TERRA ASTRA 538
Expedition in die Vergangenheit von Wolfgang Sternbeck
Die Hauptpersonen des Romans: Torgen-Shan – De...
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TERRA ASTRA 538
Expedition in die Vergangenheit von Wolfgang Sternbeck
Die Hauptpersonen des Romans: Torgen-Shan – Der junge Wissenschaftler von Berka-Lot sucht eine vergessene Sternenkolonie. Keltar-Birt und Homger-Veit – TorgenShans Mitarbeiter und Freunde. Ambor-Bath – Regierungschef von Berka-Lot. Steven Hotch – Leiter einer geologischen Expedition. Herb Kenley – Hotchs Stellvertreter. Careen Bilmer – Eine junge, tapfere Medizinerin.
1. Torgen-Shan stutzte. Aufgeregt fuhren seine Hände an der Schaltkonsole des Wiedergabegeräts entlang. Auf dem kleinen Sichtschirm blinkte das Symbol für „Geheime Information“. Der junge Wissenschaftler vom Planeten Berka-Lot hatte Mühe, seine sich überstürzenden Gedanken zu ordnen. Um den Speicherkristall zur Preisgabe seines Geheimnisses zu bewegen, waren eine Reihe zusätzlicher, komplizierter Schaltungen notwendig. Erst vor wenigen Standardtagen war es ihm gelungen, den Kode hierfür zu enträtseln. Einige Augenblicke überlegte Torgen-Shan, ob er seine beiden Freunde rufen sollte, die an anderer Stelle des Planetaren Archivs nach Hinweisen dafür suchten, daß die uralten Legenden von Erkho-
Thol, dem größten Raumfahrer seines Volkes, auf wahre Begebenheiten zurückzuführen waren. Doch dann entschied Torgen-Shan sich, die Männer noch nicht zu stören. Zuerst wollte er sichergehen, daß die Information, die der Speicherkristall in wenigen Zeiteinheiten geben würde, die Unterbrechung ihrer Arbeit rechtfertigte. Torgen-Shan konzentrierte sich auf die notwendigen Handgriffe. Er war etwa zwei Meter groß, sehr schlank und von humanoider Gestalt. Die Hautfarbe war, wie bei allen Mitgliedern seines Volkes, fast weiß. Seine großen, dunklen Augen, die in tiefen Höhlen lagen, bildeten einen starken Kontrast. Langsam schaltete er am Wiedergabegerät. Das Symbol verschwand vom Bildschirm und machte einer Schriftreihe Platz, die den Informationssuchenden darüber informierte, daß der Kristall sich in zwanzig Zeiteinheiten vernichten würde, falls nicht weitere Kodezeichen eingegeben würden. Der junge Wissenschaftler ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er war sicher, daß er keine Fehler machen würde. Trotzdem lehnte er sich aufatmend zurück, als er seine Arbeit beendet hatte. Während der erneuten Wartezeit dachte er verärgert daran, daß Ambor-Bath, der Oberste auf Berka-Lot, seinen Bemühungen, Licht in das Dunkel der Vergangenheit zu bringen, recht gleichgültig gegenüberstand. Torgen-Shan hatte sogar gehört, daß der Regierende sich im vertrauten Kreis schon mehr als einmal abfällig über ihn geäußert hatte. Lediglich der Respekt vor den großen Leistungen Torgen-Shans bei der Entwicklung der modernen Energietechnik hinderten AmborBath daran, seinen Unmut öffentlich zu zeigen. Der junge Berkaner zuckte zusammen, als ein leises, akustisches Signal ertönte. Sofort wandte er seine ganze Aufmerksamkeit dem Wiedergabegerät zu. Mit einem schnellen Handgriff schaltete er den Folienschreiber ein, der die Informationen des Kristalls synchron ausdruckte. Dann leuchtete ein weiße Schrift auf dem kleinen Sichtschirm auf. Mit zunehmender Erregung las Torgen-Shan, was der Speicherkristall, der viele tausend Jahre vergessen an seinem Platz gelegen hatte,
ihm mitteilte. Nachdem der Informationsfluß beendet war, starrte der junge Wissenschaftler wie betäubt auf den blinden Bildschirm. Doch dann erfüllte ihn ungeheures Glücksgefühl. „Das ist der Beweis“, flüsterte er vor sich hin. „Jetzt muß AmborBath meine Arbeit unterstützen.“ Er musterte noch einmal die Endlosfolie, die im Auffangkorb des Wiedergabegeräts lag, als wollte er sich überzeugen, daß er soeben nicht geträumt hatte, dann schaltete er entschlossen sein Armbandfunkgerät ein. Ungeduldig wartete er auf das Bereitschaftszeichen. „Keltar-Birt“, meldete sich kurz darauf sein Erster Assistent, und unmittelbar darauf bekundete Homger-Veit, sein zweiter Mitarbeiter, daß er auf die Nachrichten seines Chefs wartete. Torgen-Shan bemühte sich darum, seine Stimme möglichst gelassen klingen zu lassen, als er sagte: „Ich habe eine interessante Entdeckung gemacht, die ich euch gern zeigen möchte. Ich befinde mich im Augenblick im Raum vierhundertzehn im untersten Stockwerk des Archivs.“ „Wir kommen“, antwortete Keltar-Birt knapp. Homger-Veit sagte gar nichts. Torgen-Shan war sicher, daß sich die beiden mit höchster Eile auf den Weg machen würden. Es war ungewöhnlich, daß er seine Freunde bei ihrer Tätigkeit unterbrach. Normalerweise trafen sie sich nach Beendigung des festgelegten Tagespensums in Torgen-Shans geräumiger Wohneinheit, um die Erkenntnisse der vergangenen Arbeitsperiode auszuwerten und Pläne für die weitere Vorgehensweise zu machen. Doch hier lag schließlich eine außergewöhnliche Entdeckung vor. Die Tür glitt mit leisem Summen zur Seite, und Keltar-Birt, der etwa im gleichen Alter Torgen-Shans sein mochte, trat ein. Er war einen Kopf kleiner als Torgen-Shan und etwas korpulenter. Auf seinem kahlen Schädel hatte er mit einem selbstgefertigten Schmuckband einen Trantorstein befestigt, jene farbig schillernden Gebilde, die nur unter großen Gefahren aus den Sümpfen in der südlichen Hälfte des Planeten geborgen werden konnten. Keltar-Birt war sehr stolz auf
diesen Fund und ließ keine Gelegenheit aus, von seiner gewagten Expedition zu erzählen. „Was hast du entdeckt?“ platzte er sofort heraus. „Deine Stimme klang sehr aufgeregt.“ Er raffte das weiße, fließende Gewand enger, das er, ebenso wie Torgen-Shan und auch Homger-Veit, trug und das die Männer als Angehörige der hochgeachteten Kaste der Wissenschaftler auswies. Während Keltar-Birt näher kam, dachte Torgen-Shan belustigt daran, daß er seinen Freund nicht täuschen konnte. Schon mehrere Planetenumläufe arbeiteten sie eng zusammen, deshalb kannten sie sich sehr genau. Doch noch bevor er antworten konnte, betrat HomgerVeit, sein Zweiter Assistent, das Archiv. Er arbeitete nicht, wie Keltar-Birt, in Torgen-Shans Team, das sich mit der Erprobung neuer Techniken zur Energiegewinnung befaßte. Trotzdem war er ein enger Freund des von ihm wegen seiner gewagten Spekulationen bewunderten Wissenschaftlers. Homger-Veit war jünger als die beiden anderen Männer. Dennoch hatte er auf seinem Spezialgebiet, der Kommunikationstechnik, bereits beachtliche Leistungen auf zuweisen. Er war schlank. Auf seiner rechten Wange befand sich dicht unterhalb des Auges eine kleine Narbe, die von dem Kampf mit einem Parbonläufer herrührte, dem gefährlichsten Raubtier des Planeten. Homger-Veit war einer der wenigen Männer auf Berka-Lot, die eine solche Begegnung überlebt hatten. Dennoch sprach er nicht gern von diesem Vorfall. Auch er trat näher zu den beiden Männern und sah Torgen-Shan fragend an. Der Wissenschaftler schwenkte stolz die Folie. „Wir sind auf der richtigen Spur!“ rief er aus. „Seht, was ich vom letzten Speicherkristall erfahren habe.“ Keltar-Birt nahm ihm ungeduldig das Schriftstück aus der Hand. Er stellte sich so neben Homger-Veit, daß dieser mitlesen konnte. Schon nach wenigen Zeiteinheiten waren die beiden Assistenten von dem Text gefesselt.
„Das ist fast nicht zu glauben“, sagte Homger-Veit, nachdem er die Information gelesen hatte. „Aus dieser Nachricht geht einwandfrei hervor, daß Erkho-Thol, der sagenhafte Führer unseres Volkes, der unsere Raumfahrt zu größten Leistungen gebracht haben soll, tatsächlich gelebt hat.“ Bestätigend nickte Keltar-Birt. Noch einmal zitierte er die entsprechende Stelle: „Im Jahre 834 des Galaktischen Kalenders entschloß sich ErkhoThol, Maßnahmen zu ergreifen, um der Bedrohung durch die Salgenen entgegenzutreten. Gegen den Widerstand vieler Ratskollegen, die die Gefahr mißachteten, baute er Kampfschiffe und rüstete sie mit dem Modernsten aus, das die Berkanesische Technik aufzuweisen hatte. Gleichzeitig schickte er zwei Forschungsschiffe in die Galaxis, die einen geeigneten Fluchtplaneten finden sollten.“ Keltar-Birt sah Torgen-Shan fragend an. „Weißt du, wer die Salgenen waren? Ich habe noch niemals von einem solchen Volk gehört.“ Torgen-Shan machte eine unbestimmte Geste. „Ich auch nicht“, gab er zu. „Allerdings erzählen die alten Legenden von einem großen Krieg mit einem anderen Sternenvolk. Den Namen des Volkes habe ich bisher jedoch noch nicht ergründen können.“ „Dann weißt du natürlich auch nicht, ob die Forschungsschiffe den gesuchten Fluchtplaneten gefunden haben“, stellte Homger-Veit fest. „Natürlich nicht“, antwortete Torgen-Shan. „Aber ich glaube, daß wir in diesem Raum noch manche der Rätsel, die uns die Vergangenheit aufgibt, lösen können. Der Kristall, von dem ich diese Information habe, war erst der zweite, den ich zur Hand genommen hatte. Hier lagern jedoch noch Tausende Exemplare. Mit ein wenig Glück finden wir weitere, wichtige Informationsträger, die uns ein genaues Bild von Erkho-Thol, seinem Leben und Werk vermitteln können.“ „Das .ist phantastisch!“ rief Keltar-Birt begeistert. „Fangen wir gleich an!“
Torgen-Shan nickte. Und die drei Wissenschaftler vom Planeten Berka-Lot machten sich an die Arbeit. Freudige Rufe bewiesen Torgen-Shan, daß seine Assistenten ebenfalls wichtige, bisher unbekannte Daten gefunden hatten. Als sie schließlich wieder zu Torgen-Shan zurückkamen, legte jeder von ihnen einen dicken Stapel Folien auf dessen Arbeitstisch. „Dieser Raum ist eine wahre Fundgrube für uns“, meinte HomgerVeit strahlend. „Wir werden noch einige Standardtage arbeiten müssen, bis wir alle Fakten ausgewertet haben und uns ein genaues Bild der vergangenen Zeiten machen können. Aber dann, daran gibt es wohl keinen Zweifel mehr, bist du am Ziel deiner Suche angelangt, Torgen-Shan. Allen Skeptikern kannst du beweisen, daß deine Theorien richtig sind und deine bisherige Arbeit nicht umsonst war.“ Torgen-Shan lehnte sich erleichtert in seinem Sitz zurück. „Das ist der wichtigste Augenblick in meinem Leben“, sagte er bewegt. Dankbar sah er seine Freunde an. „Ohne eure Unterstützung hätte ich es nicht geschafft. Jetzt jedoch werden wir die wohlverdiente Ruhepause einlegen. Morgen sehen wir weiter.“ * Mißmutig starrte Steven Hotch auf die undurchdringlich scheinende Pflanzenwand am Ufer des Rio Branco, die an den Booten vorbeiglitt. Zum wer-weiß-wievielten Male holte er ein großes Taschentuch hervor und versuchte, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. „Geben Sie’s auf, Chef“, sagte Herb Kenley lachend, der neben ihm an der Bordwand stand. Ihm schien die brütende Hitze nichts auszumachen. „Warum schwitzt dieser Kerl eigentlich nicht genauso wie ich?“ beklagte sich Steven Hotch bei Careen Burner, dem einzigen weiblichen Teilnehmer der Expedition. Die Medizinerin warf ihre langen, schwarzen Haare in den Nacken und lachte ihren Chef an.
„Es gibt zwei Antworten“, sagte sie, während sie einen spöttischen Blick zu Herb Kenley warf. „Als Medizinerin würde ich sagen, daß Herb viel weniger überflüssige Pfunde mit sich herumzuschleppen hat als Sie, verehrter Mr. Hotch. Wie Sie selbst wissen...“ „Schon gut, schon gut.“ Der Boß winkte ab und warf einen giftigen Seitenblick auf den breit grinsenden Kenley. „Und die zweite Antwort?“ Careen zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Nun, als Kollegin würde ich sagen, daß Mr. Kenley die einzigartige Gabe besitzt, die schwere Arbeit von anderen erledigen zu lassen. Mit dieser Einstellung kann man Schwitzen auch vermeiden.“ Steven Hotch brach in lautes Gelächter aus. „Das ist allerdings eine Neuigkeit“, sagte er schadenfroh. Herb Kenleys Gesicht hatte sich plötzlich verfinstert, und Careen bemerkte, daß sie etwas zu weit gegangen war. „Tut mir leid, Herb“, sagte sie hastig. „Ich wollte Sie nicht beleidigen.“ „Oh, das haben Sie nicht, Verehrteste, durchaus nicht“, sagte der Mann und verzog die Mundwinkel zu einem gekünstelt wirkenden Lächeln. Steven Hotch räusperte sich. „Wir sollten uns um unsere Arbeit kümmern“, sagte er polternd, „statt uns hier zweifelhafte Nettigkeiten an den Kopf zu werfen.“ Ohne sich weiter um seine beiden Mitarbeiter zu kümmern, ging er zum Heck des Bootes, wo mehrere Ausrüstungspacken lagerten, und machte sich dort zu schaffen. „Eigentlich müßten wir unser Zielgebiet bald erreicht haben, nicht wahr?“ wandte sich Careen Burner an Herb Kenley, um das spannungsgeladene Schweigen zwischen ihnen abzubauen. Sofort wurde der junge Mann wieder freundlicher. „O ja“, sagte er eifrig. „Wir werden wahrscheinlich in der nächsten Stunde unser errechnetes Ziel erreichen.“ Er wies auf den Expeditionschef, der noch immer zwischen den Packen herumkletterte. „Der
Alte sucht schon nach seinen Karten, wenn ich mich nicht irre. Dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob wir einen Kilometer mehr oder weniger flußaufwärts an Land gehen. Die größten Strapazen stehen uns noch bevor; wenn wir durch diese unwegsame, grüne Hölle zu Fuß marschieren müssen. Außerdem müssen wir einen geeigneten Lagerplatz finden.“ „Glauben Sie wirklich, daß unsere Expedition Erfolg hat?“ wollte die Frau wissen. Herb Kenley zuckte die Schultern. „Was ich glaube, spielt keine Rolle“, sagte er langsam. „Unser Auftrag lautet, in einem bestimmten Gebiet, in dem Uranvorkommen vermutet werden, Probebohrungen niederzubringen. Da die Regierung diese Arbeit ausgezeichnet bezahlt, habe ich das Angebot angenommen. Über das Resultat unserer Bemühungen mache ich mir keine Gedanken.“ Voller Unbehagen starrte Careen an das Ufer. Seit vier Tagen sahen die Mitglieder dieses verrückten Unternehmens nichts anderes als diese undurchdringlich scheinende Wand aus Bäumen und Gestrüpp. „Eigentlich sollten wir uns jetzt langsam nach einer geeigneten Landemöglichkeit umsehen“, rief Hotch. „Wir haben uns gerade darüber unterhalten“, erklärte Herb Kenley. Wenig später wies er ans Ufer. „Dort drüben sieht es ganz manierlich aus“, meinte er. Die anderen sahen, daß die Bäume etwas vom Ufer zurückwichen. Der Fluß hatte eine Sandbank gebildet, so daß eine kleine, vegetationsfreie Fläche entstanden war. „Einverstanden“, erklärte Hotch. „Geben Sie das Kommando zum Anlegen, Herb.“ Sein Stellvertreter nickte. Aus seiner Jackentasche zog er eine Trillerpfeife und blies kräftig hinein, um so die Aufmerksamkeit der Männer in den anderen fünf Booten auf sich zu lenken. Danach hob er ein Megaphon an die Lippen und teilte den Leuten mit, daß ein geeigneter Landeplatz gefunden sei.
Die Bootsführer folgten seinem Kommando. Nacheinander schoben sich die Kiele der Boote auf den flachen Sand. Das Motorengeräusch verstummte. Erleichtert verließ Careen Burner zusammen mit den anderen Männern das schwankende Transportmittel. Jetzt entwickelte sich eine hektische Aktivität. Die Ausrüstungsgegenstände und das Gepäck wurden nach einem genau festgelegten Plan auf die Träger verteilt, die in den anderen Booten mitgefahren waren. Steven Hotch lief aufgeregt zwischen den Männern hin und her, erteilte Anweisungen und sorgte dafür, daß keine unnötigen Verzögerungen entstanden. „Er will das Tageslicht ausnutzen, um noch einige Kilometer bis zum ersten Nachtlager zu marschieren“, erklärte Herb Kenley, der unbemerkt neben Careen getreten war. „Wenn es keine unangenehmen Überraschungen gibt, erreichen wir unser Zielgebiet in drei Tagen.“ Careen nickte. Sie beobachtete, daß der Chef die Bootsführer entlohnte. Wenig später erfüllte wieder das vertraute Knattern und Brummen der Motoren die Luft. Die junge Frau und Herb Kenley sahen zu, wie die Boote mit zunehmender Geschwindigkeit den Rio Branco hinabfuhren. „Jetzt sind wir wirklich auf uns allein gestellt“, sagte Careen Burner nachdenklich. „Bloß keinen Pessimismus!“ wehrte Herb Kenley entsetzt ab. „Schließlich sind wir hervorragend ausgerüstet.“ Der Chef kam schnaufend auf sie zu. „Alles klar?“ fragte er. „Können wir losmarschieren?“ „Nur zu!“ antwortete sein Stellvertreter gutgelaunt. Hotch nickte und gab das Zeichen zum Aufbruch. Die Träger nahmen die ihnen zugeteilten Lasten auf, und die Kolonne steuerte ihrem fernen Ziel entgegen. *
Prüfend sah Torgen-Shan den Folienstapel durch, den er zum Beweis seiner Aussagen für Ambor-Bath vorbereitet hatte. Er wußte genau, daß er alle erforderlichen Unterlagen vor sich hatte, doch er vergewisserte sich noch einmal, um seine innere Unruhe ein wenig zu dämpfen. „Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen“, bemerkte KeltarBirt, der wußte, wie es in seinem Freund aussah. „Schließlich haben wir in den letzten drei Standardtagen so viel herausgefunden, daß auch der größte Skeptiker überzeugt sein muß.“ Torgen-Shan machte eine Geste der Zustimmung. „Wahrscheinlich hast du recht“, gestand er. „Ich bin nervös, weil von dem Gespräch mit dem Regierenden so viel für mich abhängt.“ Der junge Wissenschaftler stand entschlossen auf. „Ich werde alles tun, um AmborBath zu überzeugen.“ „Es wird dir gelingen“, sagte Keltar-Birt zuversichtlich. Er begleitete Torgen-Shan zum Ausgang der Wohneinheit und sah ihm nach, wie er mit schnellen Schritten der Rufsäule für die Taxischweber entgegenstrebte. Torgen-Shan betätigte den Schalter, der eines der öffentlichen Verkehrsmittel zu seinem augenblicklichen Standort lenken würde. Er mußte nur wenige Zeiteinheiten warten, bis eines der grünen Fahrzeuge vor ihm hielt. Die Tür öffnete sich, Torgen-Shan stieg ein und ließ sich in die bequemen Polster sinken. „Zum Regierungsgebäude“, befahl er dem Robotpiloten. Gehorsam hob die Maschine ab und reihte sich in den Verkehrsstrom ein. Während der kurzen Fahrt dachte Torgen-Shan noch einmal an die Arbeit der vergangenen Standardtage, die für ihn und seine Freunde so erfolgreich gewesen war. Nachdem sie alle Speicherkristalle, die im Raum vierhundertzehn des Planetaren Archivs gelagert waren, überprüft hatten, konnten sie mit Hilfe der hochwertigen Elektronengehirne, die Torgen-Shan zur Verfügung standen, ErkhoThols Lebensweg rekonstruieren. Weiterhin stellte sich heraus, daß eines der beiden Forschungsschiffe, die Erkho-Thol ausgesandt hatte,
tatsächlich einen Planeten gefunden hatte, der sich als Zufluchtsort eignete. Daraufhin ließ Erkho-Thol eine Kolonie auf diesem fernen Planeten errichten. In den Speicherkristallen hatte es einen vagen Hinweis gegeben, daß der Planet primitives Leben trug, doch weitere Aufzeichnungen darüber waren trotz intensiver Suche nicht zu finden. Bald nach dem Abflug der Kolonistenschiffe kam es im Krieg gegen die Salgenen zum Entscheidungskampf. Erkho-Thol konnte den Feind vernichtend schlagen, doch auch die berkanesische Zivilisation war zum größten Teil zerstört. Es folgte eine lange, mühsame Phase des Wiederaufbaus. Danach war die geheime Kolonie in Vergessenheit geraten. Torgen-Shan wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der Schweber auf dem Parkdach des Regierungsgebäudes landete. Die Tür öffnete sich, und der junge Wissenschaftler verließ das Fahrzeug. Er ging zum Eingang des Liftschachts, der ins Innere des Gebäudes führte. Torgen-Shan wählte das Stockwerk, in dem Ambor-Bath seinen Arbeitsraum hatte. Geräuschlos setzte sich die Kabine in Bewegung. Wenig später hatte er sein Ziel erreicht. Ohne zu zögern, ging Torgen-Shan über den kurzen Flur auf eine Tür zu, die sich selbsttätig vor ihm öffnete. Ein Mitarbeiter des Regierenden sah ihm ehrfurchtsvoll entgegen. „Ich grüße dich“, sagte er zu Torgen-Shan. „Der Oberste ist bereit, dich zu empfangen.“ Torgen-Shan gab den Gruß zurück und wartete, bis ein akustisches Signal ertönte, dann öffnete sich eine weitere Tür und gab den Blick auf den Arbeitsbereich des Regierenden frei. Ambor-Bath stand in der Mitte des Raumes und sah seinem Besucher forschend entgegen. Torgen-Shan blieb in angemessener Entfernung stehen, kreuzte die Hände über der Brust und senkte den Kopf zum Zeichen seiner Hochachtung für den Regierenden. Dann wartete er, bis er angesprochen wurde.
„Tritt näher, Torgen-Shan“, sagte Ambor-Bath und wies in die rechte Ecke des Raumes zu den bequemen Sitzelementen. Während sich die beiden Männer dort niederließen, meinte der Oberste: „Deine Ankündigung heute morgen, daß du wichtige Entdeckungen gemacht hast, erfüllt mich mit Spannung. Aber zuerst wollen wir einige Erfrischungen kommen lassen.“ Er rief einen Servoroboter zu sich, der bewegungslos im Hintergrund des Raumes stand. Die Maschine kam näher und fragte mit wohlmodulierter Stimme nach ihren Wünschen. Als die Getränke vor ihnen standen, wandte sich Ambor-Bath wieder seinem Besucher zu. „Berichte“, forderte er knapp. Torgen-Shan holte die mitgebrachten Unterlagen aus dem kleinen Transportbehälter und legte sie auf den Tisch. „Meine lange Suche war endlich erfolgreich“, begann er. Mit knappen Worten erzählte er von seiner Arbeit in den vergangenen Standardtagen. Dann wies er auf den Folienberg. „Nach Abschluß aller Auswertungsarbeiten kann gar kein Zweifel mehr an der Existenz des legendären Führers ErkhoThol bestehen.“ Ambor-Bath war den Ausführungen des Wissenschaftlers gefolgt, ohne ihn zu unterbrechen. Jetzt schüttelte er mißmutig den Kopf. „Ich hatte schon gehofft, du hättest endlich einen Erfolg bei deiner Arbeit an den neuen Energiespeichern aufzuweisen“, sagte er heftig. „Ich habe dir schon mehrfach zu verstehen gegeben, daß ich dieses Projekt für sehr wichtig halte. Statt dessen verschwendest du wertvolle Zeit, um Geschehnisse aus der Vergangenheit zu rekonstruieren. Was haben wir davon? Du solltest deine Fähigkeiten dazu gebrauchen, die Zukunft unseres Volkes mitzugestalten.“ „Eine gewissenhafte Vergangenheitsforschung kann auch wichtige Perspektiven für die Zukunft eröffnen“, verteidigte sich Torgen-Shan heftig. „Du kennst meine Meinung, daß in den vergangenen Zeiten große Geheimnisse verborgen liegen. Meine letzten Ergebnisse beweisen die Richtigkeit meiner Vermutungen.“
Ambor-Bath winkte lässig ab. „Was hast du davon, daß du jetzt sicher sein kannst, daß es diesen Erkho-Thol wirklich gegeben hat? Welche Auswirkungen hat dieses Wissen auf unsere zukünftige Entwicklung? Ich kann keinen Nutzen daraus erkennen.“ Torgen-Shan sprang erregt auf. „Begreifst du denn nicht, welche neuen Möglichkeiten sich für uns durch meine Entdeckungen ergeben? Die Überlieferungen berichten eindeutig davon, daß Erkho-Thol eine Kolonie aufbauen ließ. Wir sollten alle unsere Fähigkeiten dazu benutzen, diesen Planeten zu finden. Bedenke, was es bedeuten würde, wenn wir die Nachfahren der damaligen Siedler finden würden! Durch den friedlichen Kontakt mit ihnen könnte es für unser Volk einen großen Aufschwung geben. Der Austausch von wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen würde ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Ich bin sicher, daß ...“ „Jetzt reicht es mir aber!“ Auch Ambor-Bath war aufgesprungen. Ärgerlich sah er den Wissenschaftler an. „Du. kannst doch nicht im Ernst verlangen, daß wir nach einem Planeten suchen, von dem wir nicht einmal seine genaue galaktische Position kennen.“ Torgen-Shan hatte sich wieder etwas beruhigt. „Immerhin kennen wir den galaktischen Sektor, in dem sich die Kolonie befinden muß. Das schränkt das Suchgebiet ganz erheblich ein. Wir sollten uns diese einmalige Chance nicht entgehen lassen!“ erklärte er eindringlich. „Du bist ein Phantast, Torgen-Shan“, entgegnete der Regierende. „Ich habe gehofft, nun, da du endlich die Existenz Erkho-Thols nachgewiesen hast, würdest du dich zufriedengeben und wieder einer vernünftigen Arbeit nachgehen. Doch statt dessen entwickelst du neue, verrückte Ideen.“ „Gib mir drei Raumschiffe, dann werde ich dir die Existenz der Kolonie nachweisen“, forderte Torgen-Shan schnell. Ambor-Bath lachte verächtlich. „Das kommt überhaupt nicht in Frage“, lehnte er ab. „Dann gib mir ein Schiff“, bat Torgen-Shan verzweifelt.
