Alistair MacLean
EISSTATION ZEBRA
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U.S.S. »Dolphin« EISSTATION ZEBRA
1 Ruder 2 Heckraum 3 Nuklea...
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Alistair MacLean
EISSTATION ZEBRA
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Malaxis
U.S.S. »Dolphin« EISSTATION ZEBRA
1 Ruder 2 Heckraum 3 Nuklearraum 4 Schaltraum 5 Maschinenleitstand 6 Maschinenraum 7 Gang üb. d. Reaktor 8 Reaktorraum 9 Turm 10 Brücke 11 Funkraum (Backbord) 12 Zentrale 13 Kapitänskajüte (Backbord) 14 Krankenrevier (Steuerbord)
15 Trägheitsnavigierraum 16 Elektronenraum 17 Mannschaftslogis 18 Kombüse 19 Arzneivorräte 20 Müllausstoß 21 Sehrohr (eingefahren) 22 Torpedolagerraum 23 Kollisionskammer 24 Torpedoraum 25 Torpedorohre 26 Klappen der TorpedoAusstoß-Rohre
1 Fregattenkapitän James D. Swanson in der Kriegsmarine der Vereinigten Staaten war klein, dicklich und an die Vierzig. Er hatte pechschwarzes Haar über einem rosigen Puttengesicht. Mit den tiefen Lachfältchen, die von seinen Augen ausstrahlten und sich um den Mund schlängelten, war er der lustige, unbekümmerte extrovertierte Draufgänger, wie er im Buch steht, stets die Seele der Gesellschaft, sofern die Gäste zusammen mit Mänteln und Hüten auch das Gehirn in der Garderobe abgegeben hatten. Diesen Eindruck jedenfalls machte er beim erstenmal auf mich. Aber in der vernünftigen Annahme, es würden doch wohl auch noch andere Qualitäten bei dem Mann zu finden sein, der dazu auserwählt worden war, das modernste und schlagkräftigste Atom-Unterseeboot zu befehligen, das die Meere befuhr, betrachtete ich ihn noch einmal genauer. Und jetzt sah ich, was ich gleich hätte sehen müssen, wenn mir nicht der klamme graue Nebel und die Winterdämmerung, die sich auf den Firth of Clyde herabsenkten, die Sicht so sehr erschwert hätten. Seine Augen. Was immer sie ausdrücken mochten - es waren nicht die Augen eines burschikosen und witzelnden Bonvivants. Es waren die kältesten grauen Augen, die ich je gesehen hatte, Augen, die er etwa so benützte wie der Zahnarzt seine Sonde, der Chirurg sein Skalpell oder der Physiker sein Elektronenmikroskop. Forschende Augen, messende Augen. Sie musterten zuerst mich, dann das Papier, das er in der Hand hielt, verrieten aber nicht im geringsten die Schlußfolgerungen, die er auf Grund der vorgenommenen Messungen gezogen hatte. »Bedaure, Doktor Carpenter.« Die Stimme mit dem Südstaatlerakzent klang ruhig und höflich, aber sein Bedauern war, soweit ich es beurteilen konnte, alles andere als echt. Er faltete das Telegramm zusammen, steckte es wieder in den Umschlag und gab es mir zurück. »Ich kann weder dieses Telegramm als ausreichende Vollmacht, noch Sie als
Passagier akzeptieren. Diese Entscheidung ist nicht persönlich gemeint, das wissen Sie. Aber ich habe meine Weisungen.« »Keine ausreichende Vollmacht?« Ich zog das Telegramm aus dem Umschlag und deutete auf die Unterschrift. »Wer ist denn der Herr? Fensterputzer bei der Admiralität?« Es war gar nicht sehr witzig, und als ich ihn im schwindenden Licht ansah, sagte ich mir im stillen, ich hätte vielleicht die Tiefe der Lachfalten in seinem Gesicht überschätzt. Er sagte mit präziser Betonung: »Admiral Hewson befehligt die Ostdivision der NATO. Bei NATO-Manövern unterstehe ich seinem Befehl. Aber zu jeder anderen Zeit bin ich nur Washington verantwortlich. Momentan ist es die andere Zeit. Bedaure ... Außerdem muß ich Sie darauf aufmerksam machen, Doktor Carpenter, daß Sie jede beliebige Person in London hätten veranlassen können, dieses Telegramm zu schicken. Es ist nicht einmal ein Depeschenformular der britischen Kriegsmarine.