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Gaby PottgieBer Einflusse internationaler Standards auf die handelsrechtliche Rechnungslegung und die steuerrechtliche Gewinnermittlung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zu Wirtschaftspriifung, Steuerlehre und Controlling Herausgegeben von Prof. Dr. Carl-Christian Freidank, Universitat Hamburg
Gaby PottgieBer
Einfliisse internationaler Standards auf die handelsrechtliche Rechnungslegung und die steuerrechtliche Gewinnermittlung Kritische Analyse der Entwicklung des deutschen Bilanzierungssystems unter Berucksichtigung mittelstandischer Unternehmen
Miteinem Geleitwortvon Prof. Dr. Carl-Christian Freidank
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Pubiikation in der Deutschen Nationaibibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.
Dissertation Universitat Hamburg, 2005
I.Auflage April 2006 Alie Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GVW Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel /Anita Wilke Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieSlich aller seiner Telle ist urheberrechtiich geschutzt. Jede Verwertung aulJerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutzt werden durften. Umschiaggestaltung: Regine Zimmer, DipL-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0265-1 ISBN-13 978-3-8350-0265-4
Geleitwort
Geleitwort Vor dem Hintergrund der umfassenden Novellierungen des nationalen Bilanzrechts nach Mafigabe intemationaler Regelungen zielt das vorliegende Buch darauf ab, „... die Auswirkungen der lAS/IFRS auf die deutschen mittelstandischen Untemehmen aufzuzeigen und einen wissenschaftlichen Beitrag zu Ausgestaltungsaltemativen der Rechnungslegung im Jahresabschluss bzw. in der Steuerbilanz zu leisten" (S. 5). Besondere Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang die EU-Verordnung vom 19. Juli 2002, die u.a. an die Stelle des zum 31. Dezember 2004 ausgelaufenen § 292 a HGB a. F. getreten ist. Danach werden kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen mit Sitz in der Europaischen Union ab 2005 zur Aufstellung ihrer Konzemabschliisse nach lAS/IFRS verpflichtet. Weiterhin besteht ein Mitgliedstaatenwahlrecht fiir gelistete Unternehmen, auch die Erstellung ihrer Einzelabschliisse an intemationale Regelungen zu binden. Ferner konnen nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen ihre Konzem- und Einzelabschliisse nach den lAS/IFRS anfertigen. Zwischenzeitlich hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) vom 04. Dezember 2004 auf die angesprochene EU-Verordnung reagiert. Uber den Pflichtbereich dieser Regelung hinaus wurde die Anwendung der lAS/IFRS ab dem 01.01.2005 als Untemehmenswahlrecht sowohl fiir den Konzernabschluss nicht kapitalmarktorientierter Mutterunternehmen als auch den Einzelabschluss der kapitalmarktorientierten und der iibrigen Unternehmen zugelassen. Da in jiingerer Zeit insbesondere kapitalmarktorientierte Unternehmen im Mittelpunkt der Diskussion zur Reform der Rechnungslegung standen, sieht die Verfasserin mit Recht erhohten Forschungsbedarf, der sich auf die kiinftige Ausgestaltung des handelsrechtlichen Bilanzierungssystems und der steuerlichen Gewinnermittlung fiir mittelstandische Unternehmen bezieht. In diesem Rahmen werden unterschiedliche Reformstrategien fiir den deutschen Gesetzgeber analysiert, die sowohl eine voUstandige Ubernahme der lAS/IFRS als auch eine sukzessive Annaherung von Handels- und Steuerbilanz unter Beibehaltung des institutionellen Glaubigerschutzes beriicksichtigen. Neben einem fundierten Uberblick iiber den Stand und die Perspektiven der Rech-
VI
Geleitwort
nungslegung mittelstandischer Untemehmen auf nationaler und europaischer Ebene enthalt die Abhandlung somit auch konkrete Umsetzungsempfehlungen, die der kiinftigen handels- und steuerrechtlichen Bilanzierung dieses Untemehmenstyps zugrunde gelegt werden konnten. Insofern liefert die Schrift innovative Vorschlage zur Fortentwicklung spezifischer Grundsatze ordnungsmaliiger Buchfiihrung fiir mittelstandische Untemehmen. Dariiber hinaus werden vielfaltige Ansatzpunkte fiir weitere Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet aufgezeigt.
o.Univ.-Prof. Dr. Carl-Christian Freidank
Vorwort
VII
Vorwort Die vorliegende Schrift entstand wahrend meiner Tatigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut fiir Wirtschaftspriifung und Steuerwesen, Lehrstuhl fiir Revisions- und Treuhandwesen, der Universitat Hamburg in der Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 30. September 2005 und wurde im Sommersemester 2005 von der Fakultat fiir Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Department Wirtschaftswissenschaften, als Dissertation angenommen. Die Arbeit soil mit einem Forderpreis der ESC - Esche Schiimann Commichau Stiftung, Hamburg, ausgezeichnet werden. An dieser Stelle mochte ich alien danken, die mich in den letzten Jahren unterstiitzt haben: Aufrichtiger Dank gebiihrt vor allem meinem verehrten akademischen Lehrer und Doktorvater, Herm Prof. Dr. Carl-Christian Freidank, fiir die stetige Forderung, die wissenschaftliche Betreuung und die tatkraftige Unterstiitzung wahrend meiner Zeit an der Universitat Hamburg. Herm Prof. Dr. Manfred Layer danke ich fiir die ziigige Erstellung des Zweitgutachtens. Ein herzlicher Dank gilt auch meinen KoUegen und den wissenschaftlichen Hilfskraften am Lehrstuhl fiir die freundschaftliche, motivierende und hilfsbereite Zusammenarbeit. Ganz besonders danke ich Herm Dipl.-Kfm. Patrick Velte, Herm Dipl.-Kfm. Dr. Thies Lentfer, Frau Bank-Bw. Diana Meyel, Herm Dipl.-Kfm. Thomas Frei, Herm Dipl.-Kfm. Ziad Bakhaya sowie Herm Dipl.-Bw./StB Stefan C. Weber fiir die kritische Durchsicht des Manuskripts sowie die konstruktiven Anregungen und die Aufmunterungen. Sie haben mafigeblich zum erfolgreichen Abschluss der Promotion beigetragen! Meinem Freund Thomas danke ich aufierdem fiir sein liebevoUes Verstandnis, durch das mir die Erstellung der Arbeit wesentlich erleichtert wurde. Schliefilich danke ich von ganzem Herzen meinen Eltem, die mir auf meinem Lebensweg mit ihrer fiirsorglichen und liebevoUen Unterstiitzung jederzeit Riickhalt geben und die mir diese Ausbildung ermoglicht haben. Ihnen widme ich in Dankbarkeit diese Arbeit. Gaby Pottgiefier
Inhaltsiibersicht
IX
Inhaltsiibersicht Geleitwort
V
Vorwort
VII
Inhaltsverzeichnis
XIII
Abkiirzungsverzeichnis
,
Abkiirzungsverzeichnis fiir Zeitschriften und Zeitungen Abbildungsverzeichnis
XXVII XXXVII XXXIX
Tabellenverzeichnis
XLI
Einleitung
1
I.
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1
II.
Gang der Untersuchung
7
Erster Hauptteil: Der Harmonisierungsprozess im Bereich der internationalen Rechnungslegung unter Beriicksichtigung mittelstandischer Unternehmen I.
11
Aktuelle Entwicklungen in der internationalen Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf die Europaische Union 11 A.
Begriffsabgrenzungen
11
B.
Die lAS/IFRS als Grundlage des Standardisierungsprozesses der Rechnungslegungsvorschriften in Europa
14
Harmonisierungsbestrebungen in der Europaischen Union
23
C.
X
Inhaltsiibersicht
D.
II.
Fortentwicklung der europaischen Rechnungslegung im Rahmen des Harmonisierungsprozesses
30
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
49
A.
Phasen der Intemationalisierung in Deutschland
49
B.
Die Umsetzung der europaischen Vorgaben durch den Mafinahmenkatalog der Bundesregierung und das Bilanzrechtsreformgesetz
54
III. Der Mittelstand als besonderes Betrachtungsobjekt
71
A.
Bedeutung und Definition des Mittelstandes
71
B.
Einteilung mittelstandischer Untemehmen nach quantitativen Aspekten
72
C.
Charakteristika mittelstandischer Untemehmen nach qualitativen Kriterien 11
IV. Zwischenergebnis
83
Zweiter Hauptteil: Rtickwirkungen der lAS/IFRS auf die handelsrechtliche Rechnungslegung und das deutsche Glaubigerschutzsystem
85
I.
Grundlegendes
85
II.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf die Bilanzierung im handelsrechtlichen Jahresabschluss
87
A. B.
Zwecke des Jahres und Konzemabschlusses national und international
87
Abkopplung der Rechnungslegungsvorschriften des Jahresabschlusses von denen des Konzemabschlusses
98
C.
Auswirkungen einer Ubernahme der lAS/IFRS auf die GoB
106
D.
Konklusion
128
Inhaltsubersicht
III. Eignung des lAS/IFRS-Abschlusses als Instrument der Kapitalerhaltung sowie Diskussion altemativer Konzepte zur Entwicklung des Glaubigerschutzes
XI
133
A.
Grundlegendes
133
B.
Unterschiedliche Glaubigerschutzvorschriften in Deutschland, auf EU-Ebene und nach den lAS/IFRS
134
Auswirkungen der Obemahme der lAS/IFRS auf den deutschen Jahresabschluss
145
Kiinftige Gestaltungsmoglichkeiten des Glaubigerschutzes
169
C. D.
IV. Zwischenergebnis
199
Dritter Hauptteil: Rtickwirkungen der Ubernahme der lAS/IFRS auf das Bilanzsteuerrecht und Entwicklung von langfristigen Alternativen zur steuerlichen Gewinnermittlung
205
I.
Uberblick
205
II.
Grundlagen der steuerlichen Gewinnermittlung und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
207
A. B. C.
Ziele und verfassungsrechtliche Grundprinzipien der steuerlichen Gewinnermittlung
207
Das Mafigeblichkeitsprinzip als Bindeglied zwischen Handels- und Steuerbilanz
215
Einfliisse auf das deutsche Steuerrecht
224
III. Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung A. B.
243
Ubernahme der lAS/IFRS unter Beibehaltung des Mafigeblichkeitsprinzips
243
Alternativen zur steuerrechtlichen Gewinnermittlung bei Aufgabe des MaEgeblichkeitsprinzips
257
IV. Zwischenergebnis
297
XII
Inhaltsiibersicht
Vierter Hauptteil: Entwicklungsalternativen des deutschen Rechnungslegungssystems unter besonderer Berticksichtigung des Mittelstandes I.
Nutzenpotentiale und Kosten einer Umstellung der Rechnungslegung auf die lAS/IFRS fiir KMU A. B. C
II.
303
303
Von der EU-Verordnung betroffene Untemehmen in Deutschland
303
Argumente fiir und gegen eine Umstellung auf die lAS/IFRS fiir mittelstandische Untemehmen
305
Spezielle lAS/lFRS fiir KMU
321
Entwicklung von zwei Modellen zur Zukunft der deutschen handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung
347
A.
Vorstellung der Pramissen
347
B.
Weiterentwicklung der GoB
351
C.
Standardisierung der deutschen Rechnungslegung
357
D.
Reform im Rahmen der Annaherung von Handels- und Steuerbilanz unter Beriicksichtigung des Glaubigerschutzes
418
Schlussbetrachtung
469
Literaturverzeichnis
479
Rechtsprechung
561
EU-Verordnungen, EU-Richtlinien, Mitteilungen der EU-Kommission sowie weiterer europaischer Institutionen
565
Sonstige Materialien
575
Inhaltsverzeichnis
XIII
Inhaltsverzeichnis Geleitwort
V
Vorwort
VII
Inhaltsverzeichnis
XIII
Abkiirzungsverzeichnis Abkiirzungsverzeichnis fiir Zeitschriften und Zeitungen Abbildungsverzeichnis
XXVII XXXVII XXXIX
Tabellenverzeichnis
XLI
Einleitung
1
I.
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
1
II.
Gang der Untersuchung
7
Erster Hauptteil: Der Harmonisierungsprozess im Bereich der internationalen Rechnungslegung unter Berticksichtigung mittelstandischer Unternehmen I.
11
Aktuelle Entwicklungen in der internationalen Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf die Europaische Union 11 A.
Begriffsabgrenzungen
B.
Die lAS/IFRS als Grundlage des Standardisierungsprozesses
11
der Rechnungslegungsvorschriften in Europa
14
1.
Entwicklungsphasen der lAS/IFRS
14
2.
Organisation des lASB
21
XrV
Inhaltsverzeichnis
C.
Harmonisierungsbestrebungen in der Europaischen Union 1.
Grundlagen und Ziele der europaischen Rechnungslegung...23
2.
EG-Richtlinien als Instrument zur Angleichung der Rechnungslegung in den MitgHedstaaten a) b)
D.
Wichtige Richtlinien und deren Umsetzung in deutsches Recht
25 25
Erfolg der Harmonisierung durch die EG-Richtlinien ..28
Fortentwicklung der europaischen Rechnungslegung im Rahmen des Harmonisierungsprozesses
30
1.
Strategie der EU-Kommission
30
2.
EU-Verordnung vom 19.07.2002
31
a)
Ziele und Anwendungsbereich
31
b)
Das Endorsement-Verfahren zur Anerkennung
c) 3.
der lAS/IFRS in der Europaischen Union
34
Auslegung der endorsed lAS/IFRS
37
Aktuelle Reformen der EG-Rechnungslegungsrichtlinien im Rahmen der Anpassung an die lAS/IFRS a) Konvergenz zwischen den lAS/IFRS und den Rechnungslegungsrichtlinien
40 40
b)
Fair Value-Richtlinie
41
c)
Modemisierungsrichtlinie
43
1)
Ziele und Neuregelungen
43
2)
Kritische Wiirdigung
46
d) II.
23
Weitere wichtige Reformen
47
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
49
A.
Phasen der Intemationalisierung in Deutschland
49
B.
Die Umsetzung der europaischen Vorgaben durch den Mafinahmenkatalog der Bundesregierung und das Bilanzrechtsreformgesetz
54
Inhaltsverzeichnis
XV
1.
Das 10-Punkte-Programm der Bundesregierung
54
2.
Bilanzrechtsreformgesetz
55
a)
Umsetzung der EU-Verordnung
55
b)
Partielle Transformation der Richtlinien
60
c)
Kritische Wiirdigung
62
3.
Exkurs: BilanzkontroUgesetz
III. Der Mittelstand als besonderes Betrachtungsobjekt
64 71
A.
Bedeutung und Definition des Mittelstandes
71
B.
Einteilung mittelstandischer Untemehmen nach quantitativen Aspekten
72
1.
Abgrenzung nach Grofienklassen
72
2.
Einordnung mittelstandischer Unternehmen in die deutsche Untemehmenslandschaft
74
C.
Charakteristika mittelstandischer Untemehmen nach qualitativen Kriterien 11 1.
Betriebswirtschaftliche Besonderheiten mittelstandischer Gesellschaften
11
2.
Finanzierungsquellen des Mittelstandes
78
3.
Merkmale der Rechnungslegung
80
IV. Zwischenergebnis
83
Zweiter Hauptteil: Rtickwirkungen der lAS/IFRS auf die handelsrechtliche Rechnungslegung und das deutsche Glaubigerschutzsystem
85
I.
Grundlegendes
85
II.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf die Bilanzierung im handelsrechtlichenjahresabschluss
87
XVI
Inhaltsverzeichnis
A.
Zwecke des Jahres- und Konzemabschlusses national und international 1.
B.
Handelsrechtiicher Jahresabschluss einer deutschen Kapitalgesellschaft
87
2.
Aufgaben des Konzemabschlusses
89
3.
Rechnungslegung nach der Vierten und Siebenten EG-Richtiinie
93
4.
Abschliisse nach lAS/IFRS
94
5.
Gegeniiberstellung der Generalnormen
96
Abkopplung der Rechnungslegungsvorschriften des Jahresabschlusses von denen des Konzemabschlusses 1.
2.
C.
87
98
Rechtfertigung einer Trennung der Rechnungslegung von Konzem- und Jahresabschluss
98
Argumente gegen eine Trennung
100
a)
Rechtiiche Verkniipfung - Einheitstheorie
100
b)
Faktische Riickwirkungen
102
Auswirkungen einer Ubemahme der IAS/ IFRS auf die GoB
106
1.
Grundlegendes
106
2.
Direkte Anerkennung der intemationalen Standards als GoB im Jahresabschluss
107
a)
GoB im Jahresabschluss
107
1)
107
b)
Begriff und Aufgabe
2) Ermittlung und Auslegungsmethodik Grundlegende Unterschiede zwischen der lAS/IFRS- und der HGB-Rechnungslegung 1) 2)
110 112
Grundsatze des lAS/IFRS-Framework und GoB im Vergleich
112
Unterschiede in der Erfassung von Abschlussposten
118
Inhaltsverzeichnis
XVII
3) 3. D.
Konsequenz fiir die direkte Ubemahme der lAS/IFRS in deutsches Recht
Indirekte Riickwirkungen der lAS/IFRS auf die GoB iiber den Konzemabschluss
Konklusion
125 128
III. Eignung des lAS/IFRS-Abschlusses als Instrument der Kapitalerhaltung sowie Diskussion altemativer Konzepte zur Entwicklung des Glaubigerschutzes A.
Grundlegendes
B.
Unterschiedliche Glaubigerschutzvorschriften in Deutschland,
133 133
auf EU-Ebene und nach den lAS/IFRS
134
1.
Glaubigerschutzbestimmungen in Deutschland
134
a)
Bilanzieller Glaubigerschutz
134
b)
Gesellschaftsrechtliche Regelungen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung
136
c)
C.
123
Zusammenhang zwischen gesellschaf tsrechtlichem und bilanziellem Glaubigerschutz 138
2.
Glaubigerschutz in der Europaischen Union
140
3.
Informationeller Glaubigerschutz nach den IAS/ IFRS
142
Auswirkungen der Ubemahme der IAS/IFRS auf den deutschen Jahresabschluss
145
1.
Kritik am deutschen Glaubigerschutz
145
2.
Zweckmafiigkeit der IAS/ IFRS und des HGB im Hinblick auf die Ausschiittungsbemessung
148
a)
Ansatzgrundsatze
148
1)
Ansatzwahlrechte
148
2)
Ausgewahlte Aktivierungsgrundsatze
149
3)
Passivierungsgrundsatze
153
b)
Bewertung
154
1)
154
Neubewertung von Sachanlagevermogen
XVIII
Inhaltsverzeichnis
2)
c) D.
Folgebewertung von Finanzanlagen und Immobilien zur Finanzinvestition
155
3)
Langfristfertigung
158
4)
Impairment-Test und Riickstellungen
159
Konklusion
Kiinftige Gestaltungsmoglichkeiten des Glaubigerschu tzes 1.
2.
3.
161 169
Reformbestrebungen in der Europaischen Union und in Deutschland
169
Trennung von Glaubigerschutz und Bilanzierung
173
a)
Grundlegendes
173
b)
Glaubigerschutz in den USA
174
1)
Grundlegendes
174
2)
Das traditionelle System des Legal Capital
176
3)
Solvenztests
178
4) 5)
Glaubigerschutz durch Covenants Kritik an der Ubemahme amerikanischer Regelungen
181 183
Anpassung bestehender Glaubigerschu tzbestimmungen
187
a)
Grundlegendes
187
b)
Uberleitungsrechnung auf den entziehbaren Gewinn
188
1) 2)
3) c)
Fair Value-Riicklage und Ausschiittungssperren
188
Fortentwicklung der geplanten Erfolgsdarstellung „ Reporting Comprehensive Income" des lASB
191
Kritische Wiirdigung
195
Anderung der gesellschaftsrechtlichen Mafinahmen zur Kapitalerhaltung 197
Inhaltsverzeichnis
XIX
d)
Ankniipfen der Ausschiittungsregeln an die Steuerbilanz
198
IV. Zwischenergebnis
199
Dritter Hauptteil: Rtickwirkungen der Ubernahme der IAS/IFRS auf das Bilanzsteuerrecht u n d Entwicklung v o n langf ristigen Alternativen zur steuerlichen Gewinnermittlung
205
I.
Uberblick
205
II.
Grundlagen der steuerlichen Gewinnermittlung und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
207
A. B.
C.
Ziele und verfassungsrechtliche Grundprinzipien der steuerlichen Gewinnermittlung
207
Das Mafigeblichkeitsprinzip als Bindeglied zwischen Handelsund Steuerbilanz
215
1.
Geltungsbereich
215
2.
Historische, verfassungsrechtliche und funktionelle Begriindung des Mafigeblichkeitsprinzips
220
Einfliisse auf das deutsche Steuerrecht 1. 2.
224
Durchbrechungen des Mafigeblichkeitsprinzips durch die jiingeren deutschen Gesetzesmafinahmen
224
Auswirkungen der Rechtsprechung auf die steuerliche Gewinnermittlung
227
a)
Die Vorabentscheidungskompetenz des EuGH und die Vorlageanfrage des Finanzgerichtes Hamburg vom 22.04.1999 227 1)
Voraussetzungen der Vorabentscheidung des EuGH
227
2)
Die Rechtsprechung des EuGH
229
3)
Das Vorlageverhalten des BFH sowie der Finanzgerichte
232
XX
Inhaltsverzeichnis
4) 5) 3. 4.
Sonderfalle der Vorlage und Einstellung des EuGH zur Ubemahme der lAS/IFRS
235
Konsequenzen fiir die steuerliche Gewinnermittlung
236
Schaffung einer einheitlichen europaischen Steuerbemessungsgrundlage
238
Konklusion
242
III. Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung A.
Ubemahme der lAS/IFRS unter Beibehaltung des Ma%eblichkeitsprinzips 1.
2.
243
Eignung der lAS/IFRS als Ankniipfungspunkt der steuerlichen Gewinnermittlung
243
a)
Materielle Geeignetheit
243
b)
Verfassungsrechtliche Aspekte
250
Folgen der Ubemahme der intemationalen Normen fiir die Steuerbelastung
252
Eingeschrankte Ubemahme der lAS/IFRS unter Beibehaltung des Mafigeblichkeitsprinzips
253
4.
Diskussion um die umgekehrte Mafigeblichkeit
255
5.
Konklusion
256
3.
B.
243
Altemativen zur steuerrechtlichen Gewinnermittlung bei Aufgabe des Maligeblichkeitsprinzips 1.
Kriterien zur Neuordnung der steuerlichen Gewinnermittlung a)
2.
257 257
Einkommens- oder konsumorientierte Besteuerung
257
b)
Besteuerung des okonomischen Gewinns
258
c)
Moglichkeiten zur Ausgestaltung der Steuerbemessungsgrundlage
261
Steuerreformmodelle
262
Inhaltsverzeichnis
XXI
3.
Cashflow-Besteuerung
265
4.
Zinskorrigierte Besteuerung
269
5.
Einnahme-Uberschussrechnung
271
a)
Derzeitiger Anwendungsbereich und Merkmale
271
b)
Vor- und Nachteile der EinnahmeUberschussrechnung
274
6.
Modifizierte Einnahme-Uberschussrechnung
277
7.
Vorschlage zur Ausgestaltung einer eigenstandigen Steuerbilanz
280
a) b)
Das US-amerikanische Clear Reflection of Income alsVorbild
280
Vorschlage fiir die Rahmenbedingungen eines eigenstandigen Steuerbilanzrechts in Deutschland
284
1)
Anforderungen an eine abgekoppelte steuerliche Gewinnermittlung 284 (a) Grundlegendes
284
(b) Zentrale Begriffe und Grundsatze
285
i. Zielsetzung und Grundlagen
285
ii. Zweifelsfragen zum Vorsichtsprinzip
286
(c) Sonstige Aspekte 2) IV. Zwischenergebnis
Kritische Wurdigung
291 292 297
XXII
Inhaltsverzeichnis
Vierter Hauptteil: Entwicklungsalternativen des deutschen Rechnungslegungssystems unter besonderer Beriicksichtigung des Mittelstandes I.
Nutzenpotentiale und Kosten einer Umstellung der Rechnungslegung auf die lAS/IFRS fiir KMU A. B.
C
Von der EU-Verordnung betroffene Untemehmen in Deutschland
303
303 303
Argumente fiir und gegen eine Umstellung auf die lAS/IFRS fiir mittelstandische Untemehmen
305
1.
Investorenbezogene Ziele/ Auslandstatigkeit
305
2.
Rechnungswesen/Umstellungsaufwand
309
3.
Untemehmenssteuerung/Harmonisierung von intemem und extemem Rechnungswesen
311
4.
Finanzierungsmoglichkeiten und Basel II
314
5.
Konklusion
319
Spezielle lAS/IFRS fiir KMU
321
1.
Grundlegendes
321
2.
Auslandische Referenzmodelle
322
a)
Grofibritannien
322
b) c)
Kanada 325 UN-Guidelines on Accounting and Financial Reporting for Small and Medium-sized Enterprises (UN-SMEGA) 326 Vereinfachung der Rechnungslegung in anderen Landern 328
d) 3.
IAS/ IFRS fiir KMU in Deutschland - Moglichkeiten der Ausgestaltung anhand des Entwurfs des lASB
330
a)
Rechtfertigung und Zielsetzung
330
b)
Anwendungsbereich
331
Inhaltsverzeichnis
11.
XXIII
c)
Sonderregelungen fiir KMU
d)
Regelungsliicken und freiwillige Anwendung
334
der voUstandigen lAS/IFRS
340
e)
Art der Veroffentlichung
342
f)
Kritische Wiirdigung
343
Entwicklung von zwei Modellen zur Zukunft der deutschen handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung
347
A.
Vorstellung der Pramissen
347
B.
Weiterentwicklung der GoB
351
1.
Gewinnermittlungs- versus Informations-GoB
351
2.
Vorschlage zur Reformierung der GoB im Jahres- und Konzemabschluss
353
a)
Das Rahmenkonzept des DRSC
353
b)
Das Trennungsmodell nach Moxter
355
C.
Standardisierung der deutschen Rechnungslegung 1.
357
Kurzfristige Anpassung: Abschaffen von handelsrechtlichen Wahlrechten
357
a)
357
Reform ausgewahlter Aktivierungswahlrechte 1)
Als Aufwand beriicksichtigte ZoUe und Verbrauchsteuem sowie als Aufwand beriicksichtigte Umsatzsteuer auf Anzahlungen im Vorratsvermogen 357
2)
Disagio
360
3)
Derivativer Geschafts- oder Firmenwert
363
4)
Aufwendungen fiir Ingangsetzung und Erweiterung des Geschaftsbetriebes
365
Aktive latente Steuern
367
5) b)
Reform ausgewahlter Passivierungswahlrechte 1)
Pensionsriickstellungen fiir Altzusagen sowie pensionsahnliche Verpflichtungen
370 370
XXrV
Inhaltsverzeichnis
c)
2)
Aufwandsnickstellungen im weiteren Sinne
373
3)
Sonderposten mit Riicklageanteil/ umgekehrte Mafigeblichkeit
376
Reform ausgewahlter Bewertungswahlrechte
378
1)
Aufierplanmafiige Abschreibungen im Anlagevermogen
378
Abschreibungswahlrecht auf den niedrigeren Zukunftswert im Umlaufvermogen
380
Abschreibungen nach vemiinf tiger kaufmannischer Beurteilung
382
4)
Beibehaltungswahlrecht
383
5)
Herstellungskosten
384
6)
Abschreibung des derivativen Geschafts-
2) 3)
7) 2.
D.
388
Bewertungsvereinf achungsverf ahren
394
d) Konklusion Mittelfristige Anpassung: Neuausiibung von Mitgliedstaatenwahlrechten der Vierten EG-Richtlinie
405
a)
Umsetzung der Modemisierungsrichtlinie
405
b)
Umsetzung der Fair Value-Richtlinie
408
c)
Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande des Anlagevermogens
410
Zwischenfazit
411
d) 3.
oder Firmenwertes
Langfristige Anpassung des EU-rechtlichen Rahmens an die lAS/IFRS
397
415
Reform im Rahmen der Annaherung von Handels- und Steuerbilanz unter Beriicksichtigung des Glaubigerschutzes
418
1.
Zielsetzung
418
2.
Verwirklichungschancen einer Einheitsbilanz
419
3.
Vorschlage zur Reformierung des HGB
424
Inhaltsverzeichnis
XXV
a)
Ansatzwahlrechte 1)
Als Aufwand beriicksichtigte Zolle und Verbrauchsteuem sowie als Aufwand beriicksichtigte Umsatzsteuer auf Anzahlungen im Vorratsvermogen 424
2)
Disagio
3)
Exkurs: Bewertung von Verbindlichkeiten und Riickstellungen 426
4)
Derivativer Geschafts- oder Firmenwert
428
5)
Aufwendungen fiir Ingangsetzung und Erweiterung des Geschaftsbetriebes
433
6)
Aktive latente Steuern
435
7)
Pensionsriickstellungen fiir Altzusagen sowie pensionsahnliche Verpflichtungen
438
Reformierung des § 249 HGB
439
8) b)
Bewerhingswahlrechte 1)
425
442
Gemildertes Niederstwertprinzip im Anlagevermogen
442
Erweitertes Niederstwertprinzip, Abschreibungen nach vemiinf tiger kaufmannischer Beurteilung und Wertaufholungsgebot
445
3)
Herstellungskosten
446
4)
Abschreibung des derivativen Geschafts-
2)
c)
424
oder Firmenwertes
447
5)
Bewertungsvereinf achungsverfahren
449
6)
Zwischenfazit
451
Mittelfristig: Ausiibung von EU-Vorgaben
455
1)
Umsetzung der Modemisierungsrichtlinie
455
2)
Fair Value-Bewertung im Jahresabschluss
456
XXVI
Inhaltsverzeichnis
3) 4.
Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande
Realisierungschancen einer „kleinen" Reform im Rahmen der EU-Vorgaben
457 462
Schlussbetrachtung
469
Literaturverzeichnis
479
Rechtsprechung
561
EU-Verordnungen, EU-Richtlinien, Mitteilungen der EU-Kommission sowie weiterer europaischer Institutionen 565 Sonstige Materialien
575
XXVII
Abktirzungsverzeichnis
Abkiirzungsverzeichnis Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
Abt.
Abteilung
AcSB
Accounting Standards Board
a.F.
alte Fassung
AG
Aktiengesellschaft
AICPA
American Institute of Certified Public Accountants
AKEU
Arbeitskreis Externe Untemehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft e. V.
AktG
Aktiengesetz
AnSVG
Anlegerschutzverbesserungsgesetz
a.M.
am Main
AO
Abgabenordnung
APAG
Gesetz zur Fortentwicklung der Berufsaufsicht iiber Abschlusspriifer in der Wirtschaftspriiferordnung
ARC
Accounting Regulatory Committee
Art.
Artikel
ASB
Accounting Standards Board
ASC
Accounting Standards Committee
Aufl.
Auflage
BaFin
Bundesanstalt fiir Finanzdienstleistungsaufsicht
BC
Basis for Conclusions
BDI
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
BewG
Bewertungsgesetz
Abkiirzungsverzeichnis
XXVIII
BFH
Bundesfinanzhof
BGH
Bundesgerichtshof
BilKoG
BilanzkontroUgesetz
BilModG
Bilanzrechtsmodemisierungsgesetz
BilReG
Bilanzrechtsreformgesetz
BiRiLiG
Bilanzrichtlinien-Gesetz
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BMJ
Bundesministerium der Justiz
BT-Drucksache
Bundestags-Drucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
bzw.
beziehungsweise
CDU
Ghristlich-Demokratische Union Deutschlands
CESR
Gommittee of European Securities Regulators
CFO
Ghief Financial Officer
CGU
Gash Generating Unit
GIGA
Ganadian Institute of Ghartered Accountants
Go.
Gompany
GVA
Gash Value Added
d.h.
das heifit
DATEV
Datenverarbeitung und Dienstleistung fiir den steuerberatenden Beruf e.G.
DAX
Deutscher Aktienindex
ders.
derselbe
dies.
dieselben
DIHK
Deutscher Industrie- und Handelskammertag
DIN
Deutsche Industrie-Norm
Abkiirzungsverzeichms
XXIX
DPR
Deutsche Priifstelle fiir Rechnungslegung DPR e.V.
Dr.
Doktor
DRAS
Deutscher Rechnungslegungs Anderungs Standard
DRS
Deutscher Rechnungslegungs Standard
DRSC
Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee
DSOP
Draft Statement of Principles
DSR
Deutscher Standardisierungsrat
DStJG
Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e.V.
DStV
Deutscher Steuerberaterverband
E
Entwurf
EBITDA
Earnings before Interests, Taxes, Depreciation and Amortisation
ED
Exposure Draft
E-DRS
Entwurf Deutscher Rechnungslegungsstandard
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
EFRAG
European Financial Reporting Advisory Group
EG
Europaische Gemeinschaften
EGHGB
Einfiihrungsgesetz zum Handelsgesetzbuch
e.G.
eingetragene Genossenschaf t
EGV
Vertrag zur Griindung der Europaischen Gemeinschaf t
EHUG
Gesetz liber elektronische Handels- und Untemehmensregister
ErbStG
Erbschaftsteuergesetz
ERP
European Recovery Fund, Europaisches Wiederaufbauprogramm
EStDV
Einkommensteuer-Durchfiihrungsverordnung
EStG
Einkommensteuergesetz
Abkurzungsverzeichnis
XXX
EStR
Einkommensteuerrichtlinien
etal.
et alii
etc.
et cetera
EU
Europaische Union
EUCIT
European Union Company Tax
EuGH
Europaischer Gerichtshof
Eurex
European Exchange
EWG
Europaische Wirtschaftsgemeinschaft
EWGV
Vertrag zur Griindung der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft
EL
Erganzungslieferung
e.V.
eingetragener Verein
evtl.
eventuell
f.
folgende (Seite)
FASB
Financial Accounting Standards Board
FDP
Freie Demokratische Partei Deutschlands
FEE
F^d^ration des Experts Comptables Europ^ens
FER
Fachempfehlungen zur Rechnungslegung
FG
Finanzgericht
FiFo
First-in-First-out
FinDAG
Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz
FREP
Financial Reporting Enforcement Panel
FRSSE
Financial Reporting Standards for Smaller Entities
FuE
Forschung und Entwicklung
GAAP
Generally Accepted Accounting Principles
XXXI
Abkurzungsverzeichnis
GEFIU
Gesellschaft ftir Finanzwirtschaft in der Unternehmensfiihrung e.V.
GewStG
Gewerbesteuergesetz
GFW
Geschafts- oder Firmenwert
GG
Grundgesetz
ggf-
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschrankter Haf tung
GmbHG
GmbH-Gesetz
GoB
Grundsatze ordnungsmafiiger Buchfiihrung
GoK
Grundsatze ordnungsmafiiger Konzemrechnungslegung
GoKons
Grundsatze ordnungsmafiiger Konsolidierung
GoR
Grundsatze ordnungsma6iger Rechnungslegung
GosB
Grundsatze ordnungsmafiiger steuerlicher Bilanzierung
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
GWG
geringwertige Wirtschaftsgiiter
HBII
Handelsbilanz II
HFA
Hauptfachausschuss
HGB
Handelsgesetzbuch
HiFo
Highest-in-First-out
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
HS
Halbsatz
http
Hyper Text Transfer Protocol
IAS
International Accounting Standard
lASB
International Accounting Standards Board
lASC
International Accounting Standards Committee
Abkiirzungsverzeichnis
XXXII
lASCF
International Accounting Standards Committee Foundation
i.Br.
im Breisgau
Ld.R.
in der Regel
IDW
Institut der Wirtschaftspriifer in Deutschland e.V.
IFAC
International Federation of Accountants
IfM
Institut fiir Mittelstandsforschung
IFRIC
International Financial Reporting Interpretations Committee
IFRS
International Financial Accounting Standards
i.H.v.
in Hohe von
IOSCO
International Organization of Securities Commissions
IRC
Internal Revenue Code
IRS
Internal Revenue Service
ISAR
Intergovernmental Working Group of Experts on International Standards of Accounting and Reporting
IT
Informations Technology
LV.in.
in Verbindung mit
i.w.S.
im weiteren Sinne
KapAEG
Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit deutscher Konzeme an Kapitalmarkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz)
KapCoRiLiG
Gesetz zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschliissen und zur Anderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (Kapitalgesellschaften- und Co Richtlinie Gesetz)
KapG
Kapitalgesellschaft(en)
Abkiirzungsverzeichnis
XXXIII
KapInhaG
Gesetz zur Verbesserung der Haftung fiir falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz)
KapMuG
Gesetz zur Einfiihrung von Kapitalanleger-Musterverfahren (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz)
KfW
Kreditanstalt fiir Wiederaufbau
KG
Kommanditgesellschaft
KGa A
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KMU
kleine und mittelstandische Untemehmen
KonTraG
Gesetz zur KontroUe und Transparenz im Untemehmensbereich
KPMG
Klynveld, Peak, Marvick, Goerdeler (KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftspriifungsgesellschaft)
KWG
Kreditwesengesetz
LiFo
Last-in-First-out
lit.
litera
LoFo
Lowest-in-First-out
Ltd.
Limited
MBCA
Model Business Corporation Act
MD&A
Management's Discussion and Analysis
MDAX
Midcap-Index der deutschen Borse
MindestkapG
Gesetz zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (Mindestkapitalgesetz)
Mio.
Million(-en)
Mrd.
Milliarde(-n)
XXXIV
Abkiirzungsverzeichnis
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NBR
Neubewertungsriicklage
n.F.
neue Fassung
NPAE
Non-Publicly Accountable Entitiy
Nr.
Nummer
NRW
Nordrhein-Westfalen
NYSE
New York Stock Exchange
o.V.
ohne Verfasser
OFD
Oberfinanzdirektion
OHG
Offene Handelsgesellschaft
ojg-
ohne Jahrgang
o.V.
ohne Verfasser
Par.
Paragraph
POC
Percentage of Completion
PS
Priifungsstandard
PublG
Publizitatsgesetz
PWC
PriceWaterhouseCoopers
RAP
Rechnungsabgrenzungsposten
RefE
Referentenentwurf
Reg.
Regulation
RegE
Regierungsentwurf
RFH
Reichsfinanzhof
RIC
Rechnungslegungs Interpretations Committee
Abkiirzungsverzeichnis
XXXV
RMBCA
Revised Model Business Corporation Act
Rn.
Randnummer
Rs.
Rechtssache
RS
Rechnungslegungsstandard
S.
Seite
SAC
Standards Advisory Council
SDAX
Smallcap-Index
Sec.
Section
SEC
Securities and Exchange Commission
SFAS
Statements of Financial Accounting Standards
SFAC
Statements of Financial Accounting Concepts
SIC
Standing Interpretations Committee
Slg.
Sammlung
SLIM
Simpler Legislation for the Internal Market
SMAX
ehemaliger Smallcap Index
SME
Small and Medium Entities
SMEGA
Guidelines on Accounting and Financial Reporting for Small and Medium-sized Enterprises
sog.
sogenannt(-er)
Sopo
Sonderposten mit Riicklageanteil
SORP
Statements of Principles
Sp.
Spalte
SSAP
Statements of Standard Accounting Practice
StEntlG
Steuerentlastungsgesetz
StRefG
Steuerreformgesetz
TecDAX
Technologieunternehmen-Index
Abkiirzungsverzeichnis
XXXVI
TransPuG
Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizitat (Transparenz- und Publizitatsgesetz)
Tz.
Textziffer
UITF
Urgent Issues Task Force
UMAG
Gesetz zur Untemehmensintegritat und Modemisierung des Anfechtungsrechts
UmwStG
Umwandlungssteuergesetz
UN
United Nations
UNCTAD
United Nations Conference on Trade and Development
US
United States
USA
United States of America
USt
Umsatzsteuer
UStG
Umsatzsteuergesetz
v.a.
vor allem
VFA
Versicherungsfachausschuss
vgl.
vergleiche
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WPK
Wirtschaftspriiferkammer
www
World Wide Web
z.B.
zum Beispiel
Abkiirzungsverzeichnis fur Zeitschriften und Zeitungen
XXXVII
Abkiirzungsverzeichnis fiir Zeitschriften und Zeitungen AG
Die Aktiengesellschaft
BB
Betriebs-Berater
BBK
Betrieb und Rechnungswesen
BFuP
Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis
BGBI.
Bundesgesetzblatt
BStBI.
Bundessteuerblatt
BuW
Betrieb und Wirtschaft
DB
Der Betrieb
DStR
Deutsches Steuerrecht
DStZ
Deutsche Steuerzeitung
DSWR
Datenverarbeitung-Steuer-Wirtschaft-Recht
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FB
Der Finanz-Betrieb
FTD
Financial Times Deutschland
GmbHR
GmbH-Rundschau
IDW-FN
Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftspriifer in Deutschland e.V.
INF
Die Information iiber Steuer und Wirtschaft
IStR
Internationales Steuerrecht
XXXVIII
Abkurzungsverzeichnis fiir Zeitschriften und Zeitungen
KoR
KapitalmarktorientierteRechnungslegung
krp
Kostenrechnungspraxis
MuM
Markt und Mittelstand
NWB
Neue Wirtschafts-Briefe. Zeitschrift fiir Steuer- und Wirtschaftsrecht
RIW
Recht der Internationalen Wirtschaft
StB
Der Steuerberater
SteuerStud
Steuer und Studium
StuB
Steuem und Bilanzen
StuW
Steuer und Wirtschaft
WiSt
Wirtschaftswissenschaftliches Studium
WISU
Das Wirtschaftsstudium
WPg
Die Wirtschaf tspriifung
WPK-Mitt.
Mitteilungen der Wirtschaftspriiferkammer
ZfB
Zeitschrift fiir Betriebswirtschaft
ZfCM
Zeitschrift fiir Controlling und Management
ZfbF
Zeitschrift fiir betriebswirtschaftliche Forschung
ZfhF
Zeitschrift fiir handelswissenschaftliche Forschung
ZGR
Zeitschrift fiir Untemehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift fiir das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift fiir Wirtschaf tsrecht
ZP
Zeitschrift fiir Planung
Abbildungsverzeichnis
XXXIX
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Organisation des Standardsetters
22
Abbildung2:
Komitologieverfahren
35
Abbildung 3:
Systematisierung der GoB
Abbildung 4:
System der allgemeinen Rechnungslegungsgrundsatze
105
des Rahmenkonzeptes der lAS/IFRS
113
Abbildung 5:
Verbindlichkeitsgrad der lAS/IFRS
116
Abbildung 6:
Riickwirkungen der IAS/ IFRS auf den Jahresabschluss
131
Abbildung 7:
Einwirkungen der IAS/IFRS sowie europaischer Vorgaben auf das deutsche Glaubigerschutzsystem
173
Abbildung 8:
Verfassungsrechtliche Prinzipien des Steuerrechts
209
Abbildung 9:
Moglichkeiten zur Ausgestaltung der Steuerbemessungsgrundlage 261 Altemativen der zukiinftigen steuerlichen
Abbildung 10:
Gewinnermittlung
302
Abbildung 11:
Umstellungspflichtige Untemehmen
304
Abbildung 12:
Langfristige Altemativen zur Ausschiittungs- und Steuerbemessung
415
Tabellenverzeichnis
XLI
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Ubersicht iiber die zum 01.08.2005 geltenden lAS/IFRS sowie deren Endorsement
20
Umsetzung relevanter EU-Vorgaben in Deutschland
54
Handelsrechtliche Rechnungslegung nach dem BilReG Grofienklassen nach Art. 11 Abs. 1 und Art. 27 der Vierten EG-Richtlinie
59
Tabelle 5:
Grofienklassen des § 267 HGB
73
Tabelle 6:
Mittelstandsdefinition des IfM
73
Tabelle 7:
Schwellenwertdef inition der EU-Kommission
74
Tabelle 8:
Rechtsformen sowie deren Umsatze nach der Umsatzsteuerstatistik 2002
75
Steuerpflichtige nach Umsatz-Grofienklassen in der Rechtsform der GmbH
76
Tabelle2: Tabelle 3: Tabelle 4:
Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17:
Beispielhafte Darstellung zur Eignung einzelner lAS/IFRS- Regelungen fiir den Glaubigerschutz
73
163
Beispiel einer lAS/IFRS-Uberleitungsrechnung auf ausschiittungsfahige Grofien
190
Statement of Comprehensive Income
193
Altemativen zum bisherigen Glaubigerschutzsystem
204
Von der EU-Verordnung betroffene Untemehmen in Deutschland 304 Anzuwendende IAS nach dem SMEGA-Konzept der ISAR ...327 Referenzmodelle zur Anwendung erleichterter Standards fiirKMU
329
Uneingeschrankt anzuwendende lAS/IFRS fiir KMU
340
Tabellenverzeichnis
XLII
Tabelle 18:
Bestandteile der Herstellungskosten
387
Tabelle 19:
Reform der Ansatzwahlrechte im Rahmen einer Anpassung an die lAS/IFRS
401
Reform der Bewertungswahlrechte im Rahmen einer Anpassung an die lAS/IFRS
404
Tabelle 20: Tabelle 21:
Umsetzung der Modemisierungs- und Fair Value-Richtlinie in Deutschland 414
Tabelle 22:
Reform der Ansatzwahlrechte
452
Tabelle 23:
Reform der Bewertungswahlrechte
453
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Einleitung
I.
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Das deutsche Bilanzrecht ist in jiingster Zeit verstarkt zahlreichen internationalen Harmonisierungseinflussen ausgesetzt. Viele Unternehmen sind insbesondere aufgrund der Globalisierung der Untemehmenstatigkeit sowie der Inanspruchnahme auslandischer Kapitalmarkte^ dazu iibergegangen, ihre Rechnungslegung auf International Accounting Standards (IAS)/International Financial Reporting Standards (IFRS) oder US-Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) umzustellen.2 Der Grund fiir die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsgrundsatze an den Borsen ist in der Forderung der Kapitalmarktteilnehmer nach zuverlassigen und vergleichbaren Informationen fiir ihre Anlageentscheidungen zu sehen.^ Den IAS/IFRS bzw. US-GAAP wird die Fahigkeit zugesprochen, die Bediirfnisse der Investoren im Vergleich zu den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) besser zu erfullen.4 Diese anglo-amerikanischen Rechnungslegungsstandards sind durch die Hervorhebung des Grundsatzes der periodengerechten Gewinnermittlung sowie durch hohe Publizitatsanforderungen gekennzeichnet. Im deutschen Jahresabschluss steht wegen der starken Betonung des Glaubigerschutzprinzips eine vorsichtige Bewertung im Vordergrund, die - so die Kritik - durch die Bildung und vor allem die Auflosung stiller Reserven einen verlasslichen Einblick in die Vermogens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens erschwert.5 Zudem werden die Riickwirkungen steuerlicher Wahlrechte in die Handelsbilanz, z.B. in Form von Sonderabschreibungen, negativ beurteilt.^
Vgl. Freidank 2000, S. 7 f.; Mandler 2004, S. 163. Im Jahr 2004 bilanzierten lediglich noch 20% der deutschen borsennotierten Grofikonzeme nach den HGB-Vorschriften. Vgl. Kuting 2004a, S. 683. Fiir die Global Player gilt das HGB als „ Auslaufmodell". Vgl. Zwirner/Boecker/Reuter 2004, S. 234. Vgl. Ducker 2003, S. 448; Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 42. Vgl. Carstensen/Leibfried 2004, S. 865; Mohlrmnn-Mahlau/Gerken/Grotheer 2004a, S. 849. Vgl. Kuting/Reuter 2005, S. 706 f.; Pellens/Jodicke/Richard 2005, S. 1394.
2
Einleitung
Im Rahmen des Intemationalisierungsprozesses verfolgt die Europaische Kommission (EU-Kommission) das Ziel, einheitliche Bilanzierungsvorschriften zu erlassen, die vergleichbare, transparente und verlassliche Jahresabschliisse fiir einen effizienten Kapitalmarkt gewahrleisten sollen7 Dabei wurde eine Angleichung an die lAS/IFRS beschlossen.^ Mit der „Verordnung betreffend die Anwendung intemationaler Rechnungslegungsgrundsatze" (EU-Verordnung) vom 19.07.20029 erfolgte die Verpflichtung fiir alle kapitalmarktorientierten Untemehmen, ihren Konzernabschluss fiir Geschaftsjahre, die am oder nach dem 01.01.2005 beginnen, nach den lAS/IFRS zu erstellen. Diese gilt unmittelbar in alien EU-Mitgliedstaaten. Fiir alle weiteren Unternehmensabschliisse gewahrt die Verordnung ein Wahlrecht zur Anwendung der intemationalen Rechnungslegungsstandards. Weiterhin erfolgte durch die Modernisierungs-^o und die Fair Value-Richtlinie^^ eine Annaherung einzelner Regelungen der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie an die lAS/IFRS. Die Richtlinien miissen, ebenso wie die Wahlrechte der EU-Verordnung, in deutsches Recht umgesetzt werden. Durch die Anwendung der intemationalen Rechnungslegungsstandards sind fiir kapitalmarktorientierte Untemehmen mehrere Rechenwerke erforderlich.^^ Dieses Nebeneinander verursacht erhebliche Kosten, so dass die Erstellung lediglich eines lAS/IFRSAbschlusses gefordert wird. Durch § 292a HGB wurde den Mutteruntemehmen deutscher Konzeme, die einen organisierten Kapitalmarkt in Anspruch nahmen, erlaubt, statt eines HGB-Abschlusses einen Abschluss nach intemati-
VglScheffler 2003a, S. 67. Vgl. Graumann 2002, S. 403. Vgl. EU-Kommission 1999, S. 6. Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002. Vgl. Richtlinie 2003/51/EG. Vgl. Richtlinie 2001/65/EG. Denkbar ware die Erstellung eines Konzemabschlusses nach US-GAAP, der bei der Notierung an der US-amerikanischen Borse verpflichtend einzureichen ist, eines Konzemabschlusses nach lAS/IFRS gemafi der EU-Verordnung, des Jahresabschlusses nach HGB, der Steuerbilanz sowie intemer Rechnungen. Vgl. Kuting 2004a, S. 685.
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
onalen Rechnungslegungsstandards zu erstellen.^^ Diese Befreiung von den Vorschriften des Handelsgesetzbuches war bis zum 31.12.2004 befristet. Bis dahin soUten die deutschen Konzemrechnungslegungsregelungen iiberarbeitet und an intemationale Standards angepasst werden.^^ Dies erfolgte zum Teil mit dem Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) vom 04.12.2004,15 in dem eine partielle Umsetzung der oben genannten Richtlinien sowie der EU-Verordnung stattfand. Danach wird mit Ausnahme der kapitalmarktorientierten Mutteruntemehmen alien Konzem- und Einzelunternehmen ein Wahlrecht zur Anwendung der lAS/IFRS eingeraumt. Grofie Kapitalgesellschaften konnen fiir Publikationszwecke anstatt eines HGBAbschlusses einen intemationalen Abschluss befreiend beim Bundesanzeiger einreichen. Zusatzlich besteht jedoch die Verpflichtung, im Jahresabschluss zur Ausschiittungsbemessung weiterhin nach den HGB-Regelungen Rechnung zu legen sowie eine Steuerbilanz zu erstellen.^^ Weitere Schritte zur Reformierung des HGB sowie die Umsetzung der noch ausstehenden Wahlrechte der Modemisierungs- und Fair Value-Richtlinie soUen in dem in Vorbereitung befindlichen Bilanzrechtsmodemisierungsgesetz (BilModG) erfolgen.^^ jn diesem Zusammenhang forderte die Bundesregierung im „Ma6nahmenkatalog zur Starkung der Untemehmensintegritat und des Anlegerschutzes" vom 25.02.2003 eine „Durchforstung und Entriimpelung des HGB durch Abschaffen nicht mehr zeitgemafier Wahlrechte"^^; explizit werden ein Passivierungsverbot fiir Aufwandsriickstellungen sowie die Begrenzung der BewertungsVgl. KapAEG 1998. VgLG/flwrn 2001, S. 124. Vgl. BilReG 2004. Zu weiteren Regelungen des BilReG vgl. Meyer 2005a, S. 41-43; Wendlandt/Knorr 2005, S. 53-57. Nach dem BilReG gilt der Terminus „Jahresabschluss" fiir den deutschen HGBAbschluss, wahrend sich „Einzelabschluss'' auf den nach den lAS/IFRS aufgestellten Abschluss bezieht. Vgl. Begrundung RegE zum BilReG 2004, S. 45. Diese Terminologie wird in dieser Arbeit aufgenommen. Dieses wurde in der Begrundung des BilReG fiir die zweite Jahreshalfte 2004 angekiindigt, steht jedoch bis heute aus. Vgl. Begrundung RegE zum BilReG 2004, S. 21. Bundesregierung 2003, S. 7. Zu weiteren Regelungen des sog. lO-Punkte-Programms vgl. Kohler/Meyer/Mauelshagen 2004, S. 2623-2631; Seibert 2003, S. 693-698.
4
Einleitung
vereinfachungsverfahren genannt. Zudem ist die Einfiihrung einer Fair ValueBewertung fiir Finanzinstrumente im Konzemabschluss geplant, soweit hierfiir liquide Markte bestehen. Aufierdem soil eine Priifung weiterer Moglichkeiten zum Ansatz und zur Bewertung von Vermogensgegenstanden und Riickstellungen erfolgen. Dabei geht die Bundesregierung ausdriicklich von einer Reform der Rechnungslegungsvorschriften im Konzem- und Jahresabschluss aus. Bisher sind die intemationalen Rechnungslegungsstandards verpflichtend nur von kapitalmarktorientierten Konzem-Mutteruntemehmen anzuwenden. Eine empirische Untersuchung aus dem Jahr 2004 ergab, dass zum 01.01.2005 lediglich 789 deutsche Gesellschaften unter die Pflichtregelung der EU-Verordnung fielen.19 Es sind jedoch Riickwirkungen auf andere Untemehmen und deren Abschliisse zu erwarten. Vielfach wird langfristig ein voUstandiger Ubergang auf die lAS/IFRS propagiert.20 Hiervon sind auch die ca. drei Mio. nicht borsennotierten, vor allem mittelstandischen Untemehmen betroffen.21 Das zentrale Argument fiir die Rechnungslegung nach lAS/IFRS - der hohere Informationswert - gilt nicht uneingeschrankt fiir diese Untemehmen, da sich die Adressatenkreise von kapitalmarkt- und nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften unterscheiden. Bei letzteren liegen in der Regel weniger Anteilseigner und interne KontroUrechte vor, so dass informationspolitische Ziele eine geringere RoUe als bei Grofiuntemehmen spielen.22 Empirische Untersuchungen belegen, dass die befragten mittelstandischen Untemehmen diesem Aspekt keine gewichtige RoUe beimessen. Zudem werden der Verzicht auf das Vorsichtsprinzip mit den damit zusammenhangenden Kapitalerhaltungsvorschrif-
Vgl.PWC 2004,5.27. Vgl. Bocking 2004, S. 22; Glaum 2001, S. 125. Vgl. Institutfur Mittelstandsforschung (IfM) 2004, S. 1. Der Konflikt der asymmetrisch verteilten Information bei kapitalmarktorientierten Untemehmen soil durch verstSrkte Informationspflichten der Agents (Unternehmensleitung) gegeniiber den Principals (Adressaten) gemindert werden. Bei nicht borsennotierten Untemehmen ist dieser in der Regel geringer, da die vergleichsweise kleine Zahl der Untemehmensadressaten oftmals auf andere Weise mit Informationen versorgt werden kann. Vgl. Coenenberg 2003, S. 1142 f.
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
ten sowie die hohen Kosten als Nachteile einer Umstellung angesehen.^^ Die mit der Einfiihrung verbundenen negativen Aspekte eines neuen Rechnungslegungssystems stehen oft nicht im Verhaltnis zum Nutzen.24 Daher wird in letzter Zeit eine Reform des HGB unter Beibehaltung der vorsichtsorientierten Grundsatze sowie eine Annaherung von Handels- und Steuerbilanz im Sinne einer Riickkehr zur Einheitsbilanz gefordert.^s Bisher wurden im Rahmen der Intemationalisierungsdiskussion im Schrifttum verstarkt kapitalmarktorientierte Untemehmen betrachtet. Erst in jungerer Zeit erfolgt eine Ausweitung der Thematik auf den Mittelstand, so dass in diesem Bereich ein erhohter Forschungsbedarf besteht. Vor dem Hintergrund der seit der Herausgabe des Entwurfes der EU-Verordnung im Februar 2001 ungeahnten Dynamik der europaischen und deutschen Harmonisierungsbestrebungen ist es Zielsetzung dieser Arbeit, die Auswirkungen der lAS/IFRS auf die deutschen mittelstandischen Untemehmen aufzuzeigen und einen wissenschaftlichen Beitrag zu Ausgestaltungsaltemativen der Rechnungslegung im Jahresabschluss bzw. in der Steuerbilanz zu leisten. Die vorliegende Arbeit stellt eine grundlegende, umfassende und ganzheitliche Diskussion der aktuellen Thematik der lAS/IFRS-Einfiihrung dar, die die Riickwirkungen der intemationalen Standards auf die handelsrechtliche Rechnungslegung sowie auf die steuerliche Gewinnermittlung strukturiert analysiert und Altemativen zum bisherigen Glaubigerschutzsystem und zur Steuerbemessung erortert. In diesem Kontext ist die Eignung der intemationalen Normen zur Ausschiittungsbemessung sowie zur Kapitalerhaltung und zur steuerlichen Gewinnermittlung zu diskutieren.26 Da die voUstandige Anwendung der lAS/IFRS fiir die meisten mittelstandischen Untemehmen eine grofie Belastung darstellt, plant das International Accounting Standards Board (lASB), vereinfachte Standards fiir diese Gruppe Vgl. DIHK/PWC 2005, S. 2; Mandler 2004, S. 164. Vgl. Kufimaul/Tcherveniachki 2005, S. 621; Littkemann/Schulte/Kraft 2005, S. 292. Vgl. Arbeitskreis Exteme Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1585-1588; Kiiting 2004a, S. 683-686; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1128-1137. Einwirkungen auf weitere Gebiete wie z. B. das Schuldrecht, Insolvenzrecht, Borsenund Wertpapierrecht werden nicht betrachtet.
6
Einleitung
von Gesellschaften zu entwerfen. Bisher wurde im Juni 2004 ein Diskussionspapier27 sowie im April 2005 ein Fragebogen28 zu moglichen Bilanzierungsund Bewertungsanderungen herausgegeben. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt eine kritische Analyse dieser Vorschlage. Weiterhin werden zwei Reformstrategien fiir die deutsche Rechnungslegung erstellt: Die erste zeigt den kurz-, mittel- und langfristigen Weg und die Probleme einer sukzessiven, vollstMndigen Ubemahme der lAS/IFRS auf. Die zweite beriicksichtigt die Belange des Mittelstandes und geht von einer moderaten Reform unter der Zielsetzung der Annaherung von Handelsbilanz und Steuerbilanz sowie der Beibehaltung des institutionellen Glaubigerschutzes aus. Hierbei erfolgt im Hinblick auf die anstehende Bilanzrechtsmodemisierung eine Fokussierung auf die Vorschlage des Mafinahmenkataloges der Bundesregierung.29 Als Internationale Standards werden in der vorliegenden Arbeit die lAS/IFRS betrachtet, da die EU-Kommission nur diese als geeignet ansieht.^ Rechtsstand ist der 01.08.2005.
Vgl. lASB 2004a. Vgl. lASB 2005a. Vgl. Bundesregierung 2003. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen aufgnind der Forderung der Abschaffung nicht mehr zeitgemafier Wahlrechte im Mafinahmenkatalog der Bimdesregierung die handelsrechtlichen Wahlrechte. Vgl. EU-Kommission 1999, S. 6.
Gang der Untersuchung
II.
Gang der Untersuchung
Der erste Hauptteil befasst sich mit den Harmonisierungsbestrebungen im Bereich der Rechnungslegung auf internationaler, europaischer und deutscher Ebene als Ausloser der Diskussion um die Ubemahme der lAS/IFRS in das deutsche Bilanzrecht. Nach einleitenden Begriffsabgrenzungen werden die Organisation des internationalen Standardsetters lASB sowie die Entwicklungsphasen der lAS/IFRS dargestellt. Anschliefiend erfolgt die Charakterisierung der grundlegenden Ziele der europaischen Rechnungslegung sowie die Beschreibung der relevanten EG-Richtlinien als bisher wichtigstes Instrument zur Angleichung der Bilanzierungsvorschriften in den Mitgliedstaaten. Um vergleichbare, transparente und verlassliche Jahresabschltisse fiir einen effizienten und integrierten Kapitalmarkt innerhalb der EU zu schaffen, wurde im Jahr 2002 eine EU-Verordnung betreffend die Anwendung der lAS/IFRS erlassen sowie in den Jahren 2001 und 2003 Anderungen der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie durch die Fair Value- und die Modernisierungsrichtlinie vorgenommen. Alle sehen Anpassungen an die internationalen Rechnungslegungsstandards vor. Diese aktuellen Entwicklungen werden im Abschnitt I.D. des ersten Hauptteils dargestellt und einer kritischen Wtirdigung unterzogen. Im Unterabschnitt II. des ersten Hauptteils erfolgt eine Diskussion der Auswirkungen dieser europaischen Vorgaben, die grundsatzlich in das nationale Recht umgesetzt werden miissen, auf die deutsche Rechnungslegung. Nachdem zunachst ein kurzer Uberblick tiber die Entwicklungsstufen der Internationalisierung in Deutschland gegeben wird, erfolgt die Beschreibung der Transformation oben genannter Richtlinien sowie weiterer europaischer Vorgaben im Bilanzrechtsreform- und Bilanzkontrollgesetz. Der Mittelstand bildet aufgrund seiner grofien wirtschaftlichen Relevanz in Deutschland ein besonderes Betrachtungsobjekt im Rahmen der Internationalisierung der Rechnungslegung. Daher wird im Unterabschnitt III. des ersten Hauptteils eine Charakterisierung mittelstandischer Unternehmen nach qualitativen und quantitativen Kriterien vorgenommen. Aufgrund der grofien Bedeutung der GmbH als umsatzstarkste Rechtsform wird die weitere Analyse im zweiten und dritten Hauptteil auf mittelstandische Kapitalgesellschaften beschrankt. Nach einem kurzen Uberblick iiber die zu behandelnden Themen im zweiten Hauptteil befasst sich der zweite Abschnitt mit der Identifizierung der Riick-
8
Einleitung
wirkungen der lAS/IFRS auf die Bilanzierung im handelsrechtlichen Jahresabschluss. Nach einer grundlegenden Darstellung der Zwecke von Jahres- und Konzemabschluss nach HGB, den lAS/IFRS sowie der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie werden daraus Moglichkeiten der Abkopplung der beiden Rechenwerke diskutiert, wobei sich aus der Einheitstheorie rechtliche Riickwirungen ergeben. Weiterhin sind faktische Einfliisse der intemationalen Normen sowie Auswirkungen einer Obemahme der lAS/IFRS auf die Grundsatze ordnungsmafiiger Buchfiihrung (GoB) festzustellen. Darauf aufbauend beschaftigt sich der Unterabschnitt III. des zweiten Hauptteils mit der Eignung des lAS/IFRS-Abschlusses als Instrument der Kapitalerhaltung. Nach einer grundlegenden Darstellung der Glaubigerschutzkonzepte in Deutschland, der EU sowie nach den lAS/IFRS erfolgt eine Diskussion der Zweckmafiigkeit einer Ubernahme der intemationalen Standards im Hinblick auf den deutschen Jahresabschluss und den Glaubigerschutz. Unter der Pramisse der langfristig verpflichtenden Anwendung der lAS/IFRS im Jahresabschluss befasst sich das darauffolgende Kapitel mit der Entwicklung altemativer Glaubigerschutzsysteme, wobei zwischen einer Trennung von Glaubigerschutz und Bilanzierung nach US-amerikanischem Vorbild und der Anpassung bestehender Glaubigerschutzbestimmungen zu differenzieren ist. Im dritten Hauptteil werden zunachst die Riickwirkungen der Ubernahme der lAS/IFRS auf das Bilanzsteuerrecht dargestellt, um sodann - korrespondierend zum zweiten Hauptteil - langfristige Alternativen zur steuerlichen Gewinnermittlung zu entwerfen. Nach einer Beschreibung der Ziele und der verfassungsrechtlichen Prinzipien der steuerlichen Gewinnermittlung sowie des Mafigeblichkeitsprinzips erfolgt die Erorterung von wichtigen Einfliissen auf das deutsche Steuerrecht. Zu nennen sind die Durchbrechungen des Mafigeblichkeitsprinzips, die Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH sowie die europaischen Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Steuerbemessungsgrundlage. Im Anschluss daran werden unter Bezugnahme auf die in Abschnitt II.A. dargestellten theoretischen Anforderungen an das Steuerbilanzrecht Alternativen zur steuerlichen Gewinnermittlung unter dem Aspekt der Beibehaltung sowie der Aufgabe des Mafigeblichkeitsprinzips diskutiert. Vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung des Mittelstandes erfolgt im ersten Abschnitt des vierten Hauptteils zunachst eine kritische Analyse der
Gang der Untersuchung
moglichen Nutzenpotentiale und Kosten einer Umstellung auf die internationalen Standards fiir mittelstandische Unternehmen. Insbesondere wird kritisch auf den Konflikt zu investorbezogenen Zielen, den Umstellungs- und Folgeaufwand, die Harmonisierung vom internen und externen Rechnungswesen sowie auf Finanzierungsmoglichkeiten bei der Umstellung auf die lAS/IFRS eingegangen. Anschliefiend erfolgt die Analyse der Entwicklung von lAS/IFRS fiir kleine und mittlere Unternehmen (KMU), wobei zunachst auslandische Referenzmodelle dargestellt werden, um darauf aufbauend die Vorschlage des lASB zu erortern. Aufgabe des zweiten Abschnitts des vierten Hauptteils ist die Entwicklung von zwei Modellen zur kiinftigen Rechnungslegung im Jahresabschluss. Die erste Alternative geht von einer Standardisierung der deutschen Bilanzierung im Hinblick auf die sukzessive Anpassung der Regelungen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses an die lAS/IFRS aus. Die Analyse wird in einen kurz-, mittel- und langfristigen Zeitrahmen unterteilt. Aufgrund der anstehenden Bilanzrechtsmodernisierung steht die Diskussion handelsrechtlicher Wahlrechte im Vordergrund. Zunachst wird im Rahmen der kurzfristigen Anpassung gepriift, ob durch das Streichen von Wahlrechten eine Konvergenz mit den lAS/IFRS-Regelungen und den EG-Richtlinien unter Beibehaltung der GoB und unter Vermeidung steuerlicher Auswirkungen erreicht werden kann. Im Kontext der mittelfristigen Anpassung ist eine Neuausiibung bisher nicht umgesetzter EU-Mitgliedstaatenwahlrechte denkbar. Langfristig ist in diesem Modell die vollstandige Ubernahme der internationalen Standards in das deutsche Handelsrecht vorgesehen. Abschliefiend erfolgt eine ganzheitliche Betrachtung der zuktinftigen Rechnungslegung unter Bezugnahme auf die im zweiten und dritten Hauptteil erorterten Alternativen zum Glaubigerschutz und zur Steuerbemessung. Das zweite Modell („ kleine'' Reform des HGB) geht nicht von der Zielsetzung einer vollstandigen Anpassung an die internationalen Standards aus. Wenn die Erstellung eines lAS/IFRS-Abschlusses fiir bestimmte Unternehmen, die in Abschnitt D.l. des vierten Hauptteils dargestellt werden, wahlweise zu Informationszwecken zugelassen wird, jedoch weiterhin ein HGB-Abschluss zur Ausschiittungsbemessung verpflichtend ist, konnten die Belange des Mittelstandes besser beriicksichtigt werden. Dies ist bisher im Rahmen des BilReG verwirklicht worden. Um den Arbeitsaufwand aufgrund der Erstellung mehrerer Abschliisse zu mindern, wird eine „Riickkehr" zur Einheitsbilanz vorge-
10
Einleitung
schlagen, deren Realisierungschancen in Abschnitt D.2. des vierten Hauptteils erortert werden. Diese Zielsetzung der Annaherung von Handelsbilanz und Steuerbilanz aufgreifend erfolgt - unter Bezugnahme auf die in Abschnitt III.C.l. des zweiten Hauptteils dargestellten Kritikpunkte am bestehenden Glaubigerschutzsystem - die Analyse von Reformmoglichkeiten der deutschen Rechnungslegung unter der Beibehaltung des institutionellen Glaubigerschutzes. Weiterhin werden die Pramissen der Vereinfachung sowie der Eliminierung von Verstoiien gegen die GoB gesetzt. Dabei steht wiederum die schon in der ersten Alternative erorterte und im Malinahmenkatalog geforderte Abschaffung handelsrechtlicher Wahlrechte im Vordergrund. Im Anschluss an die Darstellung beider Modelle werden jeweils konkrete Gestaltungsempfehlungen beziiglich der kurzfristigen Umsetzung im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz abgegeben. Aufierdem erfolgt die Identifizierung von Problembereichen aufgrund der Nichterfiillung der gestellten Pramissen. Das letzte Kapitel des vierten Hauptteil stellt abschliefiend die Realisierungschancen der Modelle unter europaischen Gesichtspunkten dar. Die vorliegende Arbeit endet mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einem Ausblick.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechniingslegung
11
Erster Hauptteil: Der Harmonisierungsprozess im Bereich der internationalen Rechnungslegung unter Beriicksichtigung mittelstandischer Unternehmen
I.
Aktuelle Entwicklungen in der internationalen Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf die Europaische Union
A.
Begriffsabgrenzungen
Die zunehmende weltweite Globalisierung der Unternehmenstatigkeit fiihrt zu Verflechtungen der Markte und zu ansteigenden grenziiberschreitenden Kapitalmarkttransaktionen.31 Ein wachsender Kapitalbedarf der Unternehmen ist die Folge. Um potentiellen und bestehenden Investoren bestmogliche Informationen iiber die Unternehmen bereitzustellen und deren Vergleichbarkeit zu gewahrleisten, wird weltweit eine Harmonisierung der Rechnungslegung durch Angleichung der Rechnungslegungssysteme angestrebt; diese konnen in kontinental-europaische und anglo-amerikanische unterschieden werden. Das kontinental-europaische System zeichnet sich insbesondere durch die Verabschiedung von umfangreichen Gesetzesvorschriften mit hohem Abstraktionsgrad aus, bei denen eine hohe Regelungsdichte festzustellen ist (kodifiziertes Recht; Code Law System).^^2 Qas Glaubigerschutzprinzip und somit auch das Vorsichtsprinzip nehmen einen hohen Stellenwert ein."^"^ Es besteht im Vergleich zum anglo-amerikanischen System ein weniger stark ausgepragter Kapitalmarkt.^4
Vgl. Winkeljohann 2004, S. 4. Vgl. Achleitner/Behr 2003, S. 11-20; Pellens/Fiilhier/Gassen 2004, S. 36. Zum kontinental-europaischen Kreis gehoren z.B. Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgian, Schweden und Japan. Vgl. Kleekdmper/Kuhlewind/Alvarez 2003, Tz. 6. Vgl. Ruhn]<e 2005, S. 56.
12
Erster Hauptteil
Weiterhin spielt die Verbindung von Handels- und Steuerbilanz durch das Mafigeblichkeitsprinzip eine wichtige Rolle. Anglo-amerikanische Rechnungslegungsstandards sind durch die Entwicklung von privaten Institutionen sowie durch eine starkere Kasuistik der Regelungen gekennzeichnet.^s Diese basieren auf dem Case Law System, in dem richterliche Einzelfallentscheidungen die zentralen Rechtsquellen darstellen. Aufgrund der starker ausgepragten Kapitalmarkte besteht eine bedeutendere Ausrichtung an Investorinteressen. Unter der Internationalisierung der Rechnungslegung wird im Folgenden die Orientierung des deutschen Rechnungslegungssystems und der -praxis an angelsachsischen Vorgaben verstanden.^^ Den Ausgangspunkt der Internationalisierung in Deutschland bilden europaische Harmonisierungsbestrebungen, die in den letzten Jahren verstarkt durch die lAS/IFRS hervorgerufen worden sind und die eine Vereinheitlichung der Rechnungslegung in Europa zur Schaffung eines transparenten Kapitalmarktes zum Ziel haben.^^ Die Harmonisierung stellt einen Vorgang der Rechtsangleichung dar, „bei dem die Anzahl der Unterschiede in den Rechnungslegungssystemen mehrerer Lander durch wechselseitige Aufgabe bzw. Ubernahme von Rechnungslegungspraktiken reduziert wird, und so eine Konzentration auf eine reduzierte Anzahl iibereinstimmender gemeinsamer internationaler Rechnungslegungspraktiken erfolgt"^^^. Das Ziel der Harmonisierung ist, eine bessere Vergleichbarkeit der Abschliisse herzustellen.^^^ Qer Harmonisierungsgrad kann von der Zu den Landern, in denen anglo-amerikanische Rechnungslegungsstandards vorherrschen, gehoren unter anderem Grofibritannien, die USA, Kanada und Australien. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 36. Vgl. Hutten/Lorson 2000, S. 521. Vgl. Abschn. I.D.I, dieses Hauptteils. Kuting 1994, S. 70. Vgl. auch Rost 1991, S. 21. Vergleichbare Finanzinformationen fordern den grenziiberschreitenden Handelsverkehr und die Zusammenarbeit der Staaten; die Unternehmen unterliegen gleichen Wettbewerbsbedingungen. Dies ist eine Voraussetzung fiir einen effizienten gemeinschaftlichen Kapitalmarkt. Vgl. van Hulk 1994, S. 9; Bank 1995, S. 25; Kuting 1993, S. 31; Lutter 1996, S. 9; Weber-Braun 1995, S. 8; Winkeljoltann 2004, S. 4. Zur Priifung einzelner Harmonisierungsargumente vgl. Rost 1991, S. 27-35.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechniingslegung
13
Reduzierung einiger Unterschiede bis zur voUstandigen Rechtsangleichung (Rechtsvereinheitlichung; Standardisierung) reichen. Das lASB als internationaler Standardsetter versucht, mit den lAS/IFRS ein globales Rechnungslegungssystem zu etablieren und eine Harmonisierung im Sinne einer Standardisierung zu realisieren.40 Die EU-Kommission verfolgte bisher das Ziel der Herstellung einer Angleichung der Rechnungslegung in den Abschliissen der Mitgliedstaaten unter der Wahrung nationaler Besonderheiten, da nationale Vorschriften das „Ergebnis spezifisch kultureller, sozialer, politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen in den einzelnen Landern^^i sind. Seit einigen Jahren nahert sich die EU-Kommission mit der Strategie der Anpassung der EG-Richtlinien an die lAS/IFRS sowie dem Erlass einer EU-Verordnung,42 die unter anderem die zwingende Ubernahme der lAS/IFRS fiir kapitalmarktorientierte Konzern-Mutterunternehmen vorsieht, einer Standardisierung der Rechnungslegung an.^^ Diese europaischen Internationalisierungstendenzen haben Auswirkungen auf die deutsche Rechnungslegung, die im Rahmen dieser Arbeit erortert werden. Es erfolgt dabei eine Eingrenzung auf die lAS/IFRS, da diese die Basis der europaischen Harmonisierungsbestrebungen darstellen. Daher wird im Folgenden kurz der Entwicklungsprozess der lAS/IFRS sowie die Organisation des lASB dargestellt, um dann auf die Phasen der Europaisierung einzugehen.
40
Vgl. Hinz 2005; WinMjohann 2004, S. 4.
41
Goer^/er 1982,5.235.
42
Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002. Hierzu genauer: Abschn. I.D.2. dieses Hauptteils.
43
Vgl. EU-Kommission 1999, S. 6.
14
Erster Hauptteil
B.
Die lAS/IFRS als Grundlage des Standardisierungsprozesses der Rechnungslegungsvorschriften in Europa
1.
Entwicklungsphasen der lAS/IFRS
Herausgeber der lAS^^ war urspriinglich das International Accounting Standards Committee (lASC), das am 29.07.1973 als privatrechtliche Organisation von den sich mit der Rechnungslegung befassenden Berufsverbanden (Accountancy Profession)45 aus neun Staaten^^ in London gegriindet wurde. Deutschland ist durch das Institut der Wirtschaftspriifer (IDW) und die Wirtschaftspriiferkammer (WPK) vertreten. Die Zielsetzung des lASC bestand darin, im Interesse der Offentlichkeit Rechnungslegungsstandards zu entwickeln und zu veroffentlichen, deren weltweite Akzeptanz und Einhaltung zu fordern und die Harmonisierung der Rechnungslegungsvorschriften voranzutreiben. Die Transparenz und Vergleichbarkeit der in den Jahresabschliissen veroffentlichten Informationen soUte hierbei im Vordergrund stehen.^^ In der Zeit von 1973-1988 wurden 28 Standards, die zahlreiche Wahlrechte beinhalteten,48 erlassen, die als Ergebnis von Kompromissen zwischen den unterschiedlichen Rechnungslegungsvorstellungen (kontinental-europaisch und anglo-amerikanisch) der diversen beteiligten Staaten zu sehen sind. Im Zeitraum von 1989-1993 erfolgte die Erstellung eines Rahmenkonzeptes (1989) „Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements" (Framework), die Verabschiedung von drei neuen Standards und die Reduzierung einiger Wahlrechte und Inkonsistenzen durch das sog. Comparability
Zur Verwendung der Begriffe IAS und IFRS vgl. Fufinote 64. Der Berufstand der Wirtschaftspriifer dominiert iiber die Rechnungslegungsersteller und -adressaten. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 73. Dies sind Australien, Deutschland, Frankreich, Grofibritannien nut Irland, Japan, Kanada, Mexiko, Niederlande, USA. Hierbei tiberwiegen Lander mit angelsachsischen Rechtstraditionen. Vgl. Ammann/Muller 2004, S. 65. Vgl. lASC Foundation Constitution 2002, Par. 2. Vgl Mandler 2004,3.22.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
15
Project.49 Letzteres geschah in der Hoffnung, dass die IAS von der International Organization of Securities Commissions (IOSCO)5o anerkannt werden.^i Dadurch erhoffte sich das lASC eine starkere Akzeptanz der Standards. Die Phase von 1994-2000 war durch dieses Ziel der Verwirklichung von international akzeptierten Rechnungslegungsstandards gekennzeichnet. Im Jahr 1993 erkannte die IOSCO den IAS 7 (Cashflow-Statements) an.52 Danach beschloss die IOSCO, keine einzelnen IAS mehr anzuerkennen, sondem eine Liste mit Mindestanforderungen (Core Standards^^) zu erarbeiten.^^ Daraufliin hat die IOSCO im Mai 2000 die IAS als weltweite Rechnungslegungsvorschriften empfohlen, woraus sich eine Hinwendung zu den anglo-amerikanischen Standards ergab.^s Da die United States of America (USA) fiir international tatige Unternehmen den wichtigsten Finanzplatz darstellen, ist insbesondere die Anerkennung der IAS durch die Securities and Exchange Commission (SEC)^^ von Bedeutung,
Es wurde die Unterscheidung in eine bevorzugte Methode (Benchmark Treatment) und eine altemativ erlaubte Vorgehensweise (Allowed Alternative Treatment) eingefiihrt. Vgl. Achkitner/Behr 2003, S. 42 f. Internationale Organisation der nationalen Borsenaufsichtsbehorden. Vgl. Beciter 2000,5. 298. Auch die Securities and Exchange Commission (SEC) sah diesen Standard gleichwertig zu Statement of Financial Accounting Standards (SFAS) No. 95, der ebenfalls das Cashflow-Statement beinhaltet. Die Anerkennung durch die SEC ist aufgrund der Bestrebung der Akzeptanz der lAS/IFRS an der US-amerikanischen Borse von grower Bedeutung. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 75. Vgl. Kleekamper/Kuhlewind/Alvarez 2003, Tz. 124. Vgl. Fuchs/Stihi 2000, S. 2. Mitgliedern der IOSCO wurde empfohlen, lAS-Ab-schliisse von (auslandischen) Emittenten als Voraussetzung fiir eine Inanspruchnahme der nationalen Kapitalmarkte zuzulassen. Es erfolgte jedoch keine voUstandige Untersuchung aller Standards (IAS 26, 30 und 40 waren nicht durch die Empfehlung abgedeckt). Weiterhin erliefi die IOSCO Einschrankungen hinsichtlich der uberpriiften IAS. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 76. Vgl. Barckow 1999, S. 1173-1181. US-amerikanische Borsenaufsichtsbehorde. Zur Haltung der SEC gegeniiber der Anerkennung der lAS/IFRS vgl. Wagenhofer 2005, S. 70-74.
16
Erster Hauptteil
die bis heute aussteht. Das lASB und das Financial Accounting Standards Board (FASB)57 vereinbarten im September 2002 im sog. Norwalk-Agreement's eine engere Zusammenarbeit. Unter anderem soUten Unterschiede zwischen den lAS/IFRS und den US-GAAP abgebaut werden.59 Mit dem Abschluss des Projektes „ Business Combinations" (Phase I) im Marz 2004 sowie den Entwiirfen zur Phase II vom 30.06.2005 dieses Gemeinschaftsprojektes wurde ein weiterer Schritt in Richtung Konvergenz voUzogen.^ Die IAS wurden mit dem Ziel iiberarbeitet, Investoren entscheidungsrelevante Informationen zu gewahren, die dem Anspruch der Kapitalmarkte geniigen.^^ Aufgrund der zunehmenden Verbreitung der IAS erhohten sich die Qualitatsanforderungen, weshalb eine Umstrukturierung des lASC ab 2001 erfolgte. Es wurde die International Accounting Standards Committee Foundation (lASCF) als Dachorganisation gegrundet.62 Dieses hat hochwertige, verstandliche und durchsetzbare globale Rechnungslegungsstandards zu entwickeln, die vergleichbare Informationen in Abschliissen erfordern, um eine Unterstiitzung von Kapitalmarktteilnehmern bei der wirtschaftlicher Entscheidungsfindung sowie die Herbeifiihrung einer Konvergenz von nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards zu erreichen.^"^ Die operative Ausfiihrung dieser Aufgabe obliegt dem lASB. Dieses beschloss, als Zeichen der Neu-
Dies ist der US-amerikanische Standardsetter der US-GAAP. Vgl. lASB/FASB 2002; Pellens/Fiilbier/Gassen 2004, S. 78. Eine Weiterentwicklung der lAS/IFRS in Richtung der US-GAAP scheint wahrscheinlich. Vgl. Mai/Grass 2004, S. 27. Vgl. Zabel 2002, S. 920. Nach den jiingsten Bilanzskandalen und Diskussionen uber die unzureichende Bilanzqualitat wird die SEC weitere Verscharfungen der Rechnungslegung vorsehen, eine erste Mafinahme ist der am 30.07.2002 unterzeichnete Sarbanes-Oxley-Act. Vgl. Lanfermann/Maul 2002, S. 1725-1732. In der Anfangsphase der IAS bestanden noch viele Wahlrechte, so dass sowohl eine glaubigerschutz- als auch eine kapitalmarktorientierte Rechnungslegung moglich war. Dies ist eine privatrechtliche Stiftung mit Sitz in Delaware (USA). Vgl. lASC Foundation Constitution 2002, Par. 2. Das lASCF hat am 21.06.2005 Anderungen zur Satzung beschlossen. Vgl. zu Einzelheiten lASC Foundation Constitution 2005.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
17
ausrichtung alle neu zu erstellenden Rechnungslegungsstandards als International Financial Reporting Standards (IFRS) zu bezeichnen. Die alten IAS behalten jedoch die voile Giiltigkeit. Da die IAS und die IFRS nebeneinander bestehen, wird in der vorliegenden Arbeit grundsatzlich die Bezeichnung IAS/IFRSgewahlt.64 Am 18.12.2003 wurde das sog. Improvement Project,^^ das auf Anregung der IOSCO, der EU-Kommission und aufgrund von Analysen zwischen den IAS und Normierungen nationaler Standardsetter entstand, mit der Veroffentlichung von 13 iiberarbeiteten IAS und der Streichung von IAS 15 abgeschlossen. Hauptzielsetzung war die Beseitigung von Wahlrechten und Inkonsistenzen in den Standards, um eine Annaherung der Bilanzierungsnormen in den einzelnen Staaten zu erreichen und deren allgemeine Qualitat zu verbessern.^^ Unter anderem wurden die LiFo-Methode abgeschafft sowie zahlreiche Anhangangaben erganzt.^^ Zum 01.08.2005 bestanden 41 IAS und 6 IFRS. Von den urspriinglichen IAS sind nur noch 31 in Kraft. Die folgende Tabelle stellt die zum 01.08.2005 geltenden IAS/IFRS sowie das Datum der jeweiligen Anerkennung durch die EU-Kommission^ dar.
Gemafi IAS 1.11 sind die IFRS als Oberbegriff der IFRS, IAS, SIC und IFRIC zu verstehen. Um die Differenzierung zwischen den „ alten'' IAS und den „neuen" IFRS zu verdeutlichen, werden die Begriffe in dieser Arbeit getrennt voneinander verwendet. Als IAS werden die Standards vor 2003 bezeichnet, denn IFRS 1 wurde im Jahr 2003 verabschiedet; wenn allgemein von Standards nach 2003 die Rede ist, wird der Terminus IAS/IFRS verwendet. Vgl. lASB 2004b. Vgl. Hasenburg/RaJie 2005, S. 43-48. Vgl. Diekmann/Heering 2004, S. 640-643; Zulch 2004, S. 692-695 und 737-739. Vgl. Abschn. I.D.2.b) dieses Hauptteils.
Erster Hauptteil
18
lAS/IFRS
Titel
IAS 2 IAS 3
First Time Adoption of International Financial Reporting Standards (Erstmalige Anwendung der International Financial Reporting Standards) Share-based Payment (Anteilsbasierte Vergiitung) Business Combinations (Unternehmenszusammenschliisse) Insurance Contracts (Versicherungsvertrage) Non Current Assets Held for Sale and Discontinued Operations (Zur Veraufierung gehaltene langfristige Vermogenswerte und aufgegebene Geschaftsbereiche) Exploration for and Evaluation of Mineral Resources (Erkundung und Wertbestimmung mineralischer Vorkommen) Presentation of Financial Statements (Darstellung des Abschlusses) Inventories (Vorrate) Consolidated Financial Statements
IAS 4
Depreciation Accounting
IAS 5
Information to be Disclosured in Financial Statements Accounting Responses to Changing Prices Cash Flow Statement (Kapitalflussrechnungen) Net Profit or Loss for the Peroid, Fundamental Errors and Changes in Accounting Policies (Periodenergebnis, grundlegende Fehler und Anderungen der Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden) Research and Development Costs Events after the Balance Sheet Date (Ergebnisse nach dem Bilanzstichtag) Construction Contracts (Fertigungsauftrage) Income Taxes (Ertragsteuern) Presentation of Current Assets and Current Liabilities
IFRS1
IFRS2 IFRS 3 IFRS 4 IFRS 5
IFRS 6
lASl
IAS 6 IAS 7 IAS 8
IAS 9 IAS 10 IAS 11 IAS 12 IAS 13
Erstmalige Anwendung 01.01.2005
Neufassung giiltigab 01.01.2005
1 Verdffentlichungim Amtsblatt 17.04.2004
01.01.2005
"
11.02.2005
01.01.2005
"
29.12.2004
01.01.2005
*
29.12.2004 29.12.2004
01.01.2005
01.01.2006
Vorschlag zur Ubernahme durch ARC (20.05.2005)
01.01.1975
01.01.2005
31.12.2004 1
01.01.2005 01.01.1976 Aufgehoben durch IAS 27 und 28 Aufgehoben durch IAS 16, 22 und 38 Aufgehoben durch IAS 1
31.12.2004 1
" " " -
Aufgehoben durch IAS 15 01.01.1994 01.01.1979
13.10.2003
01.01.1979
01.01.2005
31.12.2004
Aufgehoben durch IAS 38 01.01.2005 01.01.1980
31.12.2004
01.01.1980
01.01.1995
13.10.2003
01.01.1981
01.01.1998
13.10.2003 1
Aufgehoben durch IAS 1
-
"
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
Titel
lAS/IFRS IAS 14
Segment Reporting
19 Erstmalige Anwendung
Neufassung giiltig ab
Verdffentlichung im Amtsblatt
01.07.1998
13.10.2003
01.01.1983
01.01.2005
31.12.2004 31.12.2004
01.01.1983
(Segmentberichterstattung) IAS 15
Information Reflecting the Effect of Chan-
Aufgehoben
ging Prices (Informationen iiber die Auswirkungen von Preisanderungen) IAS 16
Property, Plant and Equipment (Sachanlagen)
IAS 17
Leases (Leasingverhaltnisse)
01.01.1984
01.01.2005
IAS 18
Revenue (Ertrage)
01.01.1984
01.01.1995
13.10.2003
IAS 19
Employee Benefits
01.01.1985
01.01.1999
13.10.2003
IAS 20
Accounting for Government Grants and
(Leistungen an Arbeitnehmer) 01.01.1984
13.10.2003
Disclosure of Government Assistance (Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der offentlichen Hand) IAS 21
The Effect of Changes in Foreign Exchange 01.01.1985
01.01.2005
31.12.2004
Rates (Auswirkungen von Anderungen der Wechselkurse) IAS 22
Business Combinations
Aufgehoben durch IFRS 3
(Unternehmenszusammenschliisse) IAS 23
Borrowing Costs (Fremdkapitalkosten)
01.01.1986
01.01.1995
13.10.2003 1
IAS 24
Related Party Disclosure
01.01.1986
01.01.2005
31.12.2004
(Angaben iiber Beziehungen zu nahe stehenden Unternehmen und Personen) IAS 25
Accounting for Investments
Aufgehoben durch IAS 39 und 40
IAS 26
Accounting and Reporting by Retirement
13.10.2003
01.01.1988
Benefit Plans (Bilanzierung und Berichterstattung von Alterversorgungsplanen) IAS 27
Consolidated Financial Statements and
01.01.1990
01.01.2005
31.12.2004
01.01.1990
01.01.2005
31.12.2004
01.01.1990
01.01.2005
13.10.2003
Accounting for Investments in Subsidiaries (Konsolidierte Abschliisse und Bilanzieurng von Anteilen an Tochterunternehmen) IAS 28
Accounting for Investments in Associates (Bilanzierung von Anteilen an assoziierten Unternehmen)
IAS 29
Financial Reporting in Hyperinflatory Economies (Rechnungslegung in Hochinflationslandern)
Erster Hauptteil
20
lAS/IFRS IAS 30
Titel Disclosures in the Financial Statements of
Erstmalige Anwendung
Neufassung gtiltigab
Verttffentlichungim Amtsblatt 13.10.2003
01.01.1991
Banks and Similar Financial Institutions (Angaben im Abschluss von Banken und ahnlichen Finanzinstituten) IAS 31
Financial Reporting of Interests in Joint
01.01.1992
01.01.2005
31.12.2004
01.01.1996
01.01.2005
31.12.2004
01.01.2005
31.12.2004
Ventures (Rechnungslegung iiber Anteile an Joint Ventures) IAS 32
Financial Instruments: Disclosure and Presentation (Finanzinstrumente: Angaben u n d Darstellung)
IAS 33
Earnings per Share (Ergebnis je Aktie)
01.01.1998
IAS 34
Interim Financial Reporting
01.01.1999
IAS 35
Discontinuing Operations
"
1
13.10.2003
(Zwischenberichterstattung) Aufgehoben durch IFRS 5
(Aufgabe von Geschaftsbereichen) IAS 36
Impairment of Assets
01.07.1999
01.01.2005
13.10.2003
01.07.1999
01.01.2005
13.10.2003
01.07.1999
01.01.2005
13.10.2003
01.01.2001
01.01.2005
09.12.2004
(Wertminderung von Vermogenswerten) IAS 37
Provision, Contingent Liabilities and Contingent Assets (Riickstellungen, Eventualschulden und -forderungen)
IAS 38
Intangible Assets (Immaterielle Vermogenswerte)
IAS 39
Financial Instruments: Recognition and Measurement
(teilweise)
(Finanzinstrumente: Ansatz und Bewer-
Vorschlag
tung)
zur Ubernahme durch ARC
(08.07.2005) 1 IAS 40
Investment Property (Als Finanzinvestiti-
01.01.2001
01.01.2005
31.12.2004
on gehaltene Imobilien) IAS 41
Agriculture (Landwirtschaft)
01.01.2003
-
13.10.2003
Tabelle 1: Ubersicht iiber die zum 01.08.2005 geltenden IAS/IFRS sowie deren Endorsement
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
21
Der Entwicklungsprozess (Due Process) eines lAS/IFRS umfasst in seiner Grundstruktur drei Phasen: Zunachst veroffentlicht das lASB ein Diskussionspapier (Draft Statement of Principles (DSOP)),^^ in dem mogliche Losungsalternativen diskutiert und zur Kommentierung veroffentlicht werden. Nach der Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen verabschiedet das lASB einen Exposure Draft (ED). Er enthalt nun nur noch einen vom lASB favorisierten Losungsansatz. Auch dieser ED wird zur Kommentierung veroffentlicht. Unter Beriicksichtigung der Stellungnahmen erfolgt die Erstellung und Verabschiedung eines IFRS.^o
2.
