Teddy Parker
Eine heiße Spur Bonanza Band 6
Engelbert-Verlag • Balve/Westf.
Bearbeitung und deutsche Fassung: Peter...
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Teddy Parker
Eine heiße Spur Bonanza Band 6
Engelbert-Verlag • Balve/Westf.
Bearbeitung und deutsche Fassung: Peter Wolick Verlags-Nr. 795 1. Auflage 1970 Illustrationen: Walter Riede (c) 1970 by National Broadcasting Company, Inc. Alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht mit Genehmigung von Western Publishing Company, Inc. Racine/Wisconsin, USA Alle Rechte der deutschsprachigen Buchausgabe 1970 by Engelbert-Verlag, Balve Nachdruck verboten – Printed in Germany Satz, Druck und Einband: Gebr. Zimmermann, Buchdruckerei und Verlag GmbH, Balve/Westf.
Anschlag auf Taifun
In Virginia City fand alljährlich ein großes Rodeo, ein Wettkampf der Cowboys, statt. Es ging um den Sieger im Zureiten von Wildpferden, im Einfangen von Jungstieren und um den Sieger des großen Cowboy-Derbys, zu dem alle Pferdezüchter ihr bestes Material schickten. Die Reiter wurden unter den anwesenden Cowboys ausgewählt, falls man nicht über einen eigenen guten Reiter verfügte. Auch auf der Ponderosa war man mit Vorbereitungen zu diesem Rodeo beschäftigt. Ben Cartwright hatte aus seinem Pferdematerial die besten Tiere ausgesucht. Reiter für die Ponderosa waren Little Joe und Ben Hawkins, der Vormann. Immerhin ging es um 10.000 Dollar, die der Züchter bekam, dessen Pferd als erstes durchs Ziel ging. Ben Cartwright ging es weniger ums Geld. Er wußte, daß bei jedem Rodeo die Pferdeaufkäufer der Armee anwesend waren, die dem Stall des Siegers stets besondere Beachtung schenkten. Das machte sich im Laufe des Jahres bezahlt. Die Armee zahlte gut, und man konnte im Laufe des Jahres mit dem Ankauf von fünfzig bis einhundert Tieren rechnen. Für das Rennen waren Taifun, ein schwarzer Hengst, und Sandra, eine hochbeinige Fuchsstute, gemeldet worden. Taifun war Little Joes Liebling. Er hatte das Tier vor drei Jahren aus einer Herde von Wildpferden in Rocky Land gefangen. Heute besaß Taifun schon mehrere Söhne und Töchter, die ebenso schön und feurig wie ihr Vater waren. Heute wollte Little Joe die Strecke abreiten, die für das Derby vorgeschrieben war. Hoss hatte sich am Tor der Ponderosa mit der Uhr in der Hand aufgestellt. Er war gespannt, wann Joe die Ponderosa passieren würde. Bis zum eigentlichen Ziel im
Zentrum von Virginia City waren es dann noch etwa zwei Meilen. Lief der Hengst bis zur Ponderosa eine gute Zeit, so war bereits viel gewonnen, denn die Straße führte geradewegs in die Stadt. Es gab keine Kurven oder schwieriges Gelände. Hoss saß auf dem Zaun und hatte sich den Hut ins Genick geschoben. Neben ihm stand Ben Hawkins. Er hatte die Strecke mit Sandra bereits abgeritten und eine gute Zeit herausgeholt. Auch Hop Sing, der chinesische Koch der Ponderosa, hüpfte erwartungsvoll von einem Bein auf das andere. Er stand am Küchenfenster, um ab und zu einen Blick auf die in der Pfanne brutzelnden Steaks werfen zu können. In jedem Jahr setzte er zwanzig Dollar, und die wollte er in diesem Jahr auch wieder anlegen. „Jetzt müßte er aber bald kommen“, sagte Hoss und zog bedenklich die Stirn in Falten. Im gleichen Augenblick wurde auf der Straße Hufschlag hörbar. Hoss sprang auf und sah auf die Uhr. „Eine tolle Zeit“, strahlte er. „Drei Minuten und vierzig Sekunden.“ Sein Lächeln erstarrte ihm aber auf dem Gesicht, denn es war nicht Little Joe, sondern Cora Orton, die mit ihrem schweißbedeckten Apfelschimmel vor ihm anhielt. „Wieviel, Hoss?“ „Drei Minuten und einundvierzig Sekunden“, erwiderte Hoss auf die Frage, aber gleichzeitig zog ein breites Lächeln über sein Gesicht. „Bist du auch zum Derby gemeldet? – Das finde ich aber Klasse.“ Cora Orton war ein hübsches blondes Mädchen mit blauen Augen. Sie war die Erbin der Orton-Ranch, deren ausgedehnte Weidegründe nördlich von Virginia City lagen. Mr. Orton und Ben Cartwright waren seit langem befreundet. Cora Orton trug eine weichgegerbte weiße Lederhose in halbhohen Cowboystiefeln und dazu ein Lederhemd
indianischer Arbeit. Sie sprang vom Pferd und warf die Zügel Ben Hawkins zu. „Reiben Sie das Pferd ab und hängen Sie ihm eine Decke um“, rief sie ihm zu. „Aber das mache ich doch, Coralein“, erbot sich Hoss sofort. Er nahm Hawkins den Zügel aus der Hand. „Nichts da“, erwiderte Cora und nahm ihren schwarzen Stetson von den Locken. „Ich will wissen, wieviel schneller ich war. – Little Joe und ich sind gleichzeitig losgeritten. Wir trafen uns zufällig und kamen auf die Idee, ein Vorrennen abzuhalten. Er muß dicht hinter mir sein.“ Während Ben Hawkins das Pferd in den Stall führte, um es zu versorgen, hatte Hoss nur noch Augen für Cora Orton. Er war ihr schon immer zugetan, aber Cora schwärmte mehr für seinen Bruder. Das zeigte sie ganz offen, was Little Joe wiederum nicht sehr angenehm war. Er hatte immer das Gefühl, von der hübschen Rancherstochter als Ehemann eingefangen werden zu können. Hoss bestärkte ihn noch darin, indem er ihm immer wieder erklärte, Cora sei nur darauf aus, und er müsse sich vorsehen. Er hoffte dadurch, daß sich sein Bruder abweisend verhalten würde und er besser zum Zuge käme. Als der Schwindel mit den Hereford-Rindern passierte, die Mr. Orton auf der Ponderosa bestellt hatte, war Little Joe zur Aufklärung der Angelegenheit auf der Orton-Ranch gewesen. Dort hatte er sich ziemlich komisch benommen. Wenn Hoss daran dachte, überkam ihn heute noch ein Schmunzeln. „Warum wollen wir nicht ins Haus gehen, Coralein?“ fragte Hoss. „Du mußt dich etwas ausruhen, und ich mache dir eine erfrischende Limonade.“ Cora Orton hörte nicht auf ihn. Sie starrte in Richtung der Krümmung, hinter der Little Joe auftauchen mußte. „Warum kommt er nur nicht? – Er müßte doch längst hier sein.“
„Ach, er wird schon kommen“, beschwichtigte Hoss. „Es wird ihm doch wohl nichts passiert sein?“ „Das glaube ich nicht“, wehrte Hoss ab. „Komm ins Haus! – Du kannst mit uns essen.“ „Hallo, Cora!“ Ben Cartwright kam über den Hof und gesellte sich zu ihnen. „Guten Tag, Mr. Cartwright!“ Das Mädchen reichte dem Rancher lächelnd die Hand. „Mein Vater hat mich auch zum Derby gemeldet, und ich habe gerade mit Little Joe ein Vorrennen abgehalten.“ „Ja, denke dir, sie ist drei Minuten und vierzig Sekunden schnell gewesen“, fiel Hoss ein. „Das ist beachtlich. – Und Little Joe?“ „Darum geht es, Mr. Cartwright“, erwiderte das Mädchen besorgt. „Wir warten auf ihn.“ Ben Cartwright sah Hoss an, und dieser hob die Schultern. „Er war zuerst zwanzig Meter vor mir, aber dann holte ich ihn ein“, fuhr Cora Orton fort. „Er blieb aber weiter zurück. – Wirklich, Mr. Cartwright, ich mache mir jetzt Sorge. Ich möchte zurückreiten.“ „Das ist wirklich eigenartig“, überlegte Ben Cartwright. „Er müßte längst hier sein.“ „Ich reite zurück“, sagte das Mädchen entschlossen. Hoss war sofort an Coras Seite. „Dann begleite ich dich.“ „Vielleicht hat sich Little Joe einen Scherz erlaubt und dich absichtlich gewinnen lassen“, lächelte der Rancher. „Denn, so leid es mir für dich tut, Cora, aber Taifun dürfte in diesem Derby nicht zu schlagen sein.“ „Nein, nein, Mr. Cartwright, dafür ist Joe kein Mensch. Er ist viel zu ehrgeizig, besonders, wenn es sich um eine Frau handelt“, erwiderte Cora. Hoss war inzwischen in den Stall gegangen und kam mit Paiute und dem Apfelschimmel zurück. Er wollte dem
Mädchen den Steigbügel halten, aber Cora wehrte ab und schwang sich wie ein alter Cowboy in den Sattel. In langsamem Trab ritten sie die Strecke ab. Es ging quer über die Weiden, an einem Wäldchen entlang, bis zu dem breiten Serpentinenweg, der ins Gebirge führte. Hinter der ersten Höhe lag der Fluß, und hier hatte Cora Little Joe getroffen. Hier war auch der Startplatz vorgesehen. Das Mädchen hielt sein Pferd an. „Und?“ fragte Hoss, der inzwischen auch unruhig geworden war. Er zügelte seinen hochbeinigen Hengst. „Hier ist er jedenfalls nicht.“ „Und hier sind wir losgeritten“, erklärte Cora. „Bis zu dem Wäldchen war er noch vor mir, und dann holte ich ihn ein.“ Hoss sprengte auf das Wäldchen zu. Am Waldrand hielt er an und wartete, bis Cora herangekommen war. „Bis hierher ritt er vor dir her und du konntest ihn beobachten“, stellte Hoss fest. Cora nickte. „Und dort drüben, bei der Waldspitze, habe ich ihn überholt.“ Hoss nickte bedächtig. „Verunglückt ist er jedenfalls nicht.“ „Was überlegst du?“ „Was ihn davon abgebracht haben könnte, nicht weiterzureiten. Er mußte schon einen Grund haben.“ „Ja, das sehe ich ein.“ Cora sah sich um. „Wo sollte er aber sein?“ Hoss lächelte plötzlich. „Ich nehme an, er ist längst zu Hause. Nachdem du ihn überholtest, ist ihm die Lust vergangen. Er ritt durch den Wald und unten an den Weiden entlang.“ Er tat eine abwehrende Handbewegung. „Ich kenne ihn! – Wenn etwas nicht klappt, ist er gleich sauer.“ „Glaubst du wirklich?“
„Und dann gibt es noch die Möglichkeit, daß er dich auf den Arm nehmen wollte. Pa glaubt das, und je mehr ich darüber nachdenke, möchte ich das auch annehmen.“ Hoss grinste noch breiter. „Taifun ist wirklich nicht zu schlagen. – Komm, reiten wir nach Hause!“ Cora schob schmollend die Unterlippe vor. „Wenn es wirklich so ist, sehe ich ihn nicht mehr an.“ Hoss beugte sich im Sattel vor. „Er ist ein Leisetreter, glaube mir. Ich würde mir so etwas niemals erlauben. Man ist doch schließlich Kavalier. – Komm, Kindchen…“ „Nenne mich nicht Kindchen“, fuhr ihn das Mädchen gereizt an. „Ich bin kein Baby mehr, und wenn mich Joe auf den Arm genommen hat, werde ich ihm den Kopf zurechtsetzen.“ „Richtig, richtig“, freute sich Hoss. „Er braucht ab und zu einen kleinen Dämpfer, der liebe Junge.“ Hinter ihnen klang Hufschlag auf. Hoss wandte sich im Sattel um und sah einen Reiter aus Richtung der Serpentinenstraße kommen. Er ritt ein struppiges Indianerpferd. „Vielleicht hat er Little Joe gesehen“, sagte Cora. „Wollen wir ihn fragen?“ „Meinetwegen“, antwortete Hoss. „Aber er kommt aus dem Gebirge. Du glaubst also immer noch nicht, daß dich Joe auf den Arm nehmen wollte.“ Cora antwortete nicht, sondern sah dem näher kommenden Reiter entgegen. Hoss musterte den Ankommenden, der sein Pferd vor ihnen zügelte und mit einer schwungvollen Bewegung seinen Stetson vom Kopf nahm. „Seid mir gegrüßt!“ Hoss tippte mit dem Zeigefinger an seinen Hut. Der Fremde war ein kleiner drahtiger Kerl mit einem frischen roten Gesicht. Seine hellen Augen musterten das Mädchen und
Hoss durchdringend. Unter einer vorspringenden Hakennase saß ein brandroter Schnauzbart, der fast den ganzen Mund bedeckte. Er trug ein mit Zierfransen geschmücktes indianisches Lederhemd mit rotem Halstuch. Seine grauen Lederhosen steckten in halbhohen Cowboystiefeln, an denen die Absätze fehlten. Hoss hatte nur Augen für die Waffen des Fremden. Es waren zwei großkalibrige Colts, die in einem mit Silbernägeln verzierten Revolvergürtel hingen. Das Pferd und die Waffen machten einen gepflegten Eindruck. Auf seine Kleidung schien der Fremde weniger Wert zu legen, denn Lederhemd und Hose waren speckig, und die rote Farbe des Halstuches war nur noch bei genauem Hinsehen zu erkennen. Am Sattel hingen zwei lederne Packtaschen und eine Deckenrolle. „Darf ich die Herrschaften fragen, ob ich auf dem richtigen Weg nach Virginia City bin?“ fragte der Fremde. Hoss grinste, denn der Kleine kam ihm irgendwie komisch vor. „Sie sind es, Mister! Wenn Sie immer der Nase nach reiten, kommen Sie auf geradem Wege in die Stadt.“ „Verzeihen Sie, daß ich mich nicht vorstellte“, fuhr der Fremde fort. „Mein Name ist William Washington Lex! – William, nach meinem Großvater mütterlicherseits, und Washington, um den ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten zu ehren. That so!“ Hoss’ Grinsen wurde immer breiter. Der Kerl war noch komischer, als er erwartet hatte. Seine Ausdrucksweise ließ darauf schließen, daß er einmal bessere Tage gesehen hatte. „Ich bin Hoss Cartwright, und das ist meine Freundin Cora Orton.“ Cora warf ihm einen unwilligen Blick zu, und Hoss verbesserte sich sofort. „Ich meine, unsere Bekannte…“
Ob William Washington Lex unter seinem roten Schnurrbart grinste, konnte man nicht genau feststellen, aber das Aufblitzen seiner hellen Augen ließ das erkennen. „Ich bin erfreut, Miß!“ Cora nickte ihm gnädig zu. „Ich möchte nach Virginia City, um mich als Reiter an dem Derby zu beteiligen“, fuhr Lex fort. „Daran beteiligen wir uns auch“, lächelte Hoss. „Wir haben einen Rappen, der nicht zu schlagen ist.“ „Und der Reiter?“ fragte Lex. „Ich würde mich Ihnen gern zur Verfügung stellen.“ „Mein Bruder reitet ihn“, entgegnete Hoss. „Vielleicht sind Sie ihm sogar begegnet. Er macht einen Proberitt, und wir sind auf der Suche nach ihm.“ Lex schüttelte den Kopf und erklärte, einem einzelnen Reiter sei er nicht begegnet. Wohl habe er drei Reiter gesehen, die ein ungesatteltes Pferd an einem Halfter führten. Dieses Pferd sei allerdings ein Rappe gewesen. „Und wie sahen die Reiter aus?“ wollte Hoss wissen, Lex beschrieb die Männer, so gut er konnte, erklärte aber, ein Mann in einem dunklen Reitanzug sei nicht unter ihnen gewesen. „Sie nahmen ihren Weg quer über die unteren Weiden, und ich sah sie ganz zufällig.“ Jetzt wurde Hoss unruhig. Es war nicht das erste Mal, daß vor einem Derby, bei dem es um eine hohe Summe als Siegesprämie ging, Pferde verschwanden. Vor drei Jahren war der Hengst Rocco des Ranchers Gibson auf der Koppel erschossen worden. Er galt damals als Favorit des Derbys. Die Täter hatte man nie gefaßt. Das alles fiel Hoss jetzt ein, und er war auf einmal nicht mehr sicher, seinen Bruder wohl und munter zu Hause vorzufinden. Das erklärte er Lex.
Auch Cora machte sich ihre Gedanken. Sie sah Hoss ängstlich an. „Es ist ihm etwas passiert, glaube mir. – Was machen wir nur?“ „Und Sie glauben, daß es sich bei dem reiterlosen Pferd um das verschwundene Pferd Ihres Bruders handelt?“ fragte Lex. „Ich möchte es fast mit Sicherheit annehmen“, nickte Hoss. „Wo die Kerle zu finden sind, weiß ich. Was ist aber mit meinem Bruder geschehen?“ „Erklären Sie mir doch einmal, was sich zugetragen hat“, bat Lex. „Vielleicht kann ich Ihnen helfen.“ Das tat Cora, und Lex hörte sich alles stumm an. „An dieser Stelle, an der wir jetzt stehen, überholten Sie ihn also“, stellte der Schnauzbärtige fest und stieg von seinem Pferd. Hoss beobachtete, wie Lex auf krummen Reiterbeinen zwischen den Büschen verschwand. Nach wenigen Minuten kam er zurück und erklärte, er habe die Hufspuren von drei Pferden gefunden. „Und was schließen Sie daraus?“ fragte Hoss. „Die Kerle haben vermutlich an dieser Stelle auf Ihren Bruder gewartet und ihn mit einem Lasso vom Pferd geholt“, erläuterte Lex und schwang sich wieder in den Sattel. Er ritt ein gutes Stück am Waldrand entlang und rief: „Hier haben sie das reiterlose Pferd eingefangen und sind mit ihm zurückgeritten.“ Cora verfolgte das alles mit großen Augen. „Warum habe ich mich nur nicht umgesehen!“ Lex störte sich jetzt nicht mehr an die beiden. In schnellem Trab ritt er den Weg zurück, bis zum Anfang der Serpentinenstraße. Immer wieder suchte er mit seinen Augen den Boden ab und stieg schließlich aus dem Sattel. Hoss und Cora waren ihm gefolgt.
Lex kletterte einen sanft ansteigenden Hang hinan, die Augen auf den Boden gerichtet, dann hob er den Kopf und sah zu einer Felswand hinüber. „Er kann nur dort sein“, rief er Hoss zu, der daraufhin sofort vom Pferd stieg und ihm nachkletterte. Zuerst fanden sie den Sattel und das Zaumzeug. Erregt hastete Hoss weiter und war noch vor dem krummbeinigen Lex bei der Felswand angelangt. Die Öffnung einer kleinen Höhle tat sich auf. Bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war der Kleine neben ihm. Er riß ein Zündholz an, und in seinem Schein sahen die Männer Little Joe am Boden liegen. Er blutete aus einer Kopfwunde und war offenbar nicht bei Bewußtsein. Hoss nahm ihn hoch und trug ihn aus der Höhle. Dann griff Lex mit zu. Sie brachten den Verletzten auf den Pfad hinab. Dort legten sie ihn auf eine Grasnarbe. Mit einem Sprung war Cora vom Pferd. „Ist er tot?“ „Keine Sorge“, lächelte Lex, der den Puls des Verletzten geprüft hatte. „Ich werde ihn gleich auf die Beine bringen.“ Er ging zu seiner Satteltasche und kam mit einer Flasche zurück. „Das ist ein Whisky, der einem Toten die Zunge löst.“ Er nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. „In diesem Falle brauchen wir ihn aber als Einreibemittel.“ Cora und Hoss beobachteten, wie Lex Little Joe das Hemd öffnete und ihm Brust und Gesicht mit Alkohol abwusch. Die Wunde behandelte er auf die gleiche Weise. Das war wohl ausschlaggebend, daß Little Joe plötzlich die Augen aufschlug. Er richtete sich stöhnend auf und betastete seinen Hinterkopf. „Zum Teufel, was ist los?“ „Gott sei Dank!“ Hoss sah den Schnauzbärtigen an. „Wenn er schon wieder den Teufel anführt, kann es nicht so schlimm sein.“ Little Joe blinzelte durch die Lider.
„Ja, ich bin’s, Brüderchen“, lächelte Hoss. „Und schau, wer noch da ist.“ „Ich bin es – Cora! Wie fühlst du dich?“ Das Mädchen beugte sich zu ihm herab und legte ihm die Hand auf den Kopf. „Er hat eine ganz heiße Stirn.“ „Ach, laß das!“ Little Joe wehrte sie sanft ab. Er war noch ganz benommen. Offenbar wußte er noch nicht recht, was mit ihm geschehen war. „Kannst du laufen?“ fragte Hoss besorgt. „Natürlich kann er das“, sagte der Schnauzbärtige. „Komm, Junge, stell dich mal auf die Beine!“ Little Joe versuchte es. Als er sich aber mit der Hand aufstützen wollte, fiel er mit einem Schmerzenslaut zurück. Lex untersuchte die Hand und stellte fest, daß der Arm stark angeschwollen war. In diesem Augenblick schien sich Little Joe wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden. Er erhob sich langsam und starrte Hoss an. „Wo ist Taifun?“ Der Dicke hob die Schultern. „Vielleicht erklärst du uns zuerst einmal, was überhaupt geschehen ist.“ Er deutete auf den Schnauzbärtigen. „Wäre Mr. Lex nicht gewesen, würden wir jetzt noch auf dich warten. Er hat dich gefunden.“ Little Joe fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich hatte die Kerle schon am Fluß beobachtet“, überlegte er. „Sie ritten mir nach, aber ich dachte mir nichts dabei. Während ich mit Cora sprach, kehrten sie um.“ „Und sie haben am Rande des Wäldchens auf dich gewartet“, fügte Hoss hinzu. „Ja, ich sah sie plötzlich, als wir mit dem Wettrennen begannen“, erklärte Little Joe weiter. „Ich hielt Taifun zurück, und in diesem Moment zog Cora an mir vorbei. Ich konnte sie nicht mehr zurückrufen, aber vielleicht war das gut. Die Kerle hatten es nur auf mich abgesehen. Ich sah nur noch das Lasso,
und dann weiß ich nichts mehr.“ Er tastete nach seinem linken Arm. „Ich glaube, ich habe mir die Hand verstaucht.“ Lex drehte sich mit schnellen Fingern eine Zigarette und schob sie in den Mund. „Kennen Sie die Kerle?“ fragte er, während er ein Zündholz an seinem Stiefelschaft anriß. Little Joe schüttelte den Kopf. „Dazu blieb mir keine Zeit.“ „Ich glaube, ich weiß, wo sie zu finden sind“, sagte Hoss. „Es können nur Montanos Leute gewesen sein. Er weiß, daß Taifun diesmal das Rennen gewinnen wird. Vorgestern hat er uns beim Training beobachtet.“ „Und seine Leute lungerten auch bei unserer Farm herum“, bemerkte Cora. „Sie kontrollieren jedes Pferd, das zum Derby gemeldet ist.“ „Und wer ist dieser Montano?“ wollte Lex wissen. „Pferdediebe werden noch immer aufgehängt, das dürfte dem Kerl doch auch bekannt sein.“ „Er taucht jedes Jahr mit seinen Leuten zum Rodeo auf“, erklärte Hoss. „Und jedesmal passiert etwas. Im vorigen Jahr wurde während des Rennens die State-Bank überfallen. Zwar wurde der Überfall durch die Geistesgegenwart des Kassierers vereitelt, aber jeder weiß, daß der Überfall auf sein Konto geht.“ „Und was macht der Sheriff?“ fragte Lex. „Er könnte ihn doch aus der Stadt weisen.“ Hoss hob die Schultern. „Montano ist nichts nachzuweisen, und es gibt kein Gesetz, das den Sheriff ermächtigt, einen Unbescholtenen ohne Grund aus der Stadt zu jagen.“ „Schöne Zustände“, brummte der Schnauzbärtige. „Wir müssen Taifun auf jeden Fall zurückholen“, sagte Little Joe. „Wenn wir nur genau wüßten, ob es Montanos Leute waren. Ich kann mich nur daran erinnern, daß einer von ihnen einen Falben ritt, und der müßte leicht zu finden sein.“ „Wenigstens etwas“, nickte Lex.
