REN DHARK Die große SF-Story von Kurt Brand Band 100
– Giganten des Alls – Ralf Lorenz
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REN DHARK Die große SF-Story von Kurt Brand Band 100
– Giganten des Alls – Ralf Lorenz
Scan, Korrektur und Layout 2004 by madraxx
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Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2061 hat sich die Lage auf der Erde und den von Menschen erschlossenen Welten endlich entspannt. Die Menschheit hat nach Jahrtausenden ihr galaktisches Erbe angetreten, das Erbe der Mysterious, der Salter. Ren Dhark ist der Mann, dem diese positive Entwicklung in allererster Linie zu verdanken ist. Der Cyborg Henner Trawisheim hat sich als Weltpräsident längst bewährt, unter seiner politischen Führung scheint die Erde goldenen Zeiten entgegenzusehen. Während Trawisheim vor allem die Aufgaben der Innenpolitik obliegen, widmet Dhark sich verstärkt der Zusammenarbeit mit den anderen, die Milchstraße bevölkernden, Rassen. Ein BUND DER GALAKTISCHEN VÖLKER wurde geschlossen – eine Gemeinschaft befreundeter Rassen, welcher die Aufrechterhaltung des Friedens im bekannten Universum gewährleisten soll. Menschen, Nogks, Tels, Utaren und viele andere Völker haben sich in diesem Bund zusammengefunden. Völker zum Teil, von deren Existenz die Menschheit bis dahin noch nicht einmal etwas geahnt hatte. Die letzten der Mysterious, welche sich selbst als Salter bezeichnen, und de Ren Dhark nach endlos langer Suche in einer anderen Galaxis aufspüren und vor dem sicheren Tod bewahren konnte, unterstützen Dhark in seinem Streben nach Frieden mit allen Kräften. Noch immer ist es für die Menschen kaum faßbar, daß sie die direkten Nachfahren der Salter sind. Der Planet Venarii (Aufbruch) wurde zur neuen Heimat der gesundeten Salter. Der Salter Olan besiegte schließlich auch mit seiner gewaltigen Flotte von Robotringraumern – fast eine Million Schiffe – in einer gnadenlosen Jagd offenbar auch die letzte Gefahr für den galaktischen Frieden: die unsichtbaren Schattenstationen der
Grakos. Nur selten noch wagt sich ein Schiff der Schatten – von denen vermutet wird, daß sie aus einer fremden Dimension stammen – in die Milchstraße. Ren Dhark sah sich gezwungen, diesen blutrünstigen Feldzug zu billigen, da auch er keinen anderen Ausweg mehr im Kampf mit den Grakos sah, die wie ein mörderischer Heuschreckenschwarm in die Galaxis eingefallen waren. Dennoch können die Völker der Galaxis noch lange nicht aufatmen, denn nach wie vor bedrohen Strahlenstürme ungeahnten Ausmaßes alles Leben – Stürme, die durch den Zusammenprall der Milchstraße mit einer anderen Galaxis hervorgerufen werden. Noch zögern die Völker der Milchstraße vor dem Exodus in jene andere Galaxis, in welcher sich die Störungen – allen physikalischen Erkenntnissen zum Trotz – kaum auswirken. Doch wie lange wird de Flucht dorthin noch zu umgehen sein? Ren Dhark rief das Unternehmen ›Noah‹ ins Leben: Raumschiffe aller Rassen durchstreifen die Milchstraße, um Planeten, die Leben tragen oder Lebensmöglichkeiten bieten, mit Nogkschen Schirmfeldern auszustatten und so ihre Zerstörung durch die Raumstrahlung zu verhindern. Ein interessanter Nebeneffekt dieses gewaltigen Projekts ist, daß ständig auf den angeflogenen unbekannten Welten neue fantastische Entdeckungen gemacht werden, kaum noch ein Tag ohne Überraschungen bleibt. Zu den beeindruckendsten Funden gehören dabei die Maschinendome des Planelen Worlan, die jedoch hinter undurchdringlichen Schirmfeldern verborgen bleiben. Erinnerungen an Deluge werden wach. Olan jedoch begab sich mit dem größten Teil der noch lebenden Salter nach Tarran, einen uralten Forschungsplaneten, um dort nach Unterlagen über das Jahrtausende alte NARKHAB-Projekt zu suchen, ein Unternehmen, welches
vielleicht den Untergang der Milchstraße im Strahlensturm doch noch verhindern könnte. Doch auch auf Terra kommt es zu unglaublichen Entdeckungen: Echri Ezbal findet heraus, daß es MentalParasiten sind, die die Grakos zu ihren grauenhaften Taten treiben!
Personenverzeichnis Ren Dhark ............. der Commander der Planeten folgt einem Notruf der Amphis Dan Riker .............. Ren Dharks Freund hält den Notruf der intelligenten Amphibien für eine Falle Arc Doorn .............. der mürrische Sibirier sieht sich mit einer Technik konfrontiert, die er nicht versteht Marschall Bulton .. der Befehlshaber der terranischen Flotte steht vor seiner schwersten Entscheidung Colonel Huxley ...... begibt sich nach Esmaladan, um dort die Spur der Synties aufzunehmen Chris Denver ......... auf eine Höllenwelt verschlagen, macht der junge Leutnant eine unglaubliche Entdeckung Ya Yaki .................. der Utare kennt die Quelle des Lebens Ray Cooper ........... Funker in Erron-1, der den Notruf der Amphis empfängt Die Synties ............ rätselhafte Tropfenwesen, die zu Feinden wurden
Ray Cooper ließ sich achtlos in den Konturensitz fallen, atmete die stickige Luft der Funk-Zentrale ein und ließ sie zischend wieder entweichen. Einen Moment lang schloß er völlig erschlagen die Augen, versuchte zu entspannen. Erschlagen... das einzig treffende Wort! Das Ket-Match letzte Nacht hatte ihn fast seine gesamte Freiwache gekostet, er hatte kaum drei Stunden Schlaf bekommen und war völlig erledigt.
Dann aber grinste er plötzlich bei dem Gedanken an den dicken Batzen Dollars, den diese Nacht ihm beschert hatte, und ein zufriedener Ausdruck malte sich in sein übernächtigtes Gesicht. Ket – er liebte dieses Spiel; kaum jemand hatte ihn je dabei geschlagen. Sicher, manchmal kam auch Langeweile in ihm auf, wenn er ständig gewann, doch wenn es ums Geld ging und die Spielkarten sich zu den richtigen Mustern ergänzten, dann war da wieder jenes elektrisierende Kribbeln; ein Brennen das ihn auf Hochtouren brachte, ihn erst so richtig leben ließ. Er lieble dieses Brennen. Cooper gähnte laut und ungeniert, schlug die schweren Lider wieder hoch und ließ den Blick seiner verquollenen Augen über das verwirrende technische Innenleben der menschenleeren Funk-Z schweifen. Damals, als sie ihn hierher nach Erron-1 versetzten, hatte ihn die fantastische Ausstattung der Funkanlage geradezu überwältigt, doch mittlerweile war ihm alles nur zu vertraut, zu perfekt. Der ewig gleiche Trott ödete ihn längst an. Noch drei endlos erscheinende Wochen, dann war sein Dienst hier draußen endlich vorüber und er konnte auf Terra oder einer der Kolonie-Welten seinen langersehnten Urlaub genießen, würde dieser stinklangweiligen Station endgültig den Rücken kehren. Jetzt an einem heißen, weißen Sandstrand zu liegen, unter Palmen – New Oahu vielleicht – mit einem herrlich kühlen Drink in der Hand und... Mädchen! Er konnte es kaum noch erwarten und schnalzte schwärmerisch mit der Zunge, während er das traumhafte Bild in seinen Gedanken ganz auskostete. Ein leises aber durchdringendes Piepen wischte das verführerisch schöne Traumgemälde beiseite, weckte eine letzte Spur von Pflichtbewußtsein in ihm, und er machte sich zähneknirschend daran, die Speicherungen, welche das Programm-Gehirn der Funk-Z in den letzten Stunden registriert
hatte, durchzugehen. Burt hatte ihm zwar keine besonderen Vorkommnisse gemeldet, als er ihn ablöste, aber man konnte ja nie wissen. Cooper faltete die Hände und ließ die Gelenke knacken, beugte sich dann lustlos über die Konsole und drückte einige Tasten. Der Bildschirm des Systemspeichers flammte auf und der Funk-Spezialist ging die Eintragungen flüchtig durch. Es waren nur zwei – reine Routine. Ein regulärer Convoy der GHO hatte seine Routinemeldung gefunkt; die fünfzehn Schiffe – zehn Transporter der Goliath-Klasse und fünf S-Kreuzer – hatten Erron-1 auf ihrem Weg nach Cut-out in knapp zweihundert Lichtjahren auf Blau 37:15,42 passiert und nichts Besonderes zu melden gehabt. Bei dem Gedanken an die GALAKTISCHE HANDELSORGANISATION, die nun auch diesen Raumsektor mit ihren Schiffen versorgte und so den freien Händlern das Wasser abgrub, stieß Cooper einen zornigen Fluch aus. Nicht, daß er etwa Mitleid mit den Händlern gehabt hätte, denen nun die fetten Prämien durch die Lappen gingen, aber die Schiffe der Freien hatten bisher ihn und den Rest der Besatzung von Erron-1 mit allerlei Dingen versorgt, die das Leben hier draußen etwas angenehmer und lebenswerter zu gestalten halfen – Kleinigkeiten... die den Behörden aber ein Dorn im Auge waren. Die Wut beherrschte Cooper jedoch nur einen kurzen Augenblick lang, dann machte er sich wieder klar, daß auch die Besatzungen der staatlichen GHO-Raumer das lohnende Geschäft wohl bald wittern und den illegalen Handel wieder in Schwung bringen würden; bis dahin mußte er sich eben etwas einschränken – oder noch einige Spiele gewinnen. Die Vorstellung, seine Kameraden beim Spiel zu schröpfen, munterte ihn wieder etwas auf.
Ray Cooper wandte sich wieder seiner Arbeit zu und las die zweite Meldung, die die Datenspeicher registriert hatten: Schon interessanter diesmal – eine der Relaisstationen an der Grenze zum Telin-Imperiums hatte ihre Routinemeldung nicht durchgegeben, antwortete auf keinen Hyperfunkruf. Echokontrolle? Negativ! Er las weiter. Aha, Burt hatte Cent Field bereits informiert. S-Kreuzer G829 war auf dem Weg in den Sektor. Na ja, aber wen interessierte das eigentlich schon? Für Cooper gab es augenscheinlich nichts weiter zu tun; alle Meldungen waren weitergeleitet worden, sämtliche Kanäle schwiegen. Er vergewisserte sich, daß die Automatik eingeschaltet war und jeden eintreffenden Funkspruch sofort registrieren würde, lehnte sich dann gemütlich in seinem Konturensitz zurück und plazierte die Absätze seiner schweren Stiefel auf der Instrumentenkonsole. Auf diese Stiefel war er besonders stolz – er hatte sie im Spiel gewonnen. Der Funkspezialist wühlte solange in seinen Taschen herum, bis er das zerdrückte Päckchen Zigaretten endlich gefunden hatte, fingerte eine daraus hervor, glättete sie etwas, drehte das Mundstück zwischen den Lippen und rauchte. Zigaretten... auch etwas, das in nächster Zeit wohl verdammt knapp werden würde, seufzte er dabei innerlich. Die Terranische Flotte hatte vor etwa einem halben Jahr das Rauchen in sämtlichen ihrer Einrichtungen strikt untersagt. Dies hatte vor allem einen Grund gehabt: die zunehmende Zusammenarbeit von Menschen und Tels. Nikotin stellte tödlichstes Gift für die Schwarzen Weißen dar; eine einzige Zigarette reichte aus, gleich mehrere Tels umzubringen. Man hatte außerdem festgestellt, daß sich bereits geringste Spuren Nikotins im Körper eines Tels festsetzten und seinen Organismus schleichend vergifteten; auch wenn er nicht selbst
rauchte, sondern nur den Rauch anderer einatmete. Grund genug für ein totales Verbot. Verfluchte Schwarze Weiße, soll sie doch alle der Teufel holen! Ärgerlich blies Cooper den teuren Rauch in die Luft. Er konnte es den Tels einfach nicht verzeihen, daß sie der Grund dafür waren, daß er sein zweitliebstes Vergnügen hatte einschränken müssen. Rauchen war für die Angehörigen der TF zu einem teuren und illegalen Genuß geworden. Das Nikotin tat bereits nach wenigen Zügen seine entspannende Wirkung. Es war auch noch irgend etwas anderes in dem Tabak enthalten, von dem keiner wirklich so genau wußte, woher er eigentlich stammte. Aber was auch immer es sein mochte, es sorgte für gute Stimmung und angenehme Träume. Ray betrachtete die Spitzen seiner Stiefel: echtes Leder, reich verziert, vielleicht eine Nummer zu groß, aber ihn kümmerte auch das nicht weiter. Er hob den Kopf zur Decke und versuchte vergebens einen Ring zu blasen, als ihn plötzlich das akustische Signal des Funkempfängers hochschreckte. Cooper nahm die Füße von der Konsole, lehnte sich nach vorn und fand mit traumwandlerischer Sicherheit die Bestätigungstaste. Mehrere Kontrolleuchten begannen zu flackern, ein kleiner Monitor flammte auf und Cooper überflog gelangweilt die darauf erscheinenden Symbole. Die sensiblen Antennenanlagen von Erron-1 hatten einen extrem schwachen Kompri-Spruch aus Richtung des Halos der Galaxis empfangen. Der genaue Ausgangspunkt der Sendung war nicht exakt zu ermitteln; die Schwankungen des galaktischen Magnetfeldes spielten den Instrumenten wieder einmal einen Streich. Die Augen des Funkexperten wurden schmal, Falten gruben sich in seine Stirn. Er ging an den Anfang der Speicherung zurück, aktivierte den Analysator und ließ den Spruch von der
Automatik auf die ursprüngliche Länge zurückdehnen. Dann spielte er die entzerrte Aufzeichnung wieder ab. Das Ergebnis klang fremd and unheimlich in seinen Ohren, die unbekannte Stimme hart und brutal – befehlend! Neugierig geworden, stellte Cooper den Ton lauter, spielte sich die Aufzeichnung ein zweites Mal vor und lauschte gespannt auf die fremdartigen Laute. »...quorr ouruzz noruuth qual Grawh quanamml Uuporrr daquaar... quuraah yutamorr druyurl Nha do leh quosoorl Aquor zaduul quirahl Enok quahii« Ein Gefühl unheimlicher Bedrohung stieg in Ray Cooper auf. Er fuhr sich durch sein dichtes schwarzes Haar und spürte dabei, wie ihm der Schweiß ausbrach. Seine Hand näherte sich der Sensorik der Bordverständigung, doch dann zog er sie wieder zurück. Er wollte zunächst selbst herausfinden, was es mit dieser Botschaft in unbekannter Sprache auf sich hatte; er spürte, etwas ganz Besonderem auf der Spur zu sein – das Jagdfieber hatte ihn gepackt. Cooper atmete tief durch, bevor er die Speicherung an den M-Translator weitergab, wobei er sich darauf einstellte, mehrere Minuten auf die genaue Analyse des Spruches harren zu müssen. Um so erstaunter war der Funker daher, als das Gerät bereits nach wenigen Sekunden Grün zeigte... dem Translator mußte die seltsame Sprache demnach vertraut gewesen sein! Ein Tastendruck genügte und der komplett übersetzte Spruch lief ab; nun von einer unpersönlichen, emotionslosen Computerstimme intoniert: »...durch Sprungfehler vernichtet! Sofortige Rettungsaktion einleiten! Lage bedrohlich... mit dreiundzwanzig Einheiten auf Umläufer Wüstenwelt notgelandet! Allergrößte Vorsicht bei Einflug in Dunkelwolke! Angriff durch unbekannten Gegner wahrscheinlich! Enok, Kommandant!« Der Anfang des
Spruches war aus unerfindlichen Gründen nicht empfangen worden. Eine heiße Welle der Erregung brandete durch Rays Körper, riß ihn vehement aus seiner lähmenden Lethargie. Das hier war wichtig, verdammt wichtig sogar! Die angerauchte Zigarette fiel achtlos zu Boden. Er warf einen raschen Blick auf den Monitor, der mit dem M-Translator gekoppelt war und ihm nun in leuchtend blauen Lettern das Ergebnis der Sprachanalyse mitteilte: Erron-1 hatte einen Notruf der Amphis empfangen! Der Funkspezialist zögerte nicht länger, er rief Terra und gab die Sensationsmeldung weiter. * Marschall Ted Bulton, Befehlshaber der Terranischen Raumflotte, kochte. Der bullige Choleriker wirkte wie ein Vulkan, dessen Ausbruch unmittelbar bevorstand. Code Null war gegeben worden und hatte ganz Cent Field in Aufruhr versetzt. Mehr als siebentausend S-Kreuzer waren in einer Blitzaktion innerhalb einer Stunde startklar gemacht worden! Siebentausend Schiffe – die Hälfte der Einsatzreserve, die Terra vor Angriffen aus dem All schützen sollte! Code Null... eine eindeutige Anweisung, die jede andere Direktive mit sofortiger Wirkung außer Kraft setzte. Die Strafen für einen Mißbrauch dieser Order waren hart, extrem hart. Code Null besagte nichts anderes, als daß die Hälfte von Terras Verteidigungsflotte sofort zu dem angegebenen Ziel zu starten hatte... ohne Rückfragen oder sonstige Verzögerungen! Das auf dem Mars stationierte zweite Geschwader war von dieser Regelung allerdings nicht betroffen. Keine Rückfragen! Bulton ließ seine Faust auf die massive Platte seines Schreibtisches krachen. Er hätte zurückgefragt,
doch Huxley war nicht zu sprechen. Dessen Erster Offizier Prewitt hatte etwas von Behandlungskabinen gesagt, in denen der Colonel bis auf weiteres im Heilschlaf liegen würde; irgend etwas sollte Huxleys Kräfte vollkommen erschöpft haben, und es war nicht abzusehen, wann er wieder auf den Beinen sein würde. Marschall Bulton hielt es im Sessel nicht mehr aus, er erhob sich und trat vor die Panorama-Scheibe seines Arbeitszimmers. Von hier aus konnte er den gesamten gewaltigen Komplex des größten Raumhafens Terras überblicken. Eine schier unbeschreibliche Aktivität herrschte auf dem viele Quadratkilometer großen Areal, der Alarmstart der Hälfte der Flotte verwandelte den Raumhafen in einen Hexenkessel scheinbar unkoordinierter Aktivität. Mächtige blauviolette Ringraumer schoben sich, durch Antigrav getragen, aus kreisförmigen Öffnungen, die sich in der glatten Plastikbetonpiste des Landefeldes aufgetan hatten, verließen ihre unterirdischen Hangars und schossen davon. Sie strebten dem Weltraum entgegen, wo sie sich, jenseits der Bahn des Pluto, zunächst sammeln würden, um dann in einer einzigen Transition nach Reet zu gelangen, der Heimatwelt der Nogks. Siebentausend Schiffe – ausschließlich von Robotern bemannt! Siebentausend... fast ein Zehntel der gut siebzigtausend Robot-Ringraumer, über die die TF noch verfügte. Die übrigen vierhunderttausend Unitallraumer – der Rest der einst so unfaßbar mächtigen, fast eine Million Einheiten starken Robotflotte – lagen seit über einem Vierteljahr eingemottet in den unterirdischen Hangars der Zwillings-Welten des Bradock-Systems. Die Rano-Kuppel, welche die Schiffe befehligt hatte, würde auf ewig schweigen. Zorn und Enttäuschung begannen in den Adern des Marschalls zu kochen, als er wieder an die Schlacht über Babylon zurückdenken mußte. Welch ein Machtpotential hatte
die Menschheit mit der Robotflotte aus der Hand geben müssen! Wieder tauchten vor seinem geistigen Auge die schrecklichen Bilder auf, griffen die dunklen Schatten der Vergangenheit nach ihm. Wieder mußte er miterleben, wie ganze Ringraumergeschwader urplötzlich außer Kontrolle gerieten und in den Raumtiefen verschwanden! Mehr als dreihunderttausend stolze Unitallschiffe waren seit dieser Zeit spurlos im All verschollen! Die Katastrophe war vollkommen gewesen, als die Schattenstationen der Grakos den Rest der Flotte mit einer bis dato unbekannten Waffe angriffen – einer Strahlenart, die jedes Intervallfeld mühelos durchdrang und die Unitallhüllen der Ringraumer von innen heraus zerriß! Der Schock für die Terraner war unfaßlich, dennoch man war siegreich geblieben, hatte die Grakos letztlich vernichtend schlagen können. Doch der Preis für diesen Sieg war zu hoch gewesen, denn nicht nur ein Großteil der Terranischen Flotte war seinerzeit zerstört worden, auch der Planet Babylon war zu großen Teilen verwüstet worden – Terras wichtigste Kolonie. Dort hatte der Krieg Leben gefordert... eine Tragödie, die noch unendlich schwerer wog als der Verlust der Raumschiffe! Nach diesem Massaker hatte die Terranische Regierung seinerzeit einstimmig beschlossen, die Robotflotte niemals wieder starten zu lassen; mit Ausnahme von achtzigtausend Ringraumern, die mit selbstständigen, unabhängigen Kommandorobots ausgerüstet waren – und mit menschlichen Kontrolleuren. Und nun verlangte Huxley allen Ernstes, daß siebentausend Robotraumer ohne diese Kontrolleure starten sollten! Es war Bulton unbegreiflich, wie der Colonel ein solches Risiko verantworten konnte. Wenn die Weltöffentlichkeit davon erfahren sollte, würde es einen Aufruhr geben, wie ihn Terra noch nicht erlebt hatte.
Wenigstens, dachte Bulton weiter, war Bert Stranger fürs erste außer Gefecht gesetzt – das As der Terra- Press wäre längst über alles im Bilde gewesen... Fünf To-Raumer, herrliche rotfunkelnde Ringe, doppelt so groß wie die S-Kreuzer, schoben sich gleichzeitig aus Großhangar 17 und strebten der Sichel des Mondes zu, die wie ein silbriger Schemen am strahlend blauen Himmel stand. Ein überwältigender Anblick. Noch immer waren die TofiritSchiffe Terras ganzer Stolz. Selbst die Salter hatten sich von diesen Eigenentwicklungen der Menschheit beeindruckt gezeigt. Wenn ich nur wüßte, wozu Huxley die Schiffe eigentlich braucht! ging es durch Bultons Schädel. Die Synties sollten irgendwie damit zu tun haben; Prewitt hatte sich diesbezüglich ziemlich vage ausgedruckt. Doch Bulton konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß tatsächlich eine Flotte von siebentausend Ringschiffen nötig sein sollte, um die Nogks vor einer Handvoll dieser Tropfenwesen zu schützen. Und aus welchem Grunde sollten sich die Synties überhaupt gegen die Nogks gewandt haben? Nein, wenn es nicht ausgerechnet Huxley gewesen wäre, der die Schiffe angefordert hatte, Bulton hätte Code Null glatt ignoriert und zunächst ein Erkundungsschiff entsandt. Aber so... Schließlich sah der Marschall ein, daß ihn das Grübeln keinen Schritt weiterbrachte. So wandte er sich denn von der Panoramascheibe seines Arbeitszimmers ab und ließ sich wieder in den bequemen Sessel hinter seinem Schreibtisch sinken. Sein Adjutant brachte ihm den doppelstöckigen Sre Tafir on the rocks persönlich und Bulton ließ sich das hochprozentige Gebräu der Tels schmecken; was sein Magen zu dem scharfen Zeug sagen würde, war ihm im Moment vollkommen gleich – Hauptsache es brachte ihn auf andere Gedanken.
* Um 04:58 Uhr Normzeit war die POINT OF im ersten Morgengrauen von Cent Field aus gestartet und hatte direkten Kurt nach Tarran genommen. Von kaum jemandem war dieser Start bemerkt worden, er war in aller Stille abgelaufen. Und kein Mensch, der das prachtvolle Schiff zu dieser frühen Stunde am zartvioletten Firmament entschwinden sah, ahnte etwas von der Fracht, die der Ringraumer in seinem Innern beförderte: einen Grako, den goldenen Menschen... die Geißel der Galaxis! Die galaktischen Transmitterstraßen waren angesichts erneuter Strahlenstürme zu unsicher geworden und Ren Dhark hatte es sich daher nicht nehmen lassen, Olan – den Sprecher der Salter – und den gefangenen Grako selbst zu jener faszinierenden Welt zu bringen, die einst das wissenschaftliche Herz des Salter-Imperiums gewesen war... vor mehr als tausend Jahren. Die Besatzung des Schiffes war auf gut sechzig Mann geschrumpft, denn der größte Teil der Besatzung hatte sich bereits im Urlaub befunden, so daß nur die wichtigsten Abteilungen besetzt waren. Um aber kein Risiko einzugehen, hatte man fünfzehn T-Roboter der neuen N-Serie an Bord genommen, die im Notfall das Schiff sogar allein hätten fliegen können. Ein leichtes Schmunzeln stahl sich in Dharks scharfgeschnittenes Gesicht, als er an den Planeten Tower und die dort gefundenen Roboter dachte. Die T-Robots waren wahrhaft unglaubliche Maschinen, in ihrer Leistung unübertroffen. Sie hatten, seinerzeit als man sie entdeckte, nur ein einziges Manko gehabt, welches jedoch um so schwerer wog: sie waren allesamt vier Meter groß!
Vier Meter hohe humanoide Stahlmonstren an Bord von Raumschiffen, die für Menschen mit einer Durchschnittsgröße von einem Meter achtundsiebzig ausgelegt waren, das führte zu Problemen – Probleme, die unüberwindbar schienen, bis der geniale Robotiker Jo Getrup in den Produktionshallen Towers feststellte, daß die Übergröße der Maschinenwesen von einem simplen Fehler in der Hauptsteuerung der Anlagen herrührte. Wie genau dieser Fehler entstehen konnte, darüber war man sich noch uneinig; offenbar hatten jedoch die Wesen, welche die Türme erbaut und sie vor knapp tausend Jahren verlassen hatten, nicht mehr die Zeit gefunden, ihn zu beheben. Mittlerweile produzierte Tower ausschließlich Roboter von zwei Metern Größe, die sich an Bord der terranischen Schiffe hervorragend bewährten. Olan aber hatte, entgegen allen früheren Annahmen, erklärt, daß es nicht die Salter gewesen seien, die die zweiundfünfzig gigantischen Produktionstürme auf Tower errichtet hatten. Doch welches Volk konnte es sonst gewesen sein? Zumal die Roboter, welche die Kontrollen in der Zentrale Cut-outs bedienten, den T-Robots zum Verwechseln ähnlich sahen. Manchmal wirkten die Äußerungen des alten Salters seltsam, verwirrend... waren sie nur schwer zu glauben. Überhaupt hielten sich die Salter in vielen Dingen äußerst bedeckt. Mehr als zwei Jahre waren nun bereits vergangen, seit Menschen und Salter in der zweiten Galaxis endlich zusammengetroffen waren – doch viel mehr über dieses faszinierende Volk und seine atemberaubende Technik wußte man auch heute noch nicht, sie blieben ein Rätsel. Der Großteil der Salter schien auf Venarii ein Einsiedlerdasein zu führen – einer Welt, die noch kein Terraner je betreten hatte. Dhark musterte Olan, den greisen Salter, dessen Lebensspanne ein Jahrtausend bereits weit überschritten hatte. Was mußten tausend Jahre aus einem Menschen machen, wenn
er den Untergang seines Volkes miterlebt hatte... tausend Jahre ohne Hoffnung? Der Blick Olans war starr auf das Sternenmeer in der Bildkugel gerichtet; er schien die Einheit mit dem Universum zu suchen, seiner grenzenlosen Kraft und Schönheit. Der Commander trat schweigend zu dem Salter, der vor tausend Jahren Kommandant der gewaltigsten Flotte gewesen war, die je die Galaxis durchkreuzt hatte; einer unvorstellbaren Armada, die für kurze Zeit den Terranern gehört hatte. Und wieder einmal fragte sich Ren Dhark, ob die Menschheit sich wirklich bewußt war, welch ungeheure Verantwortung sie mit der Inbesitznahme des Erbes der Salter übernommen hatte. Dem Erbe eines Volkes, das auf dem Gipfel der Macht mit Sonnen gespielt hatte... Ren verließ seinen Platz neben dem gedankenversunkenen Olan wieder, schlenderte hinüber zum Pilotensitz und ließ sich hineinsinken. Er warf einen kurzen Blick auf die Instrumente: noch knapp drei Minuten bis zur Transition, die sie in die unmittelbare Nähe Dosals bringen würde, jener instabilen kleinen grünen Sonne, um die der Planet Tarran kreiste. Für einen kurzen Moment wischte er alle Gedanken beiseite, schloß die Augen und genoß nur die Nähe zu seinem Schiff. Es war ein gutes Gefühl, wieder mit der POINT OF die unendlichen Weiten zwischen den Sternen zu durcheilen – in einer Zeit des Friedens, ohne die Bedrohung fremder Völker, die den Ringraumer für einen Boten des Bösen hielten. Wie lange hatte die Menschheit gebraucht, diesen Frieden zu erlangen... und wie leicht konnte das filigrane kosmospolitische Gebilde wieder zerstört werden. Wie würde der Mensch seine allzuschnell erlangte Macht in Zukunft gebrauchen? Nur noch wenige Sekunden bis X-Zeit. Wieder entstand jenes undefinierbare Pfeifen im Schiff, das jeder Transition vorausging. Die Bildkugel verschwand.
X-Zeit kam. Die Intervallfelder wurden abgeschaltet, und dann überwand der stolze Unitallraumer in Nullzeit tausende von Lichtjahren, um nur wenige Lichtsekunden vor der Bahn des äußersten der insgesamt acht Planeten des Dosal-Systems zu rematerialisieren. Der Peilstrahl entstand. Dharks Rechte näherte sich der Instrumentenkonsule, um den Sternensog zu aktivieren, der sie in kürzester Zeit über Tarran, den vierten Planeten des Systems bringen würde. Dabei dachte er sehnsuchtsvoll an Joan, und das gestörte Abendessen mit ihr. In wenigen Stunden schon... Seine Finger hatten gerade die Steuerschalter erreicht, als ihn ein erregter Ruf aus der Funk-Z aufschreckte... * Astronomen und Astrophysiker der POINT OF wollten sich die Haare raufen. Sauber bedruckte Folien und eilig hingeschmierte Notizen bildeten längst ein wirres Chaos auf den Arbeitstischen, und immer neue kamen hinzu. Die Strahlenstürme, welche nun schon seit über einem Jahrzehnt mehr und mehr an Stärke zunahmen und dabei die Milchstraße längst zu großen Teilen entvölkert hatten, waren auf einen neuen, erschreckenden Rekordwert gestiegen! Doch das war es nicht, was die Wissenschaftler schier zur Verzweiflung trieb, vielmehr zeichnete sich immer deutlicher ein bislang unerklärliches Phänomen ab: Es schien so, als würden die Energien der Stürme gelenkt, wenn sie sich ihren Weg durch den Hyperraum suchten... geradezu kanalisiert! Tatsächlich war es den Wissenschaftlern schon vor längerer Zeit aufgefallen, daß die Störungen in bestimmten Teilen der Galaxis besonders stark waren, während andere von den Magnetorkanen kaum betroffen wurden. Mittlerweile hatten die Astronomen zusammen mit den Physikern Karten ausgearbeitet, in denen diese Gebiete genau verzeichnet waren.