Organisation des lASB
Die folgende Abbildung 1 stellt die Organisation des Standardsetters lASB dar. Das lASCF als Tragerorganisation wird von 19 Trustees (Treuhandern) geleitet, denen in erster Linie eine Aufsichts- und Finanzierungsfunktion zukommt.7^ Das wichtigste Organ, das Board, besteht aus 14 Mitgliedern,72 die die Verantwortung fiir die fachliche Seite der Standardsetzung vom Diskussionspapier bis zur letztendlichen Verabschiedung tragen. Fallweise eingesetzte, projektbezogene Arbeitsgruppen, die sogenannten Advisory Committees, un-
Das lASB hat ein Diskussionspapier zu vereinfachten Bilanzierungsstandards fiir kleine und mittlere Unternehmen herausgegeben, das in Abschn. I.C.3. des vierten Hauptteils naher erortert wird. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 84-87. Wesentliche Aufgaben der Trustees sind, die Mitglieder aller wichtigen Gremien auszuwahlen und zu berufen, die Aktivitaten des Board und der anderen Gremien zu iiberwachen, finanzielle Mittel zu akquirieren, den Haushalt zu genehinigen und zu priifen sowie mogliche Satzungsanderungen zu erlassen. Vgl. Kleekdmper/Kuhlewind/Alvarez 2003, Tz. 45. Die Finanzierung erfolgt iiber Mitgliedsbeitrage und Spenden sowie aus dem Verkauf von Publikationen. Das Beitragsaufkommen betrug im Jahr 200410,6 Mio. £. Vgl. lASC foundation Annual Report 2004. Mindestens fxinf Mitglieder miissen als Wirtschaftsprtifer, drei als Ersteller, drei als Finanzanalysten und ein Mitglied als Wissenschaftler tatig sein. Sieben sind sog. Liaison-Members, die als Verbindungspersonen zu nationalen Gremien fungieren. Vgl. Graumann 2004, S. 790.
22
Erster Hauptteil
terstiitzen das Board bei der Entscheidungsfindung, indem sie die Vorschlage fiir die einzelnen Entwicklungsstufen der Standards ausarbeiten. Das lASB gibt folgende Verlautbarungen heraus: Standards (lAS/IFRS), Interpretationen (SIC, IFRIC), Implementation Guidance, Basis for Conclusions sowie das Framework. Das Framework, das keinen eigenen Standard darstellt, regelt die Ziele und Anforderungen an die lAS/IFRS-Rechnungslegung sowie allgemeine Bewertungsfragen. Es dient als Grundlage fiir die Entwicklung neuer Standards und als Hilfe zur Auslegung von Zweifelsfragen, deren L6sung nicht eindeutig aus den Standards hervorgeht/^
I
I
International Accounting Standards Committee Foundation (lASCF) (19Treuhander)
Standards Advisory Council (SAC) Nationale Standardsetter und andere Gruppen
Advisory Committee
International Accounting Standards Board (lASB) (HMitglieder)
Liaison Members International Financial Interpretations Committee (IFRIC) (12 Mitglieder)
Technischer Direictor
Abbildung 1: Organisation des Standardsetters^^
Vgl. Pellens/Fiilbier/Gassen 2004, S. 89. Vgl. lASB 2005b.
Fachlicher Direktor
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegiing
23
Das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC)75 gibt Interpretationen (IFRIC-Interpretations) zu zeitnahen Bilanzierungsfragen aus bestehenden lAS/IFRS heraus, die „ mangels einer eindeutigen Regelung unterschiedlich oder in nicht akzeptabler Weise behandelt werden"76. Das IFRIC unterstiitzt hiermit die einheitliche Anwendung der lAS/IFRS. Die Interpretationen miissen vom Board verabschiedet werden und haben den gleichen Verpflichtungsgrad wie die lAS/IFRS.^^ Das Standards Advisory Council (SAC) stellt einen Beirat dar, der das lASB unterstiitzt und iiber die Implikationen der vorgeschlagenen Standards zu informieren hat. Es wirken Reprasentanten nationaler und intemationaler Organisationen von Rechnungslegungserstellern und -adressaten, Banken, Borsen und HochschuUehrer mit, unter anderem die IOSCO, die Weltbank und die Europaische Kommission. Diesen Mitgliedern wird die Moglichkeit eingeraumt, sich am Standardsetzungsprozess zu beteiligen und das Board zu unterstutzen7^
C.
Harmonisierungsbestrebungen in der Europaischen Union
1.
Grundlagen und Ziele der europaischen Rechnungslegung
Die EU-Kommission verfolgt das Ziel, Rechnungslegungsnormen fiir vergleichbare, transparente und verlassliche Jahresabschliisse zu schaffen/^ Die ihr zur Verfiigung stehenden Instrumente werden im Folgenden dargestellt. Ein Ziel der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft ist die Liberalisierung des Giiter-, Dienstleistungs- und Kapitalflusses.^ Darauf aufbauend hat die EUKommission ein Grundsatzprogramm zur Koordinierung des Gesellschafts-
75
Dies ist die Nachfolgeorganisation des Standing Interpretations Committees (SIC).
76
KPMG 2004a, S. 4.
77
Vgl. Graumann 2004, S. 791.
78
Das SAC hat keine vorgeschriebene Mitgliederzahl. Vgl. Graumann 2004, S. 791. Zum 01.01.2005 bestand es aus 45 Mitgliedern.
79
Vgl. E U-Kommission 1999, S. 6.
80
Vgl. Art. 3 EGV; Knoblauch 1978, S. 11.
24
Erster Hauptteil
rechts entwickelt,^^ dessen Grundlage der Art. 44 Abs. 2g) des Vertrages zur Grxindung der Europaischen Gemeinschaft (EGV) bildet.^^ Demnach haben der Rat und die Kommission die Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten im Interesse der Gesellschafter und Dritter vorgeschrieben sind, zu koordinieren, um sie gleichwertig zu gestalten. Zu den anzugleichenden Bestimmungen gehoren auch die Rechnungslegungsvorschriften, „denn eine gleichwertige Gestaltung rechtlicher Regelungen auf dem Gebiet der Rechnungslegung ist unmittelbar auf den Schutz der Gesellschafter und anderer Personengruppen gerichtet"83. Der Art. 249 EGV sieht unterschiedliche Instrumente der europaischen Organe zur Erfiillung der Rechtsangleichung vor: Verordnungen haben allgemeine Geltung. Sie sind in alien ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art. 249 Abs. 2 EGV). Richtlinien sind fiir alle Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet sind, verbindlich. Sie iiberlassen diesen jedoch die Wahl der Form und Mittel der Transformation und bedurfen der Umsetzung in nationales Recht (zweistufiges Gesetzgebungsverfahren)^ und sind nicht unmittelbar anwendbar (Art. 249 Abs. 3 EGV). Bis zur Verabschiedung einer Richtlinie muss ein umfangreiches Rechtsetzungsverfahren durchlaufen werden, an dem die EU-Kommission, das Europaische Parlament und der Ministerrat beteiligt sind.^^ Entscheidungen sind in alien Teilen fiir diejenigen verbindlich, die sie bezeichnen (Art. 249 Abs. 4 EGV). Sie konnen an Mitgliedstaaten oder unmittelbar an einzelne natiirliche oder juristische Personen gerichtet sein und unterscheiden sich von der Verordnung darin, dass sie nur fiir be81
Vgl. Knoblauch 1978, S. 11.
82
Vgl Lutter 1996,3.9.
83
Pellens 2001, S. 399. Die EU legt den Rahmen fest, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten sich bewegen diirfen. Dabei wird den nationalen Gesetzgebern ein gewisser Handlungsspielraum zugestanden. Dies soil die Souveranitat der Mitgliedstaaten gewahrleisten, indem ihnen ermoglicht wird, die Richtlinien nach ihren jeweiligen Gesetzen zu konkretisieren. Weiterhin wird ihnen ein Spielraum fiir eigene Entscheidungen gewahrt. Die EU kann nicht samtliche Regelungen bis ins Detail konkretisieren, vielmehr gibt sie allgemeine Rahmenbedingungen vor. Vgl. Bleckmann 1990, Rn. 189; Kiiting 1993, S. 30. Vgl. Pellens 2001, S. 403.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
25
stimmte Ausnahmefalle gelten.^^ Empfehlungen und Stellungnahmen haben keine bindende Wirkung (Art. 249 Abs. 5 EGV).
2.
EG-Richtlinien als Instrument zur Angleichung der Rechnungslegung in den Mitgliedstaaten
a)
Wichtige Richtlinien und deren Umsetzung in deutsches Recht
Bisher erfolgte die Harmonisierung der Rechnungslegung in der EU hauptsachlich durch den Erlass und die Umsetzung von Richtlinien.^^ Die Vierte EG-Richtlinie (Jahresabschlussrichtlinie)^^ nennt als Ziel die Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften iiber den Jahresabschluss und den Lagebericht zum Schutz der Gesellschafter und Dritter zur Schaffung gleichwertiger rechtlicher Mindestbedingungen sowie die Schaffung von einheitlichen Bewertungsmethoden, um die Vergleichbarkeit der Abschliisse zu gewahrleisten.89 Sie regelt die Rechnungslegung im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften: Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und Gesellschaften mit beschrankter Haftung (GmbH). Weiterhin ist sie Bezugsrahmen fiir die Siebente EG-Richtlinie iiber den konsolidierten Abschluss.^ Anderungen der Vierten EG-Richtlinie wurden durch folgende Vorschriften voUzogen: Die sog. GmbH & Co-Richtlinie^^ integrierte alle Personengesellschaften, bei denen nur beschrankt haftende Gesellschafter die personliche VoUhaftung iibernehmen, in die Vierte EG-Richtlinie.^2 D{Q gog. Mit-
Vgl.Pd/ews 2001,5.401. Vgl. Bank 1995, S. 25-30; Weber-Braun 1995, S. 1-24. Vgl. Vierte EG-Richtlinie 78/660/EWG. Vgl. Vierte EG-Richtlinie 78/660/EWG, Praambel. Vgl. Siehente EG-Richtlinie 83/349/EWG. Vgl. EG-Kommission 1986. Als Grund fur die Erweiterung wird der Zweck der Richtlinie angegeben: Auch „Kapitalgesellschaften & Co" bieten Dritten nur durch ihr Gesellschaftsvermogen eine Sicherheit, so dass ein flankierender Schutz durch die Publizitat des Jahresabschlusses geboten ist. Vgl. Finken/Declwr 1991, S. 96.
26
Erster Hauptteil
telstandsrichtlinie93 sah Erleichterungen fiir kleine und mittelgrofie Unternehmen vor.^ Beide Richtlinien wurden am 08.11.1990 in einem Werk (Richtlinie hinsichtlich der Ausnahmen fiir kleine und mittlere Gesellschaften) verabschiedet.95 Im Folgenden werden die fiir diese Arbeit relevanten Richtlinien dargestellt:
-
Erste EG-Richtlinie 68/151/EWG vom 09.03.1968 (Publizitatsrichtlinie), Zweite EG-Richtlinie 77/91/EWG vom 13.12.1976 (Kapitalschutzrichtlinie), Vierte EG-Richtlinie 78/660/EWG vom 25.07.1978 (Bilanzierungsrichtlinie), Siebente EG-Richtlinie 83/349/EWG vom 13.06.1983 (Konzemrichtlinie), Achte EG-Richtlinie 84/253/EWG vom 10.04.1984 (Prtifungsrichtlinie), Richtlinie 2001/65/EG vom 27.10.2001 (Fair Value-Richtlinie), Richtlinie 2003/38/EG vom 13.05.2003 (Schwellenwertrichtlinie), Richtlinie 2003/51/EG vom 18.06.2003 (Modemisierungsrichtlinie), Richtlinie 2003/58/EG vom 15.07.2003 (Anderung der Ersten Richtlinie), Richtlinie 2004/109/ EG vom 15.12.2004 (Transparenzrichtlinie), Vorschlag fiir eine Richtlinie zur Anderung der Vierten und Siebenten EGRichtlinie vom 28.10.2004 (Modemisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance).
Vgl. EG-Kommission 1988. Dies sind z.B. Anhebung der Grofienkriterien zur Abgrenzung der Untemehmen, Gewahrung von Ausweiserleichterungen, z.B. Wahlrecht zur Erstellung eines Lageberichtes und einer verkiirzten Bilanz, keine Friifungspflicht, keine Offenlegungspflicht der GuV. Vgl. Finken/Decher 1991, S. 95; Niessen 1991, S. 197; Centralefur GmbH 1990, S. 535 f.; Centralefur GmbH 1991, R 73 f.; Hahn 1990, R 90. Vgl. Richtlinie 90/604/EWG.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegiing
27
Die Umsetzung der Vierten, Siebenten und Achten EG-Richtlinie in Deutschland erfolgte mit dem Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG) vom 19.12.1985.^ Der deutsche Gesetzgeber nahm dies zum Anlass fiir eine Umgestaltung des deutschen Bilanzrechts: Regelungen der Rechnungslegung wurden vom Aktiengesetz ins HGB iibertragen. Es erfolgte eine Einteilung des neu eingefiihrten Dritten Buches des HGB in drei Abschnitte: Der erste gilt rechtsformunabhangig fiir alle Kaufleute, der zweite fiir Kapitalgesellschaften und der dritte fiir eingetragene Genossenschaften. Der deutsche Gesetzgeber war bestrebt, die Richtlinie moglichst steuemeutral umzusetzen.97 Die Richtlinie hinsichtlich der Ausnahmen fiir kleine und mittlere Gesellschaften wurde erst am 09.03.2000 als Kapitalgesellschaften- und Co-RichtlinieGesetz (KapCoRiLiG) in das deutsche Recht transformiert (§ 264a-c HGB).98 Eine GmbH & Co KG ist danach wie eine Kapitalgesellschaft verpflichtet, ihren Jahresabschluss testieren zu lassen und offen zu legen.99
Vgl. BiRiLiG 1985. Siehe auch Biener/Berneke 1986; Finken/Decher 1991, S. 93. Es wurden dabei ausschlieClich bestehende Gesetze geandert. Vgl. Glade 1986; Herrmann/Knisdwwski 1995, S. 39; Kloos 1993, S. 103; Muller/Wanik 1986. Vgl. ¥resl 2000, S. 40; Herrmann/Knisdmvski 1995, S. 40; Wagner 2002, S. 1885. Dieses Ziel wird grofitenteils als erreicht angesehen. Vgl. Broer 2001, S. 65; Glade 1985, S. 10; Stein 1985, S. 760. Vgl. KapCoRiLiG 2000. Die Umsetzungsfrist in deutsches Recht war am 01.01.1993 abgelaufen. Erst nach zwei von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren und einem EuGH-Urteil vom 29.09.1998 zur Missachtung der Offenlegungspflichten legte das Bundesjustizministerium im Marz 1999 einen Referentenentwurf des KapCoRiLiG vor. Vgl. Maul 2001, S. 529; van Hulle 1998, S. 149. Das KapCoRiLiG sieht eine Anhebung der Schwellenwerte in § 267 HGB vor; dadurch finden Erleichterungen bei der Aufstellung, Priifung und Offenlegung des Jahresabschlusses kleiner und mittlerer Unternehmen statt. Dagegen wurden die Grofienmerkmale fiir die Befreiung von der Konzernabschlusspflicht gesenkt (§ 293 HGB). Vgl. zur neuesten Rechtsprechung: EuGH-Beschluss vom 23.09.2004, S. 2456-2461; Kiesel/Grimm 2004, S. 2210-2214.
28
b)
Erster Hauptteil
Erfolg der Harmonisierung durch die EG-Richtlinien
Das Ziel der Schaffung eines gleichwertigen Bilanzrechts innerhalb der EU wurde bisher nicht erreicht. Es bestehen noch erhebliche Unterschiede zwischen den Rechnungslegungsvorschriften einzelner Mitgliedstaaten, die eine Vergleichbarkeit der Jahresabschliisse nicht gewahrleisten.^^ Die Richtlinien beinhalten zahlreiche Wahlrechte, die den Mitgliedstaaten Spielraume gewahren. Die Vierte Richtlinie enthielt vor Aufnahme der Modernisierungs- und Fair Value-Richtlinie^oi 75 Wahlrechte bei nur 62 Artikeln.102 Der Grund fiir die Gewahrung der Wahlrechte liegt im Kompromisscharakter der Richtlinien.^0^ Sie werden als „Bestandsaufnahme der in der EG vorhandenen Rechnungslegungsunterschiede"^^ bezeichnet; die bislang landerspezifischen Methoden konnten nun landeriibergreifend angewendet werden, so dass sich die Gesamtzahl der Wahlrechte in der EU erhoht hat.ios Das Ziel der Rechtsangleichung wird durch diese Wahlrechte beeintrachtigt, denn die Jahresabschliisse sind durch die unterschiedliche Ausiibung in den einzelnen Staaten nur bedingt vergleichbar.106 Es werden folgende Moglichkeiten der Wahlrechtsausiibung unterschieden: Zunachst kann den Mitgliedstaaten die Ausiibung eines Wahlrechtes der Richtlinie bei der Umsetzung in das nationale Recht iiberlassen werden, d.h. nach Ausiibung durch den Mitgliedstaat bleibt kein Spielraum mehr fiir das Untemehmen („Die Mitgliedstaaten konnen vorschreiben", z.B. Vereinfachungsregelungen fiir kleine Gesellschaften; Art. 5 Abs. 2 der Vierten RichtliVgl. Knoblauch 1978, S. 18 f.; Lanfermann 1992, S. 442. Vgl. Abschn. I.D.3.b) und c) dieses Hauptteils. Vgl. Jonas 1978, S. 1365. Rost 1991, S. 185. Im Jahr 1965 begannen die Arbeiten zur Vierten Richtlinie, 1978 wurde sie verabschiedet. Der lange Zeitraum resultiert aus der Schwierigkeit, die Interessen aller Mitgliedslander zu vereinen. Hierbei waren sowohl anglo-amerikanische als auch kontinental-europaische Einfliisse in Einklang zu bringen. Vgl. Kirchner/Schimrtze 1985, S. 397; Kuting 1993, S. 31. Rost 1991, S. 31. Vgl. Kw^mg 1993,5.31. Vgl. Kirchner/Schzvartze 1985, S. 399.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
29
nie). Bei einer weiteren Wahlrechtskategorie bleibt es den Mitgliedstaaten iiberlassen, das Wahlrecht an die Unternehmen weiterzugeben oder es selbst auszuiiben („Die Mitgliedstaaten konnen gestatten oder vorschreiben", z.B. Art. 6: Ausweis der Ergebnisverwendung).io7 Diese beiden Moglichkeiten werden im weiteren Verlauf der Arbeit als Mitgliedstaatenwahlrechte bezeichnet. Bei den sog. abgeleiteten Untemehmenswahlrechten diirfen die Mitgliedstaaten die Option nicht selbst ausiiben. Das Wahlrecht muss in ein Unternehmenswahlrecht iiberfiihrt werden; dabei konnen die Staaten von einer Weiterleitung des Wahlrechts zwar absehen, diirfen dann jedoch keine bindende Regelung in das nationale Recht aufnehmen („Die Mitgliedstaaten konnen gestatten", z.B. Art. 37: Aktivierungswahlrechte fiir FuE-Kosten und Firmenwert). Originare Unternehmenswahlrechte sind direkt an die Gesellschaften weiterzugeben; die Mitgliedstaaten haben keinen Einfluss auf die Ausiibung der Wahlrechte (z.B. Art. 35 Abs. 4: Einbeziehung von FremdkapitalZinsen in die Herstellungskosten).^^^ Eine Harmonisierung im Sinne der Angleichung der Rechnungslegung durch Richtlinien wurde bisher noch nicht erreicht. „Die Jahrzehnte dauernden - letztlich nicht zufriedenstellenden - Harmonisierungsbestrebungen der Europaer werden iiberlagert von internationalen Harmonisierungsbestrebungen" ^^9 und erlangen daher eine Geschwindigkeit und Dynamik, die das deutsche Bilanzrecht bereits verandert haben und in wenigen Jahren noch weitreichender pragen werden. Seit den 90er Jahren verfolgt die EU-Kommission verstarkt das Ziel der Anpassung der europaischen Rechnungslegung an die lAS/IFRS. Die wichtigsten Phasen werden im Folgenden dargestellt.
Vgl. Hennrichs 1999a, S. 36. Der deutsche Gesetzgeber hat die Mitgliedstaatenwahlrechte grundsatzlich an die Unternehmen weitergegeben. Vgl. Heimlich 1986, S. 7. Vgl. Kloos 1993, S. 95 f.; Weber-Braun 1995, S. 10. Auf diese Wahlrechtsarten wird im Abschn. II. des Vierten Hauptteils Bezug genommen. Ducker 2002, S, 71.
30
Erster Hauptteil
D.
Fortentwicklung der europaischen Rechnungslegung im Rahmen des Harmonisierungsprozesses
1.
Strategie der EU-Kommission
Nachdem die EU-Kommission 1990 ein „Beratendes Forum fiir Rechnungslegung" ^^o einsetzte und 1995 die Mitteilung „Harmonisierung auf dem Gebiet der Rechnungslegung: Eine neue Strategie im Hinblick auf die international Harmonisierung"^!^ veroffentlichte, erliefi sie am 11.05.1999 eine Mitteilung: „Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan''^^^^ die fiir die weiteren Jahre verschiedene politische Ziele und spezielle Mafinahmen zur Verbesserung des Binnenmarktes fiir Finanzdienstleistungen vorsah.^i^ Es wurde hervorgehoben, dass vergleichbare, transparente und verlassliche Jahresabschliisse fiir einen effizienten und integrierten Kapitalmarkt unerlasslich seien und dringend Losungen gefunden werden miissten, die es Untemehmen ermoglichten, in der EU und auf internationalen Markten Kapital aufzunehmen und
Dessen Aufgabe war die unverbindliche Beratung der Kominission und die Abgabe von Stellungnahmen. Vgl. van Hulk 1994, S. 15; ders, 2003, S. 971. Vgl. EU-Kommission 1995, S. 6. In der Begriindung argumentierte die Kominission folgendermafien: Die Vierte und Siebente EG-Richtlinie stellen bislang die Grundlage fiir die Erstellung von Jahresabschlussen europaischer Unternehmen dar. AUerdings erfiillen die Richtlinien nicht die auf internationaler Ebene, vor allem von der SEC, geforderten Anspriiche. Sie enthalten viele Wahlrechte und gehen auf zahlreiche immer bedeutsamere Rechnungslegungsbereiche nicht ein. Folglich miissten europaische Grofiunternehmen, die an der New York Stock Exchange (NYSE) gelistet werden wollen, einen zweiten Abschluss aufstellen. Das Gewicht der EU im internationalen Harmonisierungsprozess soil gestarkt werden mit dem Ziel, zu Rechnungslegungsgrundsatzen zu gelangen, die international akzeptiert werden. Borsennotierte Gro6unternehmen soUen dabei vom Anwendungsbereich der Richtlinien ausgeschlossen werden und dafiir international anerkannte Grundsatze anwenden. Dazu ist eine starkere Einbeziehung der EU in die Arbeiten des lASC und der IOSCO notig. Es miissen aufierdem Schritte in die Wege geleitet werden, die die Vereinbarkeit der Richtlinien mit den lAS/IFRS gewahrleisten. Vgl. EU-Kommission 1999. Es wurden drei strategische Ziele festgelegt: Gewahrung eines einheitlichen Firmenkundenmarktes fiir Finanzdienstleistungen, Schaffung offener und sicherer Privatkundenmarkte und Modernisierung der Aufsichtsregeln und der Uberwachung.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
31
dabei Abschliisse zu verwenden, die auf der Grundlage einheitlicher Bilanzierungspflichten erstellt wurden.^^^ Qie lAS/IFRS seien hierfiir am besten geeignet. Am 13.06.2000 veroffentlichte die EU-Kommission die Mitteilung: „Rechnungslegungsstrategie der EU: Kiinftiges Vorgehen"i^5^ die Vorschlage zur Ubemahme der lAS/IFRS in das europaische Recht enthalt. Ausfluss dieser Strategie der Kommission sind die EU-Verordnung sowie einige Richtlinien, auf die im Folgenden eingegangen wird.
2.
EU-Verordnung vom 19.07.2002
a)
Ziele und Anwendungsbereich
Die „Verordnung des Europaischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung intemationaler Rechnungslegungsgrundsatze''^^^ (EU-Verordnung) wurde am 11.09.2002 im Europaischen Amtsblatt veroffentlicht."^ Sie ist gemafi Art. 249 Abs. 2 EGV in alien Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.^^^ Die Umstellung der Rechnungslegung bestimmter Untemehmen auf lAS/IFRS durch eine Anderung der Richtlinien zu bewaltigen, ware zu zeitaufwandig. Dies zeigt die Umsetzung der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie im BiRiLiG. Von den ersten Vorarbeiten zu den Richtlinien im Jahr 1965 bis zur endgiiltigen Transformation in nationales Recht vergingen ca. 20 Jahre.^^^ Qie Umsetzung durch eine Verordnung ist sinnvoU, da eine schnelle und unkomplizierte Durchftihrung des Verfahrens garantiert wird. Weiterhin soil die Schaffung unmittelbar geltenden Rechts per Verord-
Vgl. EU-Kommission 1999, S. 6. EU-Kommission 2000a. Vgl. Graumann 2002, S. 403-414. Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002. Zu den einzelnen Entwicklungsstadien der Verordnung vgl. Buchheim/Grdner 2003, S. 953-955; Gothel 2001, S. 2057-2061; Pellens/Gassen 2001, S. 137-143; Ernst 2001a, S. 823-825. Vgl. Abschn. I.C.I, dieses Hauptteils. Vgl. Fresl 2000, S. 37-41; Herrmann/Knischewski 1995, S. 3.
32
Erster Hauptteil
nung „eine Rechtszersplitterung durch nationale AUeingange verhindern, wie man sie bei der Umsetzung der Bilanzrichtlinien vielfach beobachten konnte/'^2o Die EU-Verordnung ist gemafi Art. 4 fiir Abschliisse verbindlich, die sich auf Geschaftsjahre beziehen, die am oder nach dem 01.01.2005 beginnen. Das Ziel der EU-Verordnung besteht darin, die Vergleichbarkeit der Abschliisse kapitalmarktorientierter Untemehmen zu verbessern und die Wettbewerbsfahigkeit der gemeinschaftlichen europaischen Kapitalmarkte zu starken, um hiermit eine schnelle VoUendung des Binnenmarktes fiir Finanzdienstleistungen zu erreichen.121 Untemehmen, die dem Recht der Mitgliedstaaten unterliegen und deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt gemafi der WertpapierDienstleistungs-Richtliniei22 zugelassen sind, miissen fiir Geschaftsjahre, die am oder nach dem 01.01.2005 beginnen, ihre konsolidierten Abschliisse nach den internationalen Rechnungslegungsstandards aufstellen, die im sog. Komitologie-Verfahreni23 von der EU anerkannt wurden. Dabei ist zu beachten, dass auch Vorjahresangaben gemaii IAS 1.38 anzugeben sind. Das bedeutet, dass Untemehmen, die die lAS/IFRS zum 01.01.2005 anwenden wollten.
120
Ekkenga 2001, S. 2362.
121
Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002, Abs. 3 sowie Art. 1.
122
Vgl. Richtlinie 2004/39/EG. Die urspriingliche Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 93/22/EWG vom 11.06.1993) wurde im Jahr 2004 uberarbeitet, so dass der in der EU-Verordnung genannte Art. 1 Abs. 13 rucht mehr existiert. Art. 1 der neuen Richtlinie legt fest, dass diese fiir Wertpapierfirmen und geregelte Markte gilt, die in Art. 4 Nr. 14 definiert werden. Aufierdem wurde von der EU-Kominission eine Aufstellung der Markte und Borsen aller Mitgliedstaaten erstellt. Danach gehoren zum Geregelten Markt fiir deutsche Untemehmen: Der Amtliche und Geregelte Markt der Borsen Berlin, Diisseldorf, Frankfurt, der Hanseatischen Wertpapierborse Hamburg, der Niedersachsischen Borse zu Hannover, der Borse Mxinchen und der BadenWiirttembergischen Wertpapierborse; aufierdem der Startup Market der Hanseatischen Wertpapierborse Hamburg und der Eurex Deutschland. Vgl. Europaische Union 2004.
123
Vgl. Abschn. I.D.2.b) dieses Hauptteils.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
33
schon fiir das Geschaftsjahr 2004 einen vollstandigen lAS/IFRS-Abschluss zu erstellen hatten.124 Fiir Gesellschaften, die lediglich Schuldtitel zum Handel an einem geregelten Markt emittieren oder deren Wertpapiere zum offentlichen Handel in einem Nichtmitgliedstaat zugelassen sind und die international anerkannte Standards anwenden, gilt eine zweijahrige Ubergangsfrist. Sie haben die lAS/IFRS erst fiir Geschaftsjahre anzuwenden, die am oder nach dem 01.01.2007 beginnen; dies gilt z.B. fiir Unternehmen, die nach US-GAAP bilanzieren.^25 Weiterhin wird den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht eingeraumt, den kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen zu gestatten oder vorschreiben, auch die Jahresabschliisse nach lAS/IFRS zu erstellen, bzw. nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen zu erlauben oder vorzuschreiben, ihre konsolidierten Abschliisse bzw. Jahresabschliisse nach den intemationalen Rechnungslegungsvorschriften zu erstellen. Internationale Rechnungslegungsstandards sind gemafi Verordnung die IAS/ IFRS und damit verbundene Auslegungen (SIC/IFRIC-Interpretationen), spatere Anderungen dieser Standards und damit verbundene Auslegungen sowie kiinftige Standards und damit verbundene Auslegungen.^^e Die IAS/IFRS werden Standards des Europarechts und es erfolgt eine Veroffentlichung im Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften in alien Amtssprachen.127
/DW2002a,S.192. Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) kritisiert, dass es Unternehmen, die nach US-GAAP bilanzieren, innerhalb einer so kurzen Frist nicht zuzumuten ist, ihre Rechnungslegung erneut umzustellen. Es drangt vielmehr auf eine Verlangerung des § 292a HOB bis etwa 2010. „Die dadurch gewonnene Zeit miisse dazu genutzt werden, IAS/IFRS und US-GAAP soweit anzunahern, dass die Gegensatze sich auflosen." DRSC 2000a, S. 2. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002, Art. 2. Vgl. van Hulk 2002, S. 180.
34
b)
Erster Hauptteil
Das Endorsement-Verfahren zur Anerkennung der lAS/IFRS in der Europaischen Union
Die Verordnung stellt den „Basisrechtsakt" dar, der bestimmten Unternehmen vorschreibt oder gestattet, die lAS/IFRS anzuwenden.^^s j)ies geschieht jedoch nicht unmittelbar, sondem iiber einen Anerkennungsmechanismus (Endorsement Mechanism), der regelt, wie die lAS/IFRS in europaisches Recht iibernommen werden, d.h. ob Modifikationen vorgenommen werden, ob sie vollstandig oder nicht zur Anwendung kommen.^29 ]sAit dem Anerkennungsverfahren (Komitologieverfahren) soil Rechtssicherheit gewahrleistet werden, derin die Entwicklung der lAS/IFRS ist an das lASB als privatrechtlich organisierte Institution ausgelagert. Mit der Ubernahme der internationalen Standards in europaisches Recht wird die Normsetzungskompetenz der EU im Bereich der Rechnungslegungsstandards auf diese tibertragen. Daher behalt sich die Kommission das Recht vor, die Standards erst nach einer KontroUe auf Kompatibilitat mit den EG-Richtlinien und den europaischen Interessen zu ubemehmen. Die Rechtsgrundlage fiir solch ein Verfahren ist der Art. 202 3. Spiegelstrich des EG-Vertrages. Hierbei iibertragt der Rat der Kommission die Befugnisse zur Durchfiihrung der von ihm erlassenen Vorschriften.^^o Die Vorgehensweise des Komitologieverfahrens wird an folgender Graphik ersichtlich:
VgLErnsf 2001b, S. 1441. Vgl. IDW 2002a, S. 192. Zur Problematik der Europaischen lAS/IFRS vgl. Abschn. I.D.2.C) dieses Hauptteils. Vgl. Buchheim/Groner/Kuhne 2004, S. 1783. Dieses Verfahren geht auf den Vorschlag einer Expertengruppe (Lamfalussy) zuriick. Nach Verabschiedung des Rahmenrechtsaktes kann die Kommission Durchfiihrungsbestimmungen dazu erlassen. In diesem Fall werden sie in dem „Beschluss des Rates zur Festlegung der Modalitaten fiir die Ausiibung der der Kommission iibertragenen Durchflihrungsbefugnisse" geregelt. Vgl. Rat der EuropaiscJten Union 1999.
35
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
EFRAG Vorschlag EU-Kommission gibt lAS/IFRS frei
EU-Kommission
Vorschlag Rat gibt lAS/lFRS frei nimmt Vorschlag an
ARC
lehnt Vorschlag ab
H
EU-Kommission legt Vorschlag Rat vor
nimmt Vorschlag an
Rat trim keine Entscheidung
EU-Kommission gibt I A S / I F R S frei
Rat lehnt IAS/IFRS ab
EU-Kommission kann Vorschlag andem
Abbildung 2: Komitologieverfahren^^^ Die Kommission macht dem sog. Regelungsausschuss fiir die Rechnungslegung (Accounting Regulatory Committee, ARO'^^j einen Vorschlag zur Annahme eines Rechnungslegungsstandards bzv^. SIC/IFRIC. Darin nimmt die Kommission Stellung zur Ubereinstimmung der vorgeschlagenen Regelung mit den Bilanzrichtlinien und zu ihrer Zweckmafiigkeit fiir die europaische Rechnungslegung.i^^^ Der ARC hat zu beschliefien, ob ein lAS/IFRSRechnungslegungsgrundsatz von der EU angenommen wird oder nicht und zu w^elchem Termin angenommene IAS/IFRS in der EU anzuw^enden sind.^^^
131
Entnommen aus Buchheim/Groner/Kuhne 2004, S. 1784.
132
Der Regelungsausschuss setzt sich aus Vertretern der EU-Mitgliedstaaten zusammen, den Vorsitz ubernimmt die EU-Kommission. Vgl. EU-Kommission 2001a, S. 7; Gothel 2001, S. 2059. Vgl. EU-Kommission 2001a, S. 5. Seine Aufgabe ist nicht die Neuformulierung oder Modifikation von IAS/IFRS. Er beurteilt lediglich die Konformitat mit den EU(Fortsetzung der Fufinote aufder ndchsten Seite)
36
Erster Hauptteil
Stimmt der ARC dem Vorschlag zu, kann die Kommission den lAS/IFRS freigeben.135 Nimmt er den Vorschlag nicht an, muss ihn die Kommission dem EU-Rat unterbreiten; dieser kann den Vorschlag mit qualifizierter Mehrheit innerhalb von drei Monaten ablehnen.^^^^ Anderenfalls gilt er als angenommen.^^^7 Die Kommission wird im Rahmen ihres Vorschlags an den Regelungsausschuss durch einen Technischen Ausschuss auf dem Gebiet der Rechnungslegung, die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), unterstiitzt. Sie berat die Kommission und gibt ggf. Stellungnahmen zur Auslegung der Standards ab.^^^ Weiterhin ist es ihre Aufgabe, die europaischen Interessen gegeniiber dem lASB zu vertreten.^^^^ Dem technischen Ausschuss obliegt die fachliche Begleitung der Anwendung der Rechnungslegungsstandards in der EU, der Regelungsausschuss ist fiir das Rechtsetzungsverfahren zustandig. Die beiden Ebenen miissen zusammenarbeiten, derin „eine rechtzeitige Beschlussfassung auf der Regelungsebene kann nur dann sichergestellt werden, wenn auf der Sachverstandigenebene
Richtlinien und die Einhaltung der europaischen Interessen. Es hat eine Intervention zu erfolgen, wenn die Standards wesentliche Mangel aufweisen, so dass sie im wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld der EU nicht sachgerecht angewendet werden konnten, d.h. nur dann sind Anderungen/Modifikationen eriaubt. Vgl. EUKommission 2001a, S. 5; Graumann 2002, S. 407. Vgl. Rat der Europaischen Union 1999, Art. 5, Abs. 3. Vgl. Graumann 2002, S. 407. Vgl. Rat der Europaischen Union 1999, Art. 5 Abs. 6. Genaueres zum KomitologieVerfahren vgl. Buchheim/Groner/Kuhne 2004, S. 1784. Die EFRAG unterbreitet der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Verabschiedung eines lAS/IFRS einen Vorschlag. Vgl. EFRAG 2004, Tz. 3.1, S. 6. „Mit der Sachverstandigenebene des Anerkennungsmechanismus wird sichergestellt, dass die EU-Nutzer und -Aufsteller von Abschliissen an den vorbereitenden Gesprachen iiber Rechnungslegungsgrundsatze auf internationaler Ebene teilhaben, bevor die Annahme in der EU erfolgt." Vgl. EU-Kommission 2001a, S. 5 f. In der Praambel der Verordnung wird geregelt, dass die EU „angemessen im institutionellen Regelwerk des lASB vertreten sein mufi". Van Hulk 2002, S. 179. Sie hat daher Beobachterstatus im Advisory Council (SAC) und im IFRIC erhalten.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
37
mogliche Probleme im Hinblick auf kiinftige IAS moglichst friihzeitig antizipiert werden konnen"^40 Der Groi^teil der lAS/IFRS wurde durch den Erlass einiger Verordnungen^^i zum 01.01.2005 ubernommen. Es steht noch die teilweise Ubernahme des IAS 39 aus. Dieses partielle Endorsement birgt die Gefahr der Entstehung europaischer IAS/IFRS.142
c)
Auslegung der endorsed IAS/ IFRS
Mit der EU-Verordnung werden die IAS/IFRS, die bisher den Charakter von Verlautbarungen eines privaten Standardsetters hatten, unmittelbar geltendes sekundares Gemeinschaftsrecht.i^^ AUerdings gilt dies nur fiir die endorsed IAS/IFRS, derm nur diese entsprechen den Zielen der EU-Kommission.^^^ Die EU-Verordnung sieht eine Ubernahme nur unter den Voraussetzungen vor, dass der Standard „die Grundanforderungen der genannten Richtlinien des Rates erfiillt, d.h. dass seine Anwendung ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild der Vermogens- Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens vermittelt - ein Prinzip, das im Lichte der genannten Richtlinien des Rates zu verstehen ist, ohne dass damit eine strenge Einhaltung jeder einzelnen Bestimmung dieser Richtlinien erforderlich ware"^^^. Weiterhin muss der
140
Graumann 2002, S. 407. Vgl. Verordnung (EG) 1725/2003, Verordnung (EG) 707/2004, Verordnung (EG) 2086/2004, Verordnung (EG) 2236/2004, Verordnung (EG) 2237/2004, Verordnung 2238/2004, Verordnung (EG) Nr. 211/2005. Diese Verordnungen enthalten die deutschen Ubersetzungen der endorsed IAS/IFRS/SIC. Sie sind im Europaischen Amtsblatt veroffentlicht worden. Diese Problematik wird in nachsten Kapitel eingehender erortert. Vgl. Abschn. I.D.2. dieses Hauptteils. Vgl. Kuting/Ranker 2004, S. 2511. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002, Abs. 9. Die lAS/IFRS miissen also „nur" mit den Grundanforderungen der Richtlinien im Sinne der Vermittlung eines den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechenden Bildes tibereinstimmen. Dies ist eine sehr weit gefasste Formulierung. Bedeutung gewinnt diese Auslegung z.B. im Rahmen des Impairment-Only-Ansatzes, vgl. Abschn. II.D.4. des vierten Hauptteils.
38
Erster Hauptteil
Standard dem europaischen offentlichen Interesse entsprechen und grundlegende Kriterien hinsichtlich der Informationsqualitat erfiillen.^^^ Hierzu werden die Merkmale der Verstandlichkeit, Erheblichkeit, Verlasslichkeit und Vergleichbarkeit genannt.i47 Es wird angenommen, dass der Konzemabschluss borsennotierter Untemehmen, der nicht diesen Standards entspricht, fehlerhaft ist.^^s Folgenden Instanzen kommen Auslegungskompetenzen iiber die sachgemafie Anwendung der endorsed lAS/IFRS zu: Aufgrund der fehlenden Existenz einer hochstrichterlichen Rechtsprechung sowie der „Regelungsunscharfe" der lAS/IFRS wird den Gerichten ein neues Aufgabenfeld der Interpretation der lAS/IFRS zukonimen.149 Dem EuGH wird im Rahmen seiner Vorabentscheidungskompetenzi5o ein Auslegungsrecht zugesprochen.i^i Im Rahmen des Enforcement^52 hat die Priifstelle fiir Rechnungslegung im Rahmen der Priifungs des Jahresund Konzemabschlusses sowie den Lageberichtes festzustellen, ob diese den „gesetzlichen Vorschriften einschliefilich der Grundsatze ordnungsmafiiger Buchfiihrung und der sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsvorschriften" (§ 342b Abs. 2 Satz 1 HGB) entsprechen. Aufierdem konnte sich die Bundesanstalt fiir Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen des Enforcement als Instanz zur Auslegung der iibemonnmenen lAS/IFRS etablieren.153
Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002, Abs. 9. Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002, Art. 3 Abs. 2, 2. Spiegelstrich. Vgl. Schon 2004a, S. 763. Folgen eines fehlerhaften Konzemabschlusses sind z.B.: Der Aufsichtsrat darf ihn nicht billigen (§ 272 Abs. 2 Satz 5 AktG), es darf kein uneingeschrankter Bestatigungsvermerk erteilt werden (§ 322 Abs. 1 Satz 1 HGB). Fiir einen fehlerhaften Abschluss werden Bufigelder gemafi § 334 Abs. 1 Nr. 2g HGB erhoben. Vgl. Sc/zon 2004a, S. 764. Vgl. Abschn. II.C.2. des dritten Hauptteils. Vgl. Schon 2004a, S. 764. Zu Auslegungsmoglichkeiten vgl. Kilting/Ranker 2004, S. 2514. Zur Haltung des BFH und der Finanzgerichte vgl. Abschn. II.C.2.a)3) des driten Hauptteils. Vgl. Abschn. II.B.3. dieses Hauptteils. Vgl. Kuting/Ranker 2004, S. 2514.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
39
Es zeichnet sich die Problematik ab, dass einzelne Auslegungsinstanzen unterschiedliche Interpretationen vorlegen. Als Interpretationshilfe hat die Kommission eine Kommentierung zu bestimmten Artikeln der EU-Verordnung herausgegeben, die allerdings keine Rechtsbindung entfaltet.^54 gs werden nur die lAS/IFRS bzw. SIC/IFRIC ubernommen, nicht die zugehorigen Basis of Conclusions und Implementation Guidance. Da die Anwendung der lAS/IFRS ohne Auslegungshilfen in der Regel nicht moglich ist, empfiehlt der Kommentar, diese Interpretationen zu berucksichtigen.i^s Kritisch ist die Zeitspanne zwischen der Veroffentlichung eines lAS/IFRS und der Anerkennung durch die EU zu sehen. Fiir die Unternehmen besteht bei Verabschiedung eines neuen Standards Ungewissheit, ob sie diesen anwenden diirfen oder ob er erst „endorsed" werden muss. Die EU-Kommission empfiehlt hierbei, den noch nicht anerkannten Standard als Leitlinie zu verwenden.i56 Aufierdem ist nicht auszuschliefien, dass sich eine eigenstandige europaische Interpretation der endorsed IFRS entwickelt, denn noch spielt der Glaubigerschutz eine wichtige RoUe in der EU. Die Modifizierung oder der Ausschluss bestimmter IAS/IFRS entspricht nicht dem Ziel der Schaffung von vergleichbaren und transparenten Jahresabschliissen. Daher sind Abweichungen von den IAS/IFRS, die zu europaischen IAS/IFRS fiihren, zu vermeiden.^57 Qas partielle Endorsement des IAS 39 zeigt einen Fall der Entstehung von europaischen IAS/IFRS.158
Vgl. EU-Kommission 2003a. Vgl. EU-Kommission 2003a, Kapitel 2.2.5. Auch das Rahmenkonzept gilt nicht als Standard und wurde somit nicht „endorsed", sondern lediglich als Anhang der Kommentierung der Kommission aufgenommen. Vgl. Buchheim/Groner/Kuhne 2004, S. 1785. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 92. Vgl. IDW 2001a, S. 226; IDW 2004a, S. 2; Weber 2004a, S. 15. „Es gilt zu vermeiden, dass deutsche Unternehmen deutsche IAS und franzosische Unternehmen franzosische IAS entwickeln." van Hulk 2002, S. 181. Die Anerkennung der voUstandigen Fair Value-Option sowie der Bilanzierung von Sicherungsgeschaften wurde auf einen spateren Zeitpunkt verschoben. Unter anderem durch die verstarkte Kritik der Banken wurde es moglich, einzelne Teile nicht (Fortsetzung der Fuflnote auf der ndchsten Seite)
40
Erster Hauptteil
3.
Aktuelle Reformen der EG-Rechnungslegungsrichtlinien im Rahmen der Anpassung an die lAS/IFRS
a)
Konvergenz zwischen den lAS/IFRS und den Rechnungslegungsrichtlinien
Die EU-Kommission fiihrte diverse Analysen zur Vereinbarkeit der Richtlinien mit den lAS/IFRS durch.i59 „Wahrend die Rechnungslegungsrichtlinien in einem Umfeld ausgearbeitet wurden, das zuweilen stark von Fragen des Glaubigerschutzes, der Gewinnausschiittung und von Steuerfragen beeinflusst wird, sind IAS in der Regel ohne Berticksichtigung derartiger Erwagungen formuliert."!^ In den letzten Jahren wurden die Vierte und Siebente EG-Richtlinie mit dem Ziel einer in Zukunft einheitlichen Bilanzierung in den europaischen Staaten sowie der Annaherung an die lAS/IFRS uberarbeitet.^^^ Davon sind auch die Untemehmen betroffen, die das Wahlrecht der EU-Verordnung zur Anwendung der lAS/IFRS nicht in Anspruch nehmen, da die Mitgliedstaaten eine Transformation der Regelungen der Richtlinien vornehmen miissen. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Unternehmen im Zeitablauf aufgrund der Anderungen der Richtlinien zwangslaufig zu einer Rechnungslegung nach
anzuerkennen. Vgl. Pellens/]ddicke/Ndlte 2004, S. 15. Zur weiteren Entwicklung der Fair Value-Option im intemationalen und europaischen Recht wird auf Abschn. III.C.2.a)2) des zweiten Hauptteils verwiesen. Die erste Vergleichs-Studie der EU-Konvmission erschien 1996. In dieser wurden die 1995 geltenden IAS mit der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie verglichen. Es ergaben sich nur zwei Konflikte von geringer Bedeutung (negativer Goodwill und Ausschluss von Tochtergesellschaften aus dem Konsolidierungskreis, deren Tatigkeit derart von den Aktivitaten der Muttergesellschaft abweicht, dass ihre Konsolidierung gegen den Grundsatz des True and Fair View verstofit). Vgl. van Hulle 1998, S. 140 f. Eine weitere Studie enthalt eine tJberprufung des lASC-Framework und der IAS, die bis zum 31.12.2002 veroffentlicht wurden. Vgl. EU-Kommission 2001b: Priifung der Vereinbarkeit von IAS 1 bis IAS 41 mit den europaischen Rechnungslegungsrichtlinien. EU-Kommission 2001b, S. 6. Vgl. van Hulle 2002, S. 181.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
41
lAS/IFRS iibergehen miissen und welche Auswirkungen diese mogliche Abkehr auf die wichtigsten Unternehmensdaten hat. Dies wird in den folgenden Hauptteilen erortert. Mit der Anderung der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie durch die Fair Value-Richtlinie und die Modemisierungsrichtlinie wurden erste Schritte zur Annaherung an die lAS/IFRS getan. Im Folgenden wird lediglich auf die Anderungen im Rahmen der Vierten EG-Richtlinie eingegangen, da die Zielsetzung der Arbeit ist, Auswirkungen der Intemationalisierung fiir den Jahresabschluss und die Steuerbilanz zu erortern.
b)
Fair Value-Richtlinie
Mit der am 31.05.2001 verabschiedeten Fair Value-Richtlinie zur Anderung der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie soil eine Annaherung an die internationalen Rechnungslegungsstandards erfolgen.^^^ Kernregelung ist der neue Art. 42a der Vierten EG-Richtlinie: Die Mitgliedstaaten erhalten ein Wahlrecht, alien oder bestimmten Gesellschaften zu gestatten oder vorzuschreiben, Finanzinstrumente (einschliefilich derivativer Finanzinstrumente) zum beizulegenden Zeitwert (Fair Value) zu bewerten. Die Richtlinie verzichtet im Gegensatz zu IAS 39 auf eine Definition des Begriffes „Finanzinstrument".^^^ Die Erlaubnis oder Verpflichtung kann auf Konzerne beschrankt werden. Von der Fair Value-Bewertung ausgeschlossen sind gemafi Art. 42a Abs. 4 bis zur Endfalligkeit gehaltene Finanzinstrumente, ausgegebene Darlehen und Forderungen, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden, Beteiligungen an Tochtergesellschaften, Joint Ventures und assoziierte Unternehmen.^^
Vgl. Richtlinie 2001/65/EG. Vgl. Kirsch 2005, S. 16. Die EU-Kommission begriindet den Verzicht auf eine Definition damit, dass die Richtlinien als Rahmenvorschriften keine allgemeinen Defintionen enthalten sollten. Vgl. EU-Kommission 2000b, S. 8; Ernst 2001c, S. 246; Kirsch 2005, S. 16. Die Zeitwertbilanzierung lasst auch Werte oberhalb der Anschaffungskosten zu und steht somit im Widerspruch zu § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB. Vgl. Huthmann/Hofele 2005, S. 182.
42
Erster Hauptteil
GemalS Art. 42b Abs. 1 und Abs. 2 der Vierten EG-Richtlinie entspricht der beizulegende Zeitwert fiir die Finanzinstrumente, fiir die sich ein verlasslicher Markt ermitteln lasst, grundsatzlich dem Marktwert. Lasst sich dieser nicht bestimmen, so kann der Wert aus den jeweiligen Marktwerten gleichartiger Finanzinstrumenten oder aus den Marktwerten seiner Bestandteile abgeleitet werden. Existiert auch hierfiir kein verlasslicher Markt, wird der Wert anhand anerkannter Bewertungsmodelle und -methoden bestimmt.^^^ Wenn der Wert auf keiner der Stufen verlasslich ermittelbar ist, hat eine Bewertung zu fortgefiihrten Anschaffungskosten zu erfolgen (Art. 42b Abs. 2). Wertanderungen, die aus der Folgebewertung resultieren, sind gemafi Art. 42c gundsatzlich erfolgswirksam zu behandeln.^66 Ei^e erfolgsneutrale Einstellung in die Zeitwert-Riicklage ist bei Wertsteigerungen von Finanzinstrumenten, die als Sicherungsinstrument genutzt werden, erforderlich. Aufierdem besteht ein Mitgliedstaatenwahlrecht zwischen der Zeitwert-Riicklage oder der erfolgsneutralen Erfassung bei zur Veraufierung verfiigbaren Finanzinstrumenten (Available for Sale-Papiere; Art. 42c Abs. 2). Zu beachten ist, dass das lASB in dem iiberarbeiteten IAS 39 eine neue Kategorie von Finanzinstrumenten eingefiihrt hat (Financial Instruments at Fair Value through Profit or Loss) sowie eine erfolgsneutrale Einstellung der Wertanderungen bei Available for Sale-Papieren vorsieht, so dass die Richtlinie in diesen Punkten veraltet ist und wiederum geandert werden muss.^^^ Weiterhin sind verbindliche Angabe- und Berichtspflichten im Anhang und Lagebericht vorgesehen (Art. 42d, 43,46).
IAS 39.AG74 konkretisiert diese Bewertungsmodelle durch die Nennung der DCFVerfahren oder Optionspreismodellen. Vgl. Kirsch 2005, S. 20. Vgl. Abschn. II.D.4. des vierten Hauptteils; Kirsch 2005, S. 28.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
c)
Modernisierungsrichtlinie
1)
Ziele und Neuregelungen
43
Die EU-Kommission veroffentlichte am 18.06.2003 die sog. Modernisierungsrichtlinie im Europaischen Amtsblatt.^^ Ihr Ziel, die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU, soil durch folgende Aspekte erreicht werden:^^^ 1.
Beseitigung aller bestehenden Konflikte zwischen den Rechnungslegungs-Richtlinien und den IAS/IFRS;^70
2.
Offnung der nach den lAS/IFRS bestehenden Rechnungslegungsoptionen fiir die Unternehmen, fiir die die Richtlinien weiterhin Rechtsgrundlage der Rechnungslegung sind (d.h. Unternehmen, die ihren Jahresabschluss Oder ihren konsolidierten Abschluss nicht gemafi der EUVerordnung iibemommenen nach den lAS/IFRS erstellen) und
3.
Modemisierung der grundlegenden Struktur der RechnungslegungsRichtlinien, um einen Rahmen zu schaffen, der sowohl der modemen Praxis entspricht, als auch flexibel genug ist, um kiinftigen Entwicklungen der lAS/IFRS Rechnung zu tragen.^^i
Wiederum wird die Darstellung der Neuerungen in der Arbeit auf die Vierte Richtlinie beschrankt. Eine kritische Analyse in Bezug auf die Umsetzungsmoglichkeiten in Deutschland sowie eine Ubersicht der Anderungen erfolgt in Tabelle 21. Die meisten Vorschlage sind als Mitgliedstaatenwahlrechte formuliert, die die Staaten an die Unternehmen weitergeben konnen.
Vgl. Richtlinie 2003/51/EG. Die Federation des Experts Comptables Europeens (FEE) hat in einem Diskussionspapier Alternativen zur Ubernahme der lAS/IFRS in Europa dargestellt. Sie diskutiert vier verschiedene Ansatze: Scoping Out, Fiigh-Level Ansatz, Umgestaltung der Richtlinien zu Rahmeru-egelungen, Anpassung der Einzelregelungen. Vgl. FEE 2001; Busse von Colhe 2001a, S. 200. Diese werden in Abschn. II.D.4. des vierten Hauptteils naher erortert. Vgl. Richtlinie 2003/51/EG, Praambel Abs. 5, S. 16. Mit der Modernisierungsrichtlinie soUten alle Unstimmigkeiten zwischen Vierter und Siebente EG-Richtlinie und den zum 01.05.2002 bestehenden IAS beseitigt werden. Vgl. EU-Kommission 2002, S. 4.
44
Erster Hauptteil
Der Art. 2 Abs. 1 der Vierten EG-Richtlinie sieht die Moglichkeit vor, den Jahresabschluss neben Bilanz, GuV und Anhang um weitere Unterlagen zu erweitem. Diese Bestandteile werden nicht explizit in der Richtlinie genannt, es ist davon auszugehen, dass die Standardbestandteile eines Jahresabschlusses nach lAS/IFRS gemeint sind: Dies sind die Kapitalflussrechnung, die Segmentberichterstattung und die Eigenkapitalveranderungsrechnung.i72 Die EU-Kommission hebt den nach lAS/IFRS anerkannten Grundsatz der Substance over Form starker hervor als bisher. Den Mitgliedstaaten wird die Moglichkeit eingeraumt zu gestatten oder vorzuschreiben, dass beim Ausweis von Betragen in Bilanz und GuV der wirtschaftliche Gehalt im Vordergrund steht (Art. 4 Abs. 6). Diese Regelung kann auf Konzerne beschrankt werden. Weiterhin werden Abweichungen vom starren, detaillierten Gliederungsschema der Bilanz und GuV erlaubt (Art. 10a). Die kontinental-europaische Rechnungslegung unterteilt die Aktiva in Anlage- und Umlaufvermogen, die Passiva in Eigenkapital, Riickstellungen und Verbindlichkeiten. Gemafi IAS 1.57-65 sind Aktiva und Passiva in Current und Non Current zu trennen.i73 Art. 10a erlaubt nun, anstelle der Gliederung nach Art. 9 und 10 zwischen kurz- und langfristig zu unterscheiden, soweit der Informationsgehalt dadurch nicht eingeschrankt wird. Wiederum gewahrt die Kommission ein Mitgliedstaatenwahlrecht. Es wird aufierdem im Rahmen eines Mitgliedstaatenwahlrechtes geregelt, dass anstelle einer GuV-Rechnung ein „Statement of Performance" (Ergebnisrechnung) aufgestellt werden kann, sofern der Informationsgehalt den Anforderungen der Richtlinie entspricht (Art. 22). Der Art. 33 gestattet die Neubewertung der Gegenstande des Anlagevermogens; vorher war diese nur beim Sachanlagevermogen erlaubt. Mit der Mo-
Vgl. Niehus 2002a, S. 1386. Das DRSC schlagt vor, die Bestandteile explizit zu nennen, was einerseits Klarheit, andererseits aber auch keinen Spielraum mehr fiir evtl. zusatzliche Instrumente schaffen wiirde. Vgl. DRSC 2000a, E-Art. 2 Abs. 1, S. 6. „AIs Current gelten alle Vermogenswerte und Schulden, die innerhalb von zwolf Monaten oder innerhalb des normalen Geschaftszyklus des Unternehmens realisiert bzw. getilgt werden.'' Busse von Colbe 2002a, S. 1532.
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnungslegung
45
dernisierungsrichtlinie wurden auch explizit die immateriellen Vermogensgegenstande eingeschlossen.i74 Im Mai 2001 wurde die Fair Value-Richtlinie verabschiedet, nach der Finanzinstrumente mit dem beizulegenden Zeitwert angesetzt und die entsprechenden Gewinne und Verluste grundsatzlich in der GuV ausgewiesen werden. Die Modernisierungsrichtlinie gestattet den Mitgliedstaaten in Art. 42e und f, zusatzlich bestimmte Arten von Vermogensgegenstanden mit Ausnahme der Finanzinstrumente (die durch Art. 42a der Fair Value-Richtlinie abgedeckt sind) nun ebenfalls mit dem beizulegenden Zeitwert zu bewerten sowie die Wertanderungen in der GuV auszuweisen.^^s Diese Fair Value-Bewertung kann auf Konzeme beschrankt werden. Gema6 Art. 20 Abs. 1 der alten Fassung der Vierten Richtlinie waren sowohl Verbindlichkeits- als auch Verlustriickstellungen^^e moglich. Im neuen Art. 20 Abs. 1 wird der Terminus „Verluste" gestrichen, so dass nur noch PflichtVerbindlichkeitsriickstellungen moglich sind.i77 Dies entspricht IAS 37.14. Es wird allerdings im neuen Art. 31 Abs. la ein Mitgliedstaatenwahlrecht eingefiihrt, nach dem alle voraussehbaren Risiken und zu vermutenden Verluste beriicksichtigt werden konnen.^^s Auch Art. 20 Abs. 2 bleibt bestehen, der ein Wahlrecht zur Bildung von Aufwandsriickstellungen gewahrt, die nach lAS/IFRS grundsatzlich verboten sind.^79 Qig Bildung von Verlust- und Aufwandsriickstellungen ist somit weiterhin moglich.
Vgl. Bocking/HeroldA^iederhold 2003, S. 400. Dabei wird im Kommissionsvorschlag auf IAS 40 (als Finanzinvestition gehaltene Immobilien) und IAS 41 (Landwirtschaft) verwiesen. Vgl. EU-Kommission 2002, S. 6. „Als Rxickstellungen sind (...) Verluste oder Verbindlichkeiten auszuweisen, die am Bilanzstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Hohe oder des Zeitpunktes ihres Eintritts unbestimmt sind." Art. 20 Abs. 1 Vierte EG-Richtlinie a.F. Korrespondierend wird in Art. 31 Abs. 1 c) bb) die Pflicht zur Berticksichtigung „aller vorhersehbaren Risiken und zu vermutenden Verluste'' aufgehoben. Fiir Verbindlichkeitsriickstellungen herrscht also Pflicht, fiir Riickstellungen fiir voraussehbare Risiken ein Mitgliedstaatenwahlrecht. Fraglich ist, wie Drohverlustriickstellungen zu behandeln sind. Vgl. IDW 2003a, S. 289. Zu Ausnahmen vgl. Abschn. II.C.l.b)2) des vierten Hauptteils.
46
Erster Hauptteil
Aufgrund der unterschiedlichen Lageberichtsqualitat der Untemehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten^^o wurden weitergehende Vorschriften zur Lageberichterstattung erlassen. Danach ist der Geschaftsverlauf, das Geschaftsergebnis und die Lage der Gesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild entsteht. Weiterhin sind die wesentlichen Risiken und Ungewissheiten zu beschreiben (Art. 46 Abs. la). Aufierdem hat der Lagebericht eine dem Umfang und der Komplexitat angemessene ausgewogene und umfassende Analyse des Geschaftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft zu enthalten. Es sollen nicht nur die finanziellen Merkmale beriicksichtigt werden, sondem auch z.B. Umwelt- und soziale Aspekte, die zur Beurteilung des Untemehmens relevant sind (Art. 46).
2)
Kritische Wiirdigung
Es ist fraglich, ob die dargestellten Anderungen die Ziele der Richtlinieniiberarbeitung erfiillen: Durch die Hervorhebung des Grundsatzes der Substance over Form und im Hinblick auf die Fair Value-Bewertung wird der EUJahresabschluss an die lAS/IFRS angenahert. Es werden allerdings zwei Riickstellungsbegriffe erlaubt, die sowohl den lAS/IFRS- als auch den EUrechtlichen Begriff zulassen. Somit sind die nach den internationalen Standards grundsatzlich verbotenen Aufwandsriickstellungen weiterhin moglich. Der Katalog der Mitgliedstaatenwahlrechte wird durch diesen Vorschlag der EU-Kommission erheblich erweitert; dies ist im Hinblick auf das urspriingliche Ziel der Vergleichbarkeit der Rechnungslegung der Unternehmen in den Mitgliedstaaten nicht zielfxihrend. Allerdings gewahren diese im Rahmen der Umsetzung der Richtlinien durch Weitergabe der Wahlrechte den Unternehmen die Moglichkeit, einerseits eine Annaherung der Bilanzierung an die lAS/IFRS zu erreichen, andererseits aber auch die bisherige Rechnungslegung beizubehalten.181
Vgl. Bdcking/HeroldA^iederhold 2003, S. 403 f. Vgl. Ernst 2003a, S. 1487. Zu der kiinftigen Entwickung vgl. Abschn. ILD.4. des vierten Hauptteils
Aktuelle Entwicklungen in der Rechnimgslegung
d)
47
Weitere wichtige Reformen
Am 13.05.2003 ist die sog. Schwellenwertrichtlinie im Europaischen Amtsblatt veroffentlicht worden.^^^ Sjg sieht eine Anpassung der Grofienklassen fiir gro6e, mittlere und kleine Kapitalgesellschaften vor.^^^ Die Transparenz-Richtlinie^^ vom 15.12.2004 legt die Berichterstattungspflichten kapitalmarktorientierter Unternehmen fest. Kiinftig wird zwischen Jahresund Halbjahresfinanzberichten sowie Zwischenberichten der Geschaftsfiihrung unterschieden. Jeder Emittent^^^ muss spatestens zwei Monate nach Ablauf der ersten sechs Monate des Geschaftsjahres einen Halbjahresfinanzbericht, bestehend aus einem verkiirzten Abschluss (bei Konzemen nach IAS 34) und einem Zwischen-Lagebericht, veroffentlichen. Eine Priifung wird nicht gefordert. Eine Quartalsberichterstattung ist nicht erforderlich, allerdings haben Aktienemittenten zusatzlich zu den Halbjahresberichten verbale Zwischenberichte der Geschaftsfiihrung zu erstellen.^^^ Weiterhin hat die EU-Kommission am 28.10.2004 einen Richtlinienvorschlag zur Anderung der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie angenommen.^^^ ES werden vor allem Verbesserungen in der Finanzberichterstattung angestrebt. Im Einzelnen betrifft die Richtlinie die Themengebiete der koUektiven Verantwortlichkeit von Organmitgliedem fiir die Finanzberichterstattung, die grofiere Transparenz hinsichtlich Transaktionen mit nahe stehenden Personen, verbesserte Offenlegung von nicht bilanzierten Geschaften sowie die Aufnahme einer Corporate Govemance-Erklarung im Lagebericht.^**
Vgl. Richtlinie 2003/38/EG. Vgl. zu weiteren Erlauterungen Abschn. II.B.2.b) dieses Hauptteils. Vgl. Richtlinie 2004/109/EG. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Unternehmen, deren Wertpapiere an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat gehandelt werden (Art. 1 der Transparei\zrichtlinie). Vgl. Buchlmm/Ulhrich 2004, S. 280. Vgl. Vorschlag fur eine Richtlinie KOM (2004) 725 endg. S. 1-14. Vgl. Lanfermann 2004, S. 2-8; Pooten 2005, S. 58-62.
Auswirkimgen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
11.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
A.
Phasen der Internationalisierung in Deutschland
49
Die erste Phase (vor 1985) der Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland ist durch die Eigeninitiative weniger vor allem international tatiger Konzemunternehmen gekennzeichnet, die freiwillig angelsachsische Berichtspraktiken xibernahmen, z.B. die Erweiterung von Anhangangaben oder die Aufnahme einer Zwischenberichterstattung.^89 j ^ den Jahren 1985 bzw. 1989 wurden die Vierte und Siebente EG-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Ab 1993 begannen grofie deutsche Konzerne, z.B. die Daimler-Benz AG, ihre Rechnungslegung an internationalen Standards, vor allem US-GAAP, auszurichten, da ein US-GAAP-Abschluss erforderlich fiir die angestrebte Borsennotierung an der NYSE ist. Anfang 1997 richtete die Deutsche Borse AG das Borsensegment Neuer Markt ein. Die dort gelisteten Untemehmen hatten Abschliisse nach IAS oder US-GAAP einzureichen. Der Neue Markt wurde 2002 aufgrund von zahlreichen Unternehmensskandalen und -insolvenzen geschlossen.^90 ii^i Rahmen einer Neuordnung der Borsensegmente konnen Emittenten nun zwischen den beiden Bereichen General Standard und Prime Standard wahlen.^^^ Der General Standard stellt die Mindestanforderungen des Amtlichen oder Geregelten Marktes und ist geeignet fiir Unternehmen, die nationale Investoren ansprechen und an einem kostengiinstigen Listing interessiert sind. Im Prime Standard miissen Emittenten Internationale Transparenzanforderungen erfiillen. Er ist vorteilhaft fiir die Untemehmen, die sich gegeniiber internationalen Investoren positionieren woUen. Es wird eine Rechnungslegung nach internationalen Standards (lAS/IFRS oder US-GAAP) gefordert. Die Zulassung zum Prime Standard ist Voraussetzung fiir die Aufnahme in die Indices DAX, MDAX, TecDAX, SDAX.
189
Vgl. Hutten/Lorson 2000, S. 525; Hahn 2001, S. 1267-1272.
190
Vgl. Schnell 2002, S. 26.
191
Vgl. DeutscJie Borse AG 2004.
50
Erster Hauptteil
Anfang 1998 wurde das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG)^92 verabschiedet, das im Rahmen der „Offnungsklauser' des § 292a HGB borsennotierten Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen gestattete, ihren Konzemabschluss nicht nach HGB sondem nach intemationalen Normen zu erstellen (befreiender Konzemabschluss). Wenig spater folgte das Gesetz zur KontroUe und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG),^93 j ^ s weitere Intemationalisierungstendenzen beinhaltete: Zu nennen sind unter anderem die Schaffung einer rechtlichen Grundlage fiir die Einrichtung eines privaten Standardsetters in § 342 HGB (das DRSC) sowie die Erweiterung der Jahresabschlussbestandteile borsennotierter Konzerne um eine Kapitalflussrechnung und eine Segmentberichterstattung.^^^ Weiterhin gehen Intemationalisierungstendenzen von den Standards des DRSC sowie den Stellungnahmen des IDW aus, die sich verstarkt an den lAS/IFRS und US-GAAP orientieren. Nachdem das DRSC im Jahr 2000 Vorschlage zur Reform der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie unterbreitete,!^^ leitete es dem Bundesjustizministerium am 06.07.2001 einen Gesetzesentwurf „Zur Internationalisierung der Rechnungslegung''^^ zu. Dieser sieht eine teilweise Anpassung der HGB-Konzemrechnungslegungsvorschriften an die IAS vor.197
Der Arbeitskreis „Externe Untemehmensrechnung" der SchmalenbachGesellschaft stellte im Januar 2001 sieben Thesen zur Zukunft der Rechnungs-
Vgl. KapAEG 1998. Vgl. KonTraG 1998. Vgl. Kirsch 2002a, S. 746. Durch das im Marz 2000 verabschiedete Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG) wurde der Anwendungsbereich des § 292a HGB in der Form erweitert, dass jetzt nicht mehr nur Mutterunternehmen borsennotiert sein miissen, sondern die Offnungsklausel auch greift, wenn ein Tochterunternehmen borsennotiert ist. Vgl. Stuckert 1999, S. 819. Danach soUen beide Richtlinien nur Rahmenvorschriften bilden und eine detaillierte Ausgestaltung den Rechnungslegungsstandards iiberlassen. Vgl. DRSC 2000a und b. Dementsprechend nimmt das DRSC eine Kiirzung der Richtlinie vor. Vgl. DRSC 2001a. Vgl. auch /DW 2001b, S. 637-642; Theile 2001, S. 892-898. Vgl. Hojfmann/Ludenbach 2002, S. 871.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
51
legung vor.^98 Danach soUte der Mindestumfang der Rechnungslegung abhangig von der Inanspruchnahme eines Kapitalmarktes sein. Weiterhin wurde vorgeschlagen, nationale Bewertungs- und Bilanzierungswahlrechte abzuschaffen, damit vergleichbare Daten entstehen. Die IAS soUten sich zum globalen Standard der Konzernrechnungslegung entwickeln. These 7 ist eine der strittigsten dieses Programms: Sie besagt, dass auch fiir den Jahresabschluss grundsatzlich die IAS gelten sollen. Der Arbeitskreis stellte diese These als grofite Herausforderung dar. Die Kemfunktion des Jahresabschlusses lage in der Informationsfunktion, welche nur durch die zusatzlichen Funktionen wie z.B. Steuerbemessung behindert wiirde. „Der Vorteil des auch nach IAS gestalteten Einzelabschlusses liegt insbesondere in der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit und der Parallelitat zum Konzernabschluss/'^^ Kleine und mittlere Unternehmen miissten allerdings die lAS/IFRS-Rechnungslegung nicht anwenden und konnten befreiend lediglich die Steuerbilanz erstellen.200 Mittlerweile konkretisierte der Arbeitskreis seine Forderung dahingehend, dass lediglich kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie solche mit wirtschaftlicher Bedeutung einen Jahresabschluss nach lAS/IFRS zu erstellen haben. Fiir die anderen Unternehmen soUte keine verpflichtende lAS/IFRS-Regelung vorgesehen werden. Zur Steuer- und Ausschiittungsbemessung sieht der Arbeitskreis eine Einheitsbilanz vor.201 Das IDW lasst seine positive Haltung zu den internationalen Standards erkennen. Danach soUten langfristig alle unter die Vierte und Siebente EG-Richtlinie fallenden Unternehmen dazu verpflichtet werden, auch ihre Jahresabschliisse nach IAS aufzustellen.202 Allerdings miissten zunachst die Probleme aus der Vgl. Arbeitskreis Exteme Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellsclmft 2001, S. 161. Arbeitskreis Exteme Rechnungslegung der Schmalenbach-Gesellsclmft 2001, S. 161. Weitere Thesen beschaftigen sich mit dem Enforcement der IAS, der Verpflichtung zur unterjahrigen Berichterstattung fiir kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie der Berichterstattungspflicht iiber das Internet. Vgl. auch Moxter 2001a, S. 605-607; Watrin 2001, S. 933-938. Vgl. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellsclmft 2003a, S. 1587. Vgl./DIV2001c,S.229.
52
Erster Hauptteil
Verbindung mit Gesellschafts- und Steuerrecht gelost werden. Das IDW stellte schon kurz nach dem Vorschlag der EU-Verordnung einen Katalog zur Reformierung des HGB auf .20^ Im Juli 2002 wurde das „Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizitat" (TransPuG)204 verabschiedet. Es basiert sowohl auf Reformvorschlagen der Regierungskommission „ Corporate Governance" als auch auf dem Entwurf eines Gesetzes „Zur Internationalisierung der Rechnungslegung" des DRSC.^os Dabei wurden einige Regelungen der Konzemrechnungslegung an Internationale Vorschriften angepasst.^o^ Wichtig fiir die weitere Diskussion sind die §§ 297 Abs. 1 und 308 Abs. 3 HGB. Das TransPuG fiihrte zu einer Streichung der Option, steuerliche Wertansatze im handelsrechtlichen Jahresabschluss in den Konzernabschluss zu libernehmen. Die umgekehrte Mafigeblichkeit auf Konzernebene ist somit entfallen. Damit wird die Eigenstandigkeit des Konzernabschlusses als Informationsinstrument betont; er soUe sich an intemationalen Regelungen orientieren und unabhangig von den Bewertungsregelungen des Jahresabschlusses bestehen.207 Am 28.02.2002 erstellte die Bundesregierung ein Programm zur Starkung des Anlegerschutzes und der Unternehmensintegritat (10-Punkte-Programm). Dieses wurde im Mafinahmenkatalog vom 25.02.2003 konkretisiert und veroffentlicht.208 Dessen Zielsetzung ist „der Schutz der Anleger vor Manipulationen der Markte und falschen Informationen iiber die Kapitalmarktprodukte"209 Aug denri Mafinahmenkatalog resultierten eine Fiille von Gesetzen bzw.
203
Vgl. IDW 2001a, S. 225-227.
204
TransPuG 2002, S. 2681-2687.
205
Vgl. Schurbohm/Streckenhach 2002, S. 845.
206
Vgl. Busse von Colbe 2002b, S. 1584; Hucke/Ammann 2002, S. 694.
207
Der Ansatz latenter Steuern gewinnt an Bedeutung, da zahlreiche Unterschiede zwischen Konzemrechnungslegung und steuerlicher Gewinnermittlung auftreten.
208
Vgl. Pressemitteilung: BMJ/BMF 2003; Mafinahmenkatalog: Bundesregierung 2003. Vgl. Ernst 2003a, S. 1487-1489; /DW 2003b, S. 127; Seibert 2003, S. 693-698.
209
Vgl. BMJ/BMF 2003, S. 1.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
53
Gesetzesentwiirfen. Das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG)2io sowie das Bilanzkontrollgesetz (BilKoG)2ii bilden die fiir diese Arbeit wichtigsten Grundlagen.212 Seit einiger Zeit ist ein Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz angekiindigt, das konkrete Regelungen zur Reform des HGB beinhalten soil. In letzter Zeit wurde der Mittelstand verstarkt in die Diskussion einbezogen,2i3 derm diese bilden den grofiten und wichtigsten Teil der deutschen Untemehmenslandschaft.214 Das lASB erliefi einen Entwurf zu vereinfachten Rechnungslegungsstandards2i5 fiir KMU. Es ist zu diskutieren, ob die lAS/IFRS-Anwendung mittelstandischer Unternehmen aufgrund von KostenNutzen-Uberlegungen vorteilhaft ist.2i6 Die folgende Tabelle stellt die Umsetzung der fiir diese Arbeit entscheidenden Richtlinien in deutsches Recht dar, auf die in den nachsten Kapiteln detaillierter eingegangen wird.
Vgl. BilReG 2004. Vgl. BilKoG 2004. Weiterhin wurden am 17.11.2004 das Gesetz zur Unternehmensintegritat und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) herausgegeben, die am 08.07.2005 vom Bundesrat genehmigt wurden. Das Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInhaG) liegt im Entwurf vor. Das Gesetz zur Fortentwicklung der Berufsaufsicht iiber Abschlusspriifer in der Wirtschaftspriiferordnung (APAG) wurde am 27.12.2004 verabschiedet. Weiterhin ist das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) am 29.10.2004 im Bundesgesetzblatt verkundet worden. Vgl. hierzu Pfitzer/Oser/Orth 2005, S. 2. Vgl. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellscliaft 2004a. Vgl. Abschn. III.A. dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. I.B. und C. des vierten Hauptteils. Vgl. Abschn. I.B. des vierten Hauptteils.
Erster Hauptteil
54
EU-Vorgabe
Umsetzung der Bundesregierung
Vierte und Siebente EG-Richtlinie
Bilanzrichtliniengesetz
EU-Verordnung
Bilanzrechtsreformgesetz
Fair Value-Richtlinie
zum Teil im Bilanzrechtsreformgesetz; Bewertungsnormen geplant im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
Modemisierungsrichtlinie
zum Teil im Bilanzrechtsreformgesetz; restliche Normen geplant im Bilanzrechtsmodemisierungsgesetz
Schwellenwertrichtlinie
Bilanzrechtsreformgesetz
Transparenzrichtlinie
Umsetzung steht zum 01.08.2005 noch aus
1
Tabelle 2: Umsetzung relevanter EU-Vorgaben in Deutschland
B.
Die Umsetzung der europaischen Vorgaben durch den Mafinahmenkatalog der Bundesregierung und das Bilanzrechtsreformgesetz
1.
Das 10-Punkte-Programm der Bundesregierung
Mit dem Mafinahmenkatalog vom 25.02.2003 gaben Bundesfinanz- und -justizministerium erste Hinweise zur Umsetzung oben genannter Richtlinien und zur kiinftigen Ausgestaltung des deutschen Bilanzrechts.2i7 Danach soilten zunachst die Regelungen der EU-Verordnung in deutsches Recht iibernommen werden. Dies ist mit dem Bilanzrechtsreformgesetz geschehen.^^^ Dariiber hinaus wird mittelfristig die Erstellung von Konzernabschliissen nach lAS/IFRS auch fiir nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen gefordert.^i^ Vgl. Bundesregierung 2003. Zu weiteren Regelungsbereichen vgl. auch Pfitzer/Oser/ Orf/i 2005,5.39-41. Vgl. Abschn. II.B.2. dieses Hauptteils. Vgl. Bundesregierung 2003, S. 7.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
55
Der HGB-Jahresabschluss muss zur Ausschiittungs- und Steuerbemessung erhalten bleiben; jedes Untemehmen kann jedoch freiwillig zu Informationszwecken einen lAS/IFRS-Abschluss erstellen, der anstelle des HGBAbschlusses gemafi § 325 HGB zu veroffentlichen ist. Weiterhin wird zu einer Fortentwicklung der Bilanzvorschriften des HGB Stellung genommen. Vorgesehen ist eine „Durchforstung und Entriimpelung" durch Abschaffung zahlreicher nicht mehr zeitgemafier Wahlrechte. Zusatzlich sollte eine Priifung weiterer Moglichkeiten zu Ansatz und Bewertung von Vermogensgegenstanden und Riickstellungen erfolgen. Bei der Reformierung des HGB sind jedoch die Auswirkungen auf die steuerliche Gewinnermittlung zu beriicksichtigen. Aufierdem wird eine Einfiihrung der Fair ValueBewertung im Konzemabschluss vorgeschlagen, soweit hierfiir liquide Markte bestehen.
2.
Bilanzrechtsreformgesetz
a)
Umsetzung der EU-Verordnung
Am 09.12.2004 wurde das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) im Bundesgesetzblatt veroffentlicht22o Zum einen erfolgten Anpassungen der nationalen Rechnungslegungsgrundsatze, zum anderen wurden Vorschriften zur Starkung der Unabhangigkeit des Abschlusspriifers erlassen, die hier nicht weiter betrachtet werden. Zielsetzung im Bereich der Rechnungslegung war die Anpassung des nationalen Bilanzrechts an vier EU-Vorgaben,22i indem eine Umsetzung der Pflichtbestandteile der EU-Verordnung, der Modemisierungsrichtlinie und der Fair Value-Richtlinie sowie die voUstandige Transformation der Schwellenwertrichtlinie erfolgte.222
220
Vgl. BilReG 2004.
221
Vgl. Begriindung RegE BilReG 2004, S. 21.
222
Eine tabellarische Ubersicht der Anderungen befindet sich bei Meyer 2005a, S. 41-44.
56
Erster Hauptteil
Mit § 315a HGB wurde ein neuer Rechtsrahmen fiir die Konzemrechnungslegung nach internationalen Vorschriften gelegt.223 Bisher konnten kapitalmarktorientierte Mutteruntemehmen im Rahmen des auf den 31.12.2004 befristeten § 292a HGB einen befreienden Konzemabschluss nach internationalen Standards erstellen. Diese Offnungsklausel wird mit dem BilReG gestrichen, sie gilt lediglich im Rahmen der Ubergangsvorschriften fiir bestimmte Untemehmen bis zum 01.01.2007 weiter.224 Ab dem 01.01.2005 haben kapitalmarktorientierte Mutteruntemehmen gemali der EU-Verordnung pflichtgemafi einen lAS/IFRS-Abschluss zu erstellen (§ 315a Abs. 1 HGB). Da die lAS/IFRS bestimmte Sachverhalte nicht regeln, fordert § 315a Abs. 1 HGB, dass weiterhin einige handelsrechtliche Vorschriften zur Anwendung kommen.225 Dies sind: § 294 Abs. 3 HGB (Mitwirkungspflichten der Tochtergesellschaften bei Aufstellung des Konzernabschlusses), § 298 i.V.m. §§ 244, 245 HGB (Aufstellung des Abschlusses in deutscher Sprache und in Euro), § 313 Abs. 2-4 HGB (Anhangangaben zum Anteilsbesitz), § 314 Abs. 1 Nr. 4, 6, 8 HGB (Angaben zu Beschaftigtenzahlen, Personalaufwand, Beziigen zu Organmitgliedern, Hinweis auf die EntsprechenserklaEs wurde ein „Zehnter Titel: Konzemabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards" in das Dritte Buch, Zweiter Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts des HGB aufgenommen. Vgl. Art. 58 Abs. 3 Satz 4 HGB. Gemafi Art. 57 EGHGB wird die Obergangsvorschrift der EU-Verordnung ubemonunen. Denmach miissen Gesellschaften, die lediglich Schuldtitel emittieren oder die zum Zwecke der Borsennotierung in einem Drittstaat intemationale Rechnungslegungsstandards angewendet haben, die lAS/IFRS erst ab dem 01.01.2007 anwenden. Fiir die Ubergangszeit bleibt § 292a HGB giiltig (Art. 58 Abs. 5 Satz 2 EGHGB). Vgl. Hiittemann 2004, S. 205. Das BilReG sieht vor, dass Mutteruntemehmen, die nicht kapitalmarktorientiert sind und daher nicht unter Abs. 1 fallen, einen internationalen Abschluss (zum 01.01.2007) aufzustellen haben, wenn die Zulassung eines Wertpapiers i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG zum Handel an einem organisierten Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG im Inland beantragt worden ist (§ 315a Abs. 2 HGB i.V.m. Art. 58 Abs. 3 Satz 2 EGHGB). Dies soil dem vorbeugenden Schutz der Investoren bei Erst-Emission dienen. Unter orgarusierter Markt wird der amtliche und geregelte Markt verstanden. Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft 2004, S. 546. Legitimiert wird dies durch eine gemeinsame Erklarung des Rates und der Kommission der Europaischen Union. Vgl. Begriindung RegE zum BilReG 2004, S. 34.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
57
rung), § 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB (neu durch BilReG: Angaben zur Vergiitung des Abschlusspriifers). Aufierdem behalten die Vorschriften zum Konzernlagebericht sowie zur Priifung und Offenlegung weiterhin Giiltigkeit. Der § 315a Abs. 3 HGB eroffnet alien weiteren Mutterunternehmen ein Wahlrecht zur Anwendung der internationalen Standards. Weiterhin klart § 315a Abs. 1 HGB, dass nur die von der EU-Konmiission ubernommenen226 lAS/IFRS anzuwenden sind.227 Regelungen beziiglich des Einzelabschlusses wurden im § 325 Abs. 2a und 2b HGB getroffen: Der deutsche Gesetzgeber machte von dem Mitgliedstaatenwahlrecht der EU-Verordnung keinen direkten Gebrauch, sondern regelte die Anwendung der lAS/IFRS iiber die Offenlegungsvorschriften. Grofie Kapitalgesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 3 HGB diirfen demnach beim Bundesanzeiger statt eines HGB-Jahresabschlusses einen lAS/IFRS-Einzelabschluss einreichen,228 allerdings besteht weiterhin eine Aufstellungspflicht fiir den HGBAbschluss, da die Ausschiittungs- und Steuerbemessung auf Basis der lAS/IFRS als nicht zweckmafiig erachtet wird.229 Die Offenlegungserleichterungen des § 325 HGB gelten nur fiir grofie Kapitalgesellschaften. Allerdings ist es alien Unternehmen gestattet, freiwillig und zusatzlich zum HGBAbschluss einen lAS/IFRS-Abschluss zu erstellen.^^o
Vgl. Abschn. LD.2.b) dieses Hauptteils. Vgl. auch Pfitzer/Oser/Orth 2004, S. 2598. Steht das offentliche Interesse gemafi § 286 Abs. 1 HGB der Berichterstattung entgegen, so hat eine Offenlegung des lAS/IFRS-Einzelabschlusses zu unterbleiben. Vgl. zu weiteren Ausfiihrungen Abschn. III.C.2. des zweiten Hauptteils sowie Abschn. III.A.l. des dritten Hauptteils. Vgl. ferner Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissensdtaft 2002, S. 2373 f.; Busse von Colbe 2002c, S. 170; Freidank/Pottgiefier 2003, S. 889; Hoffmann/Ludenbach 2004, S. 146 f.; Kahle 2003, S. 269; Kirsch 2002a, S. 753. Vgl. Begriindung RegE zum BilReG 2004, S. 23; Wendlandt/Knorr 2004, S. 46; dieselben 2005, S. 55.
58
Erster Hauptteil
Der Terminus ,Jahresabschluss" gilt fiir den deutschen HGB-Abschluss, wahrend sich „Einzelabschluss" nun auf den nach internationalen Vorschriften aufgestellten Abschluss bezieht.^^^ Die befreiende Wirkung der Offenlegung tritt erst ein, wenn zusatzliche Voraussetzungen erftillt werden (§ 325 Abs. 2a und 2b HGB): Die lAS/IFRS sind voUstandig zu befolgen, es hat eine Offenlegung des Bestatigungsvermerks des Abschlusspriifers zum internationalen Abschluss zu erfolgen, im Bundesanzeiger ist der Vorschlag fiir die Verwendung des Ergebnisses und der Gewinnverwendungsbeschluss unter Angabe des Jahresxiberschusses/Jahresfehlbetrages anzugeben, da diesen Angaben „im Hinblick auf die ggf. zu erwartende Ausschiittung erhebliche Bedeutung fiir die Einschatzung der Situation des Untemehmens"232 zukommt. Aufierdem sind der HGB-Abschluss und der Bestatigungsvermerk im Handelsregister einzureichen. Weiterhin miissen wie beim Konzernabschluss einige HGB-Vorschriften neben den lAS/IFRS beachtet werden: §§ 243 Abs. 2, 244, 245, 257 HGB gelten unabhangig von den Rechnungslegungsvorschriften, aufierdem sind Angaben zur Zahl der Arbeitnehmer, zum Personalaufwand, zu Geschaftsfiihrung und Aufsichtsrat, zur Entsprechenserklarung sowie zum Anteilsbesitz (§ 285 Satz 1 Nr. 7, 8b, 9-lla, 14-16 HGB, 286 Abs. 1 und 3, § 287 HGB) und zur Vergiitung des Abschlusspriifers (eingefiigt durch das BilReG: § 285 Nr. 17 HGB) zu machen. Der Internationale Einzelabschluss ist priifungspflichtig (§ 324a HGB).2^"^ Er hat keine gesellschaftsrechtliche Bedeutung und muss nicht festgestellt, sondem nur vom Aufsichtsrat gebilligt werden (§ 324a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 316 Abs.2Satz2HGB).234
Vgl. Begriindung RegE zum BilReG 2004, S. 45. In der vorliegenden Arbeit wird diese Terminologie beibehalten. Begnindung RegE zum BilReG 2004, S. 47. Dabei gilt der ftir die Jahresabschlusspnifung bestellte Priifer auch ftir den internationalen Einzelabschluss als bestellt. Der Vorstand darf den Jahresabschluss erst nach Billigung durch den Aufsichtsrat offenlegen (§ 171 Abs. 4 AktG). Bei der GmbH entscheidet die Gesellschafterversammlung gemafi § 46 Nr. la GmbHG iiber die Offenlegung des Einzelabschlusses (Fortsetzung der Fuflnote auf der nachsten Seite)
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
59
Die folgende Abbildung verdeutlicht die Aufstellungsmoglichkeiten fiir Jahresabschluss und Konzemabschluss nach dem BilReG: 1
Abschluss
Unternehmen
(beantragte) Kapitalmarktorientierung
keine Kapitalmarktorientierung
Konzemabschluss
Jahresabschluss/Einzelabschluss
Kategorie I:
Kategorie III:
Grofie KapG: Offenlegung eines freiwilVerpflichtender Iligen lAS/IFRS-Einzelabschlusses fiir AS/IFRSInformationszwecke anstatt eines HGBKonzernabschluss Jahresabschlusses beim Bundesanzeiger (Art. 4 EU-Verordnung; (§ 325 Abs. 2a HGB) § 315a Abs. 1 HGB) Mittelgrofie und kleine KapG: FreiwilUbergangsregelung fiir liger IAS/IFRS-Abschluss fiir Informabestimmte Gesellschaf- tionszwecke mdglich ten (§ 315a Abs. 2 HGB) HGB-Jahresabschluss bleibt weiterhin verpflichtend Kategorie II;
Kategorie IV:
FreiwiUigerlAS/IFRS Konzemabschluss (§ 315a Abs. 3 HGB)
Freiwilliger lAS/IFRS-Einzelabschluss fiir Informationszwecke fiir alle Gesellschaften (§ 325 Abs. 2a HGB) HGB-Jahresabschluss bleibt weiterhin verpflichtend
Tabelle 3: Handelsrechtliche Rechnungslegung nach dem BilReG^^^^
nach IAS/IFRS und iiber die Billigung des von den Geschaftsfiihrern aufgestellten Jahresabschlusses. Herzig/Bcir 2003, S. 2; Melius 2001a, S. 741.
60
b)
Erster Hauptteil
Partielle Transformation der Richtlinien
Die Transformation der Modernisierungsrichtlinie erfolgte lediglich hinsichtlich der Pflichtregelungen. Die noch ausstehenden Bilanzierungs- und Bewertungsanderungen236 sollen im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz aufgenommen werden. Im Lagebericht sind Geschaftsverlauf, Geschaftsergebnis und Lage der Gesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild vermittelt wird (§ 289 Abs. 1 Satz 1 HGB). Weiterhin wird eine dem Umfang und der Komplexitat des Geschaftsverlaufs entsprechende Analyse des Geschaftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft vorgeschrieben. Diese hat die bedeutsamsten finanziellen Leistungsindikatoren zu enthalten,^^'^^ die unter Bezugnahme auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Betrage und Angaben zu erlautern sind. Aulierdem ist die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erlautern (§ 289 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB). Groiie Kapitalgesellschaften haben im Lagebericht auch nicht finanzielle Leistungsfaktoren darzustellen (§ 289 Abs. 3 HGB). Im Gesetz werden Umwelt- und Arbeitnehmerbelange sowie das Verstandnis des Geschaftsverlaufs genannt, es sind aber nach der Gesetzesbegriindung auch andere Schwerpunkte moglich, z.B. die Darstellung der Entwicklung des Kundenstamms und der FuE-Kosten.^^^ Das BilReG geht iiber die Vorgaben der Modernisierungsrichtlinie hinaus, z.B. sind auch Chancen zu beriicksichtigen, die Modernisierungsrichtlinie spricht nur von Risiken und Ungewissheiten.239 Die Fair Value-Richtlinie hatte bis zum 01.01.2004 in deutsches Recht umgesetzt werden miissen (Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie). Mit dem BilReG transformierte der Gesetzgeber jedoch nur die obligatorischen Regelungen beziiglich der Berichterstattung im Lagebericht und Anhang.24o Die Umsetzung der weiSiehe hierzu Abschn. II.C.2. des vierten Hauptteils. Dies sind z.B. Ergebnisentwicklung, Liquiditat, Kapitalausstattung. Vgl. Begriindung RegE zum BilReG 2004, S. 30 f. Vgl. Begrundung RegE zum BilReG 2004, S. 31. Vgl. zu Einzelheiten: Arheitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer 2004, S. 547; Kaiser 2005, S. 405-418; Steiner/Gross 2004, S. 552. Vgl. Xnorr 2004,5.91.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
61
teren Wahlrechte bleibt dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vorbehalten. Diese fehlende Beriicksichtigung der Fair Value-Bewertung wird damit begriindet, dass der § 292a HGB diesem Erfordernis bereits Rechnung tragt. Diese Vorschrift erlaubt es Unternehmen, die den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen, den Konzernabschluss nach den lAS/IFRS zu erstellen. Damit sei die Moglichkeit gegeben, IAS 39 anzuwenden, der - laut BMJ - die Anforderungen der Fair Value-Richtlinie abdecke.24i Der § 315a Abs. 3 HGB fiihrt dieses Wahlrecht weiter. Die EU-Kommission hat Deutschland jedoch Ende Dezember 2004 ermahnt, die Richtlinie umzusetzen.242 Gemafi § 289 Abs. 2 Satz 2 HGB ist im Lagebericht auf die Risikomanagementziele und -methoden, AbsicherungsmaEnahmen und Preisanderungs-, Ausfall-, Liquiditatsrisiken sowie Risiken aus Zahlungsstromschwankungen in Bezug auf Finanzinstrumente einzugehen, sofern dies fiir die Beurteilung der Lage oder voraussichtlichen Entwicklung von Belang ist. Die Fair ValueRichtlinie sieht aufierdem eine Erweiterung des Anhangs um Angaben zu Finanzinstrumenten vor, die mit § 285 Nr. 18 und 19 HGB in deutsches Recht transformiert wurden.243 Danach sind fiir jede Kategorie derivativer Finanzinstrumente244 Art und Umfang, beizulegender Zeitwert sowie bei Finanzinstrumenten, die iiber dem beizulegenden Zeitwert bewertet wurden, Buchwert und Griinde fiir das Unterbleiben einer aufierplanmafiigen Abschreibung anzugeben. AuEerdem wird in § 285 Satz 3 HGB ein kurzer Uberblick iiber die Bestimmung des Marktwertes gegeben. Der § 297 Abs. 1 HGB schreibt im Rahmen der Umsetzung des Art. 2 Abs. 1 der Modernisierungsrichtlinie als Bestandteil fiir jeden HGB-Konzernabschluss eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel vor. Eine Segmentberichterstattung ist optional. Bisher gait diese Regelung (mit Pflicht
241
Vgl. Begrundung RegE zum BilReG 2004, S. 25.
