trauer legitim &nden, und dass tiefe Trauer o" ni!t eingestanden oder ni!t anerkannt werden kann und deshalb unsi!tbar bleibt. „Entre!tete Trauer“ entsteht, wenn das Verlusterleben trauernder Hinterbliebener keine Würdigung erfährt oder sie kein „Trauer-Privileg“ erhalten, obwohl sie eine enge Beziehung zu der verstorbenen Person ha.en. Wi!tig Akteure, die kontrollieren, was na! dem Tod passiert, bea!ten diese Hinterbliebenen ni!t oder wissen ni!t von ihnen, z.5B. infolge gestörter oder komplizierter Beziehungen. Beispiele könnten eine feindselige S!eidung oder eine geheime Beziehung sein, oder dass Verwandte, gewollt oder ungewollt, Ents!eidungen tre*en, die wi!tige Hinterbliebene auss! ließen, z.5B. Eltern, die die Homosexualität ihres erwa!senen Kindes geleugnet oder abgelehnt haben. Beide Begri*e, „entre!tete Trauer“ und „bere!tigte Trauer“, sind von Metaphern gerahmt, die umfassendere kulturelle Werte anspre!en und in die Handlungen der Mens!en eingreifen, o" ohne dass es ihnen bewusst ist. Das Konzept „bere!tigte Trauer“ ha.e i! mehr als zehn Jahre vor der Verö*entli!ung meines Beitrags über Trauer (Charmaz #$$+) entwi(elt. Später entde(te i!, dass die Re0exionen der fris! verwitweten Drehbu!autorin Stephanie Ericsson (#$$-) es plastis! verans!auli!ten. Ericsson ha.e eine Bekannte, die sagte, sie verstehe ihre Trauer, da sie zwei Jahre zuvor ein Elternteil verloren habe. Ericssons Gedanken hierauf: „[S]chmuck, that’s supposed to happen, it’s a natural part of becoming adult – children are supposed to outlive their parents. Did you lose the only other person in the world who would love your child the way you do2? Did you lose the person you held all night, who slept next to you, warmed your bed so much you didn’t need an extra blanket in the winter2? … Don’t reduce this experience to something logical, universal. Even if it is, I walk alone amongst the dead, it’s my death, my pain. Don’t pretend you know it like you know my ba.ing averages. Don’t sacrilege all over my cruci&xion“ (S.'#').
Bea!ten Sie, dass Ericsson, während sie das Re!t auf Trauer für si! einfordert, Gründe zur Entre!tung der Trauer anderer Mens!en benennt. In meiner eigenen Analyse habe ich geschrieben: „Assumptions of entitled grief and priority status give rise to moral claims, as Ericsson reveals. Her grief permits claims of injustice, prompts claims of broken conventions of 14 Grounded-Theory-Arbeiten können au! sehr praktis!e Konsequenzen haben: Obwohl die Fetal!irurg/innen, die Casper (#$$,) untersu!t hat, über ihre Arbeit verärgert waren, lasen Fetal!irurg/ innen einer anderen großen Klinik ihr Bu!, gri*en ihre Ideen auf und luden sie ein, mit ihnen an einer Konferenz teilzunehmen (persönli!e Kommunikation, ##. Februar ')),).
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sensitivity, rea3rms the hierar! ical ordering of loss, and, thus, fosters disa.ending to the losses of others. Sympathy may righteously be withheld. Here, the meaning of loss is predicated on objective structural relationships, not subjectively experienced ones. Entitled grief allows dramatizing one’s own loss and minimizing the meaning of other people’s ‚lesser‘ relationships. Entitled grief then gives license to focus on self. One turns inward perhaps even as one lashes outward“ (Charmaz #$$+, S.'-/).
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S!lussbemerkungen
Eine konstruktivistis!e GTM kann uns tief in die Phänomene vordringen lassen, ohne sie von ihrer sozialen Verortung zu trennen. Tief in ein Phänomen vorzudringen ermögli!t, detaillierte Kenntnisse über es zu erlangen und von dieser Position aus induktiv zu arbeiten. Es bedeutet, si! über dür"ige Datenerhebungen und ober0ä!li!e Analysen hinauszubewegen. Detaillierte Kenntnisse bieten einen anderen Standort, um das untersu!te Leben zu verstehen, als denjenigen, die „draußen“ bleiben und ni!t zu ihm gelangen können. Tief in das untersu!te Phänomen vorzudringen ermuntert uns, zu den Wurzeln der Themen vorzudringen, die wir untersu!en. I! habe beispielsweise versu!t, grundlegende Merkmale „bere!tigter Trauer“ aus als selbstverständli! era!teten individuellen Annahmen zu de&nieren. Monica Casper (#$$,) hat dies für Fetal! irurg/innen, deren Klientinnen und Handlungspraxis versu!t. Wie Caspers Untersu!ung verans!auli!t, können Grounded-Theory-Strategien helfen, grundlegende Eigens!a"en und Beziehungen zu de&nieren, wenn wir tief ins untersu!te Leben vordringen, und sie zuglei! in einen weitergehenden Zusammenhang zu stellen. Sie betrat die Welt der Fetal!irurgie und untersu!te deren Bedeutungskonstruktionen und Handlungen genau, aber verlor Fragen na! Ma!t, Fortp0anzungsre!ten und Lebensqualität nie aus den Augen. Indem wir die Logik dieser Art von Fors!ung übernehmen, können wir zu neuen Si!tweisen gelangen, alte Annahmen hinterfragen und zur glei!en Zeit die der Fors!ung inhärente Ambiguität und die „Unordnung“ des Fors!ungsprozesses verstehen. I! denke, dass die Warnung der Objektivist/innen, Ambiguität zu tolerieren, zuglei! eine implizite Anerkennung der Flü!tigkeit sozialer Phänomene und des interpretativen Charakters qualitativer Analyse beinhaltet. Das, das wir in der Analyse „zerlegen“, ist selten so fest umrissen und greifbar, dass jede/r es vom selben Ausgangs- und Standpunkt aus betra!ten würde. Perspektivenvielfalt und multiple Wirkli!keiten zu akzeptieren, erfordert ges! i!tete Analysen und die Bes!ä"igung mit unserer eigenen Bedeutungskonstruktion und der der Fors!ungsteilnehmer/innen. Wi!tige soziale Standorte jenseits derer, die bereits bei Feldeintri. erkennbar sind, zeigen si! erst im Untersu!ungsverlauf. Die konstruktivistis!e GroundedTheory-Methodologie bietet in diesem Sinne die Mögli!keit, unsere Untersu!un-
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gen glei! zeitig zu situieren, die S!ärfe unserer Analysen zu erhöhen und ihre Rei!weite zu erweitern. Indem wir jetzt den ontologis!en und epistemologis!en Standpunkt der Grounded-Theory-Methodologie ändern, können wir die Grundlage für die nä!ste Generation s!a*en, qualitative Fors!ung voranzubringen. Danksagung Kein S!reibprojekt &ndet gänzli! solitär sta.. I! weiß es zu s!ätzen, dass i! im Laufe der Jahre mit Antony Bryant, César Cisneros-Puebla, Adele E. Clarke, Ray Maie.a, Janice Morse und Virginia Olesen Gesprä!e über die Grounded-TheoryMethodologie führen konnte, und i! bin Dorothy Freidel, Diana Grant, Ma.hew James, Josh Meisel, Melinda Milligan und Ri!ard Senghas, Mitgliedern des Sonoma State University Faculty Writing Program, für ihre Kommentare zu einer früheren Fassung dieses Beitrags zu Dank verp0i!tet. Mein besonderer Dank gebührt Adele E. Clarke für ihre ausgezei! neten und wi!tigen Kommentare und Anregungen. Literatur Atkinson, Paul; Co*ey, Amanda & Delamont, Sara ('))-). Key themes in qualitative research: Continuities and changes. New York: Roman & Li.le&eld. Bowker, Geo*rey C. & Star, Susan L. (#$$$). Sorting things out: Classi"cation and its consequences. Cambridge, MA: MIT Press. Boychuk Duchscher, Judy E. & Morgan, Debra ('))%). Grounded theory: Re0ections on the emerging vs. forcing debate. Journal of Advanced Nursing, #$(/), /)1–/#'. Bryant, Antony ('))'). Re-grounding grounded theory. Journal of Information Technology Theory and Application, %(#), '1–%'. Bryant, Antony ('))-). A constructive/ist response to Glaser. Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research, #(#), Art. #1, h.p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:)##%fqs)-)##11. Bryant, Antony & Charmaz, Kathy ('))+a). Introduction. In Antony Bryant & Kathy Charmaz (Hrsg.), The Handbook of grounded theory (S.#–',). London: Sage. Bryant, Antony & Charmaz, Kathy (Hrsg.) ('))+b). The handbook of grounded theory. London: Sage. Bryant, Antony & Charmaz, Kathy ('))+c). Grounded theory in historical perspective: An epistemological account. In Antony Bryant & Kathy Charmaz (Hrsg.), The handbook of grounded theory (S.-#–1+). London: Sage. Burawoy, Michael (#$$#). The extended case method. In Michael Burawoy, Alice Burton, Ann Arne. Ferguson, Kathryn J. Fox, Joshua Gamson, Nadine Gartrell, Leslie Hurst, Charles Kurzman, Leslie Salzinger, Josepha Schi*man & Shiori Ui, Ethnography unbound: Power and resistance in the modern metropolis (S.'+#–'$)). Berkeley: University of California Press.
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Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situationsanalyse1 Adele E. Clarke
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Einleitung
Es ist mein Ziel, die Grounded-Theory-Methode dahin gehend zu überarbeiten und zu erneuern, dass Ansätze zur gegenstandsverankerten Theoriebildung postmodernen Vers!iebungen in der Sozialtheorie und qualitativen Fors!ung no! stärker Re!nung tragen. Dies mö!te i! errei!en dur! "
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die Dur!trennung der verbliebenen Wurzeln der Grounded-Theory-Methode in den positivistis!en Sozialwissens!a#en der $%&'er und $%('er Jahre und die Stärkung ihrer immer s!on vorhandenen, aber bisher o# verna!lässigten postmodernen Eigens!a#en; eine Ergänzung der traditionellen Grounded-Theory-Leitmetapher der basic social processes beziehungsweise des sozialen Handelns mit einer ökologis!en Leitmetapher sozialer Welten, Arenen, Aushandlungen und Diskursen als alternativer konzeptioneller Infrastruktur, wel!e Situationsanalysen auf der Mesoebene und die Erfors!ung neuer sozialer organisatoris!er, institutioneller, diskursiver, praktis!er Standorte geradezu herausfordert; die Ergänzung der traditionellen, auf die basic social processes bezogenen Grounded-Theory-Analysen mit Alternativen zur kartogra)s!en Situationsanalyse – d.*h. Mapping der wi!tigsten Elemente; Maps von sozialen Welten, Arenen sowie Diskursen in Aushandlungsprozessen auf der Mesoebene; und Maps von Themen und A!sen, die si! auf Unters!iedli!keiten der Positionierung beziehen – der di!ten Komplexität der Fors!ungssituation im weitesten Sinne; die Erzeugung sensibilisierender Konzepte und theoretis!er Integration hin zu provokativen, wenn au! provisoris!en Analytiken und gegenstandsverankertem Theoretisieren, die ni!t das Entwi+eln substanzieller und formaler TheoDer Beitrag ist der Übersetzung des ,''& ers!ienenen Bu!es „Situational Analysis“ von Adele E. Clarke entnommen. Wesentli!e Teile entstammen dem $. Kapitel sowie dem Prolog. Die Übersetzung aus dem amerikanis!en Englis! leistete Juliane Sarnes. Das Literaturverzei!nis wurde für diesen Abdru+ stark gekürzt. Weitere Hinweise ) nden si! deswegen auf h- p://www.situationsanalysis.com/ bzw. in den Bu!ausgaben. Die deuts!e Ausgabe der „Situationsanalyse“ wird von Reiner Keller (in der Reihe „Interdisziplinäre Diskursfors!ung“) herausgegeben und ers!eint ,'$$ im VS Verlag für Sozialwissens!a#en. Redaktionelle Bearbeitungen des vorliegenden Beitrages wurden von Günter Mey und Reiner Keller vorgenommen.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_1 , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situationsanalyse
rien als das eigentli!e Ziel betra!ten, sondern als fortdauernder Prozess aufgefasst werden; und die Formulierung systematis!er und .exibler Wege zum Fors!ungsdesign, die Multi-Site-Fors!ung eins!ließli! diskursiver textförmiger, visueller und ar! ivaris!er historis!er Materialien und Dokumente sowie ethnogra)s!e Transkripte und Feldnotizen (Interview- und Beoba!tungsdaten) erlei!tern, um die Komplexität postmodernen Lebens in stärkerem Maße zu berü+si!tigen.
Weil Epistemologie und Ontologie wie siamesis!e Zwillinge sind, müssen Methoden als „Theorie/Methoden-Bündel“ (z.*B. Star $%/%) verstanden werden. Deshalb hebe i! die theoretis!e Verankerung der Grounded-Theory-Methodologie in der Soziologie der Chicagoer S!ule des frühen ,'. Jahrhunderts, in der Philosophie des Pragmatismus und im Symbolis!en Interaktionismus der Na! kriegszeit hervor. I! tue dies, weil Grounded-Theory-Anhänger/innen in den vergangenen ,' Jahren ihren theoretis!en Bli+ erweitert haben und in Ri!tung eines postmodern turn vorgestoßen sind. Hierdur! war die Entwi+lung von ausgeprägt konstruktivistis!en Ansätzen mögli!, die i! vorantreiben mö!te (z.*B. Charmaz ,''' und in diesem Band). In diesem Beitrag mö!te i! daher ni!t nur die Situationsanalyse als einen neuen Ansatz zur Bildung einer konstruktivistis!en/postmodernen GroundedTheory-Methodologie vorstellen, sondern au! einige der wi!tigsten theoretis!en Vers!iebungen erörtern, die dies untermauern. Die Situationsanalyse entwi+elte si! dur! und über meine eigene Fors!ungsarbeit, die i! $%/' an der University of California in San Francisco (UCSF) als Doktorandin im Fa! Soziologie begann, vor allem jedo! dur! meine $%/% an der UCSF aufgenommene Lehrtätigkeit auf dem Gebiet der Grounded-Theory-Methodik und anderer qualitativer Fors!ungsmethoden. Sie entstand au! dur! meine Lektüre und Lehrtätigkeit in der feministis!en und interaktionistis!en Theorie, zu Foucault, den Cultural Studies sowie der Wissens!a#s-, Te!nik- und Medizinfors!ung. Als Studentin lernte i! bei Anselm Strauss den Grounded-Theory-Ansatz, lange bevor er „Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialfors!ung“ ($%%$ [$%/0]) zu s!reiben begann. Daher war die Methode, die i! kennenlernte, viel weniger kodi)ziert und gli! eher dem in diesem Bu!, das ja $%/0 verö1entli!t wurde, entwi+elten Ansatz. Zu diesem Zeitpunkt befand si! Strauss au! mi-en in der Ausarbeitung seines soziale Welten/Arenen-Modells und der Theorie der sozialen Aushandlungen ($%0/, $%0%), und so wurde i! also im Geiste dessen „erzogen“, was Miller ($%%0, S.,) als „Tradition der Institutionenfors!ung“ in der qualitativen Sozialfors!ung bezei!net.2 Einige Aspekte der Basics-Bü!er (Strauss & Corbin $%%( [$%%'], $%%/) sind für mi! sehr nützli!, weshalb i! sie im Folgenden verwenden 2
Im Großen und Ganzen )nde i! ni!t, dass Strauss seine Sozialpsy!ologie na! $%&% theoretis! ausgefeilt hat, obwohl er sie regelmäßig in seiner Fors!ung anwandte. Vgl. h-p://www.ucsf.edu/ anselmstrauss/ für Themenbibliogra)en, die dieses Argument belegen.
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werde, andere dagegen überhaupt ni!t. Au! heute no! sind die grundlegenden Kodierverfahren der frühen Grounded-Theory-Studien von uns!ätzbarem Wert. Sie werden zur Entwi+lung von Situationsanalysen sowie bei der Analyse der basic social processes eingesetzt. Ein Fokus auf Variationen und/oder Di1erenz(en) ist weder auf Strauss’ no! auf Glasers Fors!ungsagenden (vgl. Glaser $%%,, ,'',; Strauss $%%2, S.,$'–,$,) und au! ni!t auf denen anderer aktueller Anhänger/innen der Grounded-Theory-Methodik zu )nden – in meiner Arbeit ist er jedo! von zentraler Bedeutung. Tatsä!li! kann das seit Langem etablierte theoretis!e Sampling explizit darauf ausgeri!tet werden, das breitest mögli!e Spektrum an Variationen in wi!tigen Datenquellen aufzutun. Das heißt, mi-els gut dur!da!ten theoretis!en Samplings können bestimmte Aspekte der Situiertheit, Vers!iedenheit(en) und Variation erfors!t werden. Heterogene Positionen und Beziehungen können explizit aufgespürt, verfolgt, analysiert und diskutiert werden. Dies steht im direkten und he#igen Gegensatz zur kategoris!en Ausblendung von Daten dur! vers!iedene Homogenisierungs- und Vereinfa!ungsstrategien, die in der traditionellen, positivistis!en Sozialwissens!a# übli! sind, aber au! in qualitativen Fors!ungsprojekten nur allzu häu)g vorkommen. Um ein sol!es zwe+geri!tetes theoretis!es Sampling dur!führen zu können, muss dem Fors!ungsdesign, das in Grounded-Theory-Studien (abgesehen vom theoretis!en Sampling) traditionell unterentwi+elt blieb, gesteigerte Aufmerksamkeit ges!enkt werden. Ein wesentli!es Merkmal des postmodern turn war stets ein besonderes theoretis!es Verständnis der analytis!en Bedeutung des Ni!t-Mens!li!en in unserer komplexen Situiertheit, und dies betone au! i!. Bezei!nenderweise konzentriert si! die Grounded-Theory-Methodik in ihrer Analyse ni!t primär auf Eigens!a#en von Personen oder „Variablen“, wie es in den meisten Sozialwissens!a#en übli! ist. Deshalb war sie au! nie auf die Erfors!ung von Mens!en bes!ränkt, sondern kann sta-dessen ni!t-mens!li!en Objekten (Te!nologien, Tiere, Diskurse, historis!e Dokumente, bildli!e Darstellungen usw.) mühelos gere!t werden. Derartige materielle Entitäten in den uns interessierenden Situationen sollten verstärkt und gezielt in unsere Fors!ungen und Analysen aufgenommen werden. So wie „Natur“ und „Gesells!a#“ ni!t getrennt sind, sondern „si! gegenseitig hervorbringen“ – si! we!selseitig konstitutiv bedingen – gilt dies au! für Mens!en und ni!t-mens!li!e Objekte (z.*B. Haraway $%/%, ,''2; Latour $%/0; McCarthy $%/3; Mead $%(/ [$%23]). Die Semiotik der Materialität ist von Bedeutung, und Materialität ist relational (Law $%%%, S.3). Jede Methode, die die Materialitäten der mens!li!en Existenz ignoriert, ist inadäquat, gerade heute, da die Mens!en gemeinsam mit diversen Te!nowissens!a#en den Planeten grundlegend verwandeln. Es war eben diese O1enheit des Strausss!en Grounded-Theory-Ansatzes dafür, die Untersu!ung eines breiten Spektrums ni!t-mens!li!er Objekte zuzulassen, wel!e mi! von Anfang an faszinierte. Diese O1enheit erlaubte es mir au!, s!on während meiner Studienzeit Grounded-Theory-Studien von Diskursen – histo-
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ris!en Materialien und später visuellen Kulturen – dur! zuführen und führte letztli! zu diesem Versu!, die Grounded-Theory-Methodologie innerhalb eines postmodernen Rahmens zu erneuern. Außerdem inspirierte sie mi!, in meinem Bestreben, die Grounded-Theory-Methodologie dur! den postmodern turn zu steuern, auf das Werk Mi!el Foucaults zurü+zugreifen. Obwohl Glaser und Strauss „Kontexte“ beziehungsweise „Situiertheiten“ zunä!st ni!t bea!teten, tat Strauss es später do!. Gemeinsam mit Corbin trug er der Situiertheit in den Bedingungsmatrizen (z.*B. Strauss & Corbin $%%( [$%%'], S.$(2 sowie $%%/, S.$/3) Re!nung. Dabei handelt es si! um analytis!e Hilfsmi-el, die dazu geda!t sind, Grounded-Theory-Anhänger/innen dazu zu bewegen, die vers!iedenen Kontexte ihrer Fors!ungss!werpunkte zu bea!ten und zu bes!reiben, wie kontextuelle Elemente die Handlung, den zentralen S!werpunkt der Analyse, „bedingen“. Do! obwohl der Bedingungsmatrix-Ansatz zum Teil in die „ri!tige Ri!tung“ weist, )nde i! ihn für diese Aufgabe unzurei!end. Sta-dessen unterbreite i! den wesentli! di1erenzierteren Ansatz der Situationsanalyse, bei wel!em die erfors!te Situation selbst die Hauptuntersu!ungseinheit ist. Die Fors!ungssituation wird mithilfe von drei vers! iedenen Maps sowie analytis!er Arbeit und diversen Arten von Memos empiris! konstruiert. "
Zunä!st wären da die Situations-Maps, wel!e wi!tige mens! li!e, ni!tmens!li!e, diskursive, historis!e, symbolis!e, kulturelle, politis!e und andere Elemente der Fors!ungssituation verdeutli!en und es ermögli!en, die Beziehungen zwis!en ihnen zu analysieren. Sie sind dazu geda!t, die !aotis!e Komplexität der di!ten Ver.e!tungen und Permutationen der jeweiligen Situation zu erfassen und zu diskutieren. In voller Absi!t vermeiden sie in spezi)s! postmoderner Weise die übli!en Simpli)zierungen, die für wissens!a#li!es Arbeiten so !arakteristis! sind (vgl. hierzu Star $%/2). " Maps von sozialen Welten/Arenen verans!auli!en, zweitens, alle kollektiven Akteure, wi!tigen ni!t-mens!li!en Elemente und die Arenen ihres Wirkens, in denen sie in fortgesetzte Aushandlungen und Diskurse eingebunden sind. Sol!e Maps erlauben Interpretationen der Situation auf der Mesoebene, unter ausdrü+ li!er Berü+si!tigung der sozial-organisationalen, institutionellen und diskursiven Dimensionen. Sie sind unverwe!selbar postmodern in ihren Annahmen: Wir können die Ri!twirkung von Ein.ussnahmen ni!t als gegeben hinnehmen; Grenzen sind o1en und porös; Aushandlungsprozesse sind .ießend; Diskurse sind vielfältig und potenziell widersprü!li!. Aushandlungen vielerlei Art, vom Zwang bis hin zum bargaining (d.*h. dem interessegebundenen Verhandeln und Feils!en), sind die basic social processes, wel!e die Maps von sozialen Welten/Arenen konstruieren und permanent destabilisieren. So könnte alles immer au! anders sein – ni!t nur individuell, sondern au! kollektiv/ organisational/institutionell/diskursiv – und diese Maps porträtieren sol!e postmodernen Mögli!keiten.
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Positions-Maps zeigen, dri-ens, wel!e S!lüsselpositionen vis-à-vis bestimmter A!sen der Variation und Di1erenz, Fokussierung und Kontroversen in der jeweiligen Situation eingenommen und au! wel!e ni!t eingenommen werden. Was viellei!t am wi!tigsten ist, Positions-Maps werden ni!t über Personen oder Gruppen dargestellt. Sie versu!en vielmehr, das gesamte Spektrum der diskursiven Positionen zu bestimmten Fragen abzubilden. Dies erlaubt, mehrere Positionen und sogar Widersprü!e in Individuen sowie Kollektiven auszudrü+en. Komplexitäten sind heterogen, und wir müssen die Methoden verbessern, sie darzustellen.
Alle drei Arten von Maps sind so kodiert, dass sie das Ni!t-Mens!li!e – eins! ließli! der Diskurse – in der Fors!ungssituation Ernst nehmen. Indem sie zunä!st eine Situations-Map erstellen, sind die Analysierenden aufgefordert, die ni!t-mens!li!en Elemente in der Situation zu bestimmen. Auf diese Weise werden relevante Materialitäten und Diskurse von Anfang an si!tbar. Das Gegenstü+ der zweiten kartogra)s!en Methode, der Map von sozialen Welten/Arenen, ist eine Map von Diskursen/Arenen. Soziale Welten sind „Diskursuniversen“. Sie produzieren ständig Diskurse über wesentli!e Elemente der Situation. Sol!e Diskurse können kartogra)s! abgebildet und analysiert werden. S!ließli! versu!en PositionsMaps dur! Analyse von Positionen, die zu zentralen analytis!en S!werpunkten eingenommen werden, die Diskurse selbst zu ö1nen. Hierdur! können Diskurse vom Ort ihrer Generierung losgelöst, dezentriert werden, was no! größere analytis!e S!ärfe ermögli!t. Bowker und Star ($%%%, S.$') erörtern das Konzept der „infrastrukturellen Inversion“, wobei die Infrastruktur von etwas (ungewöhnli!er Weise) o1enliegt und sogar zur S!au gestellt wird. Ein Beispiel hierfür wäre das Centre Pompidou in Paris, wo alle Rohre Stützen, Leitungen und andere Innereien des Gebäudes „Äußereien“ sind – an den Außenwänden ausgestellt sta- zwis! en den Innen- und Außenwänden verste+t. Situations-Maps und -analysen bewirken eine Art „sozialer Inversion“, indem sie die normalerweise unsi!tbaren, unbestimmten sozialen Merkmale der Situation si!tbar ma!en: nämli! alle S!lüsselelemente, die in der Situation enthalten sind und ihre we!selseitigen Beziehungen; die soziale Welten und Arenen, in denen die Fors!ungsgegenstände eingebe-et sind; die diskursiven Positionen, die von Akteuren (mens!li!en und ni!t-mens!li!en) in Bezug auf die wi!tigsten Fragen eingenommen und ni!t eingenommen werden; und die Diskurse selbst als konstitutiv für die Situation. Dies ist die Postmodernisierung einer Grounded-Theory-Methodologie, die im Symbolis!en Interaktionismus und der Foucaults!en Analytik verankert ist.
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Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situationsanalyse
Strategien zur vollständigen Postmodernisierung der Grounded-Theory-Methodik
Im Folgenden werde i! die se!s Strategien erläutern, die i! empfehle, um die Grounded-Theory-Methodologie und den Symbolis!en Interaktionismus no! stärker zu postmodernisieren als sie es ohnehin s!on sind. Hierzu müssen sowohl einige Widerspenstigkeiten beseitigt als au! die immer s!on postmodernen Vorzüge bestärkt werden. Eines der wi!tigsten Kriterien einer guten Grounded Theory ist ihre Modi)zierbarkeit – ihre Zugängli! keit für neue Daten. I! mö!te nun eine subversive Auslegung dieses Kriteriums vorstellen mit dem Ziel, die Theorie der Grounded Theory per se zu modi)zieren. I! will die zugrunde liegenden Annahmen der Grounded-Theory-Methodologie vom Positivismus in Ri!tung Postmoderne verlagern und verbessern, von den westli!-wissens!a#li!en, universalisierenden Meistererzählungen, die „Vers!iedenheit erklären“, hin zur Erzeugung von Repräsentationen, die grundsätzli! von Vers!iedenheiten und Multiplizitäten ausgehen und dana! streben, sie detailliert aufzuzei!nen und darzustellen. Hierbei interessiere i! mi! für Folgendes: 1. die Annahme und Anerkennung der „Verkörperung“ (embodiment) und Situiertheit aller Wissensproduzent/innen sowie die Annahme der simultanen „Wahrheiten“ multiplen Wissens; 2. die Verwendung der Situation des Untersu!ungsphänomens zur analytis!en Verankerung; 3. die Ablösung von Annahmen und Abbildungsstrategien simpli)zierender Normativitäten und Homogenität dur! Komplexitäten, Vers!iedenheiten und Heterogenität; 4. die Geltendma!ung der analytis!en Hinlängli!keit sensibilisierender Konzepte und theoretis! integrierter Analytik anstelle der Entwi+lung einer formalen Theorie; 5. die Dur!führung von Situationsanalysen im gesamten Fors!ungsprozess, eins!ließli! der Situations-Maps, Maps von sozialen Welten/Arenen und PositionsMaps; sowie 6. die Hinwendung zu narrativen, visuellen und historis!en Diskursen, um die in der Grounded-Theory-Fors!ung berü+si!tigten Berei!e des sozialen Lebens zu erweitern. 2.1
Die Anerkennung von Verkörperung (embodiment) und Situiertheit
Der erste S!ri- in Ri!tung Postmodernisierung der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) ist ni!t nur die Annahme, sondern die ausdrü+ li!e Anerkennung von embodiment und Situiertheit aller Wissensproduzent/innen – sowohl der For-
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s!enden (wir) als au! der Erfors!ten (ihnen). Traditionell stand die GTM stets mit einem Fuß (und man! mal au! mit beiden Beinen) im positivistis!en Ein.ussberei!, in wel!em seit der wissens!a#li!en Revolution davon ausgegangen wird, die „Natur“ bestimme, was über das „Natürli!e“ bekannt ist. In aller Kürze: Im Laufe des $(. Jahrhunderts fanden in der westli!en Welt eine Reihe von Veränderungen sta-, die als „wissens!a#li!e Revolution“ bezei!net (und gerade selbst wieder infrage gestellt) werden. Im Mi-elpunkt der von ihr ausgelösten Umdeutung der Wissensproduktion steht ein neuer Mens!entypus, wel!en Shapin und S!afer ($%/&) den „bes!eidenen Zeugen“ nannten. Dieser neue „bes!eidene Zeuge“ ist ni!t der siegrei!e Held des Mi-elalters, Inbegri1 einer Männli!keit, die si! über die Teilnahme an !ristli!en Kreuzzügen in den „Orient“ konstruierte (Said $%0%), ni!t der Ri-er in glänzender Rüstung, der den weißen, männli!en Idealmens!en der vorangegangenen historis!en Epo!e verkörperte. Der neue Held der Renaissance ist vielmehr eine fabrikneue weiße männli!e Figur – der „bes!eidene Wissens!a#ler“. Im Zuge dieser Vers!iebung von religiösen zu westli!-wissens!a#li!en Formen der Wissensproduktion als einzig legitime Weise, über die Welt „Bes!eid zu Wissen“, behauptet der „bes!eidene Wissens!a#ler-Zeuge“, seine Darstellungen böten einen „Spiegel“ der Natur (Rorty $%/$ [$%0%]). Dieser bes!eidene Mens! entstammt dem, was Sharon Traweek (,''') „the culture of no culture“ nannte: einen Raum der Selbstunsi!tbarkeit, jenen essenziellen hegemonialen Ort, der von der modernen westli!en Wissens!a# beanspru!t und dominiert wird. Bis vor Kurzem war sein Elite-Status dur! die Unsi!tbarkeit der Te!niker/innen und sonstigen Bediensteten vers!leiert, die traditionell die körperli!en und handwerkli!en Arbeiten seiner Wissens!a# verri!teten. Dadur! ist der „bes!eidene Zeuge“ von den Lasten der Körperli!keit frei. Er „hat keinen Körper, er allein sieht deshalb alles im Globalen-Netzwerk-Imperium des großen Kommunikators“ (Haraway $%%& [$%%$], S.024f). Der „bes!eidene Zeuge“ ers!eint persönli! unaufdringli!, ausgegli!en und daher unvoreingenommen. Haraway ($%%0, S.,3) bemerkt, der „bes!eidene Zeuge“ behaupte von si! „nothing from his mere opinions, nothing from his biasing embodiment [hinzuzufügen]. And so he is endowed with the remarkable power to establish the facts“ na! einem Modell mens!li!er Aktivität, die wir „Objektivität“ zu nennen p.egen. Dieses neue Expertenwissen – die positivistische Wissenscha# – ist „the founding gesture of what we call modernity. It is the founding gesture of the [claimed] separation of the technical and the political“ (a.*a.*O.) und des Technischen vom Religiösen/Spirituellen. I! mö!te der Grounded-Theory-Methodologie neue Wege erö1 nen, um diese Fragen sowohl zu thematisieren als au! voranzutreiben. Ganz allgemein argumentiere i!, dass das szientistis!e Konzept des „bes!eidenen Zeugen“ ni!t nur konstitutiv für Gender, Rasse und Klasse, Imperium und Kolonie war; dieses Konzept war au! konstitutiv für neue Domänen legitimen und illegitimen Wissens sowie Verengungen der Epistemologie/Ontologie, die bis heute viele Arten von Wissen de-
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legitimieren. „Bes!eidene Zeugen“ begründeten sehr viel aufwendigere Kalküle, wel!e Arten von Wissen „zählen“ dürfen und wel!e – insbesondere „o5ziell“ – ni!t. Es wurde behauptet, Rasse, Gender, Klasse und geogra)s!e Lage der „bes!eidenen Zeugen“ wären dur! die Vortäus!ung der Entkörperung sowie die explizite Leugnung der Wahrnehmbarkeit der Verkörperung des oder der Wissenden verstummt und unsi!tbar geworden. Do! dem war ni!t so. Im Gegensatz hierzu wird in der neueren Fors!ung zu qualitativen Methoden und verwandten Feldern der Standpunkt vertreten, die Wissenden seien immer und unweigerli! verkörpert, ungea!tet der Leugnungsstrategien. Diese Verkörperung s!lägt si! im produzierten Wissen nieder, trotz der Objektivitätsansprü!e. Das so lang verleugnete embodiment ist daher heute umso augenfälliger und muss in Zukun# stärker und re.exiv berü+si!tigt werden. Die neue Wissensfors!ung versu!t au! zu benennen, was unerfors!t blieb und bleibt – also das, was Evelyn Hammonds ($%%3) „bla+ (w)holes“3 nennt – besondere Spannungsfelder der Ni!tberü+si!tigung (z.*B. Poovey $%%/). Was ni!t erfors!t wird, mag entweder ni!t gesehen oder wahrgenommen werden, oder es wird abgelehnt, obwohl es bea!tenswert ist (Star $%%$). In Wirkli! keit müssen wir unbes! eidene Zeugen werden, zugestanden verkörperte Wissende, und neue, ja, radikale Vorstellungen davon produzieren, was gewusst werden kann und sollte. Die Heterogenität der Perspektiven abzubilden ist bis heute ein ziemli! radikaler Akt, vor allem in den Vereinigten Staaten, wo gemeinhin von Dualismen ausgegangen wird. Diese untermauern ein repressives und verzerrendes Zwei-Parteien-System sowie ein zweiseitiges kontradiktoris!es Re!tssystem mit hegemonialer Autorität – als ob es „wirkli!“ nur zwei Perspektiven „von Bedeutung“ gäbe. Der Fas!ismus hat viele Gesi!ter, und auf Dualismen zu beharren, ist eins davon. 2.2
Die Verankerung der Grounded Theory in der Situation
Meine zweite Strategie zur Postmodernisierung der GTM beinhaltet die Verwendung der breiteren Situation des Fors!ungsphänomens als analytis!e Grundlage: „Die Situation ist sowohl ein zu konfrontierendes Objekt als au! ein kontinuierli!er Prozess im Ans!luss an die Konfrontation. […] Situationen haben laufbahnartigen Charakter und sind auf vers!iedene Weise […] mit anderen Situationen verknüp#“ (Morrione $%/&, S.$($4f.). Für mi! steht der Begri1 der „Situation“ für vier besondere wissens!a#li!e Beiträge, denen i! intellektuell außerordentli! zugetan bin. Bei dem ersten handelt es si! um William Thomas’ und Dorothy Swayne Thomas’ ($%0' [$%,/]) Konzeption der „De)nition der Situation“: Bereits vor einem dreiviertel 3
Anm. d.*Ü.: Hierbei handelt es si! um ein Wortspiel aus „s!warze Lö!er“ (bla" holes; einerseits ein Begri1 der Astronomie, aber au! hole = vulgärer Ausdru+ für das weibli!e Ges!le!tsorgan) und „s!warzen Entitäten“ (bla" wholes).
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Jahrhundert argumentierten sie, dass Situationen, die als wirkli! de)niert werden, in ihren Konsequenzen wirkli! sind. Oder anders ausgedrü+t: Die Perspektive bestimmt die Interpretation, auf die si! das Handeln bezieht. In meinen Augen ist dies unverrü+bar relational und ökologis!. Es erinnert an Meads Auffassung, Situationen seien Organisationen von Perspektiven, wel!e die Natur in vers!iedene S!i!ten gliedern – und wel!e Unters!eidungskategorien generieren, die sinnha# und signi)kant sind. Dies ist au! unverrü+bar relativistis!: Diese S!i!ten „sind die einzige Form, in der es Natur gibt“ (vgl. Mead $%,0, S./,). Meine zweite Inspiration hinsi!tli! des Begri1s der Situation ist C. Wright Mills klassis!er und zutiefst pragmatistis!er Essay aus dem Jahr $%3' über „Situiertes Handeln und das Vokabular der Motive“. I! greife insbesondere auf seine Ausführungen über situiertes Handeln zurü+: „The postulate underlying modern study of language is the simple one that we must approach linguistic behavior, not by referring it to private states in individuals, but by observing its social function of coordinating diverse action. […] [L]anguage is taken by other persons as an indicator of future actions. […] [M]otives are the terms with which interpretation of conduct by social actors proceeds. […] First, we must demarcate the general conditions under which such motive imputation and avowal seem to occur. […] The importance of this initial task for research is clear. Most researches on the verbal level merely ask abstract questions of individuals, but if we can tentatively delimit the situations in which certain motives may be verbalized, we can use that delimitation in the construction of situational questions“ (S.%'3), meine Hervorhebung).
Situative Fragen stehen bei der Datensammlung für Situationsanalysen im Mi- elpunkt. Hierdur! akzeptieren wir die Begrenztheit der Analyse einer bestimmten Situation, ansta- zu versu!en, sie dur! die Generierung einer formalen Theorie zu überwinden. Partiale Perspektiven sind hinrei!end. Die dri-e wi!tige Quelle meines Situationskonzepts ist Donna Haraways ($%%& [$%%$]) klassis!er Essay der feministis!en Theorie über „situiertes Wissen“, in wel!em sie feststellt: „I! mö!te die Körperli!keit aller Vision hervorheben und auf diese Weise das sensoris!e System reformulieren, das zur Bezei! nung des Sprungs aus dem markierten Körper hinein in den erobernden Bli+ von nirgendwo benutzt worden ist. […] Mir würde eine Lehre verkörperter Objektivität zusagen, die paradoxen und kritis!-feministis!en Wissens!a#sprojekten Raum böte: Feministis!e Objektivität bedeutete dann ganz einfa! situiertes Wissen. […] Viellei!t gelingt es uns so, eine Verantwortli! keit dafür zu entwi+eln, zu wel!em Zwe+ wir zu sehen lernen“ (S./'–/,).
Ni!t wenige unter uns erkannten die oben bespro!ene Verkörperung der Wissenden und die Situiertheit des Wissens erst dur! die vers!iedenen Feminismen und
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die hart erkämp#e Einsi!t, dass dieser Begri1 im Plural gebrau!t werden müsse. Zure!enbarkeit – „für das, was wir wie zu verstehen lernen“ die Verantwortung zu übernehmen – ist von großer Bedeutung. Daher müssen wir über die Bes!a1enheit der Situationen Bes!eid wissen – vor allem, aber ni!t nur, über jene der Wissensproduktion. Situationen werden zum fundamentalen Untersu!ungsgegenstand. Für Interaktionist/innen ist die Situation au! aufgrund ihrer Gestalt von Bedeutung: Eine Situation ist immer größer als die Summe ihrer Teile, da sie deren Relationalität in einem bestimmten zeitli!en und räumli!en Moment enthält. Wie Peter Hall ($%%0) feststellte: „Mehr als jeder andere Interaktionist hat Anselm Strauss ($%%2) zur Konzeptualisierung sozialer Organisation sowie zu unserem Verständnis der Beziehungen zwis!en den Situationen beigetragen“ (S.3'', meine Hervorhebung). Über die Beziehungen zwis!en U.*S. Steel und der Vereinigten Stahlarbeiter Gewerks!a# bemerkte Blumer: „Die Sa!e ist die, daß das Ma!tverhältnis zwis!en ihnen häu)g das Ergebnis der Situation war, ansta- die Situation das Ergebnis der jeweiligen anfängli!en Ma!tpositionen. Diese wi!tige Besonderheit wird in Bezug auf Ma!t in der übli!en Analyse bezei!nenderweise ignoriert“ (Blumer in Hall $%%0, S.3'&, meine Hervorhebung). In Blumers Verständnis entwi+elt die Gestalt von Situationen „ein Eigenleben“. Dies ist eine sehr poststrukturalistis!e Lesart. Hier wird der Situation an si! eine Art Handlungsma!t zugebilligt, ähnli! der Handlungsma!t, wel!e die Diskurse in der Foucaults!en Terminologie haben bzw. darstellen – eine für das Verständnis der Situationsanalyse wi!tige Face-e. 2.3
Vers!iedenheiten und Komplexitäten
Daher betri6 meine dri-e Strategie zur Postmodernisierung der Grounded-TheoryMethodologie die Annahmen und Abbildungsstrategien, die auf Normativität/Homogenität ansta- Vers!iedenheiten/Komplexitäten/Heterogenitäten geri!tet sind. Die Befähigung der Grounded-Theory-Verfahren, Daten aufzubre!en und vielfältige Analysen zu ermögli!en, ist ihr ents!eidender Beitrag, um Vers!iedenheit(en), Komplexitäten und Multiplizitäten abzubilden. Do! um diese Fähigkeit der gegenstandsverankerten Theoriebildung zu ermä!tigen bzw. zu bestärken, sind eine Reihe von Anstrengungen erforderli!. In der Hauptsa!e erfordert es die Dur!führung von Analysen gegen die Annahmen der Normalverteilung, wel!e in den Sozialwissens!a#en stets implizit mits!wingen. Die Normalverteilung ist das vorinstallierte Standardlaufwerk der westli!en Wissens!a#, tief vers!lossen in den Bla+boxen der Hardwares (Wissensproduktion) und der So#wares (sozialwissens!a#li!e Ausbildung). Viele oder die meisten von uns greifen in unserem Denken automatis! auf sie zurü+. Meines Era!tens ist sie heutzutage eine kulturelle Grundannahme des westli!-gebildeten Geistes bzw. Mens!en und tief eingebe-et in ein breites Spektrum von Diskursen. Dies ist eine der Arten und Weisen, in wel!er ein eindeutig funktionalistis!er Positivismus und Szientismus kulturell und
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transnational selbstverständli! geworden ist – spri! naturalisiert (Foucault $%02 [$%($], $%03 [$%((]) – und als Teil jener geistigen Kolonisationsprozesse, die Gramsci ($%%$–$%%%) als hegemonial bezei!nete, unsi!tbar gema!t wurde. Normalverteilungskurve Denken Sie si! an dieser Stelle eine Normalverteilungskurve. [Es wird Ihnen si!er ni!t s!werfallen.]
Die Normalverteilungskurve ist ein Lageparameter. Die grundlegende Annahme ist, dass die Häu)gkeit eines Phänomens X in strukturierter Art und Weise verteilt ist, wobei die meisten Abwei!ungen in zwei „entgegengesetzte“ „Enden“ eines binären Kontinuums fallen. Das „Ni!tabwei!ende“ – „Normale“ – oder die „Mehrheit“ liegt in der „Mi-e“. No!mals: Diese Verteilung beruht auf Häu)gkeiten und wird o# au! als Balkendiagramm dargestellt. Abbildungste!nis! ist dies, als würden die Datenpunkte unter dem De+mantel der Fors!ung in eine einzige Dimension am unteren Ende der Seite bzw. Abbildung gepresst, wo sie dann sorgfältig in ihren „natürli!en“ klassi)katoris!en Slots aufbewahrt werden. Die Normalverteilungskurve ist ein ho!modernes Konzept, wel!es das Denken der Aufklärung verkörpert und dadur! Wissen produziert, das si! in systematis! geordnete Vorverständnisse einpasst. Die Normalverteilungskurve liegt im metaphoris!en Kern des Konzepts der basic social processes.4 Der traditionelle Fokus der Grounded-Theory-Methodologie eines bestimmten Phänomens auf einen einzigen sozialen Prozess begründet si! in zutiefst universalisierenden und essenzialisierenden Annahmen der Homogenität von Individuen und/oder Erfahrungen, wel!e in das Konzept der Normalverteilung eingebe-et sind. Die wi!tigsten Zwis!enfragen lauten hier: Basic für wen4? Basic für was4? Wel!e bzw. wessen Perspektiven wurden ignoriert oder abserviert4? Und warum nur ein einziger Prozess4? Die Normalverteilungskurve agiert sowohl gra)s! als au! metaphoris!: Obwohl ihre Ränder oder Ausläufer bu!stäbli! mit der Mi-e zusammenhängen, wird uns vorgegaukelt, sie seien für das „Normale“ ni!t konstitutiv. Natürli! sahen Canguilhem ($%03 [$%32]), Foucault ($%02 [$%($], $%// [$%(2]) und viele Symbolis!e Interaktionist/innen, die in den $%('er und $%0'er Jahren mit Funktionalist/innen aneinandergerieten (z.*B. Be+er $%02 [$%(2], $%0' [$%(0]; Blumer $%/' [$%(%]), dies vollkommen anders. Die Mi-e wird vielmehr von den Rändern oder Ausläufern produziert. Die Peripherien oder Kolonien konstituieren den Kern bzw. die Metro4
Vgl. z.*B. Glasers ($%0/, S.$'%4f.) „BSPs im Verglei! zu Einheiten“ [d.*h. Untersu!ungseinheiten – Personen, Institutionen, etc.]. Während i! einigen seiner Argumente zustimme, sind andere klassis! modernistis! und universalisierend, aus einer dur! und dur! positivistis!en Perspektive formuliert. In Punkt & behauptet er zum Beispiel, „Perspektivenfreiheit“ sei ni!t nur mögli!, sondern erstrebenswert. In meinen Augen verwe!selt Glaser den Grad der Abstraktionsfähigkeit mit Generalisierbarkeit und Universalität.
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pole (Bhabha ,''' [$%%3]). Darüber hinaus wurde die breitere Situation, in der das Phänomen historis! und auf andere Weise situiert war, dur! den bes!ränkten Fokus auf das, was als „normal“ konstruiert wird, bis zu ihrem völligen Vers!winden in den Hintergrund gedrängt. Do! unter methodologis!en Gesi!tspunkten wurden diese Argumente meines Era!tens weder „gehört“ no! angemessen in der Fors!ung berü+si!tigt. Mein Vors!lag zur alternativen Verankerung einer postmodernisierten GTM ist stark an die Ansätze und Metaphern der sozialen Welten und Arenen angelehnt. Es ist mein Bestreben, die Metaphern der Normalverteilungen und Normativität dur! relationale Metaphern der Ökologie und Kartogra)e zu ersetzen (vgl. Abbildung $, Mapping von Positionalität). Mein Argument ist, dass wir die modernistis!en eindimensionalen Normalverteilungskurven konzeptionell dur! postmoderne multidimensionale Mappings ersetzen müssen, um gelebte Situationen und die Vielfalt der Positionalitäten, der mens!li!en und ni!t-mens!li!en Aktivitäten und Diskurse in ihnen zu repräsentieren. Sonst werden wir au! weiterhin ledigli! rekursive Klassi)kationen dur!führen, wel!e die empiris!e Welt ignorieren. Diese alternative, relationale Modalität der Darstellung befasst si! ni!t speziell mit Häu)gkeiten, sondern mit Positionen und deren Verteilung auf situativen oder topogra)s!en Karten, wel!e uns darin unterstützen, die Bandbreite von Positionen zu „sehen“. Dieser Ansatz strebt ni!t dana!, einen oder gar mehrere basic social process(es) abzubilden, sondern Karten zu zei!nen. Das Ziel ist es, die Heterogenität der eingenommenen Positionen in der erfors!ten Situation und/oder innerhalb der gegebenen (historis!en und/oder visuellen und/oder narrativen) Diskurse in dieser Situation zu verstehen, bekannt zu ma!en und darzustellen. Sol!e Maps stützen si! stark auf postmoderne Bes!ä#igungen mit der konkreten Darstellung von Vers!iedenheit. Auf diese Weise lösen sie die GroundedTheory-Methodologie von traditionellen positivistis!en Anliegen und gliedern den Ansatz in ein postmodernes Bezugsystem neu ein. Besonders ans!auli! ist dies in Bezug auf die Fortentwi+lung der traditionellen Stärke der Grounded-TheoryMethodologie, die Variationsbreite aufzude+en, wel!e zwar immer präsent ist, aber nie im Vordergrund der Analyse steht. Für das postmoderne Theoretisieren im Stil der Grounded-Theory-Methodologie steht sie im Mi-elpunkt des Interesses. I! verwende häu)g den Begri1 „Vers!iedenheiten“, und er bedeutet mehrere Dinge glei! zeitig. Meine Verwendung hat ihre Ursprünge in der feministis! en Theorie, wel!e si! anfangs mit Fragen der Ges! le!ter- oder Genderdi1erenz bes!ä#igte, dann aber sehr s! nell den Fokus erweiterte und Vers! iedenheiten zwis!en Frauen – also innerhalb der „Kategorie“ „Frauen“ – auf der Grundlage von Rasse, Ethnizität, Klasse, Sexualität, Behinderung und so weiter miteinbezog. Es wurde sehr s!nell deutli!, dass auf der Grundlage jeder dieser und ähnli!er Kategorien der Identitätspolitik dur!aus gewisse Vers!iedenheiten existieren, die weit über den Feminismus hin zu postkolonialen Standorten und darüber hinaus rei!en, do! es gibt au! große und s!werwiegende Unters!iede innerhalb einer Katego-
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rie und viele andere Arten von Unters!ieden. In anderen Worten, die Kategorien der „allgemein anerkannten und vorhandenen Theorie“ sind für die Berü+si!tigung von Vers!iedenheiten ni!t hinrei!end. Abbildung 1
Mapping von Positionalität
(Bi-e stellen Sie si! diese Abbildung vor Ihrem geistigen Auge dreidimensional vor.)
Stepan ($%/(, S.,0&4f.) untersu!t, wie „Vers!iedenheit“ im Laufe der Zeit in den Humanwissens!a#en behandelt wurde und be)ndet, dass Unters!iede vor dem Zweiten Weltkrieg in der Regel mit hierar!is!en Diskursen verbunden waren, wel!e diverse Unglei! heiten legitimierten. Im Gegensatz dazu wurden na! dem Zweiten Weltkrieg Gemeinsamkeiten betont und mit Glei!bere!tigung verknüp#. Im neueren Diskurs wird Glei!bere!tigung unabhängig von Vers!iedenheiten explizit als dazugehörig vorausgesetzt. Darüber hinaus wurden Unters!iede und Re!te au! in Argumente eingebunden, die besagen, dass Unters!iede berü+si!tigt werden müssen, um gewisse Re!te zu s!ützen. Das Konzept der Vers!iedenheit umfasst au! Marginalitäten – und die Erfors!ung der Mens!en in den Randlagen der Gesells!a# hat im Interaktionismus eine lange und tief greifende Tradition. Heute wird dies in einen no! sehr viel breiteren Kontext eingeordnet. Und wie Tsing ($%%2, S.2() su!e i! „Begegnung[en, die] mi! ermutigen, beim Marginalen zu beginnen – und ni!t zu einem imaginierten Zentrum zurü+zukehren, sondern meine Darstellung au! auf andere Grenzlagen auszuweiten“. All diese Vers!iedenheiten müssen ebenfalls gemappt, anerkannt und ihre Implikationen müssen verstanden werden. Darüber hinaus hat si! die poststrukturalistis!e Theorie, darunter die Werke Derridas, mit Vers!iedenheit und ihren Folgen bes!ä#igt: Das Konzept der „Vers! iedenheit“ hat si! während meiner Zeit als Wissens!a#lerin explosionsartig entwi+elt; i! habe die Situationsanalyse zum großen Teil mit dem Ziel entwi+elt, ein Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, das dem Re!nung trägt.
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Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situationsanalyse
In Bezug auf Unters!iede ist das Hauptziel der Situationsanalyse, ihre empiris!e Erfors!ung voranzutreiben. Das heißt, wir können ni!t einfa! nur mutmaßen, was irgendwel!e Arten von Vers!iedenheiten für diejenigen, die si! in einer gegebenen Situation be)nden, bedeuten. Wir brau!en mehr und bessere Methoden, um diese Bedeutungen und ihre Folgen in konkreten sozialen Praktiken, eins!ließli! der Produktion und des Konsums von Diskursen als Praktiken (S!walbe, Goodwin, S!ro+, Thompson & Wolkomir ,''') zu erkunden. Harris (,''$, S.3&() erfasst dieses Prinzip sehr gut, au! wenn er sein Augenmerk auf Unglei!heit ri!tet; sta-dessen könnte au! das Wort „Vers!iedenheit“ eingesetzt werden: „[T]he strength of interactionism derives from its a-ention to the meanings that putatively equal or unequal situations have for those whose behavior one a-empts to understand. These diverse meanings tend to be obscured when sociologists [or other scholars] de) ne inequality, identify its manifestations, measure the extent of its existence, explore its causes and document its e1ects, and advocate ways of diminishing it. In contrast, the primary task for interactionists should be researching the meanings inequality has for people“.
Vers!iedenheiten müssen dur! empiris!e Fors!ung entdingli!t (de-rei#ed) werden. Dies soll natürli! ni!t heißen, die feministis!e Theorie, die Critical Race Theory sowie daran ausgeri!tete Fors!ungen usw. seien nutzlos. Es soll heißen, dass es wi!tig ist, Ausprägungen von Bedeutungen innerhalb bestimmter Situationen zu verstehen. Um unser Verständnis zu erweitern, ist es ebenso wi!tig, die Theorie und andere Studien zu verstehen und anzuwenden. Wir müssen Variation in Datenkategorien erfassen, Variationsbreite in den Daten, Komplexität, Widersprü!e, Multiplizitäten und Ambivalenz(en) in individueller, kollektiver und diskursiver Form. Genau dafür sind Situationskarten geda!t und gema!t. Aber Vers!iedenheit ist au! ni!t alles. In einem der interessantesten neueren Werke der Critical Race Theory, wel!es Implikationen für viele andere Berei!e hat, wurden die „Glei!heit“ und ihr Wirken in bestimmten Situationen hervorgehoben (Essed & Goldberg ,'',). Das heißt, es kann Präferenzen dafür geben, bei Mens!en zu sein oder etwas mit Mens!en zu tun, die „wie i!“ sind und ni!t „anders als i!“. Diese Präferenzen wirken auf diskriminierende Weise gegen Vers!iedenheiten, ohne si! auf bestimmte Vers!iedenheiten per se zu ri!ten. Obwohl also die Intention die Su!e na! Glei! heit und ni!t Ausgrenzung ist, kann die Konsequenz denno! diskriminierende Exklusion sein. Vers!iedenheiten und Glei! heiten sind in allen Arten von sozialen Praktiken, Diskurse inbegri1en, rei)ziert, und diese Praktiken und Diskurse müssen verstanden werden. Situationen zu erfors!en, die Kon.ikte und Kontroversen enthalten, ist eine S!lüsselmethode, um si! Zugang dahin zu vers!a1en, wo Vers! iedenheiten in der Regel stärker als gewöhnli! hervorste!en. In sol!en Situationen tri- das
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Wirken der Ma!t o# klarer hervor. Wie Peter Hall ($%%0, S.3'$) bemerkte: „obwohl Strauss Ma!t und Herrs!a# wahrnahm, stellte er sie ni!t in den Mi-elpunkt und erst re!t konzeptualisierte er sie ni!t“. Dingwall und Strong ($%/&; Dingwall $%%%) kritisierten ganz ähnli! Strauss’ A!tlosigkeit gegenüber dem „Ni!taushandelbaren des sozialen Lebens“. Die Situationsanalyse soll dies auf vers!iedene Weise beheben. Ma!tanalysen sind in kon.iktrei!en und kontroversen Situationen erlei!tert, da implizite, unausgespro!ene oder gar verheimli!te Probleme plötzli! explizit und ausgespro!en werden – oder sogar hinausges! rien. Der Interaktionismus verfügt über ein konzeptionelles Vokabular für sol!e Meads!en Bru!momente: Wendepunkte, Laufbahnen, s!i+salha#e Momente, Epiphanien und so weiter. Jeder dieser Begri1e verweist zumeist im Zusammenhang mit Ma!t in der Situation darauf, „wie die Dinge andernfalls hä-en sein können“ (Hughes $%0$) und ermögli!t einen eher Foucaults!en, genealogis!en Ansatz, der Vergangenheit und Gegenwart für die Analyse erö1net. Die Strategie, Kontroversen zu erfors!en, hat eine lange Tradition und ihren Nutzen in der Wissens!a#s- und Te! nikfors!ung sowie den Medizinwissens!a#en kompetent unter Beweis gestellt (z.*B. Collins $%/$). Dort werden analytis! jene Akteure erfors!t, die ausrei!end Ma!t besitzen, um eine „Beendigung“ der Kontroverse zu bewirken. Do! natürli! sind au! andere Ansätze realisierbar. 2.4
Sensibilisierende Konzepte, Analytiken und Theoretisierungen
Meine vierte Strategie zur Postmodernisierung der Grounded-Theory-Methodologie beinhaltet die Bekrä#igung der analytis!en Hinlängli!keit sensibilisierender Konzepte, Analysen und Theoretisierungen (sta- komple-er Theorien) für solide Grounded-Theory-Fors!ung. Diese ersetzen die Entwi+lung einer inhaltli!en oder formalen Theorie, wie sie in der traditionellen Grounded-Theory-Methodologie (eins!ließli! Strauss $%%&) verfo!ten wird. Prinzipiell würden dort im Laufe der Zeit mehrere Studien in einem bestimmten inhaltli!en Berei! dur!geführt; eine Reihe inhaltli!er Theorien würde dur! die Integration von Konzepten erzeugt, und s!lussendli! würden diese dann zu einer formalen Theorie zusammenges!lossen. Auf diese Weise gingen Glaser und Strauss in ihrer Studie über das Sterben vor. Die Idee der Erzeugung von formalen Theorien dur! die Grounded-Theory-Methodologie war ein ho! modernistis!es Projekt, das selbst in einem komplizierten Bündel von Annahmen über die Entstehung der Soziologie als Parallelwissens!a# zu den Naturwissens!a#en situiert ist. Im Gegensatz dazu stimme i! mit Denzin ($%%,) überein: „wie die Interaktion ist die Gesells!a# ein emergentes Phänomen, ein Rahmen für die Konstruktion der vers!iedenen Formen des sozialen Handelns. Eine umfassende Theorie von etwas niederzus!reiben, das si! stets und ständig verändert, ergibt keinen Sinn“ (S.,2, meine
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Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situationsanalyse
Hervorhebung). Daher ist ein zentraler Aspekt des hier entwi+elten alternativen Ansatzes das Theoretisieren im Stil der GTM dur! die Entwi+lung sensibilisierender Konzepte und integrierter Analytik. Wie Blumer ($%/' [$%(%]) bemerkte: „[D]ie Konzepte unserer Disziplin sind grundsätzli! sensibilisierende Instrumente. Daher nenne i! sie ‚sensitizing concepts‘ und unters!eide sie von ‚de#nitive concepts‘. […] Ein ‚de#nitive concept‘ bezieht si! auf eine gemeinsame Klasse von Objekten mit Hilfe einer klaren De)nition unter Hinweis auf A- ribute oder eindeutige Merkmale. […] Einem ‚sensitizing concept‘ fehlt sol!e Spezi)zierung. […] Sta-dessen gibt es dem Verwender ein allgemeines Gefühl für das, worauf er si! beziehen soll und eine Ri!ts! nur für den Zugang zu empiris!en Einzelfällen. Während ‚de) nitive concepts‘ Vors!ri#en darüber enthalten, was gesehen werden soll, stellen ‚sensitizing concepts‘ nur Vors!läge dar, in wel!e Ri!tung gesu!t werden soll“ (S.$304f., meine Hervorhebungen).
Bezei! nenderweise heißt dies jedo! keineswegs „Analyse light“ – na! Ansi!t einiger Kritiker/innen ein Merkmal zu vieler Grounded-Theory-Projekte. Wie Lo+e ($%%(, S.,33) bemerkte, )ndet das Grounded-Theory-Etike- allzu o# als „Re!tfertigungsrhetorik“ Verwendung, die der „Erklärungsrhetorik“ gegenübergestellt wird. Es bedeutet „interpretative Hinlängli! keit“ (Charmaz ,''() und ausdrü+ li!er, die Situiertheit der analytis!en Hypothesen und Aussagen kenntli! zu ma!en und Übergeneralisierungen sowie Überabstraktionen zu vermeiden. Oder wie Daly ($%%0) es ausdrü+te: Die Herausforderung für die Präsentation eines theoretis!en Texts ist es, die Theorie „ni!t als objektive Wahrheit [zu präsentieren], sondern als situierte und begrenzte Ges!i!te“ (S.2&2). Und zwar deswegen „[u]m die Theorie im Spiel zu behalten, aber sie so umzudeuten, daß au! der Theoretiker im Spiel ist – und all das im wissens!a#li!en Rahmen“ (S.2('). Angemessen sind bes!eidenere und partiale, jedo! ernstha#e, nützli!e und ho1entli! provokative Grounded-Theory-Analysen, sensibilisierende Konzepte, Analytik und Theoriebildung. Im Gegensatz zur Theorie setzt die Analytik keinen transzendenten Ursprung oder Anstoß der Phänomene voraus. Ansta- uns auf Gemeinsamkeiten zu konzentrieren, können wir zudem Ri!tungen und Bli+winkel verfolgen, wel!e die Vers!iedenheit(en) und Komplexitäten sowie heterogenen Positionierungen – unter anderem Ma!tunters!iede in Situationen – o1enbaren. Das Ziel ist ni!t die Vorhersage, sondern was Fosket (,'',, S.3') als „di!te Analyse“ bes!rieb. Die Mögli!keit der Ausweitung der analytis!en Theoriebildung auf andere, parallele oder verwandte Situationen besteht natürli! weiter. Hier aber wird dies eher dur! Verglei!e als dur! theoretis!e Formalisierung und Transzendenzbehauptungen errei!t.
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2.5
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Die Dur!führung von Situationsanalysen
Meine fünfte Strategie zur Postmodernisierung der GTM beinhaltet die Anfertigung von empiris!en, analytis!en Maps von Situationen und die Dur!führung vers!iedener Situationsanalysen. Das Ziel der Situationsanalysen ist es, eine bestimmte interessierende Situation mi-els Spezi)kation, Re-Repräsentation und ans!ließender Untersu!ung der markantesten Elemente in dieser Situation sowie die Beziehungen zwis!en ihnen zu analysieren. Einige dieser Elemente wurden traditionell als „Kontext“ diskutiert. Hall und McGinty (,'',) zum Beispiel argumentierten tre1end, dass einige „interactionists have in varying ways elaborated how context ma-ers but have been extremely leery of conventional assumptions about social structure. […] [Instead they have] actively engaged in clarifying the nature of social organization (a term chosen in lieu of social structure). […] Words like society, the state, bureaucracy, and group mask contradiction, complexity, ambiguity and incompleteness. The nature and degree of social organization must be an empirical question. In addition, interactionists have disputed views of social organization as external and constraining, as standing above and apart from social actors. They have argued for its embeddedness and active conditional in.uence and its continual […] [re]constitution by those actors. The resulting interactionist view of social organization is one that is complex, processual, dynamic, variably coupled, and open“ (S.2'2, meine Hervorhebung).
Dem stimme i! voll und ganz zu, i! gehe aber no! einen S!ri- weiter: Die wi!tigen sogenannten kontextuellen Elemente be)nden si! genau genommen in der Situation selbst. Sie sind für sie konstitutiv, strukturelle und Ma!telemente inbegri1en. Und als sol!e können wir sie mappen und analysieren. Weshalb brau!en wir Situations-Maps4? Wieso keine Erzählungen4? Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen. Lassen Sie mi! mit einigen Vorzügen sol!er Maps beginnen, die von David Turnbull (,''') erläutert und von mir weiter ausgearbeitet wurden. Da Maps visuelle Darstellungen sind, dur!bre!en sie (einige/die meisten) unsere(r) normalen Arbeitsweisen und fordern uns heraus, die Dinge ganz neu zu betra!ten. Maps funktionieren au! sehr viel einfa!er als diskursive Werkzeuge zur Herstellung von Gruppierungen und Verbindungen – relationale Analysen. Maps sind exzellente „Hilfsmi-el zur ‚Materialisierung‘ von Fragen“. Maps sind Werkzeuge der Kontrolle, Aneignung und ideologis!en Meinungsäußerung. Mapping ist ein elementarer kognitiver Prozess – wir können „es einfa! tun“.5 Mapping erö1 net Wissensräume. Maps sind großartige Grenzobjekte (boundary objects) – Hilfsmi-el für den Umgang mit Multiplizität, Heterogenität und Unordnung in einer Weise, die au! auf andere Berei!e übertragbar ist. Maps eignen si! gut für räumli!e 5
Anm. d.*Ü.: „just do it“ im Original.
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Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situationsanalyse
sowie zeitli!e Narrative. Mappings können rü+gängig gema!t und neu angelegt werden. Darüber hinaus sind Maps als Hilfsmi-el zur Analyse von Relationalität ein wi!tiger Bestandteil der Chicagoer S!ule. Do! was hier am wi!tigsten ist, man kann si! auf/in Karten viel s! neller und einfa!er bewegen als in narrativen Texten – dadur! sind sie ideal für analytis!es Arbeiten. S!ließli! wurden Maps zumindest seit Anbeginn der postkolonialen Ära weithin als ho! politis!e – und veränderli!e – Werkzeuge aufgefasst. Ho1entli! führt dies zu mehr Re.exivität in der Zukun#. Natürli! bleiben die Maps darauf bes!ränkt, was von einem bestimmten Interpreten/einer bestimmten Interpretin zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort „beoba!tet“ werden kann. Keine Methode überwindet die Situiertheit ihrer Nutzer/innen. Eine Methode kann jedo! versu!en, deren Situiertheit zu verwenden, um die Qualität der Fors!ung zu verbessern. 2.6
Die Wende zum Diskurs/zu Diskursen
Die se!ste und letzte Strategie zur Postmodernisierung von Grounded-TheoryMethodologie/Symbolis!em Interaktionismus besteht darin, si! mit Foucault zum Diskurs zu wenden. Dies s!ließt Situationsanalysen von narrativen, visuellen und historis!en Diskursen in der Grounded-Theory-Fors!ung mit ein, um die Bandbreite der erfors!ten Berei!e des sozialen Lebens zu erweitern. Hierin fühle i! mi! von C. Wright Mills angespornt „mit seiner na!drü+li!en Forderung, dass die Sozialtheorie Biogra)e und Ges!i!te im Zusammenhang betra!ten muss und die Ges! i!ten, die wir selbst über uns selbst erzählen und die ni!ts sind als die Auferlegung eines Erzählstrangs auf die Phantasmagorie der Erfahrung, mit den Ges!i!ten, wel!e die Erzählmas!inerie der Gesells!a# ni!t nur über uns, sondern über die Gesells!a# selbst erzählt“ (Carey ,'',, S.,'$).
Wir brau!en mehr und besseres Verständnis der vers!iedenen „Erzählmas!inerien“ und der Diskurse, die sie produzieren (vgl. dazu in der dt. Übersetzung der „Situationsanalyse“, Clarke ,'$$ [,''&], die Kapitel 3–(). 3
Re!exionen und Erwartungen
Lassen Sie mi! diesen Beitrag mithilfe einer Tabelle zusammenfassen, obwohl i! mir der Ironie gewahr bin, so etwas in Zeiten der Postmoderne anzubieten (Lather $%%$, S.$&%; vgl. Tabelle $). Die Tabelle stellt die Grounded-Theory-Methodologie ni!t so dar, wie es für gewöhnli! der Fall ist – und sie soll es au! ni!t, ganz und gar ni!t. Vielmehr versu!e i!, einige der in der Praxis problematis!en Tendenzen hervorzuheben, die in der traditionellen Grounded-Theory-Methodologie aufgrund
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der anhaltenden Aura oder Verheißungen des Positivismus aufgetreten sind und wie diese si! manifestieren. In ähnli!er Weise versu!e i!, einige Ziele der konstruktivistis!en Grounded-Theory-Fors!ung aufzuzeigen – idealerweise viellei!t etwas deutli!er als dies bisher in der Praxis ges! ieht. Die Tabelle bietet einen Überbli+ über die Ri!tungen, in wel!e i! die Grounded-Theory-Methodologie bewegen mö!te, um sie vollständig dur! den postmodern turn zu steuern. Tabelle 1
Von traditionellen/positivistis!en zu postmodernen/ konstruktivistis!en Orientierungen in der GroundedTheory-Methodologie
Traditonelle/positivistische Grounded-Theory-Methodologie
Postmodernes/konstruktivistisches Grounded Theorizing
Die folgenden Angaben sollten stets als nur teilweise zutreffend betrachtet werden, d. h. nicht immer bzw. in jedem Fall.
Für die folgenden Angaben gilt stets‚ sie nach der Maxime aufzugreifen, „falls und wie sie in den Daten vorgefunden werden“.
Positivistisch/realistisch
Konstruktivistisch/relativistisch
Dualismus von Subjekt und Objekt
Kontinuitäten von Subjekt und Objekt
Entdecken/finden
Konstruieren/machen
Korrespondenztheorie der Wahrheit
Sozialkonstruktivistische Theorie der Wissensproduktion
Naive Objektivität
Nichtunschuldige Subjektivität/Reflexivität
(Über-) Homogenisierung, (Über-) Generalisierung
Multiple Positionen, heterogene Darstellungen
A-priori-Verwerfung der Möglichkeit von Widersprüchen
Darstellung von Widersprüchen als analysiert/interpretiert
Erwünschtheit von Vereinfachung
Darstellung von Komplexität
Strebt Schlussfolgerungen an
Vorläufig, eröffnend, widerstreitend, störend
Dominanz der Stimme der Autor/innen bzw. Expert/innen
Multiple Stimmen, Perspektiven, Intensitäten, Reflexivitäten
(Trügerische/überzogene) Klarheit
Ambiguität der Darstellung
„Normale/durchschnittliche“ und „negative Fälle“
Verschiedenheit, Variationsbreite, Ausreißer, Positionalität
Stillschweigend progressiv, linear
Zweifelhaft, gegen den Strom
Annahme von Normativität
Annahme von Positionaliät
Metaphern der Normalverteilungskurve
Metaphern der Kartografie
Ziel: Entwurf eines basic social process (BSP) und einer formalen Theorie
Ziel: Konstruktion von Prozessen, sensibilisierenden Konzepten, Situationsanalysen und Theoretisierungen
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Von der Grounded-Theory-Methodologie zur Situationsanalyse
Dieser Beitrag hat alles in allem drei wesentli!e Quintessenzen: Erstens, ein Theoriebildungsansatz im Stil der Grounded-Theory-Methodologie kann nutzbringend verwendet werden, um Situationsanalysen zu konstruieren und basic social processes zu identi)zieren. Zweitens ist es ein zentrales Ziel dieser Analysen, die Darstellung von Vers!iedenheit(en) und Komplexitäten aller Art zu verbessern – vor allem in Bezug auf Unters!iede in der Praxis und eben ni!t abstrahierte Unters!iede. Und dri-ens, die radikale re.exive Handlung, die wir als Kartograf/innen dur! führen, ist es, uns selbst zu o1enbaren, indem wir sowohl analysieren, was „wir“ tun als au!, was „sie“ tun. Es rei!t ni!t aus, Handlungen zu untersu!en. Wir brau!en analytis!e Maps zur Darstellung eingenommener Positionen sowie ihrer entspre!enden Standorte und Ma!t. Wir brau!en verbesserte Methoden, um die Konstruktionen des Terrains zu erfassen – Höhen, Topogra)en, Maßstab, Bes!a1enheit etc. Wir brau!en Methoden, die glei! zeitig auf Akteure in Aktion und Re.exion und diskursive Konstruktionen mens!li!er und ni!t-mens!li!er Akteure und Positionen sowie deren Auswirkungen geri!tet sind. Wir brau!en Kartogra)en diskursiver Positionen. Dies soll ni!t heißen, dass aus der Analyse von basic social processes keine hervorragenden Studien hervorgegangen sind. Die gab es und es wird sie au! weiterhin geben. I! versu!e au! ni!t, prozessuale Ansätze und auf Grounded-Theory-Methodologie beruhende Handlungsanalysen abzus!a1en oder zu ersetzen. Mein Ziel ist es, Situationsanalysen für vers!iedene Zielgruppen, die diese Ansätze für die Bewältigung der empiris!en Welt in postmodernen Zeiten sinnvoll )nden werden, zugängli! zu ma!en. Literatur Becker, Howard S. ($%0' [$%(0]). Whose side are we on4? In Howard S. Becker (Hrsg.), Sociological work: Method and substance (S.$,2–$23). New Brunswick, NJ: Transaction Books. Becker, Howard S. ($%02 [$%(2]). Outsiders: Außenseiter. Zur Soziologie abwei!enden Verhaltens. Frankfurt/M.: Fis!er. Bhabha, Homi (,''' [$%%3]). Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stau1enberg Verlag. Blumer, Herbert ($%/' [$%(%]). Symbolic interactionism: Perspective and method. Englewood Cli1s, NJ: Prentice Hall. Bowker, Geo1rey & Star, Susan L. ($%%%). Sorting things out: Classi#cation and its consequences. Cambridge, MA: MIT Press. Canguilhem, George ($%03 [$%32]). Das Normale und das Pathologis!e. München: Hanser. Carey, James W. (,'',). Cultural studies and symbolic interactionism: Notes in critique and tribute to Norman Denzin. Studies in Symbolic Interaction, $%, $%%–,'%. Charmaz, Kathy (,'''). Grounded theory: Objectivist and constructivist methods. In Norman Denzin & Yvonne Lincoln (Hrsg.), Handbook of qualitative research (,. Aufl., S.&'%–&2(). Thousand Oaks, CA: Sage. Charmaz, Kathy (,''(). Constructing grounded theory. A practical guide through qualitative analysis. London: Sage.
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Teil III Kontroversen
Editorial
Die Grounded-Theory-Methodologie (GTM) wurde von Beginn an von diversen Deba!en begleitet, einige davon stehen in einem allgemeineren Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um den Stellenwert qualitativer Fors"ung, andere zielen direkter in das Zentrum der GTM. Zu letzteren gehören au" jene Kontroversen, die dur" Barney Glaser und dessen Kritik an alternativen GTM-Konzepten entzündet wurden, und die si" sukzessive in die Frage „Glaser vs. Strauss“ verdi"teten. Angesi"ts der Grundsätzli"keit dieser Deba!e widmen si" die hier versammelten Artikel von Udo Kelle, Jörg Strübing sowie Jo Rei"ertz dieser Auseinandersetzung. Es handelt si" dabei um jeweils umfassende Stellungnahmen und komparative Sondierungen der beiden Versionierungen der GTM, wobei es den Autoren darum geht, den theoretis"en Gehalt der GTM zu bemessen. Udo Kelle arbeitet den Stellenwert der vers"iedenen Kodierformen in den Ansätzen von Glaser vs. Strauss/Corbin verglei"end heraus und spitzt dies auf die Frage zu, ob es si" bei der Theorienarbeit und Kategorienentwi#lung um forcing – also das Aufpfropfen von Konzepten der Fors"enden auf die Daten – oder um „Emergenz“ handele, also das quasi automatis"e Entstehen von Konzepten aus den Daten. In diese zentrale Frage, die Glaser selbst als Kontrastfolie anbietet, ist, so Kelle, ein (Selbst-) Missverständnis der GTM eingewoben, das des Induktivismus, das si" als theoretis" ni"t haltbar erweise. Jörg Strübing dur"mustert ebenfalls die GTM und die Position Glasers und kommt wie Kelle zu der Diagnose, dass Glasers Vorstellungen einem überzogenen Induktivismus verp$i"tet seien. Strübings Analyse wirkt strikter als die von Kelle vorgetragene Darlegung, wohl au", weil Strübing si" fast auss"ließli" mit Glaser und dessen Werk auseinandersetzt, während Kelle verglei"end Glaser und Strauss (sowie Strauss und Corbin) zu bewerten versu"t. Mit Bli# auf den Ansatz von Strauss (und Corbin) geht Jo Rei"ertz von dem Befund aus, dass beide zwar – und dies im Unters"ied zu den Anfängen der GTM – akzeptiert hä!en, dass Theorieentwi#lung selbst immer s"on theoriegeleitet sei, eine abduktive Fors"ungslogik aber nie expliziert hä!en. Er untersu"t deshalb, in wel"er Weise die GTM sensu Strauss und Corbin zumindest implizit einer abduktiven Logik verp$i"tet war und kommt zu dem S"luss, die die viel zitierte „Glaser vs. Strauss“-Deba!e zum Teil au" als eine Kontroverse darüber verstanden werden kann, inwieweit eine induktive oder eine abduktive Fors"ungslogik zum Tragen kommt. Günter Mey & Katja Mru#
„Emergence“ oder „Forcing“!? Einige methodologis"e Überlegungen zu einem zentralen Problem der Grounded-Theory1 Udo Kelle
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Wie können Kategorien aus Daten „emergieren“!? Die „Theoriegeladenheit“ der Erfahrung als ein Problem der Grounded-Theory-Methodologie
Ist es möglich, den Anspruch, theoretische Kategorien und Aussagen auf der Grundlage empiris!er Daten zu entde"en, mit der Tatsa!e zu vereinbaren, dass Fors!ende (implizit oder explizit, willentli! oder ni!t-willentli!) immer und grundsätzli! auf s!on vorhandene theoretis!e Konzepte zurü"greifen, wenn sie ihre Daten analysieren#? In den mehr als $% Jahren, die der Publikation der berühmten Monogra&e „The Discovery of Grounded Theory“ von Glaser und Strauss im Jahr '()* folgten, haben beide Autoren vers!iedene Versu!e unternommen, diesen methodologis!en Kon+ikt zu lösen. Ein wesentli!es Ziel des „Discovery-Bu!s“ (wie es in der anglo-amerikanis!en Deba,e o- genannt wird) war es, dem hypothetiko-deduktiven (HD-) Ansatz empiris!er Fors!ung, der eine Formulierung präziser und ausformulierter Theorien und Hypothesen vor der Datenerhebung verlangt, einen alternativen Entwurf entgegenzusetzen. Glaser und Strauss ('()*, S.'#f.) kritisierten hierbei die „overemphasis in current sociology on the veri&cation of theory, and a resultant de-emphasis on the prior step of discovering what concepts and hypotheses are relevant for the area that one wishes to research“. In diesem Zusammenhang beklagten sie, dass „many of our tea!ers converted departments of sociology into mere repositories of ‚greatman‘ theories“ (S.'%), was zu einem Antagonismus zwis!en „theoretical capitalists“ auf der einen Seite und einer großen Masse von „proletariat testers“ auf der anderen Seite führe. Sol!ermaßen gibt si! das Discovery-Bu! auf seinen ersten Seiten als ein Versu!, die Anliegen jener Na!wu!sfors!er/innen und Doktorand/innen zu stärken, die im Wesentli!en dieses „wissens!a-li!e Proletariat“ bildeten.
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Der Beitrag liegt erstmals in Deuts! vor. Die englis!e Version ist .%%/ unter dem Titel „‚Emergence‘ vs. ‚Forcing‘ of Empirical Data#? A Crucial Problem of ‚Grounded Theory‘ Reconsidered“ in Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, !(.) (Art. .*. h,p://nbn-resolving. de/urn:nbn:de:%''$-fqs%/%..*/) ers!ienen.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_1 , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
„[…] we are also trying, through this book, to strengthen the mandate for generating theory, to help provide a defense against doctrinaire approa!es to veri&cation […]. It should also help students to defend themselves against veri&ers who would tea! them to deny the validity of their own scienti&c intelligence“ (S.*).
Zu diesem Zwe" s!lugen Glaser und Strauss eine „allgemeine Methode verglei!ender Analyse“ vor, die das „Auftau!en“ (emergence) von Kategorien aus Daten als eine Alternative zum HD-Ansatz in der Sozialfors!ung ermögli!e: „We suggest as the best approa! an initial, systematic discovery of the theory from the data of social resear!. Then one can be relatively sure that the theory will &t and work“ (S.0). Um zu verhindern, dass empirische Daten in das Prokrustesbe, einer Theorie gezwungen würden, sollten Forschende unter anderem „ignore the literature of theory and fact on the area under study, in order to assure that the emergence of categories will not be contaminated […]“ (S.0*). Ironis!erweise ist sol! ein Standpunkt eine der Wurzeln der positivistis!en Erkenntnistheorie. Nur in der Frühzeit der modernen Naturwissens!a- im '*. und '1. Jahrhundert vertraten klassis!e Empiristen wie Francis Bacon oder John Lo"e die Idee, dass wissens!a-li!e Theorien dur! einfa!e induktive Generalisierung aus Beoba!tungsdaten entwi"elt werden müssten. Folgt man Bacon, so müssen Fors!ende vor dem Kontakt mit ihrem empiris!en Feld den Geist von theoretis!en Vorannahmen und „Idolen“ reinigen. Diese erkenntnistheoretis!e Position (heutzutage wird von „naivem Empirismus“ oder „naivem Induktivismus“ gespro!en, vgl. Chalmers .%%)) besitzt jedo!, insbesondere seit Immanuel Kant in seiner „Kritik der reinen Vernun-“ die S!wä!en des frühen Empirismus aufgede"t hat, fast keine Anhänger mehr – und selbst im Wiener Kreis wurde in der Ho!zeit des „Logis!en Positivismus“ in den '(0%er Jahren sol!e Positionen ni!t mehr vertreten. Dementspre!end wird die Idee, dass Fors!ende si! die „empiris!e Realität, so wie sie wirkli! ist“, zugängli! ma!en könnten, wenn sie si! vor jedem Kontakt mit dem Fors!ungsfeld der theoretis!en Begri2sbildung enthalten, in der modernen Wissens!a-sphilosophie ni!t mehr als ernstzunehmende Position betra!tet, wie es etwa der Philosoph Larry Laudan ('(**, S.'/) mit den folgenden Worten deutli! ma!t: „Both historical examples and recent philosophical analysis have made it clear that the world is always perceived through the ‚lenses‘ of some conceptual network or other and that su! networks and the languages in whi! they are embedded may, for all we know, provide an ineliminable ‚tint‘ to what we perceive“).
Empiris!e Beoba!tungen lassen si! ni!t von theoretis!en Ein+üssen befreien; bereits das „Sehen“ ist, so der Wissens!a-sphilosoph Norwood Hanson ('()/, S.'() „a ‚theory-laden‘ undertaking. Observation of x is shaped by prior knowledge of x“. Seit Langem ist es eine weit akzeptierte Einsi!t der Erkenntnistheorie und
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der kognitiven Psy!ologie, dass es s!le!terdings keine Sinneswahrnehmungen gibt, die ni!t in irgendeiner Weise von Erwartungen beein+usst werden (vgl. Lakatos '(*1, S.'/), und dass die Konstruktion von Theorien, ob mithilfe empiris!er Daten vorgenommen oder ni!t, ni!t einfa! ab ovo beginnen kann, sondern auf bereits bestehende Wissensbestände Bezug nehmen muss. Die philosophis!e Kritik des Induktivismus und die Betonung der „Theoriebeladenheit“ der Erfahrung ma!t uns au! auf die Bedeutung theoretis!en Vorwissens beim hermeneutis!en Verstehen aufmerksam (Kelle '((/, S.01) und übersetzt si! dort in das Problem des „hermeneutis!en Zirkels“: Qualitativ Fors!ende, die eine bestimmte soziale Lebenswelt untersu!en, bringen grundsätzli! ihre eigenen „Linsen“ und begri2li!en Netzwerke mit, die sie gar ni!t fallen lassen können, denn dann wären sie überhaupt ni!t mehr in der Lage, bedeutungsvolle Sa!verhalte zu beoba!ten oder zu bes!reiben, sondern wären nur no! mit !aotis!en, fragmentierten und bedeutungslosen Eindrü"en konfrontiert. Die Undur! führbarkeit einer induktivistis!en Strategie lässt si! ni!t nur anhand epistemologis!er Argumente aufzeigen, sondern au! in der Fors!ungspraxis. Insbesondere Neulinge in der qualitativen Fors!ung, die unbedingt das vermeintli!e Grundprinzip der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) bea!ten wollen, wona! Kategorien aus Daten „emergieren“ müssen und ihnen ni!t „aufgezwungen“ werden dürfen, geraten beim o2enen Kodieren in S!wierigkeiten – die Su!e na! angemessenen Kodes und Kategorien kann dann zu einer ungemein anstrengenden und zeitraubenden Angelegenheit (mit man!mal zahllosen und ni!t endenden Teamsitzungen) werden, wenn si! die Mitglieder eines Fors!ungsprojekts weigern, theoretis!e Begri2e in die Kodierung einzuführen. Aus dem Wuns!, Kategorien mögen „emergieren“, resultiert dann lei!t ein code overload, eine !aotis!e Proliferation von Kodes und Kategorien. Eine Gruppe von Na!wu!swissens!a-ler/innen, die mi! um methodis!e Unterstützung bei ihrem ersten Fors!ungsprojekt gebeten ha,e, bra!te diesen Prozess folgendermaßen auf den Punkt: „Die Umsetzung der von Glaser und Strauss empfohlenen Strategie des o2enen Kodierens – der Text wird dabei Zeile für Zeile gelesen und ad hoc kodiert – erwies si! […] als unerwartet aufwendig und umständli!. Dies hing damit zusammen, dass die Fors!ungsgruppe bei dem Bemühen, die Perspektive der untersu!ten Jugendli!en zur Geltung zu bringen, zu Beginn der Auswertung geradezu skrupulös darauf beda!t war, au! vordergründig Unwesentli!es ni!t zu verna! lässigen. Beherrs!t von der Vorstellung, ‚tabula rasa‘ an den Text heranzugehen, dessen Inhalt und Struktur dabei unverfäls!t aufzunehmen und aus Fur!t, den Fors!ungsgegenstand dur! zu viel eigenes Wissen zu stark zu strukturieren, s!rieben die Fors!er jedem einzelnen Wort ein hohes Gewi!t zu. Diese Unsi!erheiten ließen si! au! ni!t dur! Hinweise zum o2enen Kodieren aus der entspre!enden Methodenliteratur abs!wä!en, wona! es si! bei der Entwi"lung von Kodes nur darum handelt, ‚vorläu&g‘ zu kodieren, wobei die entstehenden Konzepte im
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Verlauf des Fors!ungsprozesses ‚ihre Brau!barkeit‘ erweisen müssen. Vielmehr herrs!te zu Beginn des Auswertungsprozesses die Auffassung vor: ‚Alles ist wi!tig#!‘ – jeder au! intuitiv no! so unwi!tige Zusammenhang wurde kodiert, in unzähligen Memos festgehalten und diskutiert. Dies führte zu einer kaum no! zu bewältigenden Datenmasse, in der die Fors!er bald zu ertrinken drohten.“ (Kelle, Marx, Pengel, Uhlhorn & Wi, .%%0, S..$.)
Ein sorgfältigerer Bli" in das Discovery-Bu! zeigt jedo!, dass si! Glaser und Strauss dieses Problems dur!aus bewusst waren, denn sie s! reiben dort: „Of course, the resear!er does not approa! reality as a tabula rasa. He must have a perspective that will help him see relevant data and abstract signi&cant categories from his scrutiny of the data“ ('()*, S.0). Hierfür s!ufen sie den Begri2 der „theoretis!en Sensibilität“ (theoretical sensitivity), womit die Fähigkeit von Fors!enden gemeint ist, relevante Daten zu sehen bzw. über empiris!e Daten in theoretis!en Begriffen zu re+ektieren. „Sources of theoretical sensitivity build up in the sociologist an armamentarium of categories and hypotheses on substantive and formal levels. This theory that exists within a sociologist can be used in generating his speci&c theory […]“ (S.$)). Aber wie kann man si! eine sol!e „Ausrüstung mit Kategorien und Hypothesen“ vers!a2en#? Das Discovery-Buch enthält hier nur einige sehr verstreute und kursorische Hinweise auf die great man theorists, welche „[…] have indeed given us models and guidelines for generating theory, so that with recent advances in data collection, conceptual systematization and analytic procedures, many of us can follow in their paths“ (S.''). Diese Bemerkung ist überras!end, wenn man si! die Polemik gegen die „Theoriekapitalisten“ vergegenwärtigt, die an anderer Stelle vorgetragen wird. Des Weiteren s!reiben Glaser und Strauss, eine empiris! begründete Theorie verbinde Konzepte und Hypothesen, wel!e aus den Daten emergiert sind, mit bereits existierenden „that are clearly useful“ (S.$)). Nur enthält das Discovery-Bu! an keiner Stelle Hinweise darauf, wie eine sol!e Kombination bewerkstelligt werden kann. Insgesamt lässt si! also festhalten, dass in der frühesten Fassung der GTM zwei Konzepte relativ unverbunden nebeneinander stehen: Auf der einen Seite wird der Rats!lag gegeben, Sozialfors!er/innen sollten auf „theoretis! sensible“ Weise relevante Phänomene in den Daten identi&zieren, auf der anderen Seite &ndet si! die Idee, dass dann, wenn Fors!ende si! ihrem Feld ganz ohne theoretis!es Vorwissen nähern würden, theoretis!e Konzepte aus den Daten „emergieren“ könnten. Die Konstrukte emergence und theoretical sensivity werden dabei ni!t methodologis! aufeinander bezogen und integriert, und der Begri2 der „theoretis!en Sensibilität“ wird au! ni!t in Form expliziter methodologis!er Regeln erläutert: Was ist zu tun, um theoretis! sensibel zu werden#? Wann gehen Fors!ende theoretis! sensibel an die Daten heran und wann ni!t#? Und s!ließli!: Wie können theoretis! sensible Fors!ende vermeiden, in ihren eigenen Daten quasi zu ertrinken#? Werden die im Discovery-Bu! häu&g ausgespro!enen Warnungen davor, theoretis!e Konzepte den Daten „aufzuzwingen“ (to force), in Betra!t gezogen, dann kann aus
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dem Nebeneinander von theoretical sensitivity und emergence am ehesten der S!luss gezogen werden, dass Anwender/innen der GTM geeignete theoretis!e Konzepte ad hoc unter Verwendung impliziten theoretis!en Wissens einführen sollen und dabei davon absehen müssen, si! ihrem Feld und den Daten mit ex ante formulierten Hypothesen zu nähern. 2
Zwei vers"iedene Ansätze zur Lösung des Problems
2.1
Glasers Ansatz: theoretis"e Kodierung mithilfe von „Kodierfamilien“
Vieles aus den späteren S!ri-en von Glaser und Strauss lässt si! als Versu! verstehen, der „Theoriebeladenheit“ empiris!er Beoba!tung Re!nung zu tragen und die Lü"en zwis!en den Konzepten des „Emergierens“ und der „theoretis!en Sensibilität zu überbrü"en. Bei diesen Bemühungen s!lugen beide Autoren jedo! vers!iedene Ri!tungen ein: Barney Glaser versu!te, das Konzept der „theoretis!en Sensibilität“ in einer eigenen, '(*1 verö2entli!ten Monogra&e mit der Hilfe des Begri2s der „theoretis!en Kodierung“ (theoretical coding) zu klären, die er von der „gegenstandsbezogenen Kodierung“ (substantive coding) abgrenzte. Beiden Formen der Kodierung entspre!en bei Glaser zwei vers!iedene Typen von Kodes, nämli! „gegenstandsbezogene“ und „theoretis!e“ Kodes. Gegenstandsbezogene Kodes (substantive codes) werden während der „o2enen Kodierung“ (open coding), der ersten Stufe des Kodierprozesses, ad hoc entwi"elt und beziehen si! auf den empiris!en Gegenstand (empirical substance) des Fors!ungsfeldes. Die theoretis!en Kodes hingegen, die Fors!ende stets zur Verfügung haben sollten, „conceptualize how the substantive codes may relate to ea! other as hypotheses to be integrated into a theory“ (S.*.). Theoretis!e Kodes sollen also m.3a.3W. genutzt werden, um gegenstandsbezogene Kodes so miteinander zu verbinden, dass ein theoretis!es Modell über den untersu!ten Gegenstandsberei! entstehen kann. Beispiele, die Glaser nutzt, um sol!e theoretis!en Kodes zu bes!reiben, sind formale Begri2e der Erkenntnistheorie und der Sozialwissens! a-en, mit denen grundlegende Annahmen über die Ordnung der (sozialen) Welt getro2en werden können. Hierzu gehören etwa Begri2e wie „Ursa!en“, „Kontexte“, „Konsequenzen“ oder „Bedingungen“: Indem also bspw. bestimmte Ereignisse (wel!e zuvor mit gegenstandsbezogenen Kodes kodiert wurden) als Ursa"en und andere als Wirkungen theoretis! kodiert würden, würden si! die bis dahin entwi"elten gegenstandsbezogenen Kodes in ein kausales Modell integrieren lassen. In „Theoretical Sensitivity“ legt Glaser eine ausführli!e Liste von theoretis!en Kodes vor, die er in Form sogenannter „Kodierfamilien“ (coding families) ordnet. Hierbei werden vers!iedene theoretis!e Konzepte, die aus sehr unters! iedli!en (sozialwissens!a-li!en, philosophis!en oder Alltags-) Kontexten stammen, zusammengefügt, so etwa
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Begri2e, die si! auf das Ausmaß einer Merkmalsausprägung (degree family) beziehen, wie „Ausmaß“, „Grad“, „Berei!“, „Kontinuum“, „Umfang“ usw.; Begri2e, die si! auf das Verhältnis zwis!en einem Ganzen und seinen Elementen (dimension family) beziehen, wie „Element“, „Teil“, „Face,e“, „Sektor“, „Aspekt“, „Segment“ usw.; Begri2e, die si! auf kulturelle Phänomene (cultural family) beziehen, wie „soziale Normen“, „soziale Werte“, „soziale Überzeugungen“ usw.
Hinzu kommen '$ weitere Kodierfamilien, die Begri2e mit sehr unters!iedli!em theoretis!en Hintergrund, aus vers!iedenen Diskussionskontexten und au! theoretis!en S!ulen der Philosophie und der Sozialwissens!a-en enthalten. Dabei lassen si! man!e Begri2e dur!aus in mehrere Kodierfamilien einordnen: Der Begri2 „Ziel“ (goal) etwa ist Teil der Kodierfamilie, die si! auf Handlungsstrategien bezieht (strategies family) und ebenso Teil der Kodierfamilie, die die Beziehung zwis!en Mi,eln und Zielen betri5 (means-goal family). Glaser bietet hier also einen Fundus (man könnte au! sagen: einen Mis!mas!) von heuristis!en Konzepten an, die Fors!enden bei der Entwi" lung theoretis!er Sensibilität helfen sollen, indem sie ihnen die Ordnung des Datenmaterials unter vers! iedenen theoretis!en Gesi!tspunkten ermögli!en. Hierbei muss jedo! die Frage o2en bleiben, wie die vielen mögli!en theoretis!en Kodes im Einzelfall zur Bes!reibung und Erklärung empiris!er Phänomene genutzt werden können. Die Verwendung einer einzelnen Kodierfamilie kann dazu o- gar ni!t ausrei!en. So ist bspw. jene Kodierfamilie, die si! auf kausale Modelle bezieht, für die theoretis!e Verknüpfung gegenstandsbezogener Kodes ni!t ausrei!end, weil das in dieser Kodierfamilie enthaltene allgemeine Kausalmodell ni!t angibt, wel!e Typen von Ereignissen in einer bestimmten sozialen Situation normalerweise als Ursa!en und wel!e als Folgen bezei!net werden können. Liegt der theoretis!en Kodierung auss!ließli! das allgemeine Kausalprinzip zugrunde, so könnten grundsätzli! alle Ereignisse, die miteinander kovariieren, als Ursa!e oder Folge betra!tet werden. Um ein kausales Modell über das Verhältnis zwis!en spezi&s!en Ereignissen zu konstruieren, wäre es aber nötig, ni!t nur formale, sondern au! inhaltli!e (also soziologis!e, psy!ologis!e etc.) Kategorien einzubeziehen. Dies gilt au! für die anderen Kodierfamilien, die einerseits formale und logis!e Konzepte (wie „Kausalität“) und andererseits inhaltli!e soziologis!e Begri2e umfassen (wie „soziale Rollen“, „Identität“ oder „Kultur“). Nur wenn beide Arten von Begri2en miteinander verknüpwerden, lässt si! eine sinnvolle gegenstandsbezogene sozialwissens!a-li!e Theorie entwi"eln. Glasers Liste der Kodierfamilien fehlt allerdings eine sol!e Di2erenzierung zwis!en „formalen“ und „inhaltli!en“ Begri2en. Somit bietet sein Konzept der theoretis!en Kodierung zwar einen Ansatz, um den Induktivismus der frühen GTM zu überwinden, seine Brau!barkeit für die Fors!ungspraxis ist aber bes!ränkt. Denn es wird ni!t erläutert, wie formale und inhaltli!-soziologi-
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s!e Konzepte sinnvoll miteinander verbunden werden können, um eine empiris! begründete Theorie zu entwi"eln. 2.2
Der Ansatz von Strauss und Corbin: axiale Kodierung und das Kodierparadigma
In seinem '(1* verö2entli!ten Lehrbu! „Qualitative Analysis for Social Scientists“ bes!reibt Anselm Strauss eine etwas einfa!ere und besser na!vollziehbare Strategie, wie theoretis!es Wissen in die Analyse qualitativer Daten einbezogen werden kann. Wie in früheren Versionen der GTM beginnt der Prozess auch hier mit der o2enen Kodierung „scrutinizing the &eldnote, interview, or other document very closely; line by line, or even word by word. The aim is to produce concepts that seem to &t the data“ (S..1). Hierbei geht Strauss aber nun auf die spezi&schen Schwierigkeiten ein, die insbesondere Neulinge bei der Entwicklung von Kategorien haben: „The common tendency is simply to take a bit of the data (a phrase or sentence or paragraph) and translate that into a précis of it“ (S..(). Diese S!wierigkeiten werden überwindbar, so Strauss, dur! die Anwendung eines „Kodierparadigmas“ (coding paradigm), wel!es besonders für Anfänger/innen hilfrei! sei (vgl. S..*). Dieses besteht aus vier Elementen, nämli! „Bedingungen“, „Interaktion zwis!en den Akteuren“, „Strategien und Taktiken“ und „Konsequenzen“, die verwandt werden können, um die Daten implizit oder explizit zu strukturieren und Beziehungen zwis!en Kodes zu benennen. Das Kodierparadigma könne si! insbesondere bei der „axialen Kodierung“ (axial coding) als nützli! erweisen, „whi! consists of intense analysis done around one category at time in terms of the paradigm items“ (S.0.). Diese Idee wird in dem '((% von Strauss gemeinsam mit Juliet Corbin verfassten Lehrbu! „Basics of Qualitative Resear!“ weiterentwi"elt. Wie Glaser in seinem Band „Theoretical Sensitivity“ tragen au! Strauss und Corbin hier dem Umstand Re!nung, dass jede empiris!e Untersu!ung einen theoretis!en Rahmen benötigt, mit dessen Hilfe Kategorien für die vorliegenden Daten entwi"elt und zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Während Glaser zu diesem Zwe" eine Liste mehr oder weniger zusammenhängender soziologis!er und formaler Begriffe angeboten ha,e, nutzten Strauss und Corbin nun ein allgemeines Handlungsmodell, wel!es seine Grundlage in der pragmatistis!en und interaktionistis!en Sozialtheorie hat (vgl. Corbin '((', S.0); Strauss '((%, S.*). Dieses „paradigmatis!e Modell“ (paradigm model) soll verwendet werden, um ein Skele, oder eine „A!se“ für die entstehende gegenstandsbezogene Theorie zu konstruieren und um damit das wesentli!e Ziel qualitativer Datenanalyse zu errei!en: die Untersu!ung und Modellierung der Handlungs- und Interaktionsstrategien der Akteure im Feld. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Absi!ten und Zielen der Akteure und dem Prozess!arakter sozialen Handelns und sozialer Interaktion.
