BAD EARTH
Die große Science-Fiction-Saga
ENDSTATION DER TRÄUME
von Manfred Weinland und Susan Schwartz Die irdisch...
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BAD EARTH
Die große Science-Fiction-Saga
ENDSTATION DER TRÄUME
von Manfred Weinland und Susan Schwartz Die irdischen Astronauten John Cloud, Scobee, Resnick und Jarvis verschlägt es in eine düstere Zukunft, in der die Menschen Erinjij genannt werden. Im Zuge ihrer Abenteuerfinden sie ein rochenförmiges Raumschiff, das auf die ominösen Sieben Hirten zurückgeht. Kurz darauf gehen die beiden GenTecs Jarvis und Resnick an Bord verloren, Cloud und Scobee an Bord des Rochenschiffes aber gelingt die Rückkehr ins heimatliche Sonnensystem. Aber als die RUBIKON II - wie das Schiff getauft wird - nach dramatischen Ereignissen in der Oortschen Wolke das heimatliche Sonnensystem erreicht, werden Cloud und Scobee kurz darauf von der RUBIKON II verwiesen. Mittels einer der Transportkapseln, die schon Resnick und Jarvis zum Verhängnis wurde, erreichen sie die Erde an einem fast unbewohnten Bereich des Planeten, wo sie Jelto, dem »Florenhüter«, begegnen. Und sofort wieder ums nackte Überleben kämpfen müssen. Nicht nur die Erinjij greifen an, sondern auch ein Wesen, das in Verbindung mit den ominösen Hirten zu stehen scheint. Im letzten Moment ziehen sie sich in den Keller von Jeltos Station zurück. Doch auch dort, das zeigt sich, sind sie nicht sicher... 1. Genau in dem Moment, da die Deckenluke zerbarst, regelrecht zerplatzte, sank Jelto in sich
zusammen. Der Florenhüter verlor das Bewusstsein, und augenblicklich wurde auch seine
strahlende Aura dunkler.
»Verdammt!«, fluchte Cloud.
Der Kellerraum, in den sie sich geflüchtet hatten, war winzig und mit Metallkisten voll gestellt.
Cloud, Scobee und Jelto blieb nur wenig Platz. Und diese Enge würde ihnen nun zum Verhängnis
werden, denn von oben regnete es ihnen entgegen — das Verderben!
Die matt gewordene Aura des Florenhüters ließ die Schatten lebendig werden und hob gleichzeitig
selbst winzigste Linien in den Gesichtern der Zusammengekauerten scharf hervor.
Cloud war froh, sich in diesem Moment und in dieser Situation nicht selbst sehen zu können. Jelto
hing schlaff zwischen ihm und Scobee, und unmittelbar vor ihnen tropfte, nein, prasselte das Ding
zu ihnen herab, auf gespalten in unzählige, quecksilbrige Kügelchen, die sich zu einer Lache
sammelten und...
schon Sekunden später eine Gestalt formten. Grob humanoid, aber ohne Details auszuarbeiten.
Diesem Ding hatten sie schon zweimal gegenübergestanden — einmal in der Tiefseestation der
Hirten, und einmal am Strand —, und jedes Mal war es dabei um Leben und Tod gegangen.
Es verfolgte sie und hatte aktuell wieder bewiesen, wozu es fähig war. (siehe Bad Earth Heft 17:
»Die neue Menschheit«)
Es schien unzerstörbar. Ihm war nicht einmal durch konzentrierten Laser-Beschuss beizukommen,
wie die Erinjij feststellen mussten, deren Kampfgleiter Jagd auf Cloud und Scobee gemacht hatten.
Zwei der gepanzerten Maschinen waren dabei zerstört worden.