Die Grenzen der einzelnen Sektoren waren zwar leicht fließend, differierten mitunter um ein paar Lichtjahre, doch im Großen und Ganzen konnte man die Karten als stimmig bezeichnen. Die Frage, über der die Wissenschaftler nun brüteten war: Wie konnte es möglich sein, daß Störungen, die allesamt in einem bestimmten Bereich am Rande der Milchstraße ihren Ursprung hatten, sich an Orten bemerkbar machten, die zum Teil durch unvorstellbare Lichtjahrdistanzen voneinander getrennt waren? Müßte nicht vielmehr nur ein ganz bestimmter Sektor betroffen sein? Wie konnten sich die Energien, wenn sie ihren Weg durch den Hyperraum nahmen, verteilen, und das nach immer dem gleichen Muster... was lenkte sie in diese Bahnen? Fragen, die zu den wildesten Spekulationen führten. Jens Lionel, Bord-Astronom der POINT OF, hatte das Gedankenmodell der Hyperraum-Kanäle entwickelt und wurde nun dafür von einigen Kollegen aus der Astrophysik mitleidig belächelt. »Verehrter Kollege«, erklärte der Astrophysiker Professor Hal Gershin spöttisch, als spräche er zu einem Kind, »ich denke, Sie machen sich von der Struktur des Hyperraums eine etwas verkehrte Vorstellung. Wir haben es hier nicht mit einer Scholle Erde zu tun, in der jemand oder etwas nach belieben Kanäle ziehen kann. Der Hyperraum ist ein, unserem Kontinuum übergeordnetes, Gefüge, welches fünfdimensionaler Struktur ist und damit gänzlich immateriell! Im Hyperraum kann nichts existieren außer der einen Form: Energie! Und selbst diese wird von ihm wieder ausgeschleudert. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, ist dies die Grundlage für das Prinzip, nach dem unsere Raumschiffe Transitionen vornehmen. Sie werden also einsehen, daß Ihre Ideen jeglicher wissenschaftlichen Grundlage entbehren!«
Jens Lionel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen; kühl und mit einem Ausdruck selbstbewußter Überlegenheit lächelte er den dicklichen, feisten Astrophysiker an. »Professor Gershin, ich möchte ja nicht an Ihren Befähigungen auf dem Gebiet der Astrophysik zweifeln, doch auch Sie übersehen bei Ihren Ausführungen etwas. Sie werden sicher schon einmal vom Checkmaster der POINT OF gehört haben. Nun stellt dieser in Wahrheit jedoch nichts anderes dar, als einen besonders komplizierten Hyperfunk-Sender, der mit dem eigentlichen Programmgehirn in dauerndem Kontakt steht. Dieses Gehirn aber, verehrter Kollege, befindet sich nach Aussagen der Salter in eben jenem Hyperraum, dem Sie die Befähigung absprechen, Energien oder Materie aus unserem vierdimensionalen Kontinuum aufzunehmen und zu beherbergen!« Der als jähzornig bekannte Gershin lief ohne echten Grund rot an und polterte ungehalten los: »Das ist doch alles ausgemachter Quatsch! Unsinn! Ich bin in keiner Weise bereit, ihre verrückten Phantasien zu teilen! Sie als Astronom haben doch überhaupt keine Ahnung von der Materie! Setzen Sie sich besser wieder hinter ihr Teleskop und sehen Sie nach, ob die Sterne noch leuchten, und halten Sie uns hier nicht länger mit ihren verworrenen Gedankengängen von der Arbeit ab!« Lionel lächelte noch immer, aber es war ein frustiges Lächeln. Seine Stimme klirrte leicht, als er konterte: »Gut, Professor Gershin, wenn Sie ihrer Sache so sicher sind, dann haben Sie ja wohl auch nichts dagegen, wenn der Checkmaster sich einmal mit der Auswertung der von uns gesammelten Daten befaßt. Er müßte uns eigentlich sagen können, ob an meinem Verdacht etwas dran ist, oder ob Sie mit Ihren Ansichten richtig liegen.« Gershin antwortete nicht, sondern grunzte nur etwas Unverständliches und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Minuten später lag die Auswertung des Checkmasters vor. Lionel verlas die Folie laut: »Auswertung aller vorhandenen Daten ergibt Wahrscheinlichkeil von 88,3 Prozent für eine gelenkte Streuung und Ausrichtung der Strahlung. Wie diese geschieht und ob sie künstlichen oder natürlichen Ursprungs ist, kann aus Mangel an Informationen nicht beantwortet werden.« Er hielt Gershin die Folie hin und fragte triumphierend: »Nun Kollege, was sagen sie dazu?« Doch der Astrophysiker sagte kein Wort, sondern verließ wutschnaubend die Abteilung. Hu Dao By und Pal Ilertog sahen dem Davoneilenden schadenfroh nach – auch sie hatten nicht viel für Gershins arrogante und aufbrausende Art übrig. Schnell wurden sie jedoch wieder erst; zu bedeutend war Lionels Theorie, die der Checkmaster gerade quasi bestätigt hatte. Und drei Wissenschaftler dachten dasselbe: was um alles in der Welt mochte in der Lage sein, hyperenergetische Ströme, nach einem noch unbekannten Schlüssel, zu verteilen... und wozu? * Glenn Morris' Stimme klang erregt, als er dem Commander die Meldung durchgab: »Dhark, ein To-Spruch von Erron-1! Sie haben einen Notruf der Amphis aufgefangen!« »Wortlaut?« Morris las ihm den Spruch vor. Man konnte dem Gesicht des Commanders deutlich ansehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Ein Notruf der Amphis...? Jener Amphis, die sich seit jeher als erbitterte Feinde der Menschen gezeigt hatten... Wen riefen sie?
Dan Riker, der, als er das Wort Amphis vernahm, aus seinem Co-Sitz aufgesprungen war, stellte sich vor die Instrumentenkonsole und sah seinen Freund eindringlich an. »Ren, Du hast doch nicht etwa vor...?« Dhark reagierte auf Rikers unausgesprochene Frage gar nicht, sondern sprach schon wieder mit dem Funkspezialisten: »Morris, funken Sie Erron-1 an und lassen Sie sich die Koordinaten geben, von wo der Spruch empfangen wurde! Wenn Sie diese haben, leiten Sie sie bitte sofort an die astronomische Abteilung weiter.« »Tut mit leid, aber wir bekommen keinen Kontakt mehr mit Erron-1! Der To-Spruch war das letzte, was noch durchkam; wir haben ihn aufgefangen, kurz bevor die POINT OF in Transition ging. Die Störungen des Magnetfeldes sind wieder einmal zu stark geworden! Erron-1 hat uns aber die Koordinaten bereits zusammen mit dem Notruf übermittelt. Sie sind zwar recht vage, aber vielleicht können unsere Astronomen ja trotz dem etwas damit anfangen...« Die Anfrage aus der Zentrale unterbrach die hitzige Diskussion zwischen Astronomen und Astrophysikern. Jens Lionel nahm sich des gestellten Problems sofort an und konnte kurz darauf Erfolg vermelden: »Die Koordinaten, die uns Erron-1 durchgegeben hat, waren zwar wirklich ziemlich ungenau, aber zu unserem Glück existiert in dem in Frage kommenden Gebiet, laut Salter-Sternenkatalog, nur eine einzige Dunkelwolke. Sie liegt innerhalb des Halos, 10.324 Lichtjahre von unserer jetzigen Position entfernt.« »Gut gemacht, Lionel, danke!« Ren schaltete ab. Erst jetzt bemerkte er, daß Riker die ganze Zeit neben ihm gestanden und ihn prüfend gemustert hatte. »Ja, Dan?« Auf Rikers vorspringendem Kinn erschien wieder der eigentümliche rote Fleck, der immer dann auftauchte, wenn er erregt war. Die blauen Augen unter den buschigen Brauen
blitzten angriffslustig, der unschuldige Ton des Freundes reizte ihn. »Gib's doch schon zu, Ren! Du hast vor, diese Dunkelwolke anzufliegen, oder sollte ich mich etwa irren?« »Du irrst Dich keineswegs, mein Lieber«, entgegnete Dhark ruhig und ohne auf die provozierende Haltung seines Freundes einzugehen. »Würdest Du vielleicht nicht einem Notruf folgen?« »Notruf? Ich höre immer Notruf!« brauste Riker auf und schlug mit der Faust gegen die Konsole. »Weißt Du, was ich von den Amphis hatte? Ich will es Dir sagen: Diese verdammten Fischköpfe sind zu jeder Schlechtigkeit fähig! Ein fingierter Notruf ist da ja noch direkt harmlos. Was nun, wenn sie uns in eine Falle locken wollen, um es uns ein für allemal zu besorgen?« »Und wenn Sie nun wirklich in Not sind, Dan?« »Na und wenn schon!« Riker schüttelte den Kopf, versuchte wieder etwas ruhiger zu werden. »Stell Dir doch nur einmal vor, was passiert, wenn die Amphis tatsächlich auf diesem Planeten notlanden mußten und wir dann plötzlich als tapferes Rettungskommando auftauchen. Die würden uns doch im Traum nicht glauben, daß wir ihnen nur Gutes wollen. Die Amphis würden uns mit einem prächtigen Feuerwerk empfangen, bei dem wir leicht den Kürzeren ziehen könnten!« Ren blickte dem Freund fest in die Augen, zuckte dann die Schultern und nahm ein paar unbedeutende Einstellungen an den Steuerschaltern vor. »Dan, egal wie hoch das Risiko auch sein mag, wir müssen es einfach eingehen! Und nach dem, was Janos Szardak mir über ihren Herrscher Enok berichtete, müßten wir mit den Amphis reden können. Außerdem glaube ich, daß sie im Augenblick ganz andere Sorgen haben, als Rache. Immerhin sind sie dabei, der Milchstraße endgültig den Rücken zu kehren.«
Dan Riker schüttelte wieder den Kopf, diesmal resigniert. »Was soll's eigentlich Ren, Du wirst ja doch wieder Deinen Dickschädel durchsetzen!« Dann hob er plötzlich den Kopf und seine Augen funkelten den Commander hitzig an. »Hast Du eigentlich auch schon einmal an Joan gedacht und was aus ihr wird, wenn Dich Deine halsbrecherischen Abenteuer eines Tages den Kopf kosten?« Als Dan die Sprache auf Joan Gipsy brachte, verlor Ren Dhark für einen Augenblick die Beherrschung; er fuhr aus seinem Sitz, baute sich vor dem etwas schmächtigeren Riker auf und Zornesröte stieg in sein Gesicht. Mit einer Stimme, die klirrte wie Glas, fuhr er den Freund an: »Dan, ich glaube Du bist übermüdet! Es ist wohl besser, wenn Du Dich für eine Weile in Deine Kabine zurückziehst!« Dan Riker schluckte, dann wurde er blaß. Seine Stimme klang heiser, als er entgegnete: »Du machst es Dir zu einfach, Ren... viel zu einfach!« Nach diesen Worten drehte er sich abrupt um und verließ die Zentrale. Betroffene Blicke folgten ihm. Dhark aber ließ sich wieder in seinen Konturensitz gleiten und musterte grübelnd den Sternendschungel, den die Bildkugel so plastisch wiedergab. Die Sterne schienen ihn in diesen Momenten anzugrinsen, es kam ihm vor, als wollten sie ihn verhöhnen. Er wußte, daß Dan mit vielem recht hatte, doch er sah keinen Ausweg – noch nicht. »Verdammt, Dan, es tut mir leid...« murmelte er leise, aber niemand hörte es. Mit der Erinnerung an Joan hatte Dan seinen wunden Punkt getroffen. Ren wußte genau, daß er eines Tages eine endgültige Entscheidung treffen mußte... aber noch war er dazu nicht bereit. Der Commander atmete tief durch, erhob sich dann und ging ein zweites mal hinüber zu Olan, der von der ganzen Auseinandersetzung nichts mitbekommen zu haben schien.
Noch immer waren Olans Augen scheinbar blicklos auf die Bildkugel gerichtet. Dhark räusperte sich, der Salter wandte sich um und sah ihn fragend an. »Olan, wir haben einen Notruf der Amphis empfangen und ich habe beschlossen, eine Rettungsexpedition zu starten. Wenn es Dir recht ist, kannst Du vorher, zusammen mit dem Grako, die POINT OF durch einen der Transmitter verlassen.« Der greise Salter wirkte nachdenklich. Die Vorfälle in der Cyborg-Station mußten ihn weit mehr erschüttert haben, als Dhark zunächst angenommen hatte. Er strich sich durch seinen dichten, eisgrauen Bart. »So, die Amphis...« Etwas von Olans alter Energie schien zurückzukehren, seine versteifte Haltung lockerte sich leicht. Nachdenklich nickte er. »Sie sind gefährlich, Dhark, das weißt Du!« Die Stimme Olans wurde fast zu einem Flüstern. »Doch war Dein Volk ja schon immer bereit sich für andere aufzuopfern... selbst wenn sie es nicht verdienten.« Auf eigentümliche Weise gewann Ren plötzlich den Eindruck, daß Olan diese Worte auch auf sein eigenes Volk bezog. »Aber Du hast recht«, fuhr der Sprecher der Salter dann fort, und seine Stimme klang wieder fest. »Es ist tatsächlich besser, wenn ich mit dem Grako das Schiff hier verlasse. Diese einmalige Gelegenheit dürfen sich unsere Völker nicht entgehen lassen; der Grako muß behandelt werden!« Er nickte Ren Dhark noch einmal zu und begab sich dann in seine Kabine, um die paar Habseligkeiten zusammenzusuchen, die er von Terra mitgenommen hatte. Kurze Zeit später hatte Olan, zusammen mit dem sich im Tiefschlaf befindlichen goldenen Menschen, den Ringraumer nach Tarran verlassen.
Unsicher starrte der Commander der Planeten auf die Stelle in der Wand über der Galerie, wo sich Augenblicke zuvor noch das flimmernde Energiefeld des Transmitters befunden hatte. Konnte es auf Tarran tatsächlich gelingen, dem Grako ein eigenes Bewußtsein zu geben, ihm echtes Leben zu schenken... oder würde er für immer eine lebende Marionette bleiben? Bevor die POINT OF in Transition ging, um eine kleine, unerforschte Dunkelwolke am Rande der Galaxis anzufliegen, rief Dhark noch Dan in dessen Kabine an. Er bat den Freund, zurück in die Zentrale zu kommen, und... er entschuldigte sich bei ihm. * Eigentümliches Licht weckte Leutnant Chris Denver aus einem unruhigen Schlaf. Sein ganzer Körper war schweißgebadet und er war sich nicht sicher, ob dieser Schweiß von seinen Alpträumen oder der schwülwarmen Atmosphäre in der Höhle herrührte, in welcher er die Nacht verbracht hatte. Jeder Knochen seines Körpers schien zu schmerzen, als er sich aufrichtete und mit der Linken nach seiner Allzweckjacke angelte, die ihm als Kopfkissen gedient hatte. Er fühlte sich zerschlagen, so als hätte er nächtelang kein Auge zugetan und dabei körperliche Schwerstarbeit geleistet. Müde blinzelte er in das unangenehme Licht, das durch den Höhleneingang fiel und die Grotte in einem grellen Scharlachton badete. Als sie am Abend des vorigen Tages völlig erschöpft in dieser Höhle Schutz gesucht hatten, war es schon fast stockfinster gewesen. Erst jetzt konnte er genauere Einzelheiten des wenig einladenden Ortes ausmachen. Er stieg über den schlafenden Körper Soerens' hinweg, dessen genüßliches Schnarchen dröhnend die Höhle füllte. Offenbar hatte der Norweger sich weit besser von den
Strapazen des Vortages erholt, als Denver, der sich fühlte, als hätte er einen mittelschweren Kater. Der blonde Leutnant war kein Geologe, dennoch war er sich ziemlich sicher, daß die Wände der flachen Grotte, die sich kaum ein paar Meter in den Bauch des Gebirges hineinzog, aus erstarrter Lava bestanden – das Gestein war porös und gab an der Oberfläche dem Druck seiner Hand nach, zerbröselte zu feinstem Staub. Der Boden der Höhle war von einem ekelhaften Teppich schleimiger Algen bedeckt, die bei jedem Schritt ein saugendes, schmatzendes Geräusch erzeugten. Der Rest seines Teams schlief noch. Ein Grinsen entstand in Denvers Gesicht, das bereits von ersten Bartstoppeln geziert wurde, als er auch den Sicherheitsmann Jörnsen nahe dem Eingang schlafend liegen sah. Es war dem eigenbrötlerischen Streithahn also draußen doch zu ungemütlich geworden... Mit einem Fuß berührte Denver aus Versehen den japanischen Geologen Murakami, der sofort aus dem Schlaf hochschreckte und sich verwirrt die Augen rieb. »Was... wo...?« Er erkannte Denver. »Ah, guten Morgen, Sir...« Immer noch ratlos sah der junge Japaner sich um, während Denver über die förmliche Begrüßung schmunzelte, dann kehrte plötzlich die Erinnerung zurück und Schatten legten sich über den Blick des Geologen. Resigniert schüttelte er den Kopf und murmelte: »War es also doch kein Traum...« Chris kniete sich nieder und lächelte den Geologen aufmunternd an. »Na kommen Sie schon, Akira, so schlecht stehen unsere Chancen doch gar nicht! Na wie wäre es, hätten Sie nicht Lust auf einen kleinen Ausflug?« Murakami erwiderte das Lächeln schwach und nickte. »Ist bestimmt besser, als hier nur herumzusitzen...« Der Japaner, dessen schelmisches Funkeln in den intelligenten Augen normalerweise einen krassen Gegensatz zu seinen asketischen
Zügen bildete, erhob sich, massierte den schmerzenden Rücken und blickte dann zum Höhleneingang. »Hübsche Farbe!« brummte er mit sarkastischem Unterton. Denver lachte ihn an. »Kann man wohl sagen, so richtig einladend! Na kommen Sie, sonst wird nachher der Rest von dem Haufen auch noch wach und dann ist es Essig mit dem Spaziergang.« Das rote Licht war von geradezu schmerzhafter Intensität, als sie vor die Höhle traten; sie mußten die Augen zusammenkneifen, um nicht geblendet zu werden. Wenigstens regnete es nicht mehr. Eine ganze Weile standen sie einfach nur da und nahmen die Eindrücke einer fremden Welt in sich auf, ließen sie auf sich wirken und versuchten sie zu verarbeiten. Schmutzige Grautöne beherrschten die Landschaft, die im roten Licht nur undeutlich zu erkennen war; ölige Nässe glänzte überall. Denver hob den Kopf und blickte zum Himmel, suchte nach der Sonne... er fand sie nicht. Eine geschlossene Wolkendecke verdeckte den gesamten Himmel – strahlte aber in grellem Scharlachrot. Es war warm, fast schon heiß; die Luftfeuchtigkeit mußte über neunzig Prozent betragen. Dunst stieg aus dem dichten, glitschigen Algenteppich, der das gesamte Plateau bedeckte. Die Luft roch muffig und nach Fäulnis. Denver drehte sich um und ließ seine Blicke über die knapp fünfzig Quadratmeter große Fläche des Plateaus schweifen. Dort, wo die Höhle lag, maß es etwa drei Meter und verbreiterte sich dann, während es an der steilen Felswand entlanglief. »Ohne Zweifel ein Vulkan«, meinte Murakami und musterte interessiert den imposanten Gebirgskegel, der sich drohend über ihnen in den Himmel erhob. »Und wie mir scheint, ein ziemlich lebendiger!«
»Sie meinen, er könnte ausbrechen?« fragte Denver erschrocken und starrte auf die feinen Rauchschleier, die den Gipfel umschlangen... Boten einer bevorstehenden Katastrophe? »Sicher!« entgegnete der japanische Geologe scheinbar ungerührt. »Nicht heute oder morgen, nehme ich an, aber in den nächsten Wochen wohl mit ziemlicher Sicherheit!« »Schöne Aussichten! Dann sollten wir uns wohl möglichst bald nach einem neuen Unterschlupf umsehen und...« »Glauben Sie, daß das wirklich nötig ist?« fiel Murakami ihm ungläubig ins Wort. »Ich meine, haben wir denn keine Möglichkeit, hier wieder weg und zurück nach Methan zu kommen?« Chris schüttelte den Kopf und zuckte dann schwach die Achseln. »Akira, ich will ehrlich sein«, er machte eine Geste, die ihre Umgebung umschrieb. »Sehen Sie hier irgendwo eine Pyramide, oder sonst etwas, das auch nur entfernt wie ein Transmitter aussieht?« Murakami schüttelte verneinend den Kopf. »Sehen Sie, ich nämlich auch nicht! Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wie wir hierher gelangt sind. Nur über eines bin ich mir völlig im Klaren: irgend etwas ist komplett schief gelaufen!« Er zögerte einen Augenblick, fuhr dann leiser fort: »Ist ihnen schon aufgefallen, daß Professor Tribbits verschwunden ist?« Der japanische Geologe schüttelte erneut den Kopf. »Nein, ich kam gerade in dem Augenblick in die Pyramide, als das grelle Licht alles verschlang und habe daher keine Ahnung, wer...« »A propos«, hakte Denver ein, »was suchten sie eigentlich im Transmitterraum? Ich war ziemlich überrascht, als ich sie fand.« »Na ja, ich war halt neugierig, verstehen Sie?«
»Und ob!« schmunzelte Denver. »Also, sehen wir doch mal nach, ob wir heute einen Blick in das Tal unter uns werfen können. Gestern war durch den Regen ja nichts zu sehen.« Gemeinsam näherten Sie sich dem Rand des Abbruchs und sahen hinunter. Denver kniete sich hin, denn ihm schwindelte angesichts der Höhe. Knapp dreihundert Meter tief unter ihnen erstreckte sich in einem breiten Tal ein üppig wuchernder Dschungel, der in tiefen Violett-Tönen feucht schimmerte. Dort unten brodelte und kochte das Leben einer wilden, ungebändigten Natur. Ein dünner, aber reißender Fluß schlängelte sich durch das Tal, dessen Enden nicht auszumachen waren. Ihnen gegenüber reckten sich die Felswände ebenso steil wieder in die Höhe. Die scharfkantigen Gipfel verschwanden teilweise in der tiefhängenden roten Wolkenschicht. Während Denver noch vergeblich versuchte, durch den wabernden Dunst, der über dem Urwald hing, etwas genaues auszumachen, war ihm gar nicht aufgefallen, daß Murakami sich inzwischen von ihm entfernt hatte. Dann aber vernahm er dessen aufgeregten Ruf: »Leutnant! Kommen Sie doch mal schnell hier 'rüber!« Denver erhob sich und sprintete zu dem Japaner hinüber, der sich ganz am äußersten Rand des Plateaus postiert hatte. »Sehen Sie sich das doch mal an!« forderte er Denver auf und deutete auf die zerrissene Felswand. Der Leutnant machte noch einen weiteren Schritt nach vorn und sah dann endlich, was der Geologe meinte: Kaum noch erkennbar zogen sich Stufen an der Felswand entlang... überwuchert und verwittert! Dort, wo er stand, waren sie kaum zehn Zentimeter schmal, verbreiterten sich jedoch, je weiter sie sich in die Tiefe zogen. »Also hat es hier irgendwann einmal so etwas wie Zivilisation gegeben...« murmelte der junge Leutnant, während er versuchte die unvermutete Entdeckung zu verarbeiten.
»Die Lava eines der letzten Ausbrüche scheint sie hier oben fast völlig zugedeckt zu haben«, murmelte der Japaner nachdenklich. »Wie breit mögen sie wohl früher einmal gewesen sein, wenn sie nach all der Zeit noch immer nicht ganz unter dem Gestein verschwunden sind?« »Ich bin mir nicht ganz sicher«, murmelte Denver und kratzte sich die Bartstoppeln seines Kinns, »aber wenn meine Augen mich nicht täuschen, sind die Stufen dort unten, etwa hundert Meter tiefer, schon fast vier Meter breit. Auf jeden Fall haben wir jetzt eine Möglichkeit gefunden das Plateau zu verlassen!« »Da wollen Sie runter?« rief Murakami ungläubig. »Sehen Sie sich die Stufen an! So überwuchert wie die sind, finden wir keinen Halt. Das wäre glatter Selbstmord!« Chris lächelte nur und tätschelte vielsagend seinen Blaster, der im Gürtelhalfter hing. »Damit werden wir die Stufen schon trockenlegen! Aber kommen Sie, die anderen sind sicher schon wach geworden sein und werden uns vermissen!« Wie auf ein Zeichen erschien in diesem Moment Soerens' Blondschopf im Eingang der Höhle, der Norweger winkte ihnen zu. Gemeinsam gingen sie zurück und traten wieder in das Halbdunkel der Grotte. In der folgenden halben Stunde entstand eine hitzige Debatte, und Denver wünschte sich mehr als einmal, nicht die Verantwortung für dieses Team zu tragen. Die Stimmung der Männer war bedrückt bis gereizt und ein paar mal galt es sogar, ernsthafte Handgreiflichkeiten zu verhindern. Ihre Lage war ziemlich hoffnungslos, soviel war klar. Gestrandet auf einem fremden Planeten, praktisch ohne Vorräte und Werkzeuge – ohne Hoffung auf Rückkehr! Wo hätte man sie auch suchen sollen? Sie konnten sich praktisch überall in der Galaxis befinden.