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
Würde hier Glasers Terminologie verwendet, dann könnte das Kodierparadigma als eine elaborierte Kodierfamilie angesehen werden, die eine besondere Art der theoretis!en Kodierung anleitet (wel!e Strauss und Corbin „axiale Kodierung“ nennen): Konzepte und Kategorien, die während der o2enen Kodierung entwi"elt wurden, werden darauf hin untersu!t, ob sie si! beziehen auf Phänomene, auf die si! die Handlungen und Interaktionen der Akteure ri!ten; kausale Bedingungen, die zum Auftreten dieser Phänomene führen; Aspekte des Kontextes der untersu!ten Phänomene; zusätzli!e intervenierende Bedingungen, von denen die untersu!ten Phänomene beein+usst werden; 5. Handlungs- und Interaktionsstrategien, die die Akteure einsetzen, um mit den Phänomenen fertig zu werden oder 6. die Konsequenzen ihrer Handlungen und Interaktionen.
1. 2. 3. 4.
Mit der „axialen Kodierung“ soll also herausgefunden werden, wel!e Arten von Phänomenen, Kontexten, kausalen und intervenierenden Bedingungen und Konsequenzen für das untersu!te Feld relevant sind. Wenn etwa soziale Aspekte von !ronis!em S!merz untersu!t werden, kann man auf diese Weise versu!en, typis!e Handlungskontexte zu identi&zieren, die für S!merzpatient/innen relevant sind oder !arakteristis!e Strategien der S!merzbewältigung. Auf dieser Grundlage ließe si! dann die Frage beantworten, unter wel!en Bedingungen in wel!en Handlungskontexten wel!e S! merzbewältigungsstrategien von Personen mit !ronis!em S!merz bevorzugt genutzt werden. Im Idealfall führt dies zur Konstruktion von Handlungsmodellen, die die Variation des beoba!tbaren Handelns im Untersu!ungsfeld zu erklären helfen und die die Grundlage für eine Theorie über Handlungsstrategien in den interessierenden Handlungsfeldern liefern. Innerhalb ihres neuen, überarbeiteten Konzepts der GTM vertreten Strauss und Corbin au! eine liberalere Position als Glaser, was die Verwendung von Literatur im Fors!ungsprozess angeht: Es könne jede Art von Literatur genutzt werden, au! bevor mit der eigentli!en empiris!en Studie begonnen wird (vgl. Strauss & Corbin '((%, S./)). 3
Der Bru" zwis"en Glaser und Strauss in den 1990er Jahren
Bevor Glaser und Strauss etwa ab Mi,e der '(*%er Jahre begannen, deutli! unters!iedli!e Wege bei der Ausarbeitung und Klärung der methodologis!en Grundlagen der GTM einzus!lagen, ha,en sie ihre Zusammenarbeit in re!t erfolgrei!en medizinsoziologis!en Fors!ungsprojekten s!on einige Zeit beendet. '((. wendete si! Glaser dann in einer im Eigenverlag verlegten polemis!en Streits!ri- unter der Übers!ri- „Emergence vs. Forcing: Basics of Grounded Theory Analysis“ gegen
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die von Strauss und Corbin vertretene Version der GTM, indem er beiden vorwarf, Verrat an der ursprüngli! gemeinsam begonnenen Sa!e verübt zu haben. Das in dieser S!ri- in vielen Variationen vorgebra!te Argument ist, dass Konzepte wie das der „axialen Kodierung“ und des „Kodierparadigmas“ Fors!ende dazu verleiten müssten, den Daten Kategorien „aufzuzwingen“ (to force), sta, sie „emergieren“ zu lassen. Im Gegensatz zu Strauss und Corbin formulierte Glaser zudem explizit den Anspru!, dass Fors!ende, um die GTM „ri!tig“ zu nutzen, ihr Feld ohne präzise Fors!ungsfragestellung betreten müssten: „He moves in with the abstract wonderment of what is going on that is an issue and how it is handled“ (S...). Zudem bestand er auf der Notwendigkeit „not to review any of the literature in the substantive area under study“ (S.0'). Die Verwendung jeglichen theoretischen Hintergrundwissens über den Gegenstandsbereich sei schädlich für die Entwicklung von grounded theories: „This dictum is brought about by the concern to not contaminate, be constrained by, inhibit, sti+e or otherwise impede the researcher’s e2ort to generate categories, their properties, and theoretical codes“ (a.3a.3O.). Auf diese Weise bekrä-igte Glaser die induktivistis!e Rhetorik des DiscoveryBu!s, wona! theoretis!e Einsi!ten über das Fors!ungsfeld von selbst auftau!en bzw. aus den Daten „emergieren“, wenn (und nur wenn) Fors!ende si! von theoretis!em Vorwissen freihalten. Aber denno! ha,e Glaser in seiner eigenen Version der Grounded Theory ja bis zu einem gewissen Grad die grundlegenden Probleme des Induktivismus erkannt: Eine Strategie wissens!a-li!er Fors!ung, die si! einem empiris!en Feld ohne irgendwel!e theoretis!en Vorannahmen nähert, ist s!li!t ni!t umsetzbar – sol! eine Methode könnte nur eine Unmenge unzusammenhängender Beoba!tungen und Einzelbes!reibungen liefern, ni!t aber empiris! begründete Kategorien, Hypothesen oder gar Theorien. Glasers Konzepte der theoretis!en Sensibilität und der theoretis!en Kodierung stellen Versu!e dar, dieses erkenntnistheoretis!e Grundlagenproblem fors!ungspraktis! zu lösen. Nur erfordert theoretis!e Sensibilität (also die Fähigkeit, beoba!tete empiris!e Phänomene in theoretis!e Begri2e zu fassen) eben au! eine ausgiebige S!ulung in soziologis!er Theorie, wie Glaser selbst einräumt (vgl. Glaser '((., S..1). Deshalb sind aber au! jene „Kodierfamilien“, wel!e er in seinem Bu! über theoretis!e Sensibilität aus dem Jahr '(*1 aufzählt, nur von begrenztem Nutzen gerade für Neulinge in der empiris!en Fors!ung, für Doktorand/innen und Na!wu!sfors!er/in nen, für die es sehr s!wierig sein kann, aus der von Glaser angebotenen mehr oder weniger unsystematis!en Liste theoretis!er Begri2e das Passende herauszu&nden und zu einem Modell zu verknüpfen. Fors!ende hingegen mit breitem theoretis!en Hintergrundwissen und langer Erfahrung in der Anwendung theoretis!er Begri2e auf empiris!e Sa!verhalte werden eine sol!e Liste ni!t brau!en. Strauss’ und Corbins „Kodierparadigma“ hingegen ermögli!t die Konstruktion eines heuristis!-theoretis!en Rahmens, der für die Entwi"lung empiris! begründeter Theorien genutzt werden kann. Insbesondere Fors!ende mit geringen Erfahrungen in der Anwendung theoretis!en Vorwissens auf empiris!e Daten
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
können auf diese Weise mit der GTM arbeiten, ohne in Gefahr zu geraten, in ihren Daten zu ertrinken. Man muss si! allerdings darüber im Klaren sein, dass das Kodierparadigma in einer ganz bestimmten Theorietradition steht, der pragmatistis!en Sozialtheorie, die dur! die Arbeiten von Dewey und Mead begründet wurde. Deshalb kann Glasers Besorgnis, dass eine Verwendung dieses Kodierparadigmas dazu führen könne, dass Kategorien den Daten aufgezwungen würden, ni!t völlig von der Hand gewiesen werden. S!aut man si! jedo! genauer die begri2 li!e Struktur des Kodierparadigmas an, dann ers!eint Glasers Kritik überzogen: Die allgemeine Handlungstheorie, die dem Kodierparadigma zugrunde liegt, beruht auf einem sehr allgemeinen Verständnis sozialen Handelns, das mit einem breiten Spektrum soziologis!er Theorien kompatibel ist (das ni!t nur Ansätze aus dem Berei! der interpretativen Soziologie [wie etwa die phänomenologis!e Soziologie] umfasst, sondern von ents!eidungstheoretis!en Ansätzen bis hin zu funktionalistis!en Rollentheorien rei!t). Letztendli! repräsentiert das Kodierparadigma ein einfa!es, dem Alltagsverständnis nahes Modell intentionalen Handelns, das si! für die Bes!reibung einer großen Anzahl sozialer Phänomene einsetzen lässt. Trotzdem darf natürli! ni!t außer A!t gelassen werden, dass dieses Kodierparadigma eng mit einer mikrosoziologis!en Perspektive auf soziale Phänomene verbunden ist, in der dem Handeln, den Wahrnehmungen und Ents!eidungen individueller Akteure eine hohe Bedeutung zukommt. Fors!ende, die si! stärker einer makrosoziologis!en, etwa einer systemtheoretis!en Perspektive verbunden wissen, werden zu Re!t zu der Auffassung gelangen, dass das Kodierparadigma die Erfordernisse ihre theoretis!en Ans!auungen nur sehr unvollkommen wiedergibt und sind deshalb gut beraten, ein eigenes Kodierparadigma auf systemtheoretis!er Grundlage zu entwi"eln. Glasers Ansatz der theoretis!en Kodierung, bei der Fors!ende ad hoc jene theoretis!en Kodes und Kodierfamilien in die Analyse einführen, die sie für die vorliegenden Daten für angemessen halten, ist hingegen eine Strategie, die mit einer größeren Anzahl unters!iedli!er Sozialtheorien kompatibel und au! eher mit einer makrosoziologis!en Perspektive vereinbar wäre. Allerdings sind diese Verfahren der Kodierung, wie s!on gesagt, insbesondere für Neulinge in der empiris!en Fors!ung weitaus s!wieriger einsetzbar, weil hier kein bereits vorbereiteter begri2li!er Rahmen, verglei!bar dem Kodierparadigma, zur Verfügung steht. Allerdings emp&ehlt au! Glaser in seinen Arbeiten ni!t etwa einen e!ten Theorienpluralismus bei dem Einsatz seiner Kodierfamilien (was au! makrosoziologis!e Ansätze und Perspektiven einbeziehen würde). Insbesondere sein zentrales methodologis!es Konzept der „grundlegenden sozialen Prozesse“ (basic social processes) weist ebenso wie Strauss’ und Corbins Kodierparadigma einen starken Bezug zu mikrosoziologis!en Handlungstheorien auf. Au! in seiner Monogra&e „Theoretical Sensitivity“ betont Glaser an zahlrei!en Stellen, dass die Kodierung und die kodierten Ereignisse si! immer auf Handlungen von Akteuren im untersu!ten Feld beziehen lassen sollten.
Udo Kelle
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Zusammengefasst besteht ein wesentli!er Unters!ied zwis!en der Glasers!en und der Strausss!en Fassung der GTM darin, dass Strauss und Corbin die Nutzung eines gut ausformulierten theoretis!en Rahmenkonzepts auf handlungstheoretis!er Grundlage bei der („axialen“) Kodierung empfehlen, während Glaser darauf Wert legt, dass die Kodierung als Prozess der Kombination zwis!en „the analyst’s s!olarly knowledge and his resear! knowledge of the substantive &eld“ (Glaser '(*1, S.*%) ad hoc, das heißt wohl in den meisten Fällen: auf der Grundlage eines mehr oder weniger impliziten theoretis!en Hintergrundwissens, ges!ehen solle. Vergli!en mit diesem Unters!ied verlieren andere Di2erenzen zwis!en beiden Ansätzen an Bedeutung. Nur überzei!net Glaser einige dieser kleineren Di2erenzen sehr stark. Dabei entwi"elt er in seiner Betonung des „Emergierens“ theoretis!er Konzepte aus dem Datenmaterial weit überzogene Geltungs- und Wahrheitsansprü!e: Die Aufgabe empiris!er Fors!ung sei demzufolge die Entde"ung sozialer Welten und von „Tatsa!en“ „as they really are“. „In grounded theory […] when the analyst sorts by theoretical codes everything &ts, as the world is socially integrated and grounded theory simply catches this integration through emergence“ (Glaser '((., S.1$). Folgt man sol!en Ansprü!en, wäre jeder Versu!, sol!e „emergierten“ Wahrheiten zu überprüfen, s!li!t über+üssig, und die Falsi&kation der aus den Daten entwi"elten theoretis!en Aussagen wäre unmögli!. Diese Ansi!t fällt ni!t nur hinter die in allen empiris!en Wissens!a-en heute allgemein akzeptierte Einsi!t zurü", dass die Aufgabe von Fors!ung ni!t darin besteht, unwandelbare Wahrheiten festzustellen, sondern darin, vorläu&ge Hypothesen vorzus!lagen und empiris! zu erhärten (oder zurü"zuweisen). Und es wird damit au! die (nahezu triviale) erkenntnistheoretis!e Tatsa!e geleugnet, dass si! alle empiris!en Phänomene in vers!iedener Weise und aus unters! iedli!en theoretis!en Perspektiven bes!reiben und erklären lassen. Sta,dessen wird die Illusion genährt, dass – wenn si! Fors!ende freima!en von allen theoretis!en Vorannahmen – ein Prozess des „Emergierens“ dafür sorgen könne, dass nur die relevanten Aspekte des untersu!ten Gegenstandsberei!s erkannt und bes!rieben würden. Das ist in der Tat (au! wenn Glaser an einigen Stellen die Tatsa!e anerkennt, dass die dur! qualitative Analysen entwi"elten Satzaussagen hypothetis!en Charakter tragen) ein dogmatis!er Re!tfertigungsinduktivismus. Und denno! hat Glaser wie erwähnt an anderer Stelle zu Re!t darauf hingewiesen, dass theoretis!e Konzepte ni!t einfa! aus Daten aufsteigen, sondern dur! sorgfältige „theoretis!e Kodierung“ (was bedeutet: dur! die Kodierung und Kategorisierung empiris!er Daten auf der Basis theoretis!en Vorwissens) entwi"elt werden müssen. So muss der Verda!t aufkommen, dass die Rede von der vermeintli!en „Emergenz“ eine legitimatoris!e Funktion erfüllt: Eine bestimmte Art der Fors!ung und ihre Ergebnisse (die „empiris! begründeten“ Theorien eben) sollen gegenüber Kritik immunisiert werden. Wenn Fors!ende nur den „re!ten“ (das heißt Glasers!en) Pfad der GTM einges!lagen, können sie ni!t mehr irren, denn die Konzepte, die sie „entde"t“ haben, sind ja aus den Daten quasi von selbst aufgetau!t.
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
Auf dem Weg zu einem klareren Verständnis des empiris"en Grounding von Kategorien und Theorien
Seit ihren Anfängen hat die GTM unter einem „induktivistis!en Selbstmissverständnis“ geli,en, wel!es dur! entspre!ende Abs!ni,e im Discovery-Bu! genährt wurde. Obwohl dieser Induktivismus eine nur bes!ränkte Bedeutung für die praktis!e Umsetzung der GTM in vielen empiris!en Studien ha,e (darin einges!lossen die Studien von Glaser und Strauss selbst), hat er immer wieder Anlass für Verwirrung gegeben gerade bei denjenigen, die ihre ersten empiris!en Studien auf der Grundlage von Lehrbu!wissen über die GTM dur!führen wollten. In den vergangenen 0% Jahren haben sowohl Glaser als au! Strauss und Corbin methodologis!e Arbeiten vorgelegt, die jenen naiven Empirismus, der si! hinter der Rede vom „Emergieren“ verbirgt, zu überwinden helfen. Dabei stellen die Konzepte der „theoretis!en Sensibilität“, der „theoretis!en Kodierung“, der „axialen Kodierung“ und des „Kodierparadigmas“ bedeutsame S!ri,e dar bei der Erarbeitung eines angemessenen Verständnisses des Prozesses empiris! begründeter Theoriebildung. Viele Elemente der GTM lassen si! nutzen, ohne dass man den „Dogmen des Empirismus“ (Quine '(/') anhängen müsste, insbesondere der Idee, dass an irgendeiner Stelle des Fors!ungsprozesses eine besondere Art der Beoba!tung oder Bes!reibung empiris!er Phänomene sta,&nden müsse oder au! nur könne, die ni!t von theoretis!en Begri2en „verunreinigt“ sei (vgl. Glaser & Strauss '()*, S.0*, s.3o.). Denno! spielt der Induktivismus sowohl in dem Bild, das weite Teile der sozialwissens!a-li!en scienti#c community – auf Seiten der Anhänger/innen und der Gegner/innen – von der GTM gewonnen haben als au! in internen methodologis!en Deba,en weiterhin eine wi!tige Rolle. Dies führt unter anderem dazu, dass erkenntnistheoretis! informierte Sozialwissens!a-ler/innen die GTM ni!t als ernst zu nehmenden Beitrag zur sozialwissens!a-li!en Methodologie betra!ten (etwa Opp .%%/, S.')1#f.), na!dem sie S!ri-en gelesen haben, die das triviale erkenntnistheoretis!e Faktum leugnen, dass es keine empiris!en Beoba!tungen geben kann, die ni!t irgendwie von theoretis!en Erwartungen beein+usst sind. Im Folgenden mö!te i! zeigen, dass eine Verwendung und kritis!e Diskussion einiger Konzepte, die in der neueren wissens!a-stheoretis!en und methodologis!en Deba,en entweder aktuell erörtert werden oder au! s!on seit Längerem bekannt sind, zu einem besseren Verständnis des Wesens empiris! begründeter Theoriekonstruktion führen kann, zumal einige dieser Konzepte bereits (wenn au! o- ni!t unter den in der Wissens!a-sphilosophie verwendeten Bezei!nungen) praktis! im Rahmen der GTM verwendet werden. Es handelt si! dabei um die Konzepte '. des abduktiven (oder retroduktiven) S!ließens, .. des empiris!en Gehaltes und der Falsi&zierbarkeit und 0. der empiris!er Bewährung.
Udo Kelle
4.1
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Abduktive S"lussfolgerungen als logis"e Grundlage empiris" begründeter Theoriebildung
Bei der Konzeptualisierung des Prozesses der Theoriebildung in der empiris!en Fors!ung wird o- eine fals!e Alternative zwis!en einem induktivistis!en Konzept und dem HD-Modell der Theoriebildung erö2 net: Für das HD-Modell, das insbesondere für die experimentelle und quantitative Fors!ung große Bedeutung hat, ist Fors!ung vor allem ein Prozess der Hypothesenprüfung dur! experimentelle und quasi-experimentelle Verfahren. Dabei können Hypothesen ni!t anhand empiris!er Beoba!tungen entwi"elt werden, sie entstehen vielmehr aus (ni!t unbedingt rationalen) Spekulationen, Vermutungen und plötzli!en Einfällen. Der tatsä!li! rational rekonstruierbare Teil des Fors!ungsprozesses beginnt mit der Ausarbeitung dieser Hypothesen und der Operationalisierung ihrer begri2 li!en Bestandteile, die eine empiris!e Prüfung ermögli!en sollen. Im Rahmen dieses Modells handelnde Fors!ende müssen stets präzise Hypothesen entwi"elt haben, bevor sie empiris!e Daten sammeln. Dementspre!end kann qualitative Fors!ung, die die Nutzung von unstrukturierten Daten und die Entwi"lung von Theorien aus sol!em Material anstrebt, aus der Perspektive des HD-Modells ni!t als eine akzeptable wissens!a-li!e Fors!ungsmethode gelten, die valide Ergebnisse produziert. Nun haben etli!e wissens!a-sges!i!tli!e Studien seit den '(*%er Jahren deutli! gema!t, dass das HD-Modell den faktis!en Fors!ungsprozess au! in den experimentellen Naturwissens!a-en zu stark vereinfa!t. Auf der Grundlage von historis!en Studien über bekannte wissens!a-li!e Entde"ungen hat seit jener Zeit eine lebha-e Deba,e über logics of discovery und Rationale Heuristiken in der modernen Wissens!a-sphilosophie sta,gefunden, die die Überzeugung von strikten Anhänger/innen des HD-Modells, Hypothesen würden allein aufgrund kühner Spekulationen oder glü"li!er Eingebungen zustande kommen, grundsätzli! infrage stellt. Denn historis!e Analysen faktis!er Fors!ungsprozesse ma!en deutli!, dass wissens!a-li!e Entde"ungen kaum je nur aus einzelnen Geistesblitzen entstehen, die ni!t als s!lussfolgerndes, logis!es Denken rekonstruierbar wären (vgl. hierzu etwa Hanson '()/; Curd '(1%; Ni"les '(1%, '(1/, '((%). Obwohl der „Entde"ungszusammenhang“ wissens!a-li!er Fors!ung natürli! immer Elemente von Intuition und Kreativität enthält, ist die Entwi"lung von Hypothesen in der Regel denno! ein vernün-ig und logis! rekonstruierbarer Prozess. In einer eindrü"li!en Rekonstruktion von Keplers Entde"ung der (elliptis!en) Planetenbahnen zeigt dies Norwood Hanson ('()/), und er verdeutli!t dabei, dass logis!e S! lussfolgerungen, die zur Entwi" lung neuer theoretis!er Einsi!ten führen, weder induktiv no! deduktiv sind. Vielmehr repräsentieren sie eine besondere Form des S!ließens, die von einer Menge empiris!er Phänomene (als Prämissen) zu einer erklärenden Hypothese (als Konklusion) gelangt. Hanson nannte diese Form der S!lussfolgerung „retroduktive Inferenz“, in neueren S!ri-en wurde der Begri2 „S!lussfolgerung auf die beste Erklärung“ (A!in-
248
„Emergence“ oder „Forcing“#?
stein '((.) geprägt. Der Terminus „hypothetis!e S!lussfolgerung“ ma!t die Rolle dieses Vorgangs im Fors!ungsprozess no! deutli!er: Hypothetis!e S!lussfolgerungen dienen der Entde"ung von Hypothesen, die bestimmte empiris!e Beoba!tungen erklären sollen. (Es handelt si! hier also keinesfalls um einfa!e induktive Generalisierungen#!) Das grundlegende Modell der hypothetis!en S!lussfolgerung wurde zuerst ausführli! von Charles Sanders Peirce, einem Begründer des Pragmatismus, bes!rieben. Peirce grenzte diese Form der S!lussfolgerung (die er zuerst „Hypothese“, dann „Abduktion“ nannte) sowohl von der Induktion als au! von der Deduktion ab. Eine deduktive S!lussfolgerung ist die Anwendung allgemeiner Regeln auf spezi&s!e Fälle, mit denen ein bestimmtes Resultat ers!lossen wird. „The so-called major premise lays down this rule; as for example, ‚All men are mortal‘. The other or minor premise states a case under the rule; as ‚Eno! was a man‘. The conclusion applies the rule to the case and states the result: ‚Eno! is mortal‘“ (Peirce '(*( ['(*$], ..).').
Bei der induktiven S!lussfolgerung wird der deduktive Syllogismus umgedreht – von einer Anzahl von Fällen, in denen ein bestimmtes Resultat eingetreten ist, wird auf eine allgemeine Regel ges!lossen, wona! diese Resultate bei allen Fällen der Klasse, zu denen die beoba!teten Fälle gehören, eintreten wird. Es gibt jedo! no! eine weitere Mögli!keit, einen deduktiven Syllogismus umzukehren: Man beginnt mit einer empiris!en Beoba!tung (dem „Resultat“), die erklärt wird, indem eine bestimmte Regel herangezogen wird, wona! das beoba!tete Objekt zu einer Klasse gehört, auf die die Regel anwendbar ist. Es wird also von dem Resultat unter Zuhilfenahme einer Regel auf den „Fall“ ges!lossen. Dabei ist die allgemeine Regel entweder den Fors!enden bereits bekannt (in diesem Fall ist die hypothetis!e S! lussfolgerung die Subsumtion eines Ereignisses unter eine bekannte Gesetzmäßigkeit), oder die hypothetis!e S!lussfolgerung führt zur Entwi"lung oder Entde"ung einer neuen Regel. Vor allem diese Form des hypothetis!en S!ließens ha,e Peirce im Bli", als er in seinem Spätwerk den Begri2 der „Abduktion“ einführte (vgl. Rei!ertz .%%0 und in diesem Band). Eine Abduktion beginnt mit einem überras!enden Ereignis, das auf der Grundlage des bisherigen Wissens ni!t erklärbar ist: „The surprising fact, C is observed. But if A were true, C would be a ma,er of course. Hence there is a reason to suspect that A is true“ (Peirce '(*( ['(*$], /.'1(). Konfrontiert mit diesem überraschenden Ereignis „we turn over our recollection of observed facts; we endeavour so to rearrange them, to view them in such new perspective that the unexpected experience shall no longer appear surprising“ (*.0)). Das ist natürli! (au!) ein kreativer Prozess, der man!mal kommt „wie ein Blitz“ (Peirce '(*( ['(*$], /.'1.). Trotzdem ist die Kreativität der Fors!enden im Idealfall begrenzt dur! bestimmte Eins!ränkungen und methodologis!e Regeln. Zuerst einmal wird die Originalität der neu entwi"elten Hypothese einges!ränkt dur! die Tatsa!en, die erklärt werden müssen. „It is not pure, ontological originality in the relation to the ideas and perceptual facts at hand.
Udo Kelle
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Hypotheses can be original, but only if they still may explain the facts in question“ (Anderson '(1*, S.$$). Des Weiteren muss die abduktive S!lussfolgerung ni!t nur zu einer befriedigenden Erklärung der beoba!teten Fakten führen, sondern bis zu einem gewissen Grad au! mit dem Vorwissen des Fors!ers/der Fors!erin konsistent sein – „the di2erent elements of the hypothesis were in our minds before“, wie Peirce betont ('(*( ['(*$], /.'1'). Aus diesem Grund führen Abduktionen ni!t einfa! zur S!a2 ung neuen Wissens ex nihilo. Sta,dessen kombiniert jede neue Einsi!t „something old and something hitherto unknown“ (*./0)). Eine abduktive S!lussfolgerung ist also ein innovativer Prozess, bei dem vers!iedene Elemente des Vorwissens modi&ziert und neu kombiniert werden – „it is the idea of pu,ing together what we had never before dreamed of pu,ing together whi! +ashes the new suggestion before our contemplation“ (/.'1.). Wissens!a-li!e Entde"ungen verlangen auf diese Weise stets die Integration von (theoretis!em) Vorwissen und neuer Erfahrung „[…] that is to say, we put old ideas together in a new way and this reorganization itself constitutes a new idea“ (Anderson '(1*, S.$*). So lassen si! au! theoretis!e Einsi!ten und Entwi"lungen in den Sozialwissens!a-en, wel!e zu neuen und überzeugenden Erklärungen sozialer Sa!verhalte führten, stets als Resultat abduktiver S!lussfolgerungen rekonstruieren. Dies lässt si! besonders gut an „Theorien mi,lerer Rei!weite“ zeigen, etwa anhand der These Durkheims, Unters!iede zwis!en Suizidraten ließen si! aus einem unters!iedli!en Ausmaß gesells!a-li!er „Anomie“ erklären, oder anhand Webers Erklärung des Erfolgs protestantis!er Kaufleute als Folge ihrer religiösen Orientierungen. Ein weiteres gutes Beispiel ist der „Etike,ierungsansatz“, wona! abwei!endes Verhalten ni!t als eine inhärente persönli!e Eigens!a- individueller Akteure, sondern als Resultat sozialer Interaktionen und gesells!a-li!er Konstruktionsprozesse verstanden werden kann. All diese Erklärungen sozialer Sa!verhalte, die theoretis!e Forts!ri,e in den Sozialwissens!a-en darstellten, nahmen ihren Anfang von überras!enden, sonderbaren und s!wierig zu verstehenden empiris!en Phänomenen, die dann dur! theoretis!e Konzepte erklärt wurden, die zuvor auf diesen Gegenstandsberei! ni!t angewendet worden waren: So erklärte etwa Weber weltli!en, ökonomis!en Erfolg dur! eine Bezugnahme zu religiösen Überzeugungen, die eigentli! außerweltli!e Dinge betrafen. Und die Vertreter/innen des Etike,ierungsansatzes interpretierten „merkwürdiges“ und „problematis!es“ Handeln als das Resultat interaktiver Prozesse der Rollende& nition und Identitätsbildung. Bei der Formulierung abduktiver S!lussfolgerungen sind Fors!ende dabei auf theoretis!es Vorwissen stets angewiesen. Dieses versorgt sie mit dem notwendigen kategorialen Rahmen für die Interpretation, Bes!reibung und Erklärung der empiris!en Welt. Wenn ein innovativer Fors!ungsprozess erfolgrei! sein soll, darf dieser Rahmen allerdings ni!t als Prokrustesbe, dienen, in das empiris!e Beoba!tungen hineingezwungen werden. Sta,dessen muss es mögli! sein, den theoretis!en Rahmen, der die empiris!en Untersu!ungen anleitet, auf der Basis empiris!en Materials zu modi&zieren und umzugestalten.
250 4.2
„Emergence“ oder „Forcing“#?
Empiris"er Gehalt bzw. Falsi#zierbarkeit als Kriterium für die Brau"barkeit theoretis"er Konzepte für die qualitative Fors"ung
Hypothetis!e S!lussfolgerungen verbinden also auf kreative Weise neue und interessante empiris!e Fakten mit vorhandenem theoretis!en Wissen. Das bedeutet aber ni!t, dass das theoretis!e Vorwissen qualitativ Fors!ender zu Beginn des Fors!ungsprozesses ein vollständig kohärentes Netzwerk expliziter Aussagen bildet, aus dem sofort präzise formulierte und empiris! prüfbare Hypothesen ableitbar wären. Vielmehr kann es si! um einen (aus man!mal nur lose verbundenen Elementen bestehenden) heuristis!en Rahmen von Konzepten (oder au! „Kodierfamilien“) handeln, die Fors!enden helfen, ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Phänomene im empiris!en Feld zu ri!ten. Aber bedeutet das, dass die „theoretis! sensible“ Kategorisierung und Kodierung der Daten eine Sonderbegabung von besonders talentierten Fors!er/innen ist#? Oder können bestimmte Aspekte expliziert werden, indem vor Beginn der Kodierung relevante „theoretis!e Kodes“ festgelegt werden#? Ist die Konstruktion und Nutzung eines (wenigstens in Teilen) vorde&nierten Kategoriens!emas eine vertretbare Strategie im Rahmen der GTM, oder verführt dies Fors!ende notwendigerweise dazu, abzuwei!en von einer o2enen, qualitativen Fors!ungsstrategie, die zur Entde"ung bislang unbekannter sozialer Sa!verhalte und Strukturen führen kann#? Um diese methodologis!en Probleme zu lösen, ist es hilfrei!, ein Konzept in die Diskussion einzuführen, das eine zentrale Rolle in den S!ri-en Karl Poppers und anderer Vertreter/innen des HD-Modells spielt: das Konzept der „Falsi&zierbarkeit“ bzw. des „empiris!en Gehalts“. Normalerweise werden diese Begri2e genutzt, um die Angemessenheit von Hypothesen im Rahmen einer hypothetiko-deduktiven Fors!ungsstrategie zu beurteilen. Dort werden nur klar formulierte Aussagen mit hohem empiris!en Gehalt als adäquate Hypothesen betra!tet, wohingegen Konzepte und Annahmen, denen empiris!er Gehalt fehlt und die deshalb ni!t falsi&ziert werden können, als ho!gradig problematis! gelten. Konzepte mit niedrigem empiris!en Gehalt können jedo! extrem nützli! sein, wenn das Ziel der Untersu!ung eben ni!t in der Überprüfung vorab de&nierter Hypothesen besteht, sondern in der empiris! begründeten Entwi"lung von Theorien. Denn empiris! wenig gehaltvolle Begri2e zwingen Daten eben gerade ni!t in ein Prokrustesbe,: Dur! den Mangel an empiris!em Gehalt können sol!e Begri2e vielmehr +exibel auf zahlrei!e empiris!e Phänomene angewendet werden. Obwohl sol!e Begri2e und die mit ihrer Hilfe entwi"elten Aussagen also ni!t im eigentli!en Sinne „getestet“ werden können, lassen sie si! als heuristis"e Konzepte nutzen, die wie Linsen wirken, dur! die Fors!ende Sa!verhalte und Phänomene ihres Fors!ungsfeldes besser sehen können. Für die Konstruktion eines Kategoriens!emas zur Strukturierung und Analyse qualitativer Daten, das im Fors!ungsprozess dann verfeinert, erweitert und modi-
Udo Kelle
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&ziert werden kann, sind zwei vers! iedene Arten sol!er heuristis!en Konzepte besonders brau!bar: Das sind einerseits heuristis!e Konzepte, die auf theoretis!e Begri2e, De&nitionen und Kategorien Bezug nehmen, die aus „Großtheorien“ der Sozialwissens!a-en stammen und die zu allgemein und abstrakt sind, um aus ihnen ohne Weiteres empiris! gehaltvolle Aussagen abzuleiten. Herbert Blumer hat den Terminus „sensibilisierende Konzepte“ (sensitizing concepts) eingeführt, um Begri2e zu bes!reiben, die „la" precise reference and have no ben! marks whi! allow a clean cut identi&cation of a speci&c instance“ ('(/$, S.*). Sensibilisierende Konzepte eignen si! zwar ni!t für (falsi&zierbare) Vorhersagen, aber sie sind nützli!e Werkzeuge der Bes!reibung, weil ihr Mangel an empiris!em Gehalt es ermögli!t, dass sie auf zahlrei!e Phänomene angewendet werden können – unabhängig davon, wie empiris! gehaltlos und vage sie sind, lassen sie si! denno! als heuristis!e Werkzeuge für die Konstruktion empiris! begründeter Theorien einsetzen. Ein Begri2 wie „Rollenerwartungen“ liefert ein gutes Beispiel hierfür. Die Aussage, dass Mens!en in mehr oder weniger großer Übereinstimmung mit Rollenerwartungen handeln, enthält auf den ersten Bli" für si! genommen ni!t sehr viele brau!bare Informationen. Der Begri2 lässt si! jedo! sinnvoll nutzen, um eine ganze Reihe interessanter Fors!ungsfragen für unters!iedli!e Handlungsfelder zu formulieren: Haben Rollenerwartungen überhaupt eine große Bedeutung für den untersu!ten Gegenstandsberei!#? Wel!e Rollenerwartungen werden hier an wel!e Akteure herangetragen#? Mit wel!en Mi,eln versu!en die Akteure, ihnen zu entspre!en#? Entwi"eln bestimmte Akteure Strategien, um die Erfüllung von Rollenerwartungen zu vermeiden#? Können diese Strategien von Anderen entde"t und sanktioniert werden#? Ents!eidungstheoretis!e Konzepte geben ein weiteres gutes Beispiel ab: Den Kern ents!eidungstheoretis!er Ansätze bildet die Idee, dass mens!li!e Akteure stets jene Handlungsalternativen auswählen, die ihnen am geeignetsten zur Errei!ung ihrer Ziele ers!einen. Solange allerdings ni!t genau festgelegt wird, wel"e Ziele konkrete Akteure verfolgen und wel"e Handlungen sie als angemessen ansehen, bleibt eine sol!e Aussage ohne empiris!en Gehalt. Die Theorie ist wie ein „leerer Sa"“ (vgl. Simon '(1/), wenn hier ni!t weitere Hilfsannahmen einbezogen werden. Do! au! wenn si! aus den Grundannahmen ents!eidungstheoretis!er Ansätze ni!t ohne Weiteres präzise Hypothesen ableiten lassen, können Fors!ende sinnvolle Fors!ungsfragen und heuristis!e Kodes ableiten: Qualitative Daten können z.3B. dana! kodiert werden, ob potenzielle Nutzen- und Kostenargumente zur Spra!e kommen; ob es um die Intentionen und Ziele der Fors!ungssubjekte geht oder um die Mi$el, die sie zur Errei!ung ihrer Ziele nutzen usw. Auf diese Weise kann bei der qualitativen Datenanalyse auf eine große Anzahl abstrakter Begri2e aus unters!iedli!en theoretis!en Traditionen zurü"gegri2en werden, um die Daten zu strukturieren. Dabei darf allerdings ni!t vergessen werden, dass eine
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
feste Bindung an eine bestimmte Theorietradition es zwar man!mal einfa!er ma!en kann, die Daten zu strukturieren. Dies bringt aber au! die Gefahr mit si!, dass Konzepte, die eher zu den Daten passen und auf diese Weise neue interessante theoretis!e Einsi!ten erbringen können, gar ni!t in den Bli" geraten. Au! sensibilisierende Konzepte, mit deren Hilfe alle mögli!en Phänomene bes!rieben werden können, können zum Auss!luss bestimmter Perspektiven auf den Gegenstandsberei! führen: So kann etwa eine ausgedehnte Nutzung von Konzepten aus mikrosoziologis!en Handlungstheorien (wie „Akteure“, „Absi!ten“ etc.) eine systemtheoretis!e Makroperspektive auf den Gegenstand behindern, die andere und in man!en Fällen interessantere Einsi!ten zu erbringen vermag. Eine Mögli!keit, um mit diesem Problem umzugehen, besteht darin, gegenüber den Daten vers!iedene und dabei au! konkurrierende theoretis!e Perspektiven einzunehmen. Des Weiteren kann besondere Aufmerksamkeit auf die Frage geri!tet werden, ob die jeweils gewählte theoretis!e Perspektive zum Auss!luss oder zur Verna!lässigung von Phänomenen oder Ereignissen im empiris!en Feld führen kann. Au! alltagsnahe Begri2e, die für das jeweilige Fors!ungsprojekt von Interesse und für das untersu!te Handlungsfeld relevant sind, können die Gefahr des forcing verringern und die Entde"ung bislang unbekannter Beziehungen und Muster in den Daten erlei!tern. Einfa!e Beispiele hierfür sind Konzepte wie etwa „S!ule“, „Arbeit“ oder „Familie“, aber themenorientierte Kategorien können au! weitaus komplexer sein. Natürli! ist au! hier beständig zu fragen, ob ein bestimmtes Konzept wirkli! heuristis!en Zwe"en (also der Entde"ung bislang unbekannter Muster und Beziehungen) dient, oder ob es interessante Phänomene auss!ließt („Familie“ könnte etwa die Aufmerksamkeit von alternativen Beziehungs- und Lebensformen im Feld weglenken, „Arbeit“ könnte, wenn hierunter nur Berufsarbeit verstanden wird, dazu führen, dass Formen der Selbstversorgung und privater Reproduktion verna!lässigt werden usw.). Beide Arten heuristis!er Konzepte, glei! ob aus dem Alltagswissen bezogen oder aus abstraktem theoretis!en Wissen entwi"elt, lassen si! zur Erfassung und Bes!reibung sehr unters!iedli!er sozialer Sa!verhalte einsetzen. Das bedeutet, dass es ni!t notwendig ist, konkrete Tatsa!en über das untersu!te Handlungsfeld zu wissen, um diese Konzepte bei der Analyse der Daten einzusetzen. Oder in anderen Worten: Heuristis!e Konzepte können ni!t verwendet werden, um ohne Zusatzinformationen ex ante empiris! gehaltvolle Aussagen über bestimmte soziale Sa!verhalte zu formulieren. Im Rahmen einer HD-Strategie sind sol!e Konzepte deshalb nur wenig brau!bar, in der explorativen und interpretativen Sozialfors!ung aber unersetzli!. Unabhängig davon, ob es si! um aus dem Alltagswissen oder aus theoretis!em Wissen entwi"elte Konzepte handelt, tri5 dabei immer eine grundlegende methodologis!e Regel zu: Mit abnehmendem empiris!en Gehalt sinkt das Risiko, dass die Kategorien den Daten aufgezwungen werden können.
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Somit können die methodologis!en Konzepte des „empiris!en Gehalts“ und der „Falsi&zierbarkeit“ helfen, um theoretis!e Vorannahmen zu identi&zieren, die qualitativ Fors!ende (ni!t nur im Rahmen der GTM) nutzen können, um ihre Daten zu strukturieren, ohne grundlegende methodologis!e Regeln qualitativer Fors!ung (insbesondere die Forderung na! „O2enheit“ dem Untersu!ungsgegenstand gegenüber) zu verletzen. Auf diese Weise lässt si! auf jeder Stufe des Fors!ungsprozesses theoretis!es Vorwissen einsetzen, solange Konzepte mit begrenztem empiris!en Gehalt verwendet werden (was man dem HD-Ansatz zufolge vermeiden sollte). Dabei werden die Daten zuerst mithilfe heuristis!er Konzepte analysiert, um dann in Auseinandersetzung mit dem empiris!en Material sukzessive Kategorien und Aussagen mit wa!sendem empiris!en Gehalt zu konstruieren. In diesem Prozess können sozialwissens!a-li!e Großtheorien die Funktion einer „theoretis!en A!se“ oder eines „Skele,s“ haben, dem das „Fleis!“ empiris! gehaltvoller Information aus dem Fors!ungsfeld hinzugefügt wird, um empiris! begründete Theorien und Aussagen zu entwi"eln. Allerdings können Kategorien und Hypothesen mit hohem empiris!en Gehalt au! fru!tbar für eine qualitative Studie sein. Arlie Ho!s!ilds Konzept der „Gefühlsarbeit“ (emotional labour), ursprüngli! entwi"elt, um Handlungs- und Interaktionsmuster zwis!en Kabinenpersonal und Flugpassieren zu untersu!en (Ho!s!ild '(10), kann si! etwa in einer qualitativen Studie über die Beziehungsstrukturen zwis!en p+egebedür-igen älteren Mens!en und P+egepersonal als sehr hilfrei! erweisen. Im Unters!ied etwa zu dem s!on behandelten Begri2 der „Rollenerwartungen“ lässt si! der Terminus „Gefühlsarbeit“ ni!t auf alle mögli"en sozialen Beziehungen anwenden, er hat also einen weitaus höheren empiris!en Gehalt: Es gibt viele soziale Interaktionen, bei denen die von Ho!s!ild bes!riebene Gefühlsarbeit keine (oder eine zu verna!lässigende) Rolle spielt, und die Hypothese, dass von bestimmten Dienstleister/innen Gefühlsarbeit erwartet wird, lässt si! überprüfen und falsi&zieren. Trotzdem kann die Verwendung gerade dieser Kategorie ein neues und interessantes Li!t auf die Untersu!ung einer ganzen Reihe von Dienstleistungsbeziehungen werfen. Es kann also sinnvoll sein, in der qualitativen Fors!ung au! gelegentli! Konzepte zu verwenden, die dem Verständnis des Begri2s Theorie im Kontext des HD-Ansatzes nahekommen: wohl de& nierte Kategorien und Aussagen über ein bestimmtes Handlungsfeld, die genügend empiris!en Gehalt aufweisen, um getestet zu werden. Tatsä!li! hat die Nutzung empiris! gehaltvoller Konzepte in der qualitativen Fors!ung sogar eine gewisse Tradition. Fors!ende und Methodiker/in nen aus der „Chicagoer S!ule“ der amerikanis!en Soziologie ha,en bereits in den '(0%er Jahren ein Verfahren empfohlen und in zahlrei!en Studien genutzt, das sie als „Analytis!e Induktion“ bezei! net ha,en und bei dem in qualitativen Untersu!ungen Hypothesen getestet werden: Auf der Grundlage empiris!er Evidenz, die von sog. „kritis!en Fällen“ (crucial cases) stammt, sollen dabei explizit
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
formulierte Hypothesen im qualitativen Fors!ungsprozess sukzessive geprü- und modi&ziert werden. Ein Beispiel hierfür liefert etwa Donald Cresseys bekannte qualitative Studie über Unters!lagung. Im Lauf des Fors!ungsprozesses formulierte Cressey ('(*' ['(/0], S.'%$#f.) bspw. die folgende Hypothese: „… trust violators usually consider the conditions under which they violated their own positions of trust as the only ‚justi&able‘ conditions, just as they consider their own trust violation to be more justi&ed than a crime such as robbery or burglary“.
Diese Behauptung ist falsi& zierbar, wenn man si! die Mühe ma!t, Daten über Personen zu sammeln, die Geld veruntreut haben. An einem bestimmten Punkt des Fors!ungsprozesses su!te Cressy dann tatsä!li! systematis! na! „kritis!en Fällen“ und „Gegenbeispielen“ – also na! Personen, die in Interviews keine Re!tfertigung für die von ihnen begangene Veruntreuung vorbra!ten. Natürli! bringt ein sol!es Vorgehen au! ein gewisses Risiko mit si!, nämli! dass die Daten mithilfe von Konzepten untersu!t werden, die für das interessierende Fors!ungsfeld eigentli! gar ni!t passen (der klassis!e Fall des forcing the data). Dass sogar heuristis!e Konzepte mit einem begrenzten empiris!en Gehalt die Si!t auf die Phänomene im Fors!ungsfeld einengen können, zeigte si! ja bereits an dem Kodierparadigma von Strauss und Corbin, das Fors!enden eine bestimmte mikrosoziologis!e Perspektive nahelegt, die sie mögli!erweise gar ni!t teilen. Auf der anderen Seite ist die Empfehlung, mögli!st o2ene heuristis!e Konzepte (mit sehr geringem empiris!en Gehalt) zu nutzen, o- wenig hilfrei! für unerfahrene Fors!ende, denn ni!t jedes heuristis!e Konzept kann die Aufmerksamkeit auf die relevanten Phänomene im Fors!ungsfeld lenken. Dies ist lei!t feststellbar bei der Arbeit mit Glasers „Kodierfamilien“: Es ist insbesondere für Na!wu!swissens!a-ler/innen eine sehr anspru!svolle Aufgabe, aus der großen Zahl theoretis!er Ansätze und S!ulen, die die Sozialwissens!a-en zu bieten hat, jene Konzepte auszuwählen, die für ein bestimmtes Fors!ungsfeld bzw. eine bestimmte Fors!ungsfrage am besten geeignet sind. Eine zentrale Aufgabe qualitativer Methodologie besteht also darin, einen Mi,elweg aufzuzeigen zwis!en „Skylla“ und „Charybdis“: Da ist auf der einen Seite die Gefahr, dass vorformulierte Begri2e und Theorien den Daten aufgezwungen werden, auf der anderen Seite könnten Konzepte aus unters!iedli!en theoretis!en Traditionen eklektis! und wahllos auf das empiris!e Feld bezogen werden. Diese beiden Risiken lassen si! aber dur! die folgenden methodologis!en Strategien verringern: 4
Die Entwi"lung empiris! begründeter Kategorien und Hypothesen pro&tiert stark von Theorienpluralismus. Eine pluralistis!e Verwendung heuristis!er Rahmenkonzepte erfordert, dass Fors!ende im Idealfall unters!iedli!e Konzepte aus vers! iedenen und au! konkurrierenden Theorietraditionen ken-
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4
4
4.3
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nen und zwis!en ihnen +exibel auswählen, indem sie deren Angemessenheit für den Untersu!ungsgegenstand prüfen. Fors!ende mit einer umfassenden Kenntnis theoretis!er Konzepte und einer langen Erfahrung in deren Anwendung sind o- in der Lage, das angemessene heuristis!e Konzept „intuitiv“, das heißt unter Rü"gri2 auf implizites Hintergrundwissen zu &nden. Im Unters!ied dazu pro&tieren weniger erfahrene Fors!ende eher von einer expliziten Strategie der Theoriebildung, bei der vers!iedene „Großtheorien“ na!einander eingesetzt werden, um die untersu!ten Phänomene zu analysieren. Eine systematis! verglei!ende Anwendung unters!iedli!er heuristis!er Konzepte auf dieselben Daten ist auf jeden Fall einer Rhetorik des „Emergierens“ vorzuziehen, die lei!t dazu verführen kann, dass Fors!ende letztendli! dann do! nur ihre Lieblingstheorien heranziehen. Die bereits von den Vertreter/innen der „analytis!en Induktion“ vorges!lagene Strategie der systematis!en Su!e na! Gegenevidenz kann verdeutli!en, ob ein bestimmtes heuristis!es Konzept einen hohen oder niedrigen empiris!en Gehalt besitzt. Falls nämli! lei!t Gegenbeispiele gefunden werden können, haben die angewendeten Konzepte o2ensi!tli! einen hohen Grad an Falsi&zierbarkeit bzw. empiris!em Gehalt und sind deswegen kaum als Heuristik für eine erste Strukturierung der Daten geeignet. Au! die ausgedehnte Su!e na! empiris!en Phänomenen, auf die die verwendeten Konzepte ni!t anwendbar sind, erfüllt einen ähnli!en Zwe". Falls in den Daten eine größere Zahl von Phänomenen gefunden werden kann, zu denen die bislang verwendeten Kategorien ni!t passen, ist es notwendig, na! alternativen Konzepten und theoretis!en Perspektiven Auss!au zu halten, die si! besser auf das untersu!te Feld beziehen lassen. Die Notwendigkeit der empiris"en Bewährung empiris" begründeter Kategorien und Hypothesen
Im Gegensatz zum Induktivismus ist ein „abduktives“ Modell des Fors!ungsprozesses konsequent fallibilistis!. Hiermit verbindet si! nämli! ni!t der Anspru!, dass die Gültigkeit von Aussagen, die mithilfe empiris!er Daten entwi"elt wurden, dadur! gesi!ert werden kann, dass Fors!ende si! zunä!st von theoretis!en Vorannahmen befreien müssten, um dann die Realität erfassen zu können, „wie sie wirkli! ist“. Hypothetis!e bzw. abduktive S!lussfolgerungen können zwar zu rationalen und wohlbegründeten Aussagen führen, die sowohl mit den beoba!teten Phänomenen als au! mit theoretis!em Vorwissen kompatibel sind. Je mehr diese Aussagen aber über die Bes!reibung von einzelnen Ereignissen hinausgehen (je mehr also, mit anderen Worten, ein e!ter Anspru! auf Theoriebildung formuliert wird), desto fehlbarer sind sie. Die Fehlbarkeit von auf der Basis empiris!er Daten abduktiv gefolgerten Aussagen zeigt si! bereits daran, dass dasselbe empiris!e
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
Phänomen in der Regel ganz vers!iedene (si! mögli!erweise widerspre!ende, aber jeweils mit dem vorhandenen Vorwissen vereinbare) Erklärungen zulässt. Wenn man die Idee fallen lässt, dass via Induktion si!eres und verlässli!es Wissen entstehen kann und wenn man die Bedeutung theoretis!en Vorwissens im Fors!ungsprozess explizit anerkennt, lässt si! die Forderung na! einer zusätzli"en Bewährung empiris! begründeter theoretis!er Konzepte ni!t als Versu! verstehen, die Bedeutung explorativer qualitativer Fors!ung gegenüber den Methoden der (experimentellen oder quasi-experimentellen) Hypothesentestung herabzuwürdigen. Forderungen na! zusätzli!er Evidenz sind, wenn man den Umstand berü"si!tigt, dass empiris!e Fors!ung ni!t endgültige Belege für theoretis!e Aussagen erbringen kann, sondern nur kumulative und stets vorläu&ge Evidenz, vielmehr eine Selbstverständli! keit in wissens!a-li!en Diskursen. Während nun Strauss und Corbin der Frage, wie empiris! begründete Kategorien und Aussagen weiter validiert werden können, starke Aufmerksamkeit widmen, zeigt Glaser in seiner Verteidigung des Induktivismus der frühen GTM immer wieder das, was Imre Lakatos ('(*1) „erkenntnistheoretis!en Certismus“ genannt hat, so etwa wenn Glaser s!reibt: „Grounded theory looks for what is, not what might be, and therefore needs no test“ ('((., S.)*). Hier s!wingt die erkenntnistheoretis! längst überwundene Ansi!t mit, dass empiris!e Fors!ung dur! die konsequente Anwendung des Induktionsprinzips zu letztgültigen Si!erheiten und Wahrheiten gelangen könne, die jeden Versu! einer weiteren Überprüfung über+üssig ma!ten. Wenn man si! aber nun ni!t darauf einlassen mö!te, Unfehlbarkeit für bestimmte Fors!ungsergebnisse in Anspru! zu nehmen, wird eine weitere Überprüfung, Veränderung oder eben au! Verwerfung von empiris! begründeten Hypothesen und Theorien zu einer wi!tigen Aufgabe. Dabei ist ni!t notwendig nur eine Bezugnahme auf die jüngeren Arbeiten von Strauss und Corbin zur GTM erforderli!, sondern es können au! Konzepte genutzt werden, die in anderen qualitativen Ansätzen entwi"elt wurden, etwa die bereits erwähnten Strategien der „Analytis!en Induktion“ oder Verfahren der Hypothesenprüfung im Rahmen der hermeneutis!en Textinterpretation, bei denen vers!iedene Lesarten einer Textpassage dur! die sequenzielle Analyse des weiteren Textes geprü- werden sollen (Oevermann, Allert, Konau & Krambe" '(*(); ebenso Methoden der Entwi"lung und Überprüfung qualitativer Kausalhypothesen, die Charles Ragin ('(1*) vorges! lagen hat. Zudem können Te! niken computergestützter Kategorisierung, Ar!ivierung und Strukturierung qualitativen Datenmaterials, die in den letzten .% Jahren entwi"elt und verfeinert wurden, den Prozess der Bewährung empiris! begründeter Theorien unterstützen, indem sie helfen, systematis! empiris!e Evidenz und Gegenevidenz in den Daten zu &nden (vgl. Kelle .%%$; siehe au! den Beitrag von Konopásek in diesem Band).
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Abs"ließende Bemerkungen
„Emergenz“ hat si! als ein problematis!es methodologis!es Konzept erwiesen, weil si! hieran die empiristis!e Idee knüp-, dass Fors!ende si! ihrem Fors!ungsfeld ohne theoretis!es Vorwissen nähern sollten. Allerdings haben Glaser und Strauss den Umstand, dass Fors!ende immer auf bereits vorhandenes Theoriewissen Bezug nehmen müssen, um empiris!e Sa!verhalte zu bes!reiben, zu verstehen und zu erklären, keinesfalls übersehen. Eine Alternative zum induktivistis!en Verständnis qualitativer Fors!ung &ndet si! bereits im Discovery-Bu!: Fors!ende mit „theoretis" er Sensibilität“ können Perspektiven entwi"eln, die ihnen helfen „to see relevant data and abstract signi&cant categories from his scrutiny of the data“ (Glaser & Strauss '()*, S.0). So enthalten die frühesten Versionen der GTM im Grunde zwei vers!iedene Modelle des Verhältnisses zwis!en Daten und Theorie mit widersprü!li!en Implikationen: Auf der einen Seite wird betont, dass theoretis!e Konzepte aus den Daten „emergieren“, falls Fors!ende si! dem empiris!en Feld ohne vorformulierte Theorien oder Hypothesen nähern, auf der anderen Seite wird die notwendige Nutzung theoretis!en Vorwissens für die Identi&zierung theoretis! relevanter Phänomene in den Daten unterstellt. In den späteren methodologis!en Arbeiten haben Glaser und Strauss den Versu! unternommen, das anfangs etwas unklare Konzept der theoretis!en Sensibilität weiter zu explizieren, um die beiden prima facie divergierenden Forderungen na! O2enheit der Fors!enden einerseits und na! deren theoretis!er Sensibilität andererseits miteinander zu versöhnen. Strauss s! lug zu diesem Zwe" die Verwendung einer allgemeinen Handlungstheorie zur Konstruktion einer A!se für die im Fors!ungsprozess entstehende gegenstandsbezogene Theorie vor. Glaser ha,e selbst (obwohl er den Ansatz von Strauss und Corbin '((. he-ig zurü"wies und verurteilte) bereits '(*1 etwas Ähnli!es angeregt. Dabei ha,e er die theoretis!en Konzepte, die Fors!ende bei der Analyse qualitativer Daten zur Verfügung haben sollten, als „theoretis!e Kodes“ bezei! net. So reduziert si! die von Glaser re!t einseitig geführte Kontroverse (da Strauss auf die Angri2e nie ö2entli! reagiert hat) auf die Frage, ob Fors!ende ein de&niertes „Kodierparadigma“ sensu Strauss und Corbin nutzen oder theoretis!e Codes sensu GLASER ad hoc einführen sollten, die aus einem umfangrei!en Fundus von „Kodierfamilien“ stammen. Beide Strategien haben ihre Vor- und Na!teile. Neulinge in der qualitativen Fors!ung, die klare Vorgaben wüns!en, um ihr Datenmaterial zu strukturieren, werden eher mit dem Kodierparadigma na! Strauss und Corbin zufrieden sein. Diese Strategie bringt zudem (anders als Glaser behauptet) nur ein einges! ränktes Risiko mit si!, dass Kategorien den Daten „aufgezwungen“ werden, weil das Paradigma aus theoretis!en Begri2en aufgebaut ist, die nur begrenzten empiris!en Gehalt aufweisen. Die mit dem Kodierparadigma verbundene mikrosoziologis!e Perspektive ist für viele qualitativ Fors!ende kein Problem, da die qualitative Fors!ungstradition immer eng mit mikrosoziologis!en Handlungstheorien verbun-
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
den war und ist. Sozialwissens!a-ler/innen, die eine makrosoziologis!e (etwa systemtheoretis!e oder marxistis!e) Perspektive einnehmen wollen, werden dur! das Kodierparadigma jedo! von ihren eigentli!en theoretis!en Orientierungen weggeführt. Erfahrene Fors!er/innen mit breitem Wissen im Berei! der Sozialtheorie pro&tieren im Allgemeinen eher von der „theoretis!en Kodierung“ sensu Glaser, weil sie dann ganz unters!iedli!e „A!sen“ na! ihren Bedürfnissen für die empiris! begründete Theoriekonstruktion gestalten und Konzepte aus sehr vers!iedenen Theorietraditionen verwenden und au! kombinieren können. Unabhängig davon, wel!e Arten „theoretis!er Kodes“ oder „Kodierparadigmen“ verwendet werden sollen, sollte empiris! begründete Theorienbildung immer dur! ein angemessenes erkenntnistheoretis!es Modell des Verhältnisses zwis!en Daten und Theorien angeleitet werden. Hierbei ist es wi!tig, dass die induktivistis!e Rhetorik aufgegeben und sta,dessen ein klares Verständnis der Bedeutung induktiver, deduktiver und vor allem abduktiver S!lussfolgerung im qualitativen Fors!ungsprozess entwi"elt wird. Des Weiteren muss klar sein, dass jede wissens!a-li!e Entde"ung die Integration von Vorwissen und empiris!en Beoba!tungen erfordert und dass Fors!ende immer auf theoretis!es Vorwissen zurü"greifen müssen, das die kategorialen Grundlagen für die Bes!reibung, Interpretation und Erklärung der empiris!en Welt liefert. Um si!erzustellen, dass dur! die Anwendung theoretis!en Wissens Daten ni!t in ein Prokrustesbe, gezwungen werden, sollte zudem sorgfältig zwis!en vers!iedenen Arten theoretis!er Aussagen unters!ieden werden (insbesondere zwis!en de&nitiven und präzisen Hypothesen auf der einen und abstrakten heuristis!en Konzepten auf der anderen Seite) und deren unters! iedli!e Bedeutung im Prozess der Theoriebildung berü"si!tigt werden. Empiris! begründete Theorienkonstruktion erfordert die sorgfältige Auswahl eines angemessenen heuristis!en Theorierahmens, der als A!se für eine mithilfe empiris!er Daten sukzessive konstruierte Theorie mit hohem empiris!en Gehalt dienen kann. Dies erfordert au! die sorgfältige Su!e sowohl na! zusätzli!er Evidenz, die die entstehende Theorie weiter empiris! untermauern kann, als au! na! Gegenbeispielen und na! sol!en empiris!en Sa!verhalten, die dur! die bislang verwendeten heuristis!en Konzepte ni!t angemessen abgede"t werden können und deshalb eine Erweiterung oder Veränderung des heuristis!en Rahmens erforderli! ma!en. Literatur Achinstein, Peter ('((.). Inference to the best explanation: Or, who won the Mill-Whewell debate#? Studies in the History and Philosophy of Science, %&, 0$(–0)$. Anderson, Douglas R. ('(1*). Creativity and the philosophy of C.'S. Peirce. Dordrecht: Martinus N6ho2.
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„Emergence“ oder „Forcing“#?
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Zwei Varianten von Grounded Theory!? Zu den methodologis"en und methodis"en Di#erenzen zwis"en Barney Glaser und Anselm Strauss1 Jörg Strübing
1
Einleitung
Im Jahre !""# verö$entli%te Barney G. Glaser im Eigenverlag ein kleines Bu% mit dem Titel „Emergence vs Forcing. Basics of Grounded Theory Analysis“. Dieses Bu% dokumentiert ö$entli% den massiven Bru%, zu dem es !""& – zum Zeitpunkt der Erstverö$entli%ung von Strauss und Corbins „Basics of Qualitative Resear%“ – zwis%en Strauss und Glaser gekommen ist. In der Einleitung zu „Emergence vs. Forcing“ geht Glaser sogar so weit, dass er zwei seiner Briefe an Strauss abdru't, in denen er diesen in rüdem Ton bes%uldigt, si% einseitig die Konzeption des gemeinsam entwi'elten Fors%ungsstils der Grounded Theory angeeignet und sie zuglei% in unzulässiger Weise verfäls%t zu haben. Mit Bli' auf das Bu% von Strauss und Corbin gipfeln Glasers Vorwürfe in einer bemerkenswerten Forderung: „I request that you pull the book [Basics of Qualitative Resear%]. It distorts and misconceives grounded theory, while engaging in a gross neglect of "&(% of its important ideas“ (Glaser !""#, S.#). Für die Einleitung eines wissens%a)li%en Bu%es ist das fürwahr starker Tobak, und au% was Glaser an anderer Stelle in diesem Bu% (z.(B. S.!#*+f.) über Juliet Corbin s%reibt, ist s%wer na%vollziehbar und entspri%t ni%t immer akademis%en Gep,ogenheiten. Strauss hat auf diese gravierenden persönli%en und wissens%a)li%en Anwürfe nie ö$entli% geantwortet.2 Einerseits war er kein Freund wissens%a)li%er Dispute (Corbin !""-, S.!#!), andererseits aber wohl au%, weil Glasers Kritik so o$ensi%tli% haltlos war. Glaser wiederum hat na% dem Tod von Strauss (!"".) dur% die Gründung eines privaten „Institute for Grounded Theory“ versu%t, seinen Alleinvertretungsanspru% für das Verfahren der Grounded Theory zu festigen und das eigene Verständnis als das autoritative zu etablieren. Sukzessive sind so aus dem von Glaser und Strauss !"./ gemeinsam unterbreiteten Vors%lag zur Grounded Theory 1
2
Bei dem vorliegenden Text handelt es si% um eine erweiterte und aktualisierte Fassung des 0. Kapitels meines Bu%es „Grounded Theory. Zur sozialtheoretis%en und epistemologis%en Fundierung des Verfahrens der empiris% begründeten Theoriebildung“, Wiesbaden: VS Verlag, #&&0 (#. Aufl. #&&-). Vgl. aber das interne Memo von Strauss aus dem Jahre !""*, das Corbin !""- posthum publik gema%t hat.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_1 , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Zwei Varianten von Grounded Theory+?
zwei – so meine These – in wi%tigen Punkten gravierend voneinander vers%iedene Verfahrensvors%läge auf der Basis weitgehend divergenter methodologis%er und sozialtheoretis%er Positionen entstanden. Diese Eins% ätzung ist dur%aus umstri1en, so postulieren Mey und Mru' (#&&", S.!&!): „Trotz diese Weiterungen und Di$erenzierungen ist es na% wie vor zutre$end, von der GTM [GroundedTheory-Methodologie] zu spre%en“. I% vertrete demgegenüber die Position, dass die Geltungsbegründungen, auf die si% Glaser und Strauss jeweils berufen, so weit auseinander liegen und si% sogar partiell widerspre%en, dass Fors%ende, die si% auf Grounded Theory berufen, ni%t umhin kommen, si% für die eine oder die andere der beiden Varianten zu ents%eiden. Dies bedeutet allerdings ni%t, dass auf der Ebene praktis%er Datenanalyse ni%t Verfahrenselemente von der einen in die andere Variante übernommen werden können. Während es wenig Sinn ma%t, die persönli%en Divergenzen zwis%en Glaser und Strauss bzw. Glaser und Corbin hier genauer auszuleu%ten (und eine Rekonstruktion der wissens%a)li%en S%ulenbildung und der damit verbundenen Abgrenzungsdiskurse eher von wissens%a)ssoziologis%em Interesse wäre), ist es in jedem Fall lohnend, die mi1lerweile o$enbar gewordene Gegensätzli%keit der wissens%a)li%en Positionen der beiden Begründer der Grounded Theory etwas eingehender zu betra%ten. Zu fragen ist also, wel%e methodologis%e Position Glaser für si% reklamiert, und mit wel%en Argumenten er von dort aus die von Strauss vertretene Variante kritisiert. Typis%erweise werden die Auseinandersetzungen zwis%en Vertreter/innen unters%iedli%er wissens%a)li%er Positionen als Kontroversen aufgefasst und dargestellt. Dies bietet si% im vorliegenden Fall jedo% ni%t an, denn obwohl es deutli% gegensätzli%e Positionen gibt, fehlt hier ein typis%es Merkmal einer wissens%a)li%en Kontroverse: Weil Strauss nie ö$entli% auf Glasers Polemiken geantwortet hat, ist es in der Folge ni%t zu einem Austaus% von Argumenten gekommen. Sta1dessen haben si% zwei ko-existierende Ri%tungen der Grounded Theory etabliert, die beide das glei%e Label für si% beanspru%en.3 Dies führt in Methodendiskussionen immer wieder zu einiger Konfusion. Bei Fors%er/innen, die si% zur Erläuterung ihres methodis%en Vorgehens paus%al auf „die“ Grounded Theory beziehen, kann hö%stens mit Bli' auf die Referenzliteratur unters%ieden werden, wel%e 3
Grounded Theory ist keine kanonis%e Lehre: Glaser und Strauss haben – mit sehr unters% iedli%en Akzenten – den o$enen Arbeitsstil-Charakter ihres Verfahrens und dessen Anpassungsbedür) igkeit an die Umstände des jeweiligen Fors%ungsvorhabens betont. So ist es mi1 lerweile zu einigen (hier ni%t näher zu betra%tenden) Varianten und Neuinterpretationen gekommen, so etwa von Dey (!"""), Charmaz (#&&.) oder Clarke (#&&0). Au% gibt es immer wieder Versu%e, Grounded Theory mit anderen Verfahren zu kombinieren, so etwa Hildenbrand (#&&*) mit der objektiven Hermeneutik, Breuer (#&&") mit Methoden der Selbstre,exion oder – s%on früh – S%ütze (!"-2) mit Methoden der Narrationsanalyse. Mi% interessiert hier jedo% allein die Aufspaltung des ursprüngli%en, von den beiden Gründern zunä%st gemeins%a)li% vertretenen Verfahrensmodells in zwei Varianten sowie die darin si%tbar werdende, grundlegend unters%iedli%e methodis%e Ausgangsposition von einerseits Glaser und andererseits Strauss.
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Traditionslinie tatsä%li% gemeint ist. O) genug gibt die Art, in der Fors%ende si% in ihren Studien oder in methodis%en S%ri)en auf Grounded Theory beziehen, Anlass zu der Vermutung, dass sie si% der gravierenden Unters% iedli%keit der beiden Ri%tungen gar ni%t bewusst sind (vgl. etwa Bartle1 & Payne !""/). Die folgende Darstellung wird von der These strukturiert, dass die Angri$e Glasers auf Strauss und Corbin und deren Verständnis von Grounded Theory als Ausdru' fundamentaler wissens%a)s- und sozialtheoretis%er Di$erenzen verstanden werden können. Da diese Di$erenzen stark von der jeweiligen intellektuellen Herkun) von Glaser bzw. Strauss geprägt sind, geht der erste Abs% ni1 auf die unters%iedli%en Theorie- und Methodentraditionen ein, denen die beiden entstammen. In den ans%ließenden Abs%ni1en wird zunä%st (Abs%ni1 #) das von Glaser stark betonte Emergenz-Argument einer kritis%en Prüfung unterzogen, bevor Glasers Rekurs auf sozialtheoretis%e Basiskonzepte in methodologis%er Perspektive dem Emergenz-Postulat gegenübergestellt wird (Abs%ni1 2). Die von Glaser aufgeworfene Frage der Erforderli%keit bzw. Verzi%tbarkeit von Veri3kationss%ri1en in der empiris% angeleiteten Theoriegenese wird in einem weiteren Abs%ni1 (0) diskutiert. Das Ergebnis meiner Untersu%ung lautet, dass Glasers Position ni%t nur wissens%a)stheoretis% haltlos, sondern vor allem in si% inkonsistent ist, da die starke Betonung von Emergenz und die geforderte Vorwissens-Abstinenz von einem massiven Einbezug allgemein-sozialtheoretis%er Konzepte konterkariert wird, mit dem Glaser si% implizit selbst widerlegt.4 Hinzu kommt, dass der Verzi%t auf Veri3kation eine unnötige und für ein wissens%a)li%es Verfahren ni%t akzeptable Bes%ränkung der Leistungsfähigkeit Grounded Theory-orientierter Analysen darstellt – eine Bes%ränkung, die ihre Begründung aus einem verfehlten, weil implizit hypothetiko-deduktiven Verständnis von Veri3kation bezieht. 2
Herkun$ aus unters"iedli"en Theorie- und Methodentraditionen
Glaser und Strauss entstammen – und das ers%eint für die Genese des Kon,iktes von zentraler Bedeutung – sehr unters%iedli%en intellektuellen Traditionen. Strauss ist ein führender Vertreter eines pragmatistis% reformulierten Interaktionismus. Er hat seine akademis%e Ausbildung in den späten Jahren der Chicago S%ool vor allem bei Herbert Blumer sowie später bei Evere1 C. Hughes genossen und dabei sowohl die Theorieorientierung als au% die qualitativ-interpretative Fors%ungstradition dieser von Thomas und Park geprägten „S%ule“ kennengelernt (vgl. Strübing #&&/a). Glaser hingegen erhielt seine Ausbildung an der von Paul 4
Die Eindeutigkeit dieses Befundes verstehe i% jedo% ni%t als eine „parteinehmende Haltung“, wie sie Mey und Mru' (#&&/, S.#0) mit Bezug auf meine früheren Darlegungen (Strübing #&&- [#&&0]) anmerkten.
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Lazarsfeld gegründeten und geprägten „Columbia S%ool“ mit ihrer eher kritis%rationalistis% orientierten und vorwiegend quanti3zierenden Fors%ungsmethodik. Glaser selbst konstatiert einen erstaunli% großen Übers%neidungsberei% zwis%en beiden S%ulen, so etwa die Notwenigkeit von Feldfors%ung für ein angemessenes Verständnis sozialer Prozesse, die Bedeutung von empiris% begründeter Theorie, die Prozessha)igkeit der Erfahrung, die Akteure wie Fors%ende im Feld fortgesetzt ma%en, die Rolle symbolis%er Interaktion bei der aktiven Gestaltung der Umwelt dur% die Akteure sowie die Betonung von Wandel, Prozessualität und Variabilität der mens%li%en Existenz. Für die Chicagoer Tradition benennt er indes einen weiteren Punkt, von dem er si% ausdrü'li% abgrenzt: „the interrelationship between meaning in the perception of subjects and their action“ (Glaser !""#, S.!.). Dabei bleibt jedo% o$en, warum aus Glasers Si%t dieser Punkt – der dem Kern des Thomas-Theorems entspri%t und in der Soziologie weitgehend Common Sense ist – für die Columbia Tradition ni%t konsensfähig sein soll, zumal, wie Strauss in einem Memo vermerkt, gerade dieser se%ste Punkt das zentrale Moment jener „Probleme der Handelnden“ ist, auf die die Grounded Theory si% Glasers Meinung na% beziehen soll (Strauss, zit. n. Corbin !""-, S.!#.) und die Strauss und Corbin mit der Orientierung auf „Phänomene“ laut Glaser aus dem Bli' zu verlieren drohen. Die tatsä%li%en Gegensätze zwis%en Chicago und Columbia S%ool liegen aber wohl eher in der kritis%-rationalistis%en Orientierung der Letzteren gegenüber der in weiten Teilen eher pragmatistis%en Ausri%tung der Chicagoer Soziologie. Diese Prägung dur% so unters%iedli%e theoretis%-methodis%e S%ulen hat Na%wirkungen, die bis in die neueren methodis%en S%ri)en der beiden Autoren zu bemerken sind. Dabei versteht Glaser grosso modo das ganze Projekt der Grounded Theory als im Kern vom Geist der Columbia S%ool dur%drungen: „It is vital to note that the fundamentals of Grounded Theory, the underlying analytic methodology, are in very large measure drawn from the analytic methodology and procedures laboriously discovered by researchers and students in the Department of Sociology and the Bureau of Applied Social Research at Columbia University in the *&’s and .&’s“ (Glaser !""#, S./; vgl. auch Glaser !""-, S.#!+f.).
Glaser hat dabei vor allem die „Methode des ständigen Verglei%ens“ im Sinn, die wesentli% er selbst in das gemeinsame Projekt eingebra%t und au% s%on vor dem Discovery-Bu% eigenständig, wennglei% als Resultat einer gemeinsamen Fors%ungspraxis mit Strauss, verö$entli%t hat (Glaser !".*). Für ihn ist constant comparison der Kern des Verfahrens der Grounded Theory. Au% wenn Strauss die zentrale Bedeutung von Verglei%sheuristiken in seiner Fassung von Grounded Theory im Wesentli%en anerkennt, würde er do% der These der Fundierung der Grounded Theory in den methodologis%en Erkenntnissen der Columbia S%ool vehement widerspro%en haben, weil damit zum einen nur der methodente% nis%e, ni%t aber der methodologis%e Kern des Verfahrens benannt ist. Strauss notiert dazu:
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„Though we do the same, we don’t make the same claim“ (zit. n. Corbin !""-, S.!#.). Zum anderen ist die fallbezogene Verglei%sheuristik au% ein zentrales Merkmal der von Znanie'i (#&&0 [!"20]) im Kontext der Chicago S%ool geprägten Analytis%en Induktion sowie der Feldfors%ungspraxis von Evere1 C. Hughes (!"/!) in den !"*&er Jahren. Vor diesem divergenten Hintergrund basiert das Discovery-Bu% im Grunde auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner der beiden Autoren: ihrer pointierten und wohlbegründeten Kritik an einer positivistis%-funktionalistis%en, an den Kriterien „objektiver“ Wissens%a)en orientierten Sozialfors%ung. Wenn es aber darum geht, die eigene erkenntnistheoretis%e Grundposition positiv zu bestimmen, dann zeigt si%, wie nahe Glaser immer no% einer „Tabula rasa“-Position rein induktiver Erkenntnis steht, die (notwendig) auf der Vorstellung einer s%on existenten, absoluten Realität basiert. Glaser bleibt bei seiner he)igen Ablehnung der fors%enden Bezugnahme auf theoretis%es Vorwissen zuglei% merkwürdig inkonsequent, denn er propagiert z.(B. – im Gegensatz zu Strauss und dessen allgemeiner Heuristik des „Kodierparadigmas“ – ein großes Set „theoretis%er Kodefamilien“ als eine universelle Folie, auf deren Basis die gegenstandsbezogenen Kodes des aktuellen Falles in theoretis%e Konzepte überführt werden sollen. Bei Li%te betra%tet wird an diesem Punkt bei Glaser die Orientierung an theoretis%em Vorwissen gegenüber der Strausss%en Position sogar no% ges%är) – obwohl sie seinem eigenen Verständnis zufolge do% minimiert werden müsste – do% dazu später mehr. Strauss hingegen, der si% in seinen eigenen Werken kaum explizit von Glaser abgegrenzt hat, geht von einer pragmatistis%en Position aus, bei der zwis%en dem steten Fluss der world in the making und dem erkennenden Subjekt ein Verhältnis we%selseitiger Konstitution besteht. Als Fors%ende – ebenso wie als Alltagsmens%en – ers%a$en wir unsere (Erkenntnis-) Objekte wie uns selbst in praktis%experimenteller problemorientierter Auseinandersetzung mit einer Welt, die uns zunä%st nur als Widerständigkeit im problemlösenden Handeln entgegentri1. In der Grounded Theory Strausss%er Prägung werden die Gegenstände der Fors%ung ebenso wie die zwis%en ihnen bestehenden Relationen in diesem Prozess konstruiert. Allerdings ges%ieht dies weder willkürli% (also rein mental und unabhängig von der „Welt da draußen“), no% auf der Basis eines dominanten theoretis%en Vorverständnisses, sondern in einem kleinteiligen Prozess praktis%en Experimentierens mit denkbaren Erklärungen (Strübing #&&/b).5 Do% es wird nötig sein, die Di$erenzen zwis%en Glaser und Strauss etwas genauer herauszuarbeiten, um eins%ätzen zu können, wie gravierend die methodis%en Unters%iede tatsä%li% sind, die zumindest für Glaser o$enbar bestehen. Der Titel von Glasers Polemik gegen Strauss und Corbin ist hier ein erster, re%t 5
Der Pragmatismus von Peirce, James, Dewey und Mead, auf den Strauss si% bezieht, nimmt damit zentrale Argumente und Positionen späterer sozialkonstruktivistis%er Ansätze vorweg, ohne indes die kritis%e Re,exion der Rolle der Fors%enden bzw. der Autor/innen so stark zu fokussieren, wie das in jüngeren und insbesondere postmodernistis%en Ansätzen der Fall ist.
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aussagekrä)iger Indikator, „Emergence vs. Forcing“: Während Glaser seiner eigenen Verfahrensvariante die Eigens%a) zus%reibt, Theorie aus den empiris%en Daten – und nur aus ihnen – „ohne Zwang“ emergieren zu lassen, führen die Vors%läge, die Strauss und Corbin unterbreiten,6 na% seiner Überzeugung dazu, die Daten in das Prokrustesbe1 einer implizit s%on vorgeda%ten Theorie des Gegenstandes zu zwingen. In dieser Generalthese ste'en zwei Aussagen, die es dur%aus zu hinterfragen lohnt: Zum einen wird die Mögli%keit rein auf Daten basierender Emergenz theoretis%er Konstrukte angenommen, und zum anderen wird dem Rekurs auf theoretis%es Vorwissen unters%iedslos ein die Theorie des Gegenstandes präformierender Ein,uss unterstellt. 3
Emergenz von Theorien aus Daten
Glasers Position zu Emergenz kommt besonders deutli% in seinem Konzept-Indikator-Modell zum Ausdru', in dem er die grundlegenden Bezüge zwis%en Empirie und Theorie, zwis%en Daten und Konzepten darstellt. Wennglei% der Grundgedanke bereits in seinem Aufsatz zur „Constant Comparative Method of Qualitative Analysis“ (!".*) enthalten ist, formuliert er das Konzept-Indikator-Modell do% erst in „Theoretical Sensitivity“ ausdrü'li%: „Our concept indicator model is based on constant comparing of (!) indicator to indicator, and then when a conceptual code is generated (#) also comparing indicators to the emerging concept. From the comparisons of indicator to indicator the analyst is forced into confronting similarities, di$erences and degrees of consistency of meaning between indicators whi% generates an underlying uniformity whi% in turn results in a coded category and the beginning of properties of it. From the comparisons of further indicators to the conceptual codes, the code is sharpened to a%ieve its best 3t while further properties are generated until the code is veri3ed and saturated“ (!"/-, S..#).
Glaser grenzt seine Variante eines Konzept-Indikator-Modells von zwei anderen Varianten ab (dem Konstruieren von Indizes sowie dem Bilden von Dimensionen aus Indikatoren-Clustern in der quantitativen Fors%ung) und betont die Bedeutung der von ihm vorges%lagenen Variante für die Funktionsweise der Grounded Theory: „Concepts and their dimensions […] have earned their way into the theory 6
Die polemis%e Kritik Glasers setzt interessanterweise erst zum Zeitpunkt der gemeinsamen Publikation des Lehrbu%s von Strauss mit Juliet Corbin (!""&) ein, während er das wenige Jahre zuvor von Strauss (!"-/) allein publizierte, inhaltli% weitgehend identis%e, wenn au% didaktis% weniger stark aufbereitete Bu% „Qualitative Analysis for Social Sciences“ weitgehend von seiner Kritik ausnimmt. Soweit Glaser damit den stre'enweise simpli3zierenden und aufs Te%nis%e reduzierenden Duktus der Verfahrensexplikation im Basics-Bu% kritisiert, steht er mit seiner Kritik ni%t allein (vgl. z.(B. Charmaz #&&&; Hildenbrand #&&0 oder Strübing #&&.). Er s% ießt jedo% weit über das Ziel hinaus, wenn er Kernbestandteile des Strausss%en Vors%lags diskreditiert.
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by systematic generation from data. This may be seen as opposed to simply using the standard distinctions of received sociology as if they must be relevant“ (S..2+f.). Es handelt si% hier also um die s%on von Blumer (!"*0) formulierte Kritik an de3nitiven Konzepten, die ohne Prüfung ihrer fallbezogenen Relevanz auf die aktuelle Empirie angewendet werden. Soweit ist Glasers Abgrenzung dur%aus plausibel. Do% wel%e Alternative bietet er an+? Handelt es si% tatsä%li% um einen so diametralen Gegenentwurf, wie er behauptet+? Während die beiden von ihm kritisierten Modelle si% laut Glaser ledigli% auf die Bedeutung von Indikatoren beziehen, ohne diese Bedeutung selbst zu analysieren, fokussiere sein Modell auss%ließli% auf diese Bedeutung (Glaser !"/-, S..2). Do% vom Bemühen um eine deutli%e Abgrenzung seiner eher inhaltli%en Orientierung von der vermeintli% eher formalen herkömmli%er Induktionsmodelle getrieben, gerät Glaser hier in die Falle eines naiven Induktivismus, weil er den Vorgang des Verglei%ens empiris%er Indikatoren in erkenntnislogis%er Perspektive ni%t analytis% hinterfragt. Auf diesem Weg hä1e ihm kaum entgehen können, dass empiris%e Indikatoren einander ni%t selbst verglei%en können, ja ni%t einmal dur% si% selbst zu Indikatoren werden: Es bedarf dazu immer s%on kognitiver „Werkzeuge“ die – mehr oder weniger stark, mehr oder weniger explizit – theoriegeladen sind. Die Selektivität unserer Wahrnehmung beim analytis%en Zugri$ auf die Daten, die spra%li%en Mi1el zur verglei%enden Darstellung als relevant era%teter Eigens%a)en der zu verglei%enden Indikatoren: All dies kommt ohne ein gewisses Maß an theoretis%er Vorprägung ni%t aus und steht somit der Idee reiner Emergenz von Konzepten aus Indikatoren-Verglei%en und von Theorie aus Empirie entgegen. Und dies ist es au%, was der von Glaser und Strauss (!"./, S.0.+f.) gemeinsam geprägte und für Glasers Hauptwerk (!"/-) titelgebende Begri$ der „theoretis%en Sensibilität“ im Kern meint: Damit aus Material Daten und aus Daten Konzepte und Theorien werden können, bedarf es kompetenter Akteure, die zwar wissend sind, mit ihrem Wissen aber – darin liegt die wesentli%e Charakteristik theoretis%er Sensibilität – dosiert, sa%angemessen und kreativ umzugehen verstehen. Gefordert ist eine kompetente und auf Vorwissen rekurrierende Eigenleistung der Fors%enden, wenn Straus (!""!, S.*&) theoretis%e Sensibilität de3niert als ein „Gespür dafür, wie man über Daten in theoretis%en Begri$en na%denkt“. Und au% Glaser verbindet mit theoretis%er Sensibilität no% !""# „the resear%ers knowledge, understanding, and skill“ (S.#/). Ian Dey hat darauf hingewiesen, dass Glaser und Strauss in „The Discovery of Grounded Theory“ den Prozess der Datenanalyse über weite Stre'en auss%ließli% im Passiv darstellen und diese „devaluation of creativity“ (Dey !""", S.2*) im Widerspru% zur Idee der theoretis%en Sensibilität steht. Strauss mag dieser Widerspru% später bewusst geworden sein, jedenfalls fällt auf, dass er eine Passage aus „Theoretical Sensitivity“ zwar zitiert, aber zuglei% so modi3ziert, dass die aktive Rolle der Fors%enden dabei deutli% wird: „Daten sind Indikatoren für ein Konzept, das der Fors%er zunä%st vorläu3g, später aber mit mehr Si%erheit aus den Daten ableitet“ (Strauss !""!, S.*0).
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Es besteht allerdings wenig Anlass, diese Nuance überzubewerten, denn au% Strauss, der si% in zentralen Passagen deutli% von der Emergenz-Metapher abgrenzt, verfällt an anderer Stelle immer wieder in eine Induktivitäts-Rhetorik, die überras%end wenig vom abduktiven Eigenbeitrag der Fors%enden dur%s%einen lässt (vgl. dazu kritis% Haig !""*; Strübing #&&-, S.*&+$.; sowie Bryant #&&" und den Beitrag von Rei%ertz in diesem Band). 4
Glasers impliziter Rekurs auf theoretis"es Vorwissen7
Glaser geht über die implizite Verletzung seiner eigenen Kernforderung no% hinaus, indem er explizit allgemeine sozialtheoretis%e und erkenntnislogis%e Konzepte in die Analyse der Daten ein,ießen lässt und zur Grundlage dessen ma%t, was er „theoretis%es Kodieren“ nennt. Für ihn müssen die substantiellen Kodes, die im o$enen Kodieren vor allem entwi'elt werden und die „empiris%e Substanz“ des Fors%ungsfeldes repräsentieren, mithilfe von „theoretis%en Kodes“ zueinander in Beziehung gesetzt werden: „theoretical codes conceptualize how the substantive codes may relate to ea% other as hypotheses to be integrated into a theory“ (Glaser !"/-, S./#). Erst substantielle und theoretis%e Kodes zusammen sind in der Lage, den Sinn untersu%ter Zusammenhänge adäquat auszudrü'en. Zwar schreibt Glaser auch theoretischen Kodes Emergenz zu: „They, like substantive codes, are emergent“ (S./#), doch schon wenige Sätze später spricht er davon, dass „it is necessary for the grounded theorist to know many theoretical codes in order to be sensitive to rendering explicitly the subleties of the relationship in his data“ (a.(a.(O., meine Hervorh.). Es geht also hier ni%t wirkli% um Emergenz theoretis%er Konzepte, sondern um sehr allgemeine sozialtheoretis%e Konstrukte, die den Fors%enden a priori kognitiv verfügbar sind, also um basales, fall-unspezi3s%es theoretis%es Vorwissen. Glaser geht davon aus, dass die meisten Fors%enden si% gewohnheitsmäßig auf nur sehr wenige theoretis%e Konzepte fokussieren („The codes they were indoctrinated into“; S./2) und will mit dem Vors%lag einer Liste von !- (!) „Kodierfamilien“ den theoretis%en Horizont der Fors%enden erweitern. Diese Kodierfamilien enthalten so allgemeine Konzepte wie „Causes, contexts, contingencies, consequences, covariance and conditions“ (S./0) oder „Limit, range, intensity, extent, …“ (S./*), aber au% stärker sozialtheoretis% basierte Konzepte wie „Social control …, recruitment, …, socialisation …, strati3cation…, status passage …“ (S.//).8 Im Sinne einer systematis%en Selbstvergewisserung der Fors%enden über 7
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Wenn im Folgenden vor allem Glasers Position einer kritis%en Inventur unterzogen wird, dann zielt das auf eine Komple1ierung der ursprüngli%en Kontroverse, denn weil Strauss nie ö$entli% reagiert hat, steht die Antwort auf Glasers Kritik an Strauss im Grunde no% aus. Meine Interpretation und Bewertung des von Strauss geprägten Verständnisses von Grounded Theory habe i% an anderer Stelle ausführli% dargelegt (Strübing #&&., #&&/b, #&&-). Später erweiterte Glaser diese Liste no% einmal erhebli% (!""-, S.!.2+$.).
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den Stand des – hier: soziologis% – theoretis% Denkmögli%en ist dies zweifellos gerade für kreative Prozesse abduktiven S%ließens hilfrei%, denn es kann ni%t darum gehen, in jeder analytis%en Auseinandersetzung mit den Daten das Rad der Soziologie neu zu er3nden. Das Arbeitsmi1el der Kodierfamilien ist für die Diskussion der Divergenzen zwis%en Glaser und Strauss jedo% no% in anderer Hinsi%t besonders interessant. Denn in „Emergence vs. Forcing“ ma%t Glaser Strauss und Corbin insbesondere den Vors%lag des Kodierparadigmas zum Vorwurf, weil dieses dazu führe, den Daten eine theoretis%e Struktur überzustülpen, die diesen mögli%erweise ni%t angemessen sei (Glaser !""#, S.0*+$. et passim). Er selbst aber legt den Fors%enden mit seinem Verfahrensvors%lag s%on in seiner Kodierfamilie „The six C’s“ fast alle jene Heuristiken als theoretis%e Kodes nahe, die Strauss und Corbin im Kodierparadigma in Frageform vors%lagen: Ursa%en, Kontext, Konsequenzen, Bedingungen. Wo das Kodierparadigma bei Strauss und Corbin nur den Charakter einer pragmatis%en Heuristik hat,9 zielt Glaser allerdings – und dies konterkariert die Idee von theoretis%er Sensibilität als Selbstvergewisserung – auf die Rahmung der Kodierperspektive dur% die Vorgabe einer umfangrei%en Liste soziologis%er Basiskonzepte. Dies wird besonders deutli%, wenn er auf ein von ihm als basic social process bezei%netes Konstrukt rekurriert, das aus seiner Si%t den Kern des theoretis%en Kodierens bildet und das er und seine Koautoren mit Webers „Idealtypen“ und S%ütz‘ „Homunculus“ auf einer Stufe sehen mö%ten (Bigus, Glaser & Hadden !""0, S.2-). Ähnli% wie bei Strauss und Corbin mündet au% bei Glaser das Kodieren sukzessive in die Su%e na% einer Kernkategorie, die es erlauben soll, die am Material entwi'elte analytis%e Struktur auf ein zentrales Konzept (die core category) hin zu fokussieren und damit die vers%iedenen Elemente zu einer in si% verbundenen Theorie zu integrieren. Als eine besondere Klasse von Kernkategorien bezei%net Glaser jene Kategorien, die Prozesse repräsentieren: „The core category can be any kind of theoretical code: a process, a condition, two dimensions, a consequence and so forth. When it is a process additional criteria also apply“ (!"/-, S.".). Diese Klasse von prozessbezogenen Kernkategorien ist es, die Glaser als basic social process (BSP) bezei% net. „BSP’s are just one type of core category – thus all BSP’s are core variables, but not all core variables are BSP’s“ – sondern nur solche, die „two or more emergent stages“ aufweisen (a.(a.(O.).10 Indem alle BSPs zu Kernkategorien deklariert werden, bekommt dieser Begri$ eine andere Bedeutung und einen anderen Status als bei Strauss und Corbin. Während diese vors%lagen, erst aus der Arbeit am Material allmähli% jene ein oder zwei für die Erklärung des Phänomens zentralen Kategorien neu zu entwi'eln, auf die hin im Wege des selektiven Kodierens die gesamte analytis%e Struktur orientiert wird, haben Kernkategorien bei 9
Strauss dazu in besagtem Memo: „We operate with the paradigm qua epistemology, that is, a ‚logical diagram‘ not one that refers to actual sequences of research moves“ (zit. n. Corbin !""-, S.!#.). 10 Au% hier bemüht Glaser wieder das Bild der Emergenz, allerdings ohne dies näher zu erläutern.
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Glaser einen de3nitiven Charakter: Sie sind „immer s%on“ Kernkategorien, ganz unabhängig vom aktuellen empiris%en Phänomen, und werden dann nur no% im Sinne einer erklärenden Variable den im o$enen Kodieren entwi'elten Kategorien appliziert. Das ist in letzter Konsequenz die Denkungsart einer strukturfunktionalistis%en „Variablensoziologie“. Do% davon einmal abgesehen: Was ma%t nun die als BSP bezei% nete Sorte prozessualer Kernkategorien zu basic social processes+? Glaser notiert dazu: „They also have clear, amazing general implications; so mu% so that it is hard to contain them within the con3 nes of a single substantive study. The tendency is to refer to them as a formal theory without the quite necessary comparative development of formal theory […]. They are labeled by a ‚gerund‘ (‚ing‘) whi% both stimulates their generation and the tendency to overgeneralize them. BSP’s su% as cultivating, defaulting, centering, high lighting, or becoming, give the feeling of process, %ange and movement over time“ (!"/-, S."/)
Hier bleibt immer no% unklar, warum dies die exklusive Eigens%a) eines speziellen Typs von Kernkategorien sein soll und ni%t vielmehr die Eigens%a) aller im Gerundium formulierbaren grammatis%en Strukturen: Diese drü'en immer einen Aspekt von Prozessha)igkeit aus. Es hat eher den Ans%ein, als führe Glaser willkürli% eine Unters%eidung in den Berei% mögli%er Kernkategorien ein, ohne allerdings eine systematis%e Typenbildung hypothetis%er Kernkategorien vorzunehmen. Seine Regel s%eint zu lauten: Alle Kernkategorien, die im Gerundium auszudrü'en sind, sind BSPs. Au% das Kriterium der clear, amazing general implications ist wenig überzeugend: Glasers BSPs weisen diese Eigens%a) ersi%tli% vor allem aus einem Grund auf: weil er sie aus dem Berei% allgemeiner Prozessbegri$e rekrutiert hat. Dass allgemeine Begri$e allgemeine Implikationen aufweisen, ist bestenfalls ein truism, bei Weitem aber keine Begründung dafür, warum diesen Begri$en als Kernkategorien für die Theoriebildung über je spezielle empiris%e Zusammenhänge eine basale Rolle zufallen sollte. 5
Pro und Contra Veri%kation: Wie weit rei"t der Anspru" der Grounded Theory!?
Ein weiterer zentraler Dissens zwis%en Glaser und Strauss betri4 die Frage der Veri3kation von empiris% begründeten Theorien. Es geht kurz gesagt um die Frage, wie weit der Anspru% des Verfahrens der Grounded Theory rei%en soll: Soll es si% darauf bes%ränken, auf Basis empiris%er Daten Theorien zu entwi'eln, oder sollen diese Theorien zuglei% einer Überprüfung unterzogen werden+? Die Position von Strauss setzt – in deutli%er Anknüpfung an das von John Dewey (#&&0 [!"2-]) entwi'elte Modell iterativ-zyklis%en Problemlösens – auf den Drei-
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klang von Induktion, Deduktion und Veri3kation, wobei er Veri3kation im Sinne einer Überprüfung der Plausibilität und der praktis%-experimentellen Funktionsfähigkeit der an der Empirie entwi'elten Theorien versteht, einer Überprüfung im Übrigen, die inkrementell vonsta1en geht und von Strauss als Teil des Theoriebildungsprozesses und ni%t als eine distinkte Arbeitsphase betra%tet wird: „Wissens%a)li%e Theorien müssen zuerst entworfen, dann ausgearbeitet, dann überprü) werden. … Die Begri$e, die wir bevorzugen, sind Induktion, Deduktion und Veri3kation. Mit Induktion sind Handlungen gemeint, die zur Entwi'lung einer Hypothese führen … Hypothesen sind sowohl vorläu3g als au% konditional. Deduktion heißt, daß der Fors%er Implikationen aus Hypothesen oder Hypothesensystemen ableitet, um die Veri3kation vorzubereiten. Die Veri3kation bezieht si% auf Verfahren, mit denen Hypothesen auf ihre Ri%tigkeit überprü) werden, d.(h. ob sie si% ganz oder teilweise bestätigen lassen oder verworfen werden müssen. Mit Induktion, Deduktion und Veri3 kation arbeitet der Fors%er über die gesamte Dauer des Projektes“ (!""!, S.2/).
Glaser hingegen lehnt die Vorstellung ausdrü'li% ab, dass die Überprüfung einer Theorie untrennbarer Bestandteil der Theoriegenerierung ist: „The goal of grounded theory is to generate a theory that accounts for a pa1ern of behavior whi% is relevant and problematic for those involved. The goal is not voluminous description, not clever veri3cation“ (!"/-, S."2). Ebenso wie er der extensiven Bes%reibung empiris%er Phänomene als Ziel für die Grounded Theory wenig abgewinnen kann, steht au% Veri3kation für Glaser außerhalb des Aufgabenberei%s des Verfahrens. Das ist zunä% st ein wenig überras%end, denn in den Wissens%a)en sind wir es allenfalls gewohnt, über Art und Ausmaß der anzulegenden Gütekriterien zu diskutieren, ni%t aber darüber, ob wir die von uns aus der Analyse der Daten gezogenen S%lüsse kritis% prüfen oder sie ohne jede Prüfung für zutre$ende wissens%a)li%e Ergebnisse halten dürfen. Wenn man na% den Ursa%en dieser Skepsis Glasers gegenüber jegli%er Veri3kationsstrategie fors%t, stößt man s% nell auf die alte Abgrenzung gegenüber standardisierten theorie-testenden Verfahren der empiris%en Sozialfors%ung, deren Ergebnissen er eine Tendenz zu mangelndem „3t“+11 und mangelnder „relevance“ bes%einigt (!""-, S.#2*). Damit sind zuglei% bereits zwei Kriterien benannt, die Glaser für Qualität und Leistungsfähigkeit von Theorien anführt und die mit dem Verfahren der Grounded Theory erarbeitet wurden. „Fit is another word for validity which means does the concept represent the pa1ern of data it purports to denote“ (S.#2.). Und weil die Grounded Theory ihre Theorien aus den Daten darüber ent11 In der deuts%en Übersetzung von „The Discovery of Grounded Theory“ wird !t mit „Eignung“ übersetzt (vgl. Glaser & Strauss !""-, S.#0#). Das gibt den Wortgebrau% bei Glaser aber ni%t hinrei%end wieder. Es geht bei ihm eher um ein Passungsverhältnis, also die Frage, inwieweit die Theorie den Daten „entspri%t“. Deshalb bleibe i% hier wie bei den na% folgenden Begri$en beim amerikanis%en Original (Glaser & Strauss !"./).