„Nein!“ Der Oberste blieb bei seiner Entscheidung. „Ein solches Unternehmen ist aussichtslos und gefährlich. Ich bin nicht bereit, ein solches Wagnis einzugehen.“ „Ist das dein letztes Wort?“ fragte Torgen-Shan gepreßt. „Mein allerletztes“, bestätigte Ambor-Bath. Wortlos packte Torgen-Shan seine Unterlagen ein, die der Oberste keines Blickes gewürdigt hatte. Dann nickte er Ambor-Bath flüchtig zu und verließ den Raum. Der Regierende sah ihm unbewegt nach. Torgen-Shan eilte auf das Dach des Regierungsgebäudes und rief einen Schweber herbei. Ungeduldig wartete er auf die Ankunft des Fahrzeugs. Als er endlich in der Fahrgastkabine saß und zu seiner Wohneinheit unterwegs war, hatte er sich wieder etwas beruhigt. Seine Hoffnung, von nun an mit Ambor-Baths Unterstützung arbeiten zu können, hatte sich also nicht erfüllt. Doch was änderte das für ihn? Er mußte eben weiterhin allein mit seinen beiden Freunden forschen. Das Fahrzeug erreichte seine Wohnung, und Torgen-Shan stieg aus. Noch bevor er den Kode für die Türautomatik eingeben konnte, wurde ihm geöffnet. Er sah in das erwartungsvolle Gesicht von Keltar-Birt. „Nichts“, meinte der Assistent enttäuscht, als er Torgen-Shans Miene sah. „Das hätte ich nach unseren letzten Erfolgen nicht erwartet.“ „Ambor-Bath läßt sich nicht umstimmen“, berichtete Torgen-Shan grimmig. „Aber das soll uns nicht aus dem Gleichgewicht werfen. Wir werden trotzdem handeln.“ „Was hast du vor?“ fragte Keltar-Birt besorgt. Torgen-Shan gab keine Antwort. Er setzte sich vor das Kommunikationsgerät und stellte eine Verbindung zum Kommandanten des Raumhafens her. „Ich grüße dich“, sagte er, als Horman-Teip auf dem kleinen Bildschirm erschien. „Ich hoffe, es geht dir gut?“ „Danke der Nachfrage.“ Der Hafenkommandant lachte. „Was kann ich für dich tun?“ „Ich brauche einen kleinen Forschungskreuzer“, sagte Torgen-Shan. „Ich bitte dich, lasse das Schiff ausrüsten und für mich bereitstellen.“
Das Gesicht des Mannes zeigte größte Verlegenheit. „Ich bedaure außerordentlich“, erklärte er. „Diesen Wunsch kann ich dir nicht erfüllen. Vor kurzer Zeit hat Ambor-Bath mir aufgetragen, dir kein Schiff zu geben, bis er andere Weisung erteilt.“ „Das ist ja ...!“ entfuhr es Torgen-Shan, doch dann beherrschte er sich. Er nickte dem Hafenkommandanten noch einmal kurz zu, dann unterbrach er die Verbindung. „Der Oberste hat schnell reagiert“, meinte Keltar-Birt resigniert. „Jetzt dürften unsere Pläne wohl gescheitert sein.“ Torgen-Shan starrte vor sich hin, dann lächelte er Kelt’ar-Birt plötzlich an. „Noch ist nicht alles verloren“, sagte er zu dem Freund. „Ich habe einen Plan.“
2. Unbemerkt war Steven Hotch zu Careen Burner getreten, die auf einem großen Stein saß und mißmutig auf die Männer blickte, die gerade einen neuen Bohrkopf auf das Gestänge setzten. „Na, Careen“, meinte der Expeditionsleiter, „Ihnen scheint nicht zu gefallen, daß wir mit unserer Arbeit so schnell vorankommen, oder wie soll ich Ihren Gesichtsausdruck sonst deuten?“ Er lachte zu seinen Worten und bewies damit, daß er sie nicht ganz ernst gemeint hatte. Die Medizinerin war erschrocken zusammengefahren, als sie so plötzlich aus ihren Gedanken gerissen wurde. Doch nun, da sie den Mann erkannt hatte, lachte sie auf. „Sie liegen mit Ihrer Vermutung völlig verkehrt, mein Bester“, gab sie zurück. „Niemand ist glücklicher als ich, wenn wir hier so schnell wie möglich wieder verschwinden können. Nein, nein, ich habe gerade überlegt, warum ich eigentlich hier sitzen muß. Bisher wurden meine Kenntnisse noch kein einziges Mal benötigt. Auf unserem drei Tage währenden Marsch durch
den Dschungel hierher gab es keinen Zwischenfall. Auch der Aufbau des Lagers und die Errichtung des Bohrturms verliefen reibungslos. Und nun arbeiten wir hier schon zwei Tage lang, sind unserem Zeitplan weit voraus, und es geschieht immer noch nichts Außergewöhnliches.“ „So sollten Sie nicht reden, Careen“, sagte Steven Hotch leise. „Ich bin heilfroh, daß wir bisher auf Ihre Hilfe verzichten konnten. Bedenken Sie, daß wir uns hier mitten in der Wildnis befinden. Wir konnten ohne ärztlichen Beistand nicht aufbrechen. Wenn es wirklich zu einem Unfall kommen sollte, was bei Bohrarbeiten niemals auszuschließen ist, sind Sie unsere einzige Hoffnung.“ Careen Burner legte ihm schnell eine Hand auf den Arm. „Natürlich weiß ich das alles, Steven. Was ich sagen wollte, war lediglich, daß ich mich im Augenblick etwas langweile.“ Der Mann lachte auf. „Das kann ich verstehen! Ehrlich gesagt, ich habe mich schon bei unserem Aufbruch in Manaus gefragt, was eine hübsche Frau wie Sie eigentlich im Urwald verloren hat.“ Careen Burner errötete leicht. „Ich wollte mal raus aus dem täglichen Einerlei in der Klinik“, erklärte sie. „Außerdem reizt mich das Abenteuer.“ Steven Hotch wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ich muß wieder zur Mannschaft“, sagte er hastig. Er nickte der Frau noch einmal zu, dann lief er eilig die kleine Anhöhe hinauf, auf deren Kuppe der Bohrturm montiert worden war. Careen Burner folgte ihm etwas langsamer nach. Es tat ihr jetzt leid, sich beim Chef darüber beklagt zu haben, daß sie praktisch arbeitslos war. Natürlich war sie froh darüber, daß es bisher zu keinen Zwischenfällen gekommen war. Doch sie wußte, wie sehr sich Steven Hotch die Sorgen seiner Leute zu Herzen nahm und für sie nach Abhilfe suchte. Und das, obwohl er doch wahrhaftig genug um die Ohren hatte. Careen nahm sich vor, deswegen noch einmal mit ihm zu reden und ihm zu versichern, daß sie wirklich nicht unzufrieden war.
Inzwischen hatte sie die Begrenzung des Bohrplatzes erreicht und beobachtete, wie die nächste Bohrung niedergebracht wurde. Herb Kenley stand auf einer kleinen Plattform und rief den hart arbeitenden Männern Befehle zu. Plötzlich veränderte sich das Geräusch der Motoren. Es wurde lauter, durchdringender und ging schließlich in schrilles Pfeifen über. „Zurück! Zurück!“ Herb Kenley sprang aufgeregt von seiner Plattform und eilte zu Al Chaseman hinüber, der das Schaltpult bediente. Auch Steven Hotch und die anderen Männer liefen zusammen. „Was ist passiert?“ dröhnte die Stimme des Expeditionsleiters über den Platz. AI Chaseman zuckte hilflos die Schultern. „Ich ... ich weiß nicht“, stammelte er. Sein schmales Gesicht mit den großen, ausdrucksvollen Augen war blaß geworden. „Der Bohrkopf hatte planmäßig gearbeitet. Plötzlich ging es nicht mehr weiter. Die Instrumente zeigten eine Überlastung an, bevor ich das Gerät abschaltete.“ Steven Hotch schob sich bis zu dem Mann vor. „Und Sie haben nichts Ungewöhnliches bemerkt, Junge?“ fragte er eindringlich. „Denken Sie nach. Der Fels, mit dem wir es hier zu tun haben, kann nicht so hart sein, um unseren Bohrkopf zum Aufgeben zu bringen.“ „Nichts, Chef“, versicherte Chaseman. „Es gab keinerlei Unregelmäßigkeiten.“ „Ach was“, mischte sich Herb Kenley ärgerlich ein. „Bestimmt haben Sie einen Bedienungsfehler gemacht.“ „Das ist nicht wahr!“ verteidigte sich Al Chaseman empört. „Sie können ja selbst die Schaltungen übernehmen.“ „Streitet euch nicht!“ fuhr Steven Hotch die beiden Männer an. „Wir machen einen neuen Versuch. Jeder an seinen Platz.“ Er selbst ging mit Al Chaseman zum Schaltpult, während Herb Kenley zu den Männern trat, die dicht am Bohrgestänge arbeiteten. „Fertig?“ fragte Steven Hotch. Auf sein Zeichen hin schaltete Al Chaseman mit zitternden Fingern den Bohrer wieder ein. Alle lauschten mit angehaltenem Atem auf die Maschinengeräusche.
„Langsam absenken!“ befahl Herb Kenley von der Bohrstelle her. Wieder wurden die Motoren lauter, schrille Töne lagen in der Luft. Nach einigen langen Sekunden gab Hotch dem Techniker ein Zeichen. Dieser schaltete erleichtert das Gerät aus. Der Lärm erstarb. Ratlos sahen sich die Männer an. „Das verstehe ich nicht“, murmelte Steven Hotch kopfschüttelnd. Herb Kenley hatte seinen Platz verlassen und war langsam zum Expeditionschef gekommen. „Was nun?“ fragte er. „Es scheint, als hätten wir es hier mit viel härterem Gestein zu tun, als wir bisher annehmen konnten.“ „Es ist mir unerklärlich“, gestand Steven Hotch. „Doch wir müssen den Durchbruch schaffen, wenn wir nicht den ganzen Zauber an anderer Stelle noch einmal veranstalten wollen.“ „Es gibt eine Möglichkeit“, sagte Herb Kenley langsam. Steven Hotch nickte. „Ich habe auch schon daran gedacht: Wir erhöhen langsam den Druck des Bohrkopfs auf den Widerstand.“ „Richtig“, bestätigte sein Stellvertreter. „Wir sollten es wagen. Wenn es schiefgeht, können wir mit unseren Ersatzteilen notfalls die ganze Anlage reparieren.“ „Falls sie nicht vorher in die Luft fliegt und wir mit ihr“, orakelte der Chef. „Aber Sie haben recht. Uns bleibt keine andere Wahl, wenn wir nicht den Bohrturm versetzen wollen.“ Herb Kenley nickte zufrieden und gab seine Befehle. Zehn Minuten später war alles für einen neuen Versuch bereit. Beinahe unerträglich war die Spannung, als Al Chaseman die Maschinen hochschaltete. Sekunden später lag das schrille Kreischen in der Luft, das bisher das Ende ihrer Versuche ankündigte. Doch diesmal schaltete niemand den kleinen Generator ab. „Langsam die Drehzahl erhöhen, ohne jedoch tiefer zu gehen“, ordnete Steven Hotch an. Chaseman gehorchte. Das an den Nerven zerrende Geräusch wurde noch lauter. „Keine Wirkung“, meldete Chaseman.
„Den Bohrkopf langsam tiefer drücken“, forderte Hotch. Zu den bisher bekannten Lauten gesellte sich nun ein dumpfes Dröhnen, das tief aus dem Boden zu kommen schien. „Weiter“, flüsterte Steven Hotch, „nicht nachlassen.“ Al Chaseman schaltete erneut. Sekundenbruchteile später gab es einen hellen, berstenden Knall. Die Zeiger der Instrumente spielten verrückt, bevor alle Anzeigen auf Null zurückfielen. Im gleichen Moment war von der Bohrstelle her die triumphierende Stimme Herb Kenleys zu vernehmen: „Wir haben es geschafft! Wir sind durch! Plötzlich gab es einen Ruck, dann senkte sich das Bohrgestänge gleich um mehrere Meter. Offensichtlich haben wir die Decke zu einem größeren Hohlraum durchstoßen. Jetzt haben wir keine Schwierigkeiten mehr.“ „Vorausgesetzt, das verdammte Ding läßt sich bald wieder in Betrieb nehmen“, sagte Steven Hotch und deutete mit dem Kinn zum Schaltpult, an dem Al Chaseman fieberhaft arbeitete. „Im gleichen Augenblick, als der Durchbruch gelang, ging hier alles aus.“ „Ein Kurzschluß“, meldete in diesem Moment Chaseman. Erleichtert richtete er sich auf. „Ich dachte schon, daß der Schaden größer wäre. Doch das haben wir gleich wieder.“ „Das war eine harte Nuß“, meinte der Expeditionsleiter. „Sobald die Anlage wieder läuft, holt mir die Gesteinsproben nach oben. Ich muß wissen, was uns so zu schaffen gemacht hat.“ „Das interessiert mich auch“, stimmte Herb Kenley zu. Steven Hotch wandte sich um und ging zu seiner Unterkunft. Sein Vertreter blickte ihm nach und gab dann das Zeichen, daß weitergearbeitet werden konnte. „Hol den Bohrkopf nach oben“, befahl Herb Kenley, bevor er zu den Männern am Gestänge eilte. Die Leute waren bereits damit beschäftigt, die zurückgenommenen Bohrstangen auseinanderzunehmen. Und dann tauchte endlich die erste Gesteinsprobe auf. Herb Kenley sprang hinzu und legte die zutage gebrachten Erd- und Gesteinsschichten vorsichtig auf eine vor-
bereitete Schiene. „Alles normal“, murmelte er, während er das Material einer ersten, oberflächlichen Prüfung unterzog. „Ich kann nicht verstehen ...“ Er stutzte. Einer der Männer reichte ihm die letzten Bodenproben. Zwei Drittel des etwa zwanzig Zentimeter großen Stückes, das er in den Händen hielt, musterte er nur flüchtig. Das letzte Drittel jedoch fand schlagartig sein Interesse. Mit zusammengekniffenen Augen untersuchte er das Stück, das dem Bohrkopf so viel Schwierigkeiten bereitet hatte. Hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken. Konnte er wirklich glauben, was er gerade sah? Täuschte er sich? Doch so oft er das Material auch ansah und betastete, er kam zu keinem anderen Ergebnis: Diese Probe war eine Sensation! * „Wir müssen vorsichtig sein“, sagte Torgen-Shan eindringlich. „Wenn man uns entdeckt, ist alles verloren. Wir können nicht mehr damit rechnen, daß Ambor-Bath für unsere Motive Verständnis hat.“ Keltar-Birt und Homger-Veit nickten. Sie wußten schließlich, welches Risiko sie mit der geplanten Aktion eingingen, da sie ausführlich alle Einzelheiten durchgesprochen hatten. „Gehen wir“, bestimmte Torgen-Shan und deutete zum Kontrollgebäude des Raumhafens hinüber, dessen Lichter deutlich den Weg durch die Dunkelheit wiesen. Keltar-Birt und Homger-Veit folgten ihm. Aufmerksam sahen sich die Männer um und näherten sich vorsichtig dem Gebäude, dessen Umrisse sich immer klarer aus der Dunkelheit schälten. Dann war der Eingang erreicht. Torgen-Shan winkte seine Begleiter zur Seite. Keltar-Birt und Homger-Veit nahmen rechts und links des geschlossenen Portals Aufstellung. Noch einmal sah Torgen-Shan sich um. Alles war ruhig. Niemand hatte sie bis jetzt bemerkt. Entschlossen trat der Wissenschaftler in
den Erfassungsbereich der Öffnungsautomatik. Doch wie er es erwartet hatte, blieb der Eingang verschlossen. Torgen-Shan lächelte. Solche Hindernisse konnten ihn nicht aufhalten. Er zog den elektronischen Decoder aus der Tasche und setzte das kleine Gerät an die Stelle, an der sich bei den Türen die Verschlußautomatik befand. Mit leisem Summen und Klicken nahm der Decoder seine Arbeit auf. Kurze Zeit später hatte er den richtigen Öffnungsimpuls gefunden. Die Türhälften schoben sich auseinander. Torgen-Shan hatte vorsichtshalber den kleinen Narkosestrahler aus dem Gürtel gezogen, doch der vor ihm liegende, hell erleuchtete Gang war leer. Ohne Zögern betrat der Wissenschaftler das Kontrollgebäude, gefolgt von seinen beiden Assistenten. Zielsicher wandte sich der junge Mann in Richtung des Wachraums. Am Ende des Ganges befand sich auf der linken Seite ein rundes Schott, das sich jedoch zischend öffnete, als Torgen-Shan dicht davor stand. Da er sich innerhalb des Gebäudes befand, hatte ihn die Automatik als autorisiert eingestuft. Torgen-Shan betrat mit seinen Begleitern den Raum, der mit Rechenanlagen, Kommunikationsgeräten und elektronischen Speichern ausgestattet war. Auf dem großen Panoramaschirm erkannte TorgenShan mit einem schnellen Blick eine Teilansicht des Raumhafens. Unter den Schiffen, die hier standen, befand sich auch die TIRGKHAN, auf die er es abgesehen hatte. Doch darum konnte er sich später kümmern. Jetzt kam es zunächst einmal darauf an, das Wachpersonal zu überwältigen. Keltar-Birt und Homger-Veit hatten neben ihrem Chef Aufstellung genommen. Noch deutete nichts auf ihre wahren Absichten hin. Einer der drei im Raum befindlichen Wachen schüttelte verwundert den Kopf. „Was wollt ihr denn hier? Wer hat euch hereingelassen? Der Kontrollraum ist für ...“ Der Mann stockte. Torgen-Shan hatte wortlos den Narkosestrahler gezogen und richtete ihn auf den Überraschten. Ein bläulicher Strahl zuckte aus der Mündung und hüllte den Mann ein, der ohne einen
Laut zusammensackte. Zufrieden stellte Torgen-Shan fest, daß auch Keltar-Birt und Homger-Veit gehandelt hatten. „Das wäre geschafft“, stellte Homger-Veit erleichtert fest. „Bis die wieder zu sich kommen, sind wir längst verschwunden.“ Torgen-Shan ging zürn Panoramaschirm, schaltete an der Konsole und lenkte die automatischen Aufnahmegeräte auf einen kleinen Forschungskreuzer, der etwas abseits der größeren Handelsraumer und Kampf schiffe stand. „Das ist die TIRGKHAN, unser Ziel“, erklärte er. „Wie ich erfahren habe, ist das Schiff voll ausgerüstet und startbereit. Es sollte in zwei Tagen zu einer neuen Mission ins All aufbrechen.“ „Wo befindet sich die Ausrüstungskammer?“ Unternehmungslustig sah Keltar-Birt Torgen-Shan an. „In der untersten Etage“, antwortete der junge Wissenschaftler und beschrieb dem Freund den genauen Weg. Keltar-Birt eilte davon. „Zum Glück haben wir als Angehörige der Kaste der Wissenschaftler eine so umfangreiche Ausbildung genossen, daß uns unser Vorhaben keinerlei Schwierigkeiten bereitet“, sagte Torgen-Shan zu Homger-Veit, der die Kontrollen beobachtete. „Außerdem gibt es keine nennenswerten Sicherheitsvorkehrungen.“ „Es ist auch noch nicht vorgekommen, daß Mitglieder unserer Kaste eine verbotene Aktion durchgeführt haben“, antwortete HomgerVeit ungewöhnlich ernst. Torgen-Shan blickte ihn überrascht an. „Bist du nicht von der Notwendigkeit unseres Unternehmens überzeugt?“ fragte er. „Du hattest bisher keine Einwände.“ Homger-Veit wandte sich um und sah Torgen-Shan voll ins Gesicht. „Ich bin mir noch nicht darüber im klaren, ob der vage Erfolg, der uns – vielleicht – winkt, unsere Aktion rechtfertigt. Immerhin stellen wir uns ganz eindeutig gegen die Gesetze unseres Volkes. Hast du dir schon einmal überlegt, was mit uns geschieht, wenn wir die Kolonie nicht finden? Wir gehen ein hohes Risiko ein.“
„Das ist mir bewußt“, sagte Torgen-Shan ruhig. „Aber ich bin überzeugt, daß die geringste Aussicht auf Erfolg dieses Risiko rechtfertigt. Bedenke, was es für unser Volk bedeutet, Verbindung mit den ehemaligen Kolonisten aufzunehmen. Unsere Raumfahrt würde neue Dimensionen erreichen.“ Er sah Homger-Veit forschend an. „Noch ist Zeit für dich, umzukehren. Auch Keltar-Birt muß nicht mitkommen. Das Schiff ist vollrobotisch; ich kann es notfalls auch allein fliegen.“ Homger-Veit lächelte. „Keine Sorge, ich werde dich begleiten. Auch ich hoffe auf den Erfolg unseres Unternehmens. Und schließlich bin ich dein Freund. Ich will dich bei dieser Sache nicht im Stich lassen.“ Torgen-Shan machte eine Verlegenheitsgeste. „Ich bin dir für deine Unterstützung wirklich sehr dankbar“, sagte er bewegt. In diesem Augenblick kam Keltar-Birt zurück. Er hatte bereits eine Uniform der Wachtruppe angezogen. Zwei weitere Kombinationen für die wartenden Freunde hatte er unter dem Arm. „Alles in Ordnung“, sagte er. Die beiden Männer zogen die Uniformen an. „Also dann“, sagte Torgen-Shan fest. „Gehen wir.“ Zusammen mit seinen Freunden verließ er das Kontrollgebäude. Sie wandten sich nach links und befanden sich wenig später vor einem kleinen Hangar. Hier standen immer mehrere Einsatzfahrzeuge bereit. Sie bestiegen den am nächsten stehenden Schweber. Keltar-Birt nahm den Platz des Piloten ein und startete die Maschine. Mit hoher Geschwindigkeit rasten sie auf das Landefeld hinaus. Wenige Zeiteinheiten später hatten die Männer den Liegeplatz der TIRGKHAN erreicht. Sie sahen ein zigarrenförmiges, schlankes Schiff, dessen Rumpf sich an Bug und Heck verjüngte. Es ruhte in voller Länge auf zehn Teleskop-Landestützen. Torgen-Shan setzte sich vor das Funkgerät und schaltete es ein, während Keltar-Birt die Geschwindigkeit drosselte. Entschlossen rief der Wissenschaftler die TIRGKHAN an. Einige Zeiteinheiten mußte er warten, dann meldete sich eine schläfrig klingende Stimme, wäh-
rend sich gleichzeitig der Bildschirm über dem Kommunikationsgerät erhellte. „Was ist denn los?“ fragte der Fremde unwillig. „Hier spricht Faltor-Kom von der Raumhafenwache“, antwortete Torgen-Shan. „Ich muß sofort den Kommandanten sprechen, es ist wichtig.“ Torgen-Shan sah, wie der Mann an Bord der TIRGKHAN erstaunt die Augen aufriß. „Wozu denn das?“, wollte er wissen. „Der Kommandant ist nicht an Bord. Was ist denn passiert?“ Torgen-Shan verzog scheinbar unwillig das Gesicht. „Aus der Haftanstalt von Darkart sind einige Gesetzesbrecher geflüchtet“, erklärte Torgen-Shan. „Aus den hinterlassenen Aufzeichnungen geht eindeutig hervor, daß die Leute planen, die TIRGKHAN zu besetzen und mit ihr davonzufliegen. Aus diesem Grund werde ich mit meinen Leuten an Bord kommen und den Plan vereiteln. Öffne die Luftschleuse.“ „Ja ... aber ... das gibt es doch gar nicht“, flüsterte der Mann. Torgen-Shan ließ ihm keine Zeit, zu sich zu kommen. „Öffne die Schleuse“, forderte er nochmals. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ „Sofort“, sagte der Mann eifrig. Torgen-Shan schaltete das Funkgerät aus. Gebannt sahen die Freunde dann zum Raumschiff hinüber. Tatsächlich öffnete sich wenig später ein hell erleuchtetes Viereck im Rumpf. „Na also“, murmelte Keltar-Birt zufrieden. Er beschleunigte, lenkte den Schweber in den geräumigen Schleusenraum und setzte ihn vorsichtig auf ein dafür vorgesehenes Landequadrat. Dann verließen die drei Freunde das Fahrzeug. Vorsichtig blickten sie sich um. Niemand war zu sehen. Sie betraten den breiten Gang, der in seiner gesamten Länge durch das Schiff führte. Das Rollband setzte sich automatisch in Betrieb, als die Sensoren feststellten, daß es belastet wurde. Wenige Zeiteinheiten
später hatten sie das zentrale Schott erreicht, das sich langsam vor ihnen öffnete. Mit festem Schritt betraten Torgen-Shan, Keltar-Birt und HomgerVeit die Zentrale. Der Mann, den sie schon vom Bildschirm her kannten, sah ihnen neugierig entgegen. Torgen-Shan blieb mitten in der Zentrale stehen und sah sich langsam um. Homger-Veit bewunderte in diesem Augenblick die Kaltblütigkeit, mit der Torgen-Shan handelte. Er stand neben dem Schott und hielt wie zufällig seine Hand in der Nähe des Narkosestrahlers. Keltar-Birt befand sich auf der anderen Seite des Eingangs. „Bist du etwa allein an Bord?“ fragte Torgen-Shan, sichtlich verwundert. Der Mann zuckte die Schultern. „Ja“, antwortete er. „Es gab keinen Grund, das Schiff stärker zu bewachen. Was soll auch passieren? Niemand konnte doch ahnen, daß ... He, was soll das!“ rief er plötzlich, als Torgen-Shan wortlos den Narkosestrahler zog. Er wollte eine Abwehrbewegung machen, doch die lähmenden blauen Strahlen hüllten ihn bereits ein. „Das wäre geschafft“, sagte Torgen-Shan zufrieden. „Bringt ihn zu unserem Schweber und laßt die Maschine mit dem Autopiloten zum Kontrollgebäude zurückkehren. Man wird den Mann bald finden. Ich werde mich um den Start kümmern.“ Keltar-Birt und Homger-Veit gehorchten. Während sie den Auftrag ausführten, erwachte unter den Schaltungen Torgen-Shans das Raumschiff zum Leben. Die Antigravitationstriebwerke liefen an, die das Schiff schwerelos machten, gleichzeitig wurden die Landestützen eingezogen. Mit Hilfe des Bordcomputers überprüfte Torgen-Shan die Funktionen des Schiffes und fand es einsatzbereit. Dann sah er auf dem Panoramaschirm, daß sich der Gleiter, mit dem sie an Bord gekommen waren, mit hoher Geschwindigkeit entfernte. „Ich hätte nicht gedacht, daß es so einfach sein würde“, murmelte er zufrieden. Kurze Zeit später kamen seine beiden Assistenten in die Zentrale zurück.