»Wir müssen etwas tun«, raunte Scobee ihm zu. »Irgendetwas. Ich lass mich doch hier nicht
einfach abschlachten!«
Noch bevor Cloud etwas erwidern konnte, sprang sie auch schon auf, packte eine der Kisten mit
unbekanntem Inhalt, holte aus und schleuderte sie dem Etwas entgegen, das gerade seinen
Formungsprozess abschloss.
Und das nicht auswich. Nicht einmal den Versuch unternahm. Wie weiches Wachs, wie nasser Ton, von unsichtbaren Händen modelliert, war es vor ihnen aufgewachsen, hatte mehr und mehr an Stabilität gewonnen... Und nun verdaute es die Attacke ohne den geringsten Schaden. Es schepperte lediglich metallisch, als die Kiste ungefähr das obere Drittel des Dings traf — und vor ihm zu Boden fiel, als wäre sie gegen etwas Weiches, Nachgiebiges geprallt. Trotz des scheinbar sanften Aufpralls hatte die Kiste jedoch eine Beule, noch bevor sie zu Boden krachte. Etwa 2 Meter 50 hoch ragte die Gestalt auf und hob sich kaum gegen den Hintergrund des Kellers ab. Cloud schauderte, als ihm die vage Ähnlichkeit zu einer anderen Erscheinung bewusst wurde, mit der sie an Bord der RUBIKON II konfrontiert worden waren, kurz bevor sie des Schiffes verwiesen wurde. Sobek, dachte er und versuchte, eine weitere Gänsehaut zu unterdrücken. Bemerkte auch Scobee die Ähnlichkeit? Finger, die an gekrümmte Klauen erinnerten. Ein Schädel, der wie ein Totenschädel aussah, dabei aber keine Augen-, Ohr- oder Nasenöffnungen besaß, sondern seltsam geschlossen wirkte. Etwa dort, wo sich bei einem Menschen der Mund befunden hätte, befand sich eine handtellergroße, kreisrunde, abgeplattete Fläche. Bei dem SobekHologramm an Bord der RUBIKON hatte sie an eine beim Sprechen vibrierende Membran erinnert. Hier wirkte alles noch unheimlicher. Unmenschlicher. Hirten sind auch keine Menschen, rief sich Cloud ins Bewusstsein. Waren es nie. Sie gehörten einer Spezies an, die irgendwo in den Tiefen der Milchstraße beheimatet war... Oder in der Magellanschen Wolke, fügte er in Gedenken an das hinzu, was sie in der Tiefseestation vorgefunden hatten. Es gab Anzeichen dafür, dass die von den Vaaren verehrten Sieben Hirten noch immer existierten. Oder waren Scobee und er doch nur den Launen eines hoch entwickelten Bordrechners auf den Leim gegangen? Hatte die Schiffs-KI des Rochens das Sobek-Hologramm projiziert — und auch den Hinauswurf inszeniert? Aber warum hatte sie sie dann erst über Tage hinweg in dem Artefakt geduldet? Cloud war überzeugt, es in den verbleibenden Sekunden seines hier endenden Lebens nicht mehr zu erfahren. Er bewunderte Scobees Mut zum Handeln, auch wenn es ihn mehr an eine letzte Verzweiflungstat erinnerte. Es unterstrich doch letztlich nur, wie machtlos sie waren. Sie besaßen keine einzige Waffe, nur ihre Kleidung war ihnen geblieben, und auch Jelto konnte ihnen nicht helfen. Nicht hier unten in dieser ausweglosen Lage, in die sie sich selbst gebracht hatten. Er hätte es nicht einmal vermocht, wenn er noch bei Bewusstsein gewesen wäre. Gegen dieses Ding, das ihnen mit einer zweiten Kapsel von der RUBIKON nachgereist war, hatten sie nicht den Hauch einer Überlebenschance. »Stob?« Sie schien ihn gar nicht zu hören — hören zu wollen, dachte Cloud —, sondern leitete bereits den nächsten aussichtslosen Angriff ein. Mit bloßen Händen. Sich nur auf die übermenschliche Kraft, Schnelligkeit und Behändigkeit einer genetisch optimierten GenTec verlassend. Mit einem heiseren Schrei hechtete sie sich aus dem Stand heraus auf das Gebilde zu, das sich vollständig manifestiert hatte. Und während von oben unverändert der Lärm der Waffen drang, die die Station verwüsteten, schaltete Cloud seinen Verstand aus, wartete gar nicht erst ab, was aus Scobees tollkühner Aktion wurde, sondern schnellte sich ebenfalls nach vorn. Er erreichte das chamäleonartig an seine Umgebung angepasste Ding nur den Bruchteil einer Sekunde nach Scobee — die er schreien hörte.