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wi'elt, „what is really going on“, ergibt si% für Glaser die Relevanz der Theorien glei% mit („it is automatic“). Au% das dri1e von ihm genannte Kriterium, „work“ (S.#2/), ergibt si% aus dem „3t“, denn damit ist ni%ts anderes gemeint, als dass die Theorie in der Lage sein soll, alle Verhaltensvariationen im untersu%ten Berei% angemessen zu integrieren. Weil die fortgesetzte Integration neuer Aspekte des Untersu%ungsberei%s ni%t dazu führt, die so entwi'elte Theorie zu entwerten (im Sinne einer Falsi3kation), sondern sie sukzessive zu erweitern und zu präzisieren, ist s%ließli% au% das vierte Kriterium, die „modi3ability“, ein zwangsläu3ges Resultat der Methode des ständigen Verglei%ens. All dies sind bei Glaser aber ni%t Kriterien, an denen eine jede auf Basis der Methodologie der Grounded Theory erarbeitete Theorie erst einmal zu prüfen wäre. Es sind vielmehr Qualitätsmerkmale, die dem Verfahren der Grounded Theory an si" eigen sind und die aus diesem Grund deren Ergebnisse prägen. Was die Werts%ätzung von !t, relevance, work und modi!ability betri4, so wäre Strauss wohl hier mit Glaser einer Meinung. In der Tat sind diese Merkmale bereits in „The Discorvey of Grounded Theory“ von beiden gemeinsam benannt worden, und zwar vor allem in der Perspektive der Anwendbarkeit von Theorien zur Lösung praktis%er gesells%a)li%er Probleme (vgl. Glaser & Strauss !"./, S.#0#+$.). Der Dissens beginnt erst dort, wo Glaser jegli%e systematis%e Überprüfung der Ergebnisse auf das Vorliegen der genannten Qualitätskriterien ablehnt. Was Glaser sta1dessen anbietet, ist am ehesten in religiösen Kategorien zu bes%reiben. So leitet er sein Bu% „Doing Grounded Theory: Issues and Discussions“ mit dem folgenden emphatis%en Ausruf ein: „How are you doing+? I’m doing. Just do it. Let’s do it. Do it because it is meant to be. Do it because it is there to be done. Do it because it WORKS. Grounded theory works and many people are doing it“ (!""-, S.!). Wie ernst es ihm mit diesem Übers%wang ist, zeigt si% in der gebetsmühlenartigen Wiederholung der Phrase vom „just do it“, die au% den S%luss des Bu%es bildet: „In closing I admonish the reader again: trust grounded theory, it works+! Just do it, use it and publish+!“ (S.#*0) Das ist ni%t ganz das, was man si% unter einer wohl abgewogenen wissens%a)li%en Methodendiskussion vorstellt. Die Idee vom allein selig ma%enden Verfahren der Grounded Theory gipfelt bei Glaser in der Metapher des Vertrauens (trust): Anstelle einer systematis%en Überprüfung, ob die erarbeiteten Theorien au% wirkli% leisten, was sie zu leisten vorgeben – also das fragli%e Phänomen zu erklären – bietet Glaser die Einladung, den Ergebnissen s%on deshalb einfa% zu trauen, weil sie mit der Methode des ständigen Verglei%ens erarbeitet wurden. Auf diese Weise re-etabliert er jenen objektivistis%en Methodenglauben, der davon ausgeht, dass „ri%tige“ Methoden-„Anwendung“ praktis% automatis% zu korrekten Ergebnissen führt – ein Glaube, der seit der Wiederentde'ung qualitativ-interpretativer Methoden in den !".&er Jahren mit guten Gründen für überholt gelten sollte. So wi%tig Vertrauen in Sozial- wie in Sa%beziehungen ist: Glaube an die verwendeten
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Methoden kann kaum als Ersatz für eine rationale und systematis%e Überprüfung der erarbeiteten Theorien dienen, sondern hö%stens deren Ergebnis sein. Im Unters% ied zu Glaser hat Strauss die Frage der Veri3kation zunehmend ernster genommen und – gerade im Rü'gri$ auf das epistemologis%e Modell des Pragmatismus – zu einem integralen Bestandteil des Grounded-Theory-Verfahrens gema%t. Oder viellei%t sollte man eher sagen: Weil er in seinen späteren S%riften zur Grounded Theory immer weniger in die Perspektive eines kritis%en Abwehrre,exes gegen die nomologis%-deduktive Fors%ungstradition eingebunden war, konnte er das in den Prozeduren der Grounded Theory liegende Potenzial für die Integration von Veri3kationss%ri1en sehen und explizieren – ohne damit das gemeinsame Anliegen einer auf praktis%e Anwendbarkeit hin orientierenden Theorieentwi'lung zu Disposition zu stellen. 6
Fazit: Strauss oder Glaser!?
Was lässt si% aus der Kritik von Glaser an Strauss und aus Glasers Gegenvors% lag für das Verständnis des Verfahrens der Grounded Theory und dessen Begründung lernen+? Vor allem wohl, dass es wenig Sinn ma%t, ein methodis%es Verfahren at face value zu nehmen, also nur die Verfahrenss%ri1e zu betra%ten und deren Plausibilität abzus%ätzen. Denn auf der Ober,ä%e praktis%er Verfahren wirken die Unters%iede zwis%en den Ansätzen von Glaser und Strauss ni%t besonders gravierend.12 Erst wenn wir die Intentionen und Zus%reibungen betra%ten, mit denen Glaser einerseits und Strauss andererseits ihre Verfahren rahmen und die dazu jeweils geltend gema%ten wissens%a)s- und erkenntnistheoretis% fundierten Begründungen und Ans%lüsse verglei%end heranziehen, wird erkennbar, dass es si% tatsä%li% um zwei grundvers%iedene Verfahren qualitativer Sozialfors%ung handelt. Udo Kelle (!"".) hat Glasers Ansatz ni%t ganz zu Unre%t als einen dem frühen englis%en Empirismus glei%enden „dogmatis%en Re%tfertigungsinduktivismus“ bezei% net (siehe au% Kelle in diesem Band). Strauss hingegen steht für ein wesentli% di$erenzierteres und fors%ungslogis% besser begründetes Verfahren, das insbesondere in der Frage des Umgangs mit theoretis%em Vorwissen sowie im Hinbli' auf die Veri3kationsproblematik sorgfältiger ausgearbeitet ist. Was beide eint, ist die Orientierung auf die praktis%e Brau%barkeit der Untersu%ungsergebnisse und die Idee, dass diese Brau%barkeit nur dur% eine enge und systematis%e Verbindung zwis%en empiris%en Daten und Theorie zu errei%en ist. Wo Glaser allerdings in seiner methodologis%en Argumentation in Emergenz-Metaphern verfällt, entwi'elt Strauss ein dialektis%es Verhältnis von Theorie und Empirie und kann 12 Strauss notiert in seinem Memo dann auch: „I think B[arney Glaser; J.(S.] completely misreads how close we are in some of the actual analytic operations“ (zit. n. Corbin !""-, S.!#.).
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Zwei Varianten von Grounded Theory+?
damit die Existenz und den notwendigen Gebrau% von theoretis%em Vorwissen s%lüssig in sein Verfahren integrieren, sta1 es – wie Glaser – in der Praxis dur% die Hintertür theoretis%er Kodes an die Daten herantragen zu müssen. Der von Glaser ab !""# ö$entli% ausgetragene Streit mit Strauss hat also vor allem dazu beigetragen, die im Frühwerk zur Grounded Theory enthaltenen Inkonsistenzen und Widersprü%e si%tbar werden zu lassen und hat dadur% zu einer pointierteren und in si% jeweils konsistenteren Formulierung der jeweiligen methodologis%en Positionen geführt. Im methodenhistoris%en Rü'bli' auf diesen Streit ist bemerkenswert, wie wenig si% Strauss in seinen früheren Arbeiten zur Grounded Theory (also insbesondere in „Basics of Qualitative Analysis“) kritis% mit Glasers Position auseinandergesetzt hat. S%ließli% ha1e Glaser sein methodologis%es Credo bereits !"/- in „Theoretical Sensitivity“ ausführli% dargestellt. Sta1dessen bezieht si% Strauss dur%gängig positiv ni%t nur auf das Discovery-Bu%, sondern au% auf „Theoretical Sensitivity“. Wie au% Bryant (#&&", Abs.!&) feststellt, hat Strauss in „Basics of Qualitative Analysis“ ganze Abs% ni1e aus Glasers „Theoretical Sensitivity“ übernommen – und damit selbst zur teilweisen Inkohärenz dieses Bu%es beigetragen. Die ents%ieden pragmatistis%e Grundorientierung tau%t in Strauss’ methodologis%en S%ri)en ab Mi1e der !"-&er Jahre zunä%st eher en passant auf, so als sei dies immer s%on seine Position gewesen. Das ist si%erli% ni%t fals%, allerdings spri%t – gerade wenn man Strauss’ Gesamtwerk betra%tet – vieles für die Annahme, dass es bei ihm gerade in seinen späten Jahren zu einer stärkeren Rü'besinnung auf seine pragmatistis%en beliefs gekommen ist. Au% vers% iedene Heuristiken und andere Verfahrenselemente, die Strauss und Corbin in ihren S%ri)en einführen, insbesondere das Kodierparadigma und die conditional matrix, werden ni%t in ihrer Di$erenz zu Glasers Interpretation von Grounded Theory dargestellt, sondern eher als kontinuierli%e Weiterentwi'lungen einer weiterhin einheitli% verstandenen Methode. Zu verstehen ist dies wohl vor allem aus der Tatsa%e, dass Strauss und Corbin in ihren Einführungsbü%ern im Wesentli%en die in zurü'liegenden Jahren in Fors%ung und Lehre sukzessive weiterentwi'elte Methodenpraxis zu explizieren versu%en. Der Bezug ist also eher die re,ektierte eigene Praxis als ein methodologis%er Diskurs, den Strauss, wenn wir Corbin (!""-, S.!#!) glauben dürfen, wohl vor allem als waste of time betra%tet hä1e. Die Diskussion um Grounded Theory bes%ränkt si% gerade in neuerer Zeit ni%t auf die Frage der Di$erenzen zwis%en Glaser und Strauss/Corbin. Vor dem Hintergrund der Postmoderne-Diskussion gibt es vers%iedentli% Versu%e, Grounded Theory in das Lager postmodern-relativistis%er Ansätze hineinzus% reiben, so etwa bei Lincoln und Guba (!"-*) im Rahmen ihres Plädoyers für eine „Naturalist Inquiry“ oder – mit anderen Argumenten – bei Charmaz (#&&& und in diesem Band), die sowohl Glasers Ansatz als au% die Version von Strauss und Corbin als objektivistis% quali3ziert und diesen ihre Auffassung einer konstruktivistis%en Grounded Theory gegenüberstellt. Glaser hat diese Versu%e jeweils ents%lossen zurü'gewiesen (Glaser #&, #&&2; Glaser & Holton #&&0; siehe au% in diesem
Jörg Strübing
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Band). Seine Argumentations3gur in diesen Deba1en ist dabei im Kern immer die glei%e: All diesen Versu%en einer Re-Interpretation oder Neujustierung der Grounded Theory liegt für Glaser vor allem und zunä%st ein fals%es Verständnis der Ursprungsfassung von Grounded Theory zugrunde, die aber ri%tig (also in Glasers Sinne) verstanden keine Veränderung benötige. Würde umgekehrt etwas von diesen Vors%lägen übernommen, so handele es si% ni%t mehr um Grounded Theory, sondern „nur“ um „QDA“, also um ein Verfahren der qualitativen Datenanalyse. Glaser zieht hier – ganz anders als Strauss – eine harte Trennungslinie zwis%en Grounded Theory und qualitativer Datenanalyse, weil er allen Verfahren, die weder hypothetiko-deduktiv no% im Stile „seiner“ Grounded Theory verfahren, eine rein deskriptive Orientierung unterstellt.13 Die dur% Glasers Kritik an Strauss und Corbin evozierte größere Si%tbarkeit gerade der kontroversen Aspekte innerhalb der Grounded-Theory-orientierten Verfahren erlei%tert es, si% für eine der beiden Varianten (oder au% für die eine oder die andere Neuinterpretation bzw. Weiterentwi'lung; s. Fußnote #) zu ents%eiden, ma%t eine sol%e Ents%eidung und deren Explizierung in der methodis%en Begründung eigener, auf Grounded Theory basierender Studien allerdings au% zwingend erforderli%. Literatur Bartle1, Dean & Payne, Sheila (!""/). Grounded theory – Its basis, rationale and procedures. In George McKenzie, Jackie Powell & Robin Usher (Hrsg.), Understanding social research: Perspectives on methodology and practice (S.!/2–!"*). London: Falmer Press. Bigus, Odis E; Glaser, Barney G. & Hadden, Stuart C. (!""0). The study of basic social processes. In Barney G. Glaser (Hrsg.), More grounded theory methodology: A reader (S.2-–.0). Mill Valley, CA: Sociology Press. Blumer, Herbert (!"*0). What is wrong with social theory+? American Sociological Review, #$, 2–!&. Breuer, Franz unter Mitarbeit von Barbara Dieries & Antje Le1au (#&&"). Re%exive Grounded Theory: eine Einführung für die Fors"ungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissens%a)en. Bryant, Antony (#&&"). Grounded theory and pragmatism: The curious case of Anselm Strauss. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, #&(2), Art. #, h1p:// nbn-resolving.de/urn:nbn:de:&!!0-fqs&"&2#*. Charmaz, Kathy (#&&&). Grounded theory: Objectivist and constructivist methods. In Norman K. Denzin & Yvonna S. Lincoln (Hrsg.), Handbook of qualitative research (#. Aufl., S.*&"–*2*). Thousand Oaks: Sage.
13 Glaser argumentiert in diesem Punkt ersi%tli% aus der einges% ränkten methodologis%en Perspektive der nordamerikanis%en Sozialfors%ung, die bei Weitem ni%t so ausdi$erenziert ist wie die kontinentaleuropäis%e. Verfahren wie die dokumentaris%e Methode oder die objektive Hermeneutik sind ihm – wie vielen seiner amerikanis%en Kolleg/innen – einfa% ni%t bekannt.
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Zwei Varianten von Grounded Theory+?
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Jörg Strübing
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Abduktion: Die Logik der Entde!ung der Grounded Theory1 Jo Rei!ertz
1
Einleitung „Wir ents!ieden Mi"e #$, ein Bu! über Methoden zu s!reiben. Wir spürten s!on, dass Veränderungen in der Lu% lagen, denn wir wollten für die ‚Kids‘ s! reiben – Leute über &$ s! ienen uns s!on zu festgelegt. Barney ha"e das bessere Gefühl, dass ein sol!es Bu! ankommen würde, i! war skeptis!er, weil i! älter war. Der Titel, ‚The Discovery of Grounded Theory‘, zeigt s!on, worauf es uns ankam: ni!t wie in den übli!en Methodenbü!ern die Überprüfung von Theorie, sondern deren Entde'ung ‚aus den Daten heraus‘. Grounded Theory ist keine Theorie, sondern eine Methodologie, um in den Daten s! lummernde Theorien zu entde'en“. (Strauss in: Legewie & S!ervier-Legewie ($$) [*++,], Abs.,*)
Die Grounded-Theory-Methodologie (GTM), auf die si! Anselm Strauss hier in einem Interview zwei Jahrzehnte später bezieht, ist eines der erfolgrei!sten sozialwissens!a%li!en Verfahren, und sie hat die qualitative Sozialfors!ung weltweit deutli! vorangebra!t. Dass dem so ist, verdankt si! jedo! ni!t der Klarheit und Einfa!heit der von Barney Glaser und Anselm Strauss entwi'elten Methode, sondern der Erfolg resultiert eher aus der dort genährten und in der Wissens!a% weit verbreiteten Ho-nung, Theorien würden wie von selbst aus den Daten emergieren – ohne jede theoretis!e Vorannahme. Wenn man nur die Daten mit den ri!tigen Methoden „behandelt“ (so der Glaube), dann würden die Theorien von selbst (also ohne die Hilfe der Wissens!a%ler/innen) aus den Daten erwa!sen. Die Theorien entstünden, so der Glaube weiter, nur dur! die s!ri"weise Abstraktion und Verdi!tung der Daten. Besonders deutlich zeigt sich dieses Versprechen in einer der berühmtesten Zitate aus „The Discovery of Grounded Theory“: „Clearly, a grounded theory that is faithful to the everyday realities of the substantive area is one that has been carefully induced from the data“ (Glaser & Strauss *+#., S.(&+). Dass ein sol!es induktives Folgern der GTM grundsätzli! fehlerha% ist, das ist u./a. von Kelle (*++), ($$, und in diesem Band) und von Strübing (($$) und in diesem Band) gezeigt wor1
Dieser Artikel wurde erstmals im „Sage Handbook of Grounded Theory“ (hrsg. von Antony Bryant & Kathy Charmaz ($$., S.(*)–((+) in englis!er Spra!e verö-entli!t. Eine lei!t überarbeitete Fassung ist (ebenfalls in englis!er Spra!e) in FQS publiziert worden (Rei!ertz ($$+). Zur allgemeinen Einbe" ung dieses Artikels siehe au! Bryant (($$+).
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_1 , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Abduktion: Die Logik der Entde'ung der Grounded Theory
den. Viele Anwender/innen betra!ten die GTM als einen induktiven Ansatz, und sie sind der Ansi!t „that the approa! signals a return to simple ‚Baconian‘ inductivism“ (Haig *++,, S.(). Repräsentativ für viele andere qualitative Sozialfors!ende hier ein Zitat von Marvasti (($$), S.0)): GTM „is known as an inductive or ground-up approa! to data analysis“. Anfangs teilten die beiden Gründer der GTM diese Si!t der Dinge, wie Udo Kelle (($$,, Abs.()) ri!tig urteilt: „From its beginnings the methodology of Grounded Theory has su-ered from an ‚inductivist self misunderstanding‘ entailed by some parts of the Discovery book. Although this inductivism plays a limited role in resear! practice of many Grounded Theory studies (including those of the founding fathers) it has o%en lead to confusion especially among novices who draw their basic methodological knowledge from text books.“
Die Tatsa!e, dass si! die ursprüngli!e GTM später in zwei Ri!tungen teilte, wel!e si! hinsi!tli! der Bedeutung theoretis!en Vorwissens maßgebli! unters!eiden, deutete si! bereits in Strauss’ Arbeit „Qualitative Analysis for Social Scientists“ (*+0.) an, wurde dann aber ganz klar in dem Bu! „Basics of Qualitative Resear!“ (Strauss & Corbin *++$). In beiden Texten vertrat Strauss die Position, dass theoretis!es Vorwissen in die Interpretation der Daten ein1ießt – ein1ießen muss –, während Glaser weiterhin darauf bestand, dass die Kodes und Kategorien aus den Daten emergieren müssten – und zwar allein aus den Daten, ohne Hinzuziehung von Vorwissen. Diese Meinungsvers!iedenheit hat Glaser mehrfa! vehement öffentli! gema!t (u./a. *++(, ($$( und gemeinsam mit Holton in diesem Band). Seitdem war und ist dieser Meinungsunters!ied Gegenstand teils hitziger Deba"en in der sozialwissens!a%li!en Literatur (Kelle *++); Kendall *+++; Miller & Frederi's *+++; Strübing ($$)). Die spätere Position der GTM, wie sie bei Strauss sowie Strauss und Corbin zu 2nden ist, geht davon aus, dass jede Beoba!tung und jede Entwi'lung von Theorie immer s!on und notwendigerweise theoriegeleitet ist. „Every type of inquiry rests on the asking of e-ective questions“ (Strauss & Corbin *++$, S..&). Allerdings müssten die Wissens!a%ler/innen dann die innere Bereits!a% mitbringen, ihre theoretis!en Vorannahmen aufgrund ihrer Fors!ung zu modi2zieren oder si! ganz von ihnen zu verabs!ieden. Diese Logik der Fors!ung der GTM hat nun viel mit der abduktiven Fors!ungslogik gemein, wie sie von Charles Sanders Peirce entwi'elt wurde. Aber weder haben Strauss no! Strauss und Corbin si! ausdrü'li! auf die Logik der abduktiven Entde'ung berufen, no! haben sie si! ausdrü'li! auf Charles S. Peirce bezogen. Es ist somit zu fragen, ob si! Strauss bzw. Strauss und Corbin tatsä!li! in ihrer Fors!ung einer abduktiven Logik bedienten. Dieser Beitrag mö!te hier für mehr Klarheit sorgen, denn es soll untersu!t werden, ob die späte Fassung der GTM (sensu Strauss ab *+0$) tatsä!li! einer abduktiven Logik aufruht. Eine sol!e Klärung brä!te als Gewinn ein besseres Ver-
Jo Rei!ertz
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ständnis der Besonderheit des empiris!en Vorgehens der GTM. Um dies zu leisten, muss als erstes die Logik der Abduktion rekonstruiert werden, so wie sie von Peirce entworfen wurde, um dann im zweiten S!ri" zu prüfen, ob die Fors!ungslogik, wie sie vom späten Strauss sowie von Strauss und Corbin benutzt wurde, si! mit Vorstellungen und Begri-en von Peirce tre-end reformulieren lässt. Diese Untersu!ung wird zeigen, dass zu Beginn der GTM die abduktive Logik nur verde't im Konzept enthalten war, während sie in späteren Fassungen immer deutli!er und klarer herausgearbeitet wurde – zumindest in den Arbeiten von Strauss. Deshalb kann man die Glaser-Strauss-Deba"e teilweise au! als eine Auseinandersetzung darüber verstehen, ob für eine „gute“ Fors!ung eine induktive oder eine abduktive Fors!ungslogik angemessen ist. 2
Abduktion: Ein regelgeleiteter Weg zu neuem Wissen
Sozialfors!er/innen, die si! ni!t nur den Mannigfaltigkeiten des alltägli!en Lebens mit wissens!a%li! ges!ultem Augen zuwenden, sondern au! no! die Muße haben, das Auf und Ab des eigenen Berufsvokabulars zu verfolgen, können in den letzten Jahren das – wenn au! langsame – Aufblühen eines Begri-es miterleben, der knapp )$$ Jahre alt ist. Die Rede ist von dem Begri- der Abduktion. Dieser Aufs!wung war so enorm, dass man!erorts sogar von einem abductive turn gespro!en wird (vgl. Bonfantini *+00; Wirth *++, und ($$$). Erstmals eingeführt *,+. von Julius Pacius, um das Aristotelis!e Apagogè zu übersetzen, blieb er fast drei Jahrhunderte gänzli! unbea!tet. Erst Charles S. Peirce (*0&+–*+*)) gri- ihn auf, und bezei!nete mit ihm das einzig wirkli! Kenntnis erweiternde S!lussverfahren (so der Anspru!), das si! von den geläu2gen logis!en S!lüssen – nämli! der Deduktion und der Induktion – kategorial unters!eiden soll (Peirce *+.&, *+.#, *+0#, *++(). Einige Jahrzehnte vergingen, bevor die Ideen von Peirce systematis! aufgegri-en und übernommen wurden (Anderson *++,; Apel *+#.; Fann *+.$; Hanson *+#,; Moore & Robin *+#); Rei!ertz *++*, ($$&, ($$#; Tursman *+0.; Wartenberg *+.*). Heute ist der Begri- „Abduktion“ s!on lange kein Geheimtipp mehr: Wissens!a%ler/innen bspw. aus der Pädagogik, den Spra!wissens!a%en, der Psy!ologie und der Psy!oanalyse, der Semiotik, den Theaterwissens!a%en, der Theologie und der Kriminologie und natürli! au! Soziolog/innen reklamieren in ihren Fors!ungsberi!ten gern und o%, ihre neuen Erkenntnisse würden si! „Abduktionen“ verdanken. Dieser dur!s!lagende Erfolg eines do! re!t sperrigen Begri-s der Logik lässt si! m./E. zweifa! erklären: Zum einen ist der Begri- der Abduktion in der Fors!ungsliteratur di-us bis widersprü!li! bestimmt (und damit für Vieles und Viele verwendbar), und zum anderen verbindet si! mit der Abduktion eine große wissens!a%stheoretis!e Ho- nung: nämli! die Ho- nung auf eine regelgeleitete, reproduzierbare und au! gültige Produktion neuen wissens!a%li!en
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Abduktion: Die Logik der Entde'ung der Grounded Theory
Wissens. Diese Ho-nung 2ndet si! vor allem bei der Erfors!ung der künstli!en Intelligenz und bei einer Reihe von Spielarten der qualitativen Sozialfors!ung (z./B. Charniak & McDermo" *+0,; Hemker *+0#; Knorr *+0,; Kreppner *+.,). Gemeinsam ist vielen Verwendungen des Abduktionsbegri-es, dass sowohl der logis!e als au! der innovative Charakter der Abduktion betont wird. Reklamiert wird zwar, dass sie si! von der Deduktion und der Induktion grundsätzli! unters!eide, aber denno! auf jeden Fall ein Verfahren der logis!en S!lussfolgerung sei (ausführli!er hierzu Rei!ertz ($$&, ($$#). Gerade in diesem „S!lussmodusSein“ liegt m./E. der heimli!e Charme der Abduktion: Ist sie do! einerseits als logis!er S! luss vernün% ig und wissens!a%li!, andererseits rei!t sie in die Sphäre tieferer Einsi!t und ermögli!t so neue Erkenntnis. Die Abduktion soll der Sozialfors!ung – oder besser: den Sozialfors!er/innen – helfen, Neues auf logis! und methodis! geordnetem Wege zu 2nden. Diese Ho-nung ri!tet si! gegen die desillusionierenden Einwände von Rei!enba! (*+&0) und Popper (*++0), die mit ihrer Aufteilung der wissens!a%li!en Fors!ung in eine Logik der Entde'ung und eine Logik der Re!tfertigung die wissens!a%li!e Entde'ung in den Berei! der Psy!ologie „vertrieben“ und nur die Re!tfertigung intuitiv erfundener Hypothesen dem Berei! ernst zu nehmender Wissens!a% zugeordnet haben. Diese Trennung (von Popper und Generationen quanti2zierender Sozialfors!er/innen no! als endgültige Lösung des alten Induktionsproblems angesehen) wollen viele „Abduktionist/innen“ wieder rü'gängig ma!en: Die unglü'li!e Disjunktion von Entde'ungs- und Re!tfertigungszusammenhang soll mi"els der Abduktion wieder aufgehoben werden. Gelänge eine regelgeleitete Gewinnung neuer Erkenntnis, dann wäre für die Fors!ung enorm viel errei!t: nämli! die Befreiung von der „Zufälligkeit des guten Einfalls“ (Habermas *+.&, S.*).) und: (so die Ho-nung vieler) die Mögli!keit, „synthetis!e S!lüsse aposteriori“ wäre gegeben. Wegen dieser Ho-nung galt und gilt die Abduktion bei vielen Sozialfors!er/innen als willfähriges Zauberwort, als Bes!wörungsformel – immer einsetzbar, wenn na! der Validität des wissens!a%li!en Deutungsprozesses gefragt wird. „Der Versu!, den Akt des Hypothesengenerierens und subjektiven Erkennens ni!t mehr nur als beliebig und ni!t weiter hinterfragbar zu !arakterisieren, sondern ihn in Form des abduktiven S!lusses analytis! zu erfassen, kann viellei!t den Weg in eine Ri!tung weisen, die in den Geisteswissens!a%en als hermeneutis!es Vorgehen zur Gewinnung von Erkenntnis bekannt und übli! ist, und die im Rahmen derjenigen Sozialwissens!a%, die ni!t auss!ließli! an einer aus den Naturwissens!a%en übernommenen Methodik orientiert ist, unter dem Begri- des ‚Denkens‘, man! mal au! des ‚Verstehens‘, weit verbreitet ist“ (Kreppner *+.,, S.#+).
Diese Ho-nung resultiert m./E. allein aus einem weitverbreiteten Missverständnis der Peirces!en Position, nämli! dass zwis!en der S!lussform „Hypothese“ und der S!lussform „Abduktion“ keine Unters!iede bestünden. Aus heutiger Si!t ist
Jo Rei!ertz
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jedo! unstri"ig, dass Peirce etwa bis *0+0 unter dem Namen „Hypothese“ zwei re!t unters!iedli!e Formen des S!lussfolgerns fasste, ohne dies jedo! zu bemerken. Als ihm dieser unklare Gebrau! des Namens „Hypothese“ auffiel, arbeitete er in seiner Spätphilosophie den Unters!ied zwis!en den beiden Verfahren deutli! heraus und nannte die eine Operation „qualitative Induktion“ und die andere „Abduktion“ (ausführli!er dazu Rei!ertz ($$&; Eco *+0*). Die oben genannte Ho-nung vieler Wissens!a%ler/innen resultiert m./E. nun daraus, dass sie si! „widerre!tli!“ in Bezug auf die Leistungen der Abduktion auf die Spätphilosophie von Peirce berufen, jedo! im Hinbli' auf ihre Form und Gültigkeit auf die Arbeiten von Peirce zur Hypothese zurü'greifen. Nur aufgrund dieser unzulässigen Bedeutungsvermis!ung „gelingt“ der Entwurf einer logis!en Operation, die regelgeleitet neue Erkenntnis hervorbringt. 3
Deduktion, quantitative und qualitative Induktion, Abduktion
Die gesells!a%li!en Ordnungen, an denen si! Mens!en (o%, aber ni!t immer) in ihrem Handeln orientieren, wandeln si! permanent und sind zudem „subkulturell fragmentiert“. Die Ordnungen besitzen deshalb immer nur einen lokalen Geltungsberei! und werden ständig und (seit dem Aufkommen der Moderne) immer s!neller von eben diesen Mens!en geändert, die ihr zuvor (in Maßen) no! folgten (Eisenstadt ($$&; Foucault ($$)). Hinzu kommt, dass sowohl die Gestaltung als au! die Geltung dieser Ordnungen an die Sinnzus!reibungen und Interpretationsleistungen der handelnden Subjekte gebunden sind. Sozialwissens!a%li!e Handlungserklärungen zielen nämli! auf die (Re-) Konstruktion der für die handelnden Subjekte relevanten Ordnungen. Allerdings kann eine sol!e Ordnung ni!t mehr aus klassis!en und bewährten Großtheorien abgeleitet werden, da diese zum einen in der Regel ni!t „lokal“ genug, zum anderen dur! den gesells!a%li!en Wandel bereits überholt sind. Weil dies so ist, müssen neue „passende“ Ansi!ten über die Bes!a-enheit sozialer Ordnung stets aufs Neue von der Sozialwissens!a% generiert werden. Deshalb ist es ausgespro!en sinnvoll, si! die zu verstehende Lebenspraxis mögli!st genau anzusehen und aufgrund dieser Daten die neuen Ordnungen zu (re-) konstruieren. Wenn man nun in der (qualitativen wie der quantitativen) Fors!ung ernstha% damit beginnt, erhobene Daten auszuwerten, also diese entlang bestimmter Merkmale und Merkmalsordnungen zu typisieren, dann stellt si! sehr s!nell die Frage, wie man ein wenig Ordnung in das Daten!aos bringen kann. Das ist nur zu einem geringen Teil eine arbeitsorganisatoris!e Frage (Sortieren der Daten), sondern sehr viel mehr die Frage, wie die unübers!aubare Mannigfaltigkeit der Daten mit (vorhandenen oder no! zu 2ndenden) Theorien in Verbindung gebra!t werden kann. Bei diesem Unternehmen sind (folgt man den Überlegungen von Peirce) idealtypis! drei Verfahren zu unters!eiden, wobei das zweite Verfahren von mir im Weiteren
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Abduktion: Die Logik der Entde'ung der Grounded Theory
in zwei Untergruppen geteilt wird – jedo! ni!t, weil zwis!en den beiden gravierende Unters!iede vorliegen, sondern weil so die s!on angespro!ene Unters!eidung zwis!en Abduktion und Hypothese bzw. qualitativer Induktion klarer gema!t werden kann (ausführli!er hierzu Rei!ertz ($$&). 3.1
Subsumtion
Eine Art der Datenauswertung besteht in dem Verfahren der Subsumtion. Die Subsumtion geht von einem bereits bekannten Merkmalszusammenhang, also einer bekannten Regel aus (z./B.: „Alle Einbre!er, die au! den Medizins!rank plündern, sind drogenabhängig“) und versu!t diesen allgemeinen Zusammenhang in den Daten wieder zu 2nden (z./B. „Der unbekannte Einbre!er hat den Medizins!rank geplündert“), um dann über den Einzelfall Kenntnisse zu erlangen (z./B.: „Der unbekannte Einbre!er ist drogenabhängig“). Die logis!e Form dieser gedankli!en Operation ist die der Deduktion: Der in Frage stehende Einzelfall wird einer bereits bekannten Regel untergeordnet. Neues (über die Ordnung der Welt) erfährt man auf diese Weise ni!t – nur, dass der no! unbekannte Einbre!er drogenabhängig ist (ein Wissen, das für die Polizei ganz nützli! sein kann – allerdings nur dann, wenn die Regel stimmt). Deduktionen sind also tautologis!, sie besagen ni!t Neues. Deduktionen sind jedo! ni!t nur tautologis!, sondern au! wahrheitsübertragend: Ist die zur Anwendung gebra!te Regel gültig, dann ist nämli! au! das Ergebnis der Regelanwendung gültig. 3.2
Generalisierung
Eine zweite Art der Auswertung besteht darin, im Datenmaterial vorgefundene Merkmalskombinationen zu einer Ordnung oder Regel zu „verlängern“, zu generalisieren. Ausgehend von der Beoba!tung: „Bei den Einbrü!en a, b und c ist der Medizins!rank geplündert worden“ und der Fallkenntnis: „Herr Müller beging die Einbrü!e a, b und c“ wird der S!luss gezogen: „Herr Müller plündert bei Einbrü!en immer den Medizins!rank“. Die logis!e Form dieser gedankli!en Operation ist die der quantitativen Induktion. Sie überträgt die quantitativen Eigens!a%en einer Sti!probe auf die Gesamtheit, sie „verlängert“ den Einzelfall zu einer Regel. Quantitative Induktionen sind also (streng genommen) ebenfalls tautologis! (da sie keine neue Idee in die Welt bringen), jedo! ni!t wahrheitsübertragend. Die Resultate dieser Form des S!lussfolgerns sind ledigli! wahrs!einli!. Eine besondere Variante der induktiven Bearbeitung der Daten besteht nun darin, bestimmte qualitative Merkmale der untersu!ten Sti!probe so zusammenzustellen, dass diese Merkmalskombination einer anderen (bereits im Wissensrepertoire der Interaktionsgemeins!a% vorhandenen) in wesentli!en Punkten glei!t. In die-
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sem Fall kann der bereits existierende Begri- für diese Kombination benutzt werden, um die „eigene“ Form zu benennen. Die logis!e Form dieser Operation ist die der qualitativen Induktion. Sie s!ließt von der Existenz bestimmter qualitativer Merkmale einer Sti!probe auf das Vorhandensein anderer Merkmale (z./B. „I! sehe hier am Tatort eine bestimmte Spurenlage. In sehr vielen Elementen stimmt sie mit dem Spurenmuster von Müller überein. S!luss: Müller ist der Spurenleger“). Der beoba!tete Fall (bei Pierce token) ist ein Exemplar einer bekannten Ordnung (type). Kurz: S!ließt die quantitative Induktion von den quantitativen Eigens!a%en einer Sti!probe auf die Gesamtheit, so ergänzt die qualitative Induktion dagegen die wahrgenommenen Merkmale einer Sti!probe mit anderen, ni!t wahrgenommenen. Nur in diesem Sinne übers!reitet die qualitative Induktion die Grenzen der Erfahrung, indem sie von einer begrenzten Auswahl auf eine größere Gesamtheit s!ließt. Neues Wissen (im strengen Sinne) wird auf diese Weise ni!t gewonnen, bekanntes ledigli! ausgeweitet. Au! die qualitative Induktion ist kein gültiger, sondern ein nur wahrs!einli!er S!luss – allerdings besitzt sie den Vorzug, dass sie si! (wenn au! ni!t einfa!) operationalisieren lässt. Allen wissens!a%li!en Verfahren, die in den erhobenen Daten nur neue Formen des bereits Bekannten erkennen, liegt die qualitative Induktion zugrunde. 3.3
Abduktion
Die dri"e (s!einbar ähnli!e, aber denno! völlig vers!iedene) Art der Datenbearbeitung besteht nun darin, aufgrund der Ausdeutung der erhobenen Daten sol!e Merkmalskombinationen zusammenzustellen bzw. zu entde'en, für die si! im bereits existierenden Wissensvorratslager keine entspre!ende Erklärung oder Regel 2ndet. Dann ist man überras!t. Wirkli!e Überras!ung löst (ni!t nur laut Peirce) e!tes Ers!re'en aus – und die Su!e na! der (neuen) Erklärung. Da kein passender type zu 2nden ist, muss in einem geistigen Prozess ein neuer er- bzw. gefunden werden. Man!mal erlangt man aufgrund eines gedankli!en Prozesses eine sol!e neue Erkenntnis, und wenn, dann stellt sie si! „blitzartig“ ein, und der gedankli!e Prozess ist nur sehr wenig von logis!en Regeln behindert (Peirce *+&*–*+&,, Bd. V. S.**.). Eine Ordnung, eine Regel, ist bei diesem Verfahren also erst no! zu (er-) 2nden – und zwar mithilfe einer geistigen Anstrengung. Etwas Unverständli!es wird in den Daten vorgefunden und aufgrund des geistigen Entwurfs einer neuen Regel wird sowohl die Regel gefunden bzw. erfunden und zuglei! klar, was der Fall ist. Die logis!e Form dieser Operation ist die der Abduktion. Hier hat man si! (wie bewusst au! immer und aus wel!en Motiven au! immer) ents!lossen, der bewährten Si!t der Dinge ni!t mehr zu folgen. Eine sol!e Bildung eines neuen types, also die Zusammenstellung einer neuen typis!en Merkmalskombination, ist ein kreativer S!luss, der eine neue Idee in die Welt bringt. Diese Art der Zusammens! ließung
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Abduktion: Die Logik der Entde'ung der Grounded Theory
ist ni!t zwingend, eher sehr waghalsig. Die Abduktion „s!lussfolgert“ also aus einer bekannten Größe (= Resultat) auf zwei unbekannte (= Regel und Fall). Die Abduktion ist ein mentaler Prozess, ein geistiger Akt, ein gedankli!er Sprung, der das zusammenbringt, von dem man nie da!te, dass es zusammengehört. 4
Zwei Strategien zur Herbeiführung von Abduktionen
Nimmt man das bisher Gesagte ernst, dann müsste man zu dem (für die alltägli!e Wissens!a%spraxis pessimistis!en) Befund kommen, dass die abduktive Entde'ung von Neuem entweder auf den blinden Zufall, ein glü'li!es S!i'sal, einen gütigen Go" oder eine besonders günstige Gehirnphysiologie angewiesen ist. Wissens!a% als systematis!es Unternehmen s!eint zum S!eitern verurteilt: Anything goes. Aber (wenn der Blitz ni!t algorithmis! geregelt herbeigezwungen werden kann) gibt es viellei!t Verhaltensweisen und Vorkehrungen, die es dem Blitz erlei!tern, au! in die eigene Fors!ung „einzus!lagen“3? Denn au! der Blitz kommt ni!t völlig unerwartet. So tri" er (um im Bild zu bleiben) nur im Gefolge einer bestimmten We"erlage auf. Man kann im Gewi"er die Ei!en su!en und vor den Bu!en wei!en oder gar die Spitze des Kir!turms erklimmen. Dur! keine dieser Maßnahmen kann ganz si!ergestellt werden, dass der Blitz tatsä!li! kommt und tri4, aber die Mögli!keit ist do! sehr viel größer als bei jemandem, der nur die strahlende Sonne liebt, si! bei Gewi"er stets im Keller aufhält und, falls er do! einmal in das Unwe"er muss, in der Nähe von Blitzableitern bleibt. Kurz: Sollte Erkenntnis tatsä!li! etwas mit Zufällen zu tun haben, dann kann man dem Zufall eine Chance geben oder sie ihm verweigern. Peirce selbst nennt zwei Großstrategien, die geeignet sind, abduktive Prozesse besonders gut „hervorzulo'en“. Eine ist der s!önen Erzählung entnehmbar, in der er (*+(+) rü'bli'end von seinen Fähigkeiten als Hobbydetektiv beri!tet. Peirce war demna! auf einer S!i-sreise sein Überzieher und seine wertvolle Uhr gestohlen worden. Er ers!rak sehr, da die Uhr ni!t sein Eigentum war und er wegen seiner Na!lässigkeit „lebenslange S!ande“ auf si! zukommen sah. Deshalb bes!loss er, die Uhr auf alle Fälle und auf s!nellstem Wege wiederzuerlangen. Er ließ alle (farbigen) Bediensteten aller De's zusammenrufen und hieß sie, si! in einer Reihe aufzustellen. Dann s!ri" er die Reihe entlang und spra! mit jedem ein paar s!einbar belanglose Worte. „When I had gone through the row, I turned and walked from them, though not away, and said to myself: ‚Not the least scintilla of light have I got to go upon.‘ But thereupon my other self (for our own communings are always in dialogues), said to me ‚But you simply must put your 2nger on the man. No ma"er if you have no reason, you must say whom you will
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think to be the thief.‘ I made a li"le loop in my walk, which had not taken a minute, and I turned toward them, all shadow of doubt had vanished.“ (S.(.*)
Später, na! vielen Verwirrungen (die man am besten selbst einmal na! liest in Sebeok & Umiker-Sebeok *+0,), stellte si! heraus, dass der von Peirce Verdä!tigte tatsä!li! der Dieb war, und letztli! gelangte Peirce na! weiteren Abduktionen wieder in den Besitz seines Eigentums. Den Anstoß für diese Eigeninitiative in Sa!en detective work gab die Angst – und zwar ni!t die Fur!t vor dem Verlust der &,$ Dollar, wel!e die Uhr wert war, sondern die Angst vor einer life-long-professional disgrace (Peirce *+(+, S.(.$). Als er na! den ersten Unterhaltungen mit den Bediensteten no! keinen Verdä!tigen benennen konnte, setzte er si! willentli! unter weiteren Handlungsdru'. In dieser teilweise selbst herbeigeführten Notsituation kam es s!lagartig zu einem Zusammenführen vers!iedener Beoba!tungen zu einer (neuen) Einsi!t – zum abduktiven Blitz. Not ma!t er2nderis!, weil sie die Vorstellungskra% enorm aktiviert, so die Bots!a% dieser Ges!i!te. Abduktionen können zwar ni!t dur! ein bestimmtes, S!ri" für S!ri" abzus!reitendes Verfahrensprogramm, also eine exakte Methodik, „herbeigezwungen“ werden, aber man kann, und dies ist die Lehre der Episode vom Privatdetektiv Peirce, Situationen herbeiführen, in denen si! Abduktionen eher ereignen, in denen si! die Wahrs!einli!keit erhöht, dass si! neue gedankli!e Verbindungen einstellen oder besser: herstellen. Und o-ensi!tli! ist die Anwesenheit von e!tem Zweifel respektive Angst oder großem Handlungsdru' für sol!e Situationen ganz wesentli!. Mit dem Zweifel einhergehen muss jedo! au! der Wille zum Lernen. Aber Peirce entwir% no! eine andere Mögli!keit, Situationen zu s!a-en, in denen es deutli! häu2ger zu neuen Erkenntnissen kommt. Hierzu sollten Su!ende ohne ein bestimmtes Ziel ihren Geist wandern lassen. Dieses geistige Spiel ohne Regeln nennt Peirce musement, ein Spiel der Versenkung – Tagträumerei. Wie man in den Zustand der Tagträumerei gelangt, ist einigen, s!on fast poetis!en Formulierungen von Peirce (*+&*–*+&,, Bd. #, S.&*,) zu entnehmen: „Enter your ski- of musement, push o- into the lake of thought, and leave the breath of heaven to swell your sail. With your eyes open, awake to what is about or within you, and open conversation with yourself: for su! is all meditation3! lt is, however, not a conversation in words alone, but is illustrated, like a lecture, with diagrams and with experiments.“
Es bedarf also in diesem Fall der Muße, d./h. die Befreiung von dem aktuellen Handlungsdru' ist die grundlegende Bedingung, ohne die „das Boot ni!t in Fahrt kommt“. Dies widerspri!t s!einbar sehr vehement den Rahmenbedingungen für gelingende Abduktionen, wel!e Peirce in seinem Detektivbeispiel nennt. Der Widerspru! des ersten Ans!eins löst si! allerdings auf, wenn das Typis!e der beiden „abduktionsfreundli!en“ Se"ings gesu!t wird. Denn in beiden Fällen
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Abduktion: Die Logik der Entde'ung der Grounded Theory
bewirken die Verfahrensweisen, dass der bewusst arbeitende, mit logis!en Regeln vertraute Verstand ausmanövriert wird. Der Detektiv Peirce lässt dem kalkulierenden Verstand erst gar keine Zeit, si! mit der Lösung seines Problems zu bes!ä%igen, deshalb übernimmt der „Rateinstinkt“ diese Aufgabe, und der tagträumende Peirce s!altet das logis!e Urteilsvermögen aus, indem er si! dem „Atem des Himmels“ anvertraut – was immer das au! sein mag. Alle Maßnahmen, günstige Bedingungen für Abduktionen zu s!a-en, zielen also stets auf eins: auf die Erlangung der inneren Bereits!a%, alte Überzeugungen aufzugeben und neue zu su!en. Diese innere Bereits!a% kann man au! „Haltung“ nennen: Gemeint ist die Haltung, gegenüber dem gesells!a%li! Bewährten und Bekannten eine gewisse Distanz zu p1egen – immer mit der Mögli!keit zu re!nen, dass es au! anders sein könnte. Abduktives „Räsonieren“ ist jedo! kein glü'li!es, zufälliges Raten ins Blaue hinein, sondern ein informiertes Raten. Anders formuliert: Das Glü' tri4 immer nur den vorbereiteten Geist. Abduktives Denken ist keine Methode, mit deren Hilfe si! logis! geordnet (und damit operationalisierbar) Hypothesen oder gar Theorien generieren lassen, sondern der abduktive Denkprozess ist Ergebnis einer Haltung gegenüber Daten und gegenüber dem eigenen Wissen: Daten sind ernst zu nehmen, und die Gültigkeit des bislang erarbeiteten Wissens ist einzuklammern. 5
Rekonstruktion oder Konstruktion"?
Abduktive Anstrengungen su!en na! (neuer) Ordnung, jedo! zielen sie ni!t auf die Konstruktion einer beliebigen Ordnung, sondern auf die Findung einer Ordnung, die zu den überras!enden „Tatsa!en“ passt oder genauer: die handlungspraktis!en Probleme, die si! aus dem Überras!enden ergeben, löst. Flu!tpunkt dieser selektierenden (auf neue Ordnung ausgeri!teten) Aufmerksamkeit ist ni!t eine größtmögli!e Realitätsnähe oder eine mögli!st hohe Rationalität. Flu!tpunkt ist vor allem der Nutzen, den der entwi'elte type für die interessierende Fragestellung beibringt. Einerseits bringt er Ordnung und die Mi"el der spra!li!en Darstellung, andererseits sind diese neuen types unverzi!tbare Werkzeuge, wenn es darum geht, aus der hypothetis! verstandenen, weil geordneten Vergangenheit Hypothetis!es über die Zukun% prognostizieren zu können, also wenn es darum geht, Antworten auf die Frage „Was ist als Nä!stes zu tun3?“ zu produzieren. Neue Ordnungen sind deshalb immer au! an zukün%igem Handeln orientiert. Die abduktiv gefundene Ordnung ist also keine (reine) Widerspiegelung von Wirkli!keit – sie reduziert au! ni!t die Wirkli!keit auf die wi!tigsten Bestandteile. Die gewonnenen Ordnungen sind sta"dessen gedankli!e Konstruktionen, mit denen man gut oder weniger gut leben kann. Für man!e Zwe'e sind bestimmte Konstruktionen von Nutzen, für andere wieder andere. Die Su!e na! Ordnung ist deshalb nie endgültig abges!lossen und immer auf Widerruf vorgenommen. So-
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lange die neue Ordnung bei der Bewältigung einer Aufgabe hilfrei! ist, wird sie in Kra% belassen; ist die Hilfeleistung einges!ränkt, dann müssen Di-erenzierungen vorgenommen werden; erweist sie si! als nutzlos, wird sie verworfen. Insofern sind die abduktiv gefundenen Ordnungen weder beliebige Konstruktionen no! valide Rekonstruktionen, sondern brau!bare (Re-) Konstruktionen. Die Abduktion – oder genauer: der fors!ende Mens! – su!t also angesi!ts überras!ender Fakten na! einer sinnsti%enden Regel, na! einer mögli!erweise gültigen bzw. passenden Erklärung, wel!e das Überras!ende an den Fakten beseitigt. Erst „su!t“ er oder sie im Bestand des Wissens, und wenn dort keine „Lösungen“ abgelagert sind, muss aus Versatzstü'en alten Wissens und neuen Kombinationen eine Lösung gebastelt oder man!mal au! konstruiert werden. Diese gedankli!e Su!bewegung vollzieht si! meist ohne den absi!tli!en Steuerungswillen eines Erkenntnissubjekts, sie vollzieht si! unwillentli!2. Endpunkt dieser Su!e ist eine (spra!li!e) Hypothese. Ist diese gefunden, beginnt ein mehrstu2ger Über prüfungsprozess: Besteht die erste Stufe des wissens!a%li!en Erkenntnisprozesses in dem Finden einer Hypothese mi"els Abduktion, dann besteht die zweite aus der Ableitung von Voraussagen aus der Hypothese, also einer Deduktion, und die dri"e in der Su!e na! Fakten, wel!e die Vorannahmen „veri2zieren“, also einer Induktion. Sollten si! die Fakten ni!t 2nden lassen, beginnt der Prozess von neuem, und dies wiederholt si! so o%, bis die „passenden“ Fakten errei!t sind. Mit dieser Bestimmung entwir% Peirce eine dreistu2ge Erkenntnislogik von Abduktion, Deduktion und Induktion. Entde'ung und Überprüfung sind laut Peirce also zwei voneinander zu unters!eidende Teile eines Prozesses des Erkennens, des Fors!ens. Ist die Entde'ung weitgehend dem bewussten und systematis!en Zugri- entzogen, so vollzieht si! die Überprüfung entlang operationalisierbarer und regelgeleiteter, vernun%kontrollierter Standards. Gewissheit über die Validität abduktiver S!lüsse ist jedo! selbst dann ni!t zu errei!en, wenn die abduktiv gewonnene Hypothese einer extensiven Prüfung unterworfen wird, also aus ihr Konsequenzen deduziert und diese dann induktiv 2
Ohne Zweifel ist diese Bes! reibung des abduktiven Gedankenprozesses dur! und dur! metaphoris!. Wel!e Bes!reibung angemessen ist, lässt si! s!wer angeben. Selbst der Versu!, die Aktivitäten des Gehirns bzw. der Neuronen zu bes!reiben, bliebe metaphoris!. Viellei!t hil% ein weiteres Beispiel weiter, das ni!t von Peirce stammt und das wahrs!einli! eher eine qualitative Induktion darstellt. Wenn man in einem Kreuzworträtsel mit folgender Frage konfrontiert wird, nämli!: „Was trugen die Angeln von den Sa! sen3?“, dann wird man erst einmal (und zwar aufgrund des nahe gelegten Zusammenhangs von Angeln und Sa!sen) in der Frühges!i!te Englands su!en, um dort zu 2 nden, was die Angeln von den Sa! sen trugen. Da der so geö- nete Su!raum ziemli! groß ist, stellt si! bei keiner mögli!en Antwort, wie z./B. „die Wa-en“ oder „die Karto-eln“ etc. ein gutes Gefühl ein. Ist man dann irgendwann verzweifelt genug, den o-ensi!tli!en Sinn der Frage infrage zu stellen, und unterstellt man na! vielen anderen Versu!en einmal tentativ, dass mit „Angeln“ ni!t der germanis!e Stamm gemeint ist und au! ni!t die Tätigkeit des Fis!eangelns, sondern eine Türangel, dann fügt si! zusammen, was zusammengehört, und man hat auf einmal zweierlei: eine Antwort und ein gutes Gefühl. Dann weiß man, dass dies die Lösung ist.
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Abduktion: Die Logik der Entde'ung der Grounded Theory
aufzuspüren versu!t werden, und im Folgenden dieser Dreis!ri" immer wieder repetiert wird. Veri2zieren im strengen Sinne des Wortes lässt si! auf diese Weise ni!ts. Was man auf diesem Wege erhält, ist eine intersubjektiv aufgebaute und „geteilte Wahrheit“. Diese ist (na! Peirce) allerdings erst errei!t, wenn alle Gemeins!a%smitglieder zu der glei!en Überzeugung gekommen sind. Da mit „alle“ (bei Peirce) au! die gemeint sind, die na! uns geboren werden, ist der Prozess der Überprüfung grundsätzli! ni!t abzus!ließen: „In Wahrheit können Mens!en niemals unbedingte Gewißheit errei!en“ (Peirce *+0#, S.((+). Deshalb: „Unfehlbarkeit in wissens!a%li!en Belangen ist für mi! unwiderstehli! komis!“ (Peirce *+&*–*+&,, Bd. I, S.X). 6
Das Strauss#e Konzept der GTM und die Peirces#e Logik der Fors#ung
In der frühen GTM existierten, wie eingangs darlegt, zwei Stränge: ein induktiv ausgeri!teter Strang, der darauf bestand, dass die Kodes und Kategorien und sogar die Theorien wie von selbst allein aus den Daten erwa!sen, und einen eher theoretis! ausgeri!teten, der davon überzeugt war, dass neben den Daten au! Wissen über die Welt und wissens!a%li!e Theorien von Nutzen sind (vgl. au! Kelle ($$,). In der induktiven Variante von Glaser und Strauss (*+#.) wurden Konzepte und Theorien o5ziell und ausdrü'li! über die Induktion gefunden (während der theoretis!e Strang im Hintergrund mitlief). In der späten Ausprägung der GTM von Strauss bzw. Strauss und Corbin (und meine weiteren Überlegungen gelten nur für diese Variante der GTM) sind zwar no! beide Stränge zu 2nden, der induktive und der theoretis!e, allerdings mit umgekehrter Wi!tigkeit. In dieser späteren Variante der GTM von Strauss (und Corbin) gründete die Theorieentwi'lung o5ziell und ausdrü'li! im theoretis!en Vorwissen (während der induktive Strang im Hintergrund mitlief; siehe au! Strübing ($$), S.,$3-.). Deutli! haben Strauss und Corbin (*++)) auf diese Änderung ihres Konzepts hingewiesen: „Thoughtful reaction against restrictive prior theories and theoretical models can be salutary, but too rigid a conception of induction can lead to sterile or boring studies. Alas, grounded theory has been used as a justi2cation for su! studies. This has occurred as a result of the initial presentation of grounded theory in The Discovery of Grounded Theory that had led to a persistent and unfortunate misunderstanding about what was being advocated. Because of the partly rhetorical purpose of that book and the authors’ emphasis on the need for grounded theory, Glaser and Strauss overplayed the inductive aspects“ (S.(..).
Die GTM (die frühe wie die späte) beanspru!te immer, mehr als nur eine Methode zur Kodierung von Daten zu sein. Obwohl das Kodieren ohne Zweifel als wi!tiger
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Teil von Fors!ung era!tet wird, ers!öp% si! die GTM ni!t im Kodieren (siehe Strübing ($$#), sonst würde sie Gefahr laufen, die Daten auf einem höheren Niveau zu verdoppeln. Von daher ist es sehr unglü'li!, wenn die späte GTM o% auf das Kodierparadigma reduziert wird. Strauss und Corbin haben wiederholt darauf hingewiesen, die GTM sei „a general methodology, a way of thinking about and conceptualizing data“ (*++), S.(.,). Nur das ermögli!t es den Wissens!a%ler/innen, mit der Fors!ung zwei Ziele glei!zeitig zu errei!en: einerseits das Ziel des Kodierens (o-en, axial, selektiv), andererseits das Ziel des Entwi'elns und Modi2zierens von Konzepten und Theorien – und zwar dur! das wiederholte Hin- und Herspringen zwis!en Datensammlung, Erstellen von Memos und Kodiertätigkeit. Su!t man dana!, ob in der frühen GTM die Abduktion entweder explizit oder zumindest implizit genutzt wird, dann 2ndet man s!nell, dass bereits „The Discovery of Grounded Theory“ viele Überlegungen enthält, die in Ri!tung des abduktiven Folgerns weisen – wie z./B. diese Formulierung: „The root sources of all signi2cant theorizing is the sensitive insights of the observer himself. As everyone knows, these can come in the morning or at night, suddenly or with slow dawning, while at work or at play (even when asleep); furthermore, they can be derived directly from the theory (one’s own or someone else’s) or occur without a theory; and they can strike the observer while he is wat!ing himself react as well as when he is observing others in action. Also, his insights may appear just as fruitfully near the end of a long inquiry as near the outset“ (Glaser & Strauss *+#., S.(,*).
Interessanterweise erwähnen die Autoren in dieser Textpassage ni!t Peirce, sondern beziehen si! in einer Fußnote nur allgemein auf Sekundärliteratur zur Kreativität und der Natur der Einsi!t. Au! in der späten GTM tau!t die Abduktion eher implizit denn explizit auf. Deshalb ist von ents!eidender Bedeutung für die Klärung der Frage, ob die späte GTM Gebrau! vom abduktiven Denken ma!t, ob sie *. Mögli!keiten s!a4, die das Auftau!en abduktiver S!lussfolgerungen auf der Ebene einzelner Denkakte erlauben – und zwar während der konkreten Arbeit des Kodierens und ob (. die Fors!ungslogik als Ganze abduktiv angelegt ist oder ni!t. Weder ist ents!eidend, ob die GTM immer und in allen Fällen nur mit Abduktionen arbeitet (das wäre Unsinn, da es ni!t immer, sondern eher selten Neues zu entde'en gibt), no! ist der zentrale Punkt, ob Wissen von außerhalb für die Interpretation der Daten genutzt wird (das führt vor allem zu qualitativen Induktionen); ents!eidend ist allein, ob die GTM systematis! mit dem Auftau!en neuer Kodes und Ideen re!net. „Abduktiv“ heißt hier ni!t einfa!, dass die Fors!enden die Daten ernst zu nehmen haben und dass die Ergebnisse zu den Daten passen müssen (das müssen sie bei jeder ernstha%en Fors!ung), sondern ents!eidend ist, dass die Fors!ung so angelegt ist, dass die Interpretation der Daten ni!t in einer frühen Etappe der Fors!ung abgebro!en wird, sondern dass neue Ideen auf jeder Ebene der Fors!ung entstehen
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und neue Kodes, Kategorien und Theorien entweder entwi'elt oder modi2ziert werden können. In den Arbeiten von Strauss sowie Strauss und Corbin 2nden si! einige methodis!e Hinweise und Praktiken, die das Auftau!en neuer Ideen begünstigen: Beispiel *: Es gibt eine Passage, in der die Induktion deutli! als Basis der Kodierung benannt wird. Aber ganz o-ensi!tli! meint Strauss gerade ni!t die logis!e Form der Induktion, sondern all die Handlungen und Haltungen, wel!e (abduktiv) zu Hypothesen führen, und genau so ist dies au! von Peirce bes!rieben worden. „Induction refers to the actions that lead to discovery of a hypothesis—that is, having a hunch or an idea, then converting it into a hypothesis and assessing whether it might provisionally work as at least a partial condition for a type of event, act, relationship, strategy, etc.“ (*+0., S.**3f.).
Beispiel (: In Strauss’ Werk 2nden si! immer wieder deutli!e Hinweise, dass in der Fors!ung vorhandene Urteile zu überprüfen sind. Datenauswertung, Kodieren und das Erstellen von Memos sind in einem dreistu2gen Prozess aufeinander bezogen: Aus den gefundenen Hypothesen werden mi"els Deduktion die Folgen abgeleitet; diese gilt es in den Daten und mi"els Datenanalyse induktiv festzustellen. Ein sol!es Vorgehen korrespondiert exakt mit der Logik abduktiver Fors!ung von Peirce (siehe au! Rei!ertz ($$&): „[…] data collection leads qui'ly to coding, whi! in turn may lead equally qui'ly, or at least soon, to memoing. Either will then guide the sear!es for new data. Or they may lead directly to additional coding or memoing. Or—please note3!—they may lead to inspecting and coding of already gathered (and perhaps already analyzed) data. That la"er kind of ‚return to the old data‘ can occur at any phase of the resear!, right down to writing the last page of the 2nal report of the theory“ (Strauss *+0), Kurseinheit *, S.*0).
Darüber hinaus 2nden si! in den Arbeiten von Strauss (und Corbin) wiederholt deutli!e Hinweise darauf, dass es ni!t ausrei!e, si! auf das vorhandene Vorwissen zu verlassen, sondern immer au! nötig sei, neue Kodes, neue Kategorien und neue Theorien zu entwi'eln: „Creativity is also a vital component of the grounded theory method. Its procedures force the resear!er to break through assumptions and to create new order out of the old. Creativity manifests itself in the ability of the resear!er to aptly name categories; and also to let the mind wander and make the free associations that are necessary for generating stimulating questions and for coming up with a comparison that leads to discovery“ (Strauss & Corbin *++$, S.(.).
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Die Wortwahl allein zeigt s!on, wie nah beide an den Ideen von Peirce sind. Eine andere Textstelle, die das Blitzartige der Entde'ung des Neuen betont, zeigt den gemeinsamen Boden (neben der abstrakten Zustimmung) no! deutli!er: „Yet, the most gratifying moments of resear! for analytically inclined resear!ers will be those that bear on their discoveries. They may be ma"ers of qui' 1ashes of intuition, or major breakthroughs in understanding the meaning and pa"erns of events, or the deeper satisfaction of having solved the resear!’s major puzzles“ (Strauss & Corbin *++$, S.(0).
In der späten GTM sind (in Ergänzung zu dem Kodieren und der Theorieentwi'lung mi"lerer und großer Rei!weite) zwei geistige Operationen verankert: *. das Auf2nden von Ähnli! keiten (Kodieren mit bereits bekannten Kodes) und (. das Auf2nden des Neuen (S!a-ung neuer Kodes). Diese Art wissens!a%li!en Arbeitens läu% parallel zur Peirces!en Unters!eidung zwis!en der qualitativen Induktion und der Abduktion. Die geistige Operation, die feststellt, dass die in den Daten aufgefunden Kodes und Konzepte zu den bereits bekannten Kodes und Konzepten passen, das ist die eine Vorgehensweise: die qualitative Induktion (wie oben bes!rieben). Au! diese Art des Denkens fügt den Daten etwas hinzu, von dem man aufgrund seines Vorwissens überzeugt ist, dass es dazu gehört. Die andere Vorgehensweise besteht in dem gedankli!en Sprung, der den Daten etwas völlig Neues hinzufügt, etwas, was in den Daten weder als Konzept no! als Theorie enthalten ist. Das ist eine Abduktion. Die Frage, ob die GTM (in der Variante von Strauss und Corbin) einer abduktiven Fors!ungslogik aufruht, kann deshalb mit einem klaren Ja beantwortet werden. Zum Glü' enthält sie jedo! ni!t nur eine Logik des abduktiven S!lussfolgerns, sondern au! eine Logik der qualitativen Induktion. Es muss also ni!t immer alles neu sein, sondern mithilfe der qualitativen Induktion wird das si!tbar, das so ist, wie wir es kennen. Die Logik der späten GTM, die neben der qualitativen Induktion au! Raum für die Abduktion lässt, re!net mit den Aufkommen von Neuem, ermögli!t es, garantiert sogar sein Vorkommen. Mehr ist für gute Fors!ung ni!t notwendig. Aber au! ni!t weniger. Man kann si! zure!t fragen, weshalb Strauss die Ideen von Peirce zur Abduktion ni!t weiterverfolgt hat. Zweifellos kannte er die Idee der Abduktion, da er sie zumindest einmal in seinen Arbeiten erwähnt (vgl. Strübing ($$), S.,*). In Verbindung mit der Frage wo unser Wissen für Induktionen, Deduktionen und Veri2kationen herkommt, stellt Strauss fest (und das ist in der Tat die ents!eidende Bestimmung für die neue Variante der GTM), dass dieses Wissen si! einerseits aus der Erfahrung speise, andererseits aber au! aus dem theoretis!en Vorwissen erwa!sen könne. „They [the insights – J./R.] come from experience with this kind of phenomenon before—whether the experience is personal, or derives more ‚professionally‘ from actual
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exploratory resear! into the phenomenon of from the previous resear! program, or from theoretical sensitivity because of the resear!er’s knowledge of te!nical literature“ (Strauss *+0., S.*().
In einer Fußnote fügt Strauss hinzu: „See the writings of Charles Peirce, the American Pragmatist, whose concept of abduction strongly emphasized the crucial role of experience in the 2rst phase of research operations“ (a./a./O.). Für Peirce ist der Umstand, dass geistige Prozesse maßgebli! au! dur! jede Art von Wissen gefü"ert werden (und zwar in jeder Phase der Fors!ung) gerade ni!t der ents!eidende Punkt, um abduktive Prozesse zu bestimmen, sondern ents!eidend ist für ihn allein, dass neues Wissen auf diese Weise ges!a-en wird. Im Studienbrief der Fernuniversität Hagen („Qualitative Analysis in Social Resear!: Grounded Theory Methodology“, Strauss *+0)) ers!eint der Begri- „Abduktion“ no! ni!t. In späteren Arbeiten benutzt er ausdrü'li! die Vorstellung von Abduktion. Warum tat Strauss das ni!t früher3?33 Kannte er die Abduktion ni!t3? Als Pragmatist ha"e er do! genug Gründe und au! genug Gelegenheiten, die Parallelen zwis!en seiner Art des Kodierens (insbesondere des o-enen und selektiven Kodierens) bzw. Theoretisierens und dem abduktiven Folgern von Peirce zu (er-) kennen. Die folgende Abduktion bringt viellei!t ein wenig Li!t in das Dunkel, weshalb das Wort „Abduktion“ im Werk von Anselm Strauss plötzli! und nur sehr kurz auftau!te (und die, wenn sie ri!tig ist, diese überras!ende Tatsa!e erklären würde): Anselm Strauss wurde mit dem Pragmatismus und seiner Fors!ungslogik über die Arbeiten von Blumer und Dewey4 vertraut. Strauss erwähnt an einigen Stellen seiner Arbeiten au! den Ein1uss von Peirce, aber seine Hinweise sind immer re!t allgemeiner Art. Es gibt keinerlei Beweis, dass Strauss die S!ri%en von Peirce 3
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Eine interessante, aber ni!t wirkli! wi!tige Frage ist, warum Strauss den Ausdru' „Abduktion“ erst so viele Jahre später verwendete. Meine Hypothese ist, dass der Begri- für eine kurze Zeit über Deuts!land seinen Weg in die Methodologie der GTM fand. Die These lässt si! wie folgt stützen: Eine Studienreise von Strauss na! Deuts!land 2el genau in den Zeitraum zwis!en der Erstellung des Studienbriefs (*+0(/*+0& ges!rieben und *+0) verö-entli!t) und der Publikation von „Qualitative Analysis for Social Scientists“ (*+0.). Während dieser Studienreise, die auf eine Einladung unter anderem von Hans-Georg Soe- ner zurü'ging, kam es zu einem Gedankenaustaus! mit dem Fors!ungsteam von Ri!ard Gratho- (Universität Bielefeld), Fritz S!ütze (Universität Kassel) und Hans-Georg Soe- ner (FernUniversität Hagen). Zu dieser Zeit setzte si! dieses Team (Gratho-, S!ütze und Soe- ner) mit dem abduktiven S! lussfolgern auseinander. Hans-Georg Soe- ner erinnert si! no!, den Ausdru' „Abduktion“ gegenüber Strauss mehrfa! ins Gesprä! gebra!t zu haben – und zwar im Zusammenhang der Mögli! keit der kohärenten Wahrnehmung beim Kodieren. Erste Diskussionen über die Parallelen zwis!en Abduktion und der Strauss!en Fors!ungsstrategie fanden allerdings s!on *+0*/*+0( sta", als Hans-Georg Soe- ner si! in San Francisco aufhielt (Hans-Georg Soe- ner in einem persönli!en Gesprä! mit dem Autor im Dezember ($$#; Strauss *+0., S.XV). „Contributing to its development were two streams of work and thought: 2rst, the general thrust of American Pragmatism (especially the writings of John Dewey, but also those of George Mead and Charles Peirce) and including its emphases on action and the problematic situation, and the necessity for conceiving a method in the context of problem solving“ (Strauss *+0., S.,). Zur Ges!i!te der GTM siehe Kendall *+++, S..)&3-.). In Strauss und Corbin (*++)) wird, wenn die Bedeutung des Pragmatismus für die GTM erörtert wird (S.()), der Ein1uss von Peirce ni!t mehr erwähnt.
Jo Rei!ertz
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systematis! studiert hä"e, aber aus dem Sa!verhalt, dass Strauss Peirce so wenig zitiert, kann ni!t notwendigerweise gefolgert werden, dass er ihn ni!t gut kannte: Strauss kannte Peirce vor allem als Handlungstheoretiker, als Semiotiker und als Logiker. Deshalb gab es für ihn als Empiriker und als working sociologist in der Tradition der Chicago S!ool keinen wirkli! handfesten Grund, im Werk von Peirce na! Hinweisen auf die Logik der Entde'ung zu su!en. Strauss kannte das Konzept der „Abduktion“ spätestens seit *+#0, und als er es kennenlernte, sah er darin eine Reihe von Parallelen zu seiner Form des Kodierens und Theorie-Generierens. Aber er hat diese Parallelen und Gemeinsamkeiten ni!t weiterverfolgt. Wenn er die Chance gesehen hat, mithilfe der abduktiven Fors!ungslogik eine methodologis!e Basis (als allgemeine Theorie) für die GTM zu s!a-en, so hat er sie ni!t ergri-en, weil es ihm (angesi!ts knapper Zeitressourcen) wi!tiger war, andere Fors!ende von der Leistungsfähigkeit seiner Methodologie und Methode zu überzeugen als seine Verfahrensweise weiter zu konzeptionalisieren und gegen Kritik abzusi!ern. Literatur Anderson, Douglas (*++,). Strand of system. The philosophy of Charles Peirce. West Lafaye"e: Purdue University Press. Apel, Karl-O"o (*+#.). Transformation der Philosophie. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Bonfantini, Massimo (*+00). Semiotik und Ges!i!te: eine Synthese jenseits des Marxismus. Zeitschri" für Semiotik, #$, 0,–+,. Bryant, Antony (($$+). Grounded theory and pragmatism: The curious case of Anselm Strauss. Forum Qualitative Sozialfors!ung/Forum: Qualitative Social Resear!, #$(&), Art. (, h"p:// nbn-resolving.de/urn:nbn:de:$**)-fqs$+$&(,. Charniak, Eugene & McDermo", Drew (*+0,). Introduction to arti%cial intelligence. Reading, MA: Addison-Wesley. Eco, Umberto (*+0*). Guessing: From Aristotle to Sherlock Holmes. Versus, &$, &–*+. Eisenstadt, Shmuel N. (($$&). Comparative civilizations & multiple modernities. Leiden: Brill. Fann, Kuang T. (*+.$). Peirce’s theory of abduction. The Hague: N6ho-. Foucault, Michel (($$)). Ges!i!te der Gouvernementalität. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Glaser, Barney G. (*++(). Emergence vs. forcing: Basics of grounded theory. Mill Valley, CA: Sociology Press. Glaser, Barney G. (($$() Constructivist grounded theory3? Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research, &(&), Art. *(, h"p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:$**)fqs$($&*(,. Glaser, Barney G. & Strauss, Anselm L. (*+#.). The discovery of grounded theory. New York: de Gruyter. Habermas, Jürgen (*+.&). Erkenntnis und Interesse. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Haig, Brian D. (*++,). Grounded theory as scienti%c method, h"p://www.ed.uiuc.edu/EPS/PESYearbook/+,_docs/haig.html. Hanson, Norwood Russell (*+#,). Notes toward a logic of discovery. In Richard J. Bernstein (Hrsg.), Perspectives on Peirce (S.)(-#,). New Haven: Yale University Press.
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Abduktion: Die Logik der Entde'ung der Grounded Theory
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Jo Rei!ertz
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Teil IV Praxisre!exionen
Editorial
Dass es einen eigenen Teil mit „Re!exionen“ auf Praktiken der Grounded-TheoryMethodologie (GTM) im Grounded Theory Reader gibt, gründet darin, dass im glei"en Maße, wie die Auseinandersetzung um die theoretis"en Positionen und um vers"iedene Verständnisse (bzw. „Auslegungen“) der GTM zu führen ist, au" Unklarheiten bzw. Unsi"erheiten über die Anwendung der GTM si"tbar werden und explikations-/diskussionsbedür#ig sind. Zu den wiederkehrenden Fragen gehören jene na" den Kodierprozeduren und spezieller der Kategorienbildung ebenso wie die prinzipiellere Frage, in wel"em Maße Abwandlungen (meist: „Abkürzungsstrategien“) erlaubt/mögli" sind, ohne den Grund der GTM zu verlassen; ebenso Fragen zur computerunterstützten Auswertung und dem damit angespro"enen Verhältnis von Interpretation und Textarbeit. Der übergeordneten Bedeutung des Kodierens im Rahmen der GTM wenden si" Charles Berg und Marianne Milmeister zu. Sie „übersetzen“ die Auswertungslogik der GTM unter Bezugnahme auf das Konzept des „Dialogs mit den Daten“: Gezeigt wird, wie die GTM kreativ im Laufe des Fors"ungsprozesses entfaltet werden kann, wobei die Fors"enden damit zuglei" gefordert sind, (begründet$!) Ents"eidungen zu tre%en und die Fors"ungsarbeit zu gestalten. Das Kodieren wird als ein „Spre"en mit den Daten“ konzeptualisiert, das es in unters"iedli"er Nähe und Ferne zum Ausgangsmaterial für die Theoriebildung zu nutzen gilt. Der Punkt der Fors"ungsarbeit, der das Ende des Kodierens und die Qualität des Produkts – also die entwi&elte Grounded Theory selbst – betri', hängt enger mit Fragen der Kategoriengenerierung und (abs"ließenden) Kategorienbildung zusammen. Dieser Prozess, der in der vorliegenden Literatur meist wenig ans"auli" bes"rieben ist, ist Gegenstand des Beitrags von Petra Mu&el. Ausgehend von Überlegungen Wi(gensteins und na" einer Kontrastierung des Kategorienverständnisses der GTM mit dem der qualitativen Inhaltsanalyse wird der Kategorienbildungsprozess im Rahmen einer exemplaris"en GTM-Anwendung na"zuzei"nen versu"t. Mit dem Theoretical Sampling als einem Herzstü& der GTM – neben dem Kodieren – bes"ä#igen si" Inga Trus"kat, Manuela Kaiser-Belz und Vera Reinartz, indem sie an vers"iedenen Studien beispielha# verans"auli"en, wie überhaupt ein erster Fall gefunden werden kann (was wiederum bedeutet, über die Frage des Vorwissens oder allgemeiner: der „theoretis"en Sensitivität“ na"zudenken), wie der nä"ste einzubeziehende Fall zu bestimmen ist, um die Theorienentwi& lung voranzutreiben, und wie auf eine „theoretis"e Sä(igung“ hingearbeitet werden kann. Obwohl diese Ausführungen aus dem begrenzten bzw. begrenzenden Kontext von Quali)kationsarbeiten heraus entstanden sind, wollen die Autorinnen ni"t
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Editorial
(nur) im Pragmatis"en bleiben, sondern erheben zumindest in Teilen den Anspru" auf Theorienentwi&lung. Die Nutzung von computergestützten Analysewerkzeugen steht bei Zden*k Konopásek im Mi(elpunkt. In einer systematis"en Analyse zeigt er, was Fors"ende tun, wenn sie mi(els So# ware arbeiten, Texte zerlegen und in neue Texte zusammenführen. Im Zuge seiner Ausführungen wird dabei eine konstruktivistis"e Auslegung der GTM – weniger über die theoretis"e Konzeption, mehr über die fors"ungspraktis"e Handhabung – demonstriert. Weniger selbstverständli" als der Rü&gri% auf computergestützte Datenanalyse ist es, die Auswertungsarbeit konsequent (und zwar wenn mögli" für den gesamten Fors"ungsprozess) in Fors"ungswerkstä(en zu organisieren. Gerhard Riemann skizziert die Potenziale dieser in der Tradition der GTM stehenden Arbeitsweise, na" der Fors"ung nur als kommunikativer Prozess – und damit in einem Aushandlungszusammenhang – sinnvoll praktiziert werden kann, an dessen Ende eine Di%erenzierung und Verdi"tung von analytis"en Abstraktionen, kontrastiven Verglei"en und theoretis"en Modellen steht. Einen besonderen Bli& auf die Fors"enden als Akteure und auf die Erkenntnisproduktion im Fors"ungshandeln nehmen wir s"ließli" mit Franz Breuer in unserem gemeinsamen Beitrag zur Frage der Subjektivität und Selbstre!exivität im Kontext von GTM-Studien. Am Ende des Beitrags werden na" einer Skizze von Verfahrensweisen und Te"niken Mögli"keiten der Re!exion systematisiert, die si" auf den gesamten Fors"ungsprozess vom Einstieg ins Feld bis zur Dokumentation beziehen. Explizit sei darauf verwiesen, dass die Auseinandersetzung mit der GTM und die Referenz auf GTM-Positionen in den in dieser Sektion versammelten Beiträgen unters"iedli" verläu#: Mu&el argumentiert mit Fokus auf Strauss und Strauss/ Corbin; Berg und Milmeister sowie das Autorinnenteam Trus" kat, Kaiser-Belz und Reinartz greifen in ihren Arbeiten immer wieder abwägend auf Überlegungen von Glaser einerseits und von Strauss (und Strauss/Corbin) andererseits zurü&; Konopásek zentriert ni"t explizit auf eine der Positionen (obwohl er aufgrund der von ihm zur Demonstration genutzten So#ware und infolge seiner eigenen theoretis"en Position näher an Strauss orientiert ist); Riemann begründet den Einsatz von Fors"ungswerkstä(en insbesondere mit Bli& auf Strauss; Breuer und wir bewegen uns eher in Nähe zu Charmaz und einer au" in den Beiträgen von Berg und Milmeister sowie Konopásek erkennbaren, konstruktivistis"en Position. – All diese unters"iedli"en Bezugnahmen, ihre Ausweitungen und Ans"lüsse sind Ausdru& einer heute vor)ndbaren, heterogenen GTM-Praxis. Günter Mey & Katja Mru&
Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te "nden: Über die Kodierverfahren der Grounded-Theory-Methodologie1 Charles Berg & Marianne Milmeister
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Qualitative Verfahren in der Methodenlehre und im Fors!ungsprozess
Die Unters!eidung von qualitativen und quantitativen Verfahren gehört heute zum Grundbestand sozialwissens!a"li!er Methodenlehre. Bemüht werden dabei die unters!iedli!e Datenqualität und – aufseiten qualitativer Sozialfors!ung – die größere Nähe zur subjektiven Erfahrung und zur sozialen Lebenswelt, die Präferenz für natürli!e, weniger arti#zielle Erhebungssituationen, die stärkere Kontextualisierung und die deutli!e Orientierung an alltagsweltli!en Handlungs- und Sinnzusammenhängen (z.$B. Breuer %&&&; Mru' & Mey %&&(). Mehr oder minder unausgespro!en wird dabei unterstellt, dass si! die aufgelisteten A)ribute zu einem paradigmatis!en Muster zusammenfügen, das eine di!otome Gegenüberstellung der „Natur“ (vgl. Bryman %&&*, S.+,- und ,.() von quantitativer und qualitativer Fors!ung erlaubt. Nathaniel Gage (+-*-) spri!t gar von „Paradigmenkriegen“. Was si! bezogen auf Epistemologie und Methodologie eher plausibel anhört, erweist si! in der praktis!en Fors!ungsarbeit als kaum brau!bar. Hier ist es meist wi!tig, zu strikte oder zu simple Polarisierungen zu vermeiden. Martyn Hammersley (+--%, S.*&: vgl. au! Hülst %&+&, S.%*,) hat zure!t darauf hingewiesen, dass si! die lehrbu!ha"e Opposition von quantitativem und qualitativem „Paradigma“ o" auf ein Bündel unabhängiger Dimensionen bezieht, d.$h. ein Fors!ungsdesign kann z.$B. mit quantitativen Daten arbeiten und denno! in der Interpretation die Nähe zur lebensweltli!en Erfahrung su!en. Das Vorhandensein eines methodologis!en A)ributs impliziert also ni!t notwendigerweise au! das der übrigen Kennzei!en. Dabei lässt die zunehmende Verbreitung qualitativer Sozialfors!ung die These einer Paradigmendi!otomie immer unwahrs!einli!er ers!einen, und allmähli!
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Dem Text liegt ein Paper (Berg & Milmeister %&&&) zugrunde, das ursprüngli! in einem vom Luxemburger Fors!ungsministerium #nanzierten Projekt (R&D) entstanden ist. Wir bedanken uns sehr herzli! bei Günter Mey und Katja Mru', die die Überarbeitung und Verö/entli!ung des Textes bei einem GESIS-Workshop zur Grounded-Theory-Methodologie in Mannheim angeregt und kritis! begleitet haben. Eine erste Fassung dieses Beitrags ist gedru't im HSR-Supplement !": Grounded Theory Reader (Mey & Mru' %&&0) und in FQS (Berg & Milmeister %&&*) ers!ienen. Die vorliegende Fassung wurde maßgeblich überarbeitet.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_1 , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
wird die Klu" zwis!en quantitativem und qualitativem Arbeiten zumindest partiell überwunden (vgl. Bryman %&&*, S.(*01/.). Praxis- und handlungsrelevante Theorien entspre!en einem gemeinsamen Erkenntnisanspru!, unabhängig davon, wie sie generiert wurden (vgl. zur Diskussion über die Integration qualitativer und quantitativer Analyse etwa Mayring %&&%; Rost %&&(). So kann z.$B. gefragt werden, wie Kohärenz und Rei!weite auf der einen und Überprüfbarkeit und Verlässli!keit auf der anderen Seite dur! das methodis!e Vorgehen, sei es qualitativer oder quantitativer Natur, abgesi!ert werden. Trotz unters!iedli!er Fors!ungsstile bleibt es in der Regel wi!tig, in Bezug auf den eigenen Kontext sinnvolle Fragen zu stellen, die Datenerhebung und -auswertung in Bezug auf Genauigkeit und Objektadäquanz, sowie die entwi'elten Theorien in Bezug auf ihre Ökonomie, Relevanz und Na!vollziehbarkeit hin zu verbessern. Um diesem allgemeinen Qualitätsanspru! zu entspre!en, muss der Weg der Wissensproduktion (im Falle von Arbeiten, die der Grounded-Theory-Methodologie zuzure!nen sind: von der Fragestellung zur Theorie) transparent und intersubjektiv na!vollziehbar bleiben. Daraus ergibt si!, dass die angewandten Verfahren mögli!st genau bes!rieben und so überda!t werden, dass sie na!prüfbar bleiben. Man entfernt si! von einer „naturwü!sigen“ Alltagsinterpretation, indem man versu!t, sie so gut wie mögli! zu kontrollieren (Hitzler & Honer +--0, S.+%). Es handelt si! denno! mehr um fors!ungspraktis! nützli!e Leitlinien denn um eine „ko!rezeptha"e“ #xe Anweisung (Hülst %&+&, S.%*2). Demna! muss eine zu rigide Hypostasierung des Analyseverfahrens, ein Verkommen zum s!li!ten Rezept, vermieden werden. Nur so kann nämli! jene Flexibilität gewährleistet werden, die es erlaubt, gerade o/enes, komplexes und vielfältiges Material angemessen zu bearbeiten: eine Bes!a/enheit des Materials, die si! u.$a. daraus ergibt, dass die anfängli!e Komplexitätsreduktion beim qualitativen Arbeiten weit geringer ist als bei den meisten quantitativen Verfahren. Qualitative Fors!ung brau!t deshalb Spielraum für die Emp#ndli!keit, die „Kunst“ und die theoretis!e Intuition des Interpreten bzw. der Interpretin, und gibt so der soziologis!en imagination2, der theoretical sensitivity3 eine größere Chance. Da O/enheit ni!t Beliebigkeit bedeutet, bleibt Qualitätssi!erung ein zentrales Anliegen qualitativer Fors!ung. Transparenz- und Prozessorientierung beziehen si! dabei auf die Methodenindikation, das systematis!e Vorgehen und die Offenlegung der methodologis!en Ents!eidungsprozesse (Fli' %&&0, S.+,+1/.). Hier ist die Arbeit in einem Fors!ungsteam besonders wi!tig, weil Einzelne so gehalten sind, methodis!e Ents!eidungen explizit auszuhandeln und festzulegen. 2 3
„The sociological imagination enables its possessor to understand the larger historical scene in terms of its meaning for the inner life and the external career of a variety of individuals“ (Mills +-(-, S.(). „The grounded theory researcher must have an integrative ability, a summary ability, and a connective ability. He must have a social organization, social structural and interactional perspective with theoretical meanings in order to help him use theoretical codes with grounded control“ (Glaser +--(, S.+,; vgl. auch Glaser +-0* und gemeinsam mit Holton in diesem Band).
Charles Berg & Marianne Milmeister
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Eine Strategie, wie mit dem Problem umgegangen werden kann, deuten Huberman und Miles (+---) an. Um eine hohe deskriptiv-kontextuelle Validität, Akzeptanz bei den Betro/enen und Praktikabilität vorges! lagener Modelle und Theorien zu gewährleisten, sei es auf der einen Seite notwendig, mögli!st eng an lebensweltli!en Bedeutungen zu bleiben und mit minimal vorde# nierten Kategorien und Kategorienrastern zu arbeiten. Auf der anderen Seite verlange der Anspru! auf interne Validität und Generalisierbarkeit (oder s!li!t die Handhabbarkeit der Datenmenge) dana!, si! auf weitgehend genau de#nierte und im Verlauf der Fors!ungsarbeit konsistent genutzte Bezei!nungen zu stützen. Fors!ende müssen si! hierbei auf zwei unters!iedli!e Fähigkeiten beziehen. Ihre theoretis!e Sensibilität, die sie im interpretativen Dialog mit den Daten steigern müssen, erlaubt ihnen, dem genutzten Material/ihren Daten Sinn zu geben. Ihre theoretis!e Bewusstheit gewährleistet Methodentransparenz; dur! sie können sie Re!ens!a" über ihr Vorgehen abgeben, sodass es na!vollziehbar wird. Ein so verstandenes Qualitätsmanagement trägt zur Absi!erung legitimatoris!er Prozeduralität sozialwissens!a"li!er Verfahren bei (vgl. Lorenz %&&-). Die eben angespro!ene Problematik verstärkt si! im Rahmen der GroundedTheory-Methodologie (GTM): Einerseits soll der Prozess der Generierung theoretis!er Hypothesen empiris! fundiert erfolgen, den Daten kommt große Bedeutung zu, Theorie wird im direkten Kontakt mit ihnen entwi'elt. Andererseits sollen aber empiris!e Gegenstände ni!t in ihrer Einzigartigkeit bes!rieben werden. Das zentrale Anliegen ist nämli! gar ni!t die Bes!reibung, sondern die Konzeptionalisierung (Glaser %&&+, S.-1/.). So bekommt das eigene „Spre!en“ der Interpretinnen und Interpreten in einem verstärkten Maße sein Re!t und die Abhängigkeit von den Daten wird teilweise einges!ränkt. Dadur! liegt der GTM eine für das hermeneutis!e Arbeiten !arakteristis!e Kon3ikt#gur zugrunde, die Spannung von Nähe und Distanz, von Vertrautheit und Fremdheit. Die Konfrontation mit der Subjektivität des oder der Anderen ist so von zwei widersprü!li!en Momenten gekennzei!net: dem Anspru!, ihn oder sie zu verstehen, als wäre er/sie ein Alter Ego, und dem Wissen um die Opazität des/der Anderen oder zumindest um plurale Wahrheit. Der folgende Beitrag ist dem Kodieren in der GTM gewidmet. Im Bli'punkt steht dabei weniger die epistemologis!e und methodologis!e Unterfü)erung (vgl. hierzu etwa Kelle +--( und in diesem Band; Strübing %&&2 und in diesem Band) oder die prozedurale Bes!reibung von Verfahren, wie sie bei Strauss und Corbin (+--&) zu #nden sind. Wir mö!ten vielmehr zeigen, wie in der praktis!en Fors!ungsarbeit dem doppelten Anspru! auf Na!vollziehbarkeit und O/enheit (vgl. hierzu au! Lo'e %&&0) zu genügen, wie die Verbindung von Systematik und Kreativität zu leisten ist. Das bedeutet kein rewriting der GTM (vgl. dazu Glaser %&&+, S.%&+1/.). Unser Hauptziel ist, +. die als performativ verstandene Kodier- und Auswertungspraxis zu verbessern und %. das eine oder andere implizit in der GTM angelegte Moment deutli!er zu ma!en. Dabei liegt uns daran zu zeigen, wie die alltägli!en kleinen Ents!eidungen getro/en werden können, aber au!, wie mit Unwägbarkeiten und
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
Unsi!erheiten im Fors!ungsprozess umgegangen werden kann. Unsere Grundthese ist, dass entspre!end dem Anspru! der GTM in allen Teils!ri)en des Kodierprozesses, wenn au! in unters!iedli!er Form, der Doppelbezug aufre!terhalten werden sollte einerseits zum Dialog mit den Daten (Be'er +--*, S.+&-) und andererseits zum „Herauss!älen“ des eigenen Erzählens der Ges!i!te (Strauss & Corbin +--&, S.++-–+%+). Hintergrund unserer Überlegung ist die Fors!ung am Centre d’études sur la situation des jeunes4, dem nationalen Jugendfors!ungsinstitut an der Universität Luxemburg. Hier und an der Vorgängerinstitution sind seit %&&& eine Reihe von Projekten dur!geführt worden, die entweder qualitative Analyseverfahren anwandten oder si! explizit auf die GTM bezogen. Rü'bli'end kann man sagen, dass wir einerseits aus allen Projekten gelernt haben, keines aber andererseits unserem derzeitigen methodologis!en Anspru! genügte.5 Unser Text versteht si! also als Re3exion unserer Fors!ungspraxis und der in ihr gewonnenen Erfahrungen. Er ist kaum eine Anleitung zum Kodieren, denn Königswege zum Kodierenlernen sind unserer Erfahrung na! die langfristige Arbeit mit einem Mentor oder einer Mentorin, die Arbeit in einem Fors!ungsteam mit komplementären Kompetenzen und Sensibilitäten und der Austaus! in einem Netzwerk. Diese können ni!t dur! den lesenden Na!vollzug von Verfahren und au! ni!t dur! Workshops ersetzt werden.6
4 5
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h)p://wwwen.uni.lu/recherche/3shase/study_centre_ces4e/. Ein erstes Projekt bezog si! auf die Mobilität von Jugendli!en im grenzübers!reitenden regionalen Raum um Luxemburg. Datenmaterial waren Leitfadeninterviews mit Jugendli!en und Jugendexpert/innen. Das Projekt befasste si! mit der Fragestellung, wie die Ö/ nung der Grenzen und die damit einhergehende Steigerung der Mobilität der Jugendli!en si! als Sozialisationsfaktoren auswirken können (Berg & Milmeister %&&-). Ein zweites Projekt ha)e als Thema die Freiwilligenarbeit Jugendli!er (vgl. Meyers %&&.). Hier bestand das Datenmaterial in Expert/inneninterviews und Gruppendiskussionen. Wir gingen dabei der Frage na!, was Freiwilligenarbeit für Jugendli!e ist, was sie für deren Sozialisation bedeutet und was deren Motive für die Freiwilligenarbeit sind. Ein weiteres Projekt befasste si! mit den Jugendli!en im ö/entli!en, städtis!en Raum (Berg , Milmeister & S!oos %&&(). Wir arbeiteten hier mit Expert/inneninterviews, Gruppendiskussionen und Feldprotokollen. Zwei Fragen standen in diesem Projekt im Mi)elpunkt: Wel!es problematis!e Verhalten Jugendli!er gibt es im ö/entli!en Raum der Stadt Luxemburg und mit wel!en Lösungsansätzen kann darauf reagiert werden. Im Jugendkommunalplan (Willems, Joa!im, Meyers, Milmeister & Weis %&&2) der Stadt Luxemburg haben wir eine Sozialraumanalyse, Expert/innen interviews, Gruppendiskussionen mit Jugendli!en und eine Telefonumfrage dur!geführt. In diesem Projekt ging es in erster Linie um das Freizeitverhalten der Jugendli!en, aber au! z.$B. um deren Bewertung von Freizeitinfrastrukturen, Wohnvierteln usw. Au! in einigen Evaluationsprojekten wurden qualitative Verfahren angewandt (Joa!im %&&(). Eine weitere Analyse bezog si! auf Kurzkommentare, die Teil einer Fragebogenerhebung zu Gesundheit und Wohlbe# nden bei Jugendli!en waren. Eine negative, wenn leider au! verbreitete Praxis besteht darin, an Survey- oder experimentelle Studien einen „Grounded-Theory-Teil“ anzuhängen, ohne dass in der jeweiligen Fors!ungseinri!tung die notwendigen methodologis!en Voraussetzungen erfüllt und aufgebaut worden wären. In der Folge besu!en dann Doktoranden und Doktorandinnen verzweifelt GTM-Workshops in der unrealistis!en Ho/ nung, hier alles für die alltägli!e Fors!ungsarbeit Erforderli!e in ein oder zwei Tagen erlernen zu können. Zuletzt haben wir die GTM in einem Projekt über Intergenerationenbeziehungen angewendet.
Charles Berg & Marianne Milmeister
2
Eine erste Annäherung ans Kodieren
2.1
Was ist Kodieren#?
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Im Berei! der qualitativen Methoden Begri/e eindeutig zu de# nieren, ist ni!t immer einfa!, da si! allein s!on die GTM heute als teilweise heterogenes Gebilde präsentiert (vgl. etwa Cooney %&+&; Moore %&+&). Die Aussage, man wende die GTM an, hat also ni!t die glei!e Genauigkeit wie z.$B. die Referenz auf ein etabliertes statistis!es Verfahren zur Signi#kanzprüfung. Um halbwegs genau zu sein, muss mindestens GTM auf dem „Discovery“-Niveau (Glaser & Strauss +-.0) unters! ieden werden von den späteren Fassungen von Strauss (+-*0), von Strauss und Corbin (+--&) und von Glaser (z.$B. +--%, +--*). Hinzu kommen „Second-Generation“-Modelle (vgl. z.$B. Morse et al. %&&- sowie Corbin bzw. Charmaz in diesem Band), individuelle Anpassungen im Rahmen spezi#s!er Fors!ungsprozesse (vgl. Glaser %&&+, S.%++–%%-) und si!er au! Verfahrensmodellierungen, wie sie dur! DatenanalyseSo" ware (vgl. Weitzman & Miles +--(), in unserem Falle vor allem ATLAS.ti, vermi)elt werden. Denno! stehen die unters!iedli!en GTM-Varianten ni!t beliebig zur Auswahl. Das Studium der GTM kann si! deshalb ni!t auf das Erlernen einer Verfahrensvariante reduzieren, sondern setzt eine breitere Auseinandersetzung mit der Literatur zur GTM voraus. Nur dur! die interpretative Aufarbeitung der vierzigjährigen Ges!i!te des Ansatzes (vgl. LaRossa %&&(; Bryant & Charmaz %&&0) wird na!vollziehbar, was den gemeinsamen Grundsto' der GTM ausma!t. Unsere Überlegungen zielen nun ni!t darauf, eine zusätzli!e Variante des Kodierverfahrens zu entwi'eln, sondern wir wollen wie erwähnt explizieren, wie si! der für die GTM !arakteristis!e doppelte Anspru! auf Systematik und O/enheit in der Kodierpraxis verwirkli!en lässt.7
7
Es mag hilfrei! sein, zum Verständnis und für Relativierungen der folgenden Ausführungen einige Stationen unseres eigenen Weges o/enzulegen. Wir begannen uns %&&& in einer Fors!ungsgruppe, die heute zwölf Personen umfasst, mit qualitativen Methoden der Sozialfors!ung zu bes!ä"igen. Ein Teil der Gruppe zeigte dabei besonderes Interesse an der GTM. Am Anfang stand die Lektüre beziehungsweise die Wiederlektüre des „Discovery“-Bu!es (Glaser & Strauss +-.0). Damit fehlte aber immer no! eine konkrete Handlungsanleitung, und wir stießen sehr s!nell auf Strauss und Corbin (+--&), auf Strauss (+-*0) und auf die So" ware ATLAS.ti, deren Programmstruktur in starkem Maß an Leitlinien der GTM entwi'elt worden ist (zum Kodieren mit ATLAS.ti siehe Konopásek in diesem Band). Wir ma!ten dann die Erfahrung des Ste'enbleibens: Wir kamen o" aus unters!iedli!en Gründen über das Kodieren ni!t hinaus. Die Konzeptualisierung, die zentrale Kategorie festzulegen, eine kohärente, ni!t beliebige Ges!i!te zu erzählen, bereitete uns S!wierigkeiten. Wir waren deshalb insgesamt eher unzufrieden mit den eigenen Arbeiten. Die Lektüre von Dey (+---), der einen interpretativen Zugang zur GTM su!t, ha)e eine befreiende Wirkung und gab uns eine gewisse Selbständigkeit und Lei!tigkeit zurü'. Wir relativierten in der Folge besonders das axiale Kodieren bei Strauss und Corbin dur! die Arbeiten von Glaser (+--%, +--(, +--*, %&&+). Die Teilnahme an den Grounded Theory Sessions mit Barney Glaser beim ,0. Weltkongress des International Institute of Sociology in Sto' holm im Juli %&&( und die Teilnahme an einem Workshop mit Günter Mey und Katja Mru' bei GESIS Mannheim haben uns dann zur re3exiven Arbeit an der GTM weiter angeregt. Unser Hauptziel war und ist dabei die Verbesserung der eigenen Fors!ungspraxis.