Einmal meldete sich Murakami mit einer Vermutung zu Wort: »Ich habe vor längerer Zeit einmal Filme über den vierten Planeten des Wega-Systems gesehen. Nach allem, was wir bisher über diese Welt wissen, ist ihre Ähnlichkeit mit Wega-IV ziemlich groß...« »Das ist doch Blödsinn!« wurde er unwirsch unterbrochen. »Wega-IV, einfach lächerlich!« Raymond Door, TransmitterExperte, wischte sich über seine schweißglänzende Stirnglatze und fuhr dann fort: »Wenn das hier tatsächlich Wega-IV wäre, junger Mann, würde von uns schon längst niemand mehr leben! Sie sollten wissen, daß das Wega-System im ständigen Einflußbereich besonders starker Strahlenstürme liegt. Wir wären also längst gebraten worden!« »Ich meinte ja auch nur...« begann der Japaner, doch der Transmitter-Experte unterbrach in ein zweites Mal. »Behalten Sie in Zukunft Ihre Meinung besser für sich, bevor Sie...« Diesmal war es Denver, der dem anderen das Wort abschnitt. »Meine Herren, ein Streit bringt uns hier keinen Schritt weiter!« Er blickte Door genau in die Augen. »Zunächst einmal sollten wir versuchen herauszufinden, wie wir überhaupt hierhergelangt sind. Haben Sie sich darüber schon irgendwelche Gedanken gemacht?« Professor Rankel, ebenfalls Transmitter-Spezialist, meldete sich zu Wort: »Meiner Meinung nach kann nur eines geschehen sein, vorausgesetzt jedenfalls, wir legen zugrunde, daß Transmitterstraßen, die ohne Gegenstation arbeiten, noch nicht entwickelt sind, und es sich bei der weißen Pyramide auf Methan nicht auch noch um einen Materie-Sender handelt. Zunächst das eine: Warum sind wir alle durch den Transmitter geschleudert worden, obwohl sich keiner von uns innerhalb des markierten Erfassungsbereiches befand? Die Antwort dürfte meines Erachtens recht einfach sein: Irgend
jemand hat eine Spezialschaltung aktiviert, die dafür gedacht war, größere Lasten, solche nämlich die den gesamten Pyramiden-Innenraum füllten, zu transportieren. Dies zumindest dürfte wohl sicher sein.« Er machte eine kurze Pause und massierte sich den prächtigen Voltbart. »Nun zur Frage, wieso wir hier nirgendwo die Gegenstation des Transmitters entdecken konnten. Ich muß zugeben, daß ich mich bei meinen Spekulationen auf das recht dünne Eis reiner Theorie begebe.« Sein Blick erfaßte jeden einzelnen der Männer, die in der engen Höhle versammelt waren. »Doch ich schätze, der Transmitter steckt hier drin!« Mit den Knöcheln seiner Rechten klopfte er gegen den porösen Fels neben sich. Erstaunte Stimmen wurden laut. »Wie meinen Sie das?« erkundigte Denver sich verwirrt. »Nun, sehen sich das Gestein hier doch einmal genau an – Lava! Verflüssigtes und wieder erstarrtes Felsgestein. Meiner Ansicht nach war dieses Plateau vor langer Zeit einmal sehr viel größer. Und irgendwo auf diesem Plateau stand eine kleine, weiße Pyramide, so wie wir sie auf Methan kennenlernten. Der Vulkan brach aus und die Lava begrub Pyramide und Transmitter unter sich, umschloß sie mit einer festen Schicht Felsgestein.« »Aber wie war es dann möglich, daß wir vor dem Fels wieder auftauchten?« hakte Akira Murakami wißbegierig nach. »Wieso rematerialisierten wir nicht im Felsen?« »Sehr einfach.« Der Wissenschaftler lächelte gönnerhaft. »Wir wurden Zeugen eines technologischen Wunders! Es ist an sich ja schon ein Wunder, daß ein Transmitter, der von massivem Felsgestein umschlossen wurde, überhaupt noch in der Lage ist zu arbeiten; aber warum darüber nachgrübeln, er hat es ja getan, daran besteht kein Zweifel. Wieso also tauchten wir vor dem Felsen auf und rematerialisierten nicht innerhalb des Gesteins, was
selbstverständlich den augenblicklichen Tod zur Folge gehabt hätte?« Er senkte den Kopf, strich sich nachdenklich durch seinen Bart, und blickte ernst in die Runde. »Nun, meine Herren, unser Leben verdanken wir höchstwahrscheinlich einer genialen Sicherheitsschaltung der geheimnisvollen Konstrukteure dieser Anlage. Ich gehe davon aus, daß der Drin-Coplex-Umwandler des Empfänger-Transmitters die Impulse seines Fokal-Feldes derart verstärkte, daß er uns außerhalb seines eigentlichen Antennenbereichs rematerialisieren lassen konnte. Unsere Körper wurden in Form hyperdimensionaler Impulse durch den Fels geschleudert! Dieser Vorgang muß unseren Organismus bis an die Grenzen dessen, was er zu ertragen vermag, belastet haben; daher auch die grauenhaften Schmerzen.« Noch einmal musterte er jeden Einzelnen eindringlich. »Wir haben Glück gehabt, geradezu unglaubliches Glückt und wir sollten den Göttern und den unbekannten Konstrukteuren der Anlage dafür auf Knien danken...« »Ha, von wegen danken!« fauchte der massige Jörnsen aufgebracht. »Jetzt sitzen wir auf dieser Scheißwelt fest, haben nichts zu beißen und wissen nicht wohin! Schönes Glück, ich danke!« Wütend spuckte er aus. Denver erkannte, daß es an der Zeit war, die fruchtlose Diskussion zu beenden, bevor die Stimmung noch gereizter wurde. Auf der Akademie hatte man ihm beigebracht, daß das erste Gebot in verzweifelten Situationen lautete, die Leute zu beschäftigen, ihnen Aufgaben zu übertragen, die sie ablenkten. Ihm war auch schon eine entsprechende Idee gekommen. Er klatschte laut in die Hände, erhob sich und sah von oben auf sein Team herab. »So, ich denke wir sollten langsam damit beginnen, diesen Planeten etwas genauer in Augenschein zu nehmen! Wir werden den Abstieg über die Treppe wagen und
sehen, ob wir im Tal etwas finden können, was uns weiterbringt. Jörnsen, Soerens und Murakami, Sie kommen mit mir. Professor Rankel, Professor Door, Sie bleiben hier und machen eine Aufstellung unserer Vorräte. Außerdem muß jemand bei der Höhle sein, falls Hilfe eintreffen sollte!« Er zog sich die Allzweck-Jacke über, blickte die Männer, die er ausgewählt hatte an und sagte: »Na, dann wollen wir mall« * Ein neuer Tag war über Reet, dem Heimatplaneten der Nogks, erwacht. Colonel Huxley, dessen Heilbehandlung inzwischen abgeschlossen war, hatte die CHARR in aller Frühe verlassen. Inmitten endloser Weiten bräunlichen Wüstensandes stand er vor dem herrlichen Ellipsenraumer, und seine im Dienst ergrauten Haare flatterten im warmen Morgenwind. Der Colonel hatte die Hand an die Stirn gelegt, um seine Augen vor dem hellen Licht der Sonne Corr zu schützen. Seine Blicke suchten den violetten Himmel ab, der sich wolkenlos von Horizont zu Horizont erstreckte. Es dauerte nicht lange, da tauchten sie auf. Er entdeckte sie zuerst im Nordosten; ein Glitzern in den frühen Strahlen der Morgensonne, das schnell naher kam... Und dann waren sie plötzlich überall: blauviolette Ringe, die majestätisch über den wolkenlosen Himmel glitten und an deren Unitallhaut sich das rötlichgelbe Licht Corrs schimmernd brach. Ringraumer – so weit das Auge reichte, fast siebentausend S-Kreuzer schwebten dort oben! Es war ein gutes Gefühl, das Huxley beim Anblick dieser gewaltigen Flotte erfüllte, die nun ihre Positionen über dem
Wohnplaneten der Nogks bezog; die Last der Sorge um das Schicksal der Nogks wurde etwas gemildert. Nach seinem Erwachen aus dem Heilschlaf hatte Colonel Huxley sich wiederholt gefragt, ob er nicht vielleicht doch übereilt gehandelt hatte, als er Code Null befahl. Siebentausend Schiffe – diese Zahl war fast zu gewaltig, um sie sich wirklich vorstellen zu können. Er war zu Tode erschöpft gewesen, als er am Vortag in die Zentrale gestürmt kam und Cent Field die Order erteilte, sofort die Hälfte aller zur Verfügung stehenden Robotraumer nach Reet zu entsenden; der Dialog mit Tantal, welcher im Innern des Totenkegels – auf einer Ebene jenseits von Leben oder Tod – stattfand, hatte seine physischen und psychischen Kraftreserven vollkommen erschöpft. Nur die heilende Kraft der beiden künstlichen Sonnen, die im Innern des goldenen Ellipsenkörpers der CHARR brannten, hatte es überhaupt möglich gemacht, daß er schon wieder auf den Beinen war. Wieder blickte der grauhaarige Colonel zu der gewaltigen Armada auf, die über Reet stand und den Planeten beschützte. Siebentausend Ringraumer! Wirklich zuviel...? Nein! Huxley schüttelte entschieden den Kopf. Nein, es stand einfach zuviel auf dem Spiel! Das Schicksal der Nogks konnte keinem Zufall überlassen werden. Die Menschheit durfte keinen Einsatz scheuen, um ihre Freunde vor der tödlichen Bedrohung zu schützen, die aus dem Nichts kommend über sie hereingebrochen war. Die Synties! In einer Aufwallung zorniger Wut ballte Huxley die Fäuste. Die Tropfenwesen hatten tausende Nogks getötet, bevor sie sich zurückzogen. Und auch ihn, Huxley, hatten sie, während des Anflugs auf Reet, in ihre mentale Gewalt gebracht. Nur dem Einsatz der Salter-Roboter war es zu verdanken, daß er jetzt hier stand und daß außerdem eine Flotte von siebentausend S-Kreuzern den Planeten verteidigte.
Vielleicht waren diese siebentausend Schiffe sogar zu wenig, wenn es galt, einen ganzen Planeten vor den mörderischen Tropfen zu schützen, die überall urplötzlich auftauchen und ebenso schnell wieder im Hyperraum verschwinden konnten. Wenn erst die grünen Kuppeln über den Städten der Nogks zusammengebrochen sein würden... Zuvor aber mußte die CHARR den Planeten verlassen haben. Die Synties konnten ohne Schwierigkeiten jedes denkende Wesen unter ihre mentale Kontrolle zwingen und es beliebig beeinflussen. Zu groß würde die Gefahr sein, die durch Huxley und seine Leute erwuchs, wenn sie unter den Einfluß der Tropfen gerieten; der Schaden, den sie dann anrichten könnten, war überhaupt nicht abzusehen. Nein, die CHARR mußte Reet verlassen, so schwer es Huxley auch fiel, seine Freunde, die Nogks, alleinzulassen. Nur die Robotflotte war wirklich in der Lage, diese zu schützen. Nachdenklich rieb Huxley sich das Kinn. Während des Heilschlafs hatte er viel Zeit zum Nachdenken gehabt... und er hatte auch geträumt. Ein Gedanke war ihm dabei gekommen, der es ihm nun wesentlich leichter machte, der Wüstenwelt den Rücken zu kehren. Huxley hatte sich nämlich entsonnen, daß kein Volk jemals mit den Synties in solch engem, direkten Kontakt gestanden hatte, wie die Utaren. Und er hatte daher den Entschluß gefaßt, der Weisheit der Utaren einen Besuch abzustatten. Vielleicht wurden ihm dort einige Fragen beantwortet, die ihn noch immer quälten; Fragen, auf die er einfach keine Antworten fand. Eine heftige Windbö, die heißen Sand vor sich hertrieb, riß den Colonel aus seinen Gedanken. Einer der gefürchteten Sandstürme, die Reet mit unvorstellbarer Gewalt heimsuchten, war im Aufziehen. Schweren Herzens zog Huxley sich in das sichere innere der CHARR zurück. Sein letzter Blick galt dabei dem sanft schimmernden Totenkegel, in welchem der leblose Körper Tantals ruhte...
wartete; darauf, daß er, Huxley, einen Weg fand, sein Volk vor dem Untergang zu bewahren. Ein Volk, dem sich Huxley in tiefster Seele verbunden fühlte. Keine halbe Stunde später startete der Ellipsenraumer, jagte der samtenen Schwärze des Alls entgegen. Sein Ziel war die Heimatwelt der Utaren, auf welcher sich die Reste ihres untergegangenen Imperiums gesammelt hatten: Esmaladan. * Der Abstieg war mörderisch gewesen. Vor allem Denver hatte seine Höhenangst nur sehr schwer unter Kontrolle gebracht. Mit den Blastern hatten sie zunächst den Algenschlamm, der die schmalen Stufen vollkommen überwuchert hatte, weggebrannt; immer darauf bedacht, nicht den Fels darunter zu zerschmelzen. Doch trotz dieser deutlichen Erleichterung, war der Weg, die Stufen hinunter, auf den ersten hundert Metern ein ständiges Spiel mit dem Tod gewesen. An den Aufstieg wollte der junge Leutnant besser noch gar nicht denken. Das Dschungel-Tal hatte sie mit tropisch brütender Hitze empfangen. Der Schweiß rann ihnen in Bächen aus den Poren, während sie bis zu den Knöcheln in einer zähen Schicht stinkenden Morasts wateten. Längst hatten sie die AllzweckJacken ausgezogen und die Ärmel ihrer durchfeuchteten Hemden hochgekrempelt. Gegen die Sauna dort unten war das Plateau geradezu ein Frischluft-Paradies gewesen! Die vorherrschende Farbe der Vegetation war Violett in allen Schattierungen. Fleischige Blätter wuchsen an Stämmen, die als solche kaum mehr zu bezeichnen waren. Viel mehr bestanden die Bäume aus fetten, feuchtglänzenden Ranken, die sich umeinandergewunden und zu bizarr verworrenen Gebilden vereinigt hatten; monströse Schlinggewächse, die in die Höhe
und zu den Seiten im gleichen Maße wucherten, und so eine verfilzte, fast undurchdringliche Mauer schufen. Eine unheimliche Drohung ging von dieser Welt aus. Der Dschungel, dessen Ausläufer bis an die Felsen heranreichten, schien von grauenhaftem Leben erfüllt zu sein und nur darauf zu warten, die einsamen Menschen, die es gewagt hatten, in sein Reich einzudringen, zu verschlingen. Eigenartiger heller Singsang, wie ihn keiner der Männer je zuvor vernommen hatte, ging von manchen der kopfgroßen Blüten aus und schuf eine beunruhigende Geräuschkulisse. Tiere waren keine zu entdecken. Zögernd standen die vier Männer vor der brodelnden Masse aus Pflanzen, Feuchtigkeit und Hitze. Unauffällig sah Chris Denver sich dabei um, ob er nicht vielleicht Spuren des verschollenen Dr. Tribbits entdecken konnte, doch nirgendwo zeigte sich ein Hinweis darauf, daß vor ihnen schon einmal jemand hier unten gewesen war. »Na, dann wollen wir doch mal sehen, wie wir durch das Unkraut kommen«, knurrte Denver schließlich, machte einen vorsichtigen Schritt auf den violetten Dschungel zu und streckte einen Arm aus, um die zähen Ranken zur Seite zu biegen. Mit einem gellenden Schrei zuckte er zurück! Maßloses Entsetzen malte sich in das schmerzverzerrte Gesicht des Leutnants, als er seinen Arm betrachtete: Dickes, rotes Blut quoll aus mehreren kraterförmigen Einstichen! Sein Arm schien eine einzige zerstochene Masse brennenden Schmerzes zu sein! Taubheit kroch in seinen Adern hoch und ließ ihn schwindeln. Eine schwarze Leere griff nach seinem Bewußtsein. »Scheiße!« Jörnsen reagierte als erster. Der ausschließlich Übelgelaunte, dickköpfige Sicherheitsmann packte den Leutnant, bevor er zusammenbrach, riß ein Erste HilfePäckchen seiner Standard-Ausrüstung heraus und injizierte
Denver ein Anti-Toxin, welches gleichzeitig den Kreislauf stabilisierte und Kraftreserven mobilisierte. Dann sprühte er das farblose Wundplast auf die Einstiche, die sich nach wenigen Sekunden bereits geschlossen hatten. Auch Soerens und Murakami waren inzwischen herangekommen und starrten entsetzt auf Denvers Arm. Mit flauem Gefühl im Magen warf der Japaner einen Seitenblick auf den Dschungel und musterte die gefährlichen Ranken, die nun wieder völlig ruhig hingen. Er entsann sich der Berichte über die teuflische Flora Soradans: riesige Pflanzenungeheuer, die sich mit ihren Wurzeln bewegen und mit ihren gewaltigen Blütenkelchen ganze Menschen verschlingen konnten! Biomonstren, die sogar Ansätze von Intelligenz bewiesen hatten, als sie ein Forschungsteam der POINT OF in tödliche Bedrängnis brachten! Die Natur dieser Welt schien dem Menschen ähnlich feindlich gesonnen zu sein. Nach einigen Minuten war Denver so weit, daß er sich vorsichtig wieder erheben konnte. Jörnsen stützte ihn. Noch blaß und schwach auf den Beinen murmelte Chris einen Dank. Durch Jörnsens blitzschnelles Eingreifen war dem Leutnant ein größerer Blutverlust erspart geblieben. Und sollten die Pflanzen ein Gift in seinen Körper gepumpt haben, so würde das Anti-Toxin auch damit fertig werden. Soerens strich sich derweil durch das blonde Haar und sah nachdenklich dort hinauf, wo das Plateau durch den Dunst hindurch undeutlich auszumachen war. Viel zu gefährlich, in seinem Zustand den Aufstieg zu wagen, dachte der untersetzte Norweger sorgenvoll. Und ein Seil haben wir nicht. Wie sollen wir den Leutnant da bloß hoch schaffen? Die Farbe war in Denvers Gesicht zurückgekehrt, er fühlte sich zusehends besser. Als er Soerens' nachdenklichen Blick bemerkte, deutete er dessen Gedankengänge sofort richtig. »Hören Sie, Soerens, Sie können Ihr Grübeln einstellen!« Seine Stimme war noch etwas schwach, gewann aber schnell
wieder an Festigkeit. »Ich habe keinesfalls die Absicht, unseren Ausflug wegen dieses kleinen Mißgeschicks jetzt schon abzubrechen! Nicht wegen dieses bißchen Unkrauts!« Er versuchte ein Lächeln, das ihm auch gelang, als er an Dr. Phillips dachte, jenen Wissenschaftler, der sich auf Methan ähnlich dickköpfig gegen eine Rückkehr zum Xe-Flash aufgelehnt hatte. Methan... was mochte dort wohl gerade vor sich gehen? Würde Mitch Baker den Rest des Teams in den Griff bekommen? Denver wurde wieder nachdenklich, betrachtete seinen beinahe verheilten Arm. Wie sollte es weitergehen? In diesem Augenblick begann unvermittelt das Kreislaufmittel zu wirken, der Leutnant wurde von einer plötzlichen Welle zügelloser Energie erfaßt, die Schwäche war vergessen, sein Forscherdrang stärker denn je. Plötzlich sah er alles mit ganz anderen Augen, klarer als zuvor. Zufrieden grinsend rollte er die Ärmel des Hemdes herunter, hob seine Jacke auf, die zu Boden geglitten war und streifte sie sich über. Die im Kragen verborgene weite Kapuze zog er sich eng über den Kopf. Bevor ihn noch jemand zurückhalten konnte, streckte er den anderen Arm aus und berührte ein zweites Mal die fleischig violetten Pflanzen! Er spürte einen kurzen, kräftigen Druck, zog dann den Arm zurück und betrachtete ihn: Der Ärmel der Jacke war unbeschädigt, die Haut darunter nicht verletzt. »Na bitte!« brummte Chris Denver zufrieden. »Das Synthetik-Material reicht schon als Schutz vor dem lächerlichen Gestrüpp!« Triumphierend sah er die anderen an. Akira Murakami blieb skeptisch. »Aber was ist mit unseren Gesichtern? Und überhaupt, da ist kein Weg, die Pflanzenwand ist doch undurchdringlich! Wie sollten wir da durch kommen?«
Ein lautes Fauchen übertönte in diesem Moment jäh den Singsang des Dschungels! Der Japaner wich herum, beißender Gestank kroch ihm in die Nase. Grinsend hielt der bullige Jörnsen seinen Blaster hoch und deutete damit auf eine verbrannte Bresche, die sich in dem violetten Dschungel aufgetan hatte. »Ha! Damit wird auch dieses Kroppzeug nicht fertig! Darf ich bitten...?« Der Sicherheitsmann machte eine spöttisch einladende Geste. Unter normalen Umständen wäre Denver über das eigenmächtige Handeln des Sicherheitsmanns erzürnt gewesen, doch die leichte Überdosis des Kreislaufstimulanziums weckte ein Gefühl der Euphorie in ihm, das jede Vorsicht beiseite wischte. Ohne zu zögern trat der junge Leutnant in die Schneise, die der Blaster in den Dschungel gebrannt hatte, und bahnte sich einen Weg durch die verkohlten Pflanzenreste. Reizender Qualm brachte seine Augen zum Tränen, doch das störte ihn kaum. Der eigentümliche Singsang hatte sich nicht verändert, es war auch sonst keine Reaktion der unbekannten Pflanzenwelt auf den Angriff festzustellen. Im Gegensatz zur Flora Soradans, schienen die Pflanzen dieser Welt sich nicht fortbewegen zu können. Der Gestank verbrannter Ranken hing in der schwülen Luft, vermischte sich mit den üblen Dünsten des Morastes und raubte den Männern den Atem. Jörnsen folgte dem Leutnant, Murakami kam nach und Soerens sicherte nach hinten. Unter ihren Füßen verwandelten sich die verkohlten Gewächse in einen teerigen Brei. Schritt um Schritt stießen sie tiefer vor in das Alptraumreich... vorsichtig, wachsam, ständig mit einem heimtückischen Angriff aus dem Hinterhalt rechnend. Um sie herum bildeten die fleischigen Ranken eine undurchdringliche, lebendige Wand, die sich über ihren Köpfen wieder schloß.
Das Gefühl, von Millionen winziger, kalter Augen beobachtet zu werden, kroch in die Gedanken der Männer, machte ihnen Angst. Doch schon nach wenigen Metern machte das Forscherteam eine merkwürdige Entdeckung: statt immer dichter zu werden, wurde die Pflanzenwelt des Dschungels nun deutlich lichter; fast schien es, als wollte der violette Dschungel sich nur nach außen hin gegen Eindringlinge abschotten. Das immer noch dichte Unterholz wies auch kaum mehr Dornen oder scharfe Blattkanten auf, wie sie die Bäume am Waldrand besessen hatten. Der Dschungel schien sich den Menschen zu öffnen. Langsam wich auch die kreatürliche Angst der Männer wieder einem gesunden Forschergeist, das Gefühl der Bedrohung ließ nach. Immer bemüht, den unheimlichen Pflanzen nicht zu nahe zu kommen, die nun häufiger in oasenartigen Gruppen wucherten, tasteten sie sich durch den Alptraum-Dschungel, die Blaster feuerbereit. Murakami, der als einziger keine Waffe bei sich trug, kam sich nun eigentümlich nackt vor. Schwere, betäubende Gerüche hingen wie dichte Wolken in der Luft und raubten den Männern mitunter den Atem, erzeugten Schwindelgefühle. Dazu kamen Feuchtigkeit und Hitze. Auch schien die Schwerkraft geringfügig höher zu sein, als die Terras. Niemand sprach ein Wort, die seltsam exotische Atmosphäre des Dschungels ließ jeden der Männer seinen eigenen Gedanken nachhängen. Mit der Zeit lernten sie die bizarre, fremde Pflanzenwelt immer besser kennen. Sie mieden die fast mannshohen Aloe Vera-Gewächse, an deren fleischigen Armen bauchige Kelche hingen, die einen Duft absonderten, der den Männern gleißende Ringe vor den Augen tanzen ließ. Auch die schlanken, hochgewachsenen Bäume mit den vielen fingerstarken Trieben umgingen sie so weiträumig wie
möglich – niemand verspürte auch nur die geringste Lust darauf, daß sein Gesicht ähnlich malträtiert würde wie Denvers Arm. Doch obwohl nun auch das Unterholz immer lichter wurde, nahm die Dämmernis mit jedem Schritt zu. Chris Denver warf einen Blick nach oben und erkannte den Grund für die Dunkelheit: hoch über ihnen bildeten die Baumkronen ein verfilztes, unglaublich dichtes Geflecht, das kaum noch Licht durchließ; die dichten Pflanzenoasen bildeten dabei die Säulen dieser natürlichen Decke. Es war schwer abzuschätzen, wie dick die verwachsene Pflanzendecke dort oben war. Was für Lebewesen mochte dieser Himmels-Dschungel verbergen? ging es durch Denvers Gedanken, die langsam wieder klar wurden. Bisher hatten sie noch kein einziges Tier zu Gesicht bekommen; aber jeder der vier meinte zu spüren, daß gierige Augen ständig ihren Bewegungen folgten, hungrig, bereit jederzeit zuzuschlagen! Nur das Fauchen der Blaster, mit denen sie sich vereinzelt ihren Weg bahnen mußten, übertönte von Zeit zu Zeit den seltsamen Singsang und das keuchende Atmen der Männer, für die der kurze Ausflug mehr und mehr zu einer quälenden Strapaze wurde. Meter schienen in diesem Dschungel zu Kilometern zu werden. Aber keiner wagte es, die schweißtreibende Kleidung abzulegen. Der Schweiß rann ihnen aus allem Poren, drang in die Augen, wo er salzig brannte. Immer öfter versanken sie bis fast zu den Knien im Schlamm, das Vorankommen wurde schwieriger; dafür wurden die Pflanzen immer lichter und spärlicher, der Dschungel wandelte sich mehr und mehr zum morastigen Sumpf. Seltsam, sinnierte Murakami, ein Dschungel, der an Dichte abnimmt, je näher er dem Wasser kommt. Das widersprach allem, was er je gehört hatte. Mangroven, oder etwas ähnliches schien diese Welt nicht zu kennen.
»Still!« Die Männer zuckten zusammen, als Denvers Stimme durch das Schweigen schnitt. Bin tiefes, bedrohliches Brummen hatte ihn alarmiert – ähnlich dem einer Hornisse, nur träger, schwerfälliger... Nun meinten endlich auch die anderen, etwas zu hören. »Verdammt, was ist das?« Jörnsen hatte seinen Blaster aus dem Gürtelhalfter gerissen und drehte sich langsam herum. Hektische, verwirrte Blicke suchten die Pflanzenhölle ab, trachteten danach die Dämmernis des Dschungels zu durchdringen. Nackte Angst kroch in den Männern hoch. Dunst trübte die Sicht. Das Brummen schwoll an, wurde wieder leiser, um dann erneut zurückzukehren. »Es umkreist uns!« Die genaue Richtung, aus der sich die Bedrohung näherte, war kaum zu bestimmen... kam das Brummen nicht von Überall? Ihre überreizten Sinne begannen schon Gespenster zu sehen, überall schienen drohende Schatten zu lauern. »Gehen wir weiter!« Die Stimme des Leutnants klang heiser. Zögernd nur setzte sich die vier Mann starke Gruppe wieder in Bewegung, dem Fluß entgegen. Mit allen Sinnen lauschten sie in den Dschungel hinein. Jörnsen stieß ein bissiges Lachen aus. »Scheiße, da haben wir uns ganz schön verarschen...« Urplötzlich war das gräßliche Geräusch ganz nah, direkt hinter Murakamis Rücken! Mit einem Ruck drehte er sich um und sah ein kinderkopfgroßes, plumpes, schwarzes Ding auf sich zugleiten! Der Japaner erfaßte das schnelle Spiel transparenter Flügel über einem Körper, aus dem fette Spinnenbeine wuchsen. An der häßlichen, formlosen Kreatur meinte er einen blitzenden Stachel zu erkennen! Renn weg! hämmerte es durch seinen Schädel... Akira Murakami stand wie erstarrt, den Blick voll panischer Furcht auf die Bestie gerichtet, unfähig sich zu rühren! Lauf!
Das Grauen kam näher, wie in Zeitlupe glitt es auf ihn zu, die fetten Beine streckten sich ihm gierig entgegen! In diesem Moment zerriß ein greller Blitz die Dämmernis des Dschungels und blendete den Japaner für Sekunden! Er sah das unheimliche Biest taumeln, es krallte sich mit seinen haarigen Beinen in den vermoderten Stumpf einer Pflanze. Bin zweiter Blasterschuß verwandelte den Stumpf in Asche, doch das Insekt war schneller gewesen. Wieder näherte es sich dem Japaner, schlug dabei wirre Haken. In seiner Panik warf Murakami sich herum, sprang über einen umgestürzten Baum und verschwand im Dickicht. Denvers warnender Zuruf verhallte ungehört. Zähe Ranken peitschten Akiras Gesicht, rissen seine Haut auf, der Morast unter seinen Füßen spritzte hoch. Wie von Furien gehetzt rannte er mitten in den Dschungel hinein, die Arme schützend vor das Gesicht gerissen. Sein Atem ging pfeifend, der Puls schien die Adern platzen zu lassen, vermodertes Holz zerbrach unter seinen Füßen. Akira rannte und rannte, strauchelte und fing sich wieder, bis sein Lauf von einer Luftwurzel jäh gestoppt wurde! Der Japaner prallte gegen die elastische Ranke, wurde zurückgeschaudert und landete im Schlamm. Verzweifelt versuchte er sich wieder hochzukämpfen, in seinen Ohren rauschte es. Er warf sich herum, packte eine Pflanze, die seine Hände zerstach und zog sich daran hoch. Mit dem Ärmel wischte er sich den Schlamm aus den Augen. Da, wieder das furchtbare Brummen! Eine seltsame Leere griff nach Akira, er schien plötzlich neben sich zu stehen, sah wie das monströse Insekt seinen Körper umkreiste, mit dem Stachel auf ihn zielte und... Wieder blendete ihn ein sonnenhelles Gleißen. Soerens' Blasterschuß hatte voll getroffen und das Biest mitten im Flug
erwischt, Sekundenbruchteile bevor es sich auf den zu Tode erschrockenen Geologen stürzen konnte. Kraftlos sank der Japaner in den Schlamm zurück. Denver und Jörnsen brachen ebenfalls durch das Dickicht der Pflanzenoase. Mit gemischten Gefühlen starrten sie auf die Überreste des Insekts, die im Schlamm stinkend verschmorten. Jörnsen trat angeekelt mit dem Stiefel dagegen. »Verdammt zäh das Biest«, knurrte er. »Eigentlich dürfte es nur noch Asche sein!« Er spuckte aus und traf die verkohlte Chitinhülle des Killerinsekts. Denver kniete sich vorsichtig nieder und fischte den glänzenden Stachel aus dem Schlamm, hielt ihn sich vor Augen und strahlte ihn mit seinem Scheinwerfer an. »Sieht metallisch aus«, murmelte er, steckte den Stachel in seine Tasche und erhob sich wieder. »Jedenfalls wissen wir jetzt, daß es hier auch Lebewesen gibt...« »Wie beruhigend!« spottete Jörnsen und setzte sich wieder in Bewegung. Der Rest des Teams folgte ihm und hatte ihn bald eingeholt. Kurz darauf vernahmen sie durch den Singsang des Dschungels endlich das Rauschen des Flusses, der ihr Ziel war. Sie brachten das letzte Stück des Wegs mit schnellen Schritten hinter sich und standen dann schließlich vor dem reißenden Gewässer, wo sie sich dankbar niederließen und eine Zeitlang nur in die gischtenden Fluten starrten. Chris ließ seinen Blick nachdenklich zu beiden Seiten des Flusses schweifen, machte sich Gedanken über das weitere Vorgehen. Sie konnten den Fluß unmöglich überqueren, dazu war er viel zu reißend. Welche Richtung sollten sie einschlagen? Flußaufwärts oder Flußabwärts? Er konnte sich zu keiner Entscheidung durchringen. »Wir sollten uns aufteilen«, brummte er schließlich, woraufhin Jörnsen ein bissiges Lachen ausstieß.