„Alles in Ordnung“, meldete Keltar-Birt. „Wenn der Wächter nicht gelogen hat, sind wir jetzt die Herren dieses Schiffes.“ „Warum sollte er?“ gab Torgen-Shan geistesabwesend zurück. Er war damit beschäftigt, das Antigravtriebwerk hochzuschalten. Aufmerksam musterte er die Kontrollen. Die TIRGKHAN schwebte zuerst langsam, dann immer schneller in den dunklen Himmel. Als sie die Lufthülle des Planeten BerkaTLot verlassen hatten, schaltete Torgen-Shan den Autopiloten ein und wandte sich den beiden Freunden zu. „Wir haben unser erstes Ziel erreicht“, erklärte er. „Nun kann uns niemand mehr daran hindern, die Verlorene Kolonie zu suchen.“
3. „Na, was sagen Ihre Analysen?“ fragte Herb Kenley Tony Newman gespannt. Der hagere Mann wiegte bedenklich den Kopf. „Ich kann überhaupt nicht glauben, was die Geräte anzeigen“, sagte er vorsichtig. „Und was heißt das im Klartext?“ wollte Steven Hotch wissen. Er saß, genau wie sein Stellvertreter, Careen Burner und Tony Newman, der sich mit den verschiedenen Analyseverfahren am besten auskannte, am großen Klapptisch in seiner Unterkunft. Hier trafen sie sich immer, wenn es etwas zu besprechen gab oder wichtige Entscheidungen getroffen werden mußten. Tony Newman holte tief Luft. „Um es geradeheraus zu sagen: Diesen Stoff, der da vor uns auf der Tischplatte liegt, dürfte es auf unserer Erde eigentlich gar nicht geben!“ Sekundenlang herrschte verdutztes Schweigen. Tony Newman fuhr fort, als keiner Anstalten machte, sich dazu zu äußern: „Genau wie Sie stehe auch ich ziemlich ratlos vor diesem Resultat.“ Er nahm die Probe, die der Bohrkopf aus einer Tiefe von ge-
nau sechsundsechzig Metern heraufgeholt hatte, von der Tischplatte und betrachtete sie nachdenklich. „Nach allem, was ich bisher herausfinden konnte, handelte es sich um ein Kunststoff ähnliches Material. Wie Sie selbst feststellen konnten, ist sein spezifisches Gewicht außerordentlich gering. Aber es hat eine Festigkeit, die unsere besten Stahlsorten um ein Vielfaches übertrifft.“ „Kann es nicht trotzdem auf natürliche Weise entstanden sein?“ Careen Burner starrte auf das bläulich schimmernde Material. „Das ist ganz ausgeschlossen“, sagte Tony Newman entschieden. „Die Spuren der Bearbeitung sind unübersehbar. Und Sie wissen doch alle: Kein Kunststoff entsteht auf natürliche Weise.“ Herb Kenley sprang erregt von seinem Stuhl auf. „Wissen Sie, was das bedeutet?“ fragte er, während er die Anwesenden der Reihe nach ansah. „Ich werde es Ihnen sagen: Irgendwo da unten“, er deutete mit dem Zeigefinger auf den Fußboden, „gibt es Produkte einer unbekannten Technik! Ich habe sofort gewußt, als ich das Zeug in der Hand hielt, daß es sich um eine außergewöhnliche Entdeckung handelte! Wir müssen alles daransetzen, dieses Geheimnis zu lösen!“ Schweratmend sah er Steven Hotch an. Der Expeditionsleiter schüttelte langsam den Kopf. „Ihre Spekulationen sind doch etwas gewagt“, meinte er beruhigend. „Wie sollten Produkte einer unbekannten Technik, wie Sie das Zeug nennen, in eine Tiefe von über sechzig Metern gelangen? Ich bin überzeugt, daß es irgendeine harmlose Erklärung für das Vorhandensein dieses Materials gibt.“ „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“ brauste Herb Kenley auf. „Sie haben doch gerade gehört, was Tony Newman erklärt hat! Dieses Material ist nicht auf natürliche Weise entstanden! Wir stehen vor einer sensationellen Entdeckung! Wollen Sie sich wirklich diese einmalige Chance entgehen lassen?“ „Selbst wenn es so wäre“, meinte Hotch ärgerlich, „ist das für mich noch lange kein Grund, meinen Auftrag zu vergessen und mich auf irgendwelche waghalsigen Abenteuer einzulassen. Ich rate Ihnen,
sich an Ihren Vertrag zu erinnern. Wir können unsere Zeit nicht mit Nebensächlichkeiten verschwenden.“ „Nebensächlichkeiten!“ brauste Herb Kenley auf. „Dann geben Sie mir wenigstens freie Hand, um mich darum zu kümmern!“ „Nein!“ sagte Steven Hotch mit einer Lautstärke, die verriet, daß er nun wirklich wütend war. „Ich verbiete Ihnen ausdrücklich, sich um etwas anderes als um Ihre Arbeit zu kümmern! Unser Vertrag besagt eindeutig, daß wir hier nach Uran suchen sollen. Dafür werden wir bezahlt und für nichts anderes! Haben Sie mich verstanden?“ Herb Kenley ballte wütend die Fäuste. „Sie verdammter Dickschädel!“ brachte er schließlich hervor. Urplötzlich wandte er sich um und stürmte hinaus. Unwillkürlich war Tony Newman aufgesprungen und wollte ihm nacheilen. „Lassen Sie ihn“, sagte Steven Hotch jedoch. Er hatte sich wieder beruhigt. „Er ist ein Hitzkopf. Sobald er wieder zu sich kommt, wird er einsehen, daß wir gar nicht anders können.“ „Und was halten Sie von der Sache? Glauben Sie auch, daß wir hier eine revolutionäre Entdeckung gemacht haben?“ „Ohne Zweifel“, sagte Tony Newman sofort. „Allein die Tatsache, daß wir etwas gefunden haben, was es eigentlich nicht geben dürfte, ist eine kleine Sensation. Allerdings bin ich der Ansicht, daß wir mit unseren bescheidenen Mitteln hier nichts weiter ausrichten können.“ Der Expeditionschef nickte ihm zu. „Und Sie, Careen?“ fragte er die Frau. Die Medizinerin sah nachdenklich vor sich hin. „Ich glaube, wir sollten die Entscheidung darüber, was hier zu geschehen hat, anderen überlassen, die von solchen Dingen möglicherweise mehr verstehen“, meinte sie leise. „Das wollte ich hören“, sagte Steven Hotch zufrieden und stand auf. „Machen wir also weiter wie geplant.“ Dann deutete er auf die rätselhafte Bodenprobe. „Verwahren Sie das gut, Tony“, sagte er. „Es könnte immerhin sein, daß wir doch etwas Bedeutendes gefunden
haben.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, verließ er seine Hütte, um sich zur Bohrstelle zu begeben. Voller Wut verließ Herb Kenley die Hütte des Chefs. Die Haltung Steven Hotchs war nach seiner Meinung nur mit Dummheit zu erklären. Ohne auf die Richtung zu achten, lief Herb Kenley einen kleinen Trampelpfad entlang und drang in den Dschungel ein. Im Augenblick wollte er keinen seiner engstirnig denkenden Kollegen sehen. „Nein“, flüsterte er heiser. „Auf eine derartige Chance habe ich seit Jahren gewartet. Ich werde sie mir von einem solchen Narren keinesfalls nehmen lassen. Ich werde auch allein zum Ziel kommen.“ Allerdings sah er noch keine Möglichkeit, seine Interessen wirkungsvoll durchzusetzen. Urplötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als sein Blick auf die blaugrün-gestreifte Schlange fiel, die sich drohend von einem Ast auf sein Gesicht zuschob. Voller Entsetzen stand Herb Kenley, unfähig, sich zu bewegen. Bruchstückhaft kam ihm in den Sinn, was er alles von der gefährlichen Tierwelt des Amazonasgebiets gehört hatte. Es war Wahnsinn von ihm, sich allein so weit vom Lager zu entfernen. Das Reptil hatte inzwischen etwa zwanzig Zentimeter vor seinem Kopf angehalten. Herb Kenley lief der Angstschweiß über das Gesicht. Da – ein helles Zischen drang an seine Ohren. Mit einem schrillen Schrei warf sich Herb Kenley herum und rannte kopflos davon. Tiefhängende Zweige und Lianen peitschten in sein Gesicht, dornige Sträucher hinderten ihn am schnellen Fortkommen und rissen tiefe Schrammen in seine Haut. Schließlich stolperte er über eine Luftwurzel und kam schwer zu Fall. Völlig erschöpft blieb Herb Kenley auf dem weichen, faulig riechenden Boden liegen. Er wußte nicht, wie lange er so dagelegen hatte. Langsam kehrten die Lebensgeister zurück. Mühsam richtete er sich auf und sah sich um. Die Glieder schmerzten von seinem Sturz, und die von Dornen
zerschrammte Haut brannte wie Feuer. Doch das ignorierte er. Viel wichtiger schien es ihm, festzustellen, wo er sich befand. Er ging ein paar Schritte zurück in die Richtung, aus der er vermutlich gekommen war, aber schon nach kurzer Zeit war ihm klar, daß er völlig die Orientierung verloren hatte. Er entschied sich, nach der Schneise im Gestrüpp zu suchen, die er auf seiner wilden Flucht gebrochen haben mußte. Wenig später befand er sich, seiner Meinung nach, auf dem Rückweg. Die Aussicht, seine schmerzenden Wunden von Careens sanfter Hand behandeln zu lassen, beschleunigte seine Schritte. Ein wenig selbstgefällig dachte er daran, daß die Ärztin offensichtliches Interesse an ihm gefunden hatte. Nun, er wäre einem kleinen Abenteuer in dieser Wildnis sicherlich nicht abgeneigt... Unwillkürlich lächelte er, als er an die wohlproportionierte Figur Careen Burners dachte. Er achtete nicht mehr auf seinen Weg, und so stand er völlig überrascht vor einer kleinen Lichtung. „Das gibt es doch gar nicht...“, flüsterte er fassungslos, „Steine, Mauerwerk ...“ Sofort hatte er Careen Burner vergessen und lief auf das halbzerfallene Bauwerk zu, das fast vollständig vom tropischen Urwald überwuchert war. Aus Fensteröffnungen wuchsen dünne Bäume, Lianen suchten den Weg zum Licht. Herb Kenley stand still vor diesem unerwarteten Fund und versuchte, mit seiner Überraschung fertig zu werden. Das Gebäude trug auf mehreren Steinsäulen, die aus roh behauenen Quadern aufeinandergefügt waren, ein sich nach oben verjüngendes Ziegeldach. Unwillkürlich wurde Kenley an einen der alten MayaTempel erinnert, die er vor einigen Jahren im mittelamerikanischen Urwald gesehen hatte. Ich werde es untersuchen, dachte er grimmig. Vielleicht finde ich Beweise für meine Theorie, an die niemand glauben will. Vorsichtig ging er näher heran und schob Schlingpflanzen, die ihm im Weg waren, zur Seite. Jetzt hatte er die Steinsäulen erreicht und spähte gebannt in das Halbdunkel vor sich.
Aus dem Dach waren im Lauf der langen Zeit so viele Ziegel herausgebrochen, daß die Helligkeit des Tages Einzelheiten erkennen ließ. Doch zunächst erlebte Herb Kenley eine Enttäuschung. Der Innenraum der Ruine war von Pflanzen förmlich überwuchert. Vom ursprünglichen Steinboden war nichts mehr zu erkennen. Der Wissenschaftler warf einen forschenden Blick in die Höhe. Die locker auf dem Mauerwerk liegenden Ziegel konnten bei der geringsten Erschütterung herunterfallen. Aber andererseits ... Herb Kenley gab sich einen Ruck und betrat vorsichtig das Innere des Bauwerks. Langsam kam er der gegenüberliegenden Steinwand näher. Hier wurde es etwas dunkler, und er mußte seine Augen anstrengen, um noch etwas sehen zu können. Schon wollte er sich abwenden, als er an der rechten Schmalseite des Mauerwerks einen kleinen Durchgang entdeckte. Die Lücke war gerade so breit, um einen ausgewachsenen Mann hindurchzulassen. Mit fliegenden Fingern suchte Kenley in seinen Hosentaschen nach dem Feuerzeug, das er gleich darauf erleichtert in den Händen hielt. Jetzt hatte er Licht! Er knipste es an und regulierte die Flamme so, daß sie etwas heller brannte. Er wartete, bis sich seine Augen an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, dann zwängte er sich durch die enge Öffnung. Er stand in einem schmalen, erstaunlich gut erhaltenen Korridor, der auf der anderen Seite genau den gleichen Durchlaß aufwies. Schnell sah Herb Kenley sich um, doch hier gab es nichts Aufregendes zu sehen. Mit wenigen Schritten hatte er den kleinen Gang durchquert, dann tastete er sich zum nächsten Raum vor. Plötzlich strauchelte er und versuchte verzweifelt, das Gleichgewicht zu behalten, doch vergeblich. Mit einem entsetzten Aufschrei verlor er den Boden unter den Füßen und stürzte. Das Licht erlosch. Etwas polterte, dann war es wieder ruhig. Herb Kenley richtet sich zitternd auf. Seine Hand hatte sich krampfhaft um das Feuerzeug geschlossen und es auch beim Sturz nicht losgelassen. Zu seiner großen Erleichterung ging das Licht gleich beim ersten Versuch wieder an.
Der Mann hob die Flamme hoch und sah nun, daß er einige schmale, steile Stufen hinuntergefallen war, die er vorher nicht bemerkt hatte. Nun befand er sich in einer vollständig erhaltenen Kammer. Hier unten gab es kaum Schutt; auch die sonst überall wuchernden Pflanzen waren kaum zu sehen. Deshalb hatte Herb Kenley keine Mühe, das mannsgroße Relief an der rechten Kammerwand zu entdecken. Es zeigte Zeichen und Symbole, die er noch nie gesehen hatte. „Ich wußte es“, flüsterte er aufgeregt. „Niemand will mir glauben, aber hier ist der Beweis.“ Fast zärtlich strich er mit der Hand über die klar herausgearbeiteten Erhebungen und Vertiefungen, deren Bedeutung er nicht einmal erraten konnte. Ihn wunderte es gar nicht mehr, daß das Material, aus dem das seltsame Bildnis gefertigt war, in einem leichten Blauton schimmerte und sich genauso anfühlte wie die Probe, die sie aus Sechsundsechzig Metern Tiefe heraufgeholt hatten. Lange Minuten stand Herb Kenley still, während sich seine Gedanken überschlugen. Es gab gar keinen Zweifel daran, daß eine Verbindung zu dem Fund an der Bohrstelle bestand. Ob hier der Eingang zur geheimnisvollen Unterwelt verborgen lag? Einer Eingebung folgend, blickte zu Boden, und jetzt erst bemerkte er, daß er auf einer quadratischen Platte stand, die auch aus dem blauschimmernden Kunststoff bestand. Wie gehetzt warf er sich auf die Knie und suchte nach einem Hebel oder einer Möglichkeit, die Platte hochzuheben. Doch erschöpft mußte er aufgeben. „Ich brauche Hilfe von der Bohrstelle“, murmelte er. Jetzt wurde ihm wieder bewußt, daß er zunächst einmal vor dem Problem stand, den Arbeitsplatz des Teams wiederzufinden. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand und wie weit er vom Bohrplatz entfernt war. Fluchend richtete er sich auf. So schnell er konnte, jedoch ohne die nötige Vorsicht außer acht zu lassen, trat er den Rückweg an. Er atmete auf, als er wieder im Freien stand. Doch wie sollte er sich orientieren? Er sah hinauf zum Himmel. Es war später Nachmittag, und die Sonne war ein ganzes Stück weitergewandert. Ein leichter
Wind strich durch die Bäume, brachte jedoch kaum Abkühlung. Plötzlich hob Herb Kenley lauschend den Kopf. Täuschte er sich, oder hörte er tatsächlich aus der Ferne das Rattern der Motoren, mit denen der Bohrkopf angetrieben wurde? Mit klopfendem Herzen machte Herb Kenley ein paar zögernde Schritte in die Richtung, aus der er das vertraute Geräusch zu hören glaubte. Tatsächlich, die Laute drangen deutlicher zu ihm herüber. Herb Kenley stieß einen Jubelruf aus und rannte los. Bald war er sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Nun mußte er nur noch jemanden finden, der bereit war, mit ihm den Abstieg in die Unterwelt zu wagen.
4. „Ich brauche Hilfe“, sagte Herb Kenley eindringlich zu Careen Burner, die seine Wunden behandelte. „Allein kann ich es nicht schaffen.“ „Wie stellst du dir das vor?“ fragte sie unwillig. „Steven Hotch hat ausdrücklich befohlen, daß wir uns mit dieser Sache nicht mehr zu befassen haben.“ Der Mann packte Careen erregt am Arm. „Hotch ist ein Narr“, rief er verächtlich. „Aber ich würde mich sogar an seinen Befehl halten – wenn ich nicht diese Ruine entdeckt hätte. Doch jetzt sieht die Sache völlig anders aus. Es gibt dort ein ganzes Reliefbild aus diesem seltsamen Material, dazu eine quadratische Bodenplatte! Da kann man doch nicht von einem Zufall sprechen!“ „Wahrscheinlich nicht“, gab die Ärztin widerwillig zu. „Na siehst du“, entgegnete Herb Kenley erfreut, während er sich wieder anzog. „Du bist meiner Meinung.“ „Aber ich werde keinen deiner verrückten Pläne unterstützen“, erklärte sie.
Sein Gesicht verdüsterte sich. „Du bist also auch gegen mich“, sagte er enttäuscht. „Hast du so viel Angst vor dem Alten?“ „Quatsch!“ Careen Burner sah ihn böse an. „Immerhin ist er der Expeditionsleiter. Er trägt die Verantwortung, wenn irgend etwas schiefgeht. Ich ... ich möchte nicht gegen seine Anweisungen handeln. Außerdem glaube ich, daß diese Sache für uns einfach eine Nummer zu groß ist.“ „Careen!“ Bittend blickte er sie an. „Sieh dir doch wenigstens einmal an, was ich gefunden habe! Dann kannst du immer noch entscheiden, ob du mich unterstützen willst oder nicht!“ Careen Burner preßte die Lippen zusammen. Natürlich interessierte sie sich für die Dinge, die Herb Kenley gefunden hatte. Wenn sein Bericht wirklich stimmte, und es gab eigentlich keine Veranlassung, ihm nicht zu glauben, dann war es sicherlich ein aufregendes Erlebnis, sich das fremdartige Relief anzusehen. Der stellvertretende Expeditionsleiter schien zu bemerken, daß die Frau unschlüssig wurde. „Du wirst es sicher nicht bereuen“, sagte er lachend. „Ein solches Kunstwerk hast du noch nirgends gesehen. Ich verspreche dir, dich sofort zurückzubringen, wenn du es möchtest. Oder vertraust du mir nicht? Hast du Angst vor mir?“ Careen Burner verzog das Gesicht zu einem Lächeln. Da war er wieder, dieser Blick aus seinen großen Augen, der ihr an Herb Kenley so gefiel. „Nein“, sagte sie leise. „Ich habe keine Angst vor dir.“ „Dann kommst du also mit?“ Grenzenlose Erleichterung lag in seiner Frage. Careen nickte zögernd. „Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann“, sagte Herb Kenley glücklich. „Du wirst sehen, ich habe dir nicht zuviel versprochen. Ich will nur noch einige Ausrüstungsgegenstände zusammenpacken. Diesmal möchte ich nicht unvorbereitet sein.“ Schnell verließ er die kleine Hütte, in der Careen Burner ihr Domizil aufgeschlagen hatte. Die Ärztin sah ihm nachdenklich hinterher.
Einen. Augenblick überlegte sie, ob sie Steven Hotch von dem geplanten Unternehmen in Kenntnis setzen sollte, doch dann entschied sie sich dagegen. Sie wollte nichts tun, was Herb Kenley in Schwierigkeiten brachte. Außerdem war sie überzeugt davon, daß sie bald wieder zurück sein würden. Schnell steckte sie noch einige Kleinigkeiten ein, die sie für unentbehrlich hielt, dann verließ sie ihre Unterkunft. Langsam schlenderte sie zum Rand des Urwalds hinüber in die Richtung, die ihr Herb Kenley gezeigt hatte. Sie mußte nicht lange auf ihn warten. Wenige Minuten später tauchte er neben ihr auf. „Es kann losgehen“, sagte er unternehmungslustig. „Komm.“ Erstaunt sah Careen auf den umfangreichen Ausrüstungspacken, den er bei sich trug. „Was hast du vor?“ fragte sie unsicher. „Ich denke, du willst mir nur das Relief zeigen?“ „Ich möchte diesmal auf alle Zwischenfälle vorbereitet sein“, sagte Herb ausweichend. „Laß uns gehen.“ Er wandte sich um und schritt voran. Careen Burner schickte sich an, ihm zu folgen, da wurde sie plötzlich angesprochen. „Wollen Sie etwa ganz allein in den Dschungel gehen, Careen? Ist das nicht zu gefährlich?“ Die Medizinerin schüttelte lächelnd den Kopf. „Oh, nein, Tony. Ich bin nicht allein, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Mr. Kenley begleitet mich.“ „Ach so.“ Tony Newman kratzte sich verlegen am Kopf. „Dann will ich nichts gesagt haben. Ich dachte nur...“ Er schwieg verwirrt. . Inzwischen hatte Herb Kenley bemerkt, daß Careen noch nicht hinter ihm war und kam zurück. „Was ist denn?“ fragte er unwillig, dann erst sah er Tony Newman. Der Spezialist für chemische Analysen sah befremdet auf das Gepäck des stellvertretenden Expeditionsleiters. „Wollen Sie einen längeren Ausflug machen?“ entfuhr ihm die Frage. „Das geht Sie nichts an“, antwortete Herb Kenley unwirsch. „Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten.“
Tony Newman setzte zu einer heftigen Erwiderung an, doch Careen Burner kam ihm zuvor. „Streitet euch nicht“, sagte sie ärgerlich. „Es gibt doch keinen Grund, das Ziel unseres Ausflugs zu verheimlichen.“ Sie warf einen schnellen Blick auf Herb, dessen Miene sich verdüsterte. „Herb Kenley hat durch Zufall ein Relief in einer Ruine entdeckt, das aus dem gleichen Material besteht wie unsere Bodenprobe“, erklärte sie Tony Newman. „Was?“ Der Chemiker war ehrlich überrascht. „Warum haben Sie uns das nicht mitgeteilt?“ fragte er Herb Kenley. „Das ist doch eine hochinteressante Entdeckung. Vielleicht können wir jetzt herausfinden, welches Material wir gefunden haben.“ „Sie wissen doch, wie unser Chef darüber denkt“, sagte Kenley sarkastisch. „Ich habe kein Interesse daran, mir noch einmal Ärger einzuhandeln. Und jetzt lassen Sie uns in Ruhe.“ Er wandte sich zum Gehen. „Warten Sie!“ rief Tony Newman. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie begleite? Diese Sache interessiert mich sehr, und wenn das Relief ...“ „Aber natürlich können Sie mitkommen“, antwortete Careen Burner freundlich, noch ehe Herb Kenley etwas dazu sagen konnte. „Meinetwegen“, brummte dieser dann schließlich, wandte sich um und lief voran. Careen Burner und Tony Newman hatten Mühe, ihm zu folgen. Herb Kenley fand mit traumwandlerischer Sicherheit den kürzesten Weg zu der uralten Ruine, und bald hatten sie die Lichtung, an der das geheimnisvolle Bauwerk stand, erreicht. „Da ist es“, sagte Herb Kenley stolz, als die beiden anderen neben ihn getreten waren. „Kommt“, rief er ungeduldig. „Ihr werdet staunen.“ Zielsicher betrat er den halbdunklen Innenraum der Tempelruine und deutete zur rechten Seite, wo sich der schmale Durchgang befand. Doch bevor er weiterging, zog er aus seinem Gepäck eine starke Handlampe.