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
Unter Kodieren verstehen wir in einer ersten Annäherung das Zuordnen von S! lüsselwörtern zu einzelnen Textstellen. Kathy Charmaz (%&&., S.2,) gibt folgende Arbeitsde#nition: „Coding means naming segments of data with a label that simultaneously categorizes, summarizes and accounts for each piece of data.“ Die Labels oder S!lüsselwörter werden Kodes oder Kategorien genannt. Die Begri/e „Kode” und „Kategorie”8 sind ni!t bedeutungsglei!, denno! sind die Übergänge zwis!en beiden Begri/en 3ießend. Gibbs (%&&0, S.,-1/.) stellt über den hier angedeuteten Zusammenhang hinausgehend die Begri/e „Kode“, „Index“, „Kategorie“ und „Thema“ gegenüber und arbeitet dabei deren Überlappung sowie die jeweils spezi#s!e Akzentsetzung heraus. In der Regel ist ein Kode datennah, er ist an eine Textstelle angeknüp", eine Kategorie hingegen ist Bestandteil der zu entwi'elnden Theorie. Kodes9 und Kategorien unters!eiden si! demna! dur! ihre Rei!weite: Der Kode ist enger gefasst, die Kategorie ein Oberbegri/, der mehrere Kodes bündelt. Der Kode hat eher sequenziellen, die Kategorie eher systematis!en Charakter. Der Kode betont im linguistis!en Sinn eher die syntagmatis!e, die Kategorie eher die paradigmatis!e Dimension. Der Kode entspri!t, folgt man David Silvermans (%&&0, S.0+1f.), parallel zu Ferdinand de Saussures (%&&0 [+-+.]) Spra!theorie, eher der Parole, die Kategorie eher der Langue. Entspre!end wäre der Kode kontextsensitiver und die Kategorie unabhängiger von Situationsparametern. Kode und Kategorie weisen darüber hinaus eine unters!iedli!e interne Struktur auf. Ein Kode ist im Wesentli!en eine Begri/sassoziation zu einer Textstelle, eine Kategorie hingegen hat ein komplexeres „Innenleben“. Na! Strauss und Corbin (+--&, S.+(&) setzt sie si! aus Eigens!a"en zusammen, die ihrerseits wieder unters!iedli!e dimensionale Merkmalsausprägungen annehmen können. Die Anrei!erung der Kategorie ges!ieht dur! die Klassi#kation von Ähnli!keiten und Unters!ieden.10 Je weiter die Datenanalyse forts!reitet, desto stärker entwi'elt si! na! unserer Erfahrung der kategoriale Charakter der Kodes. Na! unserer Logik, die wir weiter unten ausführli!er bes!reiben werden, entspri!t ein Kode der Rezeption des Datentextes, eine Kategorie dem Versu! des eigenen konzeptuellen Spre!ens. Es ist wi!tig, während des Kodierprozesses diese Doppelreferenz aufre!tzuhalten, weil sie ge8 9
Vgl. allgemein zur Frage der Kategorisierung Mu'el (in diesem Band). Wir gebrau!en den Kode-Begri/ in Anlehnung an ATLAS.ti. Strauss und Corbin (+--&, S..+) nutzen concept synonym zu unserem Kode-Begri/. Sie spre!en dann in Bezug auf das Kodieren au! von conceptualizing data (S..,) und unterstrei!en damit, dass es weniger um Zusammenfassung des Datenmaterials als um ein konzeptionelles Aufbereiten der Daten geht. Dey (+---, S.+%-) hingegen # ndet den Terminus Kode vollkommen unpassend und s! lägt vor, ganz auf ihn zu verzi!ten. Für ihn sind die Konotationen des Begri/s (metaphorical and metonymic extensions), die etwa auf Normsysteme oder Geheimspra!en verweisen, eher irreführend als hilfrei!. 10 Die Arbeiten zur Kategorisierung aus dem Berei! der kognitiven Wissens!a" (z.$B. Lako/ +-*0) wurden im Berei! der GTM, außer bei Dey (+---, S.0.–*., %(2–%(( u.$a.), leider ni!t rezipiert. Denno! würde dieser Ansatz gerade eine lebenswelt- und alltagsspra! nahe Kategorienbildung unterstützen. Auf Besonderheiten und Eins!ränkungen der Verbindung von GTM und Metaphernanalyse hat Rudolf S! mi) in einem Diskussionsbeitrag in der Mailingliste Qualitative Sozialfors!ung (QSF-L) hingewiesen (siehe: h)ps://lists.fu-berlin.de/pipermail/qsf_l/%&&.-August/msg&&&&*. html).
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rade das forcing in der Kategorienbildung verhindert und die emergence fördert (vgl. zu emergence vs. forcing und zur Di/erenz zwis!en Glaser und Strauss: Glaser +--%; Boy!uk Du!s!er & Morgan %&&2). Udo Kelle (%&&(, Abs.+-1/. und in diesem Band) hat deutli! gema!t, dass die Opposition zwis!en Strauss und Glaser relativiert werden kann. Forcing sollte si!er soweit wie mögli! vermieden werden, umgekehrt übersieht die auss!ließli!e Berufung auf die Emergenz die Unumgehbarkeit von theoretis!em Vorverständnis. Kelle verweist deshalb auf den Peirces!en Begri/ der Abduktion (vgl. ausführli! Rei!ertz in diesem Band), auf Falsi#zierbarkeit und die Notwendigkeit der Untermauerung, alles Aspekte, wel!e die von uns vertretene Doppelreferenz als plausibel ers!einen lassen. Der Kode- und Kategoriebegri/, aber au! das Verhältnis von forcing vs. emergence sind abhängig vom jeweils zugrunde liegenden Theorieverständnis. Das Theoriekonzept im „Discovery“-Bu! hat einen sehr statis!en Charakter. Eine Theorie besteht nach Glaser und Strauss (+-.0, S.,() aus „conceptual categories“, „their conceptual properties“ und „generalized relations among the categories and their properties“. Dem hingegen würde es der Polemik gegen die grand theory und dem impliziten Anspru! auf Demokratisierung der soziologis!en Erkenntnis anstehen, den narrativen Charakter von Theorie anzuerkennen. Die GTM be#ndet si! nämli! tatsä!li! in einem wissens!a"sges!i!tli!en Kontext, in dem der Rü'gri/ auf das Erzählen11 als notwendig era!tet und selbst der naturwissens!a"li!e Wissens!a"sprozess als narrativ gesehen wird12. Diese Verbindung wird insofern anerkannt, als Glaser und Strauss (S.%(+–%(0) ausdrü'li! den Zusammenhang von wissens!a"li!er Erkenntnis und persönli!er Einsi!t sowie Strauss und Corbin (+--&, S.++-–+%+) die Bedeutung der storyline betonen. Die GTM leistet in dieser Hinsi!t einen wi!tigen Beitrag zur Evolution der Grammatik des wissens!a"li!en Befundes, die Immanuel Wallerstein (%&&2, S.+*,1/.) später gefordert hat. Das Kodieren in der qualitativen Datenanalyse hat, ober3ä! li! betra!tet, wenig zu tun mit dem Kodieren z.$B. eines standardisierten Fragebogens. Während es dort um das mögli!st reliable Zuordnen von vorde#nierten und operationalisierten Variablenwerten zu Merkmalsausprägungen geht, kommt es hier auf eine eher interpretative und heuristis!e Ers!ließung von vorerst nur als Annäherungswerten verstandenen Kategorien im Dialog mit den empiris!en Daten an. Speziell auf die GTM bezogen gilt, dass die Distanz zwis!en qualitativen und quantitativen Kodierverfahren größer oder geringer ist, je na!dem, ob sie auss! ließli! in eine symbolis!-interaktionistis!e Tradition eingebe)et verstanden wird oder 11 Vgl.: „Il n’ est donc pas exclu que le recours au narratif soit inévitable; pour autant du moins que le jeu de langage de la science veuille la vérité de ses énoncés et qu’il ne puisse pas la légitimer par ses propres moyens [Es ist also ni!t ausges! lossen, dass der Rekurs auf das Narrative unvermeidli! ist, insofern zumindest als das Spra! spiel der Wissens!a" die Wahrheit seiner Aussagen beanspru!t, ohne sie dur! eigene Mi)el legitimieren zu können]“ (Lyotard +-0-, S.2-; unsere Übersetzung). 12 Vgl.: „The process of science making is narrative“ (Bruner +--., S.+%.).
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
ob au! die Wurzeln in den mathematis!en Modellen freilegt werden, wie sie im Zusammenhang mit der index formation an der Columbia University u.$a. von Paul F. Lazarsfeld gelehrt wurden (Glaser +--*, S.%%1f.; vgl. au! Holton %&&0, S.%.-). Mehrere beoba!tbare Sa!verhalte ergeben dabei die Dimensionen, anhand derer ein ni!t beoba!tbares (latentes) Konstrukt gemessen wird. In beiden soll dur! den Ober3ä!engehalt eines Textes oder einer Beoba!tung hindur! zu tieferen Sinn- und Bedeutungss!i!ten gestoßen werden, beide Male ist deshalb die dialogis!e Verbindung von Hinwendung zum Anderen und Dur!setzung des eigenen Spre!ens zentral. Diesem doppelten Bli' entspri!t au! die Vorläu#gkeit des Kategorialen und die damit verbundene Endlosigkeit des Analyseprozesses. Kategorien werden zuerst immer tentativ gebrau!t, zum Probieren sozusagen. In der Art eines guten S!uhverkäufers s! rieb Anselm Strauss (+--+, S.2.0): „Let’s just try it on for size.“ Saturierung (Glaser & Strauss +-.0, S.+++) bleibt deshalb au! immer ein relativer Begri/. Beendet ist die Analyse, die unendli! fortgesetzt werden könnte, nur vorläu#g unter einem na! den Fors!ungsinteressen der Interpretinnen und Interpreten ausgewählten Analyseaspekt. Beim Lesen und Glossieren von Textdaten (in unserem Fall Interview- und Gruppendiskussionstranskripten) können idealtypis! vers!iedene Kodieroperationen gegeneinander abgesetzt werden, die zueinander in einem hierar!is!en Verhältnis stehen, si! aber in der praktis!en Arbeit o" vermis!en und übers!neiden. Einzelne Fors!ende benutzen unters!iedli!e Terminologien zur Bezei!nung von Kodiertypen. Glaser und Strauss erwähnen in „Discovery“ das Kodieren nur beiläu#g im Zusammenhang mit der Constant Comparative Method (Glaser & Strauss +-.0, S.+&%1/). Die Kodierverfahren spielen im Anfang o/ensi!tli! ni!t die Rolle, die sie in späteren Versionen der GTM einnehmen werden. Von Strauss und Corbin (Strauss +-*0; Strauss & Corbin +--&) wird dann o/ensi!tli! ni!t mehr mit dem Fokus auf der Dur!setzung einer neu entde'ten Theorie, sondern mit dem Anspru! zur GTM-Praxis anzuleiten eine hierar!is!e Taxonomie der Kodierverfahren eingeführt. Unters!ieden wird zwis!en o/enem, axialem und selektivem Kodieren. Wir werden uns weiter unten heuristis! auf dieses Basismodell beziehen. In der späteren Entwi'lung wird das Konzept des axialen Kodierens von Anselm Strauss (+-*0) für Barney Glaser sozusagen zum Stein des Anstoßes. Das axiale Kodieren ist ein wesentli!es Moment beim Herauss!älen der eigenen Theorie. Es stellt die A!se einer Theorie dar, auf die dann der eigene emergierende Entwurf aufsetzen kann. Im Falle von Anselm Strauss handelt es si! um eine interaktionistis!e Handlungstheorie, die auf ihre Essenz destilliert wurde, um beim Kodieren handli! und hilfrei! zu sein. Barney Glasers Kritik bezieht si! auf die fehlende O/enheit, das axiale Kodieren würde das Feld der mögli!en Theoriegeneration unnötig eins!ränken. Barney Glaser (+-0*) hat seinerseits das Konzept des theoretis!en Kodierens entworfen. Der conceptual code ist das wesentli!e Bindeglied zwis!en Theorie und Daten. Das theoretis!e Kodieren integriert die Datenanalyse, Basiseinsi!ten
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werden zu komplexeren Theorieblö'en zusammengefügt, Perspektiven ö/enen si!. Für Glaser ist es wi!tig, das Zurü'greifen auf die immer glei!en Lieblingskodes (pet coding) zu unterbinden und der O/enheit der Interpretationsarbeit eine Chance zu lassen. Das theoretis!e Kodieren ist von einer doppelten Orientierung gekennzei!net, an den Daten und am theoretis!en Vorverständnis. Der Kern der GTM aber würde verraten, wenn das Vorverständnis mehr als eine theoretis!e Emp#ndli!keit (theoretical sensitivity) wäre und zu einer aprioris! vorgegebenen Theorie gerinnen würde. Glaser löst das Problem der Handhabbarkeit dur! die Einführung der coding families. Es handelt si! dabei um eine gera5e Sammlung von si! überlappenden soziologis!en Denkmodellen, die einen beim theoretis!en Kodieren anregen sollen und erlauben, dass man über den engen Horizont der Daten hinauskommen kann. Judith Holton (%&&0, S.%02) unters!eidet, sehr nahe an Barney Glaser, zwis!en „substantive“ und „theoretical coding“, wobei ersteres in o/enes und selektives Kodieren eingeteilt ist. Kathy Charmaz (%&&., S.2%1f.) kennt eine ganze Panoplie von Kodieroperationen wie „initial coding“, „line by line coding“, „word by word coding“, „focussed coding“, „axial coding“ und „theoretical coding“. Insgesamt gilt, dass der Umgang mit Kodes und Kategorien kaum einem S!ema folgen kann, sondern 3exibel gestaltet werden sollte (Fli' %&&0, S.+&2). Die Ausformung der Kodierarbeit hängt von unters!iedli!en Faktoren ab. Sie variiert mit dem Forts!reiten der Analyse, sie ist am Anfang daten-, zum S! luss theorienäher. Sie ist darüber hinaus von der Art der zu analysierenden Daten und der jeweiligen Fragestellung abhängig. S!ließli! spielt die Einstellung eine Rolle; wie bei einer Nahaufnahme kann ein sehr kurzer Auszug analysiert oder es kann von größeren Abs!ni)en ausgegangen werden. 2.2
Minimalia der qualitativen Kodierarbeit
Die Kodierarbeit stellt keinesfalls einen abges!lossenen Fors!ungsprozess dar. Sie spielt in der Regel ihre Rolle als Teil- und Zwis!enprozess in einem übergreifenderen Projekt (vgl. Feldman, +--(, S..21f.). Ihrem Etappen!arakter im qualitativen Fors!ungsprozess entspri!t es, dass sie zumeist eingelagert ist in ein umfassenderes Gesamtprojekt, das sowohl einem GTM-„Pa'age“ oder dem generelleren Design qualitativer Fors!ung (vgl. Fli' %&&0) entspre!en kann. Der Datenanalyse und damit der Kodierarbeit gehen etwa folgende in S! leifen angelegte S! ri)e voraus: die Entwi'lung der Fors!ungsfrage und des Fors!ungsdesigns, die Sti!probenbildung, die Auswahl der Fälle, die Gewinnung des Feldzugangs und die eigentli!e Datenerhebung. Ihr folgen im Zuge der Beri!tlegung weitere Elemente. Denn die Kodierarbeit produziert, wie Kathy Charmaz (%&&., S.2() es ausdrü't, nur die Kno!en der Analyse, während erst dur! die theoretis!e Integration ein funktionierendes Skele) entsteht. Die dur! Datenanalyse gewonnenen Interpretationen werden demna! mit bestehenden Theorien verbunden; weiterhin werden die
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
Konsequenzen gezogen, die si! in Bezug auf das Fors!ungsproblem und das praktis!e Handeln im Feld ergeben. Trotz des Etappen!arakters aber ist die Kodierarbeit ni!t dur! einen klaren S!ni) von den vorausgehenden und na!folgenden Etappen getrennt (Holton %&&0, S.%02). Die Übergänge sind vielmehr kontinuierli!. Der iterativ-zyklis!en Natur des permanenten Verglei!ens entspri!t das Hin und Her zwis!en Etappen. Ständig bes!ä"igen das Fors!ungsteam die Fragen, wann gehen wir weiter, wann zurü'. Die Datenanalyse und besonders die Kodierarbeit bilden Kernberei!e sehr vieler qualitativer Fors!ungsansätze und -projekte. So hat Uwe Fli' (%&&0, S.+&,) darauf hingewiesen, dass die Datenanalyse ein zeitraubender S!ri) im qualitativen Fors!ungsprozess darstellt. David Silverman (%&&0, S..+) verweist darauf, dass für Fors!ungsanfänger/innen o" die Datenerhebung im Vordergrund stehe, und er hält dem entgegen: „[…] collecting data is not even half the ba)le. Data analysis is always the name of the game“. Die Kodierarbeit ist insofern au! besonders relevant, da si! in ihr auf konkrete Weise die epistemologis!en Spannungen – wie jene zwis!en Eigen- und Fremdverstehen, zwis!en Bes!reibung und Konzeptionalisierung, zwis!en Sequenziell-Syntagmatis!em und Systematis!-Paradigmatis!en – konkret und rekurrent in der Alltagspraxis des Fors!ungsprozess realisieren. Aus den beiden Bildern vom permanenten Dialog mit den empiris!en Daten und von der Su!e na! dem eignen Erzählen ergeben si! einige Minimalia der Kodierarbeit. Grundlage des Kodierprozesses ist die Unters!eidung zwis!en Primärdokument13 (Historiker und Historikerinnen würden viellei!t „Quelle“ sagen), das die Daten enthält, und dem Kode, der die Daten bes!reibt/kommentiert. Die Primärdokumente müssen ni!t unbedingt einer einzigen Dokumentsorte angehören. Na! dem Prinzip „All is data“ (Glaser %&&+, S.+2() ist es dur!aus mögli!, unters!iedli!e Genres zu mis!en. Primärdokumente repräsentieren das Spre!en der/des Anderen. Die Unters!eidung von Primär- und Sekundärdokument14 muss ni!t starr und unüberwindli! gesehen werden, es können au! eigene Memos, also ursprüngli!e Sekundärdokumente, in einer re3exiven S! leife als Primärdokumente behandelt werden. Das eigene Spre!en kann in der zeitli!en Distanz fremd werden. Die Di!otomie von primär vs. sekundär, au! wenn sie relativiert werden kann, ö/net auf alle Fälle einen doppelten Referenzhorizont. Das Primärdokument steht demna! im Zusammenhang mit zwei Kommunikationssituationen: der Produktionssituation, in der das Primärdokument entsteht, und einer na!trägli!en Rezeptionssituation, in der es gelesen wird. Im Spiel sind also immer mindestens zwei Rollen: Respondent/in und Fors!er/in, Produzent/in und Rezipient/in, Ego und Alter. Wissen entsteht aus der Beziehung, Begegnung ist die Grundlage der Kon13 Wir übernehmen den Begri/ aus der ATLAS.ti-So"ware, wo das primary document neben quote, code und memo eines der Programmobjekte darstellt. 14 Die Unters!eidung von Primär- und Sekundärdokumenten entspri!t der Opposition von Primärund Sekundärliteratur.
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zeptualisierung. Es gilt, was Jessica H. Davis von der ästhetis!en Kommunikation sagt: Im Mi)elpunkt steht eine wenn au! indirekte „conversation of two active meaning-makers, the producer and the perceiver“, und beide spielen „a pivotal role“ (Lawrence-Lightfoot & Davis +--0, S.%-), denn es geht um die Koproduktion von Bedeutung. Lyotard (+-0-, S.,-) verweist darauf, dass die Selbstlegitimierung des Erzählers/der Erzählerin darin bestehe, si! als Zuhörer/in der Ges!i!te auszuweisen. Aus der eigenen Perspektive rekonstruiert der Interpret/die Interpretin die subjektiven Perspektiven, die Lebenswelten der Anderen. Im hermeneutis!en Prozess wird in der Gadamers!en Formulierung die Gewinnung des Auslegungshorizontes zur Horizontvers!melzung (vgl. Gadamer +-.(, S.,0(). Der Kodierprozess ist s!ließli!, wie bereits angemerkt, seinem dynamis!en Annäherungs!arakter entspre!end iterativ-hierar! is! angelegt. Er wird wiederholt und kommt dabei der Entde'ung einer storyline und der Ausformulierung einer Theorie allmähli! näher. Diese Struktur wird o" im Bild der Spirale wiedergegeben (z.$B. Dey +---). Die Hierar!ie kommt u.$a. dadur! zustande, dass der Lektüreprozess vonseiten der Lesenden mehr oder weniger aktiv sein kann. Glei!zeitig entspri!t die Aufeinanderfolge der Kodiertypen dem Vorgehen des theoretical sampling (Glaser & Strauss +-.0, S.2(–2-). Beides ist Ausdru' davon, dass die einzelnen S!ri)e im qualitativen Fors!ungsprozess ni!t voneinander abges!o)et, sondern in S!leifen miteinander verbunden sind. Charakteristis! ist in dieser Hinsi!t, dass die Prozesse der Datenerhebung und der Datenreduktion einander überlappen. 2.3
Kodieren und die Methode des permanenten Verglei$s
Das Kodieren erlaubt den ständigen Verglei! von Fällen, Phänomenen und Konzepten, und so können die Fragen, die an den Text gestellt werden, allmähli! verfeinert werden. Kodieren steht also au! in einem direkten Zusammenhang mit der komparativen Methode (Glaser & Strauss +-.0, S.+&+–++.). Theorie wird dementspre!end verstanden als fortlaufender Prozess der Theoriediskussion und -modi#kation. Sie gibt eigentli! keine abs!ließenden Antworten, sondern liefert komplexere Konzepte, die gerade dazu dienen, neue Fragen und Probleme zu formulieren, über die es wert ist, na!zudenken, und deren Analyse so überhaupt erst mögli! wird. Dies ma!t deutli!, dass die Analyse, wie sie im Rahmen der GTM praktiziert wird, ni!t für alle mögli!en Fragestellungen glei! adäquat ist. Sie eignet si! kaum für experimentelle Designs (Verglei! von Treatment- und Kontrollgruppe) und au! ni!t zur Untersu!ung eindeutig linear-kausaler Zusammenhänge. Sie ist aber besonders dann angemessen, wenn es darum geht, alltägli!e Sinnkonstitutionsprozesse als Ausgangspunkt geistes- und sozialwissens!a"li!er Theoriebildung zu nutzen, wenn die Fors!enden bereit sind und wenn es darauf ankommt, dem/ der Anderen zuzuhören.
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
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Hierar!is!-iterative Etappen des Kodierprozesses
3.1
Zitatauswahl und Textsegmentierung
Die Daten sollen mögli!st na! unters!iedli!en Seiten hin interpretiert werden, hierzu dienen besonders die Kodierverfahren (Moghaddam %&&.). Auf der untersten Stufe geht es zunä!st darum, Textstellen zu identi#zieren, die relevant sind für die bearbeitete Fragestellung. Der Datenkorpus wird in Teileinheiten aufgegliedert, und die Datenstü'e, mit denen weitergearbeitet werden soll, werden bestimmt. Diese Teileinheiten, Textauss!ni)e, werden Textsegmente oder Zitate (quotations) genannt. Der Ausdru' Textsegment stellt die Operation objektiver dar, als sie s!lussendli! ist. Der Begri/ Zitat ma!t deutli!, dass es si! um ein Spre!en auf zwei Ebenen handelt. Ein Auss!ni) des Interviewtexts wird von den Fors!enden in ihrem Spre!en wiederholt, zitiert. Die doppelte Terminologie ist au! hier ein Symptom der doppelten Referenz auf die Daten und auf das eigene Erzählen. Wi!tig ist, dass der Unters!ied zwis!en den beiden Perspektiven, zwis!en „Er/sie sagt …“ und „I! erzähle, dass er/sie sagt …“, den Interpretinnen und Interpreten bewusst bleibt. Beim Umgang mit dem Spre!en des/der Anderen sind zwei Akzentsetzungen denkbar. Es geht entweder um die Wiedergabe der Aussage des/der Anderen, oder um das Si!tbarma!en eines Musters in seinen/ihren Äußerungen. Das Bild von dem doppelten Spre!en fungiert als epistemologis!es Klärungsmoment. Es erlaubt den tiefenstrukturellen Zusammenhang von qualitativ-heuristis!em und quantitativ-veri# katoris!em Kodieren zu verdeutli!en. Zu dem Spre!er/der Spre!erin, die den Korpus generiert hat, stehen die Dateninterpret/ in nen in einem dialogis!en Verhältnis. Sie lesen so, wie sie au! andere Texte lesen würden und versu!en, den Sinn zu verstehen. Im Bli'punkt steht also das Verstehen des Handlungssinns, ni!t die Rekonstruktion oder gar Zuweisung von A-tergoUrsa!en (Hitzler %&&,, S.%-0). Dabei sind die Interpret/innen selbstverständli! sowohl auf die Daten als au! auf das eigene Vorverständnis angewiesen. Die Theoretisierung ergibt si! aus einem ständigen Hin und Her von Frage und Antwort. Das Vers!weigen der Interaktion von Beoba!ter/Beoba!terin und Objekt kommt gar ni!t in Frage, da diese gerade das „Theater“ darstellt, vor dessen Hintergrund Erkenntnis entsteht (vgl. Mru' & Breuer %&&,, Abs.-1f.). Die Komplexitätsreduktion #ndet hier in vielen kleinen, deshalb aber kontrollierbaren und empiris!en S!ri)en sta). Beim standardisierten Kodieren hingegen wird das Spre!en auf beiden Seiten im Vorfeld s!on extrem reduziert. Die Komplexitätsreduktion hat sta)gefunden, bevor man si! überhaupt mit den Daten auseinandergesetzt hat. Theorie entsteht hier logis!-deduktiv, die empiris!e Analyse der Daten dient ledigli! der mögli!en Falsi#zierung. Das wissens!a"li!e Spra!spiel wird so auf eine isoliert gesehene, denotative Funktion reduziert (vgl. Lyotard +-0-, S.2(), während bei der qualitativen Analyse zwar eine Annäherung an das Denotative angestrebt wird, aber Kontextualität und Einbe)ung in andere Diskurse si!tbar
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bleiben und ni!t verleugnet werden. Wir haben es also zwar mit einer ähnli!en Basiskonstellation zu tun, die aber na! grundsätzli! vers! iedenen Szenarien montiert wird. Beide Vorgehensweisen können je na! Fors!ungslogik legitim und ökonomis! sein. Es geht trotz mögli!er unters!iedli!er Zielsetzung zweimal um das glei!e Problem: nämli! die Unsi!erheit, die dur! das doppelte Spre!en entsteht und kontrolliert werden soll, um so intersubjektive Verbindli!keit zu gewährleisten. Die eingesetzten Strategien unters!eiden si!: Einmal ist das Mi)el die extreme Reduktion, das andere Mal O/enheit und Transparenz. Beide Wege bieten natürli! Vor- und Na!teile. Der verstehende Ansatz aber ist si!er dort überlegen, wo Sinnkonstitutionsprozesse eine wesentli!e Rolle spielen, während dann, wenn eine me!anistis!-lineare Modellierung der von vornherein als relevant angesehenen Fragestellung mögli! ist, si! der standardisierte Ansatz emp#ehlt. Textsegmentierung und Zitatauswahl sollen grundsätzli! zwei Ansprü!en genügen: Einerseits soll Spontaneität erhalten bleiben, nur so kann das eigene Spre!en emergieren, und andererseits soll der Prozess revidierbar und na!vollziehbar sein, nur so ist die Rü'bindung an die Daten zu gewährleisten. Vers!iedene Mi)el und Te!niken helfen dabei im Fors!ungsalltag, die s!einbar widersprü!li!en Ziele „unter einen Hut“ zu bringen, es sind dies die mehrperspektivis!e Ausri!tung der Auswahlkriterien und die spezi#s!en Momente der Organisation der Textarbeit. Die Textauswahl ri!tet si! an drei Kriteriendimensionen aus. Diese beziehen si! auf textlinguistis!e Merkmale, dann auf das eigene Vorwissen, dem die zugrunde liegenden Fragestellungen entstammen, und s!ließli! auf Sedimente der Kommunikationssituation, in der die Texte entstanden sind. Textlinguistis!e Merkmale sind jene spra!li!en Verfahren, die dem Text Struktur und Kohärenz verleihen.15 In semantis!er Hinsi!t ist z.$B. die funktionale Satzperspektive wi!tig, die es erlaubt, einen Satz in Thema und Rhema zu zerlegen.16 Die jeweilige thematis!e Verke) ung, aber au! Themenkonstanz und Themenwe!sel liefern Kriterien für die Segmentierung. Ebenso sind Konjunktionen und adverbiale Angaben, aber au! die anaphoris!e Verke)ung17 über Pronomina wi!tige Gliederungssignale. Die Segmentierung ergibt si! aber ni!t me!anis! aus der Textstruktur. Der Dialog, die Ko-Konstruktion von Bedeutung, kommt nur dann zustande, wenn au! die Interpretierenden si! einbringen können. Sie sollen deshalb das eigene Vorwis15 Das bedeutet ni!t, dass Sozialwissens!a"ler/innen si! der Textarbeit vers!reiben. Sie hat eine Dur!gangsstation auf dem Weg zur Generierung von Theorie oder Theorieelementen zu bleiben. 16 Der Prager Anglist Vilém Mathesius (+-%-) hat in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Konzept der funktionalen Satzperspektive entwi'elt. Es handelt si! dabei um eine dynamis!e, kommunikationsbezogene Struktur. Jeder Satz ist zweiteilbar, er enthält ein Thema (basis, topic, Argument) – das, worüber gespro!en wird – und ein Rhema (nucleus, comment, focus, Prädikat) – das, was über das Thema gesagt wird. 17 Kataphorik und Anaphorik bezei! nen textinterne Verweismuster. Die anaphoris!e Verbindung verweist auf eine vorausgehende Textstelle, die kataphoris!e auf eine na!folgende (Weinri! +--,, S.2+&–2+2).
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
sen o/enlegen, von eventuellen Interviewleitfäden ausgehen und klären, auf wel!e Fragen sie Antworten erwarten oder su!en. Das Vorwissen aber kann ni!t statis! gesehen werden. Im Prozess des Kodierens sollte es grundsätzli! revidierbar sein, also ni!t einfa! übernommen, sondern an den Daten korrigiert, modi#ziert und erweitert werden. Textstruktur und Fragestellungen sind ni!t die einzigen Orientierungsgrößen. Den Primärdokumenten ha"en Sedimente der ursprüngli!en Kommunikationssituation, Spuren der Entstehungssituation und ihrer Ordnung an. Interviews und Gruppendiskussionen können so als Beispiele von ordinary conversation gelesen und interpretiert werden. Es sollte versu!t werden, den Zusammenhang mit dem Entstehungskontext zu rekonstruieren. Die linguistis!e Pragmatik sensibilisiert uns für die Lektüre der entspre!enden Indizien. Es sind z.$B. Pronomina, Zeit- und Ortsangaben, die auf den Hier-Jetzt-I!-Origo des Textes verweisen, aber au! Präsuppositionen, die auf !arakteristis!e Wissensbestände hindeuten, auf die die Kommunikationspartner/innen zurü'greifen. Eine an der Konversationsanalyse ges!ulte Lektüre a!tet auf die Diskursorganisation, auf die interaktionsstrukturelle Ordnung, wie sie si! in der Klassi#kation von Sozialgruppen, im turn taking, in paarweise auftretenden Interaktionszügen, in der Präferenzordnung, aber au! in Korrekturen und Selbstkorrekturen nieders!lägt (vgl. Hut!by & Woo6) +--*, S.,*1/.). Es gibt au! in diesem Zusammenhang für o/ene Interviews typis!e Momente von Strukturzusammenhängen, die es erlauben, au! längere Gesprä!sbeiträge ni!t als monologis!e, sondern als interaktive Passagen zu lesen. Wir wollen ni!t einen Mix von linguistis!er oder konversationsanalytis!er Gesprä!sanalyse mit GTM anstreben. Unser Argument lautet vielmehr: Wenn im Primärdokument „Abdrü'e“ von Sozialhandeln und Sozialstruktur (S!eglo/ +--+) vorhanden sind, dann sollen die Interpretierenden sie als Katalysatoren der GTM-Konzeptionalisierungsarbeit nutzen und si! ni!t nur auf Textstruktur und Textbedeutung bes!ränken. Die Arbeit mit einem mehrperspektivis!en Kriterien-Set verlangt auf der anderen Seite au! na! einer entspre!enden Organisation. Es gibt hierbei besonders drei Aspekte, die wir auf Grund unserer Erfahrung hervorheben mö!ten: das ständige Memos!reiben, die Variation der Distanz zur Textstelle und die Teamarbeit. Bereits der erste S!ri) der Textarbeit soll von Memos!reiben begleitet sein. Es gibt unters! iedli!e Typen von Memos (vgl. zum Memos! reiben: Strauss +-*0, S.+&-–+%-), die in dieser Phase eine Rolle spielen: theoretis!e Memos, die das Vorwissen abklären; operative Memos, die bes!reiben, wie an den Text herangegangen werden soll, die also den oder die Filter explizit ma!en, mit denen der Text dur!forstet werden soll; Memos, die bes!reiben, wie ein Primärdokument oder eine Primärdokumentfamilie zustande gekommen ist; Kode-Memos, die explizieren, was hinter einer Begri/sassoziation ste't. Memos können au! Detailinterpretationen von Textstellen oder Textmerkmalen sein, sie liefern dann Begründungen für die Auswahl des Zitats und bes!ä"igen si! mit Stellen, die bei der Lektüre auffielen und die gerade deshalb in den Zitatkorpus aufgenommen worden sind.
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Ein zweites nützli!es Organisationsmoment besteht unserer Erfahrung na! darin, dass bei der Analyse die Distanz zum Text variiert wird. Böhm, Legewie und Muhr (+--%) geben hierzu einige Hinweise, die aber letztli! zu s!ematis! sind. Die Lesenden müssen unseres Era!tens über eine Art 3exibles und 3inkes „ZoomWerkzeug“ verfügen, das ihnen erlaubt, z.$B. am Textganzen zu arbeiten und eine Überbli'sgliederung zu erstellen, um im Augenbli' darauf den Text Zeile für Zeile, Wort für Wort dur! zugehen und si! auf die Interpretation einzelner Konversationszüge oder die Bedeutung und Funktion einzelner Partikel zu konzentrieren. Detailinterpretationen sollten dann immer wieder in das Gesamtbild eingeordnet werden. Diese Leseweise entspri!t der hermeneutis!en Grundeinstellung, dass die Teile die Bedeutung des Ganzen und das Ganze die Bedeutung der Teile (vgl. Bruner +--., S.+,0) mitbestimmt. Das dri)e Organisationsmoment ist die Arbeit im Fors!ungsduo (bzw. der Fors!ungsgruppe). Textarbeit bzw. Datenanalyse in der GTM haben kommunikativen Charakter. Sie sollten ni!t allein dur!geführt werden, sondern (mindestens) zu zweit. Dieses Moment gehört zum GTM-Grundbestand und wird in der Regel mit dem Geist der Chicago-S!ule (vgl. Riemann %&&(, S.-–+& und in diesem Band) in Verbindung gebra!t. Strauss (+-*0) hat ausführli! dargestellt, wie Team-Meetings dur!geführt werden können. Alan Bryman verweist auf die Bedeutung der Verlässli!keit und Na!vollziehbarkeit qualitativer Fors!ung; Teampartner/innen spielen dabei sozusagen die Rolle der ersten Prüfinstanz (%&&*, S.,*&1f.). Katja Mru' und Günter Mey (+--*) haben das Konzept einer „Projektwerksta) qualitativen Arbeitens“ entwi'elt. Sie ma!en deutli!, wie die Subjektivität im Fors!ungsprozess au! na! einer entspre!enden sozialen Organisation verlangt (siehe au! zu GTM in Fors!ungsgruppen Mey & Mru' %&&-, S.+2%–+2.). Für uns sind besonders drei Aspekte wi!tig: 7 Teamarbeit erlaubt (variable) Rollenverteilungen. So können si! z.$B. auf die Doppelreferenz bezogene, !arakteristis!e Muster einspielen, wobei eine Person zum Korrektiv der oder des Anderen werden kann. Überlässt si! nämli! ein Interpret/eine Interpretin seiner/ihrer theoretis!en Emp#ndli!keit, kann der/ die andere das Prinzip der „Datentreue“ verteidigen. Bleibt der/die eine in der s!ieren Deskription ste'en, kann der/die andere zur Konzeptualisierungsarbeit ansta!eln. 7 Darüber hinaus hat der Interpretationsdialog eine Bedeutung in Bezug auf das Interpretationstempo. Er verlangsamt das Festlegen auf Kategorien, ma!t deshalb den Weg dorthin si!tbarer, verhindert das Aufzwingen und „Dur!boxen“ von Konzepten und gibt der Konzeptgenerierung einen kommunikativen Nährboden. 7 S!ließli! #ndet das eigene Spre!en im Team einen ersten Adressat/innenkreis. Eine Ges!i!te ma!t Sinn im Horizont einer Erzählgemeins!a", sie setzt einen Erwartungshorizont (Jauß +-0&, S.+*&) voraus, dem sie entspri!t, den sie dur!-
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
bri!t und somit modi#ziert. Die Ges!i!te kann aber au! an den Erwartungen des Adressat/innenkreises s!eitern. 3.2
O%enes Kodieren
Dur! die Auswahl von Zitaten ist der ges!lossene Textblo' vorerst zerstü'elt/ zerlegt worden, Irrelevantes ist weggefallen. Konkret könnte der Arbeitss!ri) darin bestehen, dass einzelne Textauss!ni)e mit einer Wellenlinie am Rand als relevant markiert werden für die Fragestellung, so wie sie zwis!en den beiden Interviewparteien ausgehandelt wird. Zitate werden so aus dem ursprüngli!en kommunikativen Verbund, der Interviewsituation, „gelo'ert“, und es wird au! s!on eine Datenauswahl getro/en, die dem Zwe' der Theoriegenerierung dienen soll. Das regt ohne Zweifel die Analyse an, führt aber au! s!nell dazu, dass die Lage sehr unübersi!tli! wird. Denn wir werden sehr s!nell über eine große Menge von Einheiten verfügen. Bogdan und Biklen (+--%) verglei!en die Situation damit, dass in einer großen Turnhalle eine Riesenmenge Spielzeug ausgebreitet wird und dass die Aufgabe des Kategorisierens darin besteht, die Einzelstü'e in Haufen zusammenzulegen, die untereinander in einem sinnvollen Zusammenhang stehen. Dabei ist das S!ema, na! dem die einzelnen Gegenstände geordnet werden, ni!t von Anfang an bekannt. Es bildet si! erst während der Arbeit an den Daten heraus. Das Ziel jedenfalls ist, wie Ku'artz (+--0) es sieht (allerdings eine andere Metapher heranziehend), dass s!lussendli! alle Zitate gruppiert sind wie Medikamente in einer Apotheke, d.$h. in säuberli! etike)ierten S!ubladen und Regalen systematis! geordnet abgelegt sind. Am Anfang der Analyse aber haben wir nur eine vage Vorstellung, wie dieser Zusammenhang aussehen könnte. Die Kategorien und ihre Verbindungen sollen si! ja, dem Prinzip des „Entde'ens“ folgend, aus den Daten selbst, oder wie wir meinen, um die aktive Rolle der Fors!enden kenntli! zu ma!en, aus dem Dialog mit den Daten ergeben. Ein erster einleu!tender S!ri) wäre dann, dass wir ledigli! die Daten „etike)ieren“, d.$h. jedem einzelnen Gegenstand einen Namen geben. O/ene Kodes zielen dann z.$B. darauf, si! das implizite Motiv zur Auswahl einer Textstelle bewusst zu ma!en. Die Arbeit des o/enen Kodierens soll den Überbli' erlei!tern. Dateneinheiten werden auf einen Aspekt hin verkürzt und erste Entspre!ungen werden si!tbar. Eigentli! wird jedes Zitat so auf ein Kürzel reduziert. Die Datenmenge ist lei!ter zu handhaben, Listen werden erstellt, Ähnli!es wird zusammengelegt, sodass Muster o/ensi!tli!er werden. Wir s!a/en also auf diese Art und Weise eine erste Grundlage für die Emergenz von Kategorien und Kategorienrelationen. Aus unserer Si!t ist es wi!tig, au! das narrative Moment im Assoziationsprozess im Auge zu behalten. Die Interpretierenden deuten auf mögli!e Erzählstränge, die sie ihrer Ges!i!te zugrunde legen könnten. Aber sie haben no! keine Ri!tungsents!eidung getro/en, ihr Erzählen ist rudimentär, stammelnd fast,
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gekennzei!net von der Koexistenz si! auss!ließender Ges!i!ten; es reduziert si! vorerst no! auf einzelne Wörter, die ihnen beim Zuhören/Lesen einfallen. Die Assoziation stellt denno! einen zagha"en S!ri) auf dem Weg zum eigenen Erzählen dar. Die storyline ergibt si! also aus dem Prozess und wird ni!t erst in den späteren Kodieretappen aufgesetzt. Voraussetzung für das o/ene Kodieren ist das genaue Lesen. Barney Glaser (+--*, S.%21f.) gibt als eine der Wurzeln der GTM die Methode der explication de texte an, so wie er sie an der Sorbonne kennengelernt habe. Kennzei!en der explication de texte als Lesemethode ist, dass der Text hinterfragt und ihm Einwände der Lesenden entgegengehalten werden sollen, um ihn so „zum Spre!en“ zu bringen. Bea!tet werden sollten dabei auffällige grammatis!e Formen, Partikelwörter, Bildelemente, Stilwe!sel, Andeutungen. Die Ents!lüsselungsarbeit geht von der Ho/ nung aus, dass si! im Detail der Textstelle au! die Gesamtproblematik spiegelt. Das Vorgehen ist normalerweise linear, es wird dem Aufbau des Textes gefolgt, ni!t um den Zitaten augenfällige Bedeutungen zuzuweisen, sondern um sie in ihrer Komplexität und Doppelbödigkeit zu erfassen. Das Postulat der Textimmanenz führt hierna! geradezu zur Entde'ung der Ambiguität des von seinem Entstehungskontext losgelösten Textes. So spannend Glasers Hinweis auf diese literaturwissens!a"li!e Wurzel der GTM au! sein mag, darf do! ni!t übersehen werden, dass er si! damit gegen die in der Chicagoer Tradition stehende Betonung des interpretativen Anteils der GTM ri!tet. Deutli! wird so ex negativo, dass sozialwissens!a"li!e Textinterpretation eine Wurzel au! in der an Mead, Hughes und Blumer ausgeri!teten Reaktion gegen die Verdingli!ung des Strukturalen hat (Strauss +-00, S.xviii), aber die hermeneutis!-interpretative Haltung au! andere Bezugsgrößen haben kann. Wir denken z.$B. an den New Criticism und an die literaturkritis!e Methode von I.$A. Ri!ards (%&&+), die Arbeiten des Konstanzer Anglisten Wolfgang Iser (+--2), der zeigt, wie Erzähltexte Lü'en erö/nen, die von den Lesenden gefüllt werden, oder an das Werk von Paul de Man (+-**) und den Yale Critics, die si! mit den immanenten Widersprü!en literaris!er Texte befassen. Gerade das Paradox von Lesbarkeit und Unlesbarkeit ist eines der Probleme, auf das man beim o/enen Kodieren stoßen kann. Daneben gibt es genuin sozialwissens!a"li!e Methoden der Gesprä!sanalyse (z.$B. Deppermann %&&+, S.2-1/.), die dur!aus beim o/enen Kodieren von Zitatstellen hilfrei! sein können. Im Allgemeinen gilt, dass die Bes!ä" igung mit der literaturwissens!a"li!en Interpretationstheorie (Brenner +--*) und besonders die Auseinandersetzung mit den entspre!enden Übers!reitungen des disziplinären Kanons die in der GTM-Textarbeit erforderte Lese- und Interpretationsemp# ndli! keit steigern kann. Dabei sollte nie vergessen werden, dass die Betonung des Textimmanenten in der GTM-Arbeit immer nur die eine Seite der Medaille ist. Susan Sontags (+--2) hars!e Kritik an der Interpretation tri5 auf die GTM ni!t zu, da in deren genialer Janusköp#gkeit die immanente Textarbeit dur! die analytis!-konzeptuelle Kontextualisierung ergänzt wird.
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
In der Praxis ist das o/ene Kodieren für Fors!ende o" mit einer gewissen Ängstli!keit verbunden: Es entsteht bei der Arbeit an der Sinnkonstruktion eine Spannung zwis!en Lesenden und Text. Günter Mey (+---, S.,+-1f.) hat bes!rieben, wie sowohl Fremdheit als au! Nähe Angst ein3ößend sein können. Daraus entsteht sehr s! nell ein Dru'; der Fors!er/die Fors!erin wüns!t si!, mögli!st bald eine Kategorie zu #nden, die ihm/ihr Orientierung und Si!erheit gibt, und er/sie ist deshalb versu!t, diese aus bestehenden Theorien abzuleiten oder zu übernehmen. Fors!ende mö!ten, sta) si! auf dem unsi!eren Weg zu einer Viellei!t-Ges!i!te zu be#nden, aufgehoben sein in einer si!eren Erzählung. Dazu lassen sie Daten zu Exempeln verkommen und bringen die Respondent/innen zum S!weigen. Der hermeneutis!e Umgang aber mit den Daten besteht gerade darin, dass die konzeptuelle „Überlegenheit“ der Fors!enden ni!t vorausgesetzt, aber au! ni!t ganz auf sie verzi!tet wird. Das hat o/ensi!tli! mit Enthierar!isierung von Wissensformen zu tun. Anselm Strauss (+-*0, S.%*1/.) rät Sozialwissens!a"ler/innen in dieser Situation, alles und ni!ts zu glauben, was sie lesen. Sie sollten si! dabei u.$a. an folgende einfa!e Grundsätze halten: 1. Es sollten wenige, einfa!e und konsistente Fragen, die dem ursprüngli!en Fors!ungsdesign entspre!en, an die Daten gestellt werden. 2. Am Anfang der Kodierungsarbeit ist Mehr besser, d.$h. es sollte eher minutiös kodiert werden, au! wenn später die Zahl der Kodes reduziert und Kodes zu „Super-Kodes“ zusammengefasst werden. 3. Das Kodieren sollte ö"ers unterbro!en werden, um theoretis!e Memos zu formulieren. So gehen ursprüngli!e Ideen ni!t verloren, und es bleibt eine Spur davon erhalten, wie si! im Dialog mit den empiris!en Daten die an den Text gestellten Fragen verändern. 4. Auf keinen Fall sollte die Relevanz traditioneller Kategorien wie Alter, Ges!le!t oder soziale Herkun" vorausgesetzt werden, ohne dass hierfür Hinweise und Belege im Datenmaterial zu #nden sind. Sie verfügen nämli! über keinerlei Privilegien und müssen si! wie andere Kategorien au! über den steinigen Weg der gegenstandsbezogenen Datenanalyse „ho!arbeiten“. Die Entde'ung aber von membership classi&cation devices im Sinne von Harvey Sa's (+--&, S.2&–2*) legitimieren umso mehr zum Gebrau! der entspre!enden Kategorien. Bei der Lektüre von Interviewtranskripten stößt man auf ein weiteres Problem. Über die Vorbereitung der Interviews können Kategorien in den Text hineingelangen, die ni!t unbedingt vom Interviewpartner oder der Interviewpartnerin stammen. Mögli!e Kategorien, die o" glei! beim ersten Lesen aufs!einen, sind o" sol!e, die dur! die Interviewenden in das Gesprä! eingebra!t wurden. Deshalb eignet si! Interviewmaterial umso besser zum o/enen Kodieren, je o/ener die Gesprä!sbeiträge der Interviewenden formuliert sind. Im Idealfall bieten sie einen Spre!- und Erzählanlass, der zwar ein intensives Anspre!potenzial besitzt, aber die Thematik
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ni!t unbedingt genau festlegt und eins! ränkt. Aktives und akzeptierendes Zuhören sollte dann die Interviewten anregen, weiteres Material zu produzieren. Gerade freiere Textpassagen können als Antwort auf eine ni!t gestellte Frage oder auf eine von den Interviewten selbst vorausgesetzte, aber von den Interviewenden ni!t gema!te Äußerung gelesen werden. Es ist dieses „Zwis!en-den-Zeilen-Lesen“, die Rekonstruktion also eines impliziten, vom dem/der Interviewten vorausgesetzten Diskurses, das die Entde'ung gegenstandsbezogener Kategorien ermögli!t. Die ni!t-direktive Gesprä!sführung stellt in dieser Hinsi!t eine wi!tige Voraussetzung für die Produktion von brau!barem Textmaterial dar.18 Wi!tig ist es jedenfalls, darauf zu a!ten, dass ein evtl. verwendeter Interviewleitfaden ni!t dazu anregt, ledigli! Kategorien abzufragen. O/ene und intensive Gesprä!sstimuli, wel!e die Interviewten anspre!en, sind wi!tiger als präzise Fragen, die Antworten zu sehr lenken. Darüber hinaus stellt au! das frühe, wenn au! unsi!ere Memo-S!reiben (Memos, die wahrs!einli! nie außerhalb der Fors!ungsgruppe gelesen werden) eine wi!tige Arbeitsweise dar, die Transparenz, Systematisierung und Teamfähigkeit fördert. Ein spannender Punkt sind Passagen, an denen kognitive Kon3ikte zwis!en Fragenden und Befragten si!tbar werden. Es zeigte si! z.$B. bei unserer Studie über die Mobilität von Jugendli!en in der Großregion sehr s! nell, dass alle Gesprä!spartner/innen der Frage na! ihrer Mobilität, die uns problemlos ers!ienen war, wenig abgewinnen konnten, aber um so lieber über ihre Führers!einprüfung, das Auto der Eltern, mit dem sie fahren dur"en, oder das eigene Auto spra!en. Wir berü'si!tigten dann bei der Konzeptualisierungsarbeit, dass eben der direkte Zugang zu einer alltägli!en Mobilitätstheorie abgeblo't wurde und dass wir Antworten auf unsere Fragen nur im Zei!en der Metonymie #nden konnten. Im Alltagsgesprä! ges!ieht nämli! die Referenz auf die eigene Mobilität eher in der Form des Pars pro Toto (hier: Autofahren) als dur! den Gebrau! des abstrakten Konzepts. 3.3
Axiales Kodieren
Wir können nun der Analyse weiter auf die Sprünge helfen, indem wir ni!t nur „assoziativ“ vorgehen, sondern gewissermaßen als heuristis!en „S!miersto/“ axiale Modelle oder ein axiales Modell benutzen. Bruce L. Berg (+--*) nennt sol!e Paradigmen Kode-Frames. Wir unsererseits spre!en au! lieber von Kode- oder Kodierrahmen sta), wie von Strauss und Corbin (+--&) vorges! lagen, vom Kodierparadigma, um den mögli!erweise verwirrenden Bezug zur Kuhns!en Paradigmendiskussion zu vermeiden. Beim axialen Kodieren sollen explizite Fragen an den Text gestellt 18 S!wierig ist beim ni!t-direktiven Fors!ungsinterview die paradoxe Voraussetzung, dass es in der Regel und im Gegensatz zum Beratungsgesprä! auf Anfrage ni!t der Interviewten, sondern der Interviewenden zustande kommt.
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werden, es geht ni!t darum, si! dem Text zu überlassen, sondern eine Strukturierung, ein allgemeines Raster, wird probeweise an den Text angelegt. Dabei wird für jeden Fall bestimmt, wel!e typis!en Merkmale berü'si!tigt werden sollen, wobei weniger auf Verteilungsrepräsentativität als auf theoretis!e Relevanz zu a!ten ist. Die Literatur bietet nun unters!iedli!e Verfahrensweisen, die je na! Zielsetzung und Fragestellung mehr oder weniger geeignet sind, die si! aber au! miteinander kombinieren lassen. Strauss und Corbin (+--&), Ian Dey (+--,), Andreas Böhm et al. (+--%) und darauf Bezug nehmend Uwe Fli' (%&&%) erwähnen das Arbeiten mit S!lüsselfragen: Wer1? Wann1? Was1? Wo1? Warum1? Dieses klassis!e Fragequinte) lässt si! no! erweitern: Womit1? Was, wenn …1? Was, wenn ni!t …1? Strauss und Corbin (+--&, S.--) gehen aber über diese simplen S!lüsselfragen au! hinaus. Sie liefern als Kodierrahmen eine kompakte Version einer interaktionistis!en Handlungstheorie, die auf jedes analysierte soziale Phänomen anwendbar sei. Unters!ieden wird zwis!en dem Phänomen, den ursä!li!en und intervenierenden Bedingungen, dem Kontext, den Handlungs- und interaktionalen Strategien und den Konsequenzen. Insoweit wird deutli!, dass beim Forts!reiten der Analyse das o/ene Kodieren weniger o/en wird und man si! expliziter an einen theoretis! fundierten Kodierrahmen anlehnt. Klar ist au!, dass bereits der Bezug auf das Vorwissen, das wir s!on bei der Zitatauswahl erwähnten, eigentli! ein axiales Moment enthält. Ni!tsdestotrotz bereitet das axiale Kodieren na! Strauss und Corbin S!wierigkeiten. Fors!ende fühlen si! mögli!erweise eingeengt, eher behindert auf dem Weg zur storyline. So wurden au! Alternativen zum strengen axialen Kodieren formuliert. Bogdan und Biklen (+--%) gehen ohne expliziten Bezug auf Strauss und Corbin von einem breiteren Modell aus. Sie geben umfassendere Kode-Rubriken an, die je na! Themenstellung unters!iedli! gefüllt werden können. Dadur! wird die heuristis!e Funktion des axialen Modells deutli!er. Eine erste Kode-Familie stellen die Kontext-Kodes (se'ing, context) dar. Es geht darum, die allgemeine, deskriptive Voraussetzung eines Falles festzuhalten. Eine zweite Kode-Familie sind die sogenannten Situationsde#nitions-Kodes. Es geht hier um die Werte und Einstellungen, mit denen si! Einzelne oder eine Gruppe in einem Handlungsvorgang bes!ä"igen müssen, und die au! den Bezug für die Planung und Bewertung von Handlungen und von deren Ergebnissen darstellen. Ein dri)er Kode-Typus sind die Standpunkte einzelner Akteure und deren Si!t einzelner Phänomene. Eine vierte Kode-Familie erfasst die Art und Weise, wie Akteure über andere Mens!en und Gegenstände denken. Die fün"e Familie sind Prozess-Kodes, die dazu dienen, Ereignisse in einer Zeitsequenz zusammenzufassen. Ereignis-Kodes, die se!ste Familie, bezei!nen einmalige und seltene Ges!ehnisse, während Tätigkeits-Kodes, die siebte Familie, si! auf wiederholende, regelmäßige Handlungen beziehen. Beziehungs- und Sozialstruktur-Kodes, die a!te Familie, erfassen das Verhältnis zwis!en interagierenden Personen (Freund/in, Vorgesetzte/r, Verwandte/r), ri!ten das Augenmerk aber au! auf die klassis!en sozialstrukturellen Dimensionen (Rollen, Positionen).
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Methoden-Kodes, die neunte Familie s!ließli!, markieren Datenmaterial, das si! auf Fors!ungsprozeduren, Probleme, Dilemmata und ähnli!es bezieht. Glaser (+--*, S.+.,1/.) stellt der Methode von Strauss und Corbin seine Version des theoretis!en Kodierens gegenüber. In der Form von Kodierfamilien stellt Glaser (vgl. +--*, S.+0&) Kodes zu Gruppen zusammen und erhält so eine fragmentaris!e und o/ene Theorieheuristik, die si! von der dominierenden grand theory der „Theoriekapitalisten“ unters!eidet und deshalb eben ni!t Begri/e auf unzulässige Weise in die Daten hinein importiert. Die Notwendigkeit des axialen oder theoretis!en Kodierens ergibt si! aus der Unzulängli!keit der auf der Grundlage der textnahen Dateninterpretation erhaltenen Ergebnisse. Zwar können die am Material gewonnenen, konkreten Kodes (substantive codes) zueinander in Verbindung gesetzt werden, das Ergebnis kann aber ohne eine zusätzli!e Heuristik ein eher konfuses Produkt sein. Das theoretis!e Kodieren erlaubt es, diesen Knäuel zu entwirren, indem Verbindungen zu bestehenden Wissens- und Theoriebeständen hergestellt werden. Theoretis!e Kode-Familien sind so die eigentli!e Grundlage der Generierung und Entwi'lung von Theoriebausteinen. Theoretis!e Kodes sind entspre!end den axialen Kodes bei Strauss und Corbin Reduktionsformeln bestehender Theorieansätze, die es erlauben, die konkreten Analyseergebnisse zu strukturieren. Der wesentli!e Vorteil von theoretis!en Kodes ist, dass sie o/ener und breiter angelegt sind; das Verständnis der GTM wird somit ni!t auss!ließli! auf das interaktionistis!e Muster reduziert, sondern GTM nähert si! vielmehr einer universellen Methode an. Sandra Tiefel (%&&() hat gezeigt, dass in ihrem Fors!ungsgebiet, der biogra#s!en Bildungsfors!ung, der Ansatz von Strauss und Corbin deutli!e Unzulängli!keiten aufweist. Als Alternative hat sie einen überzeugenden, speziell auf die Belange des Spezialgebiets zuges!ni)enen Kodierrahmen entwi'elt. Zur Analyse biogra#s!er Lernprozesse unters!eidet Tiefel drei Analyseperspektiven: Sinnperspektive, Strukturperspektive und Handlungsweisen. Die Sinnperspektive ist dabei auf die Rekonstruktion des Selbstbildes, die Strukturperspektive auf die Rekonstruktion des Weltbildes und die Handlungsweisen sind auf Aktivitäten und Interaktionen bezogen. Es gelingt so eine Erfassung biogra#s!er Lernprozesse über die Kodierung, obwohl die Interviewtranskripte keine unmi)elbare !ronologis!e Darstellung enthalten. Der Versu! s!eint sinnvoll, und es ist dur!aus vorstellbar, dass Fors!ungsgruppen die Interessen, die sie verbinden, in ähnli!e Kodierrahmen fassen. Der Kodierrahmen ers!eint so sozusagen als Destillat eines professionellen Relevanzsystems. Die Hauptfunktion des axialen beziehungsweise theoretis!en Kodierens besteht darin, über das empiris!e Material hinauszukommen. Es gilt, zwei gegensätzli!e Gefahren zu bannen: das Versinken in der Daten3ut und das Aufpfropfen datenfremder Kategorien. Man geht deshalb jetzt auf Distanz zu den Daten, und das eigene „Spre!en“ gewinnt an Bedeutung. Während beim o/enen Kodieren die Ges!i!te ni!t vollständig und explizit ausformuliert wird, also vage bleibt und
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si! nur in den Assoziationske)en ahnen lässt, werden jetzt versu!sweise Erzählrahmen angelegt, die eine sinnvolle und brau!bare Ges!i!te ergeben sollen. Es handelt si! um Theorie-Heuristiken, die jedo! bedingt dur! die starke Prozessha"igkeit der Analysepraxis einen narrativen Charakter behalten. Theorie ers!eint ni!t als statis!e Figur, sondern als Versu!, kohärent zu erzählen, wel!er Sinn den interpretierten Äußerungen au! im Li!t bestehender Theorien gegeben werden soll. Das Loslassen der Daten ist der Preis, der für die Konzeptualisierung zu zahlen ist. Zu ho! ist der Preis, wenn die Analysearbeit den empiris!en Bezug verliert und einen deduktiv-logis!en Charakter bekommt. Das lästige pet coding, das quasi me!anis!e Zurü'greifen auf die immer glei!en, vorgefassten theoretis!en Kategorien, ist eine der GTM-Sünden, die Glaser (vgl. z.$B. +--*, S.+..; %&&+, S.%&+ und besonders %&&(, S.+&.1/.) geißelt. Es führt dazu, dass in unzulässiger Art und Weise auf selektives Kodieren vorgegri/en wird und fals!e, parasitäre19 Kernkategorien si! dur!setzen. Es kann einges!ränkt und kontrolliert werden, indem au! hier den Grundmerkmalen der GTM-Arbeit – O/enheit und Flexibilität, Langsamkeit und Allmähli!keit, Vorläu#gkeit und Revidierbarkeit – eine Chance gegeben wird. Die theoretis!en Kodierrahmen sollen unseres Era!tens ni!t vorgegeben, sondern im Kontext spezi#s!er Projekte oder Projektfamilien entwi'elt werden. Sie spiegeln zum einen die disziplinären und teildisziplinären Zugehörigkeiten der Fors!enden und ihre Theoriebiogra#e(n). Sie können si! aber zum anderen au! auf spezi#s!e Referenzgruppen (Praktiker/innen, Lehrer/innen, Polizist/innen oder politis!e Ents!eidungsträger/innen) beziehen. Dur! Referenzdiversität kann man lei!t zum Grenzgänger oder zur Grenzgängerin werden, und die Ges! i!te muss in einem Zwis!enland erzählt werden (vgl. hierzu Berg %&&,, S.++&), in dem Fors!enden das Dilemma, widersprü!li!en Referenzsystemen entspre!en zu müssen, ni!t erspart bleibt. 3.4
Selektives Kodieren
Der Prozess!arakter des Kodierens – vom o/enen und punktuellen Kodieren zum selektiven und theoriebezogenen Kodieren – bringt mit si!, dass si! während der Arbeit am Text das Gewi!t verlagert, vom Spre!en der Akteure im Feld zum Spre!en der Interpretierenden. Der Kodierprozess entwi'elt si! vom Rezeptiven über das Theoretis!e zum Rhetoris!en. Es ist bei der qualitativen Datenanalyse ein wenig so, als wenn über dem Zuhören und Dialogisieren die eigenen Aussagen und die ihnen angemessene Spra!e gefunden würden. Das ist si!er mit angespro!en,
19 Wir nennen den pet-Kode parasitär, weil er den Daten ni!ts „gibt“, sie nur zum eigenen Zwe' verwendet, ja missbrau!t.
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wenn Glaser und Strauss (+-.0, S.%*) meinen, die GTM stärke die Fors!enden und ermögli!e deshalb erst die Theoriegenerierung. Das selektive Kodieren erlaubt, dass die endgültige Interpretation ni!t „angehe"et“ (tagged on), sondern im ständigen Dialog mit den Daten formuliert wird. Die Theorie hat nun ni!t unbedingt einen nomothetis!en Charakter, d.$h. es wird keineswegs nur allgemeingültiges und gesetzmäßiges Wissen formuliert. Vielmehr handelt es si! um eine an Standpunkt und Lebenswelt der Theorieproduzierenden gebundene, narrativ-deskriptive Annäherung an das zentrale Phänomen der Studie. Charakteristis! für diese Phase der Kodierungsarbeit ist das Vor- und Rü'wärtsbewegen in den Datensätzen: Die Interviews werden selektiv dur!forstet im Hinbli' darauf, ob sie etwas für die zu erzählende Ges!i!te hergeben. Das selektive Kodieren spielt si! wieder um zwei Pole ab, den Pol des „Er-Findens“ der Ges!i!te und den der Überprüfung an den Daten. O/ensi!tli! ist, dass die Theorie si! ni!t automatis! aus den Daten ergibt, sondern auf der theoretis!en Sensibilität der Fors!enden beruht, die aber ihrerseits wieder an den Daten ges!är" wird. Das selektive Kodieren steht also wesentli! im Dienst der „Er-Findung“ der storyline. Zentrale Operationen beim Er#nden der Ges!i!te sind das Festlegen der Kernkategorie, die erste Explizierung des Erzählbogens und die Ausformulierung der Ges!i!te. Die emergierende Ges!i!te wirkt dann ihrerseits als ein Filter, ein Verstehensraster, eine Vorstrukturierung, eine Art kategorialer Rahmen. Sie hat deshalb einerseits Ähnli! keiten mit dem Kode-Frame des axialen/theoretis!en Kodierens, ist aber andererseits weniger starr, plastis!er, kann bewegt und verändert werden und dient in diesem Sinn der konzeptuellen Findigkeit. Gerade dur! diese Bewegli! keit entsteht beim selektiven Kodieren das typis!e Hin und Her zwis!en Text und Ges!i!te. Beim selektiven Kodieren werden u.$a. die Eigens!a"en der Kernkategorie und ihre jeweiligen dimensionalen Rei!weiten de#niert. Die Kernkategorie wird dann zu anderen Kategorien in Beziehung gesetzt. Die Ges!i!te wird dabei zum Teil neu erzählt, und die Kategorien werden neu geordnet. Beziehungen zwis!en Kategorien werden validiert und Strukturmuster aufgede't. Um Verbindungen zu systematisieren und zu festigen, bewegt man si! dabei immer wieder hin und her zwis!en Fragenstellen, Hypothesengenerieren und Verglei!en. Die analytis!interpretative Arbeit wird auf diese Art und Weise integriert und an den Daten validiert, die s!lussendli! in eine analytis!e Ges!i!te übersetzt werden. Die Ges!i!te, die erzählt wird, hängt dabei ni!t nur von den Daten ab, sondern „von der Stimme“, d.$h. der Erzählrolle (persona) (Be'er +-*., S.%.1/.), dem Milieu, in dem gespro!en wird, von dem Publikum, das errei!t werden soll. Tre/en wir Ents!eidungen darüber, wer, wem, was, wie und wozu erzählt, spielt ni!t zuletzt au! die Vorstellung, die wir von mögli!en Ges!i!ten haben, eine Rolle. Eine Fabel, ein Exempel, ein Glei!nis kommen anders daher als ein Roman, der Subjektivität und
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
Modernität integrieren mö!te.20 Soll die Rhetorik in diesem Zusammenhang die Analyse ni!t mit Blindheit s!lagen, bleibt nur der Weg der historis!en „Selbstdur!si!tigkeit“. So wie beim Centre Pompidou in Paris die Versorgungsrohre offenliegen und denno! der S!önheit der Ar! itektur ni!ts anhaben, sollte in GTM-Publikationen der eigene Standpunkt re3ektiert und si!tbar gema!t werden. Klar wird dann, warum eine akademis!e Arbeit, ein im Auftrag dur!geführtes Evaluationsprojekt oder eine Studie im Vorfeld politis!er Maßnahmenplanung ni!t unbedingt die glei!e Ges!i!te erzählen. Das situationale Moment gewinnt an Bedeutung, entspre!end vertri) Adele E. Clarke (%&&( und in diesem Band) eine kritis!e GTM, die si! der Situationsanalyse ö/net. 4
Für eine #exible und re#exive Praxis der Grounded-Theory-Methodologie
Die Auseinandersetzung mit dem Kodieren im Rahmen der GTM sollte verdeutli!t haben, dass es si! hierbei um mehr handelt als ein sozialwissens!a"li!es Verfahren. GTM stellt tatsä!li! die Grundfragen der geistes- und sozialwissens!a"li!en Erkenntnis. Es geht um das allgemeine Verstehen mens! li!er Praxis, um das Verstehen, die Rekonstruktion, au! der Praxis des oder der Anderen. Es ist deshalb zwar immer no! legitim, die genaue Referenz auf die angewandten Verfahren zu fordern, aber diese Bedingung ist ni!t ausrei!end. Wenn uns die Kodierungsarbeit bis dahin an Tony Craggs dekonstruktivistis!e Kunstwerke erinnert (siehe Abbildung +), ma!t es deutli!, dass es si! um einen kreativen Prozess handelt, der dur! seine prinzipielle O/enheit mit einem gewissen Grad an Konfusion und Regression verbunden ist. Es ist wohl dieser Tatbestand, der Uwe Fli' (%&&%, S.+-.–%&.) mit dazu veranlasst, der Analyseprozedur vorzuhalten, dass die Grenze zwis!en wissens!a"li!er Methode und Kunstlehre mitunter 3ießend sei. GTM hat tatsä!li! zwei Gesi!ter: auf der einen Seite ist sie regelgeleitet und systematis!; auf der anderen Seite aber räumt sie der assoziativen Kreativität, der Fluidität und der O/enheit viel Platz ein. Der zweite Aspekt kann bei man!en den Eindru' erwe'en, GTM-Analysen seien wenig verbindli!, wenig intersubjektiv na!vollziehbar, sie würden also von subjektiver Beliebigkeit bestimmt. Dieser Eindru' wird no! dadur! verstärkt, dass zumindest das o/ene Kodieren prinzipiell unendli! fortgesetzt werden kann. Es müssen also Wege gefunden werden, uns gegen Selbsttäus!ung und unverbindli!e S!lussfolgerungen zu s!ützen. Eine Lösung liegt in der methodis!en Re3exion der Interpretationsarbeit. Es kann also hierbei ni!t um naives Interpretieren im Sinne der romantis!en Hermeneutik von S!leierma!er und Dilthey gehen, sondern Hermeneutik wird im Sinne Gadamers (+-.(, S.%%&1f.) verstanden, sie ist demna! au! Re3exion der Bedingungen des Interpretierens: GTM kann ihrem von ihren Vätern erhobenen 20 Vgl. zur Vielfalt von literaris!en Erzählmögli! keiten Klotz (%&&.).
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Abbildung 1
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Britain seen from the North (Tony Cragg +-*+, Tate Modern, London. Bildre!te: Wiederabdru' mit Genehmigung des Urhebers, © DACS %&++, © Tate, London %&+& [Foto])
Anspru!, eine demokratis!e Sozialwissens!a" zu sein, nur dann genügen, wenn die methodologis!e Re3exion als Verstehen des Verstehens (vgl. Soe/ ner +-*-) (zumindest zum Teil) in die Analysearbeit einbezogen wird. Das bedeutet, dass die Re3exion der Subjektivität (vgl. Breuer, Mru' & Roth %&&%; Mru' & Breuer %&&,; mit direktem Bezug zur GTM siehe Mru' & Mey %&&0; Breuer %&&- und in diesem Band der Beitrag von Breuer, Mey & Mru'), aber au! die Re3exion der professionellen Situationsde#nitionen der Fors!enden (vgl. Hitzler %&&,, S.,&2) und s!ließli! die Re3exion der si! verändernden Modalitäten der Wissensproduktion (Gibbons et al. %&&( [+--2]; Mru' +---) feste Bestandteile sozialwissens!a"li!er Selbstre3exion werden. Hilfrei! ist dabei si!er, wenn bezogen auf das Wissens!a"shandeln mit Margaret Ar!er (%&&,, S.+(,1/.) Re3exivität als Vermi)lung zwis!en structure und agency verstanden wird.
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
Adele E. Clarke (%&&(, S.++1/.) hat der GTM, die einst in den +-.&er Jahren im Zei!en der Opposition zur grand theory angetreten war, na!gesagt, dass sie si! widerspenstig (recalcitrant) gegenüber der postmodernen Wende zeige, zu übertriebenen Vereinfa!ungen neige und dass es ihr an Re3exivität fehle. Wir haben uns hier gerade am impliziten Modell einer 3exiblen, man mö!te sagen undogmatis!en und re3exiven Praxis der GTM ausgeri!tet. So verstanden kann GTM im gegenwärtigen wissens!a"sges!i!tli!en Kontext als ein angemessenes Beispiel einer formativen und verantwortli!en sozialwissens!a"li!en Praxis gelten (vgl. etwa Carrier %&&*, S.+.+1/.; Collins & Evans %&&0, S.+,21/.). Literatur Archer, Margaret S. (%&&,). Structure, agency and the internal conversation. Cambridge: Cambridge University Press. Becker, Howard S. (+-*.). Writing for social scientists. Chicago: The University of Chicago Press. Becker, Howard S. (+--*). Tricks of the trade. How to think about your research while you are doing it. Chicago: The University of Chicago Press. Berg, Bruce L. (+--*). Qualitative research methods for the social sciences. Boston: Allyn and Bacon. Berg, Charles (%&&,). New directions of research [on multilingual literacy]: The role of grounded theory and collaborative research. Reading Resear$ Quarterly, ()(+), +&(–+++. Berg, Charles & Milmeister, Marianne (%&&&). Über das Kodieren bei der qualitativen Datenanalyse. Luxemburg: CES8E. [unverö/entli!t] Berg, Charles & Milmeister, Marianne (%&&*). Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden. Über die Kodierverfahren der Grounded-Theory-Methodologie. Forum Qualitative Sozialfors$ung/Forum: Qualitative Social Resear$, "(%), Art. +,, h)p:// nbn-resolving.de/urn:nbn:de:&++2-fqs&*&%+,*. Berg, Charles & Milmeister, Marianne (%&&-). Mobilität und Sozialisation. In Charles Berg, Lucien Kerger, Nico Meis! & Marianne Milmeister (Hrsg.), Savoirs et engagements. Hommage à Georges Wirtgen (S.%(-–%0&). Di/erdange: Editions PHI. Berg, Charles; Milmeister, Marianne & S!oos, Jean (%&&(). Stadtraum – Jugendraum#? Vom professionellen Diskurs über Gefährdete zu multimodalen Hilfestellungen in einer vernetzten Jugendsozialarbeit. Es!/Alze)e: Editions PHI. Böhm, Andreas; Legewie, Heiner & Muhr, Thomas (+--%). Kursus Textinterpretation: Grounded Theory. Textinterpretation und Theoriebildung in den Sozialwissens!a"en. Lehr- und Arbeitsmaterialien zur Grounded Theory. Beri$t aus dem interdisziplinären Fors$ungsprojekt ATLAS, Fors!ungsberi!t Nr. -%-,, h)p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:&+.*ssoar-%..%-. Bogdan, Robert C. & Biklen, Sari Knopp (+--%). Qualitative research for education. An introduction to theory and methods (%. Aufl.). Boston: Allyn and Bacon. Boy!uk Du!s!er, Judy E. & Morgan, Debra (%&&2). Grounded theory: Re3ections on the emergence vs. forcing debate. Journal of Advanced Nursing, *)(.), .&(–.+%. Brenner, Peter J. (+--*). Das Problem der Interpretation. Eine Einführung in die Fragen der Literaturwissens$a+. Tübingen: Niemeyer.
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
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Im Dialog mit den Daten das eigene Erzählen der Ges!i!te #nden
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Die Entwi!lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory Petra Mu!el
1
Was ist eine Kategorie"? „Wie würden wir denn jemandem erklären, was ein Spiel ist!? I" glaube, wir werden ihm Spiele bes"reiben, und wir können der Bes" reibung hinzufügen: ‚das, und Ähnli"es, nennt man „Spiele“.‘ Und wissen wir selbst denn mehr!? Können wir etwa nur dem Andern ni"t genau sagen, was ein Spiel ist!? – Aber das ist ni"t Unwissenheit. Wir kennen die Grenzen ni"t, weil keine gezogen sind. Wie gesagt, wir können – für einen besonderen Zwe# – eine Grenze ziehen“ (Wi$genstein %&&' [%&()], Abs.*&).
Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist die Hypothese, dass man beim Versu", das Kategorienverständnis der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) zu klären, in ähnli"e S"wierigkeiten gerät wie Wi$genstein, als dieser über den Begri+ des Spiels na"da"te und s"ließli" überzeugend verans"auli"te, dass der Begri+ des Spiels als ein „Begri+ mit vers"wommenen Rändern“ (Abs.,%) zu verstehen ist. Na" Gamm (%&&') ist Skepsis einem Denken gegenüber angebra"t, das „die Welt im Rahmen eindeutig unters"iedener Kategorien“ (S.%%) zu begreifen versu"t. Kategorien zu benutzen stützt si" auf die Mögli"keit, „die Welt in wohlde-nierte Grenzen eins"ließen zu können, obs"on der einfa"e Versu", eine Grenze als Grenze, einen Unters"ied als Unters"ied zu de-nieren, es notwendig ma"t, auf irgend etwas zurü#zugreifen, das si" der Ma"t der De-nition entzieht“ (S.%.). Um etwas zu de-nieren, muss also auf etwas außerhalb der De-nition zurü#gegri+en werden. Kategorien umfassen etwas und s"ließen etwas Anderes aus, und genau dieses Ausges"lossene ist s"wer zu überbli#en und no" s"werer zu bestimmen. Damit wird glei" zeitig deutli", dass die De-nition und der Gebrau" von Kategorien unterstellt, dass unsere Wirkli"keit bestimmbar, also kategorisierbar ist. Ob aber „alle Realität der Hyperkategorie der Bestimmtheit“ (a./a./O.) unterliegt, ist eine o+ene Frage. Einen alternativen Umgang mit Kategorien versu"te Labov (vgl. z./B. Anderson %&01, S.%))–%)*) im Rahmen seiner „natürli"en Konzepttheorie“, indem er „Kategorien um Prototypen gruppiert. Sie beziehen si" auf ein repräsentatives Beispiel einer Klasse. Ni"t eine gemeinsame Eigens"a2 oder ein Bündel von Merkmalen ist aus-
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_1 , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
s"laggebend für die Zusammenfassung vers" iedener Elemente zu einer Klasse, sondern ein Kandidat, der eine bestimmte Klasse am besten vertri$: ‚Rotkehl"en‘ ist prototypis"er für Vogel als ‚Huhn‘, der ‚Mord‘ typis"er für Verbre"en als ‚Landstrei"erei‘“ (Gamm %&&', S.)%%!+.).
Wi$genstein geht angesi"ts der De-nitionss"wierigkeiten des Spielbegri+s ebenfalls davon aus, dass es s"wierig, wenn ni"t gar unmögli" sein kann, ein festes Repertoire von typis"en Merkmalen (features) festzulegen, das über die Zugehörigkeit zu einem Begri+ ents"eidet. Einen Begri+ verstehe i" hier als Beispiel für eine Kategorie, nämli" eine spra"li"e Kategorie. Wi$genstein s"lägt sta$dessen vor, sol"e Aspekte zu einem Begri+ (einer Kategorie) zusammenzufassen, die „Familienähnli"keit“ aufweisen: Wie die Mitglieder einer Familie Ähnli" keiten und Unters"iede aufweisen, können unters"iedli"e Spiele unter den Begri+ des Spiels subsumiert werden. „Wie ist denn der Begri+ des Spiels abges" lossen!? Was ist no" ein Spiel und was ist keines mehr!? Kannst du die Grenze angeben!? Nein. Du kannst wel"e ziehen, denn es sind no" keine gezogen. (Aber das hat di" no" nie gestört, wenn du das Wort ‚Spiel‘ angewendet hast.) ‚Aber dann ist ja die Anwendung des Wortes ni"t geregelt; das „Spiel“, wel"es wir mit ihm spielen, ist ni"t geregelt.‘ – Es ist ni"t überall von Regeln begrenzt; aber es gibt ja au" keine Regel dafür z./B., wie ho" man im Tennis den Ball werfen darf, oder wie stark, aber Tennis ist do" ein Spiel und es hat au" Regeln“ (Wi$genstein %&&' [%&()], Abs.*0).
Wi$gensteins Überlegungen führen ihn zu der Eins"ätzung, dass der Begri+ des Spiels (sinnvoll) angewendet werden kann, obglei" er keine de-nierbaren Grenzen aufweist und somit keine Regeln für seine Anwendung abzuleiten sind. Im Spiel selbst, so sein Argument, das auf einer Analogie von Spra"- und gewöhnli"en Spielen basiert, gebe es ebenfalls Freiheiten, ni"t alles sei dort dur" Regeln begrenzt. Sol"e Freiheit impliziert au" der Begri+ der Ähnli"keit. Die Ähnli"keit, die Familienmitglieder besitzen, ist uns"ärfer und auf den ersten Bli# angreifbarer hinsi"tli" ihrer Mögli"keit zur Kategorisierung als das Kriterium der Identität von Merkmalen. So konnte Quine (%&,( [%&*&], S.%*%) zeigen, dass der Begri+ der Ähnli"keit si" einer Formalisierung dur" Logik und Mengenlehre widersetzt hat, obwohl das „Gefühl für Ähnli"keiten“ von fundamentaler Bedeutung sei (vgl. au" Gamm %&&', S.)%)!f.). Glei" zeitig sind Familienähnli"keiten für diejenigen, die hins" auen, kaum zu leugnen, sodass eine Ents"eidung darüber, ob Familienähnli"keit vorliegt oder ni"t, i./d./R. na"vollzogen werden kann, ohne dass zuvor ein Ents"eidungskriterium hä$e benannt werden können. Sie s"eint also ausrei"end präzise feststellbar zu sein. Damit besitzt dieser Terminus Ans"auli" keit und Plausibilität, die, obglei" ni"t de-niert (de-nierbar!?), Gültigkeit beanspru"en darf.
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I" erkenne in den bisherigen Überlegungen zu Kategorien je unters"iedli"e Fokussierungen im Verständnis einer Kategorie: Im klassis"en Verständnis einer Kategorie – wie von Gamm erläutert – liegt der Fokus auf der Grenze, die eine Kategorie impliziert. Hier s"eint es mögli", Kriterien, die den Ein- oder Auss"luss de-nieren, exakt zu bestimmen. Ein typis"er Vertreter für diese Art kategorieller Zuordnungen ist m./E. die Mengenlehre. Im zweiten Ansatz liegt der Fokus auf der Zusammengehörigkeit der Mitglieder einer Kategorie untereinander, hier s"eint es ni"t mögli", Kriterien für den Ein- oder Auss"luss exakt zu benennen. Als typis"en Vertreter betra"te i" hier Wi$gensteins Ansatz der Familienähnli" keit. Beide Fokussierungen ermögli"en m./E. Ents"eidungen über Zuordnungen: Im ersten Fall wird die Prüfung unter das Kriterium der Identität mit de#nierten Kriterien gestellt. Im zweiten Fall wird die Prüfung unter das Kriterium der Ähnli"keit untereinander gestellt, so wie wir sie von Familienmitgliedern kennen (oder wie bei Labov: der Ähnli"keit mit dem Prototypen). 2
Verglei#ende Gegenüberstellung des Kategorienverständnisses der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring) und der GTM (na# Strauss & Corbin)1
Na" meiner Eins"ätzung steht das Kategorienverständnis der GTM den Familienähnli"keiten Wi$gensteins näher als dem Kategorienverständnis der Mengenlehre. Diese Di+erenzierung könnte darüber hinaus helfen, das Kategorienverständnis der qualitativen Inhaltsanalyse von dem der GTM zu unters"eiden: In der auf den Grundsätzen der quantitativen Inhaltsanalyse basierenden qualitativen Inhaltsanalyse na" Mayring (.111) nehmen Kategorien ebenfalls einen wi"tigen Platz ein. Dabei stehen zwei methodis"e Anstrengungen im Zentrum, nämli" %. die induktive Kategorienentwi!lung und .. die deduktive Kategorienanwendung. Ad %: In der induktiven Kategorienentwi!lung soll – abgeleitet aus der Fragestellung einer Studie und theoretis" begründet – ein De-nitionskriterium festgelegt werden, „das bestimmt, wel"e Aspekte im [Daten-] Material berü#si"tigt werden sollen … Die entwi#elten Kategorien werden in einer Rü#kopplungss"leife überarbeitet, einer Reliabilitätsprüfung unterzogen und können später au" zu Überkategorien zusammengefasst werden“ (Mayring .111, Abs.%.). Ad .: In der deduktiven Kategorienanwendung geht es darum, „s"on vorher festgelegte, theoretis" begründete Auswertungsaspekte an das Material heranzutragen“ 1
Da die GTM längst ni"t mehr als ein einheitli"er methodologis"er Ansatz zu betra"ten ist (vgl. dazu z./B. Kelle %&&', S.)))–)'%, %&&(; Breuer %&&*, S.%*!f.), mö"te i" au" meine Überlegungen und Erläuterungen von vorneherein bes"ränken, ohne auf die inzwis"en entstandenen unters"iedli"en Ri"tungen der GTM näher einzugehen (siehe dazu Mey & Mru#, sowie Kelle bzw. Strübing in diesem Band). In meinen Überlegungen und in meinen eigenen Fors"ungsanstrengungen stütze i" mi" auf Strauss (%&&% [%&0,]) sowie Strauss und Corbin (%&&' und %&&* [%&&1]).
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
(Abs.%)) und „deduktiv gewonnene Kategorien zu Textstellen methodis" abgesi"ert zuzuordnen“ (a./a./O.; meine Hervorh.). – „Kernstü# ist hier die genaue De-nition der vorgegebenen Kategorien und die Festlegung von inhaltsanalytis"en Regeln, wann ihnen eine Textstelle zugeordnet werden kann“ (Abs.%(; meine Hervorh.); dabei werde mit einem sog. Kodierleitfaden gearbeitet. Mayring selbst s" reibt weiter, dass der Ansatz u./a. dort Eins"ränkungen/ Grenzen unterliege, wo „der Bezug auf feste Kategorien als Bes"ränkung ers"iene“ (Abs..,, meine Hervorh.). Abgesehen von der Charakterisierung der inhaltsanalytis"en Kategorien als „fest“ bes"reibt Mayring weniger, was genau er unter einer Kategorie versteht, wel"en Stellenwert er ihr beimisst und wel"e Funktion sie in seinem Ansatz übernimmt. Die qualitative Inhaltsanalyse betra"tet es na" meiner Eins"ätzung als eine vorrangige Aufgabe, den Zuordnungsprozess zwis"en deduktiv festgelegten oder induktiv entwi#elten Kategorien und dem Textmaterial methodis" abzusi"ern. Darum liegt der Fokus dieser Methode weniger auf dem, was genau eine Kategorie ausma"t, auszei"net oder wozu sie gut sein könnte, sondern in erster Linie darauf, den Zuordnungsprozess anzuleiten und abzusi"ern. In der GTM wird eine Kategorie ni"t im glei"en Sinne verstanden und benutzt wie in der qualitativen Inhaltsanalyse. Für den Umgang mit Kategorien herrs"en hier – um no" einmal die Ausgangsanalogie von Spiel und Kategorie zu bemühen – m./E. andere Regeln: Der Fokus der Methode liegt auf der Entwi#lung einer Art von Kategorie, die eher uns"arf und polyphon entfaltet als in Form von Zuordnungskriterien abgegrenzt und festges"rieben wird. Mit anderen Worten: Die Kategorien der qualitativen Inhaltsanalyse werden im Verlauf der Datenanalyse festgelegt und sind von da an „fest“. Die Kategorien der GTM bleiben bis zum Abs"luss der Theorienentwi#lung (und darüber hinaus) im Prozess und o$en für Veränderungen, sie werden dem Prinzip des permanenten Verglei"s untergeordnet. In der qualitativen Inhaltsanalyse werden Kriterien festgelegt, die den Zuordnungsprozess der Daten zu einer Kategorie de-nieren (Analogie des Zuordnungsprozesses zur Mengenlehre); in der GTM werden Ähnli"keiten und Relationen der Daten untereinander zur sukzessiven Elaboration der Kategorien und ihrer Beziehungen miteinander herangezogen (Analogie des Zuordnungsprozesses zu Wi$gensteins Ansatz der Familienähnli" keit). In der GTM werden – wie weiter unten gezeigt wird – dur" eine Abfolge aufeinander abgestimmter Kodierprozeduren polyphone Kategorien angestrebt, die Widersprü"e zulassen sowie dem Anspru" der Di"te gehor"en. In der qualitativen Inhaltsanalyse werden m./E. tendenziell eher eindimensionale Kategorien angestrebt, die genau de-niert werden können und widerspru"sfrei nebeneinanderstehen (sollen). Darüber hinaus führen die Unters"iede in den Kategorienentwi#lungsprozessen und dem Kategorienverständnis zu unters"iedli"en Gütekriterien. Diese unters"iedli"en Gütekriterien erwa"sen aus grundsätzli" anderen Auffassungen des Fors"ungsprozesses und der Fors"ungsziele und stehen mögli"erweise letztli" für
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unters"iedli"e Wissens"a2sauffassungen. Denn die GTM leitet ihren Anspru", eine wissens"a2li"e Theorie zu entwi#eln, ni"t – wie die qualitative Inhaltsanalyse – aus der Repräsentativität ihrer Sti"probe ab, sondern verwendet dazu das methodologis"e Konzept des theoretical sampling (übersetzbar etwa mit „theoriegeleiteter Erhebungsauswahl“). Die Grundidee des theoretical sampling ist die Repräsentativität der Konzepte in Variation im Unters"ied zur Repräsentativität der Population. Dabei sollen – im Unters"ied zur Repräsentierung von Sti"proben, um gewonnene Erkenntnisse auf größere Populationen zu generalisieren – die Bedingungen eines Phänomens im Sinne der Elaboration des Kodier-Paradigmas spezi-ziert werden. Zu diesem Ziel werden sukzessive im Laufe des Theorienentwi#lungsprozesses in Abhängigkeit von den Bedürfnissen der zu entwi#elnden Theorie („theoriegeleitet“) Personen zum Interviewen, Orte und Situationen zum Beoba"ten, s"ri2li"e Dokumente zur Analyse gesu"t und ausgewählt, wel"e die größte Chance bieten, die relevantesten Daten über das untersu"te Phänomen und für die si" entwi#elnde Theorie zu gewinnen. Die untersu"ten Fälle sollen darum maximal heterogen sein; kontrastierende Fälle, also sol"e Fälle, die interessante divergierende Merkmale aufweisen, werden zu diesem Zwe# verstärkt aufgesu"t (vgl. Breuer et al. %&&*, S.&'; Stratkö$er %&&*). Die Grundhaltung des theoretical sampling zei" net si" dur" O+enheit und Flexibilität einerseits aus, andererseits ist die Zusammensetzung der Sti"probe ein gelenktes und gut überlegtes Vorgehen. Das Abbru"kriterium der fortwährenden Sti"probenzusammenstellung ist die sog. theoretis"e Sä%igung: Das Sampling wird so lange dur"geführt, bis keine neuen, bedeutsamen Daten im Hinbli# auf die zu entwi#elnde Theorie auftau"en, die Kategorien di"t und die Beziehungen der Kategorien untereinander geklärt sind. Betra"tet man nun genauer, was die GTM unter einer Kategorie versteht, wird deutli", dass die De-nition des Kategorienbegri+s einerseits die De#nition des Konzeptbegri$s voraussetzt: Strauss und Corbin (%&&* [%&&1]) de- nieren eine Kategorie als eine „Klassi-kation von Konzepten. Diese Klassi- kation wird erstellt, wenn Konzepte miteinander vergli"en werden und si" o+enbar auf ein ähnli"es Phänomen beziehen. So werden die Konzepte unter einem Konzept höherer Ordnung zusammengruppiert – ein abstrakteres Konzept, genannt Kategorie“ (S.')). Konzepte werden ihrerseits de-niert als „Bezei"nungen oder Etike$en, die einzelnen Ereignissen, Vorkommnissen oder anderen Beispielen für Phänomene zugeordnet werden“ (a./a./O.). Andererseits stellt si" die Frage, was genau im vorliegenden Kontext unter Klassi#kation zu verstehen ist. Dies lässt si" verdeutli"en dur" eine weitere Bes"reibung dessen, was unter Kategorisieren zu verstehen ist: „Der Prozess des Gruppierens der Konzepte, die zu demselben Phänomen zu gehören s"einen, wird Kategorisieren genannt“ (S.',).
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
Die Begri+e „Konzept“, „Kode“ und „Kategorie“ und die dazugehörigen Prozesse „Konzeptualisieren“, „Kodieren“ und „Kategorisieren“ werden – wie si" in den De-nitionen bereits andeutet – von den Begründer/innen der GTM und ihren Übersetzer/innen ni"t dur"gängig stringent unters"ieden, dazu zwei weitere Beispiele: 1. Strauss (%&&% [%&0,]) s"reibt, dass es zwei Arten von Kategorien gebe und nennt diese Kodes und Konstrukte: „‚Es gibt zwei Typen von Kategorien‘ – die soziologis"en Konstrukte [sociological constructs] und die natürli"en Kodes [in vivo codes]“ (S.*'). 2. Strauss und Corbin (%&&* [%&&1]) erläutern den Prozess des Kodierens u./a. als die Benennung von Kategorien und Konzepten im Rahmen der Konzeptualisierung der Daten. I" vermute, dass eine stringente Unters"eidung im Hinbli# auf die Entwi#lung einer Grounded Theory ni"t notwendig ist, da Übergänge zwis"en Konzepten, Kodes und Kategorien im Prozess der Datenanalyse 3 ießend sind. Denn zentral für den gesamten Datenanalyse- und Theorieentwi#lungsprozess ist na" meiner Eins"ätzung das Konzeptualisieren der Daten. Darunter versteht man das Benennen von Phänomenen mithilfe von Begri+en, die abstrakter und prägnanter sind als ober3ä"li"e, allgemein gehaltene Bes" reibungen. Um diese Unters"eidung zu verdeutli"en, mö"te i" ein Beispiel geben. Eine Beoba"tung kann i" bes"reiben als: „Zwei Mens"en spre"en miteinander.“ Wenn i" jedo" na" einer präziseren und zuglei" konzeptualisierenden Benennung su"e, könnte i" sagen: „Ein Mens" berät einen anderen.“ „Beraten“ ist eine konzeptualisierende Benennung im Unters"ied zum Miteinander-Spre"en, weil das Beraten bereits eine bestimmte Rollenverteilung impliziert und so Fragen na" der Beziehung der beiden Personen zueinander, dem Gegenstand ihrer Beratung, der Qualität der Beratung etc. erö+net. Die Konzeptualisierung von Daten führt also u./a. dur" die Generierung von Fragen zu einem „Aufbre"en“ der Daten (vgl. Strauss & Corbin %&&* [%&&1], S.'(), die dadur" glei"zeitig zusammengefasst, geordnet und „zum Spre"en gebra"t“ werden – und diese Charakterisierung tri4 auf Konzepte, Kodes und Kategorien glei"ermaßen zu. Damit s"rump2 der Unters"ied zwis"en ihnen viellei"t letztli" auf eine Unters"eidung hinsi"tli" ihres Abstraktionsgrades zusammen. Mit anderen Worten: Kodes sind eine andere Bezei"nung für Konzepte, und Kategorien sind aufgeklärte Verdi"tungen von Konzepten/Kodes. Eine weitergehende Di+erenzierung zwis"en Kodes und Konzepten s"eint mir angesi"ts der Verknüpfung beider mit dem Prozess der Konzeptualisierung ni"t sinnvoll.2 Kategorien entstehen im Laufe des Prozesses der konzeptualisierenden Analyse der Daten. Sie werden weniger zu irgendeinem Zeitpunkt der Datenanalyse de-niert 2
Au" im Rahmen der Erläuterung des Konzept-Indikator-Modells, das i" hier ni"t unerwähnt lassen mö"te, tri4 Strauss (%&&% [%&0,]) diesbezügli" keine Unters"eidung.
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im Sinne von festges"rieben, sondern entwi#eln si" dur" das Konzeptualisieren und Kodieren der Daten, dur" das Ordnen der Kodes und die zunehmende Aufhellung ihrer Beziehungen zueinander. Man könnte sagen, dass die Datenanalysen und das permanente, methodis" geleitete Na"denken mehr und mehr um bestimmte Begri+e zu kreisen beginnen. Die verdi"tenden Benennungen dieser, um bestimmte Begri+e kreisenden Prozesse in ihrer Verankerung mit den Daten könnte als die Entwi#lung und Entstehung von Kategorien bezei"net werden. Im Kategorienverständnis der GTM geht es mithin also ni"t um streng de-nierte Merkmalsklassen, für die es Ein- und Auss"lusskriterien gibt, wie dies z./B. bei der qualitativen Inhaltsanalyse der Fall ist, wo explizit de-niert werden muss, wel"e Textbestandteile unter eine Kategorie fallen sollen, um mi$els prototypis"er Ankerbeispiele und Kodierregeln eindeutige Zuordnungen zu ermögli"en (vgl. Mayring %&00 [%&0)], .111). Vielmehr geht es um Begri+e, die Relationen und Zusammenhänge sti2en, um mehrere Phänomenaspekte integrativ auf einem höheren Abstraktionsniveau („Konzept höherer Ordnung“) zusammenzufassen. Um also das Kategorienverständnis der GTM zu verans"auli"en, s"eint es sinnvoll, das Kodieren und Konzeptualisieren der Daten zu demonstrieren. 3
Die Su#e na# Kategorien mi$els der Analyse von empiris# gewonnenen Daten
Im Glossar seines Bu"es „Grundlagen qualitativer Fors"ung“ (%&&% [%&0,]) s"reibt Strauss zum Sti"wort „Kategorie“: „Da si" jede Unters"eidung aus dem Dimensionalisieren ergibt, werden sol"e Unters"eidungen zu Kategorien führen“ (S.'&). Charakteristis" für das Kategorienverständnis der GTM ist die Betonung des kontinuierli"en Analyseprozesses und der Verwebung von Datensammlung und Datenanalyse im Rahmen des theoretical sampling. Kategorien werden als das Ergebnis der konsequenten Anwendung der GTM verstanden und stehen von Beginn an im Mi$elpunkt der fors"eris"en Bemühungen, anders formuliert: Wenn Fors"ende in und mit ihren Daten und den gewonnenen Konzepten methodis" geleitet permanent Verglei"e anstellen, werden diese Verglei"e zu Kategorien führen. Au" das Dimensionalisieren meint ni"ts anderes als Unters"eidungen zu tre+en, die zu den Dimensionen (Eigens"a2en, die häu-g polar zu formulieren sind und dadur" neue Fragen aufwerfen) eines Themas, eines Kodes und damit letztli" au" zu einer Kategorie führen. Folgeri"tig s"lägt Strauss in den Faustregeln zum o+enen Kodieren, dem erö+nenden Datenanalyse-Verfahren, vor: „%. A"ten Sie auf natürli"e Kodes, d./h. auf Ausdrü#e, die von den Leuten, die Gegenstand der Untersu"ung sind, benutzt werden. …
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
.. Geben Sie jedem Kode, ob natürli" oder konstruiert, eine vorläu-ge Bezei" nung. Ihr Anliegen ist hier ni"t in erster Linie die Angemessenheit des Begri+s – stellen Sie einfa" si"er, daß der Kode einen Namen hat“ (S.*1).