242
Vgl. Huthmann/Hojele 2005, S. 181.
243
Kleine Kapitalgesellschaften brauchen § 285 Nr. 18 HGB nicht zu beachten (§ 288 HGB).
244
Gemafi § 285 Satz 2 HGB gehoren auch Warenterminkontrakte zu den derivativen Finanzinstrumenten.
62
Erster Hauptteil
zur Aufstellung einer Segmentberichterstattung) nur fiir kapitalmarktorientierte Konzeme. Im Rahmen der Umsetzung der Schwellenwertrichtlinie wurde eine Anpassung der Grofienklassen fiir kleine und mittlere Kapitalgesellschaften turnusgemafi nach fiinf Jahren aufgrund der inflationaren Entwicklung um ca. 17% erhoht. Die Bundesregierung nahm dabei die in der Richtlinie gewahrte Moglichkeit einer 10%igen Erhohung der Werte in § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB wahr. Gemafi Art. 12 Abs. 2 der Vierten EG-Richtlinie ist eine solche Uberschreitung nur bei Umrechnung in nationale Wahrungen erlaubt.245 Als Konsequenz fallen mehr Untemehmen in die Kategorien „klein" und „mittelgro6" und konnen somit Erleichterungen in Anspruch nehmen, z.B. keine Aufstellung des Lageberichts, keine Priifungspflicht, keine kostenpflichtige Veroffentlichung des Abschlusses im Bundesanzeiger sowie grofienabhangige Erleichterungen gemafi § 276 HGB.246 Die neuen Schwellenwerte gelten ab dem 01.01.2004 (Art. 58 Abs. 1 EGHGB).
c)
Kritische Wiirdigung
Die Einfiihrung eines Untemehmenswahlrechtes zur Anwendung der lAS/IFRS fiir alle Untemehmen aufier kapitalmarktorientierten Konzernen ist sachgerecht. Dies verhindert, dass den Gesellschaften im Vergleich zu auslandischen Konkurrenten Wettbewerbsnachteile entstehen.247 Eine Verpflichtung zur Anwendung der intemationalen Standards fiir alle Untemehmen ware nicht zielfiihrend gewesen, da viele vor allem kleinere Untemehmen lediglich geringe oder keine Nutzungsvorteile sondern unverhaltnismafiig hohen Aufwand in Kauf nehmen miissten.^^s Weiterhin wird sichergestellt, dass ein Laut Begriindung des Regierungsentwurfs solle hiermit eine Gleichbehandlung mit den Mitgliedstaaten erreicht werden, die den Euro noch nicht als nationale Wahrung eingefiihrt haben. Diese Wahrungsumrechnung ist jedoch mit Einfiihrung des Euro in Deutschland nicht mehr gegeben.Vgl. Begriindung RegE zum BilReG, S. 59; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtsxvissenschaft 2004, S. 546; Huttemann 2004, S. 207. Vgl. Pottgiefier 2004, S. 169. Vgl. Freidank/Pottgiejkr, S. 888. Vgl. Frddflwfc 2003,5.9.
Auswirkiingen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
63
HGB-Abschluss bestehen bleibt, der fiir die Ausschiittungs- und Steuerbemessung zur Zeit noch unverzichtbar ist,249 und dass im Bundesanzeiger auch die wichtigsten handelsrechtlichen Grofien veroffentlicht werden. Mit dem BilReC wurden lediglich die zwingenden Bestimmungen der Modernisierungsrichtlinie und der Fair Value-Richtlinie umgesetzt. Die Ausiibung der Mitgliedstaatenwahlrechte soil erst im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz erfolgen. Auf mogliche Ausgestaltungen wird im vierten Hauptteil eingegangen. Die Neufassung des § 289 HGB ist keine direkte Reaktion auf die Anpassung an Internationale Normen, da die lAS/IFRS das Medium Lagebericht nicht vorsehen.250 Die europaische Kommission strebt hierbei eine „TrendsetterRoUe" an.25i Der DRS 15 (Lageberichterstattung)252 sowie der DRS 5 (Risikoberichterstattung) konkretisieren den § 289 HGB. Durch das Zusammenspiel dieser Regelungen soil eine aussagekraftige Lageberichterstattung gewahrleistet und der Gehalt an entscheidungsrelevanten Informationen erhoht werden.253 Fraglich ist, ob diese anspruchsvoUen Anforderungen fiir Abschliisse kleinerer und mittlerer Gesellschaften zu hoch sind. Eine Erleichterung wird dahingehend gewahrt, dass eine Analyse des Geschaftsverlaufs nur dem Umfang und der Komplexitat entsprechend zu erfolgen hat.254 Im Rahmen der Transformation der Ansatzregelungen der Fair ValueRichtlinie ist zu klaren, wie der Gesetzgeber das Mitgliedstaatenwahlrecht zur
Vgl. zur weiteren Diskussion Abschn. III.C.2. des zweiten Hauptteils sowie Abschn. III.A.l. des dritten Hauptteils. IAS 1.8 empfiehlt die Veroffentlichung eines Berichtes des Managements iiber die Unternehmenslage. Gemafi IAS 1.9 konnen freiwillig erganzende Berichte z.B. zu Umweltangaben oder Wertschopfungsrechnungen gemacht werden. Vgl. Kirsch/Scheele 2004, S. 1-12. Das DRSC hat am 07.12.2004 den DRS 15 verabschiedet. Vgl. BegrReEgE BURG 2004, S. 62. Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer RechtswissenscJiaft 2004, S. 547; Hoffmann/Ludenbach 2004, S. 148.
64
Erster Hauptteil
Bilanzierung von Finanzinstrumenten zum beizulegenden Zeitwert umsetzt.^ss Die Richtlinie ermoglicht hierbei eine Begrenzung auf Konzerne. Die Pressemitteilung von BMJ und BMF vom 25.02.2003 sieht die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert fiir Finanzinstrumente im Konzernabschluss vor, soweit hierfiir liquide Markte bestehen. Beziiglich der Fair Value-Bewertung im Jahresabschluss muss erst der Konflikt zum Anschaffungskostenprinzip als Bewertungsobergrenze sowie die Handhabung von evtl. auftretenden unrealisierten Gewinnen (z.B. in einer Zeitwert-Riicklage) geklart werden. Hierbei sind die Folgen fiir Ausschiittungs- und Steuerbemessung zu bedenken. Kritisiert wird die Begrenzung der Anhangangaben auf Finanzinstrumente.256 Die Differenzierung der Begriffe in „Einzelabschluss" und ,Jahresabschluss" kann Verwirrungen hervorrufen. Es ist genau hervorzuheben, nach welchen Rechnungslegungsstandards der Abschluss erstellt wurde, da sich die Lage der Gesellschaft nach lAS/IFRS und HGB voneinander unterscheiden kann.257
3.
Exkurs: BilanzkontroUgesetz
Im Zusammenhang mit dem BilReG wurde das BilanzkontroUgesetz (BilKoG)258 verabschiedet, dessen Zielsetzung die Schaffung der Rechtsgrundlagen fiir ein Enforcement-System ist, das „Mafinahmen zur Durchsetzung von Rechnungslegungsvorschriften und damit zur Sicherstellung einer ordnungsgemafien Finanzberichterstattung"259 beinhaltet. Unregelmafiigkeiten bei der Erstellung von Unternehmensabschliissen soUen aufgedeckt werden; dies Den im BilReG transformierten Pflichtregelungen zum Anhang fehlt noch der Zusammenhang, da die grundsatzlich Erlaubnis zur Fair Value-Bewertung fehlt. Vgl. stellvertretend Hoffmann/Ludenhach 2004, S. 147. Vgl. Abschn. III.C.2. des zweiten Hauptteils. Vgl. BilKoG 2004; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der SchmalenhachGesellschaft 2004b, S. 329-332. Hiitten 2003, S. 124., Vgl. FEE 2002. In der Pressemitteilung des IDW zum BilKoG wird Enforcement definiert als „Uberwachung der Rechtmafiigkeit konkreter Unternehmensabschliisse durch eine aufierhalb des Unternehmens stehende, nicht mit dem gesetzlichen Abschlusspriifer (Wirtschaftspriifer) identische unabhangige Stelle''. 7DW 2003c.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
65
tragt zur Starkung des Anlegervertrauens in die Richtigkeit von Unternehmensinformationen und die Stabilitat des Kapitalmarktes bei.260 Ein wirksames Enforcement hat drei Funktionen zu erfiilleni^^i Zunachst sollte eine Abschreckungswirkung ausgeiibt werden, die die Verantwortlichen zu einer ordnungsgemafien Rechnungslegung anhalt (Praventivfunktion); aufierdem muss gewahrleistet werden, dass Unregelmal^igkeiten der Rechnungslegung zeitnah korrigiert werden (Korrektivfunktion). Im Rahmen der Beschwerdefunktion sollen Adressaten die Moglichkeit haben, einen begriindeten Verdacht auf Fehler in der Rechnungslegung untersuchen zu lassen.262 Die Regelungen des Bilanzkontrollgesetzes wurden als notwendig erachtet, da das deutsche Enforcement-System nach h.M. keine wirksame Aufdeckung, Korrektur und Sanktionierung von Fehlverhalten in der Rechnungslegung gewahrleistete.263 in der Literatur erfolgte eine kontroverse Diskussion iiber die Ausgestaltung einer Enforcement-Instanz,264 wobei vor allem der Aspekt der rechtlichen Verankerung umstritten war.265 Das BilKoG sieht ein zweistufiges Modell vor: In der ersten Stufe autorisiert der § 342b HGB das Bundesjustizministerium zur Anerkennung einer privatrechtlich organisierten Einrichtung.266 Der Tragerverein (Deutsche Priifstelle
Vgl.Zw7c/i 2005a, S.l. Vgl. Korn 2002, S. 1500; Tielmann 2001a, S. 1626. Vgl. Tielmann 2001a, S. 1626. Vgl. Hutten 2003, S. 125; Tielmann 2001a, S. 1625. Vgl. unter anderem Arbeitskreis Externe Rechnungslegung der Schmalenbach-Gesellsdtaft 2002a, S. 2173-2176; CESR 2003; Hutten/Lorson 2002, S. 122-128; Hommelhoff 2001, S. S39-S50; Kuting/Wohlgemuth 2001, S. 265-276. Es stellte sich die Frage, ob eine staatliche, der US-amerikanischen SEC oder eine private, dem britischen Financial Reporting Review Panel angelehnte Institution vorteilhafter ist. Vgl. Haller/Eierle/Evans 2001, S. 1673-1680; SchildbacJi/Strasser 2003, S. 17201724; Wustemann 2002, S. 718-725. Es wird ein Sechster Abschnitt in das Dritte Buch des HGB eingefiigt (§ 342b-e HGB).
66
Erster Hauptteil
fiir Rechnungslegung DPR e.V.)267 wurde am 14.05.2004 von 15 Mitgliedem aus Berufs- und Interessenvertretungen von Rechnungslegung und Rechnungslegungs-Nutzem268 in Berlin gegrundet.269 Zweck des Vereins ist die Tragerschaft einer weisungsunabhangigen Priifstelle nach §§ 342b-342e HGB sowie die fachliche Zusammenarbeit mit nationalen Enforcement-Einrichtungen im Ausland und entsprechenden intemationalen Organisationen.^^o Diese hat zu priifen, ob die zuletzt festgestellten Jahresabschliisse/Lageberichte bzw. Konzemabschlusse/-lageberichte von Untemehmen, deren Wertpapiere an einer inlandischen Borse im Amtlichen oder Geregelten Markt gehandelt werden, den gesetzlichen Vorschriften einschliefilich der Grundsatze ord-nungsmaliiger Buchfiihrung und der sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards27i entsprechen (§ 342b Abs. 2 Satz 1 und 2 HGB). Zwischenberichte unterliegen bisher nicht der Prufungspflicht.272 Die Priifung erfolgt sowohl reaktiv bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte (z.B. durch Anregungen Betroffener, Berichte in der Wirtschaftspresse, einge-
Intemational tritt die Priifstelle unter dem Namen Financial Reporting Enforcement Panel - FREP auf. Zur Organisation und zum Priifverfahren vgl. Ziilch 2005b, S. 565570. Bundesverband der Deutschen Industrie, Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken, Bundesverband deutscher Banken, Bundesverband Offentlicher Banken Deutschlands, Deutscher Gewerkschaftsbund, Deutsche Schutzvereinigung fiir Wertpapierbesitz, Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband, Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Deutscher Sparkassen- und Giroverband, Deutsches Aktieninstitut, DRSC, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Institut der Wirtschaftspriifer, Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Wirtschaftsprliferkamnier. Vgl. DPR 2005. Vgl. DPR Satzung 2004, S. 1. Zur Organisation vgl. Graumann 2005, S. 1379 f. Die DPR soil ihre Arbeit zum 01.07.2005 aufnehmen. Vgl. Ziilch 2005a, S. 7. Hierunter fallen die lAS/IFRS, die durch das Bilanzrechtsreformgesetz in die deutsche Rechnungslegung aufgenommen werden, sowie die US-GAAP im Rahmen der libergangsregeliuigen zu § 292a HGB. Vgl. Begrundung RefE zum BiKoG Artikel 1, zu § 342b Abs. 2 HGB. Vgl. Ziilch 2004, S. 4. AUerdings ist die Umsetzung der am 15.12.2004 verabschiedeten Transparenzrichtlinie in deutsches Recht abzuwarten.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
67
schrankter Bestatigungsvermerk)273 als auch proaktiv (stichprobenartig) oder auf Verlangen der Bundesanstalt fiir Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).274 Die Mitarbeiter des gepriiften Untemehmens sind gemaC § 342b Abs. 4 HGB verpflichtet, richtige und voUstandige Auskiinfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. Es findet keine VoUpriifung im Sinne einer Abschlusspriifung statt, sondem es werden nur konkrete Bereiche gepriift, bei denen Anhaltspunkte fiir Fehler bestehen.275 Die Priifstelle teilt den Untemehmen das Ergebnis der Priifung mit. Liegen keine Fehler vor, ist die Priifung beendet. Bei fehlerhafter Rechnungslegung hat die Priifstelle ihre Entscheidung zu begriinden und dem Unternehmen Gelegenheit zur Aufierung zu geben, ob es mit dem Ergebnis einverstanden ist.276 Die Priifstelle hat der BaFin zu berichten iiber die Absicht, eine Priifung einzuleiten, die Verweigerung der Mitwirkung durch das betroffene Unternehmen, das Ergebnis der Priifung sowie das Einverstandnis des Unternehmens mit dem Ergebnis (§ 342b Abs. 6 HGB).277 Akzeptiert die Gesellschaft die festgestellten Fehler, so hat sie diese (auf Anordnung der BaFin) im elektronischen Bundesanzeiger sowie gemafi den Anforderungen des § 15 Abs. 3 WpHG zu veroffentlichen (§ 37q Abs. 2 WpHG). Verweigert ein Unternehmen die Mitwirkung bei der Priifung, ist es mit dem Ergebnis nicht einverstanden oder bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Priifstelle, kann die BaFin auf der zweiten Stufe ein Die Priifung unterbleibt, wenn kein offentliches Interesse daran besteht (§ 342b Abs. 2 Satz4HGB). Das Enforcement findet nicht statt, wenn eine Nichtigkeitsklage (§ 256 Abs. 7 AktG) oder eine Sonderpriifung wegen unzulassiger Unterbewertung (§ 258 AktG) eingeleitet wurde (§ 342b Abs. 3 HGB). Vgl.Ernsf 2004,5.937. Der im Referentenentwurf geforderte Vorschlag der Priifstelle/BaFin zur Fehlerkorrektur und zur Neuaufstellung des bereits festgestellten Abschlusses wurde unter anderem aufgrund der Problematik der Auswirkungen auf Gewinnverwendungsbeschlxisse nicht ins Gesetz aufgenommen. Vgl. Mattlteus/Schxvab 2004, S. 1099-1106. Ein Rechtsbehelf des Unternehmens gegen diese Berichterstattung ist ausgeschlossen, da sichergestellt werden soil, dass eine Priifung auf der zweiten Stufe nicht blockiert werden kann.
68
Erster Hauptteil
Enforcement mit offentlich-rechtlichen Mitteln durchsetzen (§ 37p WpHG).278 Der § 37o Abs. 4 WpHG verpflichtet die Unternehmen zur Mitwirkung, soweit dies zur Priifung erforderlich ist.279 Die BaFin kann Mitwirkungs- und Auskunftsrechte hoheitlich durchsetzen. Fehler der Rechnungslegung stellt die Bundesanstalt durch Verwaltungsakt fest (§ 37q WpHG). Zur Bekanntmachung und Beseitigung der Fehler gelten dieselben Regelungen wie fiir die Priifstelle. Es ist die Moghchkeit einer Beschwerde des betroffenen Unternehmens gegen Verfiigungen der Bundesanstalt gegeben (§ 37t und u WpHG). Die Priifstelle wird durch Gebiihren sowie eine Umlage gemafi § 17d Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG)28o finanziert. Die Kosten einer bestimmten Priifung auf der zweiten Stufe sollen jeweils von dem betroffenen Unternehmen getragen werden (§ 17c FinDAG). Wer eine falsche Auskunft erteilt oder Unterlagen nicht richtig oder unvoUstandig vorlegt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die gemafi § 342e HGB mit einer Geldbufie bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann. Bei Missachtung der Weisungen der BaFin greift § 39 Abs. 3 Nr. 1 und 2 WpHG im Rahmen der Bufigeldvorschriften. Priifstelle und Bundesanstalt teilen Tatsachen, die den Verdacht auf Straftaten/Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Rechnungslegung begriinden, den zustandigen Behorden mit (z.B. Staatsanwaltschaften, Borsenaufsicht). Bei Vorliegen einer Berufspflichtverletzung des Wirtschaftspriifers erfolgt eine Meldung an die Wirtschaftspriiferkammer (WPK) (§ 342b Abs. 8 HGB/§37r WpHG). Eine Zusammenarbeit mit internationalen Einrichtungen wird angestrebt, um eine einheitliche Durchsetzung internationaler Rechnungslegungsvorschriften grenziiberschreitend gewahrleisten zu konnen (§ 37s WpHG). Es
Vgl. Ernst 2004, S. 937. Es ist keine Verweigerung wie in der ersten Stufe moglich. Die Kosten, die nicht durch Gebiihren gedeckt werden, sind auf alle Unternehmen, deren Wertpapiere i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 des WpHG an einer inlandischen Borse zum Handel am Amtlichen oder Geregelten Markt zugelassen sind, anhand eines Verteilungsschliissels unter Zugrundelegung der inlandischen Borsenumsatze anteilig umzulegen.
Auswirkungen der europaischen Vorgaben auf die deutsche Rechnungslegung
69
ist eine europaische Datenbank geplant, in die aufgetretene Falle/Zweifelsfragen anonym eingestellt werden. Die Sanktionen der Enforcement-Institutionen miissen eine hinreichende Abschreckungswirkung erzielen. Das BilKoG nennt einige Sanktionsarten: Adverse Publizitat, zwingende Fehlerkorrektur auf der 1. Stufe, ansonsten erfolgt die Ubernahme der Priifung durch die BaFin, Bufigelder bei Vorlage falscher und unvoUstandiger Informationen, Berichterstattung an die WPK bei Pflichtverletzung des Abschlusspriifers, Meldung an die Borsenaufsichtsbehorden bei Verstofi des Untemehmens gegen borsenrechtliche Vorschriften, Anzeige bei Verdacht auf eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit der Rechnungslegung bei der zustandigen Behorde, die BaFin darf personenbezogene Daten der Betroffenen iibermitteln. Durch diese Moglichkeiten wird zumindest eine gewisse Abschreckungswirkung erzielt. Weiterhin wird die Etablierung einer europaischen Enforcement-Instanz gefordert.281 Das Committee of European Securities Regulators (CESR) als unabhangiges Gremium der europaischen Wertpapieraufsichtsbehorden sollte ein einheitliches Vorgehen der nationalen Enforcement-Institutionen koordinieren und im Kontakt zur SEC stehen.282 Allerdings ist dieses Vorhaben kurzfristig aufgrund organisatorischer und finanzieller Aspekte nicht moglich. Mit dem BilKoG erfolgte eine Einschrankung des Enforcement auf kapitalmarktorientierte Untemehmen. Langfristig ist die Einbeziehung aller Gesellschaften erstrebenswert, zum jetzigen Zeitpunkt sollte jedoch erst einmal die Wirkungsweise und Akzeptanz auf der engeren Basis getestet werden; zudem spielen organisatorische und finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle.28^
Vgl. Arbeitskreis Externe Rechnungslegung der Schmalenbach-Gesellscltaft 2004, S. 329. Das CESR hat zwei Standards zum Enforcement in Europa herausgegeben. Vgl. CESR 2003 und 2004, IDW 2003d, S. 32-34 ; Zulch 2005a, S. 3. Vgl. Hommelhoff/MattJieus 2004, S. 95. Fiir den Einbezug auch nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen spricht sich das IDW aus. Vgl. IDW 2003c.
Der Mittelstand als besonderes Betrachtungsobjekt
71
III. Der Mittelstand als besonderes Betrachtungsobjekt A.
Bedeutung und Definition des Mittelstandes
Bei der Diskussion um die Ubemahme intemationaler Rechnungslegungsstandards standen bislang uberwiegend kapitalmarktorientierte Konzeme im Vordergrund. Dabei wird jedoch iibersehen, dass gerade mittelstandische Untemehmen einen bedeutenden Stellenwert in Deutschland haben. Sie werden als „ Motor der deutschen Wirtschaft" bezeichnet.284 Es ist davon auszugehen, dass die Internationalisierung auch die mittelstandischen Untemehmen erfassen wird. Im Folgenden ist zunachst eine grundlegende Definition mittelstandischer Untemehmen sowie ihrer Charakteristika vorzunehmen. Nach Studien des Instituts fiir Mittelstandsforschung (IfM) stellt der Mittelstand 99,7% der umsatzsteuerpflichtigen Untemehmen (2002), beschaftigt 70,2% aller Arbeitnehmer (2003) und erzielt 49% der Bruttowertschopfung der Untemehmen (1999).285 Der Begriff „wirtschaftlicher Mittelstand"286 ^ij-d nur in Deutschland verwendet. Im Ausland spricht man von „kleinen und mittleren Untemehmen (KMU)" Oder „Small and Medium Entities (SME)".287 Eine Abgrenzung kann sowohl nach quantitativen als auch nach qualitativen Kriterien erfolgen. Mittelstand ist kein feststehender Begriff, sondern „umfa6t sowohl okonomische als auch gesellschaftliche und psychologische Aspekte"288 SQ verzichtet der Deutsche Bundestag in seiner Mittelstandsdefinition vollig auf Groiienkriterien. Er versteht darunter „ Untemehmen in Handwerk, Industrie, Handel, Ho-
Vgl. Winkeljohann 2004, S. 3. Vgl.//M2004,S.l. Historisch findet der Begriff erstmals im Mittelalter Erwahnung. Er bezeichnet eine standische Mitte des stadtischen Biirgertums, welche sich als neuer Stand zwischen den beiden traditionellen Standen Landbevolkerung und Adel herausbildete und durch Handel, Gewerbe und Bildung zunehmend an Bedeutung gewann. Vgl. Hamer 1987, S. 11. Vgl. Gunterberg/Wolter 2002, S. 1. Vgl. zur Definition der Non Publicly Accountable Entities (NPAE) Abschn. LC.3. des vierten Hauptteils. Gunterberg/Wolter 2002, S. 1.
72
Erster Hauptteil
tel- und Gaststattengewerbe, Verkehrsgewerbe und sonstigem Gewerbe, die sich in der Regel nicht iiber den Kapitalmarkt finanzieren und von selbstandigen, mitarbeitenden Inhabern geleitet werden, die das unternehmerische Risiko selbst tragen"289.
B.
Einteilung mittelstandischer Unternehmen nach quantitativen Aspekten
1.
Abgrenzung nach Grofienklassen
Der Begriff Mittelstand beschreibt iiber alle Branchen hinweg die Gesamtheit von Unternehmen, soweit sie bestimmte Grofienklassen nicht iiberschreiten. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Bestimmung eines geeigneten Grolienindikators29o sowie der Heterogenitat - verschiedene Wirtschaftsbereiche mit spezifischen betriebs- und volkswirtschaftlichen Eigenheiten - lasst sich keine eindeutige und allgemeingiiltige Abgrenzung herstellen. Allerdings ist diese z.B. im Rahmen der Zurverfiigungstellung von Fordermitteln unverzichtbar.291
Der § 267 HGB enthalt Grofienklassen zur Einstufung in groiie, mittelgrofie und kleine Unternehmen, wobei die Vorgaben der Vierten EG-Richtlinie umgesetzt werden miissen. Die EU-Kommission hat im Mai 2003 eine neue Empfehlung „betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen" abgegeben.292 Sie gilt ab 01.01.2005, ist jedoch
289
BT-Drucksache VI/66 vom 29.12.1970, S. 3.
290
Nahere Ausfiihrnngen hierzu vgl. Pfohl/ Kellerwessel 1997, S. 2-15.
291
Wichtige Fdrdermafinahmen sind z.B, das ERP-Programm, die FuE-Forderung und KfW-Programme. Vgl. IfM 2004, Unternehmensgrofienstatistik 2001/2002, S. 7-12. Das Kleinunternehmerforderungsgesetz macht die Inanspruchnahme einer Betriebsausgabenpauschale von den Betriebseinnahmen, der Umsatzsteuer, dem Gesamtbetrag der Einkiinfte abhangig. Vgl. Kleinunternehmerforderungsgesetz 2003; von Campenhausen 2003, S. 633-635; Uhlmann 2004, S. 2213 f.
292
Vgl. EU-Kommission 2003b, S. 36-41.
73
Der Mittelstand als besonderes Betrachtungsobjekt
nicht verbindlich.293 Folgende Tabellen stellen unterschiedliche Grofienklassendefinitionen des Mittelstandes dar. Kategorie
Mitarbeiter
Umsatzerldse
Bilanzsumme
Mittel
02 in § 308 Abs. 1 Satz 1 HGB wird eine einheitliche Bewertung der gemafi § 300 Abs. 2 HGB in den Konzernabschluss iibemommenen Vermogensgegenstande und Schulden im Konzernabschluss nach den Bewertungsvorschriften des Jahresabschlusses des Mutterunternehmens vorgeschrieben.^o"^ Sofem im Abschluss eines einbezoge-
Vgl. Stem 1993,5.981. Vgl. ADS 1996, Tz. 20 zu Vorbemerkungen zu §§ 290-315 HGB; Coenenherg 2003, S. 519 f.; Pellens/Fiilbier 2000, S. 575. Diese Regelung hat ihr Pendant in Art. 18 der Siebenten EG-Richtlinie. Die Siebente EG-Richtlinie verweist in Art. 29 Abs. 1 ausdrucklich auf die Vierte EGRichtlinie. Sie schreibt weiterhin einheitliche Bewertungsmethoden im konsolidierten Abschuss und im Jahresabschluss der Muttergesellschaft vor (Art. 29 Abs. 2). Vgl. Siebente EG-Richtlinie 83/349/EWG, S. 14.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
101
nen Untemehmens nach abweichenden Vorschriften bilanziert wird, sind diese an die konzemeinheitlichen Regelungen anzupassen.^o^ Ausfluss der Einheitstheorie ist weiterhin § 298 Abs. 1 HGB, der auf die Ansatz- und Bewertungsnormen des Jahresabschlusses verweist und somit den klaren Zusammenhang der Bilanznormen im Einzel- und Konzemabschluss darlegt. Als weiteres Argument gegen eine Trennung von Konzem- und Jahresabschluss wird angefiihrt, dass nicht voUig divergierende Zwecke mit den beiden Rechenwerken verfolgt werden konnen.^os Die Darstellung der wirtschafthchen Verhaltnisse muss vielmehr aufeinander abgestimmt sein.406 Erst als Gesamtheit bieten die Daten eine bestmogliche Informationsversorgung.^o^ Aufierdem widerspricht eine Trennung - wie in Fulinote 403 dargestellt - der Vierten und Siebenten EG Richtlinie, da deren Verweisungen in diesem Fall missachtet wiirden. Weiterhin spricht der informationelle Glaubigerschutz gegen eine Trennung.^os
Vgl. Coenenberg 2003, S. 520. AUerdings miissen die Wahlrechte, die den Gesellschaften in ihren Jahresabschliissen zustehen, ebenfalls im konsolidierten Abschluss gestattet werden, da dieser wie ein „Quasi-Einzelabschluss'' behandelt wird und denen anderer Unternehmen gleichgestellt sein soil. Gemafi § 308 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB diirfen nach dem Recht des Mutterunternehmens zulassige Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte im Konzemabschluss unabhangig von ihrer Ausiibung in den Jahresabschliissen der einbezogenen Unternehmen ausgeiibt werden. Abweichungen sind im Konzemanhang anzugeben. Im Schrifttum wird hierin zum Teil eine Spaltung der Rechnungslegungsvorschriften von Einzel- und Konzemabschluss gesehen. Vgl. stellvertretend z.B. Scheffler 1999a, S. 1291 m.w.N. Nach Budde/Steuber verstoCt eine uneinheitliche Information im Einzel- und Konzemabschluss sowohl gegen das Gesetz als auch gegen den Anleger- und Glaubigerschutz. Vgl. Budde/Steuber 2000, S. 973. Vgl. Budde 1997, S. 117; Herzig/Dautzenberg 1998, S. 33; Schaffer 2000, S. 109. Der Nachweis ist durch empirische Untersuchungen erbracht worden; so wurde nachgewiesen, dass sich die spezifischen Aktienrenditen von Mutterunternehmen aus der gemeinsamen Anwendung von Daten der Jahresabschliisse und des Konzernabschlusses am besten prognostizieren lassen. Vgl. hierzu im Einzelnen Busse von Colbe/Ordelheide 1993, S. 21. Vgl. dazu ausfiihrlicher Abschn. III.B.3. dieses Hauptteils.
102
Zweiter Hauptteil
Die Einheitstheorie wird in Deutschland zwar nicht widerspruchslos angewendet/o^ dennoch bildet sie die Grundlage des Konzemrechts, die einer Trennung von Konzern- und Jahresabschluss entgegensteht. Aufierdem hat es den Anschein, als voUziehen die lAS/IFRS eine Abkehr von der Interessentheorie und eine Hinwendung zur Einheitstheorie.^io Dass der deutsche Gesetzgeber fiir die Konzemrechnungslegung eine kontrare Haltung einnimmt, ist nicht zu erwarten, da er bestrebt ist, diese voUstandig an die intemationalen Standards anzupassen.^ii Eine Trennung von Konzemabschluss und Jahresabschliissen hatte den Vorteil, dass letztere ihrer Relevanz fiir die Gewinnverwendung und Hohe der Steuerzahlungen nachkommen konnten, wahrend der Konzemabschluss einzig fiir die Informationsbediirfnisse der Untemehmensbeteiligten zur Verfiigung stehe. In diesem Kapitel wurden jedoch Griinde angefiihrt, wonach zum gegenwartigen Zeitpunkt eine Trennung nicht zu rechtfertigen ist>i2 Diese kann nur durch die Abkehr von Einheitstheorie und Kompensationsfunktion mit entsprechender Anderung des Gesetzes (Streichen der Verweisvorschriften in § 298 HGB) einhergehen. Neben der Riickwirkung aufgrund der theoretischen/rechtlichen Basis sind auch faktische Riickwirkungen auf den Jahresabschluss festzustellen, die im nachsten Kapitel analysiert werden. ^^^
b)
Faktische Riickwirkungen
Wie im vorigen Kapitel dargestellt, soUten Konzemabschluss und die Jahresabschliisse der konsolidierten Unternehmen auf denselben Ansatz- und Be-
Vgl. Abschn. II.A.2. dieses Hauptteils. In den letzten Jahren wurde vereinzelt eine Abkehr gefordert, da sie den „Charakter einer realitatsfremden Fiktion'' habe. Schildbach 1996, S. 48. Vgl. Abschn. II.A.4. dieses Hauptteils. Mittelfristig sieht unter anderem der Mafinahmenkatalog eine lAS/IFRS-Pflicht ftir alle Konzeme vor. Vgl. Bundesregierung 2003, S. 7. Vgl. Herzig/Dautzenberg 1998, S. 33; Kuting 2000, S. 42. Vgl. Broer 2001, S. 232; Euler 1998, S. 23.
Einwirkungen der IAS/ IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
103
wertungsvorschriften beruhen. Es existieren jedoch sowohl nach IAS/IFRS als auch nach HGB verschiedene Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte sowie Ermessensspielraume, z.B. bei der Bestimmung der Nutzungsdauer fiir abnutzbare Vermogensgegenstande, der Abgrenzung von Herstellungs-/Erhaltungsaufwand oder Forschungs- und Entwicklungsaufwand, der Bildung auiiergewohnlicher Abschreibungen (Einschatzung der Wertentwicklung) oder der Bewertung von Riickstellungen.^i^ Uneinheitliche Schatzungen in Konzem- und Jahresabschluss fiir dasselbe Wirtschaftsgut/dieselbe Schuld aufgrund unterschiedlicher Ermessensausiibung widersprechen den bereits dargestellten Funktionen des Konzernabschlusses. Wiirde in diesen Fragen bei demselben Sachverhalt im Konzernabschluss anders verfahren als im Jahresabschluss eines Tochterunternehmens, liefie sich der Konzernabschluss nicht mehr ohne weiteres aus den Jahresabschliissen ableiten, so dass die Unterschiede zwischen internationaler und nationaler Rechnungslegung erklarungsbediirftig waren.^is Dies kann Zweifel an der Richtigkeit der Vorgehensweise wecken.^i^ Auch der unterschiedliche Ansatz von Bilanzposten aufgrund der differierenden Vorschriften bzw. die unterschiedliche Ausiibung von Wahlrechten fiihrt zu Informationsverzerrungen. Eine geringe Glaubwiirdigkeit wird z.B. dann bescheinigt, wenn bestimmte immaterielle Werte im IAS/IFRS-Abschluss als voUwertige Vermogensmehrung ausgewiesen werden, im HGB-Abschluss jedoch aufgrund des Aktivierungsverbots des § 248 Abs. 2 HGB keine Beriicksichtigung finden diirfen. Um diesen faktischen Druck zu mindem und den Umstellungsaufwand in der Handelsbilanz II moglichst gering zu halten, ist den Tochteruntemehmen zu raten, sich im Rahmen des HGB schon in ihren Jahresabschliissen den internationalen Grundsatzen zu nahern, indem Wahlrechte und Ermessensspielraume des HGB nach internationalen Gepflogenheiten ausgeiibt werden.^^^ ^\xxe voU-
Vgl. Abschn. III.C. dieses Hauptteils. Siehe auch Engel-Ciric 2002, S. 781-783; Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer 2004a, S. 852-858; Muller/Wulfimi, S. 2206-2213. Vgl. Grotlierr/Joreivitz 2001, S. 138. Vgl. Broer 2001, S. 238. Einige Autoren sind der Meinung, dass die Abschlusse bei den Adressaten an Glaubwtirdigkeit verlieren wiirden. Vgl. Baetge/Thiele 1997, S. 21; Stein 1993, S. 981; Strobl 1996, S. 391. Vgl. Coenenberg 2003, S. 22.
104
Zweiter Hauptteil
standige Ubereinstimmung wird allerdings in der Kegel nicht erreicht werden konnen/18 denn die restriktiven Voraussetzungen des Handelsrechts bilden dabei eine Grenze, z.B. im Rahmen des Anschaffungskostenprinzips. Da die lAS/IFRS zum Teil auf Schatzgrundlagen basieren, die nach HGB-Normen nicht zulassig sind/^^ ist eine einheitliche Bewertung vielfach nicht moglich. Bei der Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards ist die Abstimmung der Daten fiir in- und exteme Adressaten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da sich die Bilanzierungs-, Bewertungs- und Ausweismethoden nach HGB und lAS/IFRS zum Teil unterscheiden.42o Es wird kein einheitliches Bild vermittelt, so dass sich aufgrund der Einheitlichkeit der Bilanzierung und Bewertung ein voUstandiger Ubergang auf die intemationalen Standards anbietet.^^i Es wird vielfach die Meinung vertreten, dass mit dem Ubergang auf die lAS/IFRS eine Umstellung des internen Berichtswesens unvermeidlich ist.422 Ein lAS/IFRS-Abschluss gemafi der EU-Verordnung ist nur fiir kapitalmarktorientierte Konzemmutterunternehmen verpflichtend. Die Tochterunternehmen konnen grundsatzlich weiterhin nach HGB bilanzieren. Diese uneinheitliche Vorgehensweise zieht jedoch Abstimmungsschwierigkeiten nach sich. Wenn die Ist- und Plandaten des Mutterunternehmens auf Basis der lAS/IFRS erstellt werden, die Daten der Tochterunternehmen jedoch auf HGB-Normen beruhen, ist keine Vergleichbarkeit gegeben. Die HGB-Ergebnisse miissen auf die lAS/IFRS-Basis libergeleitet werden. Dies kann bei monatlicher Berichterstattung zu einem hohen Arbeitsaufwand fiihren. Durch eine konzerneinheitliche Anwendung der lAS/IFRS sind in der Regel Effizienzsteigerungen des Reportingprozesses zu erwarten.423 Zur Vereinfachung der Erstellung von
Vgl. Marten/Weiser 2004, S. 31-67; Grotherr/Jorexvitz 2001, S. 138. Vgl. Abschn. III.C.2. dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. II.C.2.b) und III.C.2. dieses Hauptteils. Detaillierte Uberleitungsrechnungen hatten die Unterschiede zu verdeutlichen. Vgl. Erns^ 2003b, S. 232. Vgl. stellvertretend Weber 2004b, S. 12. Ob die lAS/IFRS sich ferner als Instrument der internen Steuerung eignen, wird in Abschn. I.B.3. des vierten Hauptteils erortert. Vgl. Kahle 2003, S. 272.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
105
Konzernabschliissen bieten sich einheitliche Kontierungs-, Bilanzierungs- und Bewertungsrichtlinien an. Diese legen unter anderem Gliederungsschemata, Definition der Posteninhalte sowie Merkmale zur Abgrenzung der Herstellungskosten und Bewertungsvereinfachungsverfahren fest.424 Bei komplexen Konzernstrukturen ist ein einheitliches Berichtssystem nach lAS/IFRS okonomischer; allerdings ist die Aufstellung eines HGB-Abschlusses zur Ausschiittungs- und Steuerbemessung gemafi § 325 Abs. 2b HGB weiterhin notwendig. Wenn eine Trennung der Konzernrechnungslegung in lAS/IFRS und HGB fiir die Tochtergesellschaften erfolgt, werden Unterschiede in der Bilanzierung und Bewertung sichtbar. Geht ein Unternehmen, das lediglich einen Jahresabschluss erstellt, an die Borse, muss dieser die Informationsbediirfnisse der Adressaten ebenso wie ein Konzemabschluss erfiillen.^^s Qen Kapitalgebem diirfte langfristig nur schwer zu vermitteln sein, dass fiir die Informationsvermittlung im Jahresabschluss andere Regeln gelten soUen als im Konzernabschluss.426 Kapitalgeber von nicht in einem Konzernverbund stehenden Unternehmen, die jedoch einen Kapitalmarkt in Anspruch nehmen, haben grundsatzlich identische Informationsbediirfnisse wie Kapitalgeber von Konzernen.427
Im Rahmen der Argumentation der Vor- und Nachteile einer Trennung von Konzemabschluss und Jahresabschluss stellt sich zudem die Frage, ob die lAS/IFRS als GoB im Jahresabschluss anerkannt werden konnen. Dies wird im Folgenden erortert.
Vgl. Heintges 2003, S. 623. „Es ist nicht erkennbar, warum Aktionare einer Einheitsunternehmung mit Informationen geringerer Qualitat bedient werden soUen.'' Herzig 2001, S. 155. Vgl. auch Sc/wj5^er 2000,5.106. Kahle 2003, S. 273. Vgl. Busse von Colbe 2002c, S. 167; Schreiber 2002, S. 106
106
Zweiter Hauptteil
C.
Auswirkungen einer Ubemahme der lAS/IFRS auf die GoB
1.
Grundlegendes
Die GoB stellen ein dynamisches System dar und werden grundsatzlich als anpassungsfahig gesehen. Auch die intemationalen Rechnungslegungsvorschriften konnen zu deren Weiterentwicklung beitragen.428 Der Konzernabschluss kapitalmarktorientierter Untemehmen ist gemafi dem BilReG ab dem Jahr 2005 auf Basis der lAS/IFRS zu erstellen. Es wird diskutiert, ob die lAS/IFRS schon jetzt als spezielle GoB fiir Zwecke der Borsennotierung gedeutet werden konnen>29 Weiterhin ist zu klaren, ob die lAS/IFRS durch die Ubemahme in den Konzemabschluss fiir alle Konzeme zu GoB werden konnen.430 Trifft dies zu, bedarf es einer Erorterung, ob eine Ruckwirkung dieser neuen Konzem-GoB auf den Jahresabschluss zu erwarten ist oder ob sie lediglich konzemspezifisch Anwendung finden. Aufierdem ist zu diskutieren, ob die lAS/IFRS unmittelbar kurzfristig im Jahresabschluss den Charakter von GoB annehmen konnen. Dazu hat zunachst eine kurze Skizzierung der GoB sowie der grundlegenden Unterschiede zwischen den Rahmengrundsatzen der lAS/IFRS und GoB zu erfolgen.
Vgl. JDW 2000, Tz. 5 zu Abschnitt E. VglBiener 1996,8.115. Mittelfristig sieht der Mafinahmenkatalog eine lAS/IFRS-Pflicht fiir alle Konzerne vor. Vgl. Bundesregierung 2003, S. 17.
Einwirkungen der IAS/ IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
107
2.
Direkte Anerkennung der internationalen Standards als GoB im Jahresabschluss
a)
GoB im Jahresabschluss
1)
Begriff und Aufgabe
Die GoB sind Regeln, „nach denen ein Kaufmann zu verfahren hat, um zu einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Buchfiihrung und Bilanz zu gelangen"^^^. Es sind unbestimmte Rechtsbegriffe, d.h. ihr Inhalt kann nicht durch einen festumrissenen Sachverhalt ausgefiillt werden.^'^^ Eine Legaldefinition existiert nicht.^^^ Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf die laufende Buchfiihrung (§ 238 HGB), die Inventur (§ 241 HGB) sowie auf den Jahresabschluss (§ 243 HGB: Bilanz, GuV und Anhang).434 Die GoB stellen durch die Erwahnung im Gesetz (z.B. § 243 Abs. 1, § 264 Abs. 2 HGB) zwingende Rechtssatze dar, die die gesetzlichen Vorschriften erganzen und konkretisieren „und iiberall dort greifen, wo Gesetzesliicken auftreten bzw. wo spezifische Gesetzesvorschriften einer Auslegung bedurfen"^^^ D[Q QQB bilden die Grundlage fiir die Auslegung anderer Rechnungslegungsvorschriften. Dabei gilt der Grundsatz „Lex specialis derogat legi generali", d.h. Spezialvorschriften gehen den Generalvorschriften grundsatzlich vor. Nur wenn gesetzliche Spezialvorschriften fehlen, sind die GoB heranzuziehen. Ziel dieser unbestimmten Rechtsbegriffe ist es, die Kodifizierung einer Vielzahl ausfiihrlicher und konkreter Einzelnormen zu vermeiden.^^ Dies tragt BFH-Beschluss vom 03.02.1969, S. 291. Vgl. Forschle 2003a, Tz. 1 zu § 243 HGB; Baetge/Kirsch 2002, Tz. 1 zu Kapitel 4. Vgl. ADS 1998, Tz. 6 f. zu § 243 HGB; Larenz 1983, S. 214. Vgl. ADS 1998, Tz. 2 zu § 243 HGB. Vgl. ADS 1998, Tz. 2 zu § 243 HGB. Coenenberg 2003, S. 36. Vgl. auch Winnefeld 2002, Tz. 1 zu Kapitel D. Die GoB gelten unabhangig von der Rechtsform fiir alle Kaufleute. Vgl. Ballwieser 1995, S. 54; Beisse 1990a, S. 506. Vgl. Winnefeld 2002, Tz. 3 zu Kapitel D. Zu beachten ist ferner, dass nicht alle gesetzlichen Regelungen GoB darstellen wie z.B. Bilanzierungshilfen, da sie nicht die Zwecke des Jahresabschlusses erfuUen. Vgl. Baetge/Kirsch 2002, Tz. 5 zu Kapitel 4.
108
Zweiter Hauptteil
zur Flexibilitat und Anpassungsfahigkeit der handelsrechtlichen Normen an sich andemde Bedingungen bei. Der Deutsche Bundestag hebt hervor, dass die Forderung der §§ 238 Abs. 1, 243 Abs. 1, 264 Abs. 2 Satz 1 und 297 Abs. 2 HGB nach der Einhaltung der GoB zugleich die Voraussetzung fiir eine sinnvolle Fortentwicklung und Anpassung an veranderte Verhaltnisse sei.437 Einerseits miissen die GoB offen fiir neue Erkenntnisse sein, andererseits diirfen sie nicht nach Belieben verandert werden. „Nur bei neuen Entwicklungen der betrieblichen Realitat oder bei besseren fachwissenschafthchen Erkenntnissen in Ubereinstimmung mit den Gesetzeszwecken ist es zulassig und unter Umstanden geboten, das System der GoB zu modifizieren/'^^^ o b die lAS/IFRS geeignet sind, Einfluss auf das deutsche GoB-System zu nehmen, ist im Folgenden zu klaren. Der § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG schreibt vor, dass Gewerbetreibende ihr Betriebsvermogen in der Steuerbilanz nach den handelsrechtlichen GoB ausweisen miissen (Grundsatz der Mal^geblichkeit). Steuerrechtsprechung und Finanzverwaltung greifen darauf zuriick.439 Im Schrifttum finden sich zahlreiche Systematisierungen, jedoch ist eine verbindliche, allgemeingiiltige Strukturierung aufgrund der zahlreichen Interdependenzen und Uberschneidungen bisher nicht erfolgt.^^o in Abbildung 3
Vgl. Biener/Berneke 1985, S. 26. Baetge/Kirsch 2002, Tz. 7 zu Kapitel 4. Vgl. Baetge/Kirsch 2002, Tz. 2 zu Kapitel 4. Vgl. ADS 1998, Tz. 22 f. zu § 243 HGB; Coenenberg 2003, S. 37. Lejfson entwickelte aus den Zielen des Jahresabschlusses ein System grundsatzlicher Forderungen, die er die „oberen GoB" nannte. Aus diesen allgemeinen Formulierungen wurden dann konkrete Vorschriften zur Buchhaltung, zum Inventar und zur Bilanz und GuV abgeleitet, die „unteren GoB". Die „oberen GoB" beinhalten die Grundsatze der Richtigkeit und Willkiirfreiheit, Klarheit, VoUstandigkeit, Abgrenzungsgrundsatze sowie die Stetigkeit und Vorsicht. Vgl. Lejfson 1987, S. 30. Baetge nimmt eine Unterteilung in Rahmengrundsatze. System-, Ansatz- und Definitionsgrundsatze fiir den Jahreserfolg und Kapitalerhaltungsgrundsatze vor. Vgl. Baetge/Kirsch 2002, Tz. 50 zu Kapitel 4. Moxter unterscheidet in Gewinnermittlungs- und Informations-GoB, auf die im Vierten Hauptteil naher eingegangen wird. Aufierdem erarbeitete das DRSC ein Rahmenkonzept zur Rechnungslegung. Vgl. Abschn. II.B.2. des vierten Hauptteils.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
109
werden allgemeine und spezielle GoB unterschieden, ohne eine weitergehende Unterteilung vorzunehmen. Auf eine detaillierte Beschreibung der Grundsatze wird hier verzichtet. Dies soil anhand der wesentlichen Unterschiede zu den lAS/IFRS in den folgenden Kapiteln vorgenommen werden.
Zwecke von Buchfilhrung und Jahresabschluss: Dokumentation, Rechenschaft, Kapitalerhaltung
Allgemeine GoB
Spezielle Anwendungen der GoB
Dokumentationsgrundsatze GoB zu Inventur und Inventar (240 f. HGB) Klarheit (§ 238 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 2 HGB) RichtigkeitAVilikUrfreiheit (§ 239 Abs. 2 HGB) Vollstandigkeit (§ 239 Abs. 2; § 246 Abs. 1 HGB) Wirtschaftlichkeit/Wesentlichkeit Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4, § 253 Abs. 2 und 3 HGB)| Untemehmensfortmhrung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) Stichtagsprinzip (§ 242 Abs. 1 und 2 HGB) Stetigkeitsprinzip - Bilanzidentitat (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) - Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) - Darstellungsstetigkeit (§ 265 Abs. 1 HGB) - Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB) - Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) - Periodenabgrenzung (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB)
-
Abbildung 3: Systematisierung der GoB
GoB zur Aktivierung und Passivierung, z.B. - Aktivierungsgrundsatze (§§ 246-251 HGB) - Passivierungsgrundsatze (§§ 269-274 HGBi
GoB zur Bewertung, z.B. - Realisations- und Imparitatsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 2 Satz 3; § 253 Abs. 3 HGB) HOchstwertprinzip (§ 253 Abs. 2 und 3 HGB) - Anschafdingskostenprinzip (§255 HGB)
110
2)
Zweiter Hauptteil
Ermittlung und Auslegungsmethodik
Das Schrifttum unterscheidet die induktive, deduktive und hermeneutische Methode zur Ermittlung der GoB.^^i Bei der Induktion erfolgt die Gewinnung der GoB aus den Ansichten ordentlicher Kaufleute.^2 Dabei wird kritisiert, dass Kaufleute keine neutralen Sachverstandigen sind und die Gewinnung von GoB nach ihren subjektiven Interessen gestalten konnten.443 GoB hatten dann den Charakter der Beliebigkeit. Aufierdem ist objektiv schwierig zu ermitteln, was die Ansichten ordentlicher Kaufleute sind.444 Daher wird die reine induktive Methode zur Ermittlung der GoB abgelehnt. Bei der Deduktion werden die GoB aus den Zwecken des Jahresabschlusses abgeleitet.445 Hierbei bieten vor allem Gesetz und Rechtsprechung, gesicherte Erkenntnisse der Betriebswirtschaftlehre, Fachliteratur, gutachterliche Stellungnahmen, z.B. des IDW, sowie die Bilanzierungspraxis eine Entscheidungshilfe.446 Zu den Erkenntnisquellen gehoren zudem die von internationalen Organisationen erarbeiteten Rechnungslegungsstandards.447 Nicht mit den Gesetzeszwecken in Einklang zu bringende Bilanzierungsweisen werden nicht als handelsrechtliche GoB anerkannt.448 Dabei wird kontrovers diskutiert, welchem Bilanzierungszweck der Vorrang einzuraumen ist, der Rechenschaftslegung oder der Kapitalerhaltung. Da kein eindeutiges Ziel des Jahresabschlusses im Vordergrund steht, fehlt auch die Voraussetzung fiir die deduktive Methode zur Gewinnung von GoB. „Denn eine durchgangige und einheitliche
441
Vgl. Leffson 1987, S. 28 f.
442
Induktion bedeutet der Schluss vom Besonderen (Einzelfall) auf das AUgemeine. Vgl. ADS 1998, Tz. 12 zu § 243 HGB.
443
Vgl. Baetge/Kirsch//Thiele
444
Vgl. Coenenberg 2003, S. 36.
445
Deduktion bedeutet der Schluss vom AUgemeinen auf das Besondere. Vgl. ADS 1998, Tz. 12 zu § 243 HGB.
446
Vgl. ADS 1998, Tz. 14 zu § 243. Vgl. auch IDW 2000, Tz. 5 zu Abschnitt E.
447
Vgl. IDW 2000, Tz. 5 zu Abschnitt E. Vgl. auch ADS 1998, Tz. 8 zu § 243; Moxter 1991, S. 8; Sdwffler 1999a, S. 1291; Schneider 1996, S. 922-947.
448
Vgl. Baetge/Kirsch 2002, Tz. 16 zu Kapitel 4.
2001, S. 94.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
111
handelsrechtliche Deduktion miifite einen eindeutigen primaren bzw. dominanten Jahresabschlusszweck voraussetzen dtirfen, wenn sie zu widerspruchsfreien Aussagen kommen wollte/'449 Diese unzureichende Zielerreichung der beiden Methoden machte es notwendig, die bei der Gesetzesauslegung gangige Methodenlehre der Jurisprudenz, die hermeneutische Methode, heranzuziehen. Diese versucht, bei der Ermittlung der GoB samtliche denkbaren Einflusselemente auf die Rechnungslegung zu beriicksichtigen. Sie beruht im Wesentlichen auf der Interpretation der gesetzlichen Vorschriften.^so Es ist allgemein anerkannt, dass die lAS/IFRS als Erkenntnisquelle der GoB dienen konnen.^^i AUerdings diirfen sie nicht gegen den Zweck des handelsrechtlichen Abschlusses verstofien, der nach h.M. primar aus der Zahlungsbemessungsfunktion besteht.452 jj^i Folgenden soUen allgemeine Unterschiede zwischen GoB und lAS/IFRS erortert werden, aus denen sich ableiten lasst, ob die intemationalen Standards ubemommen werden konnen.
Baetge/Kirsch/Thiele 2003, S. 96 f. Zu den weiteren Problemen der deduktiven Methode vgl. Schildbach 2004, S. 135 f. Auslegungskriterien sind Wortlaut und Wortsinn des Gesetzes, Bedeutungszusammenhang der Vorschrift innerhalb des Gesetzes, Entstehungsgeschichte, die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke von Buchfiihrung und Jahresabschluss, objektivteleologisch ermittelte Buchfiihrungs- und Jahresabschlusszwecke, Verfassungskonformitat. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2003, S. 96 f. Auch die Induktion und die Deduktion sind hierbei zu beachten. Ebenso die Ansichten anderer Jahresabschlussadressaten, Zwecke der Buchfiihrung und des Jahresabschlusses sowie die handelsrechtlich relevante hochstrichterliche Rechtsprechung. Vgl. ADS 1998, Tz. 13 zu § 243 HGB; Baetge/Kirsch 2002, Tz. 10 zu Kapitel 4; Beisse 1990a, S. 502. Vgl. Fufinote 437. Vgl. Abschn. II.A.l. dieses Hauptteils.
112
Zweiter Hauptteil
b)
Grundlegende Unterschiede zwischen der lAS/IFRS- und der HGBRechnungslegung
1)
Grundsatze des lAS/IFRS-Framework und GoB im Vergleich
Allgemeine Anforderungen an die Rechnungslegung befinden sich bei den lAS/IFRS im „Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements", das keinen verbindlichen Charakter im Sinne eines Standards hat. Die im Framework enthaltenen Regelungen gehen den einzelnen lAS/IFRS nicht vor (Framework, Par. 2 und 3).453 im Rahmen der Uberarbeitung der lAS/IFRS im Jahr 1997 und durch das Improvement Project wurden einige allgemeine Grundsatze in den verbindlichen Standard IAS 1 iibernommen.454
Das Framework gliedert sich in folgende Hauptgruppen: Zielsetzung von Abschliissen, Basisannahmen, qualitative Anforderungen, Definitionen sowie Prinzipien fiir den Ansatz und die Bewertung von Abschlussposten und Kapital- und Kapitalerhaltungskonzepte. Zunachst wird als Zielsetzung von Abschliissen die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen, die fiir verschiedene Abschlussadressaten bei deren spezifischen wirtschaftlichen Entscheidungen niitzlich sind (Decision Usefulness), festgelegt (Framework, Par. 12).455 Der Jahresabschluss besteht gemali Framework, Par. 7 aus folgenden Rechenwerken: Bilanz (Balance Sheet), GuV (Income Statement), Kapitalflussrechung (Statement of Changes in Financial Position), Anhang (Notes), weiteren Rechnungen und erlauternden Angaben, sofem sie integraler BeVgl. Ballwieser 2003, S. 338. Das Framework soil vielmehr als Auslegungshilfe bei der Anwendung der lAS/IFRS dienen (Framework, Par. 1). Es wird als Deduktionsgrundlage fiir die Losung von Rechnungslegungsproblemen angesehen. Da kein spezifisches Bilanzierungs-, Kapitalerhaltungs- oder Gewinnermittlungskonzept fixiert wurde, besteht zwar eine Flexibilitat hinsichtlich der Weiterentwicklung der Standards, allerdings entsteht so auch die Gefahr der mangelnden Konsistenz neuer Regelungen. Es sind teilweise Inkompatibilitaten zwischen dem Framework, das 1989 erstellt wurde, und einzelnen IAS festzustellen, die vor 1989 verabschiedet wurden. Vgl. Wollmert/Achleitner 2003, Tz. 9. Baetge/Kirsch 2002, Tz. 123 zu Kapitel 4. Diese Definition der Zielsetzung erfolgte zusatzlich im IAS 1.13. Vgl. Hayn 1994, S. 719. Zu Einzelheiten vgl. Abschn. II.A.4 dieses Hauptteils.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
113
standteil des Jahresabschlusses sind (Other Statements and Explanatory Notes), z.B. Segmentberichterstattung (Segment Reporting), Eigenkapitalveranderungsrechnung (Statement of Changes in Equity oder Statement of Recognised Gains and Losses).^56 Die allgemeinen Rechnungslegungsgrundsatze stehen in einem Hierarchieverhaltnis zueinander, das in der folgenden Abbildung dargestellt wird.
Ziele der Rechnungslegung
Informationen Uber die VermOgens-, Finanz- und Ertragslage
Basisannahmen
Qualitative Merkmale
Going Concern
Relevanz
Periodengerechte Gewinnermittlung
Verstandlichkeit
VerlSsslichkeit
Vergleichbarkeit
GlaubwUrdige Darstellung
- Wesentlichkeit
I— Wirtschaftliche Betrachtungsweis( I— Neutrality Vorsicht Vollstandigkeit
I
Nebenbedingungen Zeitnahe Berichterstattung Abwagung von Nutzen und Kosten Abwagung der qualitativen Anforderungen (Ausgewogenheit)
Ergebnis
i
1
Vermittlung eines den tatsSchlichen Verhaltnissen entsprechenden Bildes der VermOgens-, Finanz- und Ertragslage
Abbildung 4: System der allgemeinen Rechnungslegungsgrundsatze des Rahmenkonzeptes der IAS/IFRS457 Basisannahmen sind die Untemehmensfortfiihrung (Going Concern; Framework, Par. 23, IAS 1.23) und der Grundsatz der Periodenabgrenzung (Accrual
Der handelsrechtliche Lagebericht sowie Vorstands-, Aufsichtsratsberichte und MD&A sind bislang nicht Bestandteil eines lAS/IFRS-Abschlusses. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 101. 457
Modifiziert entnommen aus Pellens/Fiilbier/Gassen 2004, S. 109.
114
Zwelter Hauptteil
Principle; Framework, Par. 22; IAS 1.25). Danach werden die Geschaftsvorfalle in der Periode erfolgswirksam erfass t, der sie wirtschaftlich zuzurechnen sind. Der Zeitpunkt der zugehorigen Ein- und Auszahlungen ist dabei grundsatzlich irrelevant. Das Konzept der Periodenabgrenzung wird durch Bestimmungen zur Erfassung von Ertragen und Aufwendungen konkretisiert und unterteilt in das Realisationsprinzip (Realisation Principle), den Grundsatz der sachlichen Abgrenzung (Matching Principle) sowie die Ansatze zur Verteilung zeitraumbezogener Aufwendungen und Ertrage (Deferrals).^^s Neben diesen Basisannahmen miissen die Abschlussinformationen qualitativen Anforderungen geniigen, damit sie fiir die Adressaten im Sinne des Abschlusszwecks entscheidungsrelevant sind. Diese Anforderungen gleichen den GoB, konnen aber aufgrund der unterschiedlichen Rechnungslegungszwecke zu anderen Auslegungen fuhren.459 Wesentliche Differenzen sind bei der Interpretation des Vorsichtsprinzips (Prudence) festzustellen. Das Vorsichtsprinzip erfordert gema6 Framework, Par. 37 „ein gewisses Ma6 an Sorgfalt bei der Ermessensausiibung, die fiir die erforderlichen Schatzungen unter gewissen Umstanden erforderlich ist". Diese Vorgehensweise gestattet es grundsatzlich nicht, bewusst stille Reserven zu bilden. Das Vorsichtsprinzip hat nach lAS/IFRS aufgrund des Vorrangs der Informationsfunktion eine geringere Bedeutung als in der deutschen Rechnungslegung, in der das Glaubigerschutzprinzip dominiert.^^o Der Vorsichtsgedanke tritt hinter den Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung zuriick und stellt nur einen Sekundargrundsatz zur Verlasslichkeit dar.^^i Im Vergleich zur handelsrechtlichen Rechnungslegung haben demnach auch das Imparitats- und Realisationsprin-
Das Realisationsprinzip regelt den Zeitpunkt der Erfassung von Ertragen; dies wird nicht im Framework, sondem in IAS 18 behandelt. Die diesen Ertragen direkt zurechenbaren Aufwendungen sind gemafi dem Matching Principle in der Periode zu verrechnen, in der die entsprechenden Ertrage vereinnahmt wurden (Framework, Par. 95). Vgl. Achleitner/Wollmert/van Hulle/Hey/Bischof 2003, Tz. 78-83. Vgl. Schollhom/Muller 2004, S. 1625. Vgl. Achleitner/Wollmert/van Hulle/Hexj/Bischof 2003, Tz. 96; Schollhom/Muller 2004, S. 1626; Winkeljoltann 2004, S. 36. Vgl. Abbildung 4; Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 106.
Einwirkungen der IAS/ IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
115
zip eine geringere Bedeutung.462 Es wird sogar in Framework, Par. 76 darauf hingewiesen, dass Ertrage auch unrealisierte Vermogensmehrungen einschlie6en konnen. Die Anwendung der grundlegenden Basisvorschriften sowie der qualitativen Anforderungen und der Einzelvorschriften fiihrt grundsatzlich zu einem Abschluss, der ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild der Untemehmenslage vermitteln soil (Fair Presentation;^^^ Framework, Par. 46; IAS 1.13). Die Fair Presentation wird mittlerweile als Overriding Principle interpretiert.464 Dies bedeutet, dass von den Einzelvorschriften abgewichen werden muss, wenn durch deren Anwendung nicht der Generalnorm entsprochen werden kann und der Abschluss daher kein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild vermittelt (IAS 1.17). Die Abweichung ist anzugeben, zu begriinden und zu quantifizieren.^^s Die folgende Abbildung stellt den Verbindlichkeitsgrad einzelner lAS/IFRS-Regelungen darA^
Vgl. Winkeljohann 2004, S. 40. Im Framework werden die Begriffe True and Fair View und Fair Presentation noch synonym verwendet, IAS 1 spricht nur noch von Fair Presentation. Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden vgl. Cotting/Boemle 2000, S. 788-794. Vgl. Federmann 2000, S. 51; Muller 2002, S. 11; Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 109. Vgl. Hayn/Waldersee 2004, S. 59. Zum Vergleich der Generalnormen vgl. Abschn. II.A.4. dieses Hauptteils. Vgl. Schollhorn/Muller 2004, S. 1668. Im Rahmen des Improvement Project wurde die Vorgehensweise bei Regelungsliicken erstmals eindeutig geregelt.
Zweiter Hauptteil
116
4. Etage
Vorwort zu den lAS/IFRS
3. Etage
Verlautbarungen von Standardsettem sofem konsistent mit IAS 8.11
Rahmenkonzept Anerkannte Branchenpraktiken und Literaturmeinungen sofem konsistent mit IAS 8.11
Einzelne Ansatz- und Bewertungskriterien des Rahmenkonzepts als Deduktionsgrundlage
2. Etage
IAS 8.11
Fallanalogien zu Standards und Interpretationen
1. Etage
EG
Implementation Guidance/Basis for Conclusions
Standards (IAS/IFRS)
Interpretationen (IFRIC/SIC)
Fundament: Fair Presentation (Overriding Principle)
IAS 8.7; 8.9 IAS 8.7
IAS 1.13
Abbildung 5: Verbindlichkeitsgrad der IAS/IFRS467 Weiterhin werden im Framework unterschiedliche Kapitalerhaltungskonzepte genannt. Deren Bedeutung liegt primar in der Begriindung eines Rahmens zur Ermittlung des dem Unternehmen maximal entziehbaren Gewinns (Framework, Par. 103). Da der lAS/IFRS-Abschluss jedoch nicht auf eine Zahlungsbemessung ausgerichtet ist, sind die Konzepte dementsprechend weit gefachert. Es werden finanzwirtschaftliche (Financial Capital Maintenance-Concept) und leistungswirtschaftliche (Physical Capital Maintenance-Concept) Kapitalerhaltungskonzeptionen unterschieden. Die finanzwirtschaftlichen Konzepte umfassen die Nominal- und die Realkapitalerhaltung.^^^ Bin Gewinn gilt danach als erwirtschaftet, wenn der Betrag des Reinvermogens (nominelle Geldeinheiten oder das um Kaufkraftanderungen bereinigte Kapital) am Ende der Periode hoher ist als zu Beginn. Leistungswirtschaftliche Kapitalerhaltung ist gemafi Framework, Par. 104 (b) dann erreicht, „wenn die in Geldeinheiten 467
Modifiziert entnommen aus Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 89.
468
Vgl. Framework, Par. 102 (a).
Einwirkungen der IAS/ IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
117
bewertete Produktionskapazitat zum Ende der Periode (...) der Kapazitat zu Beginn der Periode entspricht" (Substanzerhaltung). In diesem Fall wird die Bewertung zu Wiederbeschaffungskosten gefordert.^^^ Die in den IAS/IFRS enthaltenen Wertmafistabe und Bewertungsmethoden orientieren sich zum grofiten Teil am Konzept der Nominalkapitalerhaltung. AUerdings verliert dieses Prinzip mit der zunehmend an Bedeutung erlangenden Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (Fair Value) und der damit verbundenen Einfiihrung der fakultativen oder verpflichtenden Neubewertung von Vermogenswerten (Assets) und Schulden (Liabilities), die je nach Bilanzposten ergebniswirksam oder -unwirksam erfolgen kann, an Gewicht.47o Die Erfolgsermittlung der Handelsbilanz basiert auf dem Prinzip der nominalen Kapitalerhaltung.471 Durch diese werden die grundlegenden Prinzipien des Handelsrechts bestimmt, z.B. das Anschaffungskostenprinzip. Es liegt somit eine klare Vorgabe fiir die handels- und steuerrechtlichen Werte vor. Eine Konsequenz aus der fehlenden Festlegung des Kapitalerhaltungskonzeptes nach den IAS/IFRS ist die Vielzahl der altemativ zulassigen Bewertungsmal^stabe: Das Framework unterscheidet historische Kosten (Historical Costs), Wiederbeschaffungskosten (Current Costs), realisierbarer Betrag (Realisable Value) sowie Barwert (Present Value). Eine Konkretisierung der Anwendung der einzelnen Grofien sowie die Festlegung weiterer Bewertungsmafistabe erfolgt in den einzelnen IAS/IFRS, z.B. Zeitwert (Fair Value), erzielbarer Ertrag (Recoverable Amount) in IAS 16. Weiterhin wird kritisiert, dass ohne Festlegung einer Bewertungskonzeption und eines Kapitalerhaltungskonzeptes die Angabe von Definitionen fiir Elemente des Jahresabschlusses und deren Ansatzkriterien nicht eindeutig moglich sei.472 Handelsrechtlich existieren kodifizierte Bewertungskonzeptionen, die der Nominalkapitalerhaltung entsprechen. Vermogensgegenstande sind mit den Anschaffungs-/Herstellungskosten, Verbindlichkeiten mit dem Riickzah-
469
vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 116.
470
Vgl. ADS International 2005, Tz. 224 zu Konzeptionelle Grundlagen.
471
Vgl. Bieg/Kufimaul 2003, S. 30; Coenenberg 2003, S. 1159.
472
Vgl. Pellens 2001, S. 449.
118
Zweiter Hauptteil
lungsbetrag, Rentenverpflichtungen mit dem Barwert und Riickstellungen mit dem nach verniinftiger kaufmannischer Beurteilung notwendigen Wert anzusetzen.473
2)
Unterschiede in der Erfassung von Abschlussposten
Neben den Rahmengrundsatzen wird im Framework der Inhalt der Abschlussposten geregelt. Dabei konnen Vermogenswerte (Assets), Schulden (Liabilities) und Eigenkapital (Equity) sowie Aufwendungen (Expenses) und Ertrage (Income) unterschieden werden.474 Die Bilanzierungsfahigkeit unterliegt einem zweistufigen Konzept. Zunachst miissen die definitorischen Voraussetzungen vorliegen, danach ist zu priifen, ob bestimmte Ansatzkriterien erfiillt sind. Ein Vermogenswert ist eine in der Verfiigungsmacht^^s ^es Untemehmens stehende Ressource, die ein Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit darstellt und von der erwartet wird, dass dem Untemehmen aus ihr ein kiinftiger wirtschaftlicher Nutzen^^e j ^ Form eines Zuflusses von Zahlungsmitteln oder Auszahlungserspamissen zufliefit (Framework, Par. 49(a) i.V.m. Framework, Par. 53). Diese Definition beinhaltet sowohl materielle als auch immaterielle Vermogenswerte. Ein bedeutender Unterschied zum deutschen Recht ist bei selbsterstellten immateriellen Vermogenswerten festzustellen. Wahrend in Deutschland gemafi § 248 Abs. 2 HGB ein Aktivierungsverbot fiir selbsterstellte immaterielle Vermogensgegenstande des Anlagevermogens besteht, sind diese nach lAS/lFRS unter bestimmten Voraussetzungen grundsatzlich zu
Vgl. Coenenberg 2003, S. 93. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 110. Verfugungsmacht ist nach deutschem Recht grundsatzlich gegeben, wenn das zivilrechtliche Eigentum besteht. Dies ist nach lAS/IFRS nicht zwingend notwendig, da der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Substance over Form) vorgeht, z.B. im Rahmen von Leasingverhaltnissen. Darunter wird die Fahigkeit eines Vermogensgegenstandes verstanden, den Bestand an Zahlungsmitteln im Untemehmen zu erhohen oder deren Abfliisse zu vermindem (Framework, Par. 53).
Einwirkungen der IAS/ IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
119
aktivieren. Auf diesen Punkt wird in Abschn. III.C.2.b)2). dieses Hauptteils naher eingegangen. Liegt ein Asset vor, muss gepriift werden, ob er angesetzt werden darf, denn das Vorliegen eines Assets muss nicht zwangsweise zur Aktivierung fiihren, z.B. beim Know-how oder bei Markennamen.477 ^^Ein Vermogenswert wird in der Bilanz angesetzt, wenn es wahrscheinlich ist, dass der kiinftige wirtschaftliche Nutzen dem Untemehmen zufliefien wird, und wenn seine Anschaffungs- und Herstellungskosten oder ein anderer Wert verlasslich ermittelt werden konnen" (Framework, Par. 89). Eine Definition des Begriffes „wahrscheinlich" (probable) wurde nicht ins Framework aufgenommen.478 Oie Festlegung der Wahrscheinlichkeit des kiinftigen Nutzens kann zum einen darauf beruhen, ob und in welchem Umfang er eintritt (Eintrittsunsicherheit) und ob das Management diesen zutreffend schatzt (Schatzungsunsicherheit).479 Auch IAS 37, der im Zusammenhang mit der Riickstellungsbildung eine Differenzierung in wahrscheinlich (probable) und sehr unwahrscheinlich (remote) vomimmt, bietet in der Kegel keine weiterfiihrenden Hinweise zur Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit, da keine genaue Charakterisierung erfolgt. Oft wird von dem Erfordemis einer mehr als 50%igen Wahrscheinlichkeit ausgegangen.480 Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit ist somit ein einzelfallbezogener, subjektiver Entscheidungsprozess.^*^ Der Begriff des Vermogensgegenstands wird im deutschen Handelsrecht nicht definiert. Es ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der im Rahmen der GoB konkretisiert wurde. Dabei ist umstritten, anhand welcher Kriterien er sich bestimmen lasst. Zunachst muss eine Konkretisierung als wirtschaftlicher Wert erfolgen (Sachen, Rechte, sonstige wirtschaftliche Werte). Chancen und
Vgl. Achleitner/V^ollmert/van Hulle/Hey/Bischof 2003, Tz. 19; Pellens/Fiilbier/Gassen 2004, S. 114. Vgl. ADS International 2005, Tz. 150 zu Konzeptionelle Gmndlagen. Vgl. Herzig 2004, S. 64 f. Vgl. Pellens/Fulhier/Gassen 2004, S. 114; Schollhom/Muller 2004, S. 1666; kritisch hierzu Moxter 1999; zur BFH-Rechtsprechung im Rahmen der Begriffs Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit der Riickstellungsbildung vgl. BFH-Urteil vom 01.08.1984, S. 44. Vgl. Achleitner/Wollmert/van Hulle/Hey//Bischof 2003, Tz. 43.
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Zweiter Hauptteil
zweifelhafte Werte diirfen nicht angesetzt werden.482 Nach h.M hat die selbstandige Bewertbarkeit^^^ entscheidende Bedeutung/^ d.h. es hat eine einzelobjektbezogene Betrachtung zu erfolgen, entsprechend dem Grundsatz der Einzelbewertung.485 Diese stellt auf die Schuldendeckungsfahigkeit im Rahmen des Glaubigerschutzes ab. Den Glaubigern ist ein Nachweis zu erbringen, welche Werte im Falle einer Insolvenz zur Deckung der Schulden vorhanden sind. Dabei muss das Gut an Dritte veraufierbar sein (selbstandige Verwertbarkeit bei Going-Concem-Annahme, selbstandige Veraufierbarkeit bei Aufgabe der Fortfiihrungsannahme sowie selbstandige VoUstreckungsfahigkeit im Insolvenzfall).^^ Der Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten (RAP), die nicht die Definition der Vermogenswerte oder Schulden erfiillen, ist nach lAS/IFRS grundsatzlich verboten. Ausnahmen werden in einzelnen lAS/IFRS geregelt (z.B. IAS 20, IAS 17). Der Ausweis erfolgt somit nicht als Abgrenzungsposten, sondern unter den Assets oder Liabilities. Der Begriff der Bilanzierungshilfe ist den lAS/IFRS nicht bekannt. Wie bei den Rechnungsabgrenzungsposten erfolgt nur ein Ansatz, wenn die Kriterien des Vermogenswertes/der Schuld erfiillt sind. Zum Beispiel diirfen Aufwendungen fiir Ingangsetzung nicht aktiviert, Aufwandsriickstellungen i.S.d. § 249 Abs. 2 HGB nicht passiviert werden. Aktive latente Steuem erfiillen die Charakteristika eines Vermogenswertes, daher hat ein Ansatz zu erfolgen.487 Der Asset-Begriff umfasst somit auch einige Bi-
Vgl. Federmann 2000, S. 198. Es wird als erfiillt angesehen, „wenn das Gut durch Veraufierung, Einraumung von Nutzungsrechten oder durch bedingten Verzicht in Geld umgewandelt werden kann". Baetge/Kirsch/Thiele 2003, S. 143. Auch die Verwertung durch Zwangsversteigerung fallt unter dieses Kriterium. Vgl. ADS 1998, Tz. 15 zu § 246 HGB. Es diirfen keine nicht nachpriifbaren Gesamtwerte als Vermogensgegenstand aktiviert werden. Vgl. Federmann 2000, S. 199. Vgl. auch: ADS 1998, Tz. 16-25 zu § 246 HGB; Kuting/Durr/Zwirner 2002, S. 11; Streim/Esser 2003a, S. 737; Strobl 1996, S. 397. Vgl. ADS International 2005, Tz. 143 zu Konzeptionelle Grundlagen.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
121
lanzierungshilfen und Rechnungsabgrenzungsposten nach deutschem Verstandnis>88 Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass der Umfang der Ansatzpflichten nach lAS/IFRS aufgrund des Ziels, das Unternehmensvermogen moglichst voUstandig abzubilden,^^^ iiber den des handelsrechtlichen Vermogensgegenstands hinausgeht. Problematisch bei den Ansatzkriterien gemafi lAS/IFRS ist, dass sie auf nicht nachpriifbaren Werten beruhen konnen, z.B. ergeben sich Schwierigkeiten bei der Bestimmung des zukiinftigen Nutzens bzw. des Begriffs „probable". Teilweise basieren die Vermogenswerte nur auf Absichten, Prognosen und Schatzungen.^^o Dies wird besonders deutlich an der Moglichkeit der Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermogenswerte, die nach deutschem Recht aufgrund der Objektivierungsprobleme verboten ist. Eine Schuld (Liability) ist eine gegenwartige Verpflichtung des Unternehmens aus vergangenen Ereignissen, von deren Erfiillung erwartet wird, dass aus dem Unternehmen Ressourcen abfliefien, die wirtschaftlichen Nutzen fur das Unternehmen verkorpern (Framework, Par. 49b).^^i Liabilities werden wie auch Assets nur erfasst, wenn der Abfluss der Ressourcen wahrscheinlich (probable) ist und sich ihr Wert verlasslich (reliable) ermitteln lasst (Framework, Par. 83, 91). Nach den lAS/IFRS muss es sich um eine Verpflichtung gegeniiber Dritten handeln (Aufienverpflichtung).492 Dies wird zwar nicht explizit erwahnt, ergibt sich jedoch aus den Beispielfallen des Framework, Par. 60-64 sowie IAS 37.17.^9^ Somit ist eine Bildung von Aufwandsriickstellungen
Vgl. Achleitner/Wollmert/van Hulle/Hey/Bischof 2003, Tz. 19. Die lAS/IFRS zielen darauf ab, das Unternehmensvermogen moglichst vollstandig darzustellen, da es nicht auf die selbstandige Verwertbarkeit ankommt, sondern in erster Linie auf die Moglichkeit der Erzielung eines kiinftigen Nutzens. Vgl. Euler 2002, S. 877. Es werden sichere Verbindlichkeiten (Trade and other Payables), unsichere Verbindlichkeiten/Riickstellungen (Provisions) und Eventualverbindlichkeiten (Contingent Liabilities) unterschieden. Vgl. Pellens/Fiilbier/Gassen 2004, S. I l l ; Strobl 1996, S. 397. Vgl. ADS International 2005, Tz. 161 zu Konzeptionelle Grundlagen.
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Zweiter Hauptteil
nicht erlaubt, da gemal? IAS 1.26 eine Periodenabgrenzung nur fiir Passivposten vorgesehen ist, die unter die Liability-Definition fallen. Beim Begriff der Schuld nach deutschem Recht handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Rahmen der GoB bestimmt wurde. Schulden sind passivierungspflichtig, wenn es sich um eine rechtliche oder wirtschaftliche Verpflichtung (Aufienverpflichtung) oder um eine faktische Notwendigkeit (Innenverpflichtung), der sich der Kaufmann nicht entziehen kann, handelt.4^4 Sie muss eine wirtschaftliche Belastung darstellen, die zu einer Vermogensminderung fiihrt und selbstandig bewertbar ist, d.h. als solche abgrenzbar ist und nicht z.B nur das allgemeine Unternehmensrisiko betrifft.^^s Im Gegensatz zu den lAS/IFRS sind somit auch Riickstellungen fiir Innenverpflichtungen erlaubt. Das Eigenkapital (Equity) ermittelt sich gemafi Framework, Par. 49c als Residualgrofie aus Vermogen und Schulden. Dabei kann es auch erfolgsneutrale Komponenten enthalten, z.B. Einstellungen in die Neubewertungsriicklage (NBR). Nach deutschem Recht ist eine erfolgsneutrale Komponente lediglich auf Transaktionen mit den Anteilseignem zuruckzufuhren.496 Ein Ertrag (Income) entsteht, wenn der wirtschaftliche Nutzen in Form von Zufliissen, Wertsteigerungen von Vermogenswerten oder Abnahme von Schulden wahrend der Rechnungslegungsperiode zunimmt (Framework, Par. 70a). Das Eigenkapital muss dabei erhoht werden. Ertrage lassen sich in Erlose (Revenue)497 ^md andere Ertrage (Gains)498 unterteilen. Erlose konnen auch unrealisierte Komponenten enthalten; dies wird z.B. in IAS 11.22 (Langfristfer-
Vgl. Federmann 2000, S. 201. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2003, S. 152 f.; Coenenberg 2003, S. 80. Auch unter den deutschen Schuldbegriff werden Verbindlichkeiten und Riickstellungen subsumiert. Vgl. ScMlhorn/Muller 2004, S. 1666. Erlose fallen im Rahmen der gewohnlichen Geschaftstatigkeit an; hierzu gehoren z.B. Umsatzerlose, Zinsen, Mieten oder Dividenden. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 112. AUe Ertrage, die nicht als Erlose klassifiziert werden, sind Gains. Diese fallen nicht im Rahmen der gewohnlichen Geschaftstatigkeit an, wie z.B. Marktwertsteigerungen von Wertpapieren bei Industrieuntemehmen.
Einwirkungen der IAS/ IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
123
tigung) sowie IAS 18 „Ertrage" (Revenue) festgelegt. Das lASB geht davon aus, dass eine Realisierbarkeit fiir den Ansatz von Ertragen hinreichend ist. Somit konnen im Gegensatz zum HGB auch bisher unrealisierte, aber realisierbare Ertrage angesetzt werden. Aufwendungen (Expenses) stellen eine Abnahme des wirtschaftlichen Nutzens in der Periode dar. Alle Eigenkapitalminderungen, die nicht auf Transaktionen mit den Eigentiimern beruhen, gehoren zu den Aufwendungen. Es werden Aufwendungen, die im Rahmen der gewohnlichen Geschaftstatigkeit anfallen (Expenses) und andere Aufwendungen (Losses) unterschieden. Zu letzteren gehoren auch noch nicht realisierte Aufwendungen. Hier besteht eine grundlegende Obereinstimmung mit dem Handelsrecht, da aufgrund des Imparitatsprinzips Verluste schon bei Vorhersehbarkeit auszuweisen sind. Ertrage und Aufwendungen nach den IAS/IFRS unterscheiden sich weiterhin von denen des HGB durch die Moglichkeit des Ansatzes erfolgsneutraler Groi^en, z.B. erfolgsneutrale Auf- und Abwertungen im Rahmen der Neubewertungsmethode.499 Diese werden nur in der Eigenkapitalveranderungsrechnung erfasst.
3)
Konsequenz fiir die direkte Ubernahme der IAS/IFRS in deutsches Recht
In den letzten Kapiteln wurde dargelegt, dass die unterschiedlichen Zielsetzungen der Rechnungslegung nach HGB und IAS/IFRS ein abweichendes Hierarchieverhaltnis der GoB bzw. der konzeptionellen Grundlagen der IAS/IFRS bewirken.500 Der im Handelsrecht wichtigste Grundsatz ist das Vorsichtsprinzip, wahrend nach IAS/IFRS der Grundsatz der Periodenabgrenzung dominiert. Das Realisationsprinzip wird bei den internationalen Standards aus dem Accrual Principle abgeleitet, nicht wie in Deutschland aus dem Vgl. hierzu ausfiihrlicher Abschn. III.C.2.b)l) dieses Hauptteils. Vgl. auch Achleitner/\Nollmert/van Hulle/Hey/Bisdiof 2003, Tz. 34-38; ADS International 2005, Tz. 194 zu Konzeptionelle Grundlagen; Pellens/Fiilhier/Gassen 2004, S. 113. „Eine auf die Konkretisierung von Informationspflichten ausgerichtete Rechnungslegung mufi sich in ihren Leitprinzipien wesentlich unterscheiden von einer Rechnungslegung, die eine Konkretisierung von Gewinnanspriichen bezweckt.'' Moxter 2000a, S. 64.
124
Zweiter Hauptteil
Vorsichtsprinzip. In Deutschland ist die Realisation der Ertrage Voraussetzung fiir die Erfolgswirksamkeit, nach lAS/IFRS geniigt allein die Realisierbarkeit am Bilanzstichtag. Daher konnen nach lAS/IFRS auch unrealisierte Ertrage ergebniswirksam erfass t werden.^oi Aufierdem kann es zu Differenzen bei der Aktivierung von Vermogensgegenstanden kommen, da der Begriff des Asset nach lAS/IFRS weiter gefasst ist. Vor allem selbsterstellte immaterielle Vermogensgegenstande miissen unter bestimmten Voraussetzungen zum Bilanzansatz gelangen. Bei vielen grundsatzhchen Prinzipien lassen sich zwar durchaus Gemeinsamkeiten feststellen, wie z.B. beim Going Concern Grundsatz, der Verstandlichkeit, Vergleichbarkeit, Relevanz, Vollstandigkeit. Letztendlich kann jedoch konstatiert werden, dass die lAS/IFRS kurzfristig nicht direkt als GoB in deutsches Recht einwirken konnen, da unterschiedliche Jahresabschlussziele differierende Auslegungen und teilweise Verstofie gegen deutsche Bilanzierungsprinzipien hervorrufen.502 Eine jahrzehntelange hochstrichterhche Rechtsprechung hat die GoB gepragt und zu einer gewissen Rechtssicherheit beigetragen. Der deutsche Gesetzgeber unterstrich im BilReG die h.M., dass die lAS/IFRS zum jetzigen Zeitpunkt nicht verpflichtend in das deutsche Recht des Jahresabschlusses iibernommen werden konnen.^o^ Dies ist auch der Tenor in der Fachliteratur.504 Die lAS/IFRS haben zunachst zwar keine direkten Riickwirkungen auf den Jahresabschluss, sie werden die nationale Rechnungslegung in Deutschland und die GoB allerdings zunehmend beeinflussen.^os Indirekte Riickwirkungen sind z.B. durch die Anpassung der EG-Richtlinien und deren Umsetzung in Deutschland zu erwarten.
50^
Zu Beispielen vgl. Abschn. III.C.2. dieses Hauptteils.
502
Vgl. ADS 1998, Tz. 23a zu § 243 HOB; Baetge/Fey/Fey 2002, Tz. 102 zu § 243 HOB; Euler 2002, S. 880; Forschle 2003a, Tz. 130 zu § 243 HGB.
503
V g l . Begriindung
504
Vgl. Kuting 2004a, S. 683-686.
505
Vgl. Baetge/Fey/Fey 2002, Tz. 103 zu § 243 HGB; IDW 2000, Tz. 5 zu Kapitel E.
RegE zum BilReG 2 0 0 4 , S. 2 3 .
Einwirkungen der IAS/ IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
3.
125
Indirekte Riickwirkungen der IAS/IFRS auf die GoB iiber den Konzernabschluss
Die h.M. geht davon aus, dass eine Annaherung der Konzern-Rechnungslegungsvorschriften an die IAS/IFRS zu erwarten ist.^o^ Dies ist bereits durch das BilReG geschehen, das eine Anpassung der Konzemrechnungslegungsvorschriften an die IAS/IFRS vorsieht, z.B. durch § 297 Abs. 1 HGB. Auch die Standards des DRSC verfolgen eine internationale Ausrichtung.^o^ Gemafi § 342 Abs. 2 HGB wird bei Anwendung der im Bundesanzeiger veroffentlichten DRS eine Ordnungsmaliigkeit der Rechnungslegung angenommen; die Standards tragen die Vermutung der GoB fiir Konzeme.^os Werden die Auslegungsmethoden der GoB angewendet, so lasst sich feststellen, dass die Deduktion der IAS/IFRS aus den Zielen der Abschliisse erfolgen kann, derm sowohl der IAS/IFRS- als auch der Konzernabschluss miissen eine Informationsfunktion erfiillen. Die Anwendung der IAS/IFRS wird gangige Praxis bei kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen werden. Auch sachverstandige Institutionen, z.B. das IDW, fordem die Anwendung der intemationalen Standards zumindest im Konzernabschluss. Wie die Rechtsprechung sich an die IAS/IFRS anpasst, bleibt abzuwarten. Der EuGH sieht vor, in seinen Urteilen die IAS/IFRS zu beriicksichtigen.^o^ Daraus wird eine Anpassung der GoB an die IAS/IFRS angenommen. Daraus kann eine Ausstrahlungswirkung auf den Jahresabschluss abgeleitet werden.^io
Vgl. Forschle 2003a, Tz. 131 zu § 243 HGB. Der Mafinahmenkatalog der Bundesregierung sieht mittelfristig eine Pflicht zur lAS/IFRS-Rechnungslegung fiir alle Konzerne vor. Vgl. Bundesregierung 2003, S. 7. Dieses hat die Aufgabe, Empfehlungen zur Konzernrechnungslegung in Anlehnung an internationale Regelungen zu entwickeln. Vgl. DRSC 2003, § 2; Coenenherg 2003, S.71. Vgl. Niehus 2001b, S. 55; Baetge/Krumnow/Noelle 2001, S. 773. Der § 292a HGB wurde noch als gesetzliche Ausnahmeregelung zu den Bestimmungen der Konzernrechnungslegung konzipiert, er gait als nicht GoB-konform. Vgl. Forschle 2003a, Tz. 131 zu § 243 HGB. Vgl. Abschn. II.C des dritten Hauptteils. Vgl. Baetge/Krumnow/Noelle 2001, S. 773 m.w.N. Zum Teil wird angenommen, dass die IAS/IFRS durch ihre pflichtgemafie Anwendung im Konzernabschluss kapitalmarkt(Fortsetzung der Fujlnote auf der ndchsten Seite)
126
Zweiter Hauptteil
Kritiker argumentieren dahingehend, dass sich durch die differierenden Zielsetzungen von Einzel- und Konzernabschluss unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich der GoB ergeben.^n „Die Ableitung der GoB aus den Zielen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses fiihrt zu anderen Bilanzierungs- und Bewertungsprinzipien als die alleinige Zugrundelegung der Informationsfunktion. Die Dominanz der in der Zielhierarchie iiber der Informationsfunktion angesiedelten Ausschiittungs- und Steuerbemessungsfunktion fiihrt zu Bilanzierungs- und Bewertungsprinzipien, die die Giiltigkeit des Nominalwertprinzips manifestieren und eine Beeintrachtigung der Informationsfunktion zur Folge haben."5i2 Dies sprache fiir eine Trennung der Konzern- von den Jahresabschluss-GoB. AUerdings kann dieses Argument zum jetzigen Zeitpunkt nicht aufrecht erhalten werden, derin die Generalnorm des § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB fordert, dass der konsolidierte Abschluss ein den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechendes Bild unter Beachtung der Grundsatze ordnungsmafiiger Buchfiihrung zu vermitteln hat. Diese sind urspriinglich aus den Zwecken des Jahresabschlusses entwickelt worden.^^^ Da die GoB des Jahresabschlusses keine konzernspezifischen Regelungen enthalten, treten fiir den Konzernabschluss spezielle Grundsatze, die sich aus der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns und den Konsolidierungsmafinahmen ergeben, hinzu.^i^ Dies sind Grundsatze ordnungsmafiiger Konsolidierung (GoKons) sowie erganzende Grundsatze (allgemeine Anforderungen an die Handelsbilanz II wie einheitlicher Stichtag, Ansatz, Bewertung, Ausweis, Wahrung) und allgemeine Anforderungen an orientierter Untemehmen als spezielle GoB fiir Zwecke der internationalen Borsennotierung anerkannt werden konnten. Vgl. Biener 1996, S. 115; Budde/Steuber 1998, S. 506; Moxter 1995, S. 426. Die Bezeichnung als GoB ist jedoch zur Zeit nicht geboten, da die GoB nicht mit den lAS/IFRS-Grundsatzen verglichen werden konnen. Vgl. Serve 1993, S. 653. Serve 1993, S. 656. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2004, S. 54. Jahresabschluss und Konzernabschluss basieren auf einheitlichen Bilanzierungsstandards. (Verweis in § 298 Abs. 1, § 297 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 264 Abs. 2 Satz 1 und 2 HGB auf einheitliche GoB.) Vgl. Ballwieser 1995, S. 5158; Broer 2001, S. 254; Budde/Steuber 2000, S. 971 f.; Stein 1993, S. 980. Forschle 2003a, Tz. 37 zu § 243 HGB.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
127
den Summenabschluss. Zusammen ergeben sich die Grundsatze ordnungsmafiiger Konzemrechnungslegung als unbestimmte Rechtsbegriffe, die aufgrund der Komplexitat nicht alle denkbaren Sachverhalte regeln und flexibel fiir zukiinftige Entwicklungen sind. Der Begriff GoK wird im Gesetz nicht verwendet. Der Verweis in § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB ist terminologisch unprazise, weil er als Verweis auf die GoK zu verstehen ist. Die GoK konkretisieren - wie die GoB fiir den Jahresabschluss - einerseits die gesetzlichen Einzelvorschriften, andererseits erganzen sie diese, wenn keine anwendbare gesetzliche Einzelvorschrift existiert.^is in Bezug auf die Ubemahme der lAS/IFRS kann festgestellt werden, dass spezifische lAS/IFRS, die nur GoKons oder erganzende GoB betreffen, keine Riickwirkungen auf den Jahresabschluss auslosen. AUerdings kann die Anwendung der lAS/IFRS im Konzemabschluss Anlass sein, die GoB fiir den Jahresabschluss kritisch zu iiberpriifen und neu zu interpretieren.516 Bei den urspriinglich den Jahresabschluss betreffenden GoB ist lediglich die Ubemahme der Kapitalerhaltungsgrundsatze^^^ in den Konzemabschluss strittig. Es wird zum Teil die Nichtanwendung dieser Grundsatze im Konzemabschluss gefordert,5i8 denn sie schranken die Informationsfunktion ein, da die Lage des Untemehmens durch die grofie Bedeutung des Vorsichtsprinzips zum Teil schlechter dargestellt werden kann als sie ist.^^^ Gegen die Ubemahme der voUstandigen GoB in den Konzemabschluss wird weiterhin angefiihrt, dass § 298 Abs. 1 HGB nicht auf die §§ 243 und 264 HGB verweist, die den Wortlaut der GoB enthalten. AUerdings verweist § 298 Abs. 1 HGB auf generelle glaubigerschutzorientierte Normen des Jahresabschlusses. So gilt im Konzemabschluss z.B. auch das Aktivierungsverbot fiir nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermogensgegenstande (§ 248 Abs. 2 HGB), das Vorsichtsprinzip (252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2004, S. 62; Ballwkser 1995, S. 54. Vgl. Scheffler 1999a, S. 1291. Hierunter werden vor allem das Imparitats- und Vorsichtsprinzip verstanden. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2004, S. 78. Vgl. Serve 1993, S. 653. Nahere Ausfiihrungen hierzu vgl. Abschn. III.C.l. dieses Hauptteils.