« Nichts entging diesen Augen, das war nicht zu bestreiten, aber sein Argwohn war unbegründet. Ich sagte: »Sie könnten ihn ja radiotelefonisch anrufen, Herr Kapitän.« »Freilich«, sagte er zustimmend. »Aber es würde keine Rolle spielen. Nur bevollmächtigte amerikanische Staatsbürger dürfen an Bord dieses Fahrzeugs gehen - und die Vollmacht muß aus Washington kommen.« »Vom Leiter der Abteilung für Unterseekriegsführung oder vom Befehlshaber der atlantischen U-Boot-Flotte?« Er nickte langsam und nachdenklich. Ich fuhr fort: »Bitte, funken Sie die Herren an und bitten Sie sie, sich mit Admiral Hewson in Verbindung zu setzen. Die Zeit drängt, Herr Kapitän!« Ich hätte hinzufügen können, daß es zu schneien anfing und daß mir von Minute zu Minute kälter wurde, aber ich ließ es sein. Er überlegte eine Weile, nickte, machte kehrt und ging ein paar Schritte zu einem tragbaren Piertelefon, das durch eine Doppelleitung mit dem länglichen, dunklen Schiffsrumpf verbunden war, der zu unseren Füßen im Wasser lag. Er sprach ganz kurz, dämpfte
die Stimme, hängte ab. Er hatte kaum Zeit, zu mir zurückzukehren, als drei Gestalten in kurzen dicken Wollmänteln hastig eine benachbarte Gangway heraufkamen, auf uns zusteuerten und dicht vor uns stehenblieben. Der größte von den dreien, ein magerer, schlaksiger Mann mit weizenblondem Haar und dem überzeugenden Aussehen eines Menschen, der eigentlich ein Pferd zwischen den Schenkeln haben müßte, stand einen halben Schritt vor den anderen. Kapitän Swanson zeigte auf ihn. »Oberleutnant Hansen, mein Erster Offizier. Er wird sich um Sie kümmern, bis ich wiederkomme.« Der Herr Kapitän wußte seine Worte zu wählen. »Um mich braucht sich niemand zu kümmern«, sagte ich sanft. »Ich bin erwachsen und fühle mich selten einsam.« »Ich werde mich möglichst beeilen, Doktor Carpenter«, sagte Swanson. Er lief die Gangway hinunter, und ich sah ihm versonnen nach. Ich schlug mir alle dummen Gedanken aus dem Kopf sofern ich mir eingebildet haben sollte, der Befehlshaber der atlantischen U-Boot-Flotte Amerikas hole sich seine Kapitäne von den Bänken im Central Park. Ich hatte versucht, mir Zutritt zu Swansons Fahrzeug zu verschaffen, und für den Fall, daß ich dazu nicht ermächtigt sein sollte, wollte er mich festhalten, bis er meine Gründe und die Hintergründe erfahren hatte. Hansen und seine beiden Begleiter waren vermutlich die drei tüchtigsten Seeleute an Bord. Das Boot. Ich betrachtete das große, schwarze Gebilde, das fast zu meinen Füßen vertäut lag. Zum erstenmal bekam ich ein Atom-Unterseeboot zu sehen. Die >Dolphin < ähnelte keinem der U-Boote, die ich je gesehen hatte. Sie war ungefähr so lang wie die Hochseeboote mit großem Aktionsradius aus dem Zweiten Weltkrieg, aber damit hörte jede Ähnlichkeit auf. Der Durchmesser war mindestens doppelt so groß wie der eines üblichen U-Bootes. Statt die einigermaßen schiffartigen Umrisse ihrer Vorgänger nachzuahmen, war die >Dolphin< fast zylindrisch geformt, der
Bug nicht wie gewöhnlich V-förmig, sondern eine vollkommene Halbkugel. Ein Deck war nicht vorhanden: Die gerundeten, steilen Seiten- und Bugwände fielen glatt ab. Es blieb nur ein schmaler Laufsteg mittschiffs, so gefährlich und tückisch durch seine schlüpfrige Rundung, daß er, wenn das Boot im Hafen lag, mit einem Geländer abgesichert wurde. Etwa dreißig Meter hinter dem Bug erhob sich der schlanke, aber massive Kommandoturm zu einer Höhe von mehr als sieben Metern und erinnerte verblüffend an die große Rückenflosse eines ungeheuren Haifisches. In halber Höhe der Turmwand ragten waagrecht die plumpen, geschweiften Tiefenruder heraus. Ich versuchte festzustellen, wie es weiter achtern aussah, aber der Nebel