Benommen vom Schmerz des Zusammenpralls registrierte Cloud, wie das Ding nun reagierte, wie es mit seinen Klauenhänden ausholte und... Er spürte den Schmerz, der sengend quer über seine linke Wange fuhr, schloss die Augen, als könnte er sie dadurch vor der Verheerung retten. Zugleich wusste er aber, dass dies der Moment war, den er gefürchtet hatte, seit sie durch das Jupiter-Wurmloch in eine völlig fremde Region der Milchstraße gefallen waren. Es grenzte an ein Wunder, dass sie es geschafft hatten, von dort wieder ins heimische Sonnensystem zu gelangen. Wenigstens sterbe ich auf der Erde. Ein Gedanke ohne einen Funken Trost. Weshalb John Cloud auch nicht im Mindesten überrascht war, dass er im Angesicht des unausweichlichen Todes etwas so Profanes wie Zorn auf das Schicksal schlechthin in sich toben fühlte.
Scobee sah das Unheil — das Ende! — noch klarer auf sich zukommen. Dazu trugen ihr ihre
geschärften Sinne ebenso bei wie ihre kalte Entschlossenheit, nicht kampflos zu sterben. Realistin,
die sie war, malte sie sich nicht den Hauch einer Chance gegen das Konstrukt einer überlegenen
Technik aus. Denn nichts anderes war das Ding —Hirten-Technik!
Aber das hinderte sie nicht, dagegen anzugehen. Sich ihm entgegen zuwerfen.
Aber der Zusammenprall mit dem so weich und formbar wirkenden Etwas ließ sie ihren Entschluss
auch schon fast wieder bereuen.
Hart und kalt wie Eisen war es!
Wie konnte das sein? Draußen, an der Oberfläche, hatte es sich so geschmeidig, so katzenhaft
elegant und sicher bewegt, dass diese unnachgiebige Härte in einem unbegreiflichen Gegensatz
dazu zu stehen schien.
Scobee fühlte sich wie eine Fliege, die gegen die Frontscheibe eines sich mit hoher
Geschwindigkeit bewegenden Fahrzeugs geschmettert wurde und dann daran herabrutschte.
Benommen fand sie sich am Boden zu Füßen des Ungetüms wieder.
Aber nur für ein, zwei Sekunden.
Dann fühlte sie sich... gepackt?
Das war der falsche Ausdruck, aber etwas kam mit unglaublicher Geschwindigkeit auf sie zu,
streifte ihre Schulter, zerfetzte die Kleidung wie hauchdünnes Papier... und zog eine blutige Linie
über ihren Brustkorb.
Die Situation glitt ins Irreale.
Scobee erwartete, die Hand des künstlichen Humanoiden weitermachen zu sehen und zu spüren.
Erwartete, dass sich die nächste Linie entlang ihres Halses ziehen und neben Haut und Gewebe
auch die Schlagader durchtrennen würde.
Aber dann rammte diese Hand ihr lediglich entgegen und stieß sie fast beiläufig zu Boden, wo sie
neben Cloud landete, der sie verdutzt, ungläubig und völlig fassungslos anstarrte — während das
Ding sich an ihnen vorbei auf Jelto stürzte.