Strauss (S.*'!f.) unters"eidet (wie zuvor s"on kurz angemerkt) zwei Arten von Kodes, „soziologis" konstruierte Kodes“ und „natürli"e Kodes“ („In-vivo-Kodes“). Bei den Kodes erster Art handelt es si" um eher theoretis"e Oberbegri+e, wel"e die Fors"er/innen auf dem Hintergrund ihrer wissens"a2li"en Auseinandersetzung mit dem Thema auswählen. In-vivo-Kodes sind prägnante Begri+e, wel"e die Fors"ungspartner/innen selbst formulieren und im Feld benutzen. Als im Alltag gebräu"li"e Begri+e haben sie den Vorteil der größeren Ans"auli"keit; den potenziellen Na"teilen ihrer Uns"ärfe oder verste#ter Implikationen muss mi$els einer sorgfältigen semantis"en, eventuell au" etymologis"en Analyse begegnet werden, bevor sie weiterverwendet werden. Um Kodes auf einem abstrakteren Niveau zu Kategorien zusammenzufassen, lassen si" Fors"ende m./E. dur" ein Gefühl für Beziehungen und Ähnli"keiten leiten, das zwar im Sinne der theoretis"en Sensibilität (vgl. Glaser .11.; Trus"kat, Kaiser & Reinartz .11( und in diesem Band) dur" wissens"a2li"e Theorien und professionelle Erfahrungen ges"ult, aber zuglei" au" unbestimmt, intuitiv und biogra-s" begründet ist. Die theoretis"e Sensibilität bezieht si" auf eine persönli"e Fähigkeit des Fors"ers bzw. der Fors"erin, Feinheiten in der Bedeutung der Daten aufzude#en. Eine sol"e Sensibilität wird dur" vers"iedene Quellen gespeist: Literaturstudium, eigene berufli"e Erfahrungen, eigene persönli"e Erfahrungen und den Fors"ungsprozess selbst. Die Grundidee der theoretis"en Sensibilität besteht in einer Glei"zeitigkeit von Wissens"a&li"keit und Kreativität. Diese Glei"zeitigkeit muss dem Anspru" na" ausgewogen sein. Sie ma"t es erforderli", immer wieder „einen S"ri$ zurü#zutreten“ und eine skeptis"e Haltung gegenüber den eigenen Analyseergebnissen einzunehmen, um diese fortwährend an den Daten zu prüfen. Letztli" geht es dabei u./a. um eine kontrollierte Nutzbarma"ung der Subjektivität der Fors"enden (vgl. dazu Mu#el %&&*; Mru# & Mey .11, sowie Breuer, Mey & Mru# in diesem Band). Sol"en subjektiven Aspekten Eingang in einen wissens"a2li"en Theoriebildungsprozess zu gewähren, kann si" die GTM m./E. aufgrund ihrer sorgfältig elaborierten Methoden leisten. Denn "arakteristis" für diesen Ansatz ist ein hohes Maß an methodis" vorges"riebener permanenter Skepsis den eigenen Datenanalysen gegenüber, die dadur" ni"t nur wirksam gegen Einseitigkeit und subjektive Verzerrungen ges"ützt werden, sondern ihre besondere Di"te i./S. einer Polyphonie erlangen, was sol"erart entwi#elte Theorien auszei"net. Glei"zeitig werden darüber hinaus Methoden zum S"utz der Privatsphäre der Fors"enden nötig (vgl. dazu Mu#el %&&*). Letztere sind dafür verantwortli", dass ni"t sämtli"e Ents"eidungen des Fors"ungsprozesses vollständig transparent gema"t werden können.
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I" mö"te nun versu"en, den Prozess der Kategorienentwi#lung beispielha2 anhand von Daten aus meinem Dissertationskontext zu verdeutli"en (vgl. dazu Mu#el %&&,). Diese Rekonstruktion bleibt jedo" bru"stü! ha& und vermi$elt die Illusion des ras"en Fortgangs dort, wo mühsame Bes"reibungs-, Auswahl-, Abstraktions- und Ents"eidungsprozesse sta$fanden, die i" in ihren Irr- und Umwegen, dur" die i" auf „fals"e Fährten“ und in „Sa#gassen“ geführt wurde, ni"t bes"reiben mö"te, da dies sowohl stellenweise zu personnah, als au" insgesamt zu umfangrei" wäre und Verwirrung sti2en würde.3 Die Datenanalyseverfahren der GTM stimulieren eine maximale Divergenz mögli"er Interpretationen und Hypothesen über das befors"te Phänomen. Bei sol" divergenten Interpretationsprozeduren wird zunä"st keine Ents"eidung darüber getro+en, was die ri"tige Interpretation ist. Viele Kodes können nebeneinandergestellt werden, um Daten zusammenzufassen und zu interpretieren. Erst im Forts"reiten des Fors"ungsprozesses werden zunehmend übergeordnete Kodes und Kategorien formuliert und Ents"eidungen über die Auswahl der zentralen Kategorien getro+en. I" werde versu"en, einige Etappen des Kategorienbildungsprozesses anhand von Memos4 und der Demonstration einzelner methodis"er S"ri$e punktuell na"zuzei"nen und in einer si" ans"ließenden Re3exion zusätzli" transparent zu ma"en. Dabei werde i" ni"t den gesamten Theoriebildungsprozess bes"reiben, sondern verdeutli"en, wie man dur" sorgfältiges, genaues Lesen und dur" Analysieren der Daten mi$els einiger GTMVerfahrenss"ri$e zu konzeptualisierenden Texten -ndet, die immer zuglei" s"on Bes"reibungen und Erläuterungen von Kategorien sind. Daten mit den dur" die GTM ges"är2en Bli# zu betra"ten heißt, (na" einigem Training) in Kategorien zu denken und zu s"reiben. Insofern ist eine Rekonstruktion im strengen Sinne ni"t mögli". Was i" hier versu"e, ist mehr ein Zeigen auf etwas, das bereits im Text – in den Daten wie in meinen Memos – enthalten ist, m./a./W.: „Sieh genau hin!!“ 4
Wie % nde i# Kategorien in empiris# gewonnenen Daten – ein Beispiel
Im Rahmen meiner Dissertation über den „Alltag mit Akten“ (Mu#el %&&,) bin i" in unters"iedli"en Institutionen (Gefängnis, Psy"iatrie, Geri"t, Polizei etc.) u./a. folgenden Fors"ungsfragen na"gegangen: Wel"e Funktionen übernehmen Akten 3 4
Glei" zeitig vermute i", dass Kategorien, die si" im Fors"ungsprozess ni"t dur"gesetzt und bewährt haben, mögli"erweise dur" einen zusätzli"en Analyses" ri$ erkenntnisproduktiv gema"t werden könnten, um die entstehende Theorie in ihren Rändern deutli"er zu konturieren. Parallel zum gesamten Fors"ungsprozess emp-ehlt Strauss (%&&% [%&0,]) das Anfertigen sog. Memos: Entspre"end den vers" iedenen Interpretations- und Fors"ungsanstrengungen können Memos vers" iedene Inhalte haben, z./B. weiterführende Fragen, vorläu-ge Kategorienelaborationen, Dimensionen des gerade bearbeiteten Themas, Zusammenfassungen, Literaturexzerpte, Übertragungsphänomene. Dieser „Vers"ri2li"ungszwang“ bildet die Grundlage für ein re3ektiertes und über die Zeit transparentes Arbeiten, das den Sprung zum abs"ließenden Anfertigen einer wissens"a2li"en Arbeit erlei"tert.
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
über Personen im institutionellen Diskurs, wie beein3ussen sie Wahrnehmung, Kommunikation, Einstellungen und Handeln der Personen (Insass/innen und Mitarbeiter/innen) untereinander!? Diese Fors"ungsfragen leiteten die Leitfadenentwi#lung, meine Gesprä"e und Beoba"tungen in den Institutionen sowie meine Lektüre und Datenanalysen. Folgende Interviewpassage aus meinem ersten Interview mit einer Sozialarbeiterin in der Psy"iatrie habe i" dazu kodiert: „Das [Aktensystem] ist im Grunde … das wi"tigste Instrument … hier bei uns auf der Station, denn ohne dieses Ding … das ginge überhaupt ni"t, das ist also wirkli" eines der wi"tigsten Sa"en, weil gerade so psy" iatris"e Patienten, wenn der merkt (!?), der kann einem morgens dieses und na" mi$ags jenes erzählen, und wenn wir dieses Ding ni"t hä$en, um uns immer da wieder, daran zu orientieren, … wäre eine Behandlung überhaupt ni"t mögli"“ (Interview im Frühling %&&', Transkript S.%().
4.1
S"ri% 1: O$enes Kodieren einer Textstelle
Der erste S"ri$ zur Entwi#lung einer Kategorie ist die Anwendung des o+enen Kodierens als beginnender konzeptualisierender Zugri+ auf ein Datum. Die Fors"enden lesen hierzu die Daten Zeile für Zeile und su"en Antworten auf Fragen wie: Wovon ist hier die Rede!? Was passiert hier eigentli"!? Woran erinnert mi" das!? Das zugrunde liegende Prinzip beim Lesen und Analysieren der Daten ist am ehesten mit der Methode des freien Assoziierens verglei"bar. Die große Freiheit dieses S"ri$es lässt sogar den Leitfaden und die Fors"ungsfragen vorübergehend außer A"t, um si" den Daten anzuvertrauen, sie genau zu hören/lesen und sozusagen abzuklopfen. Strauss selbst präzisiert dieses Vorgehen mithilfe von Faustregeln für das o+ene Kodieren (in Fortsetzung der zuvor erwähnten Faustregeln zu %. „natürli"e Kodes“ und .. „Bezei" nung von Kodes“): „). Stellen Sie bei der Zeile-für-Zeile-Analyse eine Menge spezieller Fragen zu Wörtern, Ausdrü#en, Sätzen, Handlungen. '. Gehen Sie bald über zu den Dimensionen, die für bestimmte Wörter, Ausdrü#e etc. relevant ers"einen. (. Dur" diese Dimensionen sollten s"on bald kontrastierende Fälle auftau"en; wenn dies ni"t der Fall ist, sollten Sie konzentriert dana" su"en“ (%&&% [%&0,], S.*1).
Beispielha2 mö"te i" in Auszügen aus einem Memo zu der oben zitierten Textstelle mein o+enes Kodieren verans"auli"en. Das Memo hält in kondensierter Form meine Lesarten und Interpretationsideen des Zitates fest und versu"t, ein mögli"st genaues Verständnis des Gesagten zu entwi#eln. Dabei sind die Kodes kursiv gesetzt:
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(Memo %): Akten bieten in Begegnungen mit Patient/innen Orientierung („orientieren“), sie s"einen ein Instrument zur Herstellung von Verlässli"keit zu sein, das z./B. verhindert, dass Patient/innen vers"iedene Mitarbeiter/innen gegeneinander ausspielen. Akten s"einen eine Version der Wirkli"keit festzuhalten, die es gegen vers" iedene Versionen („morgens dieses und na"mi$ags jenes“) zu behaupten gilt. Die Bedeutung der Akten im Umgang mit vers"iedenen und si" verändernden oder unters"eidenden Wirkli"keitss"ilderungen wird seitens der Mitarbeiter/innen einer Institution als sehr ho" einges"ätzt („das wi"tigste Instrument“) und als Voraussetzung der Erfüllung der institutionellen Aufgaben, hier der Behandlung der psy"iatris"en Patient/innen, betra"tet („und wenn wir dieses Ding ni"t hä$en, um uns immer da wieder, daran zu orientieren, … wäre eine Behandlung überhaupt ni"t mögli"“). „wenn der merkt (!?), der kann einem morgens dieses und na" mi$ags jenes erzählen“: Wie stehen vers"iedene Erzählversionen zueinander, wer ents"eidet über die gültige Version, Erzählung, Wirkli"keit'? Kann eine Institution vers"iedene Wirkli"keitsversionen verkraften, zulassen …, oder wird sie versu"en, diese Vielfalt zu reduzieren, und wenn ja, wie!? Dur" Akten, die vereinheitli"en, etwas zu einer gültigen Wirkli"keit erklären … Die in einer Akte festgehaltene Version wird mit anderen Versionen vergli"en und in ihrer Ri"tigkeit, Zuverlässigkeit, letztli" in ihrem Wahrheits- und Objektivitätsgehalt bewertet. Spätere Ergänzung/Forts"reibung dieses Memos: Dies erinnert mi" einerseits an eine Formulierung von Frau Berg (Mitarbeiterin in einem Gefängnis), die das Lesen von Akten mit den Worten "arakterisierte: „wo man si" erstmal auf ein biss"en gesi"ertem Grund bewegen kann“ (Interview, S..), und andererseits an ein Zitat aus einer Literaturquelle, nämli": Zimmerman (%&*&, S.%')) spri"t in diesem Kontext au" von der „Autorität der Dokumente“.
4.2
S"ri% 2: Fortsetzung des o$enen Kodierens an neuem Material
Ein mögli"er zweiter S"ri$ ist das o+ene Kodieren einer weiteren Textstelle. Für die vorliegende Demonstration habe i" eine Textstelle ausgewählt, zu der i" ebenfalls einige der oben genannten Kodes (hier: „Orientierung“, „Zuverlässigkeit“, „Herstellen von Verlässli"keit“) kodiert ha$e. Dazu mö"te i" Auszüge aus einem Memo zu einer Textstelle aus einem Interview mit Frau S"reiber, einer Mitarbeiterin in einer anderen Institution, nämli" im Gefängnis, und die Textstelle selbst zitieren: „Wenn wir jetzt eine Vollzugsplanung haben, dann nimmt man si" s"on erstmal die Akte und 3ößt [3öht!?] sie no"mal genau dur" …: ‚War irgendwo was!?‘ … ‚Geht sie [die Inha2ierte] regelmäßig arbeiten!? Geht sie ni"t regelmäßig arbeiten!?‘ ‚Ist (s"on!?) wieder
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
ein Verhaltensberi"t drin in der Akte!?‘ … Das hat man ja so ni"t auf dem S"irm, wann wer da arbeiten [geht] oder wann wer … nun auf der Station randaliert hat … Und das ist klar, dazu holt man si" dann eben die Akte, um das no"mal dur"zugu#en, … was so gewesen ist“ (Interview im Sommer %&&(, Transkript S.)).
(Memo .): Au" in den S"ilderungen von Frau S"reiber übernehmen Akten die Funktion, die Rezipientin/Mitarbeiterin einer Institution zu orientieren, und zwar indem sie deren Gedä"tnis stützen („Das hat man so ni"t auf dem S"irm“). Akten „zu 3ößen“ (oder zu „3öhen“) soll die Institution davor bewahren, etwas zu übersehen, zu vergessen, und zwar – wenn man die Fragen betra"tet, die Frau S"reiber mit dem Dur"gehen einer Akte verbindet –, Aspekte zu übersehen, die für institutionelle Ents"eidungen (hier: „Vollzugsplanung“) bedeutsam sind und die das Verhalten einer Inha2ierten bestimmten Bewertungskriterien unterwerfen: „‚War irgendwo was!?‘ … ‚Geht sie [die Inha2ierte] regelmäßig arbeiten!? Geht sie ni"t regelmäßig arbeiten!?‘ ‚Ist (s"on!?) wieder ein Verhaltensberi"t drin in der Akte!?‘“ Verglei" beider Aspekte der Orientierungsfunktion einer Akte: Zum einen geben Akten einer Institution Orientierung darüber, was stimmt, wel" e Version einer Erzählung Gültigkeit beanspru" en darf und wel"e ni"t. Zum zweiten geben Akten eine Orientierung im Sinne eines Überbli! s, indem sie das mens"li"e Gedä"tnis einzelner (in einem anderen Interview: mehrerer Mitarbeiter/innen) unterstützen. Im institutionellen Diskurs zweifelt man also für bestimmte Arten von Informationen – z./B. Details, Zahlen, Fakten einerseits und S" ilderungen der Insass/innen einer Institution (Psy"iatrie, Gefängnis etc) andererseits – an deren Zuverlässigkeit. Die Akte wird im inner-institutionellen Diskurs als ein Wissensvorrat akzeptiert, der in seiner Genauigkeit und Vollständigkeit dem eigenen Gedä"tnis und in seiner Zuverlässigkeit den widersprü" li"en, vers" iedenen Erzählversionen der Insass/in nen überlegen ist. Dies wird in den beiden zitierten Interviewpassagen als Gewinn, Vorteil von Akten betra"tet.
Das Kodieren vers"iedener Daten, das Denken und S"reiben in Kodes und deren Erläuterung lassen Verbindungen zwis"en Konzepten/Kodes erkennen und fügen unters"iedli"e Dateninterpretationen/Überlegungen und Datenauss" ni$e – wie hier gezeigt – unter dem Begri+ der Orientierungsfunktion einer Akte zusammen. Dabei ist die Auswahl einer Übers"ri2 im Sinne eines Namens für eine Kategorie etwas, das entwi#elt und entde#t wird, wenn die eigenen Memos mehr und mehr verdi"tet werden, indem man über sie und die Daten permanent Verglei"e anstellt.
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4.3
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S"ri% 3: Anwendung spezieller Te"niken („Flip-Flop-Te"nik“ und „S"wenken der roten Fahne“)
Ein mögli"er dri$er S"ri$ stellt die Anwendung der „Flip-Flop-Te"nik“ (Strauss & Corbin %&&* [%&&1], S.*'!+.) und des „S"wenkens der roten Fahne“ (S.,1!f.) dar: Die Flip-Flop-Te"nik besteht darin, zentrale Konzepte „auf den Kopf zu stellen“ und na" kontrastierenden Kontexten zu su"en. Si" das Gegenteil vorzustellen ist hilfrei", um Ideen für die inhärenten Dimensionen eines Konzeptes (Kodes) zu entwi#eln. Die Anwendung der Te"nik S"wenken der roten Fahne bedeutet, eine Textstelle oder ein Memo auf Signale (Wörter, Sätze) hin zu betra"ten, sodass das Selbstverständli"e fragwürdig wird. Dies erö+net neue Mögli"keiten der Analyse. Beispiele für sol"e Signale sind Formulierungen wie „nie“, „immer“, „es kann unmögli" sein“ oder „unbedingt“. Beide Te" niken implizieren eine gewisse Lo! erheit des Denkens, die m./E. "arakteristis" für die GTM insgesamt ist. Dabei sind die Fors"enden aufgefordert si" vorzustellen, dass etwas au" anders sein könnte, als es gerade ers"eint: „Mit zunehmender Erfahrung erlernt der Fors"er also das Spiel, – an diesem Punkt der Fors"ung – alles und ni"ts zu glauben und si" selbst so o+en zu halten wie das Kodieren“ (Strauss %&&% [%&0,], S.(0). In meiner Auffassung implizieren die Flip-Flop-Te" nik und die Te" nik des S"wenkens-der-roten-Fahne diese "arakteristis"e Haltung der Fors"enden den Daten gegenüber. Im Hinbli# auf den Kategorienentwi#lungsprozess führt die Anwendung sol"er Te" niken (dies gilt im Übrigen au" für die ebenfalls von Strauss eingeführte und dann von Strauss und Corbin verfeinerte „Te" nik“ des axialen Kodierens) zu einem Rei"tum an Variation und zur Integration vers"iedener (polyphoner) Perspektiven. Das axiale Kodieren ist eine Te"nik, die das systematis"e Ausarbeiten einer Kategorie methodis" anleitet und die entstehende Theorie strukturieren hil2: Ein vorläu-ges Konzept, eine vorläu-ge Kategorie wird na" dem Kodier-Paradigma analysiert, d./h. ein Kode wird auf Bedingungen, Strategien/Taktiken, Interaktionen und Konsequenzen befragt. Dadur" wird ein als Kategorie verwendeter Begri+ empiris" vielfältig verwurzelt, denn diese Aspekte des Paradigmas sollen in den Daten gefunden und verans"auli"t werden. – Die Anwendung des axialen Kodierens erst verhil2 m./E. einer Kategorie zu ihrer Di"te, dur"aus verstanden im Sinne der „di"ten Bes"reibung“ na" Geertz (%&0,). Bezogen auf meinen Fors"ungsprozess nahm i" diese auf Variation beda"te Haltung meinen Daten und meinen bis dahin getätigten Datenanalysen gegenüber dadur" ein, dass i" die Frage aufwarf, ob diese Orientierungsfunktion der Akten, insbesondere die Überlegenheit eines Aktengedä"tnisses gegenüber einem individuellen, leib- und personenbezogenen Gedä"tnis, im inner-institutionellen Diskurs auss"ließli" positiv bewertet wird, oder ob si" dazu Gegenbeispiele und -tendenzen würden -nden lassen. Mit anderen Worten: I" s"wenkte die rote Fahne bei
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
der auss"ließli" positiven Bewertung der gedä"tnisstützenden Orientierungsfunktion der Akten und ging den Fragen na", ob in Akten wirkli" alles, was Insass/innen betri4, festgehalten wird, und wo es Ausnahmen gibt. Dazu wieder Auszüge aus einem Memo und aus den Daten:
(Memo )): Die Umkehr des Bedürfnisses einer Institution, etwas über ihre Insass/innen festzuhalten, war ebenfalls Thema meiner Fors"ungsinterviews. Es gibt Informationen, die ni"t in eine Akte aufgenommen und nur mündli" oder vorübergehend als hands"ri2li"e Notizen oder gar ni"t tradiert werden. … Im vorliegenden Zusammenhang der Ar"ivfunktion von Akten mö"te i" erläutern, dass die mit einer aktenkundigen Vers"ri2li"ung dieser Informationen verbundenen Konsequenzen für die Insass/innen als so weitrei"end ers"einen, dass die Niederlegung in einer Akte ni"t verantwortet werden kann. Aktennieders"ri2en haben – wie Frau S"reiber, eine Mitarbeiterin des Gefängnisses, formuliert – den Charakter, Informationen „für immer und ewig“ festzuhalten. „I" denke, das sind so sehr, sehr viele Sa"en dann, … wo du dann denkst: ‚Nee, das kannst Du ni"t s"reiben!! Wenn du das jetzt in die Akte s"reibst, da kriegt sie ja Mordsärger!!‘ … Jede Meldung, jeder Vermerk geht ja in die Akte, … das ist ja für immer und ewig. Es bleibt ja da. Es ist ja ni"t so, dass i" das aufs"reiben kann für den Spätdienst und damit ist die Sa"e erledigt, sondern es bleibt dann … in der Akte, … und insofern ist [es] besser, wir lassen das ganz raus“ (Interview im Sommer %&&(, Transkript S.,). Frau S"reiber s"re#t vor dem S" ri$ der „Veraktung“ zurü#. Die damit verbundene Verantwortung s"eint in ihrer Unübers"aubarkeit zu groß und in ihrer Bedeutung für die Insass/innen zu weitrei"end, als dass Frau S"reiber sie übernähme. Das Aufzei"nen und Sammeln von Informationen in Akten hat tendenziell endgültigen Charakter, weil etwas ni"t nur festgehalten, sondern glei"sam festges"rieben wird. Dazu die Formulierung eines anderen Mitarbeiters im Gefängnis, Herrn Baum: „Akten sind vielfa" dann au" etwas Endgültiges. Das, was einmal Bestandteil einer Akte geworden ist, gerade wenn es dann au" negative Umstände sind, wird sol" einen Mens"en … lange (lauter) begleiten“ (Interview im Herbst %&&(, Transkript S.(). Anders als persönli"e Erinnerungen, die zu unters"iedli"en Erinnerungszeitpunkten biogra-s"en, emotionalen, situativen etc. Veränderungen unterliegen, sind Akten ein Gedä"tnis, dem „etwas Endgültiges“ anha2et. Papiere, die in einer Akte landen, werden gesammelt und aufgehoben für eine ganze Weile; sie werden damit aus den übli"en Prozessen des Werdens und Vergehens, im Falle von Erinnerungen: des Verblassens, Veränderns und/ oder Vergessens, herausgenommen. Akten werden hier glei"sam zu einem S"a%en („lange begleiten“) der Personen, über die sie angelegt wurden, etwas, das die Person ni"t mehr loswird, das sie begleitet und im vorliegenden Fall von negativen Aspekten, die einer Inha2ierung vorausgingen, ihr zukün2iges Leben ers"weren kann/wird.
Petra Mu#el
4.4
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S"ri% 4: Integration der Kategorien/Herausarbeiten einer „Kernkategorie“
Ein mögli"er vierter S"ri$ ist die Integration vers"iedener Kategorien auf der Ebene der Subkategorien und das Vors" lagen einer Kernkategorie. Das Herausarbeiten einer Kernkategorie ist als eine letzte Abstraktions- und Verdi"tungsleistung der Fors"enden zu verstehen. Die bereits ges"ilderten Prozesse der Datenkonzeptualisierung werden dazu in gewisser Weise einfa" fortgesetzt. Im Rü#bli# auf das bislang Dargestellte sollte deutli" geworden sein, dass Kodes, die aus dem o+enen Kodieren entstanden waren (z./B. Orientierung, Instrument zur Herstellung von Verlässli"keit, eine Version von Wirkli"keit festhalten, Gedä"tnisstütze, institutioneller Wissensvorrat, festhalten für „immer und ewig“, „etwas Endgültiges“) zu konzeptualisierenden Bes"reibungen der Daten führten, die dur" ihre spätere Zuordnung zueinander – in der Regel aufgrund von Bezügen/ Verbindungen, die in den Memos auftau"ten oder mithilfe der genannten Te"niken hergestellt wurden – immer s"on auf Kategorien verweisen und diese von innen heraus aufspannen, viellei"t verglei"bar mit dem mens"li"en Skele$, das den Körper trägt wie die Kategorien eine Theorie: Jeder Kode ermögli"t es, Beziehungen zu anderen Memos, Daten und Auszügen der bereits existierenden Fors"ungsliteratur herzustellen, denn immer, wenn ein Kode so oder in einer ähnli"en Bezei"nung wieder auftau"t, kommt dies einer Aufforderung glei", über mögli"e Zusammenhänge na"zudenken und dur" Verglei"e diese Zusammenhänge zu bes"reiben. Kodes und eine Kategorie verhalten si" hier zueinander wie Atome zu einem Molekül (in einer laienha2en Vorstellung): Jeder Kode ist ein Atom, das seine „Ärm"en“ ausstre#t und bereit ist, mögli"erweise, also sofern Daten und Konzepte dies gesta$en, eine Verbindung mit anderen Kodes einzugehen. Je mehr Verbindungen ein sol"er Kode (ein sol"es Atom) eingeht, umso di"ter und komplexer wird die Kategorie (das Molekül). So gesehen dienen alle Verfahrenss"ri$e der GTM dazu, mögli"st viele „Ärm"en“ zu entde#en und daraus interessante Moleküle zu entwi#eln. Die mit dem Kategorienentwi!lungsprozess verbundenen großen Integrationsanstrengungen gipfeln in einem Vors"lag für eine Kernkategorie. Die Kernkategorie, die i" im Rahmen meiner Dissertation aus den von mir entwi#elten Kategorien generiert ha$e, also der Sto+, der aus den vers" iedenen Molekülen entstanden war, habe i" die „Beweisfunktion von Akten“ genannt. Diese Kernkategorie ermögli"te es mir, viele meiner konzeptualisierenden Überlegungen und Bes"reibungen zu den sozialen Interaktionen, die mit Akten in unters"iedli"en Institutionen verbunden sind, zusammenzufassen. Einen Auss"ni$ dieser Überlegungen, der den Weg des Kodes „Orientierungsfunktion“ als Bestandteil der Kategorie „Erinnerungs- und Ar"ivfunktion einer Akte“ weiterverfolgt bis zu seinem Bestimmungsort innerhalb der Kernkategorie, mö"te i" hier abs"ließend na"zuzei"nen versu"en. Dazu wieder ein Auszug aus meinen Memos und ein weiteres Datenbeispiel aus einer der von mir befors"ten Institutionen, die bislang no" ni"t erwähnt worden ist:
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
(Memo '): Die Orientierungsfunktion einer Akte, die im Kontext der Herstellung von Verlässli"keit und im Kontext der Gedä"tnisunterstützung kategorial entfaltet wurde, ließ si" verdi"ten, indem i" die Akte als tragendes Element innerhalb von Beweisprozessen genauer analysierte. Dabei wurde deutli", dass Akten Beweise im erläuterten Sinne5 antreten und das Gedä"tnis u.(a. dadur" unterstützten, dass sie das einzelne mens"li" e Gedä"tnis ergänzten/erweiterten und s"är&en. Die in Akten festgehaltenen Informationen (Aussagen) erhalten in der geri"tli"en Beweisführung die Funktion, als Verglei"smoment benutzt werden zu können, um die Glaubha2igkeit eines Zeugen, Angeklagten etc. zu überprüfen. Ein Ri"ter versu"t, den „sehr hohen Stellenwert“ und die Funktionen von Akten bei der Wahrheits-ndung in einem Geri"tsprozess zu bes"reiben. „Das Ents"eidende muss na" der Strafprozessordnung in der Hauptverhandlung erfolgen, aber die Akten haben trotzdem einen sehr hohen Stellenwert. Viele Beweismi$el sind ja au" in Akten drin … Guta"ten … beispielsweise zur Frage, ob der … Angeklagte ja zur Tatzeit unter Alkohol … oder Drogenein3uss gestanden hat. … Es sind ja übli"erweise viele Zeugen, die in der Hauptverhandlung vernommen werden, s"on im Vorfeld von der Polizei vernommen worden … oder von der Staatsanwalts"a2 … und deren Vernehmungen sind natürli" au" … sehr wi"tig oder sind au" sehr interessant, weil diese Informationen, wenn die Zeugen in der Hauptverhandlung was anderes sagen, werden denen natürli" vorgehalten, was sie bei früheren … Anlässen … gesagt haben. Also von daher … haben Akten s"on eine sehr große Bedeutung, das muss man so sagen … Do", … die Akte s"on- […] ein sehr wi"tiger Bestandteil des Verfahrens … Also ohne Akte geht’s kaum“ (Interview im Frühjahr %&&(, Transkript S.%1). Eine Akte dient als ein Werkzeug zur Überprüfung der Glaubha&igkeit der Zeug/innen, Angeklagten etc. Ausgehend von der Voraussetzung, dass es eine zeitli" überdauernde Wahrheit gibt, werden Unters" iede oder gar Widersprü" li" keiten zwis"en den in Akten festgehaltenen und den in einer Geri"tsverhandlung beri"teten Aussagen tendenziell als Hinweise auf mangelnde Glaubwürdigkeit aufgefasst. Eine Akte wird so zu Konsistenzprüfungen verwendet und „s" är&“ insofern das Gedä"tnis des Ri"ters. Die herausgearbeiteten Momente/Elemente eines Beweisprozesses tre+en auf eine Akte zu und sind hier im Hinbli# auf die Kategorie „Die Akte als Instrument der Überlieferung und Erinnerung (Ar"iv)“ erläutert worden.6
5
6
Na" meiner Analyse von Beweisde-nitionen in vers"iedenen Fa"disziplinen de- nierte i" das Beweisen als das Ausräumen von (vers" iedenen) Unsi"erheiten (Zweifeln) bezügli" der Gültigkeit (Ri"tigkeit, Wahrheit) von Aussagen über Ereignisse (au": Ents"eidungen, Handlungen, Wahrnehmungen) mithilfe von Belegen (Argumenten) im Rahmen von Kommunikation zur Überzeugung einer Person (vgl. Mu#el %&&,, S.%*0). In der Dissertation habe i" dies für alle Kategorien im Hinbli# auf die Kernkategorie des Beweisens elaboriert.
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5
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Rü!bli! und ergänzende Re&exionen des Kategorienentwi!lungsprozesses
Entlang von Memos und anhand von Demonstrationen der Anwendung einiger Grounded-Theory-Methoden und -Te"niken habe i" versu"t, den Kategorienentwi#lungsprozess meines Dissertations-Fors"ungsprojektes in einigen Auss" nitten zu verdeutli"en mit dem Ziel, erste S"ri$e im Übergang von empiris"en Daten hin zu einer Grounded Theory anzudeuten und dabei erkennbar werden zu lassen, wie sehr Kategorien in den Daten verwurzelt sind und wie ras" sie in einer bestimmten Art, die Daten zu lesen und mit den Grounded Theory-Methoden zu analysieren, an die Ober3ä"e gelangen. Dazu mö"te i" no" folgende Überlegungen ergänzen: 1. Im Verlauf mehrerer Fors"ungsprojekte entwi#elte i" einen Kodierstil, der Kodes in Sätze und Fragen im Sinne eines Memos einbindet, um dadur" den S"reibprozess von Anfang an zu üben. Alternativ sind hier au" Sti"worte oder Zei" nungen (Skizzen, Flussdiagramme usw.) denkbar. Wi"tig dabei ist, die eigenen Verstehens- und Interpretationsbemühungen so festzuhalten, dass sie na"vollziehbar bleiben. 2. Für den Kategorienentwi#lungsprozess sind neben den skizzierten Aspekten no" andere bedeutsam und notwendig. Eine große und kaum zu übers"ätzende Bedeutung für die Entwi#lung guter Kategorien ist eine stringente Anwendung des theoretical sampling und des axialen Kodierens sowie die Verwendung des Kodier-Paradigmas. 3. Die Rekonstruktion der Kategorienentwi#lung von Beginn an sollte verdeutli"en, dass dieser Prozess mit dem o+enen Kodieren beginnt und in den Daten begründet ist, und zwar bis hinauf zur Bes"reibung der Kernkategorie, die zuglei" ho" abstrakt und empiris" konkret in Daten verwurzelt ist. Dadur" wird au" die Mögli"keit alternativer Lesarten (vgl. dazu au" Heeg %&&*) unterstützt: Ein Datum kann unters"iedli" interpretiert/kodiert werden. Diese Vielfalt ist kein Mangel, kein Zei"en von Uns"ärfe oder Beliebigkeit, sondern Zei"en eines kritis" fragenden, prozessorientierten Denkens, das nur dur" Kategorien eine gewisse vorübergehende Stabilität erlangt. Dazu no" einmal eine Überlegung aus meinem Dissertationskontext: Die Sub-Sub-Kategorie „Für immer und ewig“ wurde zunä"st unter der Kategorie der Ar"ivfunktion von Akten entfaltet. Unter der Perspektive der Kernkategorie des Beweisens gelangte eine weitere Lesart an die Ober3ä"e, denn: Beweise sind in gewissem Sinne für immer und ewig gültig. In der Mathematik beispielsweise (aber au" vor Geri"t) gilt das, was einmal bewiesen wurde, es muss ni"t ein zweites Mal bewiesen werden. Darum ist die Ents"eidung, was in eine Akte (erstmalig) aufgenommen wird, so s"werwie-
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
gend, denn die Aufnahme einer Information in eine Akte ist sozusagen Teil einer ewigen Informationssammlung und von deren Gültigkeit.
4. Die von mir verwendete Metapher des Moleküls, aber au" der zu Beginn eingeführte Begri+ der Familienähnli"keit i./S. Wi$gensteins sollen verdeutli"en, dass es bei der Entwi#lung einer Grounded Theory und dem Konzeptualisieren von Daten um ein Denken und S"reiben in Relationen geht. Dieses relationale Moment ist m./E. ein weiteres Charakteristikum der GTM, das s"wer zu bes"reiben ist, weil es der herrs"enden Wissens"a2sauffassung daran immer no" mangelt. 6
S#lussbemerkung: Was unters#eidet eine gute Kategorie von einer weniger guten"?
„Gute“ Kategorien sind die tragenden Bestandteile „guter“ Theorien, und um gute Theorien zu entwi#eln, müssen die Methoden des Ansatzes konsequent angewendet werden, sodass s"ließli" die Gütekriterien erfüllt sind. Innerhalb der GTM na" Strauss und Corbin (%&&* [%&&1], Kapitel %'; siehe au" Corbin & Strauss %&&1) wurden die Gütekriterien als zwei Pakete mit jeweils sieben Fragen formuliert, die si" zum einen die Fors"enden im Rahmen ihres Fors"ungsprozesses immer wieder selbst stellen und zum zweiten na" Abs"luss ihres Fors"ungsprozesses gefallen lassen sollten. Viele der Fragen beziehen si" direkt auf die Entwi#lung der Kategorien. Corbin und Strauss unters"eiden Kriterien, mi$els derer einerseits der Fors"ungsprozess und seine Adäquatheit im Hinbli! auf den Gegenstand und andererseits die empiris"e Verwurzelung der Theorie bewertet werden kann. Vor dem Hintergrund meiner Arbeiten und Erfahrungen ist es dabei wi"tig, die Daten immer wieder und mögli"st genau zu lesen und bei jeder mögli"en Konzeptualisierung/Interpretation selbst- und textkritis" zu fragen, ob das Erkannte tatsä"li" in den Daten enthalten ist und ob es weitere Lesarten gibt, die mits"wingen, glei"sam zwis"en den Zeilen, und die dur" die Analyse-Te"niken der GTM greifbar und nutzbar gema"t werden können. Dies muss dann auf eine Weise ges"ehen, dass ein zunä"st nur di+uses Gefühl beim Lesen dur" genaues Betra"ten der Daten na"gewiesen und an mehreren, unters" iedli"en Datenauss"ni$en belegt werden kann. Genauigkeit im Lesen – eine der vielen mögli"en Interpretation des von Glaser (.11.) formulierten Anspru"es „All is data“ – und Prägnanz in der Formulierung einer Kategorie müssen hier zusammenkommen. Kategorien stellen ihre Qualität u./a. dadur" unter Beweis, dass sie eine Vielzahl von Kodes zusammenzufassen und dabei au" widersprü"li"e Hypothesen und Varianten zu integrieren vermögen. Dur" ihren genuin relationalen Charakter tragen sie der Komplexität der sozialen Realität Re" nung. Umgekehrt bedeutet dies,
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dass eingleisige, lineare Kategorien soglei" Zweifel an ihrer Qualität aufkommen lassen. Außerdem werden die entwi#elten Kategorien um so besser (di"ter, prägnanter, integrativer), je mehr es den Fors"enden gelingt, u./a. zwis"en zwei Einstellungen/ Haltungen den Daten gegenüber zu we"seln: Zum einen sollte versu"t werden, eigenen Interpretations- und Lesartenideen na" zugehen und sie in vers"iedenen Datenauss" ni$en zu belegen. Zum anderen sollte man immer wieder eine Gegenbewegung dazu antreten und sozusagen fragen, ob etwas au" anders sein könnte, als es gerade ers"eint. Diese beiden Haltungen einzunehmen – also Belege und Widersprü"e in den Daten zu su"en – s"lei2 Kategorien, indem sie glei"zeitig präzisiert und pluralisiert werden, und das ma"t sie gut. Literatur Anderson, John R. (%&01). Cognitive psychology and its implications. San Francisco: Freeman. Breuer, Franz (Hrsg.) (%&&*). Qualitative Psy"ologie. Grundlagen, Methoden und Anwendungen eines Fors"ungsstils. Opladen: Westdeuts"er Verlag, h$p://www.qualitative-fors"ung. de/information/publikation/modelle/breuer/. Breuer, Franz et al. (%&&*). S"ri$e des Arbeitsprozesses unter unserem Fors"ungsstil. In Franz Breuer (Hrsg.), Qualitative Psy"ologie. Grundlagen, Methoden und Anwendungen eines Fors"ungsstils (S.,&–%,)). Opladen: Westdeutscher Verlag. Corbin, Juliet & Strauss, Anselm (%&&1). Grounded theory research: Procedures, canons, and evaluative criteria. Qualitative Sociology, )*(%), )–.%. Gamm, Gerhard (%&&'). Flu"t aus der Kategorie. Die Positivierung des Unbestimmten als Ausgang der Moderne. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Geertz, Clifford (%&0,). Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Glaser, Barney G. (.11.). Constructivist grounded theory!?. Forum Qualitative Sozialforschung/ Forum: Qualitative Social Research, *()), Art. %., h$p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:1%%'fqs1.1)%.(. Heeg, Paul (%&&*). Entwi#lung von Lesarten einer Gesprä"spassage aufgrund intensiver Lektüre. In Franz Breuer (Hrsg.), Qualitative Psy"ologie. Grundlagen, Methoden und Anwendungen eines Fors"ungsstils (S.%,'–%&)). Opladen: Westdeuts"er Verlag. Kelle, Udo (%&&'). Empiris" begründete Theoriebildung. Zur Logik und Methodologie interpretativer Sozialfors"ung. Weinheim: Deuts"er Studienverlag. Kelle, Udo (%&&(). Die Bedeutung theoretis"en Vorwissens in der Methodologie der Grounded Theory. In Rainer Strobl & Andreas Bö$ger (Hrsg.), Wahre Ges"i"ten'? Zur Theorie und Praxis qualitativer Interviews (S..)–',). Baden-Baden: Nomos. Mayring, Philipp (%&00 [%&0)]). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundfragen und Te"niken. Weinheim: Deuts"er Studienverlag. Mayring, Philipp (.111). Qualitative Inhaltsanalyse. Forum Qualitative Sozialfors"ung/Forum Qualitative Social Resear", )(.), Art. .1, h$p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:1%%'fqs111..1'.
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Die Entwi#lung von Kategorien mit der Methode der Grounded Theory
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Theoretis!es Sampling in Quali"kationsarbeiten: Die Grounded-Theory-Methodologie zwis!en Programmatik und Fors!ungspraxis1 Inga Trus!kat, Manuela Kaiser-Belz & Vera Volkmann
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Einführung „…one is not born a grounded theorist but may, with good fortune, become one“ (Clarke !""#)
Das methodologis$e Verfahren der Grounded Theory (GTM), dessen Ziel die Entwi%lung einer empiris$ fundierten Theorie (GT) ist, hat si$ in den Sozialwissens$a&en als Rahmenkonzept etablieren können.2 Insbesondere unter qualitativ arbeitenden Fors$er/innen hat si$ das von Barney G. Glaser und Anselm L. Strauss ('##( ['#)*]) entwi%elte Analyseverfahren zu einem Standard empiris$er Fors$ung entwi%elt. Da der Prozess der Datenerhebung und die Datenauswertung bei der GTM in besonderer Weise miteinander verwoben sind, kommt dem Sampling im Rahmen dieses „Fors$ungsprogramms“ eine zentrale Bedeutung zu (vgl. au$ Morse !""*). Mi+els des Sampling wird über Daten für die Analyse ents$ieden, und es ist deshalb eine wi$tige Grundlage für die entstehende Theorie. Umgekehrt wird das Sampling dur$ die si$ entwi%elnde Theorie angeleitet, weshalb Glaser und Strauss ('##( ['#)*], S.,-) von theoretis$em Sampling spre$en:
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Dieser Beitrag ist eine überarbeitete Version des Artikels: Trus$ kat, Inga; Kaiser, Manuela & Reinartz, Vera (!"",). Fors$en na$ Rezept.? Anregungen zum praktis$en Umgang mit der Grounded Theory in Quali/kationsarbeiten. Forum Qualitative Sozialfors!ung/Forum: Qualitative Social Resear!, "(!), Art. !!, h+ p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:"''0-fqs","!!!'. Im deuts$en Diskurs zum methodologis$en Rahmenkonzept von Glaser und Strauss wird der Begri1 „Grounded Theory“ sowohl für das Verfahren als au$ für das Produkt, nämli$ eine gegenstandsbezogene Theorie, verwendet. Dies führt häu/g zu Verwe$slungen hinsi$tli$ des Bezuges (Methodologie oder Produkt). Darüber hinaus ist dieser Spra$gebrau$ seit Beginn der Kontroverse zwis$en Glaser und Strauss, die zeitli$ ungefähr im Ers$einen von Glasers „Theoretical Sensitivity“ ('#*() zu verorten ist, unangemessen (vgl. Strübing !""0, S.)-.1.). Wir unters$eiden daher im Folgenden zwis$en „Grounded Theory“ als Produkt der Fors$ung (GT) und dem methodologis$en Vorgehen mit dem Ziel, eine Grounded Theory zu entwi%eln (GTM). Wenn wir uns ni$t auf die gemeinsamen Arbeiten von Glaser und Strauss beziehen, stellen wir di1erenziert dar, auf wel$e Verfahrensvariante wir rekurrieren.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Theoretis$es Sampling in Quali/kationsarbeiten
„Theoretis$es Sampling meint den auf die Generierung von Theorie zielenden Prozess der Datenerhebung, währenddessen der Fors$er seine Daten parallel erhebt, kodiert und analysiert sowie darüber ents$eidet, wel$e Daten als nä$ste erhoben werden sollen und wo sie zu / nden sind. Dieser Prozess der Datenerhebung wird dur$ die im Entstehen begri1ene – materiale oder formale – Theorie kontrolliert.“
Des hohen Anspru$s dieser Samplingstrategie werden si$ ungeübte Fors$er/innen spätestens im konkreten Fors$ungsprozess bewusst, na$dem sie zumeist aufgrund des „Ko$rezept$arakters“ von einigen Anleitungen zur GTM den Eindru% ha+en, systematis$ die einzelnen Arbeitss$ ri+e abarbeiten zu können. Wir rekurrieren hier auf die in deuts$er Übersetzung vorliegenden Verö1entli$ungen, unter denen insbesondere der Methoden-Bestseller „Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialfors$ung“ von Strauss und Corbin ('##) ['##"]) hervorzuheben ist. Bereits im Vorwort und Ums$lagtext wird das Werk als „didaktis$e S$ri+-für-S$ri+-Einführung“ für Anfänger/innen ausgewiesen. Beim Bli% ins Inhaltsverzei$nis erhärtet si$ der Eindru%, dass die Lektüre dieses Werkes zum (vermeintli$) si$eren Ziel führt, denn na$dem die Punkte „Theoretis$e Sensibilität“, „Verwendung von Literatur“ sowie die vers$iedenen Kodierverfahren und das Theoretis$e Sampling dargestellt worden sind, folgt s$ ließli$ sogar ein Kapitel zum Thema „Vortragen von Fors$ungsergebnissen und S$reiben von Doktorarbeiten und Monographien“. Strauss und Corbin weisen zwar explizit darauf hin, dass es si$ „im wesentli$en [um] Leitlinien und Vors$läge für Auswertungste$niken – ni$t jedo$ starre Anweisungen oder Ko$rezepte“ handele (S.X). Denno$ entsteht bei der Lektüre lei$t ein gegensätzli$er Eindru%, der mögli$erweise gerade der didaktis$en Aufbereitung mit entspre$ender Reduktion ges$uldet ist. Denn gerade in der Fors$ungspraxis wird es o&mals notwendig, die Methode anzupassen und von der vorgegebenen Systematik stü%weise abzurü%en. Glei$ zeitig wird aber immer wieder darauf hingewiesen, dass dur$ Abwandlungen der Methode und den zunehmend in2ationären Gebrau$ des Labels „GTM“ deren grundlegende Prinzipien verwässert würden: „Hinter dem lapidaren Hinweis, ‚na$ Glaser und Strauss zu arbeiten‘, stehen häu/g qualitativ und konzeptionell unters$iedli$e Vorgehensweisen“ (Dausien '##), S.#0). Auf diese Entwi%lung und die daraus resultierende „Erosion“ des Konzepts weist au$ Glaser hin: „The mixing of QDA [Qualitative Data Analysis] and GT [Grounded Theory] methodologies has the e1ect of downgrading and eroding the GT goal of conceptual theory. The result is a default remodeling of classic GT into just another QDA method“ (Glaser !""0, Abs.,; siehe au$ den Beitrag von Glaser gemeinsam mit Holton in diesem Band). Für die Umsetzung der GTM bedarf es also einer Anpassung der Methode an die fors$ungspraktis$en Gegebenheiten, bei der aber glei$zeitig den Grundprinzipien der GTM Re$ nung getragen werden muss. Fors$en na$ der GTM zu lernen, bedeutet eben ni$t nur, die entspre$ende Literatur zu erarbeiten, sondern au$ einen großen Anteil learning by doing. So emp/ehlt beispielsweise Krotz (!"",, S.!#0):
Inga Trus$kat, Manuela Kaiser-Belz & Vera Volkmann
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„Ma$en Sie si$ klar, wie theoriegenerierende Fors$ung funktioniert. Aber ni$t glei$ allzu di1erenziert. Wenn Sie eine einigermaßen tragfähige Vorstellung haben, probieren Sie es lieber aus, anhand eines Themas, das Sie interessiert. Ohne Zeit- und Leistungsdru%. Lesen Sie dann gegebenenfalls na$, was Ihnen unklar ist. Fors$en lernt man nur, wenn man es tut. Dann ma$t Fors$en Spaß.“
Diesen Ausführungen ist dur$aus zuzustimmen, obglei$ Fors$ung – und insbesondere, wenn es um Quali/kationsarbeiten geht – wohl nur ausgespro$en selten ohne Zeit- und Leistungsdru% sta+/ndet. Vielmehr gilt es, mögli$e Problemfelder bei der Arbeit na$ der GTM s$on im Vorfeld für das eigene Projekt zu antizipieren, um die vermeintli$e Eindeutigkeit man$er Anleitung in der Literatur angemessen einordnen zu können. Besonders den Fors$ungsneulingen, die meistens in Quali/kationsarbeiten eine GT erarbeiten wollen, stellen si$ diesbezügli$ immer wieder Fragen, auf die sie in der zunä$st lei$ter zugängli$en, weil ins Deuts$e übersetzten Literatur (insbesondere Strauss & Corbin '##) ['##"]) dann keine hinrei$enden Antworten mehr /nden. In der weiteren Auseinandersetzung mit der GTM zeigt si$, dass die entwi%elten unters$iedli$en Positionen Glasers und Strauss’ zu einzelnen Arbeitss$ri+en die Problemlage no$ vers$är& haben und aufgeworfene Fragen „verkomplizieren“ (vgl. u.3a. Kelle '##0; Strübing !""0). Damit nun das Erlernen der GTM kein glü%li$er Zufall bleibt, wie es Adele E. Clarke (!""#) ironis$ formuliert, wollen wir in diesem Aufsatz Antworten auf einige Fragen anbieten, die si$ unserer Erfahrung na$ besonders no$ relativ ungeübten Wissens$a&ler/innen in einem Fors$ungsprozess na$ der GTM stellen können. In Abs$ni+ ! setzen wir uns zunä$st mit Fragen zur ersten Datenerhebung auseinander. Wie beginne i$ meine Datenerhebung und wel$e Ents$eidungshilfen kann i$ mir zueigen ma$en.? Die Di1erenzen zwis$en Glaser einerseits und Strauss und Corbin andererseits bezügli$ des Einsatzes von Literatur als Ents$eidungshilfe für die erste Datenerhebung lösen wir fors$ungspragmatis$ auf und ma$en Vors$läge zur Integration beider Positionen. Dem Fors$ungsverlauf folgend greifen wir im dri+en Abs$ ni+ Fragen zum theoretis$en Sampling im weiteren Fors$ungsprozess auf. Hierbei geht es vor allem um die Bedeutung des Kodierprozesses für die na$folgende Datenerhebung. Au$ hier nehmen wir erst Stellung zu den unters$iedli$en Auffassungen von Glaser vs. Strauss und Corbin, bevor wir eine 2exible Handhabung der Samplingstrategien begründen. Im vierten und letzten Abs$ni+ problematisieren wir das Ende der Datenerhebung. Wir wollen aufzeigen, dass au$ die Rahmenbedingungen einer Fors$ungsarbeit der Datenerhebung ihre Grenzen setzen können, dass der „theoretis$e Gehalt“ der entwi%elten GT darunter aber ni$t notwendig leiden muss.
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Theoretis$es Sampling in Quali/kationsarbeiten
Wie kommt man an die ersten Daten#? Theoretis!e Sensibilität als S!lüssel zum Feld
Die Auswahl der ersten zu untersu$enden Fälle (Personen, Situationen, Dokumente usw.) zu Beginn eines Fors$ungsprozesses na$ der GTM hat Erkundungs$arakter. Die aus der Analyse dieser Daten entstandenen relevanten Kategorien für eine Theoriebildung geben Hinweise über das weitere Sampling im Fors$ungsprozess. Die erste Auswahl von Untersu$ungseinheiten spielt demna$ eine besondere Rolle. Eine wi$tige Frage bei diesem Fors$ungss$ri+ ist: Wie kann i$ mein Fors$ungsinteresse soweit konkretisieren, dass i$ daraus eine Begründung für meine erste Untersu$ungseinheit ziehen kann.? Oder anders gesagt: Wie komme i$ eigentli$ zu meinen ersten Daten.? Leitend für die (erste) Datenerhebung ist wie bei allen empiris$en Arbeiten au$ in Fors$ungsprozessen na$ der GTM die Fragestellung der Untersu$ung. Anders als bei vielen anderen methodologis$en Rahmenkonzepten wird bei der GTM die Fragestellung zu Beginn eines Fors$ungsprojektes jedo$ re$t o1en formuliert, und sie erfährt erst im Verlauf der Fors$ung eine Präzisierung und Konkretisierung (Strauss & Corbin '##) ['##"], S.!-.1.). Die anfängli$e O1enheit der Fragestellung ist mit der abduktiven Fors!ungslogik 3 der GTM zu erklären: Die Fors$ungsfrage soll zu Beginn o1en sein, damit Zusammenhänge aus der Empirie heraus auftau$en und „befragt“ werden können. Die Fragestellung erfährt dann erst über eine sukzessive Erfors$ung des Gegenstands mi+els der Methode des permanenten Verglei$s (siehe au$ Abs$ni+ -) eine Zuspitzung.4 Aus der anfängli$en O1enheit der Fors$ungsfrage heraus resultiert für die Fors$enden bei der Erhebung der ersten Daten o&mals die S$wierigkeit, wel$e und wie viele Daten erhoben werden sollen. Am Beispiel einer Untersu$ung über die Situation von älteren Studierenden5 ergaben si$ bei der konkreten Vorbereitung der Feldphase Fragen wie: Wer gilt in 3
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Abduktion meint, von einem neuen überras$enden (empiris$en) Phänomen auf eine erklärende Regel zu s$ließen; sie unters$eidet si$ damit fundamental vom deduktiven und induktiven S$ließen (vgl. Peirce '##' na$ Kelle & Kluge '###, S.!!.f.; siehe dazu au$ Rei$ertz in diesem Band). Laut Kelle bezei$ neten Glaser und Strauss in den Anfängen ihr Vorgehen zu Unre$t als induktionistis$, da sie bereits in ihren frühen Fors$ungen mit einem theoretis$en Vorwissen an das Datenmaterial herantraten. In der späteren methodologis$en Weiterentwi%lung setzten sie si$ zunehmend mit der Bedeutung des theoretis$en Vorwissens für den qualitativen Fors$ungsprozess auseinander und bes$rieben somit immer expliziter ein abduktives Fors$ungsverfahren (Kelle '##0, S.!(0). Dieses Vorgehen unters$eidet si$ deutli$ von (zumeist deduktiven) Arbeiten, die in ihrer anfängli$en (und den Fors$ungsprozess überdauernden) Fragestellung bereits implizit Behauptungen über Zusammenhänge zwis$en empiris$en Phänomenen enthalten. GTM bedeutet, neues theoretis$es Wissen dur$ eine intensive Auseinandersetzung mit der Empirie zu „entde%en“ (Alheit '###, S.!). Mit diesem Beispiel wird Bezug genommen auf eine zwis$en '##(–!""' laufende, von der EU geförderte europäis$e Se$s-Länder-Studie mit dem Titel „University Adult Access Policies and Practices Across the European Union, and their Consequences for the Participation of Non-Traditional-Adult Students“, die si$ mit den Zugangsmögli$ keiten älterer Studierender in die Ho$s$ulsysteme Europas bes$ä& igte. Dem Projektteam unter der deuts$en Leitung von Peter Alheit gehörten neben den Autorinnen Inga Trus$kat und Manuela Kaiser no$ Arnold O+en und Robert Kreitz
Inga Trus$kat, Manuela Kaiser-Belz & Vera Volkmann
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Deuts$land eigentli$ als eine Spätstudierende bzw. ein Spätstudierender.? Soll die Untersu$ung an Fa$ho$s$ulen oder an Universitäten dur$geführt werden oder an beiden Institutionen.? Wel$e Faktoren beein2ussen generell die Situation von Studierenden und im Speziellen von Spätstudierenden.? Wer oder was muss also zur Beantwortung der Fragestellung untersu$t werden.? Anders als im fortges$ ri+enen Stadium eines Fors$ungsprozesses, wo die Auswahl der (weiteren) Fälle (Personen, Situationen, Gegenstände, Dokumente) zur Entwi%lung der Theorie über den Gegenstand (in diesem Fall die Situation Spätstudierender) auf der Basis der bereits geleisteten Analyse ges$ieht (siehe Abs$ni+ -)6, haben die Fors$enden zu Beginn der Untersu$ung nur wenige Anhaltspunkte, wel$e Untersu$ungseinheiten si$ zur Analyse eignen könnten. Einen Ansatzpunkt dafür, wie der empiris$e Fors$ungsprozess denno$ sinnvoll in Gang gebra$t werden könnte, liefert das Konzept der theoretis!en Sensibilität. So heißt es bei Strauss und Corbin ('##) ['##"], S.!,): „Theoretis$e Sensibilität bezieht si$ auf die Fähigkeit, Einsi$ten zu haben, den Daten Bedeutung zu verleihen, die Fähigkeit zu verstehen und das Wi$tige vom Unwi$tigen zu trennen. All dies wird eher dur$ konzeptuelle als dur$ konkrete Begri1e errei$t. Erst die theoretis$e Sensibilität erlaubt es, eine gegenstandsverankerte, konzeptuell di$te und gut integrierte Theorie zu entwi%eln.“
Glaser gibt in „Basics of Grounded Theory Analysis“ die folgende De/nition: „Theoretical sensitivity is an ability to generate concepts from data and to relate them according to the normal models of theory in general, and theory development in sociology, in particular. A researcher may be very sensitive to his personal experience, his area in general and his data speci/cally, but if he does not have theoretical sensitivity, he will not end up with grounded theory“ ('##!, S.!*).
Die Grundauffassung, dass die theoretis$e Sensibilität die Fähigkeit von Fors$enden meint, aus den empiris$en Daten heraus eine gegenstandsbezogene Theorie zu entwi%eln, vertreten Glaser und Strauss in glei$er Weise. Zu der Frage, was theoretis$e Sensibilität aber letztli$ ausma$t und zu wel$em Zeitpunkt des Fors$ungsprozesses sie wi$tig wird, haben Glaser und Strauss in ihren späteren Arbeiten jedo$ unters$iedli$e Auffassungen entwi%elt.7
6 7
als wissens$a&li$e Mitarbeiter an. Zu Projektergebnissen vgl. Alheit und Kreitz (!""") sowie Bourgeois und Freney (!""'). Diese aus der Theorieentwi% lung resultierende Fallauswahl ist der Grund für die Bezei$ nung „Theoretis$es Sampling“. Diese Entwi%lung lässt si$ wohl auf die unters$ iedli$en Herkun&straditionen der beiden Wissens$a&ler zurü%führen. Während Glaser aus der den Positivismus vertretenden S$ule der Columbia University stammte, prägten Strauss vor allem die pragmatistis$en Ein2üsse der University of Chicago (vgl. dazu au$ Charmaz !""#; siehe au$ Bryant !""#).
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Theoretis$es Sampling in Quali/kationsarbeiten
Theoretis$e Sensibilität setzt si$ na$ Strauss und Corbin aus Literaturkenntnissen, berufli$en und persönli$en Erfahrungen sowie aus den Erkenntnissen zusammen, die im Rahmen des laufenden Fors$ungsprojekts gewonnen werden ('##) ['##"], S.!,.1).8 Literaturkenntnisse spielen für sie eine S$lüsselrolle bei der Entwi%lung theoretis$er Sensibilität (vgl. au$ Heath !""), S.,!") und können sowohl aus abstrakteren Theorien als au$ aus der Literatur über den konkreten Fors$ungsgegenstand gewonnen werden. Folgt man Strauss und Corbin, so würde bei unserer Studie über Spätstudierende theoretis$e Sensibilität beispielsweise bedeuten, dass Bourdieus Analysen zu den „Feinen Unters$ieden“ (Bourdieu '#(*) herangezogen werden, um daraus Annahmen über die Rolle der sozialen Herkun&, das Verhältnis zum akademis$en Milieu und den mögli$erweise habituell geprägten Umgang von Spätstudierenden mit ihrem Studium abzuleiten (vgl. beispielha& Trus$ kat !""!). Die theoretis$e Sensibilität würde in einem sol$en Fall aus einem theoretis$-abstrakten Vorwissen gespeist, das auf Kenntnissen von sogenannten grand theories beruht. Wird hingegen die Altersstruktur von Studierenden in Deuts$land in Erfahrung gebra$t, um darüber die Frage klären zu können, wer überhaupt in der Untersu$ung empiris$ begründet als spätstudierend gelten kann, so nutzt man die konkret feld- oder au$ gegenstandsbezogene Literatur, um einen ersten Eindru% zu gewinnen. S$ließli$ könnte die theoretis$e Sensibilität au$ aus persönli$en Beoba$tungen resultieren. So kennen die Fors$enden viellei$t die besondere Funktion von Studienberater/innen bei der Einmündung in die Ho$s$ule und kommen daher zu der Ents$eidung, si$ die Erfahrung der Spätstudierenden mithilfe sol$er „Gatekeeper“ genauer anzusehen. Die theoretis$e Sensibilität sorgt somit auf vielfältige Weise für einen „anfängli$en Fokus“ (Strauss & Corbin '##) ['##"], S.',!). Dies ist laut Strauss und Corbin deshalb erforderli$, weil die soziale Realität hinsi$tli$ ihrer bes$reib- und verglei$baren Phänomene s$ ier uners$öpfli$ ist und si$ Fors$ende deshalb auf eine Aufmerksamkeitsri$tung festlegen sollten (vgl. au$ Kelle '##0, S.-!)). Na$ Glaser wäre der erste Zugang zu unserem Untersu$ungsfeld über die zuvor genannten Quellen allzu sehr dur$ Vorannahmen bestimmt. Allerdings ist anzumerken, dass Glaser zwar explizit eine anfängli$e O1enheit betont, es wird ihm aber zu s$nell unterstellt, er negiere jegli$e Form des theoretis$en Vorwissens zu Beginn der Erhebung. So s$reibt z.3B. Kelle ('##0, S.--,): „Jedes Hintergrundwissen ist, so Glaser, s$ädli$ für die Anwendung der Methodologie der grounded theory, weil der Fors$er damit gehindert würde, die Akteursperspektive einzunehmen und die in dem Fors$ungsfeld tatsä$li$ vorhandenen Probleme zu erkennen: ‚Indeed the analyst should just not know as he approa! es the data, so he does not even have to waste time correcting his preconceptions‘.“ 8
Hinsi$tli$ der ersten Fors$ungsphase spielt Letzteres eher eine untergeordnete Rolle (siehe dazu Abs$ ni+ -).
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Sieht man in das Original von Glaser, so ist festzustellen, dass die Aussage wie folgt fortgesetzt wird: „These backgrounds of assumptions, experiences and knowledge can at best only imbue our open coding; they do not dictate it“ ('##!, S.,"). Von einer absoluten Verneinung der Vorannahmen zu Beginn der Erhebung kann also ni$t die Rede sein. Der ents$eidende Unters$ied, der si$ zwis$en Glaser und Strauss/Corbin herauskristallisiert, liegt unseres Era$tens in der Frage, wel!e Literatur wann eingesetzt wird. Glaser plädiert dafür, si$ (wenn überhaupt) zunä$st auf die theoretis$-abstrakte Literatur zu bes$ränken und erst später, wenn eigene Kategorien aus dem Material heraus entwi%elt wurden, auf fa$spezi/s$e – spri$ das direkte Fors$ungsfeld betre1ende – Literatur zurü%zugreifen (vgl. Glaser '##!, S.-'.1.): „But reading and use of the literature is not forsaken in the beginning of a grounded theory project, just because related literature is reserved until the later stages of a project. It is vital to be reading and studying from the outset of the research, but in unrelated #elds“ (S.-,).
Er nimmt damit eine gegensätzli$e Position zu Strauss und Corbin ein, die ausdrü%li$ der Auffassung sind, dass jegli$e Art von Literatur von Beginn an verwendet werden kann, und begründet seine Si$tweise damit, dass das Verfahren der GTM explizit vorsieht, Konzepte und Hypothesen aus den Daten zu generieren. In der frühzeitigen Verwendung der fa$bezogenen Literatur sieht Glaser die Gefahr, dass Fors$ende do$ wieder hypothetiko-deduktiv verfahren. Insgesamt würde das theoretis$e Vorwissen bei ihm also eher als Hintergrundwissen fungieren und den ersten Zugang zum Feld weitaus weniger steuern, als dies bei dem Vorgehen na$ Strauss und Corbin der Fall sein kann (vgl. hierzu au$ Mey & Mru% !""#). Heath (!"")) gibt ebenfalls zu bedenken, wel$e Gefahren ein frühes und intensives Studium der Literatur zur Folge haben kann: „The result would be a constructed theory, supporting what was already known, rather than emergent theory providing new insights“ (S.,!"). Unseres Era$tens ist im Vorfeld bzw. zu Beginn einer Erhebung kaum zu ents$eiden, wel$e Vorgehensweise die „ri$tigere“ ist, da beide Standpunkte dur$aus plausibel sind. In unserer Fors$ungspraxis hat si$ bewährt, die Frage der theoretis$en Sensibilität 2exibel zu handhaben. Dies begründet si$ vor allem darin, dass der Einsatz von Literatur oder (berufs-) biogra/s$em Vorwissen zu Beginn der Erhebung ni$t eine Ents$eidung von „ja“ oder „nein“, sondern vielmehr eine graduelle Frage ist. Eine völlige Unvoreingenommenheit ist aufgrund der Wahrnehmungsweisen von sozialer Realität praktis$ gar ni$t mögli$. Um soziale Realität überhaupt erfassen zu können, müssen Typologisierungen vorgenommen werden (vgl. S$ütz '#*,), mithilfe derer neue Situationen erfasst werden können. Ein simples Beispiel hierfür ist, dass wir eine Pla+e mit vier Beinen ni$t bei jeder Begegnung neu erkunden. Vielmehr glei$en wir diese Wahrnehmung mit unseren Vorkenntnissen ab und typologisieren diesen Gegenstand als „Tis$“. Jegli$e Wahrnehmung von sozialer Realität verläu& also über – zumeist unbewusst ablaufende – Verglei$e
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Theoretis$es Sampling in Quali/kationsarbeiten
mit Bekanntem. Au$ wenn Fors$ende meinen, völlig ohne Vorannahmen ins Feld zu gehen, können sie zumindest ihre Alltagserfahrungen ni$t vollkommen ablegen. Gerade wenn diese Tatsa$e ni$t re2ektiert wird, besteht die Gefahr, dass dieses Vorwissen unbemerkt den Fors$ungsprozess und die Ergebnisse beein2usst.9 Au$ das Wissen über theoretis$e und empiris$e Zusammenhänge ist nur s$werli$ komple+ auszublenden. Übertragen auf die Frage, wie viel Vorwissen für die Erhebung der ersten Daten notwendig ist, bedeutet dies, dass wir stets mit einem gewissen Grad an Vorkenntnissen an den Fors$ungsgegenstand herantreten. Wie sollte man au$ sonst ein spezi/s$es Fors$ungsinteresse entwi%eln oder eine Ents$eidung darüber tre1en können, ob die Vorgehensweise der GTM angemessen ist. Vor diesem Hintergrund ist die Ents$eidung darüber, wie das Vorwissen genutzt wird, gradueller Natur. Die Frage, wie viel und wel$e Literatur zu Beginn des Fors$ungsprozesses herangezogen wird, kann deshalb legitimer Weise dur$aus dur$ pragmatis$e Beweggründe beein2usst sein. Viellei$t verfügen gerade junge Fors$er/innen zunä$st nur begrenzt über die sogenannten grand theories, aus denen Rü%s$lüsse für das Samplingvorgehen abgeleitet werden können. Viellei$t kann aus der feldspezi/s$en Literatur keine plausible Begründung für die Auswahl der ersten Fälle abgeleitet werden oder der Fors$er/die Fors$erin verfügt über keine spezi/s$en Vorerfahrungen in dem interessierenden Fors$ungsfeld. Dann sollte man si$ zumindest das Minimum an zur Verfügung stehenden Vorkenntnissen bewusst ma$en und darauf die erste Datenerhebung begründen (siehe au$ Fußnote '" und !-). Auf der anderen Seite ist es aber au$ denkbar, dass si$ die Phase der Datenerhebung verzögert, was insbesondere aufgrund des engen Zeitrahmens bei Quali/kationsarbeiten mitunter erfordert, dass bereits im Vorfeld der Erhebung Literaturarbeit geleistet wird. Die Ents$eidung, wann wel$e Form des Vorwissens in den Fors$ungsprozess einbezogen wird, hängt also o& mals von unters$iedli$sten Rahmenbedingungen ab. Was wir zeigen wollen ist, dass die Fors$enden in vielen Fällen pragmatis$e Ents$eidungen tre1en und die beiden vorges$lagenen Verfahrensweisen kreativ nutzen sollten. Um der Vorgehensweise na$ der GTM gere$t zu werden, müssen dabei aber zwei Punkte bea$tet werden. Erstens ist es aus unserer Perspektive dringend erforderli$, den Stellenwert, den Glaser der Literaturarbeit im Vorfeld der Untersu$ung beimisst zu berü%si$tigen. Wird bereits zu Beginn des Fors$ungsprozesses jegli$e Form des Vorwissens genutzt, dann ist zu bea$ten, dass es si$ um ein Hintergrundwissen handelt. Die Verwendung des Vorwissens darf si$ ni$t darin äußern, dass konkrete Probleme des Untersu$ungsfeldes bestimmt oder sogar Hypothesen über empiris$e Zusam-
9
Hierauf weist au$ Kathy Charmaz (!""), !""#, und in diesem Band) mit ihrem konstruktivistis$en Ansatz der GTM hin. Demna$ sollten si$ die Fors$enden stets darüber bewusst sein, dass sie ni$t nur die Konstruktionen der untersu$ten Personen na$vollziehen, sondern das Ergebnis ihrer Fors$ung selbst stets als Konstruktion zu begreifen ist (siehe dazu au$ besonders Mru% & Mey !""*).
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menhänge formuliert werden. Diesen Charakter der theoretis$en Sensibilität betont au$ Charmaz zur Abgrenzung der GTM von deduktiven Fors$ungsverfahren: „In short, sensitizing concepts and disciplinary perspectives provide a place to start, not to end. Grounded theorists use sensitizing concepts as tentative tools for developing their ideas about processes that they de/ne in their data. If particular sensitizing concepts prove to be irrelevant, then we dispense with them. In contrast, the logico-deductive model of traditional quantitative resear$ necessitates operationalizing established concepts in a theory as accurately as possible and deducing testable hypotheses about the relationships between these concepts. In this model, the resear$ is lo%ed into the original concepts“ (!""), S.'*).
Es geht also um eine Sensibilität für das Feld, um die Entwi%lung und Nutzung heuristis$er Konzepte, ni$t aber von fest gefügten Erklärungsmodellen. Zweitens ist es für die Na$vollziehbarkeit der Fors$ung bedeutend, si$ dieses Vorwissen – glei$ wel$er Form oder Herkun& – deutli$ zu ma$en.10 „Die bewusste Explikation des eigenen Vorwissens erlaubt au$ eine selbstkritis$e Korrektur dieser Vorannahmen. Und genau darum geht es: Der Fors$ungsprozess wird als systematis$e Modi/kation der heuristis$en Vorannahmen, somit als Lernprozess verstanden. Der wüns$enswerten Klarheit der gewählten Fors$ungsfrage(n) steht ein methodis$es ‚Misstrauen‘ in Bezug auf die Eingangserwägungen gegenüber. Freili$, nur wenn i$ weiß, was i$ erfors$en will, kann i$ mi$ von dem überras$en lassen, woran i$ ni$t im Traum geda$t ha+e. Deshalb steht ein ‚sensibilisierendes Konzept‘ (Blumer) am Anfang des Fors$ungsprozesses“ (Alheit '###, S.'").
Na$dem wir versu$t haben, die Rolle der theoretis$en Sensibilität für den Beginn der Fors$ung zu diskutieren, wollen wir nun auf ihre Bedeutung für die konkrete Umsetzung in der ersten Erhebungsphase zu spre$en kommen, die in der Literatur kaum diskutiert wird. Zunä$st ist die Gefahr groß, si$ zu Beginn der Erhebung zu viel vorzunehmen. Dies dür&e gerade für Anfänger/innen zum Problem werden. Der Fors$ungslogik der GTM folgend ma$en die 2eißigen Studierenden beispielsweise biogra/s$-narrative 10 Die einfa$ste Form der Bewusstma$ung der Vorannahmen ist die Vers$ri&li$ung der zugrunde liegenden heuristis$en Konzepte, also der vorläu/gen Annahmen über den Fors$ungsgegenstand. Die Ausformulierung dieser Annahmen gewährleistet ni$t nur die Na$vollziehbarkeit der Fors$ungss$ri+e, sondern dokumentiert au$ die Weiterentwi%lung der Vorannahmen. Au$ Glaser und Strauss/Corbin weisen auf die Bedeutung der Vers$ri&li$ung hin, indem sie Fors$ende dazu anhalten, den Fors$ungsprozess dur$ das Anfertigen von Memos zu begleiten; vgl. Strauss ('##0 ['#(*]), Charmaz (!""), S.'"-), Corbin und Strauss (!""() sowie Corbin in diesem Band zur besonderen Bedeutung des Memo-S$reibens im Prozess des theoretis$en Samplings. Sehr hilfrei$ für den Na$vollzug der Fors$ung ist au$ das Anlegen eines Fors$ungstagebu$s, in dem alle Entwi% lungen und Erkenntnisse festgehalten werden können.
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Theoretis$es Sampling in Quali/kationsarbeiten
Interviews mit den Spätstudierenden, befragen Studienberater/innen, beoba$ten ethnogra/s$ die Wirkung der Ar$itektur erster universitärer Anlaufstellen für Studienbeginner/innen, kommen auf die Idee, die Seminar- und Vorlesungsräume per Fotoanalyse zu untersu$en und planen s$ließli$ no$ eine Dokumentenanalyse von „Me%erkästen“ in Fa$s$a&sräumen. Auf diese Weise entsteht s$nell ein Berg an auszuwertenden Materialien, der von Einzelnen niemals angemessen ausgewertet werden kann. Es emp/ehlt si$ also, das heuristis$e Konzept soweit zu konkretisieren, dass das Fors$ungsinteresse und damit au$ das Fors$ungsfeld übers$aubar bleibt. Im Sinne der Fors$ungspragmatik sollte man si$ unbedingt im Austaus$ mit dem Betreuer/der Betreuerin oder mit anderen Fors$enden vor Beginn der Studie überlegen, wie viel Zeit und wie viel Arbeitskra& zur Verfügung stehen, um das Datenmaterial angemessen erheben und bearbeiten zu können (vgl. au$ Abs$ni+ 0), und dann die Fragestellung und das heuristis$e Konzept dementspre$end anpassen. Konnte aufgrund der Fragestellung und des heuristis$en Konzepts ein bestimmter Gegenstand oder eine bestimmte Personengruppe eingegrenzt werden, so stellt si$ im Ans$luss die Frage, wie der Feldzugang hergestellt werden kann. Dieser S$ri+ ist zu Beginn des Fors$ungsprozesses ni$t zu unters$ätzen. Je enger der persönli$e Kontakt zum Feld ist, desto einfa$er ist der Zugang zu Interviewpartner/innen,11 je ferner, desto mehr Aufwand muss betrieben werden, um potenzielle Interviewpartner/innen davon zu überzeugen, die Fors$enden in ihrem Vorhaben zu unterstützen. In einem sol$en Fall gewinnt die Ausformulierung von Vorannahmen einen sehr konkreten fors$ungspraktis$en Nutzen. Natürli$ mö$ten die Interviewpartner/innen wissen, wozu die Erhebung gema$t wird, warum gerade sie angespro$en werden und was mit den Ergebnissen ges$ ieht. Um diese legitimen Fragen beantworten zu können, ist es wi$tig, ein plausibles heuristis$es Konzept parat zu haben. Völlig ohne Vorannahmen lassen si$ eigentli$ nur „natürli$e Daten“ erheben, Daten also, die vorhanden sind (Dokumente, authentis$e Situationen etc.). Darüber hinaus ist bei der Frage des Feldzugangs zu bea$ten, dass es bei einigen Fragestellungen aufgrund der „Vers$lossenheit“ des Feldes ni$t immer mögli$ ist, die Daten zu erheben, die gebrau$t würden. Strauss und Corbin ('##) ['##"]) raten in einem sol$en Fall eine Kombination aus einem „gezielten“, einem „systematis$en“ und einem „zufälligen“ Sampling (S.',,.1.): Gezielt samplen meint, eben genau die Daten zu erheben, von denen angenommen werden kann, dass sie wi$tige Informationen für die Beantwortung der Fors$ungsfrage enthalten und die es ermögli$en, Verglei$e hinsi$tli$ der Eigens$a&en und Dimensionen relevanter Kategorien anzustellen. Dahingegen bedeutet systematis! zu samplen, dass einer konkreten Strategie gefolgt wird. In der Fors$ungssituation gestaltet si$ diese 11 Diese Nähe erlei$tert zwar einerseits den Feldzugang, andererseits besteht jedo$ die Gefahr der unre2ektierten Voreingenommenheit in Bezug auf Vorannahmen zur Fors$ungsfrage und der Vereinnahmung dur$ das Feld in besonderem Maße.
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dann z.3B. derart, dass man mit einer bestimmten Person oder einem Ort beginnend, sukzessive und geplant weitergeht. Besonders zu Beginn des Fors$ungsprozesses, aber au$ begleitend im Sinne einer O1enheit für neue „Entde%ungen“, era$ten Strauss und Corbin ein zufälliges Sampling als sinnvoll, dass nämli$ „die Selektion der Interviewpartner oder Beoba$tungsplätze ziemli$ wahllos“ (S.',)) verlaufen solle. Grund hierfür ist, dass theoretis$ relevante Konzepte und Kategorien im Sinne von Auswahlkriterien für das weitere Sampling zumeist erst in der Analyse erster Daten entwi%elt werden können: „Da wir ja ni$t si$er sind, wel$e Konzepte theoretis$ relevant sind, werden wir an diesem Punkt die günstigen Plätze, Personen oder Dokumente zum Na$weis unserer Konzepte no$ ni$t kennen“ (S.',-). Wann si$ wel$e Strategie anbietet, hängt in hohem Maße von dem interessierenden Fors$ungsfeld ab. Um dies zu verdeutli$en, wollen wir an dieser Stelle unters$iedli$e Beispiele aus eigenen Projekten vorstellen. In Vera Volkmanns12 Untersu$ung (!""() mit dem Titel „Biographis$es Wissen von Lehrerinnen und Lehrern. Der Ein2uss lebensges$i$tli$er Erfahrungen auf berufli$es Handeln und Deuten im Fa$ Sport“ sollten anhand von biogra/s$ narrativen Interviews die Lebenswege der Pädagog/innen na$gezei$net und hinsi$tli$ der Rolle biogra/s$er Erfahrungen für die Entwi% lung eines professionellen Selbstverständnisses13 analysiert werden (vgl. Reinartz !""0a). Als potenzielle Interviewpartner/innen galten in der ersten Erhebungsphase zunä$st also alle Sportlehrerinnen und Sportlehrer. Die Fors$erin ha+e als Sportpädagogin einen relativ guten Zugang zum Untersu$ungsfeld. Zu Beginn ihrer Untersu$ung führte sie ein Interview mit einer Sportlehrerin, die über vielfältige sportli$e Erfahrungen, aber au$ über Erfahrungen als Übungsleiterin verfügte aus der Zeit vor Beginn ihres Sportstudiums.14 Auf der Basis dieses gezielten ersten Interviews entwi%elte Volkmann erste Konzepte und Kategorien. So konnte sie gezielt weiter erheben und si$ dabei an den ersten Erkenntnissen orientieren. Stellte si$ beispielsweise heraus, dass die Dimension der breitensportli$en Ausri$tung15 relevant war für den professionellen Habitualisierungsprozess, so wählte sie für das nä$ste Interview einen Lehrer oder eine Lehrerin mit einer leistungssportli$en Vergangenheit. Aufgrund der Nähe zum Feld war also ein gezieltes Sampling mögli$ und sinnvoll. 12 Vormals Reinartz. 13 In Anlehnung an Terhart ('###) versteht Volkmann „pragmatis$e Professionalität im Lehrerberuf [als] berufsbiographis$es Entwi%lungsproblem“. Dieses wird als ein Problem der Ans$ lussfähigkeit lebensges$i$tli$er Erfahrungen an die Anforderungen eines berufli$en Feldes rekonstruiert. Das Interesse der Arbeit lag in der Erfors$ung der Eigens$a&en und der Dimensionalisierung dieses Zusammenhanges für das konkrete sportpädagogis$e Handlungsfeld. 14 Diese Interviewpartnerin verfügte also bereits über vers$iedenartige lebensges$i$tli$e Erfahrungen mit dem „Phänomen Sport“, bevor der Professionalisierungsprozess einsetzte. Für Auskünfte zur Fors$ungsfrage s$ien sie daher besonders geeignet. 15 Im kontrastiven Fallverglei$ stellte si$ dann heraus, dass vermeintli$e Kontrastfälle auf der Ebene der si$ entwi%elnden Kategorien eine größere Nähe aufwiesen, als es zum Zeitpunkt des Interviews angenommen worden war. So entfaltete si$ das Sample im Prinzip erst in der tiefer gehenden Analyse im Verlauf des Fors$ungsprozesses.
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Manuela Kaiser-Belz (!""() untersu$te in ihrer Doktorarbeit aus der Perspektive von Teilnehmenden an Mentoring-Programmen16, wel$e die berufli$e Glei$stellung von Männern und Frauen vorantreiben sollten, wie Ges$le$t in diesem Glei$stellungskontext in seiner Bedeutung für Berufskarrieren konstruiert wurde. In diesem Fall bestand weniger Kontakt zu dem Untersu$ungsfeld. Da diese Programme an Institutionen gebunden sind, verlief die Anfrage zumeist über eine o4zielle Kontaktadresse. Wenn eine Kooperationsbereits$a& vorlag, musste zusätzli$ die Zustimmung der Mentor/innen und Mentees eingeholt werden. Die Fors$erin fragte deshalb mögli$st viele Institutionen an und nahm all diejenigen, die si$ an der Untersu$ung beteiligen wollten, in ihr Sample auf. So enthält das Sample Mentoring-Programme verschiedener deutscher Wirtschaftsunternehmen und Ho$s$ulen, deren Mentees und Mentor/innen si$ für eine Befragung zur Verfügung stellten. Die Auswahl der Ho$s$ulen bzw. Unternehmen für die Untersu$ung wurde insoweit zwar einerseits aufgrund der theoretis$en Sensibilisierung für den Gegenstand getro1en, andererseits spielte die Verfügbarkeit von Kooperationspartner/innen eine wesentli$e Rolle.17 Dies wäre ein Fall des systematis!en Sampling, bei dem die Konkretisierung des heuristis$en Konzepts zugunsten einer fors$ungspragmatis$en Vorgehensweise in den Hintergrund tri+.18 Inga Trus$kat (!""() ist in ihrem Projekt „Kompetenzdiskurs und Bewerbungsgesprä$e“ der Frage na$gegangen, wel$en Ein2uss das diskursive Phänomen „Kompetenz“ auf die Auswahlents$eidungen in Bewerbungsgesprä$en hat.19 Dazu 16 Mentoring bezei$ net die Beziehung zwis$en einer (berufs-) erfahrenen, meist älteren Person (Mentor/in) und einer meist jüngeren Person (Mentee), die eine berufli$e Karriere anstrebt. Die Mentorin oder der Mentor soll dem/der Mentee in berufli$en Belangen und bei persönli$en Ents$eidungen Unterstützung gewähren und helfen, unges$riebene Regeln einer Organisation zu verstehen. Seit Ende der '##"er Jahre wird Mentoring in vielen Ho$s$ulen, Organisationen und Unternehmen der Privatwirts$a& als Glei$stellungsinstrument zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen und anderen bislang von Männern dominierten Berei$en eingesetzt (vgl. Haasen !""'; Kaiser-Belz !""(). 17 So konnten entspre$end theoretis$er Vorannahmen vers$iedene Typen von Mentoring-Programmen in das Sample aufgenommen werden (Cross-/Internes Mentoring-Programm, weibli$e/gemis$t-ges$le$tli$e Mentor/innen). Allerdings sollten Cross-Mentoring-Programme und externe Mentoring-Programme, bei denen die Mentees und die Mentor/innen in jeweils vers$ iedenen Unternehmen/Organisationen tätig sind, ursprüngli$ aufgrund der ers$werten Analysemögli$ keit der verges$le$tli$ten Organisationskultur, die den Kontext für die Mentor/innen-Mentee-Beziehung bildet, ni$t im Sample berü%si$tigt werden. Dur$ die Aufnahme eines Cross-MentoringProgramms in das Sample musste dann do$ der Ein2uss vers$ iedener Organisationskulturen auf die Gestaltung der Mentoring-Beziehungen berü%si$tigt werden und erforderte insofern eine Anpassung des heuristis$en Konzepts. 18 Die einges$ränkte Mögli$ keit der gezielten Erhebung weiterer Daten im Fors$ungsprozess und deren Konsequenzen für die Überprüfung und Di1erenzierung der si$ aus dem ersten Sample andeutenden relevanten Kategorien muss natürli$ bei der Entwi%lung einer GT re2ektiert werden. Mit einem Verweis auf die GTM als Strategie gegenstandsbezogener Theoriebildung (vgl. Strauss & Corbin '##), S.IX) bedeutet dies, dass den Fors$enden der Gegenstand, über den theoretis$e Aussagen getro1en werden sollen, klar sein und dieser Prozess Lesenden gegenüber transparent gema$t werden muss. 19 Empiris$e Grundlage des Fors$ungsprojekts bildet die Triangulation von zwei vers$ iedenen Datentypen (vgl. au$ Trus$kat !"''b). Neben der diskursanalytis$en Auswertung der Textdaten
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wurde zunä$st eine diskursanalytis$e Auswertung von Texten über Kompetenz vorgenommen.20 Datenbasis waren also alle Publikationen, die si$ mit dem Thema Kompetenz auseinandersetzten. Grundlage für eine erste Ents$eidung, wel$e Texte aus der Vielzahl an Publikationen für die Analyse ausgewählt werden sollten, stellte ein heuristis$es Konzept dar, bei dem u.3a. Unters$iede in der Auseinandersetzung mit dem Thema bei vers$iedenen Disziplinen (beispielsweise den Wirts$a&swissens$a&en und der Pädagogik) vermutet wurden. Aufgrund der lei$ten Zugängli$keit von Material (in diesem Fall handelt es si$ um Bibliotheksre$er$en) konnten gezielt Texte ausgewählt werden, die sol$e Kontrastierungen zuließen. Die ständige Verfügbarkeit der Texte erlaubte außerdem, die Daten systematis$ zu bearbeiten.21 Darüber hinaus wurden aber au$ Dokumente in die Untersu$ung einbezogen, wel$e die Fors$erin zufällig während ihrer Bibliotheksre$er$e entde%t ha+e und die si$ als potenziell relevante Kontrastfälle herausstellten. Bei diesem Vorgehen wurden somit das gezielte, das systematis!e und das zufällige Sampling miteinander verbunden. S$ließli$ stellt si$ gerade in den sozial- und geisteswissens$a&li$en Disziplinen häu/g das Problem, dass die interessierenden Phänomene in der Regel ni$t o1enkundig „zu entde%en“ sind, gerade dann, wenn man si$ hauptsä$li$ auf theoretis$-abstrakte Literatur bezieht. Wenn man also für unsere Studie über Spätstudierende anhand der Bourdieus$en Theorie zu dem S$luss kommt, dass es wi$tig ist, Personen mit unters$iedli$er Herkun& und somit unters$iedli$en Habitusformen zu untersu$en, liefern diese Charakteristika keine unmi+elbaren Kriterien zur Diskriminierung dieser Studierenden. Als Fors$er/in wäre es also trotz der Verfügung über ein heuristis$es Konzept und einem evtl. guten Zugang zum Feld ni$t mögli$, ein „gezieltes Sampling“, S.',,) dur$zuführen. Einfa$ gesagt: Man kann ni$t wissen, wer zu wel$er Gruppe Studierender gehört, und es ist deshalb s$wierig, die „ri$tigen“ Personen zu befragen. Dann bietet es si$ au$ an, auf ein systematis$es und/oder zufälliges Sampling zurü%zugreifen. Strauss und Corbin betonen diesbezügli$: „Viellei$t dauert es länger, Prozess und Variation aufzude%en und Di$te zu errei$en, wenn Sie eher na$ der Chance gehen (das, was errei$bar ist) als na$ Auswahl vorgehen. Aber es ist ma$bar, und zwar erfolgrei$“ ('##), S.',*.f.).
über Kompetenz basierte die zweite empiris$e Ebene auf aufgezei$ neten Bewerbungsgesprä$en. Aufgrund der unters$iedli$en Zugängli$ keit der Daten variierten au$ die Samplingstrategien re$t stark. Aus Gründen der Ans$auli$keit wird hier nur auf die dur$geführte Diskursanalyse Bezug genommen. 20 Zur Kombination von Diskursanalyse und GTM siehe Trus$ kat (!"''a) sowie Keller (!""0) und Diaz-Bone (!"",). International hat vor allem Adele E. Clarke (!"",, !""# und in diesem Band) die Weiterentwi%lung der GTM in eine poststrukturalistis$e Ri$tung vorangetrieben. 21 Dies kann z.3B. so aussehen, dass ausgehend von der Analyse eines wirts$a&swissens$a&li$en Textes über soziale Kompetenz ein pädagogis$er Text über das glei$e Thema ausgewählt wird; ans$ließend wiederum ein pädagogis$er Text zum Thema kommunikative Kompetenz usw.
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Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass die Ausformulierung der Fragestellung und des heuristis$en Konzepts für die Erhebung der ersten Daten eine wi$tige Rolle spielt. Dabei ist aber zu bea$ten, dass es si$ ni$t um vorgefertigte Hypothesen handeln darf, sondern um Aufmerksamkeitsri$tungen, um eine Sensibilität für den Fors$ungsgegenstand, die ein bestimmtes Maß an O1enheit bewahrt. Wel$e konkrete Rolle die heuristis$en Konzepte für die erste Datenerhebung spielen, hängt stark von dem Fors$ungsinteresse und den Zugangsmögli$keiten zum Feld ab. Der Verweis auf die jeweilige fors$ungspragmatis$e Umsetzbarkeit erlei$tert gerade unerfahreneren Fors$enden ni$t unbedingt die Umsetzung des Sampling, bietet auf der anderen Seite aber au$ Mögli$keiten, das Verfahren dem eigenen Fors$ungsprozess anzupassen. Wi$tig ers$eint uns, dass man bereits zu einem sol$ frühen Zeitpunkt des Fors$ungsprozesses den Austaus$ mit anderen su$t und si$ dadur$ eine Si$erheit in der Vorgehensweise vers$a5.22 Dies ist au$ zu späteren Zeitpunkten der Untersu$ung, wenn das Sampling weiter vorangetrieben werden soll, immer wieder ents$eidend. Im folgenden Abs$ni+ wollen wir nun auf diese weiteren Samplings$ri+e eingehen. 3
Auf der Su!e na! weiteren Daten: Zirkularität im Fors!ungsprozess und permanenter Verglei!
Glaser und Strauss betonen, dass es bei der weiteren Datenerhebung insbesondere darum gehe, si$ bei der Su$e na$ Verglei!sfällen zunä$st von den Ergebnissen der Auswertung der ersten Daten leiten zu lassen. „Das Basiskriterium, wel$es die Auswahl von Verglei$sgruppen zur Entde%ung von Theorie bestimmt, ist deren theoretis! e Relevanz für die Ausarbeitung emergenter Kategorien. Der Fors$er wählt so viele Gruppen, wie ihr Verglei$ ihm dabei hil&, mögli$st viele Eigens$a&en von Kategorien zu generieren und diese aufeinander zu beziehen“ ('##(, S.,*).
Daran wird deutli$, dass das Ziel des weiteren Sampling sein muss, die aus den ersten Daten gewonnenen Erkenntnisse zu di1erenzieren, zu festigen und zu veri-
22 So stellten wir beispielsweise unsere Promotionsprojekte regelmäßig im DoktorantInnen Netzwerk Qualitative Sozialfors!ung (DINQS), dem wir als Mitinitiatorinnen angehörten, zur Diskussion. Dieses Netzwerk ist ein selbstgegründeter Diskussionszusammenhang mit dem Ziel, die eigene Arbeit, aber au$ alle weiteren Themen rund um Quali/ kation und Ho$s$ule gemeinsam zu bearbeiten. Das Netzwerk besteht bereits seit !""' und zei$ net si$ dur$ Interdisziplinarität und Themenvielfalt mit dem Interesse an qualitativer Sozialfors$ung als gemeinsamem Bindeglied aus (vgl. Dinqs !""); Reinartz !""0b). Vgl. für eine aktuelle Übersi$t über Fors$ungswerkstä+en im deuts$spra$ igen Raum h+ p://www.qualitative-fors$ung.de/information/akteure/fors$ungswerkstae+en/ [Zugri1: !".''.!"'"].
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/zieren.23 Dies ges$ieht mi+els einer Maximierung oder Minimierung der Di1erenzen zwis$en den Verglei$sfällen. Während die Erhebung von Kontrastfällen dazu dient, etwaige neue relevante Kategorien zu entde%en und ihre Ausprägungen auszudi1erenzieren, führt die Erhebung von Minimalverglei$en zu einer Konsolidierung des Kategoriensystems (S.)-). Wel$e Fälle Maximal- und wel$e Minimalverglei$e darstellen, spri$ wel$e theoretis$e Relevanz sie haben, hängt na$ diesem Verfahren eng mit dem jeweiligen Fors$ungsinteresse zusammen. Für unsere Beispieluntersu$ung könnte das bedeuten, dass wir anhand eines biogra/s$en Interviews mit einer Spätstudierenden herausarbeiten konnten, dass der Eintri+ in die Ho$s$ule einen Bru$ mit dem bildungsfernen Herkun&smilieu zur Folge ha+e. Um feststellen zu können, ob es si$ hier um eine individuelle Besonderheit handelt oder ob si$ darin eine strukturelle Logik abbildet, bietet es si$ an, eine weitere Person zu interviewen, die ebenfalls aus einem bildungsfernen Milieu stammt. Neben diesem minimalen Verglei$ sollte au$ ein maximaler Verglei$ angestrebt werden, was in diesem Fall bedeuten würde, eine Spätstudierende zu interviewen, die aus einem bildungsnäheren Milieu stammt. Grundlegend für das Vorgehen beim theoretis$en Sampling ist demna$ die Methode des permanenten Verglei!s. Der Begri1 wurde bereits '#), von Barney G. Glaser in einem Artikel in der Zeits$ri& Social Problems eingeführt24 und bes$reibt quasi „eine spiralförmige Hin- und Herbewegung zwis$en theoretis$ angeleiteter Empirie und empiris$ gewonnener Theorie“ (Dausien '##), S.#-). Die We$ selseitigkeit im Verhältnis zwis$en Theorie und Empirie bezieht si$ also sowohl auf die Auswertung des erhobenen Datenmaterials (Kodierung) als au$ auf die sukzessive Erhebung der Daten, die in einem engen We$selverhältnis zueinander stehen. Ausgehend von der unters$iedli$en Auffassung von Glaser und Strauss, was die Verwendung der Literatur in einem sol$en Fors$ungsprozess betri5, entwi%elten die beiden Autoren au$ tlw. vers$iedene Kodierverfahren und in diesem Zusammenhang au$ vers$iedene Ideen zum weiteren Vorgehen des theoretis$en Sampling. Im Folgenden soll deshalb knapp auf die jeweiligen Kodierverfahren eingegangen und das entspre$ende Samplingvorgehen dargestellt werden. Glaser ('#*() vertri+ die Auffassung, dass bereits im Zuge des o1enen Kodierens, also im Rahmen der ersten analytis$en Zuwendung zum Datenmaterial, die gegenstandsbezogenen Kodes25 zu Kategorien und einem theoretis$ konsistenten Netzwerk zu verdi$ten sind. Dies ges$ieht, indem die einzelnen Interpretationen, 23 Das Verhältnis von Thesengenerierung und -veri/kation im Rahmen der GTM stellt in späteren Verö1entli$ungen einen Gegenstand der Kontroverse zwis$en Glaser und Strauss dar. Während Glaser die GTM auss$ließli$ als theoriegenerierende Methode versteht, sieht Strauss gerade die we$ selseitige Generierung und Veri/kation von theoretis$en Erkenntnissen als zentrale Aufgabe der GTM (zur übersi$tli$en Darstellung der unters$iedli$en Positionen vgl. Kelle '##0 und in diesem Band). 24 Dieser Artikel ist in dem '#)* ers$ienenen Bu$ „Discovery of Grounded Theory“ von Glaser und Strauss als fün&es Kapitel unverändert abgedru%t. 25 Unter Kodes versteht Glaser ('#*() die Zuordnung von Bezei$ nungen zu bestimmten Ereignissen im Datenmaterial.
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die aus dem Material gewonnen werden, direkt miteinander vergli$en und in Beziehung gesetzt werden. In einem zweiten S$ri+, dem selektiven Kodieren, geht es na$ Glaser dann um die Ausarbeitung der Kernkategorie und der theoretis$en Beziehungen der anderen Kategorien zu dieser Kernkategorie. Die Entwi%lung der Kategorien bei Glaser basiert also von Anfang an auf dem permanenten Verglei$ des Datenmaterials miteinander bzw. mit den sukzessive gewonnenen Kodes und Kategorien. Infolgedessen muss das theoretis$e Sampling zum einen sol$e Verglei$e ermögli$en und zum anderen die O1enheit besitzen, si$ von den entstehenden Kategorien leiten zu lassen. Der/die Forschende beginnt – so Glaser – „with open coding which leads him to sample in all directions which seem relevant and work. Later on when the researcher discovers his core variables – the basic social problem and process – his sampling becomes selective along the lines of his focus on the central issues of his emerging theory“ ('#*(, S.0)).
Glaser betont hier also explizit, dass si$ das weitere Sampling an die si$ aus den Daten entwi%elnden Erkenntnisse anlehnen solle. Anders als Glaser entwi%elten Strauss und Corbin in ihrer viel zitierten Verö1entli$ung „Grounded Theory. Grundlagen qualitativer Sozialfors$ung“ ('##) ['##"]) einen dreistu/gen Kodierprozess, der aus dem o1enen, dem axialen und dem selektiven Kodieren besteht, wobei sie mit den jeweiligen Kodiers$ri+en eine je spezielle Samplingstrategie verbinden. Im Rahmen des o1enen Kodierens geht es zunä$st um das „Aufbre$en“ des Datenmaterials. Charmaz beschreibt diesen Prozess wie folgt: „Coding means categorizing segments of data with a short name that simultaneously summarize and accounts for each piece of data. Your codes show how you select, separate, and sort data to begin an analytic accounting of them“ (!""), S.0-). In einem zweiten S$ri+ werden die so gewonnenen Kodes miteinander in Beziehung gesetzt und zu Kategorien zusammengefasst. Das Sampling, das im Rahmen des o1enen Kodierens sta+/ndet, entspri$t im Grunde den oben bes$riebenen ersten Feldzugängen. Zielsetzung ist hierbei, theoretis$ relevante Kategorien und ihre Eigens$a&en und Dimensionen aufzude%en und das sensibilisierende theoretis$e Konzept hinsi$tli$ seiner empiris$en Relevanz zu überprüfen. Das Sampling sollte deshalb gegenüber den Personen, Plätzen, Situationen etc. o1en sein, die die größte Wahrs$einli$keit bieten, relevante Daten über das Phänomen zu gewinnen (vgl. Abs$ni+ !). In einem zweiten Analyses$ri+, dem axialen Kodieren, geht es dann um das Herstellen der empiris$en Beziehungen zwis$en den Kategorien, die im Rahmen des o1enen Kodierens entwi%elt wurden. Gemäß der Zielsetzung, der diesem Kodiers$ri+ eigen ist, geht es bei dem Sampling in diesem Untersu$ungsstadium au$ um das Sampling von Beziehungen und Variationen. Wi$tig ist dabei, so viele Unters$iede wie mögli$ zu entde%en.