„Richtig unheimlich ist es hier“, meinte Careen Burner leise. Unbehaglich sah sie sich um. Tony Newman schwieg. „Weiter“, forderte Herb Kenley. „Achtet auf die Stufen.“ Er ging voraus, und dann standen sie in dem kleinen Raum, der von Herb Kenleys Lampe taghell ausgeleuchtet wurde. „Tatsächlich“, entfuhr es Tony Newman, als er das Wandbildnis sah. „Ich wollte es nicht glauben.“ Triumphierend lachte Herb Kenley auf, während der Chemiker langsam näher trat, um keine Einzelheit zu übersehen. „Ich werde die Geheimnisse, die in diesem Raum verborgen liegen, lösen“, sagte er, heftig atmend. „Alle Welt wird von meiner Entdeckung sprechen. Dies ist meine Stunde.“ Careen Burner sah den Mann, zu dem sie Zuneigung gefaßt hatte, zweifelnd an. Was war nur in ihn gefahren? Er redete, als wären seine Sinne verwirrt. Er wühlte jetzt verschiedene Werkzeuge aus seinem Gepäck und machte seine Begleiter auf die Bodenplatte aufmerksam. „Ich könnte wetten, daß hier der Zugang zu einem geheimnisvollen Reich liegt. Das einzige, was noch zu tun bleibt, ist, diese Sperre zu überwinden.“ „Meinen Sie nicht, daß da Ihre Phantasie mit Ihnen durchgeht?“ fragte Tony Newman scharf. „Sie sollten ein wenig vernünftiger denken.“ Herb Kenley blickte den Mann wütend an. „Ich habe Sie nicht gebeten, mich zu begleiten. Wenn Ihnen irgend etwas nicht paßt, können Sie gehen.“ „Und was ist mit mir?“ fragte Careen Burner mit bebender Stimme. „Du hast mir versprochen, mich zurückzubringen, sobald ich es wünsche.“ „Dazu stehe ich auch, Careen“, sagte Herb. „Aber zuerst muß ich wissen, ob ich diese Platte hier beseitigen kann.“
Tony Newman war zu Careen Burner getreten. „Lassen Sie ihn“, sagte er leise. „Er ist von seiner Idee besessen. Erst wenn er einsieht, daß er nicht weiterkommt, wird er wieder auf uns hören. Kommen Sie mit zum Relief es ist wirklich sehenswert.“ Nur schwer löste sie den Blick von Herb Kenley, der keuchend versuchte, mit seinen Werkzeugen die Platte aus dem Steinfußboden zu lösen. Tony Newman und Careen Burner nähren eine zweite Lampe, die Kenley mitgebracht hatte, und leuchteten das Kunstwerk an. Ganz nahe ging der Chemiker heran, um das Material zu untersuchen. Kopfschüttelnd trat er schließlich wieder zurück. „In einem hat Kenley sicher recht“, sagte er nachdenklich. „Es muß einen Zusammenhang zwischen dem Relief und unserem Fund geben.“ Auch Careen Burner war von der Ausstrahlung des Werkes fasziniert. Ohne, daß sie sich dessen bewußt wurde, trat sie an die Wand und strich mit den Fingerkuppen vorsichtig über die verschiedenen Erhebungen. Das Material war kalt und glatt. Ob die Anordnung der Muster einen verborgenen Sinn hat?“ fragte sie leise. Tony Newman zuckte die Schultern, ich weiß nicht, was sich irgendein vorzeitlicher Priester bei der Herstellung gedacht hat“, sagte er, leicht lächelnd. Sie fuhren beide herum, als Herb Kenley wütend einen Meißel in die Ecke feuerte. »Das verdammte Ding rührt sich nicht vom Fleck“, schimpfte er. „Irgendwie muß diese Platte doch hochzukriegen sein! Ihr könntet mir ruhig ein wenig unter die Arme greifen!“rief er Careen Burner und Tony Newman zu. Er machte zwei schnelle Schritte auf die beiden zu, und unwillkürlich trat die Frau einen Schritt zurück. Dabei stolperte sie und fiel gegen das Relief, bevor Tony sie auffangen konnte. In der gleichen Sekunde gab es einen lang anhaltenden, schnarrenden Ton. Die Menschen erstarrten. „Was war das?“ flüsterte Careen entsetzt.
„Keine Ahnung.“ Tony Newman musterte das Bildnis, doch er konnte keine Veränderung erkennen. „Da! Seht doch! Die Platte!“ Herb Kenleys Stimme überschlug sich fast. Er stand mitten in der Kammer und deutete mit zitternder Hand auf den Boden. Die seltsame Platte, die ihm so viel Schwierigkeiten bereitet hatte, war zu verschwunden. Statt dessen gähnte ihnen eine dunkle Öffnung entgegen. „Das gibt es doch nicht“, stammelte Tony Newman fassungslos. Immer wieder blickte er zwischen dem Loch im Boden und dem Relief hin und her. Careen Burner war entsetzt von dem Wandbildnis weggetreten. „Du hast den Öffnungsmechanismus gefunden!“ rief Herb Kenley triumphierend aus. „Wir haben es geschafft!“ In fliegender Hast packte er seine Ausrüstungsgegenstände zusammen. „Ich muß hinunter!“ sagte er. „Ich muß wissen, wo dieser Gang hinführt.“ „Es ist tatsächlich ein langer Stollen, der leicht geneigt in die Tiefe führt“, sagte Tony Newman, der vor dem Loch kniete und mit der Lampe hinunterleuchtete. Nun sah er auch, daß die Platte keineswegs verschwunden war, sondern an einer Seite herabhing. Es war nicht festzustellen, wie sie befestigt war. „Kommst du mit, Careen?“ fragte Herb Kenley, der nun bereit war, in den Stollen zu steigen. „Du willst wirklich da hinunter?“ fragte die Frau erschrocken. „Du weißt nicht, was dich erwartet.“ „Das finde ich heraus“, antwortete Herb Kenley. „Wenn du nicht willst, gehe ich eben allein.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, sprang er in den mannshohen Stollen hinab. Careen Burner sah Tony Newman hilflos an. „Was sollen wir machen?“ fragte sie drängend. „Wir können ihn doch nicht einfach seinem Schicksal überlassen.“ „Wollen Sie ihm etwa folgen?“ meinte Tony Newman mit belegter Stimme. „Überlegen Sie sich das sehr genau. Es kann ein Weg ohne Wiederkehr sein.“
Verzweifelt schüttelte die Frau den Kopf. „Ich kann ihn nicht allein lassen“, rief sie schluchzend. Sie kniete neben der Öffnung nieder und kletterte in das Loch. „Seien Sie keine Närrin“, bat sie Tony Newman eindringlich. „Sie setzen Ihr Leben aufs Spiel!“ Doch die Ärztin hörte nicht auf ihn. Da sie die Lampe mitgenommen hatte, saß Tony Newman im Dunkeln und starrte auf den schwächer werdenden Lichtschein. Der Chemiker stand mit geballten Fäusten vor der Bodenöffnung. Was sollte er jetzt tun? Konnte er die Frau so einfach ihrem Schicksal überlassen? Allein mit diesem Verrückten? Einen schrecklichen Fluch auf den Lippen, sprang er ebenfalls in den Stollen und eilte den beiden nach. Mit einem dumpfen Laut schloß sich wenig später der geheime Eingang. * Herb Kenley stand breitbeinig, die Hände in die Hüften gestützt, in dem schnurgeraden, leicht geneigten Stollen und lachte Toni und Careen triumphierend entgegen. „Ich wußte, daß ihr mir folgen würdet“, behauptete er. „Ihr seid genauso neugierig wie ich, wo dieser Tunnel hinführen wird. Also, kommt mit!“ er wandte sich um und lief ihnen voraus. Careen Burner preßte ärgerlich die Lippen zusammen. Was war dehn nur plötzlich in Herb Kenley gefahren? Wo war seine Liebenswürdigkeit, seine aufmerksame Art, die ihr an ihm so gefiel? Im Augenblick hatte sie den Eindruck, es sei ihm völlig gleichgültig, daß sie sich nur aus Sorge um ihn auf dieses gefährliche Abenteuer eingelassen hatte. Wenn sie vorher geahnt hätte, wie sich diese Sache entwikkeln würde ... Tony Newman hatte ähnliche Gedanken. Er schien zu ahnen, wie es in Careen Burner aussah. Er lächelte ihr beruhigend zu. „Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte er leise, so daß ihn der vorauseilende Herb
Kenley nicht hören konnte. „Wir werden schon irgendwie heil aus dieser Sache herauskommen.“ Die Medizinerin lächelte ihm dankbar zu. Der Chemiker war jetzt dabei, die Beschaffenheit des Stollens einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Seit sie in diesen unterirdischen Gang eingedrungen waren, hatte er sich darüber gewundert, daß es so gut wie keine Zerstörungen gab, wenn man von ein paar Erdbrokken und Steinen absah, die wahrscheinlich aus der Decke gebrochen waren. Tony Newman schaute auf seine Armbanduhr und sah, daß sie nun schon fast zwanzig Minuten durch diesen endlos scheinenden Tunnel liefen. Herb Kenley, der rastlos an der Spitze ging, leuchtete von Zeit zu Zeit in die Ferne, um festzustellen, ob sich vielleicht nicht doch eine Veränderung ankündigte. Doch bisher gab es hierfür keinerlei Anzeichen. „Herb, Herb, laß uns umkehren!“ rief Careen Burner plötzlich. Sie blieb stehen und schlug schwer atmend die Hände vors Gesicht. „Ich habe solche Angst!“ Herb Kenley war stehengeblieben. Unschlüssig sah er auf die Frau, dann setzte er sein Gepäck ab und kam zurück. „Was ist denn los?“ fragte er ungeduldig. „Wir sind bald am Ziel.“ Careen blickte ihn mit tränenüberströmtem Gesicht an. „Bitte, Herb“, sagte sie kläglich, „laß uns zur Oberfläche zurückgehen!“ Herb Kenley schüttelte heftig den Kopf. „Niemals!“ rief er aus. „Hier bringt mich keiner mehr heraus, bis ich alles weiß!“ Er zögerte etwas, dann sagte er, beinahe verächtlich: „Lauf doch zurück, du kannst den Weg nicht verfehlen.“ Mit einem kurzen, trockenen Lachen wandte er sich wieder um und eilte weiter. „Herb!“ schrie Careen verzweifelt, doch der Mann hörte nicht mehr auf sie. Tony Newman stand etwas unbeholfen neben ihr. „Na, na“, versuchte er zu trösten. „Bis jetzt ist doch noch gar nichts passiert. Und außerdem bin ich ja auch noch da. Sie sind nicht allein hier unten, Careen.“
Verzweifelt warf sich die Frau in seine Arme. Der Chemiker spürte den bebenden Körper. Er hielt Careen fest und sprach leise auf sie ein, bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte. In diesem Augenblick hatte er einen unbändigen Zorn auf Herb Kenley, der sie alle in diese Lage gebracht hatte. Er nahm sich vor, daß er ihm später, wenn diese Sache vorbei war, gehörig die Meinung sagen würde. Careen Burner hatte sich wieder etwas gefangen. Verlegen zog sie ein Taschentuch aus ihrer Kombination und schneuzte sich. „Tut mir leid, Tony“, sagte sie dann mit fester Stimme. „Ich habe die Nerven verloren. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Der Mann schüttelte heftig den Kopf. „Nicht Sie müssen sich entschuldigen, Careen, sondern ...“ Er schwieg und starrte düster in die Richtung, in der Herb Kenley schon längst verschwunden war. Nur ein schwacher Lichtschein drang noch zu ihnen und zeigte die Stelle an, wo Kenley sich gerade aufhielt. „Können wir weiter?“ fragte Newman behutsam. Noch immer zögerte die Medizinerin. „Wollen wir ihm wirklich weiter folgen?“ Tony Newman holte tief Atem, dann sagte er: „Wir haben keine andere Wahl, Careen. Als ich in den Schacht sprang, schloß sich Sekunden später der Eingang wieder.“ Careen Burner sah den Mann aus schreckgeweiteten Augen an. „Ja ... aber ...“, stammelte sie. „Wie sollen wir dann jemals wieder zurückkommen?“ „Das weiß ich auch noch nicht“, gestand er, „aber ...“ Entsetzt hielt er inne, als er aus dem Dunkel des Tunnels das laute Rufen Herb Kenleys vernahm. Auch Careen Burner war zusammengezuckt. Verständnislos sahen die beiden sich an, um dann wie auf ein geheimes Kommando loszurennen. Wieder hörten sie die Stimme Kenleys, doch seine Worte waren nicht zu verstehen. Er schien sich jedoch nicht in Gefahr zu befinden. Tony Newman vermutete, daß er wieder irgendeine Entdeckung gemacht hatte, die ihn jetzt aus der Fassung brachte. Endlich tauchte wieder der Schein seiner Lampe
auf, die Helligkeit wurde größer. Bald darauf sahen sie Herb Kenley, der heftig winkend im Gang stand. „Wo bleibt ihr denn nur!?“ rief er ungeduldig. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um. „Wenn es noch irgendeinen Zweifel gab, daß ich etwas Besonderes entdeckt habe“, sagte er fast feierlich, „so ist er jetzt wohl beseitigt.“ Dabei wies er auf die Wände, die Decke und den Boden des Tunnels. Tony Newman und Careen Burner sahen sofort, was er meinte. Der ganze Stollen war mit genau derselben graublauen, kunststoffartigen Masse ausgekleidet, die ihnen nun schon mehrmals begegnet war. „Faszinierend“, brachte Newman hervor. Für den Augenblick hatte er seinen Groll auf Herb Kenley vergessen. Schnell ging er zurück zu der Stelle, an der die Beschichtung ihren Anfang nahm. Kopfschüttelnd stellte er fest, daß plötzlich, ohne ersichtlichen Grund, die Erdschicht, die zu sehen gewesen war, unter der seltsamen Verkleidung verschwand. „Na, was habe ich euch gesagt?“ triumphierte Herb Kenley. „Wir müssen bald am Ziel sein. Kommt!“ Er wandte sich um und ging voran. Diesmal war er jedoch vorsichtiger und achtete darauf, daß sie alle drei zusammenblieben. „Was erwarten Sie eigentlich zu finden?“ fragte Tony Newman plötzlich. „Sie haben doch sicherlich eine Vermutung?“ „Natürlich habe ich die“, bestätigte Herb Kenley. „Aber noch ist es zu früh, darüber zu reden. Erst muß ich wissen, wo dieser Gang endet.“ Abrupt blieb er stehen. Wie die anderen, lauschte er dem dumpfen Ton, der wie ein Gongschlag durch den Gang hallte. „Was war das nun schon wieder?“ flüsterte Careen Burner. Unwillkürlich suchte sie die Nähe von Tony Newman, der ihr beruhigend den Arm um die Schultern legte. Mehrere Sekunden verharrten sie reglos, doch weitere Töne waren nicht zu hören.
„Es kam von hinten“, stellte Newman mit gepreßter Stimme fest und meinte damit die Richtung, aus der sie gekommen waren. Sie schwenkten ihre Scheinwerfer herum – und sahen fassungslos auf die massive Wand, die ihnen den Rückweg verschloß. Lange Augenblikke brachten sie vor Entsetzen keinen Laut hervor. Der erste, der dazu wieder in der Lage war, war Herb Kenley. Mit einem verzweifelten Schrei rannte er an Careen und Tony vorbei, dann trommelte er in sinnloser Wut an die Barriere. „Aufmachen!“ rief er schrill. „Sofort aufmachen! Ihr könnt uns doch nicht einfach den Rückweg versperren!“ Natürlich erzielte er mit seiner Aktion keinerlei Erfolg. Schließlich ließ er sich erschöpft zu Boden sinken. Ein trockenes Schluchzen entrang sich seiner Kehle. Careen Burner war seinem Wutausbruch etwas verwundert gefolgt. Sie war sich noch nicht klar darüber, ob sie nun wütend auf ihn sein sollte, weil letztlich er die Schuld dafür trug, daß sie nun in dieser Falle saßen, oder ob sie nur noch Mitleid mit ihm empfand. Eines war ihr jedenfalls auf dem langen Marsch bis zu dieser Stelle klargeworden: Dieser Mann, für den sie ehrliche Zuneigung gefühlt hatte, hatte sie sehr enttäuscht. Nun verstand sie selbst nicht mehr, wie sie auf ihn hereinfallen konnte. „Hören Sie endlich mit dem Gejammer auf!“ fuhr Tony Newman Herb Kenley scharf an. „Damit ändern wir auch nichts mehr! Sehen wir lieber zu, daß wir weiterkommen!“ „Wie sollen wir jemals zurückfinden?“ klagte Herb Kenley. „Was nützen mir meine gesamten Erkenntnisse, wenn ich keine Gelegenheit habe, sie zu veröffentlichen?“ Voller Verachtung wandte sich der Chemiker um. „Kommen Sie, Careen“, sagte er entschlossen. „Wir wollen sehen, was noch zu retten ist.“ Ohne sich weiter um Kenley zu kümmern, gingen sie davon. „Halt, wartet, nehmt mich mit! Laßt mich nicht allein hier zurück!“ Kenley rief es mit weinerlicher Stimme hinter ihnen her.
Careens Schritt stockte, doch Tony zog sie weiter. „Er wird gleich wieder bei uns sein“, sagte er überzeugt. Er behielt recht. Schon bald waren Kenleys hastige Atemzüge zu vernehmen. „Da, sehen Sie, Tony!“ rief Careen plötzlich aus. „Der Gang wird breiter.“ „Tatsächlich!“ Tony Newman hatte es im gleichen Augenblick bemerkt. Unwillkürlich begannen sie zu laufen, und dann blieben sie überrascht stehen. Staunend versuchten sie, das Bild, das sich ihren Augen bot, zu begreifen. Der endlos scheinende Stollen hatte sich zu einem quadratischen Raum geöffnet, in dem eine völlig fremdartige Technik dominierte. Tony Newman, Careen Burner und Herb Kenley sahen an der Stirnseite eine Wand, die sich aus vielen kleinen Bildschirmen zusammensetzte. Davor waren drei Sessel im Boden verankert. An den Seitenwänden standen riesige Metallkästen, die mit Hebeln, Knöpfen und verschiedenfarbigen Lampen übersät waren. In der Mitte des Raumes befand sich ein halbrundes Schaltpult, vor dem es ebenfalls eine Sitzgelegenheit gab. „Eine technische Zentrale“, flüsterte Careen Burner. „Wer mag sie eingerichtet haben?“ Tony Newman schüttelte nur immer wieder den Kopf. „So etwas hätte ich nie für möglich gehalten“, gestand er. „Doch ich verstehe nicht, was das hier, mitten im Urwald, für einen Sinn hat“ „Narren!“ ließ sich da Herb Kenley vernehmen. Er schob sich kraftvoll an Tony vorbei und betrat den Schaltraum. Während er sich um seine eigene Achse drehte, die gesamte Einrichtung mit seinen Blikken zu erfassen suchte, sprach er weiter: „Habt ihr denn immer noch nicht begriffen, was wir gefunden haben? Ich will es euch sagen: Wir haben die Geheimstation einer untergegangenen Zivilisation entdeckt!“ Careen war bleich geworden. „Meinst du das im Ernst?“ fragte sie beklommen. „Wo sind dann die Konstrukteure?“
„Das weiß ich nicht“, rief Herb Kenley unwillig. „Sieh dich doch um! Überall fremdartige Schriftzeichen. Kann einer von euch die Anlage bedienen? Nein! Auch unsere besten Wissenschaftler werden nicht in der Lage sein, das hier zu begreifen. Folglich gibt es – oder gab es in früheren Zeiten – andere, die imstande waren, so etwas zu bauen.“ Er sah seine beiden Begleiter beschwörend an. „Wenn es mir gelingt, die Technik dieser Station zu verstehen und zu beherrschen, werde ich in die Geschichte eingehen. Meine Macht wird unvorstellbar sein!“ „Zunächst einmal sollten wir uns darum kümmern, wie wir von hier wieder wegkommen“, sagte Tony Newman sachlich. „Ja, richtig.“ Herb Kenley nickte heftig, während er an das halbrunde Schaltpult trat. Nachdenklich blickte er auf die Funktionstasten, auf die erloschenen Kontrollichter und die leeren Flächen der kleinen Bildschirme. Und dann begann er urplötzlich an allen erreichbaren Hebeln zu ziehen, Knöpfe zu drücken und Schalter umzulegen.«„Macht das Tor wieder auf!“ schrie er dazu. „Ich will wieder weg von hier!“ Tony Newman sprang mit einem Satz auf ihn zu und riß ihn vom Schaltpult weg, aber es war viel zu spät. Schlagartig! erwachte die fremde Station zum Lieben. Licht flammte auf, die Kontrollschirme wurden hell, aus den verschiedenen Geräten drangen Klicken und Rattern, was verriet, daß sie die Arbeit aufgenommen hatten. „Sie verdammter Narr!“ schrie Tony Newman wütend. „Was haben Sie angerichtet?“ Verzweifelt sah er sich um, doch er hatte keine Ahnung, was nun geschehen würde. Careen Burner war entsetzt einige Schritte in den Stollen zurückgelaufen, als es in der Zentrale lebendig wurde. Nun kam sie langsam zurück und starrte angstvoll zu den beiden Männern hinüber. Plötzlich heulte eine Sirene auf. Der auf und ab schwellende Ton drang den Menschen durch Mark und Bein. „Wir müssen raus hier!“ rief Tony Newman. „Wer weiß, was noch alles geschieht.“
In diesem Augenblick verstummte der nervenaufreibende Sirenenton; die Zentrale blieb jedoch voller Betriebsamkeit. Der Chemiker packte den völlig apathischen Herb Kenley am Arm und schob ihn in Richtung Stollen, durch den sie gekommen waren. Auch Careen, die noch in der Mündung gestanden hatte, wandte sich um. Sie lief voraus, doch schon nach wenigen Schritten blieb sie stehen und stieß einen angstvollen Schrei aus. * Gebannt sahen Torgen-Shan, Keltar-Birt und Homger-Veit auf den Panoramaschirm, der eine blaue Riesensonne zeigte, die achtzehn Planeten besaß. Vor wenigen Zeiteinheiten hatten sie den Hyperraum verlassen und standen nun in dem System, das Erkho-Thol als letzte Zielkoordinate angegeben hatte. Weitere Daten hatten sie trotz intensiver Suche nicht gefunden. Torgen-Shan schloß daraus, daß sich die Verlorene Kolonie irgendwo in der relativen Nähe befinden mußte. Eine gewagte Hypothese, wie Homger-Veit sich eingestand. Es konnte genausogut sein, daß es noch weiterführende Kursdaten gab, die ebenfalls verschollen waren. In diesem Falle konnten sie diesen Raumsektor bis ans Ende aller Tage durchsuchen, ohne jemals Erfolg zu haben. Doch Homger-Veit teilte seine Gedanken nicht mit. Er wollte die Begeisterung, mit der seine beiden Freunde gerade über die weitere Vorgehensweise diskutierten, nicht dämpfen. „Wir sollten dieses System als Ausgangspunkt unserer Suchaktionen ansehen“, meinte Keltar-Birt gerade. „Auf diese Weise bilden wir einen kugelförmigen Raumsektor, den wir langsam ausdehnen können.“ Torgen-Shan machte eine Geste der Zustimmung. „Etwas Ähnliches habe ich mir auch schon gedacht“, sagte er. „Unser Schiff hat fünfundzwanzig Robotsonden an Bord, die wir entsprechend programmieren können. Sie werden uns bei den bevorstehenden Aktionen wertvolle Dienste leisten.“
„Ich übernehme die Vorbereitung der Sonden“, bot sich HomgerVeit an. „Einverstanden.“ Torgen-Shan lachte ihm zu. „Wir werden eine ganze Menge zu tun bekommen. Also fangen wir an.“ Rege Betriebsamkeit erfüllte für einen langen Zeitraum die Zentrale der TIRGKHAN. Messungen wurden angestellt, die Ergebnisse mit den Aufzeichnungen Erkho-Thols verglichen und Abweichungen sofort in den Bordcomputer eingegeben. Dann untersuchten sie das System der blauen Sonne, doch wie sie erwartet hatten, gab es hier keinerlei Hinweise auf die Kolonie. Nachdem die Robotsonden vorbereitet waren, ließ Torgen-Shan die tropfenförmigen Flugkörper ausschwärmen. Sie würden einen vorprogrammierten Kurs absolvieren und dabei alle aufgefangenen Daten und Meßwerte per Funk an die TIRGKHAN übermitteln. Homger-Veit hatte die Aufgabe, die ankommende Datenflut einer oberflächlichen Prüfung zu unterziehen und sodann alle Ergebnisse in das leistungsfähige Elektronengehirn zu überspielen. Torgen-Shan hatte ein Programm ausgearbeitet, das alle Resultate nach unterschiedlichen Wertigkeiten ordnete. Danach ließ er dann in genau festgelegten Zeitabständen eine Wahrscheinlichkeitsberechnung vornehmen, um eventuell neue Entscheidungen zu treffen oder das Suchprogramm zu modifizieren. Auf diese Art arbeiteten die Männer zwei Wachperioden lang sehr konzentriert, ohne jedoch zu greifbaren Ergebnissen zu gelangen. Torgen-Shan hatte sich vor geraumer Zeit in seine Kabine zurückgezogen. In der Zentrale der TIRGKHAN waren unterdessen HomgerVeit und Keltar-Birt damit beschäftigt, den Ablauf des Suchprogramms zu überwachen. Die Hoffnung auf einen schnellen Erfolg war verflogen. „Vielleicht sollten wir unseren Standort wechseln“, bemerkte Homger-Veit. „Unsere Robotsonden sind in Kürze an den Grenzen ihrer Reichweite angelangt.“
Keltar-Birt lachte leise. „Du resignierst zu schnell, alter Freund. Noch ist unser Programm nicht vollständig erfüllt. Wir können ...“ Er stockte, als er feststellte, daß Homger-Veit ihm gar nicht mehr zuhörte. Er war etwas verwundert darüber, denn es galt unter den Berkanern als ausgesprochen unhöflich, sich mitten in einem Gespräch abzuwenden. Doch dann bemerkte er, daß Homger-Veit fieberhaft an seinen Geräten arbeitete. „Was ist?“ fragte er, doch Homger-Veit gab ihm schnell ein Zeichen, ihn jetzt nicht zu stören. Langsam stand Keltar-Birt von seinem Platz vor dem Kommandopult auf und ging hinüber zum Ortungsleitstand. „Eine der Robotsonden übermittelt aufgefangene Funksprüche“, erklärte Homger-Veit hastig, ohne seine Bemühungen zu unterbrechen. Er versuchte, durch Hinzuschalten verschiedener Filter die Störgeräusche so weit zu eliminieren, daß die Botschaft verständlich wurde. Keltar-Birt verspürte eine wachsende Unruhe. Handelte es sich wirklich um Funksprüche, oder waren es nur irgendwelche Peilsignale? Homger-Veit hatte offensichtlich die richtige Filterkombination gefunden. Gespannt schob er den Lautstärkeregler bis zum Anschlag vor. Sehr leise und gerade noch verständlich kam eine Lautfolge aus dem Empfangsgerät. Danach gab es eine kurze Pause, worauf die Sendung wiederholt wurde. „Bei allen Sternengöttern“, flüsterte Keltar-Birt. „Homger-Veit, sage mir, daß ich nicht träume. Bilde ich es mir nur ein, oder verstehe ich die Botschaft?“ Mehrere Zeiteinheiten war Homger-Veit nicht in der Lage, zu antworten. Er saß vor dem Funkgerät und starrte vor sich hin. Seine Lippen formten lautlos die Worte der sich monoton wiederholenden Nachricht mit. Langsam wandte er den Kopf und sah Keltar-Birt an, während er nun aussprach, was zu hören war: „Kommandostelle BC meldet das Eindringen Nichtautorisierter in den Inneren Bezirk. Es
erfolgten Fehlbedienungen der Anlage. Die Sicherheitsschaltung wurde aktiviert. Gegenmaßnahmen sind eingeleitet. Wiederholung ...“ „Das ist sie!“ rief Keltar-Birt in wilder Freude aus. „Wir haben die Verlorene Kolonie wiedergefunden! Der Funkspruch ist in der Sprache unseres Volkes abgefaßt!“ „Ja ... aber ...“ Nur langsam begriff Homger-Veit, was das bedeutete. Keltar-Birt tanzte ausgelassen in der Zentrale herum. Doch dann beherrschte er sich. „Das ist die größte Freude meines Lebens“, sagte er begeistert. „Doch noch sind wir nicht am Ziel. Hast du die Richtung, aus der die Signale kommen?“ „Nur ungefähr“, antwortete Homger-Veit schnell, während er sich wieder seinen Geräten zuwandte. „Der Sender liegt weit außerhalb unserer Reichweite.“ „Aber die Robotsonden können ihn empfangen“, überlegte KeltarBirt laut. „Folgendes ist zu tun: Wir schicken weitere Geräte in den entsprechenden Sektor. Dann machen wir Kreuzpeilungen von verschiedenen Richtungen aus. Damit müßten wir wenigstens die ungefähre Position der Kommandostelle BC herausfinden. Sobald die Sonden an Ort und Stelle sind, werden wir mit der TIRGKHAN zu ihnen fliegen. Mit unseren Hochleistungsgeräten sollte es möglich sein, den endgültigen Standort der Kommandostelle festzustellen. Ich bin sicher, daß wir damit auch gleichzeitig unser Ziel erreichen.“ Homger-Veit machte sich wortlos an die Arbeit. Er wußte, daß die Zeit drängte, denn falls der Sender seine Arbeit einstellte, bevor die Kreuzpeilung erfolgt war, wurde die weitere Suche sehr erschwert. Inzwischen hatte Keltar-Birt den Navigationscomputer mit den erforderlichen Daten gefüttert. Gleichzeitig informierte er Torgen-Shan darüber, daß es wichtige Neuigkeiten gab. Wenige Zeiteinheiten später war dieser in der Zentrale. Etwas verwundert sah Torgen-Shan auf die hektische Betriebsamkeit, sagte jedoch noch nichts, um die Freunde bei der Arbeit nicht zu stören.