»Na Jörnsen, haben Sie uns etwas mitzuteilen?« knurrte Denver gereizt. »Lassen sie uns doch an Ihrem unendlichen Wissen teilhaben!« Rigert Jörnsen antwortete mit schallendem Gelächter, prustend schlug wer sich auf die Schenkel, während Chris innerlich vor Zorn bebte. Dann grinste er den Leutnant frech an und entgegnete trocken: »Hören Sie mir mal gut zu, mein Junge: So wie ich die Dinge sehe, wäre es wohl am besten, wenn Sie und dieser andere Grünschnabel von Geologe es sich hier gemütlich machten und ich mit Val zusammen die Gegend erkunde.« Mit aller Macht zwang Chris Denver sich zur Ruhe; in fast gleichmütigem Tun sagte er: »Hören Sie Jörnsen, was Sie meinen interessiert mich weiß Gott einen Dreck! Wenn ich sage, wir trennen uns, dann tun wir das auch. Noch führe schließlich ich hier das Kommando!« Er atmete tief durch, sprach dann weiter. »Sie und Soerens werden flußaufwärts gehen, ich folge mit Murakami dem Lauf des Flusses. Wir treffen uns an dieser Stelle wieder bevor die Dämmerung beginnt!« »Wie sie meinen«, erwiderte der Sicherheitsmann lakonisch. »Dann wünsche ich Ihnen Beiden viel Spaß!« Die beiden Sicherheitsleute erhoben sich, wobei Soerens dem Leutnant zum Abschied fest die Hand drückte. Dann wandte auch er sich um und ging gemeinsam mit Jörnsen am Fluß entlang nach Süden, wo sich in einigen Kilometern Entfernung die Silhouette einer Gebirgskette verheißungsvoll in den Scharlach-Himmel reckte. Murakami und Denver dagegen hielten sich gen Norden und folgten dem reißenden Strom dorthin, wo sich das Tal in undurchdringlichen Nebeln verlor; einer grauroten Wand, die Denvers Neugier geweckt hatte. Als Akira sich nach einigen Metern noch einmal umblickte, war von Soerens und Jörnsen bereits nichts mehr zu sehen –
Dunst und Ufergestrüpp schienen ihre Körper verschluckt zu haben. Das Vorankommen wurde am Ufer des Flusses leichter, da dieses aus kiesigem Sand bestand, und nicht aus schlammigem Morast, wie der Dschungelboden. Auch sorgte die Kühle des Wassers für angenehme Frische. Als sie etwa einen Kilometer weit gekommen waren, ließ die Anspannung langsam nach, sie begannen sich an ihre Umgebung zu gewöhnen, einige Stellen am Fluß waren auf unbeschreibliche Art sogar fast schön zu nennen. Wieder einmal stellte hier der Mensch seine erstaunliche Anpassungsfähigkeit unter Beweis. Murakami blickte nachdenklich auf den Strom, dessen Fließtempo in der letzten halben Stunde immer mehr zugenommen hatte. »Ob man daraus trinken kann? Ich habe Durst...« »Besser nicht!« entgegnete Denver warnend und reichte dem Japaner seine Trinkflasche aus dem Notvorrat. Das daumengroße Gefäß enthielt genügend Flüssigkeit, um einen erwachsenen Mann etwa eine Woche lang am Leben zu erhalten. Dankbar saugte der junge Geologe das köstliche Naß in sich hinein, gab dann die Flasche zurück an den Leutnant, dessen Haar noch immer verschwitzt am Kopf klebte. Sie legten die erste Rast ein, als sie an einen Felsen kamen, der, vom Wasser glattgeschliffen, sich am Ufer des Flusses erhob. Eine Zeitlang sah Akira Murakami dem Spiel der Wellen zu, warf dabei von Zeit zu Zeit einen kleinen Stein in das wild bewegte Wasser. Nach einer Weile wandte er sich dann aber an Denver, der etwas abseits stand und versuchte, mit seinen Blicken die bereits beträchtlich nähergerückte Nebelwand zu durchdringen. »Was meinen Sie Leutnant, wie ist unsere Situation? Ich meine... hier hört uns niemand, Sie können also ganz offen sein.«
»Offen?« Denver, der an einem Konzentrat-Riegel gelutscht hatte, blickte den jungen Japaner nachdenklich an und setzte sich dann neben ihn auf den Felsen. »Also, wenn ich wirklich offen bin, Akira, sieht unsere Situation verdammt beschissen aus – damit hatte Jörnsen schon recht! Unsere Vorräte reichen keine Woche und Hilfe ist auch beim allergrößten Optimismus keine zu erwarten. Selbst wenn man uns ein zweites Team nachschickt, wird es diesem nicht anders ergehen als uns.« Nachdenklich starrte er auf den Riegel in seiner Hand, spürte den würzigen Geschmack noch im Mund. »Wenn wir wenigstens einen Bio-Analysator hätten, dann könnten wir feststellen, was von diesem Kroppzeug hier für uns genießbar ist!« Er griff spielerisch nach einer tomatenähnlichen Frucht, die dicht über seinem Kopf von einer Ranke baumelte. Erschrocken fuhr er zusammen, als sie mit einem ohrenbetäubenden Knall auseinanderplatzte! Ein fetter, fluoreszierender Tropfen fiel herab und traf dicht neben Denver auf den nackten Fels. Das Erschrecken des Leutnants steigerte sich in kaltes Entsetzen, als er sah, wie sich die rote Flüssigkeit in den Fels hineinfraß – Säure! Chris erhob sich mit einem Ruck und blickte wieder nach Norden, wo hinter den Nebeln ihr unbestimmtes Ziel lag. »Kommen Sie, Akira! Wir wissen nicht, wie lange auf dieser Höllenwelt ein Tag dauert und ich möchte vor Einbruch der Dunkelheit zurücksein – sonst sitzen wir hier wirklich in der Falle!« Immer weiter führte sie ihr Weg. Die ganze Zeit über sahen sie kein tierisches Leben mehr, der Planet schien über so gut wie keine Fauna zu verfügen. Nicht einmal Insekten, die in dem tropischen Klima sicher hervorragend gediehen wären, ließen sich mehr sehen. Und über allem lag dieser unheimliche Singsang... Ähnlich wie Soradan schien auch diese Welt von Pflanzen beherrscht zu werden.
Doch Denver und Murakami hatten es längst aufgegeben, sich darüber Gedanken zu machen. Der Gewaltmarsch begann ihre letzten Kräfte zu erschöpfen, die noch immer recht schwüle Luft tat ihr übriges. Aber irgend etwas trieb sie dennoch vorwärts; war es nur die fast jugendliche Neugier, herauszufinden, was jenseits der Nebel lag, oder steckte mehr dahinter? Sie wußten es nicht. Einige vom Gebirge herabgestürzte Felsbrocken zwangen die Männer, Umwege zu gehen, doch schließlich erreichten sie die Nebelwand, die sich wie ein gewaltiger Vorhang vor ihnen erhob. Es war vollkommen windstill, nur über dem Fluß bildeten sich leichte Wirbel in der grauroten Schicht dichten Nebels. »Es stinkt...« Der Geologe nickte zu Denvers Bemerkung. Er hatte den Gestank von faulen Eiern längst wahrgenommen: Schwefelwasserstoff! Offenbar gab es hier Spalten, aus denen vulkanische Gase strömten und so auch die Nebelbank bildeten. Überhaupt hatte Murakami den Eindruck, daß die gesamte Gegend, die sie bisher kennengelernt hatten, ein einziges Pulverfaß war, das jederzeit in die Luft gehen konnte! Die Sicht im Nebel reichte kaum einen Meter weit. Einmal, als ein leichter Erdstoß das Tal erschütterte, glitt Denver aus und der Japaner konnte ihn nur im letzten Moment davor bewahren, von dem tosendenden Strom mitgerissen und verschlungen zu werden. Der stinkende Nebel schien alles zu erdrücken, selbst die Pflanzen hatten aufgehört zu singen. Beklemmung legte sich auf die Gemüter der beiden jungen Männer. Der Gestank raubte ihnen noch stärker die Sinne, als es die Düfte des Dschungels getan hatten. Die Zeit schien still zu stehen, hatte keine Bedeutung mehr in dieser grauen Masse. Denver schaltete seinen Scheinwerfer ein, aber selbst dieser war nicht in der Lage, durch diese trübe Suppe zu dringen. Er verfluchte sich dafür, den M-Anzug auf
Methan zurückgelassen zu haben; die Infrarot-Systeme der Helme hätten ihnen nun gute Dienste leisten können. Doch dann endlich waren sie durch die Nebel hindurch und vor ihnen öffnete sich ein Talkessel – gewaltig, fast kreisrund, von mehreren Kilometern Durchmesser. Im grellroten Scharlachlicht lag er unter ihnen. Die von wuchernden Ranken bedeckten Felswände zu ihren Füßen fielen in steilem Winkel mehr als fünfzig Meter in die Tiefe ab. Der Boden des Talkessels war von Buschwerk und hohen Gräsern bedeckt, welche weit weniger aggressiv und bedrohlich wirkten, als die exotisch wilde Welt des Tals. An unzähligen Stellen wurde der dichte Pflanzenteppich von scharfen Felsnadeln durchbrochen. Im Norden schimmerte ein kleiner See, der von dichtem Dschungel umsäumt war. Der schmale Fluß war an dieser Stelle zum Wasserfall geworden, welcher losend und donnernd in die Tiefe stürzte und von dem schillernde Schleier feinster Wassernebel aufstiegen. Es war ein Anblick paradiesischer Schönheit nach der Hölle, die sie durchschritten zu haben meinten. Doch für all dies hatten die beiden jungen Männer keine Augen... Ihre Blicke hafteten ungläubig auf dem, was sich direkt vor ihnen, mitten im Zentrum des Talkessels, erhob: Ein metallener schlanker Turm, fast achthundert Meter hoch, reckte sich stolz – wie ein gewaltiges Monument – in den Himmel! Atemlos standen sie da und konnten nicht fassen, was sie sahen, glaubten an einen Spuk. Das unruhige Licht des Scharlach-Himmels schuf atemberaubende Reflexe auf der silbrigen Außenhaut des Raumers, dessen zwölf mächtige Ausleger sich tief in den Boden gegraben hatten. Etwa zwei Kilometern war das unbekannte Raumschiff entfernt, das Chris Denver auf unbegreifliche Weise vertraut vorkam... Denver strengte sich an, in dem unwirklichen Licht Details auszumachen, kniff die Augen zusammen. Warum hatten sie auch kein Fernglas mit dabei? Er entdeckte ringförmig
angeordnete runde Ausbuchtungen auf der Haut des Raumers... Geschütze? Und dann – Denver glaubte zu träumen! – konnte er den Namen erkennen, der in großen schwarzen Lettern auf das nackte Metall geschrieben stand: ANDROMEDA! * Halo der Galaxis – eine geradezu unvorstellbar gewaltige Materiewolke geringer Dichte, durchzogen von Kugelsternhaufen. Eingebettet darin: Das Milchstraßensystem, Milliarden von Sternen... Die POINT OF stand scheinbar bewegungslos im Raum, nur wenige tausend Lichtjahre vor der Schwelle zur Unendlichkeit, dem Expect – einem energetischen Vakuum, dessen Initialschwelle jedem Raumschiff, das seinen Weg zu einer anderen Galaxis suchte, ein unabänderliches und tödliches Stop zurief. Jeder Raumer, der diese Initialschwelle überschritt, verging in einem Inferno entfesselter Energien; nicht einmal die, in ihrer Technik unübertroffene, POINT OF könnte diese Grenze je Überwinden. Das angenehm blaßblaue Licht, das die Zentrale des Ringraumers in seinen schattenlosen Schein tauchte, hatte beruhigende Wirkung. In der Bildkugel schwebte majestätisch eine gleißende Spirale: das atemberaubend schöne Abbild der Heimatgalaxis der menschlichen Rasse. Es war jener unbeschreibliche Anblick, der den Menschen Mal um Mal ergriff, in seinen geistigen Grundfesten packte und erschütterte, ihn aufrüttelte und sein Denken veränderte. Wer einmal in seinem Leben den gewaltigen Schritt dorthin an die Grenze zum Expect getan hatte, erhaschte einen Hauch der Erkenntnis von den Wundern des Universums. Es war ein Bild, das die Gedanken der Menschen mit Frieden erfüllte – im Angesicht einer Galaxis wurden menschliche Probleme plötzlich klein,
bedeutungslos. Und für Momente wurde der Mensch wahrhaftig zum kosmischen Wesen, fühlte er die ganze Kraft und Größe der Schöpfung. Doch nicht für lange bestimmten solch philosophische Gedanken sein Denken, bald schon keimte wieder jenes rastlose Etwas in ihm auf, jener undefinierbare Drang, der seine Vorfahren vor Jahrmillionen aus dem Urschlamm und schließlich zu den Sternen getrieben hatte. Ein Anruf aus der astronomischen Abteilung riß Ren Dhark, Commander der Planeten, aus seinen Gedanken. Er wandte seine Blicke von der silbrig schimmernden Galaxis-Spirale ab und musterte fragend das Konterfei Jens Lionels, das auf dem kleinen Bildschirm der Bordverständigung erschienen war. »Wir haben die besagte Wolke ausgemacht, sie liegt 2,37 Lichtjahre von unserem jetzigen Standort entfernt. Es grenzt an ein Wunder, daß wir die Dunkelwolke überhaupt anmessen konnten, sie ist kaum groß genug, ein kleines Sonnensystem in sich aufzunehmen. Zum Glück sind die Störungen des Magnetfeldes aber hier draußen sehr viel schwächer, als...« Eine dringende Meldung unterbrach den Chef-Astronomen der POINT OF, sein Gesicht verschwand vom Bildschirm und machte dem Pal Hertogs Platz. »Commander; Hertog hier!« Der Astrophysiker sprudelte die Worte atemlos heraus. »Wir können von Glück sagen, daß unsere Transition glatt verlaufen ist! Nur etwa eine Lichtstunde von unserem Standort entfernt haben wir eine Raumverwerfung angemessen, die alles bisher dagewesene weit in den Schatten stellt! Ich schlage vor diesen Sektor weiträumig zu meiden.« »Eine Raumverwerfung?« hakte Dhark bei dem erregten Astrophysiker nach. »Ja, Dhark, eine Art Riß in der Struktur unseres Kontinuums, oder auch eine Überlappung, wir haben das bisher noch nicht genau feststellen können. Jedenfalls herrschen im
weiten Umfeld um dieses Gebiet völlig abnorme Verhältnisse; ein Schiff, das in diesen Sektor gerät, könnte verschwinden, ohne jemals wieder aufzutauchen!« Dan Riker schnappte bei dieser Meldung nach Luft und sah den Commander entgeistert an. Was, wenn die Amphis uns nun absichtlich in dieses Gebiet gelockt haben, damit die Raumverwerfung uns verschlingt? ging es durch seine Gedanken. »Haben sie schon etwas über die Struktur der Wolke herausgefunden?« fragte Dhark scheinbar ungerührt. Hertog blickte hinter sich, nickte kurz und trat dann zur Seite, um seinem Kollegen Hu Dao By Platz zu machen, der das Gespräch mitbekommen hatte. »Dhark«, begann der Asiate, »die Werte, die wir aus der Wolke erhalten, sind höchst ungewöhnlich. Ihre äußeren Schichten sind so stark, daß unsere Taster kaum durchzudringen vermögen. Es scheint beinahe, als spielten sich in den Randregionen dieser Wolke energetische Vorgänge auf subatomarer Ebene ab, wie sie uns bisher noch nie begegnet sind. Dennoch haben wir den Eindruck, daß die Materieballung nach innen von einer weit geringeren Konsistenz ist und stark abnimmt, ebenso wie die undefinierbaren Energiefelder. Allerdings möchte ich von einem Einflug dringend abraten, da die Intervallfelder eventuell den Belastungen nicht gewachsen sein könnten.« Der Astrophysiker machte eine Pause, warf einen Blick auf eine neue Folie, die ihm gereicht worden war und überflog sie eilig. »Die Raumverwerfung bereitet einigen unserer Taster Probleme, so daß wir nicht ganz sicher sind, ob sich im Innern der Dunkelwolke eine Sonne befindet. Manches deutet darauf hin, anderes hingegen...« Er stockte, um dann fortzufahren: »Nun, wir sind uns mittlerweile ziemlich sicher, daß im Innern der Wolke eine Sonne existiert, können jedoch nicht sagen, welcher Kategorie sie angehört. Die Dunkelwolke ist in ihrer
ganzen Struktur ein Phänomen, das es nach unseren Erkenntnissen in dieser Form überhaupt nicht geben dürfte...« »Wie es so vieles eigentlich gar nicht geben dürfte...« murmelte Dhark und dachte dabei an Zwitt, einen Planeten, der hinter einer künstlichen Sonnenkorona lag. »Ich danke Ihnen.« Er schaltete ab und rief dann Glenn Morris in der Funk-Z. »Morris, haben Sie schon irgend etwas aufgefangen?« »Nein, Dhark, nicht das geringste. Auf sämtlichen Frequenzen nur Störungen. Ich habe versucht, die Amphis zu erreichen, aber die schweigen sich aus.« »Erron-1?« »Negativ, nicht einmal die kommen mehr durch.« Er zögerte, schien einen Moment lang nach Worten zu suchen, raffte sich dann aber auf und fuhr fort: »Ich glaube auch nicht, daß es nur die Störungen des Strahlungsfeldes sind, die den Hyperwellen Schwierigkeiten bereiten, da muß noch etwas anderes sein, das...« »Da könnten Sie durchaus Recht haben, Morris«, warf der Commander ein und seine Augen wurden schmal. »Unsere Astrophysiker haben eine Raumverwerfung angemessen, die für uns durchaus noch ein paar unangenehme Überraschungen bereithalten könnte. Versuchen sie es aber auf jeden Fall weiter, vielleicht haben Sie ja Glück und bekommen doch noch Kontakt.« »Ich tue was ich kann, wenn ich mir auch nicht allzuviel Hoffnung mache...« Er nickte Dhark noch einmal zu und unterbrach dann die Verbindung. Ren Dhark lehnte sich grübelnd im Kommandantensitz zurück, das markante Kinn in seiner rechten Hand vergraben. Cent Field hatte sich seit ihrer ersten Transition nicht mehr gemeldet und auch Erron-1, die wohl stärkste HyperfunkStation der Galaxis, blieb stumm. Magnetische Stürme, deren Strahlung die letale Grenze längst weit überschritten hatte, machten jeden Kontaktversuch im Keim zunichte.
Der Kommandant des Ringraumers war nachdenklich geworden – konnten sie es tatsächlich wagen, in die Wolke einzufliegen, ohne Cent Field zuvor informiert zu haben? Was, wenn Dan recht behalten sollte und ihnen die Amphis tatsächlich eine Falle stellten? Und selbst wenn die intelligenten Amphibien tatsächlich in Not sein sollten – war nicht in dem Funkspruch, den sie aufgefangen hatten, von einer tödlichen Gefahr beim Einflug in die Wolke berichtet worden? Dhark war sich selbst gegenüber aufrichtig: Noch vor ein paar Jahren hätte er ohne zu zögern den Einflug in die Wolke gewagt, hätte allein seinen Instinkten gehorcht. Doch er hatte sich verändert, die Zeit hatte auch bei ihm ihre Spuren hinterlassen, und er glaubte, inzwischen vernünftiger geworden zu sein. Nein, Cent Field mußte einfach wissen, wo sie waren, sonst war das ganze Unternehmen ein allzu leichtfertiges Risiko. Sicher, Olan wußte, daß sie die kleine Wolke angeflogen hatten, doch der Hypersender auf Tarran war zu schwach, die Störstrahlungen zu überwinden. Wie er das Problem auch drehte und wendete, er kam zu keinem Ergebnis. Da meldete sich Glenn Morris erneut über die Bordverständigung: »Dhark, mir ist da eine Idee gekommen: Der Signalstern müßte eigentlich in der Lage sein, einen ToSpruch zu empfangen, wenn wir ihn mit höchster Sendeleistung abstrahlen und mehrfach wiederholen! Ich brauchte aber den Checkmaster, um auf diese Entfernung die Antennen exakt auszurichten.« Es fiel Ren wie Schuppen von den Augen; er hätte sich ohrfeigen können dafür, daß ihm dieser Einfall nicht schon längst gekommen war. Der Signalstern – ein Leuchtfeuer in der Unendlichkeit – mußte tatsächlich in der Lage sein, die POINT OF zu empfangen. Es gab auf dem Planeten ein kleines Team von Wissenschaftlern, das die Raumschiffs-Friedhöfe untersuchte, die den gesamten Planeten bedeckten, und seine
geheimnisvollen unterirdischen Anlagen. Sollten die Störungen des galaktischen Magnetfeldes später abflauen, konnte der Signalstern Cent Field Meldung machen, oder auch ein Kurierschiff schicken. Der Commander traf augenblicklich seine Entscheidung. »Ein sehr guter Einfall Morris! Melden Sie dem Signalstern, daß wir in die Wolke einfliegen und geben sie unsere Koordinaten durch. Sollten wir uns innerhalb von zehn Stunden nicht wieder melden, soll Marschall Bulton nach eigenem Ermessen vorgehen. Schicken Sie den Spruch dreimal raus!« »In Ordnung!« Morris schaltete ab. Ren nickte zufrieden und wandte sich seinem Freund Riker zu. »Nun, Dan, noch irgendwelche Einwände gegen einen Einflug in die Wolke?« Dan Riker wirkte mürrisch und in seinen Mundwinkeln zuckte es; der Anpfiff seines Freundes steckte ihm noch in den Knochen, doch war der rote Fleck inzwischen von seinem vorspringenden Kinn verschwunden. Die buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, als er Dhark ernst anblickte und brummte: »Meine Ansicht kennst Du ja, auch wenn Du sie nicht hören willst. Nur frage ich mich, weshalb sich die Amphis jetzt nicht mehr melden, wo wir der Wolke doch schon so nahe sind. Kommt Dir das nicht auch seltsam vor?« »Nicht wenn man annimmt, daß die Amphis ihre gesamten Reserve-Energien in diesen einen Notruf steckten, den Erron-1 empfing.« An diese Möglichkeit hatte natürlich auch Riker schon längst gedacht, nur hatte er sie nicht favorisiert, da sie seinen eigenen Befürchtungen zuwiderlief. Er war noch immer der festen Überzeugung, daß mit den Amphis kein friedlicher Kontakt möglich war – und diese Meinung war, in Anbetracht
all der negativen Erfahrungen, die man mit dieser Rasse gemacht hatte, durchaus nicht unbegründet. »Commander, Signalstern hat bestätigt!« Der Triumph in der Stimme des bewährten Funk-Spezialisten signalisierte Dhark, daß Morris sein ganzes Können aufgewendet haben mußte, um den Kontakt herzustellen; dankbar nickte er ihm zu. Dann blickte er Dan Riker an und in seinen Augen funkelte es jungenhaft. »Tja, mein Lieber, dann steht unserem Flug in die Wolke ja wohl nichts mehr im Weg.« Er grinste schelmisch. »Na wie ist es, möchtest Du die POINT OF während des Einflugs übernehmen?« Dan schüttelte angewidert den Kopf. »Nein Danke, das kannst Du alter Sturkopf ruhig selbst erledigen.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Schließlich möchte ich es nicht verpassen, daß Deine goldenen Händchen uns wieder einmal mitten hinein in den herrlichsten Schlamassel bringen!« Dhark lachte und bewegte einige Steuerschalter, brachte sie in neue Positionen. Ohne seinen Freund anzusehen entgegnete er: »Schlamassel, die uns aber auch einiges eingebracht haben, wie Du zugeben wirst.« Riker antwortete nicht. Die Blicke aller Männer in der Zentrale hafteten auf der Bildkugel, als Ren Dhark den Ringraumer nun mit Sternensog beschleunigte und ihn auf den Kurs brachte, den die Instrumente ihm anzeigten. Im Schutz ihrer Intervallfelder durchbrach die POINT OF die Lichtmauer, ohne dabei den Normalraum zu verlassen. Nur kurze Zeit später schaltete er bereits wieder von Sternensog auf Sle um und verzögerte die Fahrt der POINT OF. Vor dem Ringraumer hatte sich ein konturloses, sternenfreies Loch gebildet; fast wirkte es, als hätte ein Riese ein großes Stück aus der schillernden Galaxis-Spirale und dem dahinterliegenden Sternenmeer herausgebissen. Die dichten Materieschichten der Dunkelwolke schluckten jegliches Licht,
absorbierten es völlig. Mit erwartungsvoller Spannung sahen die Männer dem Einflug in die Dunkelwolke entgegen. Dharks Blicke pendelten zwischen der Bildkugel und dem Instrument, welches die Belastung des Intervallfeldes anzeigte. Immer näher rückte der pechschwarze Schlund; von der Milchstraße waren nur noch die äußersten Ränder zu erkennen. Eine undefinierbare Schwärze machte sich in der Bildkugel breit, eine Schwärze, die alles, was sie berührte, zu verschlingen schien und damit ein Gefühl von Gefahr in den Männern weckte. Einen Augenblick lang spielte der Commander mit dem Gedanken, mit Hilfe einer Kurztransition in das Innere der mysteriösen Wolke vorzudringen und so die äußere Materieschicht zu umgehen. Er verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder, da die Gefahr, in unmittelbarer Nähe oder sogar mitten in einer Sonne zu rematerialisieren, einfach zu groß war – und den daraus resultierenden Belastungen wäre nicht einmal das fantastische Unitall gewachsen gewesen. Kein Ruck ging durch den Ringraumer, als er auf die Materieballung traf. Dafür aber schnellte die Belastung des doppelten Intervallfeldes schlagartig auf achtzig Prozent! Dan Riker warf dem Freund einen beschwörenden Blick zu, doch Dhark reagierte nicht. Unaufhaltsam drang die POINT OF in das Innere der Wolke vor. Intervallbelastung hatte bereits über neunzig Prozent erreicht, weiter steigend! Sämtliche M-Konverter waren hochgefahren worden, Spulbänke und Transformer des Schiffes drangen mit ihrem Lärm durch die Isolationen und schufen auch in der Zentrale des Ringraumers ein Gefühl akuter Bedrohung. Wagte der Commander diesmal doch zuviel? Intervallbelastung siebenundneunzig Prozent! Noch hatte die Gedankensteuerung nicht eingegriffen und Ren Dhark das Kommando über die POINT OF entzogen. Das
Schiff gehorchte dem leisesten Druck auf die Steuerschalter, suchte seinen Weg durch energetisch komprimierte Materie. Urplötzlich sank die Belastung der Intervallfelder auf unter drei Prozent! Grelles Licht flutete durch die Bildkugel in die Zentrale und blendete die Männer, noch bevor die Automatik die gleißende Helligkeit abblenden konnte. Dhark blinzelte und wischte sich die Tränen aus den schmerzenden Augen. Als seine Netzhaut sich wieder einigermaßen erholt hatte, betrachtete er die grellweiße Sonne genauer, die so unverhofft vor der POINT OF aus der undurchdringlichen Schwärze der Dunkelwolke aufgetaucht war. »Als wenn man durch eine Eierschale fliegt und plötzlich das Dotter vor sich sieht...« Die Stimme Leon Bebiers, des zweiten Offiziers, klang heiser, als er den ungewöhnlichen Vergleich aufstellte. Falluta warf ihm einen schiefen Blick zu. Fasziniert blickten die in der Zentrale Anwesenden auf die Bildkugel, in welcher durchscheinend bläuliche Materiewolken wie kosmischer Nebel träge schwebten. Kristallene Asteroiden, die im Licht der weißen Sonne wie Diamanten blitzten, schufen die Illusion von Sternen vor der schwarzen Hülle der Wolke. Und wie eine grünlich schimmernde Perle hing ein Planet zwischen den strahlenden Schleiern kosmischen Staubes. Noch nie zuvor waren Menschen auf ihren Reisen durch die Unendlichkeit des Universums auf solche Schönheit gestoßen. Aus der Astro-Abteilung kamen derweil die ersten Angaben über das unbekannte Sonnensystem: Drei Planeten. Der innerste eine lunagroße glühende Felskugel, Nummer drei ein Gasgigant mit mörderischen Schwerkraftwerten. Auch die Daten des zweiten Umläufers klangen wenig einladend: Eine Wüstenwelt von 15.031 Kilometern Durchmesser. Keine Monde. Rotation 37:14,36 Stunden. Umlaufzeit um die Sonne 473 Tage. Schwerkraft beachtliche 3,2 G. Durchschnittstemperatur 63,9 Grad Celsius. Die
Atmosphäre war bedingt atembar, wenn auch ihr Kohlendioxyd-Anteil erschreckend hoch lag. Wenn die Amphis tatsächlich auf dieser Well notgelandet sein sollten, blieb nur zu hoffen, daß die Druckkörper ihrer Flunder-Schiffe unbeschädigt geblieben waren – andernfalls würde das trockenheiße Klima sie binnen kürzester Zeit umgebracht haben! Da gellte die Stimme Tino Grappas durch die Zentrale: »Dhark! Die Taster haben etwas erfaßt, auf Koordinate Gelb 43:27,03. Entfernung 17,4 Millionen Kilometer. Aber bei allen Sternenteufeln, wenn die Werte stimmen, dann...« Er verstummte, starrte ungläubig auf seine Instrumente, die ihm etwas Ungeheuerliches angezeigt haben mußten. Ren Dhark war bei den ersten Worten des OrtungsSpezialisten aus seinem Sitz gesprungen und zu ihm geeilt. »Sehen Sie sich das nur an, Dhark!« Die Stimme des Mailänders klang brüchig. »Fast zehn Kilometer Länge, aber...« Er stockte abermals, schüttelte fassungslos den Kopf. »Aber betrachten Sie bloß einmal die Werte der Energieortung! Dhark, dagegen sind die Konverteranlagen von Erron-1 geradezu ein Nichts! In dem Ding muß eine Sonne brennen!« Ren warf einen Blick auf die Instrumente, versuchte aus den vielen einzelnen Werten ein Bild aufzubauen. Er sah Grappa ruhig an, dem der Schweiß auf die Stirn getreten war. »Ein Raumschiff?« »Oder eine Raumstation? Aber wer baut solche Giganten? Und sehen Sie sich die Massenortung an: bei dem geringen spezifischen Gewicht würde das Ding in jedem Ozean Terras schwimmen! »Fremdortung?« »Negativ, die Taster zeigen Nullwerte. Das Ding straft uns anscheinend mit Verachtung.« Das holografische Schema des Ortungs-Monitors stellte das monströse Gebilde als langgestreckte Nadel dar, mit undefinierbaren,
warzenähnlichen Auswüchsen zu allen Seiten und einer klobigen Verdickung im Bugteil. Eine echte Symmetrie war nicht feststellbar. »Ein Gigant des Alls...« murmelte Dhark beeindruckt. Dann aber ging ein Ruck durch seinen Körper, als er sich der eigentlichen Mission der POINT OF entsann. »Beobachten Sie es weiter, Grappa, und melden Sie jede Veränderung. Wir werden uns zunächst den zweiten Planeten dieses Systems näher ansehen, für die Amphis kann jede Minute zählen! Diesen Raumer können wir uns auch später noch vornehmen.« Während Ren Dhark sich abrupt umwandte und zu seinem Platz vor den Steuerkonsolen zurückbegab, ließ Tino Grappa keinen Blick von dem fremdartigen Raumgiganten; das Schiff schien eine unverhohlene Warnung auszustrahlen. Der letzte Satz des Commanders ging ihm dabei nicht aus dem Kopf. Hoffentlich nimmt dieses Ding sich nicht uns vor! geisterte es als stummes Echo durch sein Hirn. Ren ließ sich in den Konturensessel fallen, der Blick seiner braunen Augen geisterte für Augenblicke ins Leere. Dan Riker sah seinen Freund sorgenvoll an. »Du machst Dir Sorgen wegen dieses Raumers, stimmt's?« Auf der Stirn des Commanders hatten sich drei steile Falten gebildet. Er nickte ernst. »Wie könnte ich nicht, Dan? Ich kann den Funkspruch der Amphis nicht vergessen, in dem sie von einem möglichen Angriff beim Einflug in die Wolke sprechen. Was sonst als dieses Schiff dort draußen könnten sie gemeint haben?« »Meinst Du nicht, es wäre doch besser, wenn wir es uns ansehen? Noch hätten wir vielleicht das Überraschungsmoment auf unserer Seite.« Die Worte Dans gaben dem Commander zu denken, er wirkte unschlüssig. Der Gedanke mit dem Überraschungsmoment konnte sich tatsächlich als entscheidend
erweisen. »Gut Dan, Du hast recht! Ich werde drei Flash starten lassen, die...« Er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu Ende zu führen. Ein gewaltiger Schlag traf den Ringraumer! Die POINT OF bäumte sich auf und wurde aus dem Kurs gerissen! Hart krachte Dhark gegen das Instrumentenpult, für Sekunden schwanden ihm die Sinne. Das Intervallfeld glühte auf unter dem turmdicken, grellvioletten Strahl, der von dem unbekannten Raumer auf die POINT OF zugeschossen war! Zuckende Reflexe flossen, Irrlichtern gleich, über den Schutzschirm. Ein zweiter Treffer erschütterte den Unitallkörper des Ringraumers und zerfetzte das schützende Mini-Kontinuum in einem einzigen Feuersturm! Das Licht in der Zentrale flackerte, große Teile der Instrumentenkonsole waren bereits tot. Der Boden des Leitstandes begann zu vibrieren, die POINT OF ächzte in allen Verstrebungen. Der dritte Strahlschuß traf auf nacktes Unitall und erzeugte ein irres Schrillen, daß der Besatzung fast die Trommelfelle zerriß! Ein Schwerkraftstoß drückte die Männer in die Sitze, riß andere von den Füßen! Die Andruckabsorber stimmten mit ohrenbetäubendem Heulen in das Orchester des Verderbens ein, das künstliche Schwerkraftfeld im Innern der POINT OF wurde instabil, begann zu schwanken. Noch bevor Ren Dhark sich wieder erhoben und das Blut aus den Augen gewischt hatte, das ihm aus einem Riß in der Stirn lief, griff die Gedankensteuerung ein und brachte den Ringraumer auf eine neue Flugbahn. Sternensog sprach an, um aber im selben Augenblick wieder zu ersterben... Ein undefinierbares, nervenzermürbendes Sirren, das immer stärker anschwoll, begann die Besatzung der POINT OF wahnsinnig zu machen. Niemand achtete auf die Mediziner Hanfstick und Maitskill, die durch das halb offene Schott in die
Zentrale geeilt kamen und sich um die Verletzten zu kümmern begannen. »Checkmaster zeigt rot, Commander!« gellte Fallutas Schrei durch den Leitstand. Sämtliche Steuerschalter waren blockiert, das Licht in der Zentrale wurde Zusehens schwächer – die Energieversorgung im Schiff brach zusammen! In den Waffensteuerungen saßen Bud Clifton und Jean Rocheard verzweifelt vor den Kontrollen und mußten hilflos mitansehen, wie der unbekannte Gegner Mal um Mal zuschlug – ihre Waffensysteme waren ohne Energie, die Sensoren blockiert! Ren Dhark versuchte, wieder etwas Klarheit in seinen Kopf zu bringen. Mit gehetzten Blicken kontrollierte er die Instrumente, versuchte zu erfassen, was geschehen war. Das Intervallfeld, welches die POINT OF vor allen Einflüssen schützte, existierte nicht mehr! Von den Konvertern kam keine Energie, die Reserven gingen rapide dem Ende entgegen! Tino Grappas Stimme kam, sich überschlagend, von den Ortungen: »Commander, wir liegen in einem Traktorstrahl! Das fremde Schiff zieht uns an!« Dhark erhaschte einen Blick auf die Bildkugel, in welcher nun der monströse Körper des unbekannten Raumers rasend schnell näherkam. Fast sah es aus, als käme eine überdimensionale Nadel auf die POINT OF zugeflogen, um sie aufzuspießen, wie ein lästiges Insekt. In diesem Augenblick dröhnte plötzlich die unpersönliche Stimme der Gedankensteuerung in allen Köpfen auf: »Höchste Gefahr! Alle M-Konverter ertobit! Sofort das Schiff verlassen, in sieben Minuten tritt Todarr in Kraft!« Dem Commander der Planeten schwindelte. Todarr! Das Ende der POINT OF! Seiner POINT OF! Die Gedankensteuerung befahl, das Schiff zu räumen, aber wie? Sie hatten nicht genug Flash, um alle Besatzungsmitglieder in Sicherheit zu bringen! Nie zuvor hatte Ren Dhark sich so hilflos und verzweifelt gefühlt, wie in
diesen Momenten, als die letzten sieben Minuten der POINT OF an ihm vorbeirasten. Sechzig Menschen würden mit ihr sterben! Durch seine Schuld? * »Ein Raumschiff!« keuchte Akira Murakami, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte. »Mein Gott, wie kommt es hierher?« Chris Denver nahm seine Blicke keine Sekunde von dem schlanken, schätzungsweise achthundert Meter hohen Raumer, der sich vor ihnen in den wolkenverhangenen Scharlachhimmel reckte. »Die ANDROMEDA!« preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Bei allen Sterneuteufeln, das ist doch vollkommen unmöglich...« »Sie kennen das Schiff?« fragte der junge Japaner verblüfft. »Na und ob ich es kenne! Die ANDROMEDA war auf der Akademie so etwas wie eine Legende – das letzte Schiff, das Terra noch verlassen konnte, bevor die Giants...« Er stockte, fuhr dann heiser fort: »Bevor die Menschheit von den Giants endgültig versklavt wurde!« Der rötlich glänzende Schiffskörper begann plötzlich vor den Augen des Leutnants zu verschwimmen. Es konnte nicht sein, er mußte träumen. Wurde er etwa verrückt, hatte der Wahnsinn seine Klauen bereits nach ihm ausgestreckt? Schweiß trat ihm auf die Stirn. Murakami entging die plötzliche Veränderung Denvers nicht. Sorgenvoll packte er ihn an der Schulter und rüttelte ihn leicht. »Leutnant! Was ist denn plötzlich los mit Ihnen...?« Die Berührung holte Chris aus den verwirrten Abgründen seines Bewußtseins in die Realität zurück, in seinem Gesicht zuckte es. Seine Augen suchten die des Japaners, der plötzlich das Gefühl hatte, von Denvers stechendem Blick durchbohrt zu werden.