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„Wenn Sie die Gelegenheit zu wählen haben, wen, was und wann sie sampeln, dann sollten Sie deduktiv vorgehen, indem Sie Hypothesen über die Beziehungen und die Unters$iede aufstellen, die auftreten können, wenn Sie die Dimensionen der Eigens$a&en eines Phänomens variieren“ (Strauss & Corbin '##) ['##"], S.',*).
Diese Aussage von Strauss und Corbin deutet explizit auf die Mögli$keit hin, auf ein deduktives Vorgehen zurü%zugreifen.26 Das bedeutet, dass das Sampling sowohl auf den aus dem empiris$en Material gewonnenen Erkenntnissen als au$ auf theoretis$ „vorgeda$ten“ Hypothesen aufbauen kann. So kann beispielsweise angelehnt an Studien über Spätstudierende, die zeigen, dass es unters$iedli$e Zugangswege zu der Ho$s$ule gibt, das Sample so fortgeführt werden, dass explizit Studierende, die über den zweiten Bildungsweg und sol$e, die über den dri+en Bildungsweg an die Ho$s$ule gelangt sind, befragt werden. Sol$e Hypothesen können aber au$ direkt aus dem Datenmaterial entwi%elt werden. Viellei$t zeigt si$ in der ersten Auswertung, dass eine ältere Frau mit Familie eine re$t ideologis$e und berufli$ weniger ambitionierte Einstellung zu ihrem späten Studium hat. Dann liegt es nahe anzunehmen, dass eine jüngere Person viellei$t viel eher eine Karriereperspektive mit dem Studium verbindet. Wenn die Kontrastierung der Fälle weiter fortges$ri+en ist, dann geht die Untersu$ung in den letzten Kodiers$ri+, in das selektive Kodieren, über. Hierbei geht es na$ Strauss und Corbin um die Ausarbeitung einer Kernkategorie und somit um die Entwi%lung der gegenstandbezogenen Theorie. An diesem Punkt der Untersu$ung dient das Sampling dann einer Konkretisierung dieser Kernkategorie und mehr oder weniger einer Veri/zierung der Verdi$tungen. Strauss und Corbin nennen diese Form des Sampling deshalb au$ das „diskriminierende Sampling“ (S.',(). Im Gegensatz zu Glaser lassen Strauss und Corbin dem Fors$er/der Fors$erin demna$ die Mögli$ keit, au$ hinsi$tli$ ihrer theoretis$en Vorannahmen zu samplen. Glaser kritisiert dieses Vorgehen vehement. Angelehnt an die si$ stets wiederholenden Einwände gegen das Konzept von Strauss und Corbin kommt er zu dem S$luss, dass „Strauss looks for his paradigm in the data, and data collection in his method is not guided by the emergent, but by testing his logically deduced hypotheses in service of his paradigm. This is just conventional veri/cational methodology: logically deduce hypotheses and test them. This method is a far cry from grounded theory which goes on what is emerging in the data as the theory is generated, and that is all“ (Glaser '##!, S.'"-).
26 Eine interessante und fors$ungspraktis$ na$gezei$ nete Position zur Bedeutung induktiven und deduktiven Vorgehens in Bezug auf die Verwendung von Literatur im Rahmen der GTM als two-way process vertri+ Heath (!""), S.,!)).
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Weiter heißt es: „The only focus that allows sampling somewhat similar to grounded theory is open coding when the analyst is looking for relevant categories“ (S.'"-). Diese Eingrenzung ist si$erli$ überzogen. Denno$ regt sie dazu an, si$ erneut bewusst zu ma$en, dass die Daten in der GTM und somit au$ beim theoretis$en Sampling eine zentrale Rolle spielen. Der deutli$e Hinweis von Strauss und Corbin, deduktiv vorzugehen, verleitet viellei$t gerade Fors$ende, die im Umgang mit dem Material ni$t so geübt sind, allzu voreilig Konzepte zu übernehmen, die dann au$ das Sample in eine zu spezi/s$e Ri$tung treiben. Ähnli$ verhält es si$ mit der Ausdi1erenzierung der einzelnen Samplings$ ri+e. Die konkrete Zuordnung der Herangehensweisen zu den Kodierabs$ ni+en suggeriert zunä$st eine Hilfestellung für unerfahrene Fors$er/innen. Aber au$ hier sehen wir die Gefahr eines zu s$ematis$en Vorgehens. Obglei$ Strauss und Corbin ihr Verfahren dur$ die Form der ans$auli$en Darstellung si$er keineswegs s$ematisieren wollten, hat der positive E1ekt der Na$vollziehbarkeit den Na$teil, dass die einzelnen S$ri+e zu hermetis$ abgearbeitet werden könnten. Glaser geht sogar so weit, dass er unterstellt, dass si$ die Samplings$ri+e ganz von selbst im Prozess ergäben und somit keine methodologis$e Hilfe bieten würden ('##!, S.'"!). Au$ diese Aussage können wir in ihrer Vehemenz ni$t unterstützen. Aus eigener Erfahrung hat si$ gezeigt, dass die Orientierung an Strauss und Corbin sehr hilfrei$ ist. Denno$ mö$ten wir darauf hinweisen, dass für das Gelingen eines Sampling und damit verbunden der gesamten Fors$ung na$ der GTM die nötige O1enheit ni$t abhanden kommen darf. Im Hinbli% auf die konkrete Fors$ungspraxis stellen si$ Fors$enden aber au$ an diesem Punkt Fragen, die dur$ die Literatur nur bedingt beantwortet werden können. Au$ bezügli$ des weiteren Samplingvorgehens stehen Ents$eidungen an, die von dem je spezi/s$en Fors$ungsprojekt abhängen und fallspezi/s$ getro1en werden müssen.27 Eine besonders wi$tigste Frage ist, wie die Zirkularität von Datenerhebung und Datenauswertung gewährleistet und organisiert werden kann. In der Fors$ungspraxis hängt dieses Problem o&mals mit zwei Faktoren zusammen. Zum einen ist es ents$eidend, wie die Kontakte zum Untersu$ungsfeld aussehen, zum anderen muss man die zur Verfügung stehende Zeit im Auge behalten, was gerade für Quali/kationsarbeiten (aber au$ z.3B. im Rahmen von Dri+ mi+elfors$ung) immens wi$tig ist. Zur Illustration der unters$iedli$en Rahmenbedingungen und zu deren Auswirkungen auf die Umsetzung der Fors$ung wollen wir auf die bereits vorgestellten Promotionsprojekte zurü%kommen. Erinnern wir uns zunä$st an das Projekt, bei dem Literatur zum Thema Kompetenz diskursanalytis$ ausgewertet wurde. Da das Datenmaterial in diesem Fall jederzeit verfügbar war, konnte die Fors$erin die Zirkularität der Datenerhebung 27 Vgl. hierzu au$ Drau%er, Martsolf, Ross und Rusk (!""*), die im Rahmen ihrer qualitativen Studie über den Umgang von Frauen und Männern mit sexueller Gewalt ein Auswertungsraster (theoretical sampling guide) zur systematis$en Unterstützung des Kodierprozesses entwi%elt haben.
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und Datenauswertung so umsetzen, wie es von Glaser und/oder Strauss/Corbin vorges$lagen wird. Na$dem sie erste Dokumente analysiert ha+e, konnte sie in die Bibliothek gehen und si$ na$ Dokumenten umsehen, die Maximal- bzw. Minimalverglei$e zuließen. Diese Freiheit im Zugang zum Datenmaterial ermögli$te es ihr au$, ihre Zeit gut einteilen zu können. In dem zweiten Promotionsprojekt, bei dem Sportlehrer/innen interviewt wurden, um aus den biogra/s$en Erzählungen Erkenntnisse über die Bedeutung lebensges$i$tli$er Erfahrungen für die Entwi%lung eines professionellen Selbstverständnisses zu gewinnen, gestaltete si$ der Zugang zum Feld in einer anderen Weise. Wie wir gezeigt haben, ha+e die Fors$erin in diesem Fall ebenfalls einen guten Feldeintri+. Au$ sie konnte zunä$st ein Interview führen und na$ der ersten Auswertung wieder ins Feld zurü%gehen für ein zweites Interview. Dem Anspru$ auf Zirkularität konnte also au$ sie dur$aus na$kommen. Denno$ war ihr Feldzugang ni$t so unbegrenzt, wie es im ersten Beispiel der Fall war. Sie war davon abhängig, die Bereits$a& zu Interviews einzuholen und Termine mit ihren Interviewpartner/innen zu vereinbaren. Vorab musste sie die anhand der entwi%elten Kategorien potenziell relevanten Fälle de/nieren und diese dann au$ im Fors$ungsfeld aus/ndig ma$en. Dies sind Faktoren, die in der konkreten Fors$ungspraxis Zeit kosten und deshalb unbedingt bei der zeitli$en Planung mit beda$t werden müssen. Sinnvoll kann hier die Bes$ränkung auf eine geringe Zahl von Fällen sein, die aber mit Beda$t auf Grundlage der Datenanalysen sukzessive ausgewählt werden. Hinsi$tli$ unseres letzten Beispiels, bei dem die Konstruktion von Ges$le$terverhältnissen dur$ Teilnehmende eines Glei$stellungsprogramms von Interesse war, war der Feldzugang so s$wer herzustellen, dass die Zirkularität von Datenerhebung und Datenauswertung nur sehr bedingt umgesetzt werden konnte. Da die Bereits$a& in diesem Fall sowohl von den institutionell Verantwortli$en als au$ von den jeweiligen Beteiligten eingeholt werden musste, gestaltete si$ der Feldzugang extrem zeitaufwändig und arbeitsintensiv. Es war also kaum mögli$, zunä$st einen Kontakt herzustellen und erst na$ dessen Auswertung wieder ins Feld zu gehen. Realistis$er Weise wurden in diesem Fall die Interviews in relativ enger zeitli$er Folge geführt. Das heißt zwar keineswegs, dass ni$t direkt na$ dem ersten Interview mit der Auswertung begonnen wurde, aber es bedeutete do$, dass die Mehrzahl der Interviews aus Gründen der Fors$ungs- und Zeitökonomie zu Beginn des Fors$ungsprozesses geführt wurden. Es zeigt si$ also, dass Datenerhebung – angelehnt an die GTM – sehr unters$iedli$ verlaufen kann. Da aber die Zirkularität von Datenerhebung und Datenauswertung eines der Herzstü%e der Vorgehensweise bei der Entwi%lung einer GT darstellt, stellt si$ die Frage, inwieweit es legitim ist, in der Fors$ungspraxis davon abzuwei$en. Zunä$st ist zu bedenken, dass Glaser und/oder Strauss/Corbin, wenn sie das Vorgehen na$ der Methode des permanenten Verglei$s bes$reiben, von einem Idealfall der Fors$ung na$ der GTM ausgehen. Sind die Rahmenbedingungen so wie in unseren ersten beiden Beispielen, dann sollte man si$ au$
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dur$aus an die von Glaser und/oder Strauss/Corbin dargelegte Vorgehensweise halten. Gestaltet si$ der Feldzugang wie in unserem letzten Beispiel s$wieriger, ist ein Abwei$en – soweit es für die praktis$e Umsetzung notwendig ist – legitim, wenn die Spezi/k des Fors$ungsgegenstandes bei der Analyse der empiris$en Daten und bei der Entwi%lung der GT im Fors$ungsprozess berü%si$tigt wird. Dazu müssen aber zwei Dinge bea$tet werden. Zum einen ist es äußerst wi$tig, si$ über die Abwei$ungen während des Fors$ungsprozesses im Klaren zu sein. Nur wenn das Samplingverfahren re2ektiert wird, kann es sa$li$ begründet und auf seinen mögli$en Ein2uss auf das Gesamtergebnis der Fors$ung bezogen werden. Zum anderen ist es erforderli$, si$ trotzt aller S$wierigkeiten beim Feldzugang zu vergegenwärtigen, dass au$ in einem sol$en Fall „die Datenerhebung kein abges$lossener Vorgang zu Beginn des Fors$ungsprozesses sein kann, sondern ein sukzessives Prozedere mit deutli$em S$werpunkt im ersten Stadium der Fors$ungen, jedo$ mit mögli$en Ergänzungen und Datenna$erhebungen selbst während des Auswertungsprozesses“ (Alheit '###, S.'0). S$ließli$ stellt si$ die Frage, wann die Datenerhebung na$ der GTM abges$lossen werden kann und eben keine (weitere) Datenna$erhebung dur$geführt werden muss. Deshalb wollen wir in dem letzten Abs$ ni+ auf die „theoretis$e Sä+igung“ zu spre$en kommen. 4
Wie kommt man zum Ende#? Wege zur theoretis!en Sä$igung
Die zirkuläre Abfolge von Datenerhebung und Datenauswertung verleiht dem Fors$ungsprozess die O1enheit, die nötig ist, um eine gegenstandbezogene Theorie aus der Empirie heraus zu entwi%eln. Eine sol$e Theorie ist dann errei$t, wenn alle Kategorien und alle Beziehungen zwis$en den Kategorien gut ausgearbeitet und validiert sind. Glaser und Strauss – und hier sind sie si$ überwiegend einig – spre$en in einem sol$en Fall von der theoretis!en Sä$igung. „Sä+igung heißt, daß keine zusätzli$en Daten mehr gefunden werden können, mit deren Hilfe der Soziologe weitere Eigens$a&en der Kategorie entwi%eln kann. Sobald er sieht, dass die Beispiele si$ wiederholen, wird er davon ausgehen können, daß eine Kategorie gesä+igt ist“ (Glaser & Strauss '##( ['#)*], S.)#). Somit ist die theoretis$e Sä+igung au$ das bedeutsamste Kriterium dafür, wie lange die Datenerhebung fortgesetzt werden muss. Beim theoretis$en Sampling ist es wi$tig zu bedenken, dass es im Gegensatz zum statistis$en Sampling 2exibel zu handhaben ist. Die Frage, wann die theoretis$e Sä+igung errei$t ist, liegt im Ermessen der Fors$enden und verlangt von ihnen theoretis$e Sensibilität und Erfahrung (S.*!). Gerade bei ungeübten Fors$er/ innen besteht deshalb o& mals die Gefahr, dass viel zu viele Daten erhoben werden. Nehmen wir als Beispiel unsere Untersu$ung über Spätstudierende. Wenn
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wir nun festgestellt haben, dass die ältere Frau tatsä$li$ eher eine persönli$e Bildungsaspiration mit dem Studium verbindet, während der junge Mann eher Karrieres$ri+e verwirkli$t, wer sagt uns, dass wir in dem dri+en, vierten, fün&en Interview ni$t die Konstellation haben, dass ein anderer junger Mann eine deutli$e Bildungsaspiration an den Tag legt oder eine andere Frau klare Karriereambitionen verfolgt.? Viellei$t zeigt si$ ja dann im se$sten Interview eine völlig neue Konstellation der Beziehungen, nämli$ dass die soziale Herkun& einen viel stärkeren Ein2uss auf die Studienperspektive hat, als wir bis dahin geda$t haben. Und woher wissen wir, was uns im siebten Interview erwartet.? Die Tendenz geht also dahin, dass wir weiter und weiter Daten erheben aus Sorge, etwas Ents$eidendes zu übersehen. Davor kann ni$t o& genug gewarnt werden, denn dann besteht die Gefahr, dass die Fors$enden in den Daten „untergehen“ und eher konfuse Ergebnisse zeitigen. Um unnötige Datenmassen zu vermeiden, ist es wi$tig, Vertrauen in die Daten bzw. in die emergierende Theorie zu haben. Es hat si$ in unseren Fors$ungen immer gezeigt, dass si$ soziale Phänomene viel eher wiederholten, als wir im Vorfeld annahmen. Um dies zu erkennen, ist es allerdings wi$tig, die Daten wirkli$ „aufzubre$en“ und die dahinter stehende Logik zu begreifen. Dadur$ werden vordergründig unters$iedli$e Ausprägungen minimiert und auf ein gemeinsames Prinzip hin dur$leu$tet. Bei unseren Spätstudierenden zeigt si$ im Zuge des permanenten systematis$en Verglei$ens und Kontrastierens der Fälle viellei$t tatsä$li$, dass die soziale Herkun& eine ents$eidende S$lüsselkategorie für die Studieneinstellung und die Bewältigung des Studiums ist, hinter der Alter und Ges$le$t als Kategorien zurü%treten. Hierauf weisen au$ Glaser und Strauss hin: „O1enkundig sind ni$t alle Kategorien glei$ relevant, und deshalb brau$t die Tiefe des Sampling ni$t für alle dieselbe zu sein. Theoretis$e S$lüsselkategorien, die erklärungskrä&igsten also, sollten natürli$ so vollständig wie mögli$ gesä+igt werden. Umgekehrt sollte die Untersu$ung weniger relevanter Kategorien ni$t auf Kosten der Sä+igung der S$lüsselkategorien dur$geführt werden“ (S.**).
Haben wir sol$e S$lüsselkategorien in unseren Daten /nden und deren Relevanz plausibel aufzeigen können, wiederholt si$ das Phänomen re$t s$ nell. Bei der GTM hängt die Qualität der Untersu$ung dann eben davon ab, diese Kategorien zu entde%en und ni$t davon, das theoretis$e Sampling immer weiterzutreiben und die GT wieder und wieder dur$ neue Fälle zu belegen. „Da exakte Belege für die Generierung von Theorie ni$t so ents$eidend sind, kommt es au$ ni$t unbedingt auf die Art der Belege oder die Anzahl der Fälle an. Ein einziger Fall kann eine allgemeine konzeptuelle Kategorie oder eine allgemeine konzeptuelle Eigens$a& anzeigen; ein paar Beispiele mehr mögen die Indizien bestätigen“ (S.-#).
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Das Auffinden von S$üsselkategorien ist also au$ für das Sampling ein ents$eidender S$ri+ und ist si$er eine der anspru$vollsten Aufgaben der Theoriegenerierung. „Wenn allerdings der Fors$ungsprozess sorgfältig vorbereitet wird, wenn ein ‚kontextaufklärendes‘ sensibilisierendes Konzept den Umgang mit den Daten anleitet, dann kann die Theoriegenerierung au$ als aufmerksamer ‚Dialog‘ jenes Anfangskonzepts mit den Daten bes$rieben werden, in dessen Verlauf si$ das Konzept mit neuen Informationen anrei$ert, in der Regel au$ deutli$ verändert, aber do$ sukzessive zu einer gegenstandsbezogenen Theorie ‚rei&‘. Es geht also ni$t um einen ‚genialen Geistesblitz‘ sozusagen ad hoc, sondern um [einen] ‚spiralförmigen‘ Lern- und Prüfungsprozess“ (Alheit '###, S.'*).
Es ist also wi$tig zu bea$ten, dass es si$ bei der Entde%ung der S$lüsselkategorien um einen Prozess handelt, der von sensibilisierenden Konzepten geleitet wird. Die oben dargestellte S$lüsselkategorie „soziale Herkun&“28 ergibt si$ also ni$t per se aus dem Datenmaterial, sondern resultiert aus einer spezi/s$en Aufmerksamkeitsri$tung. Soziale Realität ist äußerst viels$i$tig. So kann in einem anderen Fall die Kategorie Ges$le$t den Hauptfokus darstellen und somit das Sampling in eine andere Ri$tung leiten. Denno$ bleibt die Frage o1en, wann eine S$lüsselkategorie gesä+ igt ist und das Sampling legitim abges$lossen werden kann. Dies hat etwas mit der Rei$weite der Ergebnisse zu tun. Glaser und Strauss weisen explizit auf den Unters$ ied zwis$en materialer und formaler Theorie hin. Beide Theorietypen unters$eiden si$ hinsi$tli$ ihrer Generalität. Während die materiale Theorie Aussagen über ein spezi/s$es empiris$es Feld zulässt, werden in formalen Theorien übergeordnete und konzeptionelle Zusammenhänge entwi%elt. Formale Theorien bedürfen aufgrund ihrer Feldunabhängigkeit Daten aus vers$iedenen empiris$en Feldern (vgl. Glaser & Strauss '##( ['#)*], S.0!.1.). Hinsi$tli$ der zeitli$en Rahmung von Quali/kationsarbeiten und der Tatsa$e, dass man in der Regel alleine fors$t, liegt es nahe, materiale Theorien über einen spezi/s$en Feldauss$ni+ zu generieren. Dur$ diesen Anspru$ lässt si$ das Sample o&mals bereits erhebli$ eingrenzen. Wi$tig ist es überdies, die Fragestellung, die der Untersu$ung zugrunde liegt, na$ und na$ stärker einzus$ränken (siehe au$ Abs$ni+ !). Während zu Beginn der Untersu$ung der Spätstudierenden ganz allgemein die Bildungsverläufe interessierten, so entwi%elt si$ viellei$t im Laufe der Datenerhebung und Datenauswertung eine konkretere Fragestellung, nämli$ in wel$er Weise die soziale Herkun& eine Rolle für den Bildungsverlauf spielt. Diese Frage kann au$ no$ weiter eingegrenzt werden. Erkennt man beispielsweise, dass es für Studierende mit einem bildungsfernen Hintergrund an Universitäten im Gegensatz zu Fa$ ho$s$ulen 28 Im Gegensatz zu diesen entwi%elten Kodes und Kategorien gibt es au$ so genannte In-vivo-Kodes. In-vivo-Kodes sind Kodes, die direkt in den Daten gefunden werden, d.3h. sie werden von den Interviewpartner/innen selbst genannt.
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besondere Hürden zu überwinden gibt, dann ist es bei entspre$ender expliziter Eingrenzung der Fragestellung legitim, die Untersu$ung auf diesen Teil der Studierenden zu bes$ränken. Es emp/ehlt si$ für Quali/kationsarbeiten also unbedingt, die Rahmenbedingungen der Untersu$ung so zu setzen, dass sie erfüllbar sind. Darüber hinaus ist hinsi$tli$ des Sampling zu bea$ten, dass es ni$t immer nötig ist, zusätzli$ neue Daten zu erheben. Theoretis$es Sampling, das Entde%en von Kontrastdimensionen und Minimalverglei$en sowie das Verfahren des permanenten Verglei$ens können die Erhebung neuer Daten ebenso erfordern wie den Rü%bezug auf bereits erhobene Daten. Ein Interview, das zu Beginn der Fors$ung ausgewertet wurde, kann im Arbeitsprozess hinsi$tli$ der si$ entwi%elnden spezi/s$eren Fors$ungsfrage Erkenntnisse beinhalten, die so zuvor ni$t wahrgenommen wurden. Es geht also beim theoretis$en Sampling ni$t unbedingt darum, die Datenbasis zu erhöhen, sondern es können au$ aus der bestehenden Datenbasis heraus Verglei$e hergestellt werden. „Wir entde%en systematis$ au$ am Material Kontraste und Ähnli$keiten. D.3h. wir fahren fort, theoretis$ zu ‚samplen‘. Nur sind es jetzt ni$t mehr Fälle oder Situationen, die wir aufeinander beziehen, sondern das erhobene Datenmaterial selbst“ (Alheit '###, S.')). 5
Fazit
Abs$ließend wollen wir festhalten, dass si$ in unserer Erfahrung immer wieder bestätigt hat, dass weniger o&mals mehr ist und man selbst weitaus zufriedener mit einer guten Bearbeitung kleinerer Auss$ ni+e der sozialen Wirkli$ keit ist als mit einer di1usen Sammlung von Aussagen zu ganz vers$iedenen Gegenstandsberei$en. Von Na$wu$swissens$a&ler/innen wird in der Regel ni$t erwartet, dass am Ende einer Quali/kationsarbeit eine völlig neuartige Theorie entwi%elt wurde. Erwartet wird aber, dass eine gegenstandsbezogene Theorie entworfen wird, die neue Einbli%e erö1net, und dass Einsi$ten in den Prozess der Theoriegenerierung gewährt sowie Ideen für weiterführende Aufmerksamkeitsri$tungen entwi%elt werden. All dies muss allerdings methodis$ fundiert und anhand einer angemessenen Datenbasis entwi%elt worden sein. Was die Kriterien für eine sol$e angemessene Datenbasis sein können, haben wir in diesem Beitrag zu diskutieren versu$t. Letztli$ stellt das theoretis$e Sampling eine Strategie dar, die zwar unerfahrene Fors$ende einerseits immer wieder vor Probleme der Umsetzbarkeit stellt, si$ andererseits aber als kreative Methode au$ in Quali/kationsarbeiten bewährt hat. Um sie in einem sol$en Rahmen handhaben zu können und ni$t in Gefahr zu laufen, ins Uferlose Daten zu erheben, sollten zusammenfassend zwei Dinge berü%si$tigt werden. Zum einen ist es angebra$t, im Vorfeld mit dem Betreuer bzw. der Betreuerin eine ungefähre Idee zu entwi%eln, was in der zur Verfügung stehenden Zeit geleistet werden kann und wie viel Material in etwa bearbeitbar ist. Gerade wenn man im Umgang mit empiris$em Material eher unerfahren ist, sollte die Daten-
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menge übers$aubar sein. Krotz weist ebenfalls auf den Irrtum hin, dass eine große Datenmenge ein Qualitätsmerkmal für Fors$ung na$ der GTM sei: „Viele Fors$ungspersonen glauben zwar, sie sind auf der si$eren Seite, wenn sie eher mehr als weniger Daten erheben, aber dieser S$luss führt im Falle theoriegenerierender Fors$ung eher in eine erhebli$e Arbeitsbelastung sta+ zu besseren Ergebnissen“ (!"",, S.'#0). So haben wir in halbjährigen Abs$lussarbeiten beispielsweise drei biogra/s$ narrative Interviews ausgewertet. Im Rahmen von Promotionsprojekten wurden dann je na$ Fragestellung bis zu maximal zehn Interviews verarbeitet. Ist das Datenmaterial weniger komplex (wie beispielsweise bei Expert/inneninterviews), so kann die Anzahl entspre$end angehoben werden. In jedem Fall empfehlen wir, si$ im Vorfeld eine ungefähre Ri$tlinie zu setzen und lieber die Fors$ungsfrage zu präzisieren, als die Datenbasis zu breit zu ma$en. Dabei ist natürli$ trotz alledem die O1enheit erforderli$, die Anzahl der Fälle entspre$end des Fors$ungsverlaufs anzupassen. Zum anderen hat es si$ immer wieder bewährt, den Austaus$ mit anderen Fors$enden zu su$en. Dur$ die Diskussion über die eigene Arbeit und das Vorgehen beim Sampling wird man genötigt, eigene S$ri+e zu explizieren und zu begründen. Etwaige blinde Fle%en können so re$tzeitig in der Diskussion „entlarvt“ werden. Der Austaus$ verhindert also, dass der Fors$ungsprozess eine Dynamik gewinnt, die für Außenstehende ni$t mehr na$vollziehbar ist. Glei$zeitig gibt die Diskussion Si$erheit in der Vorgehensweise. So kann in Übereinkun& mit anderen Fors$enden die Kernkategorie kommunikativ validiert und ihre theoretis$e Sä+igung bestätigt werden, bevor das Sampling abges$lossen wird. Der Austaus$ mit anderen Fors$er/innen im Sinne einer kommunikativen Validierung stellt somit si$er, dass wesentli$e Gütekriterien qualitativer Sozialfors$ung eingehalten werden wie beispielsweise die intersubjektive Na$vollziehbarkeit oder die Angemessenheit des Fors$ungsvorgehens (vgl. Steinke !"""). Er stellt glei$ zeitig si$er, dass gerade junge Wissens$a&ler/innen ein Forum erhalten, in dem Unsi$erheiten, Probleme und Uneindeutigkeiten im Fors$ungsprozess ihren Raum / nden, um so ni$t nur mit Glü%, sondern dur$ Erprobung und Auseinandersetzung si$er im Umgang mit der GTM zu werden. Literatur Alheit, Peter ('###). Grounded Theory: Ein alternativer methodologis!er Rahmen für qualitative Fors!ungsprozesse. Gö+ingen. [unverö1entlichtes Manuskript] Alheit, Peter & Kreitz, Robert (!"""). „Social capital“, „education“ and the „wider bene#ts of learning“. Review of „models“ and qualitative outcomes. Gö+ingen: Centre of Education der University of London und das Department for Education and Employment der englischen Regierung. [Interner Beri$t] Bourdieu, Pierre ('#(*). Die feinen Unters!iede. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
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Das Denken mit ATLAS.ti si!tbar ma!en: Computergestützte qualitative Analyse als textuelle Praxis1 Zden!k Konopásek
1
Einleitung
Einige, die die Version ! von ATLAS.ti, einem So"ware-Tool für qualitative Datenanalyse, no# kennen, werden si# viellei#t erinnern: Wer als Anfänger/in mit den Funktionen des Programms herumspielte, konnte in Versu#ung geraten, eine sehr viel verspre#ende Option auszuprobieren, die im Menü für die Arbeit mit Textdokumenten angeboten wurde: Relevant Text Sear". Hier ist sie bestimmt, da#te man, die Hauptfunktion der computergestützten qualitativen Analyse$! Na#dem man sie jedo# ausgewählt und angekli%t ha&e, ers#ien ein kleines Info-Fenster: „Do you believe in magic$?“ Und wer damals bereits das Glü% ha&e, einen mit Soundkarte ausgerüsteten PC zu besitzen, konnte au# ein bedeutungsvolles Räuspern hören, das darauf hinwies, dass man gerade etwas wirkli# Töri#tes versu#t ha&e … So" warepakete wie ATLAS.ti können nun einmal ni#t die Denkarbeit abnehmen. Die So" ware bietet den denkenden Subjekten nur eine mehr oder weniger nützli#e Hilfestellung und Unterstützung an.2 Sie erweitert die geistigen Fähig1
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Teile dieses Beitrags sind in Zusammenhang mit der Arbeit am Fors#ungsrahmenprogramm „Theoretical Resear# on Complex Phenomena in Physics, Biology and Social Sciences“, MSM ''()*('+!, in Bespre#ungen von ATLAS.ti (Konopásek )--., ('',a) und in einem Konferenzbeitrag (Konopásek ('',b) bereits auf Ts#e#is# ers#ienen. Der Beitrag wurde ursprüngli# im HSR-Supplement #$: Grounded Theory Reader (Mey & Mru% (''.) auf Englis# verö/entli#t und (''+ für Forum Qualitative Sozialfors"ung/Forum: Qualitative Social Resear" überarbeitet. Er liegt nun erstmals in deuts#er und neu überarbeiteter Fassung vor. Aus dem Englis#en übersetzt von Paul Sebastian Ruppel und Katja Mru%. Daher der Begri/ CAQDAS (Computer Assisted Qualitative Data Analysis So" ware), der für diese Familie qualitativer So" ware verwendet wird. Es sollte jedo# angemerkt werden, dass es andere Programme gibt, die für die qualitative Analyse nützli# sind (siehe für die Nutzung unters#iedli#er Programmpakete die Beiträge in Evers, Mru%, Silver & Peeters ('))), aber völlig anders aufgebaut sind, und zwar na# dem Prinzip der Co-Occurrence-Analyse. Sie sind explizit für die Bedeutungsgenerierung und -zus# reibung auf der Basis computerisierter Analysen (praktis# ohne direktes mens#li#es Eingreifen) in großen Datenmengen geda#t (Teil & Latour )--,). Versu#e „intelligenter“ Verarbeitung von qualitativen Daten per Computer werden sogar innerhalb der Familie der klassis#en CAQDAS-Tools unternommen. So wurde im Zusammenhang mit Qualrus (h&p://www.qualrus.com/) der Begri/ des „intelligenten Kodierens“ eingeführt: Das Programm versu#t, auf Grundlage einer Analyse – die als Hintergrundprozess auf dem Computer läu" – aller vorgenommenen Kodierungen passende Kodes für ausgewählte Zitate vorzus# lagen (ausgehend von der Annahme, dass Zitate, die ähnli#e Worte beinhalten, au# ähnli# kodiert würden). Aber lassen wir diese interessanten Entwi%lungen vorerst beiseite …
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Das Denken mit ATLAS.ti si#tbar ma#en
keiten der Fors#enden, sie hil", si# zu organisieren, zu erinnern und systematis# vorzugehen. Aber obwohl sie dies tut, bleibt sie im Wesentli#en ein dummes Werkzeug, das zum Beispiel ni#t die Relevanz einer Textpassage bestimmen kann. Mens#en, ni#t Mas#inen, vollbringen die wesentli#e Arbeit des Kodierens, des Su#ens und Findens – das heißt, sie ents#eiden, wel#e Textpassagen in den Daten mit wel#en Begri/en bezei#net werden sollen, um sie später weiterzunutzen. Die Ho/nung, dass ein Programm fähig wäre, den analytis#en Verstand zu ersetzen, ist töri#t. Nur mens#li#e Fors#er/innen können aus ansonsten bedeutungslosen Operationen des Computers analytis#en Nutzen ziehen – das war die unvergessli#e Lektion, die diese kleine gemeine Maro&e erteilte, die in das Programmdesign eingebaut war. Und es war natürli# eine wi#tige und dringend nötige Lektion, die dazu geda#t war, einem typis#en Missverständnis von CAQDAS-Nutzer/innen vorzubeugen. I# bin denno# davon überzeugt, dass der Kern dieser Lektion ein wenig irreführend war (und na# wie vor ist). Es ist sogar so, dass i# in diesem Beitrag darauf hindeuten mö#te, dass es ein s"le"ter Dienst war, CAQDAS zu einer tendenziell irrelevanten und rein instrumentellen te#nis#en Erweiterung und Unterstützung von geistigen Prozessen zu ma#en, so etwas wie ein S#lag ins Gesi#t für die ganze qualitative Fors#ung. I# behaupte, dass die Vorstellung, So"ware repräsentiere im Grunde das, was si# im Kopf der Interpret/innen abspielt, eine klassis#e „methodologis#e“ Si#t der qualitativen Analyse gestärkt ha&e. Sie betonte die Rolle von Fors#er/innen, die ihren Fors#ungssubjekten aufgrund ihrer besonderen Denkqualitäten überlegen seien, und sie unterdrü%te eine ni#t-exklusive, in gewisser Weise „ethnomethodologis#e“ Position, die als selbstverständli# vorausgesetzte materiale Praktiken der Wissensproduktion thematisiert. Sol# ein mentalistis#er Ansatz bra#te, entweder implizit oder explizit, zwei unglü%li#e Folgen mit si#. Erstens ist dies ein s#wieriges Verhältnis zu CAQDAS aufseiten derjenigen theoretis#-methodologis#en Positionen in der qualitativen Fors#ung, die von einer objektivistis#en Methodologie abwei#en und immer ein0ussrei#er werden: Computergestützte qualitative Datenanalyse wird als ni#t lei#t vereinbar mit (radikalem) Konstruktivismus oder poststrukturalistis#en Verständnissen von Spra#e betra#tet. Es wurde sogar argumentiert, dass ein konservativer („moderner“) Ansatz, als Innovation namens qualitative So" ware getarnt, seine Position no#mals bekrä"igte (Co/ey, Holbrook & Atkinson )--*). Zweitens wurde eine einmalige Gelegenheit für ein besseres Verständnis qualitativer Analyse als Prozess von Vermi&lung und von leibli#-verankerter Praxis verpasst. Dies ist wirkli# bedauerli#, da sol# ein Verständnis von uns#ätzbarem Wert gewesen wäre, um qualitative Fors#ung verteidigen, erklären und lehren zu können. In Texten über qualitative Fors#ung 1 ndet si# meist eine Fülle an Bes#reibungen zu unters#iedli#sten Paradigmen, Ansätzen und Theorierahmen, zu Datenerhebungsverfahren, Praktiken der Feldfors#ung oder zu Fors#ungsethik. Wenn es jedo# darum geht zu vermi&eln, wie eine neue Qualität des Lesens und
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Interpretierens (und damit soziologis#es Verständnis3) entstehen kann, werden die Bes#reibungen häu1g eher vage und dür"ig.4 Die Interpretation qualitativer Daten ers#eint zumeist als Leistung einer „reinen Vernun"“, klare und praxisorientierte Darstellungen fehlen, die helfen könnten, mehr in Betra#t zu ziehen als den Verstand der Fors#enden einerseits und die Daten, über die sie na#sinnen, andererseits. Und es ist immer nur dieser Verstand, der verantwortli# ist für Deduktion, Induktion, Generalisierung, Konzeptualisierung, Verglei# – es geht immer und nahezu auss#ließli# um mentale Operationen … Auf diese Weise werden zwar wi#tige Aspekte qualitativer Analyse aufgezeigt, aber eben sehr begrenzt. Dies wird deutli#, wenn man Außenstehenden oder Studierenden erklären muss, in wel#er Hinsi#t qualitative Analyse aus mehr besteht als aus einem sorgfältigen Lesen und (mentalen) Deuten von Daten, gewürzt mit glü%li#en Erkenntnissen (sofern es diese überhaupt gibt). In der Folge gilt qualitative Fors#ung als Kunst, s#wer zu greifen und zu vermi&eln (Denzin )--!, S.,)( und viele andere). Als Antwort auf neugierige Fragen dana#, „wie es gema#t wird“, wird betont, es gebe keine allein stehende qualitative Methode, und die Datenanalyse könne s#werli# von anderen fors#ungsbezogenen Tätigkeiten getrennt werden (die dann ans#ließend ausführli# bes#rieben werden). Qualitative Fors#ung wird so zu einer komplexen und kontextabhängigen Tätigkeit, die si# gegen Anleitungen im Stil eines Ko#bu#es wehrt. Sol#e Antworten sind si#erli# ni#t per se fals#, aber sie wei#en der wi#tigsten Frage aus. S# limmer no#: indem sie auswei#en, ma#en sie deren Beantwortung no# dringli#er – wie nämli# erzeugt qualitative Analyse eigentli# neues Wissen, auf unverwe#selbare, klar erkennbare und na#vollziehbare Art und Weise$? Wie wir gesehen haben, wird re0exha" erklärt, dies ges#ehe ni#t dur# das Ankli%en eines Menüpunktes in einem Computerprogramm. Man glaubt, dies helfe ni#t, da si# alles Wi#tige in unserem Kopf abspiele, auf eine Art, die s#wer erklärbar sei. I# s#lage nun in meinem Beitrag einen anderen Weg ein: I# werde versu#en, über materielle Praktiken und Inter-Aktionen zu spre#en sta& über mentale Operationen eines Individuums. Die Zielsetzung kann hier ni#t darin bestehen, die Logik qualitativer Analyse im Allgemeinen und der Grounded-Theory-Methodologie (GTM) im Besonderen besser und tief gehender zu erklären als z.3B. Anselm Strauss dies in seinem großartigen Bu# „Qualitative Analysis for Social Scientists“ ()-+. [)--)]) geleistet hat. Aber i# mö#te Strauss in dem Punkt ernster nehmen, in dem er anmerkt, dass Fors#ungsarbeit aus physis"en und konzeptuellen Aufgaben besteht (S.)). Und da das Konzeptuelle in qualitativen Methodentexten meist über-
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Ich beziehe mich hier und im Weiteren auf meine eigene Herkun"sdisziplin, die Soziologie, wobei die Praktiken, die ich zu skizzieren versuche, natürlich nicht auf Soziolog/innen beschränkt sind. Die Tendenz, dass Beiträge zu qualitativer Fors#ung lange Abhandlungen über Datenerhebung und über Felderfahrungen, aber wenig über Analyse enthalten, wurde au# von Strauss ()-+. [)--)], S.xi) bemerkt.
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Das Denken mit ATLAS.ti si#tbar ma#en
repräsentiert s#eint, Strauss’ Bu# einges#lossen, werde i# den Fokus im Folgenden auf das Physis#e ri#ten. „Denken“ werde i# ausklammern – selbstverständli# ni#t, weil es unwi#tig wäre, sondern weil das Denken alleine ni#t der Grund sein kann für Unters#iede zwis#en gewöhnli#en Wissenspraktiken (z.3B. der Fors#ungssubjekte) und einer qualitativen Analyse, die ihren Namen verdient (seitens der Fors#enden). Natürli# denken wir als Interpret/innen, darüber besteht kein Zweifel. Aber das tun alle anderen au#, unsere Fors#ungssubjekte mit einges#lossen. Daher ma#t es wenig Sinn, die Überlegenheit soziologis#en Wissens fast auss#ließli# auf Mentales und auf den Akt des Denkens zu gründen. Wir sollten unser Augenmerk vielmehr, wie die Science and Te"nology Studies, auf die praktis#e „Bearbeitung“ si#tbarer, hörbarer und greifbarer Realitätsauss#ni&e ri#ten, die die Kra" haben, den S#lusssatz überzeugender und langlebiger als alle anderen konkurrierenden Aussagen zu ma#en (so Latour )-+. und viele andere). Im nä#sten Abs#ni& werde i# diese ungewöhnli#e, von den Science and Te"nology Studies herrührende Inspiration kurz erläutern. I# werde dann erörtern, wel#en Platz die GTM und ATLAS.ti in meiner Gesamtargumentation einnehmen. Au# werde i# verdeutli#en, wie es mögli# ist, in der virtuellen Umgebung eines Computerprogramms den Fokus auf materielle Praktiken geri#tet zu lassen. Der Hauptteil folgt dann, nämli# der Versu#, die analytis#e Arbeit mi&els ATLAS.ti als Ers#a/ung und Nutzung eines „Textlabors“ zu bes#reiben. Gewöhnli#e analytis#e Vorgänge wie Datensegmentierung, Kodieren und Verknüpfen von Kodes oder das S#reiben von Memos werden als praktis#e Bearbeitungen von Objekten, die auf dem Bilds#irm si#tbar sind, dargestellt. Und genau diese Bearbeitungen verleihen dem aus der qualitativen Analyse erwa#senen Wissen Eigens#a"en, die es von gewöhnli#em members’ knowledge unters#eiden und die es ermögli#en, auf instruktive und praktis#e Art und Weise von qualitativer Analyse zu spre#en. In einem Fazit werden einige weiterrei#ende theoretis#e Konsequenzen einer sol#en Neurahmung unseres Denkens über die qualitative Analyse diskutiert. 2
Science Studies als Inspiration
In seinem Artikel über eine Fors#ungsexpedition zu den Amazonaswäldern zeigt Bruno Latour ()--,) an einem ans#auli#en Beispiel, wie die Science Studies das Verfahren wissens#a"li#er Arbeit verstehen. Die Frage ist, wie es mögli# ist, dass wissens#a"li#e Texte Aussagen über Wirkli# keit tre/en. Was begründet ihre Referenz zu den untersu#ten Gegenständen$? Diese Frage na# der Beziehung zwis#en Wort und Wirkli#keit ist alt, aber die Si#tweise der Science Studies gibt eine neue Antwort. Als Wissens#a"ssoziologe meidet Latour wissens#a"stheoretis#e Konzepte und bietet sta&dessen einen ethnogra1s#en Beri#t (in Verbindung mit einer Reihe Fotos) von unters#iedli#en Praktiken, dur# die die Mitglieder einer
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Fors#ungsexpedition die Grenze zwis#en Savanne und Wald irgendwo in Amazonien (spri# das untersu#te Phänomen) in einen wissens#a"li#en Beri#t „übersetzen“. Er betont, dass die empiris#en Belege, die er präsentiert, keine Spuren eines mysteriösen Sprungs von der Wirkli#keit in einen Text beinhalten; vielmehr können wir zahlrei#en kleinen praktis#en Verfahren folgen, anhand derer Wirkli#keit immer mehr mit Bedeutung aufgeladen und zunehmend ent-materialisiert wird, zunehmend „textuell“ wird. Es gibt keine direkte Verbindung zwis#en der Welt und dem Wort, nur Ke&en von Übersetzungen – d.3h. praktis#e Bearbeitungen und Eingri/e, dur# die ein Stü% Naturlands#a" in ein „Feldlabor“ mit exakten Parametern und Koordinaten umgewandelt wird, dur# die Erdklumpen zu hinrei#end repräsentativen Sti#proben, und dur# die Eigens#a"en dieser Klumpen dur# s#ri"li#e Kodes und Kommentare ersetzt werden können, sodass die untersu#te Grenze zwis#en Savanne und Wald sukzessive in etwas anderes einges# rieben werden kann und so das „Papierrei#“ der Texte konstituiert.5 Wie Latour und seine Kolleg/innen könnten wir den vielfältigen Übersetzungen folgen, die qualitative Fors#er/innen auf dem Weg vom Feld zum Rei# des Textuellen unternehmen. Zum Beispiel wird etwas (das ges#ehen ist) von der oder dem Interviewten erzählt; die Erzählung wird aufgezei# net; die Aufzei# nung wird transkribiert; das Transkript wird in einen Datensatz aufgenommen … jeder dieser S#ri&e bedeutet, dass etwas verloren geht und etwas anderes gewonnen wird. Im Allgemeinen ist es Materialität, die verloren geht, z.3B. materielle Besonderheiten des Interviewakts wie etwa die Gesamtheit der stimmli#en Modulationen, der Gerü#e, Gesten und der umliegenden Umgebung. Was ist gewonnen$? Einfa# gesagt: es wird Bedeutung gewonnen. Dies ist mögli#, weil der allmähli#e Verlust von Materialität neue Mögli#keiten erö/ net. Sobald Wirkli#keit erst einmal erzählt, aufgezei#net und transkribiert ist, können wir sie besser handhaben – wir können sie spei#ern, transportieren, komprimieren, markieren, einer anderen Wirkli#keit gegenüberstellen, sie zerteilen, neu zusammensetzen, neu ordnen etc. Nur dank dieser Bearbeitungen können wir Unters#iede und Gemeinsamkeiten, entstehende Muster und neue Kontexte erkennen (und zeigen). Da wir dabei so verfahren, dass es immer mögli# ist, entlang der Ke&e von Transformationen zurü% zugehen (d.3h. von einem Zitat in unserem Artikel zum Transkript, zur Aufzei# nung und – mithilfe von Feldnotizen und Bändern – zur Interviewsituation oder sogar gewissermaßen zum „ursprüngli#en“ Ereignis), können wir von Referenz spre#en. Daher ist das Argument von Latour, das er dur# den Fall der Fors#ungsexpedition zu den Amazonaswäldern so eindrü%li# verans#auli#t hat: Wissens#a"li#e Texte spre#en von Wirkli# keit ni#t aufgrund eines mysteriösen Bandes zwis#en Gegenständen und Worten (etwas, das Philosoph/innen sehr bes#ä"igt), 5
Die Rolle von Texten und Textualisierungen („Eins# reibungen“) im Rahmen wissens#a"li#er Arbeiten fasst Law ()-+*) zusammen.
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sondern wegen gut geknüp"er Ke&en kleiner Transformationen, bei denen etwas erhalten bleibt, während andere Eigens#a"en verloren gehen.6 In diesem Zusammenhang interessiert mi# die Referenz als eine Verbindung zwis#en der Welt und dem Wort, die wir auf unserem Weg vom Feld zur analytis#en Arbeit mit Daten bemüht sind aufre#tzuerhalten, allerdings ni#t so sehr. Mein Anliegen ist vielmehr, die Inspiration dur# die Science Studies auf einen „nä#sten S#ri&“ anzuwenden, nämli# auf die qualitative Analyse selbst, genauer gesagt auf die Arbeit mit dem Programm ATLAS.ti. I# mö#te zeigen, dass das, was o" als eine Errungens#a" des Geistes angesehen wird, mögli#erweise besser in Form von praktis#en Bearbeitungen von Textkörpern bes#rieben werden kann. 3
Warum i! die GTM als Beispiel gewählt habe
Es gibt vers#iedene Traditionen und Ansätze qualitativer Analyse7, und meine Darstellung wird keinesfalls „methodologis# neutral“ sein. I# werde mi# vielmehr mit einer Arbeitsweise befassen, die dem nahe steht, was als GTM bekannt ist (siehe Glaser & Strauss )-*. [)--+]). I# sollte glei# zu Beginn betonen, dass es ni#t die GTM als Label für eine in si# ges#lossene Epistemologie ist, worauf es mir wirkli# ankommt. Mit dem Terminus GTM beziehe i# mi# vielmehr auf eine lose de1nierte Reihe analytis#er Praktiken, deren Gebrau# unter Soziolog/innen, Ethnograf/innen, Psy#olog/innen und sogar Historiker/innen sehr verbreitet ist. Howard Becker ()--4, S.((+) sagt: „… general statements of what must be done to be scienti1cally adequate rely, usually without acknowledgement, on practical matters and, in this, they follow rather than lead everyday practice.“ Dieser Standpunkt steht dem der Science Studies sehr nahe. Die methodologis#e Perspektive rü%t hierbei zugunsten einer soziologis#en Befors#ung der „Wissens#a" in Aktion“ in den Hintergrund.8 In diesem Sinne werde i# – um es ganz unmethodologis#, d.3h. ohne Bezugnahme auf etablierte Begri/e wie „theoretis#e Sä&igung“, „axiales Kodieren“ oder „Methode des permanenten Verglei#s“ auszudrü%en – von sol#en qualitativen Fors#ungsprojekten spre#en, die große Datenmengen nutzen, die wiederum systematis# analysiert werden, um am Ende Wissen bereitzustellen, das si# von dem Wissen unters#eidet, über das die befors#ten Subjekte übli#erweise verfügen (und das diesem letztgenannten Wissen auf eine spezi1s#e Art überlegen ist).
6 7 8
Eine Aufzei# nung zum Beispiel ist mit ihrer Übersetzung in Text dur# eine akkurate und gewissenha"e Transkription gut verknüp". Dass dies keine lei#te Aufgabe ist, haben u.3a. Ashmore und Reed ((''') gezeigt. Die Bestimmung und der Verglei# unters#iedli#er Paradigmen in der qualitativen Fors#ung ist zu einem beliebten Thema in Bü#ern und Artikeln geworden (Creswell )--.; Guba & Lincoln )--!; Gubrium & Holstein )--.). Eine ähnli#e Betonung von qualitativen Fors#ungspraktiken und eine Zurü% haltung gegenüber Theorien und Epistemologien 1 nden si# bei Seale ()---).
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Es gibt mehrere gute Gründe, warum i# mi# für die GTM als Beispiel meiner Erörterung ents#ieden habe. Erstens ist die Wahl ni#t verwunderli# angesi#ts der Bedeutung, die der GTM vonseiten des Entwi% lers von ATLAS.ti, Thomas Muhr, beigemessen wird (vgl. Muhr & Friese (''!). Außerdem genießt die GTM (ob man es mag oder ni#t) eine anhaltende Beliebtheit besonders unter Studierenden und Lehrenden; mitunter wird sie gar als Gesamtstrategie für ni#tdeduktive Fors#ungsprojekte verstanden oder – mit Bli% auf ihre Intention der Theorieentwi%lung aus qualitativen Daten – als Synonym für qualitative Fors#ung überhaupt wahrgenommen.9 Die gegenwärtige CAQDAS-Epidemie verstärkt diese Hegemonie sogar no#. Zuletzt und mögli#erweise am Wi#tigsten – die GTM ist zuglei# au# ein heutzutage infrage gestellter und o" missverstandener qualitativer Ansatz: Einige betra#ten sie als obsolet, da einem veralteten modernistis#en Festhalten an wissens#a"li#er Strenge und Objektivität verp0i#tet, das für interpretative Sozialfors#ung ni#t (mehr) angemessenen sei (Lincoln & Denzin )--!). Hier tragen So"warepakete, die auf Kodierverfahren aufsetzen, zu der mehr oder weniger impliziten Überzeugung bei, die GTM sei ledigli# eine Anwendung eines sol#en code-and-retrieve-Prinzips – ein bedauernswertes Missverständnis (Strauss & Corbin )--!), das s#wer auszuräumen ist. Zuglei# ist der „ökumenis#e“ Fokus auf „Etwas-wie-Grounded-Theory-Methodologie“ relativ willkürli#. Tatsä#li# könnte i# ebenso gut versu#en, anderen analytis#en Praktiken – z.3B. der Konversationsanalyse oder der Narrationsanalyse – Aufmerksamkeit zu s#enken (viellei#t mit dem Risiko, weniger gut verstanden zu werden, da diese Praktiken in den Sozialwissens#a"en ni#t so geläu1g sind wie die GTM). Und es sollte au# betont werden, dass i# keine neuen analytis#en Verfahren vorstellen werde, ebenso wenig zusätzli#e Funktionalitäten von/für ATLAS. ti. Es geht mir im Kern um eine alternative „Theorie“ und um eine praxisorientierte Bes#reibung von sehr gewöhnli#en und elementaren Arbeitss# ri&en, die übli#erweise zu unserem Alltag als Interpret/innen gehören. 4
Wirkli!keit, Virtualität und Praktiken
Eine Frage könnte si# stellen: Wenn wir materielle Praktiken qualitativer Analyse verstehen wollen, warum s#auen wir uns dann ni#t die Arbeit von Fors#er/innen der „Vor-CAQDAS-Ära“ an, die mit e"ten Gegenständen wie zum Beispiel Blä&ern, Buntsti"en, S#eren, Kleber und Karteikarten arbeiteten$? Eine sol#e Betra#tung wäre dur#aus mögli#, und sie könnte teilweise dur#aus aufs#lussrei# sein. Wenn jemand hingegen mit einem Computerprogramm arbeitet, s#eint das einzige, was bearbeitet werden kann, reine Information zu sein – Bits and Bytes, 9
Immerhin lautet der Titel des bereits erwähnten Bu#es über die GTM von Anselm Strauss ()-+.) „Qualitative Analysis for Social Scientists“ (ohne eine weitere Spezi1kation).
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von denen mitunter geglaubt wird, dass sie die Gedanken der Fors#enden „repräsentieren“. Wenn wir einen Computer als unmi&elbare Verlängerung mens#li#en Denkens ansehen, könnten wir tatsä# li# s#werli# über materielle Praktiken spre#en.10 Aber Computer können anders gesehen werden. Sie haben Tastaturen, Mäuse, Lautspre#er und Monitore. Und auf Bilds#irmen können wir vers#iedenartige Objekte erzeugen, sehen und bearbeiten. Diese Objekte können vers#iedene Formen und Größen haben; man kann sie verste%en, bewegen, zerteilen, einfärben, gruppieren und umgruppieren, vergessen und in einem unerwarteten Moment wiederentde%en. Kurz gesagt: Computer stellen eine virtuelle Umgebung bereit, in der ni#t nur Handlungen dur#geführt werden können, die au# für mit Papier, S#ere und Sti"en ausgesta&ete „Vor-CAQDAS“-Fors#er/innen mögli# waren, sondern viel mehr. Virtuelle Objekte auf dem Bilds#irm sind no# formbarer dur# und eingebe&eter in Praktiken als „e#te“ Objekte. 5
Ers!a"ung und Nutzung eines „Textlabors“
Was tun Fors#er/innen eigentli# mit ATLAS.ti, wenn sie ihre Daten analysieren$? Lassen Sie mi# nur ein paar der zentralen Momente des Prozesses aufgreifen. I# werde mit dem beginnen, was typis# für den Anfang eines Projekts ist und fortfahren mit dem, was übli#erweise während späterer Phasen sta&1ndet. 5.1
Primärdokumente zuordnen
In ATLAS.ti wird ein Fors#ungsprojekt dur# einen Satz von Primärdokumenten (primary documents = PD) de1niert. Dies sind unsere Daten, also das – so die verbreitete Meinung – was wir im Feld sammeln. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, da Daten au# all das sind, was wir bemüht sind, an einen Ort, auf einen Tis# zu legen. Oder genauer: in ein Textlabor, das die Fähigkeit besitzt, zeitli#e und räumli#e Entfernungen zwis#en beoba#tbaren Phänomenen zu verkürzen, sodass alles Wesentli#e vorhanden und unter Kontrolle ist.11 10 Natürli# kann (und wird meist) sogar die Arbeit mit Karten, S#eren und Buntsti"en im „alten“ Papier-und-Bleisti"-Modell als unmi&elbare Verlängerung mentaler Prozesse angesehen. Aber na# wie vor würden die meisten Mens#en wahrs#einli# denken, dass es ni#t das beste Mi&el ist, Computer mit ihrer virtuellen, „ni#t-materiellen“ Umgebung als Beispiel zu wählen, um diesen mentalistis#en oder repräsentationistis#en Ansatz zu überwinden. Aber i# glaube, dass das Gegenteil wahr ist: CAQDAS bietet die Mögli# keit, einen anderen Bli% auf qualitative Analyse zu werfen, nämli# als eine Reihe praktis#er Bearbeitungen von Daten. 11 Innerhalb der aktuellen Wissens#a"ssoziologie ist das Labor ein prominentes Thema, und zwar im bu#stäbli#en Sinne (siehe z.3B. die Laborstudien von Knorr-Cetina & Mulkay )-+4; Latour & Woolgar )-+*; Lyn# )-+,) oder in einem weiteren Sinne als grundlegendes Instrument für (wissens#a"li#e) Kontrolle und Visualisierung (Gieryn (''*; Miller & O’Leary )--!).
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Wir können diesen Punkt besser verstehen, wenn wir uns vorstellen, was passiert, wenn Primärdokumente einem Projekt zugeordnet werden (einer Hermeneutis#en Einheit [HU] bzw. einer hermeneutic unit, wie sie in ATLAS.ti genannt wird). Die Hinzufügung neuer Dokumente hat wi#tige praktis#e Konsequenzen: Wenn wir die HU das nä#ste Mal ö/nen, haben wir sofort alle Materialien zur Hand. Diese Materialien können vers#iedene Formate haben – es können Texte sein, Fotos, gescannte Dokumente, Audio- oder Videoaufzei# nungen. Sie können si# physis# sogar auf vers#iedenen Medien be1 nden – auf Festpla&en, optis#en Datenspei#ern, in lokalen Netzwerken oder im Internet. Was aber am Wi#tigsten ist: Diese Dokumente können ihren Ursprung in einer Vielzahl von Orten und Zeiten haben, auf die sie verweisen. Aufgezei#nete und transkribierte Interviews könnten etwa während der letzten zwei Jahre in Dutzenden Haushalten und Büros in mehreren mi&elgroßen Städten dur#geführt worden sein. Aber ni#t nur die Interviewtranskripte oder andere Daten „aus dem Feld“ gehören zu den Primärdokumenten unseres Projekts. Hinzu kommen mögli#erweise Textauszüge zu dem uns interessierenden Thema aus der Literatur, die wir viellei#t sogar während unseres gesamten berufli#en Werdegangs, zuhause oder während Studienaufenthalten im Ausland aufges#rieben haben; aus Online-Datenbanken heruntergeladene wissens#a"li#e Artikel, die mehrere Jahrzehnte eins#lägiger Fors#ung abde%en; ausgewählte Zeitungsartikel, die in den letzten Jahrzehnten zu unserem Thema verö/entli#t wurden; o5zielle Dokumente, die mit dem Thema in Zusammenhang stehen und die über das Internet bes#a6 oder von Behörden eingeholt wurden; ein Projektantrag zu unserer Fors#ung, der vor fast drei Jahren ges#rieben wurde; E-Mail-Verkehr mit Kolleg/innen im In- und Ausland, der aus der Zeit der Vorbereitung des Antrags stammt. Und so weiter. Wir haben jetzt also all dies in Si#t- und in Gri/weite. Oder genauer gesagt: Es steht mithilfe einiger Kli%s der Computermaus für die Untersu#ung zur Verfügung. Während wir Primärdokumente des Projekts dur#su#en, reisen wir dur" Zeit und Raum. Es ist unglaubli# einfa# und s#nell: kli%, kli%. Ein Interview mit Herrn Miller aus Pilsen, Mai ('',: Wir haben darüber gespro#en, wie in der Ts#e#is#en Republik Anfang der )--'er Jahre neue Bürgerorganisationen gegründet wurden. Kli%, kli%. Ein Bes#luss des Regierungsrats für NGOs, der vor einem Monat verabs#iedet wurde: Er s#lägt eine Neude1nition des Re#tsstatus einiger gemeinnütziger Organisationen vor. Kli%, kli%. Meine eigenen Auszüge aus einem Bu# über Umweltbewegungen, das )-+! publiziert wurde. I# habe die Auszüge vor etwa fünf Jahren in Paris angefertigt, als i# einen kurzen Kommentar über neue soziale Bewegungen ges#rieben habe. Also, was hat Herr Miller im Rahmen dieser Exzerpte genau gesagt$? Kli%, kli%, und da haben wir es.12 12 Die Beispiele und Namen sind ni#t authentis#, sie sind aber von tatsä#li#er Arbeit angeregt. Das glei#e gilt für den Rest der Beispiele in diesem Beitrag.
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Als i# das Bu# über Umweltbewegungen gelesen habe, wusste i# ni#ts von Herr Millers Bürgervereinigung. I# interessierte mi# ni#t einmal dafür. I# ha&e keine Ahnung, dass i# mi#, einige Jahre später, mit einem Fors#ungsprojekt zu Expert/innenwissen und Demokratie bes#ä" igen würde, für das i# au# Interviews mit einheimis#en Aktivist/innen brau#en würde. Und zu dem Zeitpunkt, als i# das Interview mit Herrn Miller dur# führte, erinnerte i# mi# nur vage daran, was die Autor/innen des Bu#es gesagt ha&en. Die beiden Ereignisse lagen zu weit auseinander, sowohl zeitli# als au# geogra1s#. Und au# hinsi#tli# ihres Charakters, da Ersteres „Theorie“ (und breitere soziologis#e Kontexte) betri6, während Letzteres von der Produktion „empiris#er Belege“ (und meinen eigenen Daten) handelt. Aber im gegenwärtigen Augenbli% stehen sie nebeneinander, beide unmi&elbar zur Hand: Paris und Pilsen, )--4 und ('', (auf die frühen )-+'er und frühen )--'er Jahre verweisend) – hier und jetzt. Der Abstand zwis#en den beiden Bru#stü%en von Wirkli#keit ist im gegenwärtigen Augenbli% sehr klein, messbar mit ein paar Kli%s der Computermaus. Sie können sorgfältig vergli#en und gegenübergestellt werden. Als Primärdokumente haben sie standardisierte Kopfzeilen (z.3B. in Kommentaren, die den PDs jeweils angehängt sind), die es ermögli#en, den Bezug zu den ursprüngli#en, fernen Zeiten und Orten zu wahren. 5.2
Zitate de%nieren: PDs aufteilen
Aber es ist s#wierig, ganze Primärdokumente (PD) einander gegenüberzustellen, sie sind zu groß. Es gibt normalerweise keine praktikable Mögli#keit, zwei ganze Transkripte in eine gemeinsame Ansi#t zu bringen. Mehr als ein Primärdokument auf einmal kann nur als Liste von Items oder Reihe von Icons in einem Fenster betra#tet werden, auf vers#iede Weise angeordnet. Mehr no#, es ist s#wer – in einem Moment – ein gesamtes einzelnes PD zu sehen. Sowohl unser Gesi#tsfeld als au# die Bilds#irmgröße sind bes#ränkt, wir können immer nur ein paar Absätze sehen.13 Um unsere Daten genau analysieren zu können, brau#en wir eine andere Art von Objekt: etwas Kleineres. Das ist der Grund, weshalb wir einige Absätze oder Sätze, die von besonderem Interesse sind, als Zitate (quotations) markieren. Auf den ersten Bli% sieht es so aus, als würden wi#tige Absätze am Rand eines Bu#es angestri#en. Aber die virtuelle Umgebung ermögli#t mehr: Dur# die Markierung eines Teils der Daten modi1zieren und erweitern wir das originale PD ni#t nur, sondern wir erstellen au# ein neues Analyseobjekt – ein Datenelement, das getrennt und befreit von seinem ursprüngli#en Kontext ist. Die Trennung ist jedo# nie vollständig. Wir können die Zitate immer auf ihren ursprüngli#en Ort zurü%führen.
13 Es gibt einige Unters#iede, wenn sta& textuellen PDs Audioaufzei# nungen oder Bilder betra#tet werden, aber im Grunde genommen wäre das Argument ähnli#.
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Worin liegt der Vorteil, sol#e Zitate als in si# ges#lossene Objekte greifbar zu haben$? Wir haben unsere Daten jetzt in einer Form, die in ihrer Vielfalt besser auf den Bilds#irm und zu unserem Gesi#tsfeld passt.14 Die Bezüge zu den originalen PDs bleiben erhalten: Das ist, was Herr Miller gesagt hat, das ist, was der Regierungsbes#luss festgestellt hat, und hier haben wir eine soziologis#e Beoba#tung aus der Literatur. Aber jetzt können wir mit all diesen Textstü%en zuglei# arbeiten, da die Daten auf doppelte Art und Weise umgeformt sind. Erstens sind sie in ihrer Anzahl reduziert, sodass wir uns auf das konzentrieren können, was wir bisher als relevant befunden haben.15 Zweitens sind sie in ihrer Größe vermindert, sodass sie zu greifbaren Datenelementen werden. Erst jetzt können wir auf dem Bilds#irm no# nie da gewesene Rendezvous anordnen, die unter unserer unmi&elbaren visuellen Kontrolle sta&1nden: ein Stü% eines Re#tsdokuments (ein bestimmter Paragraph) tri6 ein Stü% eines Interviews oder einen Absatz aus einem älteren Fors#ungsberi#t.16 Stützen sie si# gegenseitig$? Widerspre#en sie si#$? In wel#em Sinne$? Nun haben wir gute Voraussetzungen ges#a/en, uns mit all dem auseinanderzusetzen. Zitate sind in der Tat elementare Einheiten der Analyse, ni#t nur, weil ihre Bedeutungen in einem vernün" igen Maße enthalten und daher der gedankli#en Verarbeitung zugängli# sind; sie haben au# eine vernün"ige physis#e Größe, um auf materielle Art und Weise erfasst und bearbeitet zu werden – von Augen, Händen, Listen, Boxen und Computerbilds#irmen. Daher der Hauptpunkt dieses Beitrags, nämli# zu zeigen, dass analytis#e Arbeit in bedeutender Hinsi#t eine materielle Praktik ist (und vice versa). Es gibt hierbei jedo# ein großes „Aber“. Je mehr Zitate wir haben, umso weiter entfernt voneinander sind sie. Sie sind so zahlrei#, dass man lei#t in Daten ertrinken kann. Es ist eine lange und qualvolle Reise, um einen Weg oder sogar den Weg, die Verbindung, von einem Stü% zum anderen zu 1nden. Zwei relevante Passagen sind häu1g dur# Stunden sorgfältigen Lesens und Dur# su#ens voneinander getrennt.
14 In diesem Zusammenhang könnten einige praktis#e Empfehlungen zur Formatierung von PDs und der Umgebungsse&ings gegeben werden, die auf ein gutes Arrangement der Visualisierung zielen. Aus der hier dargestellten Perspektive wären sie für analytis#e Vorgehensweisen von unmi&elbarer Relevanz. 15 Die Liste der Zitate ist natürli# ni#t unveränderli# festgelegt, sie wä# st, indem wir die Daten verarbeiten; einige Zitate mögen au# gelös#t werden. Und wir gehen häu1g zu den ursprüngli#en Dokumenten zurü% und s#auen na# weiteren relevanten Passagen. Aber dur# die Erzeugung von Zitaten erstellen wir eine Auswahl an Daten, die uns gesta&et, sie detaillierter zu betra#ten. 16 Lassen Sie uns au# zur Kenntnis nehmen: Die spezielle Äußerung von Herrn Miller wurde letzten Dienstag als wi#tig hervorgehoben, während der Paragraph des Bes# lusses vor zehn Monaten, bevor die Feldfors#ung begann, als relevant gekennzei# net worden war; das Argument aus der Literatur ist gerade erst vermerkt worden. Wir sehen diese prozeduralen Details sofort, wenn wir uns die Zitate ans#auen – das Erstellungs- oder Änderungsdatum wird als Teil ihrer Kopfzeilen automatis# generiert. Somit tre/en si# in diesem Moment ni#t nur vers#iedene Dokumente vor unseren Augen, sondern au# vers#iedene Momente unserer bisherigen analytis#en Arbeit.
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Das Denken mit ATLAS.ti si#tbar ma#en
Kodes und Kodieren: Reintegration der Einzelelemente
Datenelemente/Zitate, müssen irgendwie geordnet werden, um au# in großen Mengen handhabbar zu sein. Hier kommt das als Kodieren bekannte Verfahren als nützli#e Strategie ins Spiel.17 Beim Kodieren verknüpfen wir bestimmte Zitate miteinander und bilden thematis#e Gruppen aus einzelnen Datenelementen. Kodes sind Namen für sol#e Gruppen, die anzeigen, wel#e Art von Zitaten si# in jedem einzelnen Bündel be1 ndet. Hier behandeln die versammelten Dokumente, Interviews, Exzerpte, wissens#a"li#en Artikel, Projektanträge und Medienartikel zum Beispiel das Thema „Geld“, hier „Gesetzgebung“ und hier „Verhandlung“. Mithilfe von Kodes (und der virtuellen Umgebung von ATLAS.ti) können wir die thematis#en Konturen jeder Gruppe von Zitaten sowie die Größe der Gruppen sehen18. Aber Kodes sind ni#t nur Namen, konzeptuelle Bezei# nungen. Sie sind au# nützli#e Hebel, mi&els derer wir die jeweiligen Gruppen von Datenelementen fassen und bearbeiten können.19 Kodes können ausgewählt, kommentiert, geordnet, ge1 ltert, bewegt, umbenannt, getrennt und miteinander verknüp" werden. Man kann sie in Listen, Hierar#ien, Netzwerkansi#ten oder als Einzelereignisse ans#auen. Immer, wenn wir mit einem Kode eine Operation dur#führen (z.3B. ihn mit einem anderen Kode verknüpfen oder ihn bloß auswählen), bearbeiten wir indirekt au# alle diesem Kode assoziierten Zitate. Ansta& uns nun frei dur# einen unsortierten Berg von Zitaten graben zu müssen, gewinnen diese Zitate dur# das Kodieren an Relevanz und Bedeutung. Kodierte Daten verkürzen die analytis#en Entfernungen zwis#en man#en Datenstü%en selektiv, was diese elementaren Einheiten handhabbarer ma#t. Kurzum, sie ermögli#en eine Art von e5zienterem, thematis# oder semantis# organisiertem Lesen.20
17 Das Kodieren ist genau der Moment, in dem uns#wer ein Einspru# erhoben werden kann: Ein Computerprogramm wie ATLAS.ti kann keine semantis#e Relevanz eins#ätzen; die wesentli#en analytis#en Eins#ätzungen und Ents#eidungen, die für den Kodierprozess erforderli# sind, müssen von einem denkenden Subjekt getro/en werden. Aber no# einmal: I# leugne ni#t, dass qualitative Interpret/innen denken müssen. I# sage nur, dass der praktis#e, lehrrei#e Wert eines Appells wie „Denke na#$! Denke mehr und besser na#$!“ eher gering ist. Außerdem bringt die bloße Zurkenntnisnahme einer semantis#en Beziehung keinen analytis#en Nutzen an si#. Sol# eine Beoba#tung wird nur zusammen mit ihrer Eins#reibung in ein analytis#es Objekt („Link“) wirkungsvoll, das ihre weitere Verwendung ermögli#t. 18 Deswegen ist es so wi#tig, adäquate Namen für die Kodes zu wählen. Wenn wir sie s#le#t benennen, sehen wir den Inhalt von Zitataggregaten ni#t klar genug. 19 Da wir mehrere sol#er Hebel auf einmal nutzen können, sollten wir Kodes einfa# halten, wir können sie später jederzeit na# Belieben kombinieren. 20 Die Mögli#keiten organisierten Lesens werden dur# die Leistungsfähigkeit von ATLAS.ti, komplexe Su#anfragen dur#führen zu können, zusätzli# erweitert: Wir können zum Beispiel all die Zitate ans#auen, die sowohl über „Verhandlung“ als au" über „Gesetzgebung“ spre#en (und in aller Spezi1tät untersu#en, wie genau).
Zden2k Konopásek
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Das Textlabor wirkli! brau!bar ma!en: Jenseits von code and retrieve
Im ATLAS.ti-Handbu# (Muhr & Friese (''!, S.4$f.) werden vier Prin zipien vorgestellt, na# denen das Programm arbeitet: visualisation, integration, serendipity und exploration. Exploration ist ein sehr allgemeiner Begri/ und kann auf fast alles im Rahmen qualitativer Analysen angewendet werden.21 Die restli#en drei Prinzipien sind spezi1s#er und daher interessanter. Man kann sagen, dass si# der vorherige Abs# ni& dieses Beitrags, dessen S#werpunkt auf der grundlegenden code and retrieve-Logik lag, hauptsä#li# damit bes#ä"igt hat, was Muhr und Friese integration genannt haben – d.3h. damit, wie Interpret/innen es praktis# bewerkstelligen, dass heterogene Datenelemente in Gri/weite und unter Kontrolle gehalten und bearbeitbar werden. Code and retrieve bezieht si# in der Tat auf ni#t viel mehr als die bloße Mögli#keit organisierten und e5zienten Lesens. Unabhängig davon, dass viele Mens#en si# ni#t vorstellen können, qualitative Analyse könne aus irgendetwas Weiterem bestehen als genau aus diesem Vorgehen, entstammt ein strenges analytis#es Wissen keinesfalls nur dieser Tätigkeit. Es hat etwas mit den anderen beiden Prinzipien, visualisation und serendipity, zu tun.22 6.1
Das Verfassen von Kommentaren
Jedes analytis#e Objekt, das wir in ATLAS.ti erzeugen – PDs, Zitate, Links und Netzwerkansi#ten –, kann mit einem Kommentar versehen werden. Es gibt au# „freie“ Kommentare (und als Sonderform von diesen die sog. Memos), die entweder mehr oder weniger als einem (bzw. einer Art von) Objekt angehängt werden können. Die Art und Weise, wie Kommentare genutzt werden, kann unters#iedli# sein, abhängig von der Art des kommentierten Objekts und der gewählten Strategie. Kommentare zu einzelnen PDs zum Beispiel können detaillierte Informationen über die Datenherkun" enthalten. Kommentare zu Kodes wären typis#erweise, aber ni#t notwendigerweise, Bes#reibungen oder Erklärungen von Bezei# nungen, die an weniger o/ensi#tli#e oder weniger ans#auli#e Kodes vergeben werden. Im Falle von Zitaten oder Links können Kommentare eine Erklärung dafür geben, warum wir diese Objekte erzeugt haben, spri#: was so interessant an ihnen war.
21 Die Autor/innen geben s#erzend zu, dass „Exploration“ als Prinzip hauptsä# li# deswegen aufgenommen wurde, um ein s#öneres Akronym (VISE) zu erhalten. 22 Visualisierung und visuelle Darstellung sind in Studien zur gegenwärtigen Wissens#a" ausgiebig diskutiert worden (Lyn# & Woolgar )--'; Latour )-+*; Snyder )--+). Mi&els Visualisierung s#affen wir Bedingungen für die Kontrolle, Bearbeitung und Akkumulation kleiner Wissensstü%e, die an si# häu1g bedeutungslos sind, und integrieren sie in elaboriertere und komplexere Aussagen. S#öne Visualisierungsstrategien in der qualitativen Fors#ung 1nden si# bei Miles und Huberman ()--!).
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Memos sind ein Sonderfall. Ihre Bedeutung und ihr analytis#er Nutzen wä#st typis#erweise mit dem Fortgang unserer Analyse. In Memos integrieren wir Teilbeoba#tungen. Diese Integration ist ni#t bloß eine abstrakte mentale Operation. Sie korrespondiert mit der Eigens#a" von Memos, mehreren Kodes, Zitaten und anderen Memos auf einmal angehängt werden zu können. Wir können uns Memos demna# als Embryo-Absätze oder -Seiten eines zukün" igen Fors#ungsberi#tes vorstellen, die bereits dur# empiris#e Daten begründet und in ein umfassenderes Argument eingebe&et sind (in die Struktur von anderen Memos). Im Idealfall sollte der Beri#t mindestens halb in ATLAS.ti (oder einer anderen QDA-So"ware) ges#rieben werden: Ein Großteil des Verfassens des Beri#ts in einem Textverarbeitungsprogramm (außerhalb von ATLAS.ti) würde dann darin bestehen, in Memos enthaltene Textstü%e und verbundene analytis#e Objekte, speziell Zitate und diverse andere Kommentare, zu editieren, zu verbinden und zu vervollständigen. Sol# ein di#tes und empiris# verankertes Netzwerk aus analytis#en Objekten aus ATLAS.ti tau#t jedo# ni#t aus dem Ni#ts auf. Es ist das Resultat langfristiger Arbeit, die die oben bes#riebenen code and retrieve-Verfahren beinhaltet und über sie hinausgeht. Was für eine Art von Arbeit$? Allgemein wird angenommen, dass der Hauptzwe% des Kommentierens von analytis#en Objekten darin liegt, das eigene Erinnerungsvermögen zu unterstützen. Die beste Mögli#keit zu verhindern, dass wir die Ideen vergessen, die dur# unsere Lektüre der Daten entstehen, besteht darin, diese Ideen aufzus#reiben. Dies ist abermals eine konventionelle Si#tweise, na# der der Gebrau# von So" ware unsere mentalen Fähigkeiten fördert und erweitert. Aber es gibt weitere Vorteile des Kommentierens. Zunä#st ist es wi#tig anzumerken, dass das Kommentieren einer der Haupts#ri&e ist, der die Interpretation der Daten begründet. Dur# das Verfassen von Kommentaren s# reiben Fors#ende si# selbst in das untersu#te Material ein. Am Anfang ist fast alles, was wir „auf dem Tis#“ haben bzw. auf dem Bilds# irm sehen, etwas, was andere sagen; mit der Zeit werden die Darstellungen der anderen dur# unsere eigenen textuellen Eingri/e und Ergänzungen erweitert. Klammern, die Zitate kenntli# ma#en, ers#einen am Rand des Haupttextes; einigen Zitaten werden Kodenamen angefügt, und vor allem fügen wir hier und da unsere Kommentare an. Na# einiger Zeit untersu#en wir ni#t mehr die ursprüngli#en Daten, sondern eine viel rei"ere Mis"ung von Stimmen, unter denen unsere eigene Stimme zunehmend dur#dringender wird. Auf diese Weise wird soziologis#er Text aus den Textdaten produziert. Es ist kein plötzli#er We#sel vom Empiris#en zum Soziologis#en mögli#, nur ein langsames Wa#sen des Letzteren ins Erstere (und umgekehrt). Kommentare sollten daher ni#t nur als ein Hilfsmi&el zur Konservierung von Ideen gesehen werden, sondern au# (und was viellei#t no# wi#tiger ist, da das Ziel von Analyse ni#t ist, nur Ideen zu konservieren$!) als ein Raum, in dem sozio-
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logis#er Text s#ri&weise geboren wird. Und genau in dieser Funktion sollten sie, wann immer mögli#, genutzt werden. Unsere Fähigkeit, einem mögli#en neuen freien Zitat oder einem Link einen Kommentar anzufügen, könnte sogar dur#aus als Test aufgefasst werden, ob die Erzeugung bestimmter neuer Objekte legitim ist. Es ist typis#, dass Anfänger/innen auf ziemli# zwanglose Art und Weise neue analytis#e Objekte mit ATLAS.ti produzieren. Von der Mühelosigkeit und S#nelligkeit verleitet, mit der neue Zitate oder Links erstellt werden können, haben sie bald tausende von kodierten oder freien Zitaten und kaum einen Gegenstand, der ni#t mit irgendetwas anderem verbunden wäre, ohne eine Ahnung zu haben, was sie mit dieser gewaltigen Menge an verbundenen Objekten tun sollen. Reifli#e Überlegung ist geboten, insbesondere wenn ni#t triviale „starke Links“ im Spiel sind.23 Aber was könnte ein brau#bares Kriterium für die Ents#eidung darüber sein, ob zwei Zitate oder Kodes verknüp" werden sollen oder ni#t$? Man#e würden unters# iedli#e Arten von rationalen Kriterien vors#lagen, aber i# empfehle ein pragmatis#es (und nahezu me#anis#es): Gibt es irgendetwas an dieser speziellen Textpassage oder Beziehung, das wert ist, aufges#rieben zu werden$? Wenn ja, dann sollte der Link mit Selbstvertrauen erstellt und die entspre#enden Kommentare sollten ges#rieben werden. Wenn wir aber zu diesem Zeitpunkt ni#t imstande sind, zu dem in Betra#t gezogenen Link einen Kommentar zu s#reiben, nur ein unbestimmtes „Gefühl“ haben, dann sollten wir zögern. Denn wenn Theorie in empiris#en Daten begründet sein soll, dann sind praktis#e Details wie beispielsweise Links, die in Argumenten begründet sind (ni#t geistig, sondern wirkli#, in Form von ges#riebenen Kommentaren zu Links), beoba#tbare prozedurale Elemente davon. Die Erstellung von Zitaten verläu" etwas anders. Der häu1gste Grund, ein neues Zitat zu erstellen, ist die Erfordernis, ein Datenelement zu kodieren. O"mals können das Erstellen des Zitats und das Kodieren als eine einzige Operation aufgefasst werden.24 Denno# können au# freie Zitate (Auss#ni&e aus den Daten, die im Augenbli% ihrer Erstellung mit keinem Kode verknüp" sind) ein sehr nützli#es Hilfsmi&el sein. Wir können uns ein Vorgehen vorstellen, das te#nis# analog zum Erstellen freier Kodes ist, das darin bestehen würde, während eines anfängli#en Lesens der Daten nur freie Zitate zu bestimmen, (zunä#st) ohne an irgendwel#e Kodes zu denken. Strategis# kann dieses Vorgehen als eine Alternative bzw. Ergänzung zu dem verstanden werden, was Strauss und Corbin „o/enes Kodieren“ nennen ()--' [)--*], S.*(). Und genau für die Erzeugung freier Zitate können wir eine ähnli#e Regel wie für Links nutzen: Kommentierte freie Zitate sind völlig legitim, unkommentierte nur in Ausnahmefällen. 23 ATLAS.ti ermögli#t die Erzeugung von quali1 zierbaren Links (Links vers# iedener Arten von Beziehung) entweder zwis#en einzelnen Zitaten oder zwis#en Kodes, letztere werden strong links genannt (Muhr & Friese (''!, S.()(). 24 Man#e So" warepakete wie etwa Ethnograph (h&p://www.qualisresear#.com/) ließen ursprüngli# die Erstellung freier Zitate ni#t zu.
396 6.2
Das Denken mit ATLAS.ti si#tbar ma#en
Wie kann man Relevanz erkennen&?
Lassen Sie uns annehmen, dass wir unsere Daten mit Sorgfalt und Umsi#t segmentiert und kodiert haben. Segmente und Kodes sind dort, wo es angebra#t ist, dur# unters#iedli#e Arten von Beziehungen miteinander verknüp". Kommentare sind erstellten Objekten und Links angefügt (die in Wirkli#keit au# analytis#e Objekte sind), was – wie i# gerade darzulegen versu#t habe – die Qualität und argumentative Begründetheit unserer Arbeit steigert. Kurz gesagt, es sind zahlrei#e partielle analytis#e Überlegungen materialisiert (oder vielmehr virtualisiert) worden in Form von beoba#tbaren und bearbeitbaren Objekten – Kodes, Zitaten, Kommentaren und Links … So weit, so gut. Aber dies kann si#er ni#t das Ende der Analyse sein, sondern eher ihr Anfang. Was nun$? Womit soll man anfangen$? Es gibt so viele, potenziell interessante Details, so viele mögli#e Fragen. Wir müssen jetzt fokussieren. Und wir müssen au# unser empiris#es Material reduzieren und nur mit einigen Stü%en, den relevantesten, weiterarbeiten. Aber wie können wir ein relevantes Textstü% erkennen$? Wie soll man die wi#tigsten Kodes und Memos ermi&eln$? Man#e würden vors# lagen, ganz, ganz intensiv na#zudenken. Es ist Zeit, aus der etwas me#anistis#en Welt der Computerverarbeitung herauszutreten und endli# anzufangen, wahre geistige Arbeit zu leisten … Genau das glaube i# ni#t, sondern ganz im Gegenteil: Dies ist der Augenbli%, in dem wir am Computer bleiben und ATLAS.ti na# einer Antwort fragen sollten. Nein, i# glaube ni#t an Zauberei (wie es dur# die in der Einleitung erwähnte Maro&e vermutet werden könnte). I# glaube an Relevanz als ein emergierendes und erkennbares Merkmal meiner bisherigen Arbeit. Ein Bli% auf den Monitor und wenige Kli%s mit der Maus sind tatsä#li# genug in ATLAS.ti, um zu sehen, wel#e Zitate besonders relevant und daher vielverspre#end für eine weiterführende Analyse sind. Vorausgesetzt, wir sind so vorgegangen, wie es oben bes#rieben wurde, dann können wir alles bequem ans#auen, was wir zu unseren Daten festgehalten haben. Was genau verdient Bea#tung$? Einfa# gesagt, ist sol# ein Zitat ein besonders wi#tiges Stü% unserer Daten, für das ein Kommentar existiert; und/oder eines, das mit mehreren Kodes verbunden ist; und/oder eines, das mit einem oder mehreren anderen Zitat(en) verknüp" worden ist, vorzugsweise mit kommentierten Links; und/oder eines, das in bea#tenswerten Netzwerkansi#ten aufgetau#t ist … Aber halt, wel#e Netzwerkansi#ten – unter all den gespei#erten – sind bea#tenswert$? Es ist abermals dasselbe Prinzip: jene mit Kommentaren, jene, die relevante Zitate und wi#tige Kodes beinhalten. Wi#tige Kodes$? Ja, jene Kodes, die mit einer größeren Anzahl von Zitaten assoziiert sind, die eine besondere Position in der Kode-Liste einnehmen, die für die Klassi1kation von Zitaten in den wi#tigsten PDs (wie beispielsweise einem Projektantrag) genutzt werden und/oder die, die mit relevanten Memos verknüp" sind. Relevante Memos$? Ja, wiederum diejenigen Memos, wel#e mit interessanten Zitaten und Kodes ver-
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knüp" (und daher konzeptuell und empiris# gesä&igt) sind, außerdem diejenigen, die au# mit anderen Memos verknüp" sind, sodass sie Teil der Struktur einer übergreifenden Argumentation sind.25 All diese Eigens#a"en sind in ATLAS.ti gut und einfa" si"tbar. Insbesondere die Di#te und Art von Links ist unmi&elbar si#tbar. Die neueren Versionen des Programms bieten sogar s#öne, zusammenfassende Previews vom gemeinsamen Auftreten von Kodes im Datensatz. Die Mögli#keiten der vers#iedenen synoptis#en Ansi#ten sind überwältigend. Natürli# kann die analytis#e Arbeit mit ATLAS.ti ni#t damit begonnen werden, einen magis#en Bu&on mit der Aufs#ri" Relevant Text Sear" zu drü%en. Aber na"dem man einige Zeit ergiebig mit den Daten verbra#t hat, werden viele Bu&ons in ATLAS.ti wahrha" magis#: Man kli%t einfa# auf den Bu&on, der ein kleines Fenster des Zitat-Managers ö/net und kli%t dann no# einmal, um die Zitate na# der Anzahl von Links zu anderen Objekten zu sortieren – und voilà, hier zuoberst haben wir Kandidaten für den Posten der relevantesten Datenelemente. Im selben Zitat-Manager sehen wir unmi&elbar, wel#e Zitate kommentiert sind, und wir können sogar unkommentierte Zitate heraus1ltern. Die Liste wird so sukzessive kürzer und solider. Es gibt vers#iedene Mögli#keiten herauszu1nden, wie viele Kodes (und wel#e Kodes) jeweils assoziiert sind. Sind dies wi#tige Kodes$? Wenn ja, sollte das entspre#ende Zitat im Zitatranking na# oben vers#oben werden. Und so weiter.26 All das ist s# nell und einfa# zu sehen, ohne dass tiefgehende Überlegungen erforderli# sind. Denn die wi#tigen Denkakte haben bereits sta&gefunden, in zahllosen Augenbli%en unseres bisherigen Kodierens, Segmentierens, Kommentierens, Verknüpfens … und jetzt genügt es, nur einen kurzen Bli% darauf zu werfen und von diesen zahllosen kleinen Akten Gebrau# zu ma#en, die in einer eindru' svollen Gesamtheit materialisiert und visualisiert sind. Wenn Sie Ihrem Urteil so vertrauen, wie Sie es während der langwierigen und detaillierten Arbeit mit einzelnen PDs, Zitaten und anderen Objekten getan haben, dann können Sie si# auf die oben skizzierten Kriterien ruhig verlassen. Sie helfen, die Frü#te Ihrer vorigen Anstrengungen zu ernten.
25 Die Kriterien sollten behutsam angewendet werden. Ein Zitat mag als relevant und als geeignet für eine weitergehende Betra#tung angesehen werden, selbst wenn es nur mit einem einzigen Kode versehen oder kein Kommentar angefügt ist – vorausgesetzt, dass z.3B. ein besonders wi#tiger Kode verwandt wurde. Die Kriterien sind insoweit ni#t strikt, aber sie bieten denno# eine gute Orientierung. 26 Es sollte für die, die mit Programmen wie ATLAS.ti ni#t vertraut sind, angemerkt werden, dass bequem von Listen und Übersi#ten zu den Zitaten selbst und ihren ursprüngli#en Spei#erorten gesprungen werden kann. Das heißt, wir sehen ni#t nur, ob ein Zitat kommentiert ist oder ni#t oder wie viele Links es zu anderen Objekten hat, sondern können es au# unmi&elbar in voller Länge lesen.
398 6.3
Das Denken mit ATLAS.ti si#tbar ma#en
Daten neu lesen
Aus der hier nahe gelegten Perspektive sind die Qualität und Relevanz von Konzepten und ihr empiris#er Gehalt das Resultat der fortlaufenden analytis#en Arbeit, ni#t ihre Vorbedingung. Relevanz wird gema"t. Und es ist ni#t unbedingt unser Denken allein an diesem Prozess beteiligt. Als etwas, das lei#t (an)gesehen werden kann, wird sie vielmehr von materiellen Praktiken hergestellt, bei denen die virtuelle Umgebung des Computers eine ents#eidende Rolle als Vermi&lerin spielt. ATLAS.ti bietet eine S#ni&stelle, in der und dur# die wir denkend handeln. Wir könnten auf ähnli#e Weise praktis#e Gegenstü%e von einigen anderen mentalen Operationen bes#reiben. Nehmen wir zum Beispiel die Situation, in der wir vorübergehend den Bli% von bisher benutzten theoretis#en Konzepten abwenden und unsere Daten „mit neuen Augen“ ans#auen wollen. Dies ist eine s#were intellektuelle Aufgabe, die Selbstdisziplin und Entsagung verlangt. Aber sie hat eine sehr praktis#e Dimension. Wir können unsere Arbeitsumgebung, unseren virtuellen S#auplatz, so gestalten, dass die So"ware (zumindest teilweise) die Last der oben genannten intellektuellen Herausforderung übernimmt. Mit ein paar Mauskli%s ist es mögli#, die entspre#enden Kodes einfa# herauszu1ltern – das heißt die Kodes, die die oben genannten theoretis#en Konzepte verkörpern. Dadur# vers#winden sie komple& vom virtuellen S# reibtis#, sie existieren vorübergehend ni#t mehr. Und so können die untersu#ten Dokumente auf eine sehr praktis"e Weise ohne die konzeptuelle Last der bisherigen Analyse (so weit mögli#) „neu“ gelesen werden. Aus den Augen, aus dem Sinn. Dinge vorübergehend unsi#tbar zu ma#en, eine Art selektive Visualisierung, ist ein wi#tiger Aspekt des Visualisierungsprinzips. Dies passiert eigentli# die ganze Zeit. Stellen Sie si# die ganz übli#e Situation vor, dass wir Zitate dur#su#en, die einem oder mehreren Kodes zugewiesen sind. Ein sol#er Vorgang verwandelt unser Lesen der Daten substanziell. Denn wir lesen ni#t mehr einzelne Dokumente sequenziell, d.3h. eins na# dem anderen. Ansta& das Interview mit Herrn Miller anzusehen, dann das Re#tsdokument, dann einen soziologis#en Artikel, dann no# ein Interview und so weiter, lesen wir quer. Indem wir all die kodierten Zitate, die z.3B. mit dem Kode „Geld“ verknüp" sind, auflisten und ans#auen, konstruieren wir – aus den ursprüngli#en Daten und zusätzli" zu ihnen – einen neu zusammengesetzten und vielstimmigen Text über Geldangelegenheiten. Dieser neue Text ist eine weitere Verkörperung unserer fortlaufenden Bewegung von ursprüngli#en Kontexten und Bedeutungen zu einer genuin soziologis#en Argumentation. Als neues Element, ein neu ges#a/enes Objekt, gehört es etwas weniger unseren Befragten und etwas mehr uns selbst als Interpret/innen. Wenn i# von der Konstruktion eines neuen Textes spre#e, meine i# das ni#t metaphoris#. Was wir hier haben, ist eine dur#aus reale Sequenz von Sätzen und Absätzen, die auf dem Monitor von Anfang bis Ende gelesen, als neues Dokument gespei#ert oder au# auf Papier gedru%t werden kann. Wir können sol# ein neu
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ges#a/enes Dokument sogar als ein weiteres Primärdokument unserem Projekt (der Hermeneutis#en Einheit) zuordnen und es als zu analysierendes Material behandeln.27 … Warum sollten wir dies tun$? Weil die Datenelemente, wenn sie erst einmal von den ursprüngli#en Kontexten getrennt und in andere (thematis# bestimmte) Beziehungen gesetzt wurden, eine bis dahin ungehörte Ges"i"te erzählen. Was zunä#st wi#tig s#ien, kann nun zu einem untergeordneten Aspekt werden; umgekehrt kann etwas, das wir ursprüngli# als unwesentli# betra#tet haben, an Bedeutung gewinnen, weil zum Beispiel erkennbar wird, wie häu1g vers#iedene Personen es erwähnen. Es erö/net si# ein Raum für neue Einbli%e und Ideen, was zu neuen textuellen Ergänzungen (Kommentaren, Links, Kodierungen) und somit au# zu neuer Relevanz führt … das serendipity-Prinzip in Aktion. Was begründet dann die neue Qualität des soziologis#en Lesens von Daten$? Wie wird ein neues Verständnis der Wirkli#keit hervorgebra#t$? Zunä#st s#eint es so, dass die Interpretation qualitativer Daten eine Reihe von Bearbeitungen von Texteinheiten umfasst – Bearbeitungen, die vom wiederholten Lesen ein und desselben Datensatzes herrühren. Ein näherer Bli% o/enbart jedo# etwas anderes. Fors#ende bearbeiten die (Text-) Daten vielmehr so, dass fortlaufend neue Texte aus den und entlang der alten erzeugt (ges"rieben) werden. Dies ist kein linearer Prozess, sondern ein verwinkeltes und intermi&ierendes Verfahren. In dessen Folge entstehen neue Daten, in denen die Stimmen der untersu#ten Akteur/innen no# gegenwärtig sind, aber mehr und mehr ist dies au# die Stimme der Fors#erin oder des Fors#ers. Mit diesen neuen Daten entstehen neue Perspektiven und Einbli%e. Eine sol#e textuelle Praxis, die ebenso sehr auf S#reiben wie auf Lesen basiert, ist das wi#tigste Mi&el zur Herstellung eines neuen Verständnisses. Wenn wir beginnen, „natürli#e“ Tätigkeiten wie Denken oder Sehen28 als verkörperte materielle Praktiken anzusehen, erkennen wir besser, aus wel#en Gründen si# die soziologis#e Interpretation wirkli# von alltägli#en Interpretationen unters#eidet. Soziolog/innen punkten primär ni#t dur# ihren besonders hellen und ra5nierten Verstand, sondern vielmehr dur# alles das, was sie mit ihren Daten praktis# tun. Was als neue Art und Weise, ein und dieselben Daten zu lesen ers#eint, was als wüns#enswertes Ergebnis der Analyse aufgefasst werden kann, ist in Wirkli#keit ein E/ekt des Vorgehens, bei dem wir kunstvoll neue (Versionen von) Texte(n) erzeugen und sie im Grunde mit ein und demselben Augenpaar und Verstand lesen.
27 Dies könnte als system closure angesehen werden (Ri#ards & Ri#ards )--!). 28 Sehen als instruierte und materielle Praktik ist aus einer ethnomethodologis#en Perspektive u.3a. von Laurier und Brown (('',) verans#auli#t worden.
400 7
Das Denken mit ATLAS.ti si#tbar ma#en
S!lussfolgerungen
Man kann sagen, dass CAQDAS eine außergewöhnli#e Lei#tigkeit, Ges#windigkeit und Zuverlässigkeit mit si# gebra#t hat, mit der wir uns dur# umfangrei#e Datensätze bewegen können und die uns hil", uns zu erinnern, neu zu strukturieren und na#zudenken. Aber Programme wie ATLAS.ti bieten viel mehr als das. Sie ermögli#en uns, aus vers# iedenen Perspektiven das zu sehen, was (so vermuten wir) in unserem Geist passiert. Die ausgeklügelte S# ni&stelle dieser So"ware-Tools ist ni#t nur wi#tig, weil sie eine intuitive und bequeme Bedienung ermögli#t, sondern au#, weil sie unters#iedli#e, aufeinander bezogene Visualisierungshilfen bereitstellt. Damit erlauben Programme wie ATLAS.ti Fors#er/innen, auf eine si"tbare Art und Weise zu denken. Visualisierte Gedanken oder mentale Operationen können bequem in großer Anzahl gespei#ert, erinnert, klassi1ziert, verknüp", herausge1ltert … und als Ganzes bedeutungsvoll gema#t werden. Visualisierung bedeutet zum Beispiel, dass Kodes ni#t bloß mentale Einheiten oder Konzepte sind, sondern au# mit einem Namen versehene Elemente von unters#iedli#er Größe und Farbe, die von Hand bearbeitet und visuell erkannt und kontrolliert werden können. Ein auf diese Weise si#tbar gema#tes Denken ist zuglei# na#vollziehbares und vermittelbares Denken.29 Denken ist untrennbar verbunden mit Handeln. Dies ist die wi#tige, aber zumeist verna#lässigte Lehre für qualitative Analysen. Angesi#ts der Tatsa#e, dass sie aus Traditionen stammt, die vor dem theoretis#en Hintergrund zentraler qualitativer Ansätze entwi%elt und ausgearbeitet wurden, ist es paradox, dass so viele qualitative Methodentexte diese Lehre ignorieren.30 Das Aufkommen von CAQDAS hat dieses Paradox sogar no# vers#är": So"warepakete, so lesen wir, sind „Tools“, die die geistigen Fähigkeiten der Fors#er/innen unterstützen, aber ni#t „wirkli# denken“ können. Auf diese Weise wird die alte, mentalistis#e Auffassung von Wissen no#mals bekrä"igt. Von den Science and Te"nology Studies inspiriert, habe i# versu#t, CAQDAS und qualitative Analyse in einem anderen Li#t zu zeigen. Ansta& alltägli#e Momente qualitativer Analyse und Interpretation in Form von bestimmten mentalen Operationen (die in der S#ni&stelle der So"ware repräsentiert sind) zu bes#reiben, habe i# materielle Praktiken und Bearbeitungen hervorgehoben. Die analytis#e Arbeit mit ATLAS.ti ist für sol# eine Neurahmung besonders geeignet: als virtuelle Umgebung und Medium für verkörperte und praxis-basierte Wissensherstellung. Die 29 Gar1 nkel ((''() hat instructability als einen S# lüsselbegri/ für ein ethnomethodologis#es Verständnis eines Handeln hervorgehoben, das nie ganz vom Befolgen von Regeln abhängig sein kann, aber denno# verstehbar und na#vollziehbar ist. 30 I# beziehe mi# hier vor allem auf Phänomenologie (Merleau-Ponty (''( [)-!,]), Ethnomethodologie (Gar1nkel )-*.; Holstein & Gubrium )--!), Poststrukturalismus (Derrida )-.*; Denzin )--!, )--,) und Konstruktivismus (Berger & Lu%mann )-*.; S#wandt )--!).