„Wir müssen zuerst mit Pa darüber sprechen“, wandte Hoss ein. „Du weißt, er ist sehr komisch, wenn es sich um Montano handelt.“ Sie gingen zu den Pferden zurück. Ohne ein Wort zu sagen, schwang sich Little Joe auf Coras Apfelschimmel und bot dem Mädchen die Hand. „He, sie kann doch zu mir in den Sattel kommen“, schlug Hoss vor. „Außerdem hast du die Hand verstaucht, und Paiute ist kräftiger als der Schimmel.“ „Sonst noch etwas?“ grinste Little Joe. „Laß nur, Brüderchen, sie fühlt sich auch bei mir ganz wohl.“ Auf der Ponderosa wartete man bereits. Ben Cartwright stürzte sofort aus dem Haus, als seine Söhne mit ihrer Begleitung in den Hof ritten. In kurzen Worten erklärte Hoss dem Vater, was sich zugetragen hatte, und stellte den Schnauzbärtigen vor. „Das ist Mr. Lex, Pa! – Wir trafen ihn unterwegs, und er hat die Kerle gesehen, die Taifun wegführten. Ohne seine Hilfe hätten wir Joe nicht so schnell gefunden.“ Ben Cartwright reichte Lex die Hand. „Freut mich, Mr. Lex! Wenn Sie nichts Besseres vorhaben, können Sie mit uns essen. Wir würden uns freuen.“ „Ja, wirklich“, wandte Little Joe ein. „Und ich habe mich bei Ihnen noch nicht einmal für Ihre Hilfe bedankt. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich bin noch jetzt völlig durcheinander.“ „Kein Wunder! – Sie haben einen Schlag mit einem Revolverkolben auf den Kopf bekommen“, erwiderte Lex. „Eine scheußliche Platzwunde. Sie müssen den Arzt kommen lassen, damit auch Ihre Hand untersucht wird. Eine Prellung kann Ihnen viel zu schaffen machen.“ Cora Orton reichte Cartwright die Hand. „Ich muß jetzt nach Hause, sonst macht sich Vater Sorgen.“ Sie schwang sich auf
ihren Apfelschimmel, winkte den anderen zu und galoppierte zum Hof hinaus. Hoss sah ihr mit einem breiten Grinsen nach. „Ein tolles Mädchen!“ Little Joe stieß ihn in die Seite. „Komm wieder zu dir, Brüderchen! Ich trete sie dir gerne ab, denn zum Heiraten habe ich noch etwas Zeit.“ Mr. Lex nahm die Einladung an. Im Wohnraum war Hop Sing dabei, den Tisch zu decken. „Noch ein Gedeck für unseren Gast, Hop Sing!“ Ben Cartwright deutete mit einer Handbewegung auf den Schnauzbärtigen. „Das ist Mr. Lex!“ Der Chinese legte dienernd die Fingerspitzen aneinander. „Sofolt, Mistel Caltwlight“, antwortete er in seiner eigenartigen Aussprache. Wie alle Chinesen konnte er kein R sprechen und benutzte dazu das L. „Ich mich fleuen, Mistel Lex auf del Pondelosa zu glüßen.“ Die Männer hingen ihre Revolvergürtel an die Haken neben der Tür. „Darf ich Ihnen einen Willkommensdrink anbieten?“ fragte Ben Cartwright. „Bitte, nehmen wir hier Platz, bis Hop Sing den Tisch gedeckt hat.“ Sie ließen sich vor dem großen Tisch im Wohnraum nieder, und der Rancher erkundigte sich nach dem Woher und Wohin. Lex lächelte in seinen Schnauzbart hinein. „Ich komme direkt von Fort Grenwell“, erklärte er. „Dort habe ich für die erste Kavallerie-Division ein Jahr lang als Fährtensucher gearbeitet.“ „Na, dann wundert es mich nicht, daß Sie Little Joe so schnell fanden.“ Hoss stellte Gläser auf den Tisch und schenkte ein. „Ich konnte mir das überhaupt nicht erklären.“ „Alles Übung“, meinte Lex und hob sein Glas. „Trinken wir darauf, daß wir den Rappen wiederfinden.“
„Das ist kein Problem“, sagte Little Joe. „Wir brauchen nur Montano und seine Leute unter die Lupe zu nehmen. Sie werden ihn irgendwo versteckt halten, damit er nicht starten kann.“ „Das ist nicht erwiesen.“ Ben Cartwright hob die Hand. „Ich möchte in keine Schwierigkeiten kommen. Der Kerl ist glatt wie ein Aal. Wenn er Taifun wirklich entführt hat, so wird es schwer sein, ihm das nachzuweisen.“ „Das solltest du unsere Sorge sein lassen, Pa“, entgegnete Little Joe. „Wenn er Taifun entführte, bekomme ich ihn zurück.“ „Das meine ich auch, Mr. Cartwright“, sagte Lex. „Mich geht die Sache ja nichts an, aber einem solchen Burschen sollte man auf die Finger sehen. Ich bin im Grunde genommen auch ein friedfertiger Mensch, und dieser Montano scheint beileibe kein unbeschriebenes Blatt zu sein. Wollen Sie sich alles gefallen lassen?“ „Ich möchte nicht, daß man mir die Ponderosa über dem Kopf ansteckt“, erwiderte Ben Cartwright. „Diesem Montano traue ich alles zu. Ich gehe lieber den Weg des geringsten Widerstandes, nicht, weil ich ihn fürchte, sondern weil es mir der Verstand sagt. Wir kommen mit diesen Burschen einfach nicht mit.“ „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Mr. Cartwright.“ Der Schnauzbärtige trank sein Glas aus. „Wenn ich Taifun wieder herbeischaffe, ohne daß Ihnen daraus Komplikationen entstehen, darf ich ihn dann beim Derby reiten? – Ihr Sohn dürfte mit seiner Verletzung sowieso dazu nicht in der Lage sein.“ „Ja, das stimmt, Pa“, nickte Little Joe. „Reiten kann ich ihn nicht. Abgesehen davon trete ich für Mr. Lex gerne zurück.“ „In Ordnung“, erwiderte Ben Cartwright. „Dann bleiben Sie auf der Ponderosa weiter mein Gast. Was Sie tun, bleibt Ihnen
überlassen.“ Er reichte dem Schnauzbärtigen die Hand. „Hop Sing wird Ihnen ein Zimmer herrichten.“ „Dann darf ich bitten, mich Bill und du zu nennen“, sagte der Schnauzbärtige. „Ich möchte nicht gerne mit Washington angeredet werden.“ „Er heißt nämlich William Washington Lex“, erläuterte Hoss, während er die Gläser füllte. Und schmunzelnd fügte er hinzu: „Mir gefällt Washington genauso gut.“
Zweifelhaftes Spiel
Virginia City glich vor jedem Rodeo einem Heerlager. Aus der ganzen Umgebung waren die Züchter mit ihrem besten Pferdematerial gekommen. Wenn sie sich auch nicht direkt am Rodeo oder am Derby beteiligten, so bestand immerhin die Möglichkeit, eines ihrer Pferde für einen guten Preis zu verkaufen. Interessenten waren genügend vorhanden, zumal auch die Armee immer einige Beobachter schickte, die mit Kennermiene jedes Pferd unter die Lupe nahmen. Das Saloon-Hotel war bis auf den letzten Platz besetzt. So kampierten viele Besucher in Zelten vor der Stadt. Wer kein eigenes Zelt besaß, fand in der Zeltstadt New Virginia City immer Unterkunft. Wie in jedem Jahr, so hatte Jose Montano auch diesmal wieder die Genehmigung des Stadtrates von Virginia City erhalten, seine Zeltstadt aufzubauen. Sie bestand aus etwa fünfzig großen Rundzelten, die Montano von der Armee gekauft hatte. Ein längliches altes Stallzelt, ebenfalls aus Armee-Beständen, trug ein großes Schild mit der Bezeichnung „Dancing Room“. Hier wurde nach den Klängen eines Klaviers, einer Geige und eines Banjos getanzt, und für jeden Tanz mußten zwanzig Cents entrichtet werden. Nahm man dabei die Damen in Anspruch, die Montano für diesen Zweck aus San Franzisko engagiert hatte, so kostete das Vergnügen fünfzig Cents. Da im Saloon-Hotel ein derartiges Vergnügen nicht möglich war, machte Montano sein Geschäft, von dem der Stadtsäckel natürlich einen entsprechenden Anteil einheimste. Das war wohl auch der Grund, warum Montano
immer wieder die Genehmigung bekam, seine Zeltstadt aufzubauen. Daß Montano bei vielen dunklen Angelegenheiten seine Hand im Spiel hatte, vermuteten viele, aber bisher hatte man ihm nichts nachweisen können. Aus diesem Grunde war es gefährlich, gegen ihn vorzugehen, denn Al Rickers, der Richter von Virginia City, war mit ihm bekannt. Rickers ließ sich nur auf Tatsachen ein, und vielleicht handelte er im guten Glauben, wenn er unbewiesenen Beschuldigungen gegen Montano keine Bedeutung beimaß. Daß sich Ben Cartwright dieser Situation anpaßte, war nur zu verständlich. Er wollte es mit Rickers nicht verderben. Als Advokat und Richter von Virginia City hatte Rickers im Stadtrat eine bedeutende Stimme, und er war den Cartwrights bisher nicht schlecht gesonnen. Rickers war es zum Beispiel gewesen, der im Stadtrat dafür gestimmt hatte, daß den Cartwrights das Hochplateau mit den Bergweiden als freies Weideland für die Hereford-Rinder zur Benutzung freigegeben wurde. Hoss und Little Joe dachten aber anders darüber. Für sie war Montano ein rotes Tuch, und sie waren sich beide darüber einig, ihm bei nächster Gelegenheit auf die Schliche zu kommen. Montano hatte seinen Hengst Ben Hur zum Derby gemeldet. Das Pferd war erstklassig, und außer Taifun gab es kein Pferd, das ihm an Schnelligkeit überlegen war. Das war Little Joe und auch seinem Bruder bekannt. Aus diesem Grunde war es für sie klar, daß nur Montano den Raub Taifuns angeordnet hatte. Er wollte das Derby diesmal unter allen Umständen gewinnen. Wenn Montano in der Stadt weilte, wohnte er mit seinen Leuten auf der Hollers-Ranch. Er hatte die Ranch vor zwei Jahren von dem alten Hollers gekauft, der jetzt für ihn als Verwalter tätig war. Auch dieser Verkauf war nicht mit rechten Dingen zugegangen, denn Hollers hatte nie die Absicht
geäußert, sein Besitztum zu verkaufen. Little Joe war fest davon überzeugt, daß der Verkauf durch Drohungen durchgesetzt worden war, und was konnte ein alter Mann schon gegen eine Horde Banditen unternehmen? Alles das hatten Little Joe und Hoss dem Schnauzbärtigen noch am gleichen Abend mitgeteilt. William Washington Lex, der jetzt von ihnen Bill genannt wurde, war mit ihnen der Ansicht, hier müsse unbedingt etwas geschehen. Angriff sei auch in diesem Falle die beste Verteidigung. Man müsse Montano aus der Reserve locken, um ihn zum Handeln zu zwingen. Vor allem ging es doch zuerst einmal darum, Taifun zurückzuholen. „Natürlich“, sagte Ben Cartwright während des Abendbrotes. „Aber ich möchte keinen Ärger haben.“ „Das verstehe ich einfach nicht, Pa“, erwiderte Little Joe. „Wir sind alle davon überzeugt, daß Montano Taifun gestohlen hat, und du willst uns hindern, etwas zu unternehmen.“ Ben Cartwright schob seinen Teller zurück. „Wir können nicht offen gegen Montano vorgehen.“ „Und warum nicht? – – Jeden anderen Pferdedieb würdest du beim Sheriff zur Anzeige bringen.“ „Zuerst einmal, wie ich bereits sagte, haben wir keine Beweise. Wenn wir etwas unternehmen wollen, so müssen wir das ganz vorsichtig anstellen.“ Lex nickte. „Das können Sie mir überlassen, Mr. Cartwright. Diese Burschen muß man mit ihren eigenen Waffen schlagen.“ „Und die wären?“ „Mit List“, lächelte Lex. „Und wie willst du das machen?“ fragte Hoss. „Wir müssen ihn zu ungesetzlichem Handeln herausfordern“, fuhr Lex fort. „Erst dann haben wir dem Sheriff eine Handhabe gegeben, gegen ihn vorzugehen. Wenn wir Taifun
zurückholen, wird er bestimmt einen neuen Anschlag planen. Dann müssen wir auf dem Posten sein.“ Little Joe überlegte. „Es muß uns also etwas einfallen, um den Hengst ohne Aufsehen zurückzubekommen.“ „Und damit bin ich einverstanden“, nickte Ben Cartwright. „Das hatte ich Ihnen bereits gesagt, und ich bin auch ebenfalls damit einverstanden, daß Sie den Hengst beim Derby reiten, falls Sie ihn ohne großes Aufsehen zurückholen.“ „Das ist eigentlich sehr einfach.“ Der Schnauzbärtige sah in die Runde. „Wo könnte er Taifun versteckt halten?“ „Auf der Hollers-Ranch kaum“, überlegte Hoss. „Das wäre zu gefährlich. Er wird ihn vielleicht im Gebirge versteckt haben, um ihn später zu verkaufen. Bei den Eagle Rocks gibt es genügend Höhlen, die sich zum Versteck eines Pferdes ausgezeichnet eignen.“ „Und wie erfahren wir, wo er ist?“ fragte Lex. „Wir müssen den Kerl mit dem Falben finden“, erwiderte Little Joe. „Es gibt wenig von diesen weißgelben Pferden. Wenn also in Virginia City ein Kerl mit einem Falben zu finden ist, so kann es sich nur um den Burschen handeln, der bei dem Überfall auf mich dabei war.“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Und den werde ich mir dann vorknöpfen.“ „Viel einfacher“, lächelte der Schnauzbärtige. „Ihr beiden laßt euch in der Nähe von Montano sehen und erzählt genau, was sich zugetragen hat. Natürlich ist Taifun heute abend von selbst zur Ponderosa zurückgekommen.“ Hoss und Little Joe sahen ihn verständnislos an. „Und was wollen Sie damit bezwecken?“ fragte Ben Cartwright. „Hat er Taifun wirklich geraubt, wird er einen seiner Leute bestimmt zu dem Versteck schicken, um dort Nachschau halten zu lassen. Ich folge ihm, und schon ist Taifun gefunden.“
„Die Idee ist nicht schlecht“, nickte Little Joe erfreut. „Aber glaubst du, er fällt darauf herein? – Nehmen wir an, das Versteck ist so sicher, daß Taifun gar nicht ausbrechen kann.“ „Er wird auf jeden Fall einen Mann losschicken“, erwiderte Lex. „Er ahnt doch nicht, daß ihr ihn mit der Entführung des Pferdes in Verbindung bringt und das alles nur erzählt habt, um ihn in eine Falle zu locken.“ Das leuchtete auch Ben Cartwright ein. „Na, versucht euer Glück“, meinte er. „Und du wirst dich im Zaum halten, Joe“, wandte er sich an seinen jüngsten Sohn. „Haben wir Taifun zurück, ist alles in Ordnung.“ „Ja, Pa, ich verspreche es dir“, erwiderte Little Joe. „Ich habe auch kein Interesse daran, uns Schwierigkeiten zu machen.“ Zehn Minuten später saßen der Schnauzbärtige und die Brüder auf ihren Pferden. Es dunkelte bereits, als sie in Virginia City einritten. Little Joe kontrollierte sofort die Pferde an dem Haltebalken vor dem Saloon-Hotel. Er suchte den Falben. „Den wirst du eher in der Zeltstadt finden“, meinte Hoss. „Aber wir haben Pa doch versprochen, uns mit niemandem einzulassen.“ „Habe ich auch nicht vor“, antwortete Little Joe. „Ich möchte einen der Kerle nur mal kennenlernen.“ „Ja, das kenne ich!“ Hoss schüttelte den Kopf. „Du machst keine Dummheiten, verstanden? – Du wirst keinen Streit vom Zaune brechen.“ „Ich werde ihm schon helfen“, sagte Lex. „Aber ansehen könnten wir uns die Kerle mal.“ Inmitten der Zeltstadt brannte ein riesiger Holzstoß und beleuchtete taghell die Umgebung. An dem Haltebalken vor dem Zelt mit dem Schild „Dancing Room“ standen viele Pferde. Offenbar waren viele Rancher aus der Umgebung zu einem abendlichen Vergnügen nach
Virginia City gekommen. Hier wurden sie auf leichte Weise ihr Geld los. Dafür sorgte schon Montano, der im Hintergrund des Zeltes einen abgeteilten Raum errichtet hatte, in dem gespielt wurde. Auch dafür hatte er die Genehmigung des Stadtrates erhalten. „Dann wollen wir mal“, sagte Lex und schwang sich von seinem Pferd. „Ich werde mit Montano ein Spielchen machen, wenn er anwesend sein sollte. Und ihr habt nur dafür zu sorgen, daß die Geschichte mit Taifun unter die Leute kommt.“ Little Joe ging an der Reihe der Pferde entlang und hatte bald den Falben entdeckt. „Einer der Kerle ist jedenfalls im Zelt“, sagte er zu Hoss. Im Zelt waren mehrere Paare zu einem Rundtanz angetreten, dazu wimmerte die Geige in Begleitung des Klaviers, und der Banjomann schlug den Takt dazu. Der Geiger gab die Kommandos, damit sich die Paare lösten und sich Hand über Hand im Kreis fortbewegten, bis der alte Partner wiedergefunden war. Lex und die Brüder blieben im Zelteingang stehen. „Ihr müßt mir diesen Montano schon zeigen“, sagte Lex und ließ seinen Blick über die Menge wandern. „Okay“, nickte Little Joe. „Du hast ihn gerade vor der Nase.“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf einen großen, schlanken Mann mittleren Alters, der neben dem Eingang zu dem abgeteilten Raum stand, in dem gespielt wurde. Er trug einen grauen Reitanzug mit langem Jackett und ein weißes Hemd mit schwarzer Hängeschleife. Sein schwarzes Haar war sorgfältig gescheitelt. Die kühn gebogene Nase und die rötlichgelbe Haut ließen darauf schließen, daß Montano ohne Zweifel indianischer Abstammung war. Lex äußerte diese Feststellung, erfuhr aber von Hoss, daß Montano stets erklärte, er sei spanischer Abstammung.
„Nein, nein, dafür habe ich einen Blick“, erwiderte Lex. „Der Kerl ist ein Halbblut. Ich möchte wetten, sein Urgroßvater war noch ein reinrassiger Indianer.“ Montano hatte in diesem Augenblick die Cartwrights gesehen. Er blickte zu ihnen herüber, um dann eilig hinter der Zeltplane des Spielsalons zu verschwinden. Lex hatte es bemerkt. „Eine ganz saubere Weste hat der Bursche nicht“, meinte er. „Er war direkt überrascht, euch zu sehen.“ Sie drängten sich an den Tanzenden vorbei zu der aus rohen Brettern errichteten Bartheke und stießen dort auf Steve Collins. Steve war ein stämmiger blonder Bursche. Er war mit den Cartwrights befreundet, und bei dem Versuch, einen alten Goldgräber vor dem Überfall einer Bande zu retten, wäre es Little Joe und ihm beinahe schlecht ergangen. Steve machte gerne ein Spielchen. So wunderte es Little Joe, ihn an der Theke vorzufinden. „Sie haben mich bereits ausgenommen“, erklärte Steve Collins. „Zuerst lassen sie einen natürlich gewinnen, aber dann haben sie immer die höheren Karten in der Hand. Ich bin überzeugt, die Kerle arbeiten mit verschiedenen Tricks. Manchmal hatte ich ein Blatt, das war normalerweise gar nicht zu übertrumpfen, und trotzdem legten sie mich herein.“ „Das ist ja interessant“, meinte Lex, nachdem ihn die Cartwrights als Reiter für die Ponderosa vorgestellt hatten. „Das muß ich mir einmal ansehen. – Laßt euch nicht stören, Jungs.“ Damit stiefelte er auf seinen krummen Reiterbeinen dem Spielsalon zu. „Komischer Kerl“, sagte Steve Collins und starrte auf Little Joes verbundenen rechten Arm. „War er es, der dich in der Höhle fand?“
„Woher weißt du denn das?“ fragte Hoss. „Von Cora Orton natürlich“, erwiderte Steve Collins. „Sie hat mir alles erzählt. Und was macht ihr ohne Taifun? – Wißt ihr überhaupt, wer die Kerle waren?“ Little Joe erklärte es ihm und hielt auch nicht mit der Vermutung hinter dem Berg, daß hier nur Montano seine Hand im Spiel habe. „Kennst du einen Burschen, der einen Falben reitet?“ Steve Collins schüttelte den Kopf. „Ich könnte mich morgen aber mal umsehen.“ „Er muß hier im Zelt sein“, sagte Little Joe. Collins bestellte drei Bier, und während sie tranken, trat ein Mann an die Theke, der seinen rechten Arm in einem Verband trug. Hoss erkannte in ihm einen Siedler, der vor etwa vierzehn Tagen mit einem Treck in den Süden des Landes aufgebrochen war. Hier war das Land von der Regierung zur Besiedlung freigegeben worden. Es handelte sich um ein idyllisches Tal mit guten Weiden. Es grenzte zwar an die Reservation der Paiute-Indianer, aber der Regierungsvertreter, der die Landzuteilung vornahm, hatte erklärt, mit den Paiutes wäre ein Abkommen getroffen worden. Er könne garantieren, daß ihnen von den Indianern keine Gefahr drohe. Hoss redete ihn an und erfuhr zu seiner größten Überraschung, daß der Treck einige Meilen vor seinem Bestimmungsort von Indianern überfallen worden war. „Das gibt es doch gar nicht“, wandte Little Joe ein. „Die Paiutes sind friedfertig.“ „Ja, das haben wir auch geglaubt“, erwiderte der Siedler. „Wir waren völlig arglos, als wir die Rauchzeichen über den Bergen sahen, und dann gingen wir ihnen in die Falle. In einem Canon warteten sie auf uns. Von den zwölf Familien ist niemand mehr am Leben. Die Pferde und
Ausrüstungsgegenstände brachten sie fort und verbrannten die Wagen. Dann verwischten sie alle Spuren des Überfalls. Ich bin ihnen nur durch einen Zufall entwischt.“ Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. „Aber den Kerl, der uns das Land andrehte, den werde ich zur Verantwortung ziehen. – Und noch eines: Die Indianer waren zum größten Teil mit Gewehren bewaffnet.“ „Das kann ich nicht glauben“, erwiderte Hoss. „Mein Vater ist mit dem Grauen Wolf gut bekannt. Woher sollten die Indianer Gewehre haben?“ Wortlos zog der Mann seinen Arm aus der Schlinge und schob den Verband beiseite. „Hier, das ist Gott sei Dank ein glatter Durchschuß, und den verpaßte mir ein Indianer.“ „Und was wollen Sie jetzt tun?“ „Ich werde mich in der Bezirksstadt mit dem Regierungsvertreter unterhalten“, erwiderte der Siedler aufgebracht. „Er hat uns das Land zugewiesen, und wir haben es in Golddollars bezahlt.“ Little Joe runzelte die Stirn. „Bezahlt? – Das Land, das die Regierung zur Besiedlung freigibt, ist immer kostenfrei. Das müßten Sie doch wissen.“ „Aber uns hat man blanke Dollars abgenommen. Glauben Sie, ich mache Ihnen etwas vor?“ „Schon gut“, sagte Little Joe. „Ich glaube Ihnen, aber mir ist das unverständlich. Es kann nur sein, Sie sind einem Schwindler aufgesessen. Ich habe natürlich die Anschläge überall gelesen und war von ihrer Richtigkeit überzeugt, aber einen solchen Aufruf über freies Siedlungsgelände kann man für wenige Cents in jeder Druckerei anfertigen lassen.“ „Der Gedanke ist mir zwar noch nicht gekommen“, antwortete der Siedler. „Jedenfalls wird sich das bei meinem Besuch in der Bezirksstadt herausstellen, und dann werde ich den Kerl finden.“
„Kannst du das verstehen?“ fragte Little Joe, als der Mann gegangen war. „Vor einem Monat war der Graue Wolf noch auf der Ponderosa. Er ist der Oberhäuptling über alle Zweigstämme der Paiutes. Er würde niemals zulassen, daß einer seiner Unterhäuptlinge Befehl dazu gibt, die Siedlertrecks zu überfallen.“ Hoss schüttelte den Kopf. „Niemals! Aber wie kommen die Indianer an die Gewehre?“ „Das möchte ich auch wissen. Wer die Indianer mit Schußwaffen beliefert, riskiert einige Jahre Zuchthaus. Die Behörden sind da sehr streng. Das wird sich mancher überlegen, der mit ihnen Geschäfte machen möchte.“ Little Joe sah nachdenklich vor sich hin. „Vielleicht sind es Waffen, die sie den Siedlern abnahmen.“ „Also, daß sie Gewehre besitzen, habe ich schon vor einigen Wochen gehört“, mischte sich Steve Collins in die Unterhaltung. „In den Bergen südlich der neuen Siedlung ist eine Digger-Gruppe, die dort nach neuen Schürfmöglichkeiten suchte, auch von Indianern überfallen worden. Auch sie sollen mit Schußwaffen angegriffen haben. Die Digger berichteten, daß viele Siedler ihr zugewiesenes Land im Stich ließen und nach Westen weiterzögen.“ „Ich muß mal mit Pa darüber sprechen. Vor allem muß der Sheriff verständigt werden. Wenn es wirklich so ist, darf man keine Trecks in dieses Gebiet leiten.“ Little Joe trank sein Glas aus. „Nein, der Graue Wolf wird niemals gegen die Siedler vorgehen, weil er genau weiß, daß ihm sofort die Armee auf den Pelz rückt. Was nützen ihm da einige Gewehre?“ „Eben“, nickte Hoss. „Und die Armee räumt viel zu gründlich auf. Das haben die Indianer oft erfahren.“ Einige Cowboys drängten sich an die Theke. Ihr Gesprächsthema war das Derby. Durch Steve Collins und Cora Orton hatten sie bereits von dem Überfall auf Joe Cartwright
erfahren, und so erkundigten sie sich, was eigentlich genau geschehen war. Little Joe erklärte es ihnen ziemlich laut, so daß es auch die Umstehenden hören mußten. Einer, von dem er genau wußte, daß der Kerl zur Hollers-Ranch gehörte, kam interessiert näher. Auf seinem Gesicht stand ein schadenfrohes Grinsen. Offenbar war er über alles informiert, oder er gehörte sogar zu den Burschen, die den Überfall verübt hatten. Joe mußte sich beherrschen, um ihn nicht in das frech lächelnde Gesicht zu schlagen. Na, er würde bald sehen, wie der Mann reagierte. „Dann habt ihr also nur noch Sandra im Rennen?“ fragte einer der Cowboys. „Nein, wieso?“ Little Joe lächelte in die Runde. „Ich vergaß euch zu sagen, daß Taifun längst wieder da ist. Kurz vor Dunkelheit kam er zur Ponderosa gelaufen. Er muß sich irgendwo losgerissen haben. Seine linke Hinterhand war verletzt. Vermutlich keilte er in seinem Gefängnis aus und verletzte sich dabei.“ Dem Hollers-Cowboy erstarb das Lächeln auf dem Gesicht. Mit offenem Mund starrte er die Cartwrights an, dabei trat plötzlich etwas wie Furcht in seine Züge. Langsam zog er sich zurück und verließ eilig das Zelt. „Los, behaltet ihn im Auge“, flüsterte Little Joe. „Vermutlich reitet er zur Hollers-Ranch, um dort die Neuigkeit loszuwerden. Kommt ihr nicht vorher zurück, treffen wir uns dort. Ich kümmere mich um Montano.“ Steve Collins sah ihn zwar verständnislos an, aber er folgte Hoss, der bereits dem Zeltausgang zustrebte. Little Joe war gespannt, was jetzt geschehen würde. Er grinste in sich hinein. Der Trick des Schnauzbärtigen lief an, und man würde sehen, was dabei herauskam. Aber jetzt mußte er sich um Lex und Montano kümmern.
In dem kleinen Raum, der durch Zeltplanen vom Großzelt getrennt war, hingen große Petroleumlampen von der Decke. Sie beleuchteten drei Spieltische, die von Schaulustigen umlagert wurden. Aus dem Großzelt klangen das Hämmern des Klaviers und das Wimmern der Geige nur dünn herüber. Ab und zu hörte man das rhythmische Händeklatschen der Tanzpaare. An einem Tisch wurde gepokert. Montano hielt die Bank. Little Joe trat näher. Unter den Männern, die an diesem Tisch saßen, sah er Lex. Er saß Montano gegenüber. Offenbar hatte der Schnauzbärtige gewonnen, denn eine ansehnliche Zahl von Dollarscheinen lag vor ihm auf dem Tisch. Die Situation änderte sich aber sehr bald. Als Lex die Hälfte des Geldes verloren hatte, wollte er aufhören, doch Montano zog ihn auf den Stuhl zurück. „Bleiben Sie doch, Mister! – Ich setze die doppelte Summe, die ich gewonnen habe, gegen das, was vor Ihnen auf dem Tisch liegt.“ Montano lächelte freundlich. „Ich gebe zu, Sie hatten etwas Pech, aber das kann sich sehr schnell ändern.“ Lex warf Little Joe einen Blick zu, dann nahm er die Karten und ließ sie durch die Hand gleiten. „Ja, bitte, Sie können mischen“, forderte Montano und schob alles Geld, das vor ihm lag, in die Tischmitte. Der Schnauzbärtige legte sein mageres Häufchen dazu und verlangte ein neues Kartenspiel. Montano sah zwar etwas verwundert drein, doch dann nahm er ein neues Kartenspiel aus der Schublade des Tisches und brach das Siegel auf. Er schob es Lex zu, der die kleinen Werte mit flinken Fingern aussortierte. Little Joe war gespannt, was jetzt geschehen würde. Er war auf eine Überraschung gefaßt, denn das Gesicht des Schnauzbärtigen sah fast fröhlich aus. Er mußte seiner Sache sehr sicher sein.