und der immer dichter vom Loch Long herabwirbelnde Schnee machten mir einen Strich durch die Rechnung. Übrigens begann ich ohnedies das Interesse zu verlieren. Ich hatte nur einen dünnen Regenmäntel an und fühlte, wie sich unter den eisigen Fingern des Wintersturmes auf meinem Körper eine Gänsehaut bildete. »Es war nicht die Rede davon, daß wir hier erfrieren müssen«, sagte ich zu Hansen. »Die Kantine dort drüben ... Würden Ihre Grundsätze Sie daran hindern, sich von Doktor Carpenter, dem bekannten Spion, zu einer Tasse Kaffee einla den zu lassen?« Lächelnd erwiderte Hansen: »Wenn es sich um Kaffee handelt, lieber Freund, kenne ich keine Grundsätze. Besonders heute abend nicht. Man hätte uns vor dem schottischen Winter warnen sollen.« Er sah nicht nur aus wie ein Cowboy, er redete auch wie ein Cowboy. Ich bin Fachmann in CowboyFragen, da ich manchmal zu müde bin, um aufzustehen und das Fernsehgerät auszuschalten. »Rawlings, teilen Sie dem Kommandanten mit, daß wir vor den Elementen Zuflucht suchen.« Während Rawlings sich zu dem Pierte lefon begab, ging Hansen voraus in die von Neonröhren erhellte Kantine. An der Tür ließ er mir den Vortritt, steuerte dann auf die Theke zu, während der andere Seemann, ein rotwangiger Bursche mit den Dimensionen eines Eisbären, mich mit sanfter Gewalt auf eine Eckbank in einem Winkel des Raumes
bugsierte. Hansen kam heran und setzte sich an meine andere Seite, und als Rawlings zurückkehrte, nahm er breitspurig mir gegenüber Platz. »Umzingelt und eingepfercht in bester Wildwestmanier«, sagte ich beifällig. »Die Herren haben eine schmutzige und mißtrauische Phantasie.« »Sie tun uns unrecht«, erwiderte Hansen. »Wir sind nichts weiter als drei freundliche, gesellige Kumpane, die ihre Weisungen durchführen. Die schmutzige, mißtrauische Phantasie gehört Kapitän Swanson, habe ich recht, Rawlings?« »Ja, allerdings, Herr Oberleutnant«, sagte Rawlings mit ernster Miene. »Er hält sich streng an die Sicherheitsvorschriften, unser Kommandant.« Ich versuchte es abermals. »Ist das für Sie nicht sehr unbequem?« fragte ich. »Ich denke, alle Mann werden dringend an Bord gebraucht, wenn es in knapp zwei Stunden heißt, auszulaufen.« »Sprechen Sie ungeniert weiter, Herr Doktor«, sagte Hansen in aufmunterndem Ton. Seine kalten, blauen, arktischen Augen hatten freilich nichts Aufmunterndes an sich. »Ich bin ein recht guter Zuhörer.« »Freuen Sie sich auf den Ausflug ins Packeis?« fragte ich liebenswürdig. Sie waren alle drei auf die gleiche Wellenlänge eingestellt. Sie sahen einander nicht einmal an. Unisono rückten sie etliche Zentimeter näher an mich heran, und noch nicht einmal auf unmerkliche Weise. Hansen wartete mit einem angenehm entspannten Lächeln, bis die Kellnerin vier dampfende Tassen Kaffee auf den Tisch gestellt hatte und sagte dann im selben aufmunternden Ton wie zuvor: »Nur weiter in diesem Takt, lieber Freund! Nichts hören wir lieber, als wenn streng geheime Informationen in Kantinen ausposaunt werden. Woher, zum Teufel, wissen denn Sie, wo wir hinwollen?« Meine Hand langte ins Jackett und verharrte dort, mein Handgelenk in Hansens rechter Hand verklemmt. »Wir sind nicht argwöhnisch, keine Spur«, sagte er, um sich zu entschuldigen. »Wir U-Bootsleute sind bloß besonders nervös,