Die Haut des Florenhüters produzierte kaum noch Licht. Er war immer noch ohne Bewusstsein,
lehnte zusammengesackt, mit geschlossenen Augen an der Kellerwand, das Gesicht aschfahl,
irgendwie wächsern.
Doch nicht einmal dieses Bild des Elends, nicht einmal der Anblick des schwer verletzten
Ohnmächtigen hielt den Berserker davon ab, auch Jelto anzugreifen. Ihm eine Wunde zuzufügen,
die sein Gesicht in Blut badete.
Scobee schüttelte ihre Benommenheit ab und kam wieder auf die Beine. Letztlich war es
gleichgültig, an wievielter Stelle sie bei diesem ungleichen Kampf dran glauben musste. Jedenfalls
konnte sie nicht länger zusehen, wie Jelto misshandelt wurde.
Sie stürmte auf das Ding zu, das jetzt die Sicht auf den Florenhüter verstellte. Sie riss und zerrte daran, ohne aber brauchbaren Halt zu finden. Sie rutschte immer wieder ab, als wäre die Oberfläche des Wesens eingeseift. Cloud kam ihr zu Hilfe. Trommelte mit den Fäusten auf das Ding ein, das auch tatsächlich von Jelto abließ, sich zu ihnen umdrehte und – sprach? »Jorv saronn!« Scharf und dunkel drang die Stimme nicht aus einer bestimmten Öffnung, sondern aus dem Körper
insgesamt.
Scobee erstarrte.
Auch Cloud hielt inne, und in seinen Blick trat eine gewisse Faszination.
Die GenTec begriff. Zumindest ahnte sie, dass es wie an Bord der RUBIKON II war. Wieder
konnte ihr Gefährte aus irgendeinem Grund die fremde Sprache verstehen.
»Was sagt er?«, fauchte sie in Clouds Richtung.
»Er sagt, wir sollen aufhören...«
»Ach ja?« Ihr Tonfall troff vor Sarkasmus. »Wer will denn hier wen killen? Sag deinem Kumpel
bitte, dass...«
Oben, außerhalb des Kellers, erklang eine Explosion, die mächtig genug war, den Boden unter
ihren Füßen erzittern zu lassen.
Bevor Scobee ihren Satz zu Ende sprechen konnte, veränderte sich die künstliche Gestalt vor ihnen.
Sie verlor jegliche Ähnlichkeit mit einem Menschen und blähte sich so stark auf, dass Scobee
sicher war, binnen Sekunden in dem ohnehin engen Raum an der Wand zerquetscht zu werden.
Sie schickte Cloud einen wütenden Blick, als sei er für all dies verantwortlich.
Da hörte sie, wie sich Stimmen von außerhalb dem Kellerzugang näherten.
Offenbar hatten die Besatzungen der Kampfgleiter damit begonnen, die Reste der zerstörten Station
zu durchkämmen.
Alles was Scobee in dieser Situation noch empfinden konnte, war Neugierde.
Neugier, welche von beiden Parteien schneller sein und ihnen den endgültigen Todesstoß versetzen
würde.
Doch dann fesselte das Ding wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
Es schien sich abermals zu verwandeln, noch mehr aufzublähen.
Dann aber...
Das Ding spie etwas aus.
Cloud konnte gerade noch zur Seite springen. Dann landete die feuchte Masse auch schon mit
einem schmatzenden Geräusch auf dem Boden zwischen ihm und Scobee.
Etwas absolut Unappetitliches, das an einen gehäuteten Menschen erinnerte... Schlimmer noch: an
einen riesenhaften, von bläulichen Adern durchlaufenen Fötus.
Unfertig sah das Geschöpf aus, das vor ihnen lag und dabei unzweifelhaft lebte. Es zuckte, es
krümmte sich, war von Nässe überzogen wie von einem gleichmäßigen Film, und alles geschah
vollkommen lautlos. Der lippenlose Mund öffnete und schloss sich, als ringe es um Atem. Die
nagellosen Finger der welken Hände spreizten sich, ballten sich zur Daust, spreizten sich...