Lex kaufte fünf Karten und dankte, so wie es vorher ausgemacht worden war. Montano kaufte, deckte auf und hatte verloren, als Lex langsam seine Karten herumdrehte. Der Schnauzbärtige hatte alle Asse in seinem Blatt. Auch Montanos Blatt war sehr hoch, aber es langte nach den Spielregeln nicht. Lex packte seinen Gewinn zusammen, wobei ihn Montano forschend betrachtete. Er machte sich über den Spielausgang Gedanken. Das sah man an seinem Gesicht. Er wollte einfach nicht glauben, daß er verloren hatte. Plötzlich schien er zu einem Entschluß zu kommen. Er gab seinen Leuten einen Wink, und zwei bullige Kerle nahmen neben der Tür Aufstellung. „Der Spielsalon ist geschlossen“, gab Montano bekannt. „Räumen Sie das Zelt!“ Etwas widerwillig erhoben sich die Männer von den Tischen und gingen hinaus. Little Joe wartete auf Lex und wollte mit ihm zusammen den Raum verlassen, aber die beiden Kerle versperrten ihnen den Weg. „Moment“, sagte einer von ihnen. „Der Boß hat mit euch zu sprechen.“ Montano hatte inzwischen das alte Kartenspiel vom Tisch genommen, und Little Joe beobachtete, wie er es durchzählte. Ein breites Grinsen trat auf sein Gesicht. Lex, der sich an den Männern vorbeidrängen wollte, sah plötzlich in die Mündung eines Colts. „He, was soll das heißen?“ fragte der Schnauzbärtige. Der Mann mit dem Colt grinste. „Du bleibst hier, Freundchen.“ „Und warum, wenn ich fragen darf?“
„Ja, das möchte ich auch wissen“, sagte Little Joe und trat neben den Schnauzbärtigen. „Vielleicht, weil er das Spiel gewann?“ „Das wird euch der Boß sagen“, knurrte der Mann mit dem Colt. Montano kam um den Tisch herum. „Sie können gehen, Cartwright, aber der Kerl bleibt hier, oder er legt seinen Gewinn auf den Tisch. Er ist nämlich ein Falschspieler.“ „Langsam, langsam“, erwiderte Lex ruhig. „Das müssen Sie mir zuerst einmal beweisen.“ „Kleinigkeit“, lächelte Montano böse und nahm das Kartenpäckchen vom Tisch. „Als Sie die alten Karten durchblätterten, bevor Sie das neue Spiel verlangten, ließen Sie aus dem alten Spiel drei Asse verschwinden. Diese Asse legten Sie mit auf, und nur deshalb haben Sie gewonnen. Also, heraus mit dem Geld!“ „Moment“, wandte Lex ein. „Demnach müßte also das neue Spiel drei Karten mehr haben. Ich würde also mal nachzählen, denn Sie nahmen mir die Karten ab, nachdem ich gewonnen hatte.“ „Ja, das stimmt“, nickte Little Joe. „Halten Sie sich da heraus, Cartwright“, fuhr ihn Montano an. „Außerdem dürfte das sehr schnell festzustellen sein.“ Er ging zum Tisch und zählte die anderen Karten. Das tat er mehrere Male, um die Karten schließlich ärgerlich auf den Tisch zu werfen. „Nun?“ fragte Lex und grinste in seinen Schnauzbart. „Kann ich jetzt gehen?“ „Er muß die Karten noch bei sich tragen“, erklärte Montano und wandte sich an einen seiner Leute. „Los, hole Richter Rickers. Er sitzt im Tanzsaal.“ Einer der Männer ging hinaus.
Little Joe wußte nicht, was er von allem halten sollte. Montano mußte seiner Sache sehr sicher sein, wenn er den Richter bemühte. Richter Rickers, ein grauhaariger Mann, trat bald darauf ein. Er trug einen schwarzen Straßenanzug mit buntfarbener Seidenweste. Durch die Gläser seiner Nickelbrille musterte er die Anwesenden kurz und wandte sich dann Montano zu. „Um was geht es hier, meine Herren?“ „Ich möchte in Ihrer Gegenwart eine Leibesvisitation bei diesem Mann vornehmen lassen“, sagte Montano. „Der Kerl ist ein Falschspieler.“ „Und ich möchte das von diesem Herrn behaupten“, lächelte Lex. „Das ist eine Unverschämtheit!“ Montano bekam einen roten Kopf. „Euer Ehren werden entschuldigen, aber ich muß auf einer Leibesvisitation bestehen. Ich hätte mir mit der Waffe das Recht dazu nehmen können, aber das geht gegen meine Überzeugung. Ich möchte nur mein Recht.“ Er erklärte dem Richter, was er vermutete. Rickers fixierte Lex durch seine Nickelbrille. „Wenn Sie die Karten haben, legen Sie sie auf den Tisch“, forderte er. „Es ist noch keine Anklage gegen Sie erhoben worden, und Mr. Montano wird vermutlich auch keine erheben. Sie kommen mit einer Ordnungsstrafe davon. – Also?“ Er sah Little Joe an. „Was machen Sie denn hier, Cartwright?“ „Das ist unser neuer Zureiter, Euer Ehren“, erwiderte Joe. „Was Mr. Montano behauptet, kann nicht stimmen. Ich verbürge mich für den Mann.“ Rickers tat eine abwehrende Handbewegung. „Packen Sie Ihre Taschen aus!“ Der Schnauzbärtige kam dieser Aufforderung sofort nach, und dann erhielt einer von Montanos Leuten den Auftrag, ihn
zu durchsuchen. Der Mann tat das lange und gründlich, aber ohne Erfolg. Montano beobachtete es mit zusammengekniffenen Augen. „Nun?“ fragte Lex, während er seine Sachen wieder einsteckte. „Wer ist nun ein Falschspieler?“ „Das geht nicht mit rechten Dingen zu, Euer Ehren“, erklärte Montano aufgeregt. „Bei mir schon“, erwiderte Lex und wandte sich an den Richter. „Warum suchen Sie die Karten nicht bei ihm? Die drei Asse, mit denen er mich hereinlegen will, stecken nämlich in seiner rechten Jackettasche. – Bitte, sehen Sie nach!“ Als sich niemand rührte, trat Lex blitzschnell vor, bekam Montano am Revers seines Jacketts zu fassen und zog ihm die drei Spielkarten aus der Tasche. Er warf sie vor dem Richter auf den Tisch. „Hier sind sie!“ Montano war kreidebleich geworden; seine Hand fuhr zur Waffe, aber da hatte Little Joe bereits seinen Colt aus dem Halfter. „Lassen Sie die Waffe stecken, Montano!“ „Und das würde ich euch auch raten“, sagte Lex. Er hielt seine Colts auf Montanos Männer gerichtet. „Die Revolver weg, Leute!“ Rickers hob beschwörend die Hände. „In meiner Gegenwart wird nicht geschossen. Ich muß Sie sonst mit einer Ordnungsstrafe belegen.“ „Sollen wir uns von ihnen abknallen lassen?“ fragte Little Joe aufgebracht. „Montano griff zuerst zur Waffe.“ Lex schob seine Colts in den Gürtel. „Ich denke, damit dürfte alles geklärt sein“, meinte er. „Komm, Junge!“ Die Männer an der Tür traten zur Seite, als Little Joe und Lex den Raum verließen. Draußen schwangen sich die Freunde eilig in den Sattel und preschten zur Stadt hinaus. Erst an den Horse Rocks hielt Little Joe sein Pferd an. Da von dieser Felsengruppe aus das Gelände
gut zu beobachten war, schlug er vor, hier auf etwaige Verfolger zu warten. Es war ihm klar, Montano würde diese Schlappe niemals ohne einen Gegenschlag hinnehmen. Außerdem konnte man von diesem Punkt aus den Weg zur Hollers-Ranch einsehen. Es war durchaus möglich, daß Hoss und Steve Collins zurückkamen, wenn sie Taifuns Versteck ausfindig gemacht hatten. Lex war damit einverstanden. Sie führten die Pferde hinter eine Felswand und ließen sich auf einem Felsvorsprung nieder. Die Nacht war hell und klar. Unter ihnen lagen der Weg zur Stadt und die Weggabelung zur Hollers-Ranch und zu der Ponderosa. „Es war eine Unverschämtheit, dich mit den drei Assen hereinlegen zu wollen“, sagte Little Joe. „Na, Pa wird mir natürlich gehörig den Kopf waschen, wenn er von Rickers erfährt, daß ich den Colt zog.“ „Junge, dafür kann ich dir nur danken“, meinte Lex. „Ich glaube, ich säße jetzt nicht neben dir. Er schäumte geradezu vor Wut, aber das war auch verständlich. Normalerweise kann man aus einer leeren Tasche nichts herausholen.“ Little Joe sah ihn verständnislos an. „Bald wäre die Sache noch schiefgegangen“, fuhr Lex lachend fort. „Als ich ihm die Spielkarten in die Tasche schob, wären sie mir beinahe aus der Hand gerutscht.“ „In die Tasche schob?“ fragte Little Joe gedehnt. „Wie meinst du das?“ „Ganz einfach“, erklärte der Schnauzbärtige. „Als er mich zu der letzten Runde aufforderte, wußte ich genau, er wollte mich hereinlegen. Ich hatte längst bemerkt, daß er mit Tricks beim Kartengeben arbeitete. Da blieb mir nichts anderes übrig, als ihn hereinzulegen, denn ich wollte meinen und Steve Collins’ Verlust zurückholen.“
Little Joe begriff langsam. „Dann hattest du tatsächlich die drei Asse aus dem anderen Spiel?“ „Ja, was denn sonst?“ lachte Lex. „Er ahnte das aber nicht, und so gab er sich nicht einmal die Mühe, ein besonders hohes Blatt auf den Tisch zu zaubern. Es war aber immerhin so hoch, daß ich ohne die Asse verlieren mußte. Ich habe ihn also mit seinen eigenen Waffen geschlagen.“ „Dann stimmte alles, was er sagte?“ fragte Little Joe, der das alles noch nicht glauben konnte. „Natürlich“, grinste Lex. „Er hatte meinen Trick nur etwas zu spät durchschaut und wußte nicht, was noch kommen würde. Als sie mich durchsuchten, hatte ich die Spielkarten in der Hand und tat später so, als hätte ich sie Montano aus der Tasche gezogen.“ „Ich werde verrückt“, stöhnte Little Joe. „Dabei hätte ich für deine Ehrlichkeit die Hand ins Feuer gelegt.“ „Das sollte man nie tun“, antwortete Lex. „Besonders nicht für Leute, die man erst einige Stunden kennt. Merke dir das, mein Junge.“ Er hob die Hand und deutete nach unten. Dort tauchten auf dem Weg zur Hollers-Ranch zwei Reiter auf. Es waren Hoss und Steve Collins. Sie zügelten ihre Pferde, als Little Joe den Erkennungspfiff ausstieß. Dann trabten sie über den kleinen Pfad bergan. Hoss berichtete, was inzwischen geschehen war. Nachdem sie dem Mann bis zur Hollers-Ranch gefolgt waren, hatten sie sich in dem Hohlweg bei den unteren Weiden auf die Lauer gelegt. Von dort sei die Ranch gut zu beobachten gewesen. Der Kerl wäre sofort im Haus verschwunden und nach kurzer Zeit mit einem anderen Burschen wieder aufgetaucht. Dann seien sie in die Berge geritten. „Und dort brauchen wir nicht lange zu suchen“, beendete Hoss seinen Bericht. „Es gibt da nur eine Möglichkeit, ein Pferd zu verstecken, und das sind die EagleHöhlen.“
Der Ansicht war Steve Collins auch. Er erbot sich, bei Anbruch der Morgendämmerung die Hollers-Ranch weiter zu beobachten. Erfreut war er, als ihm Lex das Geld aushändigte, das ihm im Spielsalon abgenommen worden war. Dann trennte man sich, und Lex ritt mit den Cartwrights zur Ponderosa zurück.
Zwischenfall bei den Eagle Rocks
Am anderen Morgen beim Frühstück berichtete Little Joe dem Vater, was sie in der Zeltstadt Montanos erlebt hatten. Ben Cartwright war darüber nicht sehr erfreut. Er meinte, man habe sich mit Montano nicht auf ein Spiel einlassen sollen. Der Mann werde sich nun bestimmt auf eine unberechenbare Weise zu rächen versuchen. „Damit haben Sie und Ihre Söhne nichts zu tun, Mr. Cartwright. Ich machte das Spiel, weil ich ihn aus seiner Reserve herauslocken will“, erklärte Lex. „Er soll wissen, daß ihm jemand auf die Finger sieht. Jedenfalls wissen wir jetzt, wo wir Taifun wahrscheinlich finden werden, nämlich in den Eagle-Höhlen, und wenn diese Rechnung stimmt, haben wir ihn bald zurück.“ „Dazu kann ich euch nur Glück wünschen“, erwiderte Ben Cartwright. „Laßt euch aber auf keine Schießerei ein.“ „Keine Sorge, Pa!“ Little Joe schob seinen Teller beiseite und meinte zu Hoss: „Na, bis du fertig bist, werde ich mich schon mal um die Pferde kümmern. – Sind die Wasserflaschen gefüllt, Hop Sing?“ „Alles feltig, Mistel Joe“, dienerte der Chinese. „Ich machen plima, plima Tee mit Whisky. – Sie vielleicht einmal mitkommen in Küche?“ „Und warum?“ fragte Little Joe und folgte dem Chinesen. „Um was geht es denn?“ „Um meine Eichhölnchen.“ Hop Sing blieb vor dem Drahtkäfig stehen. „Ich sie jetzt haben schon lange Zeit, abel sie niemals splechen.“ „Sprechen?“ Little Joe runzelte die Stirn.
„Ja“, nickte Hop Sing. „Sie vielleicht etwas vellückt gewolden?“ „Weil sie nicht sprechen?“ „Nein, weil sie jetzt splechen“, erwiderte der Chinese und nickte eifrig dazu. „Ja, bestimmt, Mistel Joe. Sie sagen: ,Guten Molgen, Hop Sing!’“ In diesem Moment kamen Hoss und Lex an der Küche vorbei. Joe rief sie herein und meinte, Hop Sing habe ihnen etwas zu sagen. Er wolle sich inzwischen um die Pferde kümmern. Es war ihm zu dumm, sich mit Hop Sing über sprechende Eichhörnchen zu unterhalten. Er war noch beim Satteln, als Hoss und Lex aus dem Haus kamen. „Nun, was ist mit den sprechenden Eichhörnchen?“ grinste Little Joe. „Bei Hop Sing kann doch nur eine Schraube los sein – oder?“ „Weißt du, Joe, dann muß bei mir auch eine los sein“, sagte Hoss und sah seinen Bruder unsicher an. „Ich habe es nämlich auch gehört. Eines von den beiden sagte klar und deutlich: ,Guten Morgen, Mr. Hoss!’ – Es kannte mich sogar.“ „He, bist du verrückt geworden?“ Little Joe schob seinen Hut ins Genick. „Du willst mir weismachen, es gibt sprechende Eichhörnchen? – Hat es Lex auch gehört?“ Der Schnauzbärtige schüttelte den Kopf. „Ich wundere mich nur, denn ich habe nichts gehört.“ Trotzdem blieb Hoss bei seiner Behauptung und wurde schließlich sogar ärgerlich, als ihn Lex und Little Joe auslachten. „Aber Hop Sing hat es doch auch gehört“, führte er an. „Wir können uns doch nicht beide verhört haben.“ „Aber Lex hat es nicht gehört“, lachte Little Joe. „Und er hat doch gleich daneben gestanden. Kommt dir das nicht komisch
vor?“ Er tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. „Du kannst doch nicht normal sein.“ Etwas verstimmt schwang sich Hoss auf Paiute, und auch Lex und Little Joe stiegen auf ihre Pferde. „Sei nicht böse, Brüderchen“, lenkte Little Joe ein. „Aber du bist deiner ungewöhnlichen Phantasie zum Opfer gefallen. Dadurch, daß Hop Sing erklärte, er habe die Tiere sprechen gehört, hörtest du es auch.“ „Ich gebe zu, es ist etwas ungewöhnlich“, erwiderte Hoss mit beleidigter Miene. „Aber ich hörte es ganz deutlich.“ „Sprechen wir nicht mehr davon“, sagte Little Joe. „Wenn die Eichhörnchen morgen noch sprechen, gebe ich gerne zu, dich verkannt zu haben. Ich muß es aber selbst hören.“ Auf dem Weg zur Hollers-Ranch kam ihnen Steve Collins bereits entgegen. Er berichtete, die beiden Männer, die gestern abend fortritten, seien heute morgen ohne Taifun zurückgekommen. „Dann haben sie sich nur davon überzeugen wollen, ob das Pferd noch in dem Versteck war“, überlegte Little Joe, und Lex stimmte ihm zu. Zehn Minuten später hatten die vier Reiter die Paßstraße erreicht und schlugen den Weg ins Gebirge ein. Jetzt kam ihnen wieder Lex’ Fähigkeit als Fährtensucher zugute. Da die Männer gestern auch bei Dunkelheit losgeritten waren, mußte das Versteck Taifuns leicht zu finden sein. Der Schnauzbärtige hockte vornübergebeugt im Sattel und ließ den Blick nicht vom Boden. „Die Burschen sind hier nach Süden abgebogen“, berichtete Lex, als sie die Gabelung an der Paßstraße erreicht hatten. „Du hattest recht, Hoss, die Spuren führen geradewegs zu den Eagle Rocks.“ Lex trieb sein Pferd wieder an, und die anderen folgten ihm. Als sie eine Steigung überwunden hatten, lag das
Felsengebirge der Eagle Rocks direkt vor ihnen. Im Galopp preschten die Reiter zum Fuße des Bergmassivs. Dann stieg Lex aus dem Sattel und nahm sein struppiges Indianerpferd am Zügel. Das Versteck konnte jetzt nicht mehr weit sein. Es mußte sogar ohne Schwierigkeiten erreicht werden können, sonst hätten es die Kerle bei Dunkelheit nicht aufgesucht. Von diesem Gedanken ging Lex bei der Suche aus. Hier im felsigen Gelände war das Auffinden einer Spur schon schwieriger. Lex achtete auf die kleinsten Anzeichen. Nach etwa einer Stunde war der Fuß des Gebirges erreicht. Eine schmale Schlucht zog sich in den Berg. Bald standen die Reiter zwischen hohen Felswänden. Irgendwo rauschte ein Gebirgsbach durch die Felsen. Auf der gegenüberliegenden Felswand waren Einschnitte von Höhlen zu erkennen. Little Joe sah nicht sehr glücklich aus. „Wären wir den Kerlen doch nur gestern abend noch gefolgt, dann brauchten wir jetzt nicht lange zu suchen.“ Mit dieser Ansicht stimmte Lex nicht überein. Er meinte, eine Verfolgung bei Dunkelheit sei mit erhöhter Gefahr verbunden. Deshalb habe er das überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Hoss stimmte ihm zu. „Hufschlag ist in der Nacht besonders gut zu hören. Sie hätten uns sofort bemerkt und uns irgendwo erwartet.“ „Aber wie sollen wir das Pferd hier finden?“ fragte Little Joe. „Willst du die Höhlen absuchen?“ „Nicht notwendig“, erklärte der Schnauzbärtige. „Ihr müßt nur die Augen aufmachen. Seht ihr drüben die Einschnitte in den Felsen? Von allen ist nur einer von ihnen mit Buschwerk bewachsen.“ „Ja, stimmt“, nickte Joe. „Und dieses Buschwerk wurde am Lasso hinter einem Pferd hergeschleift“, fuhr Lex fort. „Die Schleifspuren sind sogar
von hier aus deutlich zu erkennen. Mit dem Buschwerk ist das Versteck Taifuns getarnt und die Höhle verschlossen worden. – Kommt, sehen wir nach!“ Lex ritt voraus, und die anderen folgten ihm. Beim Näherkommen erkannte man die Tarnung deutlich. Hoss und Steve Collins räumten das Buschwerk beiseite, und der Einschnitt zu einer kleinen Höhle tat sich vor ihnen auf. Im Halbdunkel der kleinen Felsenkammer, die von oben durch Felsrisse Licht erhielt, fanden sie den Hengst. Man hatte ihm Fußfesseln angelegt, so daß er sich nicht bewegen konnte. Beim Eintritt der Männer wieherte er schrill auf. Little Joe befreite Taifun von den Fußfesseln und führte ihn hinaus. Das Tier war in schlechter Verfassung. Seine Gelenke waren geschwollen, weil er durch die Fesselung nicht genügend Bewegungsfreiheit besessen hatte. „Ich könnte die Kerle umbringen“, stieß Little Joe wütend hervor. „Was muß das arme Tier für Qualen ausgestanden haben.“ „Er braucht zuerst einmal Wasser“, sagte Hoss. „Wir bringen ihn zum Bach. Ihr könnt schon vorausreiten. Steve und ich kommen langsam nach. Wir müssen Taifun schonen.“ Sein Bruder war damit einverstanden. „Der Vorschlag ist gar nicht schlecht. Sollten Montanos Leute auf dem Weg hierher sein, können wir sie unterwegs abfangen.“ Und grimmig fügte er hinzu: „Hoffentlich ist der Kerl mit dem Falben dabei. Den kaufe ich mir auf jeden Fall.“ Während sich Joe und Lex in den Sattel schwangen und die Schlucht verließen, machten sich die beiden Freunde mit den Pferden zum Gebirgsbach auf. Sie waren aber noch nicht weit in die Schlucht vorgedrungen, als plötzlich ein Schuß fiel. Das Projektil pfiff nahe an ihnen vorbei.
Sofort zerrten die Männer die Pferde hinter eine Felswand und nahmen zwischen den Felsblöcken am Rande des Weges Deckung. „Der Schuß kam von drüben“, sagte Steve Collins. Er richtete sich auf und spähte zu einigen großen Felsblöcken hinüber. „Der Kerl muß dort zwischen den Felsen liegen.“ Als sich nichts weiter tat, sprang Collins auf und rannte auf die Felswand zu, hinter der die Pferde standen. Er erreichte sie auch, riß sein Gewehr aus dem Sattelfutteral und wollte zurück, aber da peitschte ein zweiter Schuß auf. Das Pfeifen des Projektils war diesmal so nahe, daß er instinktiv den Kopf einzog und mit einem Hechtsprung neben Hoss landete. „Bleib liegen“, fuhr Hoss ihn an. „Anders können wir in diesem Falle nichts tun.“ Pferdegetrappel näherte sich. Der Dicke hob lauschend den Kopf. „Ich glaube, Little Joe und Lex kommen zurück. Sie müssen die Schüsse gehört haben.“ So war es auch. Als Hoss’ Bruder und Lex die Schüsse hörten, rissen sie die Pferde sofort herum und preschten zurück. Sie drangen einige Meter in die Schlucht vor und sprangen dort hinter einer Felswand von den Pferden. Little Joe riß sein Gewehr aus dem Sattelfutteral und war mit einem schnellen Sprung hinter dem nächsten Steinblock. Die Schlucht vor ihm war leer. Sofort war Lex neben ihm. „Ich sehe sie nicht“, sagte Little Joe erregt. „Es waren zwei Schüsse. Hoffentlich hat man sie nicht erwischt.“ „Sie sind in Deckung gegangen.“ Lex hob den Kopf, aber auch er konnte nicht feststellen, wo sich Hoss und Collins befanden. „Können es Montanos Leute sein?“ Little Joe hob die Schultern.
„Wir müssen zuerst einmal feststellen, wo die Burschen sitzen“, fuhr Lex fort. „Sie werden sofort schießen, wenn sich einer von uns zeigt. Gib mir Feuerschutz!“ „In Ordnung! – Los!“ Kaum hatte Lex die Deckung verlassen, wurde auf ihn geschossen. Blitzschnell rollte sich der Drahtige hinter den nächsten Felsblock, um bald darauf mit schnellen Sprüngen hinter dem nächsten in Deckung zu gehen. Wieder wurde der Wechsel von dem unsichtbaren Schützen mit einem Schuß beantwortet. „Noch einen Sprung, dann habe ich ihn“, rief Little Joe. „Es ist nur einer, und er liegt direkt vor uns zwischen den großen Steinblöcken.“ Während sich Lex zu einem neuen Sprung anschickte, hatte Little Joe sein Gewehr auf den ausgemachten Punkt zwischen den Steinblöcken gerichtet. Als dort das Mündungsfeuer aufblitzte, drückte er ab. Donnernd verhallte der Schuß zwischen den Wänden. Die nächsten Sprünge von Lex wurden nicht mit Schüssen beantwortet. Es blieb alles ruhig. Vorsichtig richtete sich Little Joe auf, und weiter unten traten Hoss und Steve Collins zwischen den Felsen hervor. Lex sah plötzlich eine Bewegung zwischen den Steinblöcken, hinter denen der Schütze gelegen hatte, und im gleichen Augenblick preschte auf ungesatteltem Pferd ein Indianer hervor. Kurz vor dem Pfad aber stürzte er vom Pferd und blieb regungslos liegen. Sofort waren die Männer bei ihm. Es war ein Paiute, und in seinem Haarknoten über dem roten Stirnband steckten zwei Adlerfedern, das Zeichen eines Unterhäuptlings. Der Mann hatte eine Schußverletzung an der Schulter und war bewußtlos.
Hoss zog ihm den Tomahawk und das Messer aus dem Gürtel, während Little Joe ein funkelnagelneues Armeegewehr aufhob. Inzwischen hatte Lex dem Indianer das Lederhemd aufgeschnitten und erkannte in der Verletzung eine ungefährliche Fleischwunde. Die würde er überleben. „Es stimmt also, was der Siedler erzählte“, sagte Little Joe, während er das Gewehr betrachtete. „Offenbar hat der Kerl seine ganze Munition verschossen. Wer mag sie nur mit den Gewehren beliefern? Und was erhält der Lieferant dafür?“ „Das sind zwei Fragen auf einmal“, lächelte Lex. „Die erste kann ich nicht beantworten, wohl aber die zweite. Er bekommt Gold dafür.“ „In unserer Gegend ist schon seit Jahren keine Unze Gold gefunden worden“, antwortete Little Joe. „Sogar die Silberminen sind erschöpft. – Nein, das kann ich mir nicht denken.“ „Aber die Indianer wissen Fundstellen. Für sie bedeutet es nichts. Erst durch die Weißen erfuhren sie vom Wert des gelben Metalls, und dadurch wurde es auch für sie ein wertvolles Tauschobjekt.“ „Und diesen Tauschhandel soll der Graue Wolf mitmachen? Er weiß genau, daß der Besitz von Schußwaffen bestraft wird. Mein Vater hat ihn darüber unterrichtet.“ Little Joe warf seinem Bruder einen Blick zu. „Was hältst du davon?“ „Jedenfalls hat er ein Gewehr“, antwortete Hoss. „Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“ Der Indianer regte sich plötzlich und sprang dann auf die Beine. Er tastete an seinen Gürtel, um zum Messer zu greifen. Als er feststellte, daß man ihn entwaffnet hatte, stürzte er sich wie wild auf die Männer. Lex streckte ihn mit einem Faustschlag zu Boden und band ihm die Hände mit einem
Riemen auf den Rücken. „So eine Giftnatter“, stieß er ärgerlich hervor. „Und was machen wir nun mit ihm?“ fragte Hoss. „Wir nehmen ihn mit“, erwiderte sein Bruder. „Pa soll sich mal mit ihm unterhalten. Vielleicht können wir erfahren, wer ihnen die Waffen liefert.“ „Übergeben wir ihn dem Sheriff, hängen sie ihn zur Abschreckung auf.“ Hoss kratzte sich den Schädel. „Das ist eine verdammt unangenehme Sache. Ich möchte vorschlagen, wir lassen ihn laufen. Dann bekommen wir auch keinen Ärger.“ „Er hat nicht unrecht“, sagte Lex. „Durch die Überfälle auf die Trecks sind die Leute nicht gut auf Indianer zu sprechen. Wir könnten unterwegs Leuten begegnen, die ihn sehen, und das würde bestimmt Ärger geben.“ „Na, schön!“ Little Joe wandte sich an Steve Collins. „Hole sein Pferd her!“ Inzwischen hatte sich der Indianer aufgerichtet und zerrte wütend an seinen Fesseln. Er sah die Männer haßerfüllt an. „Ich glaube, du kannst ruhig mit ihm sprechen“, sagte Lex. „Er versteht alles. Wie sollte er sich sonst mit dem Mann verständigen, der ihnen die Waffen liefert?“ Collins hatte mittlerweile das Indianerpferd herbeigebracht. Little Joe nahm den Tomahawk und das Messer und legte beides vor dem Gefangenen auf den Boden. Während er auf das Pferd deutete, sagte er: „Reite zu den Wigwams der Paiutes. Du bist frei, obwohl wir allen Grund hätten, dich an den nächsten Baum zu hängen.“ Er durchschnitt dem Mann die Fesseln und trat zurück. Mit einem Sprung war der Indianer auf den Beinen, raffte seine Waffen auf und schwang sich auf sein Pferd. In wildem Ritt stürmte er aus der Schlucht. Lachend sahen ihm die Männer nach.
