Jim Elliot
Entscheidung am Mississippi Ronco Band Nr. 285/38
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im J...
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Jim Elliot
Entscheidung am Mississippi Ronco Band Nr. 285/38
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 1967 stießen Bauarbeiter bei Abbrucharbeiten in einer kleinen Geisterstadt im Süden New Mexicos unter einem ausgebrannten Boardinghouse auf eine zugemauerte Kellernische. Sie fanden darin einen alten Revolver, der noch mit drei Patronen geladen war, ein silbernes US-Marshal-Abzeichen und einen indianischen Ledersack. Der mit Stachelschweinborsten und Perlen verzierte Sack enthielt fünf mit Lederriemen zusammengeschnürte Bündel alter Schulhefte. Es handelte sich um das Tagebuch eines Mannes, der in der Pionierzeit Amerikas gelebt hat. Dieser Mann ist nicht in die Geschichte eingegangen. Er hat sich auch nicht darum bemüht, Geschichte zu machen. Trotzdem hat er aufgeschrieben, was er erlebt hat. Vielleicht, weil er niemanden hatte, mit dem er über sein Leben sprechen konnte. Er nannte sich RONCO. Wir wissen nicht, ob das sein richtiger Name war. Vielleicht hat er aus Scham oder Stolz seinen Namen verschwiegen. Denn er war ein Outlaw, ein Gesetzloser, der Grund hatte, seinen Namen manchmal zu verschweigen. Obwohl aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, daß er unschuldig in die Mühlen der Behörden geriet und verzweifelt um seine Rehabilitation kämpfte. Aber seine Berichte zeigen mehr: Sie sprengen den Rahmen unserer Vorstellungen von der Pioniergeschichte der USA. Sie schildern diese Zeit wesentlich härter, rauher und wilder, als wir sie bisher gesehen haben. Basierend auf diesen Unterlagen wurde die Romanreihe RONCO gestaltet. Jedoch handelt es sich bei den für die Serie ausgewerteten Aufzeichnungen nur um einen Teil der Tagebücher. Um Ihnen, unseren Lesern, die ganze Geschichte dieses faszinierenden Mannes RONCO offenzulegen, haben wir uns entschlossen, in Abständen von fünf Wochen die Tagebuchaufzeichnungen dieses Geächteten zu veröffentlichen. Bearbeitet von den Autoren der RONCO-Serie. In diesen Romanen erzählt der Mann, der sich RONCO nannte, seine
eigene Geschichte.
Die Hauptpersonen des Romans Ronco – Er war erst achtzehn, aber schon ein ganzer Mann. Yancey Hope – Ein Berufsspieler, der Ronco alle Tricks beibringt, damit er ehrlich bleiben kann. Hank Gunnison – Verspielt beim Pokern die Beute aus einem Raub und kriegt deswegen Ärger mit seiner Bande. Slade – Ein Typ, den weder Ronco noch Yancey Hope mit der Kneifzange anfassen würden. Conny – Ein Albino, der katzenfreundlich zu jedem ist, der viel Geld in der Tasche hat. Shita – Roncos Bastardhund zeigt, welches Format er hat: er klaut eine Tasche, in der 20000 Dollar sind.
Entscheidung am Mississippi Es ist der 17. Mai des Jahres 1881 Die mexikanische Sonne brennt so heiß wie das Fegefeuer, und manchmal glaube ich, daß Mexiko die Hölle ist. Aber für einen gejagten Mann ist die Hölle überall. Ich werde wieder gejagt. Diesmal in Mexiko. Für mich ist das kein neues Jagdgebiet. Für mich ist es der Beweis, daß die Fährte, die ich seit Wochen verfolge, noch immer heiß ist. Mein Mann ist mein Jäger, der seine Macht, seinen Posten, seinen Besitz Andrew Hilton verdankt. Jenem Mann, den ich suche, weil er mich vernichten will, nachdem er mein Glück bereits zerstört hat. Dieser Hilton hat sich gut vor mir versteckt. Er tarnt sich diesmal geschickter als vor Jahren noch in Ysleta. Er ist klüger geworden, doch seine Machtgier und seine Geschäftstüchtigkeit sind unverändert groß. Erneut läßt er seine Verbindungen spielen, scheffelt das Geld mit schmutzigen Geschäften und tritt hier und dort schon wieder auf als Herr über Leben und Tod. Als ich rehabilitiert wurde, verschwanden viele Männer in der Versenkung, die mich zu Unrecht verfolgt hatten. Männer, die selbst in die schmutzige Halcon-Canyon-Affäre verwickelt gewesen waren. Auch Hilton wurde gestürzt. Doch er ist wieder auf dem Weg nach oben und scheint bald so mächtig wie früher. Er veranlaßte, daß ein korrupter Provinzgouverneur mich jagt. Mir beweist das, daß ich Hilton dicht auf den Fersen sein muß. Mein Instinkt sagt mir, daß ich gute Chancen habe, ihn aufzuspüren. Dann wird er bezahlen für die schrecklichen Jahre der Flucht und der Verbannung, die ich auf mich nehmen mußte. Er wird bezahlen für die gnadenlose Jagd auf mich, für den Tod von Linda, seiner Tochter, die sich von ihm lossagte, um mit mir eine Zukunft aufzubauen. Und er wird büßen für die Verschleppung von Jellico, meinem Sohn. Wenn ich Hilton finde, werde ich meinen Sohn wiederhaben. Für mich ist das entscheidend. Dann erhalte ich noch einmal die Chance,
etwas aufzubauen, von vorn anzufangen. Für Jellico. Aber zwischen ihm und mir, zwischen einer besseren Zukunft für Vater und Sohn, steht Hilton. Solange er zwischen uns steht, muß ich weiterkämpfen. Aber ich habe eine reelle Chance. Ich muß und werde sie nutzen.
1. Damals, kurz nach dem Bürgerkrieg, lag die Zukunft noch im rosigen Licht vor mir. In der Unionsarmee war ich durch eine harte Schule gegangen, und ich hatte manchen nützlichen Trick gelernt. In den Pausen zwischen den Gefechten hatte ich mich mit ehemaligen Berufsspielern im Pokern geübt. Ich hatte nicht geahnt, daß man sich damit entlang des Mississippi ein Vermögen verdienen oder sich den Tod holen konnte, wenn man nicht schnell genug zog, um seinen Gewinn zu verteidigen. Doch auch das hatte ich gelernt. Damit hatte ich schon als Kind begonnen. Ich spielte gut. Und ich spielte ehrlich. Doch Männer, die schlechte Verlierer waren, glaubten, daß ich als Milchbart von achtzehn Jahren noch ein Greenhorn sei, das man mit einem Colt einschüchtern könne. Diesem Irrtum begegnete ich immer wieder an den Kartentischen. Auch hier in dem kleinen Nest Vidalia am Mississippi. Es war heiß in diesem Sommer. Mein Bastardhund Shita litt sehr unter der Gluthitze. Er wollte nicht an meiner Seite bleiben, als ich das Anlegen eines Mississippi-Dampfers beobachtete, fasziniert von diesen schwimmenden Palästen, die mit ihren prächtigen Verzierungen an den Deckaufbauten sagenhaften Reichtum vorspiegelten. Und meistens lockten sie damit doch nur naive Reisende an, die in den Spielsälen dieser schwimmenden Pokerhöllen oft ihr ganzes Vermögen verspielten. Shita hielt es nicht mehr in der Sonne aus. Er streunte von mir weg und stob dann in eine Gasse. Ich dachte, er wollte eine der vielen fetten Ratten jagen, die sich im Schlamm unter den Stützbalken der Lagerhäuser herdenweise tummelten. Aber er hatte nur Durst. Oder er wollte sich ein schattiges Plätzchen suchen. Auf jeden Fall lief er durch die erste offene Tür, die sich vor ihm auftat. Es war eine Pendeltür. Und sie
gehörte zu einem Schuppen, der sich »Gambling Palace« nannte. Ich folgte ihm, damit er sich nicht an einem Spucknapf vergriff oder an dem Bein eines Betrunkenen. Es gab auch Männer, die so struppige Bastarde wie Shita nicht leiden konnten und nach ihm traten. Das hatte mich schon manchen guten Dollar gekostet. Denn Shita beantwortete jeden Tritt damit, daß er dem Tretenden die Hosen auszog. Fetzenweise. Ich folgte Shita also in die Spielhölle, damit er keinen Unsinn anrichtete. Aber er benahm sich ganz friedlich. Er saß mit hechelnder Zunge vor einem großen Tisch, an dem fünf Männer pokerten. »He!« rief ein elegant gekleideter Gentleman, »du hast aber einen klugen Hund, mein Junge! Der hat gewittert, daß uns noch ein Spieler in der Pokerrunde fehlt. Oder hast du noch nie eine Karte angefaßt?« Ich blieb hinter Shita stehen, der leise winselte. Dieser elegante Gentleman schien ein Glückspilz zu sein. Greenbacks und GoldEagles stapelten sich vor seinem Platz. Ihm gegenüber saß ein plumper Kerl, der ein wurmstichiges Auge hatte und wirre schwarze Haare über der niedrigen Stirn. Er bewegte ständig die plumpen Finger. Wie Blutegel, ging es mir durch den Kopf, die schon lange kein Blut mehr geschmeckt haben. Oder knisternde Dollarnoten. Die waren offenbar von seinem Platz zu dem Gentleman hinübergewandert. Neben ihm saß ein dürrer Mann mit stechenden Augen. Die beiden tauschten stumme Blicke, die viel erzählten, ohne daß ich es verstand. Die beiden schienen sich sehr gut zu kennen. Zwischen dem eleganten Gentleman mit dem dicken Greenbackstapel und dem Plumpen mit dem milchigen Auge saßen zwei Männer in mittlerem Alter, die ich für Geschäftsleute hielt. Solide Kleidung, zurückhaltende Manieren. Sicher hatten sie unten am Ufer ein paar Lagerschuppen. »Ich denke, wenn mein Hund meint, daß ich mitspielen soll, bin ich auch dabei«, sagte ich und zog den Stuhl vom Tisch fort, vor dem Shita hechelte. Er schien mit meinem Entschluß einverstanden zu sein. Offenbar spürte er es im Fell oder auf der Zunge, daß ich eine Glückssträhne haben müsse und für ihn ein dickes Steak
heraussprang, wenn ich mitpokerte. Der elegante Spieler links neben mir lachte. »So ist es recht, junger Mann. Frisch gewagt, ist halb gewonnen.« Er zwinkerte mir zu und meinte gönnerhaft: »Ich heiße Yancey Hope. Dieser Gentleman da drüben nennt sich Gunnison – Hank Gunnison. Er zieht nur ein böses Gesicht, weil er ein paar Runden lang verloren hat. Aber das Glück ist launisch. Es wird ihm bald wieder zulächeln.« Yancey Hope gab lächelnd die Karten aus. Er war ein Berufsspieler, das sah ich schon auf den ersten Blick. Ich schaute ihm auf die Finger. Er verteilte rasch, aber korrekt. Er war mir sofort sympathisch. Auch deswegen, weil er Shita mochte, obwohl der nur ein struppiger Bastard war. Ich hatte in den letzten Tagen auch einiges gewonnen. Aber ich wußte aus Erfahrung, daß man mir meiner Jugend wegen nicht viel Raffinesse beim Spiel zutraute. Das war ein Vorteil, den ich rücksichtslos ausnutzte. Bevor meine Mitspieler merkten, wie ausgeblufft ich wirklich war, hatte ich schon mein Startgeld verdoppelt oder verdreifacht. Diesmal hatte ich es verzehnfacht, bis die Geschäftsleute, die mir gegenübersaßen, nachdenklich ihre Zigarren zwischen den Fingern drehten, ehe sie gegen mich zu setzen wagten. Zweimal hatte ich sie aus dem Spiel geblufft. Sie wußten nicht mehr, wie sie mit mir dran waren. Denn man nimmt einen Pokerspieler erst dann wirklich ernst, wenn man nicht mehr weiß, wie man mit ihm dran ist. Auch Yancey Hope hatte ein paarmal gegen mich verloren. Er war ein guter Verlierer. Er behielt immer seine gute Laune, auch wenn sein Greenbackstapel die Schwindsucht kriegte. Er betrachtete mich augenzwinkernd und rauchte genüßlich seine Zigarette, wenn er nicht gerade gab. Ihm konnte man nichts vorgaukeln, ging es mir durch den Kopf. Er hatte sofort gemerkt, daß ich nicht nur gut war, sondern auch eine Glückssträhne hatte. Und er nickte zufrieden, wenn ich die Karten verteilte. Ich tat es so rasch wie er. Und auch so ehrlich. Nur Hank Gunnison wurde immer rastloser. Er spielte hektisch, sprunghaft, als wollte er mit Gewalt zurückgewinnen, was er
verloren hatte. Und der Dürre neben ihm, der sich Slade nannte, biß sich jedesmal auf die Unterlippe, wenn Gunnison wieder ein paar Scheinchen verlor, die er eben erst aus einem kleinen Sack geholt hatte. Der Sack schien einen unerschöpflichen Vorrat von Greenbacks in allen Größen zu enthalten. Als ich in der fünften Runde den Jackpot mit einem vollen Haus gewann, hätte ich Shita am liebsten umarmt. Ich verkniff mir das. Dieser finstere Gunnison hätte mir bestimmt Mogelei vorgeworfen, wenn ich mich unter den Tisch gebückt hätte. Ich werde ihm diesmal zwei Steaks spendieren, dachte ich. So ein Glück wie heute hatte ich seit Monaten nicht mehr gehabt. Der Qualm der Zigarren und Zigaretten breitete sich inzwischen bis zu den Pendeltüren aus. Das Spiel war heiß und hoch. Gunnison sorgte dafür. Manchmal verzehnfachte er vor dem Kartenaustausch den Einsatz, um seine Mitspieler mit Gewalt zum Passen zu zwingen. Aber keiner in der Runde ließ sich davon beeindrucken. Offenbar waren die Gentlemen, die mir gegenübersaßen, sehr gut betucht. Und Hope kannte alle Tricks. Er wußte, daß ein Spieler in Panik zum Verlieren verdammt war. Es sei denn, er versuchte es mit schmutzigen Tricks. Das passierte schon bei der übernächsten Runde. Da tauschte er mit dem Dürren neben sich eine Karte aus. Sehr heimlich. Die biederen Geschäftsleute am Tisch merkten es nicht. Hope kniff ein Auge zusammen und sog lange an seiner Zigarette. Er hatte es gesehen. Und er wußte, daß ich es ebenfalls bemerkt hatte. Aber er sagte nichts. Er stieg nur aus. Ich paßte gleich nach dem ersten Einsatz. Hank Gunnison gewann. Es waren nur lächerliche hundertzwanzig Dollar. Slade, sein Nebenmann, hatte Funken in seinen stechenden Augen. Er dachte wohl, jetzt hätten sie das Pokerglück an der Leine. Mit Maulkorb. Bei der nächsten Runde mogelten sie noch unverschämter. Gunnison hatte zwei Karten im Ärmel verschwinden lassen und sie dem Dürren zugetrickst. Der schielte kurz auf das Blatt seines Nebenmannes und servierte heimlich zwei andere Karten, die dazu passen mußten. Hope blickte mich mit schmalen Augen an. In seinem Blick lag
eine stumme Frage. Sollten wir eingreifen? Ich schüttelte leise den Kopf und grinste. Ich hatte das beste Blatt seit Monaten. Vier Asse. Und dagegen konnte selbst die beste Mogelei der Welt nicht viel ausrichten. Ich wollte es den beiden zeigen, und ließ es sehr vorsichtig und geschickt angehen. Ich ließ mir von Hope eine Zigarette geben, als hätte ich diesmal meine Zweifel, ob ich besser mit einem Bluff oder einer mittelprächtigen Karte zurechtkäme. Die beiden Geschäftsleute drehten wieder an ihren Zigarren. Sie beschlossen, mitzuhalten. Gunnison hatte ein Gesicht wie Stein. Sein Atem ging stoßweise. Er warf immer ein neues Bündel auf den Tisch. »Wenn Sie mithalten wollen, Gentlemen«, sagte er rauh, »müssen Sie schon verdoppeln!« Hope bereitete es diesmal offenbar Spaß, zu verlieren. Er hatte schon genug gewonnen. Er wollte nur anheizen. So bot er mit, bis achttausend Dollar auf dem Tisch lagen. Dann paßte er. Nicht ohne leises Augenzwinkern. Du bist mir verdammt sympathisch, dachte ich, und verdoppelte den Einsatz. Ich tat es mit nervösen, fahrigen Fingern. Die beiden Gentlemen mir gegenüber nahmen die Zigarren aus dem Mund. »Wer hält mit?« sagte ich. Die beiden taxierten mich und betrachteten dann ihre Brieftaschen. Man sah ihnen an, daß sie vielleicht mitgehalten hätten, wenn nicht Hank Gunnison gewesen wäre. Sein milchiges Auge schillerte jetzt. Seine rechte Hand verschwand im Geldsack. Er holte ein großes Bündel heraus und zählte es, indem er seinen großen Daumen anfeuchtete. Er machte eine Schau daraus. »Achttausend«, sagte er bellend, »und noch einmal achttausend dazu!« Es wurde ganz still im Saloon. Der Keeper hinter dem Tresen verlor fast das Übergewicht, so weit lehnte er sich über die Theke. Ein paar Gestalten, die bisher still ihren Whisky in sich hineingegossen hatten, rückten an ihren Hutkrempen und schoben sich an den Tischen heran. Die Gestalten gefielen mir nicht. Sie hatten viel zu hungrige Augen und die Hände zu nahe an den Halftern.
Gunnisons Gesicht war angespannt, als würde ihm gleich die Gesichtshaut reißen. Der dürre Slade neben ihm leckte sich die dünnen Lippen. Seine verdammte Zunge lief im Kreis wie eine wildgewordene Uhr. Ich war plötzlich gar nicht mehr nervös und fahrig. Ich war ganz kühl und sachlich. Zweiunddreißigtausend Dollar lagen auf dem Tisch. Selbst Shita hörte auf zu hecheln. So eine Summe hatte er in seinem Hundeleben noch nie auf einem Haufen gesehen! Ich raffte alles zusammen, was ich bisher gewonnen hatte. Das war nicht wenig. Aber es reichte gerade aus, um mitzuhalten. »Ich gehe mit«, sagte ich leise. Shita winselte. Die Kaufleute gegenüber kriegten Stielaugen, daß ich Angst hatte, sie brächen ihnen jeden Moment ab. Slade wurde ganz grau im Gesicht. Er biß in seine Unterlippe, daß das Blut herausquoll. Ich war gerade dabei, den Jackpot in der Mitte des Tisches auf die Rekordsumme von vierzigtausend Dollar zu erhöhen, als Hank Gunnison vom Stuhl hochschnellte. »Das ist Betrug!« fauchte er. »Du verdammter Falschspieler mit deinem verdammten Bastardhund hast dir von diesem grinsenden Kumpan die Karten beim Mischen von unten her geben lassen! Ihr beide habt von Anfang an zusammengespielt! Ich kenne den alten Trick, daß der eine erst aufkreuzt, wenn der andere schon lange am Tisch sitzt! Ihr Bastarde werdet jetzt die Quittung für euren Betrug erhalten!« Ich nahm rasch die Hände von meinen Greenbacks. Die beiden Geschäftsleute mir gegenüber ließen ihre Zigarren im Aschenbecher liegen und schoben sich aus dem Gefahrenbereich heraus. Yancey Hope lächelte noch immer. Nur seine blauen Augen waren plötzlich sehr hart und wachsam. Ich wußte, ich konnte mich auf ihn verlassen, obwohl ich ihn erst seit einer Stunde kannte, seit er mich eingeladen hatte, am Pokern teilzunehmen. Die Karten waren noch nicht einmal aufgedeckt. Um so besser, dachte ich. Du hast zu früh die Nerven verloren. Jetzt werde ich meinen letzten Trumpf ausspielen. Ich hatte die Hände immer noch auf dem Tisch, ganz dicht an der Kante.
»Mister Gunnison«, sagte ich kühl. »Sie spielen schon seit vier oder fünf Runden mit Ihrem Nebenmann zusammen. Bisher habe ich das durchgehen lassen. Aber hier geht es ums Ganze. Krempeln Sie mal Ihren linken Ärmel hoch. Ich glaube, dort haben Sie zwei Karten versteckt, die Ihnen Ihr Nebenmann zugeschoben hat. Und Ihr Nebenmann hat auch zwei Karten, allerdings im rechten Ärmel.« Der Wirt hinter meinem Rücken verursachte ein hastiges Geräusch. Die beiden finsteren Typen mit den hungrigen Augen standen plötzlich hinter den Stühlen von Gunnison und Slade. Gunnisons Rechte zuckte zum Colt. Aus den Augenwinkeln sah ich Hopes Rechte. Sie war genauso phantastisch schnell wie beim Geben. Ich trat gegen das Tischbein, als Gunnison seinen Colt zeigte. Hopes Waffe donnerte neben mir los. Der finstere Typ, der hinter Gunnison stand, drückte ebenfalls ab, aber der Schuß fuhr unter den Tisch. Auf seiner Brust wurde es rot, und der rote Fleck wuchs beängstigend. Er knickte zusammen und knallte mit dem Kopf gegen die Tischkante, die jetzt senkrecht nach oben zeigte. Ich hatte den Tisch mit dem Tritt total aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich zog ebenfalls. Der Typ, der hinter Slade gestanden hatte, sprang einen Schritt zurück und riß den rechten Arm hoch. Ich schoß ihm durch den Arm, knapp hinter dem Handgelenk. Er brüllte und hüpfte auf einem Fuß, als hätte es ihn dort erwischt. Slade war mit dem Stuhl nach hinten gekippt, offenbar aus Sympathie für Gunnison, der auf dem Rücken lag und mit seinem Colt Schwierigkeiten hatte, weil ihn Shita daran hinderte. Er zog ihm gerade das Hemd aus. Fetzenweise. Slade probierte es gar nicht mehr, seinen Colt vom Leder zu ziehen. Ich hatte ihn fest im Auge. Und mein Colt ebenfalls. Die Pendeltüren wackelten und krachten dann gegen die Innenwand. Ein bulliger Mann trat ein, eine abgesägte Schrotflinte unter dem Arm. Ich kannte diesen bulligen Mann mit den grauen Schläfen bereits. Es war der Marshal von Vidalia. »Alles stillhalten!« brüllte er. »Und wer es nicht tut, wird es nicht mehr bereuen können! Ich habe Buck-Schrot geladen. Ihr wißt, was das für Löcher reißt!«
Ich senkte den Colt und schob ihn in die Halfter zurück. Ich kannte die Löcher von der Schrotflinte. Wenn sie abgesägt war, konnte ich mir eine neue Brust anfertigen lassen, um sie zu stopfen. Aber so was hatte man nach dem Bürgerkrieg in Amerika noch nicht erfunden. Und das würde auch nie jemand erfinden – Körperersatzteile aus echtem Fleisch und Blut. Ich pfiff meinen Hund zurück. Er kam wedelnd zu mir, Gunnisons Hemd zwischen seinen gesunden Reißzähnen. Gunnison wischte sich ein paar Dollarscheine aus den Haaren und stand langsam auf. Er schimpfte bereits, ehe er richtig stand. »Die beiden da drüben sind Betrüger! Die beiden Blonden mit dem dreckigen Grinsen im Gesicht! Sie gehören zusammen. Das sind Falschspieler. Wir wollten uns das nicht gefallen lassen, da haben sie schon geschossen!« Der eine finstere Typ, der auf dem Bein herumtanzte, nickte heftig. Er versuchte dabei, sich ein Halstuch um die rechte Hand zu wickeln. »Das Geld, das auf dem Boden herumliegt, gehört mir!« wetterte Gunnison weiter. »Die beiden spielten falsch! Die Gentlemen neben mir können das bezeugen!« Die »Gentlemen«, von denen er sprach, mußten Slade, der Dürre mit der zernagten Unterlippe, und der andere sein, der sich das Halstuch mit den Zähnen festzog. Gunnison war nur auf das Geld scharf, das bündelweise herumlag. Ich natürlich ebenfalls. Ich brüllte, und Shita knurrte. Ich deutete auf Gunnison und Slade und brüllte: »Marshal, die beiden haben jeder noch zwei Karten im Ärmel versteckt. Dieser Gunnison im linken Ärmel, den mein Hund verschont hat, und der Dürre dort im anderen! Sagen Sie zu den beiden, Sie sollen mal ihre Ärmel hochkrempeln!« Der bullige Marshal hatte sich gerade den Typen angesehen, der über der hochgekippten Tischplatte hing. Er blickte rasch auf Gunnison und Slade, als ich seine Aufmerksamkeit auf die beiden lenkte. »Der Kerl hier ist tot. Also krempelt mal eure Ärmel hoch! Das entscheidet jetzt über Mord oder Notwehr!«
Die beiden zögerten. Sie wechselten einen Blick und schüttelten dann die Köpfe. »Wird's bald!« donnerte der Marshal und bewegte drohend die abgesägte Schrotflinte hin und her. Zähneknirschend mußten sie gehorchen. Vier Karten flatterten über den Boden auf die verstreuten Greenbacks. So hübsche Trumpfkarten wie diese vier hatte ich bisher noch nie gesehen. Mein Herz lachte und schlug Purzelbäume.