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Zweiter Hauptteil
das Anschaffungskostenprinzip (§ 255 Abs. 1 HGB) sowie die Niederstwertund Hochstwertvorschriften des § 255 HGB. Durch den Verweis ist sichergestellt, dass auch die Kapitalerhaltungsnormen im Konzemabschluss gelten.52o Er miisste vom Gesetzgeber - wie im TransPuG bei der Ubemahme steuerbilanzieller Werte - aufgehoben werden, um die Kapitalerhaltungsfunktion auszuschalten. Der Konzemabschluss als „Quasi-Einzelabschluss" des Konzerns muss mit den Jahresabschltissen konzernaufienstehender selbstandiger Kapitalgesellschaften vergleichbar sein, da - wie bereits dargestellt - eine unterschiedliche Informationsvermittlung in Einzel- und Konzemabschluss zu Verwirrungen fiihren kann.52i Hierzu sind im Konzemabschluss dieselben Rechnungslegungsgrundsatze zu beriicksichtigen wie im Jahresabschluss der Gesellschaften. Zu diesen gehoren auch die Kapitalerhaltungsgrundsatze.522 D.
Konklusion
Der deutsche Konzemabschluss und der lAS/IFRS-Abschluss haben libereinstimmend eine Informationsfunktion zu erfiillen. Aufgrund dieser Zielharmonie wird eine Trennung des Konzernabschlusses vom Jahresabschluss abgeleitet. Riickwirkungen von der Rechnungslegung des Konzernabschlusses auf die Jahresabschlussebene lassen sich zur Zeit nicht vermeiden. Die gesetzliche Einheitsfiktion verlangt eine einheitliche Aussage zur Vermogens-, Finanzund Ertragslage im Konzemabschluss und den Jahresabschliissen der einbezogenen Unternehmen.523 Auch das lASB und das FASB erwagen eine starkere Beriicksichtigung der Einheitstheorie. Bei einer beabsichtigten Trennung muss zumindest der § 298 Abs. 1 HGB (Verweis auf die Vorschriften des Jahresabschlusses) aufgehoben werden. Dabei sind die Verweise der Siebenten Richtlinie auf die Vierte Richtlinie zu beachten. Diese miissten ebenfalls beseitigt werden.
520
Vgl. Arbeitsgrujrpe Normierung der Rechnungslegung 2002a, S. 2595; Forschle/Kroner 2003, Tz. 187 z u § 297.
521
Vgl. Busse von Colbe 2002c, S. 168.
522
Vgl. ADS 1996, Tz. 91 zu § 298 HGB.
523
Vgl. Budde/Steuber 2000, S. 977.
Einwirkungen der IAS/ IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
129
Auch faktische Riickwirkungen sind festzustellen, da die unterschiedliche Ausiibung von Wahlrechten und Ermessensspielraumen in Jahresabschllissen und Konzemabschluss einer einheitlichen Aussage entgegenstehen. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Jahresabschliisse der Konzemuntemehmen aufgrund der Kosten- und Zeitersparnisse (z.B. bei der Handelsbilanz II) und der einfacheren untemehmensinternen (und -externen) Kommunikation freiwillig nach IAS/IFRS aufgestellt werden.524 Eine Trennung von Konzern- und Jahresabschluss ist somit ohne weiteres nicht moglich. Beziiglich der Einwirkungen der IAS/IFRS auf die deutschen Rechnungslegungsprinzipien werden erhebliche Bedenken aufgrund des Nebeneinanders von internationalen Standards und GoB erhoben.525 ^jn einem Rechtsraum konnen nicht zwei verschiedene Gruppen von Standards existieren, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen; zumindest mittelfristig werde eine sukzessive Implementierung der internationalen Standards in den Einzelabschluss erfolgen/'526 Die GoK sind - abgesehen von den konsolidierungs- und konzemspezifischen Sachverhalten - aus dem Jahresabschluss abzuleiten. Es wird bisher im Schrifttum an der Ubernahme samtlicher GoB, inklusive der Kapitalerhaltungsgrundsatze, in den Konzemabschluss festgehalten,527 d.h. bei Anderung der Auslegung der GoB im Konzemabschluss zu einer lAS/IFRS-konformen Interpretation wirken diese veranderten GoB auch auf den Jahresabschluss zuriick. Somit konnten neue fiir den Konzemabschluss entwickelte Grundsatze der Rechnungslegung Anlass sein, um die GoB fiir den Jahresabschluss kritisch zu tiberpriifen und neu zu interpretieren.528 Auch wenn die IAS/IFRS
Weitere Umstellungsgriinde werden im Abschn. I.B. des vierten Hauptteils erortert. Vgl. stellvertretend Ludenhach/Hoffmann 2002, S. 231; Rammert 2004, S. 579; Wolf 2003, S. 779. Broer 2001, S. 254. Vgl. auch Bocking 2001, S. 1435; Herzig 2000a, S. 105; Rammert 2004, S. 579; Zeimes 2002, S. 1636. Weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus der Gesetzessystematik heraus gibt es Anhaltspunkte zur Abweichung von den GoB. „Der geforderte Paradigmenwechsel ware konsequent, wenn der deutsche Gesetzgeber das Ziel des true and fair view im angelsachsischen Sinne hatte umsetzen woUen." Balhuieser 1995, S. 56. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vgl. Scheffler 1999a, S. 1291.
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Zweiter Hauptteil
bisher einzig auf Konzemabschlussebene gelten, ist nicht auszuschliefien, dass sie sich langfristig zu GoB auf ftir den Jahresabschluss entwickeln.529 ,^Es ist also rechtlich kaum moglich, die Grundsatze ordnungsmafiiger Buchfiihrung fiir Zwecke der Konsolidierung gemafi den IAS zu verstehen, fur Zwecke des Einzelabschlusses aus den IAS dann aber wiederum keine Konsequenzen Ziehen zu wollen. Der GoB-Begriff erscheint zumindest im gegenwartigen Kontext rechtlich unteilbar/'53o Die lAS/IFRS werden demnach ohne Eingreifen des Gesetzgebers langfristig auf den Jahresabschluss zuriickwirken.s'^i Neben den Riickwirkungen aus dem Konzernabschluss ergeben sich weitere Anpassungspflichten des Jahresabschlusses an die lAS/IFRS aus den Reformbestrebungen der EG-Richtlinien. Die Vierte und Siebente EG-Richtlinie wurden - wie im ersten Hauptteil dargestellt - an Internationale Standards angepasst. Fiir Untemehmen, die unter die Richtlinien fallen, bedeutet dies zwangsweise eine Annaherung an die lAS/IFRS, deren Grad allerdings von
Vgl. Hauser/Meurer 1998, S. 278 f. Herzig 2000a, S. 108. Im Original vorhandene Hervorhebungen wurden weggelassen. Vgl. femer Kuting/Hayn 1995, S. 666 f. Durch die unterschiedliche Anwendung von lAS/IFRS und HGB im deutschen Einzel- und Konzernabschluss entstiinde ein Verlust an Rechtssicherheit. Vgl. Broer 2001, S. 248. „Dass Neuerungen in der Rechnungslegung auch auf andere Bereiche ausstrahlen, lehrt die Erfahrung. Als das Bilanzrecht im AktG 1965 neu konzipiert wurde, waren die Bewertungsvorschriften allein fiir Aktiengesellschaften vorgesehen. Doch schon nach kurzer Zeit galten einige als allgemein verbindliche GoB. Und auch die im Zuge des Bilanzrichtliiuen-Gesetzes vorgesehene Teilung der Vorschriften fiir Kapitalgesellschaften und Nichtkapitalgesellschaften konnte sich nicht durchsetzen, da die strengeren Vorschriften fiir Kapitalgesellschaften auf freiwilliger Basis von alien Unternehmen ubemommen wurden."' Kiiting 2004a, S. 683. Eine sukzessive Implementierung der lAS/IFRS entspricht dem im vierten Hauptteil vorgestellten "groQen" Reformmodell. Ein dauerhaftes Nebeneinander xmterschiedlicher Rechnungslegungsstandards in einem Rechtsraum ist jedoch moglich, wenn zwischen den verschiedenen Anwendungsgebieten eine klare gesetzliche und faktische Trennung besteht. Vgl. Pellens/Bonse/Gassen 1998, S. 785. Dieses wird im vierten Hauptteil als „kleine'' Reform diskutiert. Vgl. Abschn. II.C. und D. des vierten Hauptteils.
Einwirkungen der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
131
der Umsetzung in deutsches Recht sowie der Wahlrechtsgewahrung durch die EU und den deutschen Gesetzgeber abhangt.^^^ Auch die Handhabung der Intemationalisierung durch die Gerichte ist ein moglicher Einflussfaktor. Der EuGH zeigte in den letzten Urteilen eine Tendenz zur Beriicksichtigung der internationalen Normen.^^^ Zu der These, dass Unternehmen faktisch gezwungen werden, aufgrund von Basel II sowie verscharfter Anforderungen der Kreditinstitute einen lAS/IFRS-Abschluss zu erstellen, wird Abschn. I.B.4. des vierten Hauptteils Stellung genommen. Folgende Abbildung stellt die Riickwirkung der lAS/IFRS auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss zusammenfassend dar.
RUckwirkungen der Intemationalisierung auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss
• Konzemabschluss und IAS/1 FRS-Abschluss erflillen eine Informationsfunktion • Kritik an deutscher Regelung: Kapitalerhaltungsvorschri ften verf^schen Information
• Einheitstheorie vor -herrschend • Faktische Riickwirkungen: • Unterschiedliche Schatzungen und WahlrechtsausUbung behindem einheitliche Aussage
Aufgrund unterschiedlicher konzeptioneller GruncUagen zur Zeit nicht mOglich
• Freiwillige Erstellung der EinzelabschlUsse aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten, Kosten- und Zeiterspamissen
• Tendenz zur Anwendung der lAS/IFRS in alien Konzemabschlussen
EG-Richtlinien undderen Umsetzung in Deutschland Rechtsprechung
h.M.: samtliche GoBdes Jahresabschlusses gelten auch im Konzemabschluss (rechtliche Unteilbarkeit), daher sind RUckwirkungen zu erwarten
Trennung durch Streichen der Verweise in § 298 HGB und Abkehr von der Einheitstheorie
Abbildung 6: Riickwirkungen der lAS/IFRS auf den Jahresabschluss
532
Vgl. Abschn. II.D.4. des vierten Hauptteils.
533
Vgl. hierzu Abschn. II.C.2. des dritten Hauptteils.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
133
III. Eignung des lAS/IFRS-Abschlusses als Instrument der Kapitalerhaltung sowie Diskussion alternativer Konzepte zur Entwicklung des Glaubigerschutzes A.
Grundlegendes
Unter dem im letzten Kapitel dargestellten Aspekt des Vordringens der lAS/IFRS in den deutschen Jahresabschluss sind im Folgenden mogliche Auswirkungen auf die Ausschiittungs- und Steuerbemessung zu diskutieren. Das deutsche Handelsbilanzrecht wird vom Glaubigerschutzprinzip beherrscht. Durch die Moglichkeit der Anwendung der lAS/IFRS im Jahresabschluss stellt sich die Frage, ob der Glaubigerschutz nach deutschem Verstandnis mit den internationalen Standards vereinbar ist oder ob mit der Ubemahme der lAS/IFRS eine Abkehr oder zumindest eine Modifikation erfolgen musste.534 Im Folgenden sind zunachst die Grundlagen sowie die Kritikpunkte des Glaubigerschutzes in Deutschland, auf EU-Ebene und nach lAS/IFRS zu erortern. Anschliefiend werden die Eignung der lAS/IFRS zur Erfiillung eines effektiven Glaubigerschutzes und der Handlungsbedarf des deutschen Gesetzgebers sowie Losungsvorschlage diskutiert. Dabei kommt entweder eine Trennung von Rechnungslegung und Ausschiittungsbemessungsvorschriften nach US-amerikanischem Vorbild oder die Anpassung bestehender Glaubigerschutzbestimmungen in Betracht.
Vgl. Kahle 2002a, S. 696. Weiterhin stellt sich die Frage, wie die kiinftige Ausschiittungsbemessung geregelt werden soil. Beim Wahlrecht zur Anwendung der lAS/IFRS kann diese nicht bei einigen Unternehmen nach den internationalen Standards, bei anderen nach HGB vorgenommen werden. Auch konnten sich Unternehmen das Rechnungslegungssystem aussuchen, das je nach Wunsch den hochsten bzw. niedrigsten Gewinnausweis zulasst. Vgl. Watrin 2001, S. 938.
134
Zweiter Hauptteil
B.
Unterschiedliche Glaubigerschutzvorschriften in Deutschland, auf EU-Ebene und nach den lAS/IFRS
1.
Glaubigerschutzbestimmungen in Deutschland
a)
Bilanzieller Glaubigerschutz
Der Glaubigerschutz nimmt einen bedeutenden Stellenwert in der deutschen Bilanzierung ein.^^s Oftmals wird er als Grundprinzip des deutschen Bilanzrechts dargestellt.^^^ Er soil eine Absicherung der Anspriiche der Glaubiger durch die Begrenzung gewinnabhangiger Ausgaben gewahrleisten.537 Bei Kapitalgesellschaften wird lediglich das Gesellschaftsvermogen zur Haftung herangezogen, ein Riickgriff auf das Privatvermogen der Eigner scheidet aus (z.B. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 13 Abs. 2 GmbHG). Urn diese Haftungsbeschrankung zu kompensieren, d.h. den Glaubigem ein gewisses Mindesthaftungsvermogen zu sichem und erhohte Transaktionen von Gesellschaftsvermogen durch die Gesellschafter in deren Privatvermogen zu vermeiden, sind Ausschiittungen nur in begrenztem Malie zulassig.^^s Vorrangiger Zweck des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ist die Ermittlung des verteilbaren Gewinns unter Beriicksichtigung des Glaubigerschutzes und der Kapitalerhaltung.539 Der Glaubigerschutz wird gegeniiber den anderen Jahresabschlusszwecken als iibergeordnet angesehen.^^o Die Entwicklung der Bilanzierungsgrundsatze steht unter dessen Postulat.^^i Das Vorsichts-
535
Vgl. Kahk 2002b, S. 141; Rammert 2004, S. 578; Siegel 1997, S. 121.
536
Der Glaubigerschutz hat in der kontinental-europaischen Rechnungslegung eine lange Tradition. Vgl. Beisse 1993, S. 77-97; ders. 1994, S. 15; Siegel 1998, S. 594; Strobl 1996, S. 394; Wustemann 2996, S. 429.
537
Vgl. Siegel 1997, S. 124. Die Feststellung eines ausschuttbaren Gewinns als Obergrenze soil die Glaubiger davor schutzen, dass zu viel Haftungsvermogen des Untemehmens an die Gesellschafter ausgeschiittet wird. Vgl. Moxter 1993, S. 93.
538
Vgl. Havermann 1994, S. 661-663; Moxter 1993, S. 157 £.; Schrujf 1993, S. 406.
539
Vgl. Beisse 1993, S. 82 f.; Kahle 2002b, S. 142.; Strobl 1996, S. 393.
540
Vgl. Hense/Schellhorn 2003, Tz. 35 zu § 264 HGB; Kiibler 1995b, S. 364.
541
Vgl. Befsse 1993,5.79-85.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
135
prinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) ist die wichtigste Auspragung des bilanziellen Glaubigerschutzes. Der ausschiittungsfahige Gewinn soil vorsichtig ermittelt und tendenziell zu niedrig ausgewiesen werden.542 Somit wird eine Ausschiittung und Besteuerung nicht erwirtschafteter Gewinne vermieden und eine Starkung der Haftungsbasis erreicht.543 Eine weitere Moglichkeit des gesetzlich festgelegten Glaubigerschutzes stellen Ausschiittungssperren dar. Werden bestimmte Aufwandsposten aktiviert, so darf eine Gewinnausschiittung nur erfolgen, wenn die nach der Ausschtittung verbleibenden jederzeit auflosbaren Gewinnriicklagen zuziiglich eines Gewinnvortrages abziiglich eines Verlustvortrages dem aktivierten Betrag mindestens entsprechen.544 Die Gewinnriicklagen werden in Hohe der aktivierten Aufwendungen fiir die Ausschtittung gesperrt. Aus Griinden des Glaubigerschutzes ist somit zu verhindem, dass eigentliche Aufwendungen ausgeschiittet werden.545 Ausschiittungssperren in Deutschland sind z.B. in § 274 Abs. 2 HGB (aktive latente Steuem), § 269 HGB (Ingangsetzungs- und Erweiterungs-
VgLSfroW 1996,5.394. Vgl. Kiimpel 2002a, S. 439; Leffson 1987, S. 247-249. „Das Gesetz erlaubt und fordert die Uberbewertung von Risiken und die Unterbewertung von Chancen, um den ausschiittbaren Gewinn zu verringem und die Vermogenssubstanz zu erhohen. Das kann den Glaubigem zusatzliche Sicherheit verschaffen.'' Kiibler 1995a, S. 553; Vgl. auch Beisse 1993, S. 82-85; Bocking 2001, S. 1436 f.; Sprifiler 2000, S. 88 f.; Strobl 1996, S. 395. Es besteht ein Konflikt zwischen Gesellschafter- und Glaubigerschutz. „Hatte der Glaubigerschutz stets Vorrang, miissten alle bilanziellen Zweifelsfalle im Sinne der Ermittlung eines moglichst ruedrigen Gewinns entschieden werden. Dies widersprache aber einem fairen Interessenausgleich zwischen Anteilseignern und Glaubigem, der neben einer Ausschiittungssperre auch eine Mindestausschiittung erfordert." Baetge/Thiele 1997, S. 19. Vgl. Moxter 1993, S. 9. Eine Einstellung des aktivierten Betrages in die Riicklagen (Gegenbuchung auf der Passivseite) ist nicht erforderlich, da die Posten in der Regel gesondert auszuweisen und aufzugliedem sind. Somit ist ersichtlich, in welcher Hohe eine Ausschiittungssperre vorliegt. Vgl. Commandeur 2003, Tz. 64-67 zu § 269 HGB.
136
Zweiter Hauptteil
aufwendungen), § 272 Abs. 4 HGB (Riicklage fiir eigene Anteile),546 § 58d GmbHG547 und Art. 44 EGHGB (Euro-Umstellungsaufwendungen) enthalten. Erst im Zusammenspiel mit dem im Folgenden dargestellten gesellschaftsrechtlichen Glaubigerschutz kann der bilanzielle Glaubigerschutz seine Wirkung entfalten.
b)
Gesellschaftsrechtliche Regelungen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung
Das Aktien- und das und GmbH-Gesetz enthalten Regelungen, die - aufgrund der beschrankten Haftung der Kapitalgesellschaften - darauf abzielen, ein bestimmtes Mindest-Grund- bzw. -Stammkapital aufzubringen und zu erhalten. Diese Vorschriften zur Kapitalaufbringung und -erhaltung soUen verhindem, dass die Gesellschafter dem Untemehmen das Mindestkapital vorenthalten Oder entziehen. Bei der Kapitalaufbringung beschrankt haftender Kapitalgesellschaften werden Aspekte des Glaubigerschutzes folgendermafien beriicksichtigt: Es sind Einlagen als Stainm-/Grundkapital zu leisten (Mindestkapitalvorschriften, Nennkapitalsystem).548 Die Gesellschafter konnen nicht von der Verpflichtung zur Leistung der Einlagen befreit werden (§ 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG).549 Gemafi § 7 Abs. 2 GmbHG muss ein Viertel der Bareinlagen vor der Registeranmeldung eingezahlt sein. Die §§ 21-28 GmbHG regeln Sachverhalte, die die
Damit wird sichergestellt, dass der Erwerb eigener Anteile nicht zu einer Riickzahlung von Gnind- oder Stammkapital fiihrt. Vgl. Bohl/Schaumburg-Dickstein 2002, Tz.37zu§42GmbHG. Nach einer vereinfachten Kapitalherabsetzung unterliegen bestehende Kapital- und Gewinnriicklagen einer Ausschiittungssperre, wenn sie nicht zusammen 10% des neuen Stammkapitals erreichen. Vgl. § 5 GmbHG, §§ 6, 7 AktG. Es soil ein Finanzpolster geschaffen werden, „das den Glaubigem auch dann Befriedigung gewahren soil, wenn die Gesellschaft Verluste erlitten hat". Kubler 1995a, S. 555. Vgl. Schmidt 2002, S. 1112-1130.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
137
Kapitalaufbringung im Falle einer nicht voUstandig eingezahlten Einlage sichem.550
Die Kapitalaufbringungsregeln werden durch Kapitalerhaltungsregeln erganzt, die ebenfalls verhindem soUen, dass das zum Schutz der Glaubiger aufgebrachte Gesellschaftsvermogen wieder an die Gesellschafter zuriickflie6t.55i Im Aktienrecht existieren eine Fiille von Kapitalsicherungsregelungen, z.B. das Verbot der Einlagenriickgewahr (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AktG), Bilanzgewinn als maximaler Ausschiittungsbetrag (§ 57 Abs. 3 AktG), Gebot zur Bildung gesetzlicher Riicklagen (§ 150 AktG). Bei der GmbH ist die Vermogensbindung nicht so stark geregelt wie bei der AG. Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermogen darf nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden (§ 30 Abs. 1 GmbHG). Weiterhin ist es der Geschaftsfiihrung verboten, Gesellschaftsvermogen (Maschinen, Patente etc.) den Gesellschaftern zu iiberlassen, wenn dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der Gesellschaft in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Einem Gesellschafter darf wahrend einer Unterbilanz kein Darlehen gewahrt oder eine Verbindlichkeit gestundet werden.552 Gemafi § 31 GmbHG miissen Zahlungen, die den Vorschriften des § 30 GmbHG zuwider geleistet werden, der Gesellschaft erstattet werden. § 33 Abs. 1 und 2 GmbHG regelt die Kapitalerhaltung bei Erwerb eigener Anteile. In der GmbH darf lediglich das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermogen nicht ausgeschiittet werden, wahrend § 57 AktG das gesamte Gesellschaftsvermogen mit Ausnahme des Jahresgewinns bindet. Dazu
Bei der GmbH ist eine Herabsetzung des Mindeststammkapitals von 25.000 € auf 10.000 € geplant. Vgl. BM] RegE MindestkapG 2005. Zu Einzelheiten vgl. Abschn. III.D.l. dieses Hauptteils. Die §§ 27, 36, 36a, 37 und 54 AktG enthalten korrespondierende Regelungen ftir die Aktiengesellschaft. Zu den Kapitalaufbringungsregelungen im Einzelnen: Vgl. Bauer 1995, S. 139-212; Schmidt 2002, § 37 II, S. 1112-1130 und § 29 II, S. 881-890; Baumbadi/Hueck 2000, Tz. 25-35 zu § 5. Vgl. BaMer 1995, S. 212. Aus § 30 Abs. 1 GmbHG geht dies nicht hervor, es ist jedoch gesicherte Rechtsprechung. Vgl. Schmidt 2002, S. 1132.
138
Zweiter Hauptteil
gehort auch die gesetzliche Rucklage (§ 150 AktG), die in der GmbH nicht vorgeschrieben ist.553 Erganzt werden die Kapitalschutzbestimmungen durch eine Verlustanzeigepflicht: Der Geschaftsfiihrer einer GmbH (§ 49 Abs. 3 GmbHG) bzw. der Vorstand der Aktiengesellschaft (§ 92 Abs. 1 AktG) hat eine Gesellschafterversammlung/Hauptversammlung einzuberufen und eine Verlustanzeige zu erstatten, wenn sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschaftsjahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Halfte des Grund-/Stammkapitals durch Verluste aufgezehrt ist.554
c)
Zusammenhang zwischen gesellschaftsrechtlichem und bilanziellem Glaubigerschutz
Erst im Zusammenspiel der dargestellten gesellschafts- und bilanzrechtlichen Regelungen kann der Glaubigerschutzgedanke seine Wirkung entfalten.555 Das Ineinandergreifen der Ansatz- und Bewertungsvorschriften des Jahresabschlussrechts mit der gesellschaftsrechtUchen Kapitalerhaltung entspricht dem kontinental-europaischenRechtsverstandnis.556 Die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften iiber Gewinnausschiittung, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung kniipfen an geltende Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften an. Somit haben diese Auswirkungen auf die gesellschaftsrechtlichen Gewinnbezugsanspruche.557 Dieser Zusammenhang wird im Folgenden beispielhaft erlautert.
Vgl. Kahle 2002b, S. 145 f. Zur Diskussion um die Einfuhning einer gesetzlichen Riicklage bei der GmbH vgl. Abschn. III.D.3.c) dieses Hauptteils. „Uber den Wortlaut der jeweiligen Vorschrift hinaus ist dem Verlust nicht nur das nominelle Stamm- bzw. Gnindkapital, sondem das gesamte offen ausgewiesene Eigenkapital (Stamm- bzw. Gnindkapital; offene Rucklagen; Bilanzgewinn) gegeniiberzustellen." Strobl 1996, S. 406 m.w.N. Vgl. hierzu auch Wb//2003, S. 779. Vgl. Beisse 1993, S. 82. Vgl. Fresl 2000, S. 160. Dieser sog. institutionelle Glaubigerschutz durch Kapitalbindung und Vorsichtsprinzip ist eine Reaktion auf die Einfiihrung der Haftungstrennung im Kapitalgesellschaftsrecht. Vgl. Kiibler 1995a, S. 559. Vgl. Gross 1996, S. 337.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
139
Der § 58 Abs. 4 AktG raumt den Anteilseignem einer Aktiengesellschaft einen Anspruch auf den Bilanzgewinn ein, soweit dieser nicht von der Verteilung ausgeschlossen ist. Berechnungsgrundlage fiir die Ergebnisverwendung sind Zahlen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, d.h. Jahresiiberschuss oder Bilanzgewinn (korrespondierende Regelung in § 29 Abs. 1 GmbHG).558 Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermogen i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG wird ebenfalls nach den fiir den Jahresabschluss relevanten Bilanzierungsgrundsatzen ermittelt.559 Auch fiir die Frage, ob ein Verlust nach § 49 Abs. 3 GmbHG im Rahmen der Verlustanzeigepflicht vorliegt und wie hoch das Eigenkapital bemessen wird, sind die fiir die Jahresbilanz geltenden Ansatz- und Bewertungsregeln mafigeblich.560 Bei Ubemahme der lAS/IFRS ist zu klaren, ob und wie die relevanten Groi^en (Jahresergebnis, Gesellschaftsvermogen, Eigenkapital) beeinflusst werden.561
Der Gesetzestext nimmt durch Verwendung des handelsrechtlichen Begriffs Bilanzgewinn unmittelbar Bezug auf Grofien der Rechnungslegung. Vgl. Schulze-Osterloh 1995, S. 125; Strobl 1996, S. 402. Vgl. Baumbach/Hueck 2000, Tz. 5 zu § 30; Schulze-Osterloh 1995, S. 125. Als Gesellschaftsvermogen ist das Reinvermogen anzusetzen: Aktiva abziiglich Verbindlichkeiten und Riickstellungen. Nicht abzuziehen sind Rucklagen, Gewinnvortrage und der Jahresiiberschuss. Die Berechnung der Ansatze und die Bewertung erfolgt nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsatzen, d.h. die Aktiva und Passiva sind aus der Bilanz zu entnehmen. Vgl. Baumhadi/Hueck 2000, Tz. 16 zu § 30; ]oost 1984, S. 27-55; Schmidt 2002, Tz. 2 c) zu § 18 II. Vgl. Nonnenmacher 1995, Tz. 29 zu § 15 GmbHG. Ob diese Ankniipfung an die Bilanz sinnvoll ist, ist strittig. In der Rechtsprechung wird die Bilanz zur Feststellung der Zahlungsunfahigkeit und Uberschuldung als ungeeignet angesehen. Vgl. Wolf 2003, S. 779. Vgl. Abschn. III.C.2. dieses Hauptteils.
140
2.
Zweiter Hauptteil
Glaubigerschutz in der Europaischen Union
Das System der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung und die damit zusammenhangende Bilanzierung von haftungsbeschrankten Unternehmen haben ihren Ursprung im Gemeinschaftsrecht. Die wichtigste Richtlinie in Bezug auf den Glaubigerschutz ist die Zweite EG-Richtlinie vom 13.12.1976.562 Diese legt das Grundkonzept fiir die Kapitalaufbringung und -erhaltung zum Glaubigerschutz fest.563 Sie zielt auf die Koordinierung der aktienrechtlichen Schutzbestimmungen fiir Gesellschafter und Dritte in Bezug auf Griindung, Mindestkapital, Ausschiittung sowie Kapitalerhaltung und Kapitalanderung ab.564 Neben Mindestkapitalvorschriften (Artikel 6) sind ebenfalls kapitalerhaltende Ausschiittungssperren vorgesehen. Zum Schutz der Glaubiger von Aktiengesellschaften darf keine Ausschiittung an Aktionare erfolgen, wenn das Nettoaktivvermogen, wie es der Jahresabschluss des letzten Geschaftsjahres ausweist, das gezeichnete Kapital zuziiglich der gesetzlichen und satzungsmafiigen Riicklage durch eine derartige Ausschiittung unterschreiten wiirde (Art. 15 Abs. la).565 Der Art. 15 Abs. Ic) sieht zudem eine Verscharfung vor. Demnach darf die Ausschiittung das Ergebnis des letzten abgeschlossenen Geschaftsjahres (zuziiglich des Gewinnvortrags und der Entnahmen aus hierfiir verfiigbaren Riicklagen, vermindert um Verluste aus friiheren Geschaftsjahren sowie um Betrage, die nach Gesetz oder Satzung in Riicklagen eingestellt worden sind) nicht iiberschreiten.566 Allerdings ist die Zweite Richtlinie bislang auf Aktiengesellschaften beschrankt und gilt nicht fiir die GmbH.567 Die Vierte EG-Richtlinie enthalt ebenfalls glaubigerschiitzende Regelungen. In der Praambel wird die Koordinierung der Rechnungslegungsvorschriften zum „Schutz der Gesellschafter sowie Dritter" als notwendig angesehen, da die Un-
562
Vgl. Zweite EG-Richtlinie 77/91/EWG.
563
Vgl. Schon 2001, S. S76.
564
Vgl. Zxveite EG-Richtlinie 77/91/EWG, S. 1.
565
Vgl. Habersack 2003, Tz. 164 zu § 6.
566
Vgl. Habersack 2003, Tz. 164 zu § 6.
567
Vgl. Niehues 2001, S. 1213.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
141
ternehmen nur durch ihr Gesellschaftsvermogen eine Sicherheit bieten.^^s Ausdriicklich wird im Richtlinientext nur der Gesellschafterschutz genannt. AUe anderen Personengruppen werden unter den Begriff „Dritte" subsumiert.569 Das Glaubigerschutzprinzip kann aus diesem Verweis abgeleitet werden.570 Aufierdem kann die Richtlinie im Zusammenhang mit der Zweiten EG-Richtlinie gesehen werden.^Ti Es lasst sich ableiten, dass es zu den Zielen der Vierten Jahresabschlussrichtlinie gehort, den Schutz des in der Zweiten Richtlinie genannten Nettoaktivvermogens durch Vorschriften iiber dessen Ermittlung (Ansatz- und Bewertungsvorschriften) zu sichem.572 Weiterhin werden in der Vierten Richtlinie Ausschiittungssperren festgelegt [z.B. Art. 33 (Neubewertung), Art. 34 (Aufwendungen fiir Errichtung und Erweiterung des Untemehmens), Art. 37 (Forschungs- und Entwicklungskosten), Art. 59 (Equity Bewertung)], deren Grundlagen in der Zweiten Richtlinie geregelt sind. Den Zusammenhang zwischen den beiden Richtlinien bestatigt auch die Entscheidung des EuGH vom 09.03.1999 (Centros-Urteil).573 Zudem
Vgl. Praambel zur Vierten EG-Richtlinie, Abs. 1. Vgl. Praambel zur Vierten EG-Richtlinie, Abs. 1. Diese Formulierung geht auf angelsachsischen Einfluss zuriick, da in diesen Landern die Eigenkapitalgeber die grofite Bedeutung haben. Vgl. Kloos 1993, S. 46. Der Adressatenkreis der Richtlinie beschrankt sich jedoch nicht nur auf die Gesellschafter und Glaubiger. Unter „Dritte" lasst sich auch die AUgemeinheit subsumieren, die durch die Richtlinie geschiitzt werden soil. Auch der EuGH fiihrt aus, dass dieser Begriff nicht eng i.S.v. Glaubigern zu verstehen ist, sondem die Informationen jeder interessierten Person zuganglich zu machen sind. Vgl. Fresl 2000, S. 156 m. w.N. AUerdings gibt es auch Einwande gegen diesen Zusammenhang, da die Kapitalrichtlinie nur fiir Aktiengesellschaften gilt. Vgl. Fresl 2000, S. 161. Die Argumente fiir einen Zusammenhang iiberwiegen jedoch. Vgl. Mo:tter 1997a, S. 350. Im sog. Centros-Urteil verweigerten die danischen Behorden einer britischen Gesellschaft, deren Inhaber ein danisches Ehepaar ist, die Eintragung einer Zweitniederlassung in Danemark, mit der Begriindung, die britische Centros Ltd., die seit ihrer Errichtung keine Geschaftstatigkeit in Grofibritannien entfaltet hat, beabsichtige lediglich eine Umgehung der nationalen danischen Vorschriften, insbesondere die Einzahlung eines Mindestkapitals von 200.000 Danischen Kronen. Die Gesellschaft fiel zwar unter die Jahresabschlussrichtlinie, nicht aber unter die Kapitalrichtlinie. Der EuGH (Fortsetzung der Fufinote auf der nachsten Seite)
142
Zweiter Hauptteil
lasst sich feststellen, dass die Begriffsverwendung in beiden Richtlinien iibereinstimmt. Direkte Verweise befinden sich z.B. in Art. 5 Abs. 2, Art. 9 Passiva A.IV.2; Art 43 Abs. 1 Nr. 3.574 £)a der Glaubigerschutz unzweifelhaft eine groBe Bedeutung in den Landem hat, die die Vierte Richtlinie konzipierten, ist seine Relevanz unstrittig. Die oben genannten Kriterien zeigen ein einheitliches kapitalschiitzendes Richtlinienkonzept auf europaischer Ebene an.575 Der Konzemabschluss hat gemafi der Siebenten EG-Richtlinie ausschliefilich eine Informationsfunktion zu erfiillen. Die Informationen iiber die finanziellen Verhaltnisse des Konzerns sind zur Kenntnis der Gesellschafter und Dritter zu bringen.576 Der Schutz der Adressaten erfolgt lediglich durch die Informationsvermittlung.577
3.
Informationeller Glaubigerschutz nach den lAS/IFRS
Das Hauptziel der lAS/IFRS ist die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen.578 Dem Glaubigerschutz wird dadurch entsprochen, dass die Interessen der Kapitalgeber als reprasentativ fiir alle Adressaten unterstellt werden.579 Die lAS/IFRS folgen dem sog. informationellen Glaubigerschutz. In letzter Zeit wird diese „neue" Form des Glaubigerschutzes auch in Deutschland verstarkt diskutiert. „ Durch ein Mehr an Information soil der Investor in die Lage versetzt werden, fiir ihn nachteilige Entwicklungen selbst zu erken-
entschied gegen die danischen Behorden, da die Glaubiger sich auch auf die Vierte EG-Richtlinie berufen konnten. Vgl. EuGH-Urteil vom 09.03.1999. Vgl. auch Fres/2000, S. 161. Vgl. Schon 2001, S. S77. Vgl. Prdamhel zur Siebenten EG-Richtlinie, Abs. 1. Vgl. Niehues 2001, S. 1212. Vgl. Abschn. II.A.4. dieses Hauptteils. Vgl. Kirsch 2002a, S. 753. Das Periodisierungsprinzip ist der oberste Leitsatz, nicht die Kapitalerhaltung. Die lAS/IFRS sind bei der Bewertung nicht zwingend an die nominelle Kapitalerhaltung gebunden, vielmehr existieren mehrere Kapitalerhaltungskonzeptionen nebeneinander.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
143
nen und seine Anlageentscheidung entsprechend zu treffen/'^so Der informationelle Glaubigerschutz zielt darauf ab, die Entscheidungsgrundlage der Glaubiger durch eine moglichst wahrheitsgetreue Abbildung der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage des Untemehmens zu verbessem.^si Aufgrund des informatorischen Glaubigerschutzes wird zum Teil die Anwendung der lAS/IFRS sowohl im Einzel- als auch im Konzemabschluss gefordert. Der Konzemabschluss sei als Erganzung zum Jahresabschluss konzipiert, eine Trennung widerspreche dem informatorischen Glaubigerschutz.582 Weiterhin wird die Auffassung vertreten, dass der intemationale Abschluss eine verbesserte Einschatzung und eine friihzeitige Anzeige der Ertragsrisiken ermoglicht.583 Durch den informationellen Glaubigerschutz nach den lAS/IFRS wiirden Glaubiger besser geschiitzt, da lediglich in einem geringeren Umfang eine Legung und Auflosung von stillen Reserven erfolge als nach HGB.584 Nach den lAS/IFRS werde ein volatileres Ergebnis ausgewiesen, das eher auf die wahre Ertragslage schliefien lasse. Unter Informationsgesichtspunkten sei die investororientierte Rechnungslegung zu bevorzugen, „da sie die Ertragskrise schnell und zwingend zeigt und diesen Ausweis nicht der Gestaltung des Schuldners uberlasst"585. Qie umfangreichen Veroffentlichungspflichten kommen den Glaubigem zugute, da sie diese darin unterstiitzen, „die Untemehmensentwicklung zu beurteilen und die Wahrscheinlichkeit, dass ihre zukiinftigen Zins- und Tilgungsanspriiche fristgemafi und in voUer Hohe befriedigt werden, abzuschatzen"586
Coenenberg 2003, S. 73. Vgl. auch Siegel 1997, S. 135. Nicht nur die Eigenkapitalgeber, sondern auch die Fremdkapitalgeber als Individualglaubiger (z.B. Banken, Zulieferer) oder Grofiglaubiger (Ausgabe von Schuldverschreibungen) konnten von der nach aufien gerichteten Information profitieren. Vgl. Schon 2001, S.S75. Vgl. Niehues 2001, S. 1221. Vgl. Burger/Buchhart 2000, S. 2200. Vgl. Busse von Colbe 2002c, S. 170. Burger/Buchhart 2000, S. 2200. Pellens/Jodicke/Richard 2005, S. 1395.
144
Zweiter Hauptteil
Durch eine Reform der Ersten EG-Richtlinie vom 09.03.1968 (Publizitatsrichtlinie)587 im Juli 2003 wird der Glaubigerschutz durch Informationsvermittlung gefordert. Die Richtlinie regelt unter anderem die Offenlegung von Unterlagen. Sie betrifft in Deutschland die Rechtsformen der AG, der KGaA und der GmbH.588 Im Rahmen der Reform sind Anderungen vorgenommen worden, die den Adressaten Untemehmensinformationen einfacher und ziigiger zuganglich machen und die den Gesellschaften die Erfiillung ihrer Offenlegungspflichten erleichtern.589 im Folgenden werden lediglich die zwei wesentlichsten Regelungen dargestellt. Die Mitgliedstaaten miissen dafiir sorgen, dass die Gesellschaften ab 01.01.2007 Unternehmensurkunden und -angaben in elektronischer Form beim Amtsgericht^^o einreichen konnen. Unternehmen haben ein Wahlrecht zur Veroffentlichung der Unterlagen in Papier- oder in elektronischer Form. AUerdings konnen die Mitgliedstaaten auch „Gesellschaften aller oder bestimmter Rechtsformen die Einreichung aller oder eines Teils der betreffenden Urkunden und Angaben in elektronischer Form vorschreiben"59i. in einem neuen Artikel 3a wird festgelegt, dass Unternehmen ihre Unterlagen neben der pflichtgemafien Offenlegung in der Amtssprache des jeweiligen Landes in jeder weiteren Amtssprache der Gemeinschaft veroffentlichen konnen. Dies soil den Zugang der Adressaten zu Informationen von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten erleichtern. Die Bundesregierung hat am 07.04.2005 den Referentenentwurf eines Gesetzes iiber elektronische Handels- und Unternehmensregister (EHUG) vorgelegt.592 Darin ist eine Umstellung der Handelsregister auf den elektronischen Betrieb ab 01.01.2007 vorgesehen.593 Um die Verwaltung der Register zu beschleuni-
Vgl. Erste EG-Richtlinie 68/151/EWG. Vgl. Erste EG-Richtlinie 68/151/EWG, Artikel 1; van Hulk 1994, S. 9. Vgl. Richtlinie 2003/58/EG, S. 13. Vgl. Bflyer 2004, S. 10. Richtlinie 2003/58/EG, S. 14. Vgl. EHUG 2005. Weiterhin ist die Schaffung eines elektronischen Unternehmensregisters vorgesehen, in dem die wichtigsten veroffentlichungspflichtigen Untemehmensdaten offengelegt und elektronisch abgerufen werden konnen. Vgl. EHUG 2005.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
145
gen, wird die Einreichung der Unterlagen nur noch in elektronischer Form moglich sein. Die Bekanntmachung in Tageszeitungen ist weiterhin freiwillig moglich. Aufierdem soil ein elektronisches Untemehmensregister eingefiihrt werden, in dem die wichtigsten veroffentlichungspflichtigen Daten von Unternehmen elektronisch abgerufen werden konnen. Ziel der Regelung ist es, die Moglichkeit zu schaffen, alle wesentlichen Untemehmensdaten zentral und geballt zur Verfiigung zu stellen und somit die aufwendige Suche in mehreren Informationsquellen zu vermeiden.
C.
Auswirkungen der Ubernahme der lAS/IFRS auf den deutschen Jahresabschluss
1.
Kritik am deutschen Glaubigerschutz
Die Diskussion um die Ubernahme der lAS/IFRS stellt den Ausloser dar, bisherige Kritikpunkte am deutschen Glaubigerschutzsystem wieder aufzugreifen. Schon lange wird kritisiert, dass das Ziel des Glaubigerschutzes durch eine zu vorsichtige Gewinnermittlung nicht gewahrleistet werden kann. Aufgrund der groGen Bedeutung des Vorsichtsprinzips ist die Moglichkeit der Bildung stiller Reserven gegeben.594 Deren Bedeutung fiir den Glaubigerschutz ist sehr umstritten. Befiirworter argumentieren, dass Glaubiger vor einem zu grofien Abfluss des Haftungsvermogens aus dem Unternehmen an die Gesellschafter geschiitzt werden soUen. Daher sei eine tendenziell niedrigere Bewertung durch die Moglichkeit zur Bildung stiller Reserven zu begrufien.^^s Kritiker sehen im Vorsichtsprinzip kein Instrument des Schutzes der Glaubiger, derm die stillen Reserven konnten ebenso still wieder aufgelost werden.596 Die Auflosung stiller Reserven, die die Unternehmensleitung als Verlustpolster gebildet hat und die vom Glaubiger unbemerkt vonstatten geht, sei nicht zielfuhrend.597 Es beruhe auf unrichtigen Vorstellungen, wenn behauptet wird, dass der Glaubiger durch bewusstes Unterbewerten am besten geschiitzt 594
Vgl. Kubler 1995a, S. 553 f.
595
Vgl. Kahle 2002a, S. 696.
596
Vgl. auch Borner 1996, S. 158; Stutzel 1967, S. 329.
597
Vgl. Kahle 2002b, S. 159; ders. 2003, S. 268.
146
Zweiter Hauptteil
werde. Dies sei lediglich so lange unproblematisch, wie tatsachlich Gewinne erwirtschaftet wiirden. Liegt keine Gewinnerzielung vor, so fiihrte die friiher vorgenommene Unterbewertung eher zu einer Schadigung als zu einer Sicherung der Stellung des Glaubigers, da die gelegten stillen Reserven aufgelost werden, so dass eine nicht den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechende Ertragslage ausgewiesen werden konnte.598 In ertragsstarken Phasen konne der Glaubigerschutz durchaus gewahrleistet werden, in Krisenzeiten bestehe jedoch die Moglichkeit, negative Ertragsentwicklungen durch Gestaltungsmoglichkeiten der handelsrechtlichen Rechnungslegung zu verschleiem.599 Stille Reserven werden haufig als Manovriermasse zur Ergebnisgestaltung zukiinftiger Perioden genutzt.^oo Durch die vorhandenen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte sowie Ermessensspielraume wird die Legung und Auflosung stiller Reserven erleichtert.^oi Auch durch steuerliche Sonderregelungen (z.B. Ausnutzen steuerlicher Wahlrechte) in Verbindung mit dem umgekehrten MalSgeblichkeitsprinzip konnen das handelsrechtliche Jahresergebnis sowie die gesellschaftsrechtlichen Grofien beeinflusst werden.^2 Qer Ausweis von Bilanzgewinn und Eigenkapital unterliegt der gezielten Einflussnahme durch die Untemehmensleitung.^o^ Hiervon sind auch die vom Bilanzrecht abhangigen gesellschaftsrechtlichen Grofien betroffen. Daher wird der Vorschlag gemacht, den Wahlrechtskatalog im deutschen Handelsrecht zu
598
Vgl. Jacobs 1972, S. 175.
599
Vgl. Burger/Buchhart 2000, S. 2200; Schneider 1970, S. 1704. Das Stetigkeitsgebot soil allerdings in der Kegel die willkiirliche Ausiibung verhindem. Zudem wird kritisiert, dass durch Ergebnisverlagerungen in Konzemuntemehmen im Jahresabschluss des Mutteruntemehmens Gewinne ausgeschiittet werden konnen, obwohl der Konzernabschluss bereits hohe Verluste ausweist. Vgl. Pellens/Jodicke/Richard 2005, S. 1394.
600
Vgl. Herzig 2000a, S. 110.
601
Vgl. Bieg/Kufimaul 2003, S. 222; Budde/Steuber 1996, S. 545; Hoffmann 2000b, S. 822-828; Kuting/Reuter 2005, S. 706; Lachnit 2000, S. 773-808; Schulze-Osterloh 1995, S. 128. Sprifi/er 2000,5.93.
602
Vgl. Schulze-Osterloh 1995, S. 129.
603
Vgl. Kahle 2002b, S. 158 m.w.N.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
147
mindern.604 Rechnungslegungsaltemativen, die in die Disposition des Bilanzierenden gestellt werden, konnten nicht dem Glaubigerschutz dienen.^os D{Q Darstellung der unbestreitbar erforderlichen Riicklagen soUte fiir jeden nachvoUziehbar in offenen Riicklagen erfolgen.^06 An den Ausschiittungssperren als Instrument des Glaubigerschutzes wird bemangelt, dass sich nicht verhindem lasst, Schein-Vermogensgegenstande zum Ansatz zu bringen. Eine Ausschiittungssperre ist aufierdem ungeeignet, eine Auszehrung des Gesellschaftsvermogens durch im Geschaftsbetrieb entstehende Verluste zu vermeiden.^'' Dennoch stellt sie ein unentbehrliches Mittel zur Glaubigersicherung dar.^^ Als weiterer Kritikpunkt am deutschen bilanziellen Glaubigerschutz wird die hohe Zahl an Insolvenzen insbesondere in der Rechtsform der GmbH angefuhrt.^09 AUerdings lasst sich kein direkter Zusammenhang zwischen Kapitalschutz und Insolvenz feststellen, da die Kapitalerhaltung nicht gegen Verluste, „z.B. infolge konjunktureller Schwache, sondem allein gegen iiberhohte Entnahmen der Eigner zu schiitzen vermag''^^^. Weiterhin besteht das Problem der Messung des Insolvenzrisikos, so dass „die Zielsetzung so unscharf wird, dafi ihre Erfiillung durch einzelne Bilanzierungsregeln nur schwer zu iiberpriifen ist" 6^^.
Vgl. Baetge/Thiele 1997, S. 22; Borner 1996, S. 157-162; Bundesregierung 2003, S. 7. Zu Beispielen zur Glaubigergefahrdung durch Wahlrechtsausiibung vgl. Kiiting 1997, S. 88-91. Vgl.Kropj5^1997,S.76. Vgl. Stiitzel 1967, S. 329. Vgl. Rflmm^rf 2004, S. 591. Vgl. Mojcfer 1993,5.93. Vgl. Kahle 2003, S. 268. Vom Jahr 2000 an stiegen die Unternehmer\sinsolvenzen stetig von 27.930 auf 39.600 (2004). Vgl. Creditrefbrm 2004b. Rammert 2004, S. 580. Ein Zusammenhang zwischen Grund-/Stammkapital und Insolvenzrisiko konnte empirisch nicht nachgewiesen werden. Vgl. Schdn 2004b, S. 165. Ballwieser 1996, S. 10.
148
Zweiter Hauptteil
Weiterhin wird am bestehenden Glaubigerschutzsystem kritisiert, dass es nicht mehr zeitgemafi ist. Es stellt sich die Frage, ob es sinnvoU ist, Investitionen in die Forschung und Entwicklung eines neuen Medikaments, eines Softwaresystems oder in die Akquisition neuer Kunden als Sofortaufwand zu behandeln, wenn diese zu dauerhaft bleibenden Werten fiihren.^^^ Im Rahmen der Diskussion der Ubernahme der lAS/IFRS in Deutschland stellt sich die Frage, ob diese - die Kritikpunkte des vorigen Kapitels aufgreifend - zur Ausschiittungsbemessung bzw. Realisation gesellschaftsrechtlicher Grofien zweckmafiig sind. Dies wird im Folgenden anhand ausgewahlter bilanzieller Sachverhalte erortert.
2.
Zweckmafiigkeit der lAS/IFRS und des HGB im Hinblick auf die Ausschiittungsbemessung
a)
Ansatzgrundsatze
1)
Ansatzwahlrechte
Wie im letzten Kapitel dargestellt, werden die Wahlrechte, die in Deutschland zur Moglichkeit der Bildung stiller Reserven fiihren, kritisiert. Im Rahmen der lAS/IFRS-Rechnungslegung ist eine geringere Anzahl von Ansatzwahlrechten festzustellen. Eine Ubersicht der nachfolgend dargestellten Ansatzwahlrechte so wie nahere Erlauterungen im Vergleich befindet sich in Tabelle 19. Der derivative Geschafts- oder Firmenwert ist nach lAS/IFRS zwingend zu aktivieren (IFRS 3.51), wahrend nach HGB gemali § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB ein Aktivierungswahlrecht besteht. Weitere Aktivierungswahlrechte nach HGB bestehen fur Ingangsetzungsaufwendungen (§ 269 HGB; IAS 38.69: Verbot^i^), das Disagio (§ 250 Abs. 3 HGB; IAS 39.47: Nettomethode Verbot, Bruttomethode Pflicht) sowie aktive latente Steuern (§ 274 Abs. 2 HGB; IAS 12.24: Pflicht). Auf
Vgl. Sprifiler 2000, S. 94. Andererseits ist die genaue Bestimmung dieser Werte mit Spielraumen behaftet und nicht ausreichend objektivierbar. Zur weiteren Diskussion vgl. Abschn. II.C.2.a)2) dieses Hauptteils. Im Rahmen einer Umstellung auf IAS/IFRS steigt das Ergebnis, da der Posten nicht angesetzt werden darf.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
149
der Passivseite bestehen Wahlrechte fiir den Sonderposten mit Riicklageanteil (§ 247 Abs. 3 HGB; IAS: nicht bekannt), Alt-Pensionsverpflichtungen (Art. 28 EGHGB; IAS 19.52: Pflicht), Aufwandsriickstellungen (§ 249 Abs. 2 HGB; IAS 37.20: Verbot) und Riickstellungen fiir unterlassene Instandhaltungen, die im 4.-12. Monat nach Geschaftsjahresende nachgeholt werden (§ 249 Abs. 1 Satz 3 HGB; IAS: Verbot aufgrund der Ruckstellungsdefinition). Durch die geringere Anzahl an Ansatzwahlrechten sind die lAS/IFRS in Bezug auf den Glaubigerschutz zweckmaliiger. Die Vermogens- und Ertragslage kann weniger durch das Ausiiben von Wahlrechten beeinflusst werden. Daher wird fiir eine Abschaffung der Wahlrechte im HGB pladiert.^^^
2)
Ausgewahlte Aktivierungsgrundsatze
In Abschn. II.C.2.b)2) dieses Hauptteils wurde dargelegt, dass die Einzelveraufierbarkeit nach lAS/IFRS bei Vermogenswerten als Ansatzkriterium keine Rolle spielt. Daraus ergeben sich grundsatzlich weiterreichende Aktivierungsmoglichkeiten.615 D^ jedoch gerade dieses Kriterium der EinzelverauCerbarkeit den Kreis der aktivierungsfahigen Sachverhalte „auf ein aus Sicht der am Zerschlagungsvermogen im Insolvenzfall interessierten Glaubiger akzeptables Mafi begrenzt"^^^ konnen die allgemeinen Ansatzvorschriften der lAS/IFRS unter dem Gesichtspunkt des Glaubigerschutzes unzweckmafiig sein. Ein bedeutender Unterschied zum deutschen Recht ist bei selbsterstellten immateriellen Vermogensgegenstanden festzustellen. Die Definition immaterieller Vermogenswerte folgt weitgehend dem Framework (Verfiigungsmacht, kiinftiger wirtschaftlicher Nutzen). Zusatzlich werden sie in IAS 38.8 definiert als identifizierbare^^^^ nicht monetare^^^ Vermogenswerte ohne physische SubDie Moglichkeiten werden im vierten Hauptteil eingehender analysiert. Vgl. Abschn. II.C und D des vierten Hauptteils. Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissensdmft 2002, S. 2374. Vgl. Streim/Esser 2003, S. 739. Ein Vermogensgegenstand ist identifizierbar, wenn er separierbar ist oder auf vertraglichen oder gesetzlichen Rechten beruht. Hierdurch soil eine Trennung vom Geschafts- und Firmenwert erfolgen. Die Separierbarkeit bezieht sich auf selbstandig (Fortsetzung der Fufinote auf der ndchsten Seite)
150
Zweiter Hauptteil
stanz. Unabhangig davon, ob der immaterielle Vermogenswert selbst erstellt Oder erworben wurde, ist er gemafi IAS 38.21 anzusetzen, wenn es wahrscheinlich ist, dass dem Untemehmen ein kiinftiger wirtschaftlicher Nutzen zufliefien wird und die Anschaffungs- und Herstellungskosten verlasslich bewertet werden konnen (abstrakte Aktivierungsfahigkeit).^!^ Auch selbsterstellte immaterielle Werte sind demnach unter bestimmten Voraussetzungen ansatzpflichtig. Dies entspricht der Zielsetzung der lAS/IFRS, relevante Informationen an die Bilanzleser zu liefem. Die unterschiedliche Behandlung von erworbenen und selbsterstellten immateriellen Vermogenswerten wiirde dieser Zielsetzung widersprechen. Bei Posten, an denen grundsatzliche Zweifel an der Werthaltigkeit bestehen, werden ausdruckliche Aktivierungsverbote eingefuhrt.^20 Dies gilt z.B. fiir den originaren Geschafts- und Firmenwert (IAS 38.48) sowie fiir aus Forschungskosten entstehende immaterielle Vermogenswerte (IAS 38.54)^21 ^nd selbstgeschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte und Kundenlisten (IAS 38.63). In Deutschland besteht nach § 248 Abs. 2 HGB ein striktes Aktivierungsverbot fiir selbsterstellte immaterielle Vermogensgegenstande des Anlagevermogens.
verwertbare Rechte und selbstandig verwertbare wirtschaftliche Werte. Wegen mangelnder Separierbarkeit diirfen rein wirtschaftliche Vorteile nicht aktiviert werden (Ausnahme: Entwicklungskosten), z.B. Griindungs- und Ingangsetzungskosten, Mitarbeiterschulungen, Werbung (IAS 38.57). Zur Abgrenzung zum finanziellen Vermogen vgl. Baetge/von Keitz 2003, Tz. 16 zu IAS 38. Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des kiinftigen wirtschaftlichen Nutzens ist von der subjektiven Einschatzung der Unternehmensleitung abhangig. Vgl. Abschn. II.C.2.b)2) dieses Hauptteils. Die konkrete Aktivierungsfahigkeit richtet sich nach der jeweiligen Erwerbsart, z.B. monetarer Erwerb, Erwerb durch Tausch, Erwerb im Rahmen eines Untemehmenserwerbs. Vgl. Herzig 2004, S. 98. Das Aktivierungsverbot wird damit begrtindet, dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Ergebnisse der Forschungsphase zu einem zukiinftigen wirtschaftlichen Nutzen fiihren. Bei den zu aktivierenden Entwicklungskosten wird dies angenommen. Vgl. Baetge/Fey/Weber 2003, Tz. 52 zu § 248 HGB; Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 260.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
151
Begriindet wird dies mit der schwierigen objektiven Nachpriifbarkeit der Werte, die der Schuldendeckung dienen. Der Glaubigerschutz kann durch den Ansatz selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande beeintrachtigt werden, da keine eindeutige Objektivierung, d.h. NachvoUziehbarkeit, Ausschaltung alles Subjektiven, erfolgen kann.622 gg konnen indes haufig weder eindeutig zurechenbare Herstellungskosten noch ein objektiver Kaufpreis willkiirfrei ermittelt werden. Beim entgeltlichen Erwerb ist grundsatzlich eine Wertbestatigung am Markt gegeben.^^s Diese restriktiven Regelungen sind im Rahmen des Glaubigerschutzes angemessen.624 Zudem ergeben sich Ermessensspielraume^^s bei der Abgrenzung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nach IAS 38.^26 Unter die Forschungsphase fallen Anstrengungen des Untemehmens, neue wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse zu gewinnen. Die der Forschung nachgelagerte Entwicklungsphase soil die Ergebnisse der Forschung bei der Entwicklung neuer Giiter beriicksichtigen (IAS 38.8). Der Standard gibt allerdings keine Hinweise zur Zuordnung der Aktivitaten zu den einzelnen Phasen. Wahrend § 248 Abs. 2 HGB deren Ansatz untersagt, miissen nach IAS 38.57 zumindest die Entwicklungskosten unter bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen zum Ansatz gelangen.627 Diese generieren Interpretationsspielraume, die
Vgl. Hoffmann 2000b, S. 824. Entgeltlichkeit und Erwerb setzen eine Leistung an Dritte voraus. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2003, S. 138; Euler 2002, S. 876; Engel-Ciric 2002, S. 781. Vgl. Beisse 1993, S. 83. Nach den lAS/IFRS miissen entscheidungsrelevante Informationen dem Grundsatz der Verlasslichkeit geniigen. Gemafi Framework, Par. 31 sind Jahresabschlussinformationen verlasslich, wenn sie frei von materiellen Fehlem und von bewussten Verzerrungen und Manipulationen sind. Durch Ermessensspielraume kann gegen diesen Grundsatz verstofien werden. Vgl. KUting/Wohlgemuth 2004, S. 12. Als Aktivierungskriterien miissen kumulativ erfiillt sein: 1. technische Realisierbarkeit der Fertigstellung, 2. die Absicht und Fahigkeit, den Vermogensgegenstand zu nutzen oder zu verkaufen, 3. Nachweis eines voraussichtlichen kiinftigen Nutzens, 4. die Verfiigbarkeit technischer, finanzieller Ressourcen, um die Entwicklung abschliefien zu konnen, 5. verlassliche Bewertung der zurechenbaren Ausgaben. Ob (Fortsetzung der Fuflnote aufder ndchsten Seite)
152
Zweiter Hauptteil
vom Bilanzersteller nach Mafigabe seiner Interessen genutzt werden konnen.628
Unter Informationsgesichtspunkten ist eine Darstellung der selbsterstellten immateriellen Werte vorteilhaft. Bei der Definition und dem Bilanzansatz ergibt sich das zentrale Problem, dass die Ansatzkriterien nicht an intersubjektiv nachweisbare oder unmittelbar beobachtbare Sachverhalte anknupfen.^29 £5 wird vielmehr auf Absichten, Annahmen, Prognosen und Schatzungen abgestellt. „Da diese aber gemeinhin von den gewiinschten Ergebnissen determiniert werden, konnen die Rechnungslegenden die Bilanzierung immaterieller Vermogenswerte weitgehend gestalten/'^^o Es entsteht die Gefahr der Entobjektivierung durch zahlreiche Ermessensspielraume, die einer rechtssicheren Besteuerung bzw. einem geeigneten Glaubigerschutz entgegensteht.
diese Bedingungen erfiillt sind, unterliegt in der Regel der subjektiven Einschatzung der Untemehmensleitung. Vgl. Engel-Ciric 2002, S. 781. Beispiel in Anlehnung an Engel-Ciric: Ein Pharmaunternehmen bringt im Jahr 2005 ein neues Medikament auf den Markt. Die damit zusammenhangenden Forschungs- und Entwicklungskosten betragen von 2003-2005 400.000 Euro pro Jahr. Es bestehen drei Moglichkeiten der Bilanzpolitik. Entweder kann der gesamte Betrag als Forschungsaufwand erfasst werden mit der Begrtindung, die Abgrenzung zwischen Forschung und Entwicklung sei fliefiend und nicht abgrenzbar. Bei der zweiten Moglichkeit konnen nur im ersten Jahr die 400.000 Euro als Aufwand erfasst werden, in den letzten beiden Jahren werden die restlichen 800.000 Euro aktiviert, da nach 2003 die Entwicklungsphase eingetreten sei. Entsprechend kann ein Ubergang auch im Jahr 2005 erfolgen, so dass nur 400.000 Euro oder ein niedrigerer Betrag aktiviert werden. Die Ermessensspielraume fiihren zu einem faktischen Ansatzwahlrecht der Entwicklungskosten. Vgl. auch Baetge/von Keitz 2003, Tz. 49 f. und 59 zu IAS 38; Kuting/Daxvo 2002, S. 1162; Kiiting/Wohlgemuth 2004, S. 12; Ludenbach/Hoffmann 2002, S. 233 f.; Selchert/Erhardt 2003, S. 78 f. Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des ktinftigen Nutzens ist als abstraktes Aktivierungsmerkmal nach IAS 38.20 von der subjektiven Einschatzung der Untemehmensleitung abhangig. Auch hier offnen sich Ermessensspielraume. Vgl. Kuting/Dmvo 2002, S. 1157-1163. Euler 2002, S. 877.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
3)
153
Passivierungsgrundsatze
Eine Passivierung ist fiir den Glaubigerschutz unzweckmafiig, wenn ein unvollstandiger Ausweis der sicheren und unsicheren Schulden erfolgt.^^^^ Ein Ansatz von Schuldposten nach lAS/IFRS setzt voraus, dass eine aus einem vergangenen Ereignis resultierende Verpflichtung besteht. Dabei muss es wahrscheinlich sein, dass es zu einem Abfluss von Ressourcen kommt, um die Verpflichtung zu begleichen. Aufierdem muss eine zuverlassige Schatzung der Verpflichtungshohe moglich sein (IAS 37.14), deren Eintrittswahrscheinlichkeit iiber 50% zu betragen hat (more likely than not), was allerdings schwierig nachzuweisen ist und erhebliche Spielraume beinhaltet.^'^^ Beziiglich der Riickstellungen kann es nach lAS/IFRS zu einem unvoUstandigen Schuldenausweis kommen, wenn sehr wahrscheinliche Verbindlichkeiten nicht angesetzt werden, weil sie der Hohe nach nicht verlasslich geschatzt werden konnen.^"^"^ In Deutschland ist aufgrund der iiberragenden Bedeutung des Vorsichtsprinzips eine Schuldposition eher anzusetzen.^^^ Das HGB beinhaltet in § 249 HGB einen Katalog von abschlielienden Riickstellungen, fiir die eine Ansatzpflicht Oder ein Wahlrecht besteht. Fiir andere Zwecke diirfen diese nicht gebildet werden. Beziiglich der Einschatzung der Wahrscheinlichkeit ist aufgrund des Vorsichtsprinzips eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit als 50% ausreichend.6^5 Auch der Nichtansatz von Aufwandsriickstellungen kann zu einem unvoUstandigen Schuldenausweis fiihren. Allerdings ist deren Ansatz auch durch Unsicherheit gepragt.
Vgl. Kahle 2003, S. 269. Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer RechtswissenscJiaft 2002, S. 2374; Kiiting/Wohlgemuth 2004, S. 14; Pellens/Fulhier/Gassen 2004, S. 385. Vgl. auch Engel-Ciric 2002, S. 783; Kahle 2003, S. 269; Streim/Esser 2003, S. 741. Vgl. Meyer/Meisenhaclier 2004, S. 571. Vgl. Pellens/Fulhier/Gassen 2004, S. 398.
154
Zweiter Hauptteil
b)
Bewertung
1)
Neubewertung von Sachanlagevermogen
Im Rahmen der Folgebewertung immaterieller Vermogensgegenstande und Sachanlagen besteht ein explizites Wahlrecht, die fortgefiihrten Anschaffungskosten oder den hoheren Zeitwert im Rahmen einer Neubewertung anzusetzen (IAS 16.29; 38.72). Wenn im Rahmen der Neubewertung der Fair Value^^^ angesetzt wird, muss dessen Auspragung bestimmt werden. Oft ist ein Riickgriff auf den Marktwert gegeben (z.B. Berechnung durch Gutachter) (IAS 16.31). Existiert aufgrund der speziellen Beschaffenheit der Sachanlage kein Marktwert, so muss der Fair Value anhand des Ertragswertverfahrens oder der fortgefiihrten Wiederbeschaffungskosten abgeleitet werden (IAS 16.33). Im Rahmen des Ertragswertverfahrens bestehen unter anderem Ermessensspielraume hinsichtlich der Bestimmung der Gewinnprognosen und der Zins- und Steuereffekte.637 Durch die Neubewertung von Sachanlagen^^* und den Ansatz von objektiv haufig kaum nachpriifbaren Zeitwerten ergibt sich die Moglichkeit fiir das 636
Der Fair Value ist gemafi IAS 39.9 bestimmt als der beizulegende Zeitwert, „zu dem zwischen sachverstandigen, vertragswilligen und voneinander unabhangigen Geschaftspartnem ein Vermogenswert getauscht oder eine Schuld beglichen werden konnte''. Die Bestimmung ist schwierig, da fiir viele Sachverhalte kein verlasslicher Wert existiert. Daher wird je nach Bilanzierungssachverhalt auf Hilfsgrofien zuriickgegriffen, z.B. den Borsen- oder Marktpreis (Market Value), auf Basis von Marktdaten geschatzte Werte, Barwert (Present Value), Ertragswert (Income Approach) sowie Wiederbeschaffungskosten (Current Costs). Die Wahl der Auspragungsform des Fair Value wird haufig als faktisches Wahlrecht gesehen. Vgl. Kiiting/Reuter 2005, S. 707 und 711.
637
Vgl. Kuting/Reuter 2005, S. 713.
638
Die Buchung der Neubewertungsriicklage (NBR) erfolgt bei Erhohung des Buchwertes erfolgsneutral (IAS 16.39). Zur Auflosung in den Folgeperioden wird die NBR anteilig in die Gewinnriicklagen umgebucht. Die Abschreibung erfolgt auf Basis des Neubewertungsbetrages. Vgl. Hoffmann/Ludenbach 2003, S. 566. Abwertungsbetrage aus einer Neubewertung sind dagegen grundsatzlich ergebniswirksam iiber die GuV zu erfassen (vgl. IAS 16.40). Eine erfolgswirksame Erfassung iiber die GuV erfolgt auch, wenn die Aufwertung eine friihere ergebniswirksame Erfassung einer Wertminderung des Vermogenswertes umkehrt. Besteht eine erfolgsneutral gebildete (Fortsetzung der Fufinote auf der nachsten Seite)
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
155
Management, die Vermogens- und Eigenkapitalstruktur je nach bilanzpolitischer Zielsetzung zu beeinflussen.^^^ Wenn der Fair Value liber den Anschaffungskosten liegt, erfolgt eine Bilanzverlangerung durch den hoheren Buchwert der Sachanlagen sowie den Ausweis der Neubewertungsriicklage und der passiven latenten Steuem. Aufierdem wird eine hohere Eigenkapitalquote ausgewiesen.^o Dieses „zusatzliche" Eigenkapital wird als zweitklassig bezeichnet, da es im Insolvenzfall aufgrund der oftmals ungenauen Bestimmung der Zeitwerte mit grofien Unsicherheiten verbunden ist.^^ An der sukzessiven Umbuchung in die Gewinnrucklage wird kritisiert, dass die ausschiittungsgesperrte Neubewertungsriicklage teilweise in frei verfiigbare Gewinnriicklagen umgewandelt werden kann.^2 Dadurch steigt das Ausschiittungspotential und die Gefahr der Ausschiittung unrealisierter Gewinne, was gegen den Glaubigerschutz verstol^t.
2)
Folgebewertung von Finanzanlagen und Immobilien zur Finanzinvestition
Wahlrechte und Ermessensspielraume bestehen weiterhin bei der Klassifizierung von Finanzinstrumenten (IAS 39), vor allem in der durch das Improvement Project neu definierten Kategorie der Finanzinstrumente, die ergebniswirksam folgebewertet werden (Financial Instruments at Fair Value through
Riicklage aus Vorperioden, so ist ein Neubewertungsverlust zunachst erfolgsneutral gegen die Rucklage zu buchen (IAS 16.40). Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 294 f. Vgl. Engel-Ciric 2002, S. 782. Eine gewisse Objektivierung tritt dahingehend ein, dass eine Neubewertung nur innerhalb einer Gruppe von gleichartigen Vermogenswerten durchgefiihrt werden darf (IAS 16.34). Vgl. Kuflmaul/Tcherveniachki 2005, S. 619. Aufgrund der hoheren Abschreibungsbasis wird allerdings eine schlechtere Ertragslage in den Folgeperioden vorliegen. Vgl. Kiiting/Wohlgemuth 2004, S. 12; Tanski 2004, S. 1845. Vgl. Kuting/Wohlgemuth 2004, S. 12. Vgl. Bucholz 2003, S. 1945. Durch die anteilige Umbuchung wird unterstellt, dass die Wertsteigerung durch die weitere Nutzung teilweise realisiert wird. „Das ist aber nur der Fall, wenn die erhohten Abschreibungen am Markt verdient werden.'' Bucholz 2003, S. 1946. Zur Gewinnrucklage vgl. Federmann 2000, S. 283.
156
Zweiter Hauptteil
Profit or Loss).643 Hierunter fallen wie bisher zu Handelszwecken gehaltene Finanzinstrumente (Trading Investments)^^ sowie Derivate (mit Ausnahme von Sicherungsgeschaften) (IAS 39.9). AuEerdem konnen alle Finanzinstrumente, die unter den IAS 39 fallen, bei Erstbilanzierung dieser Kategorie zugeordnet werden. Fine Umklassifizierung in den Folgejahren ist jedoch grundsatzlich unzulassig (IAS 39.50). Die Bewertung hat zum Fair Value zu erfolgen (sog. Fair Value-Option).^5 Wertanderungen sind erfolgswirksam zu beriicksichtigen. Es liegt somit ein explizites Wahlrecht vor, ein Finanzinstrument bei Zugang so zu klassifizieren, dass eine Fair Value-Bewertung sowie die erfolgswirksame Erfassung der Wertanderungen erfolgt. Die anderen drei Kategorien sind wie vor dem Improvement Project zu unterscheiden in: Forderungen und Verbindlichkeiten (Loans and Receivables)^^, bis zur Endfalligkeit zu haltende Finanzinvestitionen (Held to Maturity Investments), die zu Anschaffungskosten angesetzt werden, zur Veraufierung verfiigbare finanzielle Vermogenswerte (Available for Sale Investments), die Vgl. Kuting/Reuter 2005, S. 709; Kuhn/Scharpf 200A, S. 261; Loiv/Schildbach 2004, S. 876. Diese sind Teil eines Portfolios und wurden primar mit der Absicht erworben, sie kurzfristig zu verkaufen, um Gewinne zu erzielen. Aufgrund heftiger Kritik (Wahlrechtsgewahrung, unangemessene Anwendung moglich, hohere Volatilitaten) vor allem der Banken wurde diese Fair Value-Option durch einen im April 2004 verabschiedeten ED eingeschrarJct. Vgl. Barckow 2004, S. 793-798; Pellens/Fiilbier/Gassen 2004, S. 492. Auch dieser ED wurde kritisiert, so dass das lASB am 06.12.2004 sowie am 22.02.2005 zwei vorlaufige Entwiirfe fiir einen neuen Ansatz der Fair Value-Option vorlegte. Vgl. lASB Second Preliminary Draft 2005; Jerzemhek/Grojk 2005, S. 224. Die EU-Kommission hat den IAS 39 am 19.11.2004 mit der Fair Value-Option, die sich allerdings auf Aktiva beschrankt, endorsed. (Auch diese Variante rief heftige Kritik hervor, da sich fiir Aktiva ein grofierer Anwendungsbereich ergibt, Passiva hingegen voUstandig ausgeschlossen sind. Vgl. Jerzembek/Grojk 2005, S. 224.) Aufierdem hat sie bestimmte Passagen zum Hedge Accounting nicht iibernommen. Am 16.06.2006 erliefi das lASB nach Round Table Gesprachen mit alien Beteiligten dann einen Amendment zu IAS 39, das Einschrankungen zur Fair ValueOption (IAS 39.9) vorsah, z.B. muss das Finanzinstrument Teil eines Portfolios sein. Vgl. Schmidt 2005, S. 270. Das ARC, der EU-Regelungsausschuss fiir Rechnungslegung, kiindigte in der Sitzung vom 08.07.2005 das baldige Endorsement der Regelung an. Vgl. ARC 2005. Diese werden zu Anschaffungskosten bewertet.
Eignung des IAS/ IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
157
zum Fair Value erfasst werden, bei Wertanderungen jedoch erfolgsneutral iiber eine Riicklage zu bilanzieren sind.^^ Die Zeitwertbilanzierung ist hinsichtlich des Glaubigerschutzes kritisch zu sehen, da der Fair Value gegeniiber einer Bewertung zu Anschaffungskosten ungewiss ist.^^ Solange aus einer Bewertung zum Fair Value keine zusatzlichen Ausschiittungen im Vergleich zu einer Bewertung zu Anschaffungskosten entstehen, verstofit sie - bis auf den unsicheren Vermogensausweis - nicht gegen das Glaubigerschutzprinzip. Bei der neu definierten oben genannten Klasse sind die Wertanderungen allerdings erfolgswirksam zu verbuchen, was - in dem Fall, in dem der Fair Value iiber den fortgefiihrten Anschaffungskosten liegt - zur Ausschiittung unrealisierter Gewinne fiihren kann.^^ Bei Immobilien, die als Finanzinvestitionen gehalten werden^^o^ hat das Unternehmen die Option zwischen einer Zeitwertbewertung und einer Bewertung zu historischen Kosten unter Beriicksichtigung kumulierter Wertminderungsaufwendungen (IAS 40.30).^^i Gewinne und Verluste durch Anderungen des beizulegenden Wertes sind in der Periode erfolgswirksam zu beriicksichtigen, in der sie entstanden sind (IAS 40.35). Hier besteht wiederum das Problem des moglichen Ausweises unrealisierter Gewinne. Da i.d.R kein Markt- oder Borsenwert fiir die Immobilien existiert, ist gemafi IAS 40.45 der aktuelle Preis von vergleichbaren Immobilien heranzuziehen. Wenn dieser nicht ermittelbar
Vgl. Gninberger/Griinberger 2004, S. 120. Das Wahlrecht, die Folgebewertung entweder erfolgsneutral oder erfolgswirksam durchzufuhrer\, ist aufgrund oben genannter Neuregelung entfallen. Vgl. Bieker/Hackenberger 2004, S. 1627. Vgl. Ka/i/e 2003,5.269. Um eine glaubigerschiitzende Vorgehensweise zu realisieren, miissten - unterstellt, dass der Fair Value oberhalb der Anschaffungskosten liegt - z.B. Zuschreibungen uber die fortgefiihrten Anschaffungskosten hinaus mit einer Ausschiittungssperre versehen werden oder Gegenbuchungen in Riicklagen erfolgen, die nicht zur Ausschiittung heranziehbar sind. Vgl. Streim/Esser 2003b, S. 784 . Dies sind Immobilien, die im Rahmen eines Finanzierungsleasingverhaltnisses dazu dienen, Miete, Pacht oder sonstige Einkiinfte zu erzielen. Vgl. Pellens/Fiilbier/Gassen 2004, S. 302. Bei Bewertung zum beizulegenden Zeitwert miissen samtliche als Finanzinvestition gehaltene Immobilien neu bewertet werden.
158
Zweiter Hauptteil
ist, muss der beizulegende Zeitwert anhand von Preisen alterer Transaktionen oder durch Diskontierung zukiinftiger Cashflows bestimmt werden (IAS 40.46). Diese Bewertung ist wiederum mit erheblichen Ermessensspielraumen verbunden, da Immobilien grundsatzlich unterschiedlicher Natur sind, die Zu- bzw. Abschlage von veralteten Marktpreisen nicht objektiv nachprufl?ar sind und die Bestimmung der Cashflows sowie des Diskontierungszinssatzes ebenfalls unzureichend genau prognostiziert werden konnen.^^^
3)
Langfristfertigung
Im Bereich der Langfristfertigung erfolgt der Gewinnausweis grundsatzlich gemafi der Percentage of Completion-Methode (POC) entsprechend dem Fertigstellungsgrad, d.h. Auftragserlose und -kosten sind entsprechend dem Leistungsfortschritt am Bilanzstichtag zu erfassen (IAS 11.22).653 Dies impliziert ggf. den Ausweis unrealisierter Gewinne. In Deutschland erfolgt der Gewinnausweis erst bei endgiiltiger Fertigstellung und Abnahme. Der Gewinn ist bei Anwendung der lAS/IFRS in den einzelnen Fertigstellungsperioden entsprechend hoher.654 Die handelsrechtliche Regelung entspricht eher dem Glaubigergedanken, da unrealisierte Gewinne grundsatzlich nicht im Voraus ausgeschiittet werden diirfen.^^s Aufierdem bestehen nach IAS 11 einige Ermessensspielraume: Die POC-Methode kann nur bei einer verlasslichen Schatzung des Auftragsergebnisses angewendet werden (IAS 11.22), ansonsten ist lediglich eine begrenzte Erlosrealisierung bis zu den angefallenen Auftragskosten moglich (sog. verkiirzte POC-Methode).^56 Hier liegt ein (verdecktes) Wahlrecht beziiglich einer zuverlassigen Schatzung des Ergebnisses vor. Dabei ist einer Bestimmung der Auftragskosten und -erlose im Rahmen von Festpreisvertragen Grenzen gesetzt. Bei den Auftragserlosen konnen z.B. Zusatzerlose auf652
Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 312.
653
Vgl. Freidank 1989, S. 1203; Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 353.
654
Vgl. Rossmanith/Funk 2002, S. 1231.
655
Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch in Deutschland eine Teilgewinnrealisierung moglich. Vgl. E-DRS 17; Freidank 1989, S. 1199-1204; Kahle 2003, S. 269; Kumpel 2002a, S. 440 f.
656
Vgl. IAS 11.32; Seeberg 2003, S. 9.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
159
grund von spateren Abweichungen, Nachforderungen oder Pramien anfallen, die zu Beginn des Auftrages nur grob geschatzt werden konnen.^s? Auch die Bestimmung der Auftragskosten beinhaltet Ermessensspielraume, da in der Kegel keine hinreichenden Erfahrungswerte iiber die Kosten des individuellen Produktes existieren. Weiterhin ist das unsichere Preisniveau der nachsten Jahre zu beriicksichtigen. Somit kann die Wahl der POC oder der verkiirzten POC und damit die Hohe der jahrlich anfallenden Ertragsrealisierung beeinflusst werden. Bei der Ermittlung des Fertigstellungsgrades besteht ein implizites Wahlrecht beziiglich der Methoden (Cost-to-Cost, Effort-Expended, Units-of-Work-Performed-Method, Milestone-Method)^58^ die zu unterschiedlichen Fertigstellungsgraden und damit zu unterschiedlichen Teilgewinnen fiihren konnen.659 wjg bereits dargelegt, kann durch zahlreiche Ermessensspielraume die Hohe des jahrlichen Gewinnausweises durch die Unternehmensleitung zielgerecht beeinflusst werden.^^o
4)
Impairment-Test und Rxickstellungen
Auch der Impairment-Test beim derivativen Goodwill beinhaltet zahlreiche bilanzpolitische Spielraume, auf die genauer im Abschn. II.D.3.a)4) des vierten Hauptteils eingegangen wird. Rxickstellungen nach lAS/IFRS sind zum Barwert zu bewerten, wenn die Auswirkungen wesentlich sind (IAS 37.45). Diese Diskontierung ist im Rahmen des Glaubigerschutzes als unzweckmaf?ig anzusehen, da hohere VorabAusschiittungen moglich sind, so dass moglicherweise die in Zukunft zur Verfiigung stehenden Zahlungsmittel zur Befriedigung von Glaubigerinteressen nicht mehr ausreichen.^^ Nach deutschem Recht diirfen Riickstellungen nur abgezinst werden, wenn die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten ei-
Vgl. Kiiting/Wohlgemuth 2004, S. 14. Vgl. von Keitz/Schmieszek 2004, S. 123. Vgl. ADS International 2005, Tz. 109 zu Abschnitt 16. Zu ausgewahlten bilanzpolitischen Spielraumen vgl. Pottgiejkr/Velte/Weber 2005, S. 310-318. Vgl. Streim/Esser 2003b, S. 786; Franken 2001, S. 233 f.
160
Zweiter Hauptteil
nen Zinsanteil enthalten (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Dies tragt dem Gebot des voUstandigen Schuldenausweises und dem Nominalwertprinzip Rechnung.^2
Vgl. Winnefeld 2002, Tz. 1553 zu Kapitel E; Abschn. II.D.3.a)3) des vierten Hauptteils.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung c)
161
Konklusion
Die Tabelle 10 fasst die wesentlichen Ergebnisse des letzten Kapitels zusammen. Es wird deutlich, dass einige lAS/IFRS-Regelungen gegen deutsche Glaubigerschutzvorschrif ten verstofien konnen.
HGB
lAS/IFRS
Auswirkungen auf GlMubigerschutz bei tJbernahme der lAS/IFRS
Aktivierung Vermogens- Selbstandige gegenstande Verwertbarkeit allgemein
Vermogensgegenstand ohne selbstandige Verwertbarkeit kein Erfordernis der Einfiir Glaubigerschutz zelveraufierbarkeit ungeeignet Moglichkeit der Erzielung eines kiinftigen Nutzens (ermessensabhangig)
Selbsterstell- § 248 Abs. 2 HGB te immateAktivierungsrielle Ververbot mogensgegenstande des Anlagevermogens
Unbestinuntheit der An- Schwierige objektive satzkriterien, z.B. Wahr- Nachpriifbarkeit imscheinlichkeit des kiinf- materieller Werte tigen wirtschaftlichen Nutzens Zahlreiche ErmesFaktisches Ansatzwahlsensspielraume recht fiir Entwicklungs-> ungeeignet kosten
Explizite Vgl. Tabelle 22 Ansatzwahlrechte
Weniger Ansatzwahlrechte als im HGB
Weiterreichende Aktivierungsmoglichkeiten
Positiv
162
Zweiter Hauptteil
Passivierung 1 Allgemein
Vollstandiger Ausweis der Schulden aufgrund der grofien Bedeutung des Vorsichtsprinzips ist Schuld eher anzusetzen
Aus vergangenem Ereignis resultierende Verpflichtungen wahrscheinlicher Abfluss von Ressourcen zuverlassige Schatzung der Verpflichtungshohe
Durch Einschatzungsspielraume ist unvollstandiger Ausweis von Schuldposten moglich
Bewertung Neubewertung von Anlagevermogen, immaterielle Verm5gensgegenstande
Obergrenze Anschaffungskosten
Explizites Wahlrecht: fortgefiihrte Anschaffungskosten oder Neubewertung (in der Regel keine Erfolgswirksamkeit)
Unzweckmafiig, da objektiv kaum nachpriifbare Zeitwerte, Eigenkapital erhoht sich, im Insolvenzfall mit grofien Unsicherheiten verbunden
Finanzinstrumente
Obergrenze Anschaffungskosten
Explizites Wahlrecht zur Kategorisierung bei Finanzinstrumenten at Fair Value through Profit or Loss: erfolgswirksame Beriicksichtigung der Ertrage
Moglichkeit der Ausschiittung unrealisierter Gewinne (Finanzinstrumente at Fair Value through Profit or Loss)
Immobilien als Finanzinstrumente
Obergrenze Anschaffungskosten
Moglichkeit der AusExplizites Wahlrecht: schiittung unrealisierfortgefiihrte Anschaffungskosten oder Neuter Gewinne bewertung: objektiv kaum nachpriifbare Werte Erfolgswirksame Beriicksichtigung der Ertrage
Langfristfertigung
Grundsatzlich Percentage of CompletiCompleted on Methode: AuftragserContract-Methode lose und Kosten sind entsprechend dem Fertigstellungsgrad zu erfassen
Moglichkeit der Ausschiittung unrealisierter Gewinne Beeinflussung der Hohe der Ertrage durch zahlreiche Ermessensspielraume
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
Rtickstellun- Abzinsung nur, Abzinsungspflicht, wenn wenn VerbindAuswirkungen wesentgen lichkeit Zinsanteil lich enthalt
163
Hohere Ausschiittung durch Abzinsung moglich, kein vollstandiger Schuldenausweis moglich
Tabelle 10: Beispielhafte Darstellung zur Eignung einzelner lAS/IFRS- Regelungen fiir den Glaubigerschutz Die deutschen gesellschaftsrechtlichen Glaubigerschutzvorschriften nehmen Bezug auf das Eigenkapital, das Gesellschaftsvermogen und das Jahresergebnis. Die unterschiedlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften konnen zu erheblichen Abweichungen zum Vermogens-, Finanz- und Ertragsausweis nach HGB fiihren. Ihre Auswirkungen lassen sich nicht pauschal bestimmen. In zahlreichen empirischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass das Eigenkapital nach lAS/IFRS grundsatzlich hoher als nach HGB und der Jahresiiberschuss stark schwankend war.^^ Durch die Zweischneidigkeit der Bilanz
Vgl. Burger/Frolich/Ulbrich 2004, S. 360-366; Bocking/Herold/Mufiig 2004a, S. 669; Deloitte & Touche 2002, S. 9; Kiiting/Durr/Zwirner 2002, S. 9; Ordelheide 1998, S. 45; PWC 2002, S.27. Erhohungen des Jahresergebnisses sowie des Vermogensausweises in den ersten Perioden aufgnind einer Umstellung konnen aus folgenden Posten resultieren: Ansatzpflicht eines derivativen Firmenwertes, Ansatz eines Disagios, Aktivierung von Entwicklungskosten, Ansatz selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande. Die Moglichkeit der Neubewertung kann zu einer Erhohung des Anlagevermogens fiihren. Die Abschreibungen des Anlagevermogens sind nach deutschem Recht aufgrund der Anlehnung an steuerliche Vorschriften eher hoher bemessen (kiirzere Nutzungsdauem). Erhohungen des Jahresergebnisses resultieren aus der moglichen erfolgswirksamen Erfassung von Wertpapieren der Kategorie „ Assets or Liabilities at Fair Value through Profit or Loss", dem VoUkostenansatz bei den Herstellungskosten, der Teilgewinnrealisierung bei der Langfristfertigung, der Bildung aktiver latenter Steuern auf Verlustvortrage, dem Verbot des Ansatzes von Aufwandsriickstellungen. Auch durch den Wegfall der linearen Abschreibung des Goodwill entsteht in den Perioden, in denen nicht abgeschrieben wird, eine positive Auswirkung auf den Ge-
Zu einer Abnahme des Jahresergebnisses fiihrt in der Regel die Bewertung von Pensionsriickstellungen: Ein wichtiger zu beriicksichtigender Aspekt ist der Zinssatz, der nach lAS/IFRS auch zukunftige Gehaltssteigerungen beinhaltet und vom Kapital(Fortsetzung der Fufinote auf der ndchsten Seite)
164
Zweiter Hauptteil
ergeben sich jedoch zukiinftig umgekehrte Effekte.^^ Dies bedeutet, dass sich die Umstellungseffekte uber die Totalperiode in der Kegel wieder ausgleichen.^5 Problematisch fiir den deutschen Jahresabschluss ist eine mogliche hohere Ausschiittung zum Teil unrealisierter Gewinne. In der Zielsetzung der IFRS ist die Ermittlung eines ausschiittungsfahigen Ergebnisses nicht vorgesehen. Daraus resultieren einige Bilanzierungs- und Bewertungsbestimmungen, die eine am Vorsichtsprinzip ausgerichtete nominale Kapitalerhaltung nicht sicherstellen, „da auch nicht durch Verkaufstransaktionen iiber den Markt realisierte Nettovermogensmehrungen erfasst werden"^^. Die in Fuiinote 663 dargestellten Unterschiede resultieren vor allem aus der vorherrschenden Bedeutung des Accrual Principle nach IAS/IFRS und der Zuriickdrangung des Vorsichtsprinzips.^7 Darauf aufbauende Ausschiittungen bzw. Steuerzahlungen konnen mit dem Prinzip des institutionellen Glaubigerschutzes konfligieren. Die Wirkungsweise von Kapitalerhaltungsregeln wird durch die Ubernahme der IAS/IFRS beeintrachtigt.^^ Die Grenze des Kapitalschutzes wiirde zugunsten der Gesellschafter und zu Lasten des Gesellschaftsvermogens verlagert werden.^9 Durch erweiterte Aktivierungskriterien kann das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermogen gemafi § 30 Abs. 1 GmbHG schneller erreicht werden, obwohl die Werthaltigkeit aufgrund der zahlrei-
marktzins bestimmt wird. Mangels einer genauen Regelung im HGB orientiert sich die Bemessung der Pensionsriickstellungen in Deutschland am steuerlichen Teilwertverfahren nach § 6a EStG. Gemafi § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG sind die Verhaltnisse am Bilanzstichtag mafigebend, so dass keine zukunftigen Gehaltsentwicklungen einzubeziehen sind. Der Zinssatz betragt gemafi § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG 6%. Vgl. Burger/Frdlich/Ulbrich 2004, S. 362-366; Hussla 2005a, S. 37; Hussla 2005b, S. 31; Zwirner/Becker/Reuter 2004, S. 218 -227. 664
Vgl. Bucholz 2002, S. 1283.
665
Vgl. Rammert 2004, S. 587.
666
Hfl//er 2003, S. 415.
667
Vgl. Kuting/Durr/Zxvirner 2002, S. 10.
668
Vgl. Strobl 1996, S. 407.
669
Vgl. Schulze-Osterloh 1995, S. 136.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
165
chen Ermessensspielraume und der Ausweis unrealisierter Werte zum Teil fragwiirdig ist. Der mogliche Entzug von Haftungskapital ist ein wesentlicher Nachteil der lAS/IFRS-Umstellung aus Glaubigersicht.67o Auch Krisenwarnsignale durch Verlustanzeigepflichten (§ 92 Abs. 1 AktG; § 49 Abs. 3 GmbHG) biifien an Effektivitat ein, „wenn die mafigebliche Grofie Eigenkapital durch entsprechende Neubewertungen am ruhenden Vermogen ohne jeglichen Umsatzakt verandert werden kann"^7i Qer Verlust des halben Grund-/Stannmkapitals tritt bei unterstelltem hoherem Jahresergebnis, das sich zum Teil aus unrealisierten Grofien zusammensetzen kann, spater ein.^^^ Nicht nur die an die Rechnungslegung gekoppelten Gewinnverwendungsregeln und Kapitalerhaltungsregeln, sondern auch andere mit der Rechnungslegung verbundene Daten miissten modifiziert werden, z.B. gesellschaftsrechtliche Vorschriften wie die Riicklagendotierung gemafi § 150 AktG, die Gewinnverwendungsbeschlussaufstellung (§ 254 AktG), die Feststellung einer Uberschuldung oder die Einleitung eines Insolvenzverfahrens gemafi § 92 Abs. 2 AktG/§64GmbHG.673 Die Argumentation, die lAS/IFRS leisten einen besseren Glaubigerschutz, da sie geringere bilanzpolitische Moglichkeiten beinhalten, konnte nicht bestatigt werden.^74 Qie lAS/IFRS beinhalten zwar wenig Ansatzwahlrechte, jedoch zahlreiche Ermessensspielraume und faktische Wahlrechte.^75 Beziiglich der Bewertung konnen explizite Wahlrechte festgestellt werden, z.B. bei der Ein-
670
Vgl. Buclwlz 2002, S. 1283. Vgl. auch Watrin 2001, S. 936.