»Was... soll das?«, keuchte Scobee. »Hat er das auch verraten?«
Cloud schüttelte den Kopf, ballte selbst die Fäuste.
Das Ding war wieder kleiner geworden, spie im nächsten Augenblick aber wieder etwas zu Boden.
Es entschlüpfte seiner quecksilbrigen Masse, die sich teilte und sofort wieder lückenlos schloss.
Und ein zweiter Riesenfötus wand sich am Boden zwischen den Kistenstapeln, zwischen ihnen.
Die Stimmen draußen wurden lauter. Jeden Augenblick musste ein Kopf in der Deckenöffnung
auftauchen - oder ein Waffenlauf, der nach unten zielte.
Patsch! Nummer drei.
Es gab kaum noch eine freie Stelle am Boden - obwohl das Ding wieder seine Ursprungsgröße und
humanoide Form angenommen hatte.
»Sieh mich nicht so an«, keuchte Cloud an Scobee gewandt. »Meinst du, ich wüsste, was das soll?«
»Wenn nicht du, wer dann? Bin ich es vielleicht, der die Sprache dieses Dings spricht?«, versetzte
sie.
Cloud wusste, wie verständlich ihre Wut war, die ihrer Hilflosigkeit entsprang. »Jedenfalls
scheinen wir uns getäuscht zu haben...« Er senkte die Stimme, aus Angst, sie könnte nach oben
dringen. »Wenn er uns umbringen wollte...«
Mehr konnte er nicht mehr sagen.
Erneut spaltete sich etwas von dem künstlichen Humanoiden ab - aber diesmal war es winzig klein,
etwa faustgroß, und hatte keinerlei Ähnlichkeit mit etwas Lebendigem.
Das Ding sagte wieder etwas.
Cloud riss die Augen auf. »Eine Bombe!«
Sein Schrei klang Scobee noch in den Ohren, als das aberwitzige Ding abermals mutierte,
auseinander fächerte und die Menschen umschlang.
Das Nächste, was Cloud hörte, war eine Explosion.
Und diesmal gab er keinen mickrigen Cent mehr auf ihr Überleben.
Der Mantel teilte sich, fächerte zurück.
Und formte erneut das Ding, das an einen Hirten erinnerte... oder an einen im Gesicht extrem
deformierten Menschen.
Unweit von ihnen stürzten Erd- und Gesteinsmassen herab, verschlossen den Tunnel.
Was für einen Tunnel?
Cloud hatte das vage Gefühl, von Hitze gestreift zu werden. Und sekundenlang gab er sich nur dem
Gefühl hin, doch nicht tot, doch nicht von der Bombe des Irren zerlegt worden zu sein...
Der Irre ragte neben ihnen auf wie ein Monument. Neben ihm und Scobee - und neben Jelto.
Er hat ihn nicht vergessen, nicht im Stich gelassen. Nicht im Stich gelassen? Was, zur Hölle, dachte er da? Dieses aberwitzige Werkzeug der SchiffsKI war der Feind — mindestens ebenso klar wie die Menschen, die in ihren Kampfgleitern Jagd auf sie gemacht hatten! Scobee blinzelte, schlug die Augen auf und sagte, als müsse sie nicht erst Benommenheit abschütteln: »Wie sind wir hierher gekommen? Und vor allem: Wo sind wir?« Diese Frage hatte Cloud sich auch schon gestellt. Die Umgebung war unerwartet — ein Stollen, ein horizontaler Schacht, der nicht einfach ins Erdreich gegraben wirkte, sondern vielmehr... gebrannt. Seine Wände, die Decke, der Boden erinnerten an eine grünliche Glasur und verströmten Eigenlicht. Es war ausreichend hell, um zu erkennen, dass sich der Tunnel in große Entfernung hin erstreckte — auf der nicht blockierten Seite. Nachdenklich bat Cloud Scobee: »Kannst du nach Jelto sehen?« Er zeigte hustend zu der am Boden liegenden Gestalt des Florenhüters. Überall wölkte Staub wie beißender, die Lungen reizender Nebel. Scobee setzte sich auf. Ihr Blick haftete sekundenlang an dem Humanoiden aus der Hirtenstation. Dann gab sie sich einen Ruck, stand auf und ging zu Jelto. »Er lebt«, sagte sie, nachdem sie ihm den Puls gefühlt hatte.