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Untrennbarkeit von Denken und Handeln im Rahmen qualitativer Datenanalyse ist hier besonders deutli# erkennbar. Die GTM (breit de1 niert), dieses mehr oder weniger explizite Alter Ego von CAQDAS, ist ebenfalls neu gerahmt worden. Wenn sie ni#t in Form von methodologis#en oder theoretis#en Begri/en bes#rieben wird, sondern hinsi#tli# dessen, was wir mit den analysierten Daten praktis# tun, wird sie mit dem textualistis#en, poststrukturalistis#en Paradigma (von dem sie vermeintli# erhebli# entfernt ist) vollkommen kompatibel. Wie Zygmunt Bauman zusammenfasst ()--), S.)4'$f.): „One of the most important boundaries that cannot be drawn clearly and that generate ambiguity in the very process of being compulsively drawn is that between the text and its interpretation. The central message of Derrida is that interpretation is but an extension of the text, that it ‚grows into‘ the text from whi# it wants to set itself apart, and thus the text expands while being interpreted whi# precludes the possibility of the text ever being exhausted in interpretation.“
Und dies ist genau, was wir gesehen haben. Die Art und Weise, wie Interpret/innen in ATLAS.ti (oder mit S#eren, Kleber und Bundsti"en) PDs bearbeiten, umgestalten und erweitern, kann als ein empiris#er Beleg dieses poststrukturalistis#en Arguments verstanden werden. Anders ausgedrü%t: Die GTM sieht nur insofern ho/nungslos „modern“ und szientistis# aus und ers#eint weit entfernt von dem, was vom textual turn in der Sozialwissens#a" herbeigeführt wurde, als ihre Vorgehensweisen als „immateriell“ interpretiert werden, also als im Wesentli#en konzeptuelle Arbeit mit Daten. Wenn wir die zu Beginn erwähnte Aussage von Strauss ernst nehmen, dass nämli# die qualitative Analyse als eine Reihe sowohl physis#er als au" konzeptueller Aufgaben verstanden werden sollte, dann wird die GTM o/en für poststrukturalistis#e und radikal-konstruktivistis#e Positionen. Ein sol#es Verständnis der GTM bedeutet jedo# keinen Verlust ihrer Normativität und Vermi&elbarkeit, ganz im Gegenteil. Sie war bei Lehrenden und Lernenden immer s#on beliebt, weil sie relativ gut in Form von praktis#en und verständli#en Handlungsri#tlinien formuliert werden kann; die hier vorges#lagene Neurahmung würde dies no# vorantreiben. Literatur Ashmore, Malcolm & Reed, Darren (('''). Innocence and nostalgia in conversation analysis: The dynamic relations of tape and transcript. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, #(4), Art.4, h&p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:'))!-fqs'''44,. Bauman, Zygmunt ()--)). Intimations of postmodernity. London: Routledge. Becker, Howard S. ()--4). Theory: The necessary evil. In David J. Flinders & Geo/rey E. Mills (Hrsg.), Theory and concepts in qualitative research: Perspectives from the %eld (S.()+–((-). New York: Teachers College Press.
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Grounded theorizing als Gesprä!: Anmerkungen zu Anselm Strauss, der frühen Chicagoer Soziologie und der Arbeit in Fors!ungswerkstä"en1 Gerhard Riemann
1
Einleitung
In einem Interview2, das i! am "#. Juli "$%" mit Anselm Strauss in San Francisco führte und in dem er über die Entwi&lung seines Lehrstils erzählte, kam er u.'a. auf seine Zeit als Assistenzprofessor an der Universität von Chicago in den "$()er Jahren zu spre!en: „And then the other thing you should understand is that Howie Becker who *rst met me in the *rst class of that was terribly amused/and he still talks about it, because he says he’d come to class and I would do discussing. And then I would stop and I would write something down. So I was ge+ing something out of the exchange. Now, more o,en than that it was something I said that I wrote down. […] Sometimes it was what students said. But it was truly interactional because I wouldn’t have said it if not someone had raised the problem or given the data or something. So all my life I have used teaching as a stimulant – to my own thinking. And in times when I am not teaching I have to use my own data or somebody else’s writing to do that. […] So I turn the teaching into a learning experience for myself. And a creative experience. Okay-?“
Wenn Sozialwissens!a,lerinnen und Sozialwissens!a,ler, die mit Anselm Strauss ins Gesprä! gekommen sind, diesen Auss!ni+ lesen, werden vermutli! Erinnerungen gewe&t: Erinnerungen an einen freundli!en, sehr leisen und humorvollen Gesprä!spartner, der intensiv zuhörte, fragte, si! wunderte, neue Fragen stellte, la!te, si! von den Antworten seiner Gegenüber anregen ließ, kontrastive Verglei!e bildete oder einen dazu bra!te, das selbst zu tun – und andere dabei hineinzog in einen spontanen Prozess der unprätentiösen und informellen Fors!ungskommunikation und gemeinsamen Erkenntnisbildung. Und er vermi+elte immer wieder 1
2
Der dri+e und vierte Abs! ni+ des Aufsatzes basieren auf Teilen eines Vortrags, den i! am ./.0..))( im Rahmen der Mi+agsvorlesung des ". Berliner Methodentre1ens Qualitative Fors!ung an der Freien Universität Berlin gehalten habe (Riemann .))(). Meine Ausführungen sind geprägt von meiner langjährigen Zusammenarbeit mit Fritz S!ütze und Thomas Reim. – I! danke Katja Mru& und Günter Mey für sehr hilfrei!e Anmerkungen zu einer ersten Fassung dieses Textes. Das Interview ist ni!t verö1entli!t.
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Grounded theorizing als Gesprä!
das Gefühl – au! wenn man selbst no! ein eher s!euer Student war und si! unsi!er zeigte, was die Qualität der eigenen Fors!ungspraxis anging – man sei dur!aus in der Lage, den eigenen Kopf zu gebrau!en. Die Ges!i!te der Rezeption der Grounded-Theory-Methodologie in Westdeuts!land in den "$2)er Jahren ist von vielen sol!en Begegnungen von Soziologinnen und Soziologen mit Strauss geprägt – er war in dieser Zeit mehrmals für längere Zeit in Deuts! land, u.'a. au! in Konstanz auf Einladung von Ri!ard Gratho1. Während das von ihm und Glaser verfasste Bu! „The Discovery of Grounded Theory“ (Glaser & Strauss "$02) in dieser Zeit no! eine wi!tige Funktion für die Legitimation der ersten Ansätze qualitativer Sozialfors!ung in Deuts! land ha+e, wurde in den Gesprä!en mit Strauss das grounded theorizing als gemeinsame Herstellungsleistung erfahrbar, ohne dass die am Gesprä! Beteiligten ein großes Aufheben darum gema!t hä+en. Er belehrte ni!t, sondern fragte. Und wenn er etwas erläuterte oder eine Kategorie vors!lug, kam das ni!t als Belehrung herüber. Vieles hiervon lässt si! in „Qualitative Analysis for Social Scientists“ (Strauss "$%2) wieder*nden, einem Bu!, das deshalb so instruktiv ist, weil es im Unters!ied zu traditionellen Methodenbü!ern den Prozess der gemeinsamen Herstellung von Fors!ung (im Stil der Grounded Theory-Methodologie) und der Theoriebildung in seinen unters!iedli!en Face+en si!tbar ma!t – und zwar auf der Grundlage von Auss! ni+en von Daten, Memos und gra*s!en Repräsentationen einerseits und von Transkriptionen von Fors!ungsseminaren mit seinen Doktorand/innen und von Tre1en seines Fors!ungsteams andererseits. Und alles das wird verbunden mit methodologis!en Erörterungen und mit „Faustregeln“, die geprägt sind von langjährigen Erfahrungen mit der Lehre, der Betreuung von Arbeiten und der Beratung von Kolleginnen und Kollegen. Die Tatsa!e, dass zumindest längere Transkriptionsauss!ni+e zur Verfügung stehen, s!a3 darüber hinaus eine Grundlage dafür, dass kritis!e Lesende au! zu eigenen S!lüssen über die jeweils relevanten Prozesse der werksta+förmigen Erkenntnisbildung gelangen können – unabhängig von den von Strauss formulierten Kommentaren und Empfehlungen. Eine andere wi!tige Quelle für die Rekonstruktion des in diesen Zusammenhängen praktizierten Kommunikations- und Arbeitsstils sind die Erinnerungen seiner damaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Fritz S!ütze, der "$2%/2$ ein Jahr bei Anselm Strauss verbra!te und regelmäßig an Bespre!ungen seines Projekts zur medizinis!en Arbeit teilnahm, beri!tete mir beispielsweise von der großen Bedeutung, die mündli!e narrative Fallpräsentationen von Strauss’ Mitarbeiterinnen für die Erö1nung von Teambespre!ungen ha+en (vgl. au! Wiener .))2) – ein Aspekt, dem in „Qualitative Analysis for Social Scientists“ keine besondere Bea!tung ges!enkt wird. Ein wi!tiges Verdienst der Arbeit ist auf jeden Fall, das Werksta+förmige der gemeinsamen Erkenntnisbildung in der Entstehung von grounded theories si!tbar gema!t zu haben. In den letzten drei Jahrzehnten hat im deuts!spra!igen Raum die Arbeit von Fors!ungswerkstä+en für die Verbreitung und Konsolidierung vers!iedener An-
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sätze der interpretativen Sozialfors!ung in Ausbildungszusammenhängen unters!iedli!er Disziplinen und Professionen eine wi!tige Rolle gespielt3. Während si! der Begri1 au! eingebürgert hat für Blo&seminare im Rahmen einmal jährli! sta+*ndender „Großereignisse“4, in denen Studierende und Doktorandinnen bzw. Doktoranden ihre Datenmaterialien zur gemeinsamen Bearbeitung einbringen und si! dabei mit bestimmten Analyseansätzen näher vertraut ma!en mö!ten, sind Fors!ungswerkstä+en na! meinem Verständnis primär lokale Lehr- und Lernarrangements, die si! über einen längeren Zeitraum entwi&eln, von we!selseitiger Verbindli!keit geprägt sind und in denen die Teilnehmer/innen ihre eigenen Fors!ungsprojekte verfolgen (Dausien .))2). Alle diese Werkstä+en haben ihre eigene Ges!i!te, au! wenn sie vieles verbindet.5 Fritz S!ütze und i! ha+en unsere ersten Erfahrungen mit diesem Lehr- und Lernarrangement am Fa!berei! Sozialwesen der Universität Gesamtho! s!ule Kassel gesammelt (Riemann & S!ütze "$%2) – und zwar na!dem wir beide zu unters!iedli!en Zeiten ein Jahr bei Anselm Strauss an der University of California in San Francisco verbra!t ha+en.6 Das, was si! in Kassel – und ans!ließend an anderen Orten wie Magdeburg, Bamberg und Nürnberg – gemeinsam mit Thomas Reim und anderen entwi&elte, ist von diesen Erfahrungen geprägt, aber natürli! keine Imitation von Strauss’ Vorgehen, da die von uns praktizierten und vermittelten Fors!ungsansätze au! andere Arbeitss!ri+e beinhalteten, z.'B. den S!ri+ der strukturellen Bes!reibung (Riemann "$%2; S!ütze .))(), und andere kommunikative Arrangements erforderli! ma!ten. Angesi!ts der Bedeutung von Anselm Strauss für die Entwi&lung von Fors!ungswerkstä+en im deuts!spra!igen Raum ers!ien es mir angebra!t, zu Beginn meines Aufsatzes an ihn zu erinnern. 3
4
5 6
Vgl. beispielsweise Reim und Riemann ("$$2), Mru& und Mey ("$$%), Kraimer ("$$%), S!ütze (.))(, S..##–.#2), Ho1mann und Pokladek (.)"") oder h+ p://www.uni-bielefeld.de/aquarium/. Eine wi!tige Weiterentwi&lung der Werksta+arbeit stellt die „NetzWerksta+“ (h+p://www.methodenbegleitung.de/) dar (Mey, Otmar & Mru& .))0; Bargfrede, Mey & Mru& .))$), die unter Bezug auf die themenzentrierte Interaktion na! Ruth Cohn und die Prinzipien der Projektwerksta+ Qualitativen Arbeitens, wie von Mru& und Mey ("$$%) für O4 ine-Gruppen entwi&elt, überwiegend online organisiert ist). Von Christine Moritz (.))$) werden in Zusammenarbeit mit der Leu!tfeuer-Arbeitsgruppe der NetzWerksta+ einige Erfahrungen der Beteiligten plastis! herausgearbeitet. Es wäre lohnend, den Unters!ieden und Gemeinsamkeiten standortgebundener und -unabhängiger Werkstä+en, was die Formen der Fors!ungskommunikation und der Erkenntnisbildung betri3 , weiter na! zugehen. In der NetzWerksta+ werden (im Sinne des Blended Learning) Online-Angebote mit „O4ine-Angeboten“ verbunden: „Dur! die Präsenzveranstaltungen gibt es ‚au! ein Gesi!t zu dem Namen‘, was von den Mitgliedern als sehr hilfrei! für die Verbindli!keit der Kommunikation miteinander empfunden wird“ (Bargfrede, Mey & Mru& .))$, S.(2). Z.'B. das „Berliner Methodentre1en Qualitative Fors!ung“ (h+p://www.berliner-methodentre1en. de/) an der Freien Universität Berlin, der „Bundesweite Workshop zur qualitativen Bildungs- und Sozialfors!ung“ (h+ p://www.uni-magdeburg.de/zsm/node/#") an der Universität Magdeburg und an we!selnden Ho!s!ulen im Kontext des „Netzwerks für rekonstruktive Sozialarbeitsfors!ung und Biogra*e“ (h+p://www.rekonstruktive-sozialarbeitsfors!ung.de/) . Vgl. für eine aktuelle Übersi!t über Fors!ungswerkstä+en im deuts! spra! igen Raum h+ p:// www.qualitative-fors!ung.de/information/akteure/fors!ungswerkstae+en/ [Zugri1: #."..)""]. Fritz S!ütze ha+e in San Francisco regelmäßig an den Tre1en von Strauss’ Fors!ungsteam (zur Untersu!ung medizinis!er Arbeit) teilgenommen, i! war Mitglied seines Fors!ungsseminars.
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Grounded theorizing als Gesprä!
Im Folgenden geht es mir um zweierlei: Anselm Strauss hat immer wieder betont, wie sehr er in der Tradition des Chicagoer Interaktionismus zu Hause ist, immer wieder bezieht er si! auf John Deweys Philosophie, auf Robert Park, Evere+ Hughes und andere (Strauss "$$/, "$$0). Vor diesem Hintergrund mö!te i! zunä!st einen Bogen zur frühen Chicagoer Soziologie der zwanziger und dreißiger Jahre des .). Jahrhunderts s!lagen und dana! fragen, wie Studierende damals in Fors!ungsprozesse hineingezogen wurden.7 Die damalige Zeit der Chicagoer Soziologie ers!eint besonders interessant unter dem Gesi!tspunkt der kollektiven und individuellen Kreativitätsentfaltung. Ans!ließend werde i! mi! – na! einigen grundlegenden Anmerkungen zur Erkenntnisbildung in Fors!ungswerkstä+en generell – unter Rü&gri1 auf meine eigenen Erfahrungen mit einigen Aspekten der Werksta+arbeit befassen und dabei an vers!iedenen Stellen auf Anselm Strauss, insbesondere auf das mit ihm geführte Interview, Bezug nehmen. 2
Die Aufhebung der Trennung von Ausbildung und Fors!ung in der frühen Chicagoer Soziologie
Die bekannten soziologis!en Monogra*en aus den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, die heute zu den „klassis!en“ Chicagoer Studien gezählt werden, waren i.'d.'R. das Werk postgradualer Studierender, meist Dissertationen, teilweise gingen sie au! – wie im Fall von Andersons ("$0" ["$.#]) „The Hobo“ und Cresseys ("$#.) „The Taxi-Dance Hall“ – aus Arbeiten zur Erlangung des MasterAbs!lusses hervor. In der produktivsten Phase der Chicagoer Soziologie lehrten an diesem Fa!berei! nur fünf Professor/innen: die Soziologen Robert Park, Ernest Burgess und die Soziologin Ellsworth Faris sowie die Anthropologen Fay Cole und Edward Sapir (Bulmer "$%/). Es waren die Studenten und Studentinnen, die – angeleitet dur! ihre Mentoren – mit ihren eigenständigen Interessen und Projekten neue Themenfelder ers!lossen und die Fors!ungsdynamik bestimmten. Diese Leistungen lassen si! nur vor dem Hintergrund eines Milieus begreifen, in dem die Grenzen von Ausbildung und Fors!ung vers!wammen und in dem in besonderer Weise Bedingungen für die Entfaltung wissens!a,li!er Kreativität existierten. Die Studierenden wurden sehr früh und gezielt zur relativierenden und verglei!enden Re5exion über ihre eigenen Lebensges!i!ten und die sozia-
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Damit soll ni!t nahegelegt werden, dass Strauss selbst in einem sol!en Milieu geprägt wurde. Als er in den frühen "$/)er Jahren in Chicago studierte und ans!ließend promovierte, war davon ni!t mehr viel übrig geblieben. Strauss gehört gewissermaßen zu einer Zwis!engeneration: Er studierte wesentli! später als die graduierten Studierenden der zwanziger und frühen dreißiger Jahre, der sog. „Blütezeit“ der Chicagoer Soziologie, und er studierte wesentli! früher als Erving Go1 man, Howard Be&er und andere, die während einer Phase in Chicago ausgebildet wurden (den späten "$/)er und den "$()er Jahren), für die der Begri1 einer „zweiten Chicagoer S!ule“ (Fine "$$() vorges!lagen wurde.
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len Gruppen, denen sie angehörten, angeregt8 und sehr bald in ernstha,e Feldfors!ungsaktivitäten, ni!t bloße didaktis!e Übungen, hineingezogen. So wurden die Fallstudien über die „natürli!en Gebiete“ in Chicago, die seit "$./ vom „Local Community Resear! Council“ gefördert wurden, vor allem von studentis!en Fors!enden dur!geführt (vgl. Palmer "$.$), und diese Texte dienten wiederum als Grundlage für die Diskussion in den Seminaren von Park und seinen Kolleg/innen – ein Prozess der für alle Beteiligten si!tbaren Wissensakkumulation, der datenbezogenen Konzeptentwi&lung und Theoriebildung einerseits und des peer tea!ing andererseits: Park und seine Kolleg/innen ha+en sehr klare Vorstellungen darüber, dass fortges!ri+ene Studierende eine wi!tige Rolle bei der Einsozialisation von „Fors!ungsnoviz/innen“ spielen konnten. Vivien Palmer, die die vers!iedenen studentis!en Fors!ungsgruppen im Rahmen der Untersu!ung „natürli!er Gebiete“ beriet, koordinierte und ein Datenar!iv anlegte, wertete die dabei gema!ten Erfahrungen in ihrem Lehrbu! „Field Studies in Sociology“ ("$.$) aus – eine Arbeit, die no! immer lesenswert ist, weil sie einzelne Untersu!ungsverfahren und Typen von Fallstudien ni!t in einer sterilen und kodi*zierten Form präsentiert, sondern ledigli! als vorläu*ge Ergebnissi!erungen eines selbstre5exiven Entde&ungsprozesses (vgl. S.xix), an dem alle – Studierende und Anleitende – glei!ermaßen beteiligt waren. Die damals in Chicago praktizierte Form der Einsozialisation in Fors!ung entspra! weder dem Modell des Rü&zugs in die Einsamkeit und Freiheit angehender Wissens!a,ler/innen, die ihre Kompetenzen entwi&eln sollten, indem sie si! alleine „dur!beißen“, no! den Prinzipien hierar!is! strukturierter und arbeitsteilig funktionierender Großfors!ungsprojekte, in denen man erste Erfahrungen auf einer klar de*nierten Hilfskra,stelle sammelt, gewöhnli! nur mit einem bestimmten Auss! ni+ aus dem Gesamtarbeitsbogen der Fors!ung zu tun hat und dafür partielle Verantwortung übernimmt. Das, was wir über die damaligen Bedingungen in der Ausbildung Chicagoer Soziologiestudent/innen wissen, deutet auf einen Kommunikationszusammenhang, der am ehesten dem entspri!t, was man als Fors!ungswerksta" bezei!nen könnte. Wenn i! diesen Begri1 hier verwende, denke i! zunä!st an das Prinzip der Gemeinsamkeit und We!selseitigkeit, wie es in Merkmalen der formalen Gestaltung des Ausbildungsrahmens – vor allem der regelmäßigen Dur!führung von Arbeitstre1en studentis!er Fors!er/innen unter Beteiligung einer erfahrenen Gruppenleitung – zum Ausdru& kommt.9 Zu dieser Zeit war man ans!einend 8 9
Hughes ("$%/, S.(2#-f.) spricht in diesem Zusammenhang von „emancipation without alienation“: „emancipation through expansion of one’s world by penetration into and comparison with the world of other people and cultures“ (vgl. auch Strauss "$$0, S..20). „We have carried on our training in research largely through group discussions and individual conferences. Four or *ve students observing similar kinds of groups, or groups within the same neighborhood, meet together under the direction of a research assistant or an instructor for roundtable discussions, and these discussions are followed by individual conferences. Careful supervision is necessary in order to protect the human laboratory, the community, against students’ blunders.
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Grounded theorizing als Gesprä!
intuitiv von den Vorteilen eines sol!en Werksta+rahmens überzeugt, ohne den genauen Me!anismen der Erkenntnisbildung im Gruppenprozess viel Bea!tung zu s!enken. Im Vordergrund stand die Einsi!t, dass ein sol!es Ausbildungs-Se+ing ganz selbstverständli! dem inneren Zusammenhang der einzelnen Projekte im – von Park ("$"() programmatis! formulierten – Gesamtrahmen der Erfors!ung Chicagos entspra!, dass m.'a.'W. in dem damit verbundenen Erfahrungsaustaus! und gemeinsamen Erkenntnisgewinn die Beteiligung an einem kollektiven Handlungss!ema, dem si! alle verp5i!tet fühlten, zum Ausdru& kam. Glei! zeitig konnten die studentis!en Fors!er/innen in diesem Kontext eigenständig ihre Untersu!ungsinteressen verfolgen und waren voll für die Dur! führung ihrer Fallstudien und darüber hinaus führender Projekte (z.'B. im Zusammenhang mit Dissertationen) verantwortli!. Aber es geht ni!t nur um die gezielte Gestaltung eines kooperativen Ausbildungsrahmens, sondern au! um die Milieumerkmale und die Bindungen unter den Studierenden, die si! im Kontext dieser Fors!ungsarbeiten in einer bestimmten Umgebung entwi&elten. Die Interviews, die James Carey ("$2(, S."("–"$)) mit Soziologen und Soziologinnen dur!führte, die in der „klassis!en“ Periode der Chicagoer Soziologie ausgebildet worden waren, vermi+eln hier eindru&svolle Einbli&e. Herbert Blumer (in Carey "$2(, S."(%) erinnert si! beispielsweise an die Bindungen, die unter studentis!en Feldfors!enden entstanden: „Those who were engaged in that type of work in the late twenties, particularly […] constituted a group of graduate students with a tremendous amount of camaraderie and a tremendous amount of close contact with one another, due in large measure to their actual work se+ ing. […] There was a special set of rooms that had been set aside for this work and […] that’s where there was a depository, so to speak, where all the materials were located that had been collected.“
Der letzte Satz verweist, au! wenn es hier ni!t ganz deutli! wird, auf Erfahrungen, die au! in anderen der von Carey dur!geführten Interviews angespro!en worden waren: Die Informationen, die man in einem Teilprojekt gesammelt ha+e, wurden den anderen zur Verfügung gestellt, von ihnen mit großem Interesse aufgenommen und diskutiert – ein Diskurs, in dem si! im Laufe der Zeit ein gemeinsamer Wissensvorrat über angrenzende und si! überlappende Untersu!ungsfelder („natürli!e Gebiete“, Gruppen, Ers!einungen „sozialer Desorganisation“ usw.) entwi&elte und in dem si! die glei!en Analysekategorien herausbildeten und bewährten. This supervision, in turn, results in a high standard of work and in observations which may make a real contribution. There is a challenge to a student to be engaged in research which is something more than a classroom exercise, and checking has disclosed that some of our best material comes from student investigators.“ (Palmer "$.$, S. xviiif.)
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Mit der Verwendung des Begri1s der Fors!ungswerksta" geht es mir ebenfalls darum, die besondere Bedeutung hervorzuheben, die insbesondere Park und Burgess als Lehrer und Orientierungs*guren besaßen. Es ist – vor allem dann, wenn man es mit den heutzutage im deuts!en Ho!s!ulbetrieb übli!en Relevanzstrukturen und Erfolgskriterien verglei!t – außerordentli! beeindru&end zu sehen, wel!e Bedeutung Park und Burgess der Beratung und Begleitung ihrer Student/innen beimaßen, wie viel Zeit, Energie, Respekt und Phantasie sie in diese Arbeit ste&ten (Bulmer "$%/, S.$2, "".-f.).10 In vielen der Interviews, die Carey ("$2() mit Zeitzeug/innen dur!führte, und in einer Reihe von autobiogra*s!en Aufzei! nungen Chicagoer Soziologen und Soziologinnen wird das Besondere am Interaktionsstil von Park und Burgess hervorgehoben, die respektvolle Behandlung von Studierenden als Fors!ungskolleg/innen, von denen man etwas lernen konnte. Charles S. Johnson, ein s!warzer Soziologe, zu dem Park eine besonders intensive Beziehung entwi&elte, die bis zu seinem Tod im Jahr "$// rei!te, erinnert si! z.'B. an seine Zeit als Student bei Park (vgl. das Zitat in Bulmer "$%/, S.2(-f.): „A *rst personal revelation came when I discovered through one of his excursions that it was possible to identify my own experience and thinking with a large and respectable fund […] of social knowledge, thus providing some realism for the university experience. A second came when it dawned on me that I was being taken seriously and without the usual condescension or oily paternalism of whi! I had already seen too mu!. The relation of tea!er and student grew into a friendship.“
Die „Exkursionen“, von denen hier die Rede ist, gehörten zu Parks Stil, der von seinen langjährigen Erfahrungen als Journalist und von seiner „sinnli!en“ Beziehung zur Großstadt geprägt war. Er verbra!te häu*g ganze Tage damit, mit einzelnen Studierenden bestimmte Stadtteile zu erkunden und ihnen Beoba!tungsweisen zu vermi+eln – ni!t so sehr einzelne soziologis!e „Methoden“, an deren systematis!er Entwi&lung er, im Gegensatz zu Burgess, ni!t sehr interessiert war (Bulmer "$%/, S.$/) –, mit ihnen Bibliotheksre!er!en dur!zuführen, ihre eigenen Erlebnisse und Kenntnisse als „Erfahrungsdaten“ (Strauss "$%2, S.")-1.) zu nutzen – und sie damit in ihren eigenen Kompetenzen zu bestärken und als Fors!ungskolleg/innen anzuerkennen.11 Viellei!t ers!einen sol!e Anmerkungen über Park als Lehrer man!en Leser/ innen als unkritis!-naive Na!erzählung der Erinnerungen von Zeitzeug/innen, die im Personenkult zu s!welgen s!einen. Die Lektüre der Interviews und s!ri,li!en Beri!te erwe&t allerdings ni!t den Eindru&, als würde die Vergangen10 Bei Park lässt si! das beispielsweise daran erkennen, dass viele seiner Aufsätze ursprüngli! als Vorworte zu den Monogra*en seiner Studierenden ers!ienen waren, während er häu*g ni!t dazu kam, an eigenen Verö1entli!ungen zu arbeiten. 11 Siehe dazu Bulmer ("$%/, S.$2–$$).
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heit verklärt. Es entsteht vielmehr das Bild eines di!ten und kooperativ geprägten Ausbildungs- und Fors!ungsmilieus, das wesentli! dur! den Fors!ungs- und Interaktionsstil und die Zusammenarbeit von Park und Burgess geprägt war. Es drängt si! die Einsi!t von der Abhängigkeit von Leit*guren auf, die programmatis!e Orientierung bieten, inspirieren und – man denke an Parks „Exkursionen“ – einen Einbli& darin vermi+eln, wie sie selbst arbeiten: wie sie beoba!ten, bes!reiben und konzeptualisieren.12 Häu*g wirkten die Professoren als biogra*s!e Berater, denen eine wi!tige Bedeutung für die Förderung von kreativen Wandlungsprozessen (S!ütze .))") zukam: dur! das Vorhalten eines Spiegels – „Was ist es, was i! mit mir herumtrage, was bes!ä,igt mi!-?“ – und die Anregung neuer Fragestellungen.13 I! habe mi! hier auf Hinweise zur Chicagoer Soziologie der "$.)er und frühen "$#)er Jahre bes!ränkt. Es wäre ebenfalls lohnend, si! mit dem Stil der Einsozialisation in Fors!ung zu bes!ä,igen, wie er für eine zweite Blütezeit der Chicagoer Soziologie Ende der "$/)er und frühen "$()er Jahre !arakteristis! war.14 3
Die grundlegende Idee
Bevor i! auf einige Erfahrungen mit der Arbeit in Fors!ungswerkstä+en eingehe, mö!te i! in allgemeinen Termini festhalten, was zentral für die Erkenntnisbildung in Fors!ungswerkstä+en ist.15 Die grundlegenden Verfahren der qualitativen Sozialfors!ung – ni!t nur der Datenerhebung, sondern au! der Datenanalyse – haben einen kommunikativen Charakter. Wenn man etwa an bestimmte Verfahren der Datenerhebung denkt wie das ethnogra*s!e Interview (Spradley "$2$) oder das Gruppendiskussionsverfahren (Bohnsa&, Przyborski & S!ä1er .))0), dann kann man feststellen, dass das ethnogra*s!e Interview – zumindest so, wie es von James Spradley als Verfahren ausformuliert worden ist – primär auf Bes!reibungen von alltägli!en Abläufen, Milieus und sozialen Welten abzielt, während es in Gruppendiskussionen um die 12 Dass mit einer sol!en Dominanz von Leit*guren – insbesondere von Park – au! problematis!e Aspekte verbunden waren (Überforderungs- und Auss!lusserfahrungen, Loyalitätskon5 ikte usw.), wird in einigen der von Carey dur!geführten Interviews dur!aus angespro!en, vor allem in den Interviews mit Robert Faris und Ruth Cavan . (Die Transkriptionen dieser Interviews lagern in der Joseph Regenstein-Bibliothek der Universität Chicago und können dort bes!a3 werden. Das Datenmaterial liegt mir vor.) 13 Das kommt beispielsweise besonders deutli! in Careys Interview mit Evere+ Stonequist zum Ausdru&. 14 In den Arbeiten zu diesem soziologis!en Milieu und zu Prozessen einer kulturellen Di1 usion des Chicagoer Interaktionismus spielt die Betonung einer lebendigen Peer-Kultur unter den postgradualen Studierenden – viele von ihnen Heimkehrer/innen aus dem Zweiten Weltkrieg – eine besondere Rolle (z.'B. Gus*eld "$$(), aber au! der Stellenwert, den Professoren wie Louis Wirth, Herbert Blumer und insbesondere Evere+ Hughes für die Bewahrung einer kollektiven Identität und die orale Vermi+lung der Chicagoer Tradition ha+en (z.'B. Reinharz "$$(). 15 Vgl. au! Riemann und S!ütze ("$%2), Reim und Riemann ("$$2), S!ütze (.))(, S..##–.#2).
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Initiierung und Aufre!terhaltung des Argumentationss!emas geht. I! greife, weil das für mi! aufgrund meiner eigenen Fors!ungsarbeiten besonders naheliegt, auf Erfahrungen mit der Biogra*eanalyse zurü&, wie sie si! vor allem auf der Grundlage von narrativen Interviews entwi&elt hat (S!ütze .))2). Ein/e Infor mant/in wird angeregt, ihre/seine Lebensges!i!te zu erzählen, und während der Erzählung kommt er/sie von si! aus darauf, Lebenssituationen und soziale Rahmen zu bes!reiben und über bestimmte Probleme und darüber, wie er/sie zu dem geworden ist, der er/sie jetzt ist zu argumentieren. Wenn man si! mit einem sol!en Interview detailliert auseinandersetzt und den Darstellungsgang na! und na! rekonstruiert, dann ges!ieht dies im Rahmen des Kommunikationss!emas der Bes!reibung16: Man konzentriert si! auf die Darstellungspraktiken des Informanten bzw. der Informantin und bes!reibt strukturell – no! immer re!t konkret – was über deren Erfahrungsaufs!i!tung zum Ausdru& kommt und wie dies ges!ieht. In späteren Analyses!ri+en kommt dann immer stärker das Kommunikationss!ema der Argumentation zum Zuge: wenn man si! – in einer analytis!en Abstraktion – fragt, was man aus der strukturellen Bes!reibung des Interviews in allgemeinen Termini lernen kann und erste generelle Propositionen formuliert; oder wenn generelle Feststellungen, aus unters!iedli!en Interviewmaterialien gewonnen, systematis! aufeinander bezogen werden und versu!t wird, die entwi&elten Konzepte in der Konfrontation mit neuen Datenmaterialien zu überprüfen, zu di1erenzieren und zu verdi!ten. Die Wirksamkeit zentraler Aktivitäten der Datenanalyse – nämli! der strukturellen Bes!reibung und analytis!en Abstraktion von Einzelfallmaterialien, des kontrastiven Verglei!s unters!iedli!er Materialien und der darauf aufbauenden Entwi&lung theoretis!er Modelle – kann dadur! gesteigert werden, dass sie si! in der Interaktion einer Arbeitsgruppe von – natürli! au! studentis!en – Fors!erinnen und Fors!ern entfalten: Man entde&t mehr im gemeinsamen – mündli!en – Bes!reiben von Texten, die Darstellung wird face+enrei!er und di!ter; und das dialogis!e Argumentieren – das Behaupten, Bestreiten, Bezweifeln, Begründen und Belegen – führt zu einer Di1erenzierung und Verdi!tung von analytis!en Abstraktionen, kontrastiven Verglei!en und theoretis!en Modellen. Es wäre natürli! zu zeitaufwendig und mit der Gefahr der Enteignung und der Entwi&lung von Unselbständigkeit verbunden, wenn alles in der Werksta+ bespro!en würde, aber der Kommunikationsprozess soll auf jeden Fall dazu dienen, die Eigendynamik der einzelnen Fors!ungss!ri+e in Gang zu setzen und zu si!ern. Es geht hier ni!t nur oder in erster Linie um die Einsozialisation in einen bestimmten Fors!ungsstil, sondern darum, die Mögli!keiten der Kommunikationss!emata, die der qualitativen Sozialfors!ung zugrunde liegen, in einer systematis!en Weise auszus!öpfen.
16 Vgl. zum Konzept der Kommunikationss!emata der Sa!verhaltsdarstellung: Kallmeyer und S!ütze ("$22).
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Grounded theorizing als Gesprä!
Das betri3 also die Kommunikation in einem Ausbildungsse+ing und in Projekten von erfahrenen Fors!erinnen und Fors!ern. „Systematis!es Auss!öpfen“ heißt, darauf zu a!ten, dass kein „S!emasalat“ entsteht, wie es Fritz S!ütze ("$%2, S..(0) nennt, der den Begri1 ursprüngli! in seiner kritis!en Auseinandersetzung mit dem standardisierten Interview geprägt ha+e, d.'h. man orientiert si! daran, dass das Erzählen, Bes!reiben und Argumentieren seinen Platz hat in einem übergreifenden Ablauf oder Arbeitsbogen, und dass ni!t alles dur!einander geht. Wenn etwa ansteht, in einer strukturellen Bes!reibung geduldig und detailliert Beoba!tungen zur Darstellungsform und zum Darstellungsinhalt zusammenzutragen, dann würde dieser S!ri+ beispielsweise dadur! !aotisiert und das eigentli!e Ziel verfehlen, wenn die Teilnehmenden hier s!on anfangen würden, losgelöst von der genauen Textbetra!tung weit rei!ende und elegante theoretis!e Propositionen zu entwi&eln und zu versu!en, sie gegenüber anderen Lesarten dur!zusetzen. Darauf zu a!ten, dass so etwas ni!t ges!ieht, gehört zur Arbeit der Werksta+leitung. 4
Beoba!tungen zur Arbeit in Fors!ungswerkstä"en
I! mö!te im Folgenden auf ein paar Problemstellungen der Arbeit in Fors!ungswerkstä+en zur qualitativen Sozialfors!ung eingehen, die einen allgemeinen Charakter haben. Dabei beziehe i! mi! zuglei! auf persönli!e Erfahrungen, die vor allem aus Studiengängen der Sozialen Arbeit stammen. 4.1
Der Platz der Werksta"arbeit in einem Ausbildungszusammenhang
Zunä!st einmal geht es darum, die Legitimität und Ni!t-Randständigkeit eines Werksta+arrangements in dem lokalen Ausbildungskontext (in einer Universität oder Ho!s!ule) dur!zusetzen und zu si!ern. Das bedeutet au!, dass sowohl die Studierenden als au! die Werksta+leitung genügend Zeitressourcen für die Werksta+arbeit zur Verfügung haben und ni!t immer wieder riskieren, dass diese sowohl von Lehrenden als au! von Studierenden marginalisiert und als „Luxus“ oder als „ni!t zum Kernges!ä, gehörig“ stigmatisiert wird. Eine Werksta+ muss si! darüber hinaus sinnvoll in die Ausbildungserfahrungen der Studierenden einfügen. Es ist hilfrei!, wenn die Teilnehmenden im Verlauf ihres bisherigen Studiums mit den Verfahren und Arbeitsweisen in Berührung gekommen sind, die in der Fors!ungswerksta+ eine Rolle spielen, oder au! s!on zuvor – im Rahmen von Fallstudien – erste Erfahrungen mit der Fors!ungspraxis gesammelt haben. Es ist sinnvoll, Studierenden in unters!iedli!en Ausbildungsabs!ni+en (au! s!on in Ba!elorstudiengängen) Fors!ungserfahrungen zu ermögli!en – in anwendungsbezogenen Studiengängen wie denen der Sozialen Arbeit oder der Lehrer/innen-
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bildung beispielsweise im Zusammenhang mit Praktika und ihrer ethnogra*s!en „Befremdung“17. Dass sol!e Rahmenbedingungen existieren, ist ni!t selbstverständli!: Es kann sein, dass in einem Fa!berei! oder Institut der notwendige Freiraum für studentis!e Fors!ung und die Plausibilitätsstrukturen dafür ni!t vorhanden sind oder zurü&gedrängt werden. Einige Kolleginnen und Kollegen, die Fors!ungswerkstä+en dur!führen, beri!teten mir, dass Werksta+arrangements auf man!e Dozentinnen und Dozenten wie ein rotes Tu! wirken: als Irritation ihres eigenen eher hierar!is! geprägten Lehr- und Belehrungsstils oder au! als „elitärer Luxus“ eines kleinen Zirkels, der keineswegs dur! die Reservierung entspre!ender Anteile des Lehrdeputats honoriert werden sollte. Es ist lei!t, Werksta+arbeit als Beispiel für „Überbetreuung“, undiszipliniertes „freies Assoziieren“ usw. zu stigmatisieren. Viele Prüfungsrhythmen ers!weren ein ruhiges Si!-Einlassen der Studierenden auf eigene Feldfors!ung. Die Einführung modularisierter Studiengänge ist o, mit extrem restriktiven und standardisierten Vorgaben für Lernvorgänge verbunden, sodass Freiräume für studentis!e Fors!ung nur mehr oder weniger subversiv gewonnen werden können und ein hohes Interesse aufseiten der Studierenden voraussetzen.18 Für viele Studierende „re! net si!“ so etwas ni!t angesi!ts ihres angespannten Zeitbudgets. In der Diskussion über das Ba!elor- und Masterstudium wird zudem o, die Haltung vertreten, dass erst für das Masterstudium tiefer gehende Fors!ungserfahrungen vorgesehen sein sollten – ein Programm zur Verhinderung intellektueller Neugier und einer o1enen Fors!ungshaltung. Und natürli! können der Fors!ungsbezug einer Ausbildung und Freiräume für studentis!e Fors!ung dur! staatli!e Eingri1e oder dur! inhaltli!e Neuausri!tungen bzw. au! Beharrungstendenzen in einer Disziplin oder Profession gefährdet werden. Ein Beispiel: Der partielle Geländegewinn einer fors!ungsbezogenen Ausbildung in der Sozialen Arbeit – mit einem S!werpunkt auf qualitativen Verfahren – ist keineswegs auf Dauer gesi!ert, au! wenn es im Augenbli& ein großes Interesse daran gibt, entspre!ende Vernetzungsaktivitäten sta+*nden und gute Begründungen für die sozialwissens!a,li!e Grundlegung professioneller Fallanalysen geliefert worden sind. Innerhalb der Sozialen Arbeit und der entspre!enden Ausbildungsstä+en gibt es Traditionen und Strömungen, die für die Aufnahme sozialwissens!a,li!er Fallanalysen als eines zentralen Ausbildungselements ni!t 17 Anselm Strauss hat sehr früh berufspraktis!e Erfahrungen seiner Studierenden, von denen viele erfahrene Krankens!western waren, für die Einsozialisation in die Fors!ung und die Entwi&lung von grounded theories erkannt und genutzt (Strauss & Glaser "$2)). Vgl. dazu Riemann (.))$). 18 I! habe seit "$%# in unters!iedli!en Studiengängen der Sozialen Arbeit (in Kassel, Bamberg und Nürnberg) Fors!ungswerkstä+en dur!geführt, für die wö!entli! mindestens vier Stunden reserviert werden, d.'h. man arbeitet gemeinsam – unterbro!en von einer kurzen Pause – vier Stunden lang an Daten. Jede Wo!e ist ein/e andere/r Teilnehmer/in mit ihrem/seinem Datenmaterial – meist Transkriptionen von Interviews bzw. Aktualtexten oder ethnogra*s!e Feldprotokolle – an der Reihe. Während der vorlesungsfreien Zeit werden vers!iedentli! Blo&termine organisiert, da die Arbeit an den jeweiligen studentis!en Fors!ungsprojekten ja weitergeht.
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gerade förderli! sind. I! denke hier an das Dominantwerden betriebswirts!a,li!en Denkens, die Propagierung von Top-Down-Modellen von Rezeptwissen für die Gestaltung der Praxis und das unverbundene Nebeneinander von „praktis!en“ und „theoretis!en“ Studienanteilen. Die Beziehung zwis!en Dozentinnen und Dozenten einerseits und Studierenden andererseits wird o, – von beiden Seiten – darauf reduziert, dass es um „Belehrung“ und „Abprüfung“ des zu vermi+elnden Sto1s geht. Um den Platz der Werksta+arbeit in einem Ausbildungszusammenhang auf Dauer zu si!ern, ist es notwendig, eine Vorstellung von autonomen Bildungsprozessen wa! zuhalten, zu denen die Aneignung von Fors!ungskompetenzen und die Dur!führung eigener Fors!ungsprojekte dur! die Studierenden gehören. 4.2
Aspekte der Themen#ndung und des Einstiegs in die Werksta"arbeit
Eine Fors!ungswerksta+ ist ein Rahmen, in dem die einzelnen Teilnehmenden ihre je eigenen Fors!ungsfragestellungen verfolgen, und die anderen Teilnehmenden dabei (wie au! immer) eingebunden werden. I! hänge z.'B. keine Themenlisten aus – in der Art von „Bei mir können Ba!elor- und Masterarbeiten zu folgenden Themen ges!rieben werden“ –, sondern versu!e, mir eine prinzipielle O1enheit für vers!iedene Typen von prozessanalytis!en Fragestellungen zu bewahren, die mit unters!iedli!en methodis!en Verfahren, z.'B. der Biogra*eanalyse oder der Interaktionsanalyse, bearbeitet werden können. Eine weitergehende Themendimensionierung *ndet dann erst in Auseinandersetzung mit Auszügen aus dem erhobenen Datenmaterial sta+. Wenn mi! Studierende aufsu!en, weil sie bei mir – im Rahmen der Fors!ungswerksta+ – eine Abs!lussarbeit s!reiben mö!ten, ist es wi!tig, ein paar Dinge zuvor zu klären: z.'B. ob sie tatsä!li! eine prozessanalytis!e anstelle einer verteilungstheoretis!en Fragestellung verfolgen, bei deren Bearbeitung i! ihnen ni!t weiterhelfen kann. Es kommt au! vor, dass Studierende das, was sie tatsä!li! bearbeiten mö!ten, dur! pseudowissens!a,li!e Formulierungen verdunkeln. I! ma!e es häu*g so, dass i! sie bi+e, mir zu erzählen, wie si! ein bestimmtes Interesse entwi&elt hat, um gemeinsam mit ihnen zu entde&en, was sie wirkli! „umtreibt“. Und bei der Kontaktaufnahme geht es natürli! au! darum zu klären, ob sie genügend Zeit mitbringen und ob die Dur!führung einer sol!en Studie, die ja immer au! mit Unwägbarkeiten, Durststre&en und Stolpersteinen verbunden ist, tatsä!li! mit dem, was sie si! für ihr Studium no! vorgenommen haben, und mit ihrer Lebenssituation vereinbar ist. Eine in diesem Zusammenhang wi!tige Orientierungsmaxime ha+e Anselm Strauss (in dem eingangs erwähnten Interview aus dem Jahr "$%") formuliert: „I learned you have to really listen to students to *nd out where they are. You have to think in terms of their biographies. About their phasing“. An anderer Stelle sagte er: „Don’t lay your own trip on this person. Find out where they are“. Für die Aus-
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formung dieser Haltung war für ihn John Dewey wi!tig geworden, dessen Bu! „How we think“ (Dewey "$$2 ["$")]) ihn früh beeindru&t ha+e. Natürli! ist es au! notwendig, in dieser Phase zu klären, ob si! jemand zutraut, die Fragestellung, die ihn oder sie interessiert, zu bearbeiten, oder ob er/sie eventuell persönli! zu sehr verstri&t ist. I! habe sehr gute Erfahrungen damit gema!t, dass si! Fors!ungsfragestellungen aus der Re5exion eigener berufspraktis!er Erfahrungen entwi&eln – die studentis!en Fors!enden wenden si! erneut einem Realitätsberei! zu, der für ihre berufli!e Sozialisation von großer Bedeutung gewesen ist –, aber natürli! müssen sie si! fragen (lassen), ob sie viellei!t „zu nah dran“ sind. Als ein Supervisionsstudent, der selbst katholis!er Priester war, eine biogra*eanalytis!e Diplomarbeit über Priesterbiogra*en s!rieb, konnten wir damit in der Kasseler Fors!ungswerksta+ sehr gut umgehen. Es ist notwendig, dass si! alle Teilnehmenden einer Werksta+ ein Gespür für die lebensges!i!tli!e Beziehung eines einzelnen Fors!ers bzw. einer einzelnen Fors!erin zu seinem/ihrem Fors!ungsgegenstand bewahren und dem in ihrer Kommunikation dur! einen respektvollen Umgang Re!nung tragen. Darauf zu a!ten, dass dies ges!ieht, gehört mit zum Verantwortungsberei! der Werksta+leitung. 4.3
Zur Arbeitsteilung zwis!en Werksta"leitung und -teilnehmer/innen
Werksta+leiter/innen müssen kein Expert/innen auf dem Fors!ungsgebiet einzelner studentis!er Teilnehmerinnen und Teilnehmer sein; na! meinem Eindru& ist es sogar besser, wenn sie das ni!t sind und die jeweiligen Fors!erinnen und Fors!er sehr viel mehr über ihr Fors!ungsgebiet wissen als die Werksta+leitung.19 Es ist sta+dessen notwendig, dass Leitende als Verfahrenswalter/innen immer wieder – auf der Grundlage einer genauen Kenntnis des eingerei!ten Datenmaterials – bestimmte Arbeitss!ri+e (wie etwa die der strukturellen Bes!reibung und analytis!en Abstraktion) vorführen und erläutern. I! mö!te an einem kurzen Auss!ni+ aus der Transkription eines Fors!ungsseminars von Anselm Strauss illustrieren, wie dies ges!ehen kann. In diesem Seminar stand das „o1ene Kodieren“ eines Interviews im Vordergrund. Das Beispiel stammt aus dem vierten Kapitel seines Bu!s über „Qualitative Analysis for Social Scientists“ (Strauss "$%2, S.")"):
19 Wenn i! so etwas Kolleginnen und Kollegen gegenüber erwähne, stößt das immer wieder auf Befremden. Na! einem traditionellen Verständnis von Lehr-Lern-Beziehungen sollten Dozent/innen einen Wissensvorsprung bewahren und das Gebiet, um das es in einer Abs! lussarbeit geht, inhaltli! „abde&en“ können. I! würde behaupten, dass Studentinnen und Studenten dann am meisten von meiner Betreuung ihrer Abs! lussarbeit ha+en, wenn i! erst einmal keine Ahnung von der „Sa!e“ ha+e und sie mir etwas beibringen konnten.
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Grounded theorizing als Gesprä!
„Do you see what I did-? Having got as far as we did, I simply opened up another comparative example. To see whether the categories made any sense. But also, it now begins to tell you some of the di1erences. So that we can be even more aware of the niceties and some of the unique features of this particular diagnostic process. Maybe they are not totally unique, but certainly pa+erned in ways that are di1erent than a lot of other diseases. And if A. wants to do it, she can just try it out a li+le bit on other kinds of diagnoses.“
Der Kursleiter, Anselm Strauss, unterbri!t hier für kurze Zeit – das wird in dem Zitat deutli! – die gemeinsame Arbeit mit den Studierenden an einem von einer Teilnehmerin (A.) vorgelegten Interviewtranskript, in dem es darum geht, dass eine krebskranke Frau von der Entde&ung und Diagnose ihrer Krankheit erzählt. Die Seminarteilnehmenden ha+en si! gemeinsam unter der Leitung von Anselm Strauss detailliert auf diesen Text eingelassen, ihn „o1en kodiert“, um erste Analysekategorien und -dimensionen zu entde&en, Fragen an die Daten zu ri!ten und vorläu*ge Antworten zu geben. In dem gerade gezeigten Zitat bezieht si! Anselm Strauss in allgemeinen Termini darauf, warum er das Gesprä! zuvor in eine bestimmte Ri!tung gelenkt ha+e: Mithilfe eines ad hoc eingebra!ten kontrastiven Verglei!s, bei dem er auf eigene persönli!e Erfahrungen – in seinen Worten: „experiential data“ – zurü&gegri1en ha+e, ha+e er versu!t, sowohl die Anwendbarkeit von Kategorien zu überprüfen, die in der gemeinsamen mündli!en Datenanalyse entwi&elt worden waren, als au! die besonderen Merkmale des hier interessierenden und krankheitsspezi*s!en Diagnoseprozesses zu erhellen. An dieser Stelle expliziert er na!trägli! sein Vorgehen und dessen allgemeine Relevanz. Während ein sol!es exemplaris!es Vorführen einerseits immer wieder notwendig ist, muss man andererseits darauf a!ten, dass dadur! ni!t die Eigenaktivität der Werksta+gruppe entmutigt und ihre Kreativität abgewürgt wird. Anselm Strauss warnte in dem Interview, das i! mit ihm führte, vor dieser Gefahr, aber deutete au! an, dass es s!wierig sei, die re!te Balance zu *nden. Das ist in der Tat ni!t lei!t – insbesondere angesi!ts von Zeitknappheit im Zusammenhang mit Abgabefristen von Arbeiten oder wenn der Abstand zwis!en Terminen, an denen jemand an die Reihe kommt, aufgrund der zu hohen Teilnehmendenzahl zu groß wird und man si! genötigt sieht, am Ende eines Werksta+tre1ens eine für den weiteren Arbeitsprozess aufwendige analytis!e Ergebnissi!erung vorzunehmen. (Vor einigen Jahren ver*el i!, weil i! zu viele studentis!e Fors!ungsprozesse begleitete, auf den Ausweg, man!mal mehre Werksta+sitzungen in einer Wo!e anzubieten, was eine Fehlentwi&lung war: Zum einen bestand die Gefahr, dass das Se+ing der Fors!ungswerksta+ erodierte – es tagten immer nur kleine Gruppen in unters!iedli!er Zusammensetzung – und si! eine gemeinsame Ges!i!te auflöste (auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Ges!i!te gehe i! glei! no! ein). Zum anderen verlieren Werksta+leiter/innen unter sol!en Bedingungen ihre Kreativität und „brennen aus“. Wenn si! die Balance zugunsten des permanenten „Vorturnens“ dur! die Werksta+leitung vers!iebt, wird die Eigendynamik der in-
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teraktiven Erkenntnisbildung in der Gruppe verdrängt – es entsteht dabei au! eine Versorgungshaltung – und man riskiert, die einzelnen Fors!erinnen und Fors!er gewissermaßen zu enteignen. Zu den Komponenten der Arbeit der Werksta+leitung gehört na! meinem Verständnis au!, den Arbeitsbogen der jeweiligen Projekte dur! individuelle Beratungsarbeit zu begleiten – z.'B. au! dur! exemplaris!e Rü& meldungen zum Inhalt und spra!li!en Ausdru& von s!ri,li!en Bes!reibungsversu!en oder dur! Mithilfe bei der zeitli!en Strukturierung; gerade die (dosierte) s!ri,li!e und mündli!e Kommentierung von Bes!reibungsversu!en, die zu Papier gebra!t wurden, ist enorm wi!tig, weil si! die studentis!en Fors!er/innen bei der Dur!führung struktureller Bes!reibungen neuartige spra!li!e Fertigkeiten aneignen und si!tbar ma!en müssen (die genaue Di1erenzierung der vielfältigen Perspektiven im Datenmaterial z.'B. mithilfe des Konjunktivs und anderer spra!li!er Mi+el, Abstufungen hinsi!tli! des Modalitätengehalts von Aussagen, der konstante We!sel zwis!en einer „Fros!-“ und einer „Vogelperspektive“ usw.) und dieser Prozess erst einmal einige Mühe bereitet. Au! hier sollten die s!ri,li!en Rü&meldungen zu entstehenden Texten (etwa vers! ri,li!ten strukturellen Bes!reibungen) exemplaris! bleiben und ni!t 5ä!ende&end werden. Das gelingt nur, wenn der/die Einzelne tatsä!li! genügend Verantwortung für das je eigene Projekt übernimmt. – Leitende sollten dazu beitragen, dass ein kooperativer Argumentationsstil vorherrs!t. Dazu gehört beispielsweise au!, eigene Fehleins!ätzungen einzugestehen, zu thematisieren und anzuerkennen, dass au! diejenigen, die über sehr wenig Fors!ungserfahrungen verfügen, häu*g mehr sehen und erkennen als man selbst. 4.4
Das Prinzip der We!selseitigkeit
Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird erwartet, dass sie kontinuierli! mitma!en, si! we!selseitig auf die Materialien der jeweils anderen einlassen, das heißt au!, si! Zeit für eine gründli!e Vorbereitung – die Textsegmentierung und s!ri,li!e Kommentierung – nehmen und si! am Gesprä! in der Werksta+ aktiv beteiligen. Es hat si! eingespielt, dass zu Beginn eines Tre1ens alle Beteiligten – abgesehen von der Person, die ihr Material einbringt – in einer Eins!ätzungsrunde ihre Eindrü&e zum Text reihum mitteilen. Wenn eine sol!e We!selseitigkeit funktioniert, entstehen eine gemeinsame Ges!i!te, ein lokaler Arbeits- und Kommunikationsstil20 und ein kollektives Gedä!tnis der Werksta+, was si! z.'B. darin 20 „In dieser gemeinsamen Praxis des Umgehens bilden Fors!ungswerkstä+en, dies zeigen Verglei!e zwis!en unters!iedli!en Kontexten, ihren eigenen ‚Stil‘ aus. Dieser wird ni!t allein dur! die jeweils bevorzugten methodis!en, theoretis!en und disziplinären Vorlieben geprägt, sondern wesentli! dur! die interaktive Praxis konkreter Akteure. So entsteht eine lokale Gruppenkultur, die Routinen und Gewohnheiten im Hinbli& auf den Ablauf einer Sitzung, ritualisierte Formen der
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Grounded theorizing als Gesprä!
zeigt, dass si! die Mitglieder an Besonderheiten der Datenmaterialien der anderen erinnern, wenn es in späteren Phasen der Zusammenarbeit um kontrastive Verglei!e und die Entwi&lung theoretis!er Modelle geht. Wie intensiv die Beteiligten Verantwortung füreinander übernehmen, ist unters!iedli!, in man!en Werksta+„Generationen“ ist das stärker ausgeprägt als in anderen. Hilfrei! ist au!, wenn si! einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer au! außerhalb der gemeinsamen Werksta+ tre1en zusammen* nden, Auss! ni+e aus ihren Materialien bearbeiten, Entwürfe von strukturellen Bes!reibungen oder anderen Teilen einer entstehenden Arbeit kommentieren usw. – und damit die Abhängigkeit von der Werksta+leitung und deren Rü&meldungen reduzieren. Die We!selseitigkeit der Zusammenarbeit wird dann gefährdet, wenn einzelne Fors!erinnen und Fors!er exemplaris!e Datenmaterialien hin und wieder einbringen, ohne selbst verbindli! teilzunehmen und Interesse an den Arbeiten der „regulären“ Werksta+teilnehmerinnen und -teilnehmer aufzubringen. Eine Fors!ungswerksta+, in der si! die Zusammenarbeit langfristig eingespielt hat, kann dur!aus von der einmaligen oder sporadis!en Teilnahme eines Gastes, der Material zur Verfügung stellt, aber ni!t regelmäßig teilnehmen kann, pro*tieren und si! anregen lassen. Problematis! wird es aber dann, wenn diejenigen, die den Kern einer Werksta+ bilden, das Gefühl bekommen, dass es zu viele „Tri+bre+fahrer“ gibt, die den Werksta+rahmen nur für eigene Zwe&e nutzen, um dort – viellei!t au! angezogen dur! den Ruf einer renommierten Werksta+leitung – ihr Material „bespre!en zu lassen“. Leitende müssen au! hier darauf a!ten, dass sol!e Tendenzen ni!t zur Erosion des Zusammenhalts und zur Unverbindli! keit der gemeinsamen Werksta+arbeit beitragen. 4.5
Die Heterogenität der Zusammensetzung
Es hat si! eine heterogene Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewährt, was die Vielfalt an Themen, die Unters!iedli!keit der Datenmaterialien (Interviewtranskriptionen, Transkriptionen von Aktualtexten, ethnogra*s!e Feldprotokolle, s!ri,li!e Dokumente usw.), die Phasen, in denen si! die Fors!ungsprojekte be*nden, den Wissensstand und die Vorerfahrungen und Biogra*en der Teilnehmenden betri3.21 An dem Fors!ungsseminar von Anselm Strauss, an dem Erö1 nung und S! ließung der Sitzungen, habitualisierte Modi der Darstellung und des Na! fragens usw. herausbildet. Eine lokale Kultur lässt si! also dur! ‚Stile‘ bes!reiben und von anderen lokalen Kulturen unters!eiden, mit denen u.'U. die glei!en Tätigkeiten und methodis!en S!ritte ausgeführt werden: Stile des Redens, Fragens, Kritisierens, der Interpretation, ein besonderer ‚Humor‘ usw., aber au! bestimmte Stile des Umgangs zwis!en Lehrenden und Lernenden, die si! als institutionalisierte Se+ ings in den Rahmen universitärer Lehr-Lern-Kulturen einfügen und zuglei! kontrastiv abheben.“ (Dausien .))2, Abs../) 21 In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass si! eine spezi*s!e Variante von Fors!ungswerkstä+en herausgebildet hat, in denen die Heterogenität der Teilnehmenden aufgrund
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i! teilgenommen habe, waren immer Doktorand/innen aus der Soziologie und der P5egewissens!a, (berufserfahrene Krankens!western) beteiligt, was i! als sehr anregend empfand.22 Die Heterogenität einer Werksta+gruppe ist eine wi!tige Bedingung, um einen fremden Bli& zu ermögli!en. Die Teilnehmenden s!moren dann ni!t im eigenen Sa,, sondern sind genötigt, Hintergrundannahmen zu explizieren und feste Überzeugungen einzuklammern. Ein Beispiel aus meiner Fors!ungswerksta+ in Kassel war die Interaktionsanalyse einer psy!odramatis!en Gruppensupervision. Der Fors!er, ein Supervisionsstudent, ste&te selbst tief in der Sinnwelt des Psy!odramas, während die anderen Teilnehmenden – mi! einges!lossen – zu diesem Zeitpunkt ni!ts davon verstanden. Genau das ma!te den Reiz der Zusammenarbeit aus und erwies si! als fru!tbar für die Entstehung neuer Einsi!ten. Wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unters!iedli! weit sind in ihren Projekten, können diejenigen, die weiter sind, ihre Erfahrungen weitergeben und vermi+eln, wie sie mit s!wierigen Situationen umgegangen sind. Auf diese Weise fällt es den neu Hinzugekommen lei!ter, spätere Arbeitss!ri+e zu antizipieren. Das ist natürli! abhängig von den lokalen Ausbildungsbedingungen – au! von der Dur!lässigkeit von Studiengängen. Auf jeden Fall ist es hilfrei! , wenn einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer langfristig dabei sind, i.'d.'R. s!eiden die einzelnen studentis!en Fors!erinnen und Fors!er aus, wenn sie ihre Arbeit abgegeben, den Studienort verlassen oder eine Arbeitsstelle gefunden haben, wodur! eine lokale Traditionsbildung ers!wert wird. Für die Arbeit in meiner gegenwärtigen Fors!ungswerksta+, die in einem Ba!elorstudiengang angesiedelt ist, ist es sehr anregend, dass drei Doktorandinnen und Doktoranden dabei sind, die si! in einem anderen Zeitrhythmus als die Studierenden bewegen. Zwei von ihnen hatten bei mir studiert und sind jetzt als Sozialpädagog/innen tätig, wodur! für die studentis!en Teilnehmenden unterstri!en wird, dass au! Praktikerinnen und Praktiker der zeitaufwendigen Arbeit an Transkriptionen und anderen Materialien etwas abgewinnen können.23 ihrer unters!iedli!en nationalen Zugehörigkeiten als Ressource genutzt wird. Fritz S!ütze und Bärbel Trei!el (Magdeburg), Kaja Kazmierska und Andrzej Piotrowski (Lodz), Aled Gri6ths und John Borland (Bangor/Wales) und i! haben in der Vergangenheit häu*g und an we!selnden Orten trinationale Fors!ungswerkstä+en mit Studierenden der Soziologie und der Sozialen Arbeit dur!geführt. Gerade die Entstehung und Entde&ung von Missverständnissen (infolge der eigenen bis dahin unhinterfragten kulturellen Selbstverständli! keiten) und der Zwang zur Explikation und Kontrastierung von Hintergrundsannahmen erweisen si! als fru!tbar für die gemeinsame Erkenntnisbildung (S!ütze .))(, S..##–.#2). 22 Seine wi!tigste Mitarbeiterin in seinem letzten Lebensjahrzehnt war Juliet Corbin, eine promovierte und soziologis! ausgebildete Krankens!wester (vgl. au! Strauss & Corbin "$$% und Corbin in diesem Band). 23 In der Fors!ungswerksta+, die i! in den "$%)er und "$$)er Jahren am Fa!berei! Sozialwesen der Universität Gesamtho!s!ule Kassel gemeinsam mit Fritz S!ütze, Thomas Reim und Peter Straus dur! führte (zeitweilig au! zusammen mit Dieter Ni+el, Harry Hermanns und Birgit Gärtner), waren immer Studierende aus unters! iedli!en Studiengängen beteiligt, vor allem dem grundständigen Diplomstudiengang der Sozialen Arbeit und dem postgradualen Diplomstudiengang
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Grounded theorizing als Gesprä!
Zum Verhältnis von Mündli!keit und S!ri$li!keit
Während unserer Tre1en werden nie strukturelle Bes! reibungen oder sonstige Ausarbeitungen, die unabhängig vom Werksta+ges!ehen entstanden sind, vorgestellt und diskutiert, es geht i.'d.'R. darum, si! gemeinsam auf Datenmaterialien einzulassen, die au! von der/dem jeweiligen Fors!er/in no! ni!t s!ri,li! bearbeitet wurden. Die Teilnehmenden nutzen das, was während der Werksta+bespre!ungen entsteht (und was, wenn sie das mö!ten, auf Band aufgezei! net wird), für ihre eigenen s!ri,li!en Ausarbeitungen, was meist mit anfängli!en Unsi!erheiten einhergeht. Die Rede davon, dass sie das „nutzen, was während der Werksta+bespre!ungen entsteht“, verde&t natürli! no! die Komplexität dieses Prozesses der s!ri,li!en Ergebnissi!erung und Erkenntnisgenerierung. Es wäre lohnenswert, der Frage systematis!er na!zugehen, was beim Übergang von der Mündli! keit zur S!ri,li!keit in diesem Kontext ges!ieht und wel!e anfängli!en oder au! wiederkehrenden S!wierigkeiten dabei auftau!en. Man muss si! S!reibfertigkeiten aneignen, die ansonsten im Studium selten gefördert werden. Die studentis!en Fors!er/innen erleben es dabei als hilfrei!, si! an Beispielen von Abs!lussarbeiten von Vorgängerinnen und Vorgängern zu orientieren, um zu sehen, wie diese die Darstellungsaufgaben im Zusammenhang mit unters! iedli!en Analyses!ri+en gelöst haben. Dabei lege i! allerdings immer Wert darauf, sol!e Darstellungen ni!t als „Ko!bu!rezepte“ zu empfehlen, weil das die Kreativität der einzelnen Fors!enden unterdrü&en und die Entwi&lung eines eigenen Stils entmutigen würde. Sie sollten si! außerdem klarma!en, dass man bei der Produktion von letztli! zufriedenstellenden Texten einen langen Atem brau!t und si! ni!t frühzeitig entmutigen lassen sollte, wie dies Howard Be&er in seinem Bu! „Writing for Social Scientists“ ("$%0) plastis! bes!reibt.24 Der Übergang zur Produktion eigener Texte auf der Grundlage der gemeinsamen diskursiven Datenanalyse fällt Studierenden hin und wieder au! s!wer, wenn in ihrem Kopf die Frage herumspukt, wem eigentli! die artikulierten Ideen gehören. Kann man si! ohne Weiteres zu Eigen ma!en, was au! von anderen stammt-? Diese Frage wird zwar ni!t o, gestellt, aber mein Eindru& ist, dass sie unters!wellig eine Rolle spielt. I! versu!e dann zu verdeutli!en, dass die Beoba!tungen und Einsi!ten, die in Werksta+tre1en zusammengetragen werden, nur entstehen können, weil alle Anwesenden irgendwie (wie au! immer) an ihrer Produktion beteiligt sind – und sei es dur! naive Fragen und lautes Si!-Wundern. Wie mir Anselm Strauss in dem mit ihm geführten Interview sagte: „It doesn’t make any di1eder Supervision, häu*g au! Doktorandinnen und Doktoranden. Die Qualität der Arbeit und der Diskussionen wurde dadur! ni!t beeinträ!tigt, dass die Teilnehmenden sol!e unters!iedli!en Voraussetzungen mitbra!ten – das Gegenteil war der Fall. 24 Be&ers Bu! ist au! von großem Interesse, weil hier sehr viel von der Fors!ungskultur und dem Kommunikationsstil des Chicagoer Interaktionismus zum Ausdru& kommt, häu*g au! in beiläu*gen Bemerkungen.
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rence who’s got the idea …. You learn that you don’t possess your ideas. It’s a process of sharing“. Er spra! darüber unter Bezugnahme auf seine Fors!ungsseminare, aber diese Einsi!t ha+e er, wie er erzählte, bereits gewonnen, als er gemeinsam mit Alfred Lindesmith ihr "$/$ (erstmals) ers!ienenes Bu! „Social Psy!ology“ verfasste (Lindesmith & Strauss "$/$) – und zwar in einem Prozess des bu!stäbli! gemeinsamen S!reibens und Ausformulierens. Diese Erfahrung hat ihn im Hinbli& auf die Entwi&lung seines Stils der Arbeit mit Studierenden sehr geprägt; seine eigenen akademis!en Lehrer (wie vor allem Herbert Blumer) waren für ihn in dieser Hinsi!t ni!t stilprägend. Die Syn!ronisation des Rhythmus der einzelnen Projekte und der Zeitressourcen der Gruppe ist no! einmal ein Problem für si!. Es ist auf jeden Fall hilfrei!, wenn man frühzeitig in den Prozess des S!reibens gerät und ni!t viele Tonbandaufzei! nungen von Gruppensitzungen zu dem eigenen Projekt akkumuliert und si! von ihnen eins!ü!tern lässt, bevor man selbst etwas zu Papier gebra!t hat. Soweit einige Erfahrungen mit der Arbeit in Fors!ungswerkstä+en zur qualitativen Sozialfors!ung. 5
Abs!ließende Bemerkungen
Zu Beginn meines Aufsatzes habe i! an Begegnungen mit Anselm Strauss in den "$2)er und "$%)er Jahren erinnert, bin dann weiter zurü&gereist in das Chicago der "$.)er und "$#)er Jahre, um s!ließli! im .". Jahrhundert zu landen – eine verwirrende Zi&za&bewegung. Aber viellei!t war es do! ni!t so verwirrend. Meine Ausführungen sollten zum einen dazu dienen, den kommunikativen Charakter des grounded theorizing ins Gedä!tnis zu rufen und daran zu erinnern, wie Anselm Strauss dur! seinen Interaktionsstil Spuren in der Arbeit von Fors!ungswerkstä+en hinterlassen hat. Da Strauss selbst immer wieder seine Arbeit in den Traditionszusammenhang des Chicagoer Interaktionismus gerü&t hat, sollte ebenfalls na! einigen der zentralen Bedingungen gefragt werden, unter denen si! die Kreativität von – primär studentis!en – Fors!ungsprozessen in der frühen Chicagoer Soziologie entfalten konnte. Zum anderen ging es mir darum, eigene Erfahrungen mit der Arbeit in Fors!ungswerkstä+en zu diskutieren – und zwar so, dass si! das potenziell Allgemeine an diesen Erfahrungen entde&en ließ. Dabei wurde mir deutli!, wie wi!tig das, was Anselm Strauss über seine eigene Werksta+erfahrungen vermi+elt hat, für mein eigenes Na!denken über die Arbeit in Fors!ungswerkstä+en geblieben ist, au! wenn si! die Bedingungen für sol!e sozialen Arrangements des Fors!ens, Lehrens und Lernens in Zeiten des „Bologna-Prozesses“ teilweise drastis! verändert haben. An vers!iedenen Stellen bin i! deshalb zu dem eingangs erwähnten Interview zurü&gekehrt, das i! "$%" mit Strauss geführt habe. Studentis!e Werksta+erfahrungen können dazu beitragen, eine Vorstellung von der Einheit von Fors!ung und Lehre
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wa!zuhalten und autoritären Formierungen etwas entgegenzusetzen – unabhängig davon, ob es um die Arbeit an Universitäten oder Ho!s!ulen geht.25 I! habe mi! auf einige Erfahrungen bes!ränkt, die i! selbst als Werksta+leiter gema!t habe. Es bleibt wi!tig, die Vielfalt von Werksta+erfahrungen si!tbar zu ma!en und zu diskutieren – au! unter Berü&si!tigung der Perspektive von Teilnehmenden (Moritz .))$; Ho1 mann & Pokladek .)""). Sinnvoll ers!eint mir insbesondere die interaktionsanalytis!e Auseinandersetzung mit Aufzei!nungen von Werksta+sitzungen, um die Stile und Prozesse der gemeinsamen Erkenntnisbildung, aber au! mögli!e Fallen und Blo&aden herauszuarbeiten. Damit würde ein Beitrag dazu geleistet, aufzude&en, was die gemeinsame Basis unters!iedli!er Varianten der interpretativen Sozialfors!ung ausma!t und worin sie si! tatsä!li! unters!eiden (oder au! ni!t) – unabhängig vom Selbstverständnis unters!iedli!er „S!ulen“ und Ansätze. Literatur Anderson, Nels ("$0" ["$.#]). The Hobo. The sociology of the homeless man. Chicago: The University of Chicago Press. Bargfrede, Anja; Mey, Günter & Mruck, Katja (.))$). Standortunabhängige Fors!ungsbegleitung: Konzept und Praxis der NetzWerksta+. In Nicolas Apostolopoulos, Harriet Ho1mann, Veronika Mansmann & Andreas S!will (Hrsg.), E-Learning %&&'. Lernen im digitalen Zeitalter (S.("–0)). Münster: Waxmann, http://www.pedocs.de/volltexte/.)")/#)"//. Be&er, Howard S. ("$%0). Writing for social scientists. Chicago: The University of Chicago Press. Bohnsack, Ralf; Przyborski, Aglaja & Schä1er, Burkhard (Hrsg.) (.))0). Das Gruppendiskussionsverfahren in der Fors!ungspraxis. Opladen: Verlag Barbara Budrich. Bulmer, Martin ("$%/). The Chicago school of sociology. Institutionalization, diversity, and the rise of sociological research. Chicago: The University of Chicago Press. Carey, James T. ("$2(). Sociology and public a(airs. The Chicago school. Beverly Hills: Sage. Cressey, Paul G. ("$#.). The Taxi-Dance Hall. A sociological study in commercialized recreation and city life. Chicago: The University of Chicago Press. Dausien, Be+ina (.))2). Re5exivität, Vertrauen, Professionalität. Was Studierende in einer gemeinsamen Praxis qualitative Fors!ung lernen können. Diskussionsbeitrag zur FQS-Deba+e „Lehren und Lernen der Methoden qualitativer Sozialfors!ung“. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, )("). h+p://nbn-resolving. de/urn:nbn:de:)""/-fqs)2)"D/Da#. Dewey, John ("$$2 ["$")]). How we think. Mineola, NY: Dover Publications. Fine, Gary A. (Hrsg.) ("$$(). A second Chicago school*? The development of a postwar American sociology. Chicago: The University of Chicago Press. 25 Anselm Strauss hat si!, wie erwähnt, gerade au! von der Zusammenarbeit mit – angehenden und berufserfahrenen – professionellen Praktikerinnen und Praktikern, vor allem Krankens!western und -p5egern, sehr anregen lassen (Strauss & Glaser "$2)) und sie in seine Fors!ungsteams integriert.
Gerhard Riemann
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Subjektivität und Selbst-/Re!exivität in der Grounded-Theory-Methodologie Franz Breuer, Günter Mey & Katja Mru!
„Fors!ung als Arbeit S!ließli! liegt dem Ansatz der Grounded Theory die Annahme zugrunde, daß Fors!ung als Arbeit zu verstehen ist. Im Prinzip plädieren wir für eine in hohem Maße selbst-re"exive Herangehensweise an die Fors!ungsarbeit, d.#h. man muß si! überlegen, wie die Arbeit bes!a$en ist und unter vers!iedenen Bedingungen in den einzelnen Fors!ungsphasen dur!geführt werden kann. Au! hat jeder Wissens!a%ler eine individuelle Vorgehensweise, na! der er si! Informationen bes!a&, diese untersu!t und interpretiert, woraus si! s!ließli! sein zu analysierendes Datenmaterial ergibt“ (Strauss '((' ['()*], S.+,).
1
Die Grounded-Theory-Methodologie als „Fors"ungsstil“
Aus wissens!a%stheoretis!en und ethnologis!-mikrosoziologis!en Untersu!ungen von Fors!ungsarbeit ist seit geraumer Zeit bekannt, dass methodis!e Prozeduren – selbst im Kernberei! der Naturwissens!a%, dem naturwissens!a%li!en Experimentieren im Labor – in Methodenlehrbü!ern ni!t ers!öpfend bes!rieben werden können, dass bei ihrer Verwendung und der Interpretation ihrer Resultate vielfältige Deutungs-, Aushandlungs- und Interaktionsprozesse eine Rolle spielen. Methoden- und Instrumentenanwendung und -ablesung besitzen spezi-s!e Züge – in Abhängigkeit von Ort, Fors!ungsgruppe, Denkstil und Personen (Fle. '()/ ['(+0]; Knorr-Cetina '(),; Latour & Woolgar '()1; Polanyi '()0 ['(11]; Ravetz '(*+; vgl. Breuer '((', S.)'2$.). Methodenverwendung kann nur bedingt per Lehrbu! gelernt werden. Wi!tig ist darüber hinaus ein Prozess handwerkli!er und kooperativer Einsozialisation dur! Lehrende, Vorbilder und Mitfors!ende (Breuer & S!reier 3//*, 3/'/). Insofern ist die Tatsa!e sozial und personal geprägter Verkoppelung von Fors!er/innen-Subjekt und Methode ein grundsätzli!es Merkmal wissens!a%li!en Arbeitens. Bei der Verwendung qualitativer Methoden in der sozialwissens!a%li!en Fors!ung wird der Aspekt der Personabhängigkeit bzw. Subjektivität der Praktiken zumeist explizit thematisiert. Außenstehende tun das häu-g mit einer vorbehaltsgeladenen oder abs!ätzigen Haltung: Die Methodik wird als „wei!“ und in hohem Maße unreliabel beurteilt – die Prozeduren sind ni!t identis! wiederholbar, bei jedem/jeder Fors!enden anders in Verlauf und Resultat etc. – so lauten gängige Wissens!a%li!keitsvorbehalte. Auf dem Hintergrund unserer Auffassung, dass
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4_ , © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
empiris!-wissens!a%li!er Fors!ung das Subjektivitätsmerkmal ganz grundlegend und ausnahmslos zu eigen ist, halten wir es für sinnvoll, dieser Tatsa!e mit o$enem Bli. zu begegnen und sie ni!t „totzus!weigen“ – zu verdrängen, zu ignorieren. Wir verfolgen daher die Idee, mit dieser Charakteristik „o$ensiv“ umzugehen – sie in Re!nung zu stellen, damit zu arbeiten, daraus epistemologis!es Potenzial zu s!öpfen. Unter diesem Gesi!tspunkt halten wir es für angemessen, die Grounded-Theory-Methodologie (GTM) als eine Art von sozial und personal geprägtem Fors"ungsstil aufzufassen und zu bes!reiben (vgl. Breuer '((1, S.'*'2$.; Mey & Mru. 3//(; Mru. & Mey 3//*). Zwar -nden wir au! Varianten der lehrbu!mäßigen Kanonisierung der Methode dur! die „Meister“ und einige ihrer Adept/innen – do! die dabei entfalteten Regelwerke unters!eiden si! spürbar. Die Protagonist/innen vertreten ihre Varianten mitunter mehr dogmatis! (etwa Glaser '((3), mitunter liberal (z.#B. Strauss 3//,). Es kommt dabei au! zu Streitigkeiten um die „wahre“ und „ri!tige“ GTM – und wer diese repräsentiert. Die Protagonist/innen der zweiten Generation geben si! Mühe, dem Verfahren ihren eigenen Stempel aufzuprägen (Breuer 3/'/; Charmaz 3//1; Clarke 3//); Corbin & Strauss 3//); Morse et al. 3//(; siehe au! die Beiträge von Charmaz, Clarke und Corbin in diesem Band). Es lassen si! Passungen mit unters! iedli!en Erkenntnisphilosophien -nden (positivistis!er Empirismus wie Konstruktivismus und postmoderne Denkweisen), und es entstehen disziplinorientierte Anverwandlungen. GTM ist mithin als methodologis!er und methodis!er Rahmen mit bestimmten Essentials zu verstehen – und je na! disziplinären Umständen, na! Untersu!ungsthematik, na! fors!ungspragmatis!en Mögli! keiten und Grenzen und ni!t zuletzt je na! Fors!er/in und Fors!ungsgruppe werden Anpassungsvarianten ausgehandelt und herausgebildet. Ausbildung und Aneignung eines sol!en Fors!ungsstils vollziehen si! in einem interpersonalen Sozialisationsprozess. 2
Die methodologis"e Bedeutung von Subjektivität und Interaktivität (in) der sozial- bzw. humanwissens"a#li"en Erkenntnissituation
Die Charakterisierung wissens!a%li!er Erkenntnistätigkeit als stilgeprägtes und persongebundenes Handeln s!ließt den Gedanken der Subjektivität von Erkenntnis, Erkenntnisproduktion und Erkenntnisprodukt ein. Wir haben es hier gewissermaßen mit einem relativistis!en Angri$ auf den traditionellen wissens!a%li!en Objektivitäts- und Wahrheitsanspru! zu tun, indem bestimmte aprioris!e Faktoren des Erkenntnisprozesses herausgehoben werden. Die Geprägtheit dur! subjektseitige Systembedingungen wird unter dem übli!en Erkenntnismodell naturwissens!a%li!er Ausri!tung als „Störung“ aufgefasst, die es – laut Lehrbu! – methodis! unter Kontrolle zu bringen oder zu eliminieren gilt. Zwar ist au! in diesem Rahmen häu-g die Rede vom pragmatis! unumgängli!en Weg über Intersubjektivität
Franz Breuer, Günter Mey & Katja Mru.
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zur wissens!a%li!en Objektivität. Die Zielorientierung liegt dabei jedo! stets auf (der Gewährleistung von) Übereinstimmungen innerhalb der Bes!reibungen und Beurteilungen („Reliabilität“). Di#erenzen und Abwei"ungen gilt es zu vermeiden, auszublenden oder herauszure! nen (sog. „Fehlervarianz“). Demgegenüber ist es für viele Konzeptionen und Vorgehenspraktiken qualitativer Methodik kennzei! nend, eine subjektive und divergente Erkenntnis!arakteristik als produktive Herausforderung und Anstoß zur Entwi.lung und Erprobung von Erkenntnisperspektiven und Erkenntniswegen zu deuten (vgl. Breuer '(((, 3//0a, 3/'/; Mru. '(((; Mru. & Mey '((), 3//*; Mru., Roth & Breuer 3//3; Roth, Breuer & Mru. 3//+). Die Subjektgebundenheit (sozial-) wissens!a%li!er Erkenntnis lässt si! dur! die folgenden vier Aspekte kennzei!nen (Breuer 3//+): 4 4 4 4
Standpunktgeprägtheit – in Hinsi!t auf Zeit, Raum, soziale Position etc., Kabinenha$igkeit – Wahrnehmung ges!ieht aus einem dynamis!en, si! (raumzeitli!) bewegenden und wandelnden System heraus, Sinnes-, Instrumenten-, S"emagebundenheit von Wahrnehmung und Registrierung, Interaktivität und Interventionsha$igkeit der sozialen Situation(en) der Erkenntnisproduktion.
Eine so konstituierte und geprägte Charakteristik unserer sozialwissens!a%li!en Erkenntnis lässt si! – als methodis!e Herausforderung und Inspiration produktiv umgesetzt – unter der Idee der perspektivis"en Wahrnehmung, Interpretation und Darstellung ausarbeiten. Jede Beoba!tung und Bes!reibung wird von einem (Subjekt-) System mit spezi-s!en Wahrnehmungs- und Deutungsvoraussetzungen sowie aus einer bestimmten Position heraus vorgenommen und ist dur! diese Systemmerkmale gekennzei! net (Breuer '()(). Der prägende Charakter sol!er Voraussetzungen ist dur! Dezentrierungsverfahren zumindest partiell aufklärbar. Damit sind sol!e Prozeduren und „Te! niken“ gemeint, die den Beoba!tenden dazu verhelfen, Distanz gegenüber ihrer alltägli!-routineha%en, dur! einsozialisierte Standpunkte und S!emata geprägten („zentrierten“) Wahrnehmung und Deutung zu gewinnen, sie zu „befremden“. Dies soll dazu verhelfen, den aus dem (Standard-) Muster heraus auf die Welt geri!teten Bli. zu übersteigen und die Aufmerksamkeit au! auf das Muster zu ri!ten – die übli!e Wahrnehmungs- und Denkweise zu entselbstverständli!en, sie „einzuklammern“, als eine, aber ni!t die einzig mögli!e, als gema!te und wandelbare Wahrnehmung und Deutung zu erkennen (Breuer 3//+; Raeithel '()+). Eine Mögli!keit der so verstandenen Dezentrierung ergibt si! aus Kontrastierungen einer objektbezogenen Perspektive mit anderen eins!lägigen Beoba!tungen und Bes!reibungen. Das Verglei!en, das gezielte Aufsu!en von Kontrasten ist eine der Grundoperationen der GTM (Glaser '(10). Es entsteht so etwas wie eine Triangulation – beispielsweise zwis!en „einem Objekt“ und unters!iedli!en Subjektsi!tweisen darauf, die si! we!selseitig (etwa hinsi!tli! ihrer Bezugs-
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
rahmen) erhellen und kommentieren (Goodman '(), ['(*)]). Aus derartigen Gegenüberstellungen und Verglei!en entsteht eine neue epistemologis!e Dimension. Gregory Bateson bes!reibt diese aus einer „Di$erenzinformation“ resultierende Erkenntnisqualität (in Analogie zum Prinzip des binokularen Sehens) als Tiefengewinn ('()3, S.))2$.). Im empiris!-methodis!en Vorgehen werden bei der Verfolgung des skizzierten Gedankens der Standpunktgebundenheit aller Wahrnehmungen und Deutungen unters!iedli!e (Teilnehmer/innen-, Beoba!ter/innen-) Perspektiven als für (sozial-) wissens!a%li!e Erkenntnisproduktion interessant angesehen. Von ihrer Relationierung bzw. Kontrastierung verspri!t man si! Erkenntnismögli!keiten, die einerseits zur Erhellung von Objekt-Eigens!a%en beitragen (bezügli! des Spektrums feststellbarer Merkmale etc.), darüber hinaus au! Informationen hinsi!tli! der Charakteristika der beoba!tenden/bes!reibenden Subjekte liefern (etwa über ihre Interpretationshintergründe, Handlungsvoraussetzungen etc.). Unter dieser Grundüberlegung kann si! die Erkenntnismethodologie zu einer systematis!en Elaboration des Perspektivitäts-Gedankens aufgefordert sehen (vgl. Breuer '(((). Die Erkenntnissubjektivität im Sinne von Sehweisengebundenheit hängt demna! mit Merkmalen der Person des/der Fors!enden sowie seinen/ihren Standpunkten zusammen – etwa mit seiner/ihrer gesells!a%li!-sozialen Position und ihrem (sub-) kulturellen Hintergrund: Wissens!a%ler/innen besitzen – insoweit man das aus der Perspektive der indigenen Akteure des untersu!ten Feldes bes!reibt – gewisse Privilegien, etwa das der weitgehenden Entlastung von praktis!en Handlungszwängen, denen die Fors!ungspartner/innen als Feldmitglieder ausgesetzt sind. Sie können si! bei ihrem Zugang stärker „heraushalten“, das Feldges!ehen als eine Art von S!auspiel betra!ten. Andererseits sind sie Angehörige einer Fors!ungsgruppe, einer institutionellen Struktur, einer disziplinären Gemeins!a%, die si! jeweils dur! eigene Verp"i!tungen und Regelwerke auszei!nen. Und hier stehen sie naturgemäß unter erhebli!em Handlungsdru. und ho!gradiger Reglementierung (Quali-kations- und Laufbahnbedingungen, Publikationsanforderungen, Verhaltensnormen, Denkkonventionen etc.; vgl. Volmerg '())). Pierre Bourdieu hebt den Aspekt der sozialen Bedingungen der akademis!en Erfahrungsmögli! keiten hervor (etwa '()), '((+) und fordert diesbezügli! eine systematis!e Re"exion im Erkenntnisprozess, wobei er u.#a. folgende Aspekte unters!eidet: 4
die „sozialen Bedingungen der Produktion des Produzenten“ (Bourdieu '((+, S.+1(), die Charakteristika des Erkenntnissubjekts, die si! aus seiner sozialen, ethnis!en, ges!le!tli!en Herkun% ergeben; 4 den „Epistemozentrismus“, den „theoretizistis!en oder intellektualistis!en ‚Bias‘“ (S.+*/), der Wissens!a%ler/innen die Welt eher als ein zu interpretierendes „S!auspiel“ auffassen lässt denn als Problemsystem, das unmi5elbar na! praktis!en Lösungen verlangt.
Franz Breuer, Günter Mey & Katja Mru.
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Den (sub-) kulturellen, lebensges!i!tli!en und familiären Prägungshintergrund des/der Fors!enden hat au! Georges Devereux, ein Querdenker im Feld humanwissens!a%li!er Epistemologie und Methodologie, einer intensiven Analyse auf tiefenpsy!ologis!em Hintergrund unterzogen (vgl. '()) ['(1*]). Er betra!tet die Konstellation bzw. Interaktion von Fors!enden und ihrem Fors!ungsgegenstand im Deutungsrahmen von Übertragung und Gegenübertragung: Einerseits rufen Merkmale und Handlungen des/der Fors!enden (sein/ihr „Reizwert“) bestimmte – theoretis! interessante – Wirkungen und Reaktionen bei den Fors!ungsobjekten (den Untersu!ungspartner/innen, im Fors!ungsfeld) hervor. Andererseits – und dieser Aspekt wird von Devereux besonders betont – lösen Charakteristika des Fors!ungsobjekts am (Körper des) Wissens!a%ler(s) bzw. an der Wissens!a%lerin bestimmte Reaktionen aus, die seine/ihre Erkenntnisarbeit beein"ussen. In vielen Fällen ma!en si! Fors!ende das ni!t bewusst bzw. sie legen si! darüber keine Re!ens!a% ab. Die Person!arakteristik des/der Fors!enden, seine/ihre subjektivpersönli!en „Resonanzen“ im Fors!ungsprozess, geraten in unserem Ansatz in den Mi5elpunkt der Aufmerksamkeit. Und dabei geht es um die erkenntnisproduktiv-heuristis!en Mögli!keiten, die dur! ihre re"exive Fokussierung erö$ net werden. Devereux illustriert das Prinzip anhand emotional-a$ektiver Reaktionen der Fors!enden am Beispiel ihrer Angst vor dem Objekt (bzw. spezi-s!en Seiten oder Zügen des Objekts), die ihr gegenstandsbezogenes Hin- oder Wegs!auen, ihr Annähern oder Vermeiden sowie ihre methodenbezogenen Ents!eidungen (Wahl der Erhebungsinstrumente – Funktion von Methodik als Distanzierungsprozedur etc.) (mit-) bestimmen. Fors!ungsthemen, anhand derer si! die Relevanz dieser wissens!a%stheoretis!en Konzeptualisierung eindrü.li! verans!auli!en lässt, sind die in unserer Kultur heiklen bzw. tabuisierten Berei!e der Gewalt und Sexualität oder die Themenfelder S"merz und Tod. Ob, inwieweit und auf wel!e (methodis!e) Weise si! Humanwissens!a%ler/innen derartigen Fragestellungen zuwenden, aus wel!er Nähe/Distanz sie eins!lägige Phänomene betra!ten, was sie ertragen können und was ni!t (im wörtli!en wie im übertragenen Sinn: Können sie Blut sehen2?), was „anma!t“ und was „peinli!“ ist, wel!e methodis!en Filter und Auswahlverfahren sie zwis!en si! und die Phänomene s!alten – dies sind Aspekte, bei denen Lesende die hier thematis!e Überlegung selbstbezügli! werden na!vollziehen können, ohne dabei zu Anhänger/innen der Psy!oanalyse werden zu müssen. Aber au! jenseits sol!er „existenzieller“ Themen spielt die persongeprägte Subjektivitäts!arakteristik des Untersu!ungsvorgehens eine Rolle. Wir können annehmen, dass bei jedem der lebensweltbezogenen Fors!ungsthemen, das im Rahmen eines GTM-Ansatzes bearbeitet wird, gewisse Berührungspunkte und Verqui.ungen der Wissens!a%ler/innen (qua paralleler Mitglieds!a% in unserer sozialen Alltags-/ Lebenswelt) und damit zusammenhängende emotional-a$ektive Reaktionen eine Rolle spielen. Seitens der Fors!enden ist entspre!end sensible Wahrnehmung und
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
Selbstthematisierung verlangt, um diese aufzuspüren und zu re"ektieren. Der erkenntnisproduktive Umgang liegt dann in einer Explorations- und Interpretationsausri!tung, die darauf zielt, herauszu-nden, wel!e Bedeutung diese „Resonanzen“ der Fors!enden in Bezug auf Charakteristika des Gegenstandes und die Ausri!tung des Fors!ungsprozesses besitzen (können). Das „Lesen“ dieser Phänomene kann so zu einer erkenntnisbezogenen Heuristik werden. In diesem Zusammenhang tau!t ein weiteres Grundlagenproblem der Sozialund Humanwissens!a%en auf, das ebenfalls Irritationen der konventionellen Vorstellung von Fors!ung na! dem naturwissens!a%li!en Modell mit si! bringt. Eine Besonderheit der Erkenntnissituation in unserem disziplinären Spektrum besteht darin, dass wir es mit einer prinzipiellen Strukturglei"heit von Subjekt und Objekt – im epistemologis!en Sinne – zu tun haben: Beide sind Humanwesen bzw. Personen, beide zei! nen si! u.#a. dur! Fähigkeiten des re"exiven Na!denkens über soziale Situationen und eigenes Handeln darin aus (Holzkamp '(*3; Groeben & S!eele '(**). Die Zuweisung ihrer Positionen im Fors!ungsprozess, ihrer epistemologis!en Funktionen, erfolgt „per Verabredung“. Die Rollen (als Subjekt oder Objekt der Erkenntnisbemühung) sind – vom Grundsatz her – vertaus!bar. Fors!ungsverfahren bzw. Methoden unters!eiden si! dana!, ob und inwieweit diese Strukturglei! heit dur! die Beziehungsrahmungs-Vorgaben realisiert wird. Wird diese Charakteristik genutzt oder ausgeblendet bzw. vermieden2? Anders ausgedrü.t: Dies ist ein Grundmerkmal des im methodologis!en Konzept zugrunde gelegten bzw. implizierten Mens"enbildes. Wel!e Spielräume besitzen Untersu!ungspartner/innen beispielsweise in einem Interviewgesprä!, um ihre je eigenen Strukturen und Gestaltungen, ihre Expertise und Re"exion zur Geltung zu bringen2? Oder können/dürfen sie ledigli! im Rahmen vorgegebener (Antwort-) S!emata „reagieren“2? Zudem ist die Fors!ungssituation dur! eine soziale Charakteristik, eine Interaktion zwis!en Subjekt und Objekt konstituiert. Bei humanwissens!a%li!er Datengewinnung (in Beoba!tung, Befragung, im Experiment etc.) kommt es zu einem mehr oder weniger intensiven Kontakt zwis!en einem Fors!ungssubjekt (Fors!er/in, Beoba!ter/in, Interviewer/in, Versu!sleiter/in) und einem personalen Fors!ungsobjekt (Versu!sperson, Proband/in, Interviewte/r, Untersu!ungspartner/in, Feldmitglied). Beide nehmen si! we!selseitig wahr: „Glei!gültig, wel!e Übereinkun% garantiert, daß ‚A der Beoba!ter‘ und ‚B das Beoba!tete‘ ist, beide fungieren als Beoba!ter“ (Devereux '()) ['(1*], S.0,). Beide reagieren – o$en und verde.t – auf vers!iedenen Ebenen und unters!iedli!e Weisen aufeinander, auf die jeweils wahrgenommenen Charakteristika; sie beziehen ihr Denken, Handeln, ihre A$ekte und ihr Kommunizieren aufeinander, sie interagieren, sie entwi.eln eine soziale Beziehung (vgl. Reinharz 3/''). Ob nun die ontologis!e Strukturglei!heit, ob re"exive Prozesse des personalen Fors!ungsobjekts, ob Interaktionsphänomene zwis!en Subjekt und Objekt oder fors!er/innenseitige „Resonanzen“ für den Erkenntnisprozess als bedeutsam und
Franz Breuer, Günter Mey & Katja Mru.
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interessant angesehen, ernst genommen und thematisiert werden, wird vom Fors!enden dur! die Methodenwahl ents!ieden und ist Teil einer Verabredung im Rahmen des Untersu!ungsarrangements – unabhängig davon, dass Strukturglei!heit gegeben ist bzw. Interaktions- und Re"exionsprozesse sta5-nden (vgl. Breuer 3//(, S.''2$.). Vom methodologis!en Grundgedanken her sind dies „alte Hüte“ – s!on seit Langem vorgetragen und zu gewissen Zeiten in wissens!a%stheoretis!en Deba5en fokussiert. Sie sind dann aber wieder – jedenfalls in bestimmten Disziplinen und Denktraditionen – untergegangen und werden „vergessen“ im modis!en Trend neuester (Labor-) Verfahren und Apparaturen, bei deren Applikation sol!e Überlegungen stören und lästig sind. Unsere methodis!e Grundidee auf dem Hintergrund der skizzierten Annahmen und Überzeugungen ist folgende: Die unabweisbare Subjektivitäts- und Interaktions"arakteristik mit ihren personalen und interpersonalen E$ekten im epistemologis!en System aus Subjekt, Objekt und Gegenstand/Thema soll ni!t (unter einer Fehlerperspektive) minimiert, standardisiert und/oder ignoriert werden. Vielmehr wird sie – gewissermaßen im Gegenteil – thematisiert, fokussiert und als potenziell ergiebiges Erkenntnisfenster ausgeleu!tet: „Sta5 die Störung, die dur! unsere Anwesenheit im Feld oder im Laboratorium entsteht, zu beklagen und die Objektivität von Verhaltensbeoba!tungen in Frage zu stellen, sollten wir das Problem konstruktiv zu lösen und herauszu- nden su!en, wel"e positiven Erkenntnisse – die si" auf anderem Wege ni"t erhalten lassen – wir von der Tatsa" e ableiten können, daß die Gegenwart eines Beoba"ters (der dieselbe Größenordnung hat, wie das, was er beoba"tet) das beoba"tete Ereignis stört“ (Devereux '()) ['(1*], S.+/,).