„Mich wundert nur, daß er sein Gewehr nicht verlangt hat“, grinste Hoss. Nachdem Taifun zum Wasser geführt worden war, machte sich die kleine Gruppe auf den Rückweg. Sie ritten einen leichten Trab, um Taifun nicht zu überfordern. Hoss, der die Gruppe anführte, hielt plötzlich sein Pferd an. „He, was ist denn da los? Die Kerle jagen einen Indianer.“ In einiger Entfernung sah mau eine Reitergruppe, die einem Indianer nachjagte, der einen bewaldeten Hügelrücken zu erreichen versuchte. Es dauerte auch nicht lange, da hätten ihn die Verfolger eingekreist und rissen ihn vom Pferd. „Das ist ohne Zweifel der Bursche, den wir freigelassen haben“, sagte Little Joe. „Er muß den Kerlen direkt in die Arme geritten sein.“ „Armer Kerl“, meinte Hoss. „Die hängen ihn bestimmt auf.“ „Das werden sie nicht tun“, erwiderte Little Joe. „Wir haben den Mann freigelassen. Er steht unter unserem Schutz. – Komm, Bill.“ Damit preßte er seinem Schecken die Schenkel an und jagte im Galopp auf die Gruppe zu. Lex folgte ihm, und dann schloß sich ihnen auch noch Steve Collins an. Als sie dort eintrafen, hatten die Männer dem Indianer bereits die Hände auf den Rücken gebunden. Lachend sahen sie den Ankommenden entgegen. Little Joe erkannte George Finlay, einen nicht sehr beliebten Mann in Virginia City. Finlay betrieb in der Nähe des Takoesees eine kleine Ranch. Wer mit ihm Geschäfte machte, mußte immer damit rechnen, übers Ohr gehauen zu werden. „Hallo, Cartwright! – Wir haben den Überfall auf Sie und Ihre Leute beobachtet. Ist Ihnen der Kerl entwischt? Wir waren auf der Paßstraße und wollten Ihnen schon zu Hilfe kommen.“ Finlay deutete auf seine Leute. „Die Jungs nehmen Ihnen die Arbeit ab. Bald wird er die Engel im Himmel singen hören.“
„Wir haben den Mann freigelassen, Mr. Finlay“, antwortete Little Joe. „Und ich möchte nicht, daß ihm etwas geschieht. Er soll bei seinem Stamm erzählen, daß es bei uns nicht nur Indianertöter gibt.“ „Moment, jetzt komme ich nicht ganz mit.“ Auf das Gesicht Finlays trat ein böses Lächeln. „Wir beobachteten, daß dieser Indianer Sie und Ihre Leute mit einem Gewehr beschoß. Stimmt doch?“ „Gebe ich zu“, nickte Little Joe. „Ich habe ihm das Gewehr abgenommen, und das genügt mir.“ „Noch ein Wort, und mir kommen vor Rührung die Tränen, bei so viel Edelmütigkeit“, grinste Finlay, und wütend fuhr er fort: „Sagen Sie, Cartwright, sind Sie verrückt? Sie wissen, daß ab sofort jeder Indianer, der mit einem Gewehr oder einer Feuerschußwaffe angetroffen wird, vogelfrei ist. Sogar der Sheriff ist verpflichtet, einen solchen Kerl ohne Gerichtsbeschluß aufzuhängen.“ „Ja, ein dummes Gesetz“, antwortete Little Joe. „Das alles schürt den Haß gegen die Weißen nur noch mehr. Durch meinen Vater ist mit dem Grauen Wolf ein Abkommen geschlossen worden, daß die Siedler ohne Furcht vor Überfällen ihr Land in Besitz nehmen können.“ „Und was passiert?“ höhnte Finlay. „Sagen Sie, Cartwright, leben Sie auf der Ponderosa auf dem Mond? – Wissen Sie nicht, daß die Überfälle auf Siedlertrecks in der letzten Zeit zugenommen haben? Wissen Sie nicht, daß die Siedler ihr zugewiesenes Land bereits verlassen, weil sie tagtäglich der Bedrohung durch Indianer ausgesetzt sind? Und diese Indianer greifen dazu noch mit Gewehren an. – Dieser Kerl ist einer von den Burschen, und Sie wollen ihn laufenlassen? Hier ist nur Härte am Platz, glauben Sie mir.“ Er wandte sich an seine Leute. „Los, hängt ihn auf!“
Einer der Männer warf ein Lasso über den Ast eines Baumes. Sie zerrten den Indianer unter die Schlinge. „Der Mann steht unter unserem Schutz, Finlay“, sagte Little Joe. „Ich nehme ihn mit zur Ponderosa. Mein Vater wird entscheiden, was mit ihm geschieht.“ „Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Cartwright! – Die Sache ist gleich erledigt, und Sie haben keinen Ärger.“ „Ich bekomme auch so keinen Ärger, Mr. Finlay“, erwiderte Little Joe. „Es bleibt dabei, mein Vater wird darüber entscheiden, was mit ihm geschieht.“ „Hochziehen!“ brüllte Finlay wütend, aber da fielen hintereinander mehrere Schüsse. Es war Lex, der das Lasso durchschossen hatte und jetzt den Colt auf Finlay richtete. „Hörten Sie nicht, was mein Freund sagte? – Mr. Cartwright entscheidet darüber, was mit ihm geschieht.“ „Wie Sie wollen.“ Finlay lächelte böse. „Seien Sie aber versichert, ich bin noch vor Dunkelheit mit dem Sheriff da, und dann wollen wir sehen, wer darüber entscheidet, was mit dem Kerl geschieht.“
Ben Cartwright ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Little Joe, Hoss und Lex, die um den großen Tisch im Wohnraum saßen, blickten betreten vor sich hin. „Gut, ihr habt Taifun gefunden“, sagte Ben Cartwright. „Wunderbar! – Wie kommt ihr aber nur auf den abwegigen Gedanken, mir einen Indianer ins Haus zu bringen?“ „Aber sie wollten ihn aufhängen, Pa“, erwiderte Little Joe. „Das konnte ich unmöglich zulassen. Wie ich dir schon sagte, hatten wir ihn freigelassen. Wir wollten ihn gar nicht mitbringen.“
„Na, schön, es ist geschehen, und daran ist nichts zu ändern. Was machen wir aber, wenn der Sheriff kommt? – Und er wird nicht allein kommen, davon bin ich überzeugt.“ „Kannst du ihm nicht den Vorschlag machen, daß wir ihn ins Reservat bringen?“ schlug Hoss vor. „Du lieferst ihn den eigenen Leuten aus. Der Graue Wolf hat versprochen, daß sein Stamm den Anweisungen der Regierung Folge leistet. Sie können ihn selbst aburteilen.“ „Das wäre eine Möglichkeit“, überlegte Ben Cartwright. „Und gleichzeitig könnte ich den Grauen Wolf noch einmal auf die Abmachungen mit der Regierung hinweisen. Ich bin überzeugt, er weiß nichts von den Überfällen auf die Siedlungen. Seine Unterhäuptlinge sind dafür allein verantwortlich.“ Hop Sing erschien in der Tür. „Mistel Caltwlight, Mistel Caltwlight! – Sheliff kommen und viele Männel. Ich dulch Fenstel sehen.“ „Da, es geht schon los“, sagte Ben Cartwright mit einem bitteren Unterton in der Stimme. „Sie werden auf ihr Recht pochen und die Auslieferung verlangen.“ Kurze Zeit darauf klopfte es, und Sheriff Coffee trat ein. Er war ein schlanker, grauhaariger Mann, dem man ansah, daß ihm dieser Besuch keine große Freude machte. Gleichzeitig mit ihm traten Finlay und einige seiner Cowboys ein. „Entschuldige, Ben, ich komme nicht gern, aber man beschuldigt dich, einen Indianer in deinem Haus zu verbergen“, begann der Sheriff. „Stimmt das?“ „Natürlich stimmt das“, sagte Finlay und drehte seinen Hut in der Hand. „Meine Leute und ich sind Zeugen, daß der Kerl mit einem Gewehr herumschoß.“ „Ich stelle fest, man hat mich gefragt und nicht Sie, Mr. Finlay“, wandte sich Ben Cartwright an den Rancher. „Darf
ich Sie und Ihre Leute bitten, draußen zu warten? Ich habe Sie nicht hereingebeten.“ „Bitte!“ Finlay zuckte ärgerlich die Achseln. „Aber wir passen auf, Mr. Cartwright. Nach dem neuen Gesetz muß jeder Indianer hängen, der mit einer Schußwaffe angetroffen wird. Das ist auch dem Sheriff bekannt.“ Damit verließ er mit seinen Leuten den Raum. Hoss und Little Joe, die beim Eintritt der Männer neben ihren Vater getreten waren, begrüßten den Sheriff, und Ben Cartwright bat ihn, Platz zu nehmen. Coffee ließ sich am Tisch nieder. „Das ist Mr. Lex“, stellte Cartwright den Schnauzbärtigen vor. „Ich habe ihn als Zureiter eingestellt.“ „Ich weiß“, nickte der Sheriff. „Sie hatten einen Zusammenstoß mit Montano. Richter Rickers berichtete mir darüber. Er wollte Sie zu Unrecht des Falschspiels bezichtigen.“ Little Joe sah Lex an, der auf seinem Schnurrbart herumkaute. „Ich würde an Ihrer Stelle den Spielsalon meiden“, fuhr der Sheriff fort. „Montano ist kein Mann, der sich gern ertappt weiß. Sie machen sich nur unbeliebt.“ Er wandte sich wieder an Cartwright. „Nun zu dir, Ben! – Du weißt, daß Finlay im Recht ist. Ich muß dich also bitten, den Indianer herauszugeben.“ „Tut mir leid, Sheriff, aber ich habe etwas anderes mit ihm vor“, erwiderte Cartwright. „Und du wirst mir sofort beipflichten, wenn ich dir mein Vorhaben erkläre.“ „Du willst ihn seinem Stamm übergeben, um mit dem Grauen Wolf ins Gespräch zu kommen. Stimmt’s?“ „Genau! – Ich halte das für eine sehr gute Gelegenheit, den Grauen Wolf auf seine Abmachungen mit der Regierung
aufmerksam zu machen. Ich möchte, daß es hier in unserem Gebiet ruhig bleibt.“ „Machen wir uns nichts vor, Ben, es ist eine Tatsache, daß im neuen Siedlungsgebiet die Überfälle auf Trecks und Versorgungstransporte zugenommen haben, und diese Indianer sind zum größten Teil mit Gewehren bewaffnet. Diese Aktionen werden gesteuert. Ich bin sogar fest davon überzeugt, daß der Graue Wolf von diesen Übergriffen seiner Unterhäuptlinge keine Ahnung hat.“ „Also Rebellion der Zweigstämme gegen den Grauen Wolf“, stellte Ben Cartwright fest. „So kann man es ansehen“, nickte der Sheriff. „Daß es in unserem Gebiet noch ruhig ist, verdanken wir nur ihm. Ich bin natürlich verpflichtet, die neuen Siedler zu warnen und die Abreise weiterer Trecks zu verbieten. Es soll bereits eine Regierungskommission zur Untersuchung der Zwischenfälle unterwegs sein.“ „Und die fordert sofort eine Strafexpedition der Armee an, die natürlich keine Unterschiede macht“, wandte Little Joe ein. „Sie wird auf jeden Indianer Jagd machen, und der alte Kriegszustand zwischen Weißen und Indianern ist damit wiederhergestellt. Dadurch erreicht man gar nichts. Die Indianer sind nicht die Schuldigen, sondern die Kerle, die ihnen die Waffen liefern. Mit einer Kugel kann man einen Büffel besser töten als mit einem Pfeil. Warum sollten sie die Waffen nicht nehmen, die man ihnen vielleicht sogar aufdrängt?“ „So kannst du das nicht sehen, Junge“, antwortete der Sheriff. „Auf die Überfälle kommt es an.“ „Sie sagten doch selbst, Sheriff, diese Aktionen würden gesteuert.“ „Und so ist es auch“, fuhr Ben Cartwright fort. „Die Indianer werden von verbrecherischen Elementen aus irgendwelchen
Gründen aufgehetzt. Man will die Besiedlung des neuen Gebietes verhindern. Wenn der Graue Wolf das nicht weiß, muß man ihm die Augen öffnen. Er hat einen Vertrag mit der Regierung und die Pflicht, auf seine Leute einzuwirken. Wir haben dagegen die Pflicht, uns um die Kerle zu kümmern, die ihnen die Waffen liefern und die Unruhen anzetteln.“ „Und das muß geschehen, bevor die Strafexpedition eintrifft“, fügte Little Joe hinzu. „Soldaten sind keine guten Verhandlungspartner. Sie schießen lieber, und das muß vermieden werden.“ „Ich wundere mich über dich, Junge“, sagte Ben Cartwright nicht ohne einen gewissen Stolz. „Du sprichst mit meinen Worten.“ Sheriff Coffee überlegte eine Weile. „Und du würdest die Verhandlungen mit dem Grauen Wolf übernehmen. – In Ordnung! Ich überlasse dir also den Indianer.“ „Und die da draußen, die ihn hängen wollen?“ fragte Hoss. „Mit denen werde ich schon fertig“, erwiderte der Sheriff. „In diesem Falle kann ich die Freilassung des Indianers verantworten.“ Am nächsten Morgen wurde die Expedition ins IndianerReservat in allen Einzelheiten besprochen. Auch Lex wollte sich daran beteiligen. Es sollte Proviant für einige Tage mitgenommen werden, da man mit Zwischenfällen rechnen mußte. Wenn es sich tatsächlich um die Rebellion einiger Unterstämme handelte, so war es durchaus möglich, daß man den Grauen Wolf bereits entmachtet hatte. In diesem Falle war das ganze Unternehmen gefährdet, und man mußte mit Feindseligkeiten rechnen. Zugute halten würde man ihnen aber immer, daß sie dem Indianer das Leben retteten. So wurde Hop Sing beauftragt, den Proviant für die Expedition, die am nächsten Morgen aufbrechen sollte, herzurichten.
„Selbstvelständlich, Mistel Caltwlight“, dienerte der Chinese. „Ich alles plima, plima machen. Ich blaten viele schöne Steaks und fül Mistel Hoss Pudding.“ „Natürlich“, nickte Little Joe, während Hoss dem Chinesen grinsend zunickte. „Vergiß aber auch das Milchfläschchen nicht, und ich werde noch ein Bilderbuch für ihn mitnehmen.“ „He, was soll der Blödsinn?“ fragte der Dicke. „Bin ich vielleicht ein Baby?“ „Kinder, streitet euch doch nicht schon wieder“, lachte Ben Cartwright. „Er ißt nun mal gerne Pudding.“ „Und dafür machst du allen Mädchen schöne Augen“, trumpfte Hoss auf. „Das habe ich nicht nötig. Ich wirke auch ohne deinen innigen Blick.“ „Ja, durch deinen Bauch“, grinste Little Joe. „Und wenn Cora dazu noch erfährt, daß dir Hop Sings Eichkätzchen guten Morgen sagen – na, ich weiß nicht, was sie dann denken wird.“ Ben Cartwright runzelte die Stirn. „Was soll denn das bedeuten?“ „Hoss hört Eichkätzchen sprechen, Dad. Ja, wirklich, kannst ihn fragen, und Hop Sing auch.“ „Ja, bestimmt, Mistel Caltwlight“, dienerte der Chinese. „Ich denken, Eichhölnchen etwas vellückt gewolden, abel sie splechen, ganz bestimmt. Mistel Hoss hölen.“ „Dir ist wohl nicht gut, wie?“ wandte sich Ben Cartwright an den Dicken. „Was erzählst du für einen Blödsinn?“ „Dad, ich weiß, es ist verrückt, aber Hop Sings Eichhörnchen sprechen. Davon lasse ich mich gar nicht abbringen, denn heute morgen habe ich es wieder gehört.“ Ben Cartwright betrachtete das Gesicht seines Sohnes eine Weile. „Hast du oft Kopfschmerzen?“ Hoss schüttelte den Kopf. „Oder Druck im Genick?“
Wieder schüttelte Hoss den Kopf. „Glaubst du etwa, ich hätte einen Dachschaden, Pa?“ „Dann erkläre mir doch mal, was die Eichkätzchen sagen.“ „Sie sagen“ – Hoss warf seinem Bruder einen Blick zu – , „sie sagen: ,Guten Morgen, Mr. Hoss!’ Und das ist kein Blödsinn, Pa, glaube mir. – Ja, die Eichkätzchen!“ Little Joe schlug sich vor Lachen auf die Schenkel. „Da hast du es gehört, Pa! – Ich werde verrückt!“ „Wenn du nicht mit dem blöden Lachen aufhörst, klebe ich dir eine“, sagte Hoss wütend. „Immer langsam“, wandte Ben Cartwright ein. „Ich mache euch einen Vorschlag. Wir gehen jetzt alle in die Küche, und dort werden wir feststellen, ob die Eichkätzchen sprechen. Einverstanden?“ Little Joe war sofort dazu bereit. „Klar, Pa! Wir wollen ihn doch von seinem Hirngespinst heilen.“ Auf dem Flur kam ihnen Lex entgegen. „Um was geht es denn?“ fragte er. „Sie können gleich mitkommen, Bill. Wir wollen feststellen, ob Hop Sings Eichhörnchen sprechen“, erklärte Ben Cartwright. „Das muß ich hören“, grinste Lex und sah dabei fröhlich in die Runde. „Vielleicht singen sie auch noch.“ „Nun, jetzt mal schön splechen“, sagte Hop Sing eifrig und trat an den Käfig heran. „Mistel Caltwlight will hölen.“ Die Eichhörnchen reagierten auf diese Aufforderung nur mit wilden Sprüngen, denn die vielen Menschen vor dem Käfig machten sie ängstlich. Sosehr sich Hop Sing auch Mühe gab, sie gaben keinen Ton von sich. „Vielleicht sprechen sie nur morgens“, wandte Hoss ein. „Ja, wenn sie ihren Pudding gegessen haben“, grinste Little Joe. „Kommt, gehen wir! – Darauf muß ich einen Whisky trinken.“
Er verließ die Küche, und Hoss folgte ihm. Auch Ben Cartwright wollte gehen, doch da hielt ihn Hop Sing am Ärmel zurück. „Jetzt splechen, Mistel Caltwlight“, sagte er eifrig und legte lauschend den Kopf auf die Seite. „Sie hölen?“ Ben Cartwright wollte seinen Ohren nicht trauen. Aus dem Käfig tönte ein piepsendes Geräusch, und dann sagte ein feines Stimmchen klar und deutlich: „Guten Tag, Mr. Cartwright! Glauben Sie jetzt, daß wir sprechen können?“ „Na, Sie gehölt?“ fragte Hop Sing triumphierend. „Kluge Eichhölnchen.“ „Das – das kann doch nicht wahr sein“, stammelte Ben Cartwright völlig verwirrt vor sich hin. Er warf Lex, der an der Tür auf ihn wartete, einen Blick zu. „Haben Sie etwas gehört?“ „Nicht die Spur“, antwortete der Schnauzbärtige. „Hörten Sie etwas?“ „Nein, nein“, stritt Cartwright ab. „Es ist doch völlig unmöglich, daß Eichhörnchen sprechen können, nicht wahr?“ „Ohne Zweifel! – Wissen Sie, Hoss ist zu phantasievoll.“ „Ja, das denke ich auch.“ Little Joe wunderte sich, daß sein Vater, obwohl er dem Alkohol ansonsten abgeneigt war, einen doppelstöckigen Whisky verlangte, als er ins Wohnzimmer zurückkam. Er ließ sich danach tiefsinnig in einem Sessel nieder und sah nachdenklich vor sich hin. Erst der Eintritt Hop Sings riß ihn aus seinen Gedanken. „Was ist denn mit dir los?“ fragte Ben Cartwright den Chinesen, der dabei war, sich die Reste eines Omeletts aus seinen Haaren zu entfernen. „Oh, Mistel Caltwlight“, zeterte Hop Sing. „Dieses Indianelmensch sehl böse. Ich gebacken ihm plima, plima Omelett, und el welfen mil plima, plima Omelett an Kopf. Was machen? El nichts essen.“
„Wo habt ihr den Kerl überhaupt untergebracht?“ „Wir haben ihm ein Feldbett in die Futterkammer gestellt“, sagte Little Joe. „Das Fenster ist zu klein. Ausbrechen kann er nicht.“ „Und Hop Sing geht allein zu ihm?“ „Nicht allein, Mistel Caltwlight“, lächelte Hop Sing. „Mit Schlachtmessel gehen. El sofolt zulückgehen an Wand.“ „Das kann ich mir vorstellen. Der arme Kerl denkt doch, er würde massakriert, wenn jemand mit einem Schlachtmesser zu ihm kommt. Brate ihm ein großes Steak, und du bringst es ihm, verstanden!“ „Gut, Pa“, nickte Little Joe. „Der Bursche ist ansonsten ganz friedlich. Ich glaube, er weiß genau, wie es um ihn steht und daß wir ihn beschützt haben.“ „Gut, ich machen sofolt Steak“, dienerte Hop Sing. „Abel vielleicht el will essen ganze Kuh, und deshalb wiedel böse.“ „Das bringe ich ihm schon bei“, sagte Little Joe. „Ich sehe auch mal nach Taifun, Pa. Lex hat ihm Umschläge um die Fußgelenke gemacht. Er will ihn unbedingt zum Derby reiten.“ „Hoffentlich klappt es.“ Auf dem Hof waren Lex und Hoss dabei, Taifun wieder in Form zu bringen. Der Hengst trug feuchte Umschläge um die Gelenke. Hoss striegelte ihn. Als Little Joe auftauchte, spielte er erfreut mit den Ohren. „Ja, Alter, du weißt genau, wer es gut mit dir meint“, sagte Little Joe und nahm den Kopf des Hengstes in die Arme. „Natürlich weiß ich das“, sagte plötzlich eine halblaute Stimme. „Ich danke dir auch, daß du mich aus der Höhle holtest.“ „Was ist los?“ fragte Hoss und unterbrach seine Arbeit. „Sagtest du etwas?“
„Nein, ich sagte etwas“, ertönte die halblaute Stimme wieder. „Meine Fußgelenke sind schon abgeschwollen. Zum Derby bin ich wieder ganz auf dem Posten.“ Little Joe ging langsam einige Schritte zurück; dabei stierte er das Pferd unverwandt an. Hoss trat neben ihn. Auch er ließ Taifun dabei nicht aus den Augen. „Hast du das gehört?“ fragte er seinen Bruder. „Natürlich habe ich das gehört“, antwortete Little Joe. „Taifun spricht.“ Er holte tief Luft. „Aber das ist doch blödsinnig. Das gibt es doch gar nicht, das ist unmöglich!“ „Hast du es gehört oder nicht?“ fragte Hoss. „Natürlich, ganz deutlich“, bestätigte Little Joe. „Aber ich kann es nicht glauben. Das geht nicht mit rechten Dingen zu.“ „Glaubst du mir jetzt, daß Hop Sings Eichkätzchen sprechen können?“ „Ich glaube überhaupt nichts“, erwiderte Little Joe völlig durcheinander. „Ich weiß nur, daß das unmöglich ist.“ „Pst! – Sei mal ruhig, vielleicht spricht er wieder.“ „Nein, heute nicht mehr“, tönte die Antwort klar und deutlich, und Taifun nickte dazu. „Ich werde verrückt“, stieß Little Joe wütend hervor. Sein Blick fiel auf Lex, der dabei war, dem Pferd die Umschläge zu erneuern. Der Schnauzbärtige sah auf. „Was ist los?“ „Du hast natürlich nichts gehört, nicht wahr?“ fragte Little Joe. „Was sollte ich hören?“ Ohne ein Wort zu erwidern, ging Little Joe ins Haus. Er fand seinen Vater noch immer nachdenklich im Sessel sitzen. „Pa, halte mich nicht für verrückt, aber soeben hat Taifun zu mir gesprochen.“
„Gut! – Dann kann ich dir auch sagen, daß ich die Eichkätzchen sprechen hörte“, erwiderte Ben Cartwright. „Eine Erklärung dafür habe ich nicht.“ „Aber ich habe einen Verdacht“, fuhr Little Joe fort. „Wir sind doch völlig normale Menschen und wissen, daß Tiere nicht sprechen können. Die Sache muß also eine andere Ursache haben…“ In diesem Moment trat der Schnauzbärtige ein, und Little Joe brach seine Erklärungen ab. Lex trat näher. In seinen Augen stand ein vergnügtes Funkeln. „Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Mr. Cartwright“, sagte er. „Aber vor dem Eichkätzchenkäfig ritt mich der Teufel. Sie sollten eigentlich nicht in die Sache hineingezogen werden.“ „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Bill…“ Lex zog ein Plakat aus der Tasche und breitete es auf dem Tisch aus. Little Joe starrte darauf, sah Lex an und brach dann in ein schallendes Gelächter aus. „Ich ahnte es“, schnaufte er. „Weiß Hoss davon?“ Der Schnauzbärtige schüttelte den Kopf. „Dann darf er es nie erfahren, und du darfst ihm auch nichts sagen, Pa. Er glaubt nämlich tatsächlich daran.“ Ben Cartwright studierte schmunzelnd das Plakat. Es zeigte Lex, eine hübsche junge Dame, und daneben, auf einem Stuhl, saß ein weißer Spitz. Unter dem Bild stand in großen Buchstaben: DIE SENSATION ALLER JAHRMÄRKTE UND VARIETÉS! WILLIAM UND LAURA MIT PUCKI, DEM SPRECHENDEN HUND.
„Tja, das ist schon lange her“, seufzte Lex. „Pucki ist tot, und Laura ist mir mit einem Klavierspieler durchgebrannt. Ich war noch eine Zeitlang beim Zirkus, ging dann zum Militär und wurde Fährtensucher. Jetzt besuche ich die Rodeos und lebe dort, wo es mir gerade Spaß macht. Damit wissen Sie jetzt alles über mich, Mr. Cartwright. Ich glaube, das war ich Ihnen noch schuldig.“
Ritt ins Ungewisse
Am nächsten Morgen war alles für die Expedition ins IndianerReservat vorbereitet. Lex und Hoss hatten die Pferde gesattelt und auf den Hof geführt. Hop Sing schleppte die Proviantbeutel und Packtaschen aus dem Haus und belud damit die beiden Beipferde. „Alles klar?“ fragte Ben Cartwright. „Alles bestens, Mistel Caltwlight! – Hop Sing gemacht plima, plima Ploviant. Sie mögen kommen gesund zulück.“ „Danke, Hop Sing!“ Little Joe hatte inzwischen den Indianer aus der Futterkammer geholt. Der Mann machte einen ruhigen und friedlichen Eindruck. Ben Cartwright gab ihm seinen Tomahawk und das Messer zurück. „Wir reiten jetzt zu den Wigwams der Paiutes“, sagte Ben Cartwright. „Ich will mit dem Grauen Wolf sprechen, und du wirst uns führen.“ Der Indianer sah ihn eine Weile an, als müsse er über die Worte nachdenken, dann antwortete er: „Ich Tenaque, ich dritter Sohn von Häuptling Grauer Wolf. Ich euch sicher führen.“ Damit hob er beide Hände in Höhe des Kopfes. Das bedeutete, daß seine Worte ehrlich gemeint waren. Ben Cartwright machte die gleiche Geste. „Du bist kein Gefangener, Tenaque, aber du stehst unter unserem Schutz.“ „Freier Indianer braucht keinen Schutz von weißem Mann“, antwortete Tenaque würdevoll. „Aber ich euch danken.“
„Hast du eine Ahnung“, meinte Little Joe, der mit dem Indianerpferd aus dem Stall kam und die Worte gehört hatte. „Die hätten dir gestern das Fell über die Ohren gezogen.“ Tenaque, dem von Hoss ein Verband um seine verletzte Schulter angelegt worden war, schwang sich sofort auf sein Pferd, aber er wartete, bis auch die anderen ihre Pferde bestiegen hatten. „Alle gut kommen zulück“, rief Hop Sing, der die Gruppe bis zur Straße begleitete. „Gib gut auf Taifun acht!“ Little Joe winkte dem Chinesen zu… „Er muß jeden Tag eine halbe Stunde an der Longe laufen.“ „Ich plima, plima machen, Mistel Joe! – Hop Sing will wetten Taifun.“ Ben Cartwright führte die kleine Gruppe an, dann folgte Tenaque, hinter ihm ritten Hoss und Little Joe, jeder ein Packpferd am Zügel. Den Schluß bildete Lex. Zuerst mußten die Eagle Rocks überquert werden. Hinter ihnen begann das Reservat der Paiute-Indianer, ein weites Land mit Wäldern und bewaldeten Hügelkuppen. Benannt waren die Berge nach den großen Steinadlern, die in den unzugänglichen Wänden des Gebirgszuges horsteten und lautlos und majestätisch über der einsamen Bergwelt schwebten. Bald war die Paßstraße erreicht. Auf breiten Serpentinenpfaden ging es bergan. Sie hatten den Kamm des Berges noch nicht erreicht, als plötzlich ein Schuß fiel. Hoss’ Paiute stieg sofort auf die Hinterhand, und auch die anderen hatten alle Mühe, ihre Pferde zu zügeln. Ben Cartwright hatte blitzschnell sein Gewehr aus dem Sattelfutteral gerissen. Little Joe und Lex zogen ihre Colts und sahen sich um. Tenaques struppiges Indianerpferd stand wie aus Erz gegossen.