671
Strobl 1996, S. 407.
672
Das Eigenkapital nach lAS/IFRS hat Informationscharakter, keine Haftungsqualitat wie das gemafi § 266 Abs. 3 HGB auszuweisende Eigenkapital. Nach lAS/IFRS besteht die Moglichkeit, durch Neubewertung des Vermogens eine Hoherbewertung (z.B. in Form einer Neubewertungsriicklage) einzufiihren, so dass das Eigenkapital nach lAS/IFRS nicht mit dem deutschen zu vergleichen ist. Vgl. ADS International 2005, Tz. 116-120 zu Abschnitt 7; Selclwrt/Erhardt 2003, S. 153 f.; Strohl 1996, S. 399.
673
Vgl. Hfl/ter 2003, S. 415.
674
Vgl. Burger/Buchhart 2000, S. 2200; Engel-Ciric 2002, S. 780; Kahle 2003, S. 266; Kirsch
675
Vgl. Kuting/Reuter 2005, S. 711.
2002a, S. 753; Muller/WulfimX
S. 2213.
166
Zweiter Hauptteil
beziehung von Fremdkapitalzinsen fiir sog. Qualifying Assets (IAS 2.17)^76^ der Wahl zwischen der FiFo-Methode und dem Durchschnittsverfahren (IAS 2.25-27) im Rahmen der Bewertungsvereinfachungsverfahren. Bei der Neubewertung von Sachanlagen kann zwischen dem Fair Value und den fortgefiihrten Anschaffungskosten gewahlt werden (IAS 16.29). Verdeckte Wahlrechte sind - wie bereits dargestellt - z.B. bei der Abgrenzung von Entwicklungs- und Forschungskosten im Rahmen der Aktivierung von selbsterstellten Vermogenswerten, bei der Langfristfertigung, den latenten Steuern auf Verlustvortrage sowie der Riickstellungsbildung und -bewertung festzustellen.^^y Ermessensspielraume liegen z.B. bei der Abgrenzung von Herstellungs- bzw. Erhalhmgsaufwendungen, im Bereich des Leasing, der Klassifizierung von Finanzinstrumenten festgestellt vor.^^s Durch die Unbestimmtheit einiger lAS/IFRSBegriffe (z.B. Fair Value) werden weitere bilanzpolitische Spielraume eroffnet.679 Eine Moglichkeit zur Bildung und Auflosung von stiUen Reserven, die wie in Abschn. III.C.l. dieses Hauptteils beschrieben - glaubigergefahrdend sein kann, besteht somit auch nach lAS/IFRS.^o Im Schrifttum wird zum Teil konstatiert, dass mit Riickgriff auf Internationale Rechnungslegungsnormen den Informationsinteressen der Investoren in hoherem Mafie entsprochen wird als bei Anwendung der HGB-Vorschriften.^^ Die lAS/IFRS konnen informativer sein, da sie dem Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung konsequenter folgen und weitreichende Offenlegungsanforderungen vorsehen.^^ Auch die Erganzung des Abschlusses um Qualifying Assets sind Vermogensgegenstande, die einem langeren Herstellungsprozess unterliegen, z.B. selbsterstellte Anlagen oder Waren mit langer Reifezeit. Vgl. Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer 2004a, S. 853. Vgl. Kiiting/Reuter 2005, S. 711; Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer 2004a, S. 853-857. Vgl. Muller/Wulf 2001, S. 2207. Vgl. Hoffmann 2000, S. 827; Kiiting/Reuter 2005, S. 713; Meyer 2005a, S. 41 f.; Meyer 2005b; von Keitz 2003, S. 1802. Vgl. Kahle 2003, S. 268 f. Zur Problematik der Nichtberiicksichtigung von stillen Lasten in der lAS/IFRS-Rechnungslegung vgl. Schildhach 2005, S. I. Vgl. Burger/Buchhart 2000, S. 2200. Vgl. Mandler 2003c, S. 680. Allerdings wird hier schon von einem „ Information Overflow'' gesprochen, da ein nachvoUziehbarer Einblick in die Untemehmenslage auf(Fortsetzung der Fuflnote auf der nachsten Seite)
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
167
eine Segmentberichterstattung, Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalveranderungsrechnung tragt zur Informationsverbesserung bei.^^ Jedoch muss beachtet werden, dass zahlreiche implizite Wahlrechte und Ermessensspielraume existieren, die den Informationsgehalt beeintrachtigen. Dies bestatigte auch eine empirische Untersuchung aus dem Jahr 2003, die eine uneinheitliche Bilanzierungspraxis der 100 untersuchten Konzernabschliisse feststellte und eine mangelnde Vergleichbarkeit der Informationen bescheinigte.^*^ Diese Uneinheitlichkeit wurde aufgrund der unterschiedlichen Ausnutzung von Wahlrechten und zahlreicher Ermessensspielraume (z.B. Schatzungen im Rahmen der Abschreibungen^s und Riickstellungen, Spielraume bei der Auslegung von Vorschriften^^, Spielraume bei bisher ungeregelten Sachverhalten (wie z.B. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme) ausgelost. Auch die durch den dynamischen Anderungsprozess der lAS/IFRS anfallenden Anpassungen fiihren zur eingeschrankten Vergleichbarkeit.^^ Zur Vorteilhaftigkeit des informationellen Glaubigerschutzes ist festzustellen, dass Informationen Glaubigerschutzregelungen nicht ersetzen konnen, denn der Schutz durch eine feste Kapitalaufbringung und -erhaltung ist wirksamer als durch moglicherweise irrtums- oder manipulationsbehaftete Informationen.^*
gnind der Vielzahl an Informationen nicht mehr moglich ist. Vgl. Kiiting/Reuter 2005, S. 712. Vgl. Marten/Schlereth/Crampton/Kohler 2002, S. 2009. Diese Berichterstattungsinstnimente wurden durch das BilReG fiir Konzerne ubemommen, die Segmentberichterstattung ist allerdings wahlweise zu erstellen (§ 297 Abs. 1 HGB). Vgl. von Keitz 2003, S. 1801-1806. Die Bestimmung der Abschreibungsdauer variiert bei den untersuchten Unternehmen stark. So wird EDV-Hardware bei einigen Untemehmen iiber zwei Jahre, bei anderen iiber zehn Jahre abgeschrieben. Vgl. von Keitz 2003, S. 1802. Der Ansatz immaterieller Vermogensgegenstande ist von verschiedenen Kriterien abhangig (IAS 38.45). Diese enthalten zahlreiche Auslegungsspielraume. So ist z.B. der Zeitpunkt der technischen Realisierbarkeit schwierig bestimmbar. Vgl. von Keitz 2003, S. 1802. Vgl. Kufimaul/Tcherveniachki 2005, S. 619; Kuting/Ranker/Wohlgemuth 2004, S. 98. Vgl. Siegel 1997, S. 124.
168
Zweiter Hauptteil
Festzustellen ist, dass ein lAS/IFRS-Abschluss im Rahmen des Glaubigerschutzes nicht uneingeschrankt zur Begrenzung der Gewinnausschiittung geeignet ist^^ und dass einige lAS/IFRS die Anforderungen an einen gesellschaftsrechtlich gepragten und bilanzrechtlich verankerten Kapitalschutz, wie er in Deutschland existiert, nicht erfiillen.^^o Eine Ubemahme ohne Anpassungen der gesellschaftsrechtlichen Regelungen ist nicht zielfiihrend. Im Folgenden soUen daher mogUche Altemativen und Modifikationen zum deutschen Glaubigerschutzsystem aufgezeigt und hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit beziiglich der Implementierung in deutsches Recht erortert werden. Dabei sind auch europaische Vorgaben zu beachten.
Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtsivissenschaft 2002, S. 2373 f.; Busse von Colbe 2002c, S. 170; Kahle 2003, S. 269; Kirsch 2002a, S. 753; Moxter 2001a, S. 606. Anderer Auffassung: Bocking 2002, S. 928. Vgl. Kahle 2002a, S. 695; Schon 2001, S. S76.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
D.
Kiinftige Gestaltungsmoglichkeiten des Glaubigerschutzes
1.
Reformbestrebungen in der Europaischen Union und in Deutschland
169
Bei unterstellter langfristiger pflichtgemafier Erstellung des Jahresabschlusses in Deutschland nach den lAS/IFRS bedarf es einer Klarung, wie die tradierten Regeln zur Kapitalerhaltung und Kapitalaufbringung modifiziert werden konnen. Dabei spielen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben eine gro6e Rolle. Auf der einen Seite wirken die intemationalen Standards auf das deutsche Gesellschaftsrecht ein, auf der anderen Seite gerat es jedoch auch durch europaische gesellschaftsrechtliche Reformbestrebungen unter Druck. Durch die jiingsten Urteile des EuGH (Centros^^i^ Uberseering^92^ Inspire Art^^s) geraten deutsche Gesellschaftsformen zunehmend in Wettbewerb mit denen anderer europaischer Staaten, in denen zum Teil weniger strenge Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften gelten.694 jn dem am 15.04.2005 vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals
Vgl. Fufinote 573. EuGH-Urteil vom 05.11.2002. Danach fiihrt eine grenziiberschreitende Sitzverlegung nicht zum Verlust der Rechts- und Parteifahigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht ihres Grtindungsstaats. Zu den Urteilen Centres und Uberseering, vgl. Goette 2005, S. 197-201; Westphal 2004, S. 388-393. Vgl. EuGH-Urteil vom 30.09.2003, S. 2219. Danach kormten z.B. nach britischem Recht gegrundete Gesellschaften, die kein Mindestkapital benotigen, ihren Sitz nach Deutschland verlegen, ohne im Handelsregister den Zusatz Ltd. einzutragen. So ist es moglich, Gesellschaften z.B. in Grofibritannien zu griinden, die ihren Verwaltungssitz und meist die ausschliefiliche Geschaftstatigkeit im Inland entfalten, um die deutschen Mindestkapitalvorschriften zu umgehen. Dazu kritisch Creutz 2005, S. 36; KloseMokrofi 2005, S. 1013-1018; Priester 2005, S. 1315-1320. Zum Glaubigerschutz im englischen Gesellschaftsrecht vgl. Broder 2005, S. 302; Micheler 2004, S. 324-347. Vgl. Bayer 2004, S. 4; Rammert 2004, S. 579; Westphal 2004, S. 391-393. Ferner sieht die jiingste Rechtsprechung des BGH vor, dass eine nach den Gesetzen des USBundesstaates Delaware gegrundete Kapitalgesellschaft aufgrund des DeutschAmerikanischen Freundschaftsvertrags in Deutschland anzuerkennen ist, so dass es nicht auf den Verwaltungssitz (Deutschland), sondern das Griindungsrecht ankommt. Vgl. BGH-Urteil vom 05.07.2004, S. 186; Fleischer 2005, S. 92-97.
170
Zweiter Hauptteil
der GmbH (MindestkapG)^^^ wurde daraufhin das gesetzliche Mindestkapital von 25.000 € auf 10.000 € abgesenkt. Dies geschah im Hinblick auf die EuGHRechtsprechung sowie den zunehmenden Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen in Europa.696 Eine voUstandige Abschaffung ist allerdings nicht geplant.697 In einem „Aktionsplan zur Modemisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance" vom 21.05.2003 ^^* veroffentlichte die Europaische Kommission die von der sog. Hochrangigen Expertengruppe erarbeiteten Empfehlungen zur Modemisierung des europaischen Gesellschaftsrechts.6^ Die darin beschlossenen Malinahmen^oo werden in kurz-, mit-
Vgl. BMJ RegE MindestkapG 2005. Am 01.06.2005 hat das Bundeskabinett den Regienmgsentwurf beschlossen. Vgl. BM] RegE MindestkapG 2005, S. 4. Weitere Reformbestrebungen des GmbHRechts zur Bekampfung von MissbrSuchen (z.B. Verwertungsmoglichkeiten im Rahmen der Liquidation, Sanktionen bei missbrauchlicher Umgehung der deutschen Vorschriften zum Glaubigerschutz, indem die zum Teil weniger restriktiven Vorschriften anderer europSischer Mitgliedstaaten genutzt werden) soUen in einem zweiten Gesetz geregelt werden. Zu weiteren Regelungen der GmbH-Reform vgl. Steinbeis 2005, S. 3. Vgl. EU'Kommission 2003c. Am 25.02.2002 startete die Hochrangige Expertengruppe eine Online-Konsultation zur Reform des Gesellschaftsrechts. Vgl. Hochrangige Expertengruppe 2002a; Wiesner 2003, S. 213. Die KonsultationsbeitrSge fanden im Abschlussbericht der Hochrangigen Expertengruppe Eingang, den sie am 04.11.2002 vorlegte. Vgl. Hochrangige Expertengruppe 2002b. Eine unabhangige Expertengruppe, die 1999 im Rahmen der SLIMInitiative (Simpler Legislation for the Internal Market) berufen wurde, schlug im Jahr 2000 MalBnahmen zur Vereinfachung und Modemisierung der Zweiten Gesellschaftsrechtsrichtiinie vor, die im Konsultationspapier aufgegriffen wurden. Vgl. EUKommission 2000c. Die SLIM-Initiative wurde 1996 gegriindet und hat die Vereinfachung von Binnenmarktvorschriften zum Ziel. Themen sind die Einfuhrung eines euroj>aweiten Corporate GovemaiKre Systems, Reform der Regelungen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung, Vereinfachung von Untemehmensumstrukturierungen, Regelungsbedarf von Konzem- und Pyramidenstrukturen, die Frage nach weiteren europaischen Rechtsformen und Transparenz von Untemehmensinformationen.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
171
tel- und langfristige unterteilt. Im Rahmen dieser Arbeit soil lediglich auf die Reform der Glaubigerschutzvorschriften eingegangen werden. Bisher ist ein Bestandteil des Glaubigerschutzes das Mindestnennkapital, das bei Errichtung einer Gesellschaft aufgebracht werden muss. Die Hochrangige Expertengruppe kritisierte, dass der Mindestnennbetrag den Glaubigem nur einen geringen Schutz liefert, da das Kapital herabgesetzt und Riicklagen durch Verluste dezimiert werden k5nnten70i Der Mindestnennbetrag gebe nur einen ungenauen Hinweis auf die Fahigkeit eines Untemehmens zur Begleichung seiner Schulden. Die Hohe des im Jahresabschluss ausgewiesenen Kapitals erlaube keine Riickschliisse auf den Wert des Vermogens und die Erfolgsaussichten702 AulSerdem soUten harmonisierte Regelungen in Europa bestehen703 Die Hochrangige Expertengruppe hat zwei Konzepte zur Modifikation des Glaubigerschutzes vorgeschlagen. Die erste Alternative enthalt eher vorsichtige Vorschlage zur Weiterentwicklung des Kapitalwesens in einzelnen Bereichen. Hierzu wurde am 21.09.2004 ein Vorschlag zu einer Richtlinie erlassen.704 Mittelfristig ist geplant, bis 2008 eine Studie zu einem Altemativmodell
Vgl. Hochrangige Expertengruppe 2002b, S. 94. Vgl. Niehues 2001, S. 1215. „ Einem Mindestkapital kommt somit allenfalls im Stadium der Griindung Bedeutung zu, und zwar hier in der Funktion eines Seriositatsausweises und nicht als glaubigerschtitzendes Haftungssubstrat.'' Lutter 1998, S. 375. Vgl. auch Merkt 2001, S. 148; Schon 2004b, S. 165. Auch eine Insolvenz kann durch diese Kapitalaufbringung nicht verhindert werden. Vgl. Abschn. III.C.l. dieses Hauptteils. Ein Mindestnennkapital ist bei der englischen Limited nicht vorgesehen, und auch der franzosische Gesetzgeber hat 2003 die Regelungen iiber eine Mindestkapitalhohe aufgehoben. Vgl. zum Kapitalsystem weiterer Lander Rammert 2004, S. 580; Schon 2004b, S. 165; Wachter 2005, S. 717-730. Vgl. EU-Kommission 2004a. Darin wird unter anderem geregelt: Die Gesellschaften konnen unter bestimmten Voraussetzungen bei der Einbringimg von Sachanlagen auf eine Bewertung durch einen Sachverstandigen verzichten, der Erwerb eigener Aktien wird bis zur Hohe der ausschiittungsfahigen Riicklagen gestattet, bei einer Kapitalherabsetzung soUten Glaubiger unter bestimmten Voraussetzungen auf Gerichts- und Verwaltungsverfahren zuriickgreifen konnen. Vgl. IDW ERS HFA 9 n.F., S. 670-686; van Hulk/Maul 2004, S. 498.
172
Zweiter Hauptteil
fiir den Glaubigerschutz nach US-amerikanischem Vorbild durchzufuhrenJ^s Dabei soil unter anderem ein Solvenztest als Voraussetzung fiir eine Dividendenausschiittung analysiert werden. Je nach Ausgang dieser Studie ist langfristig (ab 2009) ein Altemativregime in die Zweite Richtlinie einzufiihren, das die Abschaffung des Mindestnennbetrages sowie eine neue Ausrichtung des Glaubigerschutzes vorsieht. Dieses System soil den Mitgliedstaaten als Wahlrecht zur Verfiigung gestellt werdenJ^ Unter anderem ist eine Solvenzpriifung vorgesehen, durch die Glaubiger besser geschiitzt werden konnten. Hierbei kann ein Untemehmen nur dann Ausschiittungen an die Gesellschafter vornehmen, wenn es danach zahlungsfahig bleibt^o^ Der Solvenztest nach EU-Vorschlag soil auf zwei unterschiedlichen KontroUen basiereni^os 1. Priifung der Bilanz oder des Nettovermogens: Die Aktiva miissen die Passiva (aufier Eigenkapital) auch noch unmittelbar nach der Ausschiittung abdecken bzw. iibersteigen. Im Konsultationspapier wurde der Vorschlag gemacht, dass das Vermogen die Verbindlichkeiten um mindestens 10% iibersteigen muss709 2. Liquiditatspriifung oder Vergleich des Umlaufvermogens mit kurzfristigen Verbindlichkeiten: Das Umlaufvermogen muss fiir die Bezahlung der Verbindlichkeiten bei Falligkeit in der nachsten Periode ausreichen. In einer Solvenzbescheinigung hat die Untemehmensleitung zu bestatigen, dass die Ausschiittung den Kriterien der Solvenzpriifung entspricht. Nachfolgende Abbildung stellt zusammenfassend die in den letzten Kapiteln dargestellten Einwirkungen auf das deutsche Glaubigerschutzsystem dar.
Vgl. Dejmek 2002, S. R 219. Vgl. EV-Kommission 2003c, S. 20 £.; Maul 2003, S. 30; Maul/Lanjermann/Eggenhojer 2003, S. 1294. Vgl. EU-Kommission 2003c, S. 21. Vgl. Hochrangige Expertengruppe 2002a, S. 27-29. Hochrangige Expertengruppe 2002b, S. 95 f, Vgl. Hochrangige Expertengruppe 2002a, S. 29.
Eignung des lAS/IFRS Abschlusses zur Kapitalerhaltung
173
Umsetzung
Bilanzrechtlicher Glaubieerschutz • durch Bilanzierungsgrundsatze • durch AusschUttungssperren
'" Deutschiand ^
GesellschaftsrechtlicherGiaubigerschutz '^"'^ • Kapitalaufbringungsvorschriften • Kapitalerhaltungsvorschriften • Verlustanzeigepflichten
Zweite EG-Richtlinie: - Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften fiir die AG - Zusammenhang zur Vierten EG-Richtlinie
Informationeller Gl^ubigerschutz
Erste EG-Richtlinie (informationeller GlSubigerschutz) Aktuelle Reformen in der EU:
Referentenentwurf eines Gesetzes Uber elektronische Handels- und Untemehmensregister (07.04.2005)
^
RegE Mindestkapitalgesetz (01.06.2005)
Vertrauensschutz in behOrdliches Verhalten - VerbotriickwirkenderSteuergesetze _ , .
Abbildung 8: Verfassungsrechtliche Prinzipien des Steuerrechts Das Ziel des formalen Rechtsstaates wird zunachst durch den Grundsatz der GesetzmaiSigkeit der Besteuerung verwirklicht. Steuerliche Eingriffe sind lediglich aufgrund einer Verfassung und von verfassungsmafiig erlassenen Gesetzen zulassig. Jede Steuer benotigt somit eine gesetzliche Grundlage.^^e ^ e r Grundsatz der Gesetzmafiigkeit der Besteuerung wird durch mehrere Prinzipien konkretisiert. Der Parlaments-^^? oder Gesetzesvorbehalt besagt, dass die Auferlegung von Steuerlasten dem Gesetz vorbehalten ist. Die Tatbestandsmafiigkeit der Besteuerung fordert, dass ein gesetzlicher Tatbestand erfiillt sein muss, an den das Gesetz als Rechtsfolge eine Steuer kniipft. Sow^ohl Tatbestand als auch Rechtsfolge miissen sich aus dem Gesetz ergeben.^^s Steuer-
856
Vgl Tipke 2000, S.12S.
857
Vgl. Stadie 2003, Tz. 64 zu § 2. Daher wird der Begriff der Tatbestandsmafiigkeit oft als verfehlt angesehen. Vgl. Birk 2004, Tz. 145 zu § 2; Tipke 2000, S. 128.
210
Dritter Hauptteil
tatbestande diirfen nicht als Ermessensspielraume ausgestaltet sein.^59 inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmafi des Eingriffs miissen normiert sein. Damit einher geht das Bestimmtheitsgebot. Es fordert, dass Rechtsvorschriften ausreichend bestimmt (Normenklarheit)^^ und somit verstandlich sind.^^^ „Unklare, unverstandlich formulierte Steuergesetze verunsichern die Steuerpraxis, werfen iiberfliissige Zweifelsfragen auf, verzogem Entscheidungen, erschweren die Vorhersehbarkeit von Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen/'^^^ Es muss ein konkretes Normensystem geben, das Art und Umfang des steuerlichen Eingriffs ftir den Steuerpflichtigen vorhersehbar macht und eine Planbarkeit der Steuerzahlung gewahrleistet.^^s Weiterhin diirfen Rechtsverordnungen und Verwaltungsakte nicht gegen das Gesetz verstofien (Vorrang des Gesetzes).*^ Die formalen Rechtsstaatsprinzipien soUen Vertrauensschutz in behordliches Verhalten gewahren. Daher ist z.B. keine riickwirkende Verscharfung von Steuergesetzen erlaubt. Aul^erdem soil der Steuerpflichtige durch die formale Rechtsstaatlichkeit einen Ixickenlosen Rechtsschutz durch Gerichte erhalten (Art. 19 Abs. 4 GG).^^^ Die Steuergerechtigkeit als Ziel der materialen Rechtsstaatlichkeit wird durch das Prinzip der Gleichmafiigkeit der Besteuerung konkretisiert, das sich aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt und verlangt, dass alle Steuerpflichtigen durch ein Gesetz rechtlich und tatsachlich gleich belastet werden.^^ Es fordert „den willkiirfreien Ansatz objektiv feststellbarer und auf einfache Art berechenbarer Positionen"*^^ Wahlrechte bei Bilanzierung und Be-
859
Vgl. Weber-Grellet 1994, S. 289.
860
Vgl. Mellinghoff 2003, S. 15.
861
Vgl. Hennrichs 2001, S. 310.
862
Tipke/Lang 2002, Tz. 13 zu § 8.
863
Vgl. Eichhom 2001, S. 49.
864
Vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 150 zu § 4.
865
Vgl. TipUe/Lang 2002, Tz. 54 zu § 4.
866
Vgl. Weber-Grellet 1996a, S. 17; Tipke/Lang 2002, Tz. 71 zu § 4.
867
Weber-Grellet 1996a, S. 19.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
211
wertung sowie Ermessensspielraume sind mit dem Grundsatz der Gleichmafiigkeit der Besteuerung nicht vereinbar.^^ Das in Rede stehende Prinzip erfordert eine Verteilung der Steuerlasten nach dem Verhaltnis der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit auf die Steuerpflichtigen.^9 Dieses Prinzip stellt deren Fahigkeit dar, Steuem aus dem Einkommen zu zahlen.^70 Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfahigkeit sind gleich hoch zu besteuem (horizontale Leistungsfahigkeit), wahrend die Besteuerung hoherer Einkommen im Vergleich zur Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss (vertikale Leistungsfahigkeit).^^i Qegenstand der Steuerankniipfung ist die Veranderung der Leistungsfahigkeit zwischen zwei Stichtagen. Das Leistungsfahigkeitsprinzip gilt als Fundamentalgrundsatz der Steuergerechtigkeit.872 AUerdings wird sein Inhalt als zu ungenau angesehen, um prazise Regeln fxir die Besteuerung vorzugeben.*73 £§ bedarf der Konkretisierung, die vor allem durch die anderen verfassungsmafiigen Prinzipien erfolgt.874 In jahrzehntelanger Diskussion wurde jedoch keine iibereinstimmende Meinung zur Auslegung des Leistungsfahigkeitsprinzips gefunden. Es wird als „vage Ausformung eines allgemeinen Gerechtigkeitsbegriffs"^^^ bezeichnet. Das Verfassungsrecht kann lediglich Rahmen und Grenzen setzen; die Konkretisierung ist dem Gesetzgeber vorbehalten. „Daher lassen sich aus dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit keine
Vgl. Thiel 1990, S. 88; Weber-Grellet 1996a, S. 31. Vgl. Kiiting/Kessler 2000, S. 22; Lauth 2000, S. 1367; Tipke/Lang 2002, Tz. 81 zu § 4. Vgl. Birk 2000, S. 328 f.; Ti^ke 2000, S. 481; Kirchhof 19M, S. 298 f. Vgl. Jacobs 1971, S. 13; Mellinghoff 2003, S. 8; Weber-Grellet 2001a, S. 165. Als Altemativen zum Leistungsfahigkeitsprinzip werden das Kopfsteuer- und Aquivalenzprinzip diskutiert (Verteilungsprinzipien). Beim Kopfsteuerprinzip zahlt jeder gleich viel Steuern. Vgl. Tipke 2000, S. 473. Beim Aquivalenzprinzip richtet sich die Steuerbemessung nach der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen. Beide sind fiir die Steuerverteilung ungeeignet. Vgl. Birk 2004, Tz. 32 zu § 1; Lang 1988, S. 97; Tipke 2000, S. 480-488. Vgl. Spengel 2002, S. 8. Vgl. Birk 2004, Tz. 37 zu § 1; Tipke/Lang 2002, Tz. 13 und 84 zu § 4. Gassner/Lang 2000, S. 120.
212
Dritter Hauptteil
bilanzsteuerrechtlichen Regeln ableiten, sondem die bilanzsteuerrechtlichen Regeln miissen sich auf ihre Angemessenheit an den verfassungsrechtlichen (nicht den handelsrechtlichen) Vorgaben messen lassen/'^^e Als Indikatoren der Gestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage nach der Leistungsfahigkeit konnen das Einkommen, das Vermogen und der Konsum herangezogen werden.877 Bisher bemisst sich die Leistungsfahigkeit am erwirtschafteten, am Markt realisierten Einkommen.^^s Qer Gesetzgeber setzt als Indikator der Leistungsfahigkeit den Gewinn an (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG).879
876
Weber-Grelkt 2002a, S. 702. Vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 95 zu § 4, Die der Leistungsfahigkeit entsprechende Bemessungsgrundlage wird im Totalgewinn gesehen, da nur wenige Verfalschungen durch Bilanzierungs- und Bewertungsprobleme entstehen. Er kann jedoch nicht zur Besteuerung herangezogen werden, da durch die Abschnittsbesteuerung eine Periodisierung zu erfolgen hat. § 2 Abs. 7 EStG legt fest, dass die Einkommensteuer eine Jahressteuer ist und die Grundlagen fur ihre Festsetzung jeweils fiir ein Kalenderjahr zu ermitteln sind. Dabei treten zwangslaufig Bilanzierungs-, Bewertungs- und Abgrenzungsprobleme auf. Vgl. Sigloch 2004, S. 209. Der Einkormnensbegriff ist nach der Reinvermogenszugangstheorie ausgestaltet (sog. Schanz-Haig-Simons-Konzept). Diese geht von einer Besteuerung aller realisierten und nicht realisierten Einkommen aus. Einkommen ist der gesamte Zugang von Reinvermogen wahrend einer Periode. Der Ausweis und die Besteuerung der unreahsierten Gewinne nach lAS/IFRS wiirde dieser Theorie entsprechen. Da die Belastung der unrealisierten Vermogensmehrung dem Bestandsschutz widerspricht und die Vergleichbarkeit der Einkommen unter anderem aufgrund von Einschatzungsspielraumen nicht gegeben ist, hat sich dieses System nicht durchgesetzt. Es erfolgt eine Beschrankung auf das realisierte, am Markt bestatigte Einkommen. Dieser realisierte Wertzuwachs wird als ein sicherer Indikator der steuerlichen Leistungsfahigkeit angesehen. Diese „zuriickgeschnittene'' Theorie wird als Markteinkommenstheorie bezeichnet. Vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 187 f. zu § 4 und Tz. 32 zu § 8; Kirchhofl9S5, S. 327; Lang 1990, S. 121; Pezzer 1991, S. 12 f. Genau genommen werden Vermogensminderungen grundsatzlich im Zeitpunkt ihres Eintritts erfasst (Reinvermogenszugangstheorie), wahrend Vermogensmehrungen erst bei Realisation angesetzt werden (Markteinkommen). Anderer Auffassung: Siegel 2000a, S. 31. Die Abgrenzung der Begriffe wird in der Literatur uneinheitlich verwendet. Vgl. Kiiting/Kessler 2000, S. 23, die die Begriffe Reinvermogenszugang und -zuwachs benutzen. AUerdings ist auch der Gewinnbegriff unbestimmt. In § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG wird auf den handelsbilanziellen Gewinn verwiesen. Es wird vom „vollen" Gewinn ausge(Fortsetzung der Fufinote auf der nachsten Seite)
Gnindlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
213
Als steuerliche Gewinnermittlungsarten sind der Betriebsvermogensvergleich und die Einnahme-Uberschussrechnung vorgesehen.^^o Der Betriebsvermogensvergleich kann nach § 4 Abs. 1 EStG (AUgemeiner Betriebsvermogensvergleich) Oder nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG (voUstandiger Betriebsvermogensvergleich) erfolgen. Gewerbetreibende, die buchfxihrungspflichtig sind^*^ oder freiwillig Biicher fiihren, haben einen voUstandigen Betriebsvermogensvergleich durchzufxihren mit dem Gewinn als Differenz zwischen dem nach handelsrechtlichen GoB ausgewiesenen Betriebsvermogen am Anfang und Ende eines Wirtschaftsjahres, korrigiert um Einlagen und Entnahmen.^*^ Gewerbetreibende, die nicht zur Buchftihrung verpflichtet sind, konnen eine Einnahme-Oberschussrechnung als Bemessungsgrundlage wahlen (§ 4 Abs. 3 EStG).883
Die materialen Rechtsstaatsprinzipien der Gleichmafiigkeit und Gesetzmafiigkeit werden erganzt durch das Prinzip der sozialstaatlich gerechten Besteuerung sowie verfassungsrechtliche Schranken, wobei im Rahmen dieser Arbeit lediglich der Eigentumsschutz und das Ubermafiverbot betrachtet werden.
gangen. Die Definitionen der Rechtsprechung zum „vollen'' Gewinn sind jedoch zu unbestimmt. Vgl. BFH-Beschluss vom 03.02.1969, S. 293. Auf andere Arten, wie die Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittssatzen oder Schatzung, wird nicht eingegangen. Vgl. Weber-Grellet 1998, S. 1348. Es sind die derivative und originare Buchfiihrungspflicht zu unterscheiden. Wer nach handelsrechtlichen Vorschriften verpflichtet ist, Biicher zu fiihren, muss dieses auch in der Steuerbilanz wahmehmen (§ 140 AO: derivative Buchfiihrungspflicht). Unternehmen, die handelsrechtlich nicht verpflichtet sind, Biicher zu fiihren, fallen unter die originare Buchfiihrungspflicht des Steuerrechts, wenn sie Jahresumsatze von mehr als 350.000 Euro ausweisen oder der Gewinn aus Gewerbebetrieb mehr als 30.000 Euro betragt. Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG greift nicht auf die GoB zuriick. Unter den Anwendungsbereich fallen: gesetzlich buchfiihrungspflichtige oder freiwillig buchfiihrende Land- und Forstwirte, Selbstandige, die freiwillig Biicher fiihren, Gewerbetreibende, die nach § 4 Abs. 1 EStG geschatzt werden. Vgl. hierzu im Einzelnen Kuflmaul 2003, S. 14; Tipke/Lang 2002, Tz. 203 zu § 9. Vgl. hierzu ausfiihrlicher Abschn. IIl.B.S.a) dieses Hauptteils.
214
Dritter Hauptteil
Die sozialstaatlich gerechte Besteuerung hat einen Ausgleich sozialer Ungleichheiten zum Ziel.*^ Hiermit werden Steuernormen gerechtfertigt, die auf die Belange der wirtschaftlich Schwacheren Riicksicht nehmen. Der Steuergesetzgeber verwirklicht den sozialen Ausgleich unter anderem durch Fiskalzwecknormen, d.h. durch die konsequente Umsetzung des Leistungsfahigkeitsprinzips.^^5 Q^S Sozialstaatsprinzip dient femer der Rechtfertigung von Umverteilungsnormen (z.B. Sozialzwecknormen).^^^ Den oben genannten Prinzipien werden verfassungsrechtliche Schranken der Besteuerung gesetzt: Der Eigentumsschutz nach § 14 Abs. 1 GG soil eine eigentumsschonende Besteuerung gewahrleisten, wobei der Vermogensstamm Bestandsschutz geniefit. Die Besteuerung darf ein Wirtschaftsgut nur derart belasten, dass die Substanz nicht verringert wird.^^^ Weiterhin begriindet das Rechtsstaatsprinzip das Ubermafiverbot (Grundsatz der Verhaltnismafiigkeit). Dieses „begrenzt die Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und konkretisiert dadurch auch das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung"^*^. Es beschrankt den steuerlichen Eingriff auf Mafinahmen, „die das gewahlte Mittel in ein vemiinftiges Verhaltnis zum angestrebten Zweck setzen"**^ und wird konkretisiert durch die Kriterien der Geeignetheit*^, der Erforderlichkeit*^^ und der Zumutbarkeit*92.893
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz IGG). Dieses ist sozialstaatlich gepragt. Vgl. Lang 1988, S. 164-167; Tipke/Lang 2002, Tz. 194199 zu § 4; Weber-Grellet 2001a, S. 41-43. Deren Rechtfertigung erfolgt nicht durch das Leistungsfahigkeitsprinzip. Vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 196 zu § 4. Vgl. Hennrichs 2001, S. 312. Vgl. Lang 1981, S. 80. Vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 209 zu § 4. Es diirfen nur Mafinahmen ergriffen werden, mit denen der angestrebte Zweck erreicht werden kann. Die Finanzbehorde hat die Mal^nahme zu ergreifen, die den Steuerpflichtigen am geringsten belastet.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
215
Die dargestellten Grundlagen werden in den nachsten Kapiteln im Rahmen der Kritik am Mafigeblichkeitsprinzip sowie der Neuordnung der steuerlichen Gewinnermittlung wieder aufgegriffen.
B.
Das Mafigeblichkeitsprinzip als Bindeglied zwischen Handels- und Steuerbilanz
1.
Geltungsbereich
Das Mafigeblichkeitsprinzip regelt das Verhaltnis der Ubemahme handelsrechtlicher Werte in die Steuerbilanz.894 Es verpflichtet gemafi § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder freiwillig Biicher fiihren und regelmafiig Abschliisse erstellen, zum Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermogen (gemafi §4 Abs. 1 Satz 1 EStG) in der Steuerbilanz anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsatzen ordnungsmafiiger Buchfiihrung auszuweisen ist. Im Rahmen der materiellen Mafigeblichkeit sind nur die handelsrechtlichen GoB^^^ \x\ der steuerrechtli-
Eine geeignete, erforderliche Mafinahme muss im Verhaltnis zum angestrebten Zweck stehen. Vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 209-212 zu § 4. In den 1874 in Sachsen und Bremen eingefiihrten Gesetzen zur Einkommensbesteuerung wurde das erste Mai gesetzlich auf die Normen des Handelsgesetzbuches als Grundlage der steuerlichen Gewinnernuttlung verwiesen. Vgl. Drescher 2002, S. 18; Sittel 2003, S. 37. Zur Entwicklung des Mafigeblichkeitsprinzips vgl. Alsheimer 1974, S. 841-848; Herzig 2002b, Sp. 1536; Robisch/Treisch 1997, S. 156-162; Sigloch 2000, S. 157163. Die Frage der Anwendung der GoB fiir die Steuerbilanz wird seit langem kontrovers diskutiert. Weitgehende Einigkeit besteht in der Einschrankung des Verweises auf branchen-, grofien- und rechtsformunabhangige handelsrechtliche Regelungen. D.h. das Mafigeblichkeitsprinzip verweist nur auf die fiir alle Kaufleute geltenden GoB. Der auf Kapitalgesellschaften anzuwendende § 264 Abs. 2 HGB gehort somit nicht dazu. Vgl. Herzig 2002a, Tz. 6 zu Kapitel 3. ders. 2002b, Sp. 1538; Ballwieser 1990, S. 479-495; Beisse 1990b, S. 2012; Hoffmann 2000a, S. 1039 f. Uber die Reichweite dieser GoB besteht allerdings Uneinigkeit. Nach h.M. sind samtliche kodifizierten und nicht kodifizierten Gewinnermittlungsregeln des HGB zu iibemehmen. Vgl. Eichhorn 2001, S. 6; Hennrichs 1999b, S. 141; Herzig 2002b, Sp. 1538. Dies gilt sowohl fur den Bereich (Fortsetzung der Fufinote auf der nachsten Seite)
216
Dritter Hauptteil
chen Gewinnermittlung anzusetzen, nicht die einzelnen speziellen handelsrechtlichen Regelungen. Steuerliche Sondervorschriften bestehen hinsichtlich der Ausiibung von Wahlrechten. Der Beschluss des Grofien Senats vom 03.02.1969*96 sieht vor, dass handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte einer steuerlichen Aktivierungspflicht entsprechen, wahrend handelsrechtliche Passivierungswahlrechte ein steuerliches Passivierungsverbot auslosen. Es konne „nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, sich durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgiitem, die handelsrechtlich aktiviert werden diirfen, oder durch den Ansatz eines Passivpostens, der handelsrechtlich nicht geboten ist, armer zu machen, als er ist"*^^. Zum Beispiel diirfen Riickstellungen fiir unterlassene Instandhaltungsaufwendungen gemafi § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB und Aufwandsriickstellungen gemafi § 249 Abs. 2 HGB sowie mittelbare Pensionsriickstellungen in der Steuerbilanz aufgrund des handelsrechtlichen Wahlrechtes nicht passiviert werden, fiir das Disagio (§ 250 Abs. 3 HGB) besteht eine Ansatzpflicht in der Steuerbilanz.^^s Nur wenn dem handelsrechtlichen Wahlrecht ein gleichartiges steuerliches Wahlrecht gegeniibersteht, kann dies auch in der Steuerbilanz angesetzt werden, z.B. Pensionsriickstellungen fiir des Bilanzansatzes als auch fiir die Bewertung. Nach Schulze-Osterloh bezieht sich der Verweis nur auf die Vorschriften des HGB, die nicht den GoB widersprechen. Dabei geht er davon aus, dass innerhalb der handelsrechtlichen Normen einige GoBwidrige Regelungen zu finden sind, z.B. § 253 Abs. 4 HGB (Abschreibung nach verniinftiger kaufmannischer Beurteilung) oder § 249 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB (Aufwandsriickstellungen), § 255 Abs. 2 Satz 3-5 HGB (Aktivierungswahlrecht zur Einbeziehung der Gemeinkosten in die Herstellungskosten). Vgl. Schulze-Osterloh 1989, S. 247-249; ders. 1991, S. 285; s. auch Ballwieser 1990, S. 480; Mathiak 1997, S. 323. Laut Weber-Grelkt sind nur die GoB im engeren Sinne mafigeblich, d.h. lediglich die oberen Prinzipien und nicht die unterhalb der Grundsatze angesiedelten Normen wie z.B. der Anschaffungskostenbegriff oder handelsrechtliche Wahlrechte. Vgl. WeberGrellet 2005, Tz. 28 f. zu § 5 EStG. In dieser Arbeit soil von der Bezugnahme auf samtliche handelsrechtliche GoB, die der Gewinnermittlung dienen, ausgegangen werden. Griinde gegen die oben genannten Thesen fiihren an: Hennrichs 1999b, S. 140 f. m.w.N.; Schulze-Osterloh 1997, S. 283. Vgl. BFH-Beschluss vom 03.02.1969, S. 291-295. BFH-Beschluss vom 03.02.1969, S. 295. Weitere handelsrechtliche Wahlrechte und deren steuerliche Behandlung (Einschrankung der Mafigeblichkeit) befinden sich in Tabelle 19.
Grundlagen und Einwirkungen axif das deutsche Steuerrecht
217
vor dem 01.01.1987 erteilte Pensionszusagen. Die Behandlung von Bilanzierungshilfen ist strittig. Nach h.M. wird die Wirtschaftsgut-Eigenschaft und somit die steuerrechtliche Aktivierung vemeint.^^ Somit diirfen Aufwendungen fiir Ingangsetzung und Erweiterung des Geschaftsbetriebes (§ 269 HGB) sowie aktive latente Steuern (§ 274 Abs. 2 HGB) in der Steuerbilanz nicht angesetzt werden. Aufierdem ist der Steuerpflichtige neben Beachtung der materiellen handelsrechtlichen Regelungen an konkrete handelsrechtliche Wertansatze gebunden, soweit sie auch steuerrechtlich zulassig sind (sog. formelle Mafigeblichkeit).90o Es folgt aus dieser Vorschrift zwangslaufig die umgekehrte Mafigeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG)90i, d.h. der Ansatz eines konkreten Wertes der Steuerbilanz in der Handelsbilanz. Diese ist hauptsachlich durch originar steuerlich motivierte Subventionswahlrechte^^ charakterisiert. Durch die Bildung und Auflosung steuerfreier Riicklagen, z.B. § 6b Abs. 3 EStG, steuerlicher Sonderabschreibungen (§ 7 e-g EStG) und erhohter Absetzungen, z.B. nach § 7i und h EStG, werden subventionelle Steuervergiinstigungen gewahrt. Handelsrechtlich erfolgt durch sog. Offnungsklauseln (§§ 247 Abs. 3; 254; 273; 279 Abs. 2; 280 Abs. 2; 281 HGB) die Ubernahme der steuerlichen Unterbewertungen, so dass auch in der Handelsbilanz ein niedrigerer Gewinn ausgewiesen werden kann, der oftmals den GoB widerspricht. Ziel der umgekehrten Maiigeblichkeit ist die Starkung der Unternehmenssubstanz durch Subventionsgewahrung. Daher erfolgt auch eine Gleichbehandlung von Handels- und Steuerbilanz. Dem Verzicht des Staates auf Steuern soil eine Verringerung der Ausschiittungen an die Seite gestellt werden („lenkungsideologischer Ausschiit-
Vgl. Weber-Grellet 2005, Tz. 32 zu § 5 EStG, S. 378; Herzig 2002a, Tz. 19 zu Kapitel 3. Anderer Ansicht: Tipke/Lang 2002, Tz. 328 zu § 9. Vgl. Herzig 2002b, Sp. 1538; Schmidt 1994, S. 49. Vgl. Weber-Grellet 2005, Tz. 40 f. zu § 5 EStG. Diese Vorschrift ist durch das Wohnungsbauforderungsgesetz 1989 in das EStG aufgenommen worden. Vgl. Bordexvin 1992, S. 291. Diese gehoren zu den Sozialzwecknormen. Vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 330 zu § 9.
218
Dritter Hauptteil
tungssperreffekt")^^. Dies hat sowohl im Rahmen der Steuerbilanz als auch der Handelsbilanz eine Verfalschung des Ergebnisses zur Folge.904 Die Mafigeblichkeit der handelsrechtlichen Regelungen wird dann durchbrochen, wenn das Steuerrecht eigene Vorschriften zu Ansatz und Bewertung beinhaltet. Steuerrechtliche Ansatzvorbehalte sind unter anderem in § 5 Abs. 2-5 EStG kodifiziert. Deren Ziel ist eine starkere Objektivierung der Gewinnermittlung, um eine gleichmafiige Besteuerung der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit sicherzustellen.^s Einerseits kommen mit dem Handelsrecht deckungsgleiche Ansatzvorschriften zur Anwendung,^^ andererseits bestehen auch in wesentlichen Bereichen Unterschiede.^^ In § 5 Abs. 6 EStG ist der allgemeine steuerliche Bewertungsvorbehalt normiert.^8 Spezielle steuerrechthche Bewertungsnormen z.B. in den §§ 6 und 7 EStG haben danach Vorrang vor den handelsrechtlichen. Der Bewertungsvorbehalt fuhrt unter anderem zu einer Begrenzung des degressiven Abschreibungssatzes auf derzeit 20% (§ 7 Abs. 2 Satz 2 EStG). Weiterhin sieht das Steuerrecht detaillierte Regelungen zur Bestimmung der Daten des Abschreibungsplans vor, so dass diese oftmals auch im Handelsrecht iibernommen
TipkeAMng 2002, Tz. 330 zu § 9. Vgl. auch Scheffler 2004a, S. 16 f.; Schmitz 1999, S. 1975. Nahere Ausfuhrungen befinden sich in Abschn. III.A.4. des zweiten Hauptteils. Vgl. Eic/i/iorn 2001,5.16. Die Aktivierung immaterieller Vermogensgegenstande des Anlagevermogens bei entgeltlichem Erwerb (§ 5 Abs. 2 EStG) entspricht § 248 Abs. 2 HGB. Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten (§ 5 Abs. 5 EStG in Ubereinstimmung mit § 250 HGB). Vgl. Herzig 2002b, Sp. 1540; Scheffler 2004a, S. 12-17. Als Beispiele sind zu nennen: restriktivere Voraussetzungen bei der Bildung von Riickstellungen fiir Schutzrechtsverletzungen (§ 5 Abs. 3 EStG); Jubilaumsriickstellungen (§ 5 Abs. 4 EStG); Riickstellungen, die auf Verpflichtungen beruhen, die nur zu erfiillen sind, soweit kiinftig Einnahmen oder Gewinne anfallen (§ 5 Abs. 2a EStG); Verbot des Ansatzes von Drohverlustriickstellungen (§ 5 Abs. 4a EStG) und Riickstellungen fiir Aufwendungen, die in kiinftigen Wirtschaftsjahren Anschaffungs- oder Herstellungskosten fiir ein Wirtschaftsgut sind (§ 5 Abs. 4b EStG); restriktivere Voraussetzungen bei der Bildung von Pensionsriickstellungen (§ 6a EStG). Vgl. Barenz 2004, S. 163; Herzig 2002a, Tz. 13-18 zu Kapitel 3. Vgl. Kufimaul 2003, S. 22.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
219
werden (Vorstufe der umgekehrten Ma6geblichkeit).909 in der Steuerbilanz herrscht ein Abschreibungsverbot auf den Teilwert bei nur vorxibergehender Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG), wahrend handelsrechtlich fiir Wirtschaftsgiiter des Anlagevermogens bei Nicht-Kapitalgesellschaften (§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB) sowie fiir Finanzanlagen bei Kapitalgesellschaften ein Wahlrecht zur Abschreibung auch bei vorxibergehender Wertminderung besteht (§ 279 Abs. 1 Satz 2 HGB). Handelsrechtlich gilt im Umlaufvermogen das strenge Niederstwertprinzip. Bei einer voriibergehenden Wertminderung besteht hier ein Abschreibungsgebot, wahrend der Ansatz in der Steuerbilanz verboten ist.^io Mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG ist ein striktes Wertaufholungsgebot in der Steuerbilanz eingefiihrt worden, wenn die Griinde fiir die vorherige Abschreibung entfallen sind.^^^ Das handelsrechtliche Wertbeibehaltungswahlrecht, das in § 280 Abs. 2 HGB geregelt ist, gilt nur unter der Pramisse, dass dieser niedrigere Wert auch in der Steuerbilanz beibehalten werden kann. Da dies nicht der Fall ist, lauft § 280 Abs. 2 HGB ins Leere,9i2 so dass fiir Kapitalgesellschaften generell das Zuschreibungsgebot gemafi § 280 Abs. 1 HGB zu beachten ist. Die Pflicht zur Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und Pflichtriickstellungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. 3 EStG) mit einer Laufzeit ab 12 Monaten mit 5,5% entspricht ebenfalls nicht der handelsrechtlichen Regelung.^i^ Auf die verlangerte Mafigeblichkeit im Rahmen der Vermogensaufstellung sowie die Mafigeblichkeit im Umwandlungssteuerrecht wird im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen. Das Mafigeblichkeitsprinzip de lege lata enthalt viele Durchbrechungen und stellt „ein kompliziertes und komplexes Konglomerat von Einzelregelungen dar, das sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, weder steuerrechtlichen noch
909
Vgl. Schejfler 2004a, S. 8.
910
Vgl. GunM/Fenzl 1999, S. 651.
9"
Vgl. auch Grotherr 2000, S. 267.
912
Vgl. Herzig 2002a, S. Tz. 27 zu Kapitel 3.
913
Vgl. Himmelreich 2001, S. 619. Zu weiteren Durchbrechungen vgl. Eichhorn 2001, S. 20.
220
Dritter Hauptteil
handelsrechtlichen Zwecken gerecht zu werden"9i4, Daher wird vielfach seine Abschaffung gefordert.^^^ jm Folgenden werden einige historische Argumente zur Rechtfertigung des Maligeblichkeitsprinzips sowie der Wandel in deren Auslegung dargestellt.
2.
Historische, verfassungsrechtliche und funktionelle Begriindung des Mafigeblichkeitsprinzips
Die Bindung der Handels- an die Steuerbilanz wurde lange Zeit mit dem Argument der Vereinfachung sowohl fiir den Fiskus als auch fiir den Steuerpflichtigen begriindet^^^ Durch den Riickgriff auf die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften kann der Aufwand zur Erstellung zweier verschiedener Bilanzen minimiert werden. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen hatten die Moglichkeit, eine Einheitsbilanz zu erstellen.9i7 Piir den Fiskus wurde die Einheit als vorteilhaft angesehen, da die Steuerveranlagung auf Basis der ordentlichen Geschaftsbilanz eine sichere Basis der Ermittlung Steuerbemessungsgrundlage biete.^^^ AUerdings hat dieser Vereinfachungsaspekt durch die Rechtsentwicklung in den letzten Jahren, z.B. durch die zahlreichen Durchbrechungen des Mafigeblichkeitsprinzips,^^^ erheblich an Bedeutung verloren.920 Mit der Vereinfachung der steuerlichen Gewinnermittlung hangt das Argument der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung92i durch die Bin-
914
Eichhorn 2001, S. 26. Vgl. auch Weber-Grellet 1998, S. 1344.
915 916
Vgl. Broer 2001, S. 353; Endriss 2003, S. 410; Euler 1998, S. 23; Glaum 2001, S. 125; Pannen 2000, S. 290; Weber-Grellet 2002a, S. 701. Vgl. Eichhorn 2001, S. 28.
917
Vgl. Sdjfing 1995, S. 666.
918
Vgl. Eichhorn 2001, S. 28.
919
Vgl. Abschn. II.B.l; II.C.l. dieses Hauptteils.
920
Vgl. Lauth 2000, S. 1372; Endnss 2003, S. 410; Dolkrer 1988, S. 241.
921
Vgl. Abschn. II.A. dieses Hauptteils.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
221
dung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz zusammen.^22 £§ konne auf ein einheitliches und konkretisiertes Gewinnermittlungssystem zuriickgegriffen werden, das gleiche Grundsatze beinhaltet. Dieses vor allem in den 60er Jahren propagierte Prinzip wird zunehmend kritisiert.^^s Das Argument kann nur aufrecht erhalten werden, wenn Handels- und Steuerbilanz dieselben Ziele verfolgen. Gegner dieser These fiihren an, dass in der Handelsbilanz der vorsichtig ermittelte, ausschiittungsfahige (zukunftsbezogene) Gewinn unter Glaubigerschutzaspekten ausgewiesen werde (entziehbarer Gewinn), wahrend in der Steuerbilanz die Ermittlung des voUen, periodengerechten, vergangenheitsbezogenen Gewinns zur Bemessung von Steuerzahlungen im Vordergrund stehe.924 Aufgrund der unterschiedlichen Teleologie konnen die Ziele der Handelsbilanz und Steuerbilanz nicht als kompatibel angesehen werden.925 Weiterhin wird die Schaffung von Rechtssicherheit durch die Ankniipfung an gesicherte handelsrechtliche Erkenntnisse und Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften positiv hervorgehoben.^26 Dagegen spricht, dass im Handelsrecht erhebliche Regelungsliicken, unbestimmte Rechtsbegriffe, Gestaltungs- und Ermessensspielraume existieren, z.B. beim Ansatz und der Bewertung von Ruckstellungen.927 Die GoB, auf die § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG verweist.
Indem der Steuergesetzgeber bestimmt, dass der steuerliche Gewinn nach den handelsrechtlichen GoB zu ermitteln ist, „liegt ein unmissverstandliches Bekenntnis zum Gedanken der Einheitlichkeit des Rechts" vor. Eckhardt 1960, S. 1216.1971 wurde der Vorschlag der Steuerreformkommission, das Mcifigeblichkeitsprinzip abzuschaffen, mit dem Argument der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung abgelehnt. Vgl. Eichhorn 2001, S. 34. Vgl. Herzig 2002b, Sp. 1545; Weber-Grelkt 1997c, S. 390. Steuerrechtlich stehe nicht der Glaubigerschutz, sondern eine gleichmafiige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit im Vordergrund. Vgl. Lauth 2000, S. 1367; Strunk 2003, S. 398; Steck 2002, S. 489; Weber-Grellet 1999, S. 2661. Dem Bilar\zsteuerrecht fehle ein in sich geschlossenes Normensystem, das dem Handelsrecht zugrunde liegt. Vgl. Beisse 2001, S. 18; Herzig 2002b, Sp. 1537; Himmelreich 2001, S. 616; Lauth 2000, S. 1367; Steck 2002, S. 488; Weber-Grellet 1997, S. 385. Vgl. Crezelius 1994, S. 690.
222
Dritter Hauptteil
stellen einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der sich im Zeitablauf fortentwickelt.928 Zudem besteht keine Einigkeit, welche GoB im Steuerrecht anzuwenden sind.929 Das Steuerrecht setzt jedoch ein konkretes Normensystem voraus, da Steuertatbestande nicht als Generalklauseln oder Ermessensspielraume ausgestaltet sein diirfen.^^o Durch das Mafigeblichkeitsprinzip soil eine doppelte Schutzfunktion gewahrleistet werden. Einerseits werde durch die Berufung auf die GoB eine Grenze fiir die Erhohung der Steuerbelastung gezogen und der Steuerpflichtige in dieser Hinsicht vor der Willkiir des Fiskus geschiitzt.^^^ Andererseits bestehe fiir den Fiskus durch den Verweis auf eine relativ gesicherte Bemessungsgrundlage die Sicherheit des Steuereinkommens. Der § 5 Abs. 1 Satz 12 EStG sichere zunachst die Objektivitat der steuerlichen Gewinnermittlung, denn die handelsrechtlichen Vorschriften seien weitgehend frei von wirtschafts- und sozialpolitischen Erwagungen. Im Rahmen der Einheitsbilanz werde der Fiskus gegen eine Kiirzung der Steuerbemessungsgrundlage gesichert, da damit auch die Schmalerung der Ausschiittung verbunden sei. Auch dieses Argument kann nicht aufrecht erhalten werden, denn durch die vielen steuerlichen Sonderregelungen wird der Verweis auf die GoB durchbrochen, der Zusammenhang zwischen Ausschiittung und Steuerzahlung ist nur noch gering, da eine Einheitsbilanz nicht mehr praktikabel ist. Der Gesetzgeber kann zudem neben der Bemessungsgrundlage die Steuersatze erhohen, und somit die Schutzwirkung aufheben. Er ist nicht primar an die Vorgaben des Handelsrechts gebunden, sondem an die Verfassung.932 Als weitere Rechtfertigung des Mafigeblichkeitsprinzips wird die These angefiihrt, der Fiskus diirfe als „stiller Teilhaber" am Erfolg des Unternehmens
Vgl. Abschn. II.C.2.a)2) des zweiten Hauptteils. Vgl. Fufinote 895; Weber-Grellet 1994, S. 288. Vgl. Abschn. II.A. dieses Hauptteils. Vgl. Dollerer 1971, S. 1333; Endriss 2003, S. 409. Vgl. Ballwieser 1999, S. 492 m.w.N. Es wird die Auffassung vertreten, dass der Schutz vor zu hoher Besteuening allein durch das Verfassungsrecht gewahrleistet werden kann, d.h. die Rechtsprechung des BVerfG. Vgl. Ballwieser 1990, S. 492; Lauth 2000, S. 1368; Weber-Grellet 1997,388 f.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
223
nicht besser gestellt werden als sonstige Anteilseigner.^^s Diese Argumentation geht davon aus, dass der Staat dabei ebenfalls als Gesellschafter des Unternehmens betrachtet wird. Die Gewinnanspriiche des Fiskus diirften nicht anders behandelt werden als die der Anteilseigner. Beide konnten nur den tatsachlich realisierten, ausschiittungsfahigen Gewinn beanspruchen.^^ Sowohl Fiskus als auch Anteilseigner werden als „lastige Gesellschafter" gesehen. Dieses zwischen 1920 und 1940 verbreitete Untemehmensverstandnis kann heute in Zeiten der Shareholder-Value-Orientierung nicht mehr aufrecht erhalten werden. Wagner bezeichnet diese Argumentation als „eine der erstaunlichsten gedanklichen Fehlkonstruktionen der letzten Jahrzehnte"^^^^ Als weiterer Vorteil des Mafigeblichkeitsprinzips gilt, dass die Bindung an handelsrechtliche Grundsatze eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit garantiert, da durch das Vorsichtsprinzip der Gewinn ermittelt wird, der dem Untemehmen entzogen werden kann, ohne die Substanz zu gefahrden.^^ Aus Griinden der Substanzerhaltung konne nur der entziehbare Gewinn besteuert werden.^^^ Qej. Fiskus diirfe keinen Betrag besteuem, den das Handelsrecht nicht als ausschiittungsfahig ausweist.^^* AUerdings kann der handelsrechtliche Gewinn durch rechnungslegungspolitische Mafinahmen beeinflusst werden. Eine Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit erfordere jedoch die Erfassung des „vollen" Gewinns ohne die Moglichkeit, diesen nach Belieben zu gestalten.^^^
933
Vgl. Ddllerer 1971, S. 1334; ders. 1988, S. 238. Die Befiirworter bemfen sich auf den Gleichheitsgmndsatz. Vgl. Steck 2002, S. 490.
934
Vgl. Crezelius 1994, S. 691; Ddllerer 1971, S. 1333.
935
Wagner 2002, S. 1888. Zu weiteren Argumenten gegen die Teilhaber-These vgl. Siegel 1999, S. 196.
936
Vgl. Steck 2002, S. 489.
937
Vgl. Kahle 2002b, S. 180 f.
938
Vgl. Himmelreich 2001, S. 617.
939
Vgl. Lauth 2000, S. 1368. Vgl. auch Herzig 2000a, S. 112; Schneider 1999, S. 106; Strunk 2003, S. 399; Wagner 2002, S. 1888.
224
Dritter Hauptteil
Sowohl das Mafigeblichkeitsprinzip als auch die umgekehrte Mafigeblichkeit konnen zu Konflikten im Zielsystem der Untemehmenspolitik^^o fiihren. So muss bei einem erstrebten hohen Handelsbilanzgewinn eine erhohte Steuerbelastung oder bei der Inanspruchnahme steuerlicher Vergiinstigungen ein niedrigerer Handelsbilanzgewinn in Kauf genommen werden.^^i Durch eine Aufgabe des Maligeblichkeitsprinzips konnten die handels- und steuerrechtlichen Aktionsparameter unabhangig voneinander genutzt werden. Es ist festzustellen, dass viele Argumente fiir eine Beriicksichtigung des Mafigeblichkeitsprinzips nicht iiberzeugen bzw. im Zeitablauf an Bedeutung verloren haben. Dies wird ferner durch die im nachsten Kapitel darzustellenden Mafinahmen des Gesetzgebers zur Durchbrechung des Mafigeblichkeitsprinzips deutlich. Welchen weiteren Einfliissen das Steuerrecht im Rahmen der Intemationalisierung ausgesetzt ist und welche Auswirkungen diese auf dessen Fortbestand und das Mafigeblichkeitsprinzip haben, wird im Folgenden erortert.
C.
Einfliisse auf das deutsche Steuerrecht
1.
Durchbrechungen des Ma6geblichkeitsprinzips durch die jiingeren deutschen GesetzesmalSnahmen
Der Gesetzgeber hat seit Beginn der 90er Jahre verstarkt in das System der Mafigeblichkeit eingegriffen.^^^ jm Folgenden werden beispielhaft einige dieser Durchbrechungen des Mafigeblichkeitsprinzips beschrieben. Durch das Gesetz zur Fortfiihrung der Untemehmenssteuerreform 1997^43 wurde die Moglichkeit zur Bildung von Drohverlustriickstellungen in der Steuerbilanz abgeschafft (§ 5 Abs. 4a EStG), die gemafi § 249 Abs. 1 HGB weiterhin gegeben ist.944 Auch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002945
940
Vgl. Freidank 1982, S. 337-339.
941
Vgl. Lauth 2000, S. 1369.
942
Vgl. i^og/er 2001,5.413.
943
Vgl. Gesetz zur Fortfiihrung der Untemehmenssteuerreform 1997, S. 2590.
944
Vgl. Barenz 2004, S. 161.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
225
sieht viele steuerliche Sondervorschriften vor. Beispielhaft sind zu nennen:946 Einschrankung der Teilwertabschreibung auf Vermogensgegenstande mit voraussichtlich dauemder Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG),947 striktes Zuschreibungsgebot, wenn die Ursache fiir die Teilwertabschreibung entfallen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG), Wertaufholungsgebot nach einer Absetzung fiir aul^ergewohnliche Abnutzung, wenn der Grund hierfiir in spateren Wirtschaftsjahren nicht mehr besteht (§ 7 Abs. 1 Satz 7 EStG), Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit ab 12 Monaten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG), Abzinsung von VerpflichtungsRiickstellungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG).948 Der Gesetzgeber kritisiert im Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 die Verkniipfung von handels- und steuerrechtlicher Gewinnermittlung. Durch die auf dem Glaubigerschutz basierenden Prinzipien sei nur ein eingeschrankter Blick auf die tatsachliche Ertragslage moglich. Die Bindung an die Handelsbilanz und somit die Mai?geblichkeit miisse aufgegeben werden, da sich die Besteuerung in erster Linie nach der Leistungsfahigkeit des Steuerpflichtigen richte, die unvereinbar sei mit dem handelsrechtlichen Imparitatsprinzip.^4^ Internationale Normen soUten als Vorbild fiir die Steueranderungen dienen. AUerdings ist diese Begriindung des Gesetzgebers nicht glaubhaft, da letztendlich nur solche Regelungen umgesetzt wurden, die zu einem hoheren Steueraufkommen fiihrten.^^o Durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999^51 wurde unter anderem der § 5 Abs. 2a EStG in das Einkommenssteuergesetz eingefiigt, der einen vom Han-
Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000/ 2002. Eine voUstandige Auflistung befindet sich in: Giinkel/Fenzl 1999, S. 649-660. Siehe hierzu auch Grotherr 2000, S. 257-297. Im Entwurf zum Steuerentlastungsgesetz wurde noch von der Abschaffung der Teilwertabschreibung ausgegangen. Vgl. Krosdwl/Ldbl/Wellisch 1998, S. 2389. VglHerz/g 2000a, S. 109. Vgl. BT-Drucksache 14/23 vom 09.11.1998, S. 170. Vgl. Herzig 2000a, S. 110. Vgl. Steuerbereinigungsgesetz 1999.
226
Dritter Hauptteil
delsrecht abweichenden Ansatz von Riickstellungen fiir Verpflichtungen, die nur zu erfiillen sind, soweit kiinftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, vorsieht (Ansatzvorbehalt). Das Steuersenkungsgesetz 2000^52 beschrankte die degressive Abschreibung fiir bewegliche Wirtschaftsgiiter auf 20% des jeweiligen Buchwertes bzw. das zweifache der linearen Abschreibung (§ 7 Abs. 2 EStG); die lineare Abschreibung fiir Wirtschaftsgebaude im Betriebsvermogen wurde auf 3 % gesenkt (§ 7 Abs. 4 EStG).^53 Nach dem Steueranderungsgesetz 2001^54 diirfen Riickstellungen fiir Aufwendungen, die in kiinftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftgutes zu aktivieren sind, nicht gebildet werden (§ 5 Abs. 4b Satz 1 EStG). Im Entwurf zum Steuervergiinstigungsabbaugesetz^ss sind noch viele Verscharfungen der steuerlichen Gewinnermittlung enthalten, die im endgiiltigen Gesetz nicht umgesetzt wurden. Unter anderem war geplant, das LiFo-Verfahren im Rahmen der Vorratsbewertung abzuschaffen. Femer soUte die steuerliche Halbjahresregel (R 44 Abs. 2 Satz 3 EStR) gestrichen werden.956 Dies geschah dann mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2004^57 fur bewegliche Anlagengiiter, die nach dem 01.01.2004 angeschafft wurden.^ss Die Gesetzgebung der letzten Jahre zeigt eine Tendenz zur fortschreitenden Durchbrechung des MafSgeblichkeitsprinzips. Dadurch ist die Moglichkeit, eine Einheitsbilanz zu erstellen, praktisch nicht mehr gegeben.959
Vgl. Steuersenkungsgesetz 2000. OFD Koblenz 2002, S. 310. Vgl. Steueranderungsgesetz 2001. Vgl. BT-Drucksache 15/119 vom 02.12.2002. Weiterhin war geplant, Riickstellungen ftir Dienstjubilaen nicht mehr anzuerkennen und bereits bestehende Riickstellungen aufzulosen. Vgl. Horeth/Schiegl/Zipfel 2003, S. 987; Jacobs/Schreiber/Spengel/Gutekunst/Lammersen 2003, S. 519. Vgl. Haushaltsbegleitgesetz 2004, S. 3076. Zu weiteren Regelungen vgl. Schulze zur Wiesche 2004, S. 200-207. Vgl. Barenz 2004, S. 165.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
227
2.
Auswirkungen der Rechtsprechung auf die steuerliche Gewinnermittlung
a)
Die Vorabentscheidungskompetenz des EuGH und die Vorlageanfrage des Finanzgerichtes Hamburg vom 22.04.1999
1)
Voraussetzungen der Vorabentscheidung des EuGH
Als weitere Einflussquelle auf das deutsche Steuerrecht ist die Rechtsprechung des EuGH zu nennen. Es wird einerseits die These vertreten, diese wirke sich mittelbar iiber die handelsrechtlichen GoB durch den Verweis des § 5 Abs. 1 EStG auf die steuerliche Gewinnermittlung aus.^^ Dem EuGH wird somit eine Einflussmoglichkeit auf das Handelsbilanzrecht und iiber das Mafigeblichkeitsprinzip auf das Bilanzsteuerrecht zugesprochen. Andererseits erfolgt die Argumentation dahingehend, dass die aus dem Handelsrecht in das Steuerbilanzrecht transformierten GoB als Teil des nicht harmonisierten Steuerrechts angesehen werden, denen jeder gemeinschaftsrechtliche Bezug fehlt.^^i Welche Sichtweise der EuGH vertritt, inwieweit die lAS/IFRS iiber die Rechtsprechung Eingang in das Steuerbilanzrecht finden konnen, ob er entscheidungskompetent ist und wie die Umsetzung durch deutsche Gerichte erfolgt, wird im Folgenden erortert. Der EuGH entscheidet im Wege der Vorabentscheidung iiber die Auslegung des EGV sowie iiber Giiltigkeit und Handlungen der Organe (Art. 234 Abs. 1 EGV).^2 Dies beinhaltet die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen, wozu auch die Bilanzrichtlinien gehoren.^^ Nach Art. 234 Abs. 2 und 3 EG\^ sind alle Gerichte berechtigt, letztinstanzliche sogar verpflichtet, dem EuGH in einem Rechtsstreit entscheidungsrelevante Auslegungsfragen zur
Vgl. Oestreicher/Spengel 1999, S. 454; Herlinghaus 1997, S. 533. Vgl. Kahle 2001, S. 128; Schulze-Osterloh 1997, S. 286. Der Zweck der Vorabentscheidung liegt in der Gewahrleistung einer einheitlichen Auslegung, Anwendung und Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts. Sie ist ein Zwischenverfahren und beginnt und endet beim nationalen Gericht. Vgl. Barenz 2004, S. 22 f. Zum Verfahrensablauf vgl. Cordewener 2004, S. 11. Vgl. Kempermann 1997, S. I l l ; Tlieile 1999, S. 1244; Wassermeyer 2001, S. 1056.
228
Dritter Hauptteil
Vorabentscheidung vorzulegen.^^ Zu beachten ist, dass die Fragen im Zusammenhang mit den EG-Richtlinien stehen miissen. Wenn diese bestimmte Sachverhalte nicht regeln, besteht dementsprechend auch keine Vorlagepflicht.^5 DiQ gemeinschaftsrechtliche Frage muss zudem erheblich sein. Die Vorlagepflicht entfallt, wenn sie bereits in einem gleichartigen Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist oder eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH zur Auslegungsfrage besteht, wenn kein Zusammenhang der Vorlagefrage mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht, wenn nur allgemeine, hypothetische und konstruierte Rechtsfragen vorgelegt werden oder der Sachverhalt nicht deutlich genug dargestellt wird.966 Es wird davon ausgegangen, dass der BGH als oberstes Bilanzgericht fiir das Handelsrecht in Deutschland verpflichtet ist, dem EuGH gemeinschaftsrechtliche, erhebliche Fragestellungen vorzulegen. Ob dies auch fiir den BFH als oberstes Gericht fiir das Steuerrecht zutrifft, soil im Folgenden erortert werden. Die Finanzgerichte sind zur Vorlage berechtigt.^^ Zur Klarung der Zustandigkeitsfrage hatte das Finanzgericht (FG) Hamburg dem EuGH drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegti^^s Die erste Frage zielte darauf ab, ob der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren gemafi Art. 234 EGV zustandig fiir die Auslegung des fiir alle Kaufleute geltenden nationalen Handelsbilanzrechts (§§ 238-263 HGB) ist. Weiterhin wurde die Frage gestellt, ob der EuGH auch bei Zweifelsfragen im Bilanzsteuerrecht Entscheidungskompetenz hat. Als drittes sollte geklart werden, ob steuerrechtliche Vorschriften, die den gleichen Wortlaut wie harmonisierte HGB-Normen verwenden, die sich aber nicht auf das Mafigeblichkeitsprinzip beziehen, auch Vgl. Lauth 2000, S. 1370; Theile 1999, S. 1242; Wagner 2003, S. 304. Vgl. Wassermeyer 2001, S. 1057. Vgl. Barenz 2004, S. 24-35; Fresl 2000, S. 61; Kahle 2001, S. 127; Schutz 2003, S. 691. Vgl. Werner 2005, S. 4687. Vgl. Beschluss des FG HH vom 22.04.1999, Barenz 2003, S. 492. Der Vorlageanfrage des FG HH lag ein Verfahren zwischen der Banque Internationale pour TAfrique Occidentale SA (BIAO) und dem Finanzamt Hamburg zugrunde, in dem die Beteiligten iiber Ansatz und Bewertung einer Riickstellung fiir drohende Verluste aus einer Ausfallgarantie, die die Bank fiir ein Darlehen gewahrt hatte, stritten. Zur Fortfiihrung der Rechtsprechung vgl. FuCnote 980.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
229
der Uberpriifung durch den EuGH unterliegen (direkte Einflussnahme des EuGH, keine indirekte iiber die GoB), z.B. § 5 Abs. 2 EStG i.V.m. § 248 Abs. 2 HGB; § 5 Abs. 5 EStG i.V.m. § 250 HGB.969 im Folgenden wird anhand ausgewahlter Urteile die Einstellung des EuGH zu den oben genannten Fragen aufgezeigt.
2)
Die Rechtsprechung des EuGH
Im „Tomberger Urteil" ^^o bejahte der EuGH nach einer Vorlageanfrage des BGH seine Zustandigkeit fiir handelsrechtliche Bilanzierungsfragen von Kapitalgesellschaften. Er hebt das True and Fair View-Prinzip als Hauptziel der Vierten EG-Richtlinie hervor, das iiber § 264 Abs. 2 HGB auf die Kapitalgesellschaften ausstrahlt.^^^ Mit diesem Urteil aufierte sich der EuGH erstmals in einem Vorabentscheidungsverfahren zu einer handelsrechtlichen Bilanzierungsfrage, die die Vierte EG-Richtlinie betrifft.^^z Weber-Grellet spricht dem Urteil herausragende Bedeutung fiir das Handelsrecht zu.^^s Durch die Ausrichtung am True and Fair View habe der EuGH Einfluss auf die Internationalisierung des deutschen Bilanzrechts (allerdings nur auf Kapitalgesellschaften) genommen. Im „Leur Bloem-Urteir'974 fuhrte der EuGH aus, dass er fiir die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zustandig ist, wenn dieses den fraglichen Sachverhalt zwar nicht unmittelbar regelt, aber der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Bestimmungen einer Richtlinie in nationales Recht eine Gleichbehandlung von innerstaatlichen und Richtliniensachverhalten beschlossen hat. Die Entscheidung des EuGH verdeutlicht, dass die gemeinschaftsrechtlichen
969
Vgl. Grotherr/Jorewitz 2001, S. 142.
970
Vgl. EuGH-Urteil vom 27.06.1996, S. 1400 f. Hierbei ging es urn die phasengleiche Vereinnahmung von Gewinnen einer Tochtergesellschaft durch das Mutterunternehmen. Vgl. Fufinote 999.
971
Vgl. Pannen 2000, S. 259-267.
972
Vgl. Weber 2001, S. 199 f.
973
Vgl. Weber-Grellet 1996b, S. 2091.
974
EuGH-Urteil vom 17.07.1997, S. 1851.
230
Dritter Hauptteil
Bestimmungen einheitlich ausgelegt werden soUen, um kiinftige Auslegungsunterschiede in den Mitgliedstaaten zu verhindem.^^s o b die Auslegung durch den EuGH erforderlich ist, ist indes allein Sache der nationalen Gerichte.976 Wenn das nationale Gericht aufgrund der in Kapitel II.C.2.a)l) genannten Tatbestandsvoraussetzungen eine Vorlage einreicht, sieht sich der EuGH grundsatzlich zu einer Entscheidung verpflichtet.977 Konkrete Anhaltspunkte auf die Frage der Zustandigkeit des EuGH auch in steuerbilanziellen Fragen gibt das Urteil vom 01.07.2003 (BIAO).978 Zu beurteilen waren die steuerbilanziellen Auswirkungen einer Garantieverpflichtung, die die deutsche Niederlassung (BIAO-Africa Bank) einer franzosischen Bank (BIAO) im Jahr 1989 fiir einen auslandischen Kredit gegeben hat.979 Fraglich war unter anderem, ob fiir die bilanzunwirksam zu behandelnde Garantie eine Riickstellung fiir drohende Verluste aus schwebenden Geschaften gebildet werden durfte.^^o \)QY E U G H stellte wiederum fest, dass es allein Sache des na-
Vgl. Grotherr 2003, S. 414; Kahle 2001, S. 128. Vgl. EuGH-Urteil vom 17.07.1997; Hennrichs 1999b, S. 151. Vgl. Grotherr 2003, S. 415. Ausgangsfall war die sog. „Dzodzi-Rechtsprechung" in der der EuGH sich fiir zustandig erklarte, obwohl kein Bezug zum Gemeinschaftsrecht bestand. Vgl. Fresl 2000, S. 63. In einem weiteren Fall, dem „DE+ES-Urteir', erfolgte die Vorlage durch das FG Koln, Beschluss vom 16.07.1997. Auch hier sah sich der EuGH zustandig, obwohl lediglich die Hohe einer Gewahrleistungsruckstellung fraglich war, also keine abstrakte Rechtsfrage mit gemeinschaftsrechtlichem Bezug vorlag. Vgl. EuGH-Urteil vom 14.09.1999, S. 1645. Es ging um die pauschale Bewertung einer Riickstellung fiir potentielle Gewahrleistungsverbindlichkeiten. Das Finanzamt woUte nur 0,5% des Jahresumsatzes anerkennen, das Unternehmen bestand auf 2%. Vgl. Barenz 2004, S. 206 f. Vgl. EuGH-Urteil vom 07.01.2003. Dies stellt die Antwort zur Vorlageanfrage des FG Hamburg dar. Zu dem genauen Sachverhalt vgl. Schejfler 2003b, S. 298. Da das Ausgangsverfahren im Jahr 1989 stattfand, bestand noch kein steuerliches Verbot beziiglich des Ansatzes von Drohverlustriickstellungen. Die deutsche Bank argumentierte, dass das Landerrisiko zum Ansatz der Riickstellung ausreichend sei, wahrend das Finanzamt diese erst anerkermen woUte, werm sich abzeichnet, dass die BIAO-Africa Bank durch Forderungsausfalle in Anspruch genommen wird. Vgl. Scheffler 2003b, S. 298; Wagner 2003, S. 302. Das FG Hamburg iibemahm mit dem Ur(Fortsetzung der Fuflnote auf der ndchsten Seite)
Grundlagen imd Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
231
tionalen Gerichtes sei, „die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung sowie die Erheblichkeit der dem EuGH vorgelegten Fragen zu beurteilen"^^^. Er ist grundsatzlich gehalten, iiber ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichtes zu befinden. Daher sah er sich auch fiir diesen Fall zustandig, obwohl steuerrechtliche Fragestellungen betroffen waren.982 Der EuGH argumentierte dahingehend, dass sich die steuerlichen Auslegungsprobleme des Falls auf das Rechnungslegungskonzept der Vierten EG-Richtlinie beziehen^s^ und iiber das Mafigeblichkeitsprinzip mittelbar auf die Vierte Richtlinie verwiesen wird.^^ Ziel sei die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.^^^ Damit ist die zweite Frage des FG Hamburg nach der Entscheidungskompetenz des EuGH im Bilanzsteuerrecht positiv beantwortet. Dabei war es fiir den EuGH irrelevant, dass die BIAO-Africa Bank nicht unter den personlichen Anwendungsbereich der Richtlinie fiel.^s^ Der EuGH sieht teil vom 28.11.2003 die Entscheidung des EuGH. Die fiir alle Gesellschaften geltenden GoB fiir Handels- und Steuerrecht sind entsprechend der Bilanzrichtlinie auszulegen. Es erkennt die Bildung der Drohverlustriickstellung an (es sind sowohl Lander- als auch Bonitatsrisiko zu beachten). Vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 28.11.2003, S. 746. Durch Kredittilgung zwischen Bilanzstichtag und Abschlusserstellung entfiel das Ausfallrisiko. Dies wurde von der Bank bei der RUckstellungsbildung nicht beriicksichtigt. Daher hob daraufhin der BFH im Urteil vom 15.09.2004 die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Ein allgemeines Landerrisiko reiche danach nicht aus, die Bildung einer Drohverlustriickstellung zu rechtfertigen. Vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2004, S. 483-488. EuGH-Urteil vom 07.01.2003, Tz. 88. Vgl. Mooter 2003a, S. 363. Sie beziehen sich insbesondere auf das Vorsichtsprinzip und das True and Fair ViewGebot bei der Riickstellungsbewertung sowie die Abgrenzung wertaufhellender Informationen. Vgl. Scheffler 2003b, S. 300. Der Generalanwalt Jacobs kam in seinen Schlussantragen zum Ergebnis, dass der EuGH in solchen Fallen nicht zustandig ist, sein Pladoyer wurde allerdings nicht beachtet. Vgl. Barenz 2003, S. 494; Schiitz 2003, S. 688. Vgl. EuGH-Urteil vom 07.01.2003, Tz. 91. Es gelten in diesem Fall nicht die Vorschriften fiir Kapitalgesellschaften, sondern die §§ 13d HGB bzw. 53 Abs. 2 Nr. 2 KWG fur auslandische Zweigstellen.
232
Dritter Hauptteil
sich somit nicht nur iiber die Bilanzrichtlinie fiir deutsche Kapitalgesellschaften, sondem fiir alle Rechtsformen zustandig^^^ und beantwortete die erste Frage des Finanzgerichtes ebenfalls positiv.
3)
Das Vorlageverhalten des BFH sowie der Finanzgerichte
Der I. Senat des BFH legte dem Grofien Senat im Beschluss vom 09.09.1998988 die Frage vor, ob Problemfalle beziiglich des Inhaltes der Vierten EGRichtlinie dem EuGH vorzulegen sind. Er konkretisierte die Frage dahingehend, ob der BFH als letztinstanzliches Gericht bei der steuerlichen Gewinnermittlung im Rahmen des Mafigeblichkeitsprinzips bei Auslegungszweifeln eine Vorabentscheidung des EuGH zum Inhalt der Bilanzrichtlinien einzuholen hat.989 DQ^ J Senat vemeinte im oben genannten Beschluss eine Vorlagepflicht, da sich keine Hinweise zum gemeinschaftsrechtlichen Bezug aus der Gesetzesgeschichte des Mafigeblichkeitsprinzips, aus der Systematik des Dritten Buches des HGB und aus den Gesetzesmaterialien zum Erlass des BiRiLiG ergeben: Das Mafigeblichkeitsprinzip wurde 1934 ins EStG integriert, damals bestand noch kein Bezug zum Gemeinschaftsrecht. Weiterhin bezweckte der Gesetzgeber mit dem BiRiLiG, den True and Fair View-Grundsatz nur fiir das Handelsbilanzrecht von Kapitalgesellschaften umzusetzen, da die Vierte EGRichtlinie lediglich rechtsformspezifisch^^ fiir Kapitalgesellschaften gilt. Er lehnte eine Ausweitung der Generalklausel des True and Fair View auf samtliche Kaufleute ab.^^ Fiir Personengesellschaften und Einzeluntemehmen, die nach den §§ 238-263 HGB bilanzieren, wird somit kein Bezug zum Gemeinschaftsrecht hergestellt. „Als rechtsformspezifische Bilanzierungsregeln kon-
Vgl. Schutz 2003, S. 688. Kritisch dazu: Wagner 2003, S. 301. Vgl. BFH-Beschluss vom 09.09.1998, S. 151-154. Vgl. BFH-Beschluss vom 09.09.1998, S. 151. Dieser Beschluss wurde am 17.11.1999 dahingehend geandert, dass nun nur noch die Frage geklart werden soUte, ob sich die in § 5 Abs. 1 EStG bestimmte Mafigeblichkeit auch auf die Vorschriften der Vierten EGRichtlinie erstreckt. Vgl. BFH-Beschluss vom 17.11.1999 IR 6/96 (NV), S. 1993. Anderer Auffassung Amdt/Wiesbrock 1999, S. 353; Oestreicher/Spengel 1999, S. 454, Wassermeyer 2001, S. 1057. Vgl. Beisse 1998, S. 314; Beisse 1999, S. 2184; Kahle 2001, S. 129; Moxter 2002a, S. 243.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
233
nen die Rechtssatze der Richtlinie (...) keine Mafigeblichkeit fiir die steuerliche Gewinnermittlung entfalten, weil die Verweisung des § 5 Abs. 1 EStG sich nach zutreffender h.M. nur auf die rechtsformunanbhangig fiir alle Kaufleute geltenden handelsrechtlichen GoB erstreckt."^^ Nach der Argumentation des BFH hatte der EuGH keinen Einfluss iiber das Ma6geblichkeitsprinzip auf das Steuerrecht fiir Personengesellschaften und Einzelunternehmen. Daraus schloss er, dass aufgrund der Einheitlichkeit der Rechtsprechung auch fiir die steuerrechtliche Gewinnermittlung von Kapitalgesellschaften kein Bezug zum Gemeinschaftsrecht hergestellt werden diirfe und somit keine Vorlagepflicht und keine europaischen Auswirkungen auf das Bilanzsteuerrecht bestehen.^^^ Unterschiedhche Gewinnermittlungsgrundsatze wiirden dem Prinzip der Gleichmafiigkeit der Besteuerung widersprechen.^^ Mit dem Beschluss vom 08.11.2000^5 nahm der BFH die oben genannten Vorlage an den GroEen Senat sowie deren Anderung vom 17.11.2000 zuriick und entschied selbst in der Sache. Der BFH erkannte, dass der EuGH Auslegungen nur im Rahmen der Vierten EG-Richtlinie vornimmt, im vorliegenden Fall ging es jedoch hauptsachlich um das deutsche Abfallgesetz. Der BFH nahm weiterhin eine Abkehr seiner 1998 noch verneinten Vorlagepflicht vor.996 Demnach besteht diese nun, wenn an der Umsetzung einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung in das nationale Recht oder ihrer Auslegung Zweifel vorliegen. Dies war im vorliegenden Fall nicht der Fall.^^ In zwei weiteren beispielhaft genannten Urteilen vemeinte der BFH ebenfalls die Vorlagepflicht. Im BFH-Urteil vom 28.03.2000 handelte es sich nicht um
Hennrichs 1999b, S. 150 m.w.N. Im Original vorhandene Hervorhebungen wurden weggelassen. Vgl. auch Beisse 1998, S. 316. Vgl. Hennrichs 1999b, S. 150. Vgl. BFH-Beschluss vom 09.09.1998, S. 153; Barenz 2004, S. 196. Fur die Zustandigkeit des EuGH ftir alle Gesellschaften sprechen sich aus: Beisse 1998, S. 315; Broer 2001, S. 283; Groh 1996, S. 1206; Schutz 2003, S. 689. Vgl. BFH-Beschluss vom 08.11.2000, S. 410. Dieser Wandel wird mit der Anderung der personellen Zusammensetzung des BFH begriindet. Vgl. Grotlierr 2003, S. 420; Wassermeyer 2001, S. 1056. Vgl. BFH-Urteil vom 08.11.2000, S. 411.
234
Dritter Hauptteil
eine Kapitalgesellschaft und somit waren keine Regelungen der Bilanzrichtlinie betroffen.998 Im sog. Tomberger Urteil^^Q entstand die Rechtsfrage vor dem 24.12.1985. Daher war kein Verweis durch das BiRiLiG, das zu diesem Termin in Kraft trat, auf das Gemeinschaftsrecht vorhanden, und es herrschte somit keine Vorlagepflicht. Der BFH hat bisher im Gegensatz zu den Finanzgerichten (FG HH und FG Koln) von einer Vorlage an den EuGH abgesehen.^ooo Durch das BIAO-Urteil machte der BFH femer deutlich, dass er am deutschen Bilanzsteuerrecht festhalt und daher auch kontrar zum EuGH entscheidet.^^^ Die bisherige Praxis lasst vermuten, dass der BFH eine eher zuriickhaltende Vorlagepolitik betreiben wird.1002
998
Vgl. BFH-Urteil vom 28.03.2000, S. 1618; Bdrenz 2004, S. 203.
999
Eine Kapitalgesellschaft, die mehrheitlich an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, kann Dividendenanspriiche aus einer zum Bilanzstichtag noch nicht beschlossenen Gewinnverwendung der nachgeschalteten Gesellschaft grundsatzlich nicht aktivieren. Vgl. BFH-Beschluss vom 07.08.2000, S. 2247; Weher-Grellet 2001b, S. 35. EuGH (Tomberger-Urteil) und BGH sahen keinen Verstofi in der Aktivierung. Vgl. BGHUrteil vom 12.1.1998, S. 635. Dagegen entschied sich der BFH fiir ein grundsatzliches steuerrechtliches Aktivierungsverbot, da der Dividende vor dem Gewinnverwendungsbeschluss nicht die Eigenschaft als Wirtschaftsgut zugesprochen werden kann. Vgl. Groh 2000, S. 2444. Der BFH beachtet in diesem Urteil weder die nationale noch europarechtliche Rechtsprechung und kommt zu einer eigenstandigen steuerrechtlichen Losung. Vgl. Weher-Grellet 2001b, S. 35. Er lost sich vom MaEgeblichkeitsprinzip, betont die unterschiedlichen Zielsetzungen von Handels- und Steuerbilanz und rechtfertigt so deren Auseinanderdriften. Vgl. Herzig 2000b, S. 2253; Kerssenbrock/Rodewald 2002, S. 654.
1000
Vgl. Hoffmann 2001, S. 543.
1001
Vgl, Werner 2005, S. 4690. Auch im Tomberger Urteil erfolgte eine Rechtsprechung kontrar zu EuGH und BGH.
^002
Vgl. Sclteffler 2003b, S. 301.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
4)
235
Sonderfalle der Vorlage und Einstellung des EuGH zur Ubemahme der lAS/IFRS
Stimmt man dem EuGH folgend dem Charakter des § 5 Abs. 1 EStG als Verweisungsnorm auf europaisches Recht zu, so ist dessen Tragweite zu bestimmen, d.h. ob samtliche Bilanzierungs- und Bewertungsfragen dem Einfluss des EuGH unterliegen. Nach h.M. ist eine Vorlage bei voUig eigenstandigen und bewusst vom Handelsrecht abweichenden Regelungen nicht begrundet.^oo3 Darunter fallen z.B. der Teilwertbegriff, die Differenzierung zwischen Betriebs- und Privatvermogen sowie bestimmte Ruckstellungsabgrenzungen.^oo4 Sind keine eigenstandigen Regelungen im Steuerbilanzrecht vorhanden oder erfolgt eine Anlehnung an handelsrechtliche Regelungen, ist eine Vorlage denkbar,^oo5 ^.B. unterliegt der Begriff der Herstellungskosten nach h.M. gemeinschafts-rechtlichem Einfluss (materielle Identitat).^^^ Schwierig wird es in den Bereichen, „die sich nicht iiber das Mafigeblichkeitsprinzip ergeben, sondem explizit im EStG geregelt sind, aber den Wortlaut von harmonisiertem Handelsrecht verwenden"^^^ bzw. inhaltlich mit dem Handelsbilanzrecht iibereinstimmen, z.B. bei § 5 Abs. 2 EStG und § 248 Abs. 2 HGB (Bilanzierung immaterieller Wirtschaftsgiiter) sowie § 5 Abs. 5 EStG und § 250 HGB (Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten). Hierbei ist zu untersuchen, inwieweit ein einheitliches Begriffsverstandnis bei Schaffung der Regelung angestrebt war.^oos Dabei ist die Zielsetzung entscheidend. Weicht sie nach deutschem Verstandnis vom gemeinschaftsrechtlichen ab, so ist auch bei gleichem Wortlaut keine Kompetenz des EuGH gegeben.^oo9
1003
Vgl. Dziadkoivski 1999, S. 636.
1004
Vgl. Herlinghaus 1997, S. 538; Kahle 2001, S. 129.
1005
Vgl. Hoffmann 1999, S. 1687.
1006
Vgl. Hoffmann 1999, S. 1687. Die materielle Identitat muss von Gerichten festgestellt werden.
1007
Grotlierr/Jorewitz 2001, S. 144.
1008
Vgl. HerlingJwus 1997, S. 539
1009
Vgl. Barenz 2001, S. 694; Schon 1997, S. 582; Oestreiclter/Spengel 1999, S. 455.
236
Dritter Hauptteil
Zur Beriicksichtigung der internationalen Normen fiihren der EuGH und das FG Hamburg aus, dass in Ermangelung von Detailregeln bei der Auslegung der Jahresabschlussrichtlinie die lAS/IFRS heranzuziehen sind.^oio Der BFH weist dies zuriick.ioii Schon die Auslegung handelsrechtlicher Sachverhalte anhand der lAS/IFRS sei strittig, hier gehe es sogar um steuerrechtliche. Die intemationalen Normen sind teilweise unbestimmt und stehen nicht im Einklang mit dem deutschen Bilanzierungsverstandnis (z.B. Fair ValueBewertung). Das FG verweist femer darauf, dass die lAS/IFRS in der fiir das Streitjahr mafigebenden Fassung heranzuziehen sind. Allerdings waren die relevanten IAS 30 und 37 im Jahr 1989 noch nicht existent.^0^2 Diese rtickwirkende Hinzuziehung der intemationalen Normen erscheint aufierst fragwiir(^jg 1013 Grundsatzlich soUte jedoch davon ausgegangen werden, dass der EuGH seine Entscheidungen unter Hinzuziehung der lAS/IFRS treffen wird.1014
5)
Konsequenzen fiir die steuerliche Gewinnermittlung
Unstrittig ist, dass der EuGH sich die Kompetenz zugesteht, in handelsrechtlichen Fragen zur Auslegung der EG-Richtlinien zu entscheiden, solange kein konstruierter Fall zur Einholung der Meinung des EuGH vorgelegt wird. Aufierdem sieht er sich nicht nur fiir Kapitalgesellschaften, sondem auch fiir nicht unter die Bilanzrichtlinie fallende Personengesellschaften und Einzelunternehmen zustandig. Begriindet wird dies mit der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Der EuGH spricht sich auch fiir das Steuerrecht eine Vorlageentscheidungszustandigkeit zu, soweit nationales Recht mittelbar auf das Gemeinschaftsrecht verweist. Uber das in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG kodifizierte 1010
Vgl. EuGH-Urteil vom 07.01.2003, Tz. 118 sowie FG Hamburg vom 28.11.2003, S. 1220. Es wird zum Tell durch den Verweis des EuGH auf die lAS/IFRS von einer konzeptionellen Neuausrichtung der Steuerbilanz gesprochen. Scheffler 2003b, S. 302; Vater 2005, S. 69; Werner 2005, S. 4690.