weil wir ein so gefährliches Leben führen. Außerdem haben wir an Bord der >Dolphin< eine sehr schöne Filmbibliothek. So oft in einem dieser Filme ein Willie in die Jacke langt, geschieht es immer aus dem gleichen Grund, und zwar nicht, weil er nachschauen will, ob die Brieftasche noch da ist.« Ich nahm mit der freien Hand sein Handgelenk, stieß seinen Arm zurück und drückte ihn auf die Tischplatte nieder. Ich behaupte nicht, daß es leicht ging. Die amerikanische Kriegsmarine verabreicht offensichtlich ihren U-Bootsleuten eine proteinreiche Kost. Aber ich brachte es fertig, ohne daß ein Blutgefäß platzte. Ich zog eine zusammengefaltete Zeitung aus der inneren Brusttasche und legte sie auf den Tisch. »Sie wollen wissen, woher, zum Teufel, ich weiß, wo ihr hinwollt!« sagte ich. »Wieso ich es weiß? Weil ich lesen kann. Hier haben wir eine Abendzeitung aus Glasgow, die ich vor einer halben Stunde auf dem Flughafen von Renfrew käuflich erworben habe.« Hansen rieb sich nachdenklich das Handgelenk. Dann lächelte er. »In welchem Fach haben Sie Ihren Doktor gemacht? Im Gewichtheben? ... Was die Zeitung betrifft - wie konnten Sie sie denn vor einer halben Stunde in Renfrew kaufen?« »Ich bin hierher geflogen. Mit einem Hubschrauber.« »Mit einem Schnurrkäfer? Ich habe einen vor einigen Minuten ankommen hören. Aber das war eine unserer Maschinen.« »Es stand mit meterhohen Lettern draufgeschrieben - USNavy«, sagte ich. »Der Pilot hat die ganze Zeit Gummi gekaut und laut den Himmel um eine baldige Heimkehr nach Kalifornien angefleht.« »Haben Sie das alles dem Kommandanten erzählt? « fragte Hansen. »Er ließ mir keine Gelegenheit, ihm irgend etwas zu erzählen.« »Es geht ihm zu viel im Kopf herum - und er hat alle Hände voll zu tun«, sagte Hansen. Er entfaltete die Zeitung und betrachtete die erste Seite. Er brauchte nicht lange zu suchen, um zu finden, was er suchte: Die fünf Zentimeter hohen Schlagzeilen liefen über sieben Spalten. »Also, schaut euch
das an ...« Oberleutnant Hansen versuchte gar nicht erst, seine Gereiztheit und seinen Ärger zu verhehlen. »Da schleichen wir auf Zehenspitzen in diesem gottverlassenen Loch umher, verkleben uns die Mäuler mit Heftpflaster, schwören heilige Eide, unseren Auftrag und unseren Bestimmungsort geheimzuhalten - und was geschieht? Ich nehme dieses beschissene Tommy-Blättchen zur Hand, und da stehen sämtliche streng geheimen Details schwarz auf weiß quer über die erste Seite hingepfeffert!« »Machen Sie keine Witze, Herr Oberleutnant«, sagte der Mann mit dem roten Gesicht und dem Aussehen eines Polarbären. Seine Stimme schien aus den Stiefeln zu kommen. »Es ist kein Wit z, Zabrinski«, erwiderte Hansen kalt. »Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, Lesen und Schreiben zu lernen, würden Sie sich selbst davon überzeugen können. >Atom-U-Boot im RettungsdienstDramatischer Vorstoß zum Nordpol.< Gott sei uns gnädig Nordpol! Und ein Bild der >DelphinFolgende gemeinsame Erklärung wurde gleichzeitig einige Minuten vor zwölf Uhr mittags (Greenwichzeit) in London und in Washington abgegebenAngesichts der kritischen Lage, in der sich die Überlebenden der Treibeis-Station Zebra befinden, und da es weder geglückt ist, sie zu retten noch mit den üblichen Mitteln Verbindung mit ihnen aufzunehmen, hat die Kriegsmarine der Vereinigten Staaten sich bereit gefunden, das Atom-Unterseeboot >Dolphin< schnellstens mit dem
Auftrag zu entsenden, den Kontakt mit den Überlebenden herzustellen ... ... Heute früh vor Tagesanbruch kehrte die >Dolphin< zu ihrem Stützpunkt in Holy Loch zurück, nachdem sie an ausgedehnten Manövern der NATO-Seestreitkräfte im östlichen Atlantik teilgenommen hatte. Man hofft, die >Dolphin< (Kommandant James D. Swanson, U.S. N.) werde abends gegen 7 (Greenwichzeit) in See gehen ... ... Die lakonische Nüchternheit des Kommuniques kündigt den Beginn eines verzweifelten und gefährlichen Rettungsversuches an, der in der Geschichte des Meeres oder der Arktis beispiellos dastehen dürfte. Es ist jetzt sechzig Stunden her ...-« »Sagten Sie >verzweifeltgefährlich