Lex ritt neben Ben Cartwright an die Spitze der Gruppe. „Der Schuß galt ohne Zweifel uns“, sagte Cartwright und sah sich um. Hoss hatte Paiute wieder in die Gewalt bekommen. Er warf den Zügel des Packpferdes seinem Bruder zu und preschte ebenfalls an die Spitze. „Was ist los, Pa?“ „Keine Ahnung!“ Ben Cartwright lauschte auf Hufschlag, der hinter ihnen aufklang. Er sah sich um und bemerkte mehrere Reiter, die ihnen den Weg zurück abschnitten. Im selben Augenblick tauchten auch vor ihnen Reiter auf. Sie verharrten in einiger Entfernung auf ihren Pferden. Die Gesichter der Männer waren nicht zu erkennen. Die Kerle hatten sich ihre Halstücher bis über die Nase geschoben. Ben Cartwright wartete ruhig ab. Banditen waren es nicht, denn die hätten sofort das Feuer eröffnet. Einer der Reiter ritt einige Schritte vor und hielt sein Pferd, einen prächtigen Fuchs, an. „Laßt die Waffen schön stecken, Jungs“, rief er ihnen zu. „Euch passiert gar nichts. Wir wollen nur den Indianer.“ „Den können Sie nicht bekommen, Mr. Finlay“, rief Cartwright zurück. Er hatte an der Stimme sofort den Rancher erkannt. „Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß er mit Genehmigung des Sheriffs frei ist. Er führt uns zu Verhandlungen ins Indianer-Reservat. Diese Verhandlungen sind für uns alle von großer Wichtigkeit.“ Mit einem Ruck riß Finlay sein Halstuch herunter. Sein Gesicht war zu einer wütenden Fratze verzerrt. „Mit Indianern verhandelt man nicht, Cartwright. Die hängt man an den nächsten Baum, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen. Das Gesetz ist in diesem Falle auf meiner Seite.“
„Wenn Sie den Indianer haben wollen, müssen Sie ihn sich schon holen“, erwiderte Ben Cartwright. „Sie wollen also, daß wir wegen dieser schäbigen Rothaut auf Sie schießen?“ fragte Finlay. „Seien Sie doch vernünftig. Es würde mir wirklich leid tun, wenn wir ihn uns mit Gewalt holen müßten.“ „Das müßt ihr allerdings“, lächelte Ben Cartwright. „Der Sheriff hat ihn freigegeben, und daran halte ich mich.“ Tenaque, der bisher reglos auf seinem Pferd gesessen hatte, schlug plötzlich seinem struppigen Gaul die Hacken in die Weichen, riß ihn herum, um seitlich auszubrechen. In halsbrecherischem Ritt rutschte er mit seinem Pferd einen Hang hinunter und war zwischen den Felsen verschwunden. „Los, ihm nach!“ brüllte Finlay seine Leute an. „Schneidet ihm unten den Weg ab!“ „Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich Sie wegen Mordes anklage, wenn dem Indianer etwas geschieht“, sagte Ben Cartwright ruhig. „Das sind nicht nur Worte, Finlay, Sie kennen mich.“ „Ja, ich kenne Sie!“ brüllte der Rancher. „Hätten wir nur Leute wie Sie, tanzten uns die verdammten Rothäute auf der Nase herum. Sie sind nur mit Druck zu regieren. Aus Ihrer Menschenfreundlichkeit werden Sie erst erwachen, wenn Ihre Kopfhaut am Gürtel eines solchen Halunken hängt. Sie tun mir nur leid, Cartwright!“ Finlays Leute waren inzwischen dem Indianer gefolgt. Schon nach kurzer Zeit kamen sie zurück. Tenaque war ihnen entkommen. Ben Cartwright lächelte. „Sie sind an einer Mordanklage vorbeigekommen, Finlay. Was halten Sie aber davon, sich den Mann im Indianer-Reservat zu holen? – Sie können mitreiten, wenn Sie wollen.“
Finlay warf ihm nur einen giftigen Blick zu und ritt mit seinen Leuten davon. „Pa, warum ist er nur so hartnäckig?“ fragte Hoss. „Was hat ihm der Indianer getan, daß er ihn unbedingt umbringen will? Ich verstehe das einfach nicht.“ „Ich auch nicht, Junge“, antwortete Ben Cartwright. „Vielleicht ist es die Lust, einen Menschen zu quälen. Nachdem der Mann jetzt entkommen ist, wünsche ich Finlay nicht, in die Hände der Indianer zu fallen. – Aber kommt, reiten wir weiter!“ Gegen Mittag hatte die Gruppe die langgestreckten Höhenzüge der Eagle Mountains überwunden. Vor ihnen lag ein Land mit sanften Hügeln und idyllischen Tälern. Wild und üppig streute hier die Natur ihre Gaben aus. Wie braune Wolken lagen duftende Salbeifelder zu ihren Füßen. Fruchtbare Täler zogen sich bis zu den nächsten Hügelketten, von bewaldeten Bergrücken umrahmt. Dazwischen lagen turmhohe Felsblöcke, wie von Titanenfaust in die Gegend geschleudert. Das war das Reich der Paiutes. Ben Cartwright hatte schon mehrere Male Regierungsvertreter zu Verhandlungen mit dem Grauen Wolf in dieses Gebiet geführt. Er wußte, von jetzt an ruhten unzählige Augen auf den vier Reitern, die sich in das Reservat vorgewagt hatten. Man sah die Indianer nicht, aber sie waren da und belauerten jede Bewegung der weißen Männer. Lex sprang aus dem Sattel und schnitt einen Zweig aus einem Busch. An den Zweig, den er von den Blättern befreite, wurde ein weißes Tuch gebunden. Das galt als Zeichen, daß die Männer in friedlicher Absicht das Reservat betraten. Dann setzte sich die kleine Gruppe wieder in Bewegung. „Sie haben uns schon gesehen“, sagte Ben Cartwright und deutete auf eine Rauchwolke, die hinter ihnen über dem Kamm
eines Bergrückens hochstieg. „Sie signalisieren unser Eintreffen dem Hauptlager.“ Bald wurde auch weit hinten über einem niedrigen Ausläufer des nächsten Gebirgszuges eine Rauchwolke sichtbar. Dort lag das Hauptlager in einem bewaldeten Talkessel am Fuße des Gebirgszuges. Es war noch ein Ritt von einer Stunde. Bis dorthin dehnte sich eine weite Grasfläche aus. Während die Männer schweigend über die weite Grasfläche ritten, suchten ihre Augen immer wieder den Horizont ab. Plastisch stand der langgestreckte Gebirgszug in der azurblauen Luft und rückte näher und näher. Bald war ein in die Prärie hineinwuchtender niedriger Ausläufer des Gebirgszuges erreicht. In flottem Ritt ging es am Fuße der Felsenkette entlang. Bis jetzt hatte sich noch kein Indianer sehen lassen, aber sie waren da. Ben Cartwright wußte genau, daß man seine Gruppe keinen Moment unbeobachtet ließ. Die Paiutes waren mißtrauisch, und auch das weiße Tuch an dem Zweig änderte nichts daran. „Könnte es nicht sein, daß uns Tenaque bereits anmeldete?“ fragte Hoss und schob sich seinen Hut ins Genick. Die Sonne brannte vom Himmel. Er wischte sich den Schweiß mit einem Taschentuch aus dem Genick. „Damit rechne ich sogar“, antwortete der Vater. „Und nur aus diesem Grunde hat man uns bis jetzt unbelästigt gelassen.“ Sie ritten an einer Felswand entlang, hinter der mehrere feine Rauchstreifen kerzengerade in die hitzeflimmernde Luft stiegen. Dann breitete sich vor ihnen ein bewaldeter Talkessel aus. Auf einer Lichtung, direkt unter einer hohen Felswand, standen die Spitzzelte des Stammes. Eine Meute halbverhungerter Hunde strich um die bunten Zelte und erhob ein mörderisches Gekläff, als die Reiter auftauchten.
Im gleichen Augenblick erschienen oben auf den Felsen einige mit Pfeil und Bogen bewaffnete Indianer. Auch zwischen den Zelten wurde es jetzt lebendig, überall traten bewaffnete Krieger hervor. Ben Cartwright ließ seine Gruppe anhalten und gab den Befehl zum Absitzen. „Wir müssen hier warten, bis sie uns auffordern, ihr Lager zu betreten“, erklärte er. „Setzen wir uns!“ Sie nahmen auf ihren Decken Platz und warteten. Die Krieger zogen sich bald darauf wieder zurück, nur die Indianer auf dem Felsen blieben auf ihrem Posten. Lex fühlte sich nicht sehr wohl, und als sich nach einer halben Stunde noch immer nichts tat, wurde er unruhig. Endlich tauchte ein hochgewachsener Indianer auf. Er trug einen weißen Lederanzug mit einem perlenbestickten Schurz. In seinem Haar, das von einem Stirnband gehalten wurde, steckten zwei Adlerfedern. Ben Cartwright erhob sich und ging ihm entgegen. Der Indianer hob beide Hände in Höhe des Kopfes, und Cartwright grüßte auf die gleiche Weise. „Der Graue Wolf erwartet euch“, sagte der Indianer. „Er will mit euch sprechen, wenn die Sonne sinkt. Tenaque berichtete, was geschehen ist. Der Graue Wolf will sich zuerst mit den Ältesten des Stammes beraten.“ Damit wandte er sich um und ging ins Lager zurück. „Das kann ziemlich lange dauern“, meinte Ben Cartwright, als er zu seinen Leuten zurückkehrte. „Ich schlage vor, wir essen etwas.“ Damit war Hoss sehr einverstanden. Er packte die Provianttaschen aus. Die Beratung zwischen dem Häuptling und den Ältesten des Stammes schien kein Ende zu nehmen. Es wurde schon dunkel, und Hoss war gerade dabei, ein Feuer anzuzünden, als
der hochgewachsene Indianer wieder erschien. Er bedeutete allen mitzukommen und führte sie vor ein leeres Spitzzelt, in dem sie die Nacht schlafen sollten. Nachdem die Pferde abgesattelt worden waren, wurden die Sättel und Packtaschen in dem Zelt untergebracht. Danach folgten die Männer dem Indianer zum Beratungsplatz. An die Dunkelheit gewöhnt, blendete sie zuerst ein brennender Holzstoß, der die Umgebung taghell erleuchtete. Vor einem großen, mit indianischen Zeichen bemalten Zelt saß eine in Decken gehüllte Gestalt: der Graue Wolf, oberster Stammeshäuptling der Paiutes. Das narbige und faltige Gesicht des alten Häuptlings rahmte wallender Federschmuck ein. Um ihn herum hatten sich die Männer des Stammes zu einem Halbkreis gruppiert. Neben seinem Vater saß Tenaque. „Setzt euch“, flüsterte Ben Cartwright seinen Begleitern zu. Sie taten es, und er trat langsam in den Halbkreis, um sich dort, direkt vor dem Häuptling, niederzulassen. Die runzeligen Hände des Grauen Wolfes nahmen eine mit Adlerfedern geschmückte langrohrige Tonpfeife von einer Matte. Während er sie anrauchte, sah er Ben Cartwright aufmerksam an. Er blies den Rauch in die vier Himmelsrichtungen und verkündete dabei: „Solange die Wolken über die Berge ziehen, der Wind über die Höhen und durch die Täler weht und die Quellen der Berge zu Tal rauschen, werden dir und deinen Männern die Zelte der Paiutes offenstehen.“ Ben Cartwright, der die Zeremonie des Rauchens der Friedenspfeife kannte, übernahm die Pfeife aus seiner Hand. Er tat die vorgeschriebenen Züge und antwortete: „Ewig werden die Wolken über die Berge ziehen, ewig wird der Wind über die Höhen und durch die Täler wehen, und ewig werden die Wasser der Berge zu Tal rauschen; so wird auch ewig unsere
Freundschaft zu den tapferen Kriegern der Paiutes bestehen.“ Er gab die Pfeife zurück. Der Graue Wolf zerbrach das Rohr der Pfeife und schleuderte sie ins Feuer. „So, jetzt kann uns hier nichts mehr passieren“, flüsterte Lex Hoss und Little Joe zu. „Wir können in dieser Nacht ruhig schlafen.“ „Ich bin nur gespannt, was Pa herausbekommen wird“, sagte Little Joe leise. „Gewehre haben sie nicht, das habe ich schon festgestellt.“ Zu einer Verhandlung kam es aber noch lange nicht. Little Joe sah plötzlich, daß ihm der Graue Wolf seine Aufmerksamkeit zuwandte. Ihm wurde unter dem forschenden Blick geradezu ungemütlich. „Dein Sohn hat Tenaque das Leben gerettet“, sagte der Graue Wolf. „Und auch du und die anderen Männer haben ihm gezeigt, daß euch das Leben eines Indianers etwas bedeutet. Ich will deinen Sohn belohnen.“ „Du mußt dich jetzt neben mich setzen“, flüsterte Ben Cartwright Little Joe zu. „Wozu das Theater, Pa?“ erwiderte dieser unglücklich. „Mir langt es so schon. Ich möchte schnellstens wieder hier heraus.“ „Du setzt dich neben mich“, zischte Ben Cartwright. „Das gehört dazu.“ Mit einem sauren Lächeln rückte Little Joe vor, nicht ohne das grinsende Gesicht seines Bruders zu bemerken. Der Graue Wolf hob die Hand, und aus dem Dunkel führte ein Indianer ein Pferd in den Schein des Feuers. Es war ein Schimmelhengst, ein Tier, das das Herz eines jeden Pferdekenners schneller schlagen ließ. Little Joe blieb geradezu die Luft weg. Er sah seinen Vater von der Seite an. Der Indianer führte das Pferd im Schein des Feuers auf und ab, während der Graue Wolf erklärte, es sei Tenaques
Lieblingspferd. „Er schenkt es dir“, wandte er sich an Little Joe. „Du mußt dich bedanken“, zischte Ben Cartwright seinem Sohn zu. Da Joe aber stumm blieb, mußte er es selbst tun. Er sagte, die Freude über das herrliche Pferd habe seinem Sohn die Stimme verschlagen. Er nähme das Geschenk mit Freuden an. Danach kam er sofort auf den eigentlichen Grund seines Besuches zu sprechen. Hier wurde der Graue Wolf sehr zurückhaltend. „Der große Häuptling in Washington sendet dir durch den Sheriff seine Grüße und erinnert dich daran, daß du in einem sprechenden Papier dein Wort gegeben hast, die Siedler in Ruhe ihr Land bebauen zu lassen“, begann Ben Cartwright. „Diese Abmachungen werden von deinen Kriegern aber nicht gehalten. Mit Gewehren bewaffnete Paiutes überfallen die Trecks und vertreiben die Siedler von ihrem Land.“ Er machte den Häuptling darauf aufmerksam, daß die Berichte über die feindliche Haltung der Paiutes die Regierung in Washington veranlassen könnten, Soldaten in ihr Gebiet zu senden. Um das zu vermeiden, wäre er gekommen. Seine Aufgabe sei es, ihn darauf aufmerksam zu machen. „Sollen die Soldaten kommen“, erwiderte der Häuptling. „Es sind nicht meine Krieger, die die Siedler überfallen. Es sind Abtrünnige, die den Lastern der Weißen verfallen sind und die unser Stamm verstieß. Sie haben sich schlechten weißen Männern angeschlossen.“ Also hatte eine Rebellion innerhalb eines Zweigstammes der Paiutes stattgefunden, genau so, wie es Sheriff Coffee vermutete. Der Graue Wolf war klug genug, sich von diesen Stammesangehörigen zu distanzieren. Das mußte er mit dem Ältestenrat des Stammes besprochen haben. „Siehst du Gewehre bei uns?“ fuhr der Graue Wolf fort. „Wir halten uns an das Gesetz, das Richter Rickers erließ. Kannst du
mir aber sagen, warum die Schwarzfüße, Navajos und andere Stämme Gewehre besitzen dürfen?“ Das konnte Ben Cartwright natürlich nicht. Er wußte nicht einmal, daß den Indianern anderer Distrikte das Tragen von Feuerwaffen erlaubt war. Wenn es der Graue Wolf aber behauptete, mußte es stimmen. In diesen Gebieten wurden die Indianer, die mit einer Schußwaffe angetroffen wurden, nicht gleich aufgehängt. Das bestätigte auch der Graue Wolf. Also mußte der Richter des Gebietes von Virginia City diese Anordnung eigenmächtig getroffen haben. Die Anordnung der Regierung, die in den Sheriff-Stationen aller Distrikte aushing, lautete nur, daß es Weißen bei Strafe verboten war, den Indianern Waffen und vor allem Munition zu verkaufen oder auf dem Wege des Tauschhandels abzugeben. Was sollte ein Indianer auch tun, der zwar ein Gewehr besaß, aber nicht über Munition verfügte? Er konnte sie doch nur von den Weißen erwerben. In dem Gesetz wurde also nur den Weißen Strafe angedroht. Offenbar hatte Richter Rickers das Gesetz eigenmächtig erweitert, vielleicht, um ganz sicherzugehen und die Indianer vom Kauf einer Schußwaffe abzuschrecken. „Und woher hatte Tenaque ein Gewehr?“ fragte Ben Cartwright. „Warum schoß dein Sohn auf uns?“ „Er hatte es für mich von dem Mann gekauft, der unsere Krieger im Gebiet der Siedler aufhetzt“, erklärte der Graue Wolf. „Ich wollte erfahren, wer der Mann ist, der so viel Unglück über den Stamm der Paiutes brachte. Tenaque hatte von mir den Auftrag, ihn zu veranlassen, uns viele Gewehre gegen gelbe Nuggets einzutauschen. Sie hätten das Gebiet der Paiutes nicht lebend verlassen.“ Dann berichtete Tenaque. Er erklärte, nachdem er dem weißen Mann die Nuggets für den Kauf des Gewehres übergeben habe, sei ihm dieser Mann mit seinen Leuten gefolgt, um ihn umzubringen. Bei der Verfolgung habe er sich
in die Schlucht bei den Eagle Rocks geflüchtet und in der Erregung Little Joe, Hoss und Lex für seine Verfolger gehalten. Nur aus diesem Grunde habe er auf sie geschossen. „Waren es die Männer, die dich gefangennahmen, nachdem wir dich freiließen?“ fragte Ben Cartwright. Tenaque nickte. „Es waren die Männer.“ Also war Finlay in die ganze Sache verwickelt. Jetzt war es klar, warum er und seine Leute Tenaque unbedingt aufhängen wollten. Sie hatten Angst, der Indianer werde über den Gewehrkauf berichten. Ja, nur so konnte es sein. Finlay gehörte ohne Zweifel zu den Drahtziehern, die die Unruhen im Siedlergebiet anzettelten. Das war ein guter Anhaltspunkt. Bei Finlay mußte der Sheriff mit seinen Nachforschungen beginnen. Eine Strafexpedition der Armee würde aber kaum Unterschiede zwischen den Abtrünnigen und den Stammesangehörigen der Paiutes machen. Für sie waren alle Indianer gleich. Es mußte vor allem also vermieden werden, daß Soldaten eingesetzt wurden. Ihnen würde der Sheriff den Unterschied kaum klarmachen können. Sie ließen sich von Zivilisten nicht viel sagen. Das versuchte Ben Cartwright auch dem Grauen Wolf zu erklären. So schlug dieser vor, der Sheriff möge doch einige vertrauensvolle Männer in das neue Siedlungsgebiet schicken, um sich dort zu orientieren. Sie würden seine Angaben bestätigen müssen. Das war das Ergebnis der Verhandlungen, und Ben Cartwright war damit sehr zufrieden. Es bestand keine Gefahr, daß der Graue Wolf und sein Stamm Feindseligkeiten beginnen würden. Der Graue Wolf hielt sich an seinen Vertrag mit der Regierung, der ihm und seinem Stamm genügend Lebensraum gewährte, ihm aber auferlegte, sich den neuen Siedlern gegenüber loyal zu verhalten. Gegen Übergriffe ausgestoßener Stammesangehöriger war er jedoch machtlos.
Auch Sheriff Coffee mußte mit diesem Ergebnis zufrieden sein. Er mußte entscheiden, was jetzt geschehen sollte. Im Zelt wickelten sich die Männer bald darauf in ihre Decken. Sie konnten aber noch keinen Schlaf finden. „Glaubst du wirklich, was der Graue Wolf sagt?“ fragte Little Joe den Vater. „Finlay traue ich schon viel zu, aber daß er sich an den Überfällen auf die Siedler beteiligt oder das alles gutheißen würde, kann ich einfach nicht glauben.“ „Jedenfalls dürfte er den Rothäuten Waffen verkaufen, und das ist schon eine strafbare Handlung“, erwiderte Ben Cartwright. „Warum sollte uns Tenaque die Unwahrheit sagen?“ Hoss beschäftigte sich weniger mit diesen Fragen. Nachdem er den Proviantbeutel um seinen geliebten Pudding erleichtert hatte, schwärmte er nur noch von dem Schimmelhengst, den Little Joe zum Geschenk erhalten hatte. „Dabei war ich es, Pa, der vorschlug, Tenaque freizulassen“, erklärte der Dicke. „Normalerweise müßte mir das Pferd also zur Hälfte gehören.“ „Und wo bleibe ich?“ fragte Lex. „Ich durchschoß das Lasso, als sie ihn aufknüpfen wollten.“ „Beruhigt euch nur“, lachte Ben Cartwright. „Der Schimmelhengst gehört der Ponderosa, und in einem Jahr dürften wir bereits einige Nachkommen von ihm haben. Ich werde ihn nämlich zur Zucht verwenden. Dann steht Ihnen sofort ein Fohlen zur Verfügung, Bill.“ Am nächsten Tag gegen Abend traf die kleine Gruppe wieder auf der Ponderosa ein. Hop Sing kam sofort aus dem Haus gestürzt und berichtete, daß die Eichhörnchen das Sprechen eingestellt hätten. Dabei habe er sie an einen Landsmann verkaufen wollen. Der Mann habe ihm einen guten Preis geboten. „Doch sie gaben keinen Laut“, erklärte der Chinese. „Landsmann glauben, Hop Sing
lügen. Sie wissen selbst, Mistel Caltwlight, Eichhölnchen splechen. Hop Sing Landsmann nicht betlügen.“ Im Wohnzimmer war der Tisch bereits gedeckt. „Schon seit gesteln molgen, alles walten“, lächelte Hop Sing. „Ich nicht wissen, wann kommen. Steaks abel schon geschnitten. Nul noch blaten. Plima, plima machen!“ Damit verschwand er in der Küche. „Nach dem Abendessen werde ich gleich zum Sheriff reiten“, sagte Ben Cartwright. „Ich will ihn gleich über alles unterrichten, damit er den offiziellen Stellen Mitteilung machen kann. Vor allem muß ich ihm ausreden, eine Strafexpedition für das Siedlungsgebiet anzufordern.“ Sheriff Coffee war noch in seinem Büro, als Ben Cartwright dort eintraf. Der Sheriff zog die Jalousien vor die Fenster und schloß die Tür, dann bot er seinem Besucher einen Stuhl an. Cartwright beobachtete das alles mit hochgezogenen Brauen. „Ist etwas, Roy?“ „Weißt du, ich bin mir nicht ganz sicher“, erwiderte Coffee. „Euer Ritt zu den Paiutes hat erhebliches Aufsehen bei verschiedenen Leuten hervorgerufen. Finlay muß davon erfahren haben. Er hat sofort Richter Rickers berichtet. Rickers war gestern bereits bei mir, um mich zu veranlassen, eine Strafexpedition gegen den Grauen Wolf anzufordern.“ „Nicht gegen den Grauen Wolf“, sagte Cartwright, „sondern gegen den Zweigstamm im neuen Siedlungsgebiet. Der Graue Wolf hat mit allem, was dort geschieht, nichts zu tun. Er behauptet sogar, daß Weiße für die Unruhen und die Überfälle auf die Siedler verantwortlich sind.“ „Das wird uns der Richter niemals glauben.“ „Aber ich habe fast die Beweise dafür“, fuhr Ben Cartwright fort. Er erzählte, was er bei seinem Besuch von dem Grauen Wolf erfahren hatte.