2. Der Marshal betrachtete die Karten. Es waren windige Werte – Karo Sechs und Sieben, eine Herz Neun und eine Pik Acht. Er nahm seine Schrotflinte noch fester unter den Arm und fixierte den finsteren Gunnison mit den wirren schwarzen Stirnlocken und dem milchigen Auge. »Blond gewinnt«, sagte er barsch. »Und verdammt möchte ich sein, wenn ich dich nicht schon irgendwo gesehen habe. Ich glaube, in meinem Kittchen!« Gunnison schielte wieder. Aber das konnte auch von der Wut kommen, die ihm die Wangen dunkelrot verfärbte. »Ich – ich habe Sie noch nicht gesehen, Marshal. Ehrlich nicht!« »Dann war es vielleicht ein Steckbrief, eh?« Slade kaute schon wieder auf seiner Unterlippe. Er betrachtete das viele Geld, das auf den Dielen lag, und wollte sich danach bücken. »Halt!« donnerte ihn der Marshal an. »Blond gewinnt, habe ich gesagt! Los, sammelt die Scheinchen auf!« rief er mir und Hope über die Schulter zu. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Hope schaufelte die Scheine in seinen Hut, ich stopfte sie in meine Hosen- und Jackentaschen. Seit ich pokerte, hatte ich mir die Futter erweitern lassen. Es reichte aus für fünfzigtausend Dollar in großen Scheinen. »Zweiunddreißigtausend Dollar davon gehören dir«, raunte mir Hope zu. »Wir teilen den Zaster«, flüsterte ich großmütig zurück, »wenn Sie mir noch ein paar Tricks beibringen, Hope!«
Der Marshal fragte: »Wollt ihr gegen diese Kerle Anzeige erstatten? Dann nehme ich sie sofort fest!« »Das Geld genügt mir«, erwiderte ich vergnügt. »Ich verzichte auf eine Anzeige.« »Sehr großzügig von dir, mein Junge«, murrte der Marshal. »Aber deswegen mußt du doch die Stadt verlassen. Auch der Gentleman mit der geblümten Weste und dem Zylinder.« »He!« protestierte Yancey Hope. »Wir haben Ihnen nichts getan!« »Doch«, knurrte der Marshal, immer noch die Schrotflinte im Anschlag. »Ihr habt einen Mann erschossen und einen verwundet. Möglich, daß der Tote da nicht viel wert war. Aber eines ist gewiß! Ich mag keine Spieler, die Leichen hinterlassen. Die fallen nämlich mir zur Last. Und die Gemeinde muß die Beerdigung bezahlen. Wo habt ihr eure Pferde?« Ich blickte Hope verdattert an. Er zuckte mit den Schultern. Er hatte offenbar einen Haufen Geld, aber kein Pferd. Mir ging es genauso. Ich hatte meinen Schecken, als ich vor einer Woche hier in Vidalia ankam, sofort verkauft, um Startkapital für die Spieltische zu haben. Gunnison schielte noch immer. »Diese Bastarde«, stieß er durch die Zähne, »haben nicht mal Pferde. Das beweist …« »Das beweist«, unterbrach ihn der Marshal barsch, »daß sie eben mit dem Dampfer die Stadt verlassen müssen. Und der geht in zehn Minuten unten am Steg ab. Ich bringe die beiden hin, während ihr inzwischen eure Pferde sattelt. Für euch gilt dasselbe! Ihr verlaßt auf der Stelle meinen Bezirk!« Der Marshal gab mit dem Daumen ein Zeichen. Er deutete damit zur Tür. Während ich mich mit Hope auf die Pendeltüren zurückzog, ging uns der Marshal nach. Er marschierte rückwärts. Er wußte, wie ungern Gunnison uns aus der Stadt ziehen ließ. Immerhin hatten wir beide jeder über zwanzigtausend Dollar in den Taschen und unter den Hüten. Er begleitete uns bis hinüber an Bord der »Golden Cloud«, dem mächtigen Raddampfer, dessen Ankunft ich vor zwei Stunden erst fasziniert beobachtet hatte. Da ahnte ich noch nicht, daß ich damit wieder abdampfen würde, mit einer Fahrkarte Erster Klasse nach
New Orleans in der Tasche. Yancey Hope blinzelte mir vergnügt zu. »Glück muß der Mensch haben. Gemeinsam plündern wir hier die Passagiere aus mit dem Startkapital, das wir in Vidalia gewonnen haben. Allerdings sind die Berufsspieler in den Salons von ganz anderem Kaliber als dieser schielende Ochse im ›Gambling Palace‹ und der dürre Slade Lippenkau. Du bist zwar ein erstklassiger Pokerspieler, Ronco, aber diese ausgekochten Profis sind dir doch noch um eine Wenigkeit überlegen!« Ich grinste. »Deswegen habe ich dir auch ein paar große Lappen abgetreten«, erwiderte ich, voll Optimismus in die Zukunft schauend. »Damit du mir zum letzten Schliff am Kartentisch verhilfst.« »Schon gut, Junge«, erwiderte Hope und klopfte mir freundschaftlich auf die Schultern. »Es soll dich nicht reuen, daß du mit mir zusammen eine Kabine genommen hast. Wir werden dort in der Freizeit üben, bis aus dir der beste Pokerspieler zwischen Wyoming und Florida geworden ist. Du hast das Zeug dazu, Junge. Das sah ich schon, als dein Hund in die Kneipe kam!« Ich tätschelte meinem braven Shita den Kopf. Er kaute immer noch auf dem Hemd herum, das er diesem finsteren Gunnison ausgezogen hatte. Er wedelte nicht mal mit dem Schwanz bei meiner Liebkosung. Entweder hatte er böse Vorahnungen, oder er mochte den Dampfer nicht. Ich denke, er hatte wieder mal den richtigen Riecher, wie sich später herausstellen sollte. * Inzwischen ritt Gunnison mit Slade aus der Stadt, nachdem er den Burschen, dem ich durch den Arm geschossen hatte, zum Teufel gejagt hatte. Gunnison ritt nach Norden, in das verfilzte Buschgelände, das sich hier beiderseits des Mississippi ausbreitete. Dort erwartete ihn eine Bande von zerlumpten Strauchdieben. »Wo hast du denn Dick und Slinger gelassen?« war die erste
Frage, die sie an Gunnison richteten. »Und was machst du denn für ein Gesicht? Hast du in Vidalia im Saloon ein paar Klapperschlangen zum Frühstück gegessen?« Es waren fünf Männer, die sich in einer Kuhle zwischen hohen Sträuchern häuslich niedergelassen hatten. Fünf harte, abgerissene Männer, die in mehreren Städten von Louisiana wegen Raubes und Mordes steckbrieflich gesucht wurden. Hank Gunnison hatten sie zu ihrem Anführer gewählt, weil er bei dem letzten Coup – einem Bankraub in Rodney weiter flußaufwärts – die besten Nerven gezeigt und einen Safe ganz allein ausgeleert hatte. Und weil er bisher auf den Steckbriefen in Louisiana am seltensten von ihnen vertreten war. Slade, Gunnisons Freund, duldeten sie nur in der Bande, weil er ganz gut kochen konnte. Männer auf der Flucht brauchen so etwas. Sie können sich dafür kein Mädchen engagieren, das nach seiner Entlassung einem Sheriff erzählt, für wen es was gekocht hatte und wo. Sie hatten Gunnison nach Vidalia reiten lassen, damit er dort auf der Bank die Beute aus dem Bankraub in Rodney so umwechselte, daß jeder der neun Bandenmitglieder den gleichen Anteil erhielt. Dann wollten sie sich sofort trennen und sich jeder weitab vom Mississippi ein paar schöne Wochen machen. Slade, den sie mitgeschickt hatten, damit er ein paar Delikatessen für die Abschiedsfeier einkaufen sollte, erwiderte mürrisch: »Slinger ist tot. Dick haben wir zum Teufel gejagt. Er hat nicht rasch genug gezogen. Sein rechter Arm ist hin.« Das wirkte wie eine Dynamitladung in einer Glasfabrik. Es gab einen Riesenkrach. Sie platzten alle vor Wut, als Slade so nach und nach die Wahrheit herauswürgte. »Slinger war schon immer ein Idiot gewesen«, sagte Trumper gehässig. »Aber Dick hatte ich eigentlich mehr zugetraut. Wir schicken ihn mit, damit ihr beide nicht mit dem Geld durchbrennt, und was tut dieser Holzkopf? Schaut im Saloon seelenruhig zu, wie ihr unser Geld verspielt!« Die anderen nickten zustimmend. Sie hatten einen Kreis um die beiden Männer gebildet, und ihre Hände krampften sich um den Gürtel, ganz nahe bei den eingekerbten Kolben in den Halftern.
Trumper war der erfahrenste Bandit von ihnen. Seine Steckbriefe waren über Louisiana, Mississippi und Texas verstreut wie die Büffel auf den Staked Plains. Und genauso zahlreich. Er war ein Hüne und überragte den bulligen Gunnison noch um Haupteslänge. Die heimliche Rivalität, die zwischen den beiden Männern bisher nur unter der Oberfläche geschmort hatte wie ein Schwelbrand, brach jetzt aus dem Hünen heraus wie eine Stichflamme. »Du verdammter schwarzer Hohlkopf! Du hast unser ganzes Geld verspielt und läßt dich noch dazu von einem Marshal hindern, es den Dieben wieder abzunehmen! Ich denke, du hast als unser Boß abgedankt! Du wirst für uns schuften und stehlen, bis das Geld wieder ersetzt ist! Aber am liebsten gäbe ich dir eine Kugel durch dein geronnenes Schielauge …« Gunnison, der bis jetzt nicht ein Wort gesagt hatte, hielt plötzlich seinen Colt in der Hand. »Versuch es doch mal, Trumper«, sagte er ruhig. So nervös er sich auch am Spieltisch gegeben hatte – hier war er die Ruhe in Person. Gunnison war ein miserabler Pokerspieler, aber als Bandit war er erstklassig. »Versuch es, Trumper«, wiederholte er gelassen. »Ich wette, so kriegst du dein Geld bestimmt nicht wieder. Du nicht und die anderen auch nicht. Denkt daran, daß ich das verdammte Geld, das ich leider in Vidalia zurücklassen mußte, praktisch allein erbeutet habe. Und ich hole es mir wieder, verlaßt euch drauf!« Slade paßte auf die anderen Bandenmitglieder auf – auf Fudge, Jeff, Stone und Web. Die vier warteten anscheinend ab, wie der Streit zwischen Trumper und Gunnison ausgehen würde. »Du weißt nicht, wer es hat, Trumper. Ich weiß das genau. Und ich kenne sogar die Reiseroute, die unser Geld im Augenblick nimmt!« »Du steckst wohl mit den Kerlen unter einer Decke!« preßte Trumper wütend durch die Zähne. »Du hast nur gespielt, weil du uns um unseren Anteil betrügen …« Weiter gelangte er nicht. Gunnison schoß, und Trumpers Halfter flog mit dem Colt darin durch die Kuhle. Dann warf sich Gunnison mit ausgestreckten Armen vom Pferd herunter. Seine Finger krallten
sich in Trumpers Schultern. Die Wut, die sich in dem Banden-Boß über das verlorene Geld und die Demütigung durch den Marshal aufgestaut hatte, konnte sich endlich entladen. Gunnison war zwar kleiner als sein Rivale, aber dafür breiter und stämmiger. Er hämmerte mit seinen Fäusten wuchtige Geraden in Trumpers Stoppelgesicht, setzte ihm zwei Haken auf die Leber und einen Schwinger an den Hals. Trumper konnte im Nahkampf seine überlegene Reichweite nicht ausnutzen. Er beulte Gunnison nur ein paar Rippen ein, ehe er rote Sterne vor den Augen sah und japsend über den Kies torkelte. Dann brach er über einem Stechginsterbusch zusammen und übergab sich. Gunnison holte tief Luft und wirbelte herum, den Colt waagerecht am Gürtel. »Ich gebe zu, daß ich schuld habe. Ich gebe zu, es war eine Riesendummheit, im Saloon zu spielen. Ich wollte das Geld verdoppeln. Und das werde ich auch! Der Marshal hat die beiden Halunken, die mir das Geld mit üblen Tricks am Kartentisch abgenommen haben, auf einen Mississippi-Dampfer verfrachtet. Auf die ›Golden Cloud‹. Da können sie nicht aussteigen. Sie müssen mit dem Kasten den Mississippi hinunterschwimmen, und wir holen den Kasten zu Pferd spielend ein! Die beiden können uns nicht entwischen!« Fudge, Jeff, Stone und Web sahen ihn mürrisch an. Ihre Blicke waren Antwort genug. Sie hatten keine Lust, sich auch noch mit ihm anzulegen, solange sie den Anteil ihrer Beute nicht sicher in der Tasche hatten. Was dann geschehen würde, wußten sie noch nicht. Auf jeden Fall waren sie nicht bereit, ihn ungeschoren davonziehen zu lassen, falls er sein Versprechen nicht einlösen konnte. Bis dahin war er noch ihr Anführer. Scheiterte sein Vorhaben, war er eine Leiche. Sie sprachen kein Wort. Sie gingen schweigend auseinander und sattelten ihre Pferde. Dann ritten sie im Galopp durch das Buschland und schlugen einen Bogen um Vidalia. *
Ich befühlte das polierte Mahagoniholz und das weiße Damastleinen auf meiner Koje. »Nicht übel«, sagte ich immer wieder, »nicht schlecht! Im Krieg lag ich manchmal auf Brennesseln. In den Taschen trug ich meine Zündhütchen mit mir herum und ein paar Patronen, falls wir nachts von einer Patrouille im Schlaf überrascht wurden. Und jetzt …« Ich griff in meine Jackentasche und streute Zwanzig-DollarScheine auf mein Kopfkissen. Shita schaute mir mit schräggestelltem Kopf zu, als erwarte er jeden Moment, daß ich seine Steaks aus der Hosentasche zöge. Yancey Hope lag auf seiner Koje und rauchte eine seiner Mundstückzigaretten. Er hatte sie in Virginia extra für sich anfertigen lassen, hatte er mir erzählt. Sonderbare Glimmstengel, aber faszinierend. Sie hatten dort, wo man sie in den Mund nahm, einen dünnen Streifen aus Blattgold. »Das lenkt die Mitspieler ab, mein Junge«, hatte er mir erklärt. »Sie verlieren einen Moment die Konzentration. Ihre Gesichter entgleisen. Und sie verraten in diesem Augenblick, was sie in der Hand haben – eine Niete oder sicheres Geld. Man muß mit allen Tricks arbeiten, mein Junge, solange sie legal bleiben. Das ist oberstes Gebot, wenn man gewinnen und doch am Leben bleiben will. Ehrlich währt am längsten – auch am Pokertisch!« Ich sammelte meine Scheine wieder vom Kopfkissen auf und setzte mich an den Tisch unserer Erster-Klasse-Kammer. Ich schlug die Beine übereinander, um Shita den Weg unter meinen Sessel freizugeben. Auch Luxuskabinen auf einem Mississippi-Dampfer dieser Größe waren nicht gerade üppig, was die Grundfläche betraf. Dafür sparten sie nicht an Teppichen, Plüsch und Spiegelglas. Ich betrachtete Yancey Hope in seiner ganzen Pracht und Länge. Er war immer guter Dinge und voll Vertrauen in die Zukunft. Er war nicht ganz so blond wie ich, doch seine Augen hatten einen ähnlichen Glanz wie meine. Sie erinnerten an polierten Stahl. Und ich hatte schon in dem Spielsaloon beim Hafen von Vidalia bemerkt, wie hart Yancey sein konnte, wenn es darauf ankam. Und er war ehrlich. Das imponierte mir am meisten an ihm. Er redete nicht bloß davon, sondern Ehrlichkeit gehörte zu den
Prinzipien seines Lebens, wie er mir anvertraute. »Kannst du als Revolvermann mogeln? Nein. Kann ein guter Soldat seine Karriere mit Mogelei beschleunigen? Unmöglich. Und wer beim Spiel betrügt, wird bald keine Partner mehr finden, die sich von ihm das Geld aus der Tasche locken lassen. Eines Tages wird man ihn lynchen, und kein Sheriff wird einen Finger rühren, um das zu verhindern.« Ich holte meinen Colt aus der Halfter und polierte ihn auf Hochglanz. Ich lachte ihm ins Gesicht. »Wenn man als Spieler ein Vermögen erwirbt wie wir beide, muß man auch ein perfekter Revolvermann sein, wenn man sein Geld behalten will. Ein guter Revolvermann, kein ehrlicher.« Yancey schwang seine langen Beine von der Koje. »Da gebe ich dir gern recht, Partner. In diesen Spielsaloons der MississippiDampfer gibt es mehr Spieler als ehrliche Spieler. Wenn du eine Karte aufhebst, mußt du immer darauf gefaßt sein, daß dein Gegenüber sie genausogut sieht wie du – im Wandspiegel hinter deinem Rücken. Also lüftet man auf einem Mississippi-Dampfer nur eine Ecke von der Karte an. Und schirmt dabei die Karten mit dem Körper ab. Klar? Erstes Gebot für einen Spieler an Bord! Nie die Karten aufnehmen, nur kurz anlüften. Üben wir das mal hier vorm Spiegel?« Er nahm den Unterricht sehr ernst, mein neuer Partner. Er verdiente sich die paar Scheinchen, die ich von meinem Gewinn abgetreten hatte, wirklich sauer. Er probte mit mir bis in die tiefe Nacht und lehrte mich auch die Zeichensprache, die »Berufsspieler« verwenden, um sich gegenseitig ihre Karten zu signalisieren. Mit dem Griff an die Krawatte oder zur Brusttasche. Mit gespreizten und angewinkelten Fingern. Mit dem Fingerbohren im rechten oder linken Ohr. Mit Räuspern und Schneuzen und dem Anzünden einer Zigarette. Kurz, ich lernte, daß das Repertoire und die Erfindungsgabe der Falschspieler so unerschöpflich waren wie der Sand in den Wüsten Arizonas. Am erstaunlichsten war für mich, daß Yancey alle Tricks der Falschspieler besser zu beherrschen schien als diese Ganoven selbst. »Wenn man ehrlich bleiben will, Partner, muß man die schwarzen
Schafe sofort von den weißen unterscheiden können. Und das ist am Spieltisch gar nicht so leicht.« »Scheint so«, sagte ich erschöpft. Mir war ganz wirr im Kopf von dem vielen Proben und Auswendiglernen. »Ich hätte nicht gedacht, daß ein Berufsspieler so viel lernen muß wie ein verdammter Rechtsverdreher oder Quacksalber.« Yancey lächelte freundlich. »Noch mehr. Glaube mir, mein Junge, ein guter Pokerspieler hat alle Voraussetzungen, um Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Er kann bluffen, daß es niemand merkt, seine Gegner durchschauen, ohne daß sie es merken und zur rechten Zeit die richtige Karte ausspielen. Mehr, mein Junge, kann ein Präsident im Weißen Haus nämlich auch nicht.« Ich hütete mich, ihm zu widersprechen. Schließlich war er ja schon in Washington gewesen und noch dazu zehn Jahre älter als ich.
3. Kurz nach Mitternacht läutete Yancey dem Steward und bestellte für mich und sich eine Kanne extra starken Kaffee. »Jetzt wird es ernst, Partner. Jetzt sind sie unten im Spielsaloon so richtig heiß. Da kannst du deine ersten Gehversuche unternehmen.« »Du meinst – spielen?« fragte ich und unterdrückte mühsam ein Gähnen. »Können wir das nicht auf morgen verschieben?« Er schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Partner! Du mußt das, was du hier gelernt hast, sofort in die Praxis umsetzen. Sonst hast du bis morgen früh schon wieder die Hälfte vergessen.« Ich blickte Shita an. Der Bastard hatte alle viere von sich gestreckt. Er lag auf meinem Bett und schlief wie ein Toter. »Ich glaube, Shita ist auch nicht in Form. Ohne ihn rühre ich keine Karte an. Er ist mein Maskottchen.« »Dann wecken wir ihn eben«, erklärte mein Partner ungerührt. »Er braucht sowieso etwas Auslauf, und den kann er nur im Zwischendeck kriegen. Die Kabine hier, fürchte ich, ist für so einen großen Hund wie Shita gesundheitsschädlich. Er erkrankt an Klaustrophobie, wenn du ihn nicht alle paar Stunden durch die Decks jagst.«
»Was ist das – Klaustrodingsda?« »Das bekommt man in zu kleinen Räumen. Die Wahnvorstellung, in einem Käfig zu sitzen, der sich jeden Moment zusammenziehen könnte wie ein Schnürkorsett.« »Partner, mein Hund ist kerngesund. Und wenn er träumt, dann nur von Steaks und Knochen.« Der Steward brachte uns den Kaffee. Dabei wachte Shita von allein auf und mußte offenbar dringend ein Bedürfnis verrichten. Ich führte ihn hinauf auf das Oberdeck zu den Schornsteinen. Shita hatte ausgeschlafen. Er war putzmunter. Ich hatte keinen Vorwand mehr, meine Premiere als Spieler auf einem MississippiDampfer gegen ausgekochte Profis um einen Tag zu verschieben. * Hank Gunnison hatte zuviel versprochen. Er merkte das kurz hinter Vidalia. Der Mississippi wälzte sein breites, schlammgraues Wasser in vielen Windungen durch das fruchtbare Land. Die Strömung war gering, und an manchen Stellen sah es so aus, als stünde der Fluß still oder bewege sich sogar wieder nach Norden, zu seinen Quellen zurück. Die mächtigen Mississippi-Dampfer waren für Masse gebaut, nicht für Schnelligkeit wie ein Klipper oder ein Dampfboot der Marine. Bei der mäßigen Strömung liefen sie auch flußabwärts nicht viel Fahrt. Auf einem Pferd hätte man also die »Golden Cloud« mühelos einholen oder sogar überholen können, wäre nicht das Ufer des gewaltigen Stromes so sumpfig und grundlos gewesen, daß die Pferde an manchen Stellen nur im Schritt gehen konnten oder gewaltige Umwege unternehmen mußten. Damit hatte Hank Gunnison nicht gerechnet. Er kannte den Fluß nur zwischen Rodney und Vicksburg, und da gab es nicht viele Schleifen und Windungen, zwischen denen der Fluß bei seinen jährlichen Überschwemmungen sumpfige Wiesen und messerscharfes, mannshohes Schilf zurückließ. Dazu gesellten sich die verheerenden Moskitoschwärme, die
Reiter und Pferd schlimmer zusetzten als eine Posse von Deputys. Besonders Trumper, der noch immer aus der Nase blutete, hatte unter den Stechmücken zu leiden und wünschte Gunnison und die ganze Bande zum Teufel. Ein paarmal mußten sie kostbare Zeit opfern, weil eins der Pferde im Morast bis zum Bauch einsank und mit dem Lasso wieder herausgezogen werden mußte. Dann stritten sie sich, ob man nicht lieber einen großen Bogen nach Westen schlagen und dann auf einem befestigten Trail nach Baton Rouge reiten solle, der nächsten größeren Stadt, wo der Dampfer in einigen Tagen anlegen mußte. Die Mehrheit entschied sich dagegen. »Weiß der Teufel, was diese Halunken in ein paar Tagen mit unserem Geld anstellen«, maulte der rothaarige Fudge. »Sie verspielen es oder springen damit über Bord. Nein, darauf lasse ich mich nicht ein. Gunnison hat uns versprochen, daß er das Schiff noch heute einholt. Ich denke, er soll sein Wort auch halten!« Gunnison überhörte nicht den drohenden Unterton in der Stimme des Iren. Er wußte, daß er sich keinen zweiten Fehler mehr leisten durfte. Er konnte sich ausmalen, was ihm und Slade passierte, wenn ihm kein rettender Einfall half. Sie würden zwischen den Windungen des Mississippi im Moor begraben werden, mit ein paar Bleikugeln im Rücken. Hank Gunnison trieb seinen Wallach auf eine kleine Anhöhe. Millionen und Milliarden von Moskitos schwirrten im Abendlicht über den schwarzen Lachen des Sumpflandes. Dahinter breitete sich ein dichter Wald nach Westen aus. Schwärme von Wasservögeln kreisten über den kleinen Lagunen und Seen, die der mächtige Strom in der Ebene weit verstreut hatte. Und im Süden sah man schon wieder ein breites, rötlich glitzerndes Band im schwarzgrünen Waldund Buschland – dort wälzte der Red River seine Fluten von Westen heran und vereinigte sie mit dem Strom. Dort gab es kein Weiterkommen mehr für die Pferde. Verdammt, dachte Hank Gunnison, jetzt ist es aus. Ich werde mein Versprechen nie einlösen können. Da sah er ganz in seiner Nähe einen Dampfer. Sein Herz vollführte einen Freudensprung. Er hielt das Schiff zuerst für die »Golden
Cloud«. Nein – das war unmöglich. Die »Golden Cloud« mußte schon viel weiter südlich sein. Außerdem stand der Dampfer. Er war vertäut, und zwar an einem Steg am westlichen Ufer. Blieb nur das Problem, wie sie diesen Steg erreichten, ehe der Dampfer wieder ablegte. * Yancey Hope hatte sich einen tadellosen Scheitel durch die blonden Haare gezogen. Er trug eine grauschillernde Seidenweste unter einem braunroten Jackett, einen grauen Zylinder unter dem Arm, eine dazu passende graue Hose und schwarze Stiefeletten. Den Gürtel mit dem Colt hatte er in der Kabine gelassen, weil sich ein Patronengürtel nicht mit dem Stil seines Aufzugs vertrug. Er hatte nur zwei kleine, simple Derringer mit vier Patronen im Hosenbund. Auch ein junger Master von einer der texanischen Plantagen ging nie ohne eine Waffe zu einer Abendgesellschaft. Ich dagegen bildete einen schäbigen Kontrast zu seiner blendenden Erscheinung. Yancey hatte mir geraten, mich ganz neu einzukleiden. Auch an Bord eines Mississippi-Dampfers gab es eine Schneiderei, die mir sofort einen Anzug nach meinen Angaben angefertigt hätte. Aber der Anzug wäre erst bis Baton Rouge fertig gewesen, und so lange wollte mir Yancey ja keine Ruhezeit gönnen. Ich hatte noch das gleiche an, was ich aus Texas mitgebracht hatte: Kurze Texasstiefel, Segeltuchhose, kariertes Cottonhemd und eine Weste aus Büffelleder. Dazu kam noch Shita, mein struppiger Köter, der meinen Aufzug gewiß nicht eleganter gestaltete. Und ich bestand darauf, ihn in den Spielsaloon mitzunehmen, wenn ich schon meinen Colt beim Türsteher abgeben mußte. »Nein, Sir«, sagte der livrierte Neger vor dem Saloon, »Hunde sind nicht erlaubt, Sir.« »Aber er ist stubenrein«, sagte ich. »Und er frißt keine Dollars oder Chips.« »Mag sein, Sir. Aber ich habe meine Anweisungen.« Yancey wußte wie immer Rat. Er angelte eine Dollarnote aus
seiner Wesentasche, drehte sie langsam zwischen seinen schlanken Fingern zu einer Rolle zusammen, kniff sie zweimal und steckte sie dem Neger zwischen die goldenen Fangschnüre seiner Livree. »Dieser Hund«, sagte Yancey und deutete auf Shita, »sieht so aus, als gehöre er ins Zwischendeck. Das ist jedoch ein kolossaler Irrtum. Er reist, wie sein Herrchen, in einer Luxuskabine.« »Sehr wohl, Sir«, erwiderte der Neger mit einem tiefen Bückling, »das hatte ich nicht gewußt, Sir. Sie sehen beide nicht so aus.« »Eben«, erwiderte Yancey lächelnd, »sie reisen beide inkognito. Und wenn sich jemand beschweren sollte, sagen Sie eben, der Hund wäre Ihnen unbemerkt durch die Beine geschlüpft, Mac.« »Sehr wohl, Sir«, sagte der Neger und wandte sich an mich. Er vollführte jetzt sogar vor mir eine Verbeugung. »Trotzdem müssen Sie Ihren Colt an der Garderobe abgeben. Tut mir leid, Sir. Da können wir keine Ausnahmen gestatten.« »Solange ich dort meinen Hund nicht abgeben muß«, erwiderte ich achselzuckend und band meinen Gürtel ab. Ich fühlte mich fast nackt ohne den Colt, aber ich hatte zu meiner Verteidigung ja noch den Hund bei mir. Außerdem hatte mir Yancey versichert, daß die Stewards in den Spielsaloons der MississippiDampfer sofort eingriffen, wenn es Streit an den Spieltischen geben sollte. Sie kneifen beide Augen zu, solange es friedlich abgeht. Aber wenn jemand versucht, eine Waffe zu ziehen, fliegt er 'raus. Manchmal sogar über Bord. Yancey und ich nahmen Shita in die Mitte, damit er keinen Unfug anrichten konnte, und betraten den Spielsaal. Er sah genauso aus, wie Yancey ihn mir beschrieben hatte: voller Leute, Zigarrenrauch und Whiskydunst. Der Saal schien riesengroß zu sein, doch das war eine optische Täuschung der Spiegelwände. Links und rechts an den Seitenwänden war eine lange Bar eingerichtet. An der Rückwand breitete sich ein mit rotem Plüsch bespanntes Podium aus, auf dem Notenständer standen, aber keine Kapelle. Der Saal war anscheinend eine Mehrzweckhalle. Es gab sogar zwei Roulettische gleich am Saaleingang, doch die waren nicht besetzt.