Wir stützen uns auf diese von Devereux vertretene Idee, die Störungen „am Körper“ des Wissens!a%lers/der Wissens!a%lerin (vgl. au! Breuer 3///, 3//0b) und die Störungen des Kontextges!ehens dur! die Anwesenheit des Beoba!ters/der Beoba!terin hinsi!tli! ihrer positiven Erkenntnisheuristik, ihrer produktiven epistemologis!en Mögli!keiten, zu nutzen. Zu fragen ist daher: Wel!e a$ektivemotionalen Reaktionen löst der Kontakt mit meinem Fors!ungsthema und meinen „Fors!ungsobjekten“ bei mir als Fors!er oder Fors!erin aus2? Wel!en „Reizwert“ besitze i! für die Akteure des Untersu!ungsfelds2? Auf wel!em Wege komme i! in Berührung mit meinen Untersu!ungspartner/innen2? Wie verändern si! meine Position und Rolle im Fors!ungsfeld im Laufe der Zeit (etwa bezügli! Vertrauen, Expertise, A6liationen, Parteinahme) und damit die Art der mir zugängli!en Informationen2? Wie wird das Verhältnis von den Beteiligten wahrgenommen2? Und wie können Lesarten dessen zur Gewinnung von Erkenntnis über Eigens!a%en und Strukturen meines Gegenstands bzw. meines Fors!ungsthemas beitragen2? Es gibt eine Reihe epistemologis!er Positionen und sozialwissens!a%li!er Theorien, denen si! die hier vertretene Orientierung des Fors!ungsprozesses vom Grundgedanken her zuordnen lässt: Spielarten des Konstruktivismus sowie
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
Konzeptionen zur (Selbst-) Re%exivität des/der Fors" enden im Rahmen seiner/ihrer Erkenntnistätigkeit. Beim Konstruktivismus handelt es si! um eine heterogene und multidisziplinäre Versammlung „methodis!er“, „radikaler“, „sozialer“ u.#a. Spielarten (vgl. Gergen & Gergen 3//+; Knorr-Cetina '()(; Maturana & Varela '()*; Rei!ertz & Zielke 3//); Watzlawi. '()0; Zielke 3//*). Dort wird der Gedanke in den Vordergrund gerü.t, dass es si! bei unseren Bildern und symbolis!en Darstellungen der Wirkli!keit ni!t um Abbildungen mit Wahrheits!arakter handelt, sondern dass wir es mit Vorgängen und Produkten zu tun haben, die dur! vielfältige Hervorbringungsund Zustandekommensfaktoren aufseiten des oder der Erkennenden geprägt sind. Hirs!auer (3//+, S.'/+) stellt drei allgemeine Aspekte konstruktivistis!er Epistemologie heraus: den Ers"ließungse#ekt: Auf der ontologis!en Ebene werden die Gegenstände der wissens!a%li!en Fakultäten in einer transdisziplinären Weise entgrenzt und neu sortiert; 4 den Auflösungse#ekt: Auf der begri$ li!-theoretis!en Ebene geht es ni!t (wie im Realismus) um die Zuordnung von Entitäten und Substanzen, sondern um Hypostasierungen von Beoba!ter/innen, eine Umstellung von Was- auf WieFragen in unabs!ließbaren Erkenntnisprozessen; 4 den Re%exivitätse#ekt: Auf der methodologis!en Ebene werden epistemis!e Praktiken unterstellt, bei denen die Selbsteins! ließung des Beoba!ters/der Beoba!terin sowie die Selbstbezügli!keit von Aussagen konstitutiv sind. In diesem Zusammenhang ist der Bli. der qualitativen Sozialfors!ung auf die „Selbstaufklärung der Sozialwissens!a%en über ihre Beteiligung an der (Selbst-) Bes!reibung sozialer Wirkli!keit“ (S.'/,) geri!tet. 4
Die Fokussierung, Berü.si!tigung und konstruktiv-produktive Einbeziehung und Nutzung dieser Voraussetzungen im sozialwissens!a%li!en Erkenntnisprozess ma!en den Kern dessen aus, was wir hier als methodologis"es Postulat der (Selbst-) Re%exivität verstehen. Lyn! (3///) gibt einen Überbli. über das Spektrum von Re"exivitäts-Konzeptionen, indem er eine Ausdi$erenzierung und Systematisierung unters!iedli!er Varianten vornimmt, die in sozialwissens!a%li!en Theorieansätzen auftau!en. Er unters!eidet dabei u.#a. 4 Varianten von Re"exivität, die dem Gegenstand selbst inhärent sind, etwa bei Theorien „re"exiver Moderne“ im Sinne Be.s (siehe z.#B. Be., Giddens & Lash '((1); 4 „methodologis!e Re"exivität“: Selbstaufmerksamkeit gegenüber der eigenen Position und Rolle im Erkenntnisprozess;
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4 „meta-theoretis!e Re"exivität“, die in umgreifenden epistemologis!en Konzeptionen wie Wissenssoziologie oder Sozialkonstruktionismus (siehe Gergen & Gergen 3//+) zum Ausdru. kommt und 4 „interpretative Re"exivität“, etwa hermeneutis!e Zirkelha%igkeit. Langenohl (3//() führt zwei Verständnisweisen des Re"exivitätsbegri$s auf, die für die Sozialwissens!a%en eine Rolle spielen: 4 4
die aus der kulturanthropologis!en bzw. ethnologis!en Diskussion stammende Variante des sogenannten Linguistic oder Textual Turn (der „Krise der Repräsentation“) sowie die von Bourdieu ('((+) entwi.elte Form der soziologis"en Re%exivität (s. oben).
Während erstere auf eine „Annullierung von Objektivität […] sozialwissens!a%li!er Bes!reibung“ (Abs.'3) hinausläu%, behauptet letztere ihre Objektivierungskra% gerade dur! soziologis!e Re"exivität. Hinsi!tli! der metatheoretis!en und methodologis!en Rolle von (Selbst-) Re"exivität unterstellen wir (vereinfa!end und typisierend) eine Dimension subjektseitig-aprioris!er Erkenntnisvoraussetzungen, die si! dur! die gegensätzli!en Pole ('.) sozialanthropologis"e Generalität vs. (3.) personale Spezi&tät kennzei!nen lässt: 1. haben wir es mit allgemeinen ga5ungsspezi-s!en, gesells!a%li!en und historis!-kulturellen Voraussetzungen unseres Erkennens zu tun, 2. sind wir mit dessen individuell-persönli!er Bedingtheit und Idiosynkrasie konfrontiert. Die Entde.ung der Anthropologie bzw. Ethnologie, dass die Bes!reibung fremder Kulturen ein Akt der symbolis!en „Ers!a$ ung des Anderen“ (Othering) in der Optik (eigener) historis!-kulturell-ideologis!er Traditionen darstellt (vgl. etwa Geertz '((/), dass jede Art von Darstellung bestimmte gegenstandsbezügli!e Voraussetzungen und Präkonzepte beinhaltet („Krise der ethnographis!en Repräsentation“; vgl. Berg & Fu!s '((+), verweist auf einen Pol der Dimension subjektseitig-aprioris!er Erkenntnisvoraussetzungen: Die Präformation dur! (eine bestimmte) gesells!a%li!e Kultur, Tradition, Spra!e, Denkweise. Dieser Grundgedanke ist in sozialwissens!a%li!en Diskussionen rei! haltig ausdi$erenziert worden und s!lägt si! in neueren Entwi.lungen qualitativer Methodologie und Methodik in postmoderner Vielfalt von Ansätzen multiperspektivis!en, experimentellen, poetis!en S!reibens, multimedialer Präsentationen, performativen Verfahren etc. nieder (vgl. Denzin & Lincoln 3//0; Jones et al. 3//)), mit denen versu!t wird, den mannigfa!en – s!lussendli! uners!öpfli!en – Aspekten und Si!tweisen sozialer Phänomene beizukommen.
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
Am anderen Pol lassen si! Ansätze und methodis!e Prozeduren der Sozialwissens!a%en einordnen, die der „postmodernen Herausforderung“ dur! eine autor/innenseitige Fokussierung auf das Subjektseitig-Eigene in Gestalt des hö!st Privaten, des Intimen begegnen – und dies gewissermaßen als i.#w.#S. „repräsentativ“ bzw. „ans!lussfähig“ für andere Mens!en betra!ten. Für diese Variante steht prototypis! der Ansatz der Autoethnogra-e (s. Ellis 3//,; Ellis, Adams & Bo!ner 3/'/). Dabei werden Phänomene, Aspekte und Ebenen ins Li!t gebra!t, für die konventionelle sozialwissens!a%li!e Methodik bisher kein Sensorium und kein Darstellungsformat bereit hielt. Diese Art des Beoba!tens und Präsentierens eigenen Erlebens und Handelns verlangt elaborierte Selbstaufmerksamkeit, Sensibilität, Kreativität und (literaris!e o.#a. performative) Darstellungskompetenz. Die Grenze zwis!en dem/der „Fors!enden als Wissens!a%ler/in“ (als „Repräsentant/in“ eines „entrü.ten“ Erkenntnisstandpunkts oder einer zerti-zierten und kanonisierten Erkenntnismethodologie) und dem/der „Fors!enden als alltagsweltli!er Person“ (mit spezi-s!er Leibha%igkeit, Persönli!keit, Lebensges!i!te und Sozialisation, im Kontext einer [Sub-] Kultur) wird dabei uns!ärfer bzw. dur!lässiger. Neben Selbst-Fokussierungen auf einer Makroebene (das Erkenntnissubjekt als Angehörige/r des abendländis!en Kulturkreises, der wissens!a%li!en, der disziplinären Gemeins!a% etc.) sowie auf einer Mikroebene (das Erkenntnissubjekt unter persönli!-idiosynkratis!er, biogra-s!er Fokussierung o.#ä.) lassen si! au! Ansätze der Thematisierung des Selbst – der eigenen Person, Reaktionsweisen, Rollen, E$ekte für die wissens!a%li!en Erkenntnisprodukte – auf einer Mesoebene -nden und praktizieren: etwa die (Selbst-) Re"exion des Kontakts, der Interaktion, der Autoritäts- und Dominanzverhältnisse, der „Berührung“ mit dem Fors!ungsthema, dem sozialen/personalen Objekt bzw. dem Feld und seinen Mitgliedern, die zur Untersu!ung anstehen. Insgesamt gehen unsere Überlegungen also in die Ri!tung, die sozialwissens!a%li!e Erkenntnisproduktion in einer Weise zu kalibrieren, die Objekt!arakteristika (Mens!enbildannahmen: [selbst-] re"exive Subjekte) mit epistemologis!en Prozeduren (Praktizieren von [Selbst-] Re"exivität der Akteure hinsi!tli! ihrer Erkenntnisvoraussetzungen und der Fors!ungssituation) im Sinne des Bemühens um Gegenstandsangemessenheit von Methodik verbindet. Die Resonanzen und „Störungen“, die mit der Subjektha%igkeit im Sinne der individuellen Person!arakteristik des/der Fors!enden zu tun haben, können erkenntnisbezogen produktiv nutzbar gema!t werden. Dies kann mit Verfahren ges!ehen, die auf die Thematisierung der Voraussetzungen, Eigens!a%en und Rollen des Erkenntnissubjekts sowie auf die Re"exion ihrer Bedeutung für die Interaktion im Fors!ungsprozess und dessen Ergebnis abheben.
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Instrumentarien zur Förderung von (Selbst-) Re!exivität
Es lassen si! unters!iedli!e Verfahrensweisen bzw. Te! niken benennen, wie eine selbstre"exive Haltung und das Bemühen um die produktive Nutzung der „Sonde“ der Fors!er/innen-Subjektivität im sozialwissens!a%li!en Erkenntnisprozess umgesetzt werden kann. Wir verstehen diese Praktiken ni!t als („narzisstis!en“) Selbstzwe., sie sollen vielmehr bezogen werden auf das verfolgte wissens!a%li!e Erkenntnisziel. Ni!tsdestotrotz kann ni!t an jeder Stelle und bei jeder „selbstre"exiven S!leife“ unmi5elbar und sofort angegeben werden, wie genau diese erkenntnisproduktiv umzusetzen ist. Mitunter werden Fors!ende erst aus (zeitli!er) Distanz im Rü.bli. erkennen können, wie eine bestimmte emotional getönte Episode, ein kommunikativer Fehls!lag o.#ä., die seinerzeit als bemerkenswert, fragwürdig und rätselha% empfunden wurden, gedeutet werden könnte. Allgemein ausgedrü.t: Die Erkenntnis- und Argumentationsfäden zwis!en einer „selbstre"exiven Episode“ und einem konkreten Erkenntnisprodukt bzw. einer theoretis!en Idee sind häu-g lose und indirekt. Es gibt keine Mögli!keit, Selbstre"exivität als Erkenntnisverfahren zu algorithmisieren und zu kanonisieren – die kreativ-abduktiven Anteile sind und bleiben hierbei groß. Einen Vors!lag zur Stützung und Systematisierung von Prozessen der Erkenntnisproduktion in Gruppen bildet das Model der Themenzentrierten Interaktion (TZI) von Ruth Cohn ('((' ['(*0]), das als heuristis!er Rahmen für die Konzeption der Projektwerksta5 Qualitativen Arbeitens (Mru. & Mey '(()) herangezogen wurde. Cohn entwi.elte auf der Grundlage von ethis!-sozialen, pragmatis!en und anthropologis!en Axiomen ein Verständnis von Interaktionen in Gruppen entlang der E.punkte Individuum (I"), Thema bzw. Arbeitsaufgabe (Es), Gruppe (Wir) und dem die E.punkte umgebenden, sozialen, politis!en und kulturellen System (Globe). Während das „akademis!e Lernen … si! fast nur auf das ‚Es‘ (das Thema), das psy!ologis!e auf das ‚I!‘, die Gruppentherapie auf das ‚I!-Wir‘ [bezieht]“ (Cohn, '((' ['(*0], S.''0), ist es Ziel der TZI, eine „dynamis!e Balance“ zwis!en diesen Berei!en herzustellen. Da diese Balance jedo! immer nur vorläu-g sein kann, soll mit Hilfe vers!iedener Regeln bzw. Vereinbarungen mögli!en „I!-“, „Wir-“ oder „Themen-De-ziten“ entgegengearbeitet und die Produktivität – im vorliegenden Zusammenhang: wissens!a%li!en Arbeitens in Gruppen – gefördert werden. Wenn die im Modell des TZI enthaltenen Komponenten I!/Wir und Es/Globe zusammengefasst werden, lassen si! zweierlei Ausri!tungen hinsi!tli! der Sinnha%igkeit selbstre"exiver Praktiken herausheben: 4
Selbstre"exion besitzt eine selbstbezogene Funktion: Sie hil% beim Aufde.en, „Einklammern“ und Vermeiden aprioris!er Deutungszwänge, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster u.#ä. (also von Präkonzepten), und sie führt mögli!erweise
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zum Gewahrwerden eigener kognitiver, emotionaler und handlungsbezogener „blinder Fle.en“: Auf diese werden der Bli., die Wahrnehmungs- und Handlungsmögli!keiten für Neues und Fremdes geö$net. 4 Selbstre"exion lässt si! als gegenstandsbezogene Heuristik nutzen. Fors!ende können si! – aufgrund ihrer Doppelposition als „extern Beoba!tende“ und als „Mitglied in alltagsweltli!en Kontexten“ – au! i.#w.#S. als Angehörige des Fors!ungsfeldes, als alltagsweltli!e (Zaun-) Gäste verstehen. Aus dieser Position heraus können sie eigene explizierte Präkonzepte, Haltungen, Gedanken und Gefühlsreaktionen als „exemplaris!en Fall“ aus dem Themenfeld betra!ten – und sie auf diese Weise als „gegenstandsbezogene Heuristik“ nutzen. Wir bespre!en im Folgenden einige Verfahrensvors"läge, die wir zur Bahnung, Förderung und Dokumentation von fors!ungsbezogener Selbstre"exion für sinnvoll und nützli! halten (vgl. Breuer 3//(, S.'3)2$; Mru. & Mey '((), 3//*) 3.1
Das Fors"ungstagebu"
Das regelmäßige Führen eines Fors!ungstagebu! s stellt eine wi!tige selbstre"exive Ressource dar. Wir empfehlen diese Praxis vom frühestmögli!en Zeitpunkt an – sobald die erste Idee zu einem Fors!ungsvorhaben auftau!t. Wir plädieren für ein Fors!ungstagebu! als einen „intimen Ort“, der ohne explizite Zustimmung von niemandem anders als dem Autor bzw. der Autorin betreten (benutzt, gelesen) werden darf. Hier darf und soll „alles“ hineinges!rieben werden: Themen-ndungsideen, konzeptuelle Überlegungen, persönli!e Fors!ungsmotive, lebensges! i!tli!e Berührungspunkte und Verqui. ungen mit der Thematik, Träume mit potenziellem Themenbezug, Erlebnisse und Erfahrungen aus der Arbeit im Fors!ungsfeld, (positive wie negative) Reaktionen auf die Fors!ungspartner/innen, Lektüreerfahrungen, Gliederungsideen, Unsi!erheiten und Stagnationen im Fors!ungsprozess, Ärger mit dem Betreuer/der Betreuerin (im Falle von Quali-kationsarbeiten), Reaktionen des persönli!en und berufli!en Umfelds auf den Umgang mit dem Thema usw. Die Frage, wie das dort Dokumentierte genutzt oder ggf. au! anderen (Ko-Fors!enden, im wissens!a%li!en Beri!t etc.) zugängli! gema!t wird, sollte prinzipiell vom S!reiben im Fors!ungstagebu! separiert und in einem anderen Zusammenhang ents!ieden werden. Auf diese Weise soll eine „innere Zensur“ beim Tagebu!s!reiben vermieden werden. Ein positiver Nebene$ekt eines so geführten Tagebu!es ist, dass es von Anfang an in die Praxis des S!reibens einführt: Es gibt so keine psy!ologis!e Hürde des Beginns des „Zusammens!reibens“ einer dur!geführten Untersu!ung – der Fors!ungsprozess besteht vielmehr dur!gängig in hohem Maße aus S!reiben, der Einübung in die Verfertigung von Gedanken dur! s!ri%li!es Explizieren.
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Das begleitende S!reiben eines Fors!ungstagebu!s ermögli!t die Rekonstruktion des Fors!ungsprozesses, im Falle der GTM: des Theorieentwi.lungswegs. Rü.bli.end kann der Weg von persönli!, (sub-) kulturell und alltagsweltli! geprägten „Präkonzepten“ zu einer re"ektierten und strukturierten theoretis!en Vorstellung bezügli! des Gegenstandes bzw. des Untersu!ungsthemas au! als persönli!e Erfahrungs- und Lernges!i!te betra!tet werden. Wege und Umwege, Erkenntnisbarrieren und -sprünge, Desorientierung und Dur!brü!e lassen si! in der Retrospektive bezügli! gegenstandsbezogen interessanter Charakteristika potenziell erhellen. Wel!e „physikalis!e Gestalt“ ein Fors!ungstagebu! bekommt, sollte mit persönli!en Vorlieben und Gewohnheiten abgestimmt werden. Si!erli! ist ein Notizhe% nützli!, das man lei!t mit si! herumtragen kann und das jederzeit für Eintragungen gri$ bereit ist. Andererseits kann au! (parallel oder komplementär) das S!reiben oder Ausarbeiten in Dateien auf dem Computer sinnvoll sein. 3.2
Präkonzept-Explikation
Die ersten Seiten des Fors!ungstagebu!s können mit einer Darstellung des jeweiligen Vorwissens, der Vorerfahrungen, Vorurteile, Ideen, Interessen, Werthaltungen etc. im Zusammenhang mit dem avisierten Themenfeld gefüllt werden. Dieser Komplex des „subjektiven Apriori“ bezügli! des Fors!ungsthemas, seiner Charakteristika, der Herangehensmögli!keiten etc. kann unter dem umfassend gemeinten Begri$ des Präkonzepts gefasst werden. Als sozialisierte und erfahrene Mitglieder einer soziokulturellen Alltagswelt „wissen“ Fors!ende bereits von Anfang an vielerlei über die Themen und Fragestellungen, die für Grounded-Theory-Studien !arakteristis! sind; o% mals mehr, als selbst zunä!st bewusst und unmi5elbar benennbar ist. Die Ausbreitung und Ausarbeitung dieses „Wissens“ besitzt die beiden oben angespro!enen Funktionen: Fors!ende lernen si" selbst kennen und ent wi.eln eine „heuristis!e Struktur“ bezügli! des sie interessierenden Themas (die sie beispielsweise in ihrer Charakteristik für „informierte Außenstehende“ oder „potenziell Betro$ene“ deuten können). Diese Darstellungen können bereits als „Daten“ im Sinne der Grounded-Theory-Methodik in der beginnenden Gestaltung einer Theorie genutzt werden. 3.3
Memo-S"reiben
Der Begri$ des „Memos“ wird in den Strausss!en Lehrbü!ern der GTM o%mals verwendet. Memos können zu unters!iedli!en Anlässen und über unters!iedli!e Themen verfasst werden. Sie können Teil des Fors!ungstagebu!s sein, sie
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
können mit Übers!ri%en oder S!lagworten benannte Dateien in einem entspre!enden Ordner auf dem Computer sein oder mi5els einer computergestützten Analyseso%ware verfasst und gep"egt werden (siehe für die Nutzung unters!iedli!er Programmpakete die Beiträge in Evers, Mru., Silver & Peeters 3/''). Ihr Kern besteht darin, dass ein bestimmtes Erlebnis (Interaktion, Datenerhebung o.#ä.) im Untersu!ungsfeld, ein bestimmter theoretis!er Einfall, eine Diskussion mit Mitgliedern der Fors!ungsgruppe o.#ä. als Ausgangspunkt dazu benutzt werden, eine ausführli!ere, gründli!ere Ideensammlung und Strukturierung auszuarbeiten – ganz im Sinne der Verfertigung und Klärung von gedankli!en Strukturen dur! die Aktivität des S!reibens, des s!ri%li!e Artikulierens und Festhaltens. Strauss ('((' ['()*], S.'0+2$.) unters!eidet vielfältige Arten von Memos, deren Organisation si! weitgehend an Etappen des Fors!ungsprozesses orientiert (s. au! Strauss & Corbin '((1 ['((/}, S.'1(2$. sowie insbesondere Corbin & Strauss 3//), wo das Memos!reiben als zentrale Arbeitsstrategie dargestellt wird). Im Rahmen dieses Beitrags geht es mehr um re%exive Memos, die si! mit dem Verhältnis von Fors!er/in, Fors!ungsthema und Fors!ungsprozess, Wahl der Methoden, mit Interaktionserlebnissen und Resonanzen im Fors!ungskontakt, mit Reaktionen auf die Anwesenheit des/der Fors!enden im Fors!ungsfeld u.#ä. bes!ä%igen. Dabei können Ideen entwi.elt werden, inwieweit diese subjektiv-persönli!en Phänomene in einem konzeptuell bedeutsamen Zusammenhang mit Phänomenen aus dem Gegenstandsfeld und dem Fors!ungsprozess stehen. 3.4
Die Gruppe der Mitfors"enden
Für Fors!ungsprojekte, in denen die GTM zum Einsatz kommt, ist es von großem Vorteil, wenn sie ni!t allein und isoliert dur!geführt werden. Erst der Verglei! mit Reaktionen, Assoziationen und Si!tweisen anderer ö$ net die Augen für eigene „blinde Fle.en“, Muster und Selbstverständli! keiten. Er ermögli!t eine multiperspektivis!e Betra!tung von Phänomenen im Fors!ungsfeld und stellt die Grundlage einer systematis!en Integration von Perspektiven mit Bli. auf das interessierende Fors!ungsthema dar. Bezügli! der Konstituierung einer Gruppe von Ko-Fors!enden gibt es unters!iedli!e Varianten – in Abhängigkeit von pragmatis!en Umständen. Neben traditionellen Kolloquien oder (individueller) Fors!ungssupervision sind in der Praxis qualitativer Sozialfors!ung im Allgemeinen und im Falle von GTM-Studien im Besonderen zwei Spielarten vorzu-nden: 4
Fors"ungsteams: Hier können in einem gemeins!a%li!en Projekt Fors!ungss! ri5e geplant und Fors!ungsinteraktionen gemeinsam gedeutet werden. We!selseitiges Beoba!ten und Rü.melden zu Aktionen und Reaktionen im
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Fors!ungsfeld, in Kontakt mit Fors!ungspartner/innen etc. sind mögli!, wobei gerade in hierar!is!en Strukturen und einer langen, geteilten Teamges!i!te und -sozialisation spezi-s!e „blinde Fle.en“ entstehen können, deren Re"exion innerhalb des Teams ohne externe Supervision s!wer mögli! ist (siehe hierzu zusammenfassend Mru. & Mey '((), S.0312f.; für eine intensivere Auseinandersetzung mit Deutungsprozessen in einem Fors!ungsprojekt Mru. & Mey '((1). Fors"ungswerkstä'en: Hierunter sind Kodier- und Auswertungsgemeins!a%en von GTM-Fors!enden an je eigenen Themen gefasst, die face-to-face oder netzbasiert Konzepte und Deutungen etc. diskutieren und si! beim Sampling oder in anderen S!ri5en des Fors!ungsprozesses unterstützen. Neben der fa!li!methodis!en Begleitung (häu-g dur! erfahrenere Leiter/innen) zielen diese Werkstä5en o% au! auf die soziale und emotionale Unterstützung der Teilnehmenden in deren je individuellen Fors!ungsprozessen (siehe Riemann in diesem Band; außerdem Breuer '((1 zum Konzept der „Fors!ungswerksta5“ bzw. Mru. & Mey '(() zum Konzept der „Projektwerksta5 qualitativen Arbeitens“ sowie Bargfrede, Mru. & Mey 3//( zur „NetzWerksta5“ als Beispiel für die virtuelle Arbeit in Fors!ungsgruppen; eine aktuelle Liste von Werkstä5en im deuts!spra!igen Raum -ndet si! unter h5p://www.qualitative-fors!ung.de/ information/akteure/fors!ungswerkstae5en/). Selbst-/Re%exion in Verlaufsphasen des Fors"ungsprozesses
Über die Relevanz und Konsequenzen von (eigener Involviertheit in) Interaktionen, von Ereignissen und Ents!eidungen im Untersu!ungsfeld und von den Wei!enstellungen für das eigene Fors!ungsprojekt na! zudenken, darüber mithilfe der skizzierten Verfahren zu re"ektieren und dies für das Verständnis des Themen-/ Untersu!ungsfeldes zu nutzen – all dies kann zu jeder Phase des Fors"ungsprozesses sinnvoll sein. Um diese Prozesse zu unterstützen, formulieren wir abs!ließend, entlang !arakteristis!er S!ri5e im Fors!ungsverlauf, einige (selbst-) re"exive Fragen, die Fors!ende mit Bli. auf Eigen- und Fremd-Resonanzen und -Reaktionen in Etappen des Erkenntnisparcours stellen können (vgl. Breuer '(((, 3//+; Mru. & Mey 3//*). Die Bes!ä%igung mit den Themen, die den Fragen unterliegen, kann Fors!enden Aufs!lüsse liefern über die eigene Person und die eigene (Sub-) Kultur: Sie kann – und das ist letztli! das Ziel – Erkenntnis liefern über Charakteristika des Untersu!ungsfeldes, seiner Angehörigen, ihrer Handlungen und Haltungen etc. Themenwahl und Fokussierung von Feld-/Untersu"ungsaspekten Wel!e Rolle spielen meine eigene Person als Fors!erin bzw. Fors!er, die lokale und translokale Wissens!a%sgemeins!a%, Fors!ungssponsoren, von der Thema-
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
tik Betro$ene sowie diverse Ö$entli!keiten bei der Wahl und bei der Fokussierung des Themas2? Wel!e eigenen lebensges! i!tli!en Bezüge und Verwi. lungen gibt es2? Warum und wie wird gerade dies „mein“ Thema2? – Da die persönli!en Vorstellungen, Kognitionen, Emotions- und Handlungsmuster bezügli! des Gegenstands (Präkonzepte) die eigenen Denk- und Herangehensweisen in Bezug auf die Themenstellung prägen: Was weiß i! über das Gebiet2? Was halte i! dort für (un-) wi!tig, (un-) interessant2? Was sind meine Vorstellungen hierzu aufgrund meiner persönli!en und professionellen Biogra-e, infolge wissens!a%li!er Lektüre und anderer Quellen2? Was halte i! in diesem Zusammenhang für (un-) normal, (un-) a5raktiv, (un-) moralis!2? Was zieht mi! an2? Was ängstigt mi!2? Was erho$e i!, was befür!te i! bei dieser Bes!ä%igung2? Wohin will i! gu.en – und wohin ni!t2? Wie (un-) o$en bin i! für Dynamiken der Themenfokussierung im Verlauf des Fors!ungsprozesses2? Methodenzus"ni' und Datengewinnung Wel!es Ausmaß an Vorstrukturierung, Fixierung und Obligationen des Erkenntniswegs wird mir von wem aus dem Fors!ungs- und Feldkontext nahe gelegt – und wel!en Weg wähle i! zwis!en den Angeboten und Verp"i!tungen2? Wel!e Nähe zu den Untersu!ungspartner/innen, wel!e Weise des „Mi!-Einlassens“ will und kann i! (ni!t) ertragen und aus wel!en Gründen2? Wie vorstrukturiert oder o$en-"exibel gehe i! vor2? Wie viele Ressourcen und wie viel Zeit will i! dem Untersu!ungsthema und dem Fors!ungsfeld widmen2? Wel!es Maß von Ungewissheitstoleranz bezügli! des Fors!ungswegs kann i! aufbringen2? Für wel!e unters!iedli!en Si!tweisen auf den Gegenstand bin i! aufmerksam2? Wel!e Perspektiven interessieren mi!, wel!e lasse i! außen vor2? Wel!e Resonanzen erziele i! mit meinen Ents!eidungen und meinem Agieren in den Feld- und Wissens!a%s-Kontexten und bei den unters!iedli!en Beteiligten dort2? Und wie wirken diese auf meinen Fors!ungsgang und meine Erhebungsweisen zurü.2? Wel!e Erhebungsmethoden halte i! aus wel!en Gründen für angemessen, wel!e wähle i!2? Was davon ist dem Untersu!ungsthema, dem Feld oder anderen Logiken ges!uldet2? Und was sind die Konsequenzen für das Datenmaterial, das i! zur Grundlage meiner Interpretationsarbeit ma!e2? Positionieren und Agieren im Feld, Interaktionen mit den Feldmitgliedern Auf wel!e Weise (über wel!e Zugänge und in wel!er Rolle) betrete i! das Untersu!ungsfeld, und wie werde i! dort aufgenommen2? Wie reagieren die Akteure des Untersu!ungsfeldes auf mi!2? Wel!en „Reizwert“ besitze i! für die Feldmitglieder bzw. deren Gruppierungen2? Wel!e Resonanzen löse i! im Feld aus2? Wie verändert si! das Feld dur! meine Anwesenheit und mein Agieren dort2? Wer ist mir gegenüber vertrauensvoll und o$en, wer ist misstrauis! und vers!lossen, wer ist ängstli! und vorsi!tig2? Für wen oder was halten sie mi!2? Was wird mir von wem „gezeigt“, was wird vor mir verborgen2? Wer ho-ert mi!, von wem werde i!
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gemieden2? Ma!t man mir „Angebote“ unters!iedli!er Art2? Werde i! wertges!ätzt oder einges!ü!tert2? Kommt es zu Annäherungen, Koalitionen oder Distanzierungen zwis!en mir und bestimmten Feldmitgliedern – und wie wird das von anderen im Feld (und in der eigenen Fors!ungsgruppe) gesehen und beurteilt2? Wie verhalte i! mi! zu den Reglementen und Verp"i!tungen des Feld- und des Wissens!a%skontextes2? In wel!em Maße benötige bzw. benutze i! „wissens!a%li!e Autorität“ als Distanzierungsmi5el und Demarkationsa5 itüde gegenüber meinen Untersu!ungspartner/innen2? Wie lassen si! die „Stallgerü!e“ der unters!iedli!en Akteure kennzei!nen2? Anerkenne i! das Expert/innentum der Feldmitglieder für ihr Alltagsleben und -wissen2? Kann/will i! die Interaktion als Dezentrierungsmögli!keit für die Untersu!ungspartner/innen, für deren (Selbst-) Re"exion, Selbstentwi.lung und Empowerment gestalten2? Wel!e „Störungen am eigenen Körper“ treten im Kontakt mit den Akteuren des Feldes auf (Unsi!erheiten, Ängste, Peinli!keiten, Sympathien, Antipathien u.#Ä.)2? Was bewirken sie in meinem Handeln2? Darf/kann i! meine a$ektiven Reaktionen thematisieren2? Wem gegenüber, wem gegenüber ni!t2? Wel!es Bild von mir und meinem Anliegen und Vorgehen erzeuge i! im Feld und bei vers!iedenen Beteiligten2? Und wie wirkt das auf deren Beziehungsgestaltung und auf meine Untersu!ungsmögli!keiten zurü.2? Wie glei!sinnig oder unters! iedli! nehmen meine Ko-Fors!er/innen Situationen und Interaktionen wahr2? Und wie wandelt und verändert si! das alles im Laufe des Fors!ungskontakts2? Wel!e Hinweise gibt mir das alles in Bezug auf die Charakteristik der Feldmitglieder bzw. meines Untersu!ungsgegenstands2? Was besagen die Unters!iede, die E$ekte, die Veränderungen2? Wel!e Interpretationsideen gibt es dazu2? Und auf wel!e Weise lassen si! diese weiter verfolgen2? Dokumentation Was halte i! (s!ri%li!, medial) fest von meinen Vorgehensweisen, meinen (Neu-) Konzeptualisierungen, meinen Wahrnehmungen der Ereignisse und Face5en des Feldes (z.#B. o6zielle und ino6zielle, objektseitige und subjektseitige Phänomene), meinen a$ektiven Resonanzen – und was ni!t2? Wel!e Ges!ehnisse, Si!tweisen, „Stimmen“ werden dokumentiert – und wel!e ni!t2? In wel!er Spra!e, mit wel!em Vokabular2? Mi5els wel!er Medien2? Wie ist dies dur! meine persönli!en Charakteristika, dur! wissens!a%li!e Standards, dur! Vorgaben der Feldmitglieder, dur! eine weitere Ö$entli! keit etc. bedingt2? Wel!e Reaktionen werden dur! meine Aufzei!nungsaktivitäten im Feld und in der Fors!ungsgruppe ausgelöst2? Auswertung und Interpretation – Konzeptualisierungsents"eidungen Was -nde i! beri!tenswert, was liegt mir am Herzen2? Was kann i! (ni!t) verstehen2? Was passt (ni!t) zu meinen Präkonzepten oder den Interessen von Betreuer/ innen oder Auftraggebern2? Was mö!te i! am liebsten vers!weigen2? Aus wel!en Gründen2? Wie groß ist meine Ausdauer im Ringen um eine theoretis!e Struktur-
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
gebung2? Wie ausgeprägt ist mein Vertrauen auf eigene Strukturierungen vs. mein Anlehnen an wissens!a%li!-autoritative Vorgaben oder an in der Vergangenheit lieb gewonnene Konzepte2? Wie gestalte i! den Dialog und die Rü.kopplung des Ergebnisberi!ts und der Interpretationen mit den Feldmitgliedern2? Was sind meine Absi!ten, Befür!tungen und Ho$nungen dabei2? Darstellung, Präsentation Wel!e Bes!reibungsebenen und Perspektiven, wel!e Beteiligten-Stimmen lasse i! im Text zur Spra!e kommen2? Ist meine persönli!e Stimme als Autor bzw. Autorin erkennbar2? An wel!e Adressat/innen und (Teil-) Ö$entli!keiten wende i! mi!2? Und wie wandelt si! – adressat/innenabhängig – meine Darstellungsweise2? Womit kann i! wel!e Rezipientinnen und Rezipienten gewinnen, beeindru.en, vers!re.en2? Wel!e Rü.si!ten nehme i! in der Präsentation2? Auf wen2? Wel!e Wirkungen will i! mit meinen Texten bei wem erzielen2? Wie präsentiere i! meine Si!tweise: als „gelehrige/r S!üler/in“, als „dankbarer Gast“, als „autoritative/r Experte/Expertin“, als „(un-) parteili!e/r Fors!er/in“2? Auf wel!e Autoritäten beziehe und berufe i! mi!2? Wie konstruiere i! Plausibilität, Kohärenz, Glaubwürdigkeit2? An wel!en Textga5 ungen und S!reibkonventionen orientiere i! mi!2? Wel!e Verö$entli!ungsorgane und -medien wähle i! bzw. sind für mi! verfügbar2? Wage i! Innovationen bzw. experimentiere i! mit der Darstellungsweise2? Wel!e Rezeptionsprozesse in vers!iedenen Gruppen und Medien lassen si! beoba!ten und wie „bediene“ i! diese2? Wel!e Reaktionen und Resonanzen bekomme i! daraufhin aus dem (ehemaligen) Untersu!ungsfeld, von Auftraggebern, meiner Wissens!a%ssubkultur, der Ö$entli!keit2? Beim Aufwerfen und Beantworten dieser und ähnli!er Fragen sind Fantasie und Kreativität gefragt. Wir haben hier dafür einige anregende Hinweise und Beispiele gegeben – sol!e Vorgaben können jedo! niemals das Mögli!keitenspektrum ers!öpfen. In jedem Projekt, das unter einem sol!en Fors!ungsstil angepa.t wird, sind die Verhältnisse anders und laufen die Dinge unters!iedli!. Jede Fors!erin und jeder Fors!er ist auf ihre/seine Weise involviert und s! lägt ihren/seinen eigenen Weg ein. Das s!a& Probleme, Ungewissheiten und Risiken, ma!t die entspre!ende Fors!ungsarbeit aber au! kurzweilig-interessant und zu einem persönli! berei!ernden Erlebnis und Abenteuer. Literatur Bargfrede, Anja; Mey, Günter & Mru., Katja (3//(). Standortunabhängige Fors!ungsbegleitung: Konzept und Praxis der NetzWerksta5. In Nicolas Apostolopoulos, Harriet Ho$mann, Veronika Mansmann & Andreas S!will (Hrsg.), E-Learning ())*. Lernen im digitalen Zeitalter (S.0'–1/). Münster: Waxmann, http://www.pedocs.de/volltexte/3/'//+/',/.
Franz Breuer, Günter Mey & Katja Mru.
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Bateson, Gregory ('()3). Geist und Natur. Eine notwendige Einheit. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Beck, Ulrich; Giddens, Anthony & Lash, Sco5 ('((1). Re%exive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Berg, Eberhard & Fu!s, Martin (Hrsg.) ('((+). Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographis"en Repräsentation. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Bourdieu, Pierre ('())). Homo Academicus. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Bourdieu, Pierre ('((+). Narzißtis!e Re"exivität und Wissens!a%li!e Re"exivität. In Eberhard Berg & Martin Fu!s (Hrsg.), Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographis"en Repräsentation (S.+10–+*,). Frankfurt/M.: Suhrkamp. Breuer, Franz ('()(). Die Relativität der Realität. Zur erkenntnis- und praxisbezogenen Produktivität di$erentieller Sehweisen der „Wirkli!keit“. In Irmtraud Beerlage & Eva-Maria Fehre (Hrsg.), Praxisfors"ung zwis"en Intuition und Institution (S.0*–1(). Tübingen: DGVT. Breuer, Franz ('(('). Wissens"a$stheorie für Psy"ologen. Eine Einführung (0. Aufl.). Münster: As!endor$. Breuer, Franz (Hrsg.) ('((1). Qualitative Psy"ologie. Grundlagen, Methoden und Anwendungen eines Fors"ungsstils. Opladen: Westdeuts!er Verlag, h5p://www.qualitative-fors!ung. de/publishing/modelle/psy!ologie/index.phph5p://www.qualitative-fors!ung.de/publishing/modelle/psy!ologie/index.php. Breuer, Franz ('(((). Probleme human- und sozialwissens!a%li!er Erkenntnismethoden: Viel Verwirrung – einige Vors!läge. In Norbert Groeben (Hrsg.), Zur Programmatik einer sozialwissens"a$li"en Psy"ologie. Band I, Metatheoretis"e Perspektiven; (. Halbband: Theoriehistorie, Praxisrelevanz, Interdisziplinarität, Methodenintegration (S.'(+–+/(). Münster: As!endor$. Breuer, Franz (3///). Wissens!a%li!e Erfahrung und der Körper/Leib des Wissens!a%lers. In Clemens Wis!ermann & Stephan Haas (Hrsg.), Körper mit Ges"i"te. Der mens"li"e Körper als Ort der Selbst- und Weltdeutung (S.++–0/). Stu5gart: Steiner. Breuer, Franz (3//+). Subjektha%igkeit der sozial-/wissens!a%li!en Erkenntnistätigkeit und ihre Re"exion: Epistemologis!e Fenster, methodis!e Umsetzungen. Forum Qualitative Sozialfors"ung/Forum: Qualitative Social Resear", +(3), Art. 30, h5p://nbn-resolving.de/ urn:nbn:de:/'',-fqs/+/330). Breuer, Franz (3//0a). Konstruktion des Fors!ungsobjekts dur! methodis!en Zugri$. In Günter Mey (Hrsg.), Handbu" Qualitative Entwi!lungspsy"ologie (S.0*–'/3). Köln: Kölner Studien Verlag. Breuer, Franz (3//0b). Scienti-c experience and the researcher’s body. In Wol$-Michael Roth (Hrsg.), Auto/biography and auto/ethnography. Praxis of resear" method (S.((–'')). Ro5erdam: Sense. Breuer, Franz (unter Mitarbeit von Barbara Dieris & Antje Le5au) (3//(). Re%exive Grounded Theory. Eine Einführung für die Fors"ungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissens!a%en. Breuer, Franz (3/'/). Wissens!a%stheoretis!e Grundlagen qualitativer Methodik in der Psy!ologie. In Günter Mey & Katja Mru. (Hrsg.), Handbu" Qualitative Fors"ung in der Psy"ologie (S.+'–,0). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissens!a%en. Breuer, Franz & S!reier, Margrit (3//*). Zur Frage des Lehrens und Lernens von qualitativ-sozialwissens!a%li!er Fors!ungsmethodik. Forum Qualitative Sozialfors"ung/ Forum: Qualitative Social Resear", ,('), Art. +/, h5p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:/'',fqs/*/'+/*.
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
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Franz Breuer, Günter Mey & Katja Mru.
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fors"ung/Forum: Qualitative Social Resear", *(3), h5p://www.qualitative-resear!.net/ index.php/fqs/issue/view/'/. Knorr-Cetina, Karin ('(),). Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissens"a$. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Knorr-Cetina, Karin ('()(). Spielarten des Konstruktivismus. Einige Notizen und Anmerkungen. Soziale Welt, +)('/3), )1–(1. Langenohl, Andreas (3//(). Zweimal Re"exivität in der gegenwärtigen Sozialwissens!a%: Anmerkungen zu einer ni!t geführten Deba5e. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research, -)(3), Art. (, h5p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:/'',fqs/(/3(*. Latour, Bruno & Woolgar, Steve ('()1), Laboratory life: The construction of scienti&c facts. Princeton, NJ: Princeton University Press. Lynch, Michael (3///). Against re"exivity as an academic virtue and source of privileged knowledge. Theory, Culture & Society, -.(+), 31–0,. Maturana, Humberto & Varela, Francisco ('()*). Der Baum der Erkenntnis. Die biologis"en Wurzeln des mens"li"en Erkennens. Bern: S!erz. Mey, Günter & Mru., Katja (3//(). Methodologie und Methodik der Grounded Theory. In Wilhelm Kempf & Marcus Kiefer (Hrsg.), Fors"ungsmethoden der Psy"ologie. Zwis"en naturwissens"a$li"em Experiment und sozialwissens"a$li"er Hermeneutik. Band /: Psy"ologie als Natur- und Kulturwissens"a$. Die soziale Konstruktion der Wirkli"keit (S.'//– '03). Berlin: Regener. Morse, Janice M.; Stern, Phyllis Noerager; Corbin, Juliet; Bowers, Barbara; Charmaz, Kathy & Clarke, Adele E. (3//(). Developing grounded theory. The second generation. Walnut Creek, CA: Le% Coast Press. Mruck, Katja ('(((). „Stets ist es die Wahrheit, die über alles gebietet, do" ihre Bedeutung wandelt si".“ Zur Konzeptualisierung von Fors"ungsobjekt, Fors"ungssubjekt und Fors"ungsprozeß in der Ges"i"te der Wissens"a$en. Münster: Lit. Mru., Katja & Mey, Günter ('((1). Überlegungen zu qualitativer Methodologie und qualitativer Fors!ungspraxis – die Kehrseite psy!ologis!er Fors!ungsberi!te. Fors"ungsberi"t aus dem Institut für Psy"ologie der TU Berlin, '/(1, h5p://nbn-resolving. de/urn:nbn:de:/'1)-ssoar-33'3. Mru., Katja & Mey, Günter ('(()). Selbstre"exivität und Subjektivität im Auswertungsprozeß biographis!er Materialien – zum Konzept einer „Projektwerksta5 qualitativen Arbeitens“ zwis!en Colloquium, Supervision und Interpretationsgemeins!a%. In Gerd Jü5emann & Hans Thomae (Hrsg.), Biographis"e Methoden in den Humanwissens"a$en (S.3),–+/1). Weinheim: Beltz/PVU, h5p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:/'1)-ssoar-'3//. Mruck, Katja & Mey, Günter (3//*). Grounded theory and re"exivity. In Anthony Bryant & Kathy Charmaz (Hrsg.), The Sage handbook of grounded theory (S.,)*–0'/). London: Sage. Mru., Katja; Roth, Wol$-Mi!ael & Breuer, Franz (Hrsg.) (3//3). Subjektivität und Selbstre"exivität im qualitativen Fors!ungsprozess I. Forum Qualitative Sozialfors"ung/Forum: Qualitative Social Resear", /(+), h5p://www.qualitative-resear!.net/index.php/fqs/issue/ view/3'. Polanyi, Michael ('()0 ['(11]). The tacit dimension. Garden City, NY: Doubleday. Raeithel, Arne ('()+). Tätigkeit, Arbeit und Praxis. Grundbegri#e für eine praktis"e Psy"ologie. Frankfurt/M.: Campus. Ravetz, Jerome R. ('(*+). Die Krise der Wissens"a$. Probleme der industrialisierten Fors"ung. Neuwied: Lu!terhand.
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Subjektivität und Selbst-/Re"exivität in der Grounded-Theory-Methodologie
Rei!ertz, Jo & Zielke, Barbara (3//)). Einleitung: Theories that ma5er. Zur Handlungswirksamkeit des sozialen Konstruktionismus. Forum Qualitative Sozialfors"ung/Forum: Qualitative Social Resear", *('), h5p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:/'',-fqs/)/'D0Ed). Reinharz, Shulamit (3/''). Observing the observer. Understanding ourselves in &eld research. New York, NY: Oxford University Press. Roth, Wol$-Michael; Breuer, Franz & Mruck, Katja (Hrsg.) (3//+). Subjektivität und Selbstre"exivität im qualitativen Fors!ungsprozess. Forum Qualitative Sozialfors"ung/Forum: Qualitative Social Resear", +(3), h5p://www.qualitative-resear!.net/index.php/fqs/issue/ view/'). Strauss, Anselm L. ('((' ['()*]). Grundlagen qualitativer Sozialfors"ung. Datenanalyse und Theoriebildung in der empiris"en soziologis"en Fors"ung. Mün!en: Fink. Strauss, Anselm (3//,). Interview mit Heiner Legewie und Barbara S!ervier-Legewie. „Fors!ung ist harte Arbeit, es ist immer ein Stü. Leiden damit verbunden. Deshalb muss es auf der anderen Seite Spaß ma!en“. Forum Qualitative Sozialfors"ung/Forum: Qualitative Social Resear", 0(+), Art. 33, h5p://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:/'',-fqs/,/+333. Strauss, Anselm & Corbin, Juliet ('((1 ['((/]). Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialfors"ung. Weinhein: Beltz/PVU. Volmerg, Birgit ('())). Erkenntnistheoretis!e Grundsätze interpretativer Sozialfors!ung in der Perspektive eines psy!oanalytis! re"ektierten Selbst- und Fremdverstehens. In Thomas Leithäuser & Birgit Volmerg (Hrsg.), Psy"oanalyse in der Sozialfors"ung (S.'+'– '*(). Opladen: Westdeuts!er Verlag. Watzlawi., Paul (Hrsg.) ('()0). Die erfundene Wirkli"keit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben1? Beiträge zum Konstruktivismus. Mün!en: Piper. Zielke, Barbara (3//*). Sozialer Konstruktionismus. Gö5ingen: Vandenhoe. & Rupre!t.
Beitragende
Charles Berg ist a.!o. Professor für Erziehungswissens"a# an der Universität Luxemburg. Er ist Mitbegründer des Jugendfors"ungsinstituts CES$E (Centre d’études sur la situation des jeunes) und Mitglied des Pool of European Youth Resear!ers (PEYR). Seine inhaltli"en Arbeitss"werpunkte sind in den Fors"ungsfeldern Kindheit, Jugend, Intergenerationenbeziehungen, S"ultheorie, Literacy und Fors"ungsmethoden. Weitere Informationen unter: h% p://wwwen.uni.lu/re"er"e/&shase/ study_centre_ces'e/team/"arles_berg Kontakt: Prof. Charles Berg, Université du Luxembourg, Campus de Walferdange, B.!P. (, L-)(*+ Walferdange, Luxemburg. E-Mail: "
[email protected] Franz Breuer ist Professor am Institut für Psy"ologie der Universität Münster. Seine aktuellen Arbeitss"werpunkte liegen in den Gebieten qualitativ-sozialwissens"a#li"er Methodologie, Alternsfors"ung und Vorgänger-Na"folger-Übergänge. Weitere Informationen unter: h%p://wwwpsy.uni-muenster.de/inst,/AEBreuer/startseite.htm Kontakt: Prof. Dr. Franz Breuer, Institut für Psy"ologie, Westfälis"e Wilhelms-Universität Münster, Fliednerstraße (+, D--.+-/ Münster. E-Mail:
[email protected] César A. Cisneros Puebla ist Professor für qualitative Fors"ungsmethoden und Epistemologie der Sozialwissens"a#en im Department für Soziologie der Universidad Autónoma Metropolitana, Iztapalapa, Mexiko. Außerdem leitet er dort das Lab für computergestützte qualitative Fors"ung und Visualisierung. Seine Fors"ungsinteressen sind narrative und Diskursanalyse, Grounded-Theory-Methodologie, symbolis"er Interaktionismus, qualitative Datenanalyse und computergestützte qualitative Fors"ung. Weitere Informationen unter: h%p://csh.izt.uam.mx/qig-uami/ und h%p://www.qualitative-resear".net/index.php/fqs/about/editorialTeamBio// Kontakt: Prof. Dr. César A. Cisneros Puebla, UAMI Departamento de Sociología, Av San Rafael Atlixco No.+.0, Col. Vicentina C.!P. */,-* Del. Iztapalapa México D.!F. E-Mail:
[email protected] Kathy C. Charmaz ist Professorin für Soziologie und Direktorin des Faculty Writing Program an der Sonoma State University, in dessen Rahmen sie mit Universitätsangehörigen zu deren Fors"ungspraxis und zu wissens"a#li"em S"reiben arbeitet. Zu ihren zentralen Fors"ungsinteressen gehören Erfahrungen von Krankheit und Behinderung, die Sozialpsy"ologie der Zeit und die Ethik qualitativer Fors"ung. Weitere Informationen unter: h%ps://fresca.calstate.edu/faculty/(+,1
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Beitragende
Kontakt: Prof. Dr. Kathy C. Charmaz, Department of Sociology, Sonoma State University, +.*+ East Cotati Avenue, Rohnert Park, CA /-/(., USA. E-Mail: "armaz@ sonoma.edu Adele E. Clarke ist als Professorin für Soziologie und Ges" i"te der Gesundheitswissenschaften an der University of California, San Francisco, tätig. Ihre Fors"ungsinteressen umfassen Studien zu Wissens"a#, Te"nologie und Medizin, im Besonderen im Berei" der Reproduktionswissens"a#en. Sie ist Mitherausgeberin der Zeits"ri# BioSocieties. Weitere Informationen unter: h%p://www.situationalanalysis.com/ und h%p://nurseweb.ucsf.edu/www/2clara.htm Kontakt: Prof. Dr. Adele E. Clarke, Department of Social and Behavioral Sciences, Box *0+(, UC San Francisco, ,,,, California Street, Suite -11, San Francisco, CA /-+-,*0+(, USA. E-Mail:
[email protected] Juliet M. Corbin R.!N., D.!N.!Sc., na" ihrer Promotion zunä"st Fellow des Department of Social and Behavioral Sciences der University of California und über +1 Jahre Fors"ungs- und Publikationstätigkeit gemeinsam mit Anselm L. Strauss; u.!a. Mitautorin von „Basics of Qualitative Resear"“, das gerade in der ,. Auflage ers"ienen ist. Na" Tätigkeiten an der California State University und am International Institute of Qualitative Resear" der University of Alberta nun emeritiert, arbeitet sie weiter im Rahmen von weltweit sta%3ndenden Workshops und Veranstaltungen zu Grounded-Theory-Methodologie und "ronis"er Krankheit. Kontakt: Prof. Dr. Juliet M. Corbin, R.!N., D.!N.!Sc., +* Gardiner Ct, Orinda, CA /-10,, USA. E-Mail:
[email protected] Barney G. Glaser erhielt seinen BA +/1( in Stanford und promovierte +/0+ an der Columbia University. Na" Fertigstellen seiner Dissertation zum Thema „Organizational Scientists: Their Professional Careers“ we"selte er an die University of California San Francisco, wo er zusammen mit Anselm Strauss zu Sterben in Krankenhäusern fors"te und Ph.!D.-Studierende in der Nutzung von Fors"ungsmethoden unterwies. Na" der Verö2entli"ung von „Awareness of Dying“ (+/01) verfasste er, wieder gemeinsam mit Strauss, „Discovery of Grounded Theory“ (+/0)). Es folgten weitere Bü"er zu Sterben, "ronis"er Krankheit und Statuspassagen. Glaser hat zahlrei"e Artikel und Bü"er verö2entli"t, insbesondere zu Berufsbiogra3en und zur Grounded-Theory-Methodologie, letztere bei Sociology Press (h%p://www. sociologypress.com/). +//. erhielt GLASER einen Ehrendoktortitel der Universität Sto4holm. Weitere Informationen unter: h%p://www.groundedtheory.com/ Kontakt: Dr. Barney G. Glaser, Hon. Ph.!D., POB +(,, Mill Valley, Ca /-/-(, USA. E-Mail:
[email protected].
Beitragende
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Judith A. Holton ist Herausgeberin des Grounded Theory Review (h%p://www.groundedtheoryreview.com/) und hat mit Barney G. Glaser im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen und Publikationen zusammengearbeitet, u.!a. als Mitherausgeberin des „Grounded Theory Seminar Reader“ (Sociology Press (**)). Sie hat im Fach Management Studies an der University of Northampton promoviert. Als Assistant Professor am Ron Joyce Centre for Business Studies der Mount Allison University lehrt sie derzeit u.!a. Organisationstheorie und Forschungsmethoden. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Führung, Teamarbeit, Lernen und Innovation in komplexen Organisationen sowie die Grounded-Theory-Methodologie. Kontakt: Dr. Judith A. Holton, Ron Joyce Centre for Business Studies, Mount Allison University, +-- Main Street, Sackville, NB, Kanada, E-L +A). E-Mail:
[email protected] Manuela Kaiser-Belz ist Referentin in der Stabsstelle Zukun#skonzept der Georg-August-Universität Gö%ingen. Zuvor war sie als Koordinatorin an der Goethe-Universität Frankfurt/M. für die Umsetzung eines hessenweiten Mentoring-Programms für Na"wu"swissens"a#lerinnen tätig. Ihre Arbeits- und Interessens"werpunkte sind Mentoring, Glei"stellung und die Quali3zierung von Na"wu"swissens"a#ler/innen. Kontakt: Dr. Manuela Kaiser-Belz, Georg-August-Universität Gö% ingen, Stabsstelle Zukun#skonzept, Von-Siebold-Straße -, D-,)*)1 Gö% ingen. E-Mail: kaiser-belz@ uni-goe%ingen.de Udo Kelle ist Professor für Methoden der empiris"en Sozialfors"ung und Statistik an der Helmut-S"midt-Universität Hamburg. Seine Interessens"werpunkte sind Methoden und Methodologie qualitativer und quantitativer Methoden der Sozialfors"ung, Grundlagen der Evaluationsfors"ung und sozialwissens"a#li"e Handlungstheorie. In den letzten Jahren hat er insbesondere über das Verhältnis qualitativer und quantitativer Methoden gearbeitet. Weitere Informationen unter h%p://www.hsu-hh.de/methoden/index_FhaaNHDPUDiwsf*F.html Kontakt: Prof. Dr. Udo Kelle, Helmut-S"midt-Universität der Bundeswehr Hamburg, Fakultät für Geistes- und Sozialwissens"a#en, Holstenhofweg .1, D-((*-, Hamburg. E-Mail:
[email protected] Reiner Keller ist Professor für Soziologie an der Universität Koblenz-Landau (Campus Landau) und dort für Allgemeine Soziologie, soziologis"e Theorie, Wissens- und Kultursoziologie, Bildungssoziologie und qualitative Methoden zuständig. Seine inhaltli"en Arbeitss"werpunkte sind u.!a. Diskurstheorie und Diskursfors"ung (insbes. Wissenssoziologis"e Diskursanalyse), französis"e Soziologie, soziologis"e Theorie und Gegenwartsdiagnose. Seit Anfang (*++ ist er Vorsitzender der Sektion Wissenssoziologie der Deuts"en Gesells"a# für Soziologie. Weitere In-
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Beitragende
formationen unter h% p://ww.uni-koblenz-landau.de/landau/50/sowi/soziologie/ mitarbeiter/sozio-profs/keller Kontakt: Prof. Dr. Reiner Keller, Universität Koblenz-Landau (Campus Landau), Fb 0, Institut für Sozialwissens"a#en, Abt. Soziologie, Fortstraße ), D-)0.(/ Landau. E-Mail:
[email protected] Zden"k Konopásek ist a.!o. Professor für Soziologie und fors"t zu Wissens"a#, Te"nologie, Politik und – seit Kurzem – Religion als dauerha#es Mitglied des Zentrums für Theoretis"e Studien, einem transdisziplinären Fors"ungsinstitut der KarlsUniversität Prag und der Akademie der Wissens"a#en der Ts"e"is"en Republik. Zusätzli" lehrt er zu qualitativen Methoden und zu Expert/innenwissen und demokratis"en Ents"eidungsprozessen an der Masaryk Universität in Brno. Weitere Informationen unter: h%p://zdenek.konopasek.net/ Kontakt: Prof. Dr. Zden6k Konopásek, CTS. Jilská +, ++*** Prag +, Ts"e"is"e Republik. E-Mail:
[email protected] Heiner Legewie ist emeritierter Professor für Klinis"e Psy"ologie an der Te" nis"en Universität Berlin. Seine Arbeitss"werpunkte waren Gesundheits- und Gemeindepsy"ologie, Feldfors"ung und qualitative Fors"ungsmethoden. Heiner Legewie hat zusammen mit Solveigh Niewiarra „Basics of Qualitative Resear"“ von Strauss und Corbin ins Deuts"e übersetzt. Weitere Informationen unter: h%p:// ww.ztg.tu-berlin.de/heiner_legewie.html Kontakt:
[email protected] Günter Mey ist Professor für Entwi4lungspsy"ologie an der Ho"s"ule Magdeburg-Stendal und dort für die Ausbildung in qualitativer Fors"ung zuständig. Zudem ist er Direktor des Instituts für Qualitative Fors"ung in der Internationalen Akademie an der Freien Universität Berlin. Seine inhaltli"en Arbeitss"werpunkte sind in den Fors"ungsfeldern Kindheit, Adoleszenz und Intergenerationenbeziehungen vor allem Fragen von Identität, Biogra3e und Kultur gewidmet. Weitere Informationen unter: h%p://www.humanwissens"a#en.hs-magdeburg.de/l/~mey oder h%p://www.institut.qualitative-fors"ung.de Kontakt: Prof. Dr. Günter Mey, Ho"s"ule Magdeburg-Stendal, Fa"berei" Angewandte Humanwissens"a#en, Osterburger Straße (1, D-,/1)0 Stendal. E-Mail:
[email protected] Marianne Milmeister arbeitet als Soziologin am Jugendfors"ungsinstitut CES$E (Centre d’études sur la situation des jeunes) an der Universität Luxemburg. Sie ist derzeit Korrespondentin des European Knowledge Centre for Youth Policy (EKCYP). Ihre Arbeitss"werpunkte sind Jugendfors"ung, Intergenerationenbeziehungem, Jugendmobilität, Fors"ungsmethoden und Fors"ungsmanagement. Weitere In-
Beitragende
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formationen unter: h%p://wwwen.uni.lu/resear"/&shase/study_centre_ces'e/team/ marianne_milmeister Kontakt: Marianne Milmeister, Université du Luxembourg, Campus de Walferdange, B.!P. (, L-)(*+ Walferdange, Luxemburg. E-Mail:
[email protected] Katja Mru# leitet den Arbeitsberei" Open Access im Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin und ist Direktorin des Instituts für Qualitative Fors"ung in der Internationalen Akademie an der Freien Universität Berlin. Sie ist Ges"ä#sführende Herausgeberin der Zeits"ri# Forum Qualitative Sozialfors!ung/Forum: Qualitative Social Resear! (FQS). Ihre Arbeitss"werpunkte sind qualitative Fors"ung, Grounded-Theory-Methodologie und Open Access. Weitere Informationen unter: h%p://www.cedis.fu-berlin.de/open-access/ oder h%p://www.qualitative-resear".net/ Kontakt: Dr. Katja Mru4, Freie Universität Berlin, Center für Digitale Systeme, Ihnestraße (-, D-+-+/1 Berlin. E-Mail:
[email protected] Petra Mu# el ist wissens"a#li"e Mitarbeiterin im Modellvorhaben „O2ene Ho"s"ule“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Zudem ist sie in eigener Praxis als Psychologin tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind ePortfolio-Arbeit, Grounded-Theory-Methodologie und familienre"tli"e Guta"ten. Weitere Informationen unter: h%p://www.oh.uni-oldenburg.de/-1/*).html Kontakt: Dr. Petra Mu4el, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Fakultät I, Arbeitsberei" Weiterbildung und Bildungsmanagement, Postfa" (1*,, D-(0+(/ Oldenburg. E-Mail:
[email protected] Antony Puddepha$ ist a.!o. Professor für Soziologie an der Lakehead University, Kanada. Seine Fors"ungsinteressen gelten insbesondere dem sozialen Pragmatismus und dem symbolis"en Interaktionismus, soziologis"en Theorien, ethnogra3s"en Methoden und der Wissenssoziologie. Weitere Informationen unter: h%p://sociology. lakeheadu.ca/wp/?pg=-. Kontakt: Prof. Dr. Antony Puddepha%, Department of Sociology, Lakehead University, /11 Oliver Road, Thunder Bay, Ontario, Canada P)B 1E+. E-Mail: apuddeph@ lakeheadu.ca Jo Rei!ertz studierte Soziologie und Kommunikationswissens" a#. Seit +//, ist er Professor für Kommunikationswissens"a# an der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen – zuständig für die Berei"e Strategis"e Kommunikation, Qualitative Methoden, Kommunikation in Institutionen und Neue Medien. Gastprofessuren führten ihn na" Wien und St. Gallen, vers"iedene Lehraufträge an die Universitäten Hagen, Wi%en/Herde4e, Bo"um, St. Gallen und Wien. Seine Arbeitss"werpunkte sind Text- und Bildhermeneutik, Kultursoziologie, qualitative Sozialfors"ung, Medienanalyse, Mediennutzung und Werbe- und Unternehmenskommunikation. Weitere Informationen unter h%p://www.uni-due.de/kowi/jrei"ertz.shtml
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Beitragende
Kontakt: Prof. Dr. Jo Rei"ertz, Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Geisteswissens"a#en, Institut für Kommunikationswissens"a# Universitätsstraße +(, D--1++) Essen. E-Mail: jo.rei"
[email protected] Gerhard Riemann ist Soziologe und (na" vorherigen Tätigkeiten an den Universitäten Kassel und Bamberg) Professor für Soziale Arbeit an der Fakultät Sozialwissens"a#en der Georg-Simon-Ohm-Ho"s"ule in Nürnberg. In den Jahren (**/ und (*+* war er Spre"er der Sektion Biographiefors"ung in der Deuts"en Gesells"a# für Soziologie. Seine inhaltli"en Arbeitss"werpunkte sind die Biogra3efors"ung auf der Grundlage narrativer Interviews, die Ethnogra3e und die Analyse professionellen Handelns. Weitere Informationen unter: h%p://www.ohm-ho"s"ule.de/ seitenbaum/home/fakultaeten/sozialwissens"a#en/anspre"partnerinnen/dozenteninnen/riemann/publikationen-sonstige-wissens"a#li"e-beitraege/page.html Kontakt: Prof. Dr. Gerhard Riemann, Georg-Simon-Ohm-Ho"s"ule, Fakultät Sozialwissens"a#en, Bahnhofstraße .), D-/*-*( Nürnberg. E-Mail: gerhard.riemann@ ohm-ho"s"ule.de Barbara S!ervier-Legewie ist Psy"ologis"e Psy"otherapeutin und arbeitet in Berlin in freier Praxis mit den S"werpunkten Einzel- und Paartherapie, Coa"ing und Supervision. Weitere Informationen unter: h%p://www.s"ervier.de/ Kontakt: info@s"ervier.de Anselm L. Strauss (+/+0–+//0) begann seine akademis"e Laufbahn an der University of Virginia und, mit Herbert Blumer als Mentor, an der University of Chicago. Na"dem Evere% C. Hughes ihn mit Feldfors"ung vertraut gema"t ha%e, ent wi4elte er in den +/0*er Jahren zusammen mit Barney G. Glaser die Grounded-Theory-Methodologie als eigenständigen Fors"ungsansatz. Von +/0* an ha%e er den Soziologie-Lehrstuhl im Department of Social and Behavioral Studies der University of California in San Francisco inne; er emeritierte +/.). Weitere Informationen unter: h%p://www.ucsf.edu/anselmstrauss/ Jörg Strübing ist Professor an der Eberhard Karls Universität Tübingen und lehrt dort Soziologie sowie qualitative Methoden und Methodologien. Er ist zudem Spre"er der Sektion Methoden der qualitativen Sozialfors"ung in der Deuts"en Gesells"a# für Soziologie. Seine Arbeitss"werpunkte liegen in der Wissens"a#s- und Te" nikfors"ung, der interaktionistis"en Sozialtheorie sowie in der Vermi% lung des Fors"ungsstils der Grounded Theory. Weitere Informationen unter: h%p://www. soziologie.uni-tuebingen.de/struebing/ Kontakt: Prof. Dr. Jörg Strübing, Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Soziologie, Wilhelmstraße ,0, D-)(*)- Tübingen. E-Mail:
[email protected] Beitragende
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Massimiliano Tarozzi ist Professor für qualitative Fors"ungsmethoden an der kognitionswissens"a#li"en Fakultät der Universität Trient, Italien. Er ist Herausgeber von Encyclopaideia. Journal of Phenomenology and Education und Gründungsdirektor des Masterstudiengangs Fors"ungsmethoden. Seine wesentli"sten Fors"ungsinteressen sind Bildungssoziologie (inter-/multikulturelle Bildung) und Fors"ungsmethoden. (**/ hat er „The Discovery of Grounded Theory“ von B. Glaser und A. Strauss ins Italienis"e übersetzt. Weitere Informationen unter: h% p://www-.unitn.it/People/ it/Web/Persona/PER***-00+ Kontakt: Prof. Dr. Massimiliano Tarozzi, Facoltà di Scienze Cognitive, Dipartimento Scienze Cognizione e Formazione, Università degli Studi di Trento, Corso Be% ini n. ,+, ,.*0. Rovereto (TN), Italien. E-Mail:
[email protected] Inga Trus!kat ist Juniorprofessorin für Sozial- und Organisationspädagogik an der Sti# ung Universität Hildesheim. Zudem ist sie Spre"erin der Fors"ungsgruppe „Übergänge – Bildung – Bes"ä#igung“. Ihre inhaltli"en Arbeitss"werpunkte liegen in den Fors"ungsfeldern Übergang, Bildung, Biogra3e und Organisation. Ein weiterer Arbeitss"werpunkt liegt in der qualitativen Sozialfors"ung, insbesondere in den Berei"en Biogra3e-, Gesprä"s- und Diskursfors"ung. Weitere Informationen unter: h%p://www.uni-hildesheim.de/index.php?id=,(.( Kontakt: Prof. Dr. Inga Trus"kat, Sti# ung Universität Hildesheim, Institut für Sozial- und Organisationspädagogik, Marienburger Platz ((, D-,++-+ Hildesheim. E-Mail: trus"
[email protected] Vera Volkmann (vormals Reinartz) ist Studienrätin für die Fä"er Sport und Französis" an der Martin-Niemöller-Gesamts"ule in Bielefeld. Zuvor war sie als Wissens"a#li"e Mitarbeiterin im Arbeitsberei" Sportpädagogik der Universitäten Jena und Oldenburg tätig. Ihre Arbeitss"werpunkte und Fors"ungsinteressen liegen im Berei" der erziehungswissens"a#li"en Biogra3efors"ung, der S"ulentwi4lung sowie der Professionalisierung von Lehrer/innen. Kontakt: Dr. Vera Volkmann, Heisenbergweg +0, D-,,0+, Bielefeld. E-Mail:
[email protected] Personenregister
—!A!— A"instein, Peter 248 Adams, Tony E. 436 Adams, Vincanne 115 Alheit, Peter 356, 361, 372, 3747f. Allert, Tilmann 256 Amado, Jorge 86 Anderson, Douglas R. 249, 281 Anderson, John R. 333 Anderson, Nels 408 Apel, Karl-O%o 281 Ar"er, Margaret S. 327 Ashmore, Malcolm 386 Atkinson, Paul 189, 192, 382
Bo"ner, Arthur P. 436 Bogdan, Robert C. 318, 322 Böhm, Andreas 207f., 39, 417f., 317, 322 Bohnsa4, Ralf 82, 412 Bonfantini, Massimo 281 Bonner, Ann 32, 189 Borland, John 421 Bourdieu, Pierre 358, 365, 430, 435 Bourgeois, Etienne 357 Bowers, Barbara E. 163, 181 Bowker, Geo2rey C. 188, 211 Boy"uk Du"s"er, Judy E. 309 Boze%, Fred 81 Brenner, Peter J. 319 Breuer, Franz 9, 22, 29, 262, 3027f., 314, —!B!— 327, 335, 337, 340, 427–430, 433, Bacon, Francis 236 438, 441 Baker, Cynthia 146 Brown, Barry 399 Bargfrede, Anja 407, 441 Bruner, Jerome 309, 317 Bartle%, Dean 263 Bryant, Antony 12, 14, 19, 21, 42, 89, 92, Bateson, Gregory 430 182, 1897f.,192, 268, 274, 279, 307, Baudrillard, Jean 118 357 Bauman, Zygmunt 401 Bryman, Alan 303, 317 Be4, Ulri" 434 Bu"er, Rue 70 Be4er, Howard S. 69, 807f., 110, 127, 217, Bulmer, Martin 408, 411 306, 325, 386, 405, 408, 422 Burawoy, Mi"ael 189 Belliger, Andréa 122 Burgess, Ernest W. 408, 4117f. Berg, Bruce L. 321 Berg, Charles 9, 44, 30172., 306, 324 —!C!— Berg, Eberhard 435 Callon, Mi"el 122 Berger, Peter L. 117, 400 Canguilhem, George 217 Bhabha, Homi 218 Carey, James T. 224, 41072. Bigus, Odis E 269 Carrier, Martin 328 Biklen, Sari Knopp 318, 322 Casper, Monica J. 112, 184, 186, 194, 197, Blumer, Herbert 14, 92, 117, 167, 2167f., 1997f. 222, 251, 263, 267, 294, 319, 361, Castellani, Brian 109 410, 412, 423 Cavan, Ruth 412
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
458 Chalmers, Alan F. 236 Charmaz, Kathy C. 97f., 12, 1772., 21, 42, 51, 59, 63, 817f., 89, 92, 94, 97, 100, 1047f., 1107f., 114, 135, 163, 165, 179, 181–184, 188–192, 197, 1997f., 208, 222, 262, 266, 274, 279, 302, 3077f., 311, 357, 3607f., 368, 428 Charniak, Eugene 282 Cisneros Puebla, César 51 Clarke, Adele E. 97f., 12, 17, 33, 52, 817f., 92, 109–112, 1147f., 118, 1207f., 124, 126–129, 135, 163, 165, 1817f., 184, 18872., 1947f., 197, 224, 262, 326, 328, 353, 355, 365, 428 Cli2ord, James 194 Co2ey, Amanda 189, 382 Cohn, Ruth 407, 437 Cole, Fay-Cooper 408 Collins, Harry 221, 328 Cooney, Adeline 307 Corbin, Juliet M. 9, 12, 1672., 207f., 23, 267f., 30–33, 35, 387f., 4172., 51, 617f., 67, 747f., 77, 79–82, 97, 112, 115, 135, 141, 1637f., 181, 190, 192, 208, 210, 233, 241–246, 254, 2567f., 261–266, 269, 27372., 2807f., 290– 294, 302, 305, 307–310, 32172., 335, 3377f., 345, 350, 354–359, 361–365, 368–371, 387, 395, 421, 428, 440 Cragg, Tony 326 Cressey, Donald R. 254 Cressey, Paul 408 Creswell, John W. 141, 386 Curd, Martin V. 247 —!D!— Daly, Kerry 222 Dausien, Be%ina 354, 367, 407, 420 Davis, Fred 91 Davis, Jessica Ho2mann 313 Delamont, Sara 189
Personenregister
De Man, Paul 319 Denzin, Norman K. 18, 22, 94, 100, 105, 115, 118, 120, 126, 166, 221, 383, 387, 400, 435 Deppermann, Arnulf 319 Derrida, Jacques 118, 4007f. Devereux, Georges 43172. Dewey, John 98, 127, 244, 265, 271, 294, 417 Dey, Ian 29, 262, 267, 3077f., 313, 322 Diaz-Bone, Rainer 365 Dingwall, Robert 221 Doka, Kenneth J. 199 Drau4er, Claire B. 370 Durkheim, Émile 197, 249 Duster, Troy 125 —!E!— Eco, Umberto 283 Ehrli", Danuta 70 Eisenstadt, Shmuel N. 283 Ellis, Carolyn 436 Ericsson, Stephanie 199 Essed, Philomena 220 Evans, Robert 328 Evers, Jeanine C. 33, 381, 440 —!F!— Fagerhaugh, Shyzuko 75, 81 Fann, Kuang T. 281 Faris, Ellsworth 408 Faris, Robert 412 Feldman, Martha S. 311 Fine, Gary A. 408 Fis"er, Mi"ael 194 Fis"er, Wolfram 21, 82 Fle4, Ludwik 427 Fli4, Uwe 41, 304, 3117f., 322, 326 Fosket, Jennifer R. 222 Foucault, Mi"el 109, 118, 123, 125, 127, 208, 217, 224, 283
459
Personenregister
Francis, Karen 32, 189 Frederi4s, Marcel 280 Freney, Mariane 357 Friese, Carrie 112, 128, 189 Friese, Susanne 387, 393, 395 Fu"s, Martin 435 Fujimura, Joan H. 81, 112, 188
Griesemer, James R. 188 Gri8ths, Aled 421 Groeben, Norbert 432 Guba, Egon G. 274, 386 Gubrium, Jaber F. 89, 386, 400 Gummesson, Evert 159 Gus3eld, Joseph R. 412
—!G!— Gadamer, Hans-Georg 313, 326 Gage, Nathaniel S. 303 Gamm, Gerhard 33372. Gar3nkel, Harold 92, 400 Gärtner, Birgit 421 Geer, Blan"e 69 Geertz, Cli2ord 345, 435 Gergen, Kenneth J. 4347f. Gergen, Mary M. 4347f. Gibbons, Mi"ael 327 Gibbs, Graham 308 Giddens, Anthony 434 Gieryn, Thomas F. 388 Gilgun, Jane 85 Glaser, Barney G. 9–12, 14, 16–40, 42, 51, 5372., 61, 64, 71, 77, 80, 82, 89, 90–96, 987f., 1017f., 112, 114, 127, 135, 137, 1397f., 145, 147, 160, 169, 180, 182–184, 18972., 1937f., 2097f., 217, 221, 233, 235–246, 254, 25672., 261–275, 27972., 2907f., 302, 3047f., 307, 3097f., 3127f., 319, 32372., 340, 350, 353–361, 366–374, 386, 406, 415, 424, 4287f. Go2man, Erving 72, 917f., 115, 408 Goldberg, David T. 220 Goldthorpe, John 1037f. Goodman, Nelson 430 Goodwin, Sandra 220 Gramsci, Antonio 118, 217 Gratho2, Ri"ard 82, 128, 294, 406 Gregory, Toni A. 21, 430
—!H!— Haasen, Nele 364 Habermas, Jürgen 282 Hadden, Stuart C. 269 Haig, Brian D. 268, 280 Haller, Dieter 24 Hall, Peter M. 216, 221, 223 Hall, Stuart 109 Hamberg, Katarina 168 Hammersley, Martyn 14, 303 Hammonds, Evelyn M. 214 Hanson, Norwood Russell 236, 247, 281 Haraway, Donna J. 117, 120, 125, 190, 197, 209, 213 Harris, Sco% R. 220 Heath, Helen 3587f., 369 Heeg, Paul 349 Hemker, Andreas 282 Henwood, Karen 101, 182 Hermanns, Harry 421 Hildenbrand, Bruno 28, 82, 262, 266 Hirs"auer, Stefan 434 Hitzler, Ronald 38, 304, 314, 327 Ho"s"ild, Arlie 253 Ho2mann, Bri% 407, 424 Holbrook, Beverley 382 Holstein, James A. 386, 400 Holton, Judith A. 9, 17, 21, 23, 26, 31, 135, 275, 280, 304, 31072., 354 Holzkamp, Klaus 432 Honer, Anne 304 Howarth, Glennys 89 Huber, Joan 103
460 Huberman, Mi"ael A. 305, 393 Hughes, Evere% C. 69, 80, 87, 167, 221, 263, 265, 319, 4087f., 412 Hülst, Dirk 3037f. Hut"by, Ian 316 —!I!— Iser, Wolfgang 319 —!J!— Ja4son, Stevi 109 James, William 265 Jauß, Hans Robert 317 Joa"im, Patrice 306 Johansson, Eva E. 168 Johnson, Charles S. 411 Jones, Kip 435 —!K!— Kaiser-Belz, Manuela 9, 3017f., 340, 353, 356, 364 Kallmeyer, Werner 413 Kaplan, W. Douglas 18 Karp, David 187 Kazmierska, Kaja 421 Kearney, Margaret H. 189 Kelle, Udo 9, 14, 19, 317f., 3672., 407f., 189, 233, 2377f., 256, 273, 2797f., 290, 305, 309, 335, 3557f., 358, 367 Kellehear, Allan 89 Keller, Reiner 52, 109, 113, 1167f., 121, 123, 286, 365 Kendall, Judy 280, 294 Kezar, Adrianna 186 Klotz, Volker 326 Kluge, Susann 356 Knorr-Cetina, Karin 282, 388, 427, 434 Kohlen, Helen 128 Konau, Elisabeth 256 Konopásek, Zden6k 9, 302, 381 Krambe4, Jürgen 256
Personenregister
Kreitz, Robert 356 Kreppner, Kurt 282 Krieger, David J. 122 Krotz, Friedri" 3547f., 376 Ku4artz, Udo 318 Kuhn, Thomas 57, 92, 98 —!L!— Lakatos, Imre 237, 256 Lako2, George 308 Langenohl, Andreas 435 LaRossa, Ralph 307 Lash, Sco% 434 Lather, Pa%i 114, 224 Latour, Bruno 1217f., 209, 381, 3847f., 388, 393, 427 Laudan, Larry 236 Laurier, Eric 399 Law, John 122, 209, 385 Lawrence-Lightfoot, Sara 313 Layder, Derek 189 Lazarsfeld, Paul 717f. Legewie, Heiner 13, 18, 21, 23, 51, 69, 279, 317 Lincoln, Yvonna S. 18, 94, 100, 126, 274, 3867f., 435 Lindesmith, Alfred R. 14, 423 Lo4e, John 236 Lo4e, Karen 189, 222, 305 Lorenz, Stephan 305 Lowe, Andy 138 Lu4mann, Thomas 117, 400 Lüders, Christian 19 Lyn", Mi"ael 388, 393, 434 Lyotard, Jean-François 309, 3137f. —!M!— Maines, David 1057f. Mann, Thomas 102 Marcus, George E. 194 Martsolf, Donna S. 370
461
Personenregister
Marvasti, Amir B. 280 Marx, Janine 238 Marx, Karl 98 Mathar, Thomas 128 Mathesius, Vilém 315 Maturana, Humberto 434 May, Katharyn A. 142, 189 May, Katherine 81 Mayring, Philipp 304, 3357f., 339 McCarthy, Doyle E. 1167f., 209 McDermo%, Drew 282 McGinty, Patri4 J.!W. 223 Mead, George Herbert 14, 98, 102, 1167f., 121, 183, 209, 215, 244, 265, 294, 319 Melia, Kath M. 182 Merleau-Ponty, Maurice 400 Merton, Robert K. 137f., 297f., 7172. Mey, Günter 9, 12, 2272., 34, 38, 40, 2627f., 3027f., 307, 317, 320, 327, 335, 340, 3597f., 381, 407, 4287f., 4377f., 441 Meyer, Mi"ael 11 Meyers, Christiane 306 Miles, Ma%hew B. 305, 307, 393 Miller, Gale 208 Miller, Peter 388 Miller, Steven I. 280 Mills, Charles Wright 119, 185, 215, 224, 304 Mills, Jane 32, 189 Milmeister, Marianne 9, 44, 30172., 306 Moghaddam, Alireza 314 Moore, Edward C. 281 Moore, Jennifer 307 Morgan, Debra 309 Moritz, Christine 407, 424 Morrione, Thomas J. 214 Morse, Janice M. 12, 18, 114, 143–146, 154, 163, 181, 307, 353, 428 Mru4, Katja 9, 12, 2272., 337f., 38, 40, 2627f., 3027f., 307, 314, 317, 327, 335,
340, 359, 360, 381, 407, 4287f., 4377f., 4407f. Mu4el, Petra 9, 25, 3017f., 308, 3407f., 348 Mühlmeyer-Mentzel, Agnes 33 Muhr, Thomas 21, 317, 387, 393, 395 Mulkay, Mi"ael 388 Mullen, Patricia 59 Murphy, Mi"elle 115 Myri4, Florence 189 —!N!— Nader, Laura 186 Ni4les, Thomas 247 Ni%el, Dieter 421 —!O!— Odendahl, Teresa 186 Oevermann, Ulri" 256 O’Leary, Ted 388 Olesen, Virginia L. 91, 1107f., 167 Olson, Mit"ell M. 21 Opp, Karl-Dieter 246 Ostrander, Susan A. 186 O%en, Arnold 356 —!P!— Pacius, Julius 281 Palmer, Vivien M. 4097f. Park, Robert E. 87, 167, 263, 408–412 Parsons, Talco% 727f. Pascale, Celine Marie 113 Paterniti, Debora A. 89 Payne, Sheila 263 Peeters, Bart 33, 381, 440 Peirce, Charles S. 98, 115, 1917f., 2487f., 265, 2807f., 283, 28572., 289–294, 356 Pengel, Sandra 238 Pidgeon, Ni"olas 101, 182 Piotrowski, Andrzej 421
462 Pokladek, Gerlinde 407, 424 Polanyi, Mi"ael 427 Poovey, Mary 214 Popper, Karl 282 Przyborski, Aglaja 412 Puddepha%, Antony J. 51 —!Q!— Quine, Willard Orman von 246, 334 —!R!— Raeithel, Arne 429 Ragin, Charles 256 Ravetz, Jerome R. 427 Reed, Darren 386 Rei"enba", Hans 11, 282 Rei"ertz, Jo 9, 19, 21, 115, 192, 233, 248, 268, 279, 281–284, 292, 309, 356, 434 Reim, Thomas 405, 407, 412, 421 Reinartz, Vera 9, 3017f., 340, 353, 363, 366 Reinharz, Shulamit 412, 432 Ri"ards, Ivor Armstrong 319 Ri"ards, Lyn 399 Ri"ards, Tom 399 Riemann, Gerhard 9, 21, 34, 82, 125, 302, 317, 405, 407, 412, 415, 441 Rizzo, Ri"ard 58 Robin, Ri"ard S. 281 Rorty, Ri"ard 213 Rosenthal, Gabriele 192 Ross, Rat"neewan 370 Rost, Jürgen 304 Roth, Wol2-Mi"ael 327, 429 Rusk, Thomas B. 370 —!S!— Sabshin, Mel 70 Sa4s, Harvey 320 Said, Edward 213 Sapir, Edward 408
Personenregister
S"ä2er, Burkhard 412 S"atzman, Leonard 28, 70, 807f., 91, 164 S"eele, Brigi%e 432 S"eglo2, Emanuel A. 316 S"ervier-Legewie, Barbara 13, 23, 51, 69, 279 S"oos, Jean 306 S"reiber, Rita 82 S"reier, Margrit 427 S"ro4, Douglas 220 S"ütz, Alfred 359 S"ütze, Fritz 21, 82, 125, 262, 294, 40572., 41272., 421 S"walbe, Mi"ael 220 S"wandt, Thomas A. 1667f., 400 Sco%, Ri"ard 111 Sco%, Sue 109 Seale, Clive 386 Sebeok, Thomas 287 Shapin, Steven 213 Shaw, Aileen M. 186 Silver, Christina 33, 381, 440 Silverman, David 312 Simmons, Odis E. 21 Simon, Herbert A. 251 Snyder, Joel 393 Soe2ner, Hans-Georg 21, 82, 128, 294, 327 Sontag, Susan 319 Spradley, James P. 412 Star, Susan Leigh 24, 81, 92, 11072., 114, 120, 123, 1267f., 188, 208, 2107f., 214 Steinke, Ines 376 Stepan, Nancy 219 Stephens, Neil 186 Stern, Phyllis Noerager 21, 25, 817f., 146, 1637f., 181 Stonequist, Evere% 412 Stratkö%er, Andreas 337 Straus, Peter 421 Strauss, Anselm L. 9, 11–14, 16–35, 38–43, 51, 5372., 617f., 64, 67, 697f.,
463
Personenregister
8072., 84, 87, 89, 90–93, 97, 101, 105, 11072., 1157f., 127, 129, 1357f., 139, 141, 145, 147, 163–170, 172, 1787f., 181–184, 189–192, 20872., 216, 221, 233, 235–239, 241–246, 254, 2567f., 261–275, 2797f., 290–294, 302, 305, 307–310, 313, 3167f., 319–323, 325, 335, 337–342, 345, 350, 353–359, 361–374, 383, 3867f., 395, 401, 405–409, 411, 415–418, 420–424, 4277f., 440 Strong, Phil M. 221 Strübing, Jörg 9, 14, 19, 21, 32, 233, 263–266, 268, 2797f., 2907f., 293, 305, 335, 353, 355 Suczek, Barbara 75, 81 Suddaby, Roy 43 —!T!— Taylor, Peter J. 126 Tarozzi, Massimiliano 51 Teil, Genevieve 381 Terhart, Ewald 363 Thomas, Dorothy S. 119, 122, 214, 264 Thomas, William I. 87, 119, 122, 167, 214, 2637f. Thompson, Shealy 220 Tiefel, Sandra 323 Tits"er, Stefan 11 Traweek, Sharon 213 Trei"el, Bärbel 421 Trus"kat, Inga 9, 42, 3017f., 340, 353, 356, 358, 3647f. Tsing, Anna L. 219 Turnbull, David 223 Tursman, Ri"ard 281 —!U!— Uhlhorn, Kai 238 Ulmer, Je2rey 106 Umiker-Sebeok, Jean 287
—!V!— Varela, Francisco 434 Vaughan, Diane 65 Ve%er, Eva 11 Volkmann, Vera 363 Volmerg, Birgit 430 —!W!— Walker, Diane 189 Wallerstein, Immanuel 309 Wartenberg, Gerd 281 Watzlawi4, Paul 434 Weber, Max 126, 249 Weinri", Harald 315 Weis, Christiane 306 Weitzman, Eben A. 307 Wiedemann, Peter M. 28, 367f. Wiener, Carolyn 26, 75, 81, 406 Willems, Helmut 306 Wilson, Mindy 106 Wirth, Louis 412 Wirth, Uwe 281 Wi%genstein, Ludwig 301, 333–336, 350 Wi%, Ingmar 238 Wodak, Ruth 11 Wolkomir, Mi"ele 220 Woo8%, Robin 316 Woolgar, Steve 388, 393, 427 Wright, Peter 119 Wuest, Judith 146 —!Z!— Zielke, Barbara 434 Zimmerman, Don H. 343 Znanie4i, Florian 265
Sa"register
—!A!— Abduktion 115, 191, 24772., 255, 279, 281–286, 289, 291, 29372., 309, 356, 437 Aktant 1167f., 120–123, 209, 211, 226 Akteur 1197f., 122, 211, 226, 322, 324 Akteur-Netzwerk-Theorie 113, 1167f., 1217f., 127 All is data 148 Analytik 222 Arena 1197f., 1227f. Axiales Kodieren (s. Kodieren) —!B!— basic social process 119, 207, 2097f., 2177f., 2257f., 2697f. Bedingungsmatrizen 210 Biogra3eanalyse 413
Dimensionalisieren 27, 39, 171 Diskurs 109, 113, 116–119, 121–124, 207, 21072., 216, 21872., 221, 224, 226, 314, 316, 321 —!E!— emergence vs. forcing 32, 236, 238, 242, 254, 261, 266, 269, 309 Emergenz 143, 164, 23672., 243, 246, 257, 266, 268, 3097f., 315, 318, 325, 373 Entde4ung, Logik der 279–282, 289– 293, 295 Epistemologie 208, 213, 2367f., 245–249, 258, 303, 428, 431–434, 436 Erkenntnisqualität 430 Erkenntnissubjektivität 430
—!F!— Falsi3kation 245, 25272. —!C!— Feldfors"ung 93 CAQDAS 33, 382, 400, 440 Feldmitglied 443 Chicago S"ule 87, 92, 109, 112, 116, 120, forcing 32, 62, 96, 309 208, 224, 253, 408–412 Formale Theorie (s. Theorie) Computergestützte Datenanalyse Fors"ungsdesign 209 (s. CAQDAS) Fors"ungsgruppe (s. Fors!ungswerkconditional matrix 274 sta$) constant comparative method 15, 27, 1517f., Fors"ungslogik 2807f., 291, 29372. 264, 266, 310, 356, 36672., 371, 373, Fors"ungspraxis 354–357, 359–362, 364, 375 3667f., 37072., 374, 376 Fors"ungsprojekt 128 —!D!— Fors"ungssozialisation 405–424 Datenerhebung 35472., 359–364, 3667f., Fors"ungssubjekt 432 37072., 3747f. Fors"ungssupervision 440 Deduktion 2477f., 271, 281–284, 289, Fors"ungstagebu" 361, 4387f. 2927f., 314, 324, 356, 359, 361, 3697f. Fors"ungswerksta% 34, 366, 376, Dezentrierung 429, 443 406–423, 4277f., 430, 437, 4407f., 443
G. Mey, K. Mruck (Hrsg.), Grounded Theory Reader, DOI 10.1007/ 978-3-531-93318-4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
466 —!G!— Gegenstandsangemessenheit 436 Generalisierung 284 Glaser/Strauss-Kontroverse 187f., 217f., 61, 82, 261–277, 281, 353, 355, 359, 367, 369 grand theory 29, 309, 323, 328, 358, 360 Grenzobjekt 120, 223 Gütekriterien 16, 30, 34, 271, 336, 350, 376 —!H!— Handlungsanalyse 226 Handlungstheorie 310 Hermeneutik 326 Heuristik 2647f. —!I!— Induktion 32, 236, 256, 265, 271, 281– 285, 290–293 Induktivismus 2367f., 243, 2457f., 2557f., 267 Interaktionismus (s. Symbolis!er Interaktionismus) In-vivo-Kodes (s. Kodes) —!K!— Kategorie 305, 307–311, 3177f., 3207f., 32372., 338–341, 345, 347, 3497f., 3677f., 372 -bildung 3087f., 3417f., 345, 347, 349 Kern- 36, 152, 2697f., 3247f., 347, 349, 3687f., 3737f., 376 Sub- 347, 349 Kodes 24, 149, 308, 311, 318, 320, 3227f., 3387f., 341, 3447f., 347, 3497f., 368, 392, 396 gegenstandsbezogene (substantive) 323, 367 in-vivo 25, 338, 340, 342 konstruierte (soziologis"e, geborgte) 25, 340
Sa"register
Super- 320 theoretis"e 150, 268, 323 Kodieren 22, 24, 347f., 38, 74, 209, 290– 295, 305–311, 3137f., 316, 320, 324, 326, 3387f., 344, 367, 392, 395 axiales 417f., 24172., 245, 258, 307, 310, 32172., 325, 345, 349, 368 gegenstandsbezogenes 36 o2enes 25, 36, 39, 41, 150, 23772., 241, 270, 3107f., 31872., 322, 324, 34272., 347, 349, 3677f., 4177f. selektives 36, 41, 1527f., 3107f., 3247f., 3687f. theoretis"es 36, 149, 2397f., 2447f., 250, 2577f., 268, 310, 32372. Kodierfamilie 37, 2397f., 243, 250, 257, 268, 323 Kodierparadigma 40, 42, 241–244, 251, 257, 265, 269, 274, 321, 337, 345, 349 Kommunikationss"emata 41272. Komplexität 126, 128, 21072., 216, 220, 2257f. Konstruktionismus 58, 84, 96, 100, 167, 435 Konstruktivismus 64, 977f., 100, 115, 117, 119, 185, 208, 225, 428, 4337f. Konstruktivistis"e Grounded Theory 94, 114, 184, 188, 1917f., 19672., 225 Kontrastfälle 363, 365, 367, 369, 373, 375 Konzept 172, 305, 3077f., 312, 3167f., 321, 33772., 3447f., 347, 350, 398 Konzept-Indikator-Modell 24, 34, 38, 57, 154, 266 Kreativität 154, 192, 2477f., 269, 285, 326, 340, 408–412, 418, 423, 436, 444 —!L!— Legitimatoris"e Nutzung der Grounded-Theory-Methodologie 43, 557f., 73, 75, 146, 2627f., 275, 406
Sa"register
Literatur, Verwendung von 31, 1017f., 149, 307, 322, 3407f., 343, 347, 3547f., 35872., 365, 367, 3697f. —!M!— Ma"t 1217f., 124, 128, 216, 221, 223, 226 Maps 11972., 207, 226 Positions- 1197f., 124, 127, 2117f., 219 Situations- 118, 120, 124, 127, 21072., 220, 223 sozialer Welten 120, 124, 207, 21072. von Diskursen 211 Memo 26, 1557f., 178, 312, 316, 3207f., 341–347, 349, 361, 394, 396, 4397f. Mens"enbild 432, 436 Multi-Site-Fors"ung 208 —!N!— negotiated order 71, 75, 119, 124, 2077f., 210 Ni"t-mens"li" (s. Aktant) —!O!— Objektivistis"e Grounded Theory 94, 115, 19172., 196 Objektivität 2137f., 435 Objektivitäts- und Wahrheitsanspru" 428 O2enes Kodieren (s. Kodieren) Othering 435 —!P!— Paradigmatis"es Modell (s. Kodierparadigma) Position 207, 226 positional maps (s. Maps) Positivismus 95, 97, 997f., 182, 193, 207, 2127f., 216, 218, 225, 265, 428 Postmoderne 84, 95, 114, 116, 119, 123, 207–212, 214, 216, 218, 2247f., 328, 428, 4357f.
467 Poststrukturalismus 114, 116, 123, 219, 401 Pragmatismus 98, 113, 1167f., 127, 182, 193, 208, 244, 263, 265, 294 Präkonzept 435, 43772., 442 —!Q!— Qualitative Inhaltsanalyse 33572., 339 —!R!— Re&exivität 84, 1677f., 1867f., 194, 224, 226, 328, 409, 4277f., 43072., 434– 438, 441, 443 Reliabilität 427, 429 —!S!— Sampling 366, 368, 376, 441 selektives 28 theoretis"es 15, 22, 287f., 72, 74, 101, 144, 151, 173, 177, 209, 313, 337, 339, 349, 35372., 357, 362, 367–370, 372–376 zufälliges 363 Selbstre&exivität (s. Re%exivität) Selektives Kodieren (s. Kodieren) Sensibilisierende Konzepte 2217f., 2517f., 374 Situation 119, 1227f., 128, 2117f., 214, 216, 218, 22072. situational maps (s. Maps) Situationsanalyse 109, 115, 118, 12672., 2077f., 215, 220, 223, 226 Soziale Welten & Arenen 112, 116, 1197f., 12272., 127, 2077f., 218 Sozialisation 4277f., 441 Soziologis"e Kodes (s. Kodes) Strukturglei"heit 433 Subjektgebundenheit 429 Subjektivität 84, 124, 178, 194, 305, 317, 325, 327, 4277f., 431, 433, 437 subjektiv-persönli"e Resonanz 431
468 Symbolis"er Interaktionismus 105, 1097f., 1127f., 1167f., 119, 208, 2117f., 216, 221, 224, 263, 408, 422 Systematis"e Grounded Theory 115 —!T!— Theoretis"e Formalisierung 222 Theoretis"e Sä%igung 287f., 103, 372, 376 Theoretis"e Sensibilität 31, 1477f., 267, 311, 340, 3537f., 356–359, 361, 364, 368, 372 Theoretis"es Sampling (s. Sampling) Theoretisierung 221 Theorie 87, 145, 147, 157, 3047f., 308–311, 31372., 320, 32372., 350, 367, 372, 375 -bildung 11, 15, 24, 83, 141, 156, 158, 222, 2537f., 271, 313, 318, 325, 33672., 3407f., 353–357, 367, 3737f. formale 16, 29, 207, 221, 374 gegenstandsbezogene (substantive) 16, 29, 207, 357, 364, 369, 372, 3747f. Theorieentwi4lung (s. Theorie) Theoriegeladenheit 2367f. Theorienpluralismus 2537f. Triangulation 429 —!U!— Überprüfung 2897f. Übertragung/Gegenübertragung 431 Untersu"ungsfeld 442 —!V!— Veri3kation 2707f., 273 Vers"iedenheiten 212, 216, 21872., 226 Vorwissen 241, 243, 245, 249, 253, 25672., 309, 311, 314, 356, 358–362, 3647f., 369
Sa"register
—!W!— wissens"a#li"e Standards 443 Wissens"a#stheorie 2367f., 245–250, 255–258, 431, 433 Wissenssoziologie 117, 120 —!Z!— Zirkularität 366, 37072.