„Und Finlay soll einer der Waffenverkäufer sein?“ zweifelte der Sheriff. „Er hat Tenaque das Gewehr verkauft“, nickte Cartwright. „Das steht einwandfrei fest. Und davon müssen wir ausgehen. Finlay hat schmutzige Finger.“ „Aber wir können ihm nichts beweisen, und wenn wir mehrere Kisten mit Gewehren in seiner Scheune finden würden.“ Der Sheriff schüttelte nachdenklich den Kopf. „Um ihn zu überführen, müssen wir uns schon etwas anderes einfallen lassen.“ „Daran liegt mir vorerst weniger“, erklärte Cartwright. „Ich will nicht, daß sich die Unruhen auf unser Gebiet ausdehnen.“ „Und was schlägst du vor?“ „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns an Ort und Stelle umzusehen. Das schlägt uns auch der Graue Wolf vor, dem es vor allem darum geht, daß seine Nichtbeteiligung und die seines Stammes an den Unruhen bewiesen wird.“ Der Sheriff überlegte eine Weile. „Aber ich kann den Treck unmöglich freigeben. Es sind sechs Familien, die mit ihren Wagen in einem Zeltlager vor der Stadt auf die Einreisegenehmigung in das neue Siedlungsgebiet warten. Ich kann es einfach nicht verantworten, die Leute in ihr Verderben rennen zu lassen.“ „Jedenfalls weiß jeder von diesem Treck. Wie wäre es, wenn wir statt der Siedler ausgesuchte Leute mit diesem Treck auf die Reise schicken? – Wenn die Männer wollen, können sie mitmachen, aber die Frauen bleiben hier. Ich habe Ben Sherman, der seit einem halben Jahr in New Virginia City sitzt, zwanzig Hereford-Rinder zu liefern. Hoss und Little Joe könnten sich mit den Rindern dem Treck anschließen.“ „Die Idee ist nicht schlecht“, gab Sheriff Coffee zu verstehen. „Es müßten aber Leute sein, auf die wir uns verlassen können.“
„Und wir müßten sie bis an die Zähne bewaffnen“, nickte Ben Cartwright. „Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht ohne Soldaten fertig würden.“ „Gut, Ben, ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen.“ „Aber niemand darf etwas davon erfahren“, warnte Cartwright. „Der Treck geht völlig normal auf die Reise. Erst hinter der Stadt werden die Frauen nach Carson City gebracht, und ihre Plätze werden von unseren Leuten eingenommen. Ich schlage das vor, weil die Ausreise des Trecks bestimmt von gewissen Leuten beobachtet wird. Wir müssen hier mit allem rechnen, weil wir die Burschen, die dabei ihre Hand im Spiel haben, nicht kennen. Daß sie hier in Virginia City sitzen, ist für mich völlig klar. Wir müssen sie nur aufspüren.“ „Aber was mag hinter allem stecken?“ fragte der Sheriff. „Gut, einer liefert den abtrünnigen Rothäuten Waffen und verdient daran. Er hetzt dazu die Rothäute noch auf die Siedler. Der Richter erweitert das Gesetz, das den Weißen den Verkauf von Waffen an Indianer verbietet, indem er jeden Indianer hängen läßt, der mit einem Gewehr angetroffen wird.“ „Man will den Haß der Indianer gegen die Weißen schüren“, überlegte Ben Cartwright. „Man will ihn so weit schüren, daß der Graue Wolf offen zum Kampf antritt, und damit wäre der Zustand wie vor dreißig Jahren wiederhergestellt.“ „Aber was hältst du von folgendem Gedanken, Ben: Man will verhindern, daß der Graue Wolf gegen seine rebellierenden Stammesgenossen vorgeht. Normalerweise müßte doch ein Häuptling, dem ein Unterstamm den Gehorsam verweigert, gegen die Rebellen vorgehen. Der Graue Wolf ist dazu nicht in der Lage, weil er, auch mit der Masse seiner Krieger, gegen die mit Gewehren ausgerüsteten Rebellen keine Chance hat. Hätten sie auch Schußwaffen, sähe das anders aus.“
„Ich glaube, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, Sheriff. Das ist einleuchtend. Ein Kampf zwischen dem Grauen Wolf und den Rebellen dürfte auch den Weißen, die hier ihre eigenen Interessen vertreten, sehr unbequem sein. Aus diesem Grunde ist das Gesetz erweitert worden.“ „Das bedeutet aber, daß wir in Richter Rickers einen Komplicen dieser Burschen sehen, und das dürfte doch etwas zu weit gehen.“ Ben Cartwright hob die Schultern. „Warum erweiterte er das Gesetz? In keinem Distrikt werden Indianer gehängt, die mit einer Schußwaffe angetroffen werden. Das sollte uns zu denken geben.“ „Vielleicht ist er Einflüsterungen erlegen.“ „Denkst du etwa an Montano?“ Der Sheriff zuckte die Achseln. „Sheriff, wir müssen für die Sauberkeit in unserem Gebiet sorgen, wir müssen wieder normale Zustände schaffen. Ich würde dabei keine Rücksicht auf Namen und Titel nehmen. Überall ist es ruhig. Neue Siedlungen wachsen aus dem Boden. Die Indianer aller Distrikte richten sich nach den Verträgen, nur in unserem Siedlungsgebiet ist Unruhe, und die wurde von Weißen künstlich angeheizt.“ Ben Cartwright nahm seinen Hut. „Man will eine Besiedlung des neuen Gebietes verhindern. Warum? – Das müssen wir klären.“
Neue Zwischenfälle
Hoss brachte die Säcke aus dem Laden und warf sie auf den Wagen. Er hatte beim alten Bentley die Einkäufe für die nächsten zwei Wochen gemacht. Er warf Little Joe, der auf dem Kutschbock des Einspänners saß und schläfrig in die Gegend sah, einen unwilligen Blick zu. „Du könntest mir ruhig mal helfen“, maulte er. „Ich kutschiere“, erwiderte der Bruder. „Außerdem bist du zweimal so dick wie ich. Was macht es dir schon aus? Ich muß mich schonen, sagt Pa, weil ich so schlecht aussehe. Das haben mir heute morgen sogar die Eichhörnchen gesagt.“ Sofort wurde Hoss interessiert. Wenn es um Hop Sings sprechende Eichhörnchen ging, war er ganz Ohr. Little Joe konnte nicht begreifen, daß sein Bruder den Unsinn glaubte. Dabei hatte er erst im vergangenen Winter einen sogenannten Bauchredner, der mit einer sprechenden Puppe im SaloonHotel aufgetreten war, erlebt. Die Eichhörnchen redeten doch nur, wenn Lex in der Nähe war. Das mußte ihm mit der Zeit doch auffallen. Hoss war aber viel zu ehrlich und zu leichtgläubig. Daß Hop Sing den Unsinn für bare Münze hielt, war vielleicht natürlich. Er glaubte auch noch an Dämonen und andere Geister. Zu jedem chinesischen Neujahrsfest brannte er auf der Ponderosa eine Menge Raketen und anderes Feuerwerk ab, um die Geister fernzuhalten, wie er erklärte. Nicht einmal Ben Cartwright hatte ihm das ausreden können. Ben Cartwright war auch der Ansicht, Hoss müsse ganz von selbst darauf kommen, daß es keine sprechenden Eichhörnchen geben könne. Bis dahin wollten ihm Lex und Little Joe aber noch gehörig zusetzen.
„Also hast du auch gehört, daß sie sprechen?“ fragte Hoss neugierig. „Ich sagte es dir ja, und Pa hat es auch gehört. Eigentlich könnte ich es nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Ohren gehört hätte. Aber es stimmt. Ich bin nur froh, daß sie auch zu dir sprechen.“ Du bist doch nicht zu retten, dachte Little Joe. Hoss nahm neben ihm auf dem Kutschbock Platz. Little Joe wollte das Pferd antreiben, als ihm sein Bruder in den Zügel fiel. „Schau nur, wer da kommt!“ Es war Cora Orton, die mit ihrem Apfelschimmel vor der Sheriff-Station anhielt und aus dem Sattel sprang. „Was mag sie beim Sheriff wollen?“ fragte Little Joe. „Hallo, Coralein“, rief Hoss. „Coraleinchen“, verbesserte Little Joe. „Das paßt besser zu deinen verliebten Nasenlöchern.“ Cora Orton wandte sich um und kam sofort auf die Brüder zu. „Grinse nicht wie ein Vollmond“, wies Little Joe seinen Bruder zurecht. „Sie glaubt sonst tatsächlich, wir laufen ihr nach.“ „Aber du läufst anderen Schürzen doch auch nach“, antwortete Hoss. „Die wollen mich aber auch nicht heiraten.“ „Ich nähme sie sofort“, erklärte Hoss. „Und dann viele, viele kleine Kinderchen.“ „Ja, klar, natürlich, Kinderchen“, ahmte Little Joe den Tonfall seines Bruders nach. „Jetzt weiß ich, wonach dir der Sinn steht, du – du…“ Er verschluckte das Wort, das er sagen wollte. „Streitet ihr euch schon wieder?“ fragte Cora. Sie strich sich nervös eine Haarlocke aus der Stirn.
„Keine Spur“, antwortete Little Joe. „Hoss sprach nur von vielen, vielen Kinderchen, die ihm seine zukünftige Frau einmal schenken müßte.“ Hoss lächelte sauer. „Komische Gespräche“, antwortete Cora. „Weißt du, Little Joe, ich bin froh, daß ich dich getroffen habe. Ich wollte dem Sheriff eine Anzeige machen. Heute morgen, beim Training für das Derby, wurde ich von zwei Burschen beobachtet. Durch den Anschlag auf Taifun bin ich ängstlich geworden. Vielleicht planen sie auch einen ähnlichen Anschlag auf mich.“ „Das langt doch nicht für eine Anzeige, Cora“, lachte Joe. „Beobachten kann dich jeder. Bist du von ihnen belästigt worden? Das wäre etwas anderes.“ „Nein, sie beobachteten mich nur, und das machte mich nervös.“ „Kennst du die Kerle?“ Cora schüttelte den Kopf. „Einer von ihnen ritt einen Falben, und deshalb wurde ich ängstlich. Von den Kerlen, die dich überfielen, ritt doch auch einer einen Falben.“ „Stimmt“, nickte Little Joe. „Und er war es auch, der mir den Schlag über den Kopf verpaßte. Ich möchte ihn zu gerne mal kennenlernen.“ Im Gewimmel der Wagen und Passanten tauchte die Postkutsche auf und hielt vor dem Büro der State-Lines. Den Männern, die ausstiegen, sah man an, daß sie sich hier in Virginia City beim Rodeorummel vergnügen wollten. Es waren reiche Viehzüchter aus Carson City. Sie kamen jedes Jahr zum Rodeo, um zu wetten. „Sie haben sich wieder von Mutters Schürzenzipfel losgerissen“, grinste Hoss. „Heute abend werden sie in Montanos Dancing-Zelt schwer auf die Pauke hauen. Sie kommen zu jedem Wochenende, bis das Rodeo beginnt.“
Cora sah ihn an. „Was heißt das – ,auf die Pauke hauen’?“ „Na, mit Mädchen – und so“, versuchte Hoss zu erklären. „Sie tanzen, scherzen und lachen…“ „Und lassen ihre Frauen zu Hause“, fügte Cora hinzu. „Würdest du das auch tun, wenn du eine Frau hättest?“ fragte sie Little Joe. „Er schon“, antwortete Hoss anstelle seines Bruders. „Aber ich nicht, Coralein…“ „Nein, er würde nur immer sitzen und Händchen halten und vor allem immer an viele, viele Kinderchen denken, der Goldjunge“, sagte Little Joe und ahmte den Tonfall seines Bruders nach. „Hasch mich, ich bin dein Ehemann!“ Und wütend fügte er hinzu: „Rede nicht so einen Blödsinn, du Nilpferd.“ „Ich weiß nicht, warum ihr euch immer streiten müßt“, meinte das Mädchen. „Er fängt doch immer an“, verteidigte sich Little Joe. „Seitdem er sich mit Hop Sings Eichhörnchen unterhält, ist er überhaupt nicht mehr zu gebrauchen.“ „Was tut er?“ fragte Cora und bekam große Augen. „Du hörtest ganz richtig; er unterhält sich mit Hop Sings Eichhörnchen“, wiederholte Little Joe. „Ja, ja, wirklich“, nickte Hoss eifrig. „Sie sprechen, die niedlichen Tierchen. Das müßtest du einmal hören.“ Coras Gesicht wurde eisig. „Wenn ihr glaubt, ihr könntet mich auf den Arm nehmen… Da müßt ihr schon früher aufstehen, ihr Flegel.“ „Aber nein, Corachen! – Es ist bestimmt wahr. Du kannst morgen zur Taufe unseres Schimmelhengstes kommen, nicht wahr. Joe, dann könnte sie sich davon überzeugen.“ „Ja, tue das, Cora“, nickte Little Joe. „Du könntest ihn taufen.“
Ohne ein Wort der Erwiderung wandte sich Cora Orton um und ging über die Straße zu ihrem Pferd. „Ein Figürchen hat sie!“ schwärmte Hoss und schlug die Augen gen Himmel. „Um was geht es denn, meine Herren Söhne?“ Ben Cartwright hielt seinen Fuchs neben dem Wagen an und beobachtete Cora, die sich auf ihren Apfelschimmel schwang. „Sie glaubt nicht, daß Hop Sings Eichhörnchen sprechen können, Pa“, erklärte Hoss. „Darüber würde ich an deiner Stelle auch einmal nachdenken“, erwiderte Ben Cartwright und sah Little Joe an. „Das geht doch wieder auf dein Konto. Ich finde, es langt jetzt.“ „Wie war es in der Bürgerversammlung?“ fragte Little Joe, ohne auf die Worte seines Vaters einzugehen. „Ein ziemlicher Wirbel“, erwiderte Ben Cartwright. „Der Richter wurde von Sheriff Coffee wegen der Erweiterung des Waffengesetzes befragt. Er mußte zugeben, das Gesetz eigenmächtig erweitert zu haben. In der anschließenden Abstimmung der Bürger wurde beschlossen, die Erweiterung aufzuheben, nachdem der Sheriff dafür eingetreten war.“ „Also darf kein Indianer mehr gehängt werden, der mit einer Schußwaffe angetroffen wird.“ „Richtig, Junge! – Es gelang mir, die Bürger davon zu überzeugen, daß der Graue Wolf nicht für die Übergriffe in dem neuen Siedlungsgebiet verantwortlich zu machen ist und daß er die Rebellen längst bekämpft hätte, wäre sein Stamm mit Schußwaffen ausgerüstet. – Aber darüber sprechen wir noch zu Hause.“ Ben Cartwright trieb sein Pferd an. „Kommt, Jungs!“ Little Joe lenkte den Wagen zur Hauptstraße. Dort hatte sich vor dem Saloon-Hotel inzwischen eine Menschenmenge angesammelt. Erregte Stimmen wurden laut. Unter der Menge
befand sich auch Cora Orton. Als sie die Cartwrights sah, ritt sie ihnen entgegen. Sie lenkte ihr Pferd neben Ben Cartwright. „Was gibt es denn, Cora?“ „Die Siedler haben einen jungen Mann gefaßt, der angeblich einen Sattel gestohlen haben soll“, sagte das Mädchen erregt. „Sie schlagen auf ihn ein und wollen ihn aufhängen.“ „Wegen eines Diebstahls?“ Sofort schwang sich Ben Cartwright aus dem Sattel, und seine Söhne sprangen vom Wagen. „Rufen Sie den Sheriff, Cora“, bat Cartwright das Mädchen. Dann drängte er sich durch die Menge. Drei Kerle hatten einen jungen Mann zu Boden geworfen und bearbeiteten ihn mit Fäusten. „Aufhören!“ brüllte Cartwright und riß einen der Kerle zurück. Hoss und sein Bruder stürzten sich auf die anderen Burschen und trennten sie von dem am Boden liegenden Mann. Little Joe erkannte in ihm einen jungen Cowboy der Bellon-Ranch. Er blutete aus Mund und Nase. Die Männer, die ihn überfallen hatten, starrten ihn haßerfüllt an. „Man sollte ihn aufhängen!“ brüllte einer von ihnen. „Der Kerl gehört zu den Burschen, die die Trecks überfallen haben.“ „Langsam, langsam“, sagte Cartwright. „Wie kommen Sie zu dieser Anschuldigung?“ „Das kann ich beweisen“, erklärte der Mann. „Er hat meinen Sattel.“ „Das ist doch Blödsinn“, wandte sich der junge Cowboy an Ben Cartwright. „Der Sattel gehört mir. Es kann sich nur um eine Verwechslung handeln.“ Sheriff Coffee und Cora drängten sich durch die Umstehenden.
„Was geht hier vor?“ fragte Coffee. Er hielt ein Gewehr in der Hand. Ben Cartwright erklärte es ihm. „Nehmen Sie den Sattel und folgen Sie mir in mein Büro“, wandte sich der Sheriff an die Männer. „Das dürfte leicht festzustellen sein.“ Und dem jungen Cowboy erklärte er: „Du bist vorerst festgenommen.“ „Mir kann nicht viel passieren“, erwiderte der junge Mann und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. „Einsperren müssen Sie die Kerle. Sie haben mich überfallen.“ Ben Cartwright und seine Söhne wurden von Coffee aufgefordert, dem Verhör in der Sheriffstation als Zeugen beizuwohnen. Little Joe erkannte in einem der drei Männer plötzlich den Siedler, den er in Montanos Dancing-Zelt getroffen hatte. Wie ihm der Mann berichtete, gehörte er zu einem Treck, der vor einiger Zeit von Indianern überfallen worden war. Er war den Indianern entkommen und durch einen Schuß verletzt worden. Joe erinnerte sich ganz genau an diese Unterredung. Sheriff Coffee hatte den Sattel auf einen Tisch gestellt. „Sie erkennen also in diesem Sattel Ihr Eigentum?“ fragte er den Siedler. „Selbstverständlich“, erklärte der Mann. „Dieser Sattel blieb bei dem Überfall auf unseren Treck zurück. Er fiel den Indianern in die Hände.“ „Und könnten Sie mir erklären, wie es möglich ist, daß dieser Sattel jetzt hierherkommt?“ lächelte der Sheriff. „Weil sich auch Weiße an den Überfällen beteiligen, Banditen, die mit den Rothäuten gemeinsame Sache machen. Dieser Bursche muß einer von ihnen sein. Es ist mein Sattel, das kann ich beschwören.“ „Könnte es nicht einen ähnlichen Sattel geben?“
„Ausgeschlossen“, erwiderte der Siedler. „Ich erkenne ihn an einer Schramme am Sattelknopf.“ Er zog ein Messer aus der Tasche. „Sollte Ihnen das aber auch noch nicht genügen, kann ich es Ihnen noch besser beweisen. Ich werde gleich um zweihundert Dollar reicher sein, denn die nähte ich unter das Leder des Sattels ein. Da ich ihn stets als Kopfkissen benutzte, war das Versteck sicherer als die State-Bank.“ Damit trennte er das Leder des Sattels auf und zog die Dollarnoten heraus. „Bitte, wollen Sie einen besseren Beweis?“ Der Sheriff warf den Cartwrights einen Blick zu. „Na, was sagst du dazu?“ wandte er sich an den jungen Cowboy. „Wie heißt du?“ „Glen Foster“, antwortete der junge Mann. „Was soll ich dazu sagen?“ fuhr er fort. „Ich staune nur!“ „Das Staunen wird dir aber bald vergehen, wenn du uns nicht erklären kannst, woher der Sattel stammt.“ „Ganz einfach, ich kaufte ihn.“ Foster überlegte eine Weile. „Von einem Cowboy. Ich glaube, er hieß Williams. Er arbeitet für Mr. Orton.“ „Moment, das werden wir sofort feststellen“, sagte Little Joe. Er ging hinaus und kam mit Cora Orton zurück. Das Mädchen sah ängstlich von einem zum anderen. „Habt ihr einen Cowboy namens Williams?“ fragte der Sheriff. „Ja, Ben Williams“, nickte Cora. „Er arbeitet schon seit vielen Jahren bei uns. Hat er etwas angestellt?“ „Weiß der Teufel“, antwortete der Sheriff. „Er muß jedenfalls sofort herkommen.“ „Komm, ich bringe dich nach Hause“, erbot sich Little Joe. „Dann nehme ich diesen Williams gleich mit.“ „Ihr könnt gehen“, wandte sich der Sheriff an die Siedler. „Die Sache wird von uns geklärt. Kommt morgen vorbei, dann werde ich euch mehr sagen können.“
Auf der Orton-Ranch war Williams schnell gefunden. Little Joe erklärte Mr. Orton, um was es sich handelte, und der Rancher meinte, mit dieser Sache könne Williams unmöglich etwas zu tun haben. Williams sei ehrlich und zuverlässig. Nachdem Little Joe Cora noch einmal zur Taufe seines Schimmelhengstes eingeladen hatte, verabschiedete er sich und machte sich mit Williams auf den Weg zurück. Er hatte dem Cowboy aber nicht erklärt, warum dieser mit zur Sheriffstation müsse. „Wissen Sie, Mr. Cartwright, mir ist völlig schleierhaft, warum mich der Sheriff sehen will“, sagte Williams unterwegs. Das glaubte ihm Little Joe aufs Wort. Williams war ein älterer Mann, der einen guten Eindruck machte. „Es geht um einen Sattel, den Sie angeblich einem gewissen Foster verkauft haben. Stimmt das?“ „Ja, das stimmt“, bestätigte Williams. „Ich verkaufte ihn um fünf Dollar teurer, als ich ihn kaufte. Ist das denn strafbar?“ Little Joe lachte. „Nein, darüber machen Sie sich keine Sorgen. Der Sheriff will nur die Herkunft des Sattels klären. Sicher können Sie sich erinnern, von wem Sie ihn kauften.“ „Natürlich kann ich das. Er lag beim alten Bentley im Laden. Ich wollte mir Tabak kaufen, und da mir der Sattel gefiel, nahm ich ihn mit. Später traf ich Foster im Saloon-Hotel. Ich hatte den Sattel neben mir auf dem Stuhl liegen. Na, er wollte ihn unbedingt haben. So schlug ich fünf Dollar auf den Preis.“ Die Reiter hatten jetzt das Felsengelände vor der Stadt erreicht. Als sie auf den Hauptweg einbiegen wollten, fielen plötzlich aus den Felsen mehrere Schüsse. Haarscharf pfiffen die Projektile ihnen am Kopf vorbei. Little Joe und Williams ließen sich blitzschnell aus dem Sattel gleiten und nahmen hinter den nächsten Felsen
Deckung. Es geschah aber nichts mehr. Nach einer Weile hörten sie Hufschlag. Little Joe erkletterte die Felsen und sah drei Reiter, die im Galopp der Stadt zustrebten. „Das war hart“, sagte Williams, als Little Joe zurückkam. Er betupfte mit seinem Taschentuch eine Wunde an seinem Hals. „Ich glaube, die Burschen hatten es auf mich abgesehen, obwohl ich mir den Grund nicht denken kann.“ „Ich nehme an, Sie sollen nicht mit dem Sheriff sprechen“, überlegte Little Joe. „Was könnte es anders sein? – Ist es schlimm?“ „Nur ein Kratzer“, lächelte Williams, aber man sah ihm an, er fühlte sich nicht sehr wohl dabei. In der Sheriffstation wartete man bereits. Vor dem Haus hatten sich eine Menge Leute eingefunden. Offenbar hatten die Siedler ihnen den Vorfall berichtet. Wie Little Joe feststellte, befanden sich unter ihnen auch Hollers-Leute. Der Siedler, dem der Sattel gehörte, betrat mit ihnen zusammen die Station. Vermutlich hatte er auf sie gewartet. ‘ Williams erklärte, wie er zu dem Sattel gekommen war und daß er ihn an Foster verkauft habe. „Sie können den alten Bentley fragen“, beendete er seine Ausführungen. „Er wird sich genau daran erinnern können.“ „Und er muß wissen, von wem er den Sattel kaufte“, meinte Ben Cartwright. „Ich möchte aber zu gerne wissen, warum man auf euch schoß.“ „Das dürfte doch ganz einfach sein, Pa“, erklärte Little Joe. „Man wollte Williams’ Aussage verhindern. Wir sollten nicht erfahren, daß der Sattel bei Bentley gekauft wurde, vermutlich, weil uns der Alte genau sagen kann, von wem er den Sattel erhielt. Die Kerle, die es angeht, sind durch die Siedler von dem Hergang in der Station unterrichtet worden. Sie wußten, daß ich Williams holte, und haben sehr schnell gehandelt.“
Der Sheriff nickte. „Das könnte stimmen.“ Er wandte sich an Ben Turner, den Hilfssheriff. „Hole den alten Bentley her. – Sage ihm, es dauert nicht lange.“ Turner machte sich sofort auf den Weg. Der Drugstore des alten Bentley lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er mußte also in wenigen Minuten mit dem Alten zurück sein. Es dauerte aber nicht mal eine Minute, da tauchte Ben Turner in der Tür auf. „Sheriff, der alte Bentley ist erschossen worden“, brüllte er in den Raum. „Ich habe die Kerle noch gesehen. Sie ritten mich bald über den Haufen.“ Ben Cartwright fuhr hoch. „Dann waren es die gleichen Burschen, die den Anschlag auf Williams verübten. – Holt einen Arzt!“ Dr. Commings konnte aber nur den Tod Bentleys feststellen. Der Alte war aus kurzer Entfernung durch einen Schuß ins Herz getötet worden. Die Täter hatten also in aller Ruhe handeln können. Das bestätigte auch John, der Ladenjunge. Er hatte sich nach dem Anschlag sofort zwischen die Mehlsäcke geworfen. Dort fand man ihn weinend auf. Er berichtete, drei Männer hätten den Laden betreten und Tabak gekauft. Einer von ihnen habe dann plötzlich den Colt gezogen und auf den alten Bentley geschossen. Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen. Eine Beschreibung der drei Täter konnte er nicht geben. Zuerst habe er den Kerlen keine Beachtung geschenkt, und dann sei er zu aufgeregt gewesen, um sie genau anzusehen, erklärte er. Während sich der Sheriff noch mit dem Jungen befaßte, trat einer der Siedler zu ihm. „Sheriff, in diesem Laden befinden sich viele Gegenstände, die wir wiedererkennen. Sie stammen alle aus dem Treck, der von den Indianern überfallen wurde.“ „Sind Sie sicher?“ fragte Ben Cartwright.