10"
Vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2004.
1012
IAS 30 trat am 01.01.1991 und IAS 37 am 01.01.1997 in Kraft. Vgl. Bemdt 2004, S. 1220.
1013
Dziadkowski 2004, S. 323; Schulze-Osterloh 2005, S. 488.
1014
Vgl. Scheffler 2004b, S. 781.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
237
Mafigeblichkeitsprinzip wird die Vierte Richtlinie damit fiir die steuerliche Gewinnermittlung verbindlich. Es ist somit davon auszugehen, dass sich der EuGH auch in Zukunft fiir Fragen der steuerlichen Gewinnermittlung zustandig sieht, soweit das Ausgangsverfahren im Zusammenhang mit der Vierten Richtlinie steht.^o^s Es besteht die Befiirchtung, dass der EuGH, der das True and Fair ViewPrinzip als oberstes Gebot erachtet, Einfluss auf die GoB aller Gesellschaftsformen nehmen wird und daher auch deren Fortentwicklung, z.B. im Rahmen internationaler Standards, mitbestimmen kann.ioi6 Wird eine Vorlagepflicht angenommen, so wiirde dies einen Verlust der Steuersouveranitat sowie einen Kompetenzverlust der nationalen Gerichte beinhalten. AUerdings ist hierbei zu beriicksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber durch Durchbrechungen der Maligeblichkeit die EuGH-Regelungen, die nicht ins Steuerrecht zuriickwirken soUen, umgehen kann.^oi? J^IQS fiihrt jedoch zu einer weiteren Aushohlung des MaJSgeblichkeitsprinzips.^oi8 Es wird vorgeschlagen, das Problem der „schleichenden Europaisierung des Steuerbilanzrechts durch die Hintertur"^o^9 liefie sich durch einen § 5 „Abs. 7" EStG losen, durch den der deutsche Gesetzgeber klarstellen konnte, dass die EG-Bilanzrichtlinien fiir das Recht der steuerlichen Gewinnermittlung keine Mafigeblichkeit entfalten. Ob sich diese Auffassung allerdings durchsetzen wird, ist zweifelhaft, da dies eine Abkehr von der h.M. der Ubernahme der handelsrechtlichen GoB bedeutet. Allerdings kann der EuGH nur entscheiden, wenn ihm ein konkreter Fall vorgelegt wird. Es kommt somit auf das Vorlageverhalten der deutschen Gerichte 1015
Vgl. Sclteffler 2003b, S. 301.
1016
Vgl. Grotherr/Jorewitz 2001, S. 144; Spengel 2004, S. 132.
1017
Vgl. Arndt/Wiesbrock 1999, S. 353; Grotherr 2003, S. 420; Herkenroth/Korner/Rodewald 1999, S. 14; Oestreicher/Spengel 1999, S. 456; Scheffler 2003b, S. 304.
1018
„Die Tatsache, dafi gerade das Mafigeblichkeitsprinzip Hauptargument fiir die Verpflichtung des BFH zur Vorlage an den EuGH ist, verdeutlicht das Dilemma, in welchem sich das deutsche Einkommenssteuerrecht in der derzeitigen Situation befindet." Arndt/Wieshrock 1999, S. 354.
1019
Hennrichs 2001, S. 306.
238
Dritter Hauptteil
an, denen die Feststellung der Entscheidungserheblichkeit obliegt. Die Verhaltensweise und Urteilsbegriindungen des BFH lassen vermuten, dass dieser auch in Zukunft selbstandig ohne Vorlage vor den EuGH entscheidet.1020 Auch das Verhalten der Finanzgerichte ist abzuwarten. Die Praxisfolgen der bisherigen EuGH-Entscheidungen sind gering, da die Ausfiihrungen zu unbestimmt sind, „um fiir die Bilanzierungspraxis Rechtssicherheit zu schaffen"'02i Qgj. EuGH beschrankte sich im Urteil vom 07.01.2003 zur Frage der Bilanzierung und Bewertung von Drohverlustriickstellungen auf die Vorgabe allgemeiner Leitlinien. Neben der Beachtung des Grundsatzes des True and Fair View sei auch der Grundsatz der Vorsicht heranzuziehen. Die letztendliche Entscheidung, ob das Untemehmen eine Drohverlustriickstellung bilden darf, blieb dem FG Hamburg iiberlassen. „Sowohl die Tomberger-, die DE+ES- als auch die BIAO-Entscheidung haben zur Losung der jeweiligen Urteilssachverhalte substanziell nichts beigetragen, so dass in bilanzsteuerrechthchen Fragen in Zukunft durch EuGH-Entscheidungen auch keine grol^eren Rechtsveranderungen zu erwarten sein durften."io22 Zu beachten ist auch, dass es durch die Verlangerung des Instanzenwegs bei Vorlage vor dem EuGH zu einer unzumutbaren Verlangerung der Verfahrensdauer kommen kann. Die durchschnittliche Entscheidungsdauer von Verfahren gemafi Art. 234 EGV betrug im Jahr 2000 21,6 Monate; am 31.12.2000 waren 803 Verfahren anhangig.1023
3.
Schaffung einer einheitlichen europaischen Steuerbemessungsgrundlage
Die Europaische Kommission hat sich in ihrem Strategiepapier „Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindemisse" vom 23.10.2001 zum Ziel gesetzt, „die Union zum wettbewerbsfahigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt"io24 ^u machen. Unter anderem verfolgt sie das Ziel der 1020
Vgl. Scheffler 2003b, S. 301; Tipke/Lang 2002, Tz. 310 zu § 9.
1021
Moxfer 2003a, S. 363.
1022
Grotherr 2003, S. 432; vgl. auch Hoffmann 1999, S. 1688.
1023
Vgl. Biirenz 2004, S. 64; Grotherr 2003, S. 414.
1024
EU-Kommission 2001c, S. 3. Vgl. auch Oestreicher 2004, S. III.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
239
Schaffung einer einheitlichen konsolidierten Steuerbemessungsgrundlage fiir grenziiberschreitend tatige Konzeme innerhalb der EU.1025 In diesem Zusammenhang schlug die Kommission vor, einheitliche europaische Rechnungslegungsgrundsatze, die lAS/IFRS, als Ausgangspunkt zu wahlen. In einer Konsultation „Die Anwendung der International Accounting Standards (IAS) ab 2005 und ihre Implikationen fiir die Schaffung einer konsolidierten Steuerbemessungsgrundlage fiir die grenziiberschreitende Unternehmenstatigkeit in der EU" im Jahr 2003 soUte die Frage geklart werden, welche Moglichkeiten EU-weit anzuwendende lAS/IFRS fiir eine einheitliche Steuerbemessungsgrundlage eroffnen.1026 Daraufhin wurde ein Zwischenbericht iiber den Stand und die Fortschritte der europaischen Bemiihungen zur
Als Gnind fiir die Harmonisierung der Steuerbemessungsgrundlage gibt die Kommission an, dass sich grenziiberschreitende Konzeme mit bis zu 25 verschiedenen Steuersystemen im europaischen Wirtschaftsraum auseinander zu setzen hatten und die Compliance Costs dementsprechend hoch seien. Vgl. EU-Kommission 2003d, S. 4; Hey 2004, S. 205; ]acobs 2005, S. 141. Zu Modellen zur grenziiberschreitenden Steuerkonsolidierung von Konzemgesellschaften vgl. Bolkestein 2002, S. 271-273; Grotherr 1994; Harms 1982, S. 445-545; Hartmann 2002, S. 2130-2133; Hemler 2003, S. 60-65; Oestreicher 2002, S. 342-356. Dabei wurden vier Altemativen diskutiert, die in diesem Zusammenhang nur kurz skizziert werden. Die „Home State Taxation" sieht vor, dass alle Tochtergesellschaften eines Konzems ihren Gewinn nach den Regeln des Sitzstaates der Mutter ermitteln, auch wenn sie in anderen Staaten ansassig sind. Die „Common Base Taxation" sieht fur Zwecke der Ergebniskonsolidierung harmonisierte Gewinnermittlungsvorschriften vor, die neben die einzelstaatlichen Regelungen treten, so dass sich unterschiedliche Gewinnermittlungsvorschriften fiir Konzerne und andere Gesellschaften ergeben. Die „ European Union Company Tax" (EUCIT) legt ein einheitliches Korperschaftsteuergesetz in der EU fest. Sie unterscheidet sich von der „ Common Tax Base" durch die zentrale Erhebung und Verwaltung der Steuem. Der vierte Vorschlag, die „ Harmonised Tax Base", sieht eine Angleichung der nationalen Vorschriften zur Ausgestaltung der korperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage fiir alle Gesellschaften, nicht nur fiir grenziiberschreitende Konzeme, vor, so dass es letztendlich ein einheitliches System in der EU gibt. Vgl. Oestreicher 2002, S. 347 f.; Spengel 2002, S. 7; Gammie 2001, S. 233-249. Vgl. EU-Kommission 2003d; EU-Kommission 2003e.
240
Dritter Hauptteil
Beseitigung der steuerlichen Hindemisse im Binnenmarkt veroffentlicht,io27 wonach einige lAS/IFRS nicht im Einklang mit der steuerliche Gewinnermittlung gesehen wurden. Es herrschte die einheitliche Meinung, dass unrealisierte Gewinne nicht besteuert werden diirfen. Diese Problemfalle konnten jedoch durch Anpassungen bzw. Ubernahme von Einzelregelungen beseitigt werden.1028
Ausgangspunkt ftir die konsolidierte Steuer-Bemessungsgrundlage konnen entweder der Konzemabschluss oder die Jahresabschliisse der Konzernunternehmen sein.1029 Ei^e Moglichkeit ware, die Steuerbemessungsgrundlage mittels Uberleitungsrechnungen aus dem Konzemabschluss abzuleiten.io3o Allerdings soUten Fragen der Steuerbemessung und der Konsolidierung getrennt voneinander behandelt werden. Die Konsolidierung betrifft den Weltabschluss, die Steuerbemessungsgrundlage jeweiliges nationales Recht. Somit miissten zwei separate Konsolidierungskreise angelegt werden, denn die Konsolidierung zu handelsbilanziellen Zwecken geniigt den steuerlichen Zwecken nicht. Die unterschiedliche Einbeziehung europaischer Gesellschaften sowie Unternehmen aus Drittstaaten ware kompliziert und wiirde zu keiner Vereinfachung fuhren.1031 Auiierdem ist der Rechtsnormcharakter der Steuerbemessungsgrundlage nach lAS/IFRS umstritten.^032 Zudem miissten die Posten der Uberleitungsrechnung gesetzlich festgelegt werden, was zu Problemen fuhrt.^033 DiQ Ableitung einer Steuerbemessungsgrundlage aus dem Konzemabschluss wird daher von der EU-Kommission kritisch gesehen.io34 Daher schlagt sie nunmehr die Ableitung der konsolidierten Bemessungsgrundlage
1027
Vgl. EU-Kommission 2003e.
1028
Vgl. Jacobs 2005, S. 142.
1029
Vgl. EU-Kommission 2003f, S. 21.
1030
Vgl. EU-Kommission 2003f, S. 20.
1031
Vgl. Spengel 2004, S. 134.
1032
Vgl. Abschn. IlI.A.l. dieses Hauptteils.
1033
Vgl. Abschn. lII.D.3.b) des zweiten Hauptteils.
1034
Vgl. EU-Kommission 2003f, S. 23.
Grundlagen und Einwirkungen auf das deutsche Steuerrecht
241
aus den Jahresabschliissen vor.1035 Qi^s setzt allerdings die einheitliche Bilanzierung nach lAS/IFRS in alien Jahresabschliissen voraus.^036 Qej- Jahresabschluss ware zunachst anhand einer Uberleitungsrechnung in einen steuerlichen Abschluss zu transformieren, um dann die Konsolidierung vorzunehmen.1037
Bevor eine einheitliche Steuerbemessungsgrundlage auf Basis der lAS/IFRS realisiert werden kann, ist eine EU-weite Konkretisierung der Ziele und Inhalte sowie der Basis erforderlich, auf deren Grundlage dann eine Zweckmafiigkeitspriifung bestimmter lAS/IFRS erfolgen kann, so dass die Posten fiir eine Uberleitungsrechnung konkretisierbar sind.^038 Aufierdem erfor der t eine einheitliche Steuerbemessungsgrundlage Kriterien zur steuerlichen Konsolidierungsmethode sowie Schliisselgrofien fiir die Aufteilung der Steuerbemessungsgrundlage unter den Mitgliedstaaten. Die Harmonisierung wird kritisch gesehen, da schon im Bereich der Festlegung der Bemessungsgrundlage der direkten Steuem kein Konsens bestand.1039
^035
Vgl. £ U-Kommission 2003f, S. 22.
1036
Vgl, EU-Kommission 2004b und 2004c. Die EU-Kommission hat Ubersichten beziiglich der Umsetzung der EU-Verordnung in den einzelnen europaischen Staaten herausgegeben. Diese zeigen, dass fiir die nicht kapitalmarktorientierten Konzerne und Jahresabschliisse in den meisten Landern ein Wahlrecht gewahrt wird. Zur Zeit ist eine Pflichtregelung nicht sinnvoU. Dies ware jedoch fiir Konzernunternehmen nach den Planen der EU-Kommission zur einheitlichen Steuerbemessungsgrundlage Voraussetzung.
1037
Vgl Spengel 2004, S. 134 f. Die EU-Kommission sieht die Europaische Aktiengesellschaft (Societas Europaea) als Pilotprojekt fiir die Entwicklung einer einheitlichen Steuerbemessungsgrundlage an. Vgl. EU-Kommission 2003f, S. 23. Am 08.10.2004 trat die EU-Verordnung iiber die Europaische Gesellschaft in Kraft. Vgl. Waclawik 2004, S. 1191; Spengel 2003, S. 31. Zur rechtlichen Ausgestaltung vgl. Hirte 2005, S. 653-658 sowie S. 700-704.
1038
V g l . Jacobs 2 0 0 5 , S. 1 4 2 .
1039
Vgl. Schneider 2003, S. 304.
242
4.
Dritter Hauptteil
Konklusion
Es konnten einige intemationale Einfliisse auf das Steuerbilanzrecht dargestellt werden. Zunachst haben bei zunehmender Internationalisierung die sich moglicherweise wandelnden GoB iiber den Verweis des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG Einfluss auf die steuerliche Gewinnermittlung.^o^o Aufierdem sieht sich der EuGH fiir die Auslegung des Bilanzsteuerrechts zustandig. Da dieser auch die lAS/IFRS zur Urteilssprechung heranzieht, ist eine Einflussnahme auf die GoB moglich, auch wenn die Praxisfolgen der bisherigen Urteile als gering einzustufen sind. Weiterhin strebt die EU-Kommission die Schaffung einer einheitlichen konsolidierten Steuerbemessungsgrundlage auf Basis der lAS/IFRS an, die jedoch kurz- bis mittelfristig aufgrund der organisatorischen Voraussetzungen nicht realisierbar ist. Der deutsche Gesetzgeber zeigte durch die letzten Gesetzgebungsverfahren die Tendenz zu weiteren Durchbrechungen des Mafigeblichkeitsprinzips. Der derzeitige Gesetzeszustand wird als uniibersichtlich und mit vielen Zweifelsfragen belastet angesehen.io4i Daher stellt sich im Rahmen der Intemationalisierungsdiskussion die Frage nach einer Reformierung der steuerrechtlichen Gewinnermittlung. In den nachsten Kapiteln werden verschiedene Moglichkeiten der Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung sowohl unter Beibehaltung als auch bei Aufgabe des Mafigeblichkeitsprinzips erortert.
1040
Vgl. Abschn. II.C. des zweiten Hauptteils.
1041
Vgl. Hennrichs 2001, S. 307.
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
243
III. Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung A.
Ubemahme der lAS/IFRS unter Beibehaltung des Mafigeblichkeitsprinzips
1.
Eignung der lAS/IFRS als Ankniipfungspunkt der steuerlichen Gewinnermittlung
a)
Materielle Geeignetheit
Kurzfristig ist durch die Umsetzung des BilReG ein Einfluss der lAS/IFRS auf die Steuerbilanz nicht zu erwarten. AUerdings wurde im letzten Hauptteil dargestellt, dass sich mittel- bis langfristig auch der Jahresabschluss nicht den lAS/IFRS verschlieiSen kann, da einige Riickwirkungen zu erwarten sind. Die folgenden Ausfiihrungen gelten unter der Pramisse, dass ein lAS/IFRSAbschluss verpflichtend fiir alle Untemehmen zu erstellen ist. Wenn die lAS/IFRS auch im Jahresabschluss anzuwenden sind, stellt sich die Frage nach der Aufrechterhaltung des Mafigeblichkeitsprinzips. Die intemationalen Normen hatten dann iiber das Mafigeblichkeitsprinzip Auswirkungen auf den steuerbilanziellen Vermogens- und Ertragsausweis. Daher ist zunachst zu priifen, ob die lAS/IFRS fiir die Ermittlung des steuerlichen Gewinns geeignet sind und ob die Ubemahme der lAS/IFRS verfassungsrechtlich moglich ist. Es wurden zahlreiche Vergleiche zwischen lAS/IFRS und steuerrechtlicher Gewinnermittlung in der Literatur vorgenommen,i042 _ zuletzt in einem umfangreichen Gutachten von Herzig im Auftrag des BMJ im Jahr 2004io43 . so dass an dieser Stelle nur die wesentlichen Unterschiede erortert werden soUen. Die Zielsetzungen der Steuerbilanz und der lAS/IFRS sind nach h.M. nicht identisch. Wahrend die lAS/IFRS entscheidungsrelevante, zukunftsorientierte Informationen vermitteln soUen, hat die Steuerbilanz die Ermittlung eines periodengerechten, vergangenheitsorientierten Gewinns, der die Leistungsfahigkeit des Untemehmens darstellen soil und somit Bemessungsgrundlage fiir Steuerzahlungen ist, zum Ziel. Sie ist ein Instrument der staatlichen Eingriffs-
Vgl. Bucholz/Weis 2002, S. 512-517 und S. 559-564; Oestreicher/Spengel 1999. Vgl. Herzig 2004.
244
Dritter Hauptteil
und Lastenverteilungsregelung.1044 D[Q I A S / I F R S haben keine Steuerbemessungsfunktion.1045 AUS diesen unterschiedlichen Zwecksetzungen kann zwar nicht pauschal auf ihre Inkompatibilitat geschlossen werden, allerdings konnten in bestimmten Bereichen Zielkonflikte nachgewiesen werden.^o^e Ein Unterschied besteht in der Gewichtung der Rechnungslegungsgrundsatze: Vor allem das Verhaltnis des Grundsatzes der periodengerechten Gewinnermittlung zum Vorsichtsprinzip weist Diskrepanzen auf. Durch die IAS/IFRS soli vor allem der Informationswert des Rechenwerks beziiglich der Prognose kiinftiger Zahlungen erhoht werden.^047 Qej- Fiskus hat allerdings keinen Informationsbedarf hinsichtlich des zukiinftigen, realisierbaren, sondem hinsichtlich des vergangenen, realisierten Gewinns.i048 Das Realisationsprinzip wird nach IAS/IFRS nicht so streng gehandhabt wie im Steuerrecht. Grundsatzlich bestehen nach IAS/IFRS einige Moglichkeiten der Bewertung von Vermogensgegenstanden iiber ihre Anschaffungskosten hinaus. Dies beinhaltet die Gefahr der Besteuerung unrealisierter Gewinne und damit die Gefahrdung der Substanzerhaltung.^049 Weiterhin wird es nicht im Einklang mit dem Leistungsfahigkeitsprinzip nach derzeitigem Verstandnis (Markteinkommenstheorie) gesehen.^050 0,0 ist die Teilgewinnrealisierung
Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft 2002, S. 2379; Herzig/Hausen 2004, S. 1; Kahle 2001, S. 134. Vgl. Framework, Par. 6. Vgl. Herzig/Bdr 2003, S. 4; Fiilbier/Gassen 1999, S. 1512. Vgl. Wagner 2002, S. 1888. Vgl. Geiger 2001, S. 297; Schreiber 2000, S. 89. Vgl. Herzi^flr 2003, S. 5. Vgl. Begriindung RegE zum BilReG 2004, S. 23. Anderer Ansicht: Das Realisationsprinzip nach dem Verstandnis der IAS/IFRS sei mit dem Prinzip der steuerlichen Leistungsfahigkeit vereinbar. „Zwar orientieren sich die IAS mit der Erfassung auch am Markt noch nicht realisierter Vermogenszuwachse nicht - wie das geltende EStG - an der Markteinkommenstheorie, sondern starker an der klassischen Reinvermogenszugangstheorie (Schanz-Haig-Simons-Konzept). Dass damit ein anderer Mafistab fiir die Leistungsfahigkeit angelegt wird als nach dem geltenden Steuerrecht, andert aber nichts daran, dass die urspriingliche Reinvermogenszugangstheorie eine okonomisch (Fortsetzung der Fufinote atifder nachsten Seite)
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
245
nach der POC-Methode bei der Langfristfertigung sowie die Fair ValueBewertung bei Finanzinstrumenten und bei Immobilien, die als Finanzinvestitionen gehalten werden, nicht mit dem Steuerbilanzrecht vereinbar.^o^i Weiterhin wurde in Abschn. III.C.2. des zweiten Hauptteils nachgewiesen, dass die lAS/IFRS einige Ermessensspielraume eroffnen, die fiir die steuerbilanzielle Gewinnermittlung ungeeignet sind.io52 Gemafi lAS/IFRS werden Assets und Liabilities unterschieden. Steuerrechtlich erfolgt die Differenzierung in positive und negative Wirtschaftsguter.^053 wie in Abschn. ILC.2.b)2) des zweiten Hauptteils dargestellt, ist ein Asset eine in der Verfiigungsmacht des Untemehmens stehende Ressource, die ein Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit darstellt und von der erwartet wird, dass dem Untemehmen aus ihr ein ktinftiger wirtschaftlicher Nutzen in Form eines Zuflusses von Zahlungsmitteln oder Auszahlungserspamissen zufliefit (Framework, Par. 49(a) i.V.m. Framework, Par. 53). Der Begriff des Wirtschaftsgutes wurde durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes (RFH) entwickelt und im Jahr 1934 in das EStG ubernommen.^054 Er wird definiert als „Sachen, Rechte oder tatsachliche Zustande, konkrete Moglichkeiten oder vermogenswerte Vorteile fiir den Betrieb,^055 deren Erlangen sich der Bilanzierende etwas kosten lasst,^056 die einer besonderen Bewer-
durchaus sinnvoUe Interpretation des Leistungsfahigkeitsprinzips darstellt." BMF 2002,5.67. Vgl. Herzig/Bar 2003, S. 4; Spengel 2003, S. 34; Schreiber 2002,114. Vgl.Ew/er 2000,5.197. Vgl. Marx 2002,5. 603. Vgl. Herzig 2004,5. 65; Weber-Grellet 1996a, Tz. 4 zu § 8 E5tG. Es muss ein greifbarer Vermogensvorteil bestehen. „Damit werden neben Gegenstanden auch konkrete immaterielle Werte mit oder ohne Rechtscharakter, wie z.B. Lizenzen, ungeschiitzte Erfindungen, Geschaftswert (...) erfasst, die einen greifbaren Ausgabengegenwert darstellen.'' Federmann 2000,5. 205. Entscheidend ist hierbei, ob ein Erwerber im Rahmen des Gesamtpreises fiir das Untemehmen ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen wiirde. Vgl. BFHUrteil vom 08.04.1992,5. 894.
246
Dritter Hauptteil
tung zuganglich sind,io57 in der Kegel eine Nutzung fiir mehrere Wirtschaftsjahre erbringenioss ^nd zumindest mit dem Betrieb ubertragen werden konnenio59"(H 13 Abs. 1 EStR). Im Vergleich zum handelsrechtlichen Vermogensgegenstand ist der Begriff des steuerlichen Wirtschaftsgutes welter gefasst mlt dem Zlel, „geballte Ausgaben nicht im Jahr der Verausgabung, sondem liber den Zeltraum der Nutzung zu vertellen"io60 Zuj- Erfiillung der Tatbestandsmerkmale des Wirtschaftsgutes geniigt berelts die Grelfbarkelt^o^^, statt der Elnzelverkehrsfahlgkelt (selbstandlger Gegenstand des Rechtsverkehrs) geniigt die blofie Ubertragbarkelt mlt dem Betrleb.^o^^ Die Forderung des Zuflusses elnes wlrtschaftllchen Nutzens nach lAS/IFRS belnhaltet subjektlve Erwagungen der Untemehmensleltung, da elnlge Vermogenswerte hauflg nur mlttelbar dem Zlel dlenen, Zahlungsmlttelzufliisse zu generieren. Es konnen auch Werte aufgenommen werden, die nlcht dlrekt fiir den Absatzmarkt bestlmmt slnd, sondem slch iiber mehrere Perloden und Wertschopfungsketten Im Untemehmen erstrecken.^oes Qje Ubertragbarkelt 1st kelne Aktlvlerungsvoraussetzung. Aufierdem besteht elne Schatzproblematlk
1057
Dies bedeutet eine selbstandige Bewertungsfahigkeit.
1058
Es muss ein wirtschaftlich abnutzbarer Vermogenswert vorliegen. Vgl. BFH-Urteil vom 23.05.1984,5. 723.
1059
Das wirtschaftliche Eigentum muss iibertragbar sein. Vgl. BFH-Urteil vom 26.05.1982, S. 695.
1060
Federmann 2000, S. 206.
1061
Danach konnen nur an Dritte iibertragbare Wirtschaftsgiiter aktiviert werden. Vgl. BFH-Urteil vom 18.06.1975, S. 809. Dieses Kriterium der Greifbarkeit (das die Ubertragbarkeit impliziert) dient der Objektivierung. Vgl. Herzig 2004, S. 67.
1062
^^Die unterschiedliche Bezeichnung ist historisch begriindet; der bilanzsteuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsgutes soUte verdeutlichen, dafi steuerrechtlich eine weitergehende Aktivierungspflicht als handelsrechtlich bestehe." Weber-Grellet 1996a, S. 91 m.w.N.
1063
Vgl. Achkitner/Wolmert/van Hulle 2003, Tz. 50. Zum Beispiel besitzen Reklameaufwendungen keine Wirtschaftsguteigenschaft, konnen nach IAS jedoch aktiviert werden. Vgl. Herzig 2004, S. 69. Festzustellen ist jedoch, dass der steuerliche Begriff im Gegensatz zum handelsrechtlichen weiter gefasst ist und somit den lAS/IFRS naher steht.
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
247
beziiglich der kiinftigen Wahrscheinlichkeit. Wahrend die steuerliche Definition statisch ist - dort steht eine zeitpunktbezogene Ubertragung im Vordergrund -, weist die lAS/IFRS-Definition dynamische Elemente auf, da auf den zukiinftigen Zufluss eines wirtschaftlichen Nutzens abgestellt wird.io64 Es ergeben sich somit vor allem unter dem Aspekt der Objektivierbarkeit erhebliche Differenzen zwischen dem Asset-Begriff und dem Wirtschaftsgut. AUerdings legen zahlreiche Einzelstandards konkretere, objektiviertere Vorschriften fest, so dass bei vielen Posten eine Nivellierung stattfindet.^^^ AUerdings kann festgestellt werden, dass der Asset-Begriff aufgrund seiner starken subjektiven Bestandteile nicht fiir die steuerliche Bilanzierung geeignet ist.^066 Als negative Wirtschaftsgiiter werden nach der Verkehrsauffassung selbstandig bewertungsfahige, am Bilanzstichtag bestehende, wirtschaftlich verursachte rechtliche Verpflichtungen oder sonstige wirtschaftliche Lasten angesehen. Der steuerrechtliche Passivierungsrahmen ist enger als der handelsrechtliche, da steuerrechtlich keine Aufwandsriickstellungen zu passivieren sind, weil sie nicht als Schulden (Verbindlichkeiten gegeniiber Dritten) zu qualifizieren sind.^^7 j3ie Bildung von Riickstellungen bewirkt eine Verlagerung von Aufwendungen des laufenden Geschaftsjahres in das vergangene Geschaftsjahr, was mit dem Zweck der steuerlichen Gewinnermittlung nicht zu vereinbaren ist/'^^es Lediglich im Hinblick auf das Vorliegen einer Verpflichtung gegeniiber Dritten besteht eine Ubereinstimmung von handelsrechtlicher Schuld und steuerrechtlichem negativem Wirtschaftsgut.^069 Qie lAS/IFRS zeigen tendenziell durch das generelle Verbot der Passivierung von Aufwandsriickstellungen mehr Ubereinstimmungen mit der Steuerbilanz.^oyo
1064
vgl. BucholzA^eis 2002, S. 515.
1065
Vgl. Bucholz/Weis 2002, S. 515.
1066
Vgl. Herzig 2004, S. 73.
1067
Vgl. Federmann 2000, S. 207.
1068
Herzig 2004, S. 329. Vgl. dazu BFH-Urteil vom 19.03.1975, S. 535.
1069
Vgl. Kuflmaul 2003, S. 30.
1070
Vgl. Federmann 2000, S. 303.
248
Dritter Hauptteil
Im Folgenden werden ausgewahlte Bereiche von Bilanzierungsunterschieden dargelegt. Differenzen lassen sich bei selbsterstellten immateriellen Vermogenswerten feststellen. IAS 38 fordert keinen entgeltlichen Erwerb als Aktivierungskriterium. Auch selbsterstellte immaterielle Vermogenswerte konnen angesetzt werden. Durch diese fehlende Objektivierbarkeit (durch den entgeltlichen Erwerb) wird das Kriterium der Tatbestandsmafiigkeit nicht erfiillt.io^i IAS 38 ist fiir die Besteuerung ungeeignet.1072 Im Bereich der Sachanlagen und Finanzinstrumente erweist sich die mogliche Folgebewertung zum Fair Value als fiir die steuerliche Gewinnermittlung ungeeignet, da steuerlich das Realisationsprinzip gilt. Ein hoherer Fair Value darf nicht zum Ansatz kommen, um keine unrealisierten Gewinne zu besteuern. Auch der tJbemahme der Percentage of Completion-Methode (IAS 11) steht das strenge Realisationsprinzip entgegen. „Solange noch ein Restrisiko besteht, dass der ausgewiesene Gewinn in dieser Hohe nicht eintritt, ist auch die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit nicht mit hinreichender Sicherheit gegeben."^073 Weiterhin bestehen - wie in Abschn. III.C.2.b)3) des zweiten Hauptteils beschrieben - zahlreiche Ermessensspielraume hinsichtlich der Ermittlung des Teilgewinns.^074 Im Bereich der Herstellungskosten verfolgen sowohl die lAS/IFRS als auch das Steuerrecht den produktionsbezogenen VoUkostenansatz (IAS 2, EStR 22). Dadurch entfallt die Moglichkeit der Bildung stiller Reserven durch die handelsrechtlich mogliche Nichteinbeziehung von Material- und Fertigungsgemeinkosten. Dies ist unter Objektivierungsgesichtspunkten zu begru6en.io75 Gemafi IAS 16.41 ist das Abschreibungsvolumen von Sachanlagen iiber deren planmafiige Nutzungsdauer zu verteilen. Steuerrechtlich werden AbschreiVgLBMF 2002,5.68. Vgl. hierzu auch Herzig 2004, S. 103; Arbeitskreis Immaterielle Werte im Rechnungswesen der Schmalenbach Gesellschaft 2001, S. 989. Vgl. Herzig 2004, S. 146. Risiken konnen sein: Kalkulationsrisiko bei der Ermittlung der Auftragskosten, Terminrisiko als Gefahr, den Auftrag nicht fristgerecht fertigzustellen, Zahlungsrisiko, wenn der Abnehmer zahlungsunfahig geworden ist. Vgl. Pottgiefler/Velte/Weher 2005, S. 310-318. Vgl. Baetge/Thiele 1997, S. 22.
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
249
bungstabellen aufgrund der Objektivitat sowie der Gewahrleistung der Praktikabilitat und Vergleichbarkeit in Massenverfahren angewendet. Hierbei tritt die Bestimmung des tatsachlichen Werteverzehrs hinter die planmafiige Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten zuriick.^o^e Beziiglich der Abschreibungen von Gebauden bestehen Differenzen zwischen den Systemen: GemaE IAS sind die Anlagen iiber die Nutzungsdauer abzuschreiben. Im Einkommensteuerrecht wird die Gebaudeabschreibung mit 3% der Bemessungsgrundlage vorgenommen (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG). Durch den Verzicht auf Ansatzwahlrechte in der Steuerbilanz besteht eine weitgehende Ubereinstimmung mit den lAS/IFRS, z.B. Gebot des Ansatzes des derivativen Firmenwertes und des Disagios, Verbot der Bildung von Ingangsetzungsaufwendungen, Aufwandsriickstellungen, Aktivierungsverbot fiir Forschungsaufwendungen.1077 Es kann festgehalten werden, dass eine uneingeschrankte lAS/IFRSMafigeblichkeit ausgeschlossen ist.^078 Einige lAS/IFRS Regelungen widersprechen den grundlegenden Prinzipien der steuerlichen Gewinnermittlung: Vor allem ist die fehlende Objektivierbarkeit in einigen Bereichen unter anderem durch zahlreiche Ermessensspielraume zu kritisieren. Konkrete Internationale Rechnungslegungsstandards konnen allenfalls selektiv nach eingehender Priifung im deutschen Steuerbilanzrecht verwirklicht werden.^079 Daher wird vorgeschlagen, um das Mafigeblichkeitsprinzip nicht vollstandig abzuschaffen, nur einige kompatible Einzelregelungen zu iibernehmen^o^o ^nd die nicht kompatiblen zu modifizieren. Als weiteres Argument gegen die lAS/IFRS wird angefiihrt, dass bei deren Uberarbeitung bzw. Erstellung steuerliche Aspekte Beriicksichtigung finden wurden,^08i denn es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass bei handels1076
v g l . Herzig 2004, S. 176.
'077
Vgl Bucholz/Weis 2002, S. 516; Strunk 2003, S. 402.
1078
Vgl. Weber-Grellet 2002a, S. 706.
1079
Vgl. Herzig 2002a, Tz. 80 zu Kapitel 3.
1080
Vgl. Spengel 2004, S. 137.
1081
Vgl. Schreiher 2002, S. 106.
250
Dritter Hauptteil
rechtlichen Regelungen oft steuerrechtliche Aspekte im Vordergrund standen.1082 5ei der Entwicklung der lAS/IFRS dxirfte es allerdings aufgrund der Zielsetzung der international anwendbaren Normen schwierig sein, spezifische deutsche steuerliche Aspekte einzubringen.
b)
Verfassungsrechtliche Aspekte
Wie in Abschn. II. A. dieses Hauptteils dargestellt, legt das Rechtsstaatsprinzip die Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung fest. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Ubernahme der lAS/IFRS bestehen zunachst aufgrund des fehlenden Rechtsnormcharakters der internationalen Standards. Die Basis der Besteuerung bildet nach dem Grundsatz der Gesetzmafiigkeit der Besteuerung das Gesetz.^^ss D[Q I A S / I F R S stellen Beschliisse privater Gremien dar, auf die der deutsche Gesetzgeber im Rahmen seiner Mitwirkungsmoglichkeit in SAC nur einen geringen Einfluss hat.^084 Qje Belange des Steuergesetzgebers werden aufgrund der Zielsetzung der Entwicklung kapitalmarktorientierter Normen zudem keinen Anklang finden. Zum Teil wird die Meinung vertreten, dass den IAS/IFRS durch das Komitologie-Verfahren Rechtsnormcharakter verliehen wird.^oss DIQ Verordnung stelle als eine rechtsverbindliche Mafinahme des sekundaren Gemeinschaftsrechts eine Rechtsgrundlage dar, so dass die Ubernahme durch den Endorsement-Prozess rechtskraftig abgesichert sei. Diese Argumentation kann jedoch nicht aufrecht erhalten werden.^^86 Der Gesetzgeber kann sich seiner verfassungsrechtlich vorgegebenen Gesetzgebungskompetenz nicht entledigen.^os? Zudem besitzt die EU-Kommission
1082
Vgl. Herzig/Bdr 2003, S. 5.
1083
Steuerliche Eingriffe sind nur aufgrund verfassungsmafiig erlassener Gesetze zulassig. Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer RechtsivissenscJiaft 2002, S. 2379; Schon 2001, S. S79.
1084
Vgl. Herzig 2000a, S. 116.
1085
Vgl. Spengel 2002, S. 4 m.w.N.
1086
Vgl. BMF 2002, S. 67; Herzig 2004, S. 1; Arbeitskreis Hochschullehrer der Rechtswissenschaft 2002, S. 2378.
1087
Vgl. Begrtindung RegE zum BilReG 2004, S. 23.
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
251
keine Kompetenz zur Regelung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Aufierdem ist die Zielsetzung der EU-Kommission die Harmonisierung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen, nicht die Regelung der steuerlichen Gewinnermittlung.^oss Ferner wird der Gesetzgeber in der Gestaltung seines Haushaltes beeintrachtigt.1089 Durch die volatileren Ergebnisse sowie den stetigen Wandel der lAS/IFRS nimmt die Planbarkeit des steuerlichen Ergebnisses und damit der Steuerzahlungen bzw. der kiinftigen Einnahmen fiir den Fiskus ab.^090 Qje Rechtssicherheit der Besteuerung ware nicht gewahrleistet.^^^ Auch der Bestimmtheitsgrundsatz ist zu beachten, nach dem Rechtsvorschriften ausreichend bestimmt und fiir die Normadressaten verstandlich sein miissen.^092 Qie umfangreichen lAS/IFRS gehen wesentlich detaillierter auf spezielle Rechnungslegungsprobleme ein als die handelsrechtlichen Normen, allerdings bilden sie keine verstandliche Bemessungsgrundlage, da es den kasuistischen Regelungen oft an der notigen Prazision und Systematik fehlt.^^^ Zudem ist die Ubersetzungsproblematik anzufiihren: Die Ubersetzung eines Standards steht erst mit einer monatelangen Verzogerung zur Verfiigung, zudem ist die Qualitat der Ubersetzung fragwiirdig, es sind zahlreiche Nachlassigkeiten und fachliche Fehler festzustellen.^094 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine unmittelbare Anwendung der lAS/IFRS im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung den verfassungsmafiigen Grundregeln des Steuerbilanzrechts widerspricht.
1088
vgl. Kuntschik 2004, S. 183.
1089
Vgl. Geiger 2001, S. 297.
1090
Vgl. BMF 2002,5.67.
1091
Vgl. Herzig 2000a, S. 116.
1092
Vgl. Hennrichs 2001, S. 311.
1093
Vgl. Moxter 2000b, S. 2143.
1094
Vgl. Niehus 2005, S. I.
252
2.
Dritter Hauptteil
Folgen der Ubemahme der internationalen Normen fiir die Steuerbelastung
Nach einer 2002 erstellten Studie zu den Folgen einer lAS-basierten steuerlichen Gewinnermittlung fiir die deutsche Steuerbelastung wiirden die meisten Unternehmen bei Ubernahme der internationalen Standards entlastet.^o^s A1lerdings beschrankte sich die Analyse auf die bedeutsamsten Unterschiede zwischen dem EStG und den damaligen IAS im Bereich der Aufwandsverrechnung. Dies sind: Abschreibungsmethoden fiir Gebaude, bewegliche und immaterielle Wirtschaftsgiiter: Nach internationalen Grundsatzen wird die lineare Abschreibungsmethode bevorzugt. Fabrikationsgebaude sind iiber 40 Jahre und Biirogebaude iiber 50 Jahre abzuschreiben, steuerlich sind es 33 Jahre (3%). Bei der Ermittlung der Herstellungskosten sind nach lAS/IFRS stets die produktionsbezogenen VoUkosten anzusetzen; in Deutschland besteht ein Wahlrecht zwischen VoU- und Teilkostenansatz. Bei den Verbrauchsfolgeverfahren sehen die IAS die FiFo-Methode als Benchmark vor; in der Studie wird von der Anwendung der Durchschnittsmethode in Deutschland ausgegangen. Zudem wurden in der Studie Unterschiede hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung beriicksichtigt. Bei gehaltsabhangigen Zusagen gestatten die IAS eine Projektion kiinftiger Entwicklungen, und der Rechnungszins orientiert sich am langfristigen Kapitalmarktzins. In Deutschland gelten die restriktiveren Vorschriften des § 6a EStG. Anhand dieser Unterschiede wurden Unternehmen elf verschiedener Branchen beziiglich der Veranderung der Steuerbelastung bei einem Ubergang auf einen lAS-basierten Abschluss analysiert. Unternehmen mit niedriger Anlagen- und Vorratsintensitat und hoher Personalintensitat wurden dabei am starksten entlastet.io^e Diese Unternehmen konnen einerseits die giinstigeren
Vgl. Spengel 2002, S. 23. Anhand eines computergestutzten Unternehmensmodells, das die Entwicklung einer Kapitalgesellschaft in einem Zeitraum von 10 Perioden simuliert, wurde die Auswirkung einer Mafigeblichkeit der IAS auf die effektive Gesamtsteuerbelastung ermittelt. Eine erhohte Anlagenintensitat nach IAS kann im Vergleich zum HGB resultieren aus: Neubewertung von Gegenstanden des Aniagevermogens. Nach IAS ergeben sich oft verlangerte Nutzungsdauern (Abschreibung iiber die planmafiige Nutzungsdau(Fortsetzung der Fufinote auf der nachsten Seite)
Mogliche Entwicklxing der steuerlichen Gewinnermittlung
253
Vorschriften zur Periodisierung von Vorsorgeaufwendungen in Anspruch nehmen, andererseits entstehen ihnen nur geringe Nachteile aus der Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen sowie der hoheren Vorratsbewertung.1097
3.
Eingeschrankte Ubernahme der lAS/IFRS unter Beibehaltung des Mafigeblichkeitsprinzips
Wie in Abschn. III.A.l. dieses Hauptteils dargestellt wurde, ist die vollstandige Mafigeblichkeit der lAS/IFRS fiir die Steuerbilanz nicht vertretbar. Eine Ankniipfung an das Steuerrecht ist jedoch insofem moglich, dass festgelegt wird, welche lAS/IFRS steuerlich anwendbar sind. Dies entspricht einer zielgerichteten Durchbrechung des Mafigeblichkeitsprinzips dahingehend, dass die Ziele der steuerlichen Gewinnermittlung erreicht werden. Diese miisste z.B. beim Ansatz selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande oder der erfolgswirksamen Erfassung von Werterhohungen im Rahmen der Fair Value-Bewertung erfolgen. Im Gutachten von Oestreicher/Spengel aus dem Jahr 1998 wurden die Auswirkungen der Ubernahme der damaligen IAS auf die steuerliche Bemessungsgrundlage unter Aussetzung einiger lAS-Regelungen untersucht: Einerseits erfolgte die Beibehaltung der Abschreibungsregelungen nach § 7 EStG. Danach kam es bei anlageintensiven Untemehmen zu dauerhaften Steuerentlastungen im Vergleich zu voUstandigen lAS-Bilanzierem, da keine Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen eintritt. Andererseits erfolgt fiir personalintensive Untemehmen bei Nichtanwendung der Standards beziiglich der Pensionsriickstellungen eine Steuermehrbelastung.^o^^
er, Regelfall ist die lineare Abschreibung). Auch die mogliche Aktivierung selbsterstellter Anlagegiiter erhoht das Vermogen. Vgl. Meyer 2005b, S. 438-441. Vgl. Spengel 2002, S. 22 f. In einem Gutachten von Oestreicher/Spengel im Auftrag des BMJ von 1998 wurde unter Verwendung desselben Modells noch eine Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsposition bei der Umstellung auf die IAS festgestellt. Vgl. Oestreicher/Spengel 1999. Das BMF begriindete diese Umkehrung damit, dass die Diskrepanz zwischen IAS und Steuerrecht durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage abgebaut wurde. Vgl. BMF 2002, S. 69. Vgl. Oestreicher/Spengel 1999, S. 495 f.
254
Dritter Hauptteil
Um die Verfassungsmafiigkeit zu gewahren, miisste der Steuergesetzgeber ein zweites „ Endorsement" einfiihren, indem er die steuerlich kompatiblen lAS/IFRS festlegt. AUerdings ist diese Losung mit hohem Aufwand verbunden, da zunachst alle bestehenden sowie neuen und iiberarbeiteten lAS/IFRS auf ihre steuerliche Kompatibilitat geprxift werden miissten. Weiterhin kann die Steuerbemessungsgrundlage an eine im Abschn. III.D.3.b) des zweiten Hauptteils vorgestellte modifizierte Uberleitungsrechnung ankniipfen. Hierbei miisste das ausschiittungsfahige Ergebnis um steuerliche Besonderheiten modifiziert werden. Diese Vorgehensweise erfordert einen erheblichen gesetzgeberischen Aufwand und wirft zahlreiche Zweifelsfragen auf, so dass sie nicht weiter verfolgt wird. Aufierdem wird die Gewahrung einer MaGgeblichkeit der lAS/IFRS in Verbindung mit der Aufnahme weiterer Restriktionen diskutiert. Es konnte § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG durch folgende Formulierung erganzt werden: „ Hierbei sind nur Wirtschaftgiiter und Schulden sowie Rechnungsabgrenzungsposten gemafi Abs. 5 anzusetzen. Andere Posten wie insbesondere Bilanzierungshilfen und Aufwandsriickstellungen, sind nicht anzusetzen. Anschaffungskostenprinzip. Realisations- und Vorsichtsprinzip sind zu beachten."^099 WeberGrellet schlagt einen Passus vor, der den zeitgerechten Ausweis von Aufwand und Ertrag regeln soil: „Ertrag ist auszuweisen, wenn die jeweilige Leistung erbracht ist und der Anspruch auf die Gegenleistung zumindest hinreichend sicher scheint. Aufwand ist auszuweisen, wenn und soweit er den abgelaufenen Zeitraum wirtschaftlich belastet hat.""oo AUerdings beinhalten diese Alternativen wieder Auslegungsspielraume, z.B. im Rahmen des Realisationsund Imparitatsprinzips, die sowohl im deutschen als auch im lAS/IFRSSystem vorhanden sind, allerdings unterschiedlich ausgelegt werden.
1099
Grotherr/Jorewitz 2001, S. 147 f. Vgl. hierzu auch: Esser 1999, S. 227.
1100
Weher-Grellet 2002b, S. 2184. Er pladiert allerdings fiir ein selbstandiges Bilanzsteuerrecht.
Mogliche Entwickliing der steuerlichen Gewinnermittlung
4.
255
Diskussion um die umgekehrte Mafigeblichkeit
Die umgekehrte MaCgeblichkeit ist zahlreichen Kritikpunkten ausgesetztr^^^i Durch die Gewahrung von Sozialzwecknormen werde die Steuerbilanz deformiert.1^02 Weiterhin erfolge eine Verfalschung des handelsrechtlichen Ergebnisses und eine Beeinflussung dessen Aussagefahigkeit.^^o^ Auch die zusatzlichen Angaben im Anhang konnen diese Deformierung nicht kompensieren.1104 ^^DIQ staatliche Lenkung wird vom Steuerrecht auf das Handelsbilanzrecht zu Lasten seiner Informationsfunktion erweitert/'^^^^ Femer geht die h.M. davon aus, dass steuerliche Subventionsregelungen, die iiber die umgekehrte Mafigeblichkeit Eingang in das Handelsbilanzrecht finden, nicht den Grundsatzen der Vierten EG-Richtlinie und den GoB entsprechen.^^oe Aufierdem wiirden ertragsschwache oder an einer Mindestausschiittung interessierte Kapitalgesellschaften bewusst keine Steuervorteile in Anspruch nehmen, so dass die Ausschiittungssperre durch die umgekehrte Mafigeblichkeit die Effizienz steuerlicher Subventionsvergiinstigungen verringert."07 Gegner der Abschaffung argumentieren, dass durch die umgekehrte Mafigeblichkeit die Einheit der Rechtsordnung gewahrt werde. Die Deformierung der Handelsbilanz werde durch die Anhangangaben (§ 285 Nr. 5 HGB) relativiert.^^08 AUerdings wurden in Abschn. II.B.2. dieses Hauptteils Griinde gegen die Einheitlichkeit der Rechtsordnung genannt. Es iiberwiegen die Stimmen fiir die Abschaffung der umgekehrten Maligeblichkeit. Wenn der Jahresabschluss langfristig nach lAS/IFRS erstellt wird, ist eine Abschaffung der umgekehrten Mafigeblichkeit die logische Konsequenz, da die 1^01
Zur Entstehung der umgekehrten Mafigeblichkeit vgl. Raupach 1990, S. 522.
1102
Vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 330 zu § 9.
"03
Vgl. Sittel 2003, S. 125-165 mit ausfiihrlicher Begriindung. Vgl. auch Endriss 2003, S. 412; Lauth 2000, S. 1343; Steck 2002, S. 493.
"04
Vgl. Dziadkowski 1989, S. 439; Sittel 2003, S. 157; Soffing 1995, S. 668-673.
"05
Tipke/Lang 2002, Tz. 220 zu § 9.
"06
Vgl. Esser 1999, S. 225; Raupach 1990, S. 519; Robisch/Treisch 1997, S. 163.
"07
Vgl. Dziadkowski 1989, S. 437; Herzig 2002b, Sp. 1544; Schildbach 1989, S. 133-140.
"08
Vgl. Endriss 2003, S. 412.
256
Dritter Hauptteil
Ubemahme steuerlicher Werte in den lAS/IFRS-Abschluss dem Informationsziel der internationalen Standards widerspricht.iio^ Zumindest fiir die Konzernrechnungslegung wurde die umgekehrte Mafigeblichkeit im Rahmen des TransPuG abgeschafft.i^io
5.
Konklusion
Bei Ubernahme der lAS/IFRS in den deutschen Jahresabschluss muss das Mafigeblichkeitsprinzip nicht zwangslaufig aufgegeben werden. Es kann allerdings angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken sowie zahlreicher Divergenzen zwischen den Grundsatzen der Rechnungslegung keine vollstandige Ubernahme der lAS/IFRS erfolgen. Bei Beibehaltung des Mafigeblichkeitsprinzips miissten steuerliche Sonderregelungen fiir inkompatible Bereiche geschaffen werden. Dies erfordert aufgrund der Kompatibilitatspriifung mit den lAS/IFRS einen grofien verwaltungstechnischen Aufwand. Zudem waren bei Anderungen der lAS/IFRS die steuerlichen Vorschriften kontinuierlich fortzuentwickeln. Dies tragt nicht zur Rechtssicherheit bei. Bei Zulassung der lAS/IFRS auch fiir die steuerliche Gewinnermittlung, besteht bei Aufrechterhalten des Mafigeblichkeitsprinzips eine uneinheitliche Gewinnermittlung. Wenn im Rahmen einer Ubergangsphase oder der Fortfiihrung der HGBRegelungen fiir KMU einige Unternehmen weiterhin die handelsrechtliche Bemessungsgrundlage beibehalten, andere jedoch nach lAS/IFRS bilanzieren und besteuert werden, hangt die Hohe der Steuerzahlung von den jeweiligen Bilanzierungsregeln ab. Eine gleichmafiige Besteuerung der Gewinne wird somit nicht gewahrleistet.^^^i Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die Aufgabe des Mafigeblichkeitsprinzips als eine sinnvoUe Alternative, die in den nachsten Kapiteln dargestellt wird.
"09
Vgl. Herzig 2000a, S. 116; Schreiber 2002, S. 106.
i"o
Vgl. Solfrian/Siebrafie 2004, S. 111.
""
Vgl. Schreiber 2002, S. 106.
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
257
B.
Altemativen zur steuerrechtlichen Gewinnermittlung bei Aufgabe des Maligeblichkeitsprinzips
1.
Kriterien zur Neuordnung der steuerlichen Gewinnermittlung
a)
Einkommens- oder konsumorientierte Besteuerung
Bei Aufgabe des MaCgeblichkeitsprinzips werden Kriterien zur Neuordnung der steuerlichen Gewinnermittlung gefordert. Als Fundamentalprinzip ist die Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit anerkannt.m2 Dessen Auslegung und die Ableitung von konkreten Bilanzierungsposten erfolgt jedoch unterschiedlich.^ii^ Es besteht zudem eine kontroverse Diskussion, ob als Mafistab das Einkommen oder der Konsum heranzuziehen ist.^i^^ Das Leistungsfahigkeitsprinzip ist zwar unbestimmt, jedoch nicht unbestimmbar oder beliebig, sondem lediglich konkretisierungsbediirftig.1115 Der Gesetzgeber muss explizit festlegen, welche Ermittlungsgrolie zum Ansatz gelangt und wie diese ausgestaltet werden soil. Dabei kommen Steuern auf das Einkommen^^^^ und Vermdgen^i^^ (kapitalorientierte Besteuerung) oder Steuern auf die Verwendung von Einkommen und Vermogen (konsumorientierte Besteuerung) in Betracht.^^^^ Bisher bemisst sich die Einkommensteuer als kapitalorientierte Steuer auf das erwirtschaftete, am Markt realisierte Einkommen. Die konsumorientierte Be-
Vgl. Thiel 1990, Tz. 198 zu Kapitel IV. Vgl. Wagner 2002, S. 1888. Zu den unterschiedlichen Auslegungen vgl. auch Wagner 2000, S. 185; Kuting/Kessler 2000, S. 21-29; Skgel 2000a, S. 29-33. Vgl. Lang 1990, S. 113; Siegel 2000b, S. 724-741. Vgl. Birk 2000, S. 329; Hennrichs 2001, S. 309. Zur Definition von Einkommen gibt es zahlreiche Ansatzmoglichkeiten. Stellvertretend hierzu vgl. Lang 1988, S. 167-190; Tipke 2000, S. 504; Wenger 1985, S. 711-730. Zu naheren Erlauterungen vgl. Tipke/Lang 2002, Tz. 100-106 zu § 4. Nach h.M. ist die Steuerbelastung des Vermogensbestandes mit Substanzsteuern (Vermogensteuer, Gewerbekapitalsteuer, Grundsteuer) nicht mit dem Leistungsfahigkeitsprinzip vereinbar. Zur Eignung der Grofien aus finanzwirtschaftlicher Sicht vgl. Wellisch 2000, S. 42-88.
258
Dritter Hauptteil
steuerung als Indikator der Leistungsfahigkeit^^^^ kniipft nicht an das Einkommen an, sondem als Bemessungsgrundlage wird der Konsum oder der nicht-investive Teil des Einkommens herangezogen.1120 Auf Untemehmensebene bedeutet dies, dass die fiir die Selbstfinanzierung von Investitionen verwendeten Unternehmensgewinne nicht der Besteuerung unterliegen. Direkte Untemehmenssteuern wie die Korperschaft- oder Gewerbesteuer wiirden entfalien. 1121 ^Is Beispiele fiir konsumorientierte Steuern sind die Cashflow-Steuerii22^ d.h. die Besteuerung des Uberschusses betrieblicher Einnahmen iiber Ausgaben, und die zinsbereinigte Einkommensteuer zu nennen.^123 Befiirworter der konsumorientierten Besteuerung machen geltend, dass diese Entscheidungsneutralitat bewirkt.1^24 Hierauf wird im nachsten Kapitel eingegangen.
b)
Besteuerung des okonomischen Gewinns
Neben der Erfiillung verfassungsrechtlicher Prinzipien kann die Gestaltung der Einkommensteuer anhand des Einflusses auf wirtschaftliche Entscheidungen erfolgen.1^25 Gesamtwirtschaftlich ist als normatives Kriterium die alloka-
Vertreter der konsumorientierten Besteuerung sind unter anderem Rose, Wagner und Wenger. Vgl. Rose 1992, S. 15; Siegel 2000b, S. 725 m.w.N. Die Entscheidung fiir oder gegen eine konsumorientierte Besteuerung wird als Werturteil gesehen, das auf ethischen Begriindungen beruht, die nicht als falsch oder richtig angesehen werden konnen. Vgl. Schreiber/Stellpflug 1999, S. 186-192; Spengel 2002, S. 9; Siegel 2000b, S. 739. „Der Konsumbesteuerung liegt die Uberlegung zugrunde, dafi die Leistungsfahigkeit einer Person ihren Ausdruck in deren (Lebens-)Konsum findet und der Konsum durch Sparen zwischenzeitlich eingeschrankt wird. (...) Der Konsum als Indikator der Leistungsfahigkeit fiihrt zur Steuerbefreiung gesparter bzw. investierter Betrage.'' Eberhartinger 2000, S. 390. Vgl. Rose 1989, S. 191. Vgl. Wellisch 2000, S. 144. Vgl. Rose 1990, S. 91. Vgl. die Ausfiihrungen zur Cashflow- und zinskorrigierten Steuer Abschn. III.B.3. und 4. dieses Hauptteils. VglSchreiberlOOZS.in.
Mogliche Entwickliing der steuerlichen Gewinnermittlung
259
tiv effiziente Besteuerung zu nennen (Grundsatz der Nichtverschwendung von Ressourcen).^i26 Betriebswirtschaftlich erfolgt eine Abwagung von Entscheidungsaltemativen seitens des Steuerpflichtigen.1127 ES gilt das Postulat der Entscheidungsneutralitat der Besteuerung,i^28 d h. „dass die Vorteilhaftigkeitsentscheidung zwischen zwei Moglichkeiten unter Beriicksichtigung von Steuem nicht anders getroffen wird, als dies ohne Beriicksichtigung von Steuem der Fall ware"^^29 Steuem dxirfen keinen Einfluss auf die Entscheidungen haben. Das theoretische Ideal der Entscheidungsneutralitat erfiillt eine Steuer, die den okonomischen Gewinn besteuert, d.h. die Verzinsung des Ertragswertes.^1^0 Werden die zukiinftigen Zahlungsstrome zum einen auf einen Stichtag am Anfang der Periode und zum anderen auf einen Stichtag am Ende der Periode diskontiert, so stellt die Differenz den periodengerechten oder okonomischen Gewinn der Periode dar. Dieser kann dem Untemehmen entnommen werden, ohne dessen Gesamtwert einzuschranken. Die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit des Untemehmens bleibt erhalten, wenn der Ertragswert am Ende der Periode nicht unterhalb des Ertragswertes am Anfang der Periode liegt.^i^^i Unter Modellbedingungen ist die Entscheidungsneutralitat auch durch eine Cashflow-Steuer sowie eine zinsbereinigte Steuer zu erreichen.^1^2
"26
Vgl. Schreiber 2002, S. 111.
1127
Vgl. Wagner 2000, S. 188.
1128
Diese Fordening gilt sowohl fiir die finanzwissenschaftliche als auch fiir die betriebliche Ebene. Vgl. Schreiber 2002, S. 111. Zu den wichtigsten Entscheidungen, die steuerlich moglichst unverzerrt sein soUten, gehoren insbesondere solche hinsichtlich der Rechtsform, der Finanzierungsarten und der Investitionen. Vgl. Herzig 2004, S. 22; Jacobs 1997, S. 213; Schwinger 1994, S. 40 f.; Wellisch 2000, S. 140. Die Entscheidungsneutralitat gewahrleistet ein Steuersystem, das intersektoral und intertemporal neutral ist. Vgl. stellvertretend Breithecker/Schmiel 2003, S. 268; Jacobs 1997, S. 213 f.; Eberhartinger 2000, S. 398.
"29
strunk 2003, S. 399. Vgl. auch Wagner 1992, S. 2-13.
1130
Vgl. Jacobs 1971, S. 19-27. Zu unterschiedlichen E)efinitionen des okonomischen Gewinns vgl. Koch 1968, S. 389-441; Spengel 2003, S. 35.
"3^
Vgl. Coenenberg 2003, S. 1183.
"32
Vgl. Jacobs 1997, S. 217.
260
Dritter Hauptteil
Das Modell des okonomischen Gewinns wird von vielen als Idealmodell der Einkommensbesteuerung angesehen.ii^"^ Die praktische Umsetzung dieser Steuer scheitert allerdings daran, dass die Erfassung des okonomischen Gewinns als Differenz zweier Ertragswerte die Bestimmung kiinftiger Zahlungsstrome voraussetzt.^i^ Diese auf Schatzgrofien basierende Gewinnermittlung ist aufgrund der Rechtsunsicherheit mit den systemtragenden Prinzipien des Steuerrechts nicht zu vereinbaren.ii'^^ Wegen der durch die Prognose der zukiinftigen Einnahmen und Ausgaben unsicheren SchatzgroOen sowie der Moglichkeit, auch unrealisierte Gewinne auszuschiitten und zu besteuern,^i^^^ kommt die Konzeption des okonomischen Gewinns als Ausschiithings- und Steuerbemessungsgrundlage nicht in Betracht. ^'^^'^ Auiierdem konnen aus den Modellen des okonomischen Gewinns keine Riickschliisse auf bestimmte Bilanzierungs- und Bewertungsprinzipien gezogen werden. Bei dieser Gesamtwertorientierung ist ausschliefilich der Steuerbarwert entscheidend, nicht die Zusammensetzung aus einzelnen Positionen. Das Vermogen wird nicht als Summe des Wertes einzelner Wirtschaftsgiiter ermittelt. Die okonomische Abschreibung bestimmt sich nach den Umstanden des
Es wird auch als kapitaltheoretisches Gewinnkonzept, Gewinnermittlung nach dem Gesamtwertprinzip oder Johansson-Samuelson-Modell bezeichnet. Vgl. hierzu Sigloch 2004, S. 214. Vgl. BMF 2002, S. 69. „Die mangelnde Praktikabilitat des Konzeptes des okonomischen Gewinns aufgrund der Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Ertragswerte bzw. bei der Prognose zukiinftiger Zahlungsstrome fiihrten dazu, dafi die allokativ effiziente Einkommensteuer nur in theoretischen Modellen existiert." Eberhartinger 2000, S. 393 m.w.N. Vgl. Herzig 2004, S. 23; Jacobs 1997, S. 219; Siegel 2000b, S. 738; Spengel 2002, S. 16. Dieser Fall besteht z.B., wenn zukiinftige Ertragsaussichten aufgrund von erfolgreichen Forschungs- und Entwicklungsprojekten steigen, ohne dass sich diese Aussichten auf Ertragssteigerungen schon in realisierten Grofien niedergeschlagen haben. Vgl. Coenenberg 2003, S. 1185. In der investororientierten Berichterstattung (Shareholder Value) hat dieses Prinzip jedoch erhebliche Bedeutung erlangt. Vgl. Coenenberg 2003, S. 1186.
261
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
Einzelfalls, der Investition.i^^s Daher lassen sich hieraus keine Ansatz- und Bewertungsvorschriften fiir einzelne Wirtschaftsgiiter ableiten.^^^^
c)
Moglichkeiten zur Ausgestaltung der Steuerbemessungsgrundlage
Es besteht die grundlegende Frage, ob die zukiinftige steuerliche Gewinnermittlung im Rahmen des Leistungsfahigkeitsprinzips auf dem Einkommen oder dem Konsum basieren soil. Bei der Einkommensorientierung besteht die Moglichkeit der Beibehaltung der Ankniipfung an den Gewinn, lediglich die Mafigeblichkeit wird aufgegeben. Hierbei kommen als Alternativen eine zahlungsorientierte Rechnung (Einnahme-Uberschussrechnung) oder ein Bestandsvergleich in Betracht. Bei der Konsumorientierung konnen die Cashflow-Steuer bzw. die zinskorrigierte Steuer angewendet werden. Die Besteuerung des okonomischen Gewinns als gesamtwertorientiertes Modell wird ausgeschlossen.
M5glichkeiten der Steuerbemessung nach dem LeistungsfShigkeitsprinzip
Indikator der LeistungsfShigkeit
Steuerliche Erfolgsermittlung
Konsum
Einkommen
Betriebsvermftgens vergleich
Mcdif zierte Eir nahimeObersc,hussrechnu
[^innahmeIJberschuss rechnung
Zin sbereinigte Eir kommenste aer
Cashfl owSteuer
Abbildung 9: Moglichkeiten zur Ausgestaltung der Steuerbemessungsgrundlage^i^o
1138
Vgl. Spengel 2003, S. 35.
1139
Vgl. Wagner 2002, S. 1889 f.; Kahle 2002b, S. 187-215 m.w.N.; Spengel 2002, S. 15.
1140
Modifiziert entnommen aus Eherhartinger 2000, S. 410.
262
Dritter Hauptteil
Die Abbildung 9 gibt die in den nachsten Kapiteln darzustellenden Altemativen der Ausgestaltung der Steuerbemessungsgrundlage wieder. Im Folgenden soUen die Vor- und Nachteile der jeweiligen Vorschlage diskutiert werden, um eine Entscheidung hinsichtlich der optimalen steuerlichen Bemessungsgrundlage der zukiinftigen Gewinnermittlung treffen zu konnen. Dabei werden zunachst die konsumorientierten und dann die einkommensorientierten Moglichkeiten behandelt.
2.
Steuerreformmodelle
Aufgrund der oben genannten Kritikpunkte am deutschen Steuerrecht warden zahlreiche - sowohl konsum- als auch einkommensorientierte - Reformvorschlage unterbreitet. Eine Auswahl wird im Folgenden dargestellt. Bereits 1971 sprach sich die Steuerreformkommission in ihrem Gutachten fiir die Aufgabe des Ma6geblichkeitsprinzips aus.^^^i Qort wurde ein relativ detailliertes eigenstandiges Steuerbilanzrecht formuliert, das nur noch im Zweifel den Verweis auf die GoB vorsah. Der Aufbau entsprach der heutigen Regelung, jedoch enthielten die einzelnen Vorschriften detaillierte Vorgaben zum Ansatz von Wirtschaftsgiitem und Schulden (§ B) sowie zu den einzelnen Bewertungsvorschriften (§ C).^^^2 Diese Vorschlage wurden nicht angenommen. Der Gesetzgeber begriindete das Festhalten an der Mafigeblichkeit damit, dass es „aus Griinden der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und der Vereinfachung der Rechtsanwendung weiterhin erforderlich (sei; Anm. des Autors), die Abweichung zwischen Handelsbilanz und Steuerrecht moglichst eng zu halten und die Handelsbilanzen auch fiir die Besteuerung nutzbar zu machen"ii43.
Das Dritte Steuerreformgesetz 1973 sah ebenfalls ein eigenstandiges Steuerbilanzrecht vor (§§ 7-37). AUerdings soUte die Mafigeblichkeit aufrecht erhalten
Vgl. Steuerreformkommission 1971, S. 1072, § B Abs. 3. Im Anhang 32 des Gutachtens der Steuerreformkommission wird ein Vorschlag fiir eine Neufassung der Vorschriften tiber die steuerliche Gewinnermittlung gemacht (§§ A-K). Vgl. Bcirenz 2004, S. 159; Weber-Grellet 1998, S. 1346. Vgl. BT-DrucksacJte 7/1470, S. 223.
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
263
werden. Das Betriebsvermogen, die Ubertragung stiller Reserven sowie Abschreibungen wurden definiert. Zu den Bereichen Wirtschaftsgut, Verbindlichkeit, Riickstellungen sowie zur Handhabung der Gewinn- und Verlustrealisation erfolgte ein Verweis auf die handelsrechtiichen GoB.^^44 DIQ Vorschlage wurden wiederum mit der Begriindung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und der Vereinfachung der Rechtsanwendung nicht angenommen.^^^^ Auch der Referentenentwurf des Einkommensteuergesetzes 1974 sah eine eigenstandige Steuerbilanz vor. Dabei wurde vorgeschlagen, die Grundpfeiler, d.h. den Ausweis des Betriebsvermogens und dessen Bewertung im Steuerrecht zu kodifizieren.^^^^ Soweit keine besonderen steuerlichen Regelungen gelten, soUten die GoB herangezogen werden.^^^^ Dieser Vorschlag wurde abgelehnt und in einem neuen Entwurf die Mafigeblichkeit wieder hergestellt.^^^^ Die Bareis-Kommission stellte 1996 Thesen zur Reform der Einkommensteuer auf. Sie pladierte unter anderem fiir die Streichung von Lenkungsnormen im Einkommensteuerrecht und eine gleichmafiige Behandlung aller Einkunftsarten sowie fiir die Abschaffung von Steuerbefreiungen und -ermafiigungen.^^^^ Rose entwarf das Modell der „Einfachsteuer"^i5o^ durch die „eine nur einmalige steuerliche Belastung des fiir den Konsum bereitstehenden Lebenseinkommens garantiert werden"^^5i soil. Die Realisierung soil durch eine zinsbereinigte Einkommensteuer erfolgen. Die Kommission zur Reform der Untemehmensbesteuerung sollte 1999 eine grundlegende Reform erarbeiten mit dem obersten Ziel der Rechtsformneutralitat. Vorgeschlagen wurde in den „Briihler Empfehlungen" eine Kodifika-
1144
vgl. Weber-Grellet 1998, S. 1347.
1145
Vgl. Lauth 2000, S. 1371.
1146
Vgl. Klotz 1973, S. 34.
1147
Vgl. Rau 1972, S. 158.
1148
Vgl. Rau 1974, S. 122.
1149
Vgl. Burets 1995, S. 160.
1150
Vgl. Rose 2003; ders. 2005.
1151
Vgl. Birk 2004, Tz. 94c zu § 1.
264
Dritter Hauptteil
tion der steuerbilanziellen Gewinnermittlung in einem Untemehmenssteuergesetz. Der Abschnitt zur Gewinnermittlung (§§ 4-7 EStG) soUte verkiirzt sowie die §§ 7a-7k, die steuerliche Subventionen betreffen, gestrichen werden. Es war vorgesehen, dass die Moglichkeit sowohl zum Betriebsvermogensvergleich als auch zur Erstellung einer LFberschussrechnung erhalten bleibt. Im Falle der Anwendung einer Uberschussrechnung wird aus dem Unternehmenssteuergesetz auf das Einkommensteuergesetz verwiesen. Das Maligeblichkeitsprinzip ist nach dem Vorschlag beizubehalten, allerdings wurde es als erforderlich angesehen, einige wichtige steuerliche Regelungen im Unternehmenssteuergesetz festzulegen, z.B. Riickstellungen, Vorgaben zur steuerrechtlichen Gewinnrealisierung.i^52 Im Jahr 2001 erarbeitete eine private Arbeitsgruppe, die sich aus Steuerrechtswissenschaftlem und -praktikem zusammensetzte, den „Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes".^^^^ Danach sollten die Methoden der Uberschussrechnung und des Betriebsvermogensvergleichs sowie das Mafigeblichkeitsprinzip beibehalten werdenA^^ Zu letzterem waren jedoch zahlreiche Durchbrechungen neben den bisherigen vorgesehen, z.B. Einschrankung der Abschreibungsmethoden auf die lineare Abschreibung, Ansatzverbot fiir geringwertige Wirtschaftsgiiter (GWG), Nichtgeltung des Imparitatsprinzips, z.B. Verbot von Teilwertabschreibungen, Ansatzverbot fiir Aufwandsriickstellungen, Ansatzverbot fiir RAP. Sonderabschreibungen und erhohte Absetzungen sollten entfallen.^^^s Im Jahr 2003 machte die Heidelberger Forschungsgruppe „Bundessteuergesetzbuch" einen Vorschlag zur Reform des Ertragsteuerrechts. In einem Einkommensteuergesetzbuch wurde ein systematisches, allgemeinverstandliches
Vgl. Briihler Empjehlungen zur Reform der Untemehmensbesteuerung 1999, Anhang 1, S. 65-69; Hennrichs 2001, S. 302. Vgl. Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes 2001. Vgl. Karlsruher Entivurfzur Reform des Einkommensteuergesetzes 2001, S. 37. Zu einem tabellarischen Vergleich der Regelungen des Karlsruher Entwurfs mit dem 2001 geltenden Steuerrecht vgl. Scheffler 2001a, S. 904-914. Zur weiteren Kritik am Entwurf vgl. Bareis 2002, S. 135-147; Kirchhof 2002, S. 3-22; Tipke 2002, S. 148-175; Wagner 2001,3.354-362.
Mogliche Entwicklimg der steuerlichen Gewinnermittlung
265
und angemessen kurzes Ertragsteuerrecht vorgelegt.^i^e ES ist ein eigenstandiges Steuerbilanzrecht geplant, wobei noch keine Konkretisierung erfolgte, sondern nur offene Fragen nach der kiinftigen Ausgestaltung gestellt wurden. Ziel ist eine periodengerechte Besteuerung, „die moglichst wenige und moglichst niedrige stille Reserven entstehen lasst"i^57 Grundsatzfragen, die sich im Rahmen der Internationalisierung ergeben, sind z.B. die Bewertung zu Wiederbeschaffungskosten, die Beriicksichtigung von Teilrealisationen, die Aktivierung von selbst erstellten immateriellen Wirtschaftsgiitern sowie Periodisierungsfragen. Weiterhin spricht sich die Arbeitsgruppe fiir einen strikten Abbau aller Steuervergiinstigungen und Lenkungstatbestande aus.^^^s Im November 2004 nahm der CDU-Bundesvorstand ein Steuermodell fiir eine Vereinfachung des deutschen Einkommenssteuersystems an, in dem das Steuerbilanzrecht unter Aufgabe der Mafigeblichkeit verselbstandigt und neu gefasst werden soil. Konkrete Vorschlage wurden allerdings nicht gemacht.^^59 Aus diesen beispielhaft aufgefiihrten Reformbestrebungen wird deutlich, dass eine Neuordnung des Steuerrechts seit Jahrzehnten angestrebt ist, wobei sowohl einkommens- als auch konsumorientierte Vorschlage gemacht wurden. Im Folgenden werden die Moglichkeiten genauer diskutiert.
3.
Cashflow-Besteuerung
Eine voUstandige Zahlungsorientierung wiirde durch eine Cashflow-Steuer erreicht. Eine Cashflow-Steuer knxipft nicht an den Gewinn, sondern an Zahlungsstromsalden an.^^^ Grundsatzlich ermittelt sich der Zahlungsiiberschuss
"56
Vgl. Einkommensteuergesetzbuch 2003; Kirchhof 2003, Beihefter 5.
"57
Vgl. Kirchhof 2003, S. 3.
"58
Vgl. Kirchhof 2003, S. 16.
1159
Vgl. Merz 2003, S. 9. Zu weiteren Vorschlagen der letzten Jahre vgl. DIHK 2004, S. 1013. Vgl. Kuting/Reuter 2004, S. 313. In der Literatur diskutierte Arten der CashflowSteuer: R-Basis Cashflow-Steuer (Umsatzerlose - Auszahlungen fiir realwirtschaftliche Investitionen wie Verkauf von erstellten Giitern, Kauf von Bauten, Lohnkosten = sofortige (Fortsetzung der Fiiflnote aufder nachsten Seite)
266
Dritter Hauptteil
als steuerliche Bemessungsgrundlage aus der Differenz von Ein- und Auszahlungen. Diese Verfahrensweise stellt eine wesentliche Anderung zur derzeitigen Untemehmensbesteuerung dar, da auf eine Periodisierung voUstandig verzichtet wird. Da Auszahlungen fiir Wirtschaftgiiter des Anlagevermogens im Zeitpunkt des Abflusses sofort voUstandig steuerwirksam werden (dies entspricht einer Sofortabschreibung abnutzbarer und nicht abnutzbarer Anlagenguter^i^i), existieren bei der Cashflow-Steuer keine liber die Perioden verteilte Abschreibungen. Somit entfallt das Fiihren von Bestandskonten und die Bemessung der Abschreibungen. Weiterhin werden im Gegensatz zur Uberschussrechnung die Ein- und Auszahlungen zur Aufnahme/Gewahrung und Tilgung von Darlehen als Betriebseinnahme/-ausgabe berucksichtigt.^i^^ Diese Rechnung stellt eine Verscharfung der Uberschussrechnung dar,^'^^^ denn es werden nur Ein- und Auszahlungen als gewinnbestimmende Grofien herangezogen. Unter Modellbedingungen wird bei einer Cashflow-Steuer ein voUer Verlustausgleich unterstellt, d.h. negative Zahlungsiiberschusse bewirken eine sofor-
steuerliche Abzugsfahigkeit von Investitionszahlungen). Finanzwirtschaftliche Zahlungsvorgange bleiben unberiicksichtigt. R+F-Basis Cashflow-Steuer: Erweiterung um finanzwirtschaftliche Transaktionen wie Kreditaufnahmen/-tilgungen, Veranderungen des Kassenbestandes. Forderungstilgungen. S-Basis Cashflow-Steuer: Sie erfasst im Gegensatz zu den real- und finanzwirtschaftlichen Zahlungsiiberschiissen den Zahlungsverkehr zwischen Betrieb und Anteilseigner in der Form, dass alle vom Unternehmen abfliefienden Mittel der Besteuerung unterliegen" VgL Filler 1998, S. 34. Nettoausschiittungen: Ausschuttungen werden der Besteuerung unterworfen S+F-Basis Cashflow-Steuer (um Fremdfinanzierung erweiterte Ausschiittungssteuer). Zu weiteren Moglichkeiten vgl. Cansier 1990, S. 253-256; Eberhartinger 2000, S. 398; Rose 1990, S. 91. Grundlage ist das Gutachten der sog. Meade-Kommission in Grofibritannien. Die Cashflow-Steuer vom R+F-Typ wird als Idealmodell angesehen. Vgl. Sigloch 2004, S. 216; Herzig 2004, S. 373. Vgl. Spengel 2002, S. 9 m.w.N. Vgl. Feldhoff 19S9, S. 54. Vgl. Abschn. III.B.5. dieses Hauptteils.
Mogliche Entwicklung der steuerlichen Gewinnermittlung
267
tige Steuererstattung durch den Fiskus.^^^ Aufierdem besteht unter Modellbedingungen die Forderung nach einem proportionalen Tarif mit zeitlich konstantem Steuersatz.^^^s Fine Cashflow-Steuer entspricht je nach Ausgestaltung einer Konsumsteuer, „d.h. betriebliche Investitionen von liquiden Mitteln werden steuerlich nicht belastet"!!^. Befiirworter der konsumorientierten Besteuerung machen geltend, dass die Cashflow-Steuer eine Entscheidungsneutralitat, insbesondere eine Investitionsneutrahtat der Besteuerung gewahrleistet.^^^7 Allerdings miisste zur Erfiillung der weiteren Voraussetzungen der Entscheidungsneutralitat (z.B. Rechtsform-, Finanzierungsneutralitat) das Steuersystem geandert werdeni^i^ Dies ist mit der Schaffung eines voUstandigen Verlustausgleichs sowie der Abschaffung des progressiven Einkommensteuertarifs verbunden. „Eine nur an der Gewinnermittlungskonzeption anknupfende Modifikation, nach der Auszahlungen fiir Anlagegiiter in voUer Hohe im Zahlungszeitpunkt Betriebsausgaben darstellen, kann alleine keine Entscheidungsneutralitat der Besteuerung herstellen, wohl aber in Teilbereichen zu einer investitionsneutraleren Besteuerung beitragen/'^^^^ Die einfache Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage spricht fiir die Cashflow-Steuer. Es entfallen Bewertungs- sowie Periodisierungsfragen und damit zusammenhangende Manipulationsspielraume, weiterhin gibt es keine auslegungsbediirftigen Wertbegriffe wie z.B. den Teilwert.^^^o gs besteht keine Abhangigkeit von internationalen Rechnungslegungsstandards, da die Bemessung von Zahlungsstromen nicht von Rechnungslegungsvorschriften abhangt.
Vgl. Eberhartinger 2000, S. 396; Filler 1998, S. 34 f. Vgl. Jacobs 1997, S. 217. Kuting/Reuter 2004, S. 315. Vgl. Abschn. III.B.l.a) und b) dieses Hauptteils. Filler 1998, S. 97-163; Cansier 1990, S. 254 f.; Eberltartinger 2000, S. 398; Jacobs 1997, S. 219; Tipke/Lang 2002, Tz. 117 zu § 4. Bei einer Gestaltung der Cashflow-Steuer als Betriebssteuer wiirde auch Rechtsformneutralitat erreicht werden. Vgl. Eberhartinger 2000, S. 399; Filler 1998, S. 174. Herzig 2004, S. 374. Vgl. Eberltartinger 2000, S. 399.
268
Dritter Hauptteil
Da bei einer Cashflow-Steuer die Investitionsausgaben sofort in voUer Hohe abzugsfahig sind, entsprechen sie den aktuellen Preisverhaltnissen. Hierdurch wird eine Besteuerung von Scheingewinnen vermieden.^i^i Nachteilig bei der Cashflow-Rechnung ist die extreme Volatilitat der Zahlungssalden. Der Gewinn hangt allein vom Zufall des Zahlungsanfalls ab.ii72 Die Cashflow-Steuer fordert eine sofortige Verlustverrechnung, welche nach dem jetzigen Steuersystem nicht gegeben ist. 11^3 Qer Fiskus miisste bei negativem Cashflow eine sofortige Steuererstattung einleiten oder eine adaquate Verzinsung der Verlustvortrage gewahrleisten. Aufierdem ware das Steueraufl
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Entwickliing von zwei Modellen zur Rechnungslegung
405
2.
Mittelfristige Anpassung: Neuausiibung von Mitgliedstaatenwahlrechten der Vierten EG-Richtlinie
a)
Umsetzung der Modemisierungsrichtlinie
Kurzfristig steht die Umsetzung der restlichen Regelungen der Modemisierungsrichtlinie, die nicht mit dem BilReG iibernommen wurden, in deutsches Recht aus. Die Transformation hatte bis zum 01.01.2005 erfolgen sollen (Art. 5 der Modemisierungsrichtlinie). Die Modemisierungsrichtlinie sieht eine Erweiterung des Jahresabschlusses um zusatzliche Unterlagen vor.^778 Hierzu konnte § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB erganzt werden. Das DRSC schlagt vor, diese Regelungen fiir kapitalmarktorientierte Untemehmen verpflichtend einzufiihren (bis auf eine freiwillige Segmentberichterstattung).i779 Jedoch sollte der deutsche Gesetzgeber die Aufnahme zusatzlicher Bestandteile nicht zur Pflicht machen, da sie fiir nicht kapitalmarktorientierte Untemehmen eine zu hohe Arbeitsbelastung darstellt und aufgrund des Adressateninteresses oftmals nicht erforderlich ist. Gemafi Art. 4 Abs. 6 der Vierten EG-Richtlinie konnen die Mitgliedstaaten den Untemehmen die Moglichkeit einraumen, den wirtschaftlichen Gehalt beim Ausweis von Betragen in Anlehnung an den Substance over Form-Grundsatz starker hervorzuheben.^^so Oer Grundsatz hat besondere Bedeutung, wenn das rechtliche und das wirtschaftliche Eigentum an einem Vermogensgegenstand auseinanderfallen. Ebenso bestimmt er den Zeitpunkt der Erfassung bestimmter Posten, z.B. bei der Klassifizierung eines Sachverhalts in Finanzierungsund Operate Leasing.^^si Diese Regelung kann auf Konzerne oder bestimmte Gruppen von Gesellschaften beschrankt werden. Fraglich ist, ob eine Ubernahme der Regelung in Deutschland kurzfristig zu realisieren ist, derm vor Vgl. zu den Bestandteilen Abschn. I.D.3.c) des ersten Hauptteils. Im Rahmen des Konzernabschlusses wurden durch das BilReG im § 297 HGB weitere Bestandteile eingefiigt (Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel) sowie die Segmentberichterstattung zur freiwilligen Anwendung, Vgl. DRSC 2005b, S. 26. Vgl. zur Darstellung der Regelung Abschn. III.D.3.c)l) des ersten Hauptteils. Vgl. ADS International 2005, Tz. 74.
406
Vierter Hauptteil
allem bei der Qualifizierung von Eigen- und Fremdkapital sind materielle Konsequenzen im Hinblick auf die Gewinnverwendung und Kapitalerhaltung moglich.1782 Diese Regelung konnte in § 265 HGB aufgenommen werden. Der Art. 10a gestattet ein Abweichen vom starren Gliederungsschema der Bilanz: IAS 1.57-65 sehen vor, dass die Aktiva und Passiva in kurzfristige (Current) und langfristige (Non-Current) Vermogenswerte und Schulden gegliedert werden. Anstelle der Gliederung der Bilanzposten nach Art. 9 und 10 der Vierten EG-Richtlinie besteht nun das Mitgliedstaatenwahlrecht, zwischen kurz- und langfristigen Posten zu unterscheiden, sofem der vermittelte Informationsgehalt dem der Richtlinie gleichwertig ist. Diese Regelung kann auf Konzerne beschrankt bleiben. Hierzu konnte eine Anpassung des § 266 HGB erfolgen. AUerdings ist wiederum nur ein Wahlrecht sinnvoU. Fiir die Unternehmen, die ihren Konzemabschluss nach lAS/IFRS erstellen, konnte es im Rahmen der untemehmensintemen Kommunikation und Abstimmung eine erhebliche Vereinfachung darstellen, nicht mehr nach dem starren Gliederungsschema des § 266 HGB zu bilanzieren, sondem die Gliederung an die lAS/IFRS anzupassen (Einheitlichkeit im Konzem).i783 AUerdings besteht auch die Gefahr, dass die Vergleichbarkeit der Abschliisse verschiedener Gesellschaften durch die Aufgabe des starren Gliederungsschemas leidet.^784
Diese Regelung der Substance over Form bezieht sich nur auf den Postenausweis. Nach lAS/lFRS herrscht allerdings eine weiterreichendere Bedeutung dieses Grundsatzes. Das IDW zweifelt die voUstandige Vergleichbarkeit von lAS/IFRS und Richtlinien desbeziiglich daher an. Aufierdem wird die Frage aufgeworfen, ob diese Regelung bei der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital zu gravierenden materiellen Konsequenzen bei der Gewirmverwendung ftihren kann. Vgl. /DPV 2003a, S. 288; IDW ERS HFA 9 n.F., S. 670-686. Vgl. DRSC 2005b, S. 13. Eine kurzfristige Beschrankung auf Konzerne ist unter dem Aspekt der Vergleichbarkeit sinnvoU, allerdings mittelfristig aufgrund der im zweiten Hauptteil dargestellten Riickwirkungen auf den Jahresabschluss unter der Pramisse der voUstandigen Anpassung an die lAS/IFRS nicht aufrecht zu erhalten. Das Rechnungslegungs Interpretations Committee (RIC) des DRSC legte im Marz 2005 den Entwurf einer Rechnungslegungs Interpretation Nr. 2 vor, die sich mit der Frage der Bilanzgliederung nach IAS 1 beschaftigt. Das RIC ist ein Kommitee des DRSC, das die Aufgabe hat, in Zusammenarbeit mit dem IFRIC die Entwicklung der (Fortsetzung der Fufinote auf der nachsten Seite)
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
407
Weiterhin sieht die Modemisierungsrichtlinie ein Mitgliedstaatenwahlrecht vor, anstatt einer GuV eine Ergebnisrechnung (Statement of Performance) zu erstellen, sofem der Informationsgehalt gleichwertig zu dem bisherigen ist (Art. 22). Fraglich ist, was unter dem Begriff des Statement of Performance zu verstehen ist. Es kann das Income Statement (Framework Par 47) oder das Statement of Comprehensive Income, das durch das Reformprojekt des lASB und des FASB entstehen soil, gemeint sein.^^ss Nach der Begriindung zur Modemisierungsrichtlinie lasst dieser Vorschlag absichtlich einen Spielraum, damit die Regelung mit der zukiinftigen Entwicklung vereinbar bleibt.^^^ Fiir den Anwender besteht jedoch ein Konkretisierungsbedarf. Artikel 33 Abs. la) der Vierten EG-Richtlinie enthalt bisher das Mitgliedstaatenwahlrecht, eine Neubewertung des Sachanlagevermogens durchzufiihren. Die Modemisierungsrichtlinie dehnt dieses Wahlrecht auf immaterielles Vermogen aus (Art. 33 Abs. Ic). Der Werterhohungsbetrag ist zwingend in eine Neubewertungsriicklage einzustellen (Art. 33 Abs. 2a). Der deutsche Gesetzgeber hat dieses Mitgliedstaatenwahlrecht bisher nicht in nationales Recht umgesetzt, denn die Neubewertung verstofit - wie in Abschn. III.C.2.b)l) des zweiten Hauptteils dargestellt - gegen das Anschaffungskostenprinzip. Bei einer Annaherung an die lAS/IFRS durch Aufnahme der Neubewertung in das Handelsrecht wiirde eine Abkehr vom Glaubigerschutzprinzip erfolgen. Die pflichtgemafie Einstellung in die Neubewertungsriicklage verhindert zwar den erfolgswirksamen Ausweis der Wertanderungen, allerdings wird eine hohere Eigenkapitalquote ausgewiesen Dieses zusatzliche Eigenkapital wird im Insolvenzfall aufgrund der unsicheren Verwertbarkeit als zweitklassig angesehen.1787 Zudem sind hiermit ein erhohter Verwaltungsaufwand sowie steigende Kosten zu erwarten, da der Fair Value des Anlagegutes bestimmt werden muss und eine voUstandige Aufzeichnung der Entwicklung der Riicklage zu erstellen und im Anhang zu veroffentlichen ist (Art. 33 Abs. 2a).
Interpretationen des IFRIC zu begleiten und die Konvergenz von Interpretationen wesentlicher Rechnungslegungsstandards zu fordem. Vgl. RIC 2005, Vorbemerkung. 1785
Vgl. Abschn. III.D.3.b)2) des zweiten Hauptteils.
1786
Vgl. E U-Kommission 2002, S. 6.
1787
Vgl. Abschn. III.C.2.b)l) des zweiten Hauptteils.
408
Vierter Hauptteil
Weiterhin gestattet die Modemisierungsrichtlinie den Mitgliedstaaten, alien Gesellschaften oder einzelnen Gruppen von Gesellschaften vorzuschreiben, die Bewertung bestinimter Arten von Vermogensgegenstanden - mit Ausnahme der Finanzinstrumente - mit dem beizulegenden Zeitwert vorzunehmen. Es wird ein Wahlrecht zum Ansatz von Wertanderungen in der GuV festgelegt (Art 42e und f der Vierten EG-Richtlinie).i788 Dabei erfolgt in der Begriindung nur ein Verweis auf IAS 40 und 41. Die Einfiigung der Artikel 42e und f sei notwendig, damit diese Standards angewendet werden konnen.^789 Zur weiteren Diskussion der Implementierung des Fair Value in die deutsche Rechnungslegung wird auf das nachste Kapitel verwiesen. Die Anderungen der Modemisierungsrichtlinie beziiglich der Riickstellungen wurden bereits in Abschn. I.D.3.b) des ersten Hauptteils erortert.
b)
Umsetzung der Fair Value-Richtlinie
Die Mitgliedstaaten hatten die Regelungen der Fair Value-Richtlinie bis zum 01.01.2004 umsetzen miissen. Dieser Pflicht ist der deutsche Gesetzgeber nicht nachgekommen. Lediglich Anhang- und Lageberichtangaben wurden bisher aufgenommen.1790 Qer Art. 42a der Fair Value-Richtlinie regelt das Mitgliedstaatenwahlrecht, Finanzinstrumente zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten.^791 Wertschwankungen sind gemafi Art. 42c der Fair Value-Richtlinie grundsatzlich erfolgswirksam zu behandeln. Eine erfolgsneutrale Einstellung in die Zeitwert-Riicklage ist bei Wertsteigerungen von Finanzinstrumenten, die als Sicherungsinstrument genutzt werden, erforderlich. Aufierdem besteht ein Mitgliedstaatenwahlrecht zwischen Zeitwert-Riicklage oder erfolgswirksamer Erfassung von Werterhohungen iiber den Buchwert bei zur Veraufierung verfiigbaren Finanzinstrumenten (Art. 42c Abs. 3).i792 Qje Bewertung von
1788
Diese Regelung kann auf Konzerne beschrankt werden.
1789
Vgl. EU-Kommission 2002, S. 6.
1790
Vgl. Abschn. I.3.b) des ersten Hauptteils.
1791
Die Vierte EG-Richtlinie erlaubt eine Begrenzung auf Konzernabschliisse.