»Akira«. stammelte er, »halten Sie mich bitte nicht für verrückt, aber das, was wir da unten sehen, kann es nicht geben... nicht mehr!« Der Geologe mit den schwarzblauen Haaren verstand kein Wort von dem, was sein Kommandant ihm sagen wollte. Denvers Blicke gingen wieder zu dem Raumschiff. Mit tonloser Stimme begann er zu erzählen: »Am 10. Oktober 2051 startete von Cent Field ein Kolonistenraumer der GalaxisKlasse, ein Schwesterschiff jener GALAXIS, mit der Ren Dhark seinerzeit auf Hope strandete. Es war die ANDROMEDA! Ihr Ziel war der vierte Planet des WegaSystems...« Als Denver nicht weitersprach forschte Murakami nach: »Ja und? Was ist so ungewöhnlich daran, wenn...« Chris schoß mit einem Ruck vor, packte den Japaner und starrte ihn mit einem Blick, in dem der Wahnsinn flackerte, an. Zu Tode erschrocken wich der Geologe zurück, doch Denver ließ nicht los. »Verdammt, Akira! Die ANDROMEDA wurde zerstört, vernichtet! Vor zehn Jahren wurde sie auf Wega-IV zerschmolzen und mit ihr fünfzigtausend Kolonisten!« Mit stählernem Griff zog er den völlig fassungslosen Japaner herum und deutete zu dem Raumer hinüber. »Und nun sehen Sie sich das an: Kein Kratzer am Rumpf! Und da unten: Menschen! Da, sehen Sie sie? Da und da, zwischen den Landebeinen!« Wieder brachte er das Gesicht des Japaners ganz dicht vor das seine. »Die leben, Akira, sie leben!« Er schrie die Worte jetzt. »Aber wenn die leben, dann müssen wir doch tot sein! Wir...« Ein harter Schlag Murakamis traf Denvers Kinn und ließ den Leutnant in das weiche, knöchelhohe Gras sinken. Als er sich wieder erhob, war das fiebrige Flackern aus seinem Blick
verschwunden. Er rieb sich das schmerzende Kinn und nahm einen langen Zug aus seiner Wasserflasche. Geraume Zeit saßen sie nur so da, betrachteten das Raumschiff, das es eigentlich gar nicht geben durfte und hingen ihren Gedanken nach. Dann endlich brach der Japaner das bedrückende Schweigen. »Sagen Sie Leutnant, sind Sie ganz sicher, daß... Ich meine, stimmt das, was Sie vorhin von der ANDROMEDA erzählten?« Chris Denver hob müde den Kopf und nickte ernst. »Ja, Akira, es stimmt, so wahr Sie und ich hier sitzen. Die ANDROMEDA landete vor zehn Jahren auf Wega-IV und wurde von einem unbekannten Gegner fast vollständig vernichtet. Keiner überlebte das Massaker! Die TF errichtete vor ein paar Jahren ein Denkmal, als sie die Überreste des Schiffes fanden.« Er seufzte und blickte zum Himmel. »Aber wozu sich Gedanken machen, es kann ja doch nicht sein. Wahrscheinlich träumen wir das alles auch nur. Wer weiß, erst das Pflanzengas im Dschungel, dann die vulkanischen Dämpfe im Nebel...« »Leutnant...« »Sagen Sie Chris!« »Okay, Chris... mir ist da ein Gedanke gekommen, aber ich weiß nicht, ob...« Er zögerte. »Na los, Akira, immer heraus damit!« Chris Denver lachte leise in sich hinein. »Verrückter kann's sowieso nicht mehr werden!« »Nun, es ist so, daß ich vielleicht eine Erklärung für das alles habe...« Mit einem Male war der Leutnant wieder hellwach. Ungläubig starrte er den Japaner an. »Eine Erklärung? Sie meinen, daß wir nicht...?« »Hören Sie, Chris, es kann vorkommen, daß ein Mann Halluzinationen hat; aber daß gleich zwei dieselbe verrückte
Einbildung haben, das ist meiner Ansicht nach unmöglich! Ich bin zwar kein Fachmann auf diesem Gebiet, aber ich könnte mir vorstellen, daß der Transmitter mit all dem zusammenhängt. Vielleicht können Rankel oder Door genaueres sagen, aber...« »Nun kommen Sie, Akira, spannen Sie mich doch nicht unnötig auf die Folter! Wenn Sie eine Idee haben, dann lassen Sie sie hören!« »Also gut!« Murakamis Stimme hatte ihren festen Klang wiedergefunden. »Der Transmitter hat uns nicht nur durch den Raum geschleudert, sondern auch durch die Zeit! Wir sind nicht in unserer Gegenwart wieder herausgekommen, sondern zehn Jahre früher!« Im ersten Moment meinte Chris Denver, sich verhört zu haben, war er versucht in schallendes Gelächter auszubrechen. Doch dann begann sein scharfer Verstand zu arbeiten und das eben Gehörte zu analysieren. Was war an Murakamis Vermutung eigentlich so lächerlich? Was wußten sie denn schon über die genaue Funktionsweise des Transmitters? Bisher hatten sie ja noch nicht einmal die geringste Ahnung, wer ihn gebaut hatte. »Ein Zeit-Transmitter, hm«, murmelte er nachdenklich und fuhr sich durch das kurze blonde Haar. Er entsann sich, daß es auch auf der POINT OF einmal ein Gerät gegeben hatte, das Verschiebungen der Zeit gestattete – an Bord eines Raumers, der im selben Sonnensystem entdeckt worden war, wie der Transmitter. Warum sollten nicht andere etwas ähnliches entwickelt haben? Hatte der Transendor vielleicht deshalb keinen Endpunkt der Transmitterstraße angezeigt? Hatte er sie, statt ins Nichts, in eine andere Zeitebene geführt? »Mein Gott, wenn das wahr wäre, Akira...« Schlagartig wurde Chris Denver klar, welche Gefahren ein solcher Zeittransmitter heraufbeschwören konnte, wenn er in die
falschen Hände geriet. Die Konsequenzen dieser Entdeckung waren überhaupt nicht absehbar. Doch dann bemerkte der Leutnant plötzlich, wie weit ihn all diese Überlegungen von den eigentlichen Problemen abgebracht hatten, die sie zur Zeit beschäftigen mußten; um das Problem der Zeitverschiebung konnten sie sich später noch ausgiebig kümmern. Vor ihnen, inmitten eines gewaltigen Talkessels, stand das Schiff. Ob es aus einer anderen Zeit kam, spielte keine Rolle – jetzt jedenfalls war es Teil ihrer Gegenwart, und er würde eine Entscheidung treffen müssen. »Ihre Idee ist gar nicht so verrückt, wie ich zunächst angenommen habe, Akira, nur sehr ungewöhnlich.« Er kratzte sich das Kinn. »Aber im Augenblick sollten wir uns überlegen, wie wir uns jenem Raumschiff und seiner Besatzung gegenüber verhalten sollten.« »Nehmen wir Kontakt auf?« Denver schüttelte bedächtig den Kopf und antwortete dann ernst: »Nein, ich denke nicht. Jedenfalls noch nicht!« Sein Blick kehrte sich für Sekunden nach innen, als er leise fortfuhr: »Wer weiß, was wir andernfalls vielleicht anrichten würden... Die Zeit ist viel zu gefährlich, als daß man mit ihr herumspielen dürfte!« Wieder saßen sie nachdenklich im Grat, während neben ihnen der Wasserfall in die Tiefe donnerte, und beobachteten das geschäftige Treiben um das Schiff herum. Es konnte noch nicht sehr lange her sein, daß die ANDROMEDA auf dieser Welt gelandet war; vielleicht ein paar Tage, denn die Kolonisten waren gerade dabei, die ersten Kunststoffbungalows zu errichten. Ständig wurde Material ins Freie geschafft. Es herrschte hektische Betriebsamkeit dort unten, und den beiden jungen Männern, die am Rande des Abhangs im Gras lagen und dies alles beobachteten, fiel es unendlich schwer, nicht einfach hinunterzueilen – dorthin wo Menschen waren, die Rettung so nah zu sein schien...
* Todarr! Todarr! Todarr! Immer wie der dröhnte dieses eine Wort durch den Schädel des Commanders. Ren Dhark, sonst ein Meister der Fähigkeit zweigleisigen Denkens, fand keinen Ausweg. Seine Gedanken jagten sich und schienen doch wie gelähmt zu sein. Mechanisch nahmen seine Hände Schaltungen vor, doch selbst unter Aufbietung seines gesamten Erron-3-Wissens gelang es ihm nicht, die Blockierung der Kontrollen aufzuheben – die Gedankensteuerung hatte übernommen. Und selbst wenn es ihm gelingen sollte, wieder die Kontrolle über das Schiff zu erlangen, die Konverter der POINT OF waren ertobit; dreiundzwanzig kugelförmige, nahtlose Tanks lieferten keine Energie mehr! Ertobit – die Gedanken Ren Dharks fixierten sich auf diesen einen Begriff, erst kürzlich erhaltenes Mentcap-Wissen wurde aktiv. Die M-Konverter bezogen ihre Energien nicht durch Umwandlung oder Aufspaltung von Materie, wie man lange Zeit angenommen hatte, sie bezogen vielmehr ihre Energien direkt aus einem übergeordneten Kontinuum. Ein M-Konverter erzeugte solange Energie, bis der Paronn-Kristall in seinen Innern zerfallen war; häufig geschah dies erst nach Jahrhunderten. War es jedoch soweit, so lieferten die Konverter keine Energie mehr, wurden sie ertobit. Nahezu unbegrenzte Energiemengen standen durch die Paronn-Kristalle zur Verfügung. Doch das Absorbieren und Umformen von Energien höherer Ordnung barg auch Gefahren in sich; tödliche Gefahren! Todarr! Die Paronn-Kristalle in sämtlichen Konvertern, die den Ringraumer mit Energie versorgten, waren außer Kontrolle geraten, ›mutierten‹ in einer unberechenbaren Kettenreaktion, öffneten dabei den Strömungen des Hy-Kons – des Hyper-
Kontinuums – ein Tor, das nicht wieder zu verschließen war. Das Hy-Kon, sonst als Waffe gegen feindliche Raumer eingesetzt, drohte nun der POINT OF selbst zur unentrinnbaren Falle zu werden! Und dieses mal war kein Robot-Ringraumer in der Nähe, der die Konverter neu beschicken konnte. Der Ringraumer würde in ein übergeordnetes Kontinuum gerissen, aus dem es keine Flucht gab! »Sofort das Schiff verlassen, in sechs Minuten tritt Todarr in Kraft!« In einer Geste, die Verzweiflung ausdruckte, ballte Ren Dhark die Fäuste und schwang sich mit seinem Kommandantensitz herum. Alle Blicke ruhten auf ihm, jeder war überzeugt, daß er einen Ausweg finden würde – wie immer... Er wußte es besser: Die POINT OF würde hier, am Rande der Unendlichkeit verschlungen werden, und mit ihr sechzig Menschen – Menschen, die ihm vertrauten, ihm ihre Hoffnung schenkten. Was sollte er ihnen sagen, was konnte er tun? Ein Teil der Besatzung könnte sich vielleicht mit den Flash retten, doch wer sollte diese bestimmen – wer durfte Überleben, wer sterben? Niemand konnte ihm die Entscheidung abnehmen, er mußte sie treffen, er allein, und das schnell, denn die Sekunden rasten dahin! Nicht einmal mehr sechs Minuten! Mit traumwandlerischer Bewegung näherte Ren Dhark seine Rechte der Bordverständigung. Welchen Befehl sollte er geben? Tödliche Stille hatte sich in der düsteren Zentrale der POINT OF breit gemacht. Da gellte erneut Tino Grappas Ruf von den Ortungen durch den Leitstand des Ringraumers. Ren ruckte hoch. »Dhark, ich orte einen Transmitter! Auf dem Schiff, das uns beschossen hat, gibt es einen aktiven Transmitter!«
Mit wenigen Schritten stand der Commander neben dem Ortungs-Spezialisten. »Können Sie unseren Transmitter auf die fremde Station justieren?« »Ich bin mir nicht sicher... der Transmitter scheint auf Empfang geschaltet zu sein, aber ich weiß nicht, ob er mit unseren korrekt zusammenarbeitet, das Risiko...« »Wir haben keine andere Chance«, warf Dhark ein, »wir müssen es einfach riskieren! Stellen Sie die Verbindung her!« Ein gräßlicher Gedanke unterbrach plötzlich seine aufkeimende Hoffnung. »Die Kontrollen sind doch nicht blockiert, oder...« »Nein!« Grappa war fieberhaft damit beschäftigt, die nötigen Schaltungen vorzunehmen, nie zuvor hatte er seinen Kollegen Yell so vermißt wie in diesen Momenten. »Aber es wird nicht leicht... Ich weiß nicht wieso, aber die dort drüben benutzen anscheinend pulsierende Frequenzen! Ich hoffe nur, daß der Checkmaster das frißt!« »Sofort das Schiff verlassen, in fünf Minuten tritt Todarr in Kraft!« Die seelenlose Stimme der Gedankensteuerung konnte Ren Dhark nicht mehr schrecken, er schaltete die Bordverständigung auf Rundruf. »An Alle!« Die Stimme des Commanders klang fest und sicher wie üblich, keine Spur von Nervosität war feststellbar. »Wir befinden uns in einer akuten Notlage. In zwei Minuten hat sich jeder mit angelegtem Raumanzug bei den Flash einzufinden. Verteilen Sie sich auf die Flash und warten Sie weitere Befehle ab. Nehmen Sie nur das absolut nötigste mit. Die Roboter sofort in die Zentrale!« Er schaltete um auf die Funk-Z, rief Glenn Morris: »Morris, konnten Sie noch einen Notruf absetzen?« »Ja, aber ich bin nicht sicher, ob wir empfangen wurden. Als die Energie abfiel, ist hier alles zusammengebrochen, und ich weiß nicht, ob die Reserven...«
»Schon gut«, winkte Dhark ab, »Sie haben Ihr bestes getan! Räumen Sie jetzt die Funk-Z, und kommen Sie in die Zentrale!« Ren warf einen Blick zu Dan Riker, suchte in den Augen des Freundes dessen Einverständnis. Er war sich des Risikos, durch den Transmitter an Bord des Raumers zu gehen, der sie angegriffen hatte, durchaus bewußt, doch andererseits lag darin ihre einzige Chance – wenn sie auch verschwindend gering war... Riker nickte ernst und erhob sich aus seinem Sessel, um den M-Anzug anzulegen. Bevor auch Dhark seinen Anzug überstreifte, ließ er seine Blicke über die in der Zentrale anwesenden Männer schweifen. Mit Glenn Morris und Arc Doorn, die gerade durch das auffliegende Schott stürmten, waren sie zu siebt. Die POINT OF verfügte über achtundzwanzig Flash, die jeweils zwei Personen aufnehmen konnten, das Verhältnis ging demnach sehr gut auf. Der Commander kehrte zu den Ortungen zurück, sah Tino Grappa über die Schulter. »Nun, Grappa, wie sieht es aus?« »Moment noch, Sir, ich bin gleich... Da, wir haben es!« Triumph lag in der Stimme des Mailänders, als er sich nun erhob und nach seinem Raumanzug griff. Dhark trat einige Schritte zurück und sah zur Galerie hinauf, wo Arc Doorn damit beschäftigt war, eine der in den Unitallwänden verborgenen Transmitterantennen zu aktivieren; gerade öffnete sich eines der flimmernden Dimensionstore. Die Speicherreserven reichten demnach aus. Der rothaarige, bullige Sibirier trat beiseite und machte den beiden T-N-Robotern Platz, deren Aufgabe es war, den Transmitterbereich zu sichern – niemand konnte wissen, welche Gefahren von der unbekannten Gegenstation drohten. Als die seelenlose Stimme der Gedankensteuerung verkündete, daß die letzten beiden Minuten der POINT OF angebrochen
waren, hatte auch der letzte Mann in der Zentrale seinen MAnzug übergestreift. Während sich die Besatzung der Zentrale zu dem Transmitter begab, eilte Ren Dhark zur Bordverständigung und rief die Flash. »Warren, hören Sie mich? Alles klar bei Ihnen?« »Alles in Ordnung, Commander«, kam die ruhige Stimme des erfahrenen Flashpiloten aus dem Lautsprecher. »Alle Flash sind startbereit!« »Hören Sie mir zu, Rul!« – die Stimme des Commanders klang beschwörend und befehlend zugleich, duldete keinen Widerspruch – »Sie haben das Kommando über die Flash. Sie werden sofort starten! Wenn Sie die POINT OF verlassen haben, nehmen Sie Kurs Cent Field! Ich werde mit dem Rest der Besatzung versuchen, per Transmitter in den fremden Raumer zu gelangen. Versuchen Sie nicht, uns dorthin zu folgen...« »Aber Dhark, was wenn Sie da drüben...« fiel ihm der Flashpilot ins Wort. »Warren, das war ein Befehl, keine Bitte! Sie fliegen nach Cent Field und informieren Marschall Bulton!« Es schien dem erfahrenen Flashpiloten, als wollte Dhark noch etwas sagen, doch dann nickte er ihm nur noch einmal zu, murmelte »Viel Glück!« und unterbrach die Verbindung. Als Ren mit schnellen Schritten der metallenen Treppe zuhetzte, die ihn auf die obere Galerie bringen würde, erhaschte er aus den Augenwinkeln einen Blick in die Bildkugel, die ihm die startenden winzigen Körper der Flash zeigte, welche sich mit Höchstgeschwindigkeit von dem Ringraumer entfernten. Der unheimliche Fremdraumer, dem sich die POINT OF mittlerweile bis auf wenige Kilometer genähert hatte, verhielt sich zu seiner grenzenlosen Erleichterung passiv. Doch noch immer war die POINT OF ohne Energie in einem unüberwindlichen Kraftfeld gefangen.
»Höchste Gefahr! Sofort das Schiff verlassen, in einer Minute tritt Todarr in Kraft!« Begann er zu fantasieren, spielten seine überreizten Nerven ihm einen Streich? Es war dem Commander, als fühlte er bereits ein eigentümliches Ziehen unter seiner Schädeldecke, auch schienen die Wände des Ringraumers nicht mehr stabil zu sein, wirkten transparent, schienen in einem opalisierenden Licht zu zerfließen... Der Anfang vom Ende? Todarr? Ren Dhark zwang sich zur Ruhe, eiskalte Überlegung gewann wieder die Oberhand. Er wandte sich an den T-NRobot, der der ringförmigen Transmitterantenne am nächsten stand. »T-N-07«, sprach er die Maschine an, deren äußeres Erscheinungsbild entfernt menschlich war, »gehe durch den Transmitter, stelle fest, ob irgendwelche Gefahren drohen und komm dann sofort wieder zurück!« »Verstanden!« Das Maschinenwesen setzte sich in Bewegung und trat durch das flimmernde Feld des Transmitters, verschwand darin und tauchte fast im selben Moment wieder auf. »Keine Gefahr!« tönte die metallene Stimme. »In der Umgebung der Empfangsstation befindet sich kein lebendes Wesen. Verteidigungssysteme waren nicht zu entdecken. Atmosphäre jedoch giftig.« Dem Commander blieb keine Zeit mehr für Emotionen wie Erleichterung oder Dankbarkeit, es blieben nur noch Sekunden, um zu handeln! »Also gut, wir verlassen die POINT OF! Gehen Sie durch den Transmitter und sammeln Sie sich auf der anderen Seite!« Arc Doorn machte beherzt den ersten Schritt durch die Antenne, Leon Bebir und Hen Falluta folgten, dann Glenn Morris zusammen mit Tino Grappa. Als schließlich auch der letzte T-N-Roboter in dem irisierenden Feld verschwunden war, blieben nur noch Ren Dhark und Dan Riker in dem verwaisten Ringraumer zurück –
der strahlend schönen POINT OF, die nun zu einem Geisterschiff geworden war... In ihren Köpfen zählte die Gedankensteuerung die letzten Sekunden...! Dan nahm die plötzliche Erstarrung seines Freundes wahr, meinte plötzlich zu erkennen, daß Ren nicht bloß Abschied nehmen wollte von seinem Schiff, sondern... Riker stieß den Freund in das Erfassungsfeld des Transmitters und sprang dann selbst hinterher. Sekunden später begann die Hülle des Ringraumers im Licht des Opals zu strahlen. Dann riß der Raum um die POINT OF plötzlich auf! Der Raumer wurde in einen formlosen Abgrund gerissen; eine fremde, unergründliche Dimension nahm sie auf, verschlang das herrliche Schiff, dem die Menschheit so unendlich viel verdankte! Die POINT OF war verschollen in der Unendlichkeit von Zeit und Raum... * Colonel Huxley ließ sich von dem grünleuchtenden Gleitfeld sanft der Piste des Raumhafens entgegentragen. Als seine Füße den festen Boden berührten, machte er ein paar Schritte nach vorn, reckte sich dann behaglich und atmete die würzige Luft Esmaladans ein. Er genoß den Anblick üppigen Grüns, das den Raumhafen zu allen Seiten umschloß. Es war warm und die geringe Schwerkraft von nur 0,87 G machte sich angenehm bemerkbar. Esmaladan war eine wunderschöne Welt, die Utaren hatten sich hier ein wahres Paradies geschaffen. Zwei der fünf kleinen Monde standen am Himmel und waren, trotz des strahlenden Sonnenscheins, am stahlblauen Himmel deutlich auszumachen. Dieser Planet weckte ein Gefühl des Friedens in dem ergrauten Colonel.
Wie sehr unterschied sich doch dieser Raumhafen von der rein zweckmäßigen Betonwüste Cent Fields; von den Utaren konnten die Menschen wahrlich noch sehr vieles lernen. Auf ihrem gesamten Planeten gab es, mit Ausnahme des Regierungspalastes, kein Gebäude, das über mehr als drei Stockwerke verfügte. Die Häuser in denen die kleinen Humanoiden lebten, lagen inmitten herrlicher Parkanlagen, von denen keine der anderen glich. Die Utaren waren Meister des Gartenbaus. Es war tatsächlich die einzige Kunstform, die sie zur vollen Blüte entwickelt hatten. Malen, oder die Kunst des Bildhauens waren ihnen offenbar fremd; sie erschufen lieber Gärten. Zwar liebten die Utaren auch die Musik, doch ihr Geschmack in dieser Richtung war... nun... eigen. Huxley konnte sich nicht entsinnen, jemals eine Welt betreten zu haben, die ihn auf Anhieb so für sich gefangennahm, wie Esmaladan. Ein lauer Wind strich durch sein Haar und er dachte wieder an die kleine Berghütte, in die er sich auf Terra verliebt hatte... Huxleys romantische Schwärmereien wurden unterbrochen, als er aus dem Augenwinkel einen Gleiter entdeckte, der auf den goldenen Körper der CHARR zugeflogen kam. Die abgeflachte Ellipse, aus deren Hülle eine pyramidenförmige Steuerkanzel wuchs, näherte sich schnell. Innerlich betete Huxley in diesen Augenblicken, daß die Utaren ihn und seine Begleiter nicht zu einem jener berüchtigten Essen einladen würden, denn die sympathischen Wesen schätzten so appetitliche Dinge wie lebende Schnecken als große Delikatesse – sie nahmen ausschließlich lebende Nahrung zu sich! Der Schweber landete in einer eleganten Kurve, die Schleuse öffnete sich und ein Utare trat heraus, der die für sein Volk so typische grellbunte, enganliegende Kleidung trug. Der kaum einen Meter große Utare winkelte die Arme leicht an, so daß die offenen Handflächen auf Huxley deuteten. Die Stimme
des kleinen Humanoiden mit den ausdrucksvollen dunkelblauen Augen war erstaunlich kräftig, als er Huxley, Prewitt und Maxwell nun freundlich begrüßte: »Willkommen auf Esmaladan, Terraner. Ich bin Ki Goju und wurde beauftragt, euch zu der großen Weisheit bringen, die über allen Utaren leuchtet und sie mit ihrem unermeßlichen Wissen beschenkt. Wenn ihr mir bitte folgen würdet.« Colonel Huxley ahmte die Geste des Utaren nach und erwiderte den Gruß. Dabei forschte er in seinen Erinnerungen nach allem, was er über die Utaren gehört hatte. Das System, nach dem sich ihre Namen bildeten, war eigentümlich und praktisch zugleich. Der Vornahme, der immer aus nur zwei Buchstaben bestand, bezeichnete den Beruf des Utaren – Ki stand zum Beispiel für Pilot, Lo für Wissenschaftler. Wurde jedoch ein Utare in eine der Weisheiten gewählt, so legte er den alten Vornahmen ab und bildete den neuen statt dessen aus den ersten beiden Buchstaben seines Hauptnamens – die größte Auszeichnung für einen Utaren. Huxley setzte sich in Bewegung und folgte dem Piloten; Prewitt und Maxwell gingen ihm schmunzelnd nach. Sie betraten gebückt das schmucklose Innere der Flugmaschine und setzten sich – zum Stehen war die Decke viel zu niedrig. Das Schott schloß sich hinter den drei Männern, der Gleiter hob lautlos ab und im selben Moment wurden auch die grauen Wände der Kabine transparent; sie gewährten einen ungetrübten Blick auf die Schönheiten Moms, der Hautstadt Esmaladans. Noch deutlicher kristallisierte sich nun heraus, daß Mom in Wahrheit gar keine Stadt im eigentlichen Sinne des Wortes war, sondern vielmehr eine gewaltige Ansammlung hübscher, von Grün umgebener Bungalows. Alamo Gordo wirkte im Vergleich dazu wie ein monströses Gebirge aus Beton und Glas und Stahl...