Der Mann deutete auf einige Schaufeln, die in einer Ecke standen. „Sehen Sie das ,S’ auf dem Schaufelblatt? – Das bedeutet Soundes, ebenfalls die beiden Pflüge. Sie sind auch mit dem ,S’ gekennzeichnet. Sie gehörten der Familie Soundes, die bei dem Überfall umkam.“ Es wurden auch noch Kleider gefunden, die den überfallenen Siedlern gehört hatten. Offenbar waren die Sachen alle zum Verkauf in Bentleys Drugstore gebracht worden. Der alte Bentley hatte die Sachen bezahlt und nicht weiter gefragt, woher sie stammten. Aber er mußte die Verkäufer gekannt haben und hätte sie bestimmt nennen können. Dieses Wissen hatte ihm den Tod gebracht. Da der Anschlag auf Williams nicht klappte, hatten die Burschen blitzschnell Bentley getötet, um nicht entdeckt zu werden. Das alles wurde noch einmal eingehend in der Sheriffstation besprochen. Man war dadurch einen kleinen Schritt weitergekommen und wußte, daß die Drahtzieher der Unruhen ohne Zweifel in Virginia City zu suchen waren. Das alles wäre aber nicht herausgekommen, hätte der Siedler seinen Sattel nicht wiedererkannt, und der alte Bentley wäre noch am Leben. Auf dem Weg nach Hause kam den Cartwrights Lex mit Taifun entgegen. Er erklärte, das Pferd sei wieder völlig in Ordnung. Er war sicher, das Derby mit Taifun gewinnen zu können. „Ich muß die Strecke nur noch mehrere Male abreiten, damit sich der Hengst daran gewöhnt“, meinte er. „Er ist jetzt schon so schnell, daß er von keinem anderen Pferd zu schlagen ist.“ „Na, was sagte ich, Pa“, frohlockte Little Joe. „Da kann sich Cora mit ihrem Apfelschimmel begraben lassen.“ „Gut, daß ich nicht reiten muß“, meinte Hoss. „Ich würde sie gewinnen lassen. Ich könnte gar nicht anders.“
„Klarer Fall“, nickte Little Joe. „Bei deinen verliebten Nasenlöchern wäre das gar nicht anders zu erwarten. Gott sei Dank, du reitest nicht!“ Nach dem Mittagessen kam Ben Cartwright auf die Bürgerversammlung zu sprechen. Dabei erklärte er, daß Richter Rickers unter Druck gehandelt haben müsse, als er das Gesetz des Waffentragens erweiterte. „Und wer könnten die Leute sein, die ihn unter Druck setzen und denen er sich beugen muß?“ fragte Hoss. „Ich denke da an Montano und Finlay“, erklärte Little Joe. „Diese beiden haben bestimmt ihre Finger im Spiel.“ Lex, der die Unterhaltung schweigend verfolgt hatte, hob die Achseln. „Ich bin da nicht ganz sicher. Die beiden sind auch nur Ausführende, die sich nach den Befehlen eines anderen richten müssen. Den Mann, der hinter allem steht, kennen wir noch nicht.“ Ben Cartwright sah seine Söhne an. „Nun zu dem Plan, den ich mit Sheriff Coffee und dem Bürgermeister abgesprochen habe. Der Treck geht in drei Tagen auf die Reise. Anstelle der Frauen, die nach Carson City gebracht werden, brauche ich zehn zuverlässige junge Männer, die die Stellen der Frauen einnehmen.“ Er sah Little Joe an. „Die wirst du besorgen. Ich nehme an, es bereitet dir keine großen Schwierigkeiten.“ Little Joe nickte. „Zu den sechs Wagen, die von Virginia City losfahren, stoßen hinter der Stadt weitere sechs Wagen aus Carson City. Sie sind ebenfalls mit schwerbewaffneten Leuten besetzt und führen in einem der Wagen sogar eine Kanone mit. Die Hälfte aller Leute trägt Frauenkleider. Verpflegung und Munition werden genügend mitgenommen. In einer Wagenburg kann sich der Treck gut vierzehn Tage halten, wenn es sein muß. Ich denke aber, es wird gar nicht soweit kommen. Die Banditen
und die Roten halten die Wagen für einen normalen Treck und werden ihn ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen angreifen.“ „Und was ist unsere Aufgabe, Pa?“ fragte Hoss. „Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen“, fuhr Ben Cartwright fort. „Ich nehme an, Bill, Sie sind auch mit von der Partie.“ „Selbstverständlich“, nickte der Schnauzbärtige. „Gut! – Wir haben an Sherman in New Virginia City noch zwanzig Rinder zu liefern. Ihr schließt euch mit den Tieren dem Treck an.“ „Verstehe“, fiel Little Joe ein. „Damit sieht alles noch echter aus.“ „Richtig“, bestätigte der Vater. „Aber nur Hoss bleibt mit den Tieren immer beim Treck. Bill und du, ihr löst euch, besonders während des Tages, vom Treck und beobachtet ihn von weitem. Dabei ist es vor allem eure Aufgabe, festzustellen, wer sich für den Treck interessiert.“ „Völlig klar, Pa“, nickte Little Joe. „Sonst noch was?“ „Die Leute, die du aussuchst, sollen sich bei der Abreise des Trecks bereit halten. Sie erwarten den Treck in der Schlucht bei den Eagle Rocks. Dort erst nehmen sie die Plätze der Frauen ein. Die Sättel werden auf die Wagen verladen und die Pferde mitgeführt. Pferde sind für die Roten immer ein besonderer Anreiz. Ich glaube, damit wäre wohl alles gesagt.“ Noch am gleichen Abend machte sich Little Joe auf, um mit den Leuten, die für die Begleitung des Trecks in Frage kamen, zu reden. Es handelte sich hauptsächlich um Ranchersöhne. Da sie in keinem festen Arbeitsverhältnis standen, konnten sie jederzeit zur Stelle sein. Sie waren Schulkameraden der Cartwrights und sofort bereit, sich für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Lex begleitete ihn bei diesen Besuchen. Als sie am späten Abend durch Virginia City ritten, hielt Little Joe plötzlich sein Pferd an. An dem Haltebalken vor dem
Saloon-Hotel war ein Falbe angebunden. Er stand zwischen den anderen Pferden, aber Little Joe hatte ihn sofort gesehen. Lex grinste, als sich Little Joe aus dem Sattel schwang. „Ich habe das Gefühl, dich interessiert hier etwas.“ „Genau“, antwortete Joe. „Ich möchte mir den Kerl mal ansehen, der mir den Schlag über den Kopf verpaßte. Komm, steig ab, ich gebe einen aus.“ Im Schankraum war Hochbetrieb, Blechern hämmerte ein Klavier, zu dem eine Geige wimmerte und ein Banjo summte. Sie fanden einen freien Platz an der Theke. Little Joe bestellte zwei Bier und sah sich um. Zwei Tische waren von HollersLeuten besetzt. Unter ihnen mußte sich also der Bursche mit dem Falben befinden. „Nun, wer ist der Kerl?“ fragte Lex. „Das kann ich dir ganz genau sagen“, erwiderte Little Joe. „Der Kerl mit dem karierten Hemd. Seine Visage ist mir noch genau in Erinnerung. Er reitet den Falben, darauf möchte ich wetten.“ In diesem Moment kam ein kleiner Cowboy in das Lokal und ging direkt auf den Tisch der Hollers-Leute zu. Er redete mit ihnen. Daraufhin erhoben sich alle und verließen den Schankraum. „Trinken wir aus“, sagte Little Joe und warf ein Geldstück auf die Theke. „Mich würde interessieren, was das zu bedeuten hat.“ Langsam folgten sie den Männern und warteten vor der Schwingtür, bis die Kerle aufgesessen waren. Dann schwangen sie sich ebenfalls auf ihre Pferde und folgten ihnen. Es waren sieben Burschen, und unter ihnen befand sich der Kerl mit dem Falben. Sie schlugen einen scharfen Trab an und bogen an dem Kreuzweg zur Hollers-Ranch ab. „Da weiß ich einen schnelleren Weg“, sagte Little Joe und preßte seinem Schecken die Schenkel an. „Komm!“
Lex folgte dem Freund, der querfeldein über die Weiden ritt. An den Horse Rocks bog er ab und preschte einen Hohlweg hinauf. Von dort aus sah man schon die Lichter der HollersRanch. Auf diese Weise waren sie schneller am Ziel und konnten von ihrem Beobachtungsplatz das Anreiten der Burschen beobachten. Little Joe stieg ab und befestigte den Zügel seines Pferdes an einem Busch. Lex tat desgleichen. „Und was hast du jetzt vor?“ fragte der Schnauzbärtige. „Vermutlich findet dort heute eine Versammlung statt“, grinste Little Joe. „Ich möchte mir die Kerle einmal ansehen, und vielleicht können wir etwas Wissenswertes erfahren. Sie könnten bereits über die Ausreise des Trecks informiert sein, wenn einer von unseren Leuten nicht dichtgehalten hat. Damit ist zu rechnen.“ Die Männer jagten ihre Pferde in einen Freikorral vor der Scheune und betraten das Haus. Little Joe und Lex schlichen sich von der Rückseite an das Gebäude heran. Wo sich die Burschen aufhielten, sah man an den erleuchteten Fenstern. Über dem Stallgebäude war ein Vorbau angebracht. Darüber lag direkt eines der erleuchteten Fenster des ersten Stockwerkes. Dort mußte die Zusammenkunft stattfinden. Während sich Lex einen Beobachtungsplatz bei der Scheune suchte, kletterte Little Joe an dem Pfosten des Vorbaues hoch und kroch über das Dach zu dem hellerleuchteten Fenster. Was er dort sah, ließ ihn augenblicklich den Atem anhalten. Hinter einem Tisch, vor dem die Männer standen, saß Montano. Er hatte eine kleine Waage vor sich stehen und war dabei, kleine Häufchen von Nuggets abzuwiegen und in Lederbeutel zu füllen. Neben ihm auf dem Tisch lag ein großer Haufen Goldkörner. Montano verteilte die Beutel an seine Leute.
Little Joe sah, daß das Fenster nur angelehnt war. Er schob es vorsichtig zu einem Spalt auf und konnte nun hören, was in dem Raum gesprochen wurde. Montano wog den Rest der Goldkörner ab und verteilte ihn in mehrere größere Beutel. „Die werden morgen in Carson City und in Angelus auf der Bank eingetauscht“, sagte er. „Das macht diesmal Harper. Saftey und Corner begleiten ihn. Damit keiner von euch auf krumme Gedanken kommt: Sie sind genau gewogen. Den Erlös zahlt ihr wie immer auf das Konto von Richter Rickers ein.“ Die Männer nickten. „Wer von euch Dummköpfen hat die Ausrüstungsgegenstände der Siedler an Bentley verkauft?“ fragte Montano ärgerlich. „Der Sheriff weiß jetzt ganz genau, daß die Sachen nicht von Indianern hergebracht werden konnten.“ „Ist doch längst erledigt“, erklärte einer der Männer. „Der Alte konnte keine Auskunft mehr geben, und darauf kam es doch an. – Sonst noch etwas?“ „Auch ihr tauscht eure Nuggets nur in Carson City oder Angelus um“, fuhr Montano fort. „Dort kennt euch niemand. – Ist im Lager alles in Ordnung?“ „Bestens, Chef! – Für die Indianer haben wir drei Gallonen Schnaps besorgt. Er wird ausgegeben, wenn der Treck in unser Gebiet kommt. Er soll übermorgen auf die Reise gehen.“ „Dann soll Finlay noch zwei Kisten Munition für die Indianer herausgeben.“ Montano warf dem Mann einen Beutel mit Nuggets zu. „Hier, gebt ihm das und sagt ihm, es sei eine Anzahlung für die Gewehre.“ Die Männer verließen den Raum, und bald darauf blies Montano die Lampe aus.
Little Joe hörte, wie die Kerle ihre Pferde aus dem Freikorral holten und davonritten. Montano war offenbar im Haus geblieben. Noch eine ganze Weile blieb Little Joe auf dem Dach liegen. Er wollte ganz sichergehen, daß niemand mehr in der Nähe war. Außerdem mußte er das alles noch einmal überdenken, was er da soeben gesehen und gehört hatte. Er konnte es einfach nicht glauben. Einen solchen Goldberg von Nuggets hatte er noch nie gesehen. Woher stammte das Gold? Lex hatte also recht. Es ging hier hauptsächlich nur um Gold. Es war die Ursache aller dieser Verbrechen, an denen Richter Rickers ohne Zweifel mitschuldig war. Der Erlös des Goldes wurde auf sein Konto überwiesen. Unten stieß Lex einen leisen Pfiff aus. Aus dem Dunkel des Zufahrtsweges zur Farm rollte ein unbeleuchteter Zweispänner heran. Gut, daß Lex gepfiffen hatte, sonst wäre Little Joe von dem Ankommenden entdeckt worden. Der Wagen hielt genau unter dem Vorbau. Eine Gestalt stieg aus und verschwand Sekunden darauf im Haus. Jetzt erst ließ sich Little Joe an dem Balken herabgleiten. Er erkannte in dem Zweispänner den Wagen des Richters. „Komm, dafür wird sich Pa besonders interessieren“, meinte er zu Lex. Auf der Ponderosa fand eine halbe Stunde später eine Aussprache statt. Little Joe hatte dem Vater von seinem Besuch auf der Hollers-Ranch berichtet. „Das Motiv der ganzen Verbrechen ist also sehr einfach“, überlegte Ben Cartwright. „In dem neuen Siedlungsgebiet muß von irgend jemandem Gold gefunden worden sein. Da die Einträge neuer Goldfunde im Büro des Richters gemeldet werden müssen, erfuhr Richter Rickers zwangsläufig von der Claim-Anmeldung. Er setzte sich mit Montano in Verbindung,
um den Claim selbst auszubeuten. Den rechtmäßigen Besitzer des Claims hat man vermutlich umgebracht. Als nun das Gebiet durch Siedler erschlossen werden sollte, fürchteten Montano und seine Helfershelfer, die Siedler könnten von ihrer ergiebigen Schürfstelle erfahren und in der Umgebung selbst Grabungen vornehmen. Sie verbündeten sich mit dem dort lebenden Paiute-Zweigstamm und hetzten die Indianer auf, die Siedler aus diesem Gebiet zu vertreiben. Dafür liefert Montano ihnen Gewehre und Schnaps.“ „Richtig, Pa“, nickte Little Joe. „Vielleicht ist die Ader sehr ertragreich, und sie glauben, daß das ganze Gebiet goldhaltig ist.“ „Ihr ausgelegtes Motiv ist sehr einleuchtend“, erklärte nun auch Lex. „Aber soviel mir bekannt ist, muß eine ClaimEintragung auch auf dem Bürgermeisteramt vorgenommen werden. Sollte die Eintragung bei Rickers verschleiert worden sein, so werden wir aber den Namen des rechtmäßigen Besitzers bestimmt in den Büchern des Bürgermeisteramtes finden.“ Am nächsten Morgen machten sich die Cartwrights zum Bürgermeisteramt auf. Den Sheriff wollten sie noch nicht ins Vertrauen ziehen, bis alles klar war. „Ja, Mr. Cartwright, daran kann ich mich noch gut erinnern“, sagte der Beamte. „Das war ein Verrückter, der wollte in diesem Gebiet Gold gefunden haben. Dabei weiß jeder hier bei uns, daß sogar die Silberminen nichts mehr hergeben. Ich habe ihm aber den Gefallen getan und den Claim eingetragen.“ Der Mann zog ein Buch aus dem Regal und schlug es auf. „Das war am vierundzwanzigsten November. Hier steht es; der Mann hieß Hamilton. Eine Woche später hat er sich bei den Eagle Rocks das Genick gebrochen. Ist vermutlich vom Pferd gestürzt.“
„Nun, Pa?“ fragten Hoss und Little Joe, die draußen geblieben waren, fast gleichzeitig. „Ich könnte mich geradezu als Hellseher ausgeben“, lachte Ben Cartwright grimmig. Er erklärte seinen Söhnen, was er erfahren hatte. „So, und jetzt geht’s zum Büro des Richters.“ Mr. Melbers, Rickers’ Bürovorsteher, ein etwas geschniegelter Mann mittleren Alters, sah überrascht auf, als die Cartwrights eintraten. Er erklärte, Richter Rickers sei nicht zugegen. „Das macht nichts“, antwortete Ben Cartwright. „Wir möchten nur wissen, ob ein gewisser Hamilton am vierundzwanzigsten November einen Claim eintragen ließ.“ Wortlos nahm Melbers einen Band zur Hand und blätterte darin. „Ich sehe gerade“, sagte er mit gerunzelter Stirn, „die Eintragung ist von Richter Rickers gestrichen worden.“ Er kaute nachdenklich auf seinem kurzen Schnurrbart. „Das verstehe ich nicht“, fuhr er nach einer Weile fort. „Ich habe die Eintragung selbst vorgenommen. Der Mann kam mir zwar etwas komisch vor, weil er hier in unserem Gebiet Gold entdeckt zu haben glaubte, aber ich machte die Eintragung.“ „Danke, das genügt uns“, nickte Cartwright und warf seinen Söhnen einen Blick zu. Sheriff Coffee, den die Cartwrights als nächsten aufsuchten, ließ sich alles eingehend erklären, aber er war nicht bereit, etwas gegen die Beschuldigten zu unternehmen. „Ich kann es nicht, Ben“, erklärte er. „Das sind alles nur Vermutungen und keine Beweise. Wir werden die Kerle im Auge behalten. Sei sicher, mit dem Treck locken wir sie aus der Reserve. Bisher ist ihnen alles gelungen, und sie werden glauben, sie hätten auch diesmal wieder leichtes Spiel. Vor allem ist mir die Beschuldigung gegen Richter Rickers unverständlich.“
Der Treck
Seit zwei Tagen war der Treck unterwegs. Bei den Eagle Rocks mußten die Frauen die Wagen verlassen, und ihre Plätze wurden von den zehn jungen Männern eingenommen. Kurz darauf stießen die sechs Wagen mit schwerbewaffneten Männern aus Carson City zu ihnen. Das war alles ganz unbemerkt vor sich gegangen, denn Little Joe und Lex hatten die Aktion von einem Hügel aus beobachtet. Bisher interessierte sich noch niemand für die Ausreise des Trecks. Der Austausch der Frauen war auf keinen Fall beobachtet worden. Großen Spaß machte es den Männern, Frauenkleider über ihre Anzüge zu streifen. Der Treck bestand jetzt aus zwölf Planwagen, einer kleinen Herde Pferde und zehn Rindern, die von Hoss bewacht wurden. Der Wagenzug machte einen völlig normalen und friedlichen Eindruck. Wie ihnen Ben Cartwright aufgetragen hatte, folgten Little Joe und Lex dem Treck stets in einiger Entfernung. Nur mittags und abends kamen sie ins Lager. Gegen Mittag des zweiten Tages war das Gebiet erreicht, in dem es gefährlich werden konnte. Es war ein bewaldetes Tal, von langgestreckten niedrigen Hügelketten umgeben. Hier begann das Gebiet der aufständischen Paiutes, und nicht weit von hier hatte der Überfall auf den letzten Siedlertreck stattgefunden. Zum Führer des Trecks war der Siedler ausgewählt worden, dessen Sattel im Drugstore des alten Bentley verkauft worden war.
„Sie haben uns drüben in dem Canon überfallen“, berichtete er Lex und Little Joe. „Ich schlage vor, wir fahren hier, auf dieser freien Fläche, unsere Wagenburg auf. Dann haben wir freies Schußfeld nach allen Seiten. Wenn wir nicht weiterziehen, müssen sie uns hier angreifen.“ Lex war damit einverstanden, und auch die Männer der Kampfgruppen hielten diesen Vorschlag für gut. „Wir können die Kanone in aller Ruhe zwischen den Wagen aufprotzen und auch die Pferde für eine eventuelle Verfolgung bereits satteln“, meinte einer der Männer. „Immer langsam“, lächelte Little Joe. „Wir wissen nicht, in welcher Stärke sie uns angreifen. Ich nehme an, die Führer der weißen Banditen haben sich in New Virginia City niedergelassen. Dort werden wir einmal nachschauen. Vor allen Dingen müssen wir feststellen, wo sich die Indianer aufhalten, Angreifen werden sie in den nächsten vierundzwanzig Stunden auf keinen Fall, denn sie warten vermutlich darauf, daß der Treck weiterzieht.“ Hoss trug auch Frauenkleider, aber er hatte dabei seinen Hut auf. Er war damit beschäftigt, an der Feldküche eine Portion Bohnen mit Speck zu verdrücken. „Na, Oma, der Hut paßt aber schlecht zu der eleganten Robe“, grinste Little Joe. „Du mußt ein Häubchen aufsetzen, Dickerchen.“ „Mir langt es schon, in diesem Fummel herumzulaufen“, erwiderte Hoss unwillig. „Wenn wir sowieso jetzt hierbleiben, ziehe ich die Klamotten aus.“ „Nur nicht“, erwiderte Lex. „Gerade jetzt sind sie wichtig. Ihr werdet bestimmt beobachtet, und ein Treck ohne Frauen ist verdächtig.“ „Und das Kleid steht dir vor allen Dingen so gut“, lächelte Little Joe und musterte seinen Bruder. „Du siehst wie eine Dame aus, die – etwas Kleines erwartet.“
Er konnte der Portion Bohnen mit Speck, die Hoss nach ihm schleuderte, nur durch einen schnellen Sprung entgehen. Nachdem Little Joe und Lex gegessen hatten, schwangen sie sich auf ihre Pferde, um zu dem Erkundungsritt aufzubrechen. Sie wollten zuerst nach New Virginia City. Dort konnten sie bei dem alten Sherman vielleicht etwas erfahren und ihm gleichzeitig auch mitteilen, daß seine zwanzig Rinder unterwegs waren. „Seht euch aber vor“, warnte Hoss. In seinem Gesicht stand Sorge. „Am liebsten würde ich mitreiten.“ „Keine Sorge, uns passiert schon nichts“, lachte Little Joe. „Vor morgen früh sind wir bestimmt nicht zurück.“ Die Siedlung New Virginia City lag abseits des Gebietes, das von den aufständischen Paiutes beherrscht wurde. Es war ein Ritt von wenigstens vier Stunden. Trafen sie unterwegs aber Indianer, wollten sie sofort umkehren. Nachdem sie einen Höhenrücken überwunden hatten, lag freies Gelände vor ihnen. Liebliche Täler lagen zwischen grünen Hügelketten. Hoch stand die Sonne am wolkenlosen Himmel. Das entsicherte Gewehr quer über den Sattel gelegt, so ritten sie weiter. Unangefochten durchquerten sie das Tal und hatten drei Stunden später den Fuß der nächsten Hügelkette erreicht. Es war die Zeit, da sich das Land in den blauen Schimmer der Dämmerung hüllte. Little Joe, der seinen Blick über die Hügelkette schweifen ließ, fuhr plötzlich zusammen und ritt sofort in die Deckung eines Gebüsches. Lex folgte ihm. Auf der Kuppe des Hügels vor ihnen waren zwei Reiter aufgetaucht. Deutlich erkannten Little Joe und Lex zwei Indianer mit wehendem Federschmuck. Bewegungslos starrten die Rothäute ins Tal herab und waren plötzlich wieder verschwunden. „Ob sie uns entdeckt haben?“ fragte Little Joe.
„Darauf würde ich es nicht ankommen lassen“, erwiderte Lex. „Los, machen wir uns davon. Vielleicht hetzen sie uns eine ganze Meute auf den Pelz.“ „Wir wollen versuchen, die Siedlung zu erreichen“, schlug Little Joe vor. „Bis dorthin sind es höchstens noch drei Meilen. Zurück zum Lager ist es jetzt zu weit.“ Sie trieben ihre Pferde an und jagten in gestrecktem Galopp der seitlich von ihnen liegenden Hügelkette zu. Bald hatten sie die Anhöhe erreicht. Unter ihnen lagen die Häuser der Siedlung als dunkler Fleck, durch den sich wie ein heller Streifen die Straße zog. „Das wäre geschafft“, sagte Little Joe froh. „Hoffentlich hat Sherman einen guten Whisky im Hause. Ich könnte jetzt einen gebrauchen.“ „Es brennt nirgendwo Licht“, stellte Lex verwundert fest. „Weißt du, mir kommt das verdammt komisch vor. So spät ist es doch noch nicht.“ Vorsichtig ritten sie auf dem schmalen Serpentinenpfad nach unten und erreichten die Straße, die in die Siedlung führte. Lex hielt sein Pferd an. „Na, komm“, sagte er dann. „Aber ich wette mit dir, daß sich keine Seele in dieser Siedlung befindet. New Virginia City ist eine Geisterstadt.“ So war es auch. Die Siedlung war von ihren Bewohnern verlassen worden. Alle Häuser standen leer, die Fensterscheiben waren zerbrochen, und die Türen hingen lose in den Angeln. In den Häusern lag das Mobiliar zerschlagen am Boden, was darauf hindeutete, daß hier gekämpft worden war. Offenbar hatten Indianer die Siedlung vor noch nicht langer Zeit überfallen. Brandspuren an den Häusern deuteten ebenfalls darauf hin. Da es jetzt schnell dunkel wurde, suchten sich die Männer ein Quartier. Sie fanden es im Schankraum des Saloons. Dort war der Ofen noch in Ordnung, und sie fanden auch zwei
Matratzen für ein weiches Nachtlager. Auf der offenen Herdstelle in der Küche bereiteten sie sich ihr Abendbrot und hüllten sich, nachdem sie auch die Pferde versorgt hatten, in ihre Decken. Sie hatten die Pferde mit in den Schankraum genommen, um vor Überraschungen sicher zu sein. Am nächsten Morgen brachen sie schon früh auf, um so schnell wie möglich das Lager zu erreichen. Bei diesem Ritt zurück mußten sie sehr vorsichtig sein. Wo befanden sich die Rothäute, deren Anführer sie gestern gesehen hatten? Auf dem ersten Höhenzug, den sie überquerten, zügelte Lex plötzlich sein Pferd. „Da sind sie! – Indianer!“ Er sprang aus dem Sattel. Little Joe glitt ebenfalls aus dem Sattel und kroch zum Rand eines Felsens. Sofort war Lex neben ihm. Kaum zwanzig Meter unter ihnen ritten die Indianer vorbei. Es waren etwa einhundert Paiutes auf ungesattelten Pferden. Alle trugen Gewehre und Patronengurte um die Schultern. Die Anführer, zwei hochgewachsene Indianer, trugen die Federhaube von Häuptlingen. Das war ohne Zweifel die gesamte Schar der aufrührerischen Paiutes. Gegen sie konnte der Graue Wolf mit seinen mit Pfeil und Bogen bewaffneten Kriegern wirklich nichts ausrichten. „Dann werden sie unser Lager bei Dämmerung angreifen“, flüsterte Little Joe. „Wir müssen sofort zurück und unsere Leute warnen. Ich bin nur gespannt, wie viele weiße Banditen noch zu ihnen stoßen werden.“ Sie wollten zu ihren Pferden, doch da standen vier kriegsbemalte Paiutes und hatten ihre Gewehre auf sie gerichtet. Bevor sie zu den Waffen greifen konnten, wurden Lex und Little Joe von mehreren Indianern, die plötzlich aus einem Gebüsch sprangen, zu Boden geworfen und gefesselt.
„Na, dann wäre für uns wohl Feierabend“, stieß Lex wütend durch die Zähne. „Was sollen wir gegen diese Burschen ausrichten?“ Die Indianer führten sie zu ihren Pferden. Sie mußten aufsitzen. Nach einem kurzen Ritt erreichten sie einen Talkessel mit Spitzzelten. Auch hier befanden sich noch etwa zwanzig bewaffnete Paiutes, die der Lagerwache angehörten. Nachdem die Indianer die Fesseln ihrer Gefangenen noch einmal überprüft hatten, führten sie Little Joe und Lex in ein Zelt und bedeuteten ihnen, sich dort niederzulassen. Ein Mann blieb als Wache vor dem Zelt zurück. „Ich wundere mich nur, daß sie uns nicht sofort umgebracht haben“, sagte Little Joe. „Es ist gar nicht ihre Art, auf Kriegspfad Gefangene zu machen.“ „Das wundert mich auch“, nickte Lex. „Sicher haben sie aber ihre Gründe dafür.“ Den Grund sollten sie auch sehr schnell erfahren. Ein mehrmaliges hartes Pfeifen zog durch die Luft, und dann brüllte eine Stimme: „Heraus mit euch, ihr Galgenvögel! Ich werde euch die Seele aus dem Körper peitschen, wenn ihr mir nicht Rede und Antwort steht.“ Als Lex und Little Joe vor das Zelt traten, sahen sie dort einen schlanken Mann in einer schäbigen Westerntracht stehen. Der Kerl schwang eine schwere Bullpeitsche in der Hand. Im selben Moment ließ er jedoch die Hand mit der Peitsche sinken, und auf sein bärtiges Gesicht trat Überraschung. „Ich werde glatt verrückt, Little Joe!“ „Jerry“, brüllte Little Joe und stürzte auf den Bärtigen zu, um ihn zu umarmen. „Wie kommst du hierher?“ „Ich führe die tapferen Krieger des Grauen Wolfes gegen ihre aufsässigen Stammesgenossen und eine Handvoll weißer Banditen, nachdem ich sie mit Gewehren der Armee ausgerüstet habe“, lachte Jerry. „Aber diese Idee stammt von
deinem Vater. Er schickte mir einen Brief durch die Postreiter, und ich kam sofort zur Ponderosa, aber ihr wart damals auf der Suche nach Taifun. Dort haben wir das alles besprochen. Er hat doch recht, euer Vater. Anstelle der Strafexpedition, die schon vorgesehen war, konnte ich meinen Kommandeur dazu überreden, die Paiutes mit Waffen auszurüsten. Jetzt tragen sie alles unter sich selbst aus, und wir brauchen keinen Mann einzusetzen.“ „Und Pa hat uns nichts davon gesagt“, lachte Little Joe überglücklich. „Wir hatten schon geglaubt, es hätte uns erwischt.“ „Da kann ich nur froh sein, daß ich Befehl gab, mir jeden Weißen vorzuführen. Ich dachte schon, sie hätten mir zwei der Galgenvögel aufgespürt.“ „Das ist Major Jerry Cox von der ersten KavallerieDivision“, stellte Little Joe Lex den Freund vor. „Wieder einmal sozusagen in geheimer Mission, wie damals, als es um Lafitte und seine Bande ging. Ich erzählte dir davon.“ „Dann kenne ich Sie schon, Major“, sagte Lex und reichte Jerry die Hand. „Sie sind der berühmte Banjomann, von dem Hop Sing noch immer erzählt, nicht wahr?“ Jerry lachte aus vollem Halse, wurde dann aber sofort wieder ernst. „Ihr seid mit dem Treck auf dem Weg zum Canon, stimmt’s?“ „Wir haben kurz vor dem Canon das Lager aufgeschlagen“, antwortete Little Joe. „Aber woher weißt du das?“ „Die Ausreise des Trecks wurde mir von deinem Vater in einem Brief bekanntgegeben, den mir ein Postreiter brachte. Euch dient der Treck als Lockmittel und uns ebenfalls. Werdet ihr angegriffen, greift Tenaque mit seinen Kriegern in den Kampf ein, und das dürfte das Ende der indianischen Rebellen und der weißen Banditen sein. Es wird wieder Ruhe in diesem Gebiet herrschen.“ Jerry sah sich um, denn zwei Indianer ritten
heran. Sie redeten in ihrer Sprache auf ihren weißen Anführer ein, und Jerry antwortete ihnen in gleicher Weise. Während die Indianer aus dem Lager preschten, wandte sich Jerry wieder den Freunden zu. „Die Kundschafter berichten, daß sich die Indianer-Rebellen mit den weißen Banditen in der Nähe des Canons sammeln. Sie werden bestimmt noch im Laufe des Nachmittags angreifen. Tenaque ist mit seinen Kriegern bereits dorthin unterwegs.“ Er schlug Little Joe vor, schnellstens zum Treck zurückzureiten, um die Leute zu unterrichten. Er würde mit dem Rest der Indianer das Lager der weißen Banditen einkreisen. Für die Festnahme der Burschen sei er seinem Kommandeur verantwortlich. So schwangen sich Little Joe und Lex schnellstens auf ihre Pferde, um die Nachricht zum Treck zu bringen.