1792
IAS 39 sieht fiir diese Kategorie nach dem Improvement Project lediglich eine erfolgsneutrale Erfassung vor. Diese Richtlinienregelung ist somit veraltet. Da aller(Fortsetzung der Fufinote auf der niichsten Seite)
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
409
Finanzinstrumenten zum Fair Value, der iiber den Anschaffungskosten liegt, wurde bislang in Deutschland nicht genehmigt. Mit der Bewertung zum Fair Value erfolgt (im Hinblick auf Wertsteigerungen) eine Abkehr vom Anschaffungskostenprinzip. Die Pressemitteilung des BMJ/BMF sieht die Einfiihrung der Fair Value-Bewertung fiir Konzerne vor, soweit fiir die Finanzinstrumente liquide Markte bestehen.i793 Zunachst soUte die Regelung auf Konzernabschliisse beschrankt werden, allerdings ist aufgrund der in Abschn. II.B. des zweiten Hauptteils beschriebenen Riickwirkungen langfristig auch der Jahresabschluss betroffen. Langfristig wird in diesem Modell eine Weiterentwicklung der G0B1794 stattfinden. Da keine Besteuerung unrealisierter Gewinne erfolgen soUte, ist die Fair Value-Bewertung nicht in das Steuerrecht zu iibernehmen. Solange am bisherigen Glaubigerschutzsystem festgehalten wird, muss fiir den Ausweis der unrealisierten Gewinne im Rahmen einer Wertsteigerung iiber die Anschaffungskosten eine Losung zur Vermeidung der Ausschiittung gefunden werden. Hierbei kommen die im zweiten Hauptteil erorterten Alternativen der Fair Value-Riicklage, der Ausschiittungssperre sowie der modifizierten Ergebnisrechnung in Betracht. Das DRSC hat einen Vorschlag zur Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht abgegeben. Danach soil die Bewertung von bestimmten Finanzinstrumenten einheitlich fiir alle Konzernabschliisse erfolgen, nicht nur fiir die borsennotierter Mutterunternehmen.1795 Weiterhin bevorzugt der DSR langfristig eine einheitliche Anwendung des Fair Value im Konzern- und Jahresabschluss. Allerdings hat zunachst eine Klarung der Auswirkungen auf die
dings alle Kategorien bei Erstbilanzierung freiwillig der Kategorie Fair Value through Profit or Loss zugeordnet werden konnen und somit auch eine erfolgswirksame Behandlung der Available for Sale-Wertpapiere moglich ist, kann ein Einklang mit der Fair Value-Richtlinie hergestellt werden. Vgl. BMJ/BMF 2003, S. 7. Dabei wird nicht weiter auf den unbestimmten Begriff „ liquide Markte" eingegangen. Vgl. Abschn. II.D. des zweiten Hauptteils. Vgl. DKSC 2001b, S. 3.
410
Vierter Hauptteil
Steuerbilanz zu erfolgen.i7% Das DRSC schlagt eine Erganzung des Rechts fiir alle Kaufleute vor: In § 246 Abs. 1 HGB soil der Satz: „Anspruche und Verpflichtungen aus derivativen Finanzinstrumenten gelten als Vermogensgegenstande oder Schulden i.S.v. Satz l"i797 eingefiigt werden. Weiterhin ist ein neuer § 253a HGB vorgesehen, der die Wertansatze der Finanzinstrumente korrespondierend zu Art. 42b der Richtlinie regelt. Der beizulegende Zeitwert soil in einem neuen § 255a HGB-E kodifiziert werden. Im neuen § 255b HGB-E ist eine erfolgswirksame Behandlung von Wertschwankungen angelehnt an die Vierte Richtlinie geplant. Weiterhin sieht das DRSC Angabepflichten im Anhang und Lagebericht vor. Die Stellungnahmen zu dem Diskussionspapier des DRSC fielen zum Grofiteil positiv aus.^798 DIQ Ubemahme der Fair ValueBewertung im Jahresabschluss wurde aufgrund der Einheitlichkeit mit der Konzernrechnungslegung begriifit, allerdings soUten zunachst die Auswirkungen auf die Kapitalerhaltung bestimmt werden.i799
c)
Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande des Anlagevermogens
Fiir nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermogensgegenstande des Anlagevermogens besteht gemafi § 248 Abs. 2 HGB ein Aktivierungsverbot. Auch § 5 Abs. 2 EStG sieht ein Aktivierungsverbot vor. Gemafi IAS 38.57 besteht fiir einige selbsterstellte immaterielle Vermogensgegenstande eine Aktivierungspflicht bei Erfiillung bestimmter Voraussetzungen.^^oo Artikel 9 bzw. 10 B und C I Nr. 1 und 2 b) der Vierten EG-Richtlinie enthalten ein Wahlrecht, Aufwendungen fiir die Errichtung und Erweiterung des Ge17%
DiQ Ausschiittung unrealisierter Gewinne soil durch Ausschiittungssperren verhindert werden; dies gilt aber nur fiir Kapitalgesellschaften. Vgl. Hommel/Berndt 2002, S.91.
1797
DRSC 2001b, S. 5.
1798
Ygi stellvertretend: Bundesaufsichtsatnt fur Kreditwesen 2002; Deutsche Bundesbank 2002; /DW2002d, S. 204-209.
1799
Vgl. Ernsf 2001c, S. 252
1800
Vgl. zur Bilanzierung selbsterstellter iminaterieller Vermogensgegenstande sowie deren Problematiken Abschn. III.C.2.a)2) des zweiten Hauptteils.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
411
schaftsbetriebes, Forschungs- und Entwicklungskosten sowie selbsterstellte Konzessionen, Patente, Lizenzen, Warenzeichen und ahnliche Rechte und Werte zu aktivieren. Die Vierte EG-Richtlinie lasst somit die Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande zu. Zur Umsetzung dieser Regelung miisste der § 248 Abs. 2 HGB gestrichen werden. Der Wegfall des Aktivierungsverbots bei der Anpassung an die lAS/IFRS wiirde steuemeutral erfolgen, da § 5 Abs. 2 EStG ein eigenstandiges Aktivierungsverbot vorsieht (Durchbrechung des Mafigeblichkeit). Im Falle der handelsrechtlichen Aktivierung miissten aktive latente Steuem abgegrenzt werden. Zur Vermeidung der Ausschiittung unrealisierter Bestandteile wird die Schaffung einer Ausschiittungssperre vorgeschlagen.^^oi Art. 34 Abs. lb) der Vierten EG-Richtlinie sieht eine Ausschiittungssperre fiir aktivierte Aufwendungen fiir die Errichtung und Erweiterung des Untemehmens sowie Art. 37 Abs. 1 fiir aktivierte Forschungs- und Entwicklungskosten vor.^*02
d)
Zwischenfazit
Die Ubemahme von Wahlrechten der Vierten EG-Richtlinie bedeutet teilweise eine Abkehr von den handelsrechtlichen GoB. Die Einfiihrung eines Aktivierungsgebots fiir selbsterstellte immaterielle Vermogensgegenstande im Rahmen der Anpassung an die lAS/IFRS bedingt die Aufhebung des § 248 Abs. 2 HGB. Die Neubewertung von Vermogensgegenstanden verstofit bei Werterhohungen gegen das Anschaffungskostenprinzip. Die Fair Value-Bewertung ist nicht mit dem Realisationsprinzip vereinbar. Im letzten Kapitel wurden bei der Disagiobewertung zur Nettomethode und der Aktivierung latenter Steuem auf Verlustvortrage zwei weitere Verstofie gegen die deutschen GoB festgestellt. Im Rahmen der Anpassung an die lAS/IFRS wird somit langfristig eine Anpassung der GoB erfolgen, wie es in Abschn. II.C.2. des zweiten Hauptteils sowie in Abschn. II.B.2.b) dieses Hauptteils dargestellt wurde. Die folgende Tabelle gibt die Ausfiihrungen des letzten Kapitels wieder:
1801
vgl. Breker 2004, S. 12; Strunk 2004, S. 645.
^802
Zur weiteren Diskussion vgl. Abschn. II.D.3.c)3) dieses Hauptteils.
Vierter Hauptteil
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3.
415
Langfristige Anpassung des EU-rechtlichen Rahmens an die lAS/IFRS
Die EU-Kommission sieht eine Anpassung der Vierten EG-Richtlinie an die lAS/IFRS vor. Eine konsequente langfristige Standardisierung bedingt die Abschwachung des Vorsichtsprinzips und die Einfiihrung der internationalen Begriffe wie Asset und Liability in die Vierte EG-Richtlinie. Werden die Richtlinien sich langfristig verstarkt an die lAS/IFRS anpassen und verfolgt auch der deutsche Gesetzgeber das Ziel der Standardisierung, sind Altemativen zum Glaubigerschutz und zur Steuerbemessung erforderlich. Diese wurden in den letzten beiden Hauptteilen ausfiihrlich erortert. Eine Zusammenfiihrung erfolgt in der nachfolgenden Abbildung: Beibehaltung der bisherigen AusschOttungs-j AusschUttungsregelungen bemessung entspricht z.T. nicht dem Glaubigerschutz
Steuerbemessung
vollstandige lAS/IFRSMaOgeblichkeit: Materiel! und verfassungsrechtlich nIcht vereinbar
Beibehaltung der bisherigen AusschOttungsregelungen mit Uberieitungsrechnung
Ankniipfung an Uberieitungsrechnung
Anderung der gesellschaflsrechtlichen Vorschriften
Trennung von Ausschuttung und Bilanzierung nach lAS/IFRS
Moglichkeiten: - Eigenstandige Steuerbilanz - Einnahme-Uberschuss-Rechnung - Cashflow-Rechnung
Bisherige Steuerbilanz wird maBgeblich fUr Ausschuttung
- Zinskorrigierte Besteuerung
MaBgeblichkeit mit Modiflkationen Anderung des § 5 Abs.l Satz 1 EStG
Beibehaltung der MaBgeblichkeit
Abschaffung der MaBgeblichkeit
Abbildung 12: Langfristige Altemativen zur Ausschiittungs- und Steuerbemessung Es wurde in Abschnitt III.C.2. des zweiten Hauptteils dargelegt, dass Ausschiittungen auf Basis des lAS/IFRS-Abschlusses fiir Glaubigerschutzzwecke nicht geeignet sind. Unter anderem konnen nicht realisierte Gewinne zur Ausschuttung gelangen. Aulierdem ist auch die Obernahme der lAS/IFRS in die
416
Vierter Hauptteil
Steuerbilanz aufgrund verfassungsrechtlicher und materieller Aspekte nicht uneingeschrankt moglich.i^^^ Altemativen zum bisherigen Glaubigerschutzsystem wurden im zweiten Hauptteil diskutiert. Es kann eine Beibehaltung der bisherigen Regelungen bei voUstandiger Anwendung der lAS/IFRS erfolgen, allerdings hat dann eine Uberleitung in Verbindung mit Ausschiittungssperren auf einen ausschiittungsfahigen Gewinn zu erfolgen. Beziiglich der Ausgestaltung der Steuerbilanz sind mehrere Moglichkeiten denkbar: Unter Beibehaltung der Mafigeblichkeit kann aus dem iibergeleiteten Abschluss unter Zugrundelegung weiterer Anpassungen auf den Steuerbilanzgewinn geschlossen werden. Zusatzlich sind samtliche anderen im dritten Hauptteil diskutierten Alternativen der steuerlichen Gewinnermittlung denkbar. Allerdings ist dieses System der Beibehaltung der bisherigen Ausschiittungsregelungen mit einem hohen Aufwand verbunden, da die Rechnungen aufgrund der dynamischen Entwicklung der lAS/IFRS standig angepasst werden miissten. Diese „gro6e" Reform mit einem Netzwerk von zusatzlichen Ausschiittungssperren stellt ein sehr kompliziertes und briichiges System dar.i804 Eine Modifikation des Glaubigerschutzes konnte im Rahmen von Anderungen der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Kapitalerhaltung erfolgen. Diese Alternative ist jedoch nicht weitreichend genug. Durch Modifikationen des Gesellschaftsrechts sind die Bilanzierungsprobleme und Unvereinbarkeiten der lAS/IFRS mit den GoB nicht gelost. Weiterhin wurde die alleinige Aufstellung einer Steuerbilanz und die Nutzung des steuerlichen Ergebnisses als Ausschiittungsbemessungsgrundlage diskutiert. Hiermit ware nur ein zusatzlicher Abschluss zu den lAS/IFRS notwendig, die HGB-Rechnungslegung wxirde entfallen. Allerdings bietet sich diese Alternative unter anderem deshalb nicht an, da der Steuergesetzgeber dann Einfluss auf die Ausschiittungsbemessung hatte.^^^s
1803
Vgi. Abschn. III.A.l.b) des dritten Hauptteils.
1804
Vgl. Ernst 2003b, S. 238.
1805
Vgl. Abschn. III.D.3.d) des zweiten Hauptteils.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
417
Die beste, aber auch aufwendigste Moglichkeit besteht in der voUstandigen Trennung von Ausschiittung und Bilanzierung. Das US-amerikanische System wird oftmals als Vorbild fiir die Gestaltung des deutschen Glaubigerschutzes angesehen. Es basiert auf den Bestandteilen der Solvenztests, der Covenants sowie dem Insolvenzrecht. Auiierdem kormnt der Durchgriffshaftung eine starkere Bedeutung zu als in Deutschland.i^oe DIQ EU-Kommission sieht langfristig einen Solvency-Test vor, der als Wahlrecht in die Zweite EG-Richtlinie aufgenommen werden soil. Allerdings ist nicht sichergestellt, dass dieser einen gleichwertigen oder sogar besseren Glaubigerschutz als bisher in Deutschland vorhanden gewahrleistet. Hierzu ist die Bestimmung von praktikablen und zuverlassigen Bestimmungsgroiien des Solvenztests erforderlich, die in Abschnitt III.D.2.5) des zweiten Hauptteils diskutiert wurden. Nicht ohne Grund erfolgt in den USA eine zusatzliche Aufnahme von Covenants in Kreditvertragen. Beziiglich der Zukunft der Steuerbemessung bei einer Trennung von Bilanzierung und Glaubigerschutz wurde in Abschnitt III.B.7. des dritten Hauptteils erortert, dass eine eigenstandige Steuerbilanz die beste Alternative darstellt. Fiir den Mittelstand sind bei dem voUstandigen Ubergang auf die lAS/IFRS vereinfachte Standards zu schaffen. Diesbeziiglich veroffentlichte das lASB ein Diskussionspapier sowie einen Fragebogen zu Bilanzierungs- und Bewertungsfragen. Allerdings ist eine Vereinfachung mit einem hohen Wirkungsgrad durch diese vom lASB zu entwerfenden Standards zu bezweifeln, da sie sich aufgrund der Basierung auf den vollen lAS/IFRS hauptsachlich auf Angabe- und Publizitatserleichterungen beschranken werden.^^07 Auf grund der fiir diese „gro6e" Reform notwendigen voUigen Umstellung des gesellschafts- und steuerrechtlichen Systems, die zumindest im Bereich des Glaubigerschutzes keine wesentlichen Verbesserungen nach sich zieht sowie eine lange Ubergangsphase erfordert, in der Rechtsunsicherheit wegen der Aufgabe der gesicherten Erkenntnisse der GoB-Bestimmung und der Rechtsprechung besteht, ist iiber ein alternatives Zukunftskonzept nachzudenken. Dieses soUte der grolien Bedeutung des Mittelstandes in Deutschland Rech-
1806
vgl. Kiibler 1995b, S. 370.
1807
Ygi Abschn. I.C.3. dieses Hauptteils sowie Abschn. II.D.2. dieses Hauptteils.
418
Vierter Hauptteil
nung tragen. Daher wird in jiingster Zeit eine grundsatzliche Beibehaltung der traditionellen Systeme unter Reformierung von Teilbereichen gefordert.^^os gu-j moglicher Ubergang auf dieses System sowie dessen Realisierungschancen werden im Folgenden diskutiert.
D.
Reform im Rahmen der Annaherung von Handels- und Steuerbilanz unter Beriicksichtigung des Glaubigerschutzes
1.
Zielsetzung
Bei dieser Zielsetzung steht die Reformierung des Handels- und Steuerrechts im Vordergrund, die nicht unter der Primarzielsetzung der Annaherung an die lAS/IFRS erfolgen, sondern die urspriinglichen Zwecke aufgreifen und reformieren sollte.^*^ Dies schliefit jedoch nicht aus, dass in Teilbereichen Anregungen aus den lAS/IFRS aufgenommen werden konnen. Ein mogliches Ziel kann in der Verbesserung des Glaubigerschutzes gesehen werden.^810 Hierbei dient die Handelsbilanz weiterhin der Ermittlung eines ausschiittbaren, tatsachlich erwirtschafteten, objektivierten Gewinns, der keine unrealisierten Bestandteile enthalt. Eine Verbesserung der Eignung fiir Glaubigerschutz und Ausschiittungsbemessung durch den Erhalt des Haftungsvermogens sowie die Einschrankung der Legung stiller Reserven und die Eindeutigkeit der Bilanzierung kann durch das Abschaffen von Wahlrechten und Ermessensspielraumen erreicht werden.^^^^ In Abschn. III.C.l. des zweiten Hauptteils wurde dargestellt, dass die Legung stiller Reserven in Ertragsphasen durchaus dem Glaubigerschutz dient, diese in Krisenzeiten jedoch wieder in der Regel unbemerkt aufgelost werden und damit den Glaubigerschutz konterkarieren konnen.
Vgl. Kuting 2004a, S. 686. Diese Alternative schlagen auch der Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1585-1588; Kuting 2004a, S. 686 vor. Schulze-Osterloh sieht eine Reform des Kapitalschutzes dringend geboten an. Vgl. Schulze-Osterloh 2004a, S. 1129. Vgl. Bucholz 2003, S. 1942. Eine Einschrankung dieser bilanzpolitischen Spielraume fuhrt zur Reduktion des Einflusses des Managements bei der Gewinnermittlung.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
419
Grundlage der handelsrechtlichen Bilanzierung bilden die GoB. Verstofie gegen diese soUten beseitigt werden, z.B. die umgekehrte Mafigeblichkeit.^^^^ DIQ Reform soUte weiterhin unter dem Aspekt der Vereinfachung und Praktikabilitat gesehen werden. Kritisiert wird die Vielzahl von Abschliissen, die zur Zeit zu erstellen sind. Daher wird verstarkt die „Wiederbelebung" einer Einheitsbilanz gefordert.^^^^ Ob dies zu verwirklichen ist, wird im Folgenden erortert.
2.
Verwirklichungschancen einer Einheitsbilanz
Der Vereinfachungsaspekt spricht fur die Wiedereinfiihrung der Einheitsbilanz.18^4 Lange Zeit war es das Ziel des Gesetzgebers, durch die Einheitsbilanz die Einheitlichkeit der Rechtsordnung zu wahren und vor allem kleinen und mittleren Unternehmen Doppelarbeiten und damit zusatzliche Kosten zu ersparen. Die Bilanzzusammenhange konnen in Phasen eingeteilt werdenr^^^^ In der ersten Phase zwischen 1874 und 1920 bestand eine voUige Ubereinstimmung zwischen Handels- und Steuerbilanz. Danach erfolgte eine immer weitere Loslosung des Steuerrechts von der Handelsbilanz. Erst ab 1985 bestand die Tendenz zur Wiederannaherung. Seit Anfang der 90er Jahre vergrofierten sich die Unterschiede zwischen den beiden Rechenwerken wieder, da das gewiinschte Absenken der Steuersatze durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage kompensiert werden musste.^^^^ Das grofite Problem im Rahmen der Einheitsbilanz ist in der Vereinbarkeit der Zwecksetzungen von Handels- und Steuerbilanz zu sehen. Befiirworter der
Vgl. Schulze-Osterloh 2004a, S. 1129. Vg. Arbeitskreis Externe Untemehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1585-1588; Kuting 2004a, S. 686. Es miissen Kriterien festgelegt werden, nach denen die Einheitsbilanz aufzustellen ist. Der Arbeitskreis Externe Untemehmensrechnung schlagt vor, dass diese gemeinsam vom Finanz-, Justiz- und Wirtschaftsministerium zu entwickeln sind. Vgl. Arbeitskreis Externe Untemehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1588. Vgl. Schmidt 1994, S. 18-36. Vgl. Abschn. II.C.l. des dritten Hauptteils.
420
Vierter Hauptteil
Zweckidentitat argumentieren damit, dass eine unterschiedliche Messung der Leistungsfahigkeit eines Betriebes - verstanden im Sinne von Zahlungsfahigkeit - nicht erfolgen darf. „Was nicht als ausschiittungsfahig deklariert wird, kann auch nicht als besteuerungsfahig deklariert werden. Weder der Gesellschafter noch der Fiskus konnen (...) in der Summe mehr an Teilhabe verlangen als den als hochstens entziehbar anerkannten Betrag."i8i7 Dagegen wird argumentiert, dass in der Handelsbilanz der vorsichtig ermittelte, ausschiittungsfahige Gewinn unter Glaubigerschutzaspekten (entziehbarer Gewinn) auszuweisen ist. Zur Verwirklichung des Glaubigerschutzes existieren im Handelsrecht einige Regelungsliicken, unbestimmte Rechtsbegriffe und Gestaltungs- und Ermessensspielraume, durch die der Ausschiittungsbetrag zu niedrig bemessen wird.i^^^ Eine Besteuerung nach der Leistungsfahigkeit erfordere dagegen die Erfassung des „vollen" Gewinns ohne die Moglichkeit, diesen mit bilanztaktischen MaEnahmen nach Belieben zu gestalten"^8i9 hzw. durch vorsichtige Bewertung Vermogensgegenstande unter ihrem tatsachlichen Wert anzusetzen.^^^o Das Steuerrecht setzt verfassungsrechtlich ein konkretes Normensystem voraus, Steuertatbestande diirfen nicht als Generalklauseln Oder Ermessensspielraume ausgestaltet sein. Daher legen Kritiker der Einheitsbilanz dar, dass eine iibervorsichtige handelsrechtliche Vermogensund Gewinnbestimmung dem steuerlichen Zweck der Ermittlung des vollen Gewinns entgegensteht. Bei der Verwirklichung der Einheitsbilanz muss ein erstrebter hoher Handelsbilanzgewinn mit einer erhohten Steuerbelastung oder die Inanspruchnahme steuerlicher Vergiinstigungen mit einem niedrigeren Handelsbilanzgewinn „erkauft" werden. 1821
1817
Schmidt 1994, S. 124.
1818
Vgl. Crezelius 1994, S. 690.
1819
Lauth 2000, S. 1368. Vgl. auch Herzig 2000a, S. 112; Schneider 1999, S. 106; Strunk 2003, S. 399; Wagner 2002, S. 1888.
1820
Vgl 2ur Diskussion dieser These: Moxter 1997b, S. 195. In der Steuerbilanz stehe die Ermittlung des vollen, periodengerechten, vergangenheitsbezogenen Gewinns zur Bemessung von Steuerzahlungen nach den Grundsatzen der Gleichmafiigkeit der Besteuerung und dem Leistungsfahigkeitsprinzip im Vordergrund. Vgl. Lauth 2000, S. 1367; Strunk 2003, S. 398; Weber-Grellet 1999, S. 2661.
1821
Vgl. Lauth 2000, S. 1369.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
421
Aufierdem werden in der Steuerbilanz aufierfiskalische, wirtschaftspolitische Zielsetzungen verwirklicht, die durch die umgekehrte Maiigeblichkeit Auswirkungen auf die Handelsbilanz haben.^822 ^ine Gewinnermittlung, die auf Wirtschaftsforderung ausgerichtet ist, konfligiert mit dem handelsrechtlichen Zweck der Gewinnermittlung.^^^a Die Steuerbilanz hat im Laufe der Zeit eine Wandlung von einer reinen Gewinnermittlungsbilanz zu einem staatlichen Lenkungs- und Steuerungsinstrument erfahren.i824 Dies miisste eingedammt werden. Als Alternative ist eine „Verlagerung steuerlicher Fordermafinahmen von der Ebene bilanzieller Gewinnermittlung auf eine nachgelagerte Ebene, etwa durch die Schaffung von Steuerstundungs- oder SteuererlaCvorschriften"i*25 denkbar (Schaffung eines eigenen Subventionsrechts). Die umgekehrte Mafigeblichkeit miisste aufgegebeni826 ^nd steuerliche Subventionen nicht mehr bilanziell abgebildet, sondern an die Steuerschuld angekniipft oder durch Tarifermaiiigungen verwirklicht werden.1827 Selbst wenn die Subventionsvorschriften aus dem Steuerbilanzrecht gestrichen und die handelsrechtlichen Wahlrechte und Ermessensspielraume eingeschrankt werden, bleibt es fraglich, ob eine vollstandige Anpassung der Handelsbilanz und Steuerbilanz erfolgen kann. Befiirworter argumentieren damit, dass es reine Willkiir sei, „Objektivierungsmaiistabe je nach dem angesprochenen Zahlungsempfanger zu differenzieren"^828^ AUerdings ist die Handels-
^822
Vgl. Robisch/Treisch 1997, S. 165.
1823
Vgl. Schmidt 1994, S. 126.
1824
Vgl. Schmidt 1994, S. 128.
1825
Schmidt 1994, S. 129.
1826
Vgl. Abschn. III.A.4. des dritten Hauptteils.
1827
Klein 1994, S. 85; Spengel 2002, S. 10. Schneider bemerkte 1970 in seinen „Sieben Thesen zum Verhaltnis von Handels- und Steuerbilanz'', dass der Gesetzgeber bei der Steuerreform jede Anderung der Bemessungsgrundlagen aufgrund wirtschaftspolitischer Lenkungswiinsche verbieten soUe. Er fordert im Rahmen einer konsumorientierten Besteuerung Investitionspramien und sofortigen Verlustausgleich anstatt Sonderabschreibungen. Vgl. Schneider 1970, S. 1705.
1828
Melhvig 1989, S. 163.
422
Vierter Hauptteil
bilanz eine Einrichtung des Wirtschaftsrechts, ein rechnerisches Hilfsmittel der Unternehmensfuhrung zur Bemessung der Anspriiche der Gesellschafter. „Die selbstandige Handelsbilanz darf keinesfalls der besonderen steuerlichen Zielsetzung geopfert werden. Die Steuerbilanz ruht auf den wirtschafts- und finanzpolitischen Grundsatzen des Staatshaushaltes, deren Ubereinstimmung mit den andersartigen Wesensprinzipien der Handelsbilanz trotz weitgehender Gleichrichtung nicht erwartet werden kann."i829 Fiskalische Belange des Finanzbedarfs pragen die Steuerbilanz. Diese diirfen nicht in die Handelsbilanz eingehen. Die Handelsbilanz muss der Verantwortung des Unternehmens unterliegen. „Selbst wenn es gelingen soUte, eine voUige Identitat beider Bilanzen zu erreichen, ware die primare Selbstandigkeit der beiden Bilanzen wenigstens gedanklich aufrechtzuerhalten"^*^o^ derin die wirtschaftlich-unternehmerische Betrachtungsweise der Handelsbilanz ist oftmals nicht vereinbar mit der steuerlich-fiskalischen Sicht der Finanzverwaltung. Ein erstrebter hoher Handelsbilanzgewinn geht mit einer hoheren Steuerbelastung einher, eine erstrebte niedrige Steuerbelastung mit einer niedrigen Ausschiittung. Zudem hatte der Steuergesetzgeber Einfluss auf die Ausschiittungsbemessung. Trotzdem kann als Rationalisierungsziel die Vermeidung aller unnotigen Abweichungen angestrebt werden, so dass eine weitestgehend mogliche Ubereinstimmung erreicht wird.^^^^ Dies konnte in einer Verringerung der Wahlrechte und stillen Reserven sowie im Rahmen der Reform der Steuerbilanz durch den Verzicht auf Subventionen in der Steuerbilanz erfolgen. Zu klaren ist, welches Werk als Grundlage dienen soll.^8^2 Schulze-Osterloh schlagt vor, dass der Steuergesetzgeber eine reformierte, „neugestaltete Han-
1829
Kosiol 1999, S. 217.
1830
Kosiol 1999, S. 217. „Es kommt darauf an, das tatsachlich Mogliche zu erstreben und auf das Unerreichbare zu verzichten." Kosiol 1999, S. 237. Der Arbeitskreis Exteme Unternehmensrechnung nennt eine Ubemahme steuerlicher Regelungen in die Handelsbilanz oder eine Andening des EStG durch Ubemahme handelsrechtlicher Grundsatze oder ein Sondergesetz; er geht allerdings von einem Einheitsabschluss aus. Vgl. Arbeitskreis Exteme Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1588.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
423
delsbilanz ohne wesentliche Einschrankungen auch der steuerlichen Gewinnermittlung"i83^ zugrunde legt. Das Steuerrecht soUte grundsatzlich auf eigene Bewertungsvorschriften verzichten. Sie werden nur in Sonderfallen notwendig.1834
Kilting fordert in den sog. Saarbriicker Thesen eine steuerlich gepragte Einheitsbilanz.18^5 EJ^ allein handelsrechtlicher Abschluss wiirde dann entfallen. Orientierungspunkt fiir die Ausschiittungsbemessung und gesellschaftsrechtliche Fragen sind die steuerlichen Normen der Gewinnermittlung auf der Grundlage der handelsrechtlichen GoB.^^se AUerdings besteht hier das Problem, dass sich fiskalpolitisch motivierte Regelungen ahnlich der umgekehrten Mafigeblichkeit auf die Ausschiittungsbemessung auswirken.^^^^ Eine Reform des HGB soUte somit auf den bisherigen bewahrten Prinzipien aufbauen, im Hinblick auf die starkere Objektivierung im Rahmen des Glaubigerschutzes ist die Eingrenzung von Wahlrechten und Ermessensspielraumen zu untersuchen und im Rahmen der Vereinfachung sind vermeidbare Unterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz zu beseitigen.^*^ Im Folgenden werden die im Abschn. I.C.I, dieses Hauptteils behandelten Wahlrechte, die zum Teil auf den Vorschlagen des BMJ/BMF in der Pressemit-
1833
Schulze-Osterloh 2004a, S. 1137.
1834
Abweichungen der Steuerbilanz von der Handelsbilanz waren nur noch zu rechtfertigen, soweit es sich um die Nichtberiicksichtigung handelsrechtlicher Aufwendungen handelt, die einen engen Bezug zur Privatsphare des Steuerpflichtigen oder seiner Gesellschafter ausweisen.'' Schulze-Osterloh 2004a, S. 1137. Weiterhin z.B. fxir die Ubertragung von Anschaffungswerten bei Einlagen, Eroffnung und entgeltlichem Erwerb eines Betriebes. Vgl. Kosiol 1999, S. 236.
1835
Vgl. Kuting 2004a, S. 686.
1836
Vgl. Mting 2004a, S. 686.
1837
Hierzu waren dann gesonderte Regelungen zur Ausschiittungsbemessung erforderlich.
1838
Hierbei sind Konflikte zwischen den Zielen moglich. Optimal ware die alleiiuge Verwirklichung eines Ziels, z.B. Glaubigerschutz oder Einheitsbilanz, allerdings soilten wie im Rahmen der Diskussion der Einheitsbilanz dargestellt, Handelsbilanz und Steuerbilanz ihre jeweiligen Zielsetzungen verfolgen.
424
Vierter Hauptteil
teilung basieren, einer kritischen Analyse in Bezug auf eine Umsetzung im BilModG sowie einer langfristigen Reform des HGB unterzogen. Dabei wird auf eine grundlegende Darstellung der Regelungen nach HGB, Steuerbilanzrecht und lAS/IFRS verzichtet, da dies schon in den vorherigen Abschnitten zur „grofien" Reform erfolgte.
3.
Vorschlage zur Reformierung des HGB
a)
Ansatzwahlrechte
1)
Als Aufwand beriicksichtigte ZoUe und Verbrauchsteuern sowie als Aufwand beriicksichtigte Umsatzsteuer auf Anzahlungen im Vorratsvermogen
Die bereits in Abschn. C.l.a)l) dieses Hauptteils dargestellten Reformvorschlage im Rahmen einer Anpassung an die lAS/IFRS konnten auch im Rahmen einer HGB-Reform durchgefiihrt werden, d.h. Ansatzgebot der Zolle und Verbrauchsteuern im Rahmen der Anschaffungs- und Herstellungskosten der Vorrate^839 sowie Verbot des Ausweises eines RAP in Hohe der Umsatzsteuer auf Anzahlungen - dies entspricht dem Charakter der Umsatzsteuer als durchlaufender Posten.^^^ Die Vorschlage beinhalten allerdings eine Abkehr von der Steuerbilanz. Die handelsrechtlichen Vorschriften wurden aus Griinden der Vereinheitlichung von Handels- und Steuerbilanz eingefiihrt.^^^ Das steuerliche Gebot hat seinen Ursprung in der einkommensteuerlichen Sphare: Durch zwei BFH-Urteile aus den Jahren 1975 und 1979,1842 die die Aktivierung der in Rede stehenden Posten ablehnten, befiirchtete der Gesetzgeber erhebliDies verhindert die unterschiedlichen Ausweismoglichkeiten als RAP oder als Bestandteil der Herstellungskosten. Da Verbrauchsteuern in der Kegel den Erzeugnissen direkt zugerechnet werden konnen, zahlen sie zu den Sondereinzelkosten. Vgl. Wohlgemuth/Stdnder 2003, S. 204. Bei voUer Vorsteuerabzugsberechtigung. Vgl. Regierungsbegrundung zum BiRiLiG, in: Biener/Berneke 1986, S. 87; DRSC 2005b, S.4. Vgl. BFH-Urteil vom 26.02.1975, S. 13 (sog. „Biersteuer-Urteil); BFH-Urteil vom 26.06.1979, S. 625.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
425
che Steuerausfalle, so dass ein Aktivierungsgebot eingefiihrt wurde.^^^ Fiir eine derartige Regelung besteht handelsrechtlich kein Bediirfnis. Aufgrund der Vereinfachung und der Einheitlichkeit der Rechnungslegung sollte eine steuerliche Anpassung erfolgen, d.h. Beriicksichtigung der Zolle und Verbrauchsteuern im Rahmen der Herstellungskosten sowie der Umsatzsteuer auf Anzahlungen nach der Nettomethode.
2)
Disagio
Das Disagio stellt einen zusatzlichen Zins dar, der nach h.M. zu aktivieren ist 1844 Es dient als allgemeines Periodisierungsinstrument fiir alle Kaufleute. Eine sofortige Beriicksichtigung als Aufwand ist nicht mit einer periodengerechten Gewinnermittlung vereinbar.i845 Derzeit besteht ein bilanzpolitisches Gestaltungspotential dahingehend, dass das Wahlrecht zur Aktivierung des Disagios auch fiir einen Teilbetrag ausgeiibt werden darf.^^^ Aulierdem haben groiSe Kapitalgesellschaften ein Wahlrecht zum Ausweis in der Bilanz oder im Anhang (§ 268 Abs. 6 HGB).i847 Ein Aktivierungsgebot wiirde zu der bezweckten Ubereinstimmung von Handelsbilanz und Steuerbilanz sowie zu einer besseren Darstellung der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage fiihren.^^^ Dies erfordert jedoch eine Anderung der Vierten EG-Richtlinie.
Vgl. Dollerer 1987, S. 3; Triitzschler 2002, Tz. 61 zu § 250 HGB. Vgl. Borner 1996, S. 160; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1130. Derselben Ansicht: Arheitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1587; /DW 2001a, S. 224. Vgl. Dollerer 1987, S. 3; Ruhnke 2005, S. 394. Vgl. Winnefeld 2002, Tz. 767 zu Kapitel D. Empirisch wurde nachgewiesen, dass zum Grofiteil die Darstellung im Anhang gewahlt wurde. Dieser Ausweis ist bilanzpolitisch motiviert, da der Anhang im Vergleich zur Bilanz auf ein geringeres Interesse stofit. Vgl. Hennrichs 1999a, S. 414; Veit 1995, S. 2131.
426
Vierter Hauptteil
Im Rahmen der Diskussion um die Einfiihrung der Nettomethode bei der Behandlung des Disagios soil im Folgenden die Bewertung von Verbindlichkeiten und Riickstellungen diskutiert werden.
3)
Exkurs: Bewertung von Verbindlichkeiten und Riickstellungen
Im Rahmen der Bilanzrechtsmodemisierung wurde eine Abzinsung von Verbindlichkeiten und Riickstellungen vorgeschlagen.^^^ Gemafi IAS 37.45 sind Riickstellungen abzuzinsen, wenn die Diskontierung einen wesentlichen Effekt auf die Ausweishohe der Verpflichtung hat (IAS 37.45), „also unabhangig davon, ob die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten"^85o gs ist somit der Barwert anzusetzen. Weiterhin sind zukiinftige Ereignisse, sofem ausreichende, objektive Hinweise fiir den Eintritt sprechen, zu beriicksichtigen (IAS 37.48).i85i Verbindlichkeiten sind gemafi § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB mit ihrem Riickzahlungsbetrag, der den Wert darstellt, der zur Erfiillung der Verbindlichkeit aufgebracht werden muss, anzusetzen. 1*52 Riickstellungen miissen gemal^ § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB in Hohe des Betrages gebildet werden, der nach vemiinftiger kaufmannischer Beurteilung notwendig ist.^^^s £§ gilt das Hochstwertprinzip, wonach eine Minderung des Riickzahlungsbetrages nicht beriicksichtigt werden darf, jedoch analog zum strengen Niederstwertprinzip eine Erhohung der Verbindlichkeit in der Bilanz aufzunehmen ist.^854 Unverzinsliche Verbindlichkeiten sind nicht abzuzinsen, dies verstofit gegen das Realisationsprinzip, da die Vorteile aus der unverzinslichen Verbindlichkeit erfolgswirksam beriicksichtigt wiirden, „obwohl ungewiss ist, ob untemehmensintem
Vgl.BMJ/BMF2003,S. 7. Coenenberg 2003, S. 372. Vgl. Pellens/Fulbier/Gassen 2004, S. 389. Spatere Entwickkmgen, die zu einer Anderang des Riickzahlungsbetrages ftihren konnen, sind zu beriicksichtigen. Vgl. ADS 1995, Tz. 72 und 75 zu § 253 HGB. Hierbei ist das Vorsichtsprinzip zu beachten. Vgl. Coenenberg 2003, S. 371. Vgl. Coenenberg 2003, S. 343.
Entwicklimg von zwei Modellen zur Rechnungslegung
427
iiberhaupt die entsprechenden Zinsertrage erwirtschaftet werden^^^ss (Antizipation kiinftiger Ertreige).^^^ Wenn Verbindlichkeiten und Riickstellungen nach dem ihnen zugrundeliegenden Rechtsverhaltnis einen Zinsanteil enthalten, muss eine Abzinsung erfolgen, da es sich ansonsten um ein „schwebendes Geschaft in Gestalt einer Kreditgewahrung"i^57 handelt. Hierbei ist die Verbindlichkeit um den Zinsanteil zu kiirzen und die Zinsen dem Passivposten in den Folgejahren anteilig zuzuschreiben.1858 gine Einbeziehung kiinftiger Kosten und Preisanderungen kommt jedoch nicht in Betracht.i859 In der Steuerbilanz sind Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Die Abzinsung entfallt, wenn die Laufzeit einer Verbindlichkeit weniger als 12 Monate betragt oder sie verzinslich ist. Weiterhin sind Riickstellungen fiir Geld- und Sachleistungsverpflichtungen ebenfalls mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG).!^^ Hierbei sind auch kiinftige Vorteile, die mit der Erfiillung der Riickstellung voraussichtlich verbunden sind, zu beriicksichtigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG). Diese Vorschrift ist nur mit den GoB vereinbar, wenn sie restriktiv ausgelegt wird, die blofie Moglichkeit eines Vorteils geniigt nicht.^^^
Baetge/Kirsch/Thiele 2003, S. 233. Vgl. ADS 1995, Tz. 81 zu § 253; Coenenberg 2003, S. 343; Federmann 2000, S. 414; Freidank 1995, S. 496; IDWRS HFA 4, Tz. 41. Eine Ausnahme gilt bei Rentenverpflichtungen, die gemafi § 253 Abs. 1 Satz 2 1 . HS HGB mit dem Barwert zu passivieren sind. Schulze-Osterloh 2004a, S. 1136. Vgl. Schulze-Osterloh 2004a, S. 1136. AUerdings wird im Schrifttum auch eine Aktivierung des Unterschiedsbetrages zwischen Rxickzahlungsbetrag und Barwert als aktiver RAP fiir zulassig erachtet. Die Verbindlichkeit wird dann z u m Ruckzahlungsbetrag passiviert. Vgl. Freidank 1995, S. 496. Vgl. ADS 1995, Tz. 196 zu § 253 HGB; IDWRS HFA 4, Tz. 38. In einem BMF-Schreiben vom 26.05.2005 wurden genaue Verfahren zur Abzinsung dargelegt. Vgl. BMF-Schreiben vom 26.05.2005. Vgl. Breitltecker/Schmiel 2003, S. 237; Glanegger 2005, Tz. 405 zu § 6 EStG.
428
Vierter Hauptteil
In Anlehnung an die lAS/IFRS sah der Gesetzesentwurf iiber die Entsorgung von Altfahrzeugen (Altfahrzeug-Gesetz)!^^^ Q\]^Q Erweiterung des § 253 Abs. 1 HGB vor: „Ruckstellungen sind danach zu bemessen, welcher Betrag nach vemiinftiger kaufmannischer Beurteilung zur Erfiillung der Verpflichtung benotigt wird; der erwartete Erfiillungsbetrag ist marktgerecht abzuzinsen." Dieser Reformvorschlag wurde aufgrund zahlreicher Kritik nicht in den Regierungsentwurf ubemommen.i^^^ Die Anpassung an IAS 37 wiirde zu einem Verstofi gegen die GoB im Bereich der unverzinslichen Verbindlichkeiten/Riickstellungen fiihren. Eine Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten und Riickstellungen verstoi^t aufgrund der Vorwegnahme kiinftiger Ertrage gegen das Realisations- und somit das GIaubigerschutzprinzip.18^ Daher sollten sie auch weiterhin nicht abgezinst werden.^865 Hierbei ware die fehlende Ubereinstimmung mit der Steuerbilanz in Kauf zu nehmen. Steuerrechtlich ist eine generelle Verzinsung mit 5,5% vorgesehen, die IAS sehen keinen konstanten Zinssatz bei der Abzinsung vor. 4)
Derivativer Geschafts- oder Firmenwert
Die Behandlung des GFW, der in der Regel fiir grofiere Unternehmen Relevanz hat, stellt ein hochst strittiges Thema dar.^*^ Im Schrifttum wird kontrovers iiber die Rechtsnatur des GFWs diskutiert: Denkbar ist eine Einordnung als Vermogensgegenstand, als Bilanzierungshilfe, RAP oder Posten eigener Art.
Vgl. BT-Drucksache 14/8343. Vgl. o.V. 2002, S. 136. Zum Altfahrzeug-Gesetz vgl. Hug/Rofi/Seidler 2002, S. 1013-1016; Siegel 2001, S. 1674. Das IDW sprach sich daraufhin vor dem Hintergrund des Stichtagsprinzips daftir aus, dass bei der Bemessung des erwarteten Erfiillungsbetrages am Abschlussstichtag vorhersehbare, hinreichend wahrscheinliche zukiinftige Kosten und Preissteigerungen insoweit zu berxicksichtigen sind, als sie auf am Abschlussstichtag begrlindeten Erwartungen beruhen. Vgl. /DW2001d, S. 1188. Vgl. BFH-Urteil vom 15.07.1998, S. 728. Vgl. Schulze-Osterloh 2003, S. 355. Aufgrund des heterogenen Charakters des GFW gibt es keine eindeutig richtige L6sung fiir dessen Bilanzierung. Vgl. Protzek 2003, S. 497.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
429
Der GFW wird zum Teil als Bilanzierungshilfe angesehen,^867 ^a er den Charakter einer rechnerischen Restgrofie aufweist, „die sich aus einer Vielzahl von Vermogensvorteilen zusammensetzt"i868^ Da jedoch keine Ausschiittungssperre damit verbunden ist, kann er nach Baetge/Kirsch/Thiele nicht als Bilanzierungshilfe bezeichnet werden.^869 Weiterhin wird angefiihrt, dass die Aktivierungspflicht in der Steuerbilanz nicht mit einer handelsrechtlichen Bilanzierungshilfe vereinbar sei, da hieraus ein steuerliches Verbot resultieren miissei87o
Weiterhin wird die Behandlung als RAP vorgeschlagen. Hiergegen ist einzuwenden, dass der GFW das in § 250 Abs. 1 Satz 1 HGB geforderte Kriterium des Aufwandes fiir „bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag" nicht erfullt,i87i (^a (j^iQ Schatzung einer Nutzungsdauer (bestimmter Zeitraum) aufgrund des heterogenen Charakters nur mit Schwierigkeiten moglich ist.i*72 Gegen die Behandlung des GFWs als Vermogensgegenstand spricht, dass er nicht selbstandig bewertungsfahig, d.h. von anderen Werten abgrenzbar sowie einzeln verwertbar (d.h. im Handelsverkehr selbstandig gegen Entgelt verwertbar) ist^^^s ^md seine Werthaltigkeit nur schwer nachpriifbar ist.^*^^ Die Befiirworter der Aktivierung als Vermogensgegenstand argumentieren mit der derzeitigen planmafiigen Abschreibung und der eigenstandigen Gliederungsvorschrift in § 266 Abs. 2 A.I.2. HGB, die jedoch lediglich einen deklaraVgl. ADS 1995, Tz. 271 zu § 255 HGB m.w.N. Bit2/Schneeloch/Wittstock 2003, S. 148. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2003, S. 274. Vgl. Forschle/Kropp 1986, S. 154. Vgl. Winnejeld 2002, Tz. 462 zu Kapitel M. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele 2003, S. 275. Er stellt ein Konglomerat aus immateriellen Vermogenswerten und nicht selbstandig verwertbaren wirtschaftlichen Vorteilen dar, die einer Einzelverwertung entgegenstehen. Vgl. Fasselt/Brinkmann 2004, Tz. 23 zu Kapitel B 211a; Forschle/Kropp 1986, S. 156; Knop/Kuting 2003, Tz. 422 zu § 255 HGB. Vgl. Kuting/Weber 2004, S. 62; Kufimaul 2003, S. 31; Ordelheide 1997, S. 579. Er basiere auf noch nicht realisierten Ertragserwartungen und sei daher nicht mit dem Realisationsprinzip zu vereinbaren.
430
Vierter Hauptteil
torischen Charakter einnimmt.i^^s Qa der GFW keine der oben genannten Kriterien erfiillt, wird er oft als Wert eigener Art (Aliud) bezeichnet.^^^e Das bisherige Aktivierungswahlrecht zum Ansatz des derivativen GFWs gewahrt den erwerbenden Untemehmen grofie bilanzpolitische Spielraume, indem es die Wahl zwischen Aufwandsgenerierung, vollstandiger Aktivierung Oder teilweisem Ansatz lasst.^^^? Zudem ist zu kritisieren, dass ein sofortiger erfolgswirksamer Ausweis die Ertragslage des Unternehmens nicht richtig wiedergibt, da die Nutzungsdauer eines GFWs in der Regel mehr als ein Jahr betragt.187* Es wurde empirisch nachgewiesen, dass der derivative Firmenwert hohe Auswirkungen auf den Vermogens- und Ertragsausweis hat.^^^Q „Der Bilanzierende kann in Deutschland also erhebliche Betrage in Geschafts- oder Firmenwerte investieren, die zudem in besonderem Mafie zukiinftiges Erfolgspotential reprasentieren, ohne Rechenschaft iiber diese Investitionen ablegen zu miissen/'^^^o Der Regierungsentwurf des BiRiLiG sah in § 260 Abs. 5 HGB-E noch die Behandlung als Vermogensgegenstand vor.^^^ Bei Nichtaktivierung wird ein Verstofi gegen das Anschaffungskostenprinzip konstatiert, da vor grofien Investitionen gepriift werden muss, ob der erwartete Wert der Investition die Anschaffungskosten deckt. Der Wert bei Anschaffung muss grundsatzlich mindestens so hoch sein wie die Anschaffungskosten. „Die sofortige Ausbuchung des GFWs impliziert (...), daC in Hohe des Geschaftswertes eine Fehlinvestition vorgenommen wurde, und dafi dies bereits zum Investitionszeitpunkt bekannt gewesen sei."^^^^
1875
vgl. DRSC 2005b, S. 4; Ellrott/Schmidt-Wendt 2003, Tz. 511 zu § 255 HGB.
1876
Vgl. ADS 1995, Tz. 272 zu § 255 HGB.
1877
Vgl. Ellrott/Schmidt-Wendt 2003, Tz. 517 zu § 255 HGB.
1878
Vgl. Hennrichs 1999a, S. 159; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1131.
1879
Vgl. Kiiting/Koch 2003, S. 52.
1880
Ordelheide 1997, S. 579.
1881
Vgl. Biener/Berneke 1986, S. 120; JessenAVeller 2005, S. 492.
1882
Ordelheide 1997, S. 579.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
431
Steht die Zielsetzung der Einheit von Handelsbilanz und Steuerbilanz im Vordergrund, soUte der GFW aktiviert werden. Die steuerliche Bilanzierung sieht den GFW als Wirtschaftsgut an.^^^^ Weitergehend konnte iiber eine Anpassung der Begriffe Vermogensgegenstand und Wirtschaftsgut nachgedacht werden. Auch das VoUstandigkeitsgebot spricht fiir den Ansatz des GFWs: Wenn ein Mehrpreis fiir einen echten Geschafts- oder Firmenwert gezahlt wird, d.h. ein Mehrwert, der in der Gesamtheit von immateriellen Faktoren wie z.B. Ruf, Kundenstamm, Bezugs- und Absatzquoten, Standort, Untemehmensorganisation zum Ausdruck kommt, soUten die Mehranschaffungskosten aktiviert werden. Ein GFW enthalt in der Kegel Werte, die iiber einen langeren Zeitraum bestehen. Daher vermittelt eine Sofortabschreibung keinen den tatsachlichen Verhaltnissen entsprechenden Ausweis der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage.i*^ Die Vorteilhaftigkeit der Aktivierung im Rahmen des Glaubigerschutzes hangt von der Wertentwicklung des GFWs ab. Einerseits wird eine zu sehr vorsichtsorientierte Behandlung immaterieller Vermogensgegenstande „der wachsenden Bedeutung dieser Untemehmenswerttreiber nicht gerecht"^^^^^ derin bei einer erfolgreichen Entwicklung des Unternehmens und der immateriellen Werte sollte das Schuldendeckungspotential ersichtlich werden (Dokumentation der Schuldendeckungsmoglichkeiten).^*^ Jedoch fiihrt andererseits bei Wertverlust des GFWs die Aktivierungspflicht den Ausweis von Bi-
Handelsrechtlich kann der GFW nicht als Vermogensgegenstand charakterisiert werden, da eine Aktivierung gegen den Grundsatz der Einzelverwertbarkeit verstofit. Steuerlich ist eine Gesamtubertragung fiir die Charakterisierung des Wirtschaftsgutes ausreichend. Im Rahmen der Angleichung von Handelsbilanz und Steuerbilanz konnte dieses Kriterium gelockert werden. Nach Moxter konnte die Einzelveraufierbarkeit als Aktivierungskriterium aufgegeben werden, da sie nicht dem Bilanzzweck der umfassenden Vermogensdokumentation genuge. Auch der BFH akzeptiert dieses Kriterium nicht. Die Bilanzobjektivierung miisse auf anderem Wege erreicht werden. Vgl. Moxter 1979,5.1109. AUerdings stellt ein auf unsicheren Daten basierender GFW die Lage der Gesellschaft oft ebenfalls nicht richtig dar. Fasselt/Brinkmann 2004, Tz. 45 zu Kapitel B 211a. Vgl. Moxter 1979,5.1107.
432
Vierter Hauptteil
lanzposten ohne Schuldendeckungspotential herbei, was aus Glaubigerschutzsicht nicht vertretbar ist.^^^^ AUerdings bleibt im Falle einer Wertminderung des GFW eine aufierplanmafiige Abschreibung, die verpflichtend eingefiihrt werden soUte. Der GFW als Residualgrofie ist einer selbstandigen Bewertung nicht zuganglich. Es geht im Rahmen des Untemehmenserwerbs ein Biindel selbstgeschaffener Werte iiber, die sich oftmals nicht klar voneinander trennen lassen. Selbst, wenn solche Trennung gelingt, besteht das Problem der verlasslichen Bewertung, z.B. des Kundenstamms oder des Know-how.^^^^ Unter dem Aspekt der Vereinheithchung von Handels- und Steuerbilanz ware der GFW zu aktivieren. Steht bei einer Reform des HGB der Glaubigerschutzaspekt im Vordergrund, ist eine Aktivierungspflicht nicht hinreichend konkretisierter Werte nicht zielfiihrend. AUerdings bietet die Beibehaltung des Wahlrechtes dem Untemehmen einen erheblichen bilanzpolitischen Spielraum. Es soUte aufgrund der grofien Bedeutung der Betrage keine voUstandige Aufwandsverrechnung im ersten Jahr erfolgen. Weiterhin verhindert die Moghchkeit der Bildung aufierplanmafiiger Abschreibungen die Beibehaltung eines Wertverlusts. Daher wird im Schrifttum zum Grofiteil eine Aktivierungspflicht gefordert.1889 Der GFW konne zeitbezogen genutzt werden, die Aufwendungen fiir ihn stellen Anschaffungskosten dar.^^^ Der Ansatz von Teilen des GFWs, die z.B. aufgrund der „Ausschaltung" eines lastigen Konkurrenten oder als strategischer Mehrwert gezahlt wurden, soUten jedoch nicht aktiviert
Es kann argumentiert werden, dass durch die Gegenleistung eine gewisse Objektivierbarkeit gegeben ist. Im Rahmen der Bestimmung des Kaufpreises muss es eine Vorstellung davon geben, welcher Wert den immateriellen Bestandteilen beizumessen ist. Fasselt/Brinkmann 2004, Tz. 44 zu Kapitel B 211a. Vgl. Arbeitskreis Exteme Untemehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1586; 7DW 2001a, S. 225; Jessen/Weller 2005, S. 492; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1131. Zu den Schwierigkeiten der Bestinunung der Nutzungsdauer vgl. Abschn. II.D.3.c)3) dieses Hauptteils.
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433
werden, da sie eine Einmalzahlung darstellen, die keinen Wert enthalt, der zeitbezogen genutzt werden kann.^^^i
5)
Aufwendungen fiir Ingangsetzung und Erweiterung des Geschaftsbetriebes
Die Moglichkeit zur Aktivierung der Aufwendungen fiir Ingangsetzung und Erweiterung des Geschaftsbetriebes wurde zur Vermeidung/Verringerung eines Verlustausweises sowie einer Uberschuldung in der Anlaufphase oder im Rahmen der Untemehmenserweiterung eingefiihrt. Befiirworter der Abschaffung dieses Wahlrechtes argumentieren, dass nur als Wirtschaftsgiiter zu qualifizierende Objekte ausgewiesen werden diirfen. Die Aufwendungen gemaiS § 269 HGB schlagen sich jedoch nicht in einem handelsrechtlichen Vermogensgegenstand oder einem steuerrechtlichen Wirtschaftgut nieder.i892 AuSerdem bestehen bei der Abgrenzung zu anderen Posten Schwierigkeiten. Zunachst sind die Aufwendungen von den Griindungsaufwendungen und den Eigenkapitalbeschaffungskosten, fiir die gemafi § 248 Abs. 2 HGB ein Aktivierungsverbot besteht, abzugrenzen. Die Griindung betrifft die rechtliche Existenz (z.B. Gerichts- und Notarkosten, Kosten fiir Aktienausgabe), die Ingangsetzung stellt auf die wirtschaftlichen, technisch-organisatorischen Voraussetzungen ab.^^^s Weiterhin ist eine Abgrenzung von den aktivierungspflichtigen Vermogensgegenstanden vorzunehmen, z.B. Bereitstellung der Produktionsanlagen und Verkaufsraume. Aufierdem konnen Abgrenzungsprobleme zwischen Ingangsetzung und Erweiterung auftreten.^^^^ Aufgrund dieser Schwierigkeiten besteht die Moglichkeit, die Aktivierung eines beliebigen Teilbetrages vorzunehmen.^895 Im Hinblick auf die gewiinschte Objektivitat im Rahmen des Glaubigerschutzes und die LFbereinstimmung mit der Steuerbilanz ist zu empfehlen, dieses 1891
Vgl. Hennrichs 1999, S. 168.
1892
Vgl. Brefer 2004,5.10.
1893
Vgl. Bitz/SchneelochA^ittstock 2003, S. 203.
1894
Vgl. Littkemann 1994, S. 209.
1895
Vgl. Commandeur 2003, Tz. 50 zu § 269 HGB; Glade 1986, Tz. 11 zu § 269 HGB.
434
Vierter Hauptteil
Wahlrecht zu streichen.i896 Die Bildung passiver latenter Steuern entfallt. Es ist iiber eine Ubergangsphase nachzudenken, die die Auflosung der bisher aktivierten Betrage regelt. Nach Schulze-Osterloh soUte das Wahlrecht zumindest fiir die Ingangsetzungsaufwendungen bestehen bleiben, da es zur Vermeidung einer bilanziellen Uberschuldung (und dem Unterbleiben bestimmter gesellschaftsrechtlicher Mafinahmen, z.B. Anzeigepflicht gemafi § 49 Abs. 3 GmbHG oder § 92 Abs. 1 AktG) konzipiert wurde und durch eine voUstandige Abschaffung neu gegriindeten Untemehmen die Moghchkeit genommen wird, ihren Verlustausweis zu mindem. Er macht den Vorschlag, nur fiir die Erweiterungsaufwendungen ein Aktivierungsverbot einzufiihren.^^^^ Die h.M. besagt jedoch, dass diese Vorschrift fiir die Konkursvermeidung nicht geeignet ist, da „fiir Zwecke der insolvenzrechtlichen Uberschuldungsmessung nur Vermogensgegenstande zu beriicksichtigen sind und die Bilanzierungshilfe in diesem Fall aufier Ansatz bleiben muss"^*^^. Aufierdem bleiben die oben genannten weiteren Abgrenzungsprobleme bestehen, so dass fiir eine Abschaffung beider Grofien zu pladieren ist. Weiterhin kommt dem Posten eine Signalwirkung innerhalb der Bilanz zu, da er als erste Position auf der Aktivseite erscheint. Damit kann die empirisch nachgewiesene seltene Inanspruchnahme dieses Wahlrechtes erklart werden.1899
Gleicher Auffassung: Arbeitskreis Externe Untemehmensrechnung der SchmalenhachGesellschaft 2003a, S. 1586; Breker 2004, S. 10; DRSC 2005b, S. 5; 7DW2001a, S. 224; MartenA^eiser200A,S.40. Vgl. Schulze-Osteloh 2004, S. 1132. Vor dem BiRiLiG wurde Aktiengesellschaften gemafi § 153 Abs. 4 Satz 2 und 3 AktG die Aktivierung von Ingangsetzungskosten gestattet. Vgl. Dollerer 1987, S. 4. ADS 1997, Tz. 8 zu § 269 HGB. Vgl auch Hense/Lawall 2003, Tz. 16 zu § 269 HGB; Commandeur 2003, Tz. 19 zu § 269 HGB; DRSC 2005b, S. 6. Vgl. Veit 1995, S. 2130 m.w.N.
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6)
435
Aktive latente Steuem
Zum Teil spricht sich das Schrifttum fiir ein Aktivierungsverbot fiir aktive latente Steuern aus.^^^ Vor dem BiRiLiG wurde der Ausweis latenter Steuem aufgrund des Realisationsprinzips mit der Begriindung fiir unzulassig erachtet, dass unsichere, zukxinftige Steuererstattungen ausgewiesen werden.^^oi Auch im Regierungsentwurf des BiRiLiG erfolgte eine Ablehnung der Bilanzierungshilfe mit Verweis auf das Vorsichtsprinzip. Das Wahlrecht wurde dann doch mit der Begrxindung genehmigt, den Unternehmen die Bildung von Aufwandsriickstellungen zu erleichtern.i902 Im Rahmen des Glaubigerschutzes besteht keine Verwertungsmoglichkeit der aktiven latenten Steuem im Insolvenzfall/^^ da die Vermogenseigenschaft aus Glaubigersicht zu vemeinen ist, derm die latenten Steuern stellen keinen Zahlungsanspruch gegeniiber dem Finanzamt dar. Die Hohe der latenten Steuem ist nicht objektiv feststellbar, da sie abhangig von dem kiinftigen Steuerbilanzergebnis und den Steuersatzen ist. Daher kann die Aktivierung nicht der objektiven Ermittlung des Ergebnisses dienen.^904 in dieser Hinsicht ware ein Aktivierungsverbot zu schaffen. Fiir eine Aktivierung spricht die verstandliche Erlauterung des Zusammenhangs zwischen Steueraufwand und handelsrechtlichem Ergebnis. Da die latenten Steuem mit einer Ausschiittungssperre zu versehen sind (§ 274 Abs. 2
Vgl. Arheitskreis Exteme Untemehmensrechnung der Schmalenbach Gesellschaft 2003a, S. 1587. Vgl. ADS 1997, Tz. 3 zu § 274 HGB. Bel der steuerlichen Gewinnermittlung wiirden diese Riickstellungen nicht anerkannt und unterliegen daher der Besteuerung. Durch die aktive Steuerabgrenzung wiirde das handelsrechtliche Ergebnis nach Mafigabe des der Aufwandsriickstellung zuzurechnenden Steueraufwandes als Kompensation entlastet. Vgl. Biener/Berneke 1986, S. 205 f.; ]essenA^eller 2005, S. 493. Vgl. KutingA^ohlgemuth 2004, S. 14. Vgl. Arheitskreis Exteme Untemehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1586; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1131. Auch das IDW sprach sich in der Stellungnahme zum Regierungsentwurf des BiRiLiG gegen eine Aktivierung aus. Vgl. IDW 1984, S. 132.
436
Vierter Hauptteil
Satz 3 HGB), die dem Glaubigerschutz dient, steht einer Aktivierung jedoch nichts entgegen.^^5 Zudem besteht bei einem Aktivierungsverbot auch kein Pendant mehr zu den passiven latenten Steuem, die weiterhin pflichtgemafi zu bilden sind. Der IAS 12.24 schreibt den Ansatz von latenten Steuern auf steuerliche Verlustvortrage vor. Die h.M. geht in Deutschland davon aus, dass diese im Jahresabschluss aufgrund ihrer immanenten Unsicherheit nicht zu aktivieren s i n d . ^906
Der DRS 10 geht im Rahmen der Vorschlage de lege ferenda fiir die Konzernrechnungslegung vom Ubergang zum Temporary Concept sowie von der Aktivierung steuerlicher Verlustvortrage aus.^^^ Danach sind aktive latente Steuern auf Verlustvortrage zu aktivieren, wenn der Steuervorteil aus dem Verlustvortrag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit realisiert werden kann. Vielfach wird im Schrifttum davon ausgegangen, dass der DRS 10 Ausstrahlungswirkung auf den Jahresabschluss hat.^^^ Zur Vermeidung wurde vorgeschlagen, den Verweis in § 298 Abs. 1 HGB zu streichen.^^og Einerseits kann argumentiert werden, dass durch die Nichtaktivierung die Vermogens, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens verzerrt wird. Allerdings verstofit andererseits die Aktivierung gegen das Vorsichtsprinzip, da ein Risiko des Nichteintritts von kiinftigen Gewinnen besteht.^^^^ Potentielle Steuervorteile aus einem Verlustvortrag seien aufgrund des Realisationsprinzips grundsatzlich nicht aktivierungsfahig.^^ii
Vgl. Avians 2000, S. 290. Vgl. Kuting/Wohlgemuth 2004, S. 14; Marten/Weiser/Kohler 2003, S. 2336; Raheneck/Reichert 2002, S. 1415. Vgl. DRSC 2005b, S. 36 f. Vgl. Marten/Weiser/Kohler 2003, S. 2340 m.w.N. Vgl./DPV2001e,S. 1088. Vgl. Lochner 1989, S. 2293. Die IAS sehen eine Aktivierung nur vor, wenn es wahrscheinlich ist, dass ein kiinftiges zu versteuerndes Ergebnis vorliegt. Hierbei wird von einem faktischen Wahlrecht gesprochen, da es an der Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit fehlt, die von sub(Fortsetzung der Fuflnote auf der nachsten Seite)
Entwickliing von zwei Modellen zur Rechnungslegung
437
Da bei der Verlustentstehung keine Forderung gegen den Fiskus vorliegt und kein Anspruch auf Steuererstattung begriindet wird, liegt kein bilanzierungsfahiger Vermogensgegenstand vor. Es fehlt an der selbstandigen Verwertbarkeit des Steuervorteils.i9i2 Gegen die Aktivierung steuerlicher Verlustvortrage kann aus der Sicht einer verlasslichen Darstellung der Untemehmenslage weiterhin angefiihrt werden, dass sie bilanzpolitisches Gewicht gewinnen konnen, da bei deren erfolgswirksamer Bildung in der Periode der Verlustentstehung ein kompensatorischer Effekt in der Handelsbilanz eintritt.^^^"^ In den Perioden der aufwandswirksamen Auflosung der latenten Steuern kann somit die Volatilitat des Ergebnisses verringert werden.^^^^ Sie sind somit nicht im Jahresabschluss zu aktivieren. Wenn allerdings die Aktivierung steuerlicher Verlustvortrage verboten wird, miisste im Sinne einer einheitlichen Handhabung die Aktivierung latenter Steuern grundsatzlich verboten werden.^^is Auch der urspriingliche Grund des Gesetzgebers, dass die aktiven latenten Steuern nur aufgrund der Aufwandsriickstellungen eingefiihrt wurden, nicht aufgrund der verbesserten Darstellung, spricht fiir die Abschaffung, da im Rahmen der Reform die Aufwandsriickstellungen ebenfalls abzuschaffen sind. Bei Streichung der aktiven latenten Steuern wiirde eine Ubereinstimmung vom Handels- und Steuerbilanz herbeigefiihrt. Auch unter dem Aspekt des Glaubigerschutzes wird nach
jektiven Einschatzungen abhangig ist. In der Literatur wird die Wahrscheinlichkeit mit 75-80% beziffert. Vgl. Loitz/Rossel 2002, S. 648. Auch die Aktivierung latenter Steuern auf Verlustvortrage basiert rein auf subjektiven Gewinnprognosen. Vgl. Kiiting/Wohlgemuth 2004, S. 13; Rabeneck/Reichert 2002, S. 1415. Vgl. IDW 2001d, S. 1987; Wotschofsky/Heller 2002, S. 821. Beziiglich der Aufwandsriickstellungen war dieser Effekt Ziel des Gesetzgebers bei Einfxihrung der Aktivierungsmoglichkeit der latenten Steuern. Vgl. Rammert 2005, S. 10; Marten/Weiser/Kohler 2003, S. 2336. Vgl. Feldhojf/Langermeier 1991, S. 196. Fiir eine Abschaffung der aktiven latenten Steuern sprechen sich auch der Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenhach-Gesellschaft sowie Schulze-Osterloh aus. Vgl. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003,a S. 1586; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1131. Auch zeigen empirische Studien, dass die Inanspruchnahme des Wahlrechtes nicht grofi ist. Vgl. Veit 1995, S. 2131.
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Vierter Hauptteil
den oben genannten Grunden eine Abschaffung befiirwortet, allerdings kann diesem Gesichtspunkt durch die Bildung einer Ausschiittungssperre entgegengewirkt werden.^^^^ Der Anwendungsbereich wird bei Umsetzung der anderen Reformvorschlage zuriickgehen, da aktive latente Steuem gebildet werden konnen bei Nichtaktivierung des derivativen GFWs, Nichtaktivierung des Disagios^^^^ und bei Passivierung von Aufwandsriickstellungen. Diese drei Posten werden im Rahmen der Reformvorschlage an die Steuerbilanz angepasst, so dass hierfiir keine aktiven latenten Steuem mehr zu bilden sind. Zunachst ist jedoch die Vereinbarkeit eines Aktivierungsverbots mit der Vierten EG-Richtlinie zu klaren.^^is
7)
Pensionsriickstellungen fiir Altzusagen sowie pensionsahnliche Verpflichtungen
Der VoUstandigkeitsgrundsatz spricht fiir eine pflichtgemafie Passivierung der Altzusagen, wie es auch im Rahmen einer Anpassung an IAS 19 vorgesehen ist. Allerdings wiirde die Nachbildung bisher nicht beriicksichtigter Riickstellungen einen erheblichen Verwaltungsaufwand sowie Senkungen des Jahresergebnisses hervorrufen.i9i9 Q^g DRSC schlagt fiir die bisher nicht gebildeten Riickstellungen eine Ubergangsregelung vor. Die Verpflichtungen sollen iiber 10 Jahre ergebniswirksam beriicksichtigt oder ergebnisneutral einmalig mit dem Eigenkapital verrechnet werden.^92o Qje wirkungsvolle Ausgestaltung
Allerdings rechtfertigt die Ausschiittungssperre auch eine Beibehaltung. Wobei hier als Voraussetzung zunachst die Vierte EG-Richtlinie zu andern ist. Vgl. Abschn. II.C.l.a)5) dieses Hauptteils. Es wurde allerdings empirisch nachgewiesen, dass die untersuchten mittelstandischen Unternehmen das Wahlrecht der Passivierung von Altzusagen zum Grofiteil in Anspruch nehmen. Als Griinde werden die steuerliche Anerkennung, die verminderte Ausschiittung sowie die Angst vor unvorhergesehenen Liquiditatsproblemen genannt. Vgl. Glieden 1996, S. 180. Zu untersuchen ware der Betrag der bisher nicht passivierten Riickstellungen. Dies wird jedoch aufgrund der subjektiven zum Teil bilanzpolitisch motivierten Gestaltung schwierig. Vgl. DRSC 2005b, S. 4. Zum Nachholverbot bei Einfiihrung einer Passivierungspflicht vgl. auch Breker 2004, S. 14.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
439
einer Ubergangsregelung gestaltet sich jedoch als schwierig. Daher kann das Passivierungswahlrecht aufgrund des Charakters als auslaufende Regelung bestehen bleiben.i^^i Die Beibehaltung des Wahlrechtes fiir mittelbare Pensionsriickstellungen gemafi Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB ist nicht aufrecht zu erhalten.i922 Die Beitragszahlungen an die Versorgungstrager stellen fiir das Untemehmen Aufwand dar. Solange das Untemehmen durch eine Pensionskasse oder ein Versicherungsuntemehmen seinen Beitragsverpflichtungen nachkommt, entstehen keine zu passivierenden Verpflichtungen, da das Versicherungsverhaltnis ausreichend gedeckt ist. Erst wenn das Untemehmen seinen Beitragsverpflichtungen nicht mehr nachkommt, muss eine Riickstellung nach § 249 Abs. 1 HGB gebildet werden.^^zs ^u diesem Zeitpunkt entsteht eine unmittelbare Pensionsverpflichtung, da die Hohe der einbezahlten Betrage nicht mehr dem Leistungsanspruch des Arbeitnehmers aus der Pensionszusage entspricht.^924 Es liegt dann eine Deckungsliicke vor. Diese Vorgehensweise korrespondiert mit dem Steuerrecht und den EG-Richtlinien.
8)
Reformierung des § 249 HGB
Fiir Riickstellungen fiir unterlassene Aufwendungen fiir Instandhaltung, die im folgenden Geschaftsjahr innerhalb von drei Monaten nachgeholt werden sowie fiir Abraumbeseitigung besteht gemaG § 249 Abs. 1 Nr. 1 HGB eine Ansatzpflicht. Aufierdem miissen Riickstellungen fiir Gewahrleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, gebildet werden. Uber das Mafigeblichkeitsprinzip gilt dies auch fiir die Steuerbilanz. Riickstellungen fiir In-
Es wird allerdings erst ca. im Jahr 2050 an Bedeutung verlieren. Vgl. Heubeck 1986, S. 323. Das Wahlrecht wurde mit der fiskalischen Begriindung gerechtfertigt, „man woUe eine auf die Steuerbilanz durchschlagende Passivierungspflicht vermeiden". SchulzeOsterloh 2004a, S. 1132. Vgl. ADS 1998, Tz. 112 zu § 249 HGB. Vgl. Ellrott/Rhiel 2003, Tz. 255 zu § 249 HGB; Hennrichs 1999a, S. 238. Fur den Fall der Unterstiitzungskasse sieht § 4d EStG eine Sonderregelung vor, die handelsrechtlich nicht zum Ansatz kommen darf. Vgl. naher ADS 1998, Tz. 109 zu § 249 HGB.
440
Vierter Hauptteil
standhaltungsaufwendungen diirfen gebildet werden, wenn die Instandhaltung nach drei Monaten innerhalb des Geschaftsjahres nachgeholt wird (§ 249 Abs. 1 Satz 3 HGB). Zudem diirfen Aufwandsriickstellungen nach Absatz 2 angesetzt werden. Steuerrechtlich ist die Bildung der letzten beiden Posten nicht erlaubt (R 31c Abs. 11 EStR), da sie aufgrund der fehlenden Verbindlichkeit gegeniiber Dritten nicht als Schulden zu qualifizieren sind.i925 Urspriinglicher Grund der Gewahrung des handelsrechtlichen Wahlrechtes war die periodengerechte Abgrenzung kiinftiger Ausgaben, es soUte ein zutreffenderes Bild der Ertragslage vermittelt werden.i926 Die besondere Problematik der Aufwandsriickstellungen gemafi § 249 Abs. 2 HGB liegt in der Bestimmung der Sachverhalte, fiir die kiinftige Ausgaben ohne Drittverpflichtung passiviert werden diirfen.i927 j ^ i Einzelfall ist es schwierig festzustellen, ob die Riickstellungsbildung eine nach Abs. 2 zulassige Vorsorge fiir konkrete Ausgaben oder eine unzulassige allgemeine Vorsorge mit Riicklagencharakter darstellt."i928 Beztiglich der Schatzung der Hohe der Aufwandsriickstellungen besteht ein Ermessensspielraum, da sie gemafi § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem Betrag anzusetzen sind, der nach verniinftiger kaufmannischer Beurteilung notwendig ist. Aufwandsriickstellungen stellen aufgrund der eingeschrankten Nachpriifbarkeit ein bedeutsames bilanzpolitisches Instrument dar.i929 i^ Zeiten guter Ertragslage konnen verstarkt Riickstellungen gebildet werden, die in schlechteren Zeiten wieder aufgelost werden (Problematik der stillen Reserven und des Glaubigerschutzes). Unter dem Aspekt der Objektivierung ist die Bildung einer Riickstellung grundsatzlich an eine AuCenverpflichtung zu binden. Die Aufwandsriickstellungen gestatten der Geschaftsfiihrung, in hohem Malie Selbstfinanzierung zu betreiben.1930 Gemafi Schulze-Osterloh dienen sie nicht der Darstellung der Lage des
1925
Vgl. Herzig 2004, S. 329.
1926
Vgl. Herzig 2004, S. 329.
1927
Vgl. Steiner 2004, S. 778.
1928
Berger/Ring 2003, Tz. 302 zu § 249 HGB.
1929
Vgl. Freidank 1990, S. 47.
1930
Vgl.Dd7/ererl987,S.6.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
441
Untemehmens und beruhen nicht auf den GoB, sondem haben vielmehr den Charakter offener Riicklagen.i^si Der § 249 Abs. 2 HGB soUte somit gestrichen werden. Gegen die Bildung einer Riickstellung fiir Instandhaltungsaufwendungen wird - neben den oben genannten Griinden zur Aufwandsriickstellung - der Einfluss des Steuerpflichtigen angefiihrt, der „die Moglichkeit der Beeinflussung der Periodenzuordnung des Aufwandes durch Steuerung des Zeitraums der Nachholung"i932 hat. Die zeitliche Differenzierung in § 249 HGB (Riickstellungsbildung innerhalb von drei Monaten nach dem Bilanzstichtag) ist nicht begriindbar und somit abzuschaffen.i933 Qje Nutzung der Wahl-Instandhaltungsriickstellungen in der Praxis ist durch die fehlende steuerliche Anerkennung zudem stark eingeschrankt.^^^^ Dieses Wahlrecht ist ebenfalls zu streichen. Das Mitgliedstaatenwahlrecht im Art. 20 Abs. 2 der Vierten EGRichtlinie, das auch im Rahmen der Modernisierung der Richtlinie beibehalten wurde, lasst ein Verbot zu. Den Unternehmen soUte jedoch die Moglichkeit der Vorwegnahme kiinftiger hoher Aufwendungen aufgrund des Imparitatsprinzips nicht genommen werden, z.B. fiir Grofireparaturen und Instandhaltungsmafinahmen. So sollte bei vertraglich festgelegten bzw. hinreichend konkretisierten Instandhaltungsverpflichtungen (z.B. Wartungs-, Inspektionsplane, wiederkehrende Instandhaltungmafinahmen, vertraglich zugesicherte Abraumbeseitigung) eine pflichtgemafie Verbindlichkeitsriickstellung angesetzt werden.^^^^^ Die nach IAS 37.70-83 erlaubten Restrukturierungsverpflichtungen sollten aufgrund der Unsicherheit der Bestimmung sowie der Einschatzungsspielraume^^^^ iiber die Notwendigkeit unternehmerischer Strukturanderungen
1931
Vgl. Schulze-Osterloh 2004a, S. 1132.
1932
Herzig 2004, S. 329.
1933
Vgl. ADS 1998, Tz. 194 zu § 249 HGB.
1934
Vgl. Glieden 1996, S. 183.
1935
Vgl. ADS 1998, Tz. 227 zu § 249 HGB. Auch die Gewahrleistungsruckstellungen soilten bestehen bleiben.
1936
Vgl. Abschn. III.C.l.b)2) dieses Hauptteils.
442
Vierter Hauptteil
nicht passiviert werden. Eine Ausnahme kann korrespondierend zu in Abschn. ILC.l.b)2) dieses Hauptteils genannten Riickstellungen bei Vorliegen konkreter Vertrage gelten. Weiterhin konnte das steuerliche Ansatzgebot im Rahmen der Verpflichtungen aus einem Sozialplan beibehalten und in die Handelsbilanz iibernommen werden (R 31c Abs. 6 EStR).i937 Jv4it Bekanntgabe des Sozialplans entsteht eine Verpflichtung des Unternehmens gegeniiber den Arbeitnehmern. Hiermit wiirde ein Einklang mit der Steuerbilanz erreicht, da nur noch Passivierungsgebote bestunden, fiir die auch in der Steuerbilanz ein Ansatzgebot gilt. Es ist jedoch auf eine sachgerechte Konkretisierung der Bildungsmerkmale der Riickstellung zu achten.
b)
Bewertungswahlrechte
1)
Gemildertes Niederstwertprinzip im Anlagevermogen
Im Rahmen des gemilderten Niederstwertprinzips konnen Nicht-Kapitalgesellschaften gemafi § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB eine auiierplanmafiige Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert bei nur voriibergehender Wertminderung vornehmen. Der Begriff der Dauerhaftigkeit ist im Gesetz nicht definiert und bedarf daher der Auslegung. Eine dauerhafte Wertminderung liegt nach h.M. vor, „wenn der Stichtagswert den Wert, der sich aus planmafiigen Abschreibungen ergibt, wahrend eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer nicht erreichen wird"i938^ also wenn der beizulegende Wert voraussichtlich nachhaltig unter den Buchwert abgesunken ist.i939 Dies
1937
Vgl. Herzig 2004, S. 326.
1938
Berger/Ring 2003, Tz. 295 zu § 253 HGB.
1939
Als Indizien fiir eine dauerhafte Wertminderung gelten: Im abnutzbaren Anlagevermogen: Eine dauerhafte Wertminderung liegt vor, wenn der jeweilige Stichtagswert fiir mindestens 50% der Restnutzungsdauer unter dem planmaliigen Restbuchwert liegt. Weiterhin wird die Fiinfjahres-Grenze angefiihrt, wonach eine dauerhafte Wertminderung vorliegt, wenn der Stichtagswert wahrend der nachsten fiinf Jahre voraussichtlich unter dem planmafiigen Restbuchwert liegt. Eine zuverlassige Planung iiber einen langeren Zeitraum sei nicht moglich. Vgl. zu (Fortsetzung der Fufinote auf der nachsten Seite)
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
443
liegt vor, wenn der Steuerpflichtige aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft mit einer Wertminderung zu rechnen hat. Die Rechtsprechung nimmt eine dauerhafte Wertminderung an, wenn der Wert des Wirtschaftsgutes am Bilanzstichtag mindestens fiir die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmafiigen Restbuchwert liegt.^^^^ Q^g Finanzgericht Miinster legte in seinem Urteil vom 14.01.2005 fest, dass die Halfte der Nutzungsdauer haufig Zeitraume von mehr als funf Jahren umfasst, z.B. bei Gebauden, so dass eine sachlich begriindete Prognose iiber die Wertminderung nicht mehr moglich ist. Wenn innerhalb eines Fiinfjahres-Zeitraums der Teilwert unter dem planmafiig abgeschriebenen Buchwert liegt, soUte danach eine dauerhafte Wertminderung vorliegen.1941 Die fiinf Jahre wurden als maximal zuverlassiger Planungshorizont angesetzt. Dies kann jedoch nur als Richtschnur dienen, da viele Unternehmen auch Planungen iiber einen langeren Zeitraum aufstellen.i942 Das Abschreibungswahlrecht bei nur voriibergehender Wertminderung gewahrt grofie bilanzpolitische Spielraume, es entspricht nicht dem Objektivierungsgedanken:^943 £§ bestehen Schwierigkeiten bei der Schatzung des beizulegenden Wertes sowie Abgrenzungsprobleme zwischen dauerhafter und voriibergehender Wertminderung. Erst im Nachhinein kann festgestellt werden, welcher Art die Wertminderung war. Daher wird im Schrifttum die Auffas-
den Indizien Kiiting 2005, S. 1125 f. m.w.N. Das FG Miinster nahm diese FunfjahresRegel in seinem Urteil vom 14.01.2005 auf. Im Bereich der Finanzanlagen: Hohe der Differenz zwischen historischen Anschaffungskosten und Zeitwert der Wertpapiere am Bilanzstichtag, bisherige Dauer einer bereits eingetretenen Wertminderung, stark abweichender Kursverlauf des Wertpapiers von der allgemeinen Kursentwicklung, erhebliche finanzielle Schwierigkeiten Oder Insolveriz des Emittenten. Vgl. Fey/Mujkanovic 2003, S. 213. IDW RS VFA 2, Tz. 19. Soweit nicht anhand von fundierten alternativen Bewertungen widerlegt werden kann, dass eine dauerhafte Wertminderung vorliegt, ist im Zweifel vom Vorliegen einer dauerhaften Wertminderung auszugehen. Das bilanzierende Unternehmen tragt somit die Darlegungslast, dass eine dauerhafte Wertminderung nicht vorliegt. Vgl. BMF 2000, Tz. 3 und 4. Vgl. FG Munster vom 14.01.2005. Vgl. Kuting 2005, S. 1126. Vgl. Schulze-Osterloh 2004a, S. 1133; IDWRS VFA 2, S. 475.
444
Vierter Hauptteil
sung vertreten, im Zweifel eher von einer dauerhaften Wertminderung auszugehen.1944 Soweit nicht anhand von fundierten altemativen Bewertungen widerlegt werden kann, dass eine dauerhafte Wertminderung vorliegt, ist im Zweifel vom Vorliegen einer dauerhaften Wertminderung auszugehen. Das bilanzierende Untemehmen tragt somit die Darlegungslast.i945 Im Rahmen der Reform des HGB wird ein Verbot der Vornahme aulierplanmaliiger Abschreibungen fiir alle Gesellschaften bei nur voriibergehender Wertminderung vorgeschlagen.^^^e Dies gilt bisher nur fiir Kapitalgesellschaften. Dies entspricht dem Steuerrecht, d.h. nur bei dauerhafter Wertminderung ist aulSerplanmafiig abzuschreiben. AUerdings ist die Konkretisierung der Dauerhaftigkeit, wie oben gezeigt, mit zahlreichen Ermessensspielraumen behaftet. Aulierdem spricht fiir die Streichung, dass im Zweifel schon jetzt von einer Dauerhaftigkeit ausgegangen wird und die Nicht-Dauerhaftigkeit nachzuweisen ist. Mit der Abgrenzungsfrage wird nur zusatzliches Manipulationspotential geschaffen. AUerdings ist zu beachten, dass die Vierte EGRichtlinie in Art. 35 Abs. 1 c) ein Untemehmenswahlrecht fiir Finanzanlagen von Kapitalgesellschaften fiir Wertberichtigungen auf den niedrigeren Zeitwert auch bei einer nicht dauerhaften Wertminderung vorsieht. Eine iibergreifende Einfiihrung der Abschreibungspflicht nur bei einer dauerhaften Wertminderung entspricht somit nicht der EG-Richtlinie.
1944
Vgl. Berger/M. Ring 2003, Tz. 2% zu § 253 HGB.
1945
Vgl. IDW RS VFA 2, Tz. 16.
1946
Vgl. Arbeitskreis Externa Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1587;/DW2001a,S. 224.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
2)
445
Erweitertes Niederstwertprinzip, Abschreibungen nach vemiinftiger kaufmannischer Beurteilung und Wertaufholungsgebot
Wie im Rahmen der Anpassung an die lAS/IFRS soUte ein Verbot der Abschreibungen auf den niedrigeren zukiinftigen Wert aufgrund des VerstolSes gegen das Stichtagsprinzip eingefiihrt werden.^947 Aufierdem ist ein Wertaufholungsgebot einzufuhren.^^48 Wird als Hauptzielsetzung die Einheit von Handelsbilanz und Steuerbilanz festgelegt, muss das Wahlrecht zur Bildung von Abschreibungen nach verniinftiger kaufmannischer Beurteilung gestrichen werden. Zudem beinhaltet es erhebliche Gestaltungsspielraume zur Bildung stiller Reserven. Dann fallt jedoch die Moglichkeit der Starkung der wirtschaftlichen Substanz und der Innenfinanzierung fiir vor allem kleine mittelstandische Betriebe weg. Die Regierungsbegriindung zum BiRiLiG wies auf die nachteiligen Auswirkungen hin, die Zulassung der Reservebildung geschah jedoch im Hinblick auf die damalige Praxis, in der dieses Wahlrecht zahlreich genutzt wurde und in die nicht weitergehend als unbedingt notwendig eingegriffen werden soUte.^^^^ Daher ist bei Abschaffung des Wahlrechtes zunachst die Anwendung in der Praxis zu analysieren. Da Kapitalgesellschaften dieses Wahlrecht nicht nutzen diirfen, steht die Glaubigerschutzproblematik nicht im Vordergrund.^^^o
Vgl. Abschn. II.C.l.c)2) dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. II.C.l.c)4) dieses Hauptteils. Vgl. Biener/Berneke 1986, S. 106. Vgl. Abschn. III.B.l.a) des zweiten Hauptteils. Durch glaubigerschtitzende Regelungen soil eine Absicherung der Anspriiche der Glaubiger durch eine Begrenzung gewinnabhangiger Ausgaben erfolgen. Bei Kapitalgesellschaften wird lediglich das Gesellschaftsvermogen zur Haftung herangezogen, dies ist bei Nicht-Kapitalgesellschaften rucht der Fall.
446
3)
Vierter Hauptteil
Herstellungskosten
Durch die Ubemahme des produktionsbezogenen VoUkostenansatzes nach IAS 2 werden die handelsrechtlich bestehenden bilanzpolitischen Spielraume verringert, was zu einer Verbesserung der Aussagefahigkeit und Vergleichbarkeit von Jahresabschliissen fiihrt.^^si Q^S handelsrechtliche Wahlrecht zwischen Voll- und Teilkostenaktivierung kann zu erheblichen bilanzpolitischen Spielraumen fuhren.i^52 Vor allem bei grofien und schwankenden Erzeugnisbestanden fuhrt der Verzicht der Einbeziehung von Gemeinkostenbestandteilen zu einer Beeintrachtigung der Aussagefahigkeit des Jahresabschlusses.^953 Weiterhin tritt das Problem der eindeutigen Trennung von Einzel- und Gemeinkosten bei den unechten Gemeinkosten auf.i954 AUerdings besitzt die Nichtaktivierung der Gemeinkosten eine Innenfinanzierungsfunktion. Im Rahmen der zunehmend wachsenden Bedeutung der Gemeinkosten^^ss entfallt ein erheblicher Aufwandsfaktor. Empirisch wurde die grofie Bedeutung der Herstellungskosten-Bewertung bei KMU erwiesen.^^se Die Gemeinkosten konnten nicht mehr als Aufwand generiert werden und somit nicht mehr das handelsrechtliche Jahresergebnis mindern. Hohere Ausschiittungen in den ersten Perioden waren die Folge. Beziiglich der Zielsetzung der Verwirklichung einer Einheitsbilanz konnte das Wahlrecht der Aktivierung der Gemeinkosten in § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB ge-
Vgl. Wohlgemuth/Stdnder 2003, S. 211. Vgl. Mohlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer 2004a, S. 850. Vgl. Wohlgemuth/Stdnder 2003, S. 204. AUerdings kehrt sich ein ergebnisverbessernder Effekt bei Aktivierung der Wahlbestandteile in den Folgeperioden durch den Zweischneidigkeitseffekt urn. Vgl. Veit 2001, S. 584. Vgl. Veit 2001, S. 577. Dies sind Einzelkosten, die aus Praktikabilitatsgriinden als Gemeinkosten behandelt und dem Kostentrager zugeschliisselt werden. Auch die Gemeinkostenschlusselung sowie die Beriicksichtigung von Beschaftigungsschwankungen bestimmen den Ansatz der Herstellungskosten. Vgl. Fre/daw/c 2001, S. 351 f. Vgl. Glieden, 1996, S. 64.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
447
strichen werden.^^^? Dadurch wird eine bessere Vergleichbarkeit der Jahresabschliisse gewahrleistet und der Bilanzgestaltung Einhalt gewahrt.^^^s Hiermit erfolgt eine Annaherung an die lAS/IFRS-Bilanzierung. Das Aktivierungswahlrecht fiir Kosten der Verwaltung soUte beibehalten werden, soweit die Aufwendungen der Produktion zugeordnet werden konnen, denn steuerrechtlich besteht ebenfalls ein Aktivierungswahlrecht.^959 AUerdings ist zu bedenken, dass diese dargestellten reformierten Aktivierungspflichten gegen die Vierte EG-Richtlinie verstofien, da ein Unternehmenswahlrecht zur Einbeziehung der Gemeinkosten sowie der Fremdkapitalzinsen vorliegt. Um diese Anpassung durchzufiihren, ware zunachst eine Anderung der Vierten EG-Richtlinie erforderlich.
4)
Abschreibung des derivativen Geschafts- oder Firmenwertes
Wie in Abschn. II.D.3.a)4) dieses Hauptteils dargestellt, kann dem derivativen GFW im Rahmen einer Reform des HGB bei Verwirklichung des Ziels einer Annaherung von Handelsbilanz und Steuerbilanz die Eigenschaft eines Vermogensgegenstands - korrespondierend zum steuerrechtlichen Wirtschaftsguti96o _ zugesprochen werden. Dann tritt jedoch emeut ein Objektivierungsproblem auf, da sich die Nutzungsdauer eines GFWs aufgrund seines Charakters als heterogene Residualgrofie nicht eindeutig bestimmen lasst.^^^ Die bezahlten immateriellen Vorteile bleiben zum grofiten Teil nicht standig erhalVgl. Arbeitskreis Exteme Untemehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1586. Vgl. Schulze-Osterloh 2004a, S. 1134. Wiirde eine handelsrechtliche Aktivierungspflicht eingefiihrt, so ware diese iiber das MaJSgebiichkeitsprinzip auch in der Steuerbilanz zu iibernehmen, was steuerliche Nachteile (Steuermehrbelastungen) hervorruft. Vgl. Breker 2004, S. 14 f. Ein Bewertungsvorbehalt wird fiir den Bereich der Herstellungskosten abgelehnt. Vgl. Ellrott/Schmidt-Wendt 2003, Tz. 355 zu § 255 HGB m.w.N. Dies impliziert eine Anpassung der Begriffe: der Vermogensgegenstand fordert eine selbstandige Einzelverwertbarkeit, fiir das Wirtschaftsgut ist eine Gesamtubertragung ausreichend. Vgl. Knop/Kiiting 2003, Tz. 463 zu § 255 HGB; Saelzle/Kronner 2004, S. S163.
448
Vierter Hauptteil
ten, es hat eine Bestimmung der Nutzungsdauer zu erfolgen.i962 Um eine Anpassung an die Steuerbilanz zu erreichen, konnte die Abschreibung auf 15 Jahre festgesetzt werden.^^^ AUerdings ist zu bedenken, dass die Nutzungsdauer des GFWs individuell bestimmt werden muss und nicht einheitlich auf eine bestimmte Jahreszahl festgelegt werden kann. Vorgeschlagen wird eine Abschreibung iiber die planmaliige Nutzungsdauer.i964 Empirische Untersuchungen belegen, dass bei dem derivativen GFW die Abschreibungsbetrage zum Grofiteil auf die Nutzungsdauer verteilt wurden. Es wurde Wert auf eine langfristige Wirkung gelegt.^^^s Die Moglichkeit der aulierplanmafiigen Abschreibung muss beibehalten werden, da im Rahmen des Glaubigerschutzes keine nicht werthaltigen Grofien in der Bilanz ausgewiesen werden diirfen. AulSerdem ist iiber ein Zuschreibungsverbot bei Wegfall der Griinde fiir die aufierplanmafiige Abschreibung zur Vermeidung der Gefahr der Vermengung von derivativem und originarem Firmenwert nachzudenken.^^^ AUerdings wird bei einem Wertaufholungsverbot die Abbildung einer tatsachlichen Wertsteigerung des GFW ausgeschlossen, was nicht den GoB entspricht.