„Kreuzpeilung steht“, meldete Homger-Veit in diesem Augenblick erleichtert. „Ausgezeichnet“, lobte Keltar-Birt. „Arbeitet der Sender noch?“ „Unverändert“, antwortete Homger-Veit. „Dann nichts wie hin.“ Gleichzeitig betätigte Keltar-Birt die Taste, die das Schiff beschleunigte und zu den Robotsonden brachte, die das Signal empfangen konnten. Torgen-Shan hielt es nun nicht länger aus. „Vielleicht erklärt mir mal einer, was hier überhaupt vorgeht“, sagte er heftig, während er von einem zum anderen blickte. Statt einer Antwort schaltete Homger-Veit die Aufzeichnung des Funkspruchs ein. Keltar-Birt und Homger-Veit beobachteten vergnügt, wie sich der Gesichtsausdruck ihres Kommandanten veränderte. Zuerst lauschte er verwundert den kaum verständlichen Worten, dann zeigte sich Unglauben auf seinen Zügen, und zuletzt bemerkten die Männer seine ungeheure Erleichterung. „Da muß sie sein“, sagte Torgen-Shan glücklich. „Unsere Mission steht unter einem guten Stern.“ „In wenigen Augenblicken werden wir Gewißheit haben“, bestätigte Keltar-Birt. „Wenn der Sender noch arbeitet, können wir ihn besser als vorher empfangen.“ Die TIRGKHAN verließ den Hyperraum, die Geräte begannen wieder zu arbeiten. Homger-Veit widmete sich sofort seinen Ortungsanzeigen. Keltar-Birt behielt recht. Der Funkspruch kam nun klar und deutlich herein. Homger-Veit mußte nun sogar die Lautstärke ein wenig reduzieren. „Zweifellos eine Robotstation“, meinte Torgen-Shan, der der Sendung fasziniert lauschte. „Daß sie nach so langer Zeit noch arbeitet...“ „Das beweist nur die ausgezeichnete Qualität der berkanesischen Technik“, meinte Keltar-Birt und lachte übermütig. „Ich habe sie!“ rief Homger-Veit aufgeregt. „Es kann keinen Zweifel mehr geben.“ Er schaltete, und gleich darauf erschien auf dem Panoramaschirm die Projektion eines Sonnensystems. „Ein gelber Stern
mit neun Planeten“, berichtete Homger-Veit. „Die Nachricht kommt vom dritten Planeten. Entfernung ... vier Lichtjahre!“ „Kurs programmieren!“ befahl Torgen-Shan. „Ich kann es kaum noch erwarten!“ Keltar-Birt arbeitete mit der gewohnten Zuverlässigkeit. Wenig später tauchte die TIRGKHAN in den Hyperraum. Obwohl es sich nur um einen kurzen Flug handelte, hatten die Männer das Gefühl, die Zeit stände still. Beinahe unerträglich wurde die Spannung in der Zentrale. Was würde der Panoramaschirm zeigen? Was waren das für Fremdwesen, die in die Zentrale eingedrungen waren und eine Funknachricht ausgelöst hatten, die sie genau zum richtigen Zeitpunkt erreichte? Hatten sie wirklich die Verlorene Kolonie gefunden? Oder stand ihnen eine Enttäuschung bevor? Torgen-Shan schüttelte gewaltsam derartige Zweifel ab. Dann war es endlich soweit. Die TIRGKHAN war am Rande des Systems aufgetaucht und nahm sofort Kurs auf den dritten Planeten. Die ersten Ortungsergebnisse zeigten an, daß auf dieser Welt eine hochstehende technische Zivilisation existierte. „Allerdings gibt es keine Anzeichen dafür, daß sie die Raumfahrt beherrschen“, sagte Homger-Veit nachdenklich. „Vielleicht haben wir uns doch geirrt.“ „Nein!“ Torgen-Shan machte entschieden eine Geste der Verneinung. „Es gibt eine andere Erklärung. Die Nachfahren unserer Kolonisten haben das Erbe ihrer Väter vergessen. Offensichtlich haben sie in der Entwicklung ganz von vorn beginnen müssen.“ Keltar-Birt sah ihn bestürzt an. „Ist das dein Ernst? Aber wieso ...“ „Wir werden bald mehr wissen“, unterbrach ihn Torgen-Shan. „Wir gehen in einen Orbit um den Planeten. Dann werde ich versuchen, Funkverbindung mit der Kommandostelle aufzunehmen.“ Wortlos gehorchte Keltar-Birt. Er steuerte die TIRGKHAN näher an den dritten Planeten heran. „Eine schöne Welt“, murmelte KeltarBirt, der den Panoramaschirm nicht aus den Augen ließ. Mehrere ve-
getationsreiche Kontinente hoben sich in starkem Kontrast von der blauen Wasserfläche ab, die große Teile des Planeten bedeckten. „Der Sender steht auf der südlichen Hälfte des Doppelkontinents“, berichtete Homger-Veit. „Die Station wird von den dichten Wäldern verborgen.“ „Funkverbindung!“ forderte Torgen-Shan, der es auf einmal sehr eilig hatte. „Sende den Erkennungscode der berkanesischen Flotte.“ „Verstanden!“ Homger-Veit betätigte die Sendetaste. Nur mühsam verbarg Torgen-Shan seine Nervosität. Wie würde die Kontrollstation reagieren? Konnte er mit ihr Verbindung aufnehmen? Abrupt endete die Sendung, die immer noch abgestrahlt worden war. Dann erschien auf dem Bildschirm ein Symbol, das die Raumfahrer darüber informierte, daß sie sich einer selbständig arbeitenden Kommandozentrale gegenübersahen. Im gleichen Augenblick kam eine wohlmodulierte Stimme aus dem Empfänger: „Hier spricht die Kommandoeinheit der Station BC 1. Ich habe deinen Funkspruch empfangen. Sende den Code, der dich als Befehlsberechtigten ausweist.“ Torgen-Shan, Keltar-Birt und Homger-Veit sahen sich bestürzt an. Woher sollten sie den richtigen Code kennen? „Zweite Aufforderung“, meldete sich die Zentrale erneut. „Sende den Code, der dich als Befehlsberechtigten ausweist.“ Torgen-Shan trat in den Erfassungsbereich der Optik. „Hier spricht Torgen-Shan, der Erste Energiewissenschaftler von Berka-Lot“, sagte er mit fester Stimme. „Der geforderte Code ist uns infolge eines Übermittlungsfehlers nicht bekannt. Ich verlange dennoch Gehorsam gemäß der Grundprogrammierung SK 4.“ Die Raumfahrer hielten den Atem an. Gleich darauf krachte es im Empfänger: „Gemäß meiner besonderen Programmierung ist eine Abtretung der Befehlsgewalt nach Programm SK 4 nicht ohne weiteres möglich. Da du den Code nicht kennst, der allein die Berechtigung zur Befehlsübernahme enthält, werde ich nur solchen Anweisungen folgen,
die meinen aufgrund eigener Berechnungen angeordneten Maßnahmen nicht widersprechen.“ „Unter welchen Umständen tritt SK 4 in Kraft?“ fragte Torgen-Shan schnell. „Um die Befehlsgewalt zu übernehmen, mußt du dich in die Zentrale begeben. Die Sicherheitsschaltung sieht eine Überprüfung deiner Person nach verschiedenen Kriterien vor.“ „Welche Kriterien?“ wollte Torgen-Shan wissen. „Keine Angaben“, lehnte das Kommandogehirn ab. Torgen-Shan wechselte das Thema. „Was war der genaue Grund für deinen Notruf?“ Mehrere Zeiteinheiten herrschte Schweigen. Torgen-Shan befürchtete schon, daß die Zentrale einfach abgeschaltet hatte, doch dann wechselte das Bild auf dem Schirm. Die Wissenschaftler sahen drei humanoide Wesen, die ihnen verblüffend ähnlich waren. Ihre Körpergröße war etwas geringer; auch in der Hautfarbe unterschieden sie sich von den Berkanern. Dazu gab die Zentrale folgenden Kommentar: „Diese drei Nichtautorisierten drangen durch den Zugang C in die Zentrale ein. Eines der Wesen leitete unkontrolliert eine Reihe von Fehlfunktionen ein, die zur Aktivierung der Sicherheitsschaltung führten.“ „Was passiert mit ihnen?“ wollte Torgen-Shan wissen. „Keine Angaben“, sagte die Zentrale. „Ihnen darf nichts geschehen!“ rief Torgen-Shan energisch. „Das ist ein Vorrang-Befehl!“ „Du hast keine Befehlsgewalt“, erklärte die Kommandoeinheit lapidar. „Der Kontakt wird unterbrochen.“ Im nächsten Moment wurde der Bildschirm dunkel. „Bei allen Dämonen“, schimpfte Keltar-Birt. „Müssen wir uns von diesem Blechkasten Derartiges bieten lassen?“ Torgen-Shan lächelte leicht. In sein Gesicht war ein nachdenklicher Ausdruck getreten. „Noch ist nichts verloren“, sagte er langsam. „Die
Zentrale hat von einer Überprüfung meiner Person gesprochen. Ich werde diese Prozedur wohl oder übel mitmachen müssen, wenn wir weiterkommen wollen. Ich muß zuerst alle verfügbaren Informationen aus der Zentrale holen, bevor wir mit den Nachfahren unserer Kolonisten Kontakt aufnehmen können.“ Keltar-Birt sah ihn grimmig an. „Die Sache hat doch einen Haken, oder?“ Torgen-Shan blickte auf den Panoramaschirm, auf dem die südliche Hälfte des Doppelkontinents, der die Station trug, zu sehen war. „Du vermutest ganz richtig, mein Freund“, gab er zu. „Wenn ich den Test der Sicherheitsschaltung nicht bestehe, kann es durchaus geschehen, daß die Zentrale gegen uns ähnliche Maßnahmen ergreift wie im Augenblick gegen die drei Eindringlinge. Im günstigsten Fall bedeutet das Gefangenschaft auf unbestimmte Zeit. Wenn wir Pech haben, kann uns dieses Abenteuer aber auch das Leben kosten.“
5. „Was ist passiert?“ rief Tony Newman besorgt. Er befand sich noch einige Schritte hinter der Frau und konnte infolgedessen nicht sehen, was sie zu ihrem Schrei veranlaßt hatte. Careen brauchte jedoch nicht mehr zu antworten. Aus der Tiefe des Stollens, durch den sie gekommen waren, drang ein feines Summen, das schnell näher kam. Gleich darauf wußte Tony Newman, was Careen so erschreckte. Unwillkürlich ließ er Herb Kenley los, der seine Gegenwehr aufgegeben hatte. Bleich sah der Chemiker den drei seltsamen Gestalten entgegen, die, dicht über dem Boden schwebend, auf sie zu kamen. Sie waren etwa eineinhalb Meter groß und bestanden ganz aus Metall, soweit Tony Newman das erkennen konnte. Ihre Körperform erinnerte ihn an einen Wassertropfen. Der obere Teil, der sich stark verjüngte, en-
dete in einem antennenartig aussehenden Geflecht, das ständig in Bewegung war. Etwa dreißig Zentimeter darunter gab es ein schmales Band aus einer kristallartigen Substanz, die das auf sie fallende Licht stark reflektierte. Careen Burner hatte inzwischen ihre Starre überwunden und war die wenigen Meter zu Tony zurückgelaufen. „Was um Himmels willen ist das?“ fragte sie verzweifelt. „Ahnst du das nicht?“ gab Tony Newman grimmig zurück, unwillkürlich die vertrauliche Anrede verwendend. „Das sind Roboter, zweifellos die Wächter dieser Station.“ „Damit dürfte unser Ausflug in diese rätselhafte Welt wohl beendet sein“, sagte die Frau leise. Die unheimlichen Gestalten hatten mittlerweile die Menschen erreicht. Dicht vor ihnen sanken sie auf den Boden, das feine Summen erlosch. „Offensichtlich wollen sie uns gefangennehmen“, flüsterte Tony aufgeregt, „Wenn sie uns töten wollten, hätten sie das längst tun können.“ Urplötzlich sprach der mittlere Roboter zu ihnen. Seine Stimme war überraschend wohltönend und klang durchaus nicht bösartig. Allerdings war ihnen die Sprache völlig unbekannt. Verzweifelt schüttelte Tony Newman den Kopf. „Wenn wir uns doch nur mit den Robotern verständigen könnten! Sie müssen doch bemerken, daß wir keine Gefahr für sie darstellen! Wir haben keinerlei Waffen bei uns.“ In diesem Augenblick erwachten die Roboter wieder zum Leben. In den glatten Körperoberflächen bildeten sich Öffnungen und gaben je drei tentakelartige Gebilde frei, die sich auf die Menschen zu bewegten. „Nein!“ schrie Herb Kenley auf. „Nicht! Geht weg!“ Er wollte sich umwenden und in die Zentrale zurücklaufen, doch gegen die Roboter hatte er keine Chance. Trotz heftiger Gegenwehr wurde er von den Tentakeln gepackt. Careen Burner und Tony
Newman ließen sich widerstandslos festnehmen. In der gleichen Sekunde wandten die Maschinen sich um und schlugen die Richtung ein, aus der sie gekommen waren. „He!“ rief Tony überrascht. „Soll das etwa heißen, daß sie uns zurückbringen? Daß sie uns entfernen wie lästiges Ungeziefer?“ Hoffnung keimte in ihnen auf, doch wenig später erlebten sie eine Enttäuschung. Auf der linken Seite des Stollens hatte sich eine verborgene Tür geöffnet. Die Roboter transportierten ihre Gefangenen in einen völlig leeren Raum und setzten sie in der Mitte ab. Danach wandten sie sich um und schickten sich an, die Zelle zu verlassen. „Halt! Wartet!“ Herb Kenley hatte sich herumgeworfen und hastete hinter ihnen her. „Ihr könnt uns doch hier nicht einfach einsperren! Wir haben die Station entdeckt! Wir sind eure neuen Herren, ihr müßt mir gehorchen! Laßt uns sofort wieder frei!“ Er hatte die ihm am nächsten stehende Maschine erreicht und wollte sich an ihr vorbeizwängen, um die Türöffnung zu erreichen. Da blitzte es bei dem Roboter plötzlich auf. Ein bläulicher Strahl raste auf Herb Kenley zu und hüllte ihn ein. Ächzend stürzte der Getroffene zu Boden und rührte sich nicht mehr. Ungerührt verließen die Maschinen das Gefängnis, die Tür schloß sich wieder. Entsetzt hatten Tony Newman und Careen Burner den Vorgang verfolgt. Es war alles viel zu schnell gegangen, als daß sie eine Möglichkeit gehabt hätten, einzugreifen. „Sie haben ihn umgebracht“, schluchzte Careen, die die Hände vor das Gesicht schlug. „Einfach erschossen.“ Tony Newman schluckte schwer. All seine Hoffnungen auf einen guten Ausgang dieses verrückten Abenteuers waren wie eine Seifenblase zerplatzt. Scheu blickte er auf die verkrümmt daliegende Gestalt Herb Kenleys. Tony Newman gestand sich ein, daß er eine irrsinnige Wut auf diesen Mann hatte, der ihnen mit seinen machtgierigen Ideen dies alles eingebrockt hatte. Doch ein solches Ende hatte er nicht verdient.