Immerhin. Cloud trat zu dem künstlichen Humanoiden, der die Farbe des aufgewirbelten Staubes
angenommen hatte, der nur zögerlich zu Boden sank. »Was hast du getan? Und... warum hast du es
getan?«
Er glaubte nicht mehr, dass das Wesen, das sich in unzählige Teile aufspalten konnte und noch über
ganz andere Talente verfügte, es auf ihr Leben abgesehen hatte.
Im Gegenteil.
»In wessen Auftrag handelst du?«
Er stellte sich vor, in der Sprache der Hirten zu sprechen — und dem kurzen Aufblicken Scobees
— und dem noch kürzeren Aufblitzen in ihren Augen — nach zu schließen, gelang es ihm
problemlos, ein fremdes, ein außerirdisches Idiom zu verwenden.
»Sag es!«, verlangte Cloud in schärferem Tonfall. »Wer hat dich beauftragt, uns zu helfen? Und
was war das gerade für ein Akt? Diese Organismen... Was haben sie zu bedeuten?«
Er wollte sich nicht eingestehen, dass er bei einem der nassklebrigen Bündel eine entfernte
Ähnlichkeit mit sich selbst festgestellt hatte, und bei den beiden anderen...
»Ich musste unsere Spuren verwischen. Hältst du meine Handlungsweise für ineffektiv?« Wieder
dröhnte die Stimme aus dem Gesamtwerk, zu dem sich die quecksilbrige Masse zusammengefügt
hatte.
»Von welcher Handlungsweise sprichst du?« Cloud lauschte und glaubte, über sich irgendwo näher
an der Oberfläche oder auf der Oberfläche selbst, dumpfe Geräusche zu hören, die auf immer noch
anhaltende Verwüstungen hindeuteten. Der Trupp der Jäger machte Jeltos Station dem Erdboden
gleich.
Der künstliche Humanoide erklärte Cloud, was er getan hatte — und mit welcher Absicht.
Die Bilder, die seine Fantasie dazu entwickelte, brachten Clouds Herz dazu, bis zum Hals zu
schlagen. Er kehrte dem staubgrauen Mimikry-Wesen den Rücken zu und rief Scobee zu: »Wir
dürften sie abgehängt haben.«
»Wie meinst du das?« Sie saß am Boden und hatte Jelto zu sich herangezogen, sodass sein Kopf in
ihren Schoss gebettet lag.
»Mir wurde gerade erklärt, dass sie die Suche nach uns aufgeben werden, wenn alles glatt geht —
womit ich rechne.«
»Und im Klartext heißt das...?«
Cloud deutete mit dem Daumen hinter sich. »Er hat sie hinters Licht geführt. Sie werden denken,
dass wir im Keller umgekommen sind.«
Er sah, wie sich Jeltos Brustkorb regelmäßig hob und senkte, und es erleichterte ihn. Auch wenn sie
dem Florenhüter nicht wirklich nahe gekommen waren — nicht auf einer tief persönlichen Ebene
—, verdankten sie ihm unzweifelhaft ihr Leben.
»Die Körper?«
»Die Körper«, bestätigte Cloud. »Dreimal darfst du raten, worum es sich dabei handelte.«
»Sag es mir. Mir ist irgendwie nicht nach Ratespielen zumute.«
»Als er uns >angriff«