Vgl. Arbeitsgruppe Normierung der Rechnungslegung 2002b, S. 881. Es konnen auch nicht abnutzbare Bestandteile im GFW enthalten sein, z.B. ein bekannter Markenname. Vgl. Kuhnberger 2005, S. 679. Vgl. DRSC 2005b, S. 10. Diese 15 Jahre wurden vom Gesetzgeber eingeftihrt, um Steuermindereinnahmen zu vermeiden, die sich im Rahmen einer vorzeitigen Abschreibung ergeben konnen. Die Regelung ist fiskalpolitisch bestimmt. Vgl. IDW 2001a, S. 225; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der SchmalenbachGesellschaft 2003a, S. 1587; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1131. Die Arbeitsgruppe Normierung der Rechnungslegung fordert aufgrund des raschen Wandels der okonomischen Umweltbedingungen eine Abschreibung iiber 5-10 Jahre. Vgl. Arbeitsgruppe Normierung der Rechnungslegung 2002b, S. 880. Vgl. Veit 1995, S. 2130. Vgl. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1587.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
5)
449
Bewertungsvereinfachungsverfahren
Im Rahmen einer Reform des Handelsbilanzrechts stellt sich die Frage der Abschaffung des LiFo-Verfahrens. Im Schrifttum erfolgt eine heftige Diskussion: Das DRSC spricht sich fiir eine Abschaffung aus, jedoch nur, wenn Steuerneutralitat gewahrleistet ist. Allerdings konne es beibehalten werden, wenn das Verfahren der tatsachlichen Verbrauchsfolge entspricht.^^^^ SchulzeOsterloh pladiert fiir eine voUstandige Abschaffung aller Bewertungsvereinfachungsverfahren in den Fallen von Bewertungsschwierigkeiten; allein die Durchschnittsbewertung soUe bestehen bleiben. Die LiFo-Methode verstofie gegen das Prinzip der periodengerechten Gewinnermittlung.^^es Bei steigenden Preisen verzerre sie den Vermogensausweis, da der Bestand mit zu alten, zu niedrigen Preisen angesetzt werden miisse.^^^^ Der BFH sah in seinem Urteil vom 20.06.2000 die LiFo-Methode nicht im Einklang mit den GoB.i97o Er lehnt die Zwecksetzung des LiFo-Verfahrens, die Vermeidung der Besteuerung von Scheingewinnen,^^^! ab.i972 Mit dem StRefG 1990 wurde die LiFoMethode im Steuerrecht zugelassen.^^^s Qer Entwurf eines Steuervergiinstigungsabbaugesetzes vom 02.12.2002 sah eine Streichung vor.^974 Aufgrund zahlreicher Proteste wurde dies jedoch nicht verwirklicht.^^^s DIQ Abschaffung
1967
Vgl. DRSC 2005b, S. 29.
1968
Vgl. Schulze-Osterloh 2004a, S. 1134.
1969
Vgl. Di^SC 2005b, S. 28.
1970
Vgl. BFH-Urteil vom 20.06.2000, S. 1911-1914.
1971
In Zeiten steigender Preise verhindert die LiFo-Methode die Besteuerung von Scheingewinnen und wirkt somit substanzerhaltend.
1972
Die Vermeidung des Ausweises von Scheingewinnen sei nur ein rechnerischer Reflex der Bewertungsvereinfachung. Vgl. Kessler/Suchan 2003, S. 345.
1973
Vgl. GEFIU1990, S. 1977; Herzig/Gasper 1991, S. 558; Mayer-Wegelin 2001, S. 554; Mooter 2001b, S. 158.
1974
Vgl. BT-Drucksache 15/119 vom 02.12.2002.
1975
Als Griinde werden genannt, dass die LiFo-Methode ein einfaches Verfahren zur Vorratsbewertung und ein Instrument zur Vermeidung von Scheingewinnbesteuerung ist.
450
Vierter Hauptteil
hatte gravierende Auswirkungen auf Untemehmen mit stark preisschwankenden Warenvorraten gehabt.^^^e Beziiglich der Anwendung im Bereich der borsennotierten lAS/IFRSBilanzierer wurde empirisch nachgewiesen, dass die Methode keine grofie Bedeutung hat.i^^? AUerdings ist die Zahl der Anwender im Mittelstand hoher zu schatzen, da das Verfahren eine vereinfachte Vorratsbewertung ermoglicht und eine Scheingewinnbesteuerung vermeidet. Aufgrund der Ubereinstimmung von Handelsbilanz und Steuerbilanz ist das Verfahren beizubehalten. Der Glaubigerschutz ist durch die Substanzerhaltungsfunktion gesichert. Die zahlreichen Verbrauchsfolgeverfahren konnten auf die steuerlich zulassige LiFo- und FiFo- Methode begrenzt werden.i978 Aufierdem soUte der Festwert sowie die Gruppen- und Durchschnittsbewertung aufgrund der Arbeitserleichterungen und der Ubereinstimmung mit der Steuerbilanz beibehalten werden.
Vgl. Institut "Finanzen und Steuem" e.V. 2002, S. 1 f.; Gemeinsame Eingabe vom 8.1.2003, S. 21 f. Die Bundesregierung antwortete jedoch auf die Kleine Anfrage der FDPFraktion zur LiFo-Methode, dass eine handelsrechtliche Abschaffung des Verfahrens keine unmittelbaren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Untemehmen hatte. Vgl. BT-Drucksache 15/2430, S. 1 f.; BT-Drucksache 15/2526, S. 1 f. Vgl. von Keitz 2003, S. 1805. Vgl. Arbeitskreis Externe Untemehmensrechnung der Schmalenbach Gesellsdtaft 2003a, S. 1586;/DW2001a,S. 224.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
6)
451
Zwischenfazit
In den folgenden Tabellen werden die Ergebnisse des letzten Abschnitts zusammengefasst: Reformvorschlag
Ansatzwahlrecht Als Aufwand beriicksichtigte ZoUe und Verbrauchsteuem (§ 250 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB)
Als Aufwand beriicksichtigte Umsatzsteuer auf Anzahlungen (§ 250 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB)
-
Ansatzpflicht im Rahmen der Anschaffungs/ Herstellungskosten
-
Abschaffung des RAP-Ausweises in § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG
-
Ubereinstimmung mit IAS
- Ansatzverbot - Umsatzsteuer als durchlaufender Posten - Abschaffung des § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG - Ubereinstimmung mit IAS
Disagio (§ 250 Abs. 3 HGB)
Aktivierungspflicht Planmafiige Abschreibung iiber die Laufzeit der Verbindlichkeit - Ubereinstimmung mit Steuerbilanz - AUerdings zunachst Anderung der Vierten EGRichtlinie erforderlich (Untemehmenswahlrecht)
Derivativer Firmenwert (§ 255 Abs. 4 Satz 1 HGB)
-
Aufwendungen fiir Ingangsetzung und Erweiterung des Geschaftsbetriebes (§ 269 HGB)
-
Aktivierungsverbot
-
LFbereinstimmung mit Steuerbilanz und IAS
Aktive latente Steuem (§ 274 Abs. 2 HGB
- Aktivierungsverbot - Realisierung abhangig von Auslegung der Vierten EGRichtlinie (h.M. Untemehmenswahlrecht) - Ubereinstimmung mit Steuerbilanz
Pensionsverpflichtungen fiir Altzusagen (Art. 28 Abs. 1 SatzlEGHGB)
-
Beibehaltung des Wahlrechtes
-
LFbereinstimmung mit Steuerbilanz
-
Aktivierungspflicht (zur Verwirklichung der Einheitsbilanz, dann auch Ubereinstiirunung mit IFRS) - Aktivierungsgebot im Rahmen des Glaubigerschutzes strittig
Vierter Hauptteil
452 Ansatzwahlrecht
Reformvorschlag
Mittelbare Verpflichtungen Oder ahnliche mittelbare und unmittelbare Verpflichtungen (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB)
- Passivierungsverbot - bei Deckungsliicke: Passivierungspflicht - Ubereinstimmung mit Steuerbilanz
Riickstellungen fxir unterlassene Instandhaltung (§ 249 Abs. 1 Satz 3 HGB)
- Passivierungsverbot, Abschaffung der Dreimonatsgrenze -
Passivierungspflicht bei Nachweis der Verpflichtung Ubereinstimmung mit Steuerbilanz
Aufwandsriickstellungen (§ 249 Abs. 2 HGB)
- Passivierungsverbot - Ubereinstimmung mit Steuerbilanz
Sonderposten mit Riicklageanteil (§ 247 Abs. 3; § 279 Abs. 2 HGB)
-
Aufgabe der umgekehrten Mafigeblichkeit Ubereinstimmung mit IAS
Tabelle 22: Reform der Ansatzwahlrechte
Entwicklung von zwei Modeller! zur Rechnungslegung Reformvorschlag
Bewertungswahlrechte Gemildertes Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 2 Satz 3 HGB) im Anlagevermogen
453
-
Aufierplanmafiige Abschreibung nur bei dauerhaf ter Wertmindening fiir alle Gesellschaften => tJbereinstimmung mit Steuerbilanz
-
AUerdings: Art. 35 Abs.l c) legt Unternehmenswahlrecht fiir Finanzanlagen bei Kapitalgesellschaften zur Vomahme von Wertberichtigungen auch bei voriibergehender Wertmindening fest.
Erweitertes Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB) im Umlaufvermogen
- Streichen des Wahlrechtes - Ubereinstimmung mit Steuerbilanz und IAS
Abschreibung nach vemiinftiger kaufmannischer Beurteilung (§ 253 Abs. 4 HGB)
- Streichen des Wahlrechtes - Ubereinstimmung mit Steuerbilanz und IAS
Beibehaltungswahlrecht fiir Nicht-Kapitalgesellschaften (§ 253 Abs. 5 HGB)
-
Herstellungskosten (§255Abs.2und3HGB)
-
Derivativer Geschafts- und Firmenwert (§ 255 Abs. 4 HGB)
-
Planmafiige Abschreibung iiber Nutzungsdauer (allerdings mit Ermessensspielraumen behaftet) - Pflichtgemafie aufierplanmafiige Abschreibung
Vorratsbewertung
-
(§ 256 i.V.m. § 240 HGB)
Wertaufholungsgebot Ubereinstimmung mit Steuerbilanz und IAS
Aktivierungspflicht der Material- und Fertigungsgemeinkosten - Ubereinstimmung mit Steuerbilanz - AUerdings Anderung der Vierten EG-Richtlinie erforderlich
Beibehaltung LiFo- und FiFo-Methode Durchschnitts-, Gruppen- sowie Festbewertung Ubereinstimmung mit Steuerbilanz
Tabelle 23: Reform der Bewertungswahlrechte
Wie aus Tabelle 22 und Tabelle 23 ersichtlich ist, besteht im Rahmen der Anderung der Wahlrechte kurzfristig Harmonisierungspotential, das die in Abschnitt II.D.l. genannten Pramissen erfiillt und auch eine Ubereinstimmung mit den lAS/IFRS erreicht: Dies trifft fiir die Abschaffung des Aktivierungswahlrechtes fiir Ingangsetzungsaufwendungen, die Abschaffung des Sender-
454
Vierter Hauptteil
postens mit Riicklageanteil im Rahmen der Aufgabe der umgekehrten Mafigeblichkeit, die Streichung der Aufwandsriickstellungen, des erweiterten Niederstwertprinzips, der Abschreibungen aufgrund kaufmannischer Beurteilung sowie des Wertaufholungsgebots zu. Anderungen der Vierten EG-Richtlinie sind bei der Aktivierung des Disagios sowie der zusatzlichen Aktivierungspflicht der Material- und Fertigungsgemeinkosten im Rahmen der Herstellungskosten und der Abschaffung des gemilderten Niederstwertprinzips erforderlich. Als Aufwand beriicksichtigte ZoUe und Verbrauchsteuem sowie als Aufwand beriicksichtigte Umsatzsteuer auf Anzahlungen soUten auch in der Steuerbilanz aufgrund der veralteten steuerlichen Regelung an den oben genannten Vorschlag angepasst werden. Somit ware auch eine Ubereinstimmung mit den lAS/IFRShergestellt. Aktive latente Steuem sind unter der Pramisse der Einheithchkeit der Handelsbilanz und Steuerbilanz sowie der fehlenden Verwertungsmoglichkeit im Rahmen des Glaubigerschutzes und der Gleichbehandlung mit latenten Steuem auf Verlustvortrage nicht zu aktivieren, obwohl dies den Informationszielen widerspricht. Hierzu konnte eine zusatzliche pflichtgemafie Anhangangabe die Differenz zwischen tatsachlich angefallenen und fiktiven, auf den Handelsbilanzgewinn gebildeten Steuem klaren. Allerdings ist vor Streichung des Wahlrechtes die Kompatibilitat mit der Vierten EG-Richtlinie zu klaren. Riickstellungen gemafi Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB sollten einem Passivierungsverbot unterliegen, da es sich lediglich um beitragsorientierte Versorgungszusagen an Pensionskassen oder Direktversicherungen handelt. Lediglich bei einer Deckungsliicke ist eine pflichtgemafie Riickstellung vorzunehmen. Dies entspricht der Handhabung in der Steuerbilanz. Beim derivativen GFW tritt ein Konflikt zwischen Einheitsbilanzierung und Glaubigerschutz auf, da er steuerlich als Wirtschaftsgut behandelt wird, handelsrechtlich jedoch aufgrund der fehlenden Eigenschaft der Einzelveraufierbarkeit nicht als Vermogensgegenstand angesehen werden kann. Im Rahmen einer Reform ist die Annaherung des steuerrechtlichen Wirtschaftsguts- und des Vermogensgegenstandsbegriffs zu erwagen. Die Bestimmung der Hohe einzelner Bestandteile sowie der planmaliigen Nutzungsdauer ist mit Ermessensspielraumen verbunden und widerspricht dem Glaubigerschutz.
Entwicklung von zwei Modellen zur Rechnungslegung
455
Das Wahlrecht zur LiFo-Methode sowie zur Bildung von Pensionsruckstellungen fiir Altzusagen soUte beibehalten werden. Somit wird eine Konvergenz von Handelsbilanz und Steuerbilanz hergestellt, die auch dem Glaubigerschutz entspricht, jedoch nicht mit den lAS/IFRS zu vereinbaren ist. Mit der Realisierung dieser Abschaffung der Wahlrechte konnte ein Beitrag zur Vereinheitlichung der Handels- und Steuerbilanz unter Vereinfachungsaspekten erreicht werden. Zum Teil ist auch eine Kompatibilitat mit den lAS/IFRS festzustellen. AUerdings bleiben Konflikte zum Glaubigerschutz, z.B. im Rahmen der Bewertung des derivativen GFWs, nicht aus.
c)
Mittelfristig: Ausiibung von EU-Vorgaben
1)
Umsetzung der Modemisierungsrichtlinie
Es stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Reformierung des HGB die in Abschn. II.C.2.a) dieses Hauptteils vorgeschlagenen zusatzlichen Bestandteile des Jahresabschlusses aufgenommen werden soUten. Durch eine Wahlrechtsgewahrung wiirde diese Moglichkeit alien Untemehmen offen stehen. Weiterhin fordert die Modemisierungsrichtlinie eine starkere Beriicksichtigung des Substance over Form-Grundsatzes. Da diese Regelung verstarkt Informationsinteressen dient und Konsequenzen beziiglich der Kapitalerhaltung hervorrufen k6nnte,i979 soUte sie nicht libemommen werden. Aufgrund der besseren Vergleichbarkeit der Untemehmensdaten anhand der detaillierteren Gliederung nach § 266 HGB ist diese nicht aufzugeben. Ein Abweichen vom bisherigen Gliederungsschema in Current und Non-Current soUte hochstens als Wahlrecht fiir Konzeme zugelassen werden, da diese die Gliederung ihrer HGB-Abschliisse zur besseren konzemintemen Abstimmung an den IAS/ IFRS-Konzemabschluss anpassen konnten. Beziiglich der Aufnahme des Statement of Performance soUte die EUKommission zunachst konkretere Angaben beziiglich der Ausgestaltung machen. Im Rahmen einer Reform des HGB soUte die Ubemahme der Neubewertungsriicklage unterbleiben, da das Anschaffungskostenprinzip beizubehalten ist. Vgl. Abschn. II.C.2.a) dieses Hauptteils.
456
2)
Vierter Hauptteil
Fair Value-Bewertung im Jahresabschluss
Bisher erfolgt die Fair-Value Bewertung in Deutschland in asymmetrischer Weise: Wertminderungen eines Vermogensgegenstands werden erfolgswirksam behandelt, Wertsteigerungen liber die Anschaffungskosten hinaus jedoch aufgrund des Realisationsprinzips nicht.^^so Vermogensgegenstande diirfen hochstens zu den fortgefuhrten Anschaffungskosten bewertet werden. Durch die Ubemahme der Regelungen der Fair Value-Richtlinie in deutsches Recht konnten im Rahmen der dort festgelegten Kategorien der Finanzinstrumente somit unrealisierte positive Erfolgsbeitrage erfolgswirksam (bei Finanzinstrumenten des Handelsbestandes bzw. der neuen Klasse at Fair Value through Profit or Loss) oder erfolgsneutral (z.B. bei Available for Sale Wertpapieren) erfasst werden. Ein erfolgswirksamer Ausweis der Werterhohungen widerspricht dem Kapitalerhaltungsgedanken, da die Moglichkeit besteht, unrealisierte Gewinne auszuschiitten.i^^i Bei Beibehaltung der uneingeschrankten Mafigeblichkeit wiirden diese Betrage der Besteuerung unterliegen. Siegel schlagt zur besseren Darstellung des Glaubigerschutzes eine Zeitwertbilanzierung im deutschen Bilanzrecht vor: Wenn Vermogensgegenstande und Schulden mit Zeitwerten erfasst wiirden, konne das Schuldendeckungspotential realistischer gemessen werden. Das Schuldendeckungspotential als Nettogroi^e (Eigenkapital) zeige die Fahigkeit, unerwartete Verluste aufzufangen. Durch den Zeitwertansatz erfolge eine sofortige Aufdeckung stiller Reserven, so dass deren stiUe Auflosung verhindert werde; dies erschwere die Verfalschung der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage. Da nicht realisierte Gewinne nicht zur Ausschiittung gelangen diirfen, sei ein Gegenposten auf der Passivseite, z.B. in Form eines Wertberichtigungspostens oder einer ausschiittungsgesperrten Riicklage, zu bilden. Allerdings weist Siegel auch auf die Probleme der Zeitwertbilanzierung (z.B. die Feststellung objektiver Marktwerte) hin und sieht ein, dass ein effektiver Glaubigerschutz nicht erreicht werden kann.i982
VgLHoss^W 2005,8.164. Vgl. Kirsch 2005, S. 27. Zur Problematik der Fair Value-Schatzung vgl. Ballwieser/Kuting/Schildbach 2004, S. 529-549.
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457
Im Rahmen der Pramisse der Beibehaltung des institutionellen Glaubigerschutzes sollte auf eine Fair Value-Bewertung im Jahresabschluss verzichtet werden. Sie ist nicht mit dem Anschaffungskostenprinzip vereinbar.^^^^^ Die lAS/IFRS sind fiir kapitalmarktorientierte Untemehmen konzipiert, wahrend die EG-Richtlinien allgemein fiir Kapitalgesellschaften und Konzernabschliisse gelten. Die pauschale Ubernahme ist nicht zu empfehlen. Eine Umsetzung im Rahmen der Konzernrechnungslegung ist zwar denkbar,!^^^ da dieser ledighch eine Informationsfunktion zukommt, es sind allerdings aufgrund der im zweiten Hauptteil dargestellten Riickwirkungen langfristig Auswirkungen auf den Jahresabschluss zu erwarten. Soil die Fair Value-Bewertung im Rahmen der Konzernrechnungslegung aufgenommen werden, miisste zur Vermeidung der Riickwirkungen eine Trennung von Konzemabschluss und Jahresabschluss erfolgen, die sich in einem Streichen der Verweise in § 298 HGB oder der Einfiihrung eines expliziten Hinweises, dass diese Regelungen nicht auf den Jahresabschluss zuriickwirken, ausdriicken kann. Die EU-Kommission legt im Vorschlag fiir die Fair Value-Richtlinie fest, dass die Anderungen nicht an KMU gerichtet sind, „da diese grolitenteils nicht auf diese Art von Finanzinstrumenten zuriickgreifen"^^^^
3)
Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande
Der bisherige Grund fiir das Aktivierungsverbot in Deutschland liegt in der unzureichenden Objektivierung, da selbsterstellte Vermogensgegenstande aufgrund der Unentgeltlichkeit sowie der fehlenden physischen Beschaffenheit nur schwierig schatzbar sind und somit einen unsicheren Wert darstel-
1983
Vgl. Siegel 1998, S. 593-603.
1984
Vgl. Kirsch 2005, S. 30.
1985
£U-Kommission 2000b, S. 5.
458
Vierter Hauptteil
len.1986 Nur^ wenn Anschaffungskosten vorliegen, d.h. der Erwerb von einem Dritten stattfand, kann eine gewisse Objektivierung erzielt werden.^^^^ Am Aktivierungsverbot wird die unvoUstandige Abbildung der Vermogenslage im Jahresabschluss kritisiert. Durch die zunehmende Bedeutung der immateriellen Werte, z.B. durch IT-Fortschritte, Hochtechnologie (z.B. Aufwendungen fiir Organisation, Schulung, Fortbildung, FuE), wird die Vermogenslage entgegen dem Postulat des § 264 Abs. 2 HGB nicht mehr wahrheitsgetreu ausgewiesen.1988 § 248 Abs. 2 HGB steht im Konflikt zum Vollstandigkeitsgebot im Sinne des § 246 Abs. 1 HGB; die ordnungsgemafie Rechenschaftspflicht wird somit nicht als erfiillt angesehen.i989 Zudem fiihrt das Aktivierungsverbot zu einer Uberbetonung des Vorsichtsprinzips und zu einer Ungleichbehandlung materieller und immaterieller Verm6gensgegenstande.i99o Das Bundesministerium fiir Wirtschaft und Arbeit machte einen Vorschlag, dass kiinftig die Aktivierung von Aufwendungen fiir Entwicklungen und Patente moglich sein soll.i^^ Auch die FDP-Bundestagsfraktion brachte einen Antrag zur Aufhebung des Aktivierungsverbots in den Bundestag ein.^^2 Dies wird damit begriindet, dass die Finanzierungsmoglichkeiten bei Kreditinstituten von for-
1986
vgl. Forschle 2003b, Tz. 7 zu § 248 HGB. Moxter bezeichnet die immateriellen Vermogensgegenstande als „ewige Sorgenkinder des Bilanzrechts". Vgl. Moxter 1979, S. 1102.
1987
Daher wurde, auch wenn ein Vermogensgegenstand gemafi § 246 HGB gegeben ist, eine Ausnahme vom VoUstandigkeitsgrundsatz hingenommen. Vgl. ADS 1998, Tz. 12 zu § 238 HGB.
1988
Vgl. Baetge/FeyA^eber 2003, Tz. 19 zu § 248 HGB. In den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung der immateriellen Werte kontinuierlich zugenommen. Das Verhaltnis von Buchwert und Marktwert der immateriellen Vermogensgegenstande steht oftmals in einer Diskrepanz. Dies verdeutlichen z.B. Coca-Cola, SAP oder Microsoft, deren Borsenwerte zum 31.12.1999 die jeweiligen Buchwerte um das 15 - 21-fache iibertrafen. Vgl. Esser/Hackenberger 2004, S. 402.
1989
Vgl. Arbeitskreis Immaterielle Werte im Rechnungswesen der Schmalenbach-Gesellschaft 2001, S. 993.
1990
Vgl. DRSC 2005b, S. 32.
1991
VgLo.y. 2004c,S.3.
1992
Vgl. Strunk 2004, S. 644.
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459
schungsintensiven mittelstandischen Unternehmen durch eine Lockerung des Aktivierungsverbots steigen wiirden.^^^ Es stellt sich die Frage, ob das Objektivierungskriterium zugunsten des verbesserten Einblicks in die Vermogenslage des Unternehmens gemildert werden soUte. Unter Informationsgesichtspunkten und der Bestrebung, die kapitalmarktorientierten Anleger mit entscheidungsniitzlichen Informationen zu versorgen, ware dies sinnvoU. In den letzten Jahren wurden einige Vorschlage beziiglich der Aktivierung in Rede stehender Posten unterbreitet: Der Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen" der Schmalenbach-Gesellschaft spricht sich fiir eine Abschaffung des Aktivierungsverbots aus, da das bisherige Rechnungslegungssystem der zunehmenden Bedeutung immaterieller Werte nicht gerecht wird. Zunachst versucht der Arbeitskreis eine Kategorisierungi994 ^-id formuliert Anforderungen, die ein selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstand erfiillen muss, um aktiviert zu werden.^^^ Wenn diese Aktivierungskriterien nicht zutreffen, soUte in einem zweiten Schritt gepriift werden, ob die Ausgaben zur Schaffung immaterieller Werte als aktiver RAP angesetzt werden konnen.^9% Gemafi § 250 Abs. 1 HGB sind aktive RAP Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, die erst fiir eine bestimmte Zeit nach dem Stichtag Aufwand darstellen. Es gilt, die spatere Erfolgswirksamkeit der Ausgaben nachzuwei-
Vgl. Strunk 2004, S. 644. AUerdings soUte dies nicht der Fall sein, da Kreditinstitute ihre Kreditvergabeentscheidung nicht allein vom Bilanzausweis, sondern hauptsachlich von zahlreichen anderen Faktoren abhangig machen. Es erfolgt eine Einteilung in Human, Customer, Supplier, Investor, Process, Location und Innovation Capital. Vgl. Arbeitskreis Immaterielle Werte im Rechnungswesen der Schmalenbach-Gesellschaft 2001, S. 990 f. IFRS 3 nimmt auch eine Kategorisierung erworbener immaterieller Vermogensgegenstande vor. Dabei greift er nicht auf die IAS/IFRS zuriick. Er nimmt einen Projektbezug an. Kriterien sind: Projektbezug ist initiiert worden, Projektabgrenzung ist moglich, moglicher Projektnutzen ist darstellbar und eine aktive weitere Projektverfolgung ist sichergestellt. Vgl. Arbeitskreis Immaterielle Werte im Rechnungswesen der SchmalenbachGesellsdmft 2001, S. 993. Vgl. Arbeitskreis Immaterielle Werte im Rechnungsivesen der Schmalenbach-Gesellsclmft 2001, S. 993.
460
Vierter Hauptteil
sen.^997 Hier erlangt das AktG 1937 wieder Aktualitat: Danach war die Bilanzierung von aktiven RAP auch zulassig, wenn sie der Verteilung einmaliger grofierer Aufwendungen auf mehrere Rechnungsperioden dienten. Der Ausweis unter den RAP war weit gefasst, alle Ausgaben, die einen Vorteil in den Folgeperioden versprachen, konnten angesetzt werden, auch wenn sie nicht in der Folgeperiode erfolgswirksam wurden.^^^ Dies wurde schon damals kritisiert, da ein Verstoi^ g^gen das Vorsichtsprinzip vorliegen konne, weil nicht mit letzter Sicherheit festzustellen ist, ob der erhoffte Nutzen in den Folgejahren tatsachhch eintritt, wie er beziffert werden kann und wie nachhaltig er ist.1999 Mit dem AktG 1965 wurden dann die RAP i.w.S. abgeschafft sowie das Aktivierungsverbot fiir selbsterstellte immaterielle Vermogensgegenstande eingeftihrt. Der Gesetzgeber hat dem kaufmannischen Prinzip der Vorsicht „den Vorrang vor einer betriebswirtschaftlich gebotenen Periodenabgrenzung"2ooo gegeben. Weiterhin wird vorgeschlagen, zu priifen, ob eine Aktivierung als Bilanzierungshilfe in Frage kommt.^ooi „Es handelt sich hierbei um gesondert auszu-
Von einer spateren Erfolgswirksamkeit der Ausgaben sei zweifelsfrei auszugehen, wenn ein Rechtsverhaltnis zugrunde liegt, das eine spatere Leistungsgewahrung vorsieht. Der Zusammenhang zwischen Ausgabe und Erfolgswirkung ist somit hinreichend konkretisiert. Der Arbeitskreis konstatiert jedoch, dass es geniigen solle, wenn mittelbare, statistisch eindeutig nachweisbare Zusammenhange bestehen. So soUten z.B. WerbemaCnahmen, bei denen verlassliches Datenmaterial iiber einen kiinftigen Werberiicklauf vorliegt und bei denen somit ein eindeutiger Zusanunenhang zwischen Werbeausgaben und kunftigen Ertragen besteht, aktiviert werden konnen. Hierbei sei auch das Kriterium der „bestinunten Zeit'' nach dem Bilanzstichtag hinreichend konkretisiert. Diese ist nicht unbedingt auf das folgende Jahr begrenzt. Dieser Riickgriff auf statistisch abgesicherte Daten ist nach Meinung des Arbeitskreises schon heute gesetzeskonform. Vgl. Arbeitskreis Immaterielle Werte im Rechnungsivesen der Schmalenbach-Gesellschaft 2001, S. 993. Auch Ausgaben fiir einmalige Werbefeldziige und Forschung, die als Aufwand in den Folgejahren gesehen wurden. Vgl. Triitzschler 2002, Tz. 11 zu § 250 HOB. Vgl. Tiedchen 1997, Rn. 17-19 zu Abt. II/8. ADS 1968, Tz. 177 zu § 152 AktG. Vgl. hierzu auch Tiedchen 1997, Rn. 21-23 zu Abt. II/8. Vgl. Borner 1996, S. 163.
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461
weisende Aktivposten, die keine Vermogensgegenstande darstellen, die nur von Kapitalgesellschaften per Ansatzwahlrecht gebildet werden konnen, fiir die eine Ausschiittungssperre existiert und bei denen spezielle Auflosungsvorschriften gelten/'2002 Auch der DRS 12, Anhang A (Empfehlungen de lege ferenda) fordert eine Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande, da sie in Technologie- und Dienstleistungsunternehmen eine immer grofiere Bedeutung bekommen. Voraussetzung fiir die Aktivierung ist, dass es wahrscheinlich ist, dass dem Untemehmen der kiinftige wirtschaftliche Nutzen, der dem Vermogenswert zugerechnet werden kann, zufliefit und dass er verlasslich bewertbar ist.2003 Das DRSC lehnt sich an den Asset-Begriff des lASB an. Das IDW befxirwortet die Abschaffung des Aktivierungsverbotes in § 248 Abs. 2 HGB. Es schlagt vor, fiir die Abgrenzung zwischen nicht aktivierungsfahigen Forschungskosten und aktivierungspflichtigen Entwicklungskosten den IAS 38 als Vorbild zu nehmen.2004 Da mit der Aktivierung immaterieller Vermogensgegenstande hohe Ermessensspielraume verbunden sind, konnte eine verpflichtende Berichterstattung eingefiihrt werden.^oos £)er Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen" hat zu diesem Thema Vorschlage erarbeitet. Der Lagebericht soil um zusatzliche Informationen zu nicht aktivierten immateriellen Vermogensge-
2002
Vgi Arbeitskreis Immaterielle Werte im Rechnungswesen der Schmalenbach-Gesellschaft 2001, S. 994.
2003
Vgl. DRS 12, A3. Dabei sind ein selbstgeschaffener Goodwill und Forschungskosten nicht anzusetzen. Entwicklungskosten konnen unter bestimmten Voraussetzungen angesetzt werden.
2004
Vgl. IDW 2002e, S. 201. Vgl. Hierzu auch Schmidbauer 2003, S. 2038.
2005
IFRS 3 sieht vor, dass immaterielle Werte, die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworben wurden, gesondert vom GFW anzusetzen sind. Die Kriterien folgen den Vorschriften in IAS 38. IFRS 3 enthalt eine Auflistung von Beispielen von fiinf Kategorien: Marketingbezogene (z.B. Markenrechte, Internet-DomainNamen), kundenbezogene (z.B. Kundenlisten), kunstbezogene (z.B. Theaterstiicke), auf vertraglichen Beziehungen beruhende (z.B. Lizenzen, Senderechte) u n d technologiebezogene (z.B. Patente, Software) immaterielle Vermogenswerte.
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Vierter Hauptteil
genstanden erweitert werden.2006 Auch in seinen Grundsatzen fiir das ValueReporting fordert er zur Verbesserung der Kapitalmarkteffizienz durch Transparenz der Untemehmensentwicklung eine Berichterstattung iiber die oben genannten Kategorien der selbsterstellten immateriellen Vermogensgegenstande, da sie ein wichtiges zukiinftiges Erfolgspotential darstellen konnen.2007
AbschlieiSend ist zu konstatieren, dass durch den Ansatz selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande die Gefahr der Entobjektivierung durch zahlreiche Ermessensspielraume^oo^ bei Ansatz und Bewertung entsteht, was einer glaubigerschiitzenden Ausschiittung entgegensteht.2009 im Rahmen einer Reform des HGB soUte das Aktivierungsverbot beibehalten werden.2010 Die Berichterstattungspflichten im Lagebericht sind jedoch aufzugreifen, um eine Vorstellung bezuglich der Hohe der immateriellen Werte im Untemehmen zu bekommen.
4.
Realisierungschancen einer „kleinen" Reform im Rahmen der EUVorgaben
Wie in Abschnitt LB. dieses Hauptteils dargestellt, sind die Umstellungskosten auf die lAS/IFRS sowie die Folgekosten nicht zu unterschatzen. Demgegeniiber steht ein oftmals geringer Nutzenzuwachs vor allem bei mittelstandischen Untemehmen. Weiterhin ist eine sukzessive Anpassung an die lAS/IFRS mit der voUigen Umstellung des gesellschafts- und steuerrechtli-
Vgl. Arbeitskreis Immaterielle Werte im Rechnungswesen der Schmalenbach-Gesellschaft 2003, S. 1233-1237. Vgl. Arbeitskreis Exteme Untemehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft 2002b, S. 2339. Es sind sowohl quantitative als auch qualitative Aussagen zulassig, da es im Einzelfall zu erheblichen Quantifizieningsproblemen kommen kann. Zu weiteren Vorschlagen der Erfassung immaterieller Werte in der externen Berichterstattung vgl. Dawo/Heiden 2001, S. 1716-1224. Vgl. Abschn. II.C.2.b)2) des zweiten Hauptteils. Vgl. Hoffmann 2005, Tz. 31 und 45-48 zu § 13. Vgl. Arbeitskreis Exteme Rechnungslegung der Schmalenbach-Gesellschaft 2003a, S. 1588; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1137.
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463
chen Systems verbunden. Dies zieht jedoch - wie in den letzten Hauptteilen erortert - zumindest im Bereich des Glaubigerschutzes keine wesentlichen Verbesserungen nach sich und bedingt im Rahmen einer langen Ubergangsphase die Aufgabe der gesicherten Erkenntnisse der GoB-Bestimmung und Rechtsprechung, was mit Rechtsunsicherheit verbunden ist. Daher ist vor allem aus Sicht mittelstandischer Untemehmen ein alternatives Zukunftskonzept zu bevorzugen. Dessen Ausgestaltungen im Hinblick auf die im Mafinahmenkatalog geforderte Einschrankung von Wahlrechten sowie die Annaherung von Handels- und Steuerbilanz unter Beachtung von Glaubigerschutzaspekten und den GoB wurden in den letzten Kapiteln diskutiert. Dieses Modell der „kleinen" Reform des HGB ermoglicht alien Untemehmen, nach lAS/IFRS Rechnung zu legen, wobei nicht die Notwendigkeit der langfristigen voUstandigen Neuordnung des Gesellschafts- und Steuerrechts besteht, sondem eine moderate Anpassung der Handels- und Steuerbilanz unter Glaubigerschutzaspekten erfolgen kann. Diese Alternative ist vor allem fiir KMU zu begriifien. In der vorliegenden Arbeit wurde die Darstellung der Reformen auf die Wahlrechte beschrankt, allerdings sind zusatzlich weitere MaCnahmen erforderlich, vor allem die Relativierung der zahlreichen Durchbrechungen des Mafigeblichkeitsprinzips. Es hat eine Zusammenarbeit von Finanz-, Justiz-, und Wirtschaftsministerium zu erfolgen.2011 Mit dem BilReG erfolgte die teilweise Umsetzung der Richtlinienvorgaben in deutsches Recht. Dabei wurde deutlich, dass die Bundesregierung bisher den Weg dieser „kleinen" Reform beschreitet, da sie den lAS/IFRS-Abschluss fiir alle Untemehmen - bis auf borsennotierte Konzem-Muttergesellschaften, die iiber die EU-Verordnung verpflichtet sind - zur Wahl stellt. Die Transformation der eine Abkehr vom bisherigen System bedingenden Regelungen der Fair Value- und Modernisierungsrichtlinie (wie z.B. die Fair Value-Bewertung) steht noch aus. Bisher wurden lediglich Anhang- und Lageberichtangaben umgesetzt. Die Verwirklichung der „kleinen Reform" ist jedoch abhangig von der weiteren Vorgehensweise der EU. Im April 2001 legte die Federation des Experts Comptables Europeens (FEE) in einem Diskussionspapier vier Alternativen Vgl. Arbeitskreis Exteme Rechnungslegung der Schmalenbach-Gesellsclmft 2003a, S. 1588.
464
Vierter Hauptteil
zur Anderung der Richtlinien vor.2012 Nach dem von der FEE favorisierten Scoping out Approach soUen samtliche Gesellschaften von der Anwendung der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie ausgenommen werden, wenn sie einen Abschluss nach den lAS/IFRS erstellen. Der High Level Ansatz besagt, dass fiir die lAS/IFRS-Anwender nur diejenigen Vorgaben der Richtlinien gelten soUen, fiir die es keine entsprechende lAS/IFRS-Regelung gibt.^o^"^ Weitere Vorschlage sind die Umgestaltung der Richtlinien zu Rahmenregelungen und die voUstandige Modernisierung mit einer Anpassung der Einzelregelungen an die IAS/IFRS.2014 Zu befiirworten ist der Scoping out Approach, wonach alle Gesellschaften, die die lAS/IFRS anwenden, von der Anwendung der Richtlinien befreit werden. Somit konnten sie die Anforderungen der lAS/IFRS erfiillen, ohne die Restriktionen der Richtlinien beachten zu miissen. AUerdings unterliegen sie weiterhin dem Endorsement-Prozess der Europaischen Union, der europaische lAS/IFRS hervorbringen kann, die am Kapitalmarkt evtl. keine Anerkennung finden. Die Alternative der Ubernahme von Einzelregelungen ist grundsatzlich abzulehnen, da die Richtlinien dann nicht flexibel genug im Hinblick auf spatere Anderungen sind. Aulierdem miissten die lAS/IFRS voUstandig in die Richtlinie iibernommen werden, da ansonsten standig die Gefahr der Inkompatibilitat gegeben ist. Dies bedeutet, dass die Richtlinie, sobald eine Anderung der lAS/IFRS eintritt, anzupassen ware, was unter anderem aufgrund des langwierigen Anderungsprozesses inakzeptabel ist. Die EU-Kommission sieht jedoch eine Anpassung an die lAS/IFRS durch die Vorgabe von Rahmengrundsatzen und Einzelregelungen vor, wie die Modernisierungs- und Fair Value-Richtlinie belegen.^ois Die im „Aktionsplan: Umsetzung des Finanzmarktrahmens" festgelegte Harmonisierungsstrategie hat Vgl. FEE 2001. Eine Art High Level Approach wurde in Deutschland nach dem BilReG verwirklicht: Die Unternehmen, die pflichtgemafi nach der EU-Verordnung Rechnung legen, miissen zusatzliche Gesetzesvorschriften beachten, die nicht in den lAS/IFRS geregelt sind, z.B. Lagebericht und gesellschaftsrechtliche Vorschriften. Vgl. Abschn. I.B.2. des ersten Hauptteils. Vgl. FEE 2001; Busse von Colbe 2001a, S. 200. Vgl. Busse von Colbe 2002a, S. 1531.
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die Beseitigung aller bestehenden Konflikte mit den lAS/IFRS, die Offnung von Rechnungslegungsoptionen nach den internationalen Grundsatzen fiir Unternehmen, die nicht unter die EU-Verordnung fallen, sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen, die den kiinftigen Entwicklungen der lAS/IFRS Rechnung tragen, zum Ziel.^oi^ Damit ist zu befiirchten, dass eine vollstandige Abkehr vom Scoping Out Approach erfolgt. Diese Anpassung der Richtlinien an internationale Rechnungslegungsstandards ist nicht zu begriifien. Es geniigt, die lAS/IFRS-Anwender von der Einhaltung der nationalen Rechnungslegungsvorschriften zu Informationszwecken zu befreien. Die Schaffung von Rahmenbedingungen, die den kiinftigen Entwicklungen der internationalen Standards Rechnung tragen, hat den Nachteil der standigen Anderungen und Anpassungen. Zudem wurden Ubersetzungsprobleme festgestellt.2017 Die Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Vierten Richtlinie fallen, sind an deren Regelungen gebunden. Die beschriebene „kleine Reform" lasst sich nur dann verwirklichen, wenn die Neuregelungen der Richtlinie durch die Gewahrung von Mitgliedstaatenwahlrechten wie bisher im Rahmen der Modemisierungs- und Fair Value-Richtlinie verwirklicht werden.^o^^ ggj einer solchen Vorgehensweise hat der deutsche Gesetzgeber die Wahl, ob er die Regelung in deutsches Recht iibernimmt oder nicht, wie bisher z.B. geschehen bei der Nichtiibernahme der Neubewertung von Sachanlagevermogen oder der Aktivierung von selbsterstellten immateriellen Vermogensge-
Vgl. EU-Kommission 1999, S. 6. Es sind Rechnungslegungsgrundsatze zu schaffen, die eine internationale Akzeptanz an Kapitalmarkten aufweisen. Dadurch soil eine Verbesserung des Binnenmarktes fur Finanzdienstleistungen durch Koordinierung und Vereinheitlichung der einzelstaatlichen Bilanzierungsvorschriften stattfinden, u m vergleichbare, transparente und verlassliche Informationen innerhalb der EU bereitzustellen. Zur Problematik der lAS/IFRS im Rahmen des Endorsement vgl. Niehus 2005, S. I. Zu differierenden Begriffsdefinitionen im Rahmen der Fair Value-Richtinie vgl. Winkler 2004, S. 477-482. „Die Anderungen der 4. EG-Richtlinie durch die Fair-Value Richtlinie und die Modernisierungsrichtlinie notigen den deutschen Gesetzgeber nicht, den Einzelabschluss nach HGB den lAS/IFRS anzupassen." Schulze-Osterloh 2004b, S. 2568.
466
Vierter Hauptteil
genstanden.2019 Durch die Aufnahme von lAS/IFRS-Regelungen und gleichzeitiger Beibehaltung glaubigerschutzorientierter Aspekte erfolgt eine noch weitergehendere Abweichung vom Ziel der Harmonisierung der europaischen Rechnungslegung.2020 £§ ist fraglich, ob die Richtlinien langfristig beiden Rechnungslegungssystemen gerecht werden konnen. Dies ist bisher durch den Kompromisscharakter zwar der Fall, durch die vermehrte Ubernahme der lAS/IFRS nimmt der Anteil der anglo-amerikanischen Regelungen jedoch zu. Es wird zum Teil davon ausgegangen, dass die Wahlrechte nur iibergangsweise eingeraumt werden.2021 Zudem ist festzustellen, dass die Kommission bisher nicht konsequent das Ziel der lAS/IFRS-Anpassung verfolgt.2022 Es bestehen weiterhin einige mit den lAS/IFRS inkompatible Unternehmenswahlrechte, die umgewandelt werden miissten (z.B. Disagio, Einbeziehung weiterer Pflicht-Bestandteile in die Her-
Vgl. Bieker/Schmidt 2002, S. 218. Dies wurde auch bisher durch die Gewahrung zahlreicher Wahlrechte nicht erreicht. Vgl. Abschn. I.C.2.b) des ersten Hauptteils. Vgl. Bocking in Amold/Tettinger 2004, S. 184. FragUch ist auch, ob die Richtlinien vollstandig an die lAS/IFRS angepasst werden soUen, so dass die Entwicklung langfristig auf eine Abschaffung hinauslauft. Weiterhin lassen die Richtlinien Beschrankungen auf Konzeme oder bestimmte Untemehmensgruppen zu. Einerseits ist dieses Wahlrecht zu begriifien, da die lAS/IFRS zunachst nicht im Jahresabschluss anzuwenden sind. Allerdings konnen sich dann die im zweiten Hauptteil dargestellten Riickwirkungen ergeben. Durch die Ubernahme von z.B. der Fair Value-Bewertung im Jahresabschluss ergeben sich Einwirkungen iiber die Einheitstheorie oder die GoB auf den Jahresabschluss. Fraglich ist, ob diese durch die Festlegung, dass der Jahresabschluss allein der Ausschiittungsbemessung dient, verhindert werden konnen, da das HGB betroffen ist und nicht anhand von zwei verschiedenen Rechtssystemen argumentiert werden kann. In diesem Fall ist iiber eine Abkehr von der Einheitstheorie sowie ein Streichen der Verweisnormen in § 298 HGB auf die GoB des Jahresabschlusses nachzudenken. Dann miissten auch die Verweise in den Richtlinien gestrichen werden. Beziiglich der Entwicklung der GoB ist dann eine strikte Trermung zwischen Informations- und Gewinnermittlungs-GoB zu voUziehen. Allerdings soUten im Hinblick auf die langfristige Anpassung an die lAS/IFRS diese als Informations-GoB dienen, nicht die angepassten HGB-Normen, die evtl. nicht mit den lAS/IFRS iibereinstimmen. Vgl. Schulze-Osterloh 2004b, S. 2568.
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stellungskosten);2023 auch der durch die Kommission anerkannte ImpairmentOnly-Ansatz2024 widerspricht den Richtlinien.2025 Beziiglich des Ansatzes von Riickstellungen lasst die Vierte EG-Richtlinie nun die alte (Wahlrecht fiir Aufwandsriickstellungen) und die neue Regelung nach der Modernisierungsrichtlinie zu. Dies ist ein Beispiel zum Kompromisscharakter der Richtlinie. Aul^erdem treten bei der Begriffsdefinition zur Fair Value-Bewertung Unterschiede zwischen Vierter EG-Richtlinie und den lAS/IFRS auf.2026 Zudem ist die neue, erfolgsneutrale Behandlung von Available for Sale-Papieren aufgrund der Neueinfiihrung einer zusatzlichen Klasse in IAS 39 noch nicht in die Richtlinie iibernommen worden.2027
Vgl. Tabelle 22 und Tabelle 23. Vgl. Busse von Colbe 2002a, S. 1535. Es stellt sich die Frage, warum diese Regelung im Endorsement-Verfahren iibernommen wurde. Es wird jedoch explizit darauf verwiesen, dass ein den tatsachlichen Verhaltnissen der Vermogens-, Finanz- und Ertragslage entsprechendes Bild vermittelt werden muss, ohne dass eine strenge Einhaltung der einzelnen Bestimmungen erforderlich ist. Aus der Sicht der kapitalmarktorientierten Anwendung der lAS/IFRS war das Endorsement somit sinnvoU, auch wenn die Regelung nicht mit Art. 34 Abs. 1 a sowie Art. 37 der Vierten EG-Richtlinie vereinbar ist. Zu unterschiedlichen Begriffsdefinitionen vgl. Winkler 2004, S. 477-482. Wenn die Kommission die Anwendung der lAS/IFRS anstrebt, soUte sie sich auch strikt an die Vorgaben halten und keine eigenstandigen Begriffe einfiihren. Vgl. Fufinote 1792.
Schlussbetrachtung
469
Schlussbetrachtung Ausgelost durch die Harmonisierungsbestrebungen der Europaischen Union im Bereich der Internationalisierung der Rechnungslegung sind auf nationaler Ebene Riickwirkungen auf den Jahresabschluss und die Steuerbilanz zu erwarten. Durch das BilReG erfolgte eine zum Teil partielle Ubernahme der Vorgaben der Modemisierungs- und der Fair Value-Richtlinie sowie der Wahlrechte der EU-Verordnung. Kapitalmarktorientierte Konzern-Mutterunternehmen miissen einen konsolidierten Abschluss nach den lAS/IFRS, bei Inanspruchnahme der NYSE einen nach US-GAAP, weiterhin eine Handelsbilanz sowie eine Steuerbilanz und interne Rechnungen erstellen. Dieses Nebeneinander von Rechnungslegungssystemen verursacht erhebhche Kosten, so dass viele dieser Untemehmen oftmals die Aufstellung lediglich eines lAS/IFRS-Abschlusses fordem. Hierbei sind jedoch Auswirkungen auf den Mittelstand zu bedenken, der eine herausragende Bedeutung fiir die deutsche Wirtschaft besitzt. Fiir diese Unternehmen ist eine Umstellung auf die lAS/IFRS groiitenteils mit hohen Kosten verbunden, denen kein adaquater Nutzen gegeniibersteht. Vor diesem Hintergrund war es Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, eine wissenschaftliche Diskussion liber die Auswirkungen der lAS/IFRS auf die deutsche Rechnungslegung im Jahresabschluss und in der Steuerbilanz zu fiihren. Es wurde gezeigt, dass zahlreiche Riickwirkungen aus der Internationalisierung zu erwarten sind. Zudem konnte erwiesen werden, dass sich die internationalen Standards nicht uneingeschrankt zur Ausschiittungs- und Steuerbemessung eignen. Daraufhin erfolgte eine umfassende Diskussion langfristiger Alternativen zum Glaubigerschutz und zur steuerlichen Gewinnermittlung, wie sie in der globalen, ganzheitlichen und zusammenfiihrenden Betrachtung im Schrifttum noch nicht vorgenommen wurde. Dariiber hinaus wurden zwei Modelle konzipiert, die unter differierenden Pramissen die kurz-, mittel- und langfristige Zukunft der deutschen Rechnungslegung unter Beriicksichtigung der steuerlichen und europaischen Restriktionen aufzeigen. Die erste Alternative folgt der Annahme einer sukzessiven, voUstandigen Anpassung an die internationalen Rechnungslegungsstandards, die ohne Eingriff des Gesetzgebers langfristig aufgrund der Riickwirkungen in das deutsche System zu erwarten ist. Das zweite Modell sieht eine moderate Reform des HGB unter Beriicksichtigung der Belange des Mittelstandes mit der Zielset-
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Schlussbetrachtung
zung der Annaherung von Handels- und Steuerbilanz unter Beibehaltung des institutionellen Glaubigerschutzes vor. Die vorliegende Arbeit gibt zudem einen aktuellen Uberblick iiber den Entwicklungsstand (zum 01.08.2005) der Intemationalisierung von Rechnungslegungsvorschriften auf intemationaler, europaischer und deutscher Ebene. Zu Beginn des ersten Hauptteils wurden zunachst als Grundlage fiir die darauffolgende Diskussion die Standards des lASB sowie die Harmonisierungsbestrebungen der EU-Kommission dargelegt. Es ist festzustellen, dass die Forderung nach Angleichung der Rechnungslegung in Europa im Rahmen des Erlasses der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie wegen des Kompromisscharakters infolge der Einbeziehung der Vorstellungen aller Mitgliedstaaten zu einem Konglomerat aus kontinental-europaischem und anglo-amerikanischem Gedankengut gefiihrt hat. Im Kontext der neueren Strategie der EUKommission, die unter dem Aspekt einer verbesserten Vergleichbarkeit von Abschliissen sowie der Gewahrung entscheidungsniitzlicher Informationen zur Schaffung eines effizienten Kapitalmarktes steht, wurden die lAS/IFRS als Ausgangsgrofie gewahlt. Danach erfolgte die Verabschiedung einiger Richtlinien, z.B. der Fair Value- und der Modernisierungsrichtlinie, deren Regelungen eine Annaherung an die lAS/IFRS vorsahen. Es konnte gezeigt werden, dass die deutsche Rechnungslegung durch das BilReG die Pflichtregelungen dieser europaischen Vorgaben iibemommen hat, die Transformation der Wahlrechte steht noch aus. Weiterhin wurde dargelegt, dass der Mittelstand eine signifikante RoUe in der deutschen Wirtschaft einnimmt und fiir ihn der Jahresabschluss und vor allem die steuerliche Gewinnermittlung eine groCe Bedeutung haben. Darauf aufbauend wurden im ersten Kapitel des zweiten Hauptteils zunachst die moglichen Einwirkungen der lAS/IFRS auf den deutschen Jahresabschluss eingehend erortert. Zunachst konnten Riickwirkungen aus der pflichtgemafien Anwendung der internationalen Standards im Konzemabschluss borsennotierter Mutterunternehmen aufgezeigt werden: Aufgrund der gesetzlichen Einheitstheorie, die eine uneinheitliche Anwendung von Rechnungslegungsstandards im Konzemabschluss und in den Jahresabschliissen grundsatzlich ausschliefit, spiegeln sich diese auch auf Jahresabschlussebene wider. Weiterhin sind faktische Riickwirkungen beziiglich der einheitlichen Ausiibung von Wahlrechten und Ermessensspielraumen im Konzern sowie der damit verbundenen Kosten- und Arbeitsersparnis bei der Unternehmenskommunikati-
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on zu konstatieren. Aufierdem wurden Einfliisse auf die GoB des Jahresabschlusses festgestellt, die mittel- bis langfristig iiber eine Modifizierung der Konzem-GoB stattfinden. Im Anschluss daran erfolgte unter der Pramisse einer langfristigen Anwendung der lAS/IFRS im Jahresabschluss eine Analyse der Auswirkungen auf den Glaubigerschutz. Das bisherige Kapitalschutzsystem ist durch ein Zusammenspiel von bilanziellem und gesellschaftsrechtlichem Glaubigerschutz gekennzeichnet. Die lAS/IFRS gewahren durch die umfangreichen Publizitatspflichten lediglich einen informatorischen Glaubigerschutz. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die lAS/IFRS sich nicht uneingeschrankt zur Erfiillung der deutschen Kapitalerhaltung eignen, da zum Teil Vermogensgegenstande ohne selbstandige Verwertbarkeit ausgewiesen werden, bei ausgewahlten Bilanzposten zahlreiche Ermessensspielraume und vor allem implizite Wahlrechte bestehen sowie die Moglichkeit zur Ausschiittung unrealisierter Gewinne, wie z.B. im Rahmen der Langfristfertigung oder der Bewertung von Financial Instruments at Fair Value through Profit or Loss, gegeben ist. Aufgrund dieser Ungeeignetheit der lAS/IFRS zur Erfiillung des institutionellen Glaubigerschutzes ist eine Modifizierung der Kapitalerhaltungsregelungen erforderlich. Im Rahmen dieser Diskussion wurden die bisherigen Kritikpunkte am deutschen Glaubigerschutz - die hauptsachlich in der Bildung und vor allem in der Auflosung von stillen Reserven aufgrund von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten und Ermessensspielraumen liegen - aufgegriffen. Weiterhin hat die EU-Kommission in ihrem „ Aktionsplan zur Modemisierung des Gesellschaftsrechts und zur Verbesserung der Corporate Governance" vom 21.05.2003 den Solvenztest als langfristiges Mittel des Glaubigerschutzes zur Diskussion gestellt. Zudem geraten deutsche Gesellschaftsformen durch die jiingsten EuGH-Urteile zur Niederlassungsfreiheit (Centros, Uberseering, Inspire Art) zunehmend in den Wettbewerb mit denen anderer europaischer Staaten. Einen wesentlichen, den Glaubigerschutz betreffenden Aspekt stellt die weniger strenge Festlegung des Mindestkapitals in anderen Staaten, z.B. in Grofibritannien, dar. Der deutsche Gesetzgeber legte daraufhin den Entwurf eines Mindestkapitalgesetzes vor (Regierungsentwurf vom 01.06.2005). Dieses sieht eine Herabsetzung des Mindeststammkapitals von 25.000 € auf 10.000 € bei der GmbH vor. Ausgelost durch diese Reformmafinahmen sowie die Internationalisierungstendenzen wurden in der vorliegenden Arbeit Alternativen zum derzeitigen Glaubigerschutzsystem diskutiert.
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Hierzu lassen sich die Moglichkeiten der voUstandigen Trennung von Bilanzierung und Glaubigerschutz sowie die Anpassung der bestehenden Glaubigerschutzbestimmungen anfuhren. Das US-amerikanische System wird oftmals als Vorbild fiir die Gestaltung des kiinftigen deutschen Glaubigerschutzes genannt. Es basiert auf verschiedenen Saulen: den Solvenztests, den Covenants, der starkeren Bedeutung der Durchgriffshaftung sowie dem Insolvenzrecht. Ob deren Zusammenspiel einen dem deutschen Recht gleichartigen Schutz gewahrt, ist jedoch aufgrund der in Abschnitt III.D.2. des zweiten Hauptteils dargelegten Gesichtpunkte zu bezweifeln. Nicht ohne Grund sehen Covenants dem Vorsichtsprinzip angenaherte Rechnungslegungsregelungen vor. Der von der EU-Kommission vorgeschlagene Ubergang auf einen Solvenztest bedingt eine Neuordnung des deutschen und europaischen Rechtssystems. Zunachst ist eine zuverlassige Methode zur Durchfiihrung eines solchen Tests erforderlich. Dabei sind die Ermessenspielraume, die beim amerikanischen Solvency Test festgestellt wurden, zu vermeiden. Die EUKommission schlagt einen Bilanz- sowie einen Liquiditatsvergleich vor. Da diese als zu statisch angesehen werden, konnen als Anregungen die Priifungshandlungen nach IDW PS 270 (Angemessenheit der Going ConcernPramisse) und IDW PS 800 (Priifung der drohenden Zahlungsunfahigkeit) sowie Modifizierungen bereits bestehender Ratingverfahren aufgenommen werden. Neben einer voUstandigen Trennung von Bilanzierung und Glaubigerschutz besteht die Moglichkeit, an den bisherigen Bestimmungen festzuhalten. Uberleitungsrechnungen konnten im Zusammenspiel mit Ausschiittungssperren das lAS/IFRS-Ergebnis auf ein ausschiittungsfahiges Ergebnis transformieren. Vorteilhaft bei dieser Alternative ist die Erstellung nur eines internationalen Abschlusses, der dann fiir Ausschiittungs- und Steuerbemessungszwecke modifiziert wird. AUerdings sind hierbei zunachst samtliche bestehenden sowie kiinftigen lAS/IFRS vom Gesetzgeber auf ihre Ausschiittungsfahigkeit zu analysieren, um fiir inkompatible Regelungen, wie z.B. aktivierte Entwicklungskosten oder erfolgswirksame Zuschreibungen bei Wertpapieren der Kategorie Fair Value through Profit or Loss, Ausschiittungssperren zu setzen. Auch das Eigenkapital miisste um bestimmte Posten bereinigt werden, wie z.B. die erfolgsneutrale Werterhohung iiber die Anschaffungskosten hinaus von Available for Sale-Wertpapieren, um auf eine fiir gesellschaftsrechtliche Zwecke verwendbare GroEe zu gelangen. Zudem ist eine zeitnahe Reaktion auf Nor-
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menanderungen der lAS/IFRS erforderlich, was aufgrund der dynamischen Entwicklung der Standards hochst aufwendig und unpraktikabel ist. Femer sind fiir die Bemessung der Uberleitungsposten fortlaufende Nebenrechnungen zu fiihren, so dass die Erstellung einer voUstandigen Ausschiittungsbilanz oftmals mit nicht viel mehr Aufwand verbunden sein wird. Als Alternative zur Uberleitungsrechnung wurde die vom lASB und FASB angestrebte Neuregelung des Comprehensive Income diskutiert, welches eine ganzheitliche Darstellung aller Eigenkapitalveranderungen - mit Ausnahme jener, die auf Transaktionen mit den Eigentiimern beruhen - vornehmen soil. Dabei erfolgt in einer Matrix der getrennte Ausweis von (fortgefiihrten) Buchwerten und Wertanpassungen, um einen effizienten Einblick in die Nachhaltigkeit des Unternehmenserfolges zu gewahren. Im Rahmen einer tJbernahme der lAS/IFRS in den deutschen Jahresabschluss kann diese Rechnung um eine Spalte „ Distributable Income" erweitert werden, die auf ausschiittungsfahige Grofien iiberleitet. Abgesehen von der unsicheren Verabschiedung des Projektes bestehen bei dieser Alternative noch zahlreiche offene Definitions- und Abgrenzungsprobleme; aulierdem ist nicht gesichert, dass alle unrealisierten Bestandteile ausgewiesen werden. Daher ist sie nicht zu empfehlen. Weiterhin wurde dargestellt, dass die alleinige Anderung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, z.B. die verpflichtende Einfiihrung einer gesetzlichen Riicklage fiir die GmbH oder die Vorverlagerung der Verlustanzeigepflichten gemafi § 49 Abs. 3 GmbHG bzw. § 92 Abs. 1 AktG, nicht zur Erlangung eines effektiven Glaubigerschutzes ausreicht. Eine Ankniipfung der Ausschlittung an die Steuerbilanz als weitere Alternative bewirkt zwar eine Abkopplung von den lAS/IFRS, allerdings wird hierbei die umgekehrte Maligeblichkeit zum Grundkonzept erhoben, was aufgrund der Einwirkung fiskalischer Belange in die handelsrechtliche Gewinnausschiittung nicht zu begriilien ist. In Anbetracht der dargestellten Alternativen wurde erwiesen, dass das deutsche System des Glaubigerschutzes - trotz der oben genannten Kritik - nicht vorschnell aufgegeben werden soUte. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die lAS/IFRS materiell nicht uneingeschrankt zur Steuerbemessung herangezogen werden soUten, da vor allem das Problem der Besteuerung unrealisierter Gewinne besteht. Aufierdem sind Verstofie gegen das Verfassungsrecht festzustellen. Im Rahmen der Reformvorschlage zur steuerlichen Gewinnermittlung wurden Alternativen unter Beibe-
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haltung und Abschaffung des Mafigeblichkeitsprinzips diskutiert: Denkbar ist eine eingeschrankte Ubemahme der lAS/IFRS in die Steuerbilanz; sie erfordert jedoch die Priifung aller bestehenden und kiinftigen Standards auf Kompatibilitat mit den steuerlichen Grundsatzen. Aufgrund der dynamischen Entwicklung der lAS/IFRS besteht ein standiger Anpassungsbedarf; dieses Vorgehen lost einen erheblichen Verwaltungsaufwand fiir Untemehmen und Fiskus aus. Die Moglichkeit der Aufnahme von grundsatzlichen Rahmenbedingungen im EStG, die solche Regelungen, die nicht mit den lAS/IFRS kompatibel sind, ausschliefien, ist mit Ermessensspielraumen verbunden und somit nicht zu empfehlen. Bei der Aufgabe des Mafigeblichkeitsprinzips muss zunachst eine Wertentscheidung dariiber getroffen werden, ob eine konsumorientierte Besteuerung einzufiihren ist oder die einkommensorientierte Besteuerung beibehalten werden soUte. Das konsumorientierte System der Cashflow-Steuer wurde in der Arbeit abgelehnt, da es mit einer hochst volatilen Bemessungsgrundlage verbunden ist, die zu einem stark schwankenden Steueraufwand fiir die Untemehmen sowie einem unsicheren Steueraufkommen seitens des Fiskus fiihrt. Weiterhin haben die Steuerpflichtigen verstarkt die Moglichkeit, durch Vor- und Nachverlagerungen der Ein- und Auszahlungszeitpunkte die Steuerzahlungen zu beeinflussen. Dies erfordert Gesetzesbestimmungen zur Einengung der Spielraume. Zudem ist eine sofortige Verlustverrechnung zu fordem, die im bisherigen System nicht gegeben ist. Eine zinskorrigierte Steuer bietet sich nicht an, da sie lediglich unter theoretischen Modellbedingungen anwendbar ist, die in der Realitat nicht erfiillbar sind, wie z.B. ein sich im Gleichgewicht befindlicher Kapitalmarkt und die strenge Identitat von Soil- und Habenverzinsung. Die iibergreifende Einfiihrung einer Einnahme-Uberschussrechnung als einkommensbasiertes System ist unter Vereinfachungsgesichtspunkten positiv zu beurteilen, allerdings beinhaltet sie - wie die Cashflow-Rechnung - zahlreiche Moglichkeiten der Zahlungsverlagerung. Zudem ist die Vorteilhaftigkeit in Grofiuntemehmen und Konzernen fraglich, Eine modifizierte EinnahmeUberschussrechnung, die durch eine zusatzliche Aufnahme von Periodisierungen die Volatilitat der Bemessungsgrundlage verhindern soil, konterkariert den Vereinfachungsaspekt und nimmt zusatzlich Probleme der Bestandsrechnung, wie z.B. Bewertungs- und Periodisierungsprobleme, auf.
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Eine eigenstandige Steuerbilanz stellt die beste Alternative zur Reformierung der steuerlichen Gewinnermittlung dar. Sie soUte auf den tradierten, in Abschnitt II.A. des dritten Hauptteils dargestellten verfassungsrechtlichen Prinzipien basieren. Bei Abschaffung der Mafigeblichkeit miisste allerdings ein Kembestand an steuerlichen Regelungen im EStG kodifiziert werden. Diese wiirden sich grofitenteils nur unbedeutend von den bisherigen handelsrechtlichen Grundsatzen unterscheiden. Das Realisations- und das Imparitatsprinzip sind beizubehalten, denn der Ausweis unrealisierter Gewinne im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung ist nicht zulassig, die Antizipation kiinftiger Verluste und Unsicherheiten ist weiterhin vorzunehmen. Zudem soUten subventionelle Steuervergiinstigungen aus Griinden der Vermeidung der Verfalschung der Leistungsfahigkeit sowie der Praktikabilitat und der Erhohung der Effizienz der staatlichen Forderpolitik aus dem EStG ausgelagert und z.B. in Gestalt von Tarifermafiigungen gewahrt werden. Konsequenz aus der Ubernahme der lAS/IFRS in die handelsrechtliche Gewinnermittlung ist das Abschaffen der umgekehrten Mafigeblichkeit, da die Ubernahme steuerlicher Werte in den lAS/IFRS-Abschluss dem Informationsziel der internationalen Standards widerspricht. Der Ubergang auf die lAS/IFRS - verbunden mit den dargestellten Alternativen zum derzeitigen Glaubigerschutz und der eigenstandigen Steuerbilanz kann aufgrund der bestehenden Verflechtungen zwischen Handelsbilanz und Gesellschaftsrecht sowie des Mafigeblichkeitsprinzips nicht kurzfristig erfolgen. Daher wurde im vierten Hauptteil ein Modell der sukzessiven Anpassung an die lAS/lFRS vorgestellt. Dies beinhaltet eine Annaherung der Rechnungslegungssysteme durch Streichen handelsrechtlicher Wahlrechte. Allerdings wurden bei einigen Wahlrechten Verstofie gegen die Vierte EGRichtlinie (z.B. verstoEt die Einfiihrung einer Aktivierungspflicht des Disagios gegen das Unternehmenswahlrecht der Vierten EG-Richtlinie) sowie Auswirkungen auf die steuerliche Gewinnermittlung (z.B. beim Streichen des LiFoVerfahrens) festgestellt. Zur weiteren Anpassung an die lAS/IFRS konnen Mitgliedstaatenwahlrechte der Vierten EG-Richtlinie vom deutschen Gesetzgeber neu ausgeiibt werden, z.B. das Wahlrecht zur Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermogensgegenstande. Danach sind Anderungen der Vierten EG-Richtlinie erforderlich. Die langfristige Anpassung an die lAS/IFRS bedingt unter anderem eine Abschwachung des Vorsichtsprinzips sowie die Einfiihrung internationaler Wertkategorien, wie z.B. Assets oder Liabilities.
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Da der Aufwand einer Umstellung vor allem fiir KMU oftmals unverhaltnisma6ig hoch ist, wird die Schaffung von vereinfachten lAS/IFRS gefordert. Das IASB hat im Juni 2004 ein Diskussionspapier sowie im April 2005 einen Fragebogen zu deren Ausgestaltung herausgegeben. Um die Zielsetzung der Kosten- und Arbeitserspamis fiir KMU zu erfiillen, sollte ein eigenstandiges Rahmenkonzept geschaffen und neben Ausweis- und Publizitatserleichterungen auch Bilanzierungs- und Bewertungsanderungen realisiert werden. Zum einen ist als wichtigstes Ziel die Vereinfachung der Standards zur Arbeits- und Kostenerspamis zu nennen; das lASB legt jedoch auch verstarkt Wert auf eine Vergleichbarkeit der vereinfachten mit den voUstandigen Standards sowie auf einen leichteren Obergang. In Abschnitt I.C. des vierten Hauptteils wurde die Ausgestaltung von speziellen lAS/IFRS fiir KMU diskutiert. Zu Beginn der vorliegenden Arbeit im Jahr 2001 herrschte grofitenteils die Auffassung, dass nach Jahrzehnten der „Verkrustung des extemen Rechnungswesens"2028 gine Aussicht auf Neuerung positiv sein miisse. AUerdings konnte anhand von ausgewahlten Beispielen belegt werden, dass die lAS/IFRS vor allem beziiglich der verlasslichen Informationsgewahrung kein optimales Rechnungslegungssystem darstellen: Sie beinhalten eine Fiille von zum Teil uniibersichtlichen, komplizierten und nicht eindeutigen Regelungen sowie zahlreiche bilanzpolitische Gestaltungsmoglichkeiten, die anhand ausgewahlter Falle in Abschnitt III.C.2 des zweiten Hauptteils dargestellt wurden, z.B. ist die Bestimmung von Zeitwerten sowie der Begriff der Wahrscheinlichkeit des kiinftigen Nutzens bei der Asset-Definition mit zahlreichen Unsicherheiten verbunden; bilanzpolitische Spielraume liegen, z.B. bei der Ermittlung der Auftragskosten und -erlose sowie des Fertigstellungsgrades bei der Langfristfertigung oder im Rahmen des Impairment Tests bei der GoodwillAbschreibung vor. Zudem ist die hohe Veranderungsdynamik zu kritisieren, die keine Rechtssicherheit gewahrleistet. Ein flachendeckender Ubergang auf die lAS/IFRS „wiirde dem Mittelstand ein Informationsinstrument bescheren, das trotz des fiir ihn unverhaltnismafiig hohen Aufwandes nicht auf seine Bediirfnisse palit"2029. Unter Beriicksich-
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Schildbach 2002a, S. 276.
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Schildbach 2002a, S. 276.
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tigung der Belange von KMU ist eine „kleine Reform" des Handels- und Steuerbilanzrechts anzustreben. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgte eine Konzentration auf die im Mafinahmenkatalog der Bundesregierung geforderte Abschaffung von Wahlrechten unter der Zielsetzung einer Annaherung von Handelsund Steuerbilanz unter Glaubigerschutzgesichtspunkten. Es wurde begriindet, dass die oftmals geforderte voUstandige Riickkehr zur Einheitsbilanz nicht realistisch ist. Die Handelsbilanz stellt eine Einrichtung des Wirtschaftsrechts dar, die ein rechnerisches Hilfsmittel der Untemehmensfiihrung zur Bemessung der Anspriiche an die Gesellschafter sowie der Publizitat ist. Die Steuerbilanz basiert auf den finanzpolitischen Grundsatzen des Staatshaushaltes. Sie wird durch fiskalische Belange gepragt, die nicht in die Handelsbilanz eingehen soUten. AUerdings ist aus Vereinfachungsgrxinden eine Annaherung der Rechenwerke zu begriifien. Die Diskussion der handelsrechtlichen Wahlrechte stellt lediglich einen Teilbereich der Reform dar, der unter dem Aspekt der Bilanzrechtsmodernisierung zeitnah aufgegriffen werden kann. Es wurde herausgestellt, dass unter oben genannten Pramissen eine Abschaffung des Aktivierungswahlrechtes fiir Ingangsetzungsaufwendungen, des Sonderpostens mit Riicklageanteil im Rahmen der Aufgabe der umgekehrten Mafigeblichkeit, die Streichung von Aufwandsriickstellungen im engeren Sinne sowie des erweiterten Niederstwertprinzips und der Abschreibungen aufgrund verniinftiger kaufmannischer Beurteilung kurzfristig moglich ist. Jedoch nicht nur das Handelsgesetzbuch miisste reformiert werden sondem auch das Steuerbilanzrecht. Hierbei konnte gezeigt werden, dass es fiir die Erfiillung der steuerlichen und handelsrechtlichen Ziele vorteilhaft ist, wenn die umgekehrte Mafigeblichkeit fallt und das Subventionsrecht aus dem EStG ausgelagert wird. AUerdings ist diese „kleine Reform" abhangig von den EU-Vorgaben, hauptsachlich den Richtlinien, die eine Setzung von Rahmenbedingungen zur Anpassung an die lAS/IFRS verfolgen. Solange Mitgliedstaatenwahlrechte gewahrt werden, ist eine Verwirklichung der „kleinen Reform" moglich. Zum Pflicht-Anwendungsbereich der lAS/IFRS im Rahmen dieser zweiten Alternative soUten langfristig alle Konzerne und kapitalmarktorientierten Untemehmen gehoren. Das Wahlrecht fiir die restlichen Gesellschaften zur Offenlegung eines informatorischen lAS/IFRS-Abschlusses, wie es schon durch das BilReG verwirklicht wurde, ist beizubehalten. Die Ausschiittungs- und Steuerbemessung wiirde dann auf einem reformierten HGB bzw. der modifizierten, angenaherten Steuerbilanz basieren. In diesem Zusammenhang ist
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Schlussbetrachtung
iiber ein Enforcement auch der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen nachzudenken. AUerdings soUte zunachst die Wirkungsweise und Akzeptanz des bisherigen Systems gepriift werden. Kosten- und organisationstechnische Griinde sprechen zur Zeit gegen eine Erweiterung des bisherigen Anwendungsbereiches. Als Ausblick ist festzustellen, dass sich der dynamische Entwicklungsprozess der lAS/IFRS fortsetzen wird. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Zusammenarbeit zwischen lASB und FASB eine Annaherung der lAS/IFRS an die US-GAAP bewirkt. In diesem Zusammenhang hat die EU-Kommission zum einen den Endorsement-Prozess unter Vermeidung der Entstehung europaischer lAS/IFRS zeitnah voranzutreiben, zum anderen ist es ihr Ziel, in den Richtlinien Rahmenbedingungen zur Annaherung an die lAS/IFRS so zu setzen, dass diese der dynamischen Entwicklung standhalten. Dabei ist jedoch der in vielen Staaten an das Bilanzrecht gekoppelte Glaubigerschutz zu beriicksichtigen. Solange Mitgliedstaatenwahlrechte gewahrt werden, ist die Verwirkhchung der „kleinen" Reform moglich. Wichtig ist die verstarkte Kommunikation zwischen den Standardsettem, der EU-Kommission sowie den nationalen Gesetzgebem. Eine entscheidende Bedeutung im Rahmen der Fortentwicklung der Richtlinien werden die Ergebnisse der Umfrage zur Einfiihrung eines Solvency Tests haben. Sollte eine sukzessive Anpassung an die lAS/IFRS erfolgen, bietet die Entwicklung und detaillierte Ausgestaltung der altemativen Systeme zum Glaubigerschutz und der Steuerbemessung weiteren Forschungsbedarf.
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Rechtsprechung
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EuGH-Beschluss vom 10.07.1997 - Rs. C-234/94, in: BB 52 (1997), S. 1577 f. EuGH-Beschluss vom 23.09.2004 - verb. Rs. C-435/02 und C-103/03, in: BB 59 (2004), S. 2456-2461. EuGH-Urteil vom 27.06.1996 RS. C-234/94 (Tomberger), in: DB 49 (1996), S. 1400 f. EuGH-Urteil vom 17.07.1997 - Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), in: DB 50 (1997), S. 1851-1855. EuGH-Urteil vom 09.03.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), in: DB 52 (1999), S. 625627. EuGH-Urteil vom 14.09.1999 - Rs. C-275/97 (DE + ES) (Antwort auf FG Koln), in: DStR 37 (1999), S. 1645-1648. EuGH-Urteil vom 05.11.2002 - Rs. C-208/00 (Uberseering), in: BB 57 (2002), S. 2402-24071 EuGH-Urteil vom 07.01.2003 - RS C-306/99 (BIAO), in: DB 56 (2003), S. 181186. EuGH-Urteil vom 30.09.2003 - Rs. C-167/01 (Inspire Art), in: DB 56 (2003), S. 219-2222.
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Richtlinie 2004/109/EG: Richtlinie 2004/109/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen iiber Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Anderung der Richtlinie 2001/34/EG, in: Amtsblatt der Europaischen Union Nr. L 390 vom 31.12.2004, S. 38-57.
Siebente EG-Richtlinie 83/349/EWG: Siebente EG-Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages iiber den konsolidierten Abschluss, in: Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften Nr. 193 vom 18.07.1983, S. 1-17.
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EU-Verordnungen, EU-Richtlinien, Mitteilungen
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Verordnung (EG) Nr. 2086/2004: Verordnung (EG) Nr. 2086/2004 der Kommission vom 19.11.2004 zur Anderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Ubernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Ubereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europaischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Einfiihrung von IAS 39, in: Amtsblatt der Europaischen Union Nr. L 363 vom 09.12.2004, S. 1-65. Verordnung (EG) Nr. 2236/2004: Verordnung (EG) Nr. 2236/2004 der Kommission vom 29.12.2004 zur Anderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Ubernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Ubereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europaischen Parlaments und des Rates betreffend International Financial Reporting Standards (IFRS) Nr. 1, 3 bis 5, International Accounting Standards (IAS) Nr. 1,10,12,14,16 bis 19, 22, 27, 28, 31 bis 41 und die Interpretationen des Standard Interpretation Committee (SIC) Nr. 9, 22, 28 und 32, in: Amtsblatt der Europaischen Union Nr. L 392 vom 31.12.2004, S. 1-145. Verordnung (EG) Nr. 2237/2004: Verordnung (EG) Nr. 2237/2004 der Kommission vom 29.12.2004 zur Anderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Ubernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Ubereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europaischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf IAS 32 und IFRIC 1, in: Amtsblatt der Europaischen Union Nr. L 393 vom 31.12.2004, S. 1-41. Verordnung (EG) Nr. 2238/2004: Verordnung (EG) Nr. 2238/2004 der Kommission vom 29.12.2004 zur Anderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Ubernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Ubereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europaischen Parlaments und des Rates betreffend IFRS 1 und IAS Nrn. 1 bis 10,12 bis 17,19 bis 24, 27 bis 38, 40 und 41 und SIC Nrn. 1 bis 7,11 bis 14,18 bis 27 und 30 bis 33, in: Amtsblatt der Europaischen Union Nr. L 394 vom 31.12.2004, S. 1-175.
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EU-Verordnungen, EU-Richtlinien, Mitteilungen
Verordnung (EG) 211/2005: Verordnung (EG) 211/2005 der Kommission vom 04.02.2005 zur Anderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Ubemahme bestimmter intemationaler Rechnungslegungsstandards in Ubereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europaischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den International Financial Reporting Standard (IFRS) Nr. 1 und 2 und die International Accounting standards (IAS) Nr. 12,16,19, 32, 33, 38 und 39, in: Amtsblatt der Europaischen Union Nr. L 41 vom 11. 02. 2005, S. 1-27. Vorschlag fur eine Richtlinie KOM (2004) 725 endg.: EU-Kommission (Hrsg.): Vorschlag fiir eine Richtlinie des Europaischen Parlaments und des Rates zur Abanderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG hinsichtlich der Jahresabschliisse bestimmter Arten von Untemehmen und konsolidierter Abschliisse (KOM 2004 725 endgiiltig) vom 27.10.2004, abrufbar unter: http://europa.eu.int/comm/internal_market/accounting/board/index_de.htm#dirproposal (25.01.2005), S. 1-14 Vierte EG-Richtlinie 78/660/EWG: Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrags iiber den Jahresabschluli von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, in: Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften Nr. 222 vom 14.08.1978, S.11-31.
Zweite EG-Richtlinie 77/91/EWG: Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter fiir die Griindung der Aktiengesellschaft sowie fiir die Erhaltung und Anderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, in: Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften Nr. L 26 vom 31.01.1977, S. 1-13.
Sonstige Materialien
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Sonstige Materialien ASB 1997: ASB (Hrsg.): Financial Reporting Standards for Smaller Entities, London, 1997. ASB 2002: ASB Issue revised Standard for smaller entities, abrufbar unter: http://www.accountingeducation.com (07.01.2002). ASB 2004a: ASB (Hrsg.): Pressemitteilung Marz 2004, abrufbar http://www.asb.org.uk/asb/ technical/frsse.cfm (13.08.2004).
unter:
ASB 2004b: ASB (Hrsg.): A „C)ne-Stop Shop" Financial Reporting Standard for Smaller Entities (FRSSE), London 2004. APAG 2004: Gesetz zur Fortentwicklung der Berufsaufsicht iiber Abschlusspriifer in der Wirtschaftspriiferordnung (Abschlusspriiferaufsichtsgesetz - APAG), in: BGBl. I Nr. 76 vom 31.12.2004, S. 3846-3851. AnSVG 2004: Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz-AnSVG), in: BGBl. I Nr. 56 vom 29.10.2004, S. 26302651.
Basel Committee on Banking Supervision 1988: International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards (Basel 1), abrufbar unter: http://www.bis.org/publ (1.11.2004). Basel Committee on Banking Supervision 2004: International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards (Basel II), abrufbar unter: http://www.bis.org/publ/bcbsl07.pdf (1.11.2004). BilKoG 2004: Gesetz zur KontroUe von Unternehmenszusammenschliissen (BilanzkontroUgesetz - BilKoG), in: BGBl. I Nr. 69 vom 20.12.2004, S. 34083415. Begriindung RegE zum BilReG 2004: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Entwurf eines Gesetzes zur Einfiihrung intemationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualitat der Abschlusspriifung (Bilanzrechtsreformgesetz - BilReG), in: BT-Drucksache 15/3419 vom 24.06. 2004, S. 1-63.
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Sonstige Materialien
BilReG 2004: Gesetz zur Einfiihrung intemationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualitat der Abschlusspriifung, in: BGBl. I Nr. 65 vom 09.12.2004, S. 3166-3182. BiRiLiG 1985: Gesetz zur Durchfiihrung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europaischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtliniengesetz - BiRiLiG) vom 19.12.1985, in: BGBl. I vom 24.12.1985, S. 2355-2375. BMJ/BMF 2003: BMJ/BMF (Hrsg.): Pressemitteilung vom 25. Februar 2003. Bundesregierung starkt Anlegerschutz und Untemehmensintegritat, abrufbar unter: http://www.bmj.bund.de/ger/service/pressemitteilungen (25.02.2003). EM] RegE MindestkapG 2005: BMJ (Hrsg.): Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestkapG), abrufbar unter: http://www.bmj.de (01.06.2005). BT-Drucksache 1/66 vom 29.12.1970: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Grundsatze einer Strukturpolitik fiir kleine und mittlere Untemehmen, in: BTDrucksache VI/66 vom 29.12.1970. BT-Drucksache 4/171 vom 03.02.1962: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Begriindung zum Entwurf eines Aktiengesetzes, in: BT-Drucksache 4/171 vom 03.02.1962, S. 92-263. BT-Drucksache 7/1470: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Begriindung zum Regierungsentwurf eines EStG 1975, in: BT-Drucksache 4/171, S. 223. BT-Drucksache 14/23 vom 09.11.1998: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, in: BT-Drucksache 14/23 vom 09.11.1998, S. 1-204. BT-Drucksache 14/8343 vom 25.02.2002: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Entwurf eines Gesetzes iiber die Entsorgung von Altfahrzeugen (AltfahrzeugGesetz - AltfahrzeugG), in: BT-Drucksache 14/8343 vom 25.02.2002, S. 132. BT-Drucksache 14/8769 vom 11.04.2002: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizitat (Transparenz- und Publizitatsgesetz): in: BT-Drucksache 14/8769 vom 11.04.2002.
Sonstige Materialien
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BT-Drucksache 15/119 vom 02.12.2002: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Entwurf eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergiinstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergiinstigungsabbaugesetz - StVergAbG), in: BTDrucksache 15/119 vom 02.12.2002, S. 1-60. BT-Drucksache 15/2430 vom 18.01.2004: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Kleine Anfrage zur Lifo-Bewertung, Berlin 2004, in: BT-Drucksache 15/2430 vom 18.01.2004, S. 1 f. BT-Drucksache 15/2526 vom 16.02.2004: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage, in: BT-Drucksache 15/2430 vom 16.02.2004, S. 1-4. Bundesregierung 2003: Mafinahmenkatalog der Bundesregierung zur Starkung der Untemehmensintegritat und des Anlegerschutzes, abrufbar unter: http://www.bundesregierung.de/Anlage469122/Der-vollstaendigeMassnahmenkatalog.pdf (15.06.2003). Bundesregierung 2005: Gesetzesentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Steuerlichen Standortbedingungen 2005, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/cln_03/nn_ 4254/ de/ aktuelle_Gesetze/ Gesetzesentwurf e_Arbeitsfassungen/ 001 .ht ml (01.06.2005)
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Sonstige Materialien
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Sonstige Materialien
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E-DRS 17: DRSC (Hrsg.): Entwurf Deutscher Rechnungslegungsstandard E-DRS 17, Erlose, abrufbar unter: http://www.standardsetter.de/ drsc/docs/drafts/17.pdf (15.05.2002). Einkommensteuergesetzbuch 2003: Einkommensteuergesetzbuch. Ein Vorschlag zur Reform der Einkommen- und Korperschaftsteuer, vorgelegt von Paul Kirchhof, in: Schriftenreihe des Instituts fiir Finanz- und Steuerrecht, Forschungsgruppe Bundessteuergesetzbuch, Band 2, Heidelberg 2003. EHUG 2005: Entwurf eines Gesetzes iiber elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Untemehmensregister (EHUG), abrufbar unter: http://www.bmj.de/media/archive/890.pdf (24.05.2005).
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lASB 2002: lASB (Hrsg.): Exposure Draft of Proposed Improvements to International Accounting Standards, London 2002.
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Sonstige Materialien
IDW 2001a: IDW (Hrsg.): Stellungnahme des IDW zum Vorschlag der EUKommission fiir eine Verordnung des Europaischen Parlaments und des Rates liber die Anwendung intemationaler Rechnungslegungsgrundsatze, in: IDW-FN o.Jg. (2001), S. 221-227. IDW 2001b: IDW (Hrsg.): Stellungnahme des IDW zum Entwurf eines Gesetzes „Zur Intemationalisierung der Rechnungslegung", in: IDW-FN o.Jg. (2001), S. 637-642. IDW 2001c: IDW (Hrsg.): Stellungnahme des IDW zu den Vorschlagen des Deutschen Standardisierungsrates zur Reform der Rechnungslegungsvorschriften der 4. und 7. EU-Richtlinie, in: IDW-FN o.Jg. (2001), S. 228231. IDW 2001d: IDW (Hrsg.): IDW Stellungnahme: Entwurf eines AltfahrzeugGesetzes (AltfahrzeugG), in: WPg 54 (2001), S. 1188-1190. IDW 2001e: IDW (Hrsg.): IDW Stellungnahme: E-DRS 12 „Latente Steuem im Konzemabschluss", in: WPg 54 (2001), S. 1087-1093. IDW 2002a: IDW (Hrsg.): Stand der EU-Verordnung zur Anwendung der IAS, in: IDW-FN o.Jg. (2002), S. 192 f. IDW 2002b: IDW (Hrsg.): Stellungnahme des IDW: A Modem Regulatory Framework for Company Law in Europa: A Consultative Document of the High Level Group of Company Law Experts, in: WPg 55 (2002), S. 776 f. IDW 2002c: IDW (Hrsg.): Stellungnahme des IDW zur I AS-Verordnung der EU sowie zum Richtlinienvorschlag zur Anderung der EU-Bilanzrichtlinien, in: IDW-FN o.Jg. (2002), S. 485-494. IDW 2002d: IDW (Hrsg.): Stellungnahme des IDW zum Vorschlag des Deutschen Standardisierungsrats zur Umsetzung der fair value-Richtlinie der EU in deutsches Recht, in: WPg 55 (2002), S. 204-209. /DW2002e: IDW (Hrsg.): Stellungnahme des IDW zum E-DRS 14 „Immaterielle Vermogenswerte", in: WPg 55 (2002), S. 199-201. IDW 2003a: IDW (Hrsg.): Stellungnahem des IDW: Modernisierung der EUBilanzrichtlinien, in: IDW-FN o.Jg. (2003), S. 288 f.
Sonstige Materialien
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Sonstige Materialien
IDW PS 270: IDW (Hrsg.): IDW Priifungsstandard: Die Beurteilung der Fortfiihrung der Untemehmenstatigkeit im Rahmen der Abschlusspriifung (IDW PS 270), in: IDW (Hrsg.): IDW Priifungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S) einschliefilich der dazugehorigen Entwiirfe, IDW Priifungs- und Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattausgabe, Diisseldorf, Stand: 14. EL, Marz 2005. IDW PS 800: IDW (Hrsg.): IDW Priifungsstandard: Empfehlungen zur Priifung eingetretener oder drohender Zahlungsunfahigkeit bei Unternehmen, in: IDW (Hrsg.): IDW Priifungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S) einschliefilich der dazugehorigen Entwiirfe, IDW Priifungs- und Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattausgabe, Diisseldorf, Stand: 14. EL, Marz 2005. IDW RS HFA 4: IDW (Hrsg.): IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Zweifelsfragen zum Ansatz und zur Bewertung von Drohverlustriickstellungen (IDW RS HFA 4), in: IDW (Hrsg.): IDW Prufungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S) einschliefilich der dazugehorigen Entwiirfe, IDW Priifungs- und Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattausgabe, Diisseldorf, Stand: 14. EL, Marz 2005. IDWRS VFA 2: IDW (Hrsg.): IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auslegung des § 341b HGB (neu) (IDW RS VFA 2), in: IDW (Hrsg.): IDW Priifungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S) einschliefilich der dazugehorigen Entwiirfe, IDW Priifungs- und Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattausgabe, Diisseldorf, Stand: 14. EL, Marz 2005. ISAR TD/B/COM.2/ISAR/16 2002: United Nations: Accounting by Small and Medium-Sized Enterprises, abrufbar unter: http://www.unctad.org/ en/docs/c2isardl6_en.pdf (16.08.2004). ISAR TD/B/COM.2/ISAR/16/Add.l 2002: United Nations: Accounting by Small and Medium-Sized Enterprises, abrufbar unter: http://www. unctad.org/en/docs/c2isardl61_en.pdf (16.08.2004).
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ISAR TD/B/COM.2/ISAR/16/Add.2 2002: United Nations: Accounting by Small and Medium-Sized Enterprises, abrufbar unter: http://www. unctad.org/en/docs/c2isardl612_en.pdf (16.08.2004). ISAR TD/B/COM.2/ISAR/16/Add.3 2002: United Nations: Accounting by Small and Medium-Sized Enterprises, abrufbar unter: http://www. unctad.org/en/docs/c2isardl6a2_en.pdf (16.08.2004). ISAR TD/B/COM.2/ISAR/16/Add.4 2002: United Nations: Accounting by Small and Medium-Sized Enterprises, abrufbar unter: http://www. unctad.org/en/docs/c2isardl6a4_en.pdf (16.08.2004).
KapAEG 1998: Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfahigkeit deutscher Konzeme an Kapitalmarkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz KapAEG), BGBl. I Nr. 22 vom 20. April 1998, S. 707-709. KapCoRiLiG 2000: Gesetz zur Durchfiihrung des Richtlinie des Rates, der Europaischen Union zur Anderung der Bilanz- und Konzembilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG) zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschliissen und zur Anderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (Kapitalgesellschaften- und CoRichtiinie-Gesetz), in: BGBl. I vom 24.02.2000, S. 154-173. Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes 2001: von Kirchhof, P. et al., Heidelberger Forum, Band 116, Heidelberg 2001. Kleinunternehmerforderungsgesetz 2003: Gesetz zur Forderung von Kleinunternehmen und zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung (Kleinuntemehmerforderungsgesetz), in: BGBL I Nr. 39 vom 08. 08.2003, S. 1550-1552. KonTraG 1998: Gesetz zur KontroUe und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BGBl. I Nr. 24 vom 27. April 1998, S. 786-794.
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MBCA Annotated 2002: American Bar Association (Hrsg.): Model Business Corporation Act annotated: Professional corporation supplement: Close corporation supplement/adopted by Committee on Laws of the Section of Business Law, American Bar Association with the support of the American Bar Foundation, with official comments and reporter's annotations, 3 Aufl., Chicago 2002.
RIC 2005: RIC (Hrsg.): Entwurf Rechnungslegungs Interpretation Nr. 2: E-RiC 2: Bilanzgliederung nach Fristigkeit gemafi IAS 1 Darstellung des Abschlusses, abrufbar unter: http://www.standardsetter.de/drsc/docs/ press_releases/E-RIC2_070305.pdf.
Steueranderungsgesetz 2001: Gesetz zur Anderung steuerlicher Vorschriften (Steueranderungsgesetz 2001 - StAndC 2001), in: BGBl. I Nr. 72 vom 22.12.2001, S. 3795-3821. Steuerbereinigungsgesetz 1999: Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999 - StBereinG 1999), in: BGBl. I Nr. 59 vom 29.12.1999, S. 2601-2623. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002: Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002, in: BGBl. I Nr. 15 vom 31.03.1999, S. 402-496. Steuersenkungsgesetz 2000: Gesetz zur Senkung der Steuersatze und zur Reform der Untemehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG), in: BGBl. I Nr. 46 vom 26.10.2000, S. 1433-1466.
TransPuG 2002: Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizitat vom 19.07.2002 (Transparenz- und Publizitatsgesetz), in: BGBl. I Nr. 50 vom 25. Juli 2002, S. 2681-2687.