Langsam wandte er sich um und setzte sich zu Careen Burner, die lautlos vor sich hin weinte. Tröstend legte er ihr den Arm um die Schulter und zog sie an sich. „Was machen wir jetzt?“ fragte sie leise, als sie sich wieder etwas beruhigt hatte. „Ob sie uns auch töten werden?“ „Ich habe keine Ahnung, Careen“, antwortete Tony. „Wir sind ihnen ausgeliefert. Ich sehe keine Möglichkeit, wie wir uns gegen diese Maschinen wehren sollten.“ Sie schwiegen und hingen ihren Gedanken nach. Careen warf ab und zu einen Blick auf Herb Kenley. Seltsamerweise empfand sie kaum Trauer über sein Ende. Etwas wehmütig dachte sie an die Tage zurück, in denen ihre Zuneigung zu Kenley ständig gewachsen war. Und nun? War das wirklich erst vor so kurzer Zeit gewesen? Während der verwirrenden und sich überstürzenden Ereignisse in den letzten Stunden – oder waren es Tage? – hatte sie ihr Zeitgefühl völlig verloren. Tony Newman grübelte darüber nach, wie sie aus dieser tödlichen Falle entkommen konnten. Sooft er auch einen erfolgversprechenden Plan machte, sooft verwarf er ihn wieder. Gegen die drei robotischen Bewacher gab es keine Chance. Careen und Tony wurden urplötzlich aus ihren düsteren Gedanken gerissen, als der totgeglaubte Herb Kenley sich bewegte. Er stieß ein langgezogenes Stöhnen aus und versuchte mühsam, sich aufzurichten. Mit einem Riesensatz war Tony neben ihm und stützte ihn. „Mensch ... Kenley ...“, stammelte er, vor Freude überwältigt. „Ich ... wir dachten, Sie wären tot.“ Herb Kenleys Blick wurde langsam klarer. Benommen schüttelte er den Kopf, dann sah er sich um. „Diese Teufel“, stieß er schließlich hervor. „Beinahe hätten sie mich umgebracht. Das werden sie mir büßen!“ „Unsinn!“ widersprach Tony Newman erregt. Er hatte seine Entschlossenheit wiedergefunden. „Die Roboter haben mit einer läh-
menden Waffe auf Sie geschossen! Sie hatten niemals geplant, Sie umzubringen.“ Freudestrahlend sah er von einem zum anderen. „Wißt ihr, was das heißt? Wir haben immer noch eine Chance, lebend hier herauszukommen!“ „Sie sind ein Phantast!“ rief Herb Kenley verächtlich. „Glauben Sie nur nicht, daß wir hier mit Samthandschuhen angefaßt werden. Mir tun jetzt noch alle Knochen weh.“ Tony Newman mußte sich beherrschen. Die Freude, die er über Kenleys Wiederbelebung empfunden hatte, war verflogen. Dieser unverbesserliche Narr hatte nichts gelernt. Er nahm sich vor, ihm in Zukunft mehr auf die Finger zu sehen, damit er nicht noch mehr Unheil anrichten konnte. Careen Burner schien ähnlich zu denken, wie Tony an dem Blick bemerkte, den sie Herb zuwarf. Die Menschen fuhren herum, als sich mit einem leisen Zischen die Tür ihres Gefängnisses öffnete. Die drei Roboter, die sie schon kannten, schwebten herein und nahmen vor dem Ausgang, der sich wieder schloß, Aufstellung. Lange Sekunden geschah nichts, dann begann der ihnen am nächsten stehende Roboter wieder zu reden. „Wenn wir sie doch nur verstehen könnten“, flüsterte Careen verzweifelt. „Vielleicht wäre eine friedliche Einigung möglich.“ Der Roboter war wieder verstummt. Gleich darauf sprach er von neuem. Diesmal jedoch erlebten die drei Gefangenen eine Überraschung. In fehlerfreiem Englisch stellte die Maschine fest: „Wie sich gezeigt hat, beherrscht ihr nicht die Sprache der Erbauer. Infolgedessen seid ihr zu Unrecht in diese Kommandostelle eingedrungen, zumal ihr auch nichts getan habt, um euch als Autorisierte auszuweisen.“ Wie schon mehrmals in solchen Situationen, fand Herb Kenley als erster die Sprache wieder. Er trat einige Schritte vor, hütete sich dabei jedoch, den Maschinenwesen zu nahe zu kommen. „Das ist alles ein riesiges Mißverständnis“, begann er hastig. „Wir haben vorher nicht gewußt, was wir finden würden. Wir ... wir sind Forscher, die diese Station nur zufällig entdeckt haben. Inzwischen sehen wir ein, daß es
ein Fehler war, hierherzukommen. Laßt uns zurückgehen. Wir werden euch nicht mehr belästigen.“ Voller Spannung warteten die Menschen auf die Reaktion der Roboter. „Ihr könnt nicht mehr zurück“, antwortete die Maschine. „Das Programm zur Sicherung dieser Anlage besagt, daß feindlich gesinnte Eindringlinge so lange festzuhalten sind, bis ein Autorisierter die Befehlsgewalt übernimmt.“ „Aber das ist doch Unsinn!“ rief Herb Kenley aus. „Wir sind keine Feinde!“ „Du sprichst die Unwahrheit“, antwortete der Roboter. Täuschte sich Tony Newman, oder klang die Stimme jetzt wirklich verärgert? „Du bist das Wesen, das durch seine unbedachten Schaltungen Schaden angerichtet hat“, sprach der Roboter weiter. „Die meisten deiner Fehler konnten beseitigt werden. Die Selbstvernichtungsanlage kann jedoch nur ein Autorisierter abschalten.“ „Nein“, stammelte Herb Kenley entsetzt. „Das wollte ich nicht. Es war alles ein Versehen, hört ihr? Laßt mich hinaus, ich werde die Sache in Ordnung bringen.“ „Schweigen Sie jetzt endlich!“ fuhr Tony Newman Herb Kenley grob an. „Sie haben schon genug Schaden angerichtet. Jetzt reicht es mir!“ Er beachtete den verdutzten Herb Kenley nicht mehr. Mit bebender Stimme wandte sich Tony an die Roboter. Der letzte Satz klang ihm noch in den Ohren. „Welche Bewandtnis hat es mit der Selbstzerstörungsanlage?“ fragte er. „Heißt das, daß sich diese Zentrale vernichten wird?“ „Deine Vermutung ist richtig“, bestätigte der Roboter unbewegt. „Und ... wann?“ Tony Newman mußte sich zwingen, diese Frage zu stellen. Er fieberte der Antwort entgegen. „Nach eurer Zeitrechnung“, sagte das Maschinenwesen, „wird die Auflösung der Kommandostelle in zwei Stunden und fünfundzwanzig Minuten erfolgen.“
* „Nimm Verbindung mit der Kommandozentrale auf“, verlangte Torgen-Shan. Schweigend gehorchte Homger-Veit. Wenig später leuchtete auf dem Panoramaschirm das Symbol der Robotzentrale auf. „Hier spricht Torgen-Shan“, meldete sich der Wissenschaftler. „Um nach der Programmierung SK 4 das Kommando zu übernehmen, werde ich mich mit meinen Leuten in die Station begeben. Mit der von dir gewünschten Überprüfung meiner Person bin ich einverstanden.“ „Akzeptiert“, antwortete die Kommandostelle sofort. „Ich mache dich darauf aufmerksam, daß die Selbstvernichtungsanlage aktiviert wurde. Es wird daher gebeten, sich unverzüglich zur Transmitteranlage deines Raumschiffs zu begeben. Die zum Transport notwendigen Daten werde ich in die Speicher des Elektronengehirns an Bord überspielen.“ Torgen-Shan sah Keltar-Birt und Homger-Veit bestürzt an. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren“, erklärte er hastig. „Wer weiß, welche Schäden die ungebetenen Besucher sonst noch anrichten. Einen Verlust der Anlage können wir uns unter keinen Umständen leisten.“ „Gehen wir“, sagte Keltar-Birt, der nur mit Mühe seine Erregung verbarg. „Das Schiff wird den Orbit nicht verlassen. Ich nehme ein Kommandogerät mit, so daß wir jederzeit mit der TIRGKHAN in Verbindung treten können.“ Torgen-Shan eilte mit seinen Freunden in den Transmitterraum, der zwei Decks tiefer neben der Maschinenzentrale lag. Er trat an das kleine Steuerpult und schaltete die Anlage ein. Erleichtert stellte er fest, daß die Kommandostelle inzwischen die erforderlichen Daten übermittelt hatte. Torgen-Shan erhöhte die Energiezufuhr, bis zwischen den Projektoren das kreisrunde Transportfeld entstanden war. Sorgfältig justierte er die Anlage, bis die eingegebenen Werte genau
mit denjenigen übereinstimmten, die die Kommandostelle gesendet hatte. Als das unruhige Flackern des rötlich leuchtenden Transportfelds aufhörte, nickte Torgen-Shan den beiden anderen zu. „Wir wissen nicht, was uns da unten erwartet“, sagte er eindringlich. „Behaltet jedoch einen klaren Kopf. Unser erstes Ziel ist es, die Kommandogewalt zu übernehmen. Wenn uns das wider Erwarten nicht gelingen sollte und die Zentrale sich gegen uns wendet, müssen wir uns allerdings so schnell wie möglich zurückziehen. Wir wissen noch nicht, wann die eingeleitete Zerstörung erfolgen wird.“ Keltar-Birt und Homger-Veit nickten. Sie wußten, was auf dem Spiel stand. Auf ein Zeichen ihres Anführers gingen sie nebeneinander auf das Podest zu, über dem das Transmitterfeld leuchtete. Ohne zu zögern, stiegen sie die kurze Rampe empor und begaben sich in den Einflußbereich des Energiefeldes. Fast im gleichen Augenblick verschwanden sie aus der TIRGKHAN und tauchten ohne Zeitverlust in einem quadratischen, mit vielen technischen Geräten ausgestatteten Raum auf. „Ruhig bleiben“, warnte Torgen-Shan, als Keltar-Birt in einer instinktiven Bewegung zur Waffe griff. Auch er hatte die drei Kampfroboter bemerkt, die nun langsam auf sie zu schwebten. Entschlossen verließ der Wissenschaftler das Podest und trat ihnen entgegen. „Ich bin Torgen-Shan“, stellte er sich mit befehlsgewohnter Stimme vor. „Führt uns sofort in den Sicherheitsbereich der Kommandostelle. Ich bin gekommen, um die Befehlsgewalt zu übernehmen.“ „Das ist uns bekannt, Torgen-Shan“, erwiderte einer der Roboter. „Wir haben den Auftrag, dich zur Identitätsüberprüfung in die entsprechende Sektion zu bringen. Deine beiden Begleiter werden inzwischen in einem gesonderten Raum auf deine Rückkehr warten. Folgt uns.“ Die Roboter wandten sich um und schwebten vor ihnen her durch einen schmalen, hell erleuchteten Gang.
„Willst du wirklich mit ihnen gehen?“ fragte Keltar-Birt unbehaglich. „Ich halte es nicht für gut, wenn wir uns trennen lassen. Falls irgend etwas schiefgeht...“ „Wir haben keine andere Wahl“, unterbrach ihn Torgen-Shan. „Du hast gesehen, daß die Kommandostelle keinerlei Risiko eingeht. Die Roboter sind bestimmt nicht nur dazu da, um uns zu führen.“ „Wie sieht diese Überprüfung deiner Identität denn aus?“ wollte Homger-Veit wissen. „Schließlich gibt es hier keinerlei gespeicherte Daten über dich. Wie will die Maschine feststellen, ob du tatsächlich derjenige bist, für den du dich ausgibst?“ „Das habe ich mich auch schon gefragt“, gab Torgen-Shan zu. „Allerdings sind alle Überlegungen reine Spekulation, da ich nicht weiß, wie die Grundprogrammierung der Kommandostelle aussieht. Auf jeden Fall haben wir einen großen Vorteil gegenüber den unbekannten Eindringlingen: Wir sind Berkaner und damit in der Lage, diese Technik zu beherrschen.“ Er schwieg, da die Roboter den Gang inzwischen verlassen hatten. Sie waren in einer großen, ovalen Halle angekommen, von der aus mehrere Gänge in unterschiedliche Richtungen führten. „Hier müßt ihr euch trennen“, forderte einer der Roboter. „TorgenShan kann nur allein den Sicherheitsbereich betreten. Die Begleiter werden gebeten, in dem kleinen Aufenthaltsraum zu warten. Für Erfrischungen ist gesorgt.“ Noch während die Maschine sprach, hatte sich an der linken Seitenwand eine Tür geöffnet. Die Roboter warteten darauf, daß KeltarBirt und Homger-Veit den Befehl befolgten. Als diese jedoch zögerten, sprach die Maschine noch einmal: „Es ist keine Zeit zu verlieren. Nur wenn das Testprogramm unverzüglich absolviert wird, kann der Zerstörungsmechanismus noch rechtzeitig abgeschaltet werden.“ „Nun geht schon“, drängte Torgen-Shan. Die Freunde sahen ein, daß es keine andere Möglichkeit gab.
Unwillig sah Keltar-Birt Torgen-Shan an. „Wenn dir irgend etwas geschieht, werden wir diesen gesamten Komplex in seine Bestandteile zerlegen“, versprach er. Danach wandte er sich um und begab sich mit Homger-Veit in den bezeichneten Aufenthaltsraum, während Torgen-Shan von zwei der Maschinen weitergeführt wurde. Der dritte Roboter blieb bei den Berkanern. Keltar-Birt ging zu einer der bequemen Sitzgelegenheiten und ließ sich seufzend darauf nieder. Der Roboter hatte neben der nun wieder geschlossenen Tür Position bezogen und sich teilweise desaktiviert. „Was machen wir nun?“ fragte Homger-Veit unruhig. „Es kann Ewigkeiten dauern, bis sich die Situation verändert. Unser Wächter“, er deutete kurz auf den Roboter, „wird uns hier sicherlich nicht so ohne weiteres herauslassen.“ „Setze dich hin und warte“, riet ihm Keltar-Birt. Die beiden Freunde schwiegen. Sie wußten nicht, wieviel Zeit vergangen war, als der Roboter leise summend wieder zu Aktivitäten erwachte und schließlich verkündete: „Die Sicherheitsschaltung hat Torgen-Shan als Autorisierten anerkannt. Ab sofort geht alle Befehlsgewalt auf ihn als neuen Kommandanten der Station über. Die Überwachung seiner Person sowie seiner beiden Begleiter wird von diesem Augenblick an eingestellt.“ Unsagbar erleichtert sahen sich Keltar-Birt und Homger-Veit an. „Er hat es tatsächlich geschafft!“ rief Keltar-Birt übermütig. „Es ist fast nicht zu glauben!“ Dann wandte er sich an die Maschine. „Führe uns auf dem kürzesten Weg in die Schaltzentrale“, befahl er. „Sofort, Herr“, sagte der Roboter gehorsam. „Folgt mir.“ Er wandte sich um, während sich gleichzeitig der Eingang öffnete. Der Roboter führte die beiden durch die ovale Halle, die sie schon kannten, und schwebte ihnen voraus durch einen breiten, hell erleuchteten Gang, der in unregelmäßigen Abständen wiederum von anderen Gängen gekreuzt wurde.
„Das ist der reinste Irrgarten hier“, schimpfte Keltar-Birt, als sie plötzlich nach links abbogen. Kurz darauf jedoch beschleunigte er seine Schritte. Fast rannte er, um Torgen-Shan zu erreichen, der am Ende des Stollens stand und ihnen entgegenblickte. „Willkommen in meinem Reich“, sagte er lächelnd, als die Freunde bei ihm waren. „Es besteht keine Gefahr mehr für uns. Wir können uns frei bewegen.“ „Wir haben eine Nachricht durch den Roboter erhalten“, erklärte Homger-Veit. „Was ist mit der Selbstvernichtungsanlage?“ „Ich habe sie bereits deaktiviert“, beruhigte ihn Torgen-Shan. Gleichzeitig wandte er sich um und führte seine Assistenten in die Zentrale. „Von hier aus kann man eine riesige unterirdische Anlage überwachen und steuern. Das, was wir bisher kennengelernt haben, ist nur ein winziger Bruchteil der Räumlichkeiten, die es hier gibt.“ „Woher weißt du das?“ fragte Homger-Veit. „Bist du schon mit allen Geheimnissen der Station vertraut?“ „Nein.“ Torgen-Shan lachte. „So viel Zeit hatte ich noch nicht. Ich habe mir vom Kommandogehirn lediglich einen Grundriß der Anlage projizieren lassen. Wir haben noch ein gewaltiges Arbeitspensum zu erfüllen, bis wir wirklich alles erforscht haben. Zunächst jedoch will ich das Problem mit den eingedrungenen Fremden lösen. Wie mir die Zentrale berichtete, handelt es sich bei ihnen um die Ureinwohner dieses Planeten. Sie sind jetzt gerade soweit, daß sie den Sprung in den Weltraum wagen können.“ „Es sind keine Nachfahren unserer Kolonisten?“ fragte Keltar-Birt völlig überrascht. „Ja ... aber ... diese Ähnlichkeit mit uns – und was ist dann aus den Berkanern geworden?“ „Wir werden es sicher bald erfahren“, meinte Torgen-Shan. „Wo befinden sich diese Wesen jetzt?“ wollte Homger-Veit wissen. „Sie wurden in eine Zelle gesperrt“, antwortete Torgen-Shan, „in der sie keinen Schaden mehr anrichten können. Bevor wir ihnen entgegentreten, werden wir in einer Schnellschulung ihre Sprache erler-
nen. Das Kommandogehirn hat ein entsprechendes Programm vorbereitet. Fangen wir an.“ * „Wir können nichts tun“, sagte Careen Burner verzweifelt. „Die Roboter reagieren nicht auf unsere Rufe.“ Apathisch nickte Tony Newman. Seit die Maschinen vor etwa zwei Stunden die Zelle verlassen hatten, kam er sich vor wie in einer Grabkammer. Er ertappte sich dabei, daß er immer wieder auf die Uhr blickte, um festzustellen, wieviel Zeit noch blieb, um ihr Leben zu retten. Aber konnten sie überhaupt noch Hoffnung haben? Selbst wenn es ihnen wider Erwarten gelang, dieses Gefängnis zu verlassen, konnten sie niemals rechtzeitig den rettenden Ausgang in der Ruine erreichen. „Das können sie doch nicht mit uns machen!“ schrie Herb Kenley plötzlich los. „Diese verdammten Automaten können sich doch nicht zum Richter über Menschen erheben! Diesen Irrsinn mache ich nicht mit!“ „Halten Sie endlich den Mund!“ fuhr Tony ihn wütend an. „Es wäre alles ganz anders gekommen, wenn Sie Ihre Finger von den Schaltern und Hebeln gelassen hätten!“ „Ich wollte doch nur die Trennwand wieder beseitigen, die uns den Rückweg versperrte“, verteidigte sich Herb Kenley. „Hört endlich auf damit“, sagte Careen Burner nun heftig. „Es hat keinen Sinn, über vergangene Fehler zu jammern.“ „Entschuldige“, sagte Tony leise. Verstohlen sah er auf die Uhr und stellte fest, daß bis zum Zeitpunkt der Vernichtung noch etwa drei Minuten blieben. Mit größter Mühe zwang er sich, ruhig zu bleiben. Er hörte den heftigen Atem Careens, die sich für seine Begriffe ausgesprochen tapfer verhielt. Herb Kenley hatte sich lang auf dem Boden ausgestreckt und den Kopf unter den Armen vergraben.
Wieder blickte Tony auf die Uhr. Er traute seinen Augen kaum. Spielten ihm seine Sinne einen Streich? Mit zitternden Fingern löste er das Armband und hielt den Zeitmesser ans Ohr. Nein, er war nicht kaputt! Nach der Anzeige hätte die Anlage bereits seit zwei Minuten zerstört sein müssen. Warum war die Explosion noch nicht erfolgt? Hatten die Roboter sie angelogen? Funktionierte der Sprengsatz nicht mehr? Oder gab es nur eine Zeit Verzögerung? „Irgend etwas ist schiefgegangen“, sagte er, heiser vor Erregung. Careen Burner sah ihn zweifelnd an. Auch sie hatte offensichtlich Mühe, das Geschehene zu begreifen. „Das ist bestimmt wieder nur so ein lausiger Trick“, schimpfte Herb Kenley los. „Die wollen uns nur quälen!“ Niemand achtete auf ihn. Als sich die Tür der Zelle öffnete und die drei Roboter hereinschwebten, hatte Tony Newman zum erstenmal keine Angst mehr vor ihnen. Die letzten zweieinhalb Stunden, die er gerade überstanden hatte, waren die schlimmsten seines Lebens gewesen. Beinahe heiter wartete er darauf, was die Maschinen mitzuteilen hatten. „Sie werden gebeten, mit uns zu kommen“, sagte der erste Roboter. Langsam erhoben sich die Menschen. „Wir werden gebeten“, wiederholte Careen Burner erstaunt. „Merkt ihr was? Der Umgangston dieser Dinger wird höflicher. Ich bin gespannt, was nun geschehen wird.“ „Wir sind bereit“, antwortete Tony Newman. Schweigend folgten die drei Menschen den Robotern, die vor ihnen her schwebten. „Sie bringen uns zurück zur Zentrale“, stellte Tony Newman wenig später fest. „Ich erkenne den Weg wieder.“ Herb Kenley lachte plötzlich übermütig auf. „Endlich haben sie eingesehen, daß wir ihre Herren sind! Es wurde auch langsam Zeit!“ Der Gang wurde breiter, wie sie es noch in Erinnerung hatten, und dann standen sie wieder in der Zentrale, in der alles angefangen hatte.
Tony Newman und Careen Burner blieben wie gebannt stehen, als sie die drei großen, weißgekleideten Männer sahen, die nebeneinander vor dem Schaltpult standen und ihnen mit unbeweglichen Gesichtern entgegensahen. Mit einem Schlag war Tony klar, warum sie noch am Leben waren. Diese drei fremdartig wirkenden Gestalten hatten die Anlage rechtzeitig unter Kontrolle bekommen. „Was ist denn?“ ließ sich Herb Kenley unwillig vernehmen, der hinter ihnen stand und dem die Sicht durch Careen und Tony versperrt war. „Geht doch endlich weiter! Wir haben keine Zeit zu verschenken! Wer weiß, wie lange wir noch diese günstige Gelegenheit ...“ Seine Stimme verstummte. Er hatte sich zwischen der Medizinerin und Tony Newman vorbeigeschoben, so daß er jetzt ebenfalls die Fremden sehen konnte. Sein Gesicht zuckte unruhig, sein Blick irrte durch die Zentrale, doch es gab nur diese drei Männer, die sich bis jetzt noch nicht gerührt hatten. „Sprich weiter“, sagte in diesem Augenblick der größte der Fremden, der in der Mitte stand. „Welche günstige Gelegenheit meinst du?“ Tony Newman wunderte sich nicht mehr darüber, daß sie ihn verstehen konnten. „Wo kommt ihr denn her?“ fuhr Herb Kenley sie an. „Wir waren vor euch hier! Ihr habt kein Recht, mir meinen Erfolg streitig zu machen! Ich habe diese Station entdeckt!“ Böse starrte er die Männer an, bevor er hinzusetzte: „Ich verlange, daß ihr euch meinem Kommando unterstellt.“ Einer der Fremden machte eine heftige Bewegung, doch derjenige, der in der Mitte stand, hob abwehrend die Hand. „Aus deinen Worten entnehme ich, daß du diese Kommandostelle erobern willst“, sagte er ruhig. „Zu welchem Zweck brauchst du die Zentrale?“ Herb Kenley sah den Großen lauernd an. „Warum willst du das wissen?“ fragte er mißtrauisch. „Meine Interessen gehen dich gar nichts an!“
In diesem Augenblick verlor Tony Newman die Geduld. „Wenn Sie nicht sofort den Mund halten, Kenley, können Sie Ihr blaues Wunder erleben! Ich lasse es nicht zu, daß Sie mit Ihren verrückten Ideen weiterhin unsere Sicherheit gefährden! Ab sofort werde ich die Verhandlungen führen!“ Kurz entschlossen packte er Herb Kenley an der Schulter und zog ihn wieder zurück in den Hintergrund, was ihm einen wütenden Protest des Mannes einbrachte. Doch Tony Newman beachtete ihn nicht weiter. Er wirkte etwas unbeholfen, als er sich jetzt den drei weißgekleideten Männern zuwandte, die die Szene schweigend verfolgt hatten. „Ich möchte mich für die Unhöflichkeiten meines Begleiters entschuldigen“, sagte er stockend. „Wir hatten keineswegs die Absicht, diese Station in Besitz zu nehmen, auch wenn Sie diesen Eindruck aus den Worten Herb Kenleys gewonnen haben.“ Er nannte auch den Namen der Frau und stellte sich selbst vor, dann fuhr er fort: „Wir bedauern sehr die Unannehmlichkeiten, die durch unser ungeschicktes Verhalten entstanden sind. Doch halten Sie uns bitte zugute, daß wir mit dieser völlig fremden Technik in keiner Weise vertraut sind. Lediglich die Angst davor, daß wir für alle Zeiten hier unten eingeschlossen sein könnten, ließ unseren Freund unbedacht handeln.“ „Feiglinge!“ rief Herb Kenley wütend dazwischen. Tony Newman fuhr zu ihm herum. „Sie haben eines offensichtlich immer noch nicht begriffen“, sagte er scharf. „Diese Männer sind keineswegs durch einen geheimen Zugang hier eingedrungen, um sich die Zentrale anzueignen. Das haben sie gar nicht nötig! Ich bin sicher, daß wir hier Vertretern des Volkes gegenüberstehen, die dies alles erbaut haben. Sie sind die rechtmäßigen Herren dieser Anlage! Wahrscheinlich ist der einzige Grund, warum wir noch leben, darin zu suchen, daß sie die Vernichtungsanlage abgeschaltet haben. Dafür könnten Sie etwas mehr Dankbarkeit zeigen.“ Schweratmend starrte er auf Herb Kenley, der bleich geworden war.