Der Treck war schon am vergangenen Tag zu einer Wagenburg aufgefahren worden. Man hatte unter den Wagen sogar Schutzwälle aufgeworfen und die Kanone in Richtung des Canons in Stellung gebracht. Mit Wasser gefüllte Eimer standen bereit, um Brände löschen zu können. Denn Indianer griffen, auch wenn sie Gewehre hatten, gern mit brennenden Pfeilen an, um Verwirrung zu stiften. In der vergangenen Nacht und bis zur Stunde hatte sich nichts Bemerkenswertes ereignet. Zwei Männer waren zu einer Patrouille losgeschickt worden, damit man vor Überraschungen sicher war. In der Wagenburg herrschte beste Stimmung. Die Männer foppten diejenigen, die Frauenkleider trugen und sich ab und zu vor der Wagenburg zeigen mußten. Man war sicher, daß die Wagenburg längst beobachtet wurde. Gewehre und Munition lagen bereit, und jedem der Männer war ein Platz hinter dem Schutzwall angewiesen worden.
Seit dem frühen Morgen war Hoss in Sorge. Er hatte das Kleid ausgezogen und hockte mißmutig, das Gewehr über den Knien, auf dem Kutschbock eines Planwagens. Immer wieder suchte er mit den Augen die Gegend ab, aber sein Bruder und Lex waren noch nicht zu erspähen. So war er es, der zuerst das reiterlose Pferd sah, das auf die Wagenburg losstürmte. Hinter ihm tauchte bald darauf ein Reiter auf, der mehr im Sattel hing als saß. Es war die ausgeschickte Patrouille, die auf Indianer gestoßen war. Einer der Männer war gefallen, der andere durch einen Schuß schwer verwundet. Er berichtete, die Indianer sammelten sich in der Nähe des Canons zum Angriff. „Da – zwei Reiter!“ rief plötzlich jemand. Sofort war Hoss neben ihm. Er erkannte zu seiner Freude Little Joe und Lex und öffnete den schmalen Durchlaß in die Wagenburg. Sekunden darauf sprangen die Freunde von den Pferden. Hoss wollte zuerst gar nicht glauben, was sein Bruder berichtete. „Dann hat sich Pa mit Jerry ohne unser Wissen in Verbindung gesetzt?“ Little Joe nickte. „Ja, und ich muß sagen, daß seine Idee großartig war. Jetzt tragen die Paiutes alles unter sich aus. Es kommt keine Strafexpedition, und der Graue Wolf ist der Armee noch dankbar, daß sie ihm die Möglichkeit dazu bot. Vielleicht muß Jerry die Waffen später wieder abgeben. Ich weiß es nicht.“ Mit dem Niedergehen der Sonne hinter den fernen Hügelketten trug der Wind plötzlich ein markerschütterndes „Hiiiiii…“ an das Ohr der Männer. Sofort stürmte alles an die Schutzwälle. Über dem nächsten Hügel wurde ein wehender Federbusch sichtbar, daneben ein Cowboyhut. Der Indianer hob die Hand, und rechts und links neben den beiden Reitern preschten die Rothäute auf ihren kleinen, struppigen Pferdchen hervor.
„Erst herankommen lassen!“ brüllte Lex und ließ kein Auge von den anstürmenden Indianern, die sich auf etwa hundert Meter näherten und die Wagenburg in einem großen Bogen umritten. Alle hielten ein Gewehr in den Händen, aber noch fiel kein Schuß. Jetzt galoppierte eine neue Gruppe heran. Diese Indianer waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Ihre Pfeile trugen an der Spitze eine brennbare Masse aus Harz und Federn. Ihre Aufgabe bestand darin, die Zeltplanen der Wagen in Brand zu schießen. Der Führer der Siedler gab das Zeichen zur Verteidigung. Eine Gewehrsalve peitschte in die Reihen der Rothäute, und der Kanonier löste den ersten Schuß. Er ließ in dem Ring der Indianer eine Dreckfontäne hochspritzen. Die Wirkung, die sich alle von dem Einsatz der Kanone versprochen hatten, blieb aber aus. Das Geschrei der durch Alkohol angestachelten Rothäute wurde immer gellender und der Umkreisungsring immer enger. Noch ahnten die Angreifer die Falle nicht. Hoss nahm immer wieder die Angreifer aufs Korn; dabei warf er oft einen Blick zu der Seite, an der Little Joe und Lex im Verteidigungsring lagen. Auch sie schossen, was die Läufe hergaben. Der Erfolg war, daß bald einige reiterlose Pferde aus der Reihe der Rothäute ausbrachen. Auch der zweite Kanonenschuß lichtete die Reihen der Angreifer. Immer mehr reiterlose Pferde durchbrachen den Ring. Die Stimmung der Verteidiger stieg, bis sie plötzlich merkten, daß die von den Pferden gefallenen Indianer keineswegs getroffen waren, sondern sich der Wagenburg kriechend zu nähern versuchten. Man war auf eine List hereingefallen. Überall krochen Rothäute, jede Unebenheit als Deckung benutzend, heran. Bald surrten die ersten Brandpfeile gegen die Wagen. Hoss wurde blaß, als er die Gefahr erkannte. Geschmeidig wie Schlangen wanden sich die Indianer durch das kniehohe
Gras. Voll Schreck sah er plötzlich drei Paiutes innerhalb der Wagenburg. Sie mußten neben dem brennenden Wagen eingedrungen sein. Unter den Feuerstößen seines Colts brachen die Rothäute zusammen. Doch schon wurde das schrille „Hiiiiii…“ von der anderen Seite der Wagenburg hörbar. Dort wehrten sich Little Joe und zwei Siedler gegen eine Übermacht der Roten. Während Hoss seine Colts abfeuerte, erhob sich plötzlich seitlich von ihm ein riesiger Paiute, den Tomahawk in der Hand. Wild warf sich Hoss zurück und richtete seinen Colt auf die angreifende Rothaut. Der Bolzen schlug jedoch gegen die leergeschossenen Hülsen. Schon holte der Indianer zum Schlag aus, da sprang ihm Lex auf den Rücken und riß ihn zu Boden. Little Joe merkte, daß die Indianer plötzlich zurückwichen, ihre Pferde einfingen und davonstürmten. Da wehte ihm der Wind ein erneutes wildes „Hiiiiii…“ zu. Weit hinten stürmte in breiter Front Tenaque mit seinen Kriegern heran. Allen voraus der Häuptlingssohn, in der Linken ein Gewehr und in der Rechten den Tomahawk schwingend. In wilder Jagd nahm der Hauptstamm der Paiutes die Verfolgung der flüchtenden Rebellen auf. Als die Nacht hereinbrach, brannte inmitten der Wagenburg ein lodernder Holzstoß. In seinem Schein verkündete Tenaque den Sieg seines Stammes über die Rebellen. Etwas später traf Jerry Cox mit dem Rest der Paiutes ein. Sie brachten eine Reihe weißer Banditen mit, die zur Aburteilung nach Fort Grenwell gebracht werden sollten. Die meisten der weißen Banditen, unter ihnen auch Montano und Finlay, waren von den Indianern erschossen worden. Wie Jerry erklärte, waren Montano und Finlay erst gestern in dem Lager der Weißen eingetroffen, um die Indianer zum Angriff gegen den Treck zu mobilisieren. „Und wo ist das Gold gefunden worden?“ fragte Little Joe.
„Unweit des neuen Siedlungsgebietes“, erklärte Jerry. „Dort befand sich auch das Lager. Es handelt sich um einen alten Stollen, in dem früher schon einmal Digger gegraben haben. Ob es sich um einen ergiebigen Fund handelt, muß eine Untersuchungskommission feststellen.“ „Jedenfalls war das Gold die Ursache der ganzen Unruhen“, sagte Little Joe. „Es begann mit dem Mord an dem Mann, der den Claim in Virginia City anmelden wollte. Sein Mörder verbündete sich mit Montano und Finlay, um diesen Claim für sich auszubeuten. Mit Hilfe der Indianer gelang es ihnen, die Siedler aus diesem Gebiet zu vertreiben und es zu einem Unruheherd zu machen.“ „Dann fehlt uns also noch einer?“ fragte Jerry. Little Joe nickte. „Der Urheber dieser ganzen Geschichte, aber wir wissen bereits, wer es ist. Hoffentlich kommen wir noch zur rechten Zeit zurück, um seine Flucht zu vereiteln.“ Ben Cartwright hatte sich den Bericht seiner Söhne angehört. Er war sehr zufrieden, daß Major Cox auf seinen Vorschlag eingegangen war und die Paiutes bewaffnet hatte. „Die Idee war aber auch wirklich gut, Pa“, sagte Hoss. „Nur hättest du uns in den Plan einweihen müssen.“ „Aber ich wußte doch gar nicht, ob Jerry seine Dienststelle dazu überreden konnte, die Paiutes zu bewaffnen“, erwiderte Ben Cartwright. „Ich bin überzeugt, ihr selbst hättet mich zuerst einmal für verrückt erklärt. Aber es war wirklich die beste Lösung.“ Er nahm seinen Hut. „Und nun kommt! – Jetzt wollen wir uns einmal um Richter Rickers kümmern. Er hat bereits gestern sein Konto bei der State-Bank in Carson City und Angelus abgehoben.“ Als sie aus dem Haus kamen, trabte Lex auf Taifun vorbei. „Nun, was macht er?“ fragte Ben Cartwright. „Er macht das Rennen“, lachte der Schnauzbärtige. „Ich habe wirklich noch nie ein so gutes Pferd geritten. Die zehntausend
Dollar sind Ihnen so gut wie sicher, besonders, nachdem jetzt Montanos Ben Hur ausfällt. Er ist aus dem Rennen gezogen worden, denn Sheriff Coffee hat sämtlichen Besitz von Montano und Finlay beschlagnahmt.“ „Und Cora Orton?“ „Die kann eigentlich nur Little Joe gefährlich werden“, grinste Lex und brauste davon. Vor dem Büro des Richters stand Ben Turner, der Hilfssheriff. Er kam sofort auf die Cartwrights zu, als diese von den Pferden stiegen. „Er ist noch im Büro“, sagte er zu Ben Cartwright. „Ich habe ihn keinen Augenblick aus den Augen gelassen.“ „Okay, Ben! – Dann wollen wir mal!“ Im Büro sah Mr. Melbers, der Bürovorsteher, etwas überrascht auf, als die Cartwrights eintraten. „Sie haben gestern in Carson City und Angelus alles Geld vom Konto des Richters abgehoben“, begann Cartwright. „Hatten Sie von Richter Rickers den Auftrag dazu?“ „Ja, natürlich“, erwiderte Melbers. „Was veranlaßt Sie zu dieser Frage?“ „Ich soll sie im Auftrag von Sheriff Coffee an Sie stellen und fragen, wo sich Richter Rickers befindet“, sagte Ben Cartwright. „Er war der Komplice von Montano und Finlay. Sicher wissen Sie, was man in der Stadt erzählt, nachdem der Treck zurückgekommen ist.“ „Ich weiß“, nickte Melbers. „Aber ich kann das alles nicht glauben. Ich habe ihm das Geld gestern abend übergeben. Er ist dann fortgeritten.“ „Und wohin?“ „Das entzieht sich meiner Kenntnis.“ Melbers überlegte eine Weile. „Ja, wenn ich es so überdenke, sah tatsächlich alles nach einer Flucht aus. Er hat die Eintragung des Claims im Hauptbuch gestrichen… Sollte er tatsächlich mit Montano und
Finlay gemeinsame Sache gemacht haben? Ich möchte sagen, jetzt bin ich fast sicher.“ „Ausgezeichnet, Mr. Melbers“, erwiderte Ben Cartwright. „Und Sie wissen wirklich nicht, wo sich der Richter aufhält?“ „Tut mir leid!“ Melbers hob die Schultern. „Ich habe ihn bis zu dieser Stunde nicht wieder gesehen.“ „Dann bitte ich Sie, das dem Sheriff persönlich mitzuteilen. Er will das Fahndungsblatt ausstellen und benötigt Ihre Angaben.“ „Dazu bin ich natürlich gerne bereit“, nickte Melbers. In der Sheriffstation grinste Coffee etwas komisch, als die Cartwrights mit Melbers eintraten. Little Joe merkte es sofort, und er wußte nicht, was er davon halten sollte. Der Sheriff war nie sehr humorvoll. Melbers machte seine Angaben zur Person Richter Rickers’. Er erklärte, daß er das Geld für ihn abgehoben habe und daß Rickers vermutlich geflohen sei. Er kam dabei auch noch einmal auf die Streichung des angemeldeten Claims zu sprechen und meinte, das sei für einen Verdacht gegen Richter Rickers maßgebend. Coffee nickte dazu, machte einige Notizen und nahm schließlich das Blatt zur Hand. „Ich lese Ihnen jetzt mal Ihre Aussage vor“, sagte er dann. „Bitte“, nickte Melbers. Der Sheriff las: „Ich, der Bürovorsteher Henri Melbers, gebe folgendes zu Protokoll: Als mir ein gewisser Hamilton am vierundzwanzigsten November einen Claim anmeldete, habe ich die Eintragung zwar vorgenommen, doch sofort wieder gestrichen. Ich konnte Montano und Finlay dazu bewegen, mit mir gemeinsam den Claim auszubeuten. Dabei kamen wir auf die Idee, die Indianer für unsere Zwecke zu gewinnen, um das Gebiet von Siedlern freizuhalten…“
„Moment mal!“ Melbers war aufgesprungen. „Das habe ich doch nie gesagt, das wäre doch völliger Unsinn…“ Ben Turner, der Hilfssheriff, hatte plötzlich seinen Colt in der Hand. „Setzen Sie sich, und hören Sie weiter zu.“ Melbers ließ sich mit einem verzerrten Lächeln wieder auf den Stuhl zurücksinken. Der Sheriff las weiter: „Als ich vorgestern von dem gescheiterten Überfall auf den Treck erfuhr, lud ich Richter Rickers unter einem Vorwand zu einem Ritt in die Berge ein und erschoß ihn dort, um einen unbequemen Mitwisser, den ich mir nur durch Drohungen gefügig gemacht hatte, loszuwerden. Da Rickers ein sehr ängstlicher Mensch ist, gelang es mir immer wieder, ihn von einer Aussprache mit dem Sheriff abzuhalten, zumal mir auch Montano zur Seite stand. Bei Montano hatte Rickers Spielschulden, die aber nur durch unreelle Manipulationen entstanden waren…“ „Sie müssen verrückt sein“, brüllte Melbers aufgebracht. „Wenn Sie so verrückt sind, mich anzuklagen, müssen Sie mir das erst einmal beweisen.“ Er lachte verzerrt. „Montano und Finlay sind tot.“ „Aber ich lebe“, sagte plötzlich eine Stimme. Alle wandten sich um und sahen in der Tür zum Haftraum Richter Rickers stehen. Er trug einen Verband um den Kopf. Melbers starrte ihn mit großen Augen an. „Tja“, sagte Sheriff Coffee. „Als mir Mr. Cartwright von der Austragung des Claims berichtete, ließen wir Richter Rickers keinen Moment unbeobachtet. Ben Turner und ich waren Zeugen, als Sie auf ihn schossen. Er stürzte in die Schlucht, aber Sie hatten ihn nur verwundet. So fanden wir ihn.“ Melbers war auf seinem Stuhl zusammengesunken. Sheriff Coffee trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Melbers, ich verhafte Sie wegen Mordes an dem Digger Hamilton sowie wegen Anstiftung zum Aufruhr.“
Das Rodeo hatte begonnen. Die Preise im Zureiten von Wildpferden und im Einfangen von Jungstieren waren bereits vergeben. Jetzt stand noch das große Derby bevor. Von allen Pferden, die gemeldet worden waren, kamen zwölf in die Ausscheidung, darunter waren auch Taifun und Cora Ortons Apfelschimmel Pascha. Am Tag des Derbys traf Besuch auf der Ponderosa ein. Es waren Jerry Cox und sein Kommandeur. „Oberst Monster möchte Sie kennenlernen“, sagte Jerry, als er seinen Vorgesetzten vorgestellt hatte. „Ja, Mr. Cartwright“, meinte der Oberst. „Ich muß den Mann kennenlernen, der uns einen so ungewöhnlichen Vorschlag machte.“ „Die Paiutes zu bewaffnen?“ lachte Ben Cartwright. „Darin sehe ich nichts Ungewöhnliches. Es klappte doch – oder?“ „Natürlich“, bestätigte der Oberst. „Aber für uns Militärs ist ein solcher Vorschlag geradezu absurd. Wir wissen nicht, wie die Indianer schon morgen denken. Wir müssen immer mit Überraschungen rechnen.“ „Das Experiment hat Ihnen aber doch gezeigt, daß die Indianer ein Vertrauen rechtfertigen“, erwiderte Ben Cartwright. „Man kann mit ihnen reden, wenn man sie als Menschen behandelt und nicht als böse Wilde, die immer darauf bedacht sind, sich den Skalp eines Weißen an den Gürtel zu hängen. Die Strafexpeditionen sind der größte Fehler, den die Armee machen kann. Werden die Indianer aufsässig, so stecken, wie auch in unserem Falle, stets Weiße dahinter.“ In der Tür zur Küche tauchte Hop Sing auf. Er tanzte von einem Bein auf das andere. „Sie kommen!“ brüllte er. „Und Taifun hat Spitze!“ „Was ist los?“ fragte Jerry.
„Die Derbystrecke geht an unserem Haus vorbei“, erklärte Cartwright. „Mr. Lex reitet ein Pferd von uns. – Kommen Sie, sehen wir uns das einmal an!“ Sie gingen zur Straße, und bald darauf wurden die Reiter in der Krümmung sichtbar. Allen voraus Lex auf Taifun mit einer Länge Vorsprung. „Nicht mehl zu schlagen!“ brüllte Hop Sing. „Meine Dollals viele Kindel kliegen!“ „Was meint er?“ fragte der Oberst. Cartwright lächelte. „Er hat auf Taifun gewettet.“ Ben Cartwright wunderte sich, Cora Ortons Apfelschimmel nicht im Feld zu sehen. Cora hatte ihm gestern abend noch erklärt, sie werde auf jeden Fall, auch als einzige Dame, das Derby mitreiten. Während er noch überlegte, sah er Pascha in der Krümmung kommen. Daneben ging Cora hinkend und hielt ihn am Zügel. Ben Cartwright und Jerry liefen ihr entgegen. „Er – er hat mich abgeworfen“, schluchzte Cora. „An dem Wäldchen, kurz vor der Krümmung, scheute er, und ich war nicht darauf vorbereitet.“ „Das tut mir aber wirklich leid“, tröstete sie Ben Cartwright. „Ach, halb so schlimm“, erwiderte das Mädchen. „Ich mag Lex viel zu gut leiden, als daß ich ihm den Sieg nicht gönnte. Ich war sowieso hinter ihm.“ Die Männer geleiteten sie ins Haus, und Hop Sing wurde beauftragt, einen Drink zu servieren. Nach dem Drink verabschiedete sich Oberst Monster. „Ich wollte Sie wirklich nur einmal kennenlernen und muß noch heute zum Fort zurück. Dafür habe ich aber Major Cox einige Tage Urlaub gegeben“, sagte er zu Ben Cartwright, der ihn zum Bleiben aufforderte. „Und das hat er wirklich nur Ihnen zu verdanken.“
Zwei Stunden später trafen auch die glückstrahlenden Sieger ein. Taifun hatte mit einer Länge Vorsprung vor dem zweiten Pferd der Ponderosa, Sandra, die Ben Hawkins geritten hatte, gesiegt. Nach der Begrüßung Jerrys widmete sich Hoss nur noch Cora Orton, die mit ihrem verletzten Bein auf dem Sofa lag. „Er hat bestimmt einen kleinen Dachschaden“, erklärte Little Joe. „Coralein hin, Coralein her! – Schau dir nur sein Vollmondlächeln an!“ „Ach, er ist doch nur verliebt“, meinte Jerry. „Aber er glaubt auch, daß Eichhörnchen sprechen können.“ In diesem Moment rief Hoss vom Sofa her: „Daß wir gewinnen würden, haben mir heute morgen schon die Eichhörnchen gesagt, Little Joe. – Freust du dich darüber?“ Little Joe sah Jerry an und tippte sich wortlos gegen die Stirn.
Ausklang
Auf der Ponderosa wurde der Sieg Taifuns gefeiert. Zu diesem Fest hatten sich auch Mr. Orton und Cora eingefunden. Das Mädchen saß zwischen Hoss und Little Joe auf dem Sofa und ließ die schmachtenden Blicke des Dicken über sich ergehen. Hop Sing wartete mit einem vorzüglichen Essen auf, und der dazu gereichte Wein war einer der besten Sorten aus dem Keller der Ponderosa. Jerry Cox trug die Majorsuniform der Kavallerie-Division. Sie flößte Hop Sing ungeheure Achtung ein. Ihm gefiel Jerry viel besser in seiner alten Westerntracht. Dann war er für ihn der alte „Banjomann“. Zwar hing das Banjo, das ihm Jerry geschenkt hatte, in seiner Kammer, aber in Anbetracht der Uniform wagte er nicht, Jerry zum Spielen aufzufordern. „Wenn wir jetzt ein Tänzchen machen könnten, Coralein“, schmachtete Hoss. „Vielleicht fragst du Jerry mal, ob wir das Banjo holen können.“ Das tat Cora, und Hop Sing bekam zu seiner größten Freude den Auftrag, das Instrument herbeizuholen. „Zuerst bin ich aber dran“, flüsterte Little Joe seinem Bruder zu. „Dann gebe ich sofort deine Verlobung mit Cora bekannt“, erwiderte Hoss grinsend. Diese Drohung ließ Little Joe sofort wieder auf das Sofa zurücksinken, und so tanzten Hoss und Cora nach den Klängen des Banjos, zu denen Jerry gekonnt die Melodie pfiff. Little Joe veranlaßte das, den Anwesenden zu erklären, sie sähen den Tanz eines Nilpferdes mit einer Gazelle, und alle lachten. Danach tanzte Little Joe mit Cora, und Mr. Orton meinte
augenzwinkernd zu Ben Cartwright, die beiden seien doch ein wirklich schönes Paar. Auch Lex versuchte auf krummen Reiterbeinen und mit hochgerecktem Kinn ein Tänzchen mit Cora, zu dem alle Anwesenden den Takt in die Hände klatschten. Er hatte sich zur Feier des Tages sein sauberstes Hemd angezogen, sein Schnurrbart war gestutzt und sein rotes Halstuch von Hop Sing gewaschen worden. So herrschte bald eine ausgelassene Stimmung, zu der vor allem Jerry mit der Darbietung heiterer Westernsongs beitrug. „Dieses Fest ist gleichzeitig aber leider auch ein Abschiedsfest“, sagte Ben Cartwright zu Mr. Orton. „Major Cox und Mr. Lex wollen uns Ende der Woche verlassen. Ich hätte Mr. Lex gerne hierbehalten, aber Major Cox bot ihm bei der Division eine Stelle als Kundschafter an.“ „Glauben Sie mir, ich fühlte mich hier auf der Ponderosa sehr wohl“, antwortete der Schnauzbärtige. „Aber ich muß mir jetzt mal wieder anderen Wind um die Nase wehen lassen. Das ist nun mal so bei mir.“ In der Tür stand Hop Sing und bat, für kurze Zeit auf den Hof gehen zu dürfen. Ein Landsmann sei gekommen, der ihm die Eichhörnchen abkaufen wolle. „Hoffentlich sie jetzt auch splechen“, meinte er. „Vielleicht wiedel etwas vellückt und nicht splechen.“ Damit rannte er hinaus. „Ich glaube, da muß ich dabeisein“, grinste Lex und erhob sich. „Hop Sing macht sonst bestimmt kein Geschäft.“ Little Joe sah seinen Bruder an. Er hielt es jetzt endlich für angebracht, ihn über die sprechenden Eichhörnchen aufzuklären. „Hast du schon gemerkt, daß Hop Sings Eichhörnchen nur sprechen, wenn Lex dabei ist?“ „Klar“, grinste Hoss zur größten Überraschung seines Bruders. „Und was schließt du daraus, du Hammel?“ Hoss zwinkerte mit den Augen. „Wie meinst du das?“
„Weißt du, daß nur Lex die Stimmen macht?“ „Ja, klar“, grinste Hoss. „Eichhörnchen können doch nicht sprechen. Außerdem hatte ich das Plakat in Lex’ Kammer gefunden, als ich dort aufräumte.“ Little Joe sah ihn entgeistert an. „Und warum hast du…?“ „Weil ich dir eine Freude machen wollte. Weißt du, als Taifun plötzlich auch sprach, da wurde ich mißtrauisch.“ „Und da hast du mich die ganze Zeit über in dem Glauben gelassen…“ Little Joe fand einfach keine Worte mehr. „Du freutest dich doch immer so darüber“, lächelte Hoss. „Da konnte ich es einfach nicht übers Herz bringen, dir diese Freude zu nehmen.“ Er sah seinen Vater an. „Was, Pa? – Wie haben wir uns erst mal über unseren Kleinen gefreut.“ Alles lachte. Draußen verhandelte Hop Sing mit einem jungen Chinesen, als Lex aus dem Haus kam. Er hatte den Eichhörnchenkäfig auf der Treppe zur Küche stehen, und der junge Chinese legte immer wieder lauschend den Kopf an die Drähte. „Gut, Sie kommen, Mistel Lex“, wandte sich Hop Sing an den Schnauzbärtigen, „Sie wissen, meine Eichhölnchen splechen, nicht wähl? Sie können bestätigen.“ „Doch, doch“, nickte Lex. „Und zwanzig Dollal zuviel fül splechende Eichhölnchen?“ „Abel sie nicht splechen“, wandte der Chinese ein. „Doch, wir sprechen“, tönte ein feines Stimmchen plötzlich aus dem Käfig. „Aber wir wollen nicht verkauft werden. Wir möchten bei Hop Sing bleiben.“ „Na, du gehölt?“ fragte Hop Sing mit breitem Grinsen seinen Landsmann. „Ich nicht lügen!“ „Ja, wundelbal“, bestätigte der junge Chinese verblüfft. Er zog eilig die Geldscheine aus der Tasche und übergab sie Hop Sing. „Gekauft!“
Als der junge Mann jedoch den Käfig aufnehmen wollte, tönte erneut das dünne Stimmchen: „Du hast uns also doch verkauft, Hop Sing. Das sollst du aber noch wissen: Zur Strafe sprechen wir ab sofort kein Wort mehr.“ Der junge Chinese sah erschrocken auf. „Tut mil leid“, erklärte Hop Sing achselzuckend. „Ich nicht dafül können, wenn sie nicht wollen. – Geschäft ist Geschäft!“ Lex hatte in diesem Moment den Verdacht, daß auch Hop Sing über alles genau im Bilde war.
Ende