Die Maschine nahm direkten Kurs auf das Regierungsgebäude, das sich, unweit des Raumhafens, fünfhundert Meter hoch in den Himmel schwang. Seine Form entsprach in etwa der eines halbierten Eies. Ein Außensegment des Prachtbaus wurde instabil, immateriell, und der Gleiter flog durch die entstandene Öffnung in das beeindruckende Bauwerk ein. Der großzügig gestaltete Hangar war in angenehmes Licht getaucht, etwa zwanzig Gleiter desselben Typs standen auf der weiträumigen Landefläche verteilt. Die Maschine landete, ihre Wände wurden wieder undurchsichtig. Das Schott öffnete sich. Hinter Ki Goju verließen die drei Terraner den ellipsenförmigen Gleiter und folgten ihm zu einem ovalen Schott in der Wand des Hangars. Als sie es erreicht hatten, winkelte der Pilot die Arme an und deutete mit den offenen Handflächen auf eine Stelle neben dem Schott, das etwa zwei Meter hoch und drei Meter breit war. Im selben Moment gab es kein Schott mehr, es war einfach verschwunden, und ein langer, gerader Gang lag vor ihnen. Die Handflächen des Utaren zeigten nun wieder auf die Terraner. Mit seinen Knopfaugen sah er Huxley freundlich an. »Ich werde Euch hier verlassen. Das Transportband wird Euch zum Ende des Ganges bringen, wo der Sprecher der Großen Weisheit, Ya Yaki, Euch erwarten wird.« Huxley erwiderte die Geste und nickte dem kleinen Humanoiden freundlich zu. »Ich danke Dir, Ki Goju. Auf Wiedersehen.« »Möge die Weisheit über Euch leuchten in allen guten und schlechten Tagen.« Ki Goju wandte sich um und entfernte sich zielstrebig. Es war für Terraner immer wieder erstaunlich, wieviel Würde und Ausdruckskraft diese kleinen Wesen ausstrahlten, selbst jetzt noch, nachdem sie ihr hochmütiges Verhalten den Terranern gegenüber längst abgelegt hatten – ein Hochmut, der vor allem aus Mißtrauen geboren worden war.
Sie traten durch die Öffnung in den Gang und ließen sich vom Transportband ihrem Ziel entgegentragen. Erstaunt musterten die Menschen dabei die Wände des Ganges. Nichts machte hier mehr den Eindruck, als wäre es in hektischer Eile entstanden. Bilder und Verzierungen von einer Farbenpracht und Leuchtkraft, wie sie keiner der drei je zuvor zu Gesicht bekommen hatte, raubten ihnen fast den Atem. Also doch Kunst... Während die fremdartigen Zeichnungen an ihm vorbeiglitten, hatte Huxley plötzlich den Eindruck, als wäre in diesen eine Botschaft verborgen, schien es ihm, als würden sie eine Geschichte erzählen, die er nicht verstehen konnte. Prewitt und Maxwell erging es ähnlich. Dann endlich kam das Ende des Ganges in Sicht und die Mauer dort verschwand auf ebenso geheimnisvolle Weise, wie das Hangarschott. Ya Yaki erwartete die Terraner in einem angenehm ausgestatteten ovalen Raum, der in der Länge knapp zehn Meter durchmaß und etwa drei Meter hoch war. Seine Einrichtung war auf menschliche Bedürfnisse abgestimmt. Der Sprecher der großen Weisheit trat den drei Männern entgegen und in seinen Augen leuchtete es freundlich. Er streckte Huxley die Hand entgegen, der sie ergriff und fest drückte. Maxwell und Prewitt aber streckte Ya Yaki die Handflächen entgegen und machte dann eine einladende Handbewegung zu den drei Sesseln, die vor einem flachen, bunten Steintisch standen. Huxley lächelte, angenehm berührt davon, daß Ya Yaki ihn mit dem für Terraner typischen Händedruck begrüßt hatte; es bewies ihm, wie sehr sich der Utare über ihre Anwesenheit auf Esmaladan freute – normalerweise lehnten Utaren körperliche Berührungen strikt ab, wahrten sie eine strenge Individualsphäre. Die Freundschaft zwischen Menschen und Utaren war in den letzten Jahren stetig gewachsen und hatte begonnen,
Früchte zu tragen; trotz ihrer geringen Bevölkerungszahl waren sie, neben den Nogks, mittlerweile Terras wichtigste Verbündete zwischen den Sternen. Huxley, Maxwell und Prewitt ließen sich in die üppig gepolsterten Sessel fallen, die sich ihren Körperformen sofort exakt anpaßten. Die Weichheit der Sessel vermittelte ein Gefühl behaglicher Bequemlichkeit. »Gestattet mir, meinen Pflichten als Gastgeher nachzukommen.« Auf einen Wink Ya Yakis schoben sich vier Gläser aus der fugenlos glatten Tischplatte; deutlich war zu sehen, daß sich die Flüssigkeit im Glas des Utaren von der in den übrigen drei Gläsern unterschied. Maxwell warf Huxley einen Blick zu, in dem das Flehen: »müssen wir denn wirklich...?« nur allzu deutlich zu lesen stand... Huxley ergriff daraufhin mit entschlossener Geste sein Glas und nahm – in Todesverachtung – einen Schluck. Angenehm überrascht stellte er das gläserne Gefäß zurück auf die Tischplatte und leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen; das Getränk schmeckte fruchtig, etwas herb, und schien keinen Alkohol zu enthalten. Prewitt und Maxwell taten es dem Colonel nach und waren ebenso angenehm berührt, wie dieser. Entspannt lehnten sie sich in den weichen Polstern zurück, die jeder Bewegung ihrer Körper augenblicklich folgten. Huxleys Blick aber wurde plötzlich ernst, er beugte sich vor. »Ich danke Dir, Ya Yaki, für diesen außerordentlich freundlichen Empfang. Doch es sind sehr ernste Probleme, die uns nach Esmaladan geführt haben, und ich fürchte, die Zeit läuft uns davon. Ich weiß, daß es schwierig sein wird, meine Bitte zu erfüllen, doch ich möchte die Weisheit der Utaren ersuchen, mir sämtliche Informationen über die Synties zu übergeben: wer sie sind, was sie sind, woher sie kommen...«
Ya Yaki, der bislang mit überkreuzten Beinen hinter dem flachen Tisch gehockt hatte, war aufgesprungen, in seinen ausdrucksvollen Augen standen Unglauben und Erschrecken. »Die Synties, Huxley?« Die kräftige Stimme des winzigen Utaren bebte. »Weißt Du, was Du von uns verlangst, mit Deiner Bitte? Was kann so wichtig sein, daß...« »Diese Aufzeichnung dürfte alle Fragen beantworten, Ya Yaki!« unterbrach der Colonel den Sprecher der Großen Weisheit. Mit entschlossener Bewegung zog er einen HoloWürfel aus der Tasche, schaltete ihn auf Projektion und stellte das streichholzschachtelgroße Gerät vor Ya Yaki auf den Tisch. Der Utare setzte sich wieder und verfolgte die dreidimensionale Aufzeichnung, die vor seinen Augen, über dem Tisch frei in der Luft ablief. Er wurde Zeuge des gräßlichen Verbrechens der Synties am Volke der Nogks. Die feingliedrigen Hände des Utaren begannen zu zittern, sein Blick wechselte von Unverständnis über Entsetzen bis zu hilfloser Verzweiflung. Als die Aufzeichnung endete, war Ya Yaki in sich zusammengesunken und schien kaum mehr zu atmen. Huxley ließ ihm Zeit, sich von dem Schock zu erholen. Erst nach Minuten kam wieder Leben in den Körper des Utaren, dessen Augen nun seltsam glanzlos wirkten. Er hatte sich jedoch schnell wieder gefaßt, mit festem Blick schaute er Huxley in die Augen. »Ich verstehe nun, was Du meinst, Huxley, auch wenn ich es nicht zu fassen vermag! Seit Urzeiten schon sind die Synties zwischen den Welten als die Bewahrer des Friedens bekannt – nie nutzten sie ihre Macht selbstsüchtig oder in böser Absicht...« Ya Yaki stockte, in seinen Mundwinkeln zuckte es, dann erhob er sich langsam.
»Ich werde euch nun allein lassen, denn nur die Weisheit allein kann entscheiden, ob wir Euch unser Wissen mitteilen werden. Wartet hier auf mich, während ich Euer Anliegen vortrage.« Abrupt drehte sich der Utare um und ging auf eine Stelle in der Wand zu, die sich lautlos vor ihm öffnete. Prewitt, Maxwell und Huxley blieben mit ihren Gedanken allein zurück. Sie hatten jedoch nicht lange zu warten, denn schon nach wenigen Minuten kehrte Ya Yaki zurück. Erwartungsvolle Blicke waren auf ihn gerichtet, als er hinter dem Tisch wieder Platz nahm. Seine Stimme hatte schon fast wieder ihren altgewohnten festen Klang, als er zu sprechen anfing. »Die Weisheit hat entschieden: Wir werden unser Wissen mit Euch teilen. Ich werde euch Terranern nun weit mehr mitteilen, als wir Utaren eigentlich dürften, denn wir schworen den Synties, ihre Geheimnisse zu bewahren. Doch die Umstände zwingen uns nun, es euch mitzuteilen. Huxley, es gibt nur eine Erklärung, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte: Die Wiedergeburt der Synties muß gestört worden sein!« Dem Colonel und seinen Begleitern stockte der Atem. »Wiedergeburt...?'' Ya Yaki nickte bedächtig. »Ja, Huxley, so nennen wir die Phase der Regeneration, die die Synties in einem Zyklus durchlaufen, der nach Euren Begriffen Jahrhunderte währt. Es ist noch nicht lange her, daß die Synties ihre Quelle des Lebens aufsuchten, um die Erneuerung zu empfangen. Seither aber schweigt unser Nuragih, der Mental-Kristall, welcher Kontakte zu den Synties ermöglichte.« Die Gedanken der drei Terraner jagten sich, zuviel hatte in den wenigen Worten des Utaren gesteckt, als daß sie es hätten fassen können: Wiedergeburt... Quelle des Lebens... MentalKristall!
Doch Ya Yaki fuhr bereits fort: »Wir wissen aus Legenden, daß die Quelle des Lehens auf einem Planeten ruht, der eine fast erloschene rote Sonne umkreist. Sucht diese Sonne in der Nähe des Zentrums unserer Galaxis, wenn ihr die Antworten sucht. Mehr können wir Euch leider nicht sagen.« Die Stimme des Utaren nahm plötzlich einen beschwörenden Tonfall an, als er weiter sprach: »Doch Huxley, vergesse das Eine nicht: Sollte es Euch gelingen, jene Sonne zu finden und mit ihr die Quelle des Lebens, so meidet jene Welt! Landet nicht! Unsere Legenden sind vage, doch soll jede Besatzung, die den Planeten des Lebens betritt, dem Tod geweiht sein. Denkt daran, wenn Ihr die Quelle des Lebens sucht – der Leichtsinn würde Euch ins Verderben führen!« Die drei Terraner versuchten noch, das Gehörte zu verarbeiten, während sie sich längst wieder auf dem Rückweg zur CHARR befanden. Was Ya Yaki ihnen mitgeteilt hatte, war so unglaublich, daß... Doch dann regte sich wieder der Pragmatiker in Huxley und er begann sich zu fragen, ob sie es rechtzeitig schaffen würden, in den unglaublichen Weiten des Sternendschungels die einsame kleine Sonne zu finden – eine Sonne über die kaum mehr bekannt war, als daß sie den Synties als Quelle des Lebens diente... * Es traf den Commander wie ein Schlag! Zentnergewichte schienen plötzlich auf seinen Schultern zu lasten, zwangen ihn zu Boden; er taumelte, brach in die Knie. Kräftige metallene Hände packten im letzten Moment sanft zu und verhinderten, daß er kraftlos zu Boden stürzte. Der Transmitter der POINT OF hatte ihn aufgenommen und mitten hinein in eine Schwerkrafthölle katapultiert! Ren Dhark kämpfte gegen den Druck an, der ihn in die Knie zwingen wollte und fand schließlich sein Gleichgewicht wieder.
»2,4 Gravos, Dhark! Das haut auch den stärksten Mann von den Füßen!« Arc Doorn hatte die Worte mit vor Anstrengung verzerrtem Gesicht geknurrt. Mehr als das Doppelte des normalen Körpergewichts lastete auf den Männern, raubte ihnen den Atem. Mit einem saftigen Fluch auf den Lippen kämpfte sich auch Dan Riker wieder auf die Beine und versuchte seinen jagenden Puls zu beruhigen. Das Erfassungsfeld der Transmitterantenne glühte in dunklem Rot, ein Licht, das geisterhafte Schatten in die verzerrten Gesichter der Männer zauberte, die fremdartige Umgebung noch bizarrer und bedrohlicher wirken ließ. Ren blickte sich, hob den Blaster vom Boden, den er bei der unsanften Landung verloren hatte und sah sich dann um, sammelte dabei erste Eindrücke. Der Raum, in dessen Wand die Transmitterantenne eingelassen war, konnte als solcher im eigentlichen Sinn gar nicht bezeichnet werden, vielmehr glaubten sich die Männer im Innern einer natürlich gewachsenen Grotte; natürlich und doch unendlich fremdartig – so als lauerte etwas in diesen aufgequollenen, porösen Wänden. Dhark versuchte die Abmessungen zu schätzen, was ihm aber nicht gelang, da die dichte, grünliche Atmosphäre und das schummrig rote Licht jegliche Konturen verwischten. »Als befände man sich im Magen eines Ungeheuers...« murmelte Bebir mit verzerrter Stimme. Obwohl die Heizung seines Raumanzuges perfekt arbeitete, lief es ihm eiskalt über den Rücken. Glenn Morris hatte sich bereits einige Meter entfernt und suchte die Wände nach einem Ausgang ab. Geisterhaft irrte der Lichtkegel seines Scheinwerfers über die zerrissenen Strukturen der Wände, Morris selbst wurde von den trüben Schatten fast verschluckt. Der Sibirier Doorn, dessen phänomenales Gespür für Fremdtechnologien sich schon so oft bezahlt gemacht hatte, begann derweil mit der Untersuchung der eigentümlichen Transmitterantenne, die als silbriges,
plattgedrücktes Oval aus der Wand wuchs – etwa vier Meter hoch und fast sieben Meter breit – und versuchte das Geheimnis ihres Mechanismus' zu entschleiern. Lichtquellen schien es außer dem Transmitterfeld keine zu geben. Überhaupt war außer der Antenne nichts technisches in dem unwirklichen Raum zu entdecken. Der Helmfunk übertrug nur das schwere Atmen der Männer. Sind wir tatsächlich in einem Raumschiff gelandet, ging es durch Dharks Gedanken, oder hat uns der Transmitter weiterbefördert, irgendwohin auf einen fremden Planeten geschleudert...? Sein Blick fiel auf die T-N-Roboter, deren Waffensysteme nicht ausgefahren waren – ein Umstand, der ihn etwas beruhigte, da die feinen Sensoren der Maschinenwesen demnach keine Gefahrenquellen ertastet hatten. Dan trat neben den Freund und ließ sich leicht in die Knie sinken. Dann blickte er auf und suchte Rens Blick. »Irgendwie erinnert mich das alles verdammt an unser Abenteuer mit Biest«, knurrte er leise und ein Schauer schüttelte seinen Körper. »Erinnerst Du Dich noch, Ren?« »Wie könnte ich das je vergessen, Dan?« erwiderte Dhark und ballte unbewußt die Fäuste. »Ich kann nur hoffen, daß Du damit nicht recht behältst!« »Wie auch immer, das hier ist jedenfalls niemals gebaut worden. Das wirkt, als wäre es... gewachsen!« Dhark machte ein paar mühsame Schritte in Richtung der Wand der Grotte und ließ seine behandschuhte Hand über das eigentümliche Material gleiten. »Du könntest recht haben, Dan«, murmelte der Commander und drückte mit seiner behandschuhten Faust fest zu. Fast bis zum Ellenbogen drang sein Arm in das poröse Material ein. Als er ihn wieder zurückzog, war die filmdünne Haut des M-Anzugs von feinstem, weißlichem Staub bedeckt.
»Weiter innen wird es fester.« Ren nickte nachdenklich und wischte sich den Staub vom Arm. In feinen Wolken verteilte er sich im Raum, sank aber sehr schnell wieder zu Boden. »Ja, Dan, das scheint tatsächlich gewachsen zu sein...« Arc Doorn, der das Gespräch mit halbem Ohr verfolgt hatte, richtete sich aus seiner hockenden Position auf und sah zu den beiden Männern hinüber, der Ausdruck auf seinem Boxergesicht war skeptisch. »Gewachsen? Ein zehn Kilometer langes Schiff?« Mehr sagte der wortkarge Sibirier nicht. Er widmete sich wieder der Betrachtung des unbekannten Transmitters, tastete Millimeter um Millimeter mit geradezu akribischer Geduld ab und verfluchte dabei innerlich den M-Anzug, den er trug, und der ihn, trotz der nur filmdünnen Haut, bei seiner Arbeit behinderte. Tino Grappa kniete neben ihm und leuchtete das schimmernde Metall der Kingantenne mit dem Scheinwerfer ab. »Dhark, ich glaube ich habe hier einen Ausgang entdeckt!« Die Stimme Bebirs, der wie Morris und Falluta mit der Untersuchung der Wände begonnen hatte, klang aufgeregt. »Doorn, kommen Sie doch mal hier rüber! Vielleicht können Sie mit dem Mechanismus etwas anfangen.« Unwillig erhob sich Doorn, murmelte etwas Unverständliches und stapfte dann mit schweren Schritten zu Leon Bebir hinüber. Dhark und Riker schlossen sich ihm an und bahnten sich einen Weg durch die Finsternis, die mit jedem Schritt stärker wurde. Die Kegel der Scheinwerfer rissen immer abstraktere Gebilde aus der gestaltlosen Dunkelheit; ineinander verschlungener Formen, die mit den Schatten zu einer Szenerie verwuchsen, die in den Männern ein Gefühl der Beklemmung weckte. Zufällig fiel der Blick Dan Rikers auf das Außenthermometer seines Raumanzugs: dreiundsiebzig Grad Celsius! Er machte Dhark darauf aufmerksam. »Diese
Temperaturen, Ren... und sieh Dir bloß die Druckwerte an! Bei allen Raumgeistern, welches Lebewesen hält so was aus? Was lebt auf diesem Schiff...?!« »Das werden wir wohl noch früh genug erfahren, Dan. Aber sei vorsichtig mit vorschnellen Schlüssen, immerhin gibt es in den Ozeanen der Erde Tiefseefische, die weit höhere Drücke aushalten, und sogar im kochenden Wasser vulkanischer Quellen gibt es...« »Ja Ren, sogar bei fast hundert Grad kann noch Leben existieren«, unterbrach ihn Riker heftig, »aber das sind Mikroben! Die bauen keine Raumschiffe wie dieses!« »Ich hoffe, Du hast recht, Dan«, Dhark grinste schwach und seufzte leise, »andernfalls stünden unsere Chancen nämlich ziemlich schlecht, mit der Besatzung dieses Raumers Kontakt aufzunehmen.« »Du meinst tatsächlich, die lassen mit sich reden, nachdem Sie alles versucht haben, die POINT OF in Atome zu verwandeln?« Einen Moment lang war es, als würde alle Kraft aus dem Körper des Commanders weichen, als Riker ihn an sein Schiff erinnerte. Doch er hatte sich sofort wieder in der Gewalt und blickte den Freund ernst an. »Dan, welches Volk dieser Galaxis hat bisher nicht zunächst versucht, die POINT OF vernichten? Utaren, Tels... Und fast alle sind inzwischen unsere Freunde geworden. Wir müssen uns wohl damit abfinden, daß es noch immer Völker gibt, die in den Ringraumern unserer Vorfahren eine Bedrohung sehen.« »Dein Wort in Gottes Ohr«, knurrte Riker, längst noch nicht überzeugt. »Wir werden sehen Dan.« Dhark gab sich alle Mühe, den Freund nicht spüren zu lassen, daß er selbst fast jeden Glauben an eine friedliche Verständigung verloren hatte – der Funkspruch der Amphis hatte eine zu deutliche Sprache gesprochen: Es war nicht die Form der POINT OF, die den
Angriff provoziert hatte, die Fremden hatten auch die Flotte der Amphis beschossen. Andererseits hatten sie in ihrer aussichtslosen Lage jeden noch so kleinen Strohhalm nötig, um sich daran festzuklammern, um sich nicht von vornherein aufzugeben. Nur sieben Mann... Der Commander würgte den Kloß herunter, der sich in seinem Hals zu bilden begann. »Außerdem, Dan«, nahm er das unterbrochene Gespräch wieder auf, und versuchte dabei seiner Stimme einen Klang zu gehen, der Zuversicht ausstrahlte, »wer weiß denn schon, ob die Besatzung dieses Raumers tatsächlich unter derartigen Bedingungen existiert? Vielleicht sollen ja auch nur ungebetene Gäste wie wir abgeschreckt werden.« Für Sekunden kehrte die Erinnerung an Cut-out zurück, wo er und Doorn durch einen Transmitter mitten hinein in eine Strahlenhölle geraten waren – so gesehen war es ihnen bisher weit besser ergangen, direkte Bedrohungen blieben aus. »Was mich vielmehr wundert, ist, daß bisher noch niemand nach uns gesehen hat. Überhaupt finde ich es unbegreiflich, daß der Transmitter unbewacht ist.« »Warten wir ab, was hinter diesem Raum auf uns wartet«, entgegnete Riker und das Gefühl der Furcht in ihm wuchs bei diesem Gedanken. Nur mit größter Willensanstrengung konnte er das Bild Anjas aus seinen Gedanken verbannen. Sie erreichten den Ausgang, als Doorn die Untersuchung des verschlossenen Schotts gerade abgeschlossen hatte. Er erhob sich, drehte sich um und zuckte mit den Schultern. »Irgendein Metall, Dhark, oder so was ähnliches. Ist ohne geeignetes Werkzeug nicht festzustellen.« Ren Dhark schob sich an dem Sibirier vorbei und leuchtete mit dem Kegel seines Scheinwerfers die fast glatte, schwach reflektierende Fläche des Türschotts ab – ein leicht unregelmäßiges Fünfeck von etwa drei Metern Kantenlänge. »Bekommen Sie es auf? Gibt es einen Mechanismus?«
»Den gibt es schon, Dhark.« Der Sibirier deutete auf ein seltsames Gebilde, das in einer Nische neben dem Schott eingelassen war. »Ist so primitiv, daß ich mich frage, wie so etwas in ein Raumschiff kommt.« Wie eine knochige schwarze Klaue mit sieben langen dürren Fingern, die sich den Männern gierig entgegenstreckten, wuchs der seltsame Öffnungsmechanismus aus der Wand, glänzte im Scheinwerferlicht metallisch. Dhark hatte nicht das geringste Bedürfnis, das seltsame Ding zu berühren. »Wie funktioniert es?« fragte der Commander schärfer als üblich, da es ihn maßlos zu ärgern begann, daß er dem wortkargen Sibirier wieder einmal jedes einzelne Wort aus der Nase ziehen mußte. »Ein primitives Code-Schloß, nichts weiter. Sie brauchen nur die Finger in die richtigen Kombination zu bringen und das Schott sollte aufgehen.« Doorn schüttelte den Kopf und lachte freudlos. »Pro Finger gibt es sieben Einrastungen... aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie wir es schaffen sollen, hunderttausende Kombinationen durchzuprobieren.« »Könnten wir uns nicht mit den Blastern durchschmelzen?« ließ Morris sich vernehmen. »Kaum«, brummte Doorn zur Antwort, zog seine eigene Waffe aus dem Halfter und klopfte mit dem Griff gegen das Metall. »Wenn mich nicht alles tauscht, ist das Metall mindestens zwanzig Zentimeter dick. Zuviel für unsere paar Blaster!« »Außerdem würden wir es uns dann wohl endgültig mit unseren Gastgebern verscherzen...« »Und den Transmitter können wir auch abschreiben, ist von hier aus nicht umzupolen. Rein kommt man, aber raus...« Doorn stieß einen Fluch in seiner Heimatsprache aus, ließ sich zu Boden sinken und streckte die Glieder aus, denen die hohen Schwerkraftwerte zu schaffen machten. Nach und nach tat es ihm der Rest des Teams gleich.
Auch Dhark gönnte seinem Körper etwas Entspannung, während sein Geist fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Dan hatte recht, ihre Situation war tatsächlich hoffnungslos. Sieben Mann in Raumanzügen, mit einer Ausrüstung, die nur als lächerlich zu bezeichnen war, stellten sich der Besatzung eines Schiffes entgegen, dessen Ausmaße alles bisher dagewesene in den Schatten stellte: eines Raumers, in dessen Innern die Energien einer Sonne kontrolliert wurden! Zufällig fiel Dharks Blick auf einen der T-N-Robots, die noch immer reglos neben der Transmitterantenne standen: Der letzte Trumpf, den Sie noch in Händen hielten. Die Roboter! Es fiel Dhark wie Schuppen von den Augen. Mit einem Ruck erhob er sich. »Was...?« »Moment Dan, mir ist da gerade eine Idee gekommen, die uns vielleicht hier herausbringen könnte...« Der Commander winkte den Roboter, der ihm am nächsten stand, zu sich heran. Die Maschine setzte sich sofort in Bewegung und kam mit geschmeidigem Gang näher; die erhöhte Schwerkraft beeinträchtigte die Funktionen dieser fantastischen Maschinenwesen nicht im mindesten – selbst mit den hundertfachen Gravoswerten wären sie noch spielend fertiggeworden. Ein knapper Befehl genügte und der Kunstmensch stellte sich vor die kleine Nische, seine Metallhände griffen nach dem Öffnungsmechanismus und begannen sofort in unglaublich rascher Folge die fingerähnlichen Hebel zu verstellen. Die Augen der sieben Männer waren nicht mehr in der Lage, den rasenden Bewegungen des Robots zu folgen. »Verteilen Sie sich an den Wänden neben dem Schott und suchen Sie Deckung!« rief Dhark seinem verdutzten Team zu. »Die Roboter sichern das Schott!« Die Männer zögerten keine Sekunde, Dharks Aufforderung nachzukommen. Sie drückten sich in die zahlreichen Nischen
und wurden von den Schatten verschluckt. Auch der Commander suchte Deckung, hielt den Blaster dicht an seinen Körper gepreßt. Voller Spannung beobachtete er, wie vierzehn T-N-Robots mit ausgefahrenen Waffenarmen vor dem mächtigen Schott Stellung bezogen, das sich jeden Moment öffnen konnte. Auf Ren Dharks Stirn bildeten sich feine Schweißperlen. Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Vierzehn Roboter hatten sich in tödliche Kampfmaschinen verwandelt und bildeten einen schier unüberwindlichen Wall, wahrend der fünfzehnte in rasendem Tempo das Codeschloß des Schotts bediente. Das Warten fraß an den Nerven. Die Finger, die sich fest um den Kolben des Blasters geschlossen hatten, wurden taub. Sein Mund begann trocken zu werden. Da wurde urplötzlich die Stille von einem schrillen Kreischen zerrissen – Metall schleifte gegen Metall, als sich das mächtige Schott Zentimeter um Zentimeter zu heben begann und den Weg freigab. * Der gewaltige Bildschirm der Funküberwachungszentrale Cent Fields schimmerte matt und zeigte das prachtvolle Emblem der Raumflotte. Sämtliche Hyperfunkfrequenzen lagen still, komplizierteste Sensorik sorgte dafür, daß die eigens reservierten Kanäle frei blieben. Kein Funkruf ging von dem mächtigsten Hyperfunksender Terras aus, nichts drang durch – der Äther war praktisch tot. Die Kommandanten hypermodernster Sternenschiffe fluchten wie Bierkutscher längst vergangener Jahrhunderte, als ihre Funkoffiziere ihnen resigniert mitteilen mußten, daß Cent Field auf keinen Funkruf mehr reagierte – konventionelle Funkfrequenzen waren nicht mehr zu benutzen, da sämtliche
Kanäle vollkommen überlastet waren. Die Warteorbits, kilometerhoch über Terra, füllten sich mit Schiffen, auf deren Bitten um Landegenehmigung nicht die geringste Reaktion erfolgte – seelenlose Automaten speisten sie mit den üblichen Bitten um Geduld ab. Längst waren die kleineren Ausweichhäfen Terras hoffnungslos überfüllt. Und es handelte sich bei weitem nicht nur um terranische Raumer, die gezwungen waren, über Terra Warteposition zu beziehen. Marschall Bulton nahm von alledem ebensowenig etwas wahr, wie Bernd Eylers, Chef der galaktischen Sicherheitsorganisation GSO. Die beiden Männer waren praktisch allein in den technischen Gewölben der Funküberwachung. Sämtliche Funkspezialisten genossen eine Stunde bezahlten Urlaubs; nur ein Mann war zurückgeblieben, und dieser eine Funkspezialist arbeitete bereits seit vielen Jahren verdeckt für die GSO. Die mächtigen Empfänger Cent Fields lauschten in das All, sämtliche Relaisschiffe eines bestimmten Quadranten warteten nur darauf, eine einzige Meldung weiterzuleiten, eine Meldung, die jeden Augenblick eintreffen mußte – eine Meldung, die die Geschicke Terras entscheidend beeinflussen konnte. Bulton ahnte nicht, daß Eylers tief in seinem Innern Angst vor dieser Botschaft hatte – Furcht vor der Entscheidung, die er vielleicht treffen mußte. Dankbar nahm der Chef der GSO den Becher heißen Kaffees entgegen, den Bulton ihm reichte. Sie betrachteten den Bildschirm von bequemen Sesseln aus, die sich ihren Körperformen exakt anpaßten, und dennoch hatte Eylers das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu sitzen. Er warf einen Blick aus den Augenwinkeln zu Bultons bulliger Gestalt. Die Anwesenheit des Befehlshabers der TF machte es für ihn nur noch schwerer – wie sollte er seine Entscheidung rechtfertigen? Eylers ertappte sich plötzlich dabei, zu hoffen, die Verbindung käme gar nicht erst zustande. Welchen Preis durfte er für das Wohl Terras bezahlen...?
Das Emblem auf dem Großbildschirm schien ihn auszulachen, zu verhöhnen. Eylers warf einen Blick auf sein Chrono und verfluchte sich selbst dafür, daß er die Kontrolle über sein Zeitgefühl verloren hatte; kaum zehn Minuten waren bisher vergangen. Seine Gedanken geisterten zurück in die jüngere Vergangenheit, verloren sich darin. Die Crecker...! Mutierte Tels, die sich zu Para-Monstren entwickelt hatten. Crecker, die augenscheinlich alles versuchten, Terra unter ihre Kontrolle zu zwingen. Bald tausend Schiffe waren es bereits, die diese Bestien in ihre Gewalt gebracht hatten! Eine Flotte, deren Vernichtungspotential kaum mehr abzusehen war. Die Methode, die sie dabei benutzten, war im Prinzip jedesmal dieselbe: Ein oder zwei Crecker drangen unerkannt zu einem Raumer vor und zwangen dessen Besatzung unter ihren Einfluß, machten sie zu willigen Helfern. Dabei wurden die Menschen jedoch nicht nur einfach hypnotisch unter Kontrolle gebracht – ihr Gehirn wurde verändert! Gravierende, irreparable Schädigungen der Bewußtseinszentren traten auf; Veränderungen, die nicht einmal ein Echri Ezbal mit seiner genialen Kunst wieder rückgängig machen konnte. Und was noch viel schlimmer war: Die beeinflußten Menschen wurden ihrerseits zu Hypnogiganten, die wieder andere Menschen unter den unheilvollen Einfluß der Crecker zwingen konnten! Tausend Schiffe, dachte Eylers bitter, mehr als zweihunderttausend Menschen, die nicht mehr sie selbst waren – es nie wieder sein würden... Nichts hatte die Crecker bislang aufhalten können – und es grenzte an ein Wunder, daß noch kein Mitglied der Regierung Terras übernommen worden war. Offenbar ging es den ParaMonstren in erster Linie darum, eine schlagkräftige Raumflotte aufzubauen. Doch kannte niemand ihre wirklichen Ziele. War Terra vielleicht nur ein winziges Stück in einem weit größeren
galaktischen Puzzle? Wollten die Tels Rache nehmen an Cromar, am Telin-Imperium, am Kluit, der vor Jahrhunderten die Vernichtung ihrer Heimatwelt befohlen hatte? Aber wie immer auch die Absichten der Crecker aussehen mochten, Terra konnte eine derartige Bedrohung nicht länger tatenlos hinnehmen – zumal die Situation sich in den letzten Monaten dramatisch verschärft hatte: Augenscheinlich war es den Creckern gelungen, auch Raumer zu übernehmen, die sich im Weltraum befanden... ohne daß ein Crecker dazu an Bord kommen mußte! Eylers selbst hatte den Plan entwickelt, der nun endlich Früchte zu tragen schien: Cyborgs waren unter die Besatzungen von Raumern der TF geschmuggelt worden, Cyborgs, die gegen die Para-Kräfte der Crecker immun waren, solange sie ihr zweites System aktiviert hatten. In der vergangenen Nacht war es dann endlich geschehen: Crecker kaperten einen S-Kreuzer, der einen GSO-Cyborg an Bord hatte – June Chiles, ein sympathisches, hübsches Mädchen, dem niemand ansah, welches Geheimnis sie in sich barg. Wenn es ihr wirklich gelungen war, die Crecker zu täuschen... Jede Sekunde mußte ihr Funkspruch eintreffen – wenn sie es geschafft hatte, den Zeitplan einzuhalten. Wenn nur die Strahlungswerte des galaktischen Magnetfelds konstant blieben... Der Ruf des Funkoffiziers riß Eylers aus seinen Gedanken. »Sir, es kommt etwas 'rein! Hyperfunk-Subfrequenz, ein Komprispruch. Ich entzerre.« Hyperfunk–Subfrequenz, soweit lief alles nach Plan. June Chiles sendete auf jenem engbegrenzten Band, das den Grenzbereich zwischen Normalkontinuum und Hyperraum bildete; kaum anzumessen, aber ebenso schwer zu empfangen. Deshalb waren auch sämtliche Funkeinrichtungen Cent Fields für diesen einen Spruch freigehalten worden.
Bulton krampften sich die Magenwände zusammen, als er die Stimme des Mädchens hörte. Er hatte sich nie ganz an Cyborgs gewöhnen können – Hybriden aus Mensch und Maschine – doch weibliche Cyborgs, Frauen, die sich künstliche Komponenten einpflanzen ließen... »Schlüssel D-T-371. Position: Arjadan. Übermittlungsrisiko Stufe Grün. Erbitte Bestätigung.« Die Stimme der Agentin im Phant-Zustand war von ihrer Normalstimme auch bei größter Aufmerksamkeit nicht zu unterscheiden, es schienen sogar Emotionen in ihr mitzuschwingen – Echri Ezbal hatte bei seinen neuesten Schöpfungen wahre Wunderdinge vollbracht. Der Bildschirm zeigte nach wie vor nichts weiter als das Emblem der TF – die Subfrequenzen erlaubten keine Bildübertragung –, dennoch konnte Eylers nicht verhindern, daß sich das Abbild der jungen Agentin für Augenblicke in seine Gedanken malte, als er ihre helle Stimme hörte. Er empfand weit mehr für June, als er sich als Chef der GSO eigentlich erlauben konnte; doch Eylers war Profi genug, sich selbst zu eiskalter Ruhe zu zwingen. In Bruchteilen einer Sekunde analysierte er die Meldung: Die Kennung war korrekt. Arjadan also, eine der Welten am Rande zum Telin-Imperiums. Das Übermittlungsrisiko war gering, sie konnten demnach frei sprechen, mußten nicht damit rechnen, daß jemand June überraschte und ihre Tarnung aufdeckte. Eylers ließ sich in den freien Sessel neben dem Funkspezialisten sinken und sah ihn fragend an. Als dieser nickte, drückte der Chef der GSO die entsprechende Taste und stellte über tausende von Lichtjahren hinweg eine Sprechverbindung her. »Bestätigung. Schlüssel G-A-101. Verbindung gut. Erbitte Lagebericht.« Die Stimme des OSO-Chefs klang ungewöhnlich heiser.
»Das Vertrauen der Crecker den umgeformten Terranern und Tels gegenüber ist vollkommen. Utaren und Nogks werden dagegen aus den Besatzungen der erbeuteten Raumer ausgesondert und nach Verhören sofort hingerichtet. Gefangene werden nicht gemacht!« Diese Worte jagten Eylers und Bulton Schauer des Entsetzens über die Rücken. Hinrichtungen! Wen die Crecker nicht unter ihre Kontrolle bringen konnten, den schlachteten sie gnadenlos ab – in ihren mutierten Hirnen schien tatsächlich nur das Böse einen Platz zu haben. »Achtung!« fuhr die Agentin fort »Sensorische Berechnung ergibt Wahrscheinlichkeit von 97,3 Prozent, daß sich sämtliche Crecker derzeit auf diesem Planeten aufhalten. Die Raumer, die sich noch im All befinden, werden von Umgeformten geflogen. Versteck der Raumer liegt im Innern eines erloschenen Vulkankraters, dessen Höhlensysteme künstlich erweitert wurden. Erbitte daher Erlaubnis für Vorgehen nach Einsatzvorgabe Omega. Erfolgsaussichten liegen bei 84,7 Prozent.« Bei den letzten Worten verkrampften sich die Finger Bernd Eylers' um den Kaffeebecher und quetschten ihn zusammen; er spürte nicht, wie die kochendheiße schwarze Flüssigkeit über seine Finger rann und sie verbrühte. Omega...! Eylers' Augen wurden schmal und tiefe Falten gruben sich in seine Stirn. Wie oft war er diese Situation in Gedanken zuvor schon durchgegangen, hatte versucht, alles im Voraus zu planen – und doch kam er sich nun so hilflos vor, so alleingelassen. Von seiner Entscheidung konnte das Schicksal Terras abhängen... doch dem gegenüber standen mehr als zweihunderttausend Wesen, die einmal Menschen gewesen waren! Welchen Preis darf ich für das Wohl Terras bezahlen...? stellte er sich wieder die quälende Frage.
Die Worte kamen Eylers schließlich wie mechanisch über die Lippen, als er endlich den Befehl gab: »Nach Order Omega vorgehen! Versuchen Sie, zu entkommen...« »Bestätigung! Ende.« Der zerdrückte Becher entglitt Eylers' Fingern, die plötzlich kraftlos geworden waren, feiner Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und der Blick des Chefs der GSO geisterte ins Leere. Marschall Bulton, der auf Eylers' ungewöhnliches Verhalten aufmerksam geworden war, erhob sich aus seinem Sessel und kam heran, musterte ihn besorgt. Den Sinn des Funkgesprächs hatte er nur zum Teil erfaßt; er konnte die furchtbare Wahrheit nicht einmal ahnen. »Eylers, ist Ihnen nicht gut? Mann, Sie sehen aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen.« Der Mann mit dem Alltagsgesicht, dessen Gebaren oft so linkisch und unbeholfen wirkte, blickte Bulton müde an, erhob sich dann ebenfalls und schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Bulton«, murmelte Bernd Eylers schwach und machte ein paar Schritte in Richtung des Ausgangs. »Mit mir ist alles in Ordnung, ich brauche nur etwas Ruhe...« Plötzliches Mißtrauen begann in Bulton zu aufkeimen. Er legte dem GSO-Chef eine Hand auf die Schulter. »Hören Sie Eylers, da stimmt doch etwas nicht.« Der Tonfall des Marschalls gewann eine Nuance an Schärfe. »Sie verheimlichen mir da doch irgend etwas! Was ist los?« Die Gestalt des GSO-Chefs straffte sich, er schüttelte die Hand des Marshalls ab und ging einfach weiter. Er kam jedoch nicht weit, denn Bultons bullige Gestalt versperrte ihm plötzlich den Weg. Der Choleriker kam im Befehlshaber der Terranischen Flotte wieder zum Vorschein, als er lospolterte: »Verdammt Eylers, ich will jetzt wissen, was das Mädchen Ihnen erzählt hat! Was war das mit dieser Omega-Order?« Ted Bulton verschränkte die kräftigen Arme vor der Brust. »Sie
werden diesen Raum nicht verlassen, bevor ich nicht weiß, was sich da eben abgespielt hat!« Überrascht sah Bernd Eylers auf, musterte Bulton und sah ein, einen Fehler gemacht zu haben. Dabei kannte er Bulton lange genug, um zu wissen, wie dieser in der Regel reagierte. »Tut mir leid, Bulton, Geheimsache der GSO, das geht sie nichts an...« »Und ob mich das etwas angeht!« Das Blut schoß in Buttons breites Gesicht und sein bulliger Körper schien noch an Masse zuzunehmen. »Hören Sie Eylers, das hier ist Gelände der TF, hier habe ich zu befehlen! Wenn Sie nicht augenblicklich mit der Sprache rausrücken, was für einen Befehl Sie da eben gegeben haben, werde ich ungemütlich! Und denken Sie bloß nicht, daß ich Skrupel hätte, Sie notfalls in Arrest stecken zu lassen!« Bernd Eylers wußte natürlich, daß Bulton dazu keinerlei rechtliche Handhabe hatte, dennoch verlor er für einen Moment die Kontrolle über sich, handelte völlig entgegen seinen früheren Überlegungen. Was machte es denn schon aus, ob Bulton jetzt oder später die Wahrheit erfuhr? »Also gut Bulton, Sie geben ja sonst doch keine Ruhe! Omega bedeutet Vernichtung! June Chiles wird den Selbstzerstörungsmechanismus eines der S-Kreuzer auslösen und damit wahrscheinlich eine Kettenreaktion. Die letzte Möglichkeit, den Creckern noch beizukommen! Trawisheim weiß Bescheid, er hat den Plan gebilligt. Wir gingen nur bisher nicht davon aus, daß er tatsächlich durchführbar sein könnte...« »Nein!« Bulton schrie dieses Wort heraus, und es war eine einzige Anklage – eine Mordanklage! Eylers Befehl hatte gerade mehr als zweihunderttausend Menschen das Leben gekostet! Daß sie in Wahrheit gar keine Menschen mehr waren, zahlte für Bulton nicht, es waren seine Leute! Ein gequältes Stöhnen kam über die Lippen Bultons, er machte einen Schritt auf den GSO Chef zu.
»Eylers, ich werde Sie...!« Die Fäuste des Marschalls schlossen sich wie stählerne Klauen um den Hals des Chefs der GSO, drückten mit aller Kraft zu! Eylers' Augen quollen hervor, er röchelte nach Luft. Immer stärker wurde der Druck von Bultons Händen um den Hals des Anderen, dessen Gesicht sich in eine dämonische Fratze zu verwandeln begann... »Ted...? Ted, träumst Du schon wieder?« Gladys Bulton drehte sich sorgenvoll zu ihrem Mann um, schaltete das Licht ein und berührte sanft den verschwitzten Körper, streichelte sein Gesicht. »Ted, wach doch auf...« Die Fäuste ihres Mannes waren um die verdrehte Bettdecke geschlungen, drückten das Laken zusammen, sein Keuchen wurde noch stärker. Sie rüttelte ihn an der Schulter, erst zaghaft schwach, dann stärker, bis Ted Bulton mit einem verständnislosen Grunzen aus seinem Alptraum schreckte und sich mit gehetzten Blicken umsah. Nach Sekunden wurde er endlich ruhiger, machte im matten Dämmerlicht die vertrauten Konturen des heimischen Schlafzimmers aus, erkannte, wo er sich befand. Mit einem müden Seufzer befreite Bulton sich aus seinem Laken, wischte mit dem Kissen den Schweiß von seiner Stirn und stieß einen erneuten Seufzer aus. Seine Frau Gladys zog ihn zu sich heran und strich ihm einige schweißfeuchte Haarsträhnen aus der Stirn. »Wieder derselbe Traum, Ted?« Bulton nickte, tastete nach Gladys' Hand und drückte sie fest. »Mach Dir keine Sorgen um mich Liebes, ich bin schon wieder in Ordnung...« Gladys Blick war ernst und ihrer Stimme schwang die Sorge mit, als sie entgegnete: »In Ordnung Ted? Beinahe jede Nacht dieser Alptraum? Die Geschichte wird Dich noch umbringen!« Sie nahm seinen Kopf in ihre schmalen Hände und ihre Stimme nahm einen sanften Klang an. »Soll ich nicht doch Dr. Moran
anrufen? Er wird Dir sicher gleich morgen einen Termin geben...« »Der Gehirn-Klempner? Glaubst Du wirklich, es ist schon so weit mit mir? Da könnte ich mich ja gleich pensionieren lassen! Altes Eisen...« Gladys schüttelte resigniert den Kopf – wie oft hatten Sie dieses Thema schon durchdiskutiert und nie war ihr Mann bereit gewesen, auch nur einen Schritt einzulenken. Sie hatte sogar mit Bernd Eylers gesprochen, doch auch das hatte nichts erbracht. Bulton reckte sich, ließ die Beine aus dem Bett fallen, schlüpfte mit den Füßen in seine Hausschuhe und trottete dann müde in Richtung Küche. Seine Zunge hing wie ein ausgetrockneter alter Lappen im Mund, er hatte Durst. Das Licht des Kühlschranks blendete ihn und mit halbblinden Augen tastete er in seinem Innern herum, fand schließlich die Flasche mit dem Mineralwasser und nahm einen tiefen Schluck. In diesem Moment hörte er aus dem Wohnzimmer das Rufsignal des Viphos. »Wer zum Teufel ruft denn um diese Zeit noch an?« Für Sekunden spielte er mit dem Gedanken, es einfach zu überhören und zurück ins Bett zu gehen. Doch dann überlegte er sich anders – etwas Ablenkung war vielleicht gar nicht so schlecht für ihn. Außerdem, wenn man ihn um diese Zeit in seinen Privaträumen anrief, mußte es wirklich dringend sein. So tappte Bulton also, ohne das Licht einzuschalten, zum Standvipho, stolperte über einen kleinen Schemel und fluchte dabei schauerlich. Bulton hatte etwas gegen die sensorisch gesteuerten Lichtkontrollen, er benutzte statt dessen lieber altmodische Lichtschalter. Seine Hand tastete im Dunkeln nach der Bestätigungstaste, gleich darauf flammte der kleine Bildschirm des Viphos auf und tauchte das Wohnzimmer in seinen matten Schein. Das Konterfei eines Verbindungsoffiziers mittleren Alters, dessen
feistes Gesicht vor Aufregung gerötet war, erschien im Monitor; ein ausgeprägtes Doppelkinn und hektisch zuckende Augen machten ihn Bulton unsympathisch. »Was gibt es denn?« knurrte der Marshall unwillig. »Sir, wir hatten vor wenigen Minuten kurzzeitigen Kontakt mit Erron-1 und konnten einen Komprispruch auffangen. Ich dachte, es wäre wichtig, daß sie seinen Wortlaut...« »Nun kommen Sie schon endlich zur Sache, Mann, oder denken Sie, ich möchte hier die ganze Nacht herumstehen? Wie lautet der Spruch?« Der Offizier am Vipho schluckte, riß sich aber zusammen. »Der Spruch stammt von Major Warren, Flashpilot der POINT OF!« Als Bulton den Namen Warren vernahm, wurde er hellhörig. Wieso rief ihn nicht Dhark selbst? War vielleicht etwas geschehen? Mit einem Mal wurde er hellwach. »Ich lese den Spruch vor, Sir...« Wird auch langsam Zeit, dachte Bulton gereizt, verkniff sich aber eine entsprechende Bemerkung. »Von Major Warren an Marschall Bulton. Höchste Dringlichkeitsstufe – POINT OF ist beim Einflug in ein unbekanntes Sonnensystem durch das Raumschiff einer fremden Macht angegriffen und offenbar vernichtet worden. Commander Dhark, Dan Riker, der erste und der zweite Offizier, sowie Tino Grappa, Glen Morris und Arc Doorn sind verschollen, seit sie versuchten, per Transmitter zu dem unbekannten Raumer zu gelangen. Der Rest der Besatzung konnte mit den Flash durchbrechen und nach Erron-1 entkommen. Erbitte sofortige Entsendung eines S-KreuzerGeschwaders in besagtes System.« Der Offizier sah von seiner Folie auf und blickte Bulton unsicher an. »Das war der Wortlaut, Sir, es folgen dann noch die Koordinaten des Systems.«
Mein Gott, die POINT OF! Dhark! Für Momente glaubte Marschall Bulton den Boden unter seinen Füßen zu verlieren. Die POINT OF vernichtet! Bulton traf seine Entscheidung, ohne lange darüber nachzudenken. »Befehl an Colonel Larsen: Sein Geschwader hat sich sofort bereitzumachen. Alarmstart zu dem genannten System! Leiten Sie den Befehl unverzüglich weiter!« »Jawohl, Sir!« Bulton unterbrach die Verbindung und begab sich ins Bad. Schlaf konnte er in dieser Nacht ohnehin keinen mehr finden. Nur eine knappe viertel Stunde später holte ihn bereits ein Gleiter ab und brachte ihn zum Raumhafen, wo er dem Start von Larsens Geschwader beiwohnte. Hundert blauviolette Ringraumer erhoben sich – angeführt von Larsens rotfunkelndem Tofirit-Raumer – majestätisch aus ihren unterirdischen Hangars und rasten dann in die beginnende Morgendämmerung, die bereits die ersten Sterne verblassen ließ. In großer Höhe, den Augen schon fast entschwunden, leuchteten die Körper der Schiffe noch einmal grell auf, als die ersten Strahlen der Sonne auf ihre Hüllen trafen, dann nahm die unendliche Schwärze des Alls sie auf. Marschall Bulton sah ihnen sorgenvoll nach. Was würde auf Terra geschehen, wenn Dhark nicht zurückkehrte...? * Metall schliff gegen Metall, schrie dabei wie eine waidwunde Kreatur. Sieben Mann drückten sich tiefer in die Schatten, verschmolzen mit der gestaltlosen Finsternis, während in ihrem Innern die Furcht vor dem Unbekannten und gespannte Neugier einen erbitterten Kampf ausfochten; den Adrenalinpegel in die Höhe trieben. Das Kreischen wurde zu einem dumpfen Ächzen, als das Schott einen Widerstand überwand, es ruckte hoch und grelles Licht drang in den Raum;
die rötliche Dämmernis wich weißer, harter Helligkeit. Ein mächtiges Dröhnen erklang und ließ den Boden unter ihren Füßen erzittern – dann Stille. Ren Dhark blinzelte in die ungewohnte Helligkeit und kniff die Augen zusammen. Unmengen weißen Staubes geisterten durch das grünliche Gasgemisch und legten einen feinen Schleier über alles. Leises Summen ertönte, gefolgt von einem scharfen Klacken, als die T-N-Robots ihre Waffen einfuhren. Der Herzschlag von sieben Männern beruhigte sich etwas. »Das Schott ist jetzt offen«, erklang die mechanische Stimme des Robot-Kommandanten. »Es droht keine unmittelbare Gefahr.« »Na dann...« Arc Doorn verließ mit entschlossener Bewegung als erster seine Deckung und ging scheinbar sorglos auf das nun offene Schott zu. Die Roboter machten ihm bereitwillig Platz. Auch die übrigen Männer schoben sich an den Maschinenwesen vorbei und blickten dann auf einen Gang, der in grelles Licht getaucht war; Licht, das eigenartig geformten, unregelmäßig verteilten Leuchtkörpern an den Wänden entströmte, die wie gleißende Perlenschnüre sich in die Tiefe des Tunnels erstreckten. »Dem Innenarchitekten, der das verbrochen hat, möchte ich nicht im Dunkeln begegnen«, knurrte Grappa und musterte angewidert die Wände des Ganges. Wie Wucherungen breiteten sich auch hier die verschlungenen, zerrissenen Strukturen aus und machten den Tunnel zu einem formlosen Etwas, dessen fünfeckige Grundstruktur nur mit viel Phantasie noch zu erahnen war. In der Ferne verlor sich der Gang im grünlichen Dunst der Giftatmosphäre. »Weißt Du, woran mich das erinnert, Ren?« fragte Dan Riker leise den Commander und sprach weiter, ohne dessen Antwort abzuwarten. »An die Nester der Raubwespen auf Thallus! Nur ist das alles hier ungleich größer.«
»Und außerdem besteht das Raumschiff wohl kaum aus Papier und Erde.« Ren Dhark lächelte schwach bei dem Gedanken und strich mit der behandschuhten Hand über die porösen Wände. »Aber es stimmt tatsächlich, dieser Raumer erinnert irgendwie an ein Insektennest.« »Na großartig, das fehlte ja gerade noch: Ein Haufen stechwütiger Riesenwespen, die uns als ihren Nachtisch betrachten!« Niemand lachte über Glenn Morris' Scherz. »Keine Türen«, murmelte Dhark nachdenklich und suchte mit seinen Blicken den Tunnel ab. »Doorn, können Sie etwas entdecken?« »Tut mir leid Dhark, ich passe. Wenn es hier irgendwo eine Tür gibt, ist sie verdammt geschickt getarnt. Aber was mich vielmehr interessiert sind diese Leuchtkörper...« Er reckte sich, um eine der eigenartigen Lichtquellen mit der Hand zu berühren, kam aber nicht dran. »Rob-08, heb' mich doch mal zu der Lampe hoch.« Die Maschine reagierte sofort, ergriff den Sibirier und schwebte zusammen mit ihm einige Zentimeter in die Höhe. Mit beiden Händen packte Doorn den unförmigen Leuchtkörper und zerrte daran, bis dieser sich mit einem trockenen Knirschen plötzlich löste. Sanft wie eine Feder ließ sich der Roboter danach wieder zu Boden gleiten und setzte Arc Doorn ab, der sein Beutestück fasziniert betrachtete. Es hatte entfernte Ähnlichkeit mit einer zu groß geratenen transparenten Gurke und strahlte noch immer sein intensives Licht aus, war demnach autark vom Rest des Schiffes. »Sehen Sie sich das einmal an, Dhark! Wenn mich nicht alles täuscht, wird das Leuchten auf biochemischer Basis erzeugt, ein völlig in sich geschlossener Kreislauf.« Er stellte die Gurke mit einem Ende auf den Boden, stützte sich auf das andere und blickte den Commander ernst an. »Wer immer dieses Schiff auch gebaut haben mag... er war ein Meister auf dem Gebiet der Biotechnik!«
»Was bedeutet, daß uns noch einige Überraschungen bevorstehen dürften!« Dan Riker seufzte resigniert. »Also Ren, was hast Du vor, wie soll es weitergehen?« Der Commander schmunzelte leicht. »Tja Dan, so ungern Du das auch hören wirst, aber Du bleibst zusammen mit Grappa und Falluta hier beim Transmitter. Ich mache mich mit Doorn, Morris und Bebir auf die Suche nach der Zentrale dieses Raumers. Die Roboter verteilen wir auf beide Gruppen.« »So, Du hast also vor, die Zentrale von dem Kasten zu suchen! Ist Dir eigentlich klar, daß wir uns im Innern eines Raumgiganten von zehn Kilometern Länge befinden?« Riker lachte freudlos und schüttelte dabei den Kopf. »Zu Fuß bei 2,4 Gravos kann es Tage dauern, bis Ihr sie gefunden habt! Erwartest Du denn im Ernst, daß ich hier solange untätig herumsitze und Däumchen drehe?« »Die Robs werden uns tragen, Dan, so kommen wir schnell genug voran!« Dhark sprach nun in einem Ton, der deutlich machte, daß er in dieser Frage keine Diskussionen duldete. »Außerdem nehme ich stark an, daß wir schon vorher irgendwem – oder etwas – begegnen werden. Ein Schiff dieser Größe müßte ja schließlich eine Besatzung haben... und wenn sie aus Robotern besteht.« Dan hielt dem Blick des Freundes stand und bezwang den Ärger über die Bevormundung. Es war immer dasselbe alte Lied: Ren stürzte sich in Abenteuer und er – Dan – mußte, zur Untätigkeit verdammt, zurückbleiben. Doch er wußte auch, daß es in der gegenwärtigen Situation unmöglich sein würde, den Freund umzustimmen. Daher brummte er nur enttäuscht: »Also gut, alter Dickschädel, halte ich eben hier die Stellung. Aber Ihr meldet euch jede Stunde! Andernfalls kommen wir nach und suchen Euch!« Einen Gedanken lang lag Dhark der Widerspruch auf der Zunge, doch dann überlegte er es sich anders. Eigentlich hatte er vorgehabt, absolute Funkstille zu wahren. Doch konnte
andererseits ihre Ankunft in dem Raumer sowieso nicht unbemerkt geblieben sein, so daß es eigentlich keinen wirklich zwingenden Grund mehr für ein totales Funkverbot gab. Wieso nur reagiert man auf unser Eindringen nicht? ging es dabei wieder sorgenvoll durch Rens Gedanken. Irgend etwas stimmte an Bord dieses Raumgiganten nicht, und er war entschlossen dem Rätsel auf die Spur zu kommen. »Also gut Dan, jede Stunde eine Nachricht. Sollten wir uns nicht melden, tu' was Du für richtig hältst.« Er legte Riker beide Hände auf die Schultern. »Aber laß Dich zu keinen unüberlegten Handlungen hinreißen, gehe kein Risiko ein! Wenn Du nichts von uns hören solltest, versuch' vor allem, einen Weg zu finden, um von diesem Schiff zu entkommen! Damit könntest Du uns allen dann am ehesten helfen.« »Okay Ren, Du kannst Dich auf mich verlassen! Aber paß auf Dich auf, dieser verdammte Kahn gefällt mir ganz und gar nicht!« Dhark nickte langsam und drückte dem Freund zum Abschied fest die Hand. Dann stiegen er, Doorn, Morris und Bebir auf die Rücken der Robots, die ihre metallenen Arme nach hinten knicken ließen und so dafür sorgten, daß die Männer einen guten Halt fanden und einigermaßen bequem saßen. Zusammen mit vier weiteren T-N-Robotern machten sie sich auf den Weg, folgten auf den Rücken der schwebenden Maschinenwesen einem Gang, von dem sie nicht wußten, wohin er sie führen würde. Dan Riker, Tino Grappa und Hen Falluta blickten ihnen nachdenklich und sorgenvoll hinterher. * Dr. John J. Tribbits stieß ein gequältes Stöhnen aus. Sein Kopf dröhnte wie eine Glocke und es fehlte ihm jegliche Orientierung; nur schwer gelang es ihm, sich aus den düsteren Sümpfen seiner Träume zu befreien. Er spürte, daß er auf etwas
hartem lag, konnte das Gefühl jedoch nicht mit den in seinen Erinnerungen gespeicherten Empfindungen in Einklang bringen. Mühsam schlug er die Augen auf, sah sich verwirrt im bläulichen Licht, welches den Raum erfüllte, um und versuchte zu erfassen was geschehen war. Mit der Rechten tastete er vorsichtig nach seinem Schädel und stellte dabei fest, daß ihn eine dicke Beule zierte. Wieder stöhnte er schwach. Hunger und Durst raubten ihm fast die Sinne, ein Gefühl der Übelkeit stieg in dem Wissenschaftler auf. Das Stechen und Wummern in seinem Kopf wurde stärker, als er vorsichtig versuchte sich zu erheben. Schließlich gelang es ihm aber doch, seinen Körper in eine sitzende Position zu bringen. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, schloß die Augen, atmete ein paar mal tief durch und versuchte dabei Klarheit in seine verwirrten, traumatischen Gedanken zu bringen. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Methan... der Transmitter... ein greller Blitz... und dann... Schwärze, gestaltloses Nichts! Wo waren die anderen, wieso hatte man ihn in der Pyramide allein zurückgelassen? Der Blick des Wissenschaftlers fiel auf die Blütenornamente, die den Transmitter steuerten und er sah die Blutspuren daran. Wieder tastete er über seine Stirn und fühlte diesmal verkrustetes Blut zwischen seinen dünnen Haaren kleben. »Mein Gott, was habe ich bloß angerichtet...?« murmelte er bestürzt, als er die veränderten Einstellungen am Transmitter bemerkte. Siedendheiß wurde ihm bewußt, daß er mit seinem Sturz irgend etwas ausgelöst haben mußte. Waren seine Kollegen etwa durch den Transmitter...? Die plötzliche Erkenntnis ließ Tribbits seine letzten Kräfte mobilisieren. Mühsam kämpfte er sich auf die Beine und taumelte dann am Rande der totalen Erschöpfung aus der Pyramide, geradewegs in die Arme des völlig verdutzten Professor Trelane, der bereits
seit Stunden vergeblich die Struktur jenes geheimnisvollen Energieschirms zu ergründen suchte, der den Eintritt in die weiße Pyramide verwehrte. Hinter dem Schriftenforscher erlosch das Schirmfeld wie ein Spuk, so als wäre es nie dagewesen! * »Dhark, täuschen mich meine Augen, oder teilt sich der Gang da vorn?« Sie waren knapp eine Viertelstunde unterwegs, als Doorn plötzlich diese Frage stellte. Der Commander kniff die Augen zusammen und versuchte angestrengt, den grünlichen Dunst zu durchdringen; dann glaubte auch er, eine Veränderung in der Struktur des Tunnels auszumachen. »Sie könnten recht haben Doorn! Steigen wir besser ab und gehen zu Fuß weiter. Wer weiß, was uns dort vorn erwartet.« Sie kletterten von den metallenen Rücken der Maschinenwesen und gingen im Schutz der Roboter vorsichtig weiter – wobei ihnen erneut schmerzhaft die erhöhte Schwerkraft zu Bewußtsein kam; auf den Rücken der Roboter war es noch zu ertragen gewesen, doch nun knickten ihnen bei den ersten Schritten die Knie ein. Laß es die Schwerkraftkontrolle sein! flehte Glenn Morris in Gedanken und blickte dabei sehnsuchtsvoll auf das Ende des Ganges, das sich immer deutlicher zu einem großen Raum erweiterte. In zwei Reihen hintereinander näherten sich die Roboter mit ausgefahrenen Waffenarmen dem Raum. Dhark und sein Team folgten etwa drei Meter dahinter mit gezogenen Blastern, wobei ein jeder hoffte, sie nicht einsetzen zu müssen. Der kuppelartige Saal, den sie kurz darauf – nach allen Seiten sichernd – betraten, unterschied sich von dem Tunnel, den sie zuvor durchquert hatten, nur durch seine dämmrige Beleuchtung, ansonsten sahen seine Wände genauso fremd und
abstoßend aus. Er maß etwa zwanzig Meter im Durchmesser und schien als eine Art Verteiler zu dienen; in den Wänden befanden sich mehrere verschieden große Schotts, die allesamt verschlossen waren. Das größte der Türschotts bildete ganz offenbar die Fortsetzung jenes Ganges, durch den sie gekommen waren. Auch hier ragten überall die krallenartigen Codeschlösser aus den Wänden – fast wirkte es, als halte eine sadistische Seele bedauernswerte Kreaturen in den Wänden eingemauert, deren tote Hände sich nun verzweifelt und anklagend den Männern entgegenrückten. Die unbekannten Erbauer mußten wahrhaft bizarre Vorstellungen von Geschmack haben! »Tja, freie Auswahl!« knurrte Arc Doorn sarkastisch und ließ seinen Blick über die verschlossenen Schotts wandern. »Welches nehmen wir?« »T-N-01, kannst Du irgend etwas orten?« fragte Ren Dhark den Robotkommandanten, scheinbar ohne auf Doorns Frage einzugehen. »Meine Sensoren erfassen hinter fünf der kleineren Schotts schwache energetische Impulse, die auf technische Einrichtungen hindeuten«, kam prompt die Antwort der Maschine. Das grüne Auge im stilisierten Gesicht des Robots glühte auf, gleich darauf kurz das rote. »Das große Schott ist abgeschirmt.« »Versuchen wir es also mit einem von den kleinen! Den Hauptgang können wir auch später noch weiter untersuchen; vorher möchte ich aber sicher sein, daß sich hinter unserem Rücken keine unliebsamen Überraschungen mehr befinden.« Der Commander trat zurück in den Tunnel, bedeutete den Freunden mit einer Handbewegung, ihm zu folgen und wandte sich dann wieder an den Roboter: »T-N-01, öffne eines der kleinen Schotts!« Die humanoide Maschine zögerte keine Sekunde, traf selbstständig ihre Wahl und näherte sich einem Schott auf der
rechten Seite des Saales, wo sie erneut begann, die unzähligen Kombinationsmöglichkeilen durchzugehen, Ein deutliches Zischen war zu hören, als die Verriegelung sich löste, gefolgt von einem saugenden Schmatzen. Dann schwang die schwere Metalltür langsam nach Innen. Die Roboter traten zur Seite, und Dhark und Doorn gingen langsam auf die dunkle Öffnung zu, dicht gefolgt von Morris und Bebir. »Bei allen Sternen!«, stieß der Commander überwältigt aus, als er durch das geöffnete Schott ins Innere des dahinterliegenden Raumes blickte. Das Bild, welches sich ihm dort bot, war atemberaubend. Er schob sich an Doorns breitem Rücken vorbei, betrat die seltsame Kammer, die von keinem Leuchtkörper erhellt wurde, und verharrte dort in staunender Andacht. Die gesamte, leicht gewölbte Vorderfront des Raumes war transparent, sie bot ein wundervolles und beeindruckendes Panorama des Sternensystems im Innern der Dunkelwolke; ein Anblick, der sich so unendlich wohltuend von der bedrückenden Atmosphäre im Innern des Raumers unterschied. Mehr noch als in den Schiffen der Nogks, hatte man den Eindruck, sich inmitten des Alls zu befinden und die Sterne greifen zu können. Bin kurzer Blick auf den Druckmesser seines Raumanzuges überzeugte Dhark davon, daß es sich tatsächlich nur um eine perfekte Illusion handelte; nach wie vor waren sie von der giftigen Atmosphäre des fremden Raumers umgeben. Verwirrt und fasziniert zugleich, riß Ren Dhark sich los von dem grandiosen Schauspiel, blickte sich um, betrachtete große, seltsam klobige Apparaturen, die aus Wänden und Boden wuchsen und im Licht der fernen Sonne dunkelmetallisch glänzten: Konsolen, die übersät waren von Löchern unterschiedlichster Form und Größe. Er trat näher an die transparente Außenkuppel heran, welche selbst aus nächster
Nähe als solche nicht zu erkennen war. Dabei mußte er fünf wannenartigen Vertiefungen ausweichen, die in den Boden eingelassen waren. Neben der vordersten Wanne waren ebenfalls einige der seltsamen Löcher zu finden, deren Bedeutung ebenso unklar war, wie die der Wannen selbst. Arc Doorn stockte noch immer der Atem, der Sibirier konnte kaum fassen was er dort sah: Er stand vor den Erzeugnissen einer vollkommen fremdartigen Technik – Apparaturen und Konsolen, die sich gänzlich von allem unterschieden, was Menschen je zu Gesicht bekommen hatten! Aber was noch weit bedeutender war... »Dhark!« Doorns Stimme klang vor Aufregung heiser. »Das hier... es ist ein Raumschiff, ein Beiboot!« Ren wirbelte herum, musterte den Techniker skeptisch. »Wie können Sie da so sicher sein Doorn? Es könnte sich doch um praktisch alles mögliche handeln, ein Observatorium... einen Waffenleitstand, oder was weiß ich sonst noch. Wie kommen Sie darauf, daß es ausgerechnet ein Raumboot ist? »Sehen Sie Sich doch nur einmal das Schott an, Dhark! Die Dichtungen...« Der Sibirier stockte, schien vergebens nach den richtigen Worten zu suchen, um den Commander von seiner Ansicht zu überzeugen. »Ich kann auch nicht genau sagen wieso, aber ich spüre förmlich, daß dies hier ein Raumschiff ist!« »Na gut, Doorn, wenn Sie tatsächlich recht hätten, wäre das großartig.« Nachdenklich ließ Dhark seinen Blick durch die transparente Scheibe geistern, beobachtete gedankenverloren die bläulichen Materieschleier, die im Licht der Sonne schwach glühten; sie erinnerten ihn an das sanfte Schimmern der Unitallhaut seiner POINT OF. Für Sekunden stand er einfach nur so da, bevor er wieder in die Realität zurückfand. Die Augen des Commanders suchten den Blick des Sibirers und in ihnen stand eine einzige Frage geschrieben: Schaffen Sie es, das Schiff zu starten, Arc?
Doorns Blicke schweiften über die Relikte einer ihm fremden Technologie, ratlos zuckte er mit den Schultern. »Tut mir leid, Dhark, aber ich kann beim besten Willen nichts sagen.« Er ließ seine Finger über eine der rätselhaften Konsolen gleiten, schien eine Verbindung zu der fremdartigen Technik zu suchen. »All dies hier unterscheidet sich so gänzlich von den Technologien, die wir kennen.« Resigniert schüttelte er den Kopf. »Ich weiß einfach nicht, wo ich ansetzen soll! Das ist, als würden Sie von einem Kleinkind verlangen einen Schweber zu bedienen!« Ren Dhark nickte langsam, schien eine ähnliche Antwort erwartet zu haben. Aufmunternd klopfte er dem Sibirier auf den Arm, jenem Mann, von dessen unvergleichlichem Gespür für unbekannte Technologien nun wieder einmal alles abzuhängen schien. »Tun Sie ihr möglichstes, Arc. Wenn es jemandem gelingt, dieses Beiboot flott zu machen, dann ihnen!« Doorn brummte noch etwas Unverständliches und machte sich dann an die Arbeit, von der er sich selbst nicht viel erhoffte; so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm einfach nicht, eine innere Beziehung zu diesen Maschinen herzustellen. Ren sah dem Sibirier einige Momente lang zu, nahm dann eine Justierung am Sendeteil seines Helmfunkgeräts vor und rief die andere Gruppe. Riker meldete sich sofort, seine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. »Ren, was gibt es denn? Stimmt etwas nicht bei Euch?« »Keine Sorge Dan, bei uns ist alles in Ordnung! Ich melde mich nur, weil wir etwas entdeckt haben.« Er zögerte einen Augenblick, sprach dann aber entschlossenen weiter: »Ein Beiboot der Fremden!« Für Sekunden war es still im Empfang und man konnte förmlich spüren, wie die Anspannung, die Sorge von Dan Riker abfielen. Als er antwortete, hatte seine Stimme schon fast
wieder ihren gewohnten Klang wiedergefunden. »Ein Beiboot also? Hm, und was meinst Du, können wir es benutzen?« »Das versucht Doorn gerade herauszufinden, die Technik ist uns vollkommen fremd.« »Habt Ihr sonst noch etwas entdeckt? Ich meine... Hinweise auf die Besatzung...?« »Negativ, Dan. Der Gang zog sich schnurgerade bis hierher und wir haben auf dem ganzen Weg nicht das Geringste entdecken können.« Wieder schwieg er kurz, traf dann aber seine Entscheidung. »Dan, ich denke, Ihr könnt bis hierher nachkommen und Doorn dabei helfen, das Beiboot zu untersuchen, während wir tiefer ins Schiff eindringen. Wer weiß, vielleicht brauchen wir es noch dringender, als wir denken.« »Wie Du meinst, Ren«, entgegnete Riker sofort und versuchte vergebens, seine Freude über das unerwartete Angebot zu verbergen. »Wir sind so schnell es geht bei Euch!« »Laß' aber unbedingt einen Roboter hei dem Transmitter zurück... für alle Fälle!« »In Ordnung. Sonst noch etwas?« »Nein, Dan, das wäre soweit alles. Wir erwarten Euch. Ende.« Dhark schaltete wieder ab. Arc Doorn hatte inzwischen keinerlei Fortschritte erzielt; die rätselhaften Geräte entzogen sich jeglichem Versuch, ihre Funktionen zu entschlüsseln. Fluchend kroch der Sibirier über den Boden und versuchte, den Sinn der eigenartigen Löcher zu ergründen. Der Lichtkegel seines Scheinwerfers ließ blankpoliertes Metall aufblitzen, brach sich an fremdartigen Strukturen. »Verdammt, ich weiß nicht einmal, ob die Technik hier zu primitiv oder zu kompliziert ist, um sie zu begreifen!« Der Sibirier zog einen Folienstift aus einer Tasche seines MAnzugs und tastete damit in einer der Öffnungen herum. »Dagegen waren die Rätsel der Salter ja das reinste Kinderspiel!«
Er zog den Stift zurück und erhob sich stöhnend. »Wäre auch möglich, daß das Ding ganz einfach keinen Saft hat!« Nur kurze Zeit später traf das Team Riker hei dem Beiboot ein. Da sie auf die übergroße Vorsicht des ersten Erkundungsteams verzichtet hatten, waren sie wesentlich schneller vorangekommen. Freudig wurden die Ankömmlinge begrüßt. Gemeinsam machten die Männer sich an die Untersuchung der verbliebenen Schotts im Kuppelsaal. Vier weitere Beiboote wurden gefunden, die sich jedoch in nichts von dem zuerst entdeckten unterschieden. Immer stärker wurde der Verdacht, daß die Energiezufuhr zu den Kleinstraumern unterbrochen war. Die übrigen Metalltüren entpuppten sich als geräumige Schränke, die aber außer unförmigen, zähen Folien und kleineren technischen Geräten – deren Sinn völlig unklar blieb – nichts von Interesse enthielten. Arc Doorns Behauptung, bei den zeltgroßen Kunststoffhäuten würde es sich um Raumanzüge handeln, erzeugte allgemeine Heiterkeit. Zuletzt öffnete sich das große Hauptschott, hinter dem – wie schon erwartet – die Fortsetzung des Hauptganges lag; sich auch hier endlos lang im hellen Licht erstreckend, bis er schließlich vom Dunst verschluckt wurde. Zusammen mit Morris und Bebir machte Ren Dhark sich auf den Weg noch tiefer in das fremde Schiff hinein. Arc Doorn blieb bei Rikers Team zurück, obwohl er längst jede Hoffnung aufgegeben hatte, die Technik des Beiboots noch zu enträtseln; es schien unmöglich, die Raumer zum Leben zu erwecken. * »Verdammt, dieser Gang scheint ja überhaupt kein Ende mehr zu nehmen« Glenn Morris schlug mit der geballten Faust
auf den metallenen Rücken des Roboters, der ihn flog. »Rob, wie weit sind wir schon?« »Zurückgelegte Distanz seit Verlassen des Beibootes 3,41 Kilometer. Wir nähern uns dem Zentrum der höchsten angemessenen Energiekonzentration im Raumer. Erreichen der besagten Energiequelle in 7:04 Minuten.« »Gefahreneinschätzung?« fragte Ren Dhark knapp die Maschine auf der er saß. »Sensorische Auswertung spricht für ein hohes Gefahrenpotential der Energiequelle. Genauere Angaben sind aus Mangel an Daten nicht möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, daß dem Bereich eine besondere Bedeutung zukommt und er aus diesem Grunde auch besonders geschützt ist.« Die Stimme des Roboters hatte bei diesen Worten völlig emotionslos geklungen – Gefühle kannten selbst diese genialen Kunstwesen nicht. »Geschwindigkeit verringern!« befahl Dhark und nahm wieder den Blaster zur Hand. »Höchste Aufmerksamkeit! Wenn sich irgend etwas im Gang verändert, egal was, sofort stoppen!« Leon Bebir warf dem Commander einen fragenden Blick zu, doch dieser reagierte nicht darauf; starr waren Dharks Augen auf das Ende des Ganges gerichtet, versuchten im Dunst etwas zu erkennen, doch seine Augen konnten das diffuse Nichts nicht durchdringen, und Infrarot war wegen der hohen Temperaturen auch keine Hilfe. »Rob-01, gib uns alle hundert Meter die Distanz zur Energiequelle!« Das Maschinenwesen deutete mit dem metallenen Schädel ein Nicken an, die kurzen Antennen, die dort saßen, wo ein Mensch seine Ohren hat, wippten dabei leicht. »Noch Fünfhundert Meter.« Immer häufiger hatten sie seit einiger Zeit Bereiche des Ganges passiert, in denen die strukturlosen, porösen Wände,
die Dan Riker an einen Insektenbau erinnerten, zerstört waren. Unvorstellbare Höllengluten mußten dort gewütet haben; verbrannte, zerrissene Fragmente ragten den Männern entgegen, als sie die Trümmer in Augenschein nahmen. Spuren eines Gefechts? Die Verwüstungen mußten aber schon vor sehr langer Zeit geschehen sein, denn die Strahlenmesser schlugen nicht aus. Was war nur los mit diesem Schiff? Ren warf einen kurzen Blick auf sein Chrono: knapp drei Stunden waren vergangen, seit sie das gigantische Raumschiff durch den Transmitter betreten hatten. Wieso gibt es hier bloß keine Türen oder Seitenschächte? ging es durch die Gedanken des Commanders, es muß doch eine Verbindung zum Rest des Schiffes gehen. »Vierhundert Meter.« »Möchte wissen, wie es die Besatzung von diesem Kasten geschafft hat, solche Entfernungen zurückzulegen«, knurrte Leon Bebir und warf einen Blick über die Schulter zurück. »Keine Laufbänder, keine Gleitfelder, oder sonst etwas, daß als Transportmittel gedient haben könnte...« Dhark hatte sich selbst schon Gedanken in dieser Richtung gemacht. Längst hatte er es mit mentalen Befehlen versucht, so wie seinerzeit im Industriedom der Insel Deluge auf Hope, wo man auf gedanklichem Wege den Pullman – ein eigentümliches Gefährt – gerufen hatte und mit dessen Hilfe sehr viel schneller die großen Distanzen bewältigt hatte. Doch eine Gedankensteuerung schienen die Erbauer des Raumgiganten nicht zu kennen – oder sie dachten anders. Die Roboter hatten ihre Geschwindigkeit noch nicht weiter vermindert, sie schwebten nach wie vor durch den fünf Meter hohen Gang, der sich schnurgerade und scheinbar endlos durch den Raumgiganten zog. »Dreihundert Meter.« Die drei Männer packten die Kolben ihrer Blaster fester und duckten sich tief auf die Rücken der T-N-Roboter. Angespannt
warteten sie darauf, daß irgendeine Veränderung eintrat. Unaufhaltsam näherten sie sich dem Ende des Ganges – was würde sie dort erwarten? »Zweihundert Meter.« Leon Bebirs Linke krampfte sich um die Schulter des Roboters, sein Atem beschleunigte sich. »Bei allen Sternenteufeln, die machen es spannend!« »Hundert Meter.« Der plötzliche Ruck des abrupten Stoppens hätte die drei Männer um ein Haar von den Rücken der Maschinen gerissen, doch kräftige metallene Hände packten im selben Moment zu und hielten sie sicher fest. Die vier Begleitroboter schwebten an ihnen vorbei und bezogen weiter vorn im Gang Stellung. »Verdammt was...?« fluchte Ren Dhark erschreckt, stieg dann vorsichtig ab, ging zu den vier Robotern und sah über ihre metallenen Schultern hinweg, konnte jedoch noch immer nichts entdecken. »Unsere Sensoren haben einen biologischen Körper erfaßt«, meldete der Kommandorobot, »etwa fünfzig Meter von hier entfernt, voraus im Gang.« »Ein Lebewesen?« fragte Dhark mit vor Aufregung heiserer Stimme. »Negativ.« Das rote Auge des Roboters glühte auf. »Das Wesen ist tot, die Sensoren erfassen keinerlei Energiewerte. Möglicherweise sind aber auch die Emissionen der fremden Strahlungsquelle zu stark.« »Na, dann wollen wir uns das doch ein mal ansehen!« Die Roboter nahmen Dharks Ausspruch als Befehl, fuhren die Waffenarme aus und gingen weiter in den Gang hinein. Er hielt sie nicht zurück und folgte ihnen zusammen mit Leon Bebir und Glenn Morris. Je weiter sie vordrangen, desto deutlicher spürten Sie das leichte Vibrieren des Bodens – Maschinen?
»Hören Sie das Summen?« wandle sich Bebir an Dhark, der ein Nicken andeutete und dabei angestrengt lauschte. »Ja, Bebir«, die Stimme des Commanders war fast nur noch ein Flüstern. »Wir scheinen uns wohl langsam dem Ende unseres Weges zu nähern.« Mit jedem Schritt wurden die Vibrationen stärker, nahm das undefinierbare Summen zu. »Das klingt nicht, als ob hier Maschinen arbeiten würden,« murmelte Morris, wobei die Vibrationen seine Stimme seltsam verzerrten. »Hört sich eher nach energetischen Spannungsfeldern an.« Dhark antwortete nicht, seine Augen hatten einen Schatten ausgemacht, der sich aus den diffusen Atmosphäreschwaden schälte, die Umrisse eines Körpers wurden sichtbar. Der Commander verharrte abrupt, gab den Kameraden ein Zeichen, es ihm nachzutun. Gespannt beobachteten die drei, wie die Roboter den fremden Körper erreichten. Gleich darauf fuhren sie ihre Waffenarme ein. Dhark ließ pfeifend die Luft entweichen, setzte sich erleichtert wieder in Bewegung, ging auf den reglosen Körper zu und kniete neben ihm nieder. Der Fremde im Raumanzug schien zunächst humanoid zu sein, er besaß einen Kopf, zwei Arme und zwei Beine. Die behandschuhten Hände erinnerten Dhark an Fäustlinge, einzelne Finger waren nicht zu entdecken. Überdimensional war dagegen die Füße des Wesens, breit und fast vierzig Zentimeter lang. Bei genauerer Betrachtung stellte er eine eigentümliche Form des Körpers fest: gedrungen und irgendwie verkrümmt. Auch wirkten die Arme seltsam kurz. Der dunkle Raumanzug war von einer hellen Staubschicht bedeckt und schien schon seit Jahrzehnten an jener Stelle zu liegen Vorsichtig wischte Ren mit seiner behandschuhten Rechten über das Helmvisier des Fremden und entfernte die Staubschicht. Noch immer war nichts zu erkennen, das
Helmglas schien von innen mit einer grünlichbraunen Schicht beschlagen zu sein; er klopfte mit den Fingerknöcheln dagegen. Morris und Bebir standen dicht hinter dem Commander und schwiegen gespannt. Dhark hakte den Scheinwerfer vom Gürtel seines M-Anzugs, richtete ihn auf das Helmvisier und schaltete ein. Er beugte sich näher, um im gleichen Moment mit einem entsetzten Aufschrei zurückzuzucken. Morris und Bebir traten reflexartig auf ihn zu, doch Dhark bedeutete ihnen mit einem knappen Wink, noch zu warten. Er richtete den Strahl seines Scheinwerfers erneut auf das Visier des Raumanzugs jenes unbekannten Fremden... Würgender Ekel stieg in Ren Dhark hoch! Er war auf eine Menge gefaßt gewesen, doch dieser Anblick war zuviel für ihn: Im Licht des Scheinwerfers schwamm etwas in einer grünbraunen Suppe – etwas, das vor langer Zeit einmal ein Gesicht gewesen sein mußte... Drei nebeneinanderliegende faustgroße schwarze Augenhöhlen starrten den Commander an, direkt darunter saß ein überbreiter Mund, aus welchem nadelscharfe Zähne in dichten Reihen wuchsen. Überall hingen Fetzen zerfallenen, verfaulten Fleisches herum, die trübe Atem-Flüssigkeit war übersättigt mit den winzigen Partikeln der sterblichen Überreste jenes Wesens! Ren schaltete den Scheinwerfer wieder ab und lehnte sich zurück. Ein Schauer lief durch seinen Körper, als er sich erhob; er atmete ein paar mal tief durch, um seinen rebellierenden Magen wieder unter Kontrolle zu bekommen und stellte die Klimaanlage seines M-Anzugs auf Kühlung. »Was ist es?« erkundigte sich Leon Bebir wißgierig und sah hinunter auf den toten Körper des unbekannten Wesens. Dhark brauchte einige Sekunden, um eine Antwort geben zu können – der Anblick dieser toten, verwesten Kreatur war
schlimmer als alles, was er im galaktischen Museum Babylons gesehen hatte, im Sockel des gigantischen goldenen Menschen. »Eine unbekannte Intelligenz, Bebir, wahrscheinlich amphibisch.« Er räusperte sich, um den bitteren Geschmack aus seiner Kehle zu vertreiben. »Das würde jedenfalls erklären, wieso der Anzug mit Flüssigkeit gefüllt ist. Was immer es auch war, es muß schon sehr lange tot sein!« Morris hatte derweil den Raumanzug des Fremden einer näheren Betrachtung unterzogen. Plötzlich stieß er einen überraschten Laut aus und packte den Commander am Arm. »Dhark, sehen Sie sich das doch einmal an! Diese Schriftzeichen...« Ren kniete sich neben dem Funkspezialisten nieder und sah sich an, was dieser ihm zu zeigen hatte, vermied es dabei jedoch sorgfältig, noch einen weiteren Blick durch die Helmscheibe der Kreatur zu werfen. Die Schriftzeichen, die Morris entdeckt hatte, kamen Dhark bekannt vor, er konnte sie jedoch nicht sofort unterbringen und suchte in seinen Erinnerungen nach den eigenartigen Symbolmustern. Bebir gesellte sich zu den beiden Männern und warf ebenfalls einen Blick auf die Zeichen, die den Raumanzug des Fremden auf der rechten Brustseite schmückten. Im gleichen Moment stieß er einen schrillen Pfiff aus und murmelte ungläubig: »Worlan...!« »Wie Bitte?« Dhark sah seinen zweiten Offizier fragend an, dann kam ihm selbst die Erkenntnis. Er schlug sich klatschend auf den rechten Oberschenkel und erhob sich. »Natürlich, Worlan! Die Zeichen an den Torbögen!« In Rens Gedanken baute sich das Bild gewaltiger Felsbögen auf, die aus einer öden Steinwüste wuchsen; hundert und mehr Meter hoch, wirkten sie wie natürlich gewachsene Monumente... und waren doch von Intelligenzen geschaffen
worden. Hinter diesen Bögen aber lagen Städte, Maschinenstädte – gesichert durch unüberwindliche und tödliche Energiesperren. Was aber das rätselhafteste an diesen Felstoren war: ging man um sie herum, so lag dahinter nichts – man sah die Stadt von dort aus genau derselben Perspektive wie von der anderen Seite! Die Wissenschaftler waren sich bislang nicht darüber einig geworden, ob es sich bei diesen Toren ganz einfach um raffinierte Bildüberträger, Transmitter oder gar Zugänge zu einer anderen Dimension handelte. Das Rätsel von Worlan hatte hunderten von Experten auf lange Sicht Arbeit beschert. Vor diesen Toren aber hatte man die Monolithen entdeckt; silberne siebeneckige Säulen, welche die Energiefelder aufbauten, die den Menschen den Durchgang durch die Felstore verwehrten. Eben diese Monolithen waren von Schriftzeichen bedeckt, jenen Symbolen, die sie nun auf dem Raumanzug eines toten Fremdwesens wiederfanden, an Bord des gigantischsten Raumers den Menschen je betreten hatten. Wie könnte dies alles zusammenpassen? fragte sich Dhark verwirrt. »Sie haben recht, Bebir, die Zeichen sind tatsächlich identisch, aber... Moment, was haben wir denn da?« Halb unter dem Körper des fremden Wesens verborgen, blitzte etwas metallisches. Dhark griff nach dem Ding und versuchte, es unter der Leiche hervorzuziehen. Er schaffte es jedoch nicht, ohne den Fremden ein Stück zur Seite zu drücken. Wieder kamen Ekel und Abscheu in ihm auf, als er durch den Raumanzug hindurch vermoderte Knochen splittern fühlte. Es kostete die ganze Überwindung des Commanders, den Fremden schließlich ganz auf die Seite zu drehen und das silbern glänzende Objekt unter dessen Körper hervorzuziehen.
Fasziniert hielt er es in den Händen, drehte es und betrachtete es von allen Seiten. »Nicht sehr groß, aber schwer.« Ein plumper Kasten mit abgerundeten Ecken, war der Gegenstand ebenfalls mit worlanischen Schriftzeichen bedeckt, ansonsten aber völlig glatt. »Eine Waffe scheint es nicht zu sein, Anzeigen sind auch keine zu entdecken, hm...« Er fuhr mit den Fingerspitzen jeden Zentimeter des handlichen Kastens ab und reichte ihn dann weiter an Glenn Morris, der das unbekannte Gerät ebenso interessiert musterte, wie zuvor der Commander. »Vielleicht ein Peilgerät, oder so was ähnliches.« Unbewußt machte der Funker einen Schritt auf den nächsten Leuchtkörper zu, um besser sehen zu können. Er spürte nur einen schwachen Widerstand, gefolgt von einem Ziehen... und dann war es ihm plötzlich, als würde sein Körper in die Tiefe gerissen, schlagartig wurde es schwarz um ihn herum! Morris stieß einen entsetzten Schrei aus und begann verzweifelt mit den Armen zu rudern, ein Gefühl der Schwerelosigkeit erfaßte ihn, der Magen drehte sich ihm um! Er trieb wie in einer gegenstandslosen schwarzen Masse, keiner seiner Funkrufe wurde beantwortet! Die Panik stieg in einem wüsten Schwall in ihm empor und er mußte mit aller Kraft gegen sie ankämpfen. Bleib ruhig, verdammt! beschwor er sich selbst, um nicht gänzlich die Kontrolle zu verlieren. Er hob eine Hand bis dicht vor seinen Helm, konnte jedoch noch immer nicht das geringste erkennen. Wo bin ich hier denn bloß gelandet? Auch der Scheinwerfer brachte nicht den leisesten Schimmer in die absolute Dunkelheit; erst jetzt fiel Morris auf, daß er nicht einmal die selbstleuchtenden Anzeigen im Innern seines Helmes mehr sehen konnte!
Bevor er sich aber weitere Gedanken darüber machen konnte, war er durch! Das Inferno von Licht und Lärm in welches er schlagartig eintauchte, raubte ihm momentan die Sinne; die plötzlich wieder vorhandene Schwerkraft riß ihn zu Boden. Taumelnd erhob er sich wieder und hielt geblendet einen Arm vor die Augen. Einen Augenblick glaubte er, mitten hinein in eine Sonne zu starren! Das transparente Kunststoffmaterial seines Raumhelms filterte die Helligkeit zwar, aber sie war dennoch so stark, daß der Funkspezialist die Augen zu engen Schlitzen zusammenkneifen mußte. Ein ungläubiges Stöhnen kam über Glenn Morris' Lippen, als er endlich erkennen konnte, wo er sich befand... –ENDE–
Ein Gigant des Alls hat zugeschlagen, die POINT OF ist verschollen in den unbekannten Dimensionen des Hy-Kon! Ren Dhark und die anderen, die sich an Bord des unheimlichen Raumers geflüchtet haben, stoßen bei ihrer verzweifelten Suche nach einer Fluchtmöglichkeit auf das grauenhafte Geheimnis des gigantischen Schiffes – eine Konfrontation auf Leben und Tod beginnt! Derweil überstürzen sich auf dem vierten Planeten der Wega die Ereignisse – eine fast vergessene Macht erscheint und es kommt zum
»ANGRIFF AUF DIE ANDROMEDA«... Dies ist auch der Titel des nächsten packenden RD-Romans aus der Feder von M. Rückert