„Was soll ... Wie reden Sie mit mir?“ begehrte er auf. „Sie haben wohl vergessen, daß ich Ihr Vorgesetzter bin? Ich werde dafür sorgen ...“ Tony Newman machte zwei schnelle Schritte auf ihn zu, und Herb Kenley schwieg erschrocken. In diesem Augenblick ergriffen die Fremden das Wort, „Vielleicht sollten wir euch erst einmal die Gelegenheit zur Einigung geben, damit ihr mit einer Stimme zu uns sprechen könnt“, sagte der Größte der Fremden. „Im übrigen hast du, Tony Newman, mit deiner Ansicht völlig recht: Ich bin der Kommandant dieser Station. Mein Name ist Torgen-Shan, meine Begleiter nennen sich Keltar-Birt und Homger-Veit.“ Tony Newman deutete eine Verbeugung an. „Ich bin wirklich sehr froh, daß wir Sie endlich kennenlernen“, erklärte er. „Glauben Sie mir: Wir haben nur einen Wunsch, nämlich so schnell wie möglich diese unterirdische Anlage zu verlassen und zu unseren Leuten zurückzukehren. Ich hoffe, daß Sie uns dies erlauben.“ Torgen-Shan verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. „Zuerst einmal hätte ich gern gewußt, wie ihr alle hierhergekommen seid und was ihr wirklich wolltet. Doch begleitet uns zunächst in einen der Aufenthaltsräume, wo uns bequeme Sitzgelegenheiten zur Verfügung stehen.“ Staunend beobachteten Tony Newman und Careen Burner, wie Torgen-Shan an das Schaltpult trat und einige Sensoren betätigte. Gleich darauf entstand an der rechten Seitenwand eine Öffnung. Einladend winkte Torgen-Shan, und die Menschen betraten zusammen mit ihren Gastgebern einen Raum, in dem mehrere Sitzelemente um eine achtkantige Säule gruppiert waren. Torgen-Shan und dessen Begleiter machten es sich bequem und forderten auch die Menschen auf, Platz zu nehmen. Dann sagte Torgen-Shan einige Worte in der unbekannten Sprache, die Tony Newman, Careen Burner und Herb Kenley nicht verstanden. Wenig später begann die Säule von innen heraus zu glühen. Fasziniert beobachtete
Tony, wie das Leuchten immer stärker wurde, bis sich an der flachen Oberseite plötzlich eine Öffnung zeigte und wie von Geisterhand sechs Becher auftauchten, die eine grüne Flüssigkeit enthielten. „Es ist ein Getränk, das wir Trabnak nennen“, erklärte TorgenShan. „Es wirkt außerordentlich erfrischend und belebend.“ Homger-Veit reichte jedem einen Becher. Als er zu Herb Kenley kam, lehnte dieser ab. „Nein“, erklärte er. „Wer sagt mir, daß dieses Zeug kein Gift enthält?“ Torgen-Shan musterte den Mann mehrere Sekunden lang eindringlich, dann sagte er: „Ich kann nicht verstehen, warum ihr ihn zu eurem Anführer gemacht habt. Seine Äußerungen sind dieser Situation absolut nicht angemessen.“ „Als man ihm diese Stellung anbot, wußte man über seinen Charakter noch nichts Nachteiliges“, erklärte Tony Newman. Er verspürte eine heimliche Freude über die Zurechtweisung Kenleys durch den Kommandanten und beobachtete, daß auch Careen sich krampfhaft bemühte, keine Miene zu verziehen. Torgen-Shan setzte den Becher an die Lippen und trank langsam. Tony Newman und Careen Burner folgten seinem Beispiel. Tatsächlich merkte Tony, daß sich nach erstaunlich kurzer Zeit seine Müdigkeit und Erschöpfung, eine Folge der überstandenen Aufregungen, verloren. Er fühlte sich erfrischt und ausgeruht wie nach einem langen Schlaf. „Jetzt berichtet“, forderte Torgen-Shan. Tony Newman holte tief Atem, dann erzählte er den Berkanern ihre Geschichte. Er bemühte sich, nichts zu vergessen und blieb streng bei der Wahrheit. So beschönigte er auch nicht Herb Kenleys Ambitionen, sich zum Herrn der Anlage aufzuschwingen und damit seine Gier nach Macht zu befriedigen. Als er schließlich geendet hatte, herrschte einige Zeit Schweigen. Tony Newman konnte sich des unangenehmen Eindrucks nicht erwehren, daß in diesen Augenblicken
Torgen-Shan über ihr weiteres Schicksal nachdachte. Doch als der Fremde dann sprach, klang seine Stimme ruhig wie immer: „Ihr habt, ohne es natürlich zu bemerken, den Verteidigungsmechanismus der Kommandostelle selbst aktiviert“, erklärte er. „Als der Bohrkopf eures Geräts nämlich die Decke eines weit entfernten, unbedeutenden Nebenganges durchstieß, glaubte der Robotkommandant an einen Angriff von außen. Doch dann war der seltsame Eindringling wieder verschwunden. Der Schaden wurde repariert; gleichzeitig wurde dafür gesorgt, daß sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen kann. Danach seid ihr plötzlich aufgetaucht. Die Zentrale handelte folgerichtig und versperrte euch den Rückweg, um euch zu zwingen, den Kommandobereich zu betreten. Nach der Gefangennahme und einer kurzen Überprüfung wäre die Anlage dann zweifellos zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich bei euch keineswegs um Angreifer handelt, sondern daß ihr lediglich zufällig hierher geraten seid. Das Kommandogehirn hätte euch sodann die Erinnerung an diese Anlage genommen und euch zurückgebracht. Doch die unbedachten Schaltungen dieses Mannes“, er deutete kurz auf Herb Kenley, der Torgen-Shans Worten mit grimmigem Gesichtsausdruck folgte, „haben eine Sicherheitsschaltung aktiviert, die euch als Feinde einstufte. Zu allem Überfluß betätigte er auch noch den Selbstzerstörungsmechanismus. Gleichzeitig sandte die Zentrale einen Notruf aus. Zu eurem und zu unserem Glück befanden wir uns mit unserem Raumschiff in der Nähe und konnten deshalb die Vernichtung dieser unersetzlichen Anlage verhindern.“ Torgen-Shan trank langsam seinen Becher leer, während er die Wirkung seiner Worte auf die Menschen scharf beobachtete. Wie würden sie seine kurze Erklärung, die ganz wesentliche Teile seines eigenen Anliegens und seiner Probleme verschwieg, aufnehmen? Tony Newman zuckte etwas ratlos mit den Schultern. „Soll das heißen, daß wir schon längst wieder bei unseren Leuten sein könnten, wenn diese Fehlschaltungen nicht erfolgt wären?“
„Die Wahrscheinlichkeit dafür wäre sehr groß, ganz recht“, bestätigte Torgen-Shan. Er verschwieg ihnen, daß es jedoch gerade diese Fehlschaltungen waren, die ihm letztlich den Weg zur Verlorenen Kolonie gewiesen hatten. Noch war sein Mißtrauen gegen die Menschen nicht ganz verschwunden. „Würden Sie unsere Bitte erfüllen, uns jetzt zurückzulassen?“ fragte Careen Burner in diesem Augenblick. „Einen Augenblick noch“, warf Tony hastig ein. „Würden Sie mir noch eine Frage beantworten?“ Torgen-Shan nickte leicht, eine Geste, die er offensichtlich den Menschen abgeschaut hatte. „Wenn ich dazu in der Lage bin, selbstverständlich“, sagte er ruhig. Tony Newman schluckte aufgeregt, doch dann sprudelte er hervor: „Weshalb gibt es hier auf der Erde eigentlich diese geheime Zentrale? Wieso ist davon bisher nichts bekannt? Welche Ziele verfolgen Sie damit? Bereiten Sie eine heimliche Invasion vor?“ Torgan-Shan schloß die Augen und lehnte sich etwas zurück. Einige Sekunden dachte er nach, dann sagte er, zu Careen gewandt: „Wenn du darauf bestehst, werde ich deinen Wunsch erfüllen und euch sofort zurückbringen lassen.“ Dann sah der Tony Newman an und lächelte leicht. „Deine Frage läßt sich nicht so einfach mit zwei Sätzen beantworten. Der Aufbau dieser Station und die Hintergründe ihrer Existenz sind eine lange und, wie ich offen zugeben muß, auch für uns sehr aufregende Geschichte. Ich lade euch ein, wenn ihr euch noch etwas gedulden könnt, mit uns zusammen die längst vergangenen Zeiten Wiederaufleben zu lassen. In den Speichern dieser Kommandostelle lagert das Wissen, um viele unserer Fragen zu beantworten.“ Tony Newmans Augen leuchteten auf. In diesem Augenblick erwachte der Forscher in ihm. Fragend sah er zu Careen Burner. Die Medizinerin schüttelte leicht den Kopf. „Ich ... ich weiß nicht“, sagte sie zögernd. „Natürlich bin ich auch neugierig, aber ... die schrecklichen Erlebnisse hier unten ...“
„Sie werden sich nicht wiederholen“, warf Torgen-Shan ruhig ein. „Du brauchst um dein Leben und das deiner Freunde keine Sorgen mehr zu haben. In Zukunft seid ihr hier genauso sicher, wie wir selbst.“ „Bedenke, was wir alles erfahren könnten“, drängte Tony. „Wir sind bisher wohl die einzigen Menschen, die mit außerirdischen Intelligenzen Kontakt aufnehmen konnten. Wollen wir uns diese Chance entgehen lassen?“ „Du hast mich überzeugt“, sagte sie. „Wenn wir willkommen sind, bleiben wir.“ „Mich fragt wohl überhaupt keiner mehr?“ meldete sich Herb Kenley in diesem Augenblick zu Wort. Seine Stimme klang trotzig. „Ich bin dafür, daß wir so schnell wie möglich von hier verschwinden. Wer weiß, was sonst noch alles mit uns geschieht.“ „Nanu?“ fragte Tony spöttisch. „Sie waren doch bisher derjenige, der den Dingen so genau auf den Grund gehen wollte?“ „Ich will zurück“, sagte er heftig. „Je eher, desto besser!“ „Wir möchten bleiben!“ erklärte Tony bestimmt. „Sicherlich werden auch Sie Ihre Ansicht noch ändern.“ Herb Kenley murmelte irgend etwas Unverständliches und wandte sich ab. Torgen-Shan war inzwischen aufgestanden. „Es freut mich, daß wir zu einer Einigung gekommen sind“, sagte er lächelnd zu Tony und Careen. „Die Zeit der Mißverständnisse ist hoffentlich vorüber. Ich lasse euch jetzt in eine bequeme Unterkunft bringen, in der es euch an nichts fehlen wird. Sobald unsere Vorbereitungen abgeschlossen sind, werdet ihr wieder von mir hören. Es wird nicht lange dauern.“ Tony Newman, Careen Burner und Herb Kenley verließen den kleinen Aufenthaltsraum. In der Zentrale wartete bereits einer der tropfenförmigen Roboter auf sie. Tony Newman hätte nicht sagen können, wann der Kommandant diese Maschine gerufen hatte. „Folgen Sie mir, bitte“, sagte der Roboter. Langsam schwebte er ihnen voraus.
„Ich bin gespannt, wie sich nun alles aufklären wird“, murmelte Careen Burner. „Wahrscheinlich werden wir eine Überraschung erleben“, meinte Tony Newman. „Wir sollten uns auf allerhand gefaßt machen.“ Erstaunt sah Careen ihn von der Seite an. Er lächelte erwartungsvoll und das war eigentlich ein gutes Zeichen.
6. Leise summend öffnete sich die Tür. Tony Newman, Careen Burner und Herb Kenley sahen dem hereinschwebenden Roboter erwartungsvoll entgegen. „Der Kommandant bittet Sie, mich zu begleiten“, sagte die Maschine. „Endlich“, seufzte Careen erleichtert. „Ich dachte schon, er hätte uns völlig vergessen.“ In den letzten beiden Tagen hatten die Menschen nichts von den Berkanern gesehen oder gehört. „Kommen Sie“, rief Tony Newman ungeduldig, als Herb Kenley keinerlei Anstalten machte, sich von seinem Sessel zu erheben. „Wir wollen Torgen-Shan nicht unnötig warten lassen.“ „Ich habe kein Interesse“, antwortete Kenley schroff. „Wer weiß, was er euch wieder für seltsame Geschichten erzählt. Ich lasse mich jedenfalls darauf nicht ein. Wenn ihr es nicht lassen könnt, dann geht von mir aus.“ Ungläubig sah Careen Burner ihn an. „Du willst hierbleiben?“ vergewisserte sie sich. „Jetzt, wo alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt sind, gibst du auf?“ „Quatsch!“ fuhr Herb Kenley sie an. „Ich habe lediglich eingesehen, daß hier für uns nichts mehr zu holen ist, das ist alles. Also, geht meinetwegen, aber seht zu, daß es nicht zu lange dauert. Ich kann es
kaum erwarten, von hier wegzukommen!“ Er wandte sich um und zeigte damit, daß er an einer weiteren Erörterung dieses Themas nicht mehr interessiert war. Tony Newman zuckte die Schultern. „Komm, Careen“, sagte er. „Wir können ihn schließlich nicht zwingen.“ Dann wandte er sich dem Roboter zu. „Führe uns, wir sind bereit.“ Die Maschine schwebte auf den Gang hinaus. Careen Burner warf noch einen letzten Blick zu Herb Kenley, der finster vor sich hin starrte, dann folgte sie Tony Newman, der ihre Aufenthaltsräume schon verlassen hatte. „Was ist nur in ihn gefahren?“ fragte sie verständnislos. „Hast du eine Erklärung?“ „Ich kann es nur vermuten“, antwortete Tony nachdenklich. „Wahrscheinlich ist er gekränkt darüber, daß er nichts mehr zu sagen hat. Sein Versuch, Eindruck auf Torgen-Shan zu machen, ist kläglich gescheitert. Auch wir sind nicht mehr bereit, uns ihm bedingungslos unterzuordnen. Das alles hat seinem Selbstbewußtsein einen schweren Schlag versetzt.“ Sie folgten dem Roboter, der sie durch den ihnen schon bekannten Gang in die Zentrale führte. Auf der linken Seite, zwischen zwei großen, wie Schränke aussehenden, unbekannten Maschinen, gab es eine Öffnung, die vorher noch nicht dagewesen war. Durch diese führte sie der Roboter, und sie gelangten in einen kleinen, rechteckigen Raum. Wenig später schloß sich der Eingang. „Bitte, erschrecken Sie nicht“, sprach in diesem Augenblick der Roboter. „Wir befinden uns in einer Liftkabine, die uns einige Etagen tiefer transportieren wird.“ Im nächsten Moment hatten Tony und Careen das Gefühl, der Boden würde ihnen unter den Füßen weggezogen, doch dieser Eindruck dauerte nur Sekundenbruchteile. Völlig geräuschlos sank die Kabine in die Tiefe. Schon wenige Sekunden später wurde sie scharf abgebremst, dann öffnete sich wieder der Eingang. Tony Newman und Careen Burner betraten staunend eine Halle, über der sich eine schwarze, stählerne Kuppel wölbte. Auf der rech-
ten Seite befanden sich einige Schaltpulte und andere Bedienungselemente, etwas weiter zur Mitte hin gab es sechs Sessel. Vor dieser Sitzgruppe standen die drei Berkaner und blickten ihnen entgegen. „Ich begrüße euch“, eröffnete Torgen-Shan das Gespräch, „und hoffe, daß es euch in der Zwischenzeit gut ergangen ist.“ Befremdet sah er Tony an. „Doch ich vermisse den Mann namens Herb Kenley. Ist er erkrankt?“ „Nein“, antwortete Tony etwas verlegen. „Es geht ihm gut. Es ist nur ... Er sagte, er habe kein Interesse mehr an dieser Anlage. Deshalb wollte er nicht mitkommen. Wir haben ihn in der Unterkunft zurückgelassen.“ Torgen-Shan sah Keltar-Birt und Homger-Veit bedeutungsvoll an. Er gab jedoch keinen Kommentar dazu ab, sondern deutete auf die Sitzgelegenheiten. „Nehmt Platz“, sagte er lächelnd. „Unsere Arbeiten sind soweit abgeschlossen, daß wir uns jetzt gemeinsam die Entstehungsgeschichte dieser Station ansehen können. Gleichzeitig werdet ihr einen tiefen Einblick in die graue Vergangenheit eures Heimatplaneten erhalten. Ich will nicht verschweigen, daß die Aufzeichnungen, die wir gleich sehen werden, auch für uns viel Neues und Unbekanntes enthalten. Diese Geheimnisse zu entschleiern, war das Hauptziel unserer Expedition zur Erde. Vielleicht sollte ich euch vorab, zum besseren Verständnis, noch folgendes erklären: Unser Volk hat vor vielen tausend Jahren auf diesem Planeten eine Kolonie gegründet. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir nicht, wie es den damaligen Siedlern ergangen und was letztlich aus ihnen geworden ist. Ich habe die Kommandozentrale angewiesen, die Informationssendungen in eurer Sprache vorzunehmen, damit es keine Übersetzungsprobleme gibt.“ Tony Newman spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. „Unsere Sagen über die Götter, die von den Sternen kamen, beruhen also auf wahren Begebenheiten“, flüsterte er erregt. „Das ist...“ Fassungslos schüttelte er den Kopf.
Auch Careen Burner hatte sich aus ihrer bequemen Haltung wieder aufgerichtet. Begierig, so schien es, wartete sie darauf, daß TorgenShan endlich weitersprach. „In jeder Sage steckt ein Körnchen Wahrheit“, sagte der Außerirdische mit großem Ernst. „Es hat seinen Grund, warum derartige Geschichten entstehen. Doch nun wollen wir beginnen.“ Sein Befehl wurde vom Kommandogehirn augenblicklich befolgt. Während in der Kuppelhalle langsam alle Lichter verlöschten, erklärte Torgen-Shan: „Wir werden Projektionssendungen sehen, die den Bericht der Zentrale optisch vervollständigen. Die Projektionen werden im gesamten Raum dieser Halle entstehen. Ihr werdet das Gefühl haben, unmittelbar am Geschehen beteiligt zu sein. Auch wir kennen die Sendungen nicht, die uns vorgeführt werden. Doch denkt immer daran, daß alles nur Illusionen sind, hervorgerufen durch unsere Technik. Jede noch so große Gefahr besteht nicht in Wirklichkeit.“ Inzwischen war es völlig dunkel. Urplötzlich erschienen über ihren Köpfen verschiedenfarbig glitzernde Punkte. Tony Newman hatte unwillkürlich das Gefühl, sich in einem endlosen Raum zu befinden. Er erschrak, als er zufällig zur Seite blickte und auch dort, ebenso wie am Boden, die seltsamen Lichter bemerkte. Der Boden! Es gab keinen Boden mehr! Sein Blick suchte unwillkürlich Careen Burner und die drei Berkaner, doch sie waren -verschwunden. Er war ganz allein in dieser endlos scheinenden Schwärze, in der nur Lichtpunkte existierten. Mühsam unterdrückte er die aufkommende Panik. Gewaltsam verdrängte er den Gedanken daran, daß die Fremden ihn und Careen in eine Falle gelockt hatten. Langsam wurde er etwas ruhiger. „Careen?“ fragte er leise. Seine Stimme klang belegt. „Tony!“ Unendliche Erleichterung schwang in ihrer Antwort mit. „Wo sind wir? Wo bist du? Ich kann dich nicht sehen!“ „Erkennt ihr es nicht?“ fragte in diesem Augenblick Torgen-Shan. Er sprach ruhig wie immer. „Für uns ist dies ein vertrauter Anblick. Schaut vor euch auf den besonders hellen Lichtpunkt.“
Tony Newman folgte diesem Rat. Ganz deutlich sah er jetzt, wie eines der Lichter langsam näher kam und dabei immer größer wurde. Es wurde zur Scheibe, wuchs weiter an und formte sich schließlich zur Kugel, die alles andere überstrahlte. „Eine Sonne!“ rief Tony überrascht aus. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. „Careen! Wir befinden uns im Weltall! Die Lichtpunkte um uns herum sind Sterne!“ „Das ist ... unglaublich!“ Careen Burner fehlten die Worte. „Wir sitzen natürlich immer noch in unseren bequemen Sesseln“, erläuterte Torgen-Shan. „Alle Sinneseindrücke entstehen durch Projektionen. Doch seht weiter.“ Der grelle Ball der Sonne, der inzwischen fast das gesamte Blickfeld ausfüllte, wanderte nach rechts und gab die Sicht frei auf einen viel kleineren Ball, der das Licht reflektierte. Tony erkannte, daß es sich um einen Planeten handelte. Mit großer Geschwindigkeit verschwand auch dieser Himmelskörper, und dann tauchte in der Schwärze des Alls ein weiterer Planet auf, der von einem großen Mond umkreist wurde. Er schien das Ziel dieser seltsamen Reise zu sein, denn der Betrachter steuerte genau darauf zu. Schon bald wurde eine überwiegend bläuliche Färbung erkennbar, und je näher das Bild kam, desto deutlicher schälten sich große, grüne Flächen heraus. An den Polen schimmerte es weiß. „Die Erde, Tony!“ rief Careen Burner aus. „Das muß die Erde sein!“ Ungläubig betrachtete Tony Newman das Bild, doch als er die Umrisse der Kontinente erkannte, verschwanden seine Zweifel. Mit immer größer werdender Begeisterung wartete er auf die Geschehnisse in den nächsten Stunden. Welche überraschenden Erkenntnisse mochten sie noch bringen? Tony bemerkte, daß die unsichtbare Kamera über der Landbrücke, die Nord- und Südamerika verband, haltmachte. Im gleichen Augenblick begann die Kommandostelle mit ihrem Bericht: „Im Jahre 835 des Galaktischen Kalenders fand eines der beiden Schiffe, die Erkho-Thol aussandte, diesen Planeten. Es handelte sich
um eine unberührte, sauerstoffreiche Welt, die unserem Volk alle Möglichkeiten eines Neuanfangs bot. Der Kommandant wußte, wie sehr man in der Heimat auf eine Erfolgsmeldung wartete und gab den Befehl, einen entsprechenden Funkspruch an Erkho-Thol abzusetzen, in dem er jedoch ausdrücklich darauf hinwies, daß der Planet eine auf niedriger Entwicklungsstufe stehende Form humanoiden Lebens trug. Erkho-Thol war jedoch der Ansicht, daß diese Tatsache seinen Plänen nicht im Wege stand. Er hatte erfahren, daß die Salgenen eine riesige Raumflotte zusammenzogen, um einen Entscheidungskampf herbeizuführen. Deshalb ließ er in aller Eile drei riesige Raumtransporter ausrüsten. Danach gingen sechzehntausend junge, gesunde Berkaner beiderlei Geschlechts an Bord, die den Auftrag hatten, eine Kolonie auf dem neu entdeckten Planeten zu begründen. Sie wurden von sechstausend der fähigsten Wissenschaftler des Volkes begleitet, um eine rasche und positive Entwicklung zu gewährleisten.“ Das Bild des amerikanischen Doppelkontinents verschwand und machte einer Projektion von drei walzenförmigen Flugkörpern, die am Bug und Heck spitz zuliefen, Platz. Gebannt lauschten Tony Newman und Careen Burner den Erklärungen. Wieder wechselte die Projektion. Nun umkreisten die Walzenschiffe die Erde, und ein ununterbrochener Strom von kleineren Beibooten bewegte sich zwischen dem Planeten und den Schiffen hin und her. Dazu gab das Kommandogehirn folgenden Kommentar: „Als die Transporter das Ziel erreichten, gingen sie in einen Orbit um die neu entdeckte Welt. Die Kolonisten und die Wissenschaftler wurden mit Beibooten auf die Oberfläche gebracht. Auf einer schmalen Landbrücke, die zwei Kontinente miteinander verband, entstand die erste große Siedlung. Roboter rodeten riesige Flächen, um den benötigten Raum zu gewinnen.“ Wieder wechselte das Bild. Die Betrachter sahen sich plötzlich inmitten einer gigantischen Baustelle. Überall standen Maschinen der unterschiedlichsten Bauart, die Kolonisten waren mitten unter ihnen
und erteilten Anweisungen. Wie im Zeitraffer sahen Tony Newman und Careen Burner eine Stadt zum Himmel wachsen. „Diese Bauwerke ...“, sagte Careen erregt. „Erinnern sie dich nicht an die alten Tempelruinen der mittelamerikanischen Kulturen?“ „Du hast recht“, rief Tony überrascht. „Die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Aber ...“ Er schwieg. Der Bericht ging weiter. „Natürlich blieben Kontakte mit der Urbevölkerung nicht aus. Erkundungsflüge hatten gezeigt, daß auf mehreren Kontinenten Humanoide lebten, die dem Volk der Berkaner überraschend ähnlich sahen. Lediglich die Gestalt war kleiner, gedrungener, und die Hautfarbe war wesentlich dunkler als bei den Mitgliedern unseres Volkes. Die Wissenschaftler gewannen bald das Vertrauen der Eingeborenen, und es gab viele gute und freundschaftliche Beziehungen zu den verschiedenen Völkerstämmen. Durch ihr überragendes Wissen wurden die Berkaner zu Lehrmeistern und zeigten den Eingeborenen viele Dinge, die ihnen das Leben erleichterten. Auch medizinische und astronomische Kenntnisse gaben sie weiter. Unsere Kolonisten genossen höchste Verehrung der Ureinwohner. Einige Völker, die in besonders engem Kontakt mit uns standen, übernahmen im Lauf der Zeit sogar Kultur und Lebensweise der Kolonisten.“ Das Kommandogehirn zeigte in verschiedenen kurzen Bildfolgen Kontakte der Berkaner mit den Erdmenschen. Gebannt verfolgten Tony und Careen, wie sich die Menschen mit allen Anzeichen der Ehrfurcht und Unterwürfigkeit den Außerirdischen näherten, Geschenke brachten und ihren Rat und ihre Hilfe suchten. Bis auf wenige Einzelheiten glichen sich diese Begegnungen. „Das Leben der Kolonisten verlief ohne besondere Ereignisse“, sagte die Zentrale weiter, „bis zu dem Tage, an dem ein Funkspruch vom Heimatplaneten eintraf. Erkho-Thol berichtete, daß die Salgenen eine Offensive begonnen hätten und die Raumflotte in schwere Abwehrkämpfe verwickelt wäre. Er beorderte die drei Transporter, die immer noch im Orbit um die Erde kreisten, zur Verstärkung zurück.
Lediglich zwei kleinere Kampfschiffe sollten für den Notfall auf dem Planeten stationiert werden. Gleichzeitig ordnete er den Bau einer unterirdischen, geheimzuhaltenden Anlage an, die im Katastrophenfall das Überleben der Siedler sichern sollte. Er hatte erfahren, daß die Salgenen von der Kolonie wußten und fieberhaft nach ihr suchten. Deshalb befahl er auch das völlige Einstellen des Funkverkehrs, um die Gefahr des Abhörens oder Anpeilens auszuschalten.“ Die nächsten Projektionen zeigten die verschiedenen Bauabschnitte der Geheimzentrale. Wieder wuchs im Zeitraffer die riesige Anlage ihrer Fertigstellung entgegen. Jetzt erst erhielten Tony Newman und Careen Burner eine Vorstellung davon, wie gewaltig diese Zentrale in Wirklichkeit war. Das Areal umfaßte mehrere Quadratkilometer, und wie tief die Anlagen in den Boden reichten, konnten sie nur ahnen. Die Projektion endete, als der tropische Urwald das gesamte ehemalige Baugelände wieder überwuchert hatte. Eine Luftaufnahme zeigte das Land so, wie es sich auch heute noch darbot. Nichts deutete mehr darauf hin, daß sich hier das Produkt einer hochtechnisierten Zivilisation verbarg. „Dann geschah es“, fuhr die Zentrale fort, „daß am Rand des Systems zwei Raumschiffe der Salgenen geortet wurden.“ Die entsprechenden Projektionen flammten auf. „Wir wissen nicht, ob sie einer bestimmten Spur folgten oder ihr Auftauchen nur zufällig war. In aller Eile begaben sich die Siedler in die Sicherheit der neuerbauten Anlage. Dank der großzügigen Planung war Platz genug vorhanden. Mit der Passivortung konnten wir verfolgen, daß sich die Feinde nach einem kurzen Aufenthalt auf dem zweiten Planeten wieder entfernten. Doch fortan lebten die Kolonisten in Angst vor ihrem Wiederauftauchen und beschlossen, in der unterirdischen Zentrale zu bleiben. Nicht lange danach erreichte uns ein Funkspruch von Berka-Lot. Erkho-Thol teilte mit, daß die Salgenen endlich besiegt worden wären und von ihnen nichts mehr zu befürchten sei. Gleichzeitig jedoch hätte auch die eigene Zivilisation schweren Schaden genommen. Deshalb bat er alle Berkaner auf der Erde, zur Heimatwelt zurückzukeh-
ren und beim Wiederaufbau mitzuhelfen. Die Beendigung des Krieges mit den Salgenen wurde in der Zentrale begeistert gefeiert. Nach kurzen Beratungen beschlossen die Führer der Kolonisten, dem Aufruf Erkho-Thols zu folgen und in die Heimat zu fliegen.“ Noch einmal erschien eine Projektion. Sie zeigte, wie eine kleine Gruppe Wissenschaftler mit ihren Gleitern noch einmal zu den großen Volksstämmen der Eingeborenen flogen, um ihnen mitzuteilen, daß sie nun die Erde verlassen mußten. Dazu gab die Zentrale noch einen kurzen Kommentar: „Für die Eingeborenen war es nur schwer verständlich, daß die Wesen, die sie als Götter und Wohltäter verehrten, nun für immer fortgehen wollten. Ihr Bitten, bei ihnen zu bleiben, konnte natürlich nicht erfüllt werden. Kurz vor dem Abflug versprachen die Berkaner jedoch, wiederzukommen. Doch aus diesen Plänen wurde nichts. Die Gründe hierfür sind dem Kommandogehirn unbekannt. Die Zentrale wurde deaktiviert und erhielt den Auftrag, den Eingeborenen jeden Zugang zu verwehren, ohne jedoch Gewalt anzuwenden. In der ersten Zeit nach dem Abflug der Kolonisten versuchten die Priester der auf diesem Kontinent entstandenen Kulturen, mit ihren früheren Ratgebern Kontakte aufzunehmen. Doch mit dem Verschwinden der Generationen, die die Berkaner noch aus eigenem Erleben kannten, ging allmählich auch das Wissen über die wahren Zusammenhänge verloren. Geblieben ist bei allen Völkern lediglich die vage Hoffnung auf eine Rückkehr der Wohltäter, was sich noch heute in ihren Mythen und Legenden finden läßt.“ Die Stimme des Kommandogehirns verstummte. Langsam wurde es in der Kuppelhalle wieder heller. Tony Newman und Careen Burner hatten Mühe, sich wieder auf die Realität einzustellen. Benommen sah Tony Newman zu den drei Fremden, die ebenfalls noch unbeweglich in ihren Sesseln saßen. Lange Sekunden herrschte Schweigen, doch schließlich wandte Torgen-Shan den Kopf und blickte Tony lächelnd an.
„Nun weißt du also, warum diese Station hier auf der Erde existiert. Und wir wissen endlich, was aus den damaligen Kolonisten geworden ist. Auch bei unserem Volk ging das Wissen darüber verloren.“ „Ich bin überwältigt“, sagte Careen leise. „Nie hätte ich geglaubt, daß unsere alten Kulturen, auf deren Kenntnisse und Fähigkeiten wir so stolz sind, ihr Wissen zum großen Teil von Außerirdischen erhalten haben.“ „Ich hoffe, diese Tatsache kränkt dich nicht?“ fragte Torgen-Shan besorgt. „Nein, nein, keineswegs!“ Heftig schüttelte die Frau den Kopf. „Das wollte ich damit nicht sagen. Ich meine ... es ist wirklich phantastisch. Viele unserer alten Überlieferungen erscheinen mir jetzt in einem ganz anderen Licht.“ „Was werdet ihr jetzt mit eurem neuerworbenen Wissen anfangen?“ fragte Torgen-Shan. Tony Newman seufzte tief. Nachdenklich blickte er hinauf zur Kuppeldecke, als er antwortete: „Careen und ich haben uns schon darüber unterhalten. Natürlich ist die Vorstellung sehr reizvoll, unser neues Wissen anderen mitzuteilen und vielleicht sogar bei vielen Menschen das Bewußtsein dafür zu wecken, daß wir nicht allein im Kosmos sind. Ich glaube jedoch nicht, daß wir einen praktischen Nutzen aus unseren Kenntnissen ziehen können. Ich für meinen Teil habe auch überhaupt kein Interesse daran. Und außerdem – wer würde uns dieses Geschehen, das den größten Teil unseres bisherigen Geschichtsbildes als falsch bezeichnet, überhaupt glauben? Man würde uns schnell zu Phantasten erklären.“ Kopfschüttelnd sah er zu Torgen-Shan, der ihn ernst musterte. „Nein, nein, Kommandant. Ich werde zu keinem Menschen auch nur ein Wörtchen über unsere Erlebnisse verlieren. Die Zeit für derartige Enthüllungen ist noch nicht reif. Sie würden unser Volk wahrscheinlich in eine tiefe Krise führen. Das kann ich nicht verantworten. Und außerdem“, er lächelte plötzlich verschmitzt, „bin ich sicher, daß Sie, Torgen-Shan, Maßnahmen ergreifen werden, um dieses technische Wunderwerk auch in Zu-
kunft vor dem Zugriff allzu neugieriger Forscher zu bewahren. Ich könnte meinen Bericht also auch gar nicht beweisen.“ Der Wissenschaftler vom Planeten Berka-Lot nickte. „Du hast einen scharfen Verstand, Tony Newman“, lobte er. „In der Tat werden wir, wenn wir wieder nach Hause zurückkehren, diese Zentrale so verschließen, daß kein Unbefugter sie jemals wieder betreten kann.“ Er sah nun die Medizinerin an. „Auch dich, Careen Burner, muß ich fragen, was du mit deinem Wissen tun wirst.“ Die Frau schüttelte erstaunt den Kopf. „Soll das eine Überprüfung unserer Gesinnung werden?“ fragte sie irritiert. Torgen-Shan ging darauf nicht ein. „Antworte bitte“, verlangte er. Careen zuckte die Schultern. „Ich denke so, wie Tony es eben ausführlich dargelegt hat. Auch ich bin der Meinung, daß unser Wissen den Menschen eher Schaden als Nutzen bringen wird. Ich bin fast sicher, daß irgendwelche machthungrigen Organisationen um jeden Preis versuchen würden, die Kontrolle über diese Zentrale zu erlangen, um damit ihre Herrschaft zu begründen. Wenn ihnen das nicht gelingt, wird die Zerstörung dieser Anlage ihr Ziel sein.“ Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Das muß unter allen Umständen verhindert werden. Nein, ich werde nichts von dem, was ich gehört und gesehen habe, weitergeben.“ Große Erleichterung zeigte sich auf den Gesichtern der Berkaner. Torgen-Shan, Keltar-Birt und Homger-Veit standen auf und kamen zu Tony Newman und Careen Burner, die sich ebenfalls erhoben. „In der Tat hing von euren Antworten sehr viel ab“, erklärte der Kommandant. „Sie bestimmen mein weiteres Vorgehen in bezug auf die Vorbereitungen eurer Rückkehr. Doch bevor ich Näheres dazu sage, wollen wir sehen und hören, wie euer Gefährte über diese Sache denkt. Während wir hier dem Bericht der Kommandozentrale lauschten, erhielt Herb Kenley Besuch.“ Als wäre dies ein Stichwort, erlosch das Licht in der Kuppelhalle erneut. Gleichzeitig erhellte sich ein großer Bildschirm, den die Menschen vorher nicht bemerkt hatten. Sie sahen Herb Kenley, der am
kleinen Tisch im Aufenthaltsraum saß und irgendwelche Aufzeichnungen in seinem Notizbuch machte. Plötzlich öffnete sich die Tür, und ein junger Berkaner trat ein, den sie noch nie vorher gesehen hatten: „Sind denn noch mehr Mitglieder Ihres Volkes in der Station?“ fragte Careen Burner verwundert. „Nein“, sagte Torgen-Shan. „Das ist eine Projektion. Ihr habt in den vergangenen Stunden selbst erlebt, wie lebensecht sie wirken. Herb Kenley kann nicht durchschauen, daß er kein lebendes Wesen vor sich hat. Doch hören wir, was er zu sagen hat.“ Herb Kenley sah überrascht von seiner Tätigkeit auf. „Ich grüße dich“, sagte die Projektion freundlich, ging bis in die Mitte des Raumes und blieb dort stehen, da Kenley sie nicht aufforderte, näher zu kommen und Platz zu nehmen. „Was wollen Sie?“ fragte Kenley barsch. „Ich habe Sie noch nie gesehen.“ „Nur eine Auskunft“, sagte der Mann. Als er keine Antwort bekam, fuhr er fort: „Torgen-Shan bereitet eure Freilassung vor, wie dir bekannt ist. Der Kommandant möchte wissen, was du deinen Freunden an der Bohrstelle erzählen wirst, wenn du sie wiedertriffst.“ „Warum ist das so wichtig?“ brauste Kenley auf. „Das geht ihn nichts an. Sagen Sie ihm, er soll uns den Ausgang zeigen, und dann verschwinden wir.“ „Ich muß auf einer Antwort bestehen“, forderte die Projektion. „Was wirst du erzählen?“ „Die Wahrheit natürlich!“ rief Herb Kenley erregt. „Ich kann es mir nicht leisten, mich lächerlich zu machen! Wir waren schließlich mehrere Tage lang verschwunden. Soll ich ihnen sagen, daß wir nur im Urwald herumgestolpert sind? Nein, nein, mein Freund. Dieser Fund ist die größte Sensation meines Lebens! Ihr könnt nicht verlangen, daß ich das so einfach vergesse!“
Die Projektion hob die Hand. „Wir werden natürlich dafür sorgen, daß der Zugang, durch den ihr hierher gefunden habt, versperrt wird“, wandte sie ein. „Das ist mir egal!“ Herb Kenley schrie es fast. „Ich werde einen anderen Weg finden! Nichts kann mich aufhalten!“ Wortlos wandte sich der junge Mann um und ging hinaus. „Wann laßt ihr uns endlich frei?“ rief Kenley hinter ihm her, doch er erhielt keine Antwort mehr. Der Bildschirm wurde wieder dunkel. „Dieser Narr!“ rief Tony Newman. „Er hat nichts begriffen! Gar nichts!“ Torgen-Shan sah ein wenig betroffen aus. „Ich hatte fast mit einer derartigen Antwort gerechnet“, sagte er leise. „Dennoch bedaure ich sehr, daß euer Freund so uneinsichtig ist. Doch nehmen wir wieder Platz.“ „Was jetzt?“ fragte Careen bang, als alle saßen. „Wollen Sie ihn für immer hier festhalten?“ „Nein. Die Kommandozentrale hatte für eine derartige Antwort Herb Kenleys ihre Anweisungen“, erklärte Torgen-Shan. „Wenig später, nachdem die Projektion wieder gegangen war, leitete sie ein betäubendes Gas in die Unterkunft. Keine Sorge, eurem Freund geht es gut“, sagte er schnell, als er die bestürzten Gesichter Tonys und Careens bemerkte. „Herb Kenley wurde von einem Roboter abgeholt und in den medizinischen Teil der Station gebracht. Dort haben wir ihm – von dem Augenblick an, in dem er die verfallene Ruine betrat, die Erinnerung genommen. Das ist eine völlig schmerzlose Prozedur, die ein wenig mit der euch bekannten Tiefenhypnose verwandt ist. Inzwischen ist euer Freund längst wieder in seinem Zimmer und wartet ungeduldig auf eure Rückkehr. Die Erinnerung an die Geschehnisse in der Zentrale wird im dem Moment verschwinden, in dem er das Licht der Sonne wieder sieht.“ „Und es hat ihm wirklich nicht geschadet?“ fragte Tony mißtrauisch. „Das ist doch eine sehr komplizierte Sache.“
„Dieses Verfahren ist unserem Volk schon seit vielen tausend Jahren bekannt, ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen“, beruhigte Torgen-Shan noch einmal. „Wer sagt Ihnen denn, daß wir Sie nicht angelogen haben?“ fragte Careen plötzlich. „Was ist, wenn wir ähnliche Absichten haben wie Herb Kenley?“ Wortlos deutete Torgen-Shan auf ein kleines, kugelförmiges Gerät, das in einiger Entfernung hinter den Sesseln stand, auf denen Careen und Tony gesessen hatten. „Dies ist ein Gehirnwellendetektor“, erklärte er dazu. „Das Gerät mißt unter anderem die Gehirnströme, die bei allen denkenden Wesen vorhanden sind. Es hätte euch sofort entlarvt, wenn ihr die Unwahrheit gesagt hättet.“ Er machte eine entschuldigende Geste. „Diese kleine Vorsichtsmaßnahme müßt ihr mir verzeihen.“ „Sie haben wirklich an alles gedacht“, sagte Tony Newman anerkennend. „Es steht sehr viel auf dem Spiel“, antwortete der Berkaner ernsthaft. „Die Zukunft deines und meines Volkes darf nicht leichtfertig zerstört werden.“ Lange Sekunden herrschte Schweigen in der Kuppelhalle, dann fragte Careen: „Wann lassen Sie uns zu unseren Leuten zurück? Sie werden sich schon große Sorgen um uns machen. Wir waren mehrere Tage verschwunden. Herb Kenley hat es auch schon erwähnt.“ Torgen-Shan lächelte seltsam. „Auch daran habe ich gedacht. Wenn ihr bei euren Freunden seid, werdet ihr eine Überraschung erleben. Ich glaube nicht, daß ihr Schwierigkeiten haben werdet.“ Tony runzelte erstaunt die Stirn. Was sollte diese Andeutung? Doch der Kommandant ging nicht weiter darauf ein, und Tony wollte nicht nachfragen. Zudem sprach Torgen-Shan schon weiter: „Für uns ist nun die Stunde des Abschieds gekommen, meine Freunde. Auch meine Gefährten und ich werden diese Zentrale kurz nach euch verlassen und zu unserem Volk zurückkehren, sobald ich
dafür gesorgt habe, daß kein Unbefugter mehr diese Station finden kann. Ihr werdet euer Versprechen halten und Stillschweigen bewahren.“ Tony Newman nickte zustimmend. „Sehen wir uns irgendwann einmal wieder?“ fragte er leise. Torgen-Shan hob die Hände. „Ich habe fest vor, zurückzukommen“, bestätigte er. „Allerdings kann ich dir keinen Zeitpunkt nennen. Das hängt von vielen wichtigen Dingen ab, die ich nicht allein entscheiden kann.“ „Ich bin sehr froh, Sie kennengelernt zu haben“, sagte Careen. Fast war sie ein wenig traurig darüber, daß sie nun diese rätselhafte und doch so faszinierende Unterwelt verlassen mußte. Torgen-Shan und seine Leute waren ihr richtig sympathisch geworden. Doch andererseits freute sie sich natürlich auf die Rückkehr zu Steven Hotch und den anderen. Der Wissenschaftler von Berka-Lot reichte den beiden die Hand. Er wußte inzwischen, daß diese Geste bei den Menschen Begrüßung und auch Abschied bedeutete. „Ein Roboter wird euch zu Herb Kenley zurückführen und euch dann auch bis zum Ausgang begleiten. Lebt wohl, meine Freunde. Ich werde euch beide in guter Erinnerung behalten.“ Tony Newman und Careen Burner verabschiedeten sich auch von Homger-Veit und Keltar-Birt, dann wandten sie sich der Maschine zu, die bereits auf sie wartete. Die Berkaner sahen ihnen nach, bis sie verschwunden waren. Sehr schweigsam gingen die beiden Menschen in ihre Unterkunft zurück, um dann zusammen mit Herb Kenley den Rückweg anzutreten.
7. „Ich kann es kaum erwarten, endlich aus diesem dunklen Gang herauszukommen“, rief Herb Kenley. „Beeilt euch doch!“ Er lief ihnen voraus, genauso wie damals, als sie noch nicht wußten, was alles auf sie zukommen würde. Doch diesmal ging es den umgekehrten Weg, und Tony und Careen folgten ihm mit wesentlich weniger Sorgen. Vor wenigen Sekunden war der Roboter zurückgeblieben, der sie bisher begleitete. Es war genau die Stelle, an der die Verkleidung des Ganges begonnen hatte. Kaum passierten sie diese Grenze, schob sich mit dumpfem Grollen eine jener Trennwände, die sie in so unguter Erinnerung hatten, in den Stollen. „Torgen-Shan sichert sein Reich ab“, bemerkte Careen dazu. „Ich bin überzeugt, daß diese Wand bis in alle Ewigkeit stehen wird.“ „Zumindest für sehr lange Zeit“, schwächte Tony lächelnd ab. Sie gingen weiter, und nach einiger Zeit meldete sich Careen erneut. „Ich überlege die ganze Zeit, wie wir Steven Hotch unsere lange Abwesenheit erklären sollen“, sagte sie. „Weißt du keine gute Ausrede?“ „Ich habe den gleichen Kummer“, gestand Tony. „Wir können schlecht behaupten, auf Großwildjagd gewesen zu sein. Nein, ich habe keine Idee.“ „Zerbrecht euch darüber nur nicht den Kopf“, meldete sich Herb Kenley weit vor ihnen. „Uns wird schon noch etwas einfallen.“ Tony wunderte sich ein wenig über die gute Laune Kenleys. Wo war sein mürrisches, manchmal sogar kränkendes Verhalten? Hatte er seine ehrgeizigen Pläne wirklich vergessen? Oder zeigte die Behandlung, die Torgen-Shan erwähnt hatte, etwa schon Wirkung? Etwas besorgt wartete er auf die Reaktion Herb Kenleys, wenn sie die Ruine erst verlassen hatten. Zwar hatte Torgen-Shan versichert, daß
es keinerlei unangenehme Nebenwirkungen geben Würde, doch Tony hatte viel zu wenig von seinen Erklärungen verstanden, um wirklich beruhigt zu sein. „Dort vorn ist der Gang zu Ende!“ rief Kenley erfreut aus. „Gleich haben wir es geschafft!“ „Tatsächlich“, murmelte Careen erstaunt. „Der Rückweg kam mir viel kürzer vor als der endlos lange Marsch in die Zentrale.“ „Wir gingen jetzt ohne Bedenken“, meinte Tony gutgelaunt. „Das ist die Erklärung dafür.“ Herb Kenley stand bereits vor der Deckenplatte, die allerdings verschlossen war. „Wie kommen wir jetzt hier heraus?“ meinte er. „Das hat uns der weißhäutige Schlauberger nicht verraten.“ „Bestimmt gibt es hier einen ähnlichen Mechanismus wie draußen“, vermutete Careen. „Laß mich mal sehen.“ Sie nahm Herb Kenley die Lampe aus der Hand und leuchtete zuerst die Decke, dann die Seitenwände ab. „Na also“, sagte sie dann zufrieden. Stolz deutete sie auf das Relief, das dem Bildnis auf der anderen Seite genau ähnelte. „Jetzt müssen wir nur noch den richtigen Knopf finden.“ Tony trat hinzu und begann wahllos an den verschiedenen Vorsprüngen und Vertiefungen herumzutasten. „Hör auf, bevor du wieder eine unbekannte Sicherung auslöst!“ rief Careen erschrocken. Sie schob Tony beiseite und trat vor das Abbild. „Es war irgendwie tiefer“, murmelte sie, während sie sich daran zu erinnern versuchte, wie sie gegen die Wand gefallen war. Etwas zaghaft drückte sie auf die vermuteten Stellen, und schon beim zweiten Versuch war sie erfolgreich. Es gab ein kurzes Knarren, dann klappte die Platte nach innen. „Du hast es tatsächlich geschafft!“ rief Tony erleichtert, während er sich etwas mühsam nach oben zog. Dann half er Careen und auch Herb Kenley, den dunklen Stollen endgültig zu verlassen. Ohne sich lange in der kleinen Kammer aufzuhalten, stiegen sie die steilen Stufen empor und waren Sekunden später in dem kleinen
Gang, der sie in den zerfallenen Innenraum der Ruine entließ. Vorsichtig verließen sie das brüchige Gemäuer. Tony und Careen beobachteten Herb scharf, der eben in die Strahlen der Nachmittagssonne blinzelte. Kenley schien ein wenig verwirrt zu sein. Unruhig blickte er zur Ruine hinüber, dann schüttelte er wie benommen den Kopf. Schließlich sah er seine beiden Begleiter an. „Kommt endlich“, drängte er. „Laßt uns gehen. Die anderen werden schon auf uns warten. Unsere Mittagspause ist gleich zu Ende.“ Erleichtert blickten Careen und Tony sich an. „Es scheint tatsächlich zu funktionieren“, flüsterte Careen aufgeregt. Sie folgten Herb Kenley, der ihnen schon wieder vorauseilte, doch als hinter ihnen plötzlich ein seltsam singendes Geräusch erklang, fuhren sie erschrocken herum. Entsetzt sahen sie, wie die geheimnisvolle Ruine in ein fahles, hellgelbes Licht getaucht wurde. Es nahm ständig an Intensität zu, ohne jedoch Hitze auszustrahlen. „Was ist das?“ flüsterte Careen angstvoll. Tony schüttelte nur den Kopf. Auch er hatte keine Erklärung für diese Erscheinung. Plötzlich gab es ein trockenes Krachen, das wie ein Gewehrschuß klang. Sekundenbruchteile später verschwand das Licht und mit ihm auch die Ruine. Fassungslos sahen Tony und Careen auf die neuentstandene, freie Fläche. Der Boden zeigte keinerlei Verbrennungsspuren. Alle Pflanzen waren unversehrt geblieben, lediglich das Mauerwerk und die Steine waren verschwunden. „Torgen-Shan“, sagte Tony beinahe ehrfürchtig. „Er beseitigt alle Spuren, die auf die Kommandozentrale hinweisen. Über welch ungeheure Machtmittel muß er verfügen, um dies alles zu bewerkstelligen. Nicht auszudenken, wenn diese Technik in die falschen Hände gerät.“ Nun endlich folgten sie Herb Kenley, der etwas vorausgegangen war und sie nun ungeduldig erwartete. Der Weg zur Bohrstelle war schnell zurückgelegt.
„Ich habe immer noch keine Erklärung“, murmelte Careen unbehaglich, als sie Steven Hotch vor seiner Hütte stehen sah. „Ich auch nicht.“ Tony nahm Careen entschlossen am Arm und zog sie mit zum Expeditionsleiter. „Wir lassen die Sache einfach mal auf uns zukommen. Er wird uns schon nicht den Kopf abreißen.“ Herb Kenley hatte inzwischen den Weg zu seiner eigenen Hütte eingeschlagen und Steven Hotch nur kurz zugewinkt. Staunend sahen Tony und Careen, daß Hotch den Gruß genauso lässig erwiderte. „Hallo“, sagte Tony etwas verlegen, als sie den Chef erreicht hatten. „Da sind wir wieder.“ „Wird aber auch Zeit“, brummte Steven Hotch. Grimmig sah er die beiden an. „Statt eine halbe Stunde im Urwald rumzulaufen, solltet ihr lieber mit anpacken. Ich habe mich entschlossen, das Lager abzubrechen und an anderer Stelle nochmal anzufangen. Der verdammte Bohrer kommt einfach nicht weiter. Irgend etwas da unten ist härter als unsere Diamantköpfe. Ich kann das nicht begreifen. Übrigens ist unsere seltsame Bodenprobe ganz überraschend zu Staub zerfallen.“ Vielsagend sah er Tony Newman an. „Damit dürfte das Thema ‚ungewöhnlicher Fund’ ja wohl erledigt sein, oder?“ Er lachte plötzlich laut auf. „Was ist mit euch? So groß ist die Katastrophe nun auch wieder nicht. Jeder Geologe muß damit rechnen, daß die Planung etwas durcheinandergerät Woanders werden wir vielleicht mehr Glück haben. Trinkt einen starken Kaffee, damit ihr wieder etwas Farbe ins Gesicht bekommt.“ Kopfschüttelnd wandte er sich um und verschwand in seiner Hütte. Tony und Careen sahen sich lange an. Noch immer waren beide sehr blaß. „Habe ich ihn richtig verstanden, Careen?“ fragte Tony mit brüchiger Stimme. „Sagte er wirklich: ‚Statt eine halbe Stunde im Urwald rumzulaufen’ ...?“ „Das hat er gesagt“, bestätigte Careen leise. „Und das kann nur eines bedeuten.“
„Torgen-Shan hat die Zeit zurückgedreht“, beendete Tony den Satz. „Erinnerst du dich an seine Worte? ‚Wenn ihr bei euren Freunden seid, werdet ihr eine Überraschung erleben. Ich glaube nicht, daß ihr Schwierigkeiten haben werdet’.“ „Genau so war es“, bestätigte Careen. „Er hat Wort gehalten.“ Sie sah Tony fest an. „Auch wir werden unser Versprechen halten.“ Tony Newman nickte langsam. „Gehen wir packen“, meinte er dann. „Sonst fallen wir doch noch auf.“ * Torgen-Shan, Keltar-Birt und Homger-Veit sahen auf dem Panoramaschirm in der Zentrale der TIRGKHAN, daß sich Careen und Tony gerade wieder etwas von ihrer Überraschung erholten. „Genau so war es“, sagte Careen gerade. „Er hat Wort gehalten. Auch wir werden unser Versprechen halten.“ „Gehen wir packen“, antwortete Tony darauf. „Sonst fallen wir doch noch auf.“ „Das genügt“, sagte Torgen-Shan zufrieden. „Unsere Aktion ist planmäßig verlaufen.“ „Deine Entscheidung war doch richtig“, gab Keltar-Birt zu. „Ich hätte ihnen allen die Erinnerung gelöscht.“ Mit wenigen Schaltungen veranlaßte er den Robotspion, der nicht größer als ein Insekt war, zur TIRGKHAN zurückzukehren. Die Menschen hatten von seiner Anwesenheit nichts bemerkt. „Vielleicht brauchen wir die beiden noch einmal als Vermittler zwischen unserem und ihrem Volk“, entgegnete Torgen-Shan auf die Bemerkung Keltar-Birts. „Ich hoffe, daß wir bald zur Erde zurückkehren können. Dann haben wir schon zwei gute Freunde auf diesem Planeten.“ Er sah Keltar-Birt und Homger-Veit lächelnd an. „Doch nun steht einer Rückkehr nach Berka-Lot nichts mehr im Wege.“ „Ich bin auf Ambor-Baths Gesicht gespannt, wenn er unsere Speicherkristalle sieht“, sagte Homger-Veit. „Wenn er diesmal immer
noch der Meinung ist, daß unsere Arbeit sinnlos war, werde ich ihn öffentlich verprügeln.“ Mit einem übermütigen Lachen lenkte Keltar-Birt die TIRGKHAN aus dem Orbit. Das Raumschiff beschleunigte und war kurze Zeit später aus dem Sonnensystem verschwunden.