»So was spielen nur Damen«, hatte Yancey abfällig bemerkt, »und die liegen jetzt schon im Bett.« Dahinter gab es große und kleine, ovale und viereckige Tische, die alle nur mit Herren besetzt waren, die Poker spielten. Livrierte Neger flitzten mit Getränken und Zigarrenkisten hin und her. Yancey bewegte das Gesicht witternd nach links und rechts. Dann deutete er mit dem Kopf in eine Richtung. »Dort – an dem großen Mitteltisch sind noch zwei Plätze frei«, raunte er mir zu. Wir drängten uns durch den Mittelgang, bis wir den Tisch erreichten. Er war bereits mit sechs Herren besetzt. Es war ein kreisrunder Tisch, an dem die Stühle in gleichmäßigen Abständen aufgestellt waren. Ein Mann in einem dunklen, unscheinbaren Frack rückte sofort in die Mitte, damit wir nicht nebeneinander sitzen konnten. Yancey rieb sich kurz über die Nasenspitze, während er sich setzte. Ich hatte es bereits kapiert. Zwischen uns sitzt ein Profi, der für die Gesellschaft arbeitet, der das Schiff gehört, bedeutete Yanceys Nasenreiben. Ich schob meinen Hund unter den Tisch und klemmte ihn zwischen die Beine. Drüben sitzt noch einer, signalisierte ich, indem ich den Daumen gegen das Kinn stemmte und mit der Faust dabei auf den Typen zeigte, der mir schräg gegenübersaß. Stimmt, kommentierte er kurz. Er hatte seine Brieftasche herausgeholt und tat so, als blicke er hinein. Es war ein getarntes Nicken. Ich unterdrückte ein Lächeln. Der Kaffee hatte mir gutgetan. Und ich hatte meine Lektionen vom Nachmittag offenbar gut gelernt. Mein Lampenfieber war plötzlich verflogen. Wir hatten beide vierzigtausend Dollar in der Tasche. Was konnte uns schon passieren? Ich ahnte natürlich nichts von dem Unheil, das sich am Ufer des Mississippi zusammenbraute. *
»Silver Bird«, stand in vergoldeten Lettern am Bug und Heck des Schaufelraddampfers, der an dem schmalen Steg vertäut war. Hier bildete der Mississippi eine breite Bucht. Ein Knüppeldamm führte von einer Handvoll Hütten bis zu diesem Steg. Über den Hütten flatterte eine Fahne an einem weißen Mast. Sie zeigte einen Anker und einen Schlüssel. Ein Wimpel mit den gleichen Symbolen hing an einem Flaggenstock am Heck des Dampfers. Hank Gunnisons Blicke wanderten zwischen den beiden Fahnen hin und her. »Scheint das Zeichen von so 'ner Reederei hier zu sein«, sagte er zu Slade, der mit seinem Pferd neben ihm hielt. »Ein schnittiger Kahn«, sagte Slade. Die übrigen Mitglieder der Bande hielten in den Büschen an, die den Knüppeldamm säumten. Auf dem Steg standen Ballen gepreßter Baumwolle und Stapel von Schnittholz. Neger mit nackten, schweißnassen Oberkörpern trugen die Ballen über das Fallreep an Deck des Raddampfers. Aus den hohen schmalen Doppelschornsteinen quoll schwarzer Rauch. Hank Gunnison schob sich die krausen Haare aus der Stirn und betrachtete nachdenklich das geschäftige Hin und Her auf dem Steg. Dann hatte er einen Entschluß gefaßt und drehte sich im Sattel um. »Ihr bleibt solange hier, bis ich euch das Zeichen gebe! Jeff, du paßt auf die Pferde auf. Wenn unser Plan gelingt, übernimmst du sie und bringst sie auf dem Trail nach Süden, wie wir es vereinbart haben. Ich gehe voraus und sehe mir den Kahn mal von der Nähe an!« Er stieg von seinem Wallach. Kurz darauf stand er auf dem Knüppeldamm, als unternähme er einen Abendspaziergang, und ging im gemütlichen Tempo auf den Steg zu. Die Neger beachteten ihn nicht. Sie warfen sich gegenseitig die Ballen zu und brachten sie im Dauerlauf an Deck. Das Schnittholz ließen sie auf dem Steg stehen. »Pardon«, sagte Hank Gunnison und schob sich zwischen zwei bepackten Negern durch auf das Fallreep. Dann ging er an Deck entlang, bis er zur Brücke hinaufsehen
konnte, wo der Kapitän in seiner blauen Jacke stand, die Schirmmütze im Genick. »Sir!« rief Hank Gunnison zur Brücke hinauf. »Mir scheint, ich komme ein wenig spät!« Der Kapitän beugte sich über die Reeling. »Wofür kommen Sie zu spät?« »Ich hatte gedacht, das wäre die ›Golden Cloud‹, Sir!« Der Kapitän schüttelte bedauernd den Kopf. »Die ›Golden Cloud‹ legt nur selten hier an, Mister! Da müssen Sie sich schon sehr viel Zeit gelassen haben, denn die ›Golden Cloud‹ hat bereits vor einer Dreiviertelstunde den Steg passiert! Das hier ist die ›Silver Bird‹!« Hank Gunnison schob seinen Hut schräg zur Seite und kratzte sich in den Kraushaaren, als wisse er gar nicht, was er nun tun solle. »Hm«, sagte er, »das ist aber sehr, sehr schade. Ich habe einen Freund an Bord der ›Golden Cloud‹, der sehr schwer krank ist. Am Herzen, wissen Sie? Ich wollte ihn noch einmal lebend sehen. Ich vermute, er wird es nicht überleben bis New Orleans. Kann sein, daß er schon in Baton Rouge das Zeitliche segnet. Und jetzt ist der Dampfer schon längst hier durch. So ein schnelles Schiff holt ja keiner mehr ein …« Hank Gunnison stand sehr betrübt unter der Brücke. »Was sagen Sie da, Mister?« rief der Kapitän ärgerlich über die Reeling. Der kranke Freund dieses Fremden ließ ihn kalt. Doch die Behauptung, die »Golden Cloud« sei ein schnelles Schiff, trieb ihm das Blut in das sonnengebräunte Gesicht. Er hob die Hand und hakte an den Fingern ab: »Die ›Golden Cloud‹ wäre schnell, sagen Sie? Das ist eine lahme Ente, Mister! Der Kasten ist doch nicht viel besser als ein schwimmendes Holzhaus mit 'nem Schornstein! Nicht eine Spur von Rasse in diesen schwimmenden Klötzen! Ich sage Ihnen, Mister, diese Dinger sind so kopflastig, daß sie sofort kentern, wenn man sie kräftig von Backbord oder Steuerbord anpustet. Und dazu nur ein einziges Schaufelrad am Heck!« Der Kapitän auf der Brücke schüttelte sich vor Entsetzen, daß er als Kapitän auf der »Golden Cloud« fahren müsse. »Die hole ich noch mit einem Floß und zwei kräftigen Pullern ein, Mister!« Hank Gunnison lächelte treuherzig zur Brücke hinauf. »Das wußte
ich nicht, Kapitän! Ich bin nur eine Landratte, und da dachte ich, es ginge bei den Dampfern nach der Größe …« »Du lieber Himmel!« erwiderte der Kapitän, schon wieder ein wenig versöhnt. »Schauen Sie mein Schiff an. So etwas nennt man einen Expreß-Liner! Wir stellen Eilfracht zu. Dafür ist der Kahn gebaut – für Schnelligkeit. Schmal, lang, schnittig. Zwei Schaufelräder an Steuerbord und Backbord. Und unter Deck, Mister, keinen Firlefanz wie auf diesen schwimmenden Elefanten! Alles Pferdestärken, Maschinen, Kraft!« Der Kapitän winkelte den rechten Arm an und deutete auf seine Muskeln. »So ist das«, sagte Gunnison, Bewunderung heuchelnd. »Kann man das Schiff denn auch besichtigen?« »Unmöglich, Mister! Wir haben unsere Zeit nicht gestohlen! Wir nehmen nur noch ein paar Ballen an Bord und dann ab …« Das Wort erstickte im Mund des Kapitäns. Er starrte in die Mündung von Gunnisons Colt. Gunnison war mit drei Sätzen oben bei ihm. »Sie nehmen uns mit, Kapitän«, sagte Gunnison gelassen. »Wir brauchen nämlich ein schnelles Schiff! Und versuchen Sie nur keine Dummheiten! Sonst blase ich Ihnen das Gehirn in den Mississippi!« Er blickte sich auf der Brücke um. »Wo ist die Leine oder der Hebel für Ihre Schiffssirene?« Der Kapitän deutete auf ein Seil mit einem Knoten, das neben dem Brückendach herabhing. Gunnison zog daran. Ein Quäken, als probiere ein riesiger Ochsenfrosch seine Stimmblase aus, hallte über das Wasser und den Knüppeldamm. Sechs bewaffnete Männer lösten sich aus dem Gebüsch neben dem Damm und enterten die »Silver Bird«. * Der Tisch in der Mitte des Saloons war von einer Menschentraube umlagert. Die beiden Berufsspieler, die ihr Geld vom Zahlmeister der »Golden Cloud« erhalten hatten, gaben den Stewards diskrete Handzeichen.
»Gentlemen, das geht nicht! Ziehen Sie sich bitte an die Bar zurück! Wer nicht mitspielt, bitte an die Bar zurück! Das Zuschauen beim Pokern ist leider nicht gestattet!« Die Menge wich widerwillig bis an die Theke links und rechts an der Saalwand zurück. Dort unterhielten sich die Gentlemen mit lebhaften Gesten und erhitzten Gesichtern, während die Barkeeper hin- und herflitzten und Whisky-Sour und kalten Plantagenpunsch in großen Gläsern servierten, damit die Gemüter sich wieder abkühlen konnten. »Kolossale Einsätze, haben Sie das gesehen?« sagte ein dicker Gentleman mit einer Goldbrokatweste zu seinem Nebenmann auf dem Barhocker, einem spanischen Senor mit malariagelbem Gesicht und viel Gold an den Fingern und im Gebiß. »Ich sah es«, erwiderte der spanische Senor, »aber ich interessiere mich nicht sehr für dieses Spiel. Bei uns auf Havanna würfeln wir lieber um Geld. Oder lassen Hähne um Einsätze kämpfen. Mit Kartenspielen schlagen wir nur die Zeit tot, wenn die Regenzeit anbricht. Ich meine, ehe man an Langeweile stirbt.« »Sie pokern nicht auf Havanna?« fragte der dicke Gentleman verwundert. »Ich dachte, die Spanier hätten Pfeffer im Blut! Pokern ist ein aufregendes Spiel!« Sein linker Nebenmann gähnte und drehte ihm ostentativ den Rücken zu. Der Gentleman in der Brokatweste schwang auf seinem Barhocker herum und redete auf seinen rechten Nebenmann ein: »Kolossale Einsätze, haben Sie das gesehen?« Jetzt war er an den Richtigen geraten, an einen der diskret im Saal verteilten Berufsspieler, die für die Reederei arbeiteten. Der Mann war gerade abgelöst worden, weil er sein ganzes Kapital verloren hatte, statt es zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Er blickte den Dicken mit gehässigen Augen an. Er war wegen Unfähigkeit vom Chef de Yeux abgelöst worden. »Geh an die Bar, Jimmy«, hatte er ihm zugeflüstert, »und saniere deine Nerven bei einem Whisky. Wir sprechen uns später noch.« Er mußte wahrscheinlich in New Orleans abmustern. So gut, wie man auf einem Mississippi-Dampfer als Berufsspieler verdienen konnte, verdiente höchstens ein Bankier sonst in Bosten oder New
York. »Sicher, Mister«, erwiderte der Berufsspieler böse. »Da können Sie ganz bestimmt nicht mithalten.« »Ich habe mehr Geld, als dieser verdammte Dampfer kostet, junger Mann!« entrüstete sich der Dicke. »Mag sein«, konterte der Berufsspieler verdrossen, »aber wenn Sie dort am Tisch mit den beiden blonden Jungen pokern würden, Sir, könnten Sie morgen früh ihr Frühstück nicht mehr bezahlen!«
4. Stone machte klar Deck. Er beförderte mit wuchtigen Fußtritten die Baumwollballen über die Reeling, wo sie sich behäbig im Kreis drehten, bis sie sich mit dem schlammigen Wasser wie Schwämme vollsogen und untergingen. Der kleine Web hatte seine Winchester auf die Reeling gelegt und kommandierte die eingeschüchterten Neger auf dem Steg herum. Web stammte aus Georgia und konnte Nigger nicht leiden. Schon gar nicht, seit die Südstaaten den Bürgerkrieg verloren hatten und die Nigger sich aufspielten, als wären sie weiße Gents. »Los, ihr verdammten Nigger!« bellte er. »Macht die Leinen los! Schiebt das Fallreep herüber, oder wie diese verdammte Hühnerleiter sich nennt, auf der ihr Krausköpfe herumgeturnt seid! Beeilt euch, ihr schwarzen Affen! Oder ich mache euch Gorillas zu Hacksteaks!« Der rothaarige Fudge paßte unter Deck auf den Maschinisten auf, daß der keine Dummheiten anstellte. Er hatte früher mal als Heizer bei der Eisenbahn gearbeitet und kannte sich einigermaßen mit Dampfmaschinen aus. Trumper stand auf dem Oberdeck bei den Schornsteinen und beobachtete den Knüppeldamm, daß keiner aus dem Depot mit einem Gewehr anrückte, um das Ablegemanöver zu stören. Wer von der Besatzung der »Silver Bird« Freiwache hatte oder unten im Maschinenraum nicht gebraucht wurde, lag vor ihm auf dem Bauch und hielt die Hände gefaltet im Genick. Gunnison stand auf der Brücke und drückte dem Kapitän des Schiffes seinen Colt gegen das Rückgrat. Slade lehnte sich hinter
dem Rudergänger an die Brückenwand und beobachtete mit gezogenem Colt jeden Handgriff, den der Mann am Ruder ausführte. »Ich sagte schon, ich habe einen Freund an Bord der ›Golden Cloud‹, Kapitän«, sagte Gunnison böse. »Das stimmt. Ich habe sogar zwei Freunde auf der lahmen Ente, wie Sie den Dampfer bezeichneten. Nun, dann ist es für Sie ja mit diesem schnellen Vogel kein Problem, die lahme Ente einzuholen. Ich denke, mit Volldampf voraus.« Der Kapitän verfluchte im stillen die Prahlerei mit seinem Schiff. Es stimmte, daß die »Golden Cloud« nichts anderes war als ein schwimmendes Hotel auf Pontons. Schwerfällig und völlig seeuntüchtig, wenn man es über die Mündung des Mississippi hinaus in den Golf von Mexiko jagte. Aber die »Golden Cloud« hatte auch ihre Vorzüge. Sie war nur für diesen Fluß gebaut. Der Mississippi hatte seine Tücken – Untiefen, Sandbänke, Strudel und Grundströmungen. Und gegen diese Tücken war die »Golden Cloud« dank ihrer Masse und ihres geringen Tiefgangs besser gewappnet als sein Expreßdampfer. Doch wie sollte er das jetzt diesem Banditen beibringen, der ihm den Revolver in den Rücken preßte? »Los, auf was warten wir denn noch?« knurrte der Gunman hinter seinem Rücken. »Volle Kraft voraus – ich fürchte, das geht nicht!« »Du willst mich wohl verschaukeln, wie? Eben noch erzählst du mir, daß du die lahme Ente spielend einholen könntest, und jetzt – Freundchen, du willst wohl nicht? Möchtest du vielleicht lieber nach New Orleans schwimmen?« »Ich – es wird bald dunkel, Sir. Hier gibt es viele Sandbänke und …« Der Revolver Gunnisons bohrte sich schmerzlich in die linke Niere des Kapitäns. »Mister, wir fahren volle Kraft, kapiert? Meine beiden Freunde haben nämlich mein Geld mitgenommen. Und wenn wir sie nicht so rasch wie möglich einholen, geben sie es aus. Verstehst du mich?« Der Kapitän zögerte noch immer. Der Schweiß stand ihm in dicken Perlen auf der Stirn. Es war Wahnsinn, bei diesem Licht mit voller Kraft voraus zu dampfen! Dieser Bandit hatte keine Ahnung,
was das bedeutete! »Ich sage, volle Kraft voraus!« brüllte Gunnison, der sich vor seinen Leuten keine Blöße mehr geben durfte. »Oder ich übernehme jetzt das Kommando!« Das wäre der Gipfel des Wahnsinns, diesem Kerl die Brücke zu überlassen, dachte der Kapitän und legte den Zeiger des Maschinentelegrafen auf volle Kraft voraus. Die Schaufelräder peitschten das dunkle Wasser. Der Dampfer raste hinaus in die Strömung des Mississippi. * Yancey Hope war in seinem Element. Er war ein sprühendes Feuerwerk guter Laune und erzählte Anekdoten, während er mischte und die Karten verteilte. Ich war der einzige, der darüber lachte. Denn mein Partner hatte inzwischen unser Kapital um fast zehntausend Dollar vermehrt. Und wir hatten uns darauf geeinigt, Gewinn und Verlust zu teilen. Ich hatte allerdings fast zehntausend Bucks verloren. Aber was schadete das! Mein Kapital hatte nur den Platz gewechselt. Es lag jetzt bei Yancey. Und den Rest der Summe hatten die anderen Spieler am Tisch beigesteuert. Ich hatte den Austausch der beiden Berufsspieler an unserem Tisch genau beobachtet. Der Mann, der mir jetzt gegenübersaß, war gut. Er mischte und verteilte die Karten so rasch und perfekt wie Yancey. Er war der beste Spieler, der mir bisher unter die Augen gekommen war, und war vielleicht noch einen Tick besser als Yancey Hope, mein Partner und Lehrmeister. Ich schätzte ihn auf Mitte Dreißig, und er spielte so kühl und gelassen wie ein Stockfisch in Aspik. Die dezent gekleideten Gentlemen, die an den Tischen sitzen wie gelangweilte Buchhalter beim Frühstück, hatte mir Yancey zugeflüstert, sind hier die Haie im Karpfenteich. Sie spielen für einen Geldgeber und erhalten ein Drittel vom Gewinn. Ihre Mittel sind unbegrenzt, aber wenn sie verlieren, werden sie gefeuert. Auf die mußt du aufpassen!
Das tat ich jetzt schon seit zwei Stunden. Mein Nebenmann, der ebenfalls zu den »Haien« gehörte, wie Yancey die Berufsspieler im Saal nannte, ordnete sein Spiel jetzt ganz dem neuen Spieler unter, der schräg gegenüber einen anderen Hai abgelöst hatte. Der abgelöste Berufsspieler saß entnervt an der Bar und ließ sich mit Whisky vollaufen. Er hatte eine Menge Geld an Yancey verloren. Der Gent, der seinen Platz eingenommen hatte, mußte ein Oberhai sein. Der Boß der Haie wahrscheinlich. Ein Meister seines Fachs. Er gewann einen Teil des Geldes, das sein Vorgänger an Yancey verloren hatte, wieder zurück. Yancey befand sich auf einmal auf der Verliererstraße. Trotzdem hielt seine sprühende Laune an. Meine nicht. Bei der dritten Runde, bei der der Oberhai mitmischte, gab es so etwas wie eine Vorentscheidung zwischen Yancey und ihm. Es war ein Duell, das fast eine Viertelstunde dauerte. Beide mußten ein vorzügliches Blatt haben. Alle anderen waren ausgestiegen. Nur die beiden rangelten noch um den Jackpot. Der Oberhai lächelte zum erstenmal, seit er Platz genommen hatte. Sie hatten beide vier von einer Sorte – einen Vierständer, wie man das nennt. Yancey hatte vier Buben, der Oberhai vier Damen. Der Oberhai lächelte und zog den Jackpot an sich. Ich war versucht, Shita einen wütenden Tritt zu geben, weil er mir andächtig den Knöchel leckte. Wir hatten inzwischen keine zehntausend Dollar mehr gewonnen. Yancey hatte fünftausend Kröten von unserem Grundkapital verspielt. Er lachte. Man muß rechtzeitig aussteigen können, dachte ich. Ich wollte mich von meinem Stuhl erheben, doch Yancey gab mir einen wütenden Tritt unter dem Tisch. Die nächste Runde war flau und lustlos. Irgendeiner von den Statisten, wie ich die Mitspieler nannte, die nicht zu den Profis gehörten, gewann ein paar lumpige hundert Dollar mit zwei Paaren. Mein Nebenmann, der zweite Profi am Tisch, gab als nächster. Ich paßte auf wie ein Luchs, doch er verteilte die Karten korrekt. Er hatte den ganzen Abend gewonnen und verloren und dabei sein Kapital so ungefähr gehalten. Er war gut, aber nicht so gut wie Yancey.
Yancey verlor wieder und lachte. Und dann kam es. In der sechsten Runde, seit der Oberhai bei uns Platz genommen hatte. Es geschah völlig unvermutet. Nur offenbar für Yancey nicht. Der Oberhai und der Unterhai hatten sich offenbar mit Signalen verständigt, daß sie diesmal Yancey eine Lektion erteilen wollten. Und das war ihr Fehler. Sie spielten jetzt beide eindeutig zusammen. Yancey hatte offenbar Schwierigkeiten gehabt, ihren Geheimcode zu entziffern. Doch jetzt hatte er ihn anscheinend geknackt. Der Unterhai heizte das Spiel an. Er bot stetig mehr. Der Oberhai lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete ihn mit seinen Stockfischaugen. Jedesmal, wenn der Unterhai ein paar Scheinchen auf den Tisch warf, bewegte er die Finger anders. Und wenn er sich dann zurückbewegte, auf seine Stuhllehne zu, nahm er einen Zug aus seiner Zigarette und blies den Qualm stoßweise durch die Nase wie ein Indianer, der Rauchsignale gibt. Was du kannst, kann ich auch, dachte ich, und gab rasch mein Blatt an Yancey durch, bevor ich paßte. Der Oberhai hatte das nicht bemerkt. Er war ganz fasziniert von den Rauchkünsten seines stillen Partners. Und Yancey lachte jetzt nicht mehr. Er studierte lange sein Blatt und setzte so zögernd, wie ich es in Vidalia im Gambling Saloon getan hatte, als ich das beste Blatt seit Monaten in der Hand gehalten hatte. Das Duell dauerte diesmal eine halbe Stunde. Yancey und der Oberhai stritten sich in den letzten fünf Minuten um den Jackpot. Am Tisch hielt jeder den Atem an, als die Entscheidung fallen mußte. Fünfundzwanzigtausend Dollar lagen auf dem Tisch. Der Oberhai legte feierlich sein Blatt auf den Filz. Er hatte einen Straight Flush, und mir rutschte das Herz unter den Tisch. Das war kaum zu überbieten! Yancey kaute erst auf der Unterlippe herum, während er das Blatt seines Gegners eingehend studierte. Dann breitete er seine Karten auf
dem Filz aus. Noch feierlicher als der Oberhai. »Nun?« sagte er lächelnd. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Yancey hatte ebenfalls einen Straight Flush. Nur mit dem Unterschied, daß sein Straight Flush um eine Sprosse höher anfing als der seines Gegenspielers und noch dazu eine bessere Farbe hatte. Ich gab Shita unter dem Tisch einen Tritt, daß er erschrocken aufjaulte. Yancey hatte mit dieser Runde unser Kapital wieder um fünfzehntausend Dollar vermehrt! Yancey zog die Scheine zu seinem Platz hinüber und fing sie mit seinem Zylinder auf. »Ich denke, ich habe genug«, sagte er. »Bei so sauer verdientem Geld bereitet es keinen Spaß mehr, weiterzuspielen.« Der Oberhai neben ihm war ganz grau im Gesicht geworden. Er hatte brillant gepokert, aber verlieren konnte er nicht so brillant. Sein Gesicht lief dunkel rot an. »Wie meinen Sie das, Sir?« schnarrte er. »Wollen Sie mir vielleicht vorwerfen, ich hätte mein Blatt nicht auf reelle Art und Weise erhalten, Sir?« »Das haben Sie, Mister«, konterte Yancey gelassen. »Aber Ihr Gegenüber raucht keine gute Marke Tabak. Er sollte mal das Etikett wechseln!« Der Oberhai kriegte blasse Lippen. Er mußte jedoch das Gesicht wahren. »Wollen Sie mich beleidigen, Sir?« schnarrte er, einen Tick lauter. »Durchaus nicht. Ich wollte Ihnen nur andeuten, daß ich den Dialekt der Dakota-Indianer ganz gut beherrsche. Sie sollten Ihre Rauchsignale auf Cheyenne oder Pawnee umstellen. Davon verstehe ich nämlich kein Wort!« Er erhob sich lächelnd vom Tisch. Ich folgte seinem Beispiel. Um fünfzehntausend Dollar reicher, einen knurrenden Hund an der Leine hinter uns herziehend, verließen wir die gastliche Stätte, bevor man uns hinauswerfen konnte. *
Der Mississippi war so breit, daß man im Dunklen das Ufer nicht mehr sehen konnte. Gischt sprühte vom Bug bis zur Brücke hinauf. Der Rudergänger hatte weiße Knöchel am Speichenrad, so sehr waren seine Nerven angespannt. Jeden Moment war er darauf gefaßt, mit dem Kopf durch die Scheibe zu fliegen, mit der sein Ruderstand verglast war. Er sah die lange dürre Gestalt des Mannes vor sich, der ihn mit dem Colt bedrohte. Sie zeichnete sich als Silhouette im Glas ab. Eine Silhouette, die hin und wieder durch einen glühenden Punkt ausgelöscht wurde. Der Gunman hinter ihm rauchte ununterbrochen. Ihm ist die Fahrt genauso unheimlich wie mir, dachte der Rudergänger. Das war allerdings nur ein schwacher Trost. Wenn sie bei diesem Tempo auf ein Stück Treibholz aufliefen oder auf eins der Wracks, die noch vom Krieg her im Schlamm des Flußbodens lagen, gingen sie alle baden. Und was das bedeutete, wußten er und der Alte ganz genau. Hier gab es Strudel, die so reißend waren wie Alligatoren. Man entging ihnen nicht. Sie zogen auch den besten Schwimmer in die Tiefe. »Anderthalb Faden, Sir!« schrie der Lotgast vom Bug, der dort mit dem Fadenlot hantierte. »Nur noch einen Faden!« setzte er rasch hinzu. Seine Stimme klang heiser. Der Kapitän nahm sofort den Hebel des Maschinentelegrafen auf halbe Fahrt zurück. »Hart Backbord, Tom!« rief er seinem Rudergänger zu. Tom kurbelte am Rad, als hätte er einen Eisberg im Mississippi vor sich. »Was soll das bedeuten?« brüllte Gunnison unbeherrscht. Er sah nur glattes offenes Wasser vor sich. Das Manöver des Kapitäns sollte ihn und seine Männer, die über das ganze Schiff verteilt waren, wohl nur aus dem Gleichgewicht bringen, damit die Mannschaft ihn und die Bande überwältigen konnte! Er stieß dem Kapitän den Lauf seines Colts zwischen die Schulterblätter, daß der Kapitän einen Wehruf ausstieß. »Teufel, Sir«, keuchte er, »Sie tun mir weh! Was soll das? Ich tue mein Bestes!«
»Sie gehen mit der Fahrt herunter und lassen Ihren Kahn Bocksprünge vollführen! Das gefällt mir nicht! Sie wollen uns wohl aufs Kreuz legen, wie?« »Ich befinde mich hier an der gefährlichsten Stelle des Flusses, und Sie Bastard wollen mir sagen, was ich zu tun habe!« »Ich schlage dir den Schädel ein, wenn du mich noch einmal beleidigst, du Hund«, erwiderte Gunnison drohend. Auch ihm ging die Fahrt gründlich auf die Nerven. Aber für ihn ging es dabei auch um Leben oder Tod. Wenn er das verspielte Geld ihrer gemeinsamen Beute nicht einholte, wurde er von seinen Leuten liquidiert. Der Rudergänger sprang für seinen Kapitän in die Bresche. »Es stimmt, was der Kapitän sagt!« rief er. »Das Wasser sieht hier so glatt aus. Aber darunter lauern ein paar Sandbänke und Riffe! Wir müssen mit der Geschwindigkeit herunter, sonst – ah! Teufel, da geht's schon los!« Er kurbelte wieder am Ruder. Diesmal nach Steuerbord. Ein schleifendes Geräusch drang von der Wasserlinie nach oben auf die Brücke. Der Lotgast am Bug hielt sich am Bugspiet fest und schimpfte wie ein Rohrspatz. »He, ihr Idioten da oben! Wollt ihr den Kahn auf Grund setzen?« Der Rudergänger formte eine obszöne Geste mit Daumen und Zeigefinger und deutete mit dem Kopf dabei hinter sich. »Wir sind durch, Sir«, meldete er dann dem Kapitän. Der Kapitän sagte nichts. Sein Gesicht sprach dafür Bände. »Na also«, meinte Gunnison, »nur nicht so zimperlich! Wir gehen wieder auf Volldampf, Mister Kapitän.« »Wir passieren aber gleich ein paar Stromschnellen! Da riskieren wir einen Bruch der Schaufelräder«, erwiderte der Kapitän grimmig. »Na, wenn schon«, sagte Gunnison und verlieh seinem Befehl wieder mit seinem Colt Nachdruck, den er dem Kapitän auf das Hüftbein schlug. »Solange Sie heilbleiben, Mister, wird es Ihr Schiff auch durchhalten. Das scheint aus besserem Material gebaut zu sein.« Der Bandenboß lächelte diabolisch. »Und länger als bis zur ›Golden Cloud‹ braucht beides nicht zu halten – Sie nicht, Kapitän, und Ihr Schiff auch nicht.« Dem Kapitän lief ein kalter Schauer über den Rücken, während er
den Maschinentelegrafen wieder bis zum vorderen Anschlag schob. * »Wenn das so weitergeht, Yancey«, sagte ich und teilte unseren Gewinn auf meiner Koje in zwei Hälften, »können wir uns noch das Schiff kaufen. Dann müssen die Profis für uns spielen, und wir legen uns den ganzen Tag auf Deck in die Sonne.« Yancey gähnte und zog seine weinrote Jacke aus. Seine beiden Derringer, die er unter seiner Seidenweste versteckt hatte, schob er jetzt unter sein Kopfkissen. »Junge«, sagte er, »so viel Glück an einem Tag hast du vielleicht alle zehn Jahre mal. Außerdem ist es mir ein bißchen unheimlich dabei. Kennst du nicht den Spruch von den Göttern, die jeden mit Glück überschütten, den sie ins Unglück stürzen wollen?« »Legst du deshalb deine Kanonen unter das Kopfkissen?« fragte ich lachend. Yancey zog seine Stiefeletten aus und bewegte die Zehen in seinen seidenen Socken hin und her. »Diese verfluchten Treter«, stöhnte er, ohne auf meine Frage einzugehen. »Ich kriege jedesmal Hühneraugen, wenn ich die Dinger anziehe.« »Vielleicht solltest du dir welche zulegen, die eine Nummer größer sind«, meinte ich. Er blickte mich mit seinen blauen Augen ernst und prüfend an. »Junge, sie sind mir bereits zwei Nummern zu groß. Ich wollte jetzt, ich hätte sie noch reichlicher gekauft, als ich mich in Saint Louis auf meine Mississippi-Reise vorbereitete.« Er deutete auf meine Texasstiefel. »Da bist du besser dran. Du hast nicht nur große Füße, sondern auch längere Schäfte als ich!« Ich verstand kein Wort und blickte ihn nur ratlos an. »Wovon redest du überhaupt, Partner?« »Von meinen Einlegesohlen, Junge.« Er griff in seine Stiefeletten und holte sie heraus. Es war eine merkwürdige grüne Sohle, ziemlich dick, erschien es mir. Dann sah ich die Köpfe von General Washington und das noch recht frische Gesicht von Präsident Lincoln darauf. Die Einlegesohle
bestand aus zusammengepreßten Fünfzig- und Hundert-DollarNoten. Und ein schweißverklebter Tausender hielt sie alle zusammen. »Der Notgroschen eines Spielers, Junge, muß immer gut versteckt werden. Morgen früh, wenn es hell ist, wechseln wir beim Zahlmeister ein paar Tausender und fertigen uns neue Einlegesohlen, klar?« »Aber wozu soll das gut sein«, fragte ich kopfschüttelnd. »Ich denke, hier an Bord sorgen die Stewards für Ruhe und Ordnung in den Spielsälen wie andernorts die Sheriffs und Marshals?« »Das gilt nur, solange gespielt wird, Ronco. Doch an Deck oder in deiner Kabine ist keiner vor Langfingern sicher. Außerdem wissen inzwischen mindestens ein paar Hundert Leute an Bord der ›Golden Cloud‹, daß wir ein kleines Vermögen mit uns herumtragen. Was wir nicht zum Spielen brauchen, hinterlegen wir gegen eine Quittung beim Zahlmeister. Der sperrt es in seinen Safe. Dort ist es fast so sicher wie auf einer Bank. Der Rest kommt als Einlegesohle in die Stiefel.« »Wenn du meinst, Partner«, erwiderte ich achselzuckend, »du bist schließlich der Profi mit langjähriger Erfahrung.« Ich schob ein paar Hunderter in meine Texasstiefel. »Shita«, sagte ich zu meinem Hund, »paß ja auf meine Stiefel auf.« Ich grinste. »Hoffentlich geraten wir nicht in die Verlegenheit, mit Damen spielen zu müssen. Ich könnte mir denken, daß sie gegen mich sehr schnell passen.« »Das nehme ich dir gern ab«, sagte Yancey lachend. »Auf so blonde, breitschultrige Typen wie dich fliegen sie. Das weiß ich auch aus eigener Erfahrung.« »Davon rede ich nicht«, sagte ich gähnend. »Ich meine, ich habe im Sommer schreckliche Schweißfüße, und wenn ich ein paar Dollarnoten aus meinem Stiefel ziehe, könnte es passieren …« Yancey winkte lachend ab. »Schütte etwas Duftwasser dazu. Dann riechen sie besser …« Es klopfte an der Kabinentür. Ich räumte schnell unseren Dollarsegen unter mein Kopfkissen. »Wer ist draußen?« fragte Yancey mißtrauisch. »Der Decksteward, Sir«, erwiderte eine höfliche Stimme vor der
Mahagonitür, »ich soll Ihnen beiden eine persönliche Einladung zum Dinner bringen, Sir. Der Herr Kapitän gibt sich die Ehre, Sie beide an seinen Tisch zu laden!« Yancey blickte mich kurz an. Ich nickte nur und rieb mir dabei das Kinn. Die Zeichensprache der Profis schien mir bereits in Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Mein Signal bedeutete: Der Junge ist in Ordnung. Ich erkenne seine Stimme wieder. Yancey deutete auf die Tür. Ich schob den Riegel zurück. Draußen stand tatsächlich der Steward. Doch hinter ihm lauerten zwei finstere Typen mit gezogenen Colts und trieben ihn vor sich her in unsere Kabine. Dann schleuderten sie den Steward zur Seite. Die beiden hatten sich Tücher vor ihre Visagen gebunden. »Nun reicht mal den Zaster 'rüber, den ihr heute abend gewonnen habt«, befahl der eine von ihnen barsch und vollführte eine unmißverständliche Bewegung mit seinem Navy-Colt.
5. Grau lichtete sich der Himmel über den Feldern im Osten. Sattes, dunkles Land, dunstverhangen, über das die Reiher zogen, noch torkelnd im Flug. Mit sprühendem Funkenflug stampfte die »Silver Bird« durch das schwarze Wasser des Mississippi. Die Decksplanken zitterten und bebten unter der Wucht der Kolben und Stangen, die seit Stunden unter Hochdruck arbeiteten, während der Heizer die Kessel immer wieder mit neuen Kohlen fütterte, halbtot von der Höllenhitze im Maschinenraum und vor Angst, weil einer der sechs Banditen an Bord ihn mit Kolbenstößen immer wieder zum Nachheizen zwang, obwohl der Dampfdruck bereits den kritischen Punkt erreicht hatte. Wir müssen den Kasten einholen – wir müssen ihn einholen, bevor es hell wird! Das hörten sie alle, die zur Mannschaft der »Silver Bird« gehörten. Sie mußten es bis zum Erbrechen wiederkäuen, während sie Puffe und Stöße in den Rücken erhielten. Die ganze Mannschaft betete im stillen, daß diese Höllenfahrt doch endlich ein Ende nehmen möge.
Der beste Ausweg war immer noch, aus den Maschinen das äußerste herauszuholen. Ein Sprung über Bord war genauso schlimm wie eine Explosion der Dampfkessel. Die »Golden Cloud« war ein mächtiges Schiff mit vielen Besatzungsmitgliedern. Wenn sie den Mississippi-Dampfer einholten, würden sie Notsignale abgeben und diese Schurken endlich überwältigen oder von Bord drängen können. Die Mannschaft tat jetzt alles, damit sie die »Golden Cloud« so rasch wie möglich einholten. Die »Golden Cloud« war ihre beste Überlebenschance. »Da ist sie!« rief der Rudergänger. »Hinter der nächsten Biegung!« Gunnison starrte über die Schulter des Kapitäns, dessen Handgriffe er seit Stunden überwachte. Er hatte ihm so genau auf die Finger gesehen, daß er sich zutraute, notfalls die Brücke selbst zu übernehmen, wenn er dem Kerl eine Kugel in den Rücken schießen mußte. Er atmete auf. Das würde jetzt nicht mehr nötig sein. Sie hatten es geschafft. Beinahe, dachte er grimmig. Das Schlimmste kommt noch. Er war sich darüber im klaren, was die kleine Mannschaft des Expreßschiffes jetzt dachte. Die Rettung lag vor ihnen, die Befreiung nahte. Ich werde euch einen dicken Strich durch eure heimliche Rechnung machen, dachte er. Ich werde euch so in Trab halten, daß ihr gar keine Zeit habt, an Rettung zu denken. Der Rudergänger warf einen fragenden Blick auf seinen Kapitän. Gunnison gab Slade ein Zeichen. Auch Slade hatte den Mann, den er bewachen sollte, keine Sekunde aus den Augen gelassen. Seine Augen waren schon ganz entzündet von dem Starren auf die Speichen des Ruders, die sich unablässig hin- und herbewegten wie ein verdammtes Roulettrad. Sie rochen die »Golden Cloud«, noch bevor sie die Silhouette ihrer Aufbauten und Schornsteine sahen. Die Bugwellen des mächtigen Mississippi-Liners, die von den Ufern zurückliefen, klatschten gegen die Bordwände der »Silver Bird«. Der kleine Raddampfer stampfte und schlingerte, während er auf die Biegung
zulief und dann den Kurs wieder nach Steuerbord hinüber wechselte. Ein paar Lichter schimmerten vor ihnen auf der trüben bewegten Flut. Die »Golden Cloud« – ein mächtiger schwarzer Turm mit zwei hohen Spitzen über dem Brückenhaus – schaufelte gemächlich in der Mitte der Fahrrinne. »Nur keine falschen Ideen jetzt«, knurrte Slade hinter dem Rücken des Rudergängers. Er hatte das Signal seines Bandenchefs richtig verstanden. »Trumper, Web, Stone!« brüllte Gunnison von der Brücke herunter. »Sagt Fudge unten im Maschinenraum Bescheid, er soll an Deck kommen! Und treibt die Mannschaft in ihre Kammern! Sperrt die Kerle ein! Wir brauchen Sie jetzt nicht mehr!« »Wird erledigt, Boß!« rief Stone aus dem Dunkel des Achterdecks. Sie waren mit ihrem Chef jetzt wieder versöhnt. Er hatte den wichtigsten Teil seines Versprechens erfüllt – den Mississippi-Dampfer einzuholen, auf dem sich ihre Beute befand. Und – sie würden ihre Beute noch vergrößern, wenn Gunnison seine gewohnte Kaltblütigkeit bewies. Mochte er auch ein schlechter Pokerspieler sein, als Bandenchef taugte er etwas. Gunnison sah die schattenhaften Bewegungen auf den Decks. Seine Leute spurten also. Er mußte nur noch den Kapitän dazu bringen, daß er genau das tat, was er von ihm verlangte. »Du gehst jetzt auf äußerste Kraft voraus, mein Junge«, blies er dem Kapitän von hinten ins Ohr. »Hol alles heraus, was deine Kessel hergeben. Du überholst dieses Monstrum links oder rechts. Egal wie, aber du überholst es!« »Die Fahrrinne erlaubt hier so etwas nicht«, erwiderte der Kapitän mit schweißnassem Gesicht. Er hatte die Hände in der Nähe der Dampfsirene. Aber Gunnison langte aus dem Dunkeln hervor und schlug ihm mit dem Lauf seiner Waffe hart auf die Finger. »Keine Zicken jetzt, Mann!« warnte Gunnison. »Ich kann das Manöver auch ohne dich ausführen. Ich lerne rasch!« Die Hand des Kapitäns wich nach links hinüber, zum Hebel des Telegrafen. »So ist es recht, Kapitän. Wenn du brav bist, überlebst du diese Fahrt.«
Das breite Heck mit dem riesigen Schaufelrad der »Golden Cloud« wurde rasch größer. Der Kapitän auf der Brücke ahnte nichts von dem Unheil, das hinter ihm heranbrauste. * Ich hatte meinen Colt schon abgeschnallt. Er lag mit meinem Patronengurt auf dem Bett, unter dem sich Shita verkrochen hatte, um seinen unterbrochenen Schlaf fortzusetzen. Mein Partner hatte rasch die beiden Arme gehoben. Er saß noch auf seiner Koje, in Hose und Hemd, die Krawatte schief unter dem Kragen. Er blickte zu dem Steward hinüber, der neben der Tür stand, blaß wie seine Dinnerjacke. »Scheißkerl«, sagte er verächtlich. Ich hätte nie gedacht, daß mein sonst so höflicher und ausgeglichener Partner solche Worte in den Mund nehmen würde. »Wieviel kriegst du von dem Geld ab, das sie dir versprochen haben, um hier eindringen zu können?« Der Steward war bestimmt kein Held. Kellner und Stewards lieben sicher nicht die Gefahr, sonst wären sie ja nicht das geworden, was sie sind – geschniegelte Typen, die servieren und Bücklinge ausführen. Aber irgend etwas mußte meinem Partner aufgefallen sein, daß er annahm, der Steward spielte nur den Gezwungenen. Oder vielleicht war Yancey auch nur wütend darüber, daß er seine Stiefeletten nicht mehr anhatte, in denen seine Reserven steckten. Ich hatte meine Texasstiefel wieder angezogen. Stiefel, deren Wert inzwischen auf zehntausend Dollar angewachsen war. »Du da – quatsch nicht! Reich das Geld herüber!« sagte der andere Maskierte jetzt, der links neben der Mahagonitür stand. Er rückte einen Schritt weiter auf dem Teppich vor. Unter meiner Koje wurde es laut. Shita knurrte. Jetzt wußte ich, was Yancey an dem Überfall so störte. Das konnte uns aber das Leben kosten, falls er aussprach, was ihn ärgerte. Ich mußte ihn rasch davon abhalten. Yancey war mir als Berufsspieler um Jahre voraus. Aber als Gunman und in kritischen Momenten, in denen Sekunden und Reaktionen auf eine Bedrohung mit der Waffe über Leben und Tod entschieden, war ich bestimmt genau so
kaltblütig wie er. »Das Geld liegt auf meinem Bett«, sagte ich rasch. »Sie brauchen es sich nur zu holen.« Ich hatte die Arme über dem Kopf und wich keine Handbreite vom Waschständer, neben dem ich stand. Ich wußte, daß Shita es den beiden schwermachen würde. Und darauf baute ich unsere Verteidigung auf. Yancey angelte sich mit den Zehen seine Stiefeletten heran. »Ihr Bastarde«, schimpfte er, um die Maskierten von seinen Reserven abzulenken. »Als Profis hätte ich euch mehr Ehrgefühl zugetraut. Oder plündert ihr uns etwa im Auftrag der Reederei aus, he?« Jetzt war es heraus, dachte ich. Die Bombe war geplatzt. Die beiden hatten gegen uns gespielt. Ich hatte sie ebenfalls an der Stimme erkannt. Der eine war der Profi, der vom Oberhai am Tisch abgelöst worden war, weil er sein ganzes Kapital verspielt hatte. Der andere hatte neben mir gesessen und mit »Rauchsignalen« seinen Kompagnon von meinen und seinen Chancen unterrichtet. »Das hätten Sie nicht sagen dürfen, Mister«, erklärte der Maskierte, der neben dem Steward an der Tür stand. »Damit bringen Sie sich in arge Schwierigkeiten. Jetzt verlieren Sie nicht nur Ihr Geld, sondern müssen auch noch von Bord gehen. Sofort.« »Mit einer Kugel im Leib?« erwiderte Yancey spöttisch und fuhr mit beiden Füßen in seine Stiefeletten. »Könnte sein, Mister. Wäre durchaus möglich.« »Dann wird das aber Ihre letzte Fahrt gewesen sein«, sagte ich. »Für Sie und Ihre Komplicen. Man wird Sie spätestens in New Orleans mit einer Posse abholen. Zum Galgen.« Der Maskierte, der sich an mein Bett heranarbeiten wollte, wandte mir kurz das maskierte Gesicht zu. »Wir werden bestimmt nicht in New Orleans abgeholt, Mister. Weil wir nämlich schon vorher von Bord gehen. Freiwillig. Und der Steward wird bezeugen, daß ihr beide aus Freude über euren Gewinn so viel Whisky getrunken habt, daß ihr über Bord gefallen seid. Aber das ist für euch nicht von Belang. Da seid ihr beide schon tot.« »Wenn das so ist«, sagte ich und brüllte ganz laut: »Shita – faß!«
Was sich jetzt abspielte, war ziemlich laut und chaotisch. Ich kann mich an die genaue Reihenfolge der Ereignisse nicht mehr genau erinnern. Ich weiß nur, daß es ein Jammer war wegen der schönen, teuren Sachen, die dabei in der Luxuskabine zu Bruch gingen. Zuerst einmal schoß Shita unter der Koje hervor wie ein Blitz mit Reißzähnen und gesträubtem Fell. Er fuhr dem Maskierten, der sich an mein Bett heranpirschte, an die gestreifte Hose und verkürzte sie mit einem Ruck um die Hälfte. Dann schnappte er nach der Wade des Maskierten und holte sich sein drittes Steak an diesem Abend. Es war bestimmt nicht das beste von den dreien, aber garantiert das frischeste. Der angegriffene Kabinenräuber stieß einen Schrei aus und versuchte mit seinem Navy-Colt, meinen Hund zu erschießen. Das lief genau nach Plan. Ich war schon mitten im Sprung auf mein Bett zu, wo mein Colt lag. Dort kollidierte ich mit dem anderen Maskierten, der an unser Geld heranwollte. Ich schlug ihm die Faust gegen den Arm, als er mir die Kugel in seinem Colt mitten ins Gesicht setzen wollte. Meine Trommelfelle dröhnten schrecklich, als der Schuß direkt vor mir losging. Die Kugel riß ein großes Loch in mein Kopfkissen und wirbelte Eiderdaunen in die Luft. Auch ein paar Dollarnoten flatterten rußgeschwärzt wie ein Schwarm grüner Tauben durch die Luxuskabine. Ich griff nach meinem Colt. Hinter mir ging ein Schuß los. Das Herz blieb mir einen Moment stehen. Ich weiß nicht, ob es gestattet ist, für die Seele eines Hundes zu beten. Auf jeden Fall tat ich das. Es war aber nicht mein treuer Shita, der neben mir winselte. Es war der zweite Maskierte. Er hatte ein kleines Loch in der Brust von einem der beiden Derringer, die Yancey, mein Partner, inzwischen unter seinem Kissen hervorgeangelt hatte. Die Szenerie wurde von Sekunde zu Sekunde weniger überschaubar, ganz abgesehen von dem vielen Pulverqualm, der zusammen mit den Daunen in der Kabine herumwirbelte. Der Steward versuchte jetzt, die Lage zu retten. Er hatte ebenfalls einen Colt bei sich. Aber er mußte ihn lange nicht mehr benutzt haben. Er fummelte mit dem Schloß herum, als müsse er es so blank
putzen wie das Tafelsilber, das nur in der Ersten Klasse verwendet wurde. Der hat Zeit, dachte ich also, und hieb erst dem Maskierten, der unser Geld unter dem Kopfkissen entdeckt hatte, den Lauf meines Navy-Colt links und rechts um die Ohren. Shita bellte wie verrückt dabei. Er saß dem Maskierten, dem er die Hose und Wade verkürzt hatte, auf der Brust und zog ihm das Jackett und das Hemd aus. Yancey und ich schossen gleichzeitig auf das letzte bedrohliche Element dieses Überfalls. Da ich dem Steward näher stand als Yancey, der immer noch auf seinem Bett hinter mir saß, traf ich den Steward auch um den Bruchteil einer Sekunde früher. Der Steward stand vor dem Kleiderschrank, der gleich neben der Kammertür in die Wand eingebaut war. Er sackte in die Knie. Ich hatte auf seine rechte Hand gezielt, in der er den Colt hielt. Auf diese kurze Entfernung hatte die Kugel jedoch eine solche Wucht, daß sie bis zum Spiegel durchschlug, mit dem der Wandschrank verkleidet war. Es knisterte, schepperte, krachte und knallte, daß es einem vom Zuhören ganz schlecht wurde. Dazwischen ertönte noch das Bellen meines Bastards, als wäre es nicht schon laut genug, und Yanceys wildes Fluchen, obwohl wir doch jetzt allen Grund hatte, uns zu freuen. Ich drehte mich halb zu seiner Koje um. Und dann begriff ich erst, daß das Bersten nicht allein von dem zerschossenen Spiegel stammte. Unser Bullauge in der Bordwand kriegte Sprünge und Falten. Im nächsten Moment kollerten wir alle wild durcheinander, als sich das mächtige Schiff auf die Seite legte. Die Lampe an der Decke zerbarst, und ein widerliches, durchdringendes Zischen ertönte. * Gunnison hatte die Beine hochgeschwungen und sich gegen die Säule gestemmt, in der der Kompaß herumkreiselte wie eine wild gewordene Tanzmaus. Er hielt den Kapitän mit beiden Händen an den Schultern fest. Dann erfolgte der Zusammenstoß mit der Bordwand, die neben ihnen aufragte wie ein Felsen im Grand
Canyon. Sie rammten die »Golden Cloud« an Steuerbord, am Vorderdeck, dicht vor der Brücke. Gunnison sah noch, wie der schnittige Bug der »Silver Bird« die Außenverkleidung des Zwischendecks wie eine große Plane zusammenfaltete. Es knirschte und polterte wie bei einem Erdbeben. Der Kapitän stöhnte, als die Schwerkraft sie beide nach vorn schleuderte, hinüber auf das knackende, knisternde, sich verbiegende Vorderdeck der »Golden Cloud«. Der Kapitän blutete am Kopf und an den Schultern. Er hatte einen Teil des Glases mitgenommen, mit dem die Instrumente auf seiner Brücke verkleidet gewesen waren. Gunnison kümmerte das nicht. Er hatte den Kapitän absichtlich als Prellbock benutzt. Seine Leute tauchten aus dem zischenden Dampf und dem Qualm auf, der die »Silver Bird« jetzt einhüllte. Die Maschine war jäh gestoppt worden. Die beiden Schaufelräder links und rechts glichen riesigen Vögeln mit gebrochenen Flügeln. »Alles gut gegangen!« schrie Trumper, der sich am letzten Morgen noch mit ihm geprügelt hatte. »Ein Glück, daß wir noch zwei Ballen Baumwolle an Bord hatten! Fudge und Stone knallten gegen die Aufbauten! Sie sehen aus wie Schneemänner!« Gunnison hörte schon nicht mehr hin. Über ihm ragte die mächtige Brücke der »Golden Cloud« auf. Da oben waren sie wohl noch wie gelähmt vor Schreck, daß so etwas an einer harmlosen Passage im Mississippi passieren konnte. Und diese Schrecksekunde mußte Gunnison rücksichtslos ausnutzen. Slade turnte neben ihm über das Deck auf den linken Schornstein der »Golden Cloud« zu, der schräg im Morgenlicht aufragte wie eine geknickte Douglastanne. Schwarzer Qualm drang aus den Seiten heraus statt oben aus der zwiebelförmigen Verdickung. Slade hielt eine Flinte mit den Zähnen fest und hantelte eine Gangway hinauf. Er verschwand in einer grauen Dunstwolke, die von der »Silver Bird« stammte. Das Expreß-Schiff, das mit seinem schlanken Bug in der mächtigen »Golden Cloud« verkeilt war wie ein Jagdhund, der einem Elch an die Kehle springt, sprühte Dampf aus allen Nähten. Irgend
etwas mußte unten im Maschinenraum beim Zusammenstoß geborsten sein. Die Schreie der eingesperrten Mannschaft konnte man bei dem Getümmel und Getöse, das jetzt an Deck des dicken MississippiPalastdampfers herrschte, nicht mehr hören. Nur das unheimliche Zischen der Dampfleitungen. Gunnison kletterte an einem dicken Tau nach oben. Er hatte keine Ahnung, wozu es gehörte. Hauptsache, es brachte ihn so schnell wie möglich zur Brücke hinauf. Er erschien wie ein Geist vor den entsetzten Augen des Kapitäns der »Golden Cloud«, der sein Schiff nicht mehr steuern konnte. Es trieb in der Fahrrinne des Mississippi wie ein riesiges Floß, von dem sich ein paar Stämme gelöst und quergestellt haben. Die Ruderketten waren vom Bug des rammenden Schiffes durchschnitten worden. In die Zwischen- und Unterdecks schien Wasser einzudringen. Man hörte Schreie, ängstliche Rufe, hin- und herlaufende Passagiere, Mannschaften und auch Tiere, die man als Fracht übernommen hatte. Es war ein schreckliches Chaos. Die meisten Passagiere schliefen in ihren Kabinen. Sie mußten bei dem furchtbaren Aufprall aus ihren Kojen geworfen worden sein und lösten gewiß eine Panik an Bord aus. Und da tauchte vor ihm, als wäre es der Schrecken nicht genug, noch ein bärtiges, mit Blut bespritztes Männergesicht auf, das einen Colt zwischen den Zähnen hielt, als lebten sie noch im finsteren sechzehnten oder siebzehnten Jahrhundert, als die Meere und Flußmündungen von Piraten verunsichert wurden. In der Tat geschah genau das: Das Schiff wurde geentert, als hätte die Gunnison-Bande in ihrer Laufbahn nie etwas anderes getan. Sie überfielen die »Golden Cloud«, als wäre sie nichts anderes als eine große schwimmende Bank. Daß man so etwas im Gesetzbuch Piraterie nannte, kümmerte sie nicht. Sie wollten ihr Geld zurückhaben, und als sie sahen, wie kopflos sich Mannschaften und Passagiere an Bord der »Golden Cloud« benahmen, wollten sie alles, was sich mitzunehmen lohnte.
6.
Draußen im Niedergang löste sich berstend die Vertäfelung von den Wänden. Unten im Spiegelsaal war das Getöse so laut, daß man es durch drei Decks hindurch hören konnte. Eine Frau schrie gellend nach ihrem Mann. Shita bellte wie verrückt. Er hatte es aufgegeben, dem Maskierten unter seinen Pfoten die Haare auszureißen. Er wollte 'raus aus der Kammer. Er spürte, daß man hier seines Lebens nicht mehr sicher war, und lief zur Tür. »Moment mal!« rief ich ihm nach. »Warte, bis mein Partner und ich so weit sind!« Shita blieb an der Tür stehen. Er winselte jetzt. Den Schwanz hatte er zwischen die Beine geklemmt. Das Schiff war ihm nicht mehr geheuer. Yancey zog sich fluchend seine Jacke über. »Junge«, sagte er, »ich hoffe, du kannst schwimmen!« »Du hoffst nicht vergeblich«, erwiderte ich. Er verzog sein hübsches Gesicht. »Ich habe leider vergessen, es zu lernen.« Ich starrte ihn an. »Verdammt«, sagte ich. »Das Geld, den Hund und dich gleichzeitig – das ist ein bißchen viel auf einmal.« »Quatsch«, fuhr er mich an. »Der Hund kann schwimmen. Jeder Hund kann das. Bleibt nur das Geld. Das nimmst du an dich. Ich behalte nur meine Notgroschen in den Einlegesohlen. Pack den Zaster in deine Reisetasche!« Ich gehorchte. Ich raffte alles gewonnene Geld zusammen und klemmte die Bügel ins Schloß. Mehr Gepäck hatte ich sowieso nicht. Die Tasche hatte ich hier an Bord gekauft. Von einem Vertreter für Lederwaren. »Ich kann dich Huckepack auf dem Rücken …« »Quatsch, Junge!« fuhr er mich noch einmal an. »Ich schnappe mir einen Balken oder eine Kiste und paddle an Land, wie es die Hunde tun. Hauptsache, mein Kopf bleibt über Wasser. Dann komme ich bestimmt klar. Wir sehen uns dann irgendwo wieder, spätestens in New Orleans.« »Aber wo in New Orleans?« fragte ich nervös. Das Schreien und
Brüllen der Passagiere, die kopflos in den Gängen auf den Decks der »Golden Cloud« herumliefen, ging mir an die Nieren. Dazu noch das Winseln von Shita. »Keine Ahnung, Junge. Klappere die Bordells ab. Da findest du mich bestimmt! Und wenn ich nicht in den Hurenhäusern zu erreichen bin, dann ganz bestimmt in einer Spielhölle im französischen Viertel.« »Geht klar«, murmelte ich, »aber was tun wir mit diesen drei Typen in unserer Kabine?« »Was sollen wir schon mit denen tun, Junge?« fragte Yancey ärgerlich. »Liegen lassen natürlich.« »Aber der eine ist doch nur bewußtlos …« Draußen knatterten ein paar Schüsse über das Deck. Dann brüllte eine Männerstimme: »Klamotten und Gepäck an Bord lassen. Darum kümmere ich mich und meine Leute!« Yancey hatte den Kopf schiefgelegt und horchte hinauf zum Oberdeck. »Das ist doch dieser schwarzgelockte Halunke, dem wir im ›Gambling Palace‹ in Vidalia das große Geld abgenommen haben!« Ich nickte nur. Ich hatte die Stimme ebenfalls wiedererkannt. Yancey trat auf mich zu und hieb mir beide Hände auf die Schultern: »Junge«, sagte er staunend, »du kannst stolz sein! Deinetwegen haben sie ein ganzes Schiff gerammt. Die suchen dich!« Ich schüttelte den Kopf. »Stolz darauf bin ich nicht unbedingt«, sagte ich mit einem schiefen Grinsen. »Ich denke nur, daß Eile jetzt nicht schaden könnte.« Er blickte mir in die Augen und drückte meine Schultern ganz fest: »Mach's gut, mein Freund. Es war eine Freude, mit dir zusammenzuspielen.« Ich schluckte. »Wir sehen uns ja bald am verabredeten Treffpunkt.« »Natürlich, Junge, natürlich. Aber ich würde jetzt an deiner Stelle einen anderen Ausgang wählen.« »Es gibt aber nur einen, die Treppe hinauf aufs Oberdeck!« Er schüttelte den Kopf und deutete auf das Bullauge. »Du verläßt das Schiff durch das Loch da, klar? Den Hund werfe ich dir nach.«
»Aber …« »Keine Widerrede, Junge! Du bist der Geldbote. Die müssen immer den sichersten Weg wählen – und der führt durch das Bullauge.« Er schob mich auf das geborstene Bullauge zu. Ich blickte hinaus. Ein weißer, warmer Nebel hüllte den Himmel und die geborstene Bordwand ein. Ich konnte nicht einmal das Wasser unter mir sehen. »Bis bald, Ronco!« »Bis …« Weiter gelangte ich nicht. Yancey schob mir die Tragbügel der Geldtasche zwischen die Zähne. Dann packte er mich hinten an meiner Lederjacke und stemmte mich hoch. Ich ging kopfüber von Bord. Ehe ich im Wasser aufklatschte, sah ich noch etwas Struppiges, das schon in der Luft mit allen vieren paddelte. * Neben mir trieb eine Kiste. Das Getöse in meinem Rücken war unbeschreiblich. Das Schreien und Kreischen der Passagiere an Bord des gerammten Luxusdampfers war schon höllisch genug. Doch am schlimmsten war dieses widerliche schrille Pfeifen und Zischen des heißen Dampfes, der aus dem anderen Schiff herausquoll, das unseren Dampfer gerammt hatte. Der Dampf hüllte alles ein wie mit warmer Watte. Ich sah kaum meinen Hund, der höchstens zwei Armlängen achteraus paddelte. Gottlob hatte der auch noch eine Nase, mit der er sich zurechtfand. Sonst wäre ich in dieser schrecklichen Suppe nur im Kreis herumgeschwommen. Das Wasser war kalt, aber nicht so eisig, daß es mir die Muskeln zusammengezogen hätte wie einem toten Frosch, den man galvanisiert. Ich dachte an meinen Freund Hope, und dabei wurde es mir etwas eng um die Brust. Hoffentlich war sein Name ein gutes Omen. Der Fluß mußte hier ein paar Meilen breit sein, und wer kein guter Schwimmer war und keinen Balken oder eine Kiste ergatterte, schaffte es nie bis ans rettende Ufer.
Es sei denn, der Fluß war nicht besonders tief. Ich wollte das testen und einen Moment auf Grund gehen. Doch da fiel mir das Geld in den Stiefeln ein. Ich durfte kein Risiko eingehen, sonst verlor ich sie möglicherweise im Schlamm und mit ihnen Einlegesohlen im Wert von zehntausend Dollar. Das Wasser vor mir bewegte sich hin und her. Die Strömung war nicht besonders groß, aber genügend, um mich rasch südwärts zu treiben, weg von dem Dampf und dem Geschrei in der weißen Nebelwolke. Shita paddelte, wie es ihm angeboren war – lautlos und ohne Spritzer. Einmal jaulte er kurz auf und vollführte dann eine scharfe Wendung stromabwärts. Teufel, durchfuhr es mich. Vielleicht ist das ein MississippiAlligator! Vielleicht gibt es die hier schon und nicht nur weiter unten, wo sich meilenweit Sümpfe und Tümpel am Ufer ausdehnen und der Fluß so breit ist wie ein See! Diese Biester sind … Weiter dachte ich nicht. Shita paddelte gelassen weiter. Ich sah jetzt seinen struppigen Kopf, der tief im dunklen Wasser lag. Ich spürte eine Turbulenz ganz tief unter meinem Bauch. Danke, Shita, dachte ich. Der Bastard hatte rechtzeitig eine jener tückischen Unterströmungen entdeckt und war ihr ausgewichen, bevor der Strudel ihn erfassen konnte. Eben wollte ich aufatmen, als hinter uns etwas explodierte. Der Krach war so laut, daß man ihn noch in Arkansas hören mußte, dachte ich, während ich hinuntertauchte in das schwarze, schlammige Wasser. Eins der beiden Schiffe mußte explodiert sein. Über mir regnete es Trümmer, Reisetaschen, Planken und was weiß Gott noch alles auf den Mississippi nieder. * Die Nebelwolke, die bisher wie ein Riesenberg aus Watte in der Flußmitte gelegen hatte, glühte von innen heraus. Sie drehte sich zu einem Zopf zusammen, der in den grauen Himmel hinaufstieg und
sich dort in ein graues Nichts auflöste. Die »Golden Cloude« brannte. Sie war jetzt kein schwimmender Holzpalast mehr mit weiß gestrichenen Aufbauten und goldenem Stuck an den Rahmen ihrer zahllosen Fenster und Bullaugen. Sie war ein Ungeheuer, das aus seinen Fensterhöhlen Rauch und Flammen spuckte. Und auf diesem brennenden Kasten wimmelte es noch von Ameisen, die brüllten, schrien und weinten und hinunterhüpften in das von den Flammen rotgefärbte Wasser. Der Kasten neigte sich allmählich nach hinten über. Man sah es an dem Schaufelrad am Heck, das kaum noch zu erkennen war. Aus den turmhohen Zwillingsschornsteinen drang kein Rauch mehr, während sonst aus fast allen Löchern in den Bord- und Deckwänden dunkler Qualm herausquoll. Das Schiff, das den mächtigen Flußdampfer in die Weiche gelaufen war, lag auf der Steuerbordseite der »Golden Cloud«, also meinen Blicken verborgen. Ich zweifelte jedoch, daß es noch vorhanden war. Die weißen Dampfwolken sprühten nicht mehr. Ich hätte wenigstens die Schornsteine des Dampfers über den Decks der brennenden »Golden Cloud« sehen müssen. Aber ich sah nichts dergleichen. Dafür trieben allerlei Dinge in meiner Nähe, die nur die Deutung zuließen, daß das unglückselige Schiff explodiert war. Ich paddelte weiter dem Ufer zu. Der Abstand zu den mir folgenden Schwimmern, die dem rettenden Ufer zustrebten, mußte mindestens eine halbe Meile betragen. Auf der bewegten Wasserfläche, die mit flüssiger Glut übergossen schien und so viel Licht verbreitete wie eine aufgehende Sonne, bewegte sich nichts, was nach einem menschlichen Kopf aussah. Ich mußte einer der ersten gewesen sein, der von Bord »gegangen« war. Ich hatte immer noch die Tasche zwischen den Zähnen. Das Ding sog sich allmählich so voll Wasser, daß ich kaum mehr Luft holen konnte. Meine Arme und besonders meine Beine verwandelten sich in Blei. Ich mußte wieder an Hope denken. Als Nichtschwimmer würde es ihm schwerfallen, das trockene Land zu erreichen. Ich sackte mit den Stiefeln ab. Verdammt, dachte ich und spreizte die Zehen. Euch darf ich um keinen Preis verlieren.
Ich verlor sie nicht. Ich berührte Grund. Er war seifig, aber nicht grundlos und mit scharfen Steinen hier und da durchsetzt. Ich watete jetzt vorwärts. Das Wasser wich nach unten, reichte mir nur noch bis zu den Achseln, dann bis zum Gürtel. Ich hatte es geschafft! Shita stand schon am Ufer und schaute zu mir zurück. Er schüttelte sich ununterbrochen. Das struppige Fell hatte sich an seinen Körper gelegt wie eine zweite Haut. Er sah aus wie ein geschorenes Schaf, erbärmlich schlank, fast dürr. In Gedanken versprach ich ihm wieder ein saftiges Steak, falls man hier in der Nähe so etwas kaufen konnte. Das Ufer sah nicht danach aus. Ich watete jetzt durch das flache Wasser, stolperte über ein paar Wurzeln im schlammigen Wasser, rappelte mich wieder auf, verlor einen Stiefel, tauchte blitzschnell danach und beschloß dann, die letzten fünfzig Yards doch noch zu schwimmen. Dann stemmte ich mich hinauf in das verfilzte Durcheinander von Schilf, Sträuchern, abgestorbenen Ästen, umgestürzten Bäumen und mannshohen Nesseln. Shita leckte mir das Gesicht ab. Und dann überschüttete er mich mit Schlamm und Wasser aus seinem Fell. * Ich folgte der Nase von Shita. Das Dickicht und das Schilf am Ufer schoben sich wie eine Wand zwischen uns und das brennende Schiff auf dem Fluß. Irgend etwas quakte dumpf in meiner Nähe. Ich befand mich plötzlich wieder im tiefsten Schatten der Nacht, tappte durch Röhricht und Gräser, die größer waren als ich selbst. Ich hörte das schleifende Geräusch meines Hundes im taufeuchten Unkraut. Ich sprang ihm nach, stolpernd, keuchend, mit quietschenden Stiefelsohlen. Shita mußte eine ganz bestimmte Witterung in der Nase haben. Eine Witterung, die ihn höllisch zu interessieren schien. Vielleicht hat er schon wieder Hunger, dachte ich benommen. Das Schwimmen hatte mich mehr angestrengt als den Hund. Kunststück,
dachte ich wütend, du hattest nichts anderes an als dein Fell, während ich mich mit fast dreißigtausend Dollar in aufgeweichten Scheinen abplagen mußte. Vor mir tauchte etwas noch Dunkleres auf. Ein Wald offenbar, von dem ich nur die Kronen der Bäume als schwarze, bewegte Schatten erkennen konnte. Das Röhricht und die mannshohen Gräser hörten plötzlich auf. Der Boden wurde härter und verlor seine schwammige Feuchtigkeit. Ich spürte Steine, rundes Holz, in Sand oder Kies eingebettet. Ein Fahrweg oder ein Knüppeldamm, schoß es mir durch den Kopf. Shita blieb plötzlich stehen, die Zunge hing weit aus der spitzen Schnauze heraus, die Ohren hätte er hochgestellt. Weiden wuchsen hier auf einer Art von Böschung, die steil zu dem Trail abfiel. Shita kroch rückwärts in die schlanken, biegsamen Gerten zurück. Er mußte etwas gewittert haben, das auf uns zukam. Ich hörte Hufschläge, eine Menge Hufschläge. Mindestens sechs, sieben Pferde, überlegte ich, auf das dumpfe Pochen lauschend, das auf den Knüppeln durch den dunklen Wald widerhallte. Eine Posse? Am frühen Morgen? Oder ein Trupp Kavallerie, der die Fackel in der Mitte der Fahrrinne des Mississippi entdeckt hatte? Ich bereitete mich darauf vor, auf den Trail hinunterzuspringen und die Pferde anzuhalten, die sich im Galopp rasch näherten. Shita war schneller. Er setzte in einem weiten Sprung aus den Gerten heraus, gab keinen Laut von sich und fuhr einer Silhouette an die Brust oder an den Hals, einer Silhouette mit einem Gewehr im Scabbard und einem breiten Hut mit heruntergebogener Krempe auf dem Kopf. Das Pferd wieherte erschrocken, auf dem die Silhouette saß. Es stieg mit den Vorbeinen senkrecht in die Luft und warf den Reiter und den Hund ab, der sich knurrend in den Reiter verbissen hatte. Offenbar versuchte er wieder, den Mann auszuziehen. »Shita!« schrie ich oben zwischen den Weiden. »Shita – loslassen! Paß auf die Pferde auf!« Er hörte es nicht. Er rollte mit dem Reiter, der noch keinen Laut von sich gegeben hatte, auf die Böschung zu, auf der ich unter den Weiden kauerte.
Erst jetzt zählte ich die Pferde, die sich tänzelnd und schnaubend in einer langen Leine verhedderten und dann mit hängenden Köpfen und bebenden Flanken auf dem Knüppeldamm stehenblieben. Es waren alles gesattelte Pferde, aber ohne Reiter. Ein einziger Mann hatte sieben Pferde offenbar die ganze Nacht hindurch im scharfen Tempo vorangetrieben. »Ich brauche zwar zwei Pferde, Shita, aber deswegen kannst du doch nicht gleich einem Mann die Kehle durchbeißen!« schimpfte ich. Der Mann bewegte sich jetzt fluchend unter meinem noch vor Nässe triefenden Hund. »Verflucht!« stieß er heiser hervor. »Pfeif den Köter zurück, du Bastard. Oder schickt dich etwa Gunnison hierher, um mich auf so brutale Weise anzuhalten? Ist etwas schiefgegangen?« »Gunnison?« wiederholte ich rasch. »Hank Gunnison, der seinem Geld nachjagt?« Der Mann unter mir wurde still. Dann zuckte seine Rechte nach unten, aber Shita hatte ihn sofort wieder am Handgelenk. »Verdammte Bestie!« schimpfte der Mann, »verdammte …« »Suchst du vielleicht das, du Hurensohn?« rief ich, von plötzlichem Übermut gepackt, schwang mich hinunter auf den Knüppeldamm und öffnete die Bügel meiner Reisetasche. Ich hielt sie so in das Licht des Feuers, das in der Mitte des Stromes inzwischen in den Himmel loderte wie hochaufgestapelte brennende Petroleumfässer. »Suchst du das?« Das schlammige Mississippiwasser lief dem Mann mit der Knollennase in den Mund, als ich die Tasche seitlich kippte, damit er die nassen Dollarscheine sehen konnte. Ein paar Flaumfedern waren auch darunter. Aber er sah genug. »Unser Geld!« knurrte er. »Gib sofort die Tasche her!« Er wollte danach greifen, aber der Hund hinderte ihn daran. Mein Colt schnellte aus der Halfter. Ich zog ihn mit der linken, während ich dem Banditen – denn zweifellos gehörte er zu Gunnisons Bande – die Dollars vor die Nase hielt. Und während ihm noch die Stielaugen aus dem Stoppelgesicht herauswuchsen, schlug ich zu. Denn als Feuerwaffe war mein Navy-Colt vorläufig nicht zu
gebrauchen. Er war genauso mit Schlamm verstopft wie meine Texasstiefel. Er sah den Kolben auf sich zurasen. Aber es war schon zu spät, ihm auszuweichen. Ich war damals erst achtzehn Jahre alt. Doch meine Handschrift war bereits ausgereift. Er sackte zusammen wie ein gequetschter Kartoffelsack und gab keinen Laut mehr von sich. »Laß ihn los, Shita«, befahl ich leise. »Ich muß den Kerl ins Gebüsch ziehen!« Shita ließ nicht los. Er half mir lieber beim Ziehen. * Dann fing ich mit Shitas Hilfe die Pferde ein. Shita mußte schon in frühester Jugend gelernt haben, wie man Mustangs oder Rinder treibt, ohne daß sie irre werden. Er erledigte das mit einer überraschenden Rücksichtnahme auf die überreizten Nerven der abgetriebenen Tiere. »Brav, Shita«, lobte ich ihn. Ich schnürte die Zügel der Pferde wieder an die lange Leine, befestigte diese um einen Baum und beschäftigte mich erneut mit dem bewußtlosen Galgenvogel. Ich fesselte ihm die Hände auf dem Rücken. Die Beine ließ ich ihm frei. Falls man ihn hier nicht rechtzeitig fand, sollte er wenigstens die Gelegenheit erhalten, vor den Moskitos davonzulaufen. »Du paßt jetzt auf die Pferde auf!« befahl ich Shita und warnte ihn mit erhobenem Zeigefinger, nur ja keinen Laut von sich zu geben. Er sah mich mit seinen klugen Augen an und stellte den Kopf dabei schief. Das bedeutete, er hatte es gefressen. »Und rühr dich nicht von der Stelle! Ich bin gleich wieder da! Ich muß nur noch unseren Freund Yancey suchen. Und zum Frühstück verspreche ich dir zwei Steaks, wenn ich ihn gefunden habe und du keine Reiter mehr anknabberst. Klar?« Er stellte den Kopf auf Steuerbord. Das war bei ihm ein heiliges Versprechen, ruhig zu sein und dort zu warten, wo man ihn hinsetzte.
Die Tasche wollte ich ihm nicht anvertrauen. Sieben Pferde und einen Dollarschatz auf einmal zu bewachen, das ist selbst für einen Menschen zuviel. Ich hätte ihn damit überfordert. Ich nahm den trockenen Colt des gefesselten Banditen mit und ließ ihm dafür meinen da, mit dem er doch nichts anfangen konnte. Ich kroch auf der Spur zurück, die wir beide durch das mannshohe Röhricht und den Schilf gezogen hatten. Ich lief geduckt, heißt das, und manchmal, wenn mir der grelle Schein des Feuers auf dem Fluß zu gefährlich erschien, robbte ich auch auf Knien und Ellenbogen. Auf dem halben Weg hielt ich an. Am Ufer drängte sich inzwischen eine Menge Leute, die meisten halbnackt oder fast nackt in klitschnassen Nachthemden oder Pyjamas. Sie wurden von fünf oder sechs Leuten schikaniert, die den wenigen, die in voller Bekleidung das rettende Ufer erreicht hatten, die Taschen und Jacken ausleerten. Ich erkannte ihn sofort. Meine Vermutung wurde endgültig bestätigt. Hank Gunnison mußte ein Rettungsfloß für sich und seine Leute erbeutet haben, auf dem sich Gepäckstücke stapelten. Ihre Colts und ihre Jacken waren trocken, und sie hatten auch ihre Kräfte bei ihrer Flucht ans trockene Ufer geschont. Das hörte ich deutlich, als Gunnison die Schiffbrüchigen anschrie: »Wo sind diese beiden Kerle? Wo sind sie? Sie können unmöglich ertrunken sein! Nicht an der Stelle, wo es ganz tief ist! Unmöglich! Wir haben aufgepaßt!« Gunnisons Brüllen glich einer Selbstbeschwörung. Er mußte an das glauben, was er predigte. Denn obwohl er eine ganz hübsche Beute auf seinem Floß zusammengebracht hatte, schien er mit dem Ergebnis seines Piratenüberfalls nicht zufrieden zu sein. Es ging ihm wohl eher um sein Ansehen als Bandenchef als um die Höhe der Beute. Er schien seinen Leuten versprochen zu haben, das Geld, das er an mich verspielt hatte, zurückzuholen. Und mir wurde auch klar, warum. Es war nicht sein Geld gewesen, das er in Vidalia verloren hatte. Es war gemeinsames Geld und gehörte allen diesen Galgenstricken, die dort die bedauernswerten Schiffbrüchigen filzten. Hatte ich also schmutziges Geld in der Reisetasche? Geld, das
unrechtmäßig erworben worden war? Ich schüttelte den Kopf. Den Ursprung von Geld kann man nicht nachweisen. Es wandert durch saubere und schmutzige Hände. Ich mußte mir über die Konsequenz der Worte erst klar werden, die ich eben gehört hatte. Vielleicht klebte sogar Blut an dem Geld, das ich im Spiel gewonnen hatte. Das war im Augenblick nicht wichtig. Ich suchte das Ufer nach Yancey Hope, meinem Partner, ab. Ich entdeckte ihn nicht. Mir wurde kalt im Magen. Ich fror plötzlich. Meine nassen Kleider wurden zu Eis. Im Grunde verdankte ich ihm mein Leben. Er hatte in dem »Gambling Palace« verhindert, daß ich eine Kugel einfing. Und er war ehrlich. Wo gab es das schon nach dem Bürgerkrieg, als sich das Gesetz der Gewalt zur Richtschnur der Gerechtigkeit entwickelt hatte? Ich trauerte jetzt um ihn. Ich schrieb ihn ab. Ich war noch so jung. Freundschaft und Fairneß hatte ich selten erfahren. Und unter der Härte, die das Leben mir bereits anerzogen hatte, tobte noch der Vulkan der Gefühle. Ich war nicht abgebrüht. Ich würde es wohl nie werden. Ich blieb lange im Schilf liegen und beobachtete das hell erleuchtete Ufer, während die treibende Fackel draußen auf dem Fluß langsam in der Flut versank. Es wateten keine Schiffbrüchigen mehr ans Ufer, weder tot noch lebendig. Tote, dachte ich, würden sowieso weiter nach Süden abgetrieben werden. Yancey war nicht unter den Geretteten. Aber dann fiel mir ein, daß er vielleicht hinüber zum anderen Ufer entkommen war. Oder sich an einen Balken klammerte, der mit der Strömung weiter nach Süden trieb. Alles war möglich. Diese Stelle am Ufer lag zwar der Unglücksstelle am nächsten, und die Strömung trieb jeden Schwimmer in diese Richtung bevor die Landzunge zu meiner Rechten den Fluß in einen stillen Teich verwandelte. Alles war möglich, dachte ich noch einmal und faßte wieder Zuversicht. »Dort führt eine Spur vom Ufer weg!« rief einer der bewaffneten Kerle, die zu Gunnison gehörten.
Es war höchste Zeit, daß ich wieder zu meinem Hund zurückkehrte.
7. Sie folgten mir. Sie wußten zwar nicht, daß ich vor ihnen herlief, aber sie untersuchten die Spur im Ried und mannshohen Gras. Mein Vorsprung war gering, doch ich vergrößerte ihn rasch. Shita erwartete mich mit gespitzten Ohren. Er witterte meine Verfolger. Auf dem Fluß erlosch die Fackel. Das Licht des Morgens war inzwischen ein schmutziggraues Gelb geworden. Für eine Verfolgung im hohen Gras oder unter Cottonwood-Bäumen taugte es noch nicht viel. Ich schwang mich auf das Pferd, das mir am kräftigsten erschien, befestigte die Tasche mit dem gewonnenen Geld am Sattelhorn und galoppierte nach Süden davon. Die Pferde nahm ich natürlich mit. Ich hörte noch einen Schuß hinter mir und überraschte, erschrockene Rufe. Anscheinend hatten sie ihren Kumpan gefunden, den ich gefesselt in den Weidenbüschen zurückgelassen hatte. * Ich richtete mich nach der aufgehenden Sonne. Ich wußte, daß New Orleans im Südosten lag, aber noch weit entfernt von der Stelle, wo ich gestrandet war. Ich wußte auch, daß der Mississippi Haken schlug, die manchmal zwanzig Meilen von seinem Lauf nach Südosten abwichen. Ich befand mich auf dem Ufer, das die Grenze von Louisiana darstellte, und das war das Westufer des Stroms. Das war ein verdammtes Handicap, denn ich mußte über den Fluß setzen, wenn ich eine Abkürzung nach New Orleans benutzen wollte. Auf dem Westufer war der Trail nach New Orleans mindestens dreimal so weit, weil er den weiten Bogen des Flußtales nach Südwesten mitmachen mußte, ehe es zum Lake Pintchartrain nach Osten einschwenkte. Ich hatte zwar gute Pferde bei mir, aber dafür auch den dreifachen Weg bis nach New Orleans. Und dort mußte ich hin, wenn ich die
Chance wahrnehmen wollte, Yancey Hope in diesem Leben wiederzusehen. Die Chance war nicht sehr groß. Aber ein Spieler – und dafür hielt ich mich inzwischen – muß jede Chance nutzen, weil ihn sonst das Glück verläßt. Außerdem war ich verpflichtet, Yancey in New Orleans zu suchen. Ich konnte sein Vertrauen nicht mit Unzuverlässigkeit beantworten. Ich ritt also nach Südwesten, weg vom Strom. Ich wollte keine Zeit damit verlieren, den Schlangenwindungen des Mississippi zu folgen. Noch etwa dreißig Meilen, dachte ich, würde ich nach Süden abschwenken. Das weitere würde sich unterwegs schon finden. Gunnison und seine Leute würden meiner Spur folgen, sobald sie wieder beweglich waren. Auch das war mir klar. Ich benutzte zunächst keine Überlandstraßen, sondern Feldwege, Maisfelder, auch Weideflächen, soweit sie nicht von diesen verdammten Stacheldrähten umgeben waren. Diese Unsitte breitete sich hier schon aus. Das Land war zunächst flach wie ein Brett – ein wogendes, weites grünes Land, über dem ein blaugrauer Dunst unter einem Himmel lag, der stumpf wie Schiefer war. Was für ein gewaltiger Gegensatz zu der Prärie im Westen, woher ich gekommen war. Wasser in Überfluß, die Luft und der Himmel gesättigt mit Feuchtigkeit, die Erde fruchtbar vom Schlamm der Flüsse. Nebel selbst im Sommer. Alles so ungewohnt für mich. Meine Kleider wollten nicht trocken werden. Besser nasse Kleider, dachte ich, als die Zunge wie Blei oder am Gaumen klebend vor Durst. Shita lief vor den Pferden her und machte den Scout für mich. Er warnte mich vor Zäunen und sumpfigen Gräben, die man in diesem üppigen Grün viel zu spät bemerkte. Jetzt ging es leicht bergan, kaum zu merken, wenn man den Horizont betrachtete. Aber der Boden wurde trockener, und manchmal stieß ich auf harten Ton oder sogar auf Sand. Ein Trail lief von Nordwesten auf mich zu. Eine kleine Kuppe, auf der ein paar Bäume wuchsen, diente mir zur Orientierung. Dort war
ein verwittertes Schild, das schräg hinauf in den Himmel wies. Dorthin ging es zu einer verdammten Farm, die zehn Meilen entfernt sein sollte. Aber dort, wo das Schild hinzeigte, gab es nur Nebel über einem verdammten See. Wohin der Trail führte, war nicht auf der Tafel verzeichnet. Ich sah Hufspuren darauf. Sie liefen nach Südosten. Das war meine Richtung. Ich folgte dem Trail. * Ich wechselte das Pferd. Mein Wallach zeigte Ermüdungserscheinungen. Das heißt, alle Pferde stolperten öfter, als es ihren Beinen guttun konnte. Schweißflocken klebten in ihren Fellen wie eingetrocknete Spucke. Auch Shita lief nicht mehr so gut wie am Anfang. Er drehte kaum noch den Kopf zu mir um. Er lief mit hängendem Schwanz, die Zunge dicht über dem Boden. Der Trail führte jetzt durch einen Wald voll Erlen und zähem Gestrüpp, zwischen denen sich ölige Wasserpfützen ausbreiteten. Dann stieß ich auf eine Lichtung mit einem langgestreckten Blockhaus und zwei Schuppen dahinter. Der Zaun um das Anwesen herum versank fast im hohen Gras. Ich sah Rauch über dem Schornstein, der als langes Rohr aus der Blockhütte herausragte. Ich hatte zwar viele Dollar in der Tasche, aber keine Vorräte. Ich schwang mich von meinem Pferd und band die anderen, die ich im Schlepptau hatte, der Reihe nach an das Hitchrail vor der Blockhütte an. Offenbar handelte es sich bei dieser Hütte um eine Coach-Station oder ein Rasthaus oder beides. Die Sonne stand inzwischen zwei Handbreiten über dem Horizont und hatte meine Kleider getrocknet bis auf meine Einlegesohlen. Als ich gerade mein letztes Pferd anbinden wollte, trat ein Mann aus der Blockhütte. Er trug ein gestreiftes Cottonhemd und farblose Hosen dazu, die aus dem gleichen Material bestanden. Auch sein Schnurrbart und die Haarbüschel unter seinem Maisstrohhut schienen aus Baumwolle zu sein. Ich schätzte ihn auf ungefähr vierzig Jahre. Haare und Bart, die ich zuerst für weiß gehalten hatte, waren in
Wirklichkeit hellblond bis zur Farblosigkeit. »Sir«, sagte er und rieb sich die rosigen Hände. »Sir!« Er rieb sich die Handflächen an der Hose ab und wollte mir die Rechte zur Begrüßung geben. »Sir, Sie sind aber schon früh unterwegs!« Er hatte weder ein sympathisches noch ein unsympathisches Gesicht. Seine Augen waren klein und in unzählige Fältchen eingebettet. Er war mittelgroß, kräftig und nichtssagend. Und er war ungemein freundlich, während er meine Pferde und meine Sättel studierte. »Sir, warum treiben Sie die Pferde nicht auf meine Wiese? Dort können sie so viel fressen und saufen, wie sie wollen!« Er lachte freundlich dazu, als wäre das furchtbar lustig. »Und alles umsonst!« »Ah«, sagte ich trocken. »Ich nehme das Angebot für die Pferde an. Und was haben Sie für mich?« Er überlegte und sagte dann: »Frischen Kaffee, Eier und Speck, Weizenbrot oder Tortillas. Je nach Wunsch.« »Kaffee und Eier mit Speck. Dazu Brot, egal, welche Sorte.« »Können Sie haben, Sir. Ganz frisch. Für Sie habe ich alles frisch, Sir.« Ich wunderte mich ein bißchen. Schließlich kannte er weder mich noch ich ihn. Und dennoch tat er so, als hätte ich einen Boten vorausgeschickt, damit das Frühstück bei meiner Ankunft fertig sein sollte. »Und was kriegt mein Hund?« »Eh!« Er blickte Shita etwas ratlos an, als wäre er darauf nicht vorbereitet. »Ist er Ihnen zugelaufen, Sir?« »Durchaus nicht.« »An, ich dachte, nun …« Seine wasserhellen Augen wurden wieder nachdenklich. »Ich hätte einen frischgeschlachteten Hammel für ihn im Schuppen hängen.« »Einen ganzen schafft er bestimmt nicht. Aber schneiden Sie ihm ein paar Koteletts herunter. Einverstanden?« »Sofort, Sir. Zuerst der Hund oder Sie?« Ich mußte jetzt lächeln. »Zuerst die Pferde.« »Natürlich, Sir.« Er half mir, die Pferde wieder loszubinden und auf die Wiese
hinter seiner Blockhütte zu treiben. Ich nahm meine Reisetasche mit in die Blockhütte. Der vordere Teil war mit primitiven, selbstgezimmerten Bänken und Tischen eingerichtet. Neben der Tür, die zu der Küche führte, standen zwei Fässer auf Holzböcken. »Whisky?« fragte ich und deutete auf die Fässer. »Links Whisky und rechts Bier«, erwiderte er. »Geben Sie mir einen doppelten Whisky. Ich kann es gebrauchen.« Er nickte, holte ein Glas aus einem selbstgezimmerten Regal und füllte es bis zum Rand mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. »Es ist Kornwhisky«, sagte er wie zur Entschuldigung. »Kein Bourbon.« »Schon gut«, erwiderte ich und klemmte mir Shita zwischen die Stiefel, damit er nicht in der Küche herumschnüffelte. Ich goß das Zeug in einem Zug hinunter. Es war scharf und rein, aber ich mochte Kornschnaps nicht besonders. Ich brauchte ihn nur zur inneren Erwärmung. Er holte sich auch ein Glas Whisky, stellte sich vor mich hin und prostete mir zu. Er betrachtete mich neugierig und sagte: »Cheers!« »Cheers.« »Ich hole gleich was zu fressen für Ihren Hund, wenn Ihnen das recht ist. Der Kaffee ist frisch gebrüht. Ich muß nur Eier in die Pfanne schlagen. Erst die Eier oder der Hammel?« »Zuerst der Hund«, sagte ich. »Jawohl, Sir.« Er drehte sich schon zur Küche um, als mir etwas einfiel. »Wollen Sie mir nicht ein paar Pferde abkaufen? Ich habe sechs zu viel!« Er blieb stehen und drehte sich wieder langsam um. Noch einmal betrachtete er mich von Kopf bis Fuß, als sähe er mich zum erstenmal. »Auch den grauen starken Morgan-Wallach, den Sie dabei haben?« Ich schüttelte den Kopf. »Den ausgerechnet nicht. Den will ich behalten. Die anderen können Sie haben.« Er stand da, die eine Hand in die Seite gestemmt. »Hm«, meinte er. »Ich werde mir das überlegen, während ich die
Koteletts aus dem Schuppen hole. Ich hoffe, Sie machen mir einen guten Preis?« »Einen sehr guten Preis«, sagte ich mit der Betonung auf »sehr«. »Hm«, meinte er und marschierte in die Küche, »hm.« Ich trommelte mit den Fingern auf die Bügel meiner Reisetasche. Ich wagte nicht, hineinzusehen. Das Leder war inzwischen trocken. Aber wie es mit den Fünfzig- und Hundert-Dollar-Scheinen im Inneren bestellt war, wollte ich jetzt noch nicht wissen. Enttäuscht sein konnte ich immer noch. Aber das Banknotenpapier soll besonders zäh und widerstandsfähig sein, hatte ich mal gehört. Shita knurrte zwischen meinen Stiefeln. Ich hob den Kopf. Der Albino mit den wasserhellen Augen stand vor mir. Er war zurück in den Gastraum geschlichen und hielt jetzt eine abgesägte Schrotflinte in der Hand. Shita wollte sich auf ihn stürzen, doch ich sah den Augen des Albino an, daß das Shitas Tod sein würde. Deshalb klemmte ich Shita noch fester zwischen die Beine und sagte böse: »Nennen Sie das Hammelkotelett, was Sie in der Hand halten?« »Das ist eine mit Rehposten geladene Greener«, erwiderte er kalt. »Und wenn Sie den Schrot nicht durch den Leib geblasen haben wollen, nehmen Sie jetzt besser die Arme hoch!« Ich tat es. Ich hatte nicht die geringste Chance gegen dieses mörderische Doppelrohr. »Erst sind Sie scheißfreundlich«, knurrte ich dabei, »und jetzt das! Ich habe Ihnen nichts getan, Mister!« Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf: »Sie wollen mir die Pferde von Hanks Bande verkaufen und sein Pferd selbst behalten, Mister! Das ist ein großer Fehler von Ihnen!« »Hanks Bande? Sein Pferd?« »Der Morgan-Wallach. Der gehört meinem Freund Hank Gunnison, mein Junge. Ich dachte zuerst, du wärst ein neues Mitglied seiner Bande. Und als ich noch Jeffs Colt in deiner Halfter entdeckte, wurde mir alles klar!« »Was wurde Ihnen klar?« schnaubte ich wütend. »Daß du Pech hast, mein Junge. Du hast dich mit Hank Gunnison angelegt und ihm seine Gäule geklaut. Vielleicht noch mehr als das.
Wirf mir mal deine Tasche 'rüber! Ein bißchen fix!« * Wie hatte Yancey sich ausgedrückt? Wen die Götter mit Glück überschütten, wollen sie gründlich in die Scheiße tunken. Etwa so ähnlich lautete sein Sprichwort. Ich hatte Shita einen Tritt gegeben, während ich dem Albino meine Tasche vor die Füße warf. Shita war zur Tür des Blockhauses hinausgeschossen und mit eingeklemmtem Schwanz geflüchtet. So war wenigstens einer von uns beiden der Hinrichtung entgangen. Der Albino hatte mich anschließend vor seiner Flinte hergehen lassen, nachdem er mir den Colt auch noch abgenommen hatte. Er hatte mich in seinen Schuppen geführt, in dem der frischgeschlachtete Hammel hing. Er hatte mich also nicht belogen, was das Fressen für Shita betraf. Ich mußte also von der Annahme ausgehen, daß er tatsächlich ein Freund dieses finsteren Hank Gunnison und dessen Bande war, die zwei Schiffe versenkt hatten, um ihr Geld wiederzukriegen. Das Geld hatte jetzt dieser Albino. Er hatte nur einen kurzen Blick in die Tasche geworfen, als sie vor seine Füße kollerte und das Schloß dabei aufsprang. Seine wasserhellen Augen wurden in diesem Moment zu Leuchtfeuern. Er hatte mich neben seinem Hammel an den Stützbalken seines Schuppens gebunden. Dabei hielt er die Flinte so gegen mein Rückgrat, daß ich bei einer falschen Bewegung beide Läufe auslösen mußte. Und die Wirkung von solchen abgesägten Greener-Flinten hatte ich nicht nur im Bürgerkrieg studieren können. Sie waren bevorzugte Waffen von Killern, die ihre Opfer unkenntlich machen wollten. So unkenntlich, daß man hinterher nicht mehr sagen konnte, ob das Fleisch von einem Menschen oder – nun – von so einem Hammel stammte, wie er neben mir hing. Er fesselte meine Hände und meine Beine an den Stützbalken, ohne mir meine Stiefel auszuziehen. Wenigstens dafür war ich ihm dankbar.
Dann sperrte er die Schuppentür von außen mit einem Vorhängeschloß ab und überließ mich meinen trüben Gedanken und dem Geruch von Hammelfleisch. * Stundenlang kauerte ich am Boden. Der Albino ließ sich nicht mehr sehen. Ich wunderte mich, warum er mich in dem Schuppen lebend aufbewahrte, statt mich zu schlachten wie das ausgeweidete Tier neben mir, um das jetzt große Fliegen summten. Es war mir gelungen, meine Fesseln so zu lockern, daß ich mich in eine Hocke zusammenschieben konnte. Jetzt arbeitete ich daran, die Knoten aufzuknabbern. Ich wünschte mir, Shita wäre bei mir. So etwas konnte er besonders gut. Er schien sich irgendwo im Wald verkrochen zu haben. Draußen war es still. Ich sah nur ein weißes Viereck um die Schuppentür herum und gelbe Streifen an den Wänden, wo die Holzstämme klafften und die Ritzen nicht mit Ton verklebt waren. Die Hitze in dem kleinen Schuppen wurde allmählich erdrückend. Der Schweiß floß mir über den Rücken und tropfte dann ab, um sich in meinem Hosenboden zu sammeln. Ich arbeitete stetig und zerkaute endlich den Lederriemen, mit dem meine Beine an den Balken festgebunden waren. Dann scheuerte ich den Riemen an meinen Handgelenken an dem Stützbalken, bis er kein Faserchen Rinde mehr auf dem blanken Holz hatte. Ich ging in die Kniebeuge und streckte mich wieder. Das setzte ich so lange fort, bis mir rot und blau vor den Augen wurde und meine Gelenke wie ein alter Sattel knarrten. Dann knackte es hinter mir, und meine Handfesseln waren nutzlos verknotete Riemen, die ich von den Handgelenken schütteln konnte. Blieb nur noch das Schloß übrig. Da hörte ich plötzlich Stimmen vom Blockhaus herüber. Laute, tiefe Männerstimmen. Mein Herzschlag setzte einen Takt lang aus. Meine Arbeit war umsonst gewesen. Gunnison hatte mit seinen Leuten die Spur seiner Pferde verfolgt und sein Ziel erreicht.
Er hatte seine Pferde wieder. Und mich kriegte er als Geschenk dazu. So drückte sich der Albino aus. Ich hörte das ganz deutlich, denn der Wind stand auf meinen Schuppen, und die Blockhütte hatte keine verglasten Fenster, sondern nur offene Luken. »Ich habe ihn eingesperrt«, sagte der Albino. »Ich sah sofort, daß er ein fauler Bruder ist. Und als er mir die Pferde zum Verkauf anbot, wußte ich, was ich zu tun hatte. Ich hielt ihm meine Greener vor das Gesicht und nahm ihm Jeffs Colt ab. Den hatte er nämlich auch bei sich.« »Das hast du gut gemacht«, antwortete ihm die dunkle, rauhe Stimme, die ich so gut kannte. So gut wie meine Alpträume. Sie gehörten zu dem schwarzgelockten Hünen, der diese Bande anzuführen schien. »Das hast du gut gemacht«, wiederholte Hank Gunnison. »Und bevor du uns deinen gepanschten Whisky vorsetzt und was Ordentliches zu essen, Conny, bringst du mir noch die Tasche. Okay?« Es entstand eine Pause. Eine sehr angespannte, etwas überdehnte Pause, schien mir. Und dann folgte die erstaunliche Antwort des Albinos: »Welche Tasche, Hank?« Ich massierte meine blutigen Handgelenke. Das war äußerst interessant, was ich da hörte. Ich war beeindruckt von der gespielten Naivität und Harmlosigkeit, mit der der Albino sagte – welche Tasche? Das mußte jetzt Stunk geben da drüben. »Dieser blonde Halunke hatte eine Reisetasche bei sich, Conny«, sagte Gunnison mit seiner tiefen Stimme. In ihr lag das leise Grollen eines heraufziehenden Gewitters. »Er hat sie Jeff gezeigt, bevor er ihn niederschlug. Er hat ihm den ganzen Zaster gezeigt, den er da drin hatte. Zwanzigtausend Dollar, Conny! Er hat uns das Geld gestohlen! Es ist die Beute von unserem letzten Coup. Also frag mich nicht so blöd – welche Tasche?« Er äffte den Tonfall des Albinos nach. »Eine Tasche? Vielleicht hat er sie an dem Sattel festgebunden, auf dem er saß, als er bei mir abstieg. Vielleicht hängt sie dort noch, Hank. Ehrlich, ich weiß nichts von einer Tasche.«
Teufel, dachte ich, der kann aber lügen! Wie gedruckt kann der Bursche lügen. Ich hörte ein Scharren hinter mir an der Schuppenwand. Aber ich schenkte dem kaum Beachtung. Ich war von dem Dialog gegenüber im Blockhaus viel zu sehr gefesselt. »Jeff«, sagte Hank Gunnison jetzt, »wie war das mit der Tasche? Erzähl es doch Conny mal. Ganz ausführlich. So, daß es Conny auch genau verstehen kann. So genau, daß er sich wieder erinnert, wo die Tasche geblieben ist. Wie sie aussieht, was darin war, wie groß sie ist. Eben alles, was zu einer Beschreibung gehört. Denn wir haben nämlich schon alle Sättel und Satteltaschen unserer Pferde untersucht, Conny! Dort hängt keine Tasche! Nicht so eine Tasche, wie sie dieser Halunke bei sich hatte!« Hank Gunnisons Stimme war bedrohlich laut geworden. Es war nicht mißzuverstehen, daß er Conny einen Lügner schimpfte. Bisher geschah das nur indirekt. Aber ich ahnte, daß sich da drüben eine Freundschaft rasch zu einer tödlichen Feindschaft verwandelte. So rasch, wie Blüten welken, wenn Reif darauf fällt. Ich hörte jetzt die etwas bellende, heisere Stimme von einem Mann, der die Geschichte meiner Reisetasche erzählte, die ich auf dem Mississippi-Dampfer gekauft hatte. Das mußte Jeff sein. Er hielt sich genau an die Wahrheit. Ich konnte das bestätigen. Ich hatte ihm ja die Tasche vor die Nase gehalten, damit ich ihn mit meinem Colt schlafen legen konnte. Dann ertönte wieder die tiefe, röhrende Stimme von Hank Gunnison, während hinter mir das Scharren immer heftiger wurde: »Er sah den Zaster in der Tasche, Conny!« »Ich …« setzte der Albino zur Gegenrede an. Er mußte feine oder dicke Schweißperlen auf der Stirn haben. Seine Frist lief ab. Meine ebenfalls. Wenn die Banditen mich aus dem Schuppen holten, um mich zu fragen, ob ich eine Tasche bei mir gehabt hätte oder nicht würde ich die Wahrheit beichten müssen. Und das war der Anfang vom Ende für mich und das Ende einer Freundschaft für diesen Albino Conny. Warum ich nicht abstreiten konnte, die Tasche bei mir gehabt zu haben, als ich mit den Pferden hier ankam, führte soeben Gunnison mit lautstarker Logik aus.
»Conny, zum letztenmal, wo ist die Tasche? Wo hast du sie versteckt?« »Ich …« »Meine Geduld ist zu Ende, Conny. Du kannst uns nicht für dumm verkaufen. Du hast das Geld an dich genommen. Das hätte ich dir nie zugetraut, Conny.« »Ich schwöre …« Jetzt war das Gewitter im vollen Gang. Blitze und Donner prasselten nieder: »Du Gauner! Er muß sie bei sich gehabt haben! Sonnenklar ist das. Er hat alle unsere Satteltaschen, Sättel, Zaumzeug und Gäule bis hierher gebracht! Auch Jeffs Colt hatte er bei sich. Und die Tasche mit den zwanzigtausend Dollar, die er Jeff zeigte, soll er unterwegs weggeworfen haben? Ausgerechnet die Tasche, wie?« Stille. Das Scharren hinter mir wurde überlaut. Es wurde plötzlich hell unter dem untersten Stamm. Erde bröckelte, Sand und kleine Steine prasselten nach hinten weg – und Shita stand vor mir, mit großen, um Verzeihung bettelnden Augen! Er kroch bis zu mir hin und legte mir feierlich etwas vor die Stiefel. Meine Tasche! Über und über bekleckert mit feuchter Moorerde. Ich umarmte ihn heftig und schielte kurz durch die Bügel. Meine Tasche mit den zwanzigtausend Dollar. »Wir holen ihn 'rüber!« brüllte Hank Gunnison drüben im Blockhaus. Und dann knallte es fürchterlich. Nach der Detonation zu schließen, mußten zwei Greener-Läufe zugleich losgegangen sein. Die Freundschaft endete offenbar blutig. Und das Loch, das Shita unter der Schuppenwand gegraben hatte, war tatsächlich auch groß genug für mich, wenn es pressierte. Und das tat es!
8. Ich lief nach Westen, wieder auf den Fluß zu. Ein anderer Weg blieb mir nicht. Sie hatten die Pferde und konnten die Vorderwände beider
Schuppen einsehen. Im Schutz der Rückwand eilte ich über den Hof und tauchte im Unterholz des Waldes unter. Shita sauste vor mir her. Er sah schrecklich zerzaust und schmutzig aus, als habe er sich den ganzen Tag in den Wäldern herumgetrieben. Aber er sprang durch die Büsche und über die Wasserlachen, als sei er völlig ausgeruht. Ich hatte dazu ein paar Stunden Gelegenheit gehabt. Ich war ausgeruht. Aber nach einer Viertelstunde hing mir die Zunge aus dem Hals. Ich keuchte mit der Reisetasche hinter Shita her, stolperte, fiel in eine Pfütze, rappelte mich wieder auf, hinkte weiter. Shita ließ nicht locker. Er zwang mich dazu, die letzten Kräfte zu mobilisieren. Er mußte offenbar meine Verfolger gehört oder gewittert haben. Er trieb mich zur äußersten Eile an, um mein Leben zu retten. Guter Shita. Du hast ja recht. Nur nicht aufgeben. Du meinst es nur gut mit mir! Ich hopste über einen umgebrochenen Baum, patschte durch eine Moorlache, rutschte auf einer dicken glitschigen Schnecke aus, fluchte, packte die Tasche wieder mit den Zähnen und hastete weiter. Kein Pferd konnte uns auf diesem Weg verfolgen. Du könntest wirklich mal eine Pause einlegen, dachte ich mit pochenden Schläfen und rasselnden Lungen. Shita raste auf eine Kuhle zu. Schnurgerade. Durch die Zweige sah ich flüssiges Quecksilber. Die Nachmittagssonne auf dem Wasser des Mississippi. Der Fluß war mir näher gewesen, als ich gedacht hatte. Wahrscheinlich machte er hier einen seiner gewaltigen Pendelausschläge nach Westen. Die Kuhle war ein gutes Versteck. Bis dahin wollte ich noch weiterlaufen, aber keinen Schritt weiter. Keinen Schritt, Shita! Ich stolperte über den Rand der Kuhle in das Gebüsch, mit dem der Rand der Senke ausgekleidet war. Ich verlor das Gleichgewicht und überschlug mich. »Da bist du ja endlich, Partner«, sagte eine Stimme über mir. Ich starrte in das lachende Gesicht des Meisterspielers Yancey Hope. Shita kauerte neben ihm und leckte ihm die bloßen Füße.
Hope hatte wieder mal seine Stiefeletten ausgezogen, weil sie ihn kniffen, dachte ich. Aber auch barfuß war er für mich der schönste Anblick seit … Seit wir uns trennen mußten. * »Teufel«, sagte er, »verdammt nett, dich wiederzusehen!« »Teufel«, erwiderte ich und spuckte auf den Boden der Kuhle, »ich hatte schon geglaubt, ein Alligator hätte dich verspeist!« Wir lachten und patschten uns gegenseitig auf die Schultern. Dann wurde sein Gesicht sehr ernst. »Ich muß dir aber etwas gestehen, Partner.« »Partner«, drängte ich, »mach es kurz, denn ich fürchte, wir werden hier nicht lange ungestört bleiben.« Ich erzählte ihm in raschen Zügen, was mir inzwischen alles widerfahren war. Von den Pferden, der Tasche, dem Albino und der Schießerei, die plötzlich im Blockhaus unter Freunden ausgebrochen war. »Aber du hast die Tasche gerettet«, sagte er, nachdem ich geendet hatte. »Das ist mehr, als ich vorzuweisen habe, Junge.« »Die Stiefeletten?« fragte ich voll böser Ahnungen. »Liegen im Mississippi.« »Und die Einlegesohlen?« »Ebenfalls.« »Das ist nicht weiter schlimm«, tröstete ich ihn. »Dafür habe ich noch die Tasche und die zwanzigtausend, die wir gemeinsam dort eingepackt haben. Das Geld ist inzwischen sogar wieder strohtrocken!« »Ein schöner Trost«, sagte Yancey betrübt. »Ich habe dich sozusagen um zehntausend Dollar geprellt.« »Das hast du doch gar nicht! Schließlich hast du sie ganz allein auf dem Schiff gewonnen!« »Das gleiche gilt für dich, mein Junge. Den Gewinn, den wir uns anfangs teilten, hast ganz allein du eingespielt.« »Mag sein. Dafür haben wir aber auch die Banditen auf dem Hals,
denen ich den Zaster abgenommen habe.« Wir hätten uns fast gestritten, wem nun der Rest des Geldes gehörte. Immerhin waren das noch runde dreißigtausend Dollar! Yancey war schon ein feiner Kerl, fair bis in die Knochen. »Ich schlage dir etwas vor, Yancey«, sagte ich schließlich, um zu einem Ende zu gelangen. »Wir lassen das Geld jetzt in der Tasche, wo es offenbar am sichersten aufbewahrt ist, und teilen uns meine Stiefel!« Er starrte mich groß an und dann tippte er sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Doch, Yancey! Ich habe meine Einlegesohlen noch, und du hast mir eingeschärft, daß sich jeder Spieler eine eiserne Reserve zurücklegen soll. Wenn du einen meiner Stiefel anziehst, hast du wieder einen Notgroschen.« »Hm.« »Du kannst mir meinen Stiefel wiedergeben, wenn wir an einem Handelsposten vorbeikommen oder an einem Laden, wo man Schuhe kaufen kann.« »Hm.« Er nickte nachdenklich. »Schön. Dann teilen wir uns auch das Pferd, das ich unterwegs geklaut habe.« »Du hast ein Pferd bei dir?« Ich staunte. »Sicher. Ich habe es nur im Gebüsch versteckt, damit es mir nicht abhaut.« Und dann erzählte er mir seine Geschichte, wie er sich an Land gerettet und bis hierher durchgeschlagen hatte. Wir teilten uns das Pferd und die Stiefel und ritten die ganze Nacht hindurch. Wir hielten uns jetzt immer in Sichtweite des Flusses, um die Orientierung nicht zu verlieren. Yancey teilte auch das Fleisch und die Bohnen, die er zusammen mit dem Pferd geklaut hatte. Den Colt, den er umgeschnallt hatte, würden wir uns notfalls ebenfalls teilen müssen. Von seiner eleganten Kleidung fehlte außer den Stiefeletten nichts. Doch ihre Eleganz hatte sie total verloren. Die weinrote Jacke war im Wasser arg eingegangen, seine seidenen Socken hatten mehr Löcher als Maschen, und seine Weste, die weiß gewesen war wie frischgefallener Schnee, hatte die grünliche Farbe von
Schimmelpilzen angenommen. Ich saß hinter Yancey im Sattel und hatte die Reisetasche zwischen seinem Rücken und meiner Brust eingeklemmt. Shita lief wieder als Scout vor uns her. Er hatte eine dicke Portion Trockenfleisch verzehrt und war wieder einigermaßen bei Kräften. Ich dachte über Yanceys Geschichte nach. Ochsenfrösche sangen in den Tümpeln. Das klang so, als ließ man aus verrosteten Lokomotiven den Dampf ab. Ab und zu patschte es ziemlich laut im Wasser vor uns, und ich zuckte jedesmal bei diesem Geräusch zusammen, weil ich fürchtete, ein Alligator sei mit Shita als Beute in den Mississippi geflüchtet. Der Boden unter den Hufen unseres Pferdes war meilenweit so hart wie Stein und hatte eine sanfte blaue Färbung im Mondlicht. Dann sank das Pferd wieder bis über die Fesseln in schwarzen, nassen Schlamm ein. Dichte Büsche säumten unseren Trail – schlangengleiche Gewächse, von den jährlichen Überschwemmungen des Stromes zu bizarren Gebilden verbogen. Shita verhütete, daß wir uns in Lianen oder wuchernden Schlingpflanzen verhedderten. Ich dachte über Yanceys Geschichte nach. Sie war grotesk wie die Gewächse, die an unserem Trail wuchsen. * Er hatte den toten Steward vor dem zerschossenen Kabinenschrank in unserer Ersten-Klasse-Kabine weggeräumt, nachdem ich unsere Unterkunft auf der »Golden Cloud« durch das Bullauge verlassen hatte. Draußen im Niedergang hatten sich die Passagiere in ihrer Panik gegenseitig auf der Treppe nach oben behindert. Sie gaben Yancey keine Chance. Die Ladys und Gentlemen aus der Ersten Klasse hatten kaum das Notdürftigste zusammengerafft, aber Yancey wollte mit einem ganzen Schrank an Deck! Yancey hatte den Schrank aus der Wand herausgebrochen. Die Tür brauchte er nicht. Ihm kam es auf den Innenraum an, den er wie ein Kanu oder ein Ruderboot verwenden wollte. Er hatte unten an der
Treppe gestanden und viel Geduld mit seinen Mitmenschen gezeigt. Als ihn keiner mit seinem Mahagonischrank durchlassen wollte, hatte er sich auf die andere Seite des Schiffes begeben. Dort, wo der Bug des kleinen Expreß-Dampfers die »Golden Cloud« gerammt hatte, klaffte die ganze Bordwand auseinander. Der Spalt war breit genug, um Yancey mit seinem Schrank durchzulassen. »Das Zischen war fürchterlich, und der Nebel so dick wie Baumwollwatte«, hatte er mir erzählt. »Aber für mich gab es keinen anderen Ausgang. Ich sprang mit meinem Schrank ins Wasser, das aussah, als koche es. Deshalb wagte auch niemand, auf dieser Seite von Bord zu gehen. Sie fürchteten, sich in dem ausströmenden Dampf dieses verdammten Expreßschiffes zu verbrühen.« Yancey war mitten in der Fahrrinne gelandet, wo das Wasser mindestens vierzig Yards tief sein sollte. Die Strömung hatte ihn an der Bordwand des sinkenden Expreßschiffes entlanggetrieben und dann nach Süden – in der Mitte des Mississippi. »Mein Glück, Junge«, hatte er mir erzählt, »mein großes Glück. Ich verlor zwar die Stiefel im reißenden Wasser, rettete aber mein Leben. Oder vielmehr der Schrank, in dem ich saß wie Noah in der Arche. Oder wie ich selbst eben sonst in einer Badewanne, die langsam volläuft.« »Volläuft?« »Der Schrank hatte in der Rückwand ein Loch. Das muß die Kugel aus deinem Navy-Colt gewesen sein. Denn eine Derringer hat nicht so eine Durchschlagskraft.« »Ah!« »Ich sitze also in der Mitte des Mississippi in einem langsam vollaufenden Schrank und kann nicht schwimmen. Kannst du dir das vorstellen?« »Für mich wäre es wahrscheinlich nicht so tragisch gewesen, daß der Schrank ein Loch hatte, Yancey.« »Natürlich nicht, Ronco. Du kannst ja auch schwimmen. Ich kann nur paddeln wie ein Hund, und das kostete mich die Stiefeletten.« »So ein Schrank, denke ich, trägt auch einen Menschen noch, wenn er voll Wasser ist, Yancey.«
»Denkst du! Das tat er aber nicht, weil die verdammten Messingbeschläge ihn eine Idee zu schwer machten.« »Hm. Ich geb zu, ich hätte mich auch ziemlich beschissen gefühlt – so mitten im Mississippi auf einem sinkenden Schrank.« »Das tat ich auch, bis dieser Expreß-Dampfer hinter mir explodierte. Da dachte ich mir, andere haben es doch noch schlechter als du. Du kannst eigentlich ganz zufrieden sein.« Auf jeden Fall ging diese kritische Lage für Yancey noch glimpflich ab. Er schaffte es paddelnd und strampelnd bis ans Ufer, bevor der Schrank unter ihm absoff. Und dann stieß er auf ein Camp, in dem ein Weidereiter schlief, eingewickelt in ein Netz gegen die Moskitos. »Das war ein Fehler von ihm. Bevor er sich aus diesem verdammten Netz wickeln konnte, hatte ich ihm schon das Pferd und die Satteltaschen geklaut.« »Und den Colt?« »Den nahm ich ihm erst ab, als er sich aus dem Netz herausgewickelt hatte, natürlich. Eher konnte ich doch nicht an seine Halfter heran.« »Stimmt«, sagte ich nach kurzer Überlegung. »Aber dann hättest du ihm auch die Stiefel abnehmen können.« »Das hatte ich auch vor. Aber sie waren leider zwei Nummern zu klein.« * Wir mußten ein paarmal eine Rast einlegen für das Pferd, das unsere doppelte Last zu tragen hatte. Shita übernahm die Wache, während wir uns ins harte Gras legten und zu schlafen versuchten. Die Mückenschwärme, die uns den Mississippi entlang begleiteten, ließen es nur nicht zu. Shita knurrte und winselte abwechselnd. Die Luft mußte prall gefüllt sein mit Gerüchen, die sein Hundeherz verwirrten. Oder vielleicht waren es bereits unsere Verfolger, die Gunnison-Bande, deren Nähe er spürte. Ein paar von dieser Bande würden wohl die Schießerei in dem Blockhaus überlebt haben.
Ich fand keine Ruhe. »Wir müssen weiter«, drängte ich. »Du hast recht«, erwiderte Yancey verdrossen. »Solange wir mit diesem Vermögen in der Reisetasche und nur einem Colt durch die Wildnis irren, sind wir unseres Lebens nicht sicher. Geld beruhigt nicht immer.« Er half mir wieder aufs Pferd hinauf. Shita lief bereits im Mondlicht vor uns her und drehte sich ab und zu ungeduldig um, als wollte er uns Vorwürfe machen wegen unserer Bummelei. »Auf Shita kann man sich verlassen«, sagte ich zu Yancey. »Wenn er es eilig hat, weiß er auch, warum.« Wir begegneten aber keinem Menschen auf unserem Ritt am Ufer entlang. Nicht mal einem Alligator oder einem Fuchs. Einmal sahen wir draußen auf dem Fluß einen großen Schatten vorübergleiten. Doch sonst war der Strom nichts als ein glatter Spiegel für den Mond. Erst gegen Morgen, als das andere Ufer schon in schwefelgelbes Licht getaucht war, sahen wir eine Hütte mit einem Steg vor uns. Shita hielt mit gespitzten Ohren an und knurrte leise. Mächtige Sumpfzypressen und Platanen ragten über das schilfgedeckte Dach der Hütte auf. Sie sah halbverfallen aus. Nichts regte sich in der Nähe. Der Steg, der in das stille Wasser einer kleinen Bucht gebaut war, hing schief auf seinen bemoosten Stützpfeilern. Der Pfad, der von der Hütte nach Westen in die Dunkelheit des Waldes führte, zeigte keine Spuren. Hohes Gras wuchs darauf. Kein Halm davon war geknickt. Shita blieb stehen und knurrte immer noch. »Was ist los mit dir, Bastard?« rief ich ihm leise zu und glitt von unserem Pferd. »Du riechst wohl Gespenster, wie?« Shita leckte sich nur nervös über die Lefzen. Offenbar war er sich seiner Sache selbst nicht ganz sicher. »Gib mir den Colt, Yancey!« rief ich mit leiser Stimme zu meinem Partner hinauf. »Und vielleicht auch meinen anderen Stiefel! Ich will mal nachsehen!« Er warf mir den Colt zu und auch meinen rechten Texasstiefel, den ich ihm geliehen hatte.
Shita drehte sich im Kreis und entblößte die Reißzähne. Er bewegte sich nicht von der Stelle. Vielleicht hatte er einen Wildwechsel aufgestöbert. Ich ging mit gezogenem Colt auf die Hütte zu. Shita wollte mir nur zögernd folgen, statt wie sonst vor mir herzulaufen. Ich umkreiste die Hütte. Meine Stiefelsohlen waren die einzigen Spuren im Gras. Sie bestand aus Adobe besonderer Art, aus geflochtenen Weidenzweigen und hartgebackenem Mississippi-Schlamm. Das Dach war aus Schilfrohr gefertigt. Ich trat die Tür aus geflochtenen Reisern mit dem Stiefel nach innen. Ich blickte in ein verzerrtes, blaurotangelaufenes Gesicht, das mich mit offenen Augen angrinste. »Teufel«, entfuhr es mir. Ich betrachtete die zerfetzte Hose und das angeschwollene Bein, das mit Luft aufgepumpt schien wie ein Ballon. Verdammt, schoß es mir durch den Kopf, den Mann kennst du. Und gleichzeitig plagte mich so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Das war der maskierte Berufsspieler, der unser gewonnenes Geld unter dem Kopfkissen meines Bettes in der Ersten-Klasse-Kabine hatte hervorholen wollen und von Shita daran gehindert worden war. Der Mann war tot. Sollte ich vielleicht ein bißchen zu fest mit meinem Colt zugeschlagen haben? Doch an einer Gehirnerschütterung war er bestimmt nicht gestorben. Sonst wäre sein Bein nicht so unförmig angeschwollen gewesen. Das sah nach einer schlimmen Verletzung aus. Oder nach einem Schlangenbiß. Das mußte es sein! Er war an einer Blutvergiftung gestorben. Trotzdem wagte ich nicht, näher heranzugehen, aus Angst, ich könnte mir die Pest holen. Er grinste mich an, als hätte er sich mein Geld doch noch geholt. Die Hände lagen locker neben seinen Hüften auf der schmutzigen Matte. Sie waren so unförmig, als müßten sie jeden Moment aus der Haut herausplatzen. Er konnte also noch nicht lange tot sein. Doch dann kam mir
endlich der Gedanke, der mich eigentlich hätte anspringen müssen, sobald ich den Toten entdeckt hatte. Wie war er hierher in die Hütte geraten? Shita bellte auf einmal wie verrückt vor der Hütte. Und die Alarmklingel in meinem Kopf schlug zu spät an. Zwei Schüsse fielen dicht hintereinander. Yancey war unbewaffnet! Ich warf mich herum und eilte aus der Hütte. Shita sprang mir gegen die Beine. Ich stolperte, und die Kugel, die meinen Kopf hätte treffen sollen, fuhr in die Blätter der Sumpfzypressen über mir. * Yancey hielt sich taumelnd an einem Baumstamm fest. Seine Weste unter der eleganten weinroten Spieler-Jacke nahm eine neue Färbung an. Von der Schulter aus wurde sie zunehmend purpurfarben. Unser Pferd lag mit den Hinterbeinen auf dem Trail. Sein Kopf und seine Vorderbeine waren nicht mehr zu sehen. Sie versanken im grauen Uferschlamm. Ich sah jetzt auch das Boot, das unter dem bemoosten Steg angebunden war. Noch deutlicher sah ich die beiden Männer, die mich mit ihren Colts bedrohten. Zwei Männer im unauffällig eleganten Dreß der MississippiDampfer-Berufsspieler. Der eine war der Mann mit den kalten Buchhalteraugen, der die Tricks noch besser beherrschte als Yancey, aber in der vergangenen Nacht im Spiegelsaloon die entscheidende Runde gegen Yancey verloren hatte. Der Mann neben ihm gehörte zur selben Clique. Er war einer der anonymen Haie gewesen, die im Saal herumlungerten. Der Oberhai, wie ich diesen Profi getauft hatte, grinste mich so hämisch an wie der Tote in der Hütte. »Lang mir mal die Tasche rüber«, sagte er. »Ich schätze, da ist das Geld drin, um das ihr mich am Spieltisch betrogen habt!« Ich hatte ganz vergessen, daß ich die Tasche noch immer in der Hand hielt.
Sie standen beide neben dem Steg, keine fünfzehn Schritte von mir entfernt. Ich hatte keine Chance. »Da habt ihr sie«, sagte ich resignierend und warf die Tasche vor mich hin auf den Steg. Shita rannte los, um sie zu apportieren. »Verdammter Köter«, knurrte der Unterhai und zielte nach Shita. Da warf ich mich nach vorn und schoß. Auch der Oberhai schoß, und vom Trail her rief eine tiefe, röhrende Stimme: »Die Tasche gehört mir, ihr Bastarde!« Und Hank Gunnison schoß ebenfalls. Es war ein Heidenlärm. Mir flog ein Stück Jackenärmel davon, und da lag ich bereits flach im Dreck, während es über mir ununterbrochen knallte. Pferde wieherten und bäumten sich auf. Der Oberhai konnte offenbar mit dem Colt genausogut umgehen wie mit den Karten. Einer von Gunnisons Bande kippte aus dem Sattel und wurde von seinem Pferd über die Lichtung in den Wald geschleift. Der Profi, der dem Chefspieler mit dem Revolver Schützenhilfe leistete, schoß offenbar auch nicht schlecht. Er schien einen der Banditen aus dem Sattel geholt zu haben. Ich sah etwas Dunkles über den Trail rollen und zwischen den Bäumen liegenbleiben. Dann kippte der Unterhai plötzlich nach hinten und fiel rückwärts in den Mississippi. Ein Strudel zog ihn unter die dunkle Wasseroberfläche. Da hatte ich bereits die Tasche an mich genommen und kroch unter dem Steg auf das Boot zu. Über mir blitzte es ununterbrochen auf. Anscheinend schoß jetzt jeder auf jeden. Yancey rutschte an seinem Baum nach unten. Er sah mich, und ich winkte ihm hastig zu. Shita begriff sofort und packte Yancey bei der Hose. Er zerrte daran, aber nicht so heftig wie sonst. Er zog eher, um den Stoff zu schonen. Dann fiel mir Yancey entgegen. Ich fing ihn auf, warf ihn zu der Tasche ins Boot, kappte das Tau und stieß das Boot in den Fluß hinaus.
Shita schaffte es noch mit einem gewaltigen Satz, trocken an Bord zu jumpen. Ich trieb nach Süden, hinein in den grauen Sommermorgen.
9. Ich hielt mich immer in der Mitte des Flußes, damit man uns nicht vom Ufer aus beschießen konnte. Ich ließ das Boot mit der Strömung treiben, damit ich Yanceys Wunde untersuchen konnte. Es sah schlimmer aus, als es in Wirklichkeit war. Die Kugel hatte keinen Knochen verletzt. Ich hatte bei den Apachen gelernt, wie man eine Schußwunde mit Kräutern behandelt und ausbrennt, damit kein Wundfieber entsteht. Das tat ich im Laufe des Vormittags. Ich landete am Ostufer, suchte die passenden Kräuter zusammen, fachte ein Feuer an und verarztete Yancey. Er hatte Schmerzen, lächelte aber tapfer. »Das hast du mir nun wieder voraus«, sagte er. »Die Tricks, wie man in der Wildnis überlebt« »Das habe ich von den Rothäuten gelernt«, murmelte ich und glühte mein Messer in der Flamme aus. »Die Rothäute sind nicht nur dazu gut, uns Skalps abzuliefern. Ich tausche gern zwei MississippiSpieler gegen einen Apachen ein. Das heißt, gegen einen Apachen, der keinen Pik auf mich hat.« »Wie denkst du dir das weiter, Partner?« ächzte er. »Willst du dich mit einer Krücke belasten?« »Was für eine Krücke?« »Mich.« Ich lachte. »Du bist ein feiner Kerl, Yancey«, sagte ich. »Dir steht noch ein Stiefel zu. Aber auf dem Mississippi brauchst du so etwas ja nicht.« »Du solltest mich hier irgendwo bei einem Doc abliefern und allein weiterfahren, Partner.« »Ich denke nicht daran. Eine Flußfahrt nach New Orleans wird dir guttun. Die Luft ist auf dem Fluß viel besser als an Land. Weniger Moskitos, keine Anstrengungen, den ganzen Tag lang in der Sonne
liegen. Du wirst sehen, wie du dich dabei erholst. Und wenn wir in New Orleans ankommen, bist du so gut wie neu.« Ich trug ihn wieder ins Boot zurück. Es mußte das Boot des Kapitäns der »Golden Cloud« gewesen sein, aus so erlesenem Holz war es gefertigt. Und es hatte sogar ein paar Vorratskästen unter den Duchten, die mit Schiffszwieback, Fleisch und Obstkonserven gefüllt waren. Und mit einem funkelnagelneuen Colt plus zwei Kisten Patronen. Besser konnten wir es gar nicht getroffen haben, dachte ich voller Optimismus. Hier in der Mitte des Stromes, der immer breiter wurde, waren wir sicher vor den Hyänen, die unserem Geld nachjagten. * Wir erreichten die »goldene« Stadt nach zwei Tagen gegen Sonnenuntergang. Das Eldorado der Spieler und Lebemänner zeigte uns jedoch seine geschäftigste und häßlichste Seite – den Hafen von New Orleans, wo die Mississippi-Dampfer mit ihren charakteristischen hohen Doppelschornsteinen an den Kais lagen und ihre Güter ausspuckten – Baumwollballen, Zuckersäcke, Getreidesäcke und Holzladungen. Yancey Hope hatte sich dank meiner Medizinmann-Pflege erstaunlich rasch von seiner Verwundung erholt. Er blickte an den meilenlangen Piers entlang, wo die Raddampfer Bug an Heck sich drängten, und schüttelte den Kopf. »Partner«, sagte er, »ich dachte, in New Orleans gibt es nur Schlemmerlokale, Spielhöllen und Bordelle. Doch da sieht man mal, wie man sich täuschen kann. Ich sehe nur stinkende Dampfer, faulende Fische und Legionen von Ratten.« »Das kommt davon«, sagte ich anzüglich, »weil du die Welt einmal von unten betrachten mußt, aus der Perspektive eines Hundes. Vielleicht ist das ganz heilsam für dich. Man sieht, daß Geld erst verdient werden muß, ehe man es an den Spieltischen ausgeben kann.« »Junge«, sagte Yancey staunend, »du wirst ja direkt zum Philosophen! Normalerweise passiert das Menschen erst, wenn sie
älter werden.« »Man wird jeden Tag älter. Also kann man mit der Philosophie nicht früh genug anfangen.« »Sehr weise von dir. Doch mit deiner Philosophie kannst du keinen Cent verdienen, wenn du sie schriftlich niederlegst. Selbst die Analphabeten wissen, daß zum Geldverdienen das Arbeiten gehört.« Yancey saß an der Ruderpinne und steuerte hinter den Kais einen halbverfaulten Landungssteg an. Wir mußten im alten Hafenviertel landen, denn im neuen war zwischen den mächtigen Raddampfern kein Fleckchen an der Pier mehr frei. Mein Blick fiel auf seine neuen Schuhe. Es waren keine eleganten Stiefeletten, sondern ganz gewöhnliche Straßenschuhe. Ich hatte sie in einer Handelsniederlassung am Ostufer gekauft, als ich Yanceys Verband wechseln mußte. Shita betrachtete die noch frisch gefetteten Stiefel von Yancey genauso nachdenklich wie ich. »Partner«, sagte ich, »wenn wir an Land gehen, sollten wir wieder unseren Notgroschen als Einlegesohlen in die Schuhe schieben, wie du mir das auf der ›Golden Cloud‹ ans Herz gelegt hast.« Ich hatte nämlich meine »Geldeinlagen« in meinen Texasstiefeln in die Tasche zurückgelegt. Dazu hatte mir Yancey geraten, eingedenk seiner Stiefeletten, die er auf dem Fluß verloren hatte. Wenn der Kahn kentert, geht uns das Geld nicht verloren, hatte er zu mir gesagt. Weil wir die Tasche in einem der Vorratskästen des Bootes sinksicher untergebracht haben. Deine Stiefel sind jedoch so wenig vor dem Absaufen sicher, wie es meine Stiefeletten gewesen sind. Also, meinte er, ist dein Geld in der Tasche besser aufbewahrt als in deinen Schuhen, solange wir auf dem Wasser leben müssen. »Partner«, erwiderte Yancey jetzt, »das sind Worte, die sich für einen Weisen schon besser schicken. Ratschläge, die ich sofort befolgen werde, wenn sich die erste Gelegenheit dazu bietet. Und wenn auch nur aus dem Grunde, weil diese weisen Ratschläge von mir selbst stammen.« Er grinste mich an. Ich fragte, warum wir nicht gleich ein paar Hunderter in unsere Schuhe verstauen sollten. »Erstens«, sagte er, »sitzen wir in einem kleinen, offenen Boot, und mindestens zweihundert neugierige Augen sind auf uns
gerichtet. Zweitens werde ich diese scheußlichen Treter, die du mir gekauft hast, nur so lange behalten, bis ich einen Schuster gefunden habe. Denn sie kneifen mich schon jetzt an den Zehen, obwohl ich nicht mal einen Dollar eingelegt habe.« Er hielt sich die Nase zu. »Es stinkt.« Ich nickte zustimmend. »Shita merkt es schon lange. Er winselt, weil er sich nicht wie du die Nase zuhalten kann.« Das Ufer, wo wir jetzt landeten, wurde offenbar dazu verwendet, den Unrat der ganzen Stadt New Orleans aufzunehmen. Auf den alten Kaianlagen, die man anscheinend schon seit Jahren nicht für Schiffe benutzte, türmten sich Berge von verdorbenem Obst, Fischen, Gemüse und zerbrochenen Kisten. An einem Ende dieser Halden aus Abfall und Unrat schwelte ein Feuer. Was brennbar war, wurde vermutlich durch Feuer beseitigt. Was nicht brannte, kippte man danach in den Fluß. Wir stiegen neben einem Poller an Land, wo eine Leiter vom alten Kai in den Fluß hinunterhing. Ich band das Boot am Poller fest und half Yancey und Shita, die Leiter hinaufklettern. Oben auf dem Kai blickten wir uns um. »Ich denke, wir werden eine Weile laufen müssen, bis wir einen Schuster finden«, murmelte ich. Yancey schüttelte den Kopf. »Es stinkt, und es qualmt. Aber eigentlich ist das die richtige Stelle für unseren ersten Landgang in New Orleans. Schau uns beide doch nur an!« Shita sah auch nicht viel sauberer aus als wir beide. Er hatte nur keinen Stoppelbart wie wir, weil er sich nicht zu rasieren brauchte. »Yancey«, sagte ich zu meinem Partner, »wir werden erst einmal zu einem Barbier gehen, und uns dort rasieren lassen. Dann nehmen wir ein Bad und suchen uns ein Hotel. Dort zeigen wir vorsichtig, was wir in der Tasche haben. Der Portier wird sich ein Bein ausreißen, um uns jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Wir nehmen uns ein Doppelzimmer und lassen uns Schneider, Schuster und das Essen aufs Zimmer schicken, okay?« »Bis zum Hotel bin ich einverstanden«, meinte Yancey Hope mit einem leisen Augenzwinkern. »Was das Doppelzimmer betrifft – nein. Ich habe zwar nichts gegen Shita, aber er gehört nun mal nicht
in ein Luxusappartement. Ich denke, wir nehmen zwei getrennte Doppelzimmer.« »Von mir aus«, sagte ich gekränkt, »nehmen wir zwei getrennte Doppelzimmer, obwohl zwei Einzelzimmer sicher ausreichen würden.« »Junge«, sagte Yancey, »ich habe doch nichts gegen deinen Hund! Aber ich will mir nicht nur den Schneider und den Schuster aufs Zimmer schicken lassen. Du bist heute wirklich kein Schnelldenker.« Ich errötete leicht. »So ist das also! Du meinst, Shita könnte dich bei einer intimen Sache stören, wie?« »Doch nicht der Hund, Dummkopf. Ich möchte bei so was keine Zuschauer haben. Das verstehst du doch. Außerdem könnte es sein, daß mir Shita unbedingt behilflich sein will, wenn ich eine Miß auf dem Zimmer habe. Doch Ladys ziehe ich lieber allein aus, Ronco.« »Also gut, Yancey«, sagte ich, immer noch gekränkt. »Du kannst ja mit deinem Geld tun, was du willst. Ich nehme mir ein Einzelzimmer, denn Shita schläft immer unter meinem Bett, nie darin.« »Und wie steht es mit den Ladys? Sollen die auch unter deinem Bett schlafen?« »Ich mache mir nichts aus so was!« schrie ich. »Ah«, sagte er betroffen, »du machst dir nichts aus so was. Du bist ein Mönch, der sich kasteit, wie?« »Partner«, sagte ich hart, »lassen wir dieses Thema. Es könnte ja sein, daß es selbst in diesem verrufenen New Orleans ein paar Mädchen gibt, die es nicht nur für Geld, sondern aus Zuneigung tun. Okay?« Wir benutzten einen schmalen Weg, den man zwischen den Abfallhalden freigelassen hatte, um bis zu den ersten Häusern des alten Hafenviertels vorzudringen. Ich sah einen kleinen HafenSaloon mit einem Hitchrail davor, an dem zwei Pferde angebunden waren. Gleich daneben stand ein kleines Backsteinhaus mit einem runden Blech vor der Ladentür, das an zwei rostigen Ketten aufgehängt war. »Barbier-Shop« stand darauf, und darunter in verschnörkelter Schrift: »French Style«. Ich deutete auf das Schild. »Da ist ja schon, was wir als erstes
brauchen! Fragt sich nur, ob wir dort auch ein Vollbad nehmen können.« »Ein französischer Barbier?« Yancey schüttelte den Kopf. »Die Franzosen rasieren dich nur an den unmöglichsten Stellen. Das Baden haben sie nicht so gern. Sie gießen lieber Parfüm auf den Dreck.« »Du meine Güte, Partner«, erwiderte ich, »mir scheint, du hast Vorurteile.« »Durchaus nicht, Ronco«, erwiderte Yancey, »ich hatte mal ein Mädchen in Saint Louis, die nur französisch konnte. Sie sparte nie am Parfüm, aber um so mehr an der Seife. Sie meinte, es wäre nur wichtig, sich an einer Stelle zu waschen, und die wäre sehr klein. In diesem Punkt sind alle Franzosen reinlich, Männer wie Frauen. Sie waschen sich ja nur im Bidet, falls sie eins haben, denn …« Ich hörte ihm nicht zu. Ich hatte schon eine Weile nicht mehr zugehört, weil ich für ihn die Tür zu dem Barbier-Shop aufhielt und mir der Hund durch die Beine fuhr. Shita stürzte sich auf einen Mann, der auf einem Schemel saß, den Hut im Genick, die Arme auf die Knie gestemmt. Offenbar ein Kunde, der darauf wartete, bis der Rasierstuhl frei wurde, auf dem gerade ein anderer Mann vom Barbier eingeseift wurde. Shita stürzte sich auf den Mann, der geduldig auf einem Schemel an der Wand wartete und ihn keineswegs provozierte. Zu spät fiel mir jetzt ein, daß eins der beiden Pferde, das nebenan vor dem Saloon angebunden war, ein grauer Morgan-Wallach war. Noch bevor Shita Slade am Bein gepackt hatte, erkannte auch Slade meinen Hund wieder. »Teufel, Boß!« schrie er und sprang vom Schemel hoch. »Unsere beiden blonden Gents wollen sich auch rasieren lassen!« Slade wehrte Shita mit einem Fußtritt ab und zog seinen Colt. Und dann knallte es auch schon. * Ich riß Yancey mit mir, der noch gar nicht im Bild war, so sehr war er versponnen in seine männlichen Erinnerungen und das
französische Flair. Hank Gunnison hatte den kleinen dicken Barbier zur Seite gestoßen und schoß mit beiden Händen aus der Hüfte. Er nahm sich nicht die Zeit, erst den Schaum aus dem Gesicht zu wischen. Er sah meine Tasche und explodierte förmlich. Er schoß aus allen Rohren, wie man so schön sagt. Yanceys rechter Arm taugte noch nicht viel zum Schießen. Er lag in einer Schlinge und war gerade kräftig genug, fünf Karten zwischen den Fingern zu halten. Ich drückte ihm unser Vermögen in die linke Hand und zog ihn mit mir fort – zurück zu den qualmenden, stinkenden Müllhalden auf dem alten, ausgedienten Kai. Dafür nahm ich ihm seinen Colt ab und erwiderte das Feuer der beiden Kerle beidhändig. Das Fenster des kleinen Barbierladens brach in sich zusammen. Hank Gunnison hatte den Rasierstuhl durch die Scheibe geworfen, um ein besseres Schußfeld zu haben. Slade tauchte in der kleinen Gasse zwischen dem Saloon und dem Barbier-Shop auf. Er schoß jetzt aus dem Dunkeln heraus. Das brachte ihm den wesentlichen Vorteil ein, daß ich ihn nicht sehen konnte. Ich mußte mich an seinen Mündungsflammen orientieren. Er hetzte geduckt aus der Gasse heraus, als ich zwei Schüsse durch die geborstene Scheibe des Barbierladens jagte. Im Nu hatte er den Wallach und seinen Braunen vom Hitchrail losgebunden. »Zurück zum Boot«, raunte ich Yancey zu. »Ich gebe dir Feuerschutz. Shita begleitet dich. Die Tasche mit dem Geld muß unbedingt zuerst in Sicherheit gebracht werden. Ohne sie sind wir ein Nichts, eine Null, zwei abgebrannte Tramps!« »Wie wahr, mein junger Philosoph«, erwiderte Yancey mit einem schiefen Grinsen und bückte sich, als eine Kugel ganz knapp über seinen blonden Scheitel pfiff. Er lief geduckt zwischen den stinkenden Müllhalden zurück ans Ufer. Shita stand einen Augenblick ratlos da, wem er nun folgen sollte – Yancey mit der Tasche oder Slade auf seinem Braunen. Hank Gunnison verwendete inzwischen einen schmutzigen Trick, der ihn ebenfalls unverletzt ins Freie zu seinem Wallach brachte. Denn während ich heftig durch die Ladenfenster des Barbiers
beschossen wurde, tauchte der schwarze Hüne unvermutet neben dem Saloon auf und schwang sich mit einem Satz auf den grauen Morgan. Der Lump mußte den Barbier dazu überredet oder gezwungen haben, mich mit zwei Colts zu beschäftigen, damit er, Hank Gunnison, unbemerkt durch die Hintertür zu seinem Pferd gelangen konnte. Irgendwo brüllte jemand, was diese verdammte Schießerei solle. Die beiden Kerle sprengten plötzlich los – jeder in eine andere Richtung. Slade schoß jetzt mit einer Winchester auf mich, die er im Sattelschuh aufbewahrt hatte. Gunnison schoß abwechselnd mit seinen beiden Colts. Schießen und reiten konnte der Halunke weitaus besser als pokern, dachte ich grimmig, während ich mich geduckt in die schmale Gasse zwischen den Müllhalden zurückzog. Der Wind wirbelte mir Gestank, Asche und Staub ins Gesicht. Alles das war einem kaltblütigen, sicheren Zielen leider abträglich. Ich wußte genau, was die beiden planten. Die schmale Gasse zwischen den stinkenden Abfallhaufen war zu eng für ein Pferd. Andererseits konnten sie vom Pferd aus über die Müllhaufen weg den Kai beobachten und Yancey mit der Tasche mühelos den Rückweg zu unserem Boot abschneiden, wenn sie die Müllhalden links und rechts umrundet hatten. Dann hatte sich Shita endlich entschieden, wem er nun folgen wollte. Er jagte hinter Slades Braunem her. Slade setzte mir tatsächlich mit seinem Gewehr am meisten zu. Shita holte das galoppierende Pferd erst ein, als Slade mit dem Braunen bereits die Halde links von mir umrundet hatte und auf der Gegengeraden über den Kai galoppierte. Direkt auf Yancey zu, der mit der Tasche dem Ufer zulief. Plötzlich vollführte der Braune einen Satz und stieg mit allen vieren in die Luft. Slade stieß einen Schrei aus, flog kopfüber auf die Granitsteine, mit denen der Kai gepflastert war, schlitterte ein paar Yards weit und blieb dann regungslos liegen. Ich war so fasziniert von Shitas Eingreifen und dessen Folgen, daß ich Hank Gunnison ein paar Sekunden aus den Augen ließ. Der stieß einen triumphierenden Schrei aus. Ich riß den Kopf in
die Richtung, wo der Wallach galoppierte. Gunnison hatte sich tief hinuntergebückt im Sattel und hielt plötzlich die Tasche mit unserem gesamten Vermögen in der Hand. Yancey lag auf dem Kai und hielt sich den Kopf. Hank Gunnison mußte meinen Partner niedergeritten oder mit dem Colt niedergeschlagen haben, ehe er ihm die Tasche entriß und damit davongaloppierte, dicht an den rauchenden und schwelenden Müllhalden entlang. Shita raste jetzt kläffend hinter seinem Morgan her. Der Hurensohn drehte sich im Sattel nach meinem Bastard um und nahm ihn mit einem seiner Colts aufs Korn. Ich schoß. Ich traf nur sein Pferd. Ich mußte es in die Hinterhand getroffen haben, denn es knickte hinten plötzlich ein und warf seinen Reiter ab. Hank Gunnison klammerte sich an meiner Tasche fest und an seinem Colt. Er drehte eine kleine Rolle im Abendrot und landete dann mitten im Müll. Mitten im qualmenden, stinkenden, brennenden Müll. Und dort, wo er landete, brach plötzlich die Halde zusammen und schoß eine Stichflamme hoch, als hätte dieser stinkende Haufen aus schwelenden Kistenhölzern, Papier und alten Säcken nur darauf gewartet, daß jemand die Asche aufwirbelt oder wegpustet oder einfach darin umrührt, damit das Feuer richtig brennt. Und jetzt brannte es. Es brannte mit einer hohen, leuchtenden Flamme, in der jemand entsetzlich schrie. Hank Gunnison. Offenbar hielt er immer noch meine Tasche mit unserem Vermögen fest. Ich lief los, fluchend und betend zugleich. Dann stand ich an der Stelle der Müllhalde, wo die Glut des brennenden Mülls so heiß war, daß man kaum Luft holen konnte. Ich starrte in die Glut. Die Halde war zusammengebrochen und hatte eine Art von glühendem Trichter gebildet, in dem nichts weiter zu erkennen war als ein heißes, weißglühendes, waberndes Flammenmeer. Ich blickte in etwas, das man nur mit dem Loch eines Schmelzofens vergleichen konnte. In dieser ungeheuren Hitze starb
Hank Gunnison mit unserem Geld. Aber daran dachte ich in diesem Augenblick nicht. Schauer liefen mir über den Rücken. Meine Wut auf Gunnison war plötzlich verraucht. Einen solchen Tod hätte ich meinem schlimmsten Feind nicht gewünscht. Ich wandte mich ab und trat zurück. Selbst auf weitere Entfernung war die Höllenglut unerträglich. * Ich kehrte zu meinem Partner zurück, der immer noch benommen auf den Granitsteinen des Kais lag. Ich ging ganz langsam, ganz vorsichtig, und brachte es ihm auch ganz langsam und schonend bei. »Die beiden Bastarde sind tot«, sagte ich. »In der Haut des einen hätte ich in den letzten Minuten seines Lebens wirklich nicht stecken mögen.« »Mein Kopf«, stöhnte Yancey. Shita trottete herbei und leckte ihm das Gesicht ab. Ich schätze, viel Trost bedeutete das meinem Partner auch nicht. »Der eine ist verbrannt, der andere hat sich das Genick gebrochen«, sagte ich. »Oh, mein Kopf«, stöhnte mein Partner. »Ich hoffe, du bist wenigstens heil geblieben, Ronco.« »Das bin ich«, erwiderte ich fest. »Mir ist überhaupt nichts passiert.« »Sei froh«, erwiderte mein Partner und schob mit dem linken Arm Shita von seinem Gesicht weg. »Ich fürchte aber«, fuhr ich mit sanfter Stimme fort, »daß du dir weder einen Schneider noch einen Schuster noch sonst was aufs Hotelzimmer bestellen kannst.« Er ließ seinen Kopf los und blickte mich erschrocken an. »Die Tasche?« fragte er ahnungsvoll. »Sie ist auch verbrannt. Mit Inhalt und Notgroschen.« Er fuhr von den Steinen hoch und fluchte: »Idiot – hättest du nicht ein paar angekohlte …« Er verstummte sofort, als ich mit dem Arm auf den Scheiterhaufen
deutete, der inzwischen eine mindestens zwanzig Yards hohe Flamme in den Abendhimmel lodern ließ. »Ach herje«, sagte er, statt seinen Satz zu beenden, »ach herje.« »Du sagst es«, pflichtete ich ihm bei und kraulte meinem Hund den Nacken. »Ein sehr teures Feuer, schätze ich.« Dann glitt plötzlich ein Lächeln über das Gesicht meines Partners. »Wir haben ja noch das Boot«, sagte er. Er schien nicht mehr an Kopfschmerzen zu leiden. »Ja, das haben wir noch«, erwiderte ich, »falls es uns nicht jemand geklaut hat.« »Wir werden das Boot versetzen und mit dem Erlös von vorn anfangen! In Vidalia versetzte ich mein Pferd, und es hat mir in einer Woche zwanzigtausend Dollar eingebracht. Wir versetzen das Boot und …« Ich schnitt ein saures Gesicht. Mir war eingefallen, was uns die vierzigtausend Dollar an gemeinsamen Vermögen alles eingebracht hatten: zwei kaputte Schiffe, einen Haufen Toter und Verletzter, Entbehrungen und Leiden und Strapazen ohnegleichen. »Du scheinst ja gar nicht begeistert zu sein von meinem Einfall!« sagte Yancey Hope enttäuscht. »Doch«, erwiderte ich, »ich bin davon begeistert, daß du das Boot versetzt, Partner. Aber daß du anschließend das Boot auch verspielst, gefällt mir weniger.« »Verspielst?« wiederholte er ungläubig, »vermehrst, wolltest du wohl sagen. Ich werde das Geld vermehren, bis wir ganz New Orleans kaufen können!« »Ohne mich, Partner«, sagte ich fest. »Ich glaube, daß reelle Arbeit zwar weniger einbringt als Pokern. Aber sie zahlt sich besser aus, verstehst du?« »Jetzt wirst du schon wieder philosophisch, Junge.« »Nein, Yancey. Ich bin nur ein bißchen klüger geworden …«
ENDE
Vorschau Die Schüsse in dem Weinkeller krachten, als würden Haubitzen abgefeuert. Canzas, der Bandit, schoß linkshändig. Die Kugel klatschte in das Weinfaß, vor dem Ronco und Lobo gestanden hatten. Chato, der andere Bandit, war in die Knie gebrochen und versuchte, mit einer Hand die Schrotflinte auf Lobo zu richten. Die andere Hand hatte er gegen den Leib gepreßt, wo ihn bereits eine Kugel erwischt hatte. Ronco feuerte auf Canzas, der gerade zum zweiten Mal durchziehen wollte. Er traf ihn in die Stirn. Canzas verriß seinen Schuß. Die Kugel pfiff an Roncos linker Wange vorbei und hieb in ein anderes Weinfaß. Juan Canzas fiel wie ein Baum. Roter Wein schoß in starkem Strahl aus den beiden Weinfässern, Pulverschwaden wogten durch das Gewölbe … Die Jagd auf Ronco geht weiter. Lesen Sie nächste Woche Band 286 dieser großen deutschen Western-Serie:
